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German Pages 164 [169] Year 1979
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Reinhard Peesch Volkskunst
Reinhard Peesch
Volks kunst
Umwelt im Spiegel populärer Bildnerei des ^Jahrhunderts
Akademie -Verlag Berlin 1978
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1978 Lizenznummer: 202 • 100/144/78 Gestaltung: Willi Bellert Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 753 045 5 (6349) L S V 0705 Printed in G D R D D R 12,50 M
Inhalt
Vorwort
7
Volkskunst im 19. Jahrhundert
9
Die Art und Weise ihrer Produktion und Konsumtion Ein Überblick Spielzeug
27
Bilder der Umwelt
53
Beispiel Erzgebirgische Volkskunst Beispiel Maritime Volkskunst Gesichter der Dinge
55
94
122
Anthropomorphe und £oomorphe Gestaltung von Gefäß und Gerät Literatur
151
Bildnachweis Register
157
159 5
Vorwort
A
us dem großen Bestand an traditioneller Volkskunst, den unsere Heimat- und Volkskunstmuseen besitzen, stellen wir hier eine Auswahl vor: Bildnereien des 19. Jahrhunderts. Sie umfassen viele Formen: die bunte, vielgestaltige Ornamentik der Textilien, der Keramik, der Möbel, der hölzernen und metallenen Arbeits- und Haushaltsgeräte; die naiv anschauliche Figurenwelt des Spielzeugs, der Weihnachtspyramiden und Weihnachtskrippen, der Geduldflaschen, der Hirtenschnitzerei; die phantasievollen Bilder in Papierschnitt, Figurenschrift, Klebearbeit und Hinterglasmalerei; die großformatigen Landschaftsdarstellungen in Form der Dioramen und Heimatberge. Zur Volkskunst gehört aber auch das breite Spektrum von Bildzeichen und Bildmotiven unterschiedlichster Art, Herkunft und Bedeutung. Der Zugang zu dieser eigenartigen Bilderwelt öffnet sich uns freilich erst, wenn wir sie in Beziehung setzen zur Umwelt der Menschen, die diese Volkskunst geschaffen und gebraucht haben. Deshalb
fragen wir in diesem Buch hauptsächlich nach dem Realitätsverhältnis der Volkskunst. In welcher Art und Weise werden die gegenständliche Umwelt, aber auch die konkrete Lebenstätigkeit von Individuen und sozialen Gruppen in volkstümlicher Bildnerei wahrgenommen, verstanden, erlebt und abgebildet? Andere Fragen, besonders die wichtige nach den historischen Entwicklungsprozessen, denen Volkskunst in gleicher Weise unterworfen ist wie andere Sachbereiche der Volkskultur, schließen sich hier an. Zur Einführung in den Fragenkreis beginnt das Buch mit einem Überblick über die Formen der Volkskunstproduktion und der brauchtümlichen Volkskunstkonsumtion. Im Mittelpunkt der Darstellung stehen die bildnerischen Schöpfungen, die in besonderer Weise Umweltbeziehungen zum Ausdruck bringen: das figürliche Spielzeug, die Bildnereien von der Arbeitswelt, wofür wir als Beispiele das Erzgebirge mit der Kunst des Bergmanns und die Nordsee- und Ostseeküste mit der Kunst des Seemanns ausgewählt haben, sowie die anthropomorphen und zoomorphen Gestaltungen an Gefäß, Haushalts- und Arbeitsgerät. Wir charakterisieren verschiedene Bildgattungen populärer Bildnerei, behandeln ihre Funktionsund Wirkungsfelder, aber auch die Fragen nach den Traditionslinien, in denen sie stehen. Wir verfolgen dabei das Ziel, so manchen falschen Schein, mit dem traditionelle Volkskunst noch so oft umkleidet wird, abzutragen und kritische Einsichten in das Kunstverständnis und das Kunstvermögen der an der Produktion wie an der Konsumtion beteiligten Handwerker, Manufakturarbeiter, Bauern, Hirten, Bergleute, Seeleute und anderer Werktätiger zu vermitteln. Wesen und Sinn populärer Bildnerei, ihr historischer Formenbestand, aber auch die historisch bedingte Beschränktheit ihrer Inhalte sollen sichtbar gemacht werden. Unser Buch versteht sich deshalb als ein Beitrag zur Geschichte der Kultur und Lebensweise werktätiger Schichten im 19. Jahrhundert. Dieses Buch ist — einer Anregung des Akademie-Verlags folgend — populärwissenschaftlich angelegt. Es behandelt deshalb die 7
historische Volkskunst nicht in systematischer Vollständigkeit, was bei dem knappen Umfang auch gar nicht möglich wäre, und verzichtet weitgehend auf die kritische Abhandlung umstrittener Probleme. Auch Fußnoten zum Nachweis der Sachbelege und wissenschaftlicher Vorarbeiten können nicht aufgenommen werden. Dem Literaturverzeichnis am Schluß des Bandes sind die hierfür benutzten Quellen zu entnehmen. Mein Dank gilt den Museumsleitern und privaten Sammlern, die mir freundlicherweise die Auswertung ihrer Sammlungen ermöglichten und die Arbeit durch Informationen und Beschaffung von Bildvorlagen förderten. Meinen Kollegen Dr. Wolfgang Rudolph und Dr. Helmut Wilsdorf möchte ich für wertvolle Hinweise zu den Sachkapiteln herzlich danken.
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Volkskunst im 19 Jahrhundert Die Art und Weise ihrer Produktion und Konsumtion Ein
Überblick
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/ olkskunst ist ein geläufiger Begriff unserer Zeit. Meist wird er auf alle » Formen künstlerischer Tätigkeit der Werktätigen angewandt, auf darstellende Formen (Tanz, Musik, Theaterspiel) ebenso wie auf bildende (Malen, Schnitzen, keramisches Bilden, Weben und andere). Daneben hat sich für die bildende Volkskunst die neue Bezeichnung „bildnerisches Volksschaffen" eingebürgert. Daß dieses Kunstschaffen nicht professionell betrieben wird, unterscheidet Volkskunst heute von den berufsmäßig ausgeübten Künsten. In den Formen und Inhalten sind die Grenzen jedoch praktisch aufgehoben. Denn das künstlerische Volksschaffen orientiert sich vor allem an den Leistungen der professionellen Kunst und strebt wie diese danach, die gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart zu gestalten. Die große Bedeutung, die das bildnerische Volksschaffen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft unserer Zeit bereits erlangt hat, resultiert aus diesen hohen künstlerischen Zielsetzungen.
Wie aber ist die historische Volkskunst, die wir hier behandeln wollen, näher zu bestimmen und wo ist sie im Gesamtsystem der Kultur einer vergangenen Epoche anzusiedeln? Auf keinen Fall darf sie losgelöst von der Art und Weise ihrer Produktion und Konsumtion gesehen werden. Volkskunst wird produziert von Werktätigen, und sie dient den Bedürfnissen der Werktätigen. Deshalb ist sie Teil der Kultur und Lebensweise der werktätigen Klassen und Schichten. Der historische Bezugsrahmen aber, innerhalb dessen Kultur und Lebensweise sich entwickeln können, ist das gegebene System der gesellschaftlichen Verhältnisse in der jeweiligen Klassengesellschaft. Wenn aus diesem Grunde Kultur und Lebensweise der werktätigen Klassen und Schichten historisch und sozialökonomisch determiniert sind, so sind es auch ihre bildnerischen Tätigkeiten und die Produkte dieser Tätigkeiten. In den vergangenen Klassengesellschaften ist die Volkskunst demnach klar zu scheiden von der „hohen Kunst", der Kunst der herrschenden Klassen. Diese Unterscheidung gilt auch dann, wenn man von dem spezifischen Charakter dieser Künste ausgeht. Beide, die „hohe Kunst" wie die Volkskunst, sind zwar als eine ästhetische Auseinandersetzung mit Natur und gesellschaftlicher Umwelt, als eine ästhetische Aneignung von Natur und gesellschaftlicher Umwelt zu verstehen. Doch scheiden sie sich eben in dem Punkt, daß Volkskunstproduzenten und Volkskunstkonsumenten durch ihre Klassenzugehörigkeit mit allen Erlebnissen, Erfahrungen, Kenntnissen, Einsichten, die in ihren Arbeits- und Lebensverhältnissen begründet sind, über ein grundsätzlich anderes Verständnis von Natur und gesellschaftlicher Umwelt verfügen als die Angehörigen der herrschenden Klassen und demzufolge ihre Umwelt mit anderen Augen sehen, sie anders wahrnehmen als diese. Daß auch ihre ästhetische Produktion und Konsumtion in ganz anderen, relativ selbständigen Bahnen verlaufen, ergibt sich hieraus zwangsläufig. Das äußert sich unter anderem auch darin, daß ihre ästhetische Aneignung von Natur und gesellschaftlicher Umwelt immer eine praktisch-nützliche ist. Das heißt, Volkskunst realisiert sich vornehmlich 9
in oder an Objekten, die auf irgendeine Weise praktischen Zwecken dienen. Zweckfreie Volkskunst gibt es nicht. Sie entspricht im großen und ganzen dem, was in der herrschenden Kultur als „angewandte Kunst" bezeichnet wird. In welcher Weise sind nun Produzenten und Konsumenten am Zustandekommen von Volkskunst beteiligt? Was die Produzenten hierfür einbringen, sind ihre großen, teilweise über längere Zeit tradierten Arbeitserfahrungen, ihre Kenntnisse von Formen und Funktionen der produzierten Dinge. Aber auch ihre sonstige materielle Tätigkeit und ihr materieller und gesellschaftlicher Verkehr, wie er sich im Bereich der Familie, der eigenen sozialen Schicht, der Nachbarschaft, der Kirche, eines Vereins oder außerhalb aller Institutionen abspielt, also alles, was ihren „wirklichen Lebensprozeß" ausmacht, 1 wirkt sich auf die eine oder andere Weise auf ihre künstlerische Tätigkeit aus. Andererseits nehmen die Konsumenten zu den produzierten Dingen Stellung, bringen sie zur gesellschaftlichen Wirkung, verbreiten sie oder wirken in negativer Weise auf diese Prozesse ein. Hierdurch ergibt sich aber auch eine starke Rückwirkung auf den Produzenten und seine Tätigkeit. Insgesamt sehen wir ein wechselseitiges Wirkungsverhältnis, das einerseits Wirklichkeit-Produzent-Kunstwerk, andererseits WirklichkeitKonsument-Kunstwerk, aber auch die direkte Beziehung Produzent-Konsument umfaßt. Das Modell auf folgender Seite möge diesen Zusammenhang veranschaulichen. Das Mittel, mit dem sich Produzenten und Konsumenten — und im weiteren alle, auf die Volkskunst eine Wirkungsfunktion ausüben soll — verständigen, sind bestimmte ästhetische Normen oder genauer gesagt: ikonographische i Der Begriff „wirklicher Lebensprozeß" wird hier in dem Sinne verwendet, wie er von K . Marx und F. Engels in „Die deutsche Ideologie" verstanden und benutzt wird (s. Marx/Engels, Werke Bd. 3, S. 26t.). Vgl. hierzu auch G . Regel, Eigenart, Struktur und Verlauf bildkünstlerischer Schaffensprozesse. In: Bildnerisches Volksschaffen 20 (1975). 10
Normen, die wie eine Zeichensprache von beiden Seiten verstanden, angewendet und ausgenutzt werden. Für die Volkskunst insgesamt existiert so ein System ästhetischer beziehungsweise ikonographischer Normen (für das unter dem Gesichtspunkt der kommunikativen Funktion der Kunst auch der Begriff ästhetischer beziehungsweise ikonographischer Kode oder spezieller: Volkskunst-Kode angewendet wird). Wie dieses System beschaffen ist, hängt im wesentlichen davon ab, was Produzenten und Konsumenten unter den Bedingungen der gesellschaftlichen Entwicklung einer bestimmten Epoche und unter dem mehr oder minder wirksamen Einfluß des allgemeinen kulturellen Fortschritts an Form-, Funktional- und Wertvorstellungen dazu beitragen. Dabei sind die Anteile beider Seiten oft recht unterschiedlicher Art und Bedeutung, da eben aus der Arbeits- und Lebenserfahrung des Produzierenden die Dinge in mancher Beziehung in einem anderen Licht erscheinen als aus den Erfahrungen des Konsumierenden. An Beispielen werden wir einige Gesichtspunkte aus diesem Fragenkomplex in folgendem Überblick noch näher beleuchten, wobei wir zuerst die hauptsächlichen Produktionsformen der Volkskunst vorstellen, danach die wichtigsten Formen ihres Gebrauchs. Vorher müssen wir noch ein Wort dazu sagen, warum wir uns — abgesehen von einigen historischen Rückblicken, die zum Verständnis des Entwicklungsstandes und der Entwicklungstendenzen bildnerischer Tätigkeit notwendig sind — auf das 19. Jahrhundert beschränken. Wir wählen diesen historischen Abschnitt einmal aus rein praktischen Erwägungen; die meisten Objekte, die unsere Museen seit dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts gesammelt haben, stammen aus dieser Zeit. Zum andern lassen wir uns von dem Gesichtspunkt leiten, daß die Volkskunst des 19. Jahrhunderts deshalb unser besonderes Interesse verdient, weil sie in ihren Endstufen bis in unsere Zeit hineinwirkt und in mancher Hinsicht als unmittelbarer Vorläufer des Laienschaffens unserer Zeit anzusehen ist. Tatsächlich vollzieht sich in diesem Jahrhundert der gesetzmäßige Prozeß des Dahinschwindens
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I
Wirklichkeit
Wirklicher Lebensprozeß des Kunstproduzenten
Wirklicher Lebensprozeß des Kunstkonsumenten
Produzent
Konsument
Kunstproduktion
Kunstkonsumtion und -kommunikation
Kunstwerk /
einer unter den sozialökonomischen Bedingungen des Feudalismus entstandenen Volkskunst. Die Sammlungen unserer Museen dokumentieren diesen Prozeß. Es sind zum Teil Objekte des 16. bis 18. Jahrhunderts, entstammen also direkt der Epoche des Feudalismus. Sie standen aber meist noch in vollem Gebrauch, als man sie sammelte, und sind deshalb auf jeden Fall noch der Kultur dieser Zeit zuzurechnen: etwa baugebundene Volkskunst (z. B. geschnitzte Torbögen an niederdeutschen Hallenhäusern), Mobiliar (Truhen, Schränke), durch Zierat besonders ausgezeichnetes Haushaltsgerät, Ziergeschirr und anderes. Feudalistischen Charakter trägt aber auch noch ein großer Teil der im 19. Jahrhundert produzierten Dinge, und zwar insofern als sie in feuda-
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(Nach Günther Regel)
listischen Produktionsweisen hergestellt sind, feudalistische Formvorstellungen fortsetzen und feudalistisches Umweltverständnis reproduzieren. Dabei beobachten wir, daß der Prozeß ihres Schwunds allmählich erfolgt und sich für einzelne Sachbereiche bis gegen Ende des Jahrhunderts hinzieht. E r deckt sich also nicht ganz mit der allgemeinen sozialökonomischen Entwicklung, sondern folgt ihr in einer bemerkenswerten Phasenverschiebung. Andererseits bilden sich im Laufe des Jahrhunderts unter bestimmten sozialökonomischen Bedingungen neue, nichtfeudalistische Formen bildnerischen Schaffens heraus. Wir werden auch diese Entwicklungslinie in Beispielen verfolgen. Nach unserem musealen Bestand, der allerdings aus verschiedenen Gründen ver-
hältnismäßig einseitig ist und deshalb nur bedingt Rückschlüsse auf die realen Verhältnisse zuläßt, ist der größte Teil unserer Volkskunst Handwerksarbeit. Für das 19. Jahrhundert finden wir da Produkte der Tischler (die in manchen Gebieten auch die Reliefschnitzerei und die Intarsienarbeit beherrschen), Drechsler, Formschneider und Korbmacher; der Maler (die spezialisiert sind als Flach- und Faßmaler sowie als Glasmaler), der Grobschmiede, Kupferschmiede, Zinngießer; der Töpfer, Ziegler, Maurer (Ziegelornamentik) und Weißbinder (Kratzputzornamentik), der Leineweber und Zeugdrucker. Doch waren ihre Artikel oft nur Nebenproduktion oder Gelegenheitsarbeit. Manchmal wurden sie nicht einmal in der regulären Arbeitszeit hergestellt, sondern nach Feierabend, wobei sich die Gesellen einen geringen zusätzlichen Verdienst verschaffen durften. Wir kennen solche Feierabendarbeit bei den Geschirrtöpfern, die besonders Spielzeug in dieser Weise fertigten, und bei den Glasmachern, die nebenher figürliches Glas herstellten. Immerhin flössen auch in diesen Fällen die Fachkenntnisse und -erfahrungen ein, die zunftmäßig, das heißt in kontinuierlicher Folge vom Meister auf den Lehrjungen überliefert wurden. Deshalb zeichnen sich die handwerklichen Produkte durch die sichere und fachgerechte Beherrschung der Bearbeitungstechniken und ihre variable, phantasiereiche Anwendung aus, wobei vielfach die individuelle Leistung einzelner Meister und Gesellen zur Geltung kommt. Doch sind es nicht allein die technischen Kenntnisse, die die Handwerker hierbei einbringen. Sie vermitteln auch viel von dem, was ein hochstehendes Kunsthandwerk seit der Mitte des 15. Jahrhunderts für die Bedürfnisse der herrschenden Klasse und unter dem Einfluß ihrer Wertvorstellungen an künstlerischen Ausdrucksformen hervorgebracht und in handwerklicher Arbeitspraxis bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts tradiert hat. Traditionslinien dieser Art lassen sich vielfach nachweisen. Vom bäuerlichen Kleiderschrank, der erst im 18. Jahrhundert die vorher als Verwahrmöbel übliche Truhe ersetzt hat, wissen wir zum Beispiel, daß seine Frontseite weitgehend 12
nach dem Vorbild der in der Kunsttischlerei entwickelten Säulenordnung gestaltet ist. Diese besteht in der architekturmäßigen Dreiteilung in Sockel, horizontal gegliedert durch Profilleisten / Korpus, vertikal gegliedert durch aufgesetzte (oder als Malerei imitierte) Halbsäulen oder Pilaster / Gesims, wieder horizontal gegliedert durch Profilleisten. Von den vielen regional entwickelten Schmuckelementen sei hier nur ein florales Motiv genannt: die Vase (oder der Blumentopf), die mit einer oder mit mehreren Blumen oder Blattranken gefüllt ist. Das Motiv stammt wie viele gleicher Art aus dem Kunsthandwerk der frühen Neuzeit und findet sich seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts auch in der Volkskunst, wo es wegen seiner vorzüglichen Anwendbarkeit als flächenfüllendes Muster gern benutzt wird. Es erscheint — allein oder in Verbindung mit anderen — an Haushaltstextilien, Stubentürverkleidungen, Torständern, Möbeln, hölzernen Haushaltsgeräten, Rückentragekörben, Krügen und anderen Gefäßen, Hinterglasbildern und selbst auf Totenbrettern und Grabdenkmälern. Die Anwendung desselben Motivs bei so verschiedenartigen Werkstoffen und Funktionalformen darf dabei nicht überraschen, denn bereits das Kunsthandwerk hatte sich mit den vielseitig anwendbaren Ornament-Vorlagebüchern, den sogenannten Compertament-, Kunst-, Model-, Säulen-, Schweif- und Zieratenbüchern, die seit dem zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts in unzähligen Auflagen zwei Jahrhunderte lang verbreitet wurden, ein einzigartiges Medium geschaffen, das umfassende Kenntnisse zeitgenössischer Ornamentik allen Zweigen angewandter Kunst zugänglich machte. Aus diesen Ornamentbüchern sind dann im 19. Jahrhundert viele Motive in die handschriftlichen Merkbücher eingegangen, die sich die Handwerksgesellen während ihrer Lehr- und Wanderzeit zur späteren praktischen Verwendung anlegten. Die populäre Ornamentik auf bäuerlichem Mobiliar und Hausgerät läßt solche Zusammenhänge oft noch erkennen. An zweiter Stelle nennen wir den großen Teil der Volkskunst, der aus hausindustrieller und manufakturmäßiger Produktion stammt. Es
sind vor allem hölzerne Artikel, die sich in einfachster Technik als Massenware produzieren ließen. Für ihre Standorte war das reichliche Vorkommen der benötigten Werkstoffe entscheidend. So konzentrierte sich die Hausindustrie hölzerner Waren in Gebieten, deren Holzreichtum eine geeignete Rohstoffbasis boten. Es sind die bekannten Volkskunstzentren: Oberammergau und Berchtesgaden (Schnitzerei von Kruzifixen, Krippenfiguren, Aufsatzfiguren für Möbel, Uhrständer, Spielwaren), der Thüringer Wald (Puppen und anderes Spielzeug), Erzgebirge (gedrechseltes Spielzeug) und seit der Mitte des 18. Jahrhunderts das Südtiroler Grödner Tal mit gleicher Ware wie die Berchtesgadener. Einen Überblick über die umfangreichen Sortimente dieser Industrien einschließlich anderer Spielwaren zur Jahrhundertwende vermittelt das von dem Nürnberger Verleger G. H. Bestelmeier herausgegebene „Verzeichnis eines Magazins von verschiedenen Spiel-, Kunstund anderen nützlichen Sachen", das erstmals 1798 erschien, danach noch mehrmals neu aufgelegt wurde. Von anderen Gattungen gehören hierher auch die populären Hinterglasbilder religiösen und profanen Inhalts aus Manufakturen, von denen sich die größten in der Region Bayrischer Wald—Böhmerwald—Oberbayern—Oberösterreich konzentrierten. Welche Produktivität sie entfalteten, zeigt das Beispiel einer Werkstatt aus dem Ort Sandl in Oberösterreich, aus deren Geschäftsbüchern zu entnehmen ist, daß sie Mitte des 19. Jahrhunderts jährlich 30- bis 40 000 Bilder produzierte. Die Bearbeitungstechniken dieser Industrien stammten zum größten Teil aus der Technologie des Zunfthandwerks, wobei sich an manchen Orten eine direkte Nachfolge der Zunft nachweisen läßt, zum Beispiel in Oberammergau des „Bildschnitzlerhandwerks", das seit dem 16. Jahrhundert bestand. Handwerkliche Produktionsmittel wurden jedoch vereinzelt noch verbessert und neue Anwendungsmöglichkeiten gefunden, und zwar vor allem zu dem Zweck, die Produktivität zu steigern. Denn unter dem Druck eines kapitalistischen Verlagssystems, dem fast alle hausindustriellen Produzenten im 19. Jahr-
hundert unterworfen waren, konnte nur eine gesteigerte Massenproduktion ihre Existenz sichern. Daß unter diesen Umständen die künstlerische Qualität leiden mußte, versteht sich von selbst. Bekannt ist die Redensart der Berchtesgadener Schnitzer „nach sieben Schnitten muß man das Gesicht des Herrn erkennen". Stereotype, formelhafte Stilelemente charakterisieren deshalb die figürlichen Erzeugnisse aus dieser Produktion. Daraus jedoch einen „bäuerlichen Expressionismus" herauslesen zu wollen, wie es expressionistische Maler in der Begeisterung für die naive Kunst der Völker Afrikas und der Südsee zu Anfang des Jahrhunderts taten, wäre grundfalsch. Denn alle Naivität und Expressivität in Hinterglasbildern, in der Herrgottschnitzerei und in anderen Gattungen hausindustrieller Kunstproduktion sind nur die Folge einer durch ökonomische Umstände erzwungenen simplifizierenden Darstellungsweise. In der Tendenz sind auch diese Kunstwerke ganz realistisch angelegt, wie an zahlreichen Beispielen gezeigt werden kann, und wollen auch so verstanden werden. Drittens nennen wir den großen Volkskunstbereich nichtprofessioneller Herkunft. Ist alle Volkskunst, die zunfthandwerklich und hausindustriell gefertigt ist, sowohl durch die Art und Weise ihrer Produktion als auch durch die hiermit vermittelten ästhetischen Traditionen als feudalistisch zu bezeichnen, so gilt das für die nichtprofessionelle Volkskunst nur soweit, als sie — was selten vorkommt — handwerkliche und hausindustrielle Kunstformen kopiert. Sonst geht die populäre nichtprofessionelle Kunst des 19. Jahrhunderts eigene Wege. Sie ist Laienkunst, das heißt eine Kunst von Leuten, die ohne spezielle Fachkenntnisse der Kunstfertigung und in der Regel nur für den eigenen Bedarf schnitzen, malen, basteln oder sich in anderer Weise bildnerisch betätigen. Materiell zeichnet sich die Laienarbeit dadurch aus, daß sie über die Werkstoffe frei von aller zunftmäßig-handwerklichen oder hausindustriellen Beschränktheit verfügt. Sie benutzt an Naturstoffen nahezu alles, was in lokaler Umwelt zur Verfügung steht, wenn es nur leicht bearbeitbar ist, und verwertet auch an Industrieprodukten vieles, !3
was für künstlerische Zwecke geeignet ist (Textilien, Papier, Pappe, Blech, Draht u. a.). Auch in der Wahl der Werkzeuge sind die Unterschiede zur handwerklichen und hausindustriellen Produktion offensichtlich. So ist zum Beispiel in der Holzbearbeitung das Schnitzmesser oft das einzige Werkzeug, das für die Formgebung bei figürlicher Gestaltung ebenso wie für den weit verbreiteten Kerbschnitt und andere Schnitztechniken Verwendung findet. Hinzu kommt gelegentlich das Werkzeug, das ohnehin im Haushalt vorhanden ist. Für die farbliche Fassung, auf die man nur selten verzichtet, müssen allerdings geeignete Farben und Pinsel käuflich erworben werden. Die Armut der technischen Mittel bedeutet jedoch kein Hemmnis für die künstlerische Tätigkeit. Das Gegenteil ist der Fall. Welche ornamentalen Leistungen zum Beispiel mit dem einfachen Messer erzielt werden können, zeigt in hervorragender Weise die Kerbschnitzerei, die wir aus den alpinen Gebieten und aus Norddeutschland kennen, wo sie sich einer größeren skandinavischen Verbreitung anschließt. Sie beruht auf der kreativen Anwendung geometrischer Muster. Grundform ist in der Regel der Kreis, der durch Zirkelschlag unterteilt und gegliedert wird. Auf diese Weise entstehen Rosetten, Wirbelrosetten, Dreisterne, Sechssterne, Zwölfsterne. Durch die Möglichkeit, die Lineaturen und Flächen ganz verschiedenartig stehen zu lassen oder kerbartig wegzunehmen, durch zusätzliche Füllung der Flächen mit Kerbstichornamenten, durch die Reihung unterschiedlicher Muster, schließlich durch unterschiedliche Ornamentierung der außerhalb der Kreise stehenden Flächen ergibt sich eine praktisch unbeschränkte Variationsbreite. Dabei setzen die Schnitzer, wie die erhaltenen Stücke — vor allem Haushaltsgeräte, im Süden auch Geräte der Alpwirtschaft — ausweisen, allen Ehrgeiz daran, stets neue, originelle Muster zu finden. In diesem Zusammenhang müssen wir ein Wort zur Herkunft dieser Motivik sagen. Zweifellos sind diese Muster nicht, wie die sogenannte Sinnbildforschung der 20er und 30er Jahre weismachen wollte, Sinn14
bilder, die in kontinuierlicher Tradition aus germanischer Vorzeit bis in die bäuerliche Gegenwart überliefert worden wären. Sie gehören vielmehr mit größter Wahrscheinlichkeit zum festen Bestand geometrischer Künste, die in den mittelalterlichen Bauhütten entwickelt und später, wohl erst im Laufe des 15. Jahrhunderts, zunächst von anderen Bauhandwerkern (Zimmerleuten, Tischlern) übernommen und erst durch diese dann weiter verbreitet wurden. Bei diesen ornamentalen wie auch bei figuralen Schnitzereien wurde die Kunstfertigkeit ihrer Herstellung oft höher geschätzt als ihre ästhetische Qualität. Zum Beispiel wurden die geschnitzten Bilder in der Flasche, die sogenannten „Eingerichte" oder „Geduldflaschen" mit Darstellungen religiöser oder profaner Motive, wohl kaum wegen einer künstlerischen Leistung als „Kunst" bewundert, sondern eher wegen der Fertigkeit, mit der ein meist recht kompliziert zusammengesetztes Schnitzwerk in die Flasche praktiziert und dort zu einem sinnvollen Bild zusammengefügt wurde. Die Freude an kniffliger und schwieriger Geduldarbeit mag in vielen Fällen überhaupt erst den Anreiz zu bildnerischer Gestaltung ausgelöst haben. Charakterisiert das Interesse an der technischen Leistung eine Seite des bildnerischen Schaffens von Laienhand, so die gestalterische Freude, ganz gewöhnliche, als Gestaltungsmittel eigentlich nicht übliche Dinge in eine Kunstform umzuwandeln, eine andere Seite. Aus dieser Sicht sind die kuriosen Bilder zu bewerten, die aus Strohblumen, getrockneten Gräsern und Früchten, aus Kunstblumen, aus Stroh, aus Haaren, aus Vogelfedern, aus Fischgräten, aus Korkstücken oder anderen Materialien dieser Art geschaffen sind. In formaler Beziehung sind sie bereits Vorläufer der ObjektCollagen unserer Zeit. Aus gleicher naiver Materialanwendung entstanden aber auch plastische Darstellungen aus Früchten oder aus Waldpflanzen, oft kombiniert mit anderen Stoffen, wie der Meißener Pelzmärtel, das Flöhaer Tannenzapfenmännel, der schon gewerblich produzierte Pflaumentoffel des Dresdener Striezelmarktes, alle ihrer Funktion nach
i Eingericht mit Darstellung des „Leiden Christi", 19. Jh. (Höhe 30 cm)
Spielzeugfiguren, die nur in der Weihnachtszeit in Erscheinung treten. Nach gleichen Gestaltungsprinzipien ist der Vogtländer Moosmann geschaffen, eine größere Weihnachtsfigur in der Funktion des Lichthalters, in die vermutlich die Vorstellungen eines sagenhaften Waldmannes eingeflossen sind. Eine höhere ästhetische Bedeutung kommt den Naturstoffen überall dort zu, wo ihre natürlichen Wuchsformen unmittelbar zur Darstellung von menschlichen Gesichtern und Gestalten oder tierischen Köpfen und Körpern benutzt werden. Die Volkskunst der Laien ist reich an Bildnereien, die aus gewöhnlichen wie abnormen Naturbildungen in überaus phantasievoller Weise Gesichter und Gestalten erstehen lassen. Unser Kapitel „Gesichter der Dinge" bringt Beispiele hierzu. Bildnerisch tätige Laien gibt es in allen werktätigen Schichten. Bauern, Schäfer, Hirten, Dorfhandwerker sind ebenso vertreten wie städtische Zunft- und Kleinbürger, Frauen so gut wie Männer. Aber auch proletarische Schichten finden unter gewissen sozialökonomischen Bedingungen den Weg zum kreativen Schaffen. Wir kennen zum Beispiel die beachtlichen Schnitzereien und Landschaftsdarstellungen der erzgebirgischen Bergleute. Weniger bekannt sind die eigenartigen Bastelarbeiten und Küstendioramen der Seeleute. Mehr als andere erwachsen diese Arbeiten aus der Auseinandersetzung mit der eignen schweren Arbeit und den gefahrvollen Arbeitsbedingungen, wenn sie das Arbeitsmilieu detailliert abbilden oder in anderer Weise das Wirklichkeitsverhältnis der Werktätigen zum Ausdruck bringen. In den Kapiteln „Erzgebirgische Volkskunst" und „Maritime Volkskunst" skizzieren wir die Geschichte dieser Laienkunst im 19. Jahrhundert. Bemerkenswert ist, daß diese Laienkunst unter bestimmten Umständen wieder zu einer gewissen Professionalität führt. So kennen wir im 19. Jahrhundert aus der Schweiz die „Senntumsmaler", Maskenschnitzer und Scherenschnittkünstler, die ihre künstlerische Begabung ausnutzten, um mit ihren Arbeiten zu einem regelmäßigen Nebenverdienst zu kom16
2 Vogtländischer Moosmann, Ende 19. Jh. {Höhe 61 cm)
men. In den Küstenstädten der Nord- und Ostseeküste sind die Schiffsbildmaler bekannt, die das Malen von Schiffsbildern teils als Neben- teils als Hauptgewerbe betrieben. Die routinierte, stets eine malerische Wirkung anstrebende Handhabung der Gestaltungsmittel, die sich aus der berufsmäßigen Ausübung des Bildermachens ergibt, kennzeichnet ihre Arbeiten. Es ist notwendig, an dieser Stelle noch eine weitere Kunstproduktion zu erwähnen: die populäre Druckgraphik. Wir können sie zwar nicht zur Volkskunst im eigentlichen Sinne rechnen, doch ist sie insofern von Bedeutung, als sie im Laufe des 19. Jahrhunderts für eine Reihe von Funktionalbereichen ältere Volkskunstformen ablöst. In industrieller Produktionsweise drucken die großen Bilderbogenoffizinen in Weißenburg, München, Neuruppin und Magdeburg wie auch viele kleinere Druckanstalten in anderen Orten mittels Lithographie oder Xylographie, gegen Ende des Jahrhunderts auch mit neuen Druckverfahren, Bilder und Bilderfolgen für Bildbedürfnisse aller Art. Zu ihren Sortimenten gehören Andachtsbilder, Haus- und Stallsegen (in Weiterführung alter Bildtraditionen des Holzschnitts und Kupferstichs), Scherz- und Spottbilder (gleichfalls meist nach älteren Bildmotiven), Wirtshausbilder (Beispiel „Kredit ist tot"), erzählend illustrative Bilderfolgen (nach Motiven aus Sage, Legende, Geschichte), Lebkuchenbildchen, ABC- und EinmaleinsBogen, Puppen- und Soldaten-Ausschneidebogen, Hampelmannbogen, Illuminierbogen, Lotto- und Würfelspielbogen, Planetenbogen (mit Monatshoroskopen für „Knaben und Mädchen"), Krippen- und Theaterspielbogen. Die Lackbilder unserer Tage sind die letzten Nachläufer dieser Bildertradition. Eine umfangreiche Bilderwelt wurde hier verbreitet, deren bildungsmäßige und ideologische Wirkung als sehr bedeutend eingeschätzt werden muß. Unser besonderes Interesse verdient diese Druckgraphik vor allem deshalb, weil sie als ein Pfennigartikel Bevölkerungsschichten erreichte, die von den meisten bürgerlichen Bildungsmöglichkeiten ausgeschlossen waren. Das gilt hauptsächlich für
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Volkskunst
die Kinder des städtischen Proletariats und der Dorfarmut, denen Puppen und Puppenhäuser, Zinnsoldaten und Ritterburgen, Nürnberger Blechspielzeug, Bilderbücher und andere teure Spielsachen der bürgerlichen Kinderstube niemals erschwinglich waren. Für sie bildeten die überall vertriebenen, billigen Ausschneide- und Spielbogen oft das einzige Bildungsmittel in Bilderform. Wir sind uns aber darüber im klaren, daß diese freundlich-bunten Bogen ein einseitig bürgerliches Bild der Welt vermittelten und keinem anderen Zweck dienten als der Reproduktion bürgerlicher Ideologie. Eine Wirkungsgeschichte des Bilderbogens aus dieser Sicht wäre noch zu schreiben. Wer sind nun im 19. Jahrhundert die Konsumenten der Volkskunst und in welcher Weise konsumieren sie Volkskunst? Geht man von den Beständen unserer Museen aus, so findet man, daß die Masse der Objekte aus Bauernhäusern stammt. Das erklärt sich zweifellos aus den Vorstellungen und Zielen volkskundlicher Sammel- und Forschungsarbeit dieser Zeit. Rudolf Virchow, der bekannte Berliner Arzt und Anthropologe, der das Berliner Museum für Volkskunde anregte und an seiner Gründung mitwirkte, begründete 1889 die Notwendigkeit des Museums so: „ . . . Geschichte und Vorgeschichte sind äußerlich getrennt, innerlich hängen sie untrennbar zusammen. Gleichwie es eine Vorgeschichte auch der heutigen Naturvölker giebt, so ziehen sich vorgeschichtliche Uberlieferungen in das Leben der Kulturvölker herüber. Diese Überlieferungen aufzufinden und festzuhalten, ist eine nicht minder wichtige Aufgabe für das Kunstverständnis wie die Vorgeschichte selber; denn gerade sie liefern uns die Fäden, an welche wir die Zusammenhänge von jetzt und vordem in unmittelbarer Verbindung anreihen können. . . . Ein Museum der Trachten und Geräthe schließt daher die Lücke zwischen den ethnologischen und prähistorischen Museen einerseits, den historischen andererseits." (Die Gartenlaube 1889.) Solche deutschen Altertümer glaubte man in altertümlichen Formen der bäuerlichen Kultur zu finden. Deshalb wurden alte bäuerliche Objekte gesammelt. Und Volkskunst wurde in diesen Jahrzehnten vor allem J
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als „ B a u e r n k u n s t " verstanden, wie nicht n u r die damals in den Museen eingerichteten „Bauernstuben" deutscher Landschaften zur Genüge dartun, sondern auch die ersten beschreibenden Darstellungen der „Bauernkunst" von Robert Mielke, Oskar Schwindrazheim, Heinrich Sohnrey, Robert Forrer, Oskar Seyffert und anderen. Diese Einstellung, die zu einer einseitigen Auswahl der Sammelobjekte und zu einer historisch fragwürdigen, oft geradezu verfälschenden Darbietung der materiellen Volkskultur einschließlich der Volkskunst führte, soll hier nicht weiter kritisch beleuchtet werden. Immerhin bleibt das Phänomen, wie es sich auf Grund des musealen Bestandes ergibt: die Bauern waren im 19. Jahrhundert Konsumenten von Kunstformen, die sich — gemessen an den Produkten angewandter Kunst der Zeit — als „altertümlich" darstellen. Allerdings war diese „Altertümlichkeit" nicht gleichmäßig über das ganze Land verbreitet, sondern nur in einzelnen kleineren Regionen vorhanden, und galt auch nirgends für alle Kunstprodukte, sondern nur für einen mehr oder minder großen Teil. Charakteristisch aber ist, daß sich die einzelnen Regionen in allen künstlerischen Anwendungsbereichen, sei es nun Hausschmuck, Mobiliar, Wandschmuck, Ziergeschirr, häusliches Arbeitsund Herdgerät, Tracht oder Körperschmuck, auch unter sich durch auffallend viele, teilweise extrem voneinander abweichende Formen unterscheiden. Lange Zeit wurde diese Regionalität der Kunstformen als Nachwirkung oder „Ausdruck" stammesmäßiger Traditionen gedeutet. In den um 1900 — nach dem Modell der deutschen Dialektgeographie — aufgekommenen Bezeichnungen der Bauernhaustypen nach alten deutschen Stämmen („Niedersachsenhaus", „Fränkisches Gehöft" usw.) gelangte eine irreführende Nomenklatur zur Geltung, die auch auf die Volkskunst angewendet wurde. Die meisten der ersten Volkskunstdarstellungen gingen von dieser Stammeshypothese aus, die in der späteren Naziliteratur für kurze Zeit nochmals aufgefrischt wurde. Wie aber ist die Regionalität der Volkskunst zu erklären? Als wissenschaftlich gesicherte 18
Erkenntnis darf gelten, daß eine Kontinuität germanischer Kunstformen bis in die Volkskunst der Neuzeit in keinem Fall nachgewiesen werden kann. Die eigene Entwicklung bäuerlicher Kunstformen setzt nicht vor Mitte des 15. Jahrhunderts ein und bildet erst allmählich gewisse regionale, periodisch sich ändernde Besonderheiten heraus. Diese regionalen Sonderentwicklungen beruhen vor allem darauf, daß sich die sozialökonomische und die kulturelle Entwicklung Deutschlands keineswegs einheitlich und gleichzeitig vollzogen hat, sondern sehr ungleichmäßig, wobei die unterschiedliche Entwicklung der Produktivkräfte in den Herrschaftsbereichen der deutschen Territorien vom 16. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts die dominierende Rolle spielt. Die Bedingtheit bäuerlicher Volkskunst durch die sozialökonomischen Verhältnisse zeigt nichts so eindringlich wie die Kümmerformen bzw. ihr Nichtvorhandensein in den Gebieten ostelbischer Gutsherrschaft. Andererseits finden wir Volkskunst zu Beginn des 19. Jahrhunderts dort in den prächtigsten Formen, wo sich unter günstigen Bedingungen, häufig ausgelöst und gefördert in Zeiten agrarischer Konjunktur, ein gewisser bäuerlicher Wohlstand herausgebildet und erhalten hatte. Welche Funktionen sie lokal und regional ausübte, lassen zeitgenössische Berichte erkennen. In der Regel war sie im Besitz der eigentlichen Bauern, während andere im Dorf lebende Schichten, etwa Dorfhandwerker, Tagelöhner, hausindustriell Tätige, Händler, Industriependler nicht oder nur in geringem Umfang daran teilhatten. Und innerhalb der bäuerlichen Bevölkerung war es die wohlhabende Schicht der Großbauern und Vollbauern, die eine dominierende Rolle im Vollzug bäuerlicher Kunstkonsumtion spielte, denn sie bestimmte, was als gut, wertvoll, schön, schicklich, gebräuchlich zu gelten hatte. Dabei hob sich diese Schicht von den Mittel- und Kleinbauern dadurch ab, daß sie Haus und Wohnung, Fahrzeuge und Tracht künstlerisch besser und reichlicher ausstatten konnte als die anderen. In welcher Weise das geschah, zeigt sich vor allem bei den Dingen, mit denen repräsentative Wirkung erzielt werden
konnte, also am Hausäußeren die Schaugiebel, die verzierten Galerien und Fensterladen, im Hausinnern die bemalten, beschnitzten, intarsierten Möbel, besonders die mit Glastüren versehenen Eck- und Wandschränkchen (zur Schaustellung von Glas- und keramischen Zierstücken), die gesamte Zierkeramik, außerhalb des Hofes die Festtagsfahrzeuge (darunter die oft reich mit Schnitzwerk und Malerei verzierten Personenschlitten) und der oft aufwendige Tracht- und Körperschmuck. Die Stelle am und im Haus, wo sie angebracht oder aufgestellt sind bzw. der Ort, an dem sie getragen und gezeigt werden, ist für ihre funktionale Bedeutung nicht unwichtig. Sie befinden sich nämlich bevorzugt an den Stellen, wo der Vorbeigehende oder der Besucher sie zur Kenntnis nehmen muß, bzw. werden sie bei Anlässen geführt oder getragen, bei denen sie gesehen werden. Dort aber erfüllen sie primär die Funktion eines Zeichens, das Besitz und Wohlstand des Eigentümers anzeigt, das damit auch seine Zugehörigkeit zur selben Schicht bekundet. Volkskunst macht in dieser Weise — jedenfalls in den genannten Repräsentationsformen — klassenmäßige Differenzierung sichtbar, bestätigt sie und dient ihrer Stabilisierung. In diesem Zeichencharakter repräsentativer Volkskunst sehen wir nun auch einen der Gründe für die zeitweilige Kontinuität alter Formen. Denn diese werden nicht darum längere Zeit unverändert beibehalten, weil man sie etwa als altüberliefertes Ahnenerbe bewertete und schützend erhielt, wie man die bäuerliche Einstellung zur Volkskunst verfälschend ausgelegt hat, sondern weil ihre Wertigkeit im Bezugsfeld sozialer Beziehungen konstant blieb. Wurde diese jedoch aus äußerer Veranlassung auf andere Zeichen übertragen oder aus Gründen sozialer Veränderungen aufgehoben, war Volkskunst wertlos und wurde aufgegeben. Das zeigt sich deutlich, wenn die Phase ihres aktiven Gebrauchs beendet war. Dann wurden nämlich die Objekte, waren sie nun von künstlerischer Qualität oder nicht, achtlos abgerissen, weggeworfen, auf den Boden abgestellt oder anderen Verwendungszwecken zugeführt. Beschnitzte oder bemalte Truhen landeten im Pferdestall, wo sie als Futterkasten
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dienten, und bemalte Kleiderschränke in der Arbeitskammer, wo sie als Werkzeugschrank benutzt wurden. Erst als gegen Ende des 19. Jahrhunderts Kunsthandel und Museen Volkskunst aufzukaufen begannen, stieg auch wieder ihr Wert beim Bauern. Gekennzeichnet wird diese repräsentative Bauernkunst durch eine reiche Ornamentik teils floraler teils figuraler Art, deren einzelne Motive größtenteils aus dem praktischen Gebrauch des Kunsthandwerks des 17. und 18. Jahrhunderts stammen, die also schon von dorther repräsentativen Charakter besitzt. Im 18. Jahrhundert hat sie ihren Höhepunkt, im folgenden verliert sie von Jahrzehnt zu Jahrzehnt an Boden, um Mitte des Jahrhunderts ganz zu verschwinden. Einen weiten Bereich nehmen in der bäuerlichen Volkskunst Darstellungen religiöser Motivik ein, die hauptsächlich in Gebieten mit überwiegend katholischer Bevölkerung vorkommen. Stärker als andere Motivbereiche folgt dieser den ikonographischen Vorbildern der herrschenden Kultur. Das gilt hauptsächlich für die große Masse der kleinen Andachtsbilder, der Hinterglasbilder und der Wachsmadonnen, die in der Regel die bekannten Gnaden- und Mirakelbilder der am häufigsten besuchten Wallfahrtskirchen ganz oder in der Hauptpartie reproduzieren, und zwar in einer Form, die die Vorlage auf ein kleines Format bringt und auf die Hauptmerkmale der Gestalten in Geschlecht, Gewandung, Gebärde und Heiligen-Attribut reduziert, wobei auch die Farbgebung fixierten ikonographischen Modellen folgt. Dasselbe gilt auch für andere Genres dieses Bereichs, zum Beispiel für die geschnitzten Kruzifixe und Schutzpatronstatuetten aus der Oberammergauer und Berchtesgadener Produktion, die sowohl in ihrer Anbringung — als Standfiguren auf zierlichem, architekturmäßig gestalteten Sockel oder als Wandfiguren — als auch in der Formgebung der Figuren die geläufigen kirchlichen Darstellungen in kleinerem Maßstab und formal vereinfacht kopieren. In der ideologischen Funktion gehen allerdings kirchliche Intentionen und bäuerliche Interessen oft auseinander. Dienten sie doch nicht nur geistlicher Andacht und Erbau!9
ung sondern ebenso sehr recht materiellen Bedürfnissen. Sie sollten nämlich — so jedenfalls glaubte und hoffte man — dem Bauern Schutz gewähren vor Hagel, Blitz, Schadenfeuer, Unfall, Krankheit, Siechtum und Kriegsgefahr, aber auch vor dem Teufel und anderen bösen Geistern. Dabei beobachten wir das eigenartige Phänomen, daß man den Bildern nur eine räumlich beschränkte Wirkung zutraute, die nur soweit reichte, wie sie direkt sichtbar waren bzw. wie die Bildgestalten blicken konnten. In dieser Beziehung wurden ihre Fähigkeiten offenbar nicht höher eingeschätzt als das Wahrnehmungsvermögen und die Sehkraft des menschlichen Auges. Die Vorstellung von der materiellen Begrenztheit ihrer vermeintlichen Wirkungskraft erklärt jedenfalls ihren vielfachen Gebrauch an so vielen Stellen im Haus und außerhalb des Hauses. Kruzifixe und Heiligenbilder hängen nicht nur im Herrgottswinkel der Wohnstube, sondern auch in der Schlafkammer, im Hausflur, außen an der Hausmauer oder in einer besonderen Hofkapelle, im Stall, auf Brücken, an Feld- und Waldwegen. Dabei wurde die besondere Situation des jeweiligen Ortes bei der Auswahl der Bilder bedacht. Und die Bildermacher waren auf diese Bedürfnisse eingestellt. So führten zum Beispiel die Oberammergauer Schnitzer in ihrem Sortiment allein an Kruzifixen folgende Sorten: „Standkreuze" auf Sockel mit „Assistenzfiguren" (Maria, Magdalena u. a.), „Wandkreuze", sogenannte „Sterbekreuze" (Reliquienkreuze), sogenannte „Stallherren" und „Wald- und Feldkreuze" in unterschiedlichen Größen und Ausführungen. Als eine eigene Gattung religiöser Volkskunst darf man die in den katholischen Gebieten Süddeutschlands und angrenzender Länder bekannten Votivtafeln ansehen. Es sind auf Holz gemalte Bilder meist kleineren Formats, die als Danktafeln „ex voto", das heißt aufgrund eines Verlöbnisses an einen Heiligen nach vollbrachter wunderbarer Errettung oder Heilung bei Unglücksfall, Krankheit oder anderer Not gestiftet und in einer Wallfahrtskirche oder einer Kapelle mit wundertätigem Gnadenbild aufgehängt wurden. Seltener kom20
men daneben Votivbilder als Hinterglasbilder vor. Die Darstellung ist fast immer zweigeteilt. Ein oberes Feld zeigt den Heiligen beziehungsweise den Schutzpatron in einer himmlischen Sphäre, die üblicherweise durch Wolken markiert ist, während darunter in realistischer Weise das Unfallgeschehen oder der Kranke oder das kranke Vieh (Viehseuchen !) abgebildet ist. Oft erscheint im Vordergrund außerdem der Bildstifter als Betender allein oder mit seiner Familie, die sich am Dank beteiligt, wobei der Bezug zur himmlichen Sphäre durch den Blick und entsprechende Gebärden der Betenden hergestellt wird. Durch Angabe des Datums, das niemals fehlt, soll die Glaubwürdigkeit des Geschehens bekräftigt werden. Es sind einzigartige Selbstdarstellungen naiven Wunderglaubens und religiöser Verhaltensweise, an denen wir in vielen Beispielen, vor allem aus Bayern, vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verfolgen können, wie sich von Periode zu Periode zwar die bäuerliche Kleidung modisch verändert, der Bildinhalt aber stets der gleiche bleibt. Manche Gestalten und Szenen biblischer Herkunft werden in populärer Bildnerei aber auch für profane Zwecke verwendet. So finden wir Adam und Eva unter dem Paradiesbaum häufig geschnitzt auf Wäscheklopfern und Mangelbrettern, die den Mädchen als Liebesgaben von den Burschen geschenkt wurden. Zweifellos ist dieses Motiv hier als Anspielung auf das erotische Mann-Weib-Verhältnis gemeint. Gleiche Sinngebung mag dahinter stecken, wenn das erste Menschenpaar in Kreuzstichstickerei auf Paradehandtüchern, in Beiderwandweberei, in Blaudruckmustern für Bettücher und Bettvorhänge, auf hölzernen Backmodeln und Kucheneisen, auf Zierschüsseln und -krügen, oder als geschnitzte Kleinplastik (Oberammergauer Ware) abgebildet wurde. Schließlich wird das Motiv als Kinderspielzeug in gedrechselten Figürchen der Seiffener Produktion und vereinzelt auch in Zinnfiguren verwendet. Ein anderes biblisches Motiv, die Arche Noah, liefert im 19. Jahrhundert die Vorlage für ein massenhaft hergestelltes Spielzeug. Den Rang von Kurio-
3 „Der Sündenfall", Zeugdruck
iß.Jh.
sitäten nehmen schließlich jene Darstellungen biblischer Personen und Geschichten ein, die nur aus Freude an Künsteleien entstanden sind, wie das Kruzifix und die Arma Christi (Leidenswerkzeuge) als Bastelarbeit in der Flasche oder Jonas im Walfischmaul als Stockkrücke. Einen formal und inhaltlich eigenen Bereich bilden jene Volkskunsterzeugnisse, die dazu dienen, individuelle Beziehungen zum Ausdruck zu bringen. Liebesgaben, Geschenke des Burschen an das umworbene Mädchen, die meist als eine materielle Bekundung des mündlichen Verlöbnisses gelten, stehen hier an
erster Stelle. Ihr Formenreichtum ist groß. Überall verbreitet waren Liebesbriefe in Form von Faltschnittbildern oder von gemalten Blättern, bedeckt mit Liebessymbolen (Herz, Rose, Adam und Eva, Liebespaar, Taubenpaar) und Sprüchen, oft in einer Form geschrieben, die wiederum die Figur eines Herzens ergibt. Ebenso häufig sind Liebesgaben in Form von Geräten für weibliche Hausarbeit, wie bemalte oder mit Kerb- oder Ritzzeichnung versehene Flachsschwingen, geschnitzte Spinnrockenaufsätze, in Laubsägearbeit hergestellte Bandwebebrettchen (Mönchgut), mit Kerbschnitt oder Flachrelief verzierte Mangelbretter und Wäscheklopfhölzer, be-
schnitzte Näh- oder Schmuckkästchen. In den Schmuckmotiven wiederholen sich die genannten Liebessymbole, oft ergänzt durch regional ausgebildete Motive floraler und figürlicher Art. Der individuelle Bezug wird stets durch Anbringung des Mädchennamens bzw. der Namensinitialen und der Jahreszahl deutlich hervorgehoben. Bedeuten die Liebesgaben den Beginn eines neuen Verhältnisses, so sind die Freundschaftsgaben, die der Braut von den Freundinnen ihrer Altersgruppe aus Anlaß der Hochzeit geschenkt werden, als Zeichen des Ausscheidens aus der Gruppe der Jugendlichen zu verstehen. Sie werden meist einige Tage vor dem Hochzeitstag überreicht, in manchen Gegenden erst hinterher, wie in Westthüringen, wo die junge Frau den ersten Jahrestag der Hochzeit mit ihren früheren Jugendfreundinnen feiert. Geschenkt werden Geräte für den Haushalt: Wasserbütten, Butterfässer und anderes geböttchertes Kleingerät, das sich vom gewöhnlichen Gerät durch Schmuckornamente floraler Art, in einfarbiger Bemalung oder in Brandtechnik, unterscheidet. Im brauchtümlichen Zusammenhang bäuerlicher Kalenderfeste stehen künstlerische Äusserungen der verschiedensten Art, von denen wir folgende hervorheben: die hölzernen Masken als Brauchrequisiten der Lärmumzüge Jugendlicher in der Zeit von Dezember bis Fastnacht (Süddeutschland) und die Bildgebäcke mit Menschen-, Tier- und Phantasiegestalten, teils in Holzmodeln oder in Kucheneisen gebacken, teils aus freier Hand geformt, die im regionalen Festtagsbrauchtum üblich sind. Wenden wir uns der Frage zu, in welchen Formen und in welchen Funktionen Volkskunst im sozialökonomischen Gefüge der Stadt in Erscheinung tritt, so stehen wir vor der schon erwähnten Schwierigkeit, daß Volkskunstforschung und museale Sammlung zu Beginn ihrer Tätigkeiten fast ausschließlich auf „Bauernkunst" ausgerichtet waren. Als später auch anderes in das Blickfeld der Forschung gelangte, konnte man nur noch mehr oder weniger zufällig erhaltene Einzelstücke erwerben. Unsere Kenntnisse sind deshalb lückenhaft. 22
Auf einen Bereich städtischer Volkskunst treffen diese Einschränkungen jedoch nicht zu: auf die überall gut vertretenen Zunftaltertümer. Sie setzten sich zusammen aus Würde- und Ehrenzeichen (Meisterketten, Paradedegen, Zunftfahnen), Hauszeichen (Zunft- und Herbergsschilde), Ausstattung der Zunftstuben (Laden, Stubenschilde), Trinkgeschirre für die Quartalsgelage (Pokale, Schenkkannen, Trinkkrüge und -becher) und sonstige Zunftrequisiten (Umgeldbüchsen, Sargschilder u. a.). Ihre künstlerische Ausstattung ist insofern einheitlich, als das jeweilige, in ganz Deutschland geltende Zunftsymbol immer eine zentrale Stellung einnimmt, ergänzt durch den örtlichen Zunftnamen, Jahreszahl der Stiftung und durch Ornamentik im Stil der Zeit. Unterschiede ergeben sich hauptsächlich dadurch, daß die reichen Zünfte in konjunkturbegünstigten Städten einen größeren Aufwand im Werkstoff (z. B. Silber gegenüber Zinn) und in der künstlerischen Ausführung (z. B. Intarsien- oder Schnitzarbeit gegenüber einfacher Bemalung) leisten konnten. Die meisten dieser Dinge stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert, wurden aber teilweise bis in die ersten beiden Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts verwendet. Doch hatten sie seit dem um die Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzenden Niedergang der Zünfte kaum noch eine andere Funktion, als die überholte zünftische Arbeitsorganisation gegen die Interessen der Gesellen zu erhalten und zu stabilisieren. Städtische Schützengesellschaften, fast alle aus zunftbürgerlichen Wehrorganisationen hervorgegangen, gebrauchen zum Teil die gleichen Würdezeichen (Fahne, Schützenkette) und festlichen Trinkgefäße (Pokale, Humpen) wie die Zünfte. Nur traten an die Stelle der Zunftsymbole Darstellungen aus der Tradition der Schützengesellschaften: den Schützen beim Schuß oder in der Hab-Acht-Stellung, Adler oder Papagei als die Schießziele aus der Zeit des Armbrustschießens, der Doppeladler als Reichswappen (besonders in den freien Reichsstädten) oder die Wappen der Landesherrschaft. Zum interessantesten volkskundlichen Dokument ihrer Tätigkeit gehören die gemalten Schießscheiben, die aus Anlaß des jährlich
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4 Glückwunsch eines hessischen Bauern an den Landesfürsten auf das Jahr 1826 {aus dem Nachlaß der Landgräfin Elisabeth von Hessen-Homburg). Kolorierter Faltschnitt mit Darstellung der herrschenden und der dzenenden Klasse nach dem Bild der feudalistischen Ständeordnung, wobei das soziale Oben und Unten in Bildkomposition wie in Kleidung und Tätigkeit trefflich charakterisiert sind. (34,3 X 40,9 eni) einmal veranstalteten Königsschießens angefertigt wurden. In ihren bildlichen Darstellungen, gemalt nach den Wünschen des vorjährigen Schützenkönigs, der sie stiften mußte, enthüllt sich der Charakter dieser Gesellschaften. Bevorzugt wurden im 19. Jahrhundert allegorische Darstellungen bürgerlicher Tugendwünsche (Glaube, Liebe, Hoffnung, Glück),
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deren Gestalten in heiter-sommerliche Naturlandschaften gesetzt sind, wobei die im 18. Jahrhundert weit verbreiteten Kupferstiche oft die Muster abgaben. Thematisch schließen sich die Motive bürgerlicher Untugend an: Frauengestalten und galante Szenen mit unverhüllten erotischen Anspielungen, gleichfalls vor dem Hintergrund idyllischer Natur. Ebenso häufig sind realistische Abbildungen der Schützenfeste: der Aufzug der Gesellschaft unter Gewehr mit Musik und „Ehrenjungfrauen" durch die Stadt, der Schützenplatz mit dem Königsschießen oder einzelne Szenen daraus, oder das Schützenhaus im Festschmuck. Auch andere Motive beziehen sich in der Rege) auf den eigenen Ort, wie Stadtprospekte oder Schilderung von Begebenheiten aus der jüngeren oder älteren Stadtgeschichte. So spiegeln die Scheiben insgesamt eine auf die kleinbürger23
/ Havelkahn, Sprietsegel getakelt, und romantische Uferlandschaft mit Trauerweiden und Freundschaftsaltar nach A.rt der Stammbuchblätter. Papierschnitt auf Aquarell ( j i , o X cm), Havelberg Mitte i p . f h . liehen Verhältnisse der Stadt orientierte, konservative Haltung, die aus der zünftlerischen Beschränktheit der vergangenen Epoche herrührt. Auch in der privaten Sphäre der bürgerlichen Wohnung behauptet die populäre Kunst einen festen Platz. Eine große Rolle spielt dabei, daß etwa seit dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts dem Bild als Wandschmuck der Wohnstube eine erhöhte Bedeutung zukommt. Beeinflußt wurde diese Entwicklung durch die Kunstrichtung, die unter dem Begriff Biedermeier bekannt ist. Darstellungen der bürgerlichen Welt in Porträts, Gruppenbildnissen, Genrebildchen häuslicher Tätigkeiten, wie in realistischen Stadt- und Natur24
landschaften der engeren Heimat waren der Gegenstand ihrer Malerei und Graphik. Naive Vereinfachung und idyllische Beschreibung charakterisieren ihren Stil. Schnell wurde diese Kunst, mit der der Bürger bürgerliches Umweltverständnis und bürgerliche Umweltbeziehung in individueller Weise ausdrücken konnte, durch zahlreiche Kunstvereine, die sich in allen größeren Orten bildeten, aber auch durch eine große Zahl von bürgerlichen Dilettanten, die nach Art der großen Meister Sujets der eigenen Umwelt zeichneten oder in Öl oder Aquarell malten, verbreitet. Weitgehend wird deshalb der Wandschmuck bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts vom Stil des Biedermeier geprägt. Welche Funktion diese Bilder zu erfüllen haben, zeigt der Platz, den sie in der zu dieser Zeit geltenden Möbelordnung einnehmen. Der zentrale Ordnungspunkt ist hierin das Sofa als das repräsentative bürgerliche Sitzmöbel, dem das übrige Mobiliar zugeordnet ist. Dementsprechend gilt die Wand über dem Sofa als
6 Alp auf^ug eines Sentit ums von der Talortschaft bis %terk%eugen und %wei geschnitzten Figürchen in flacher, bauchiger Flasche (Höhe I6,J cm), Demmin
/7 Buddelschiff: %weimastige Brigg vor orientalischem Hafenort mit Palmen und mehrstöckigen Häusern. Aus dem Besitz eines Wismarer Segelmachers, um 1880 {Länge j j cm) sprechendem Spezialwerkzeug Flaschenschiffe dieser Art in großer Serie hergestellt werden. Die alte Flaschenbastelei der Seeleute hebt sich von dieser gewerblichen Produktion in vielen Punkten ab. Und mindestens zwei historische Stufen lassen sich am Bestand unserer Museen deutlich unterscheiden. Für die ältere ist die stehende Stellung der Flasche charakteristisch. Als Flaschenformen kommen
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kugelig-runde, flach-runde und vierkantige vor. Hierdurch ergibt sich eine sehr variable räumliche Dimension. Auch die Motive sind noch recht vielseitig. Teilweise sind es dieselben, die es auch in Mittel- und Süddeutschland gibt, wie das Kruzifix und andere religiöse Motive, oder Miniaturlandschaften mit markanten städtischen Gebäuden. Ein typisches Beispiel aus diesem Motivbereich besitzt das Heimatmuseum Demmin. Es zeigt in flachrunder Flasche ein hölzernes Gerüst aus einem auf;8 Buddelschiff: Viermastbark vor hochaufragendem Küstenort. Aus Born auf dem Darß {Länge 26 cm)
recht stehenden Stock in Form eines großen Hammers, an dem teils waagerecht, teils sich schräg kreuzend Werkzeuge angeordnet sind, und zwar Sägen, Winkeleisen, Äxte, Beile, Zangen. Flankiert wird das Gerüst von zwei Mannsfiguren, von denen der eine ein Schlichtbeil, der andere ein großes Winkeleisen trägt.
des Werkzeuggerüstes läßt nun an ein anderes Motiv denken, an die sogenannten „Arma Christi", das ist das mit den Passionswerkzeugen behängte Kreuz Christi, das im katholischen Süddeutschland als Eingericht, aber auch als ein auf dem Sockel stehendes Tischkreuz verbreitet ist. Offensichtlich liegt hier
J9 Buddelschiff: Viermastbark ein Beispiel für die Umsetzung eines religiösen mit malerischer Küstenlandschaft am Flaschenboden. Motivs in die profane Welt des Handwerks vor. Aus Stralsunder Besit£ {Länge ßj,S cm) Um 1870 setzt die zweite Stufe ein, wobei die Die Werkzeuge lassen darauf schließen, daß für diese Zeit bereits übliche industrielle hier ein Zimmermann, vielleicht ein SchiffsProduktion von zylinderförmigen Flaschen aus zimmermann am Werke war. Aus anderen farblosem Glas in größeren Mengen die äußere Gegenden sind gleiche Darstellungen bekannt, Voraussetzung schuf. Erst jetzt wird die so eine aus Taucha in Sachsen, die in vierkanFlasche in liegender Stellung verwendet. Zwar tiger Flasche ebenfalls ein Gerüst mit Zimmerist hierdurch die Höhe verkürzt, aber in der mannswerkzeugen sowie zwei Arbeiter enthält. Ein Schriftzug in der Mitte mit dem Zunft60 Buddelschiff, Reisesouvenir in Serienarbeit-. spruch „Vivat, es lebe der Zimmermann!" Viermastbark im Stil weist auf eine Basteltradition innerhalb dieses eines technischen Modells ohne Hintergrund. Handwerks. Die eigenartige Bildkomposition Prerow ipy 4 (Länge 32 cm)
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Länge hat der Raum erheblich gewonnen. Und die neue Dimension wird nun geschickt genutzt, um eine ganze Küstenlandschaft mit möglichst vielen Details unterzubringen. Diese gliedert sich in zwei etwa gleich tiefe Zonen. Im Vordergrund liegt, tief angelegt, eine Meereszone mit einem Segelschiff, das mit seiner Takelage diese Zone oft bis zur Wandung ausfüllt. Es ist fast immer ein größeres Schiff, eine Viermastbark oder ein Vollschiff, denn der Seemann konnte am komplizierten Aufbau einer vielgliedrigen Takelage seine schnitzerische Geschicklichkeit, die wohl als Hauptmotivation dieser Bastelei anzusehen ist, am besten beweisen. Aber auch seine seemännischen Kenntnisse, ohne die eine solche Bastelarbeit gar nicht möglich war, konnte er auf diese Weise für den Kreis der Verwandten und Bekannten in der Heimat materiell-bildlich sichtbar machen. Wenn die Takelage in der Regel ohne Segeltuch ausgestattet wurde, so war das kein Mangel oder etwa Unvermögen. Denn diese Stellung entsprach durchaus realistisch dem gewählten Landschaftsausschnitt, der ja als ein Hafen oder eine Reede auf der Höhe eines Küstenortes verstanden werden soll. Diesen topographischen Bezug verdeutlichen außerdem oft noch ein oder mehrere kleine Boote, wie ein Lotsenboot oder Beiboote, für die neben dem Segler noch ein Platz gefunden wird. Der Hintergrund, der an der Strandlinie beginnt, zeigt meist ein mehr oder weniger steil ansteigendes Gelände, das durch grüne oder gelblich-braune Farbtöne vom Blau des Gewässers abgesetzt ist. Bunt gestrichene Häuser verschiedener Art, denen man ansieht, daß sie mit dem einfachen Messer geschnitzt und in ganz naiver Manier bemalt wurden, sind unregelmäßig über den Grund verteilt. Manchmal gruppieren sie sich an einer Stelle, wo eine Kirche oder ein anderes Gebäude dann den Mittelpunkt bildet. Ein bestimmter Ort ist mit dieser Darstellung wohl niemals gemeint, sondern eher das allgemeine Bild des Ortes an der Küste. Deshalb darf auch der runde Leuchtturm als markanter Orientierungspunkt des Schiffers nicht fehlen. Manchmal sind grüne Bäumchen dazwischengesetzt. Menschliche Fi102
guren sind in dieser Szenerie selten. Wenn sie einmal an Land oder an Bord des Schiffes erscheinen, fallen sie durch Disproportion zu den übrigen Bildelementen auf. Variationen aller Art sind immer möglich. Eine originelle und ästhetisch bemerkenswerte Gestaltung finden wir bei dem abgebildeten Beispiel einer Viermastbark in einer verhältnismäßig schlanken Flasche. Hier nimmt die Küste nur den untersten Teil der Flasche ein. Doch genügt der Ausschnitt, um die Küste ausreichend zu charakterisieren: mit dem Sandstrand vorn und den Kliffsteinen dahinter, mit einem Gebäude und dem Leuchtturm, der die Küstenlandschaft beherrscht. Vor dem nun freien Hintergrund, der die Weite des Meeres wirkungsvoll bezeichnet, liegt in der Mitte der Flasche das Schiff, das teilweise das Tuch gesetzt hat und den Bug nach außen richtet. Mit diesem Aufbau gewinnt das Flaschenbild eine Bewegung, die man sonst bei Flaschenschiffen nur selten findet. So zeigen die Flaschenschiffe das Bild einer in sich geschlossenen, harmonischen Miniaturwelt, das die seemännische Wirklichkeit in einer heiter-freundlichen Verklärung widerspiegelt. Die Bastelei ist dabei auf die BildFunktion ausgerichtet. Denn das Flaschenschiff hat eine bestimmte Schauseite, von der aus die von vorn nach hinten gestaffelte Landschaft betrachtet werden muß. Dieser Funktion dient auch das meist sorgfältig gearbeitete Holzgestell, auf das die Flasche gelegt wird, wenn sie in der heimatlichen Stube auf der Komode, auf dem Konsolbrett oder an anderer repräsentativer Stelle neben sonstigen Erinnerungsstücken ihren festen Platz findet. Ein höheres Niveau sowohl in werkmäßiger als auch in ästhetischer Hinsicht lassen die Schiffsbildnereien erkennen, die nach Art von Schiffsmodellen gebaut sind. Jedoch ist nur ein geringer Teil von dem, was gewöhnlich unter der Bezeichnung Schiffsmodell verstanden wird, der Volkskunst zuzuordnen. Alles, was ausschließlich den Charakter des technischen Modells besitzt, gehört nicht hierher. Das sind heute vor allem jene Schaumodelle, die in den historischen und technischen Museen dazu dienen, in vergleichender Schiff-
baugeschichte die historischen Formen von Fischerei-, Handels- und Kriegsschiffen zu veranschaulichen. Sie vermitteln technische Informationen. Ihr besonderes Kennzeichen ist die maßstäblich exakte Wiedergabe der technischen Merkmale, denn Maßstäblichkeit ist für den typologischen Vergleich bezüglich der funktionalen, regionalen und nationalen Unterschiede ebenso notwendig wie für den historischen Vergleich innerhalb der Schiffbau-Entwicklung. So besteht die große Sammlung des Altonaer Museums zu Hamburg aus Schiffsmodellen, die in den Jahren 1909 bis 1913 von Handwerkern — es waren ein Blockmacher, ein Schiffszimmermann und ein Segelmacher — nach Originalrissen fachgerecht und maßstäblich gebaut wurden. Als einheitlichen Maßstab wählte man damals 1:24, da auch die Risse bis dahin allgemein — orientiert an dem im Schiffbau üblichen Maßsystem von Fuß/Zoll — im Maßstab 1 : 1 2 bzw. 1124 angelegt waren. Die Exponate neuerer Sammlungen, wie z. B. die Modelle des Verkehrsmuseums Dresden, sind im Maßstab des metrischen Systems angefertigt. Und in den Schiffsmodellsportklubs halten sich die Modellbauer an die Wettbewerbsbestimmungen, die „Vorbildtreue" und „maßstabgerechte Ausführung" für die Modelle vorschreiben, gleichgültig ob es sich um historische oder zur Zeit noch fahrende Schiffe handelt. Nach diesem Exkurs über technische Modelle betrachten wir nun jene Schiffsmodelle, die nach Form, Inhalt und Funktion in den Zusammenhang bildnerischer Kunstübung zu stellen sind. Die ältesten finden wir als Zierstücke in Dorf- und Kleinstadtkirchen im Küstenbereich von Nord- und Ostsee, und zwar in Orten, in denen seemännische Bevölkerung ansässig war oder noch ist. Ihr Standort veranlaßte die ältere Forschung, diese Modelle als „Votivschiffe" zu bezeichnen. Doch ist die Bezeichnung irreführend, denn als Votivgaben, wie sie aus katholischen Wallfahrtskirchen bekannt sind, sind die Schiffsmodelle in den protestantischen Kirchen der norddeutschen Küste sicher nicht anzusehen. Welche Funktionen sie aber an diesem Ort
einmal erfüllen sollten, läßt sich erschließen. Denn wir sind über ihre Stifter und deren Intentionen durch urkundliche Zeugnisse oder direkt durch Schilder, die sichtbar am Modell angebracht sind, meist recht gut unterrichtet. Danach sind es Schiffer- und Seemannsvereinigungen, die solche Modelle zur Anbringung in der Kirche gestiftet haben, oder auch einzelne Personen: Kapitäne, Steuerleute, Matrosen, auch Schiffbauer, Reeder, Kaüfleute oder deren Verwandte. Des öfteren läßt sich nun als Motiv einer Stiftung die Absicht erkennen, einem auf See gebliebenen Verwandten mit dem Schiffsmodell, das hier symbolisch den Beruf des Verstorbenen bezeichnet, öffentlich ein Gedächtnismal zu setzen. Der Kirchenraum bietet sich hier offensichtlich als der brauchtümliche Ort eines solchen Mals an. Häufiger erfolgten die Stiftungen jedoch bereits zu Lebzeiten der zu ehrenden Person. Die Vorstellung, daß man mit dieser Gabe Schiff und Mannschaft symbolisch in den Schutz höherer Mächte stellt, dürfte hier eine gewisse Rolle spielen. Doch dominiert vermutlich auch in diesem Fall die Absicht, sich selbst ein den Tod überdauerndes Erinnerungs- oder Gedächtnismal zu schaffen. Die gleiche Motivation liegt auch überall dort zugrunde, wo Kapitäne und Seeleute Schiffsmodelle ihren lokalen Vereinigungen zur Aufstellung in den Versammlungsräumen schenkten. Die alte Schiffer-Compagnie zu Stralsund besitzt zum Beispiel eine ganze Reihe solcher Modelle von den 40er Jahren des 19. bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts, die im Schifferwitwenhaus der Compagnie zu einer stattlichen Sammlung vereinigt sind. Treten seemännische Vereinigungen als Stifter von Modellschiffen auf, so richten sich ihre Intentionen wohl in erster Linie darauf, sich durch ein Zeichen öffentlich als Gruppe darzustellen. Auch hier ist das Modell als Symbol des Berufs zu verstehen. Es repräsentiert die Gruppe. Der Kirchenraum als Ort solcher Repräsentation hat darin eine lange Tradition, wie die Zeichen der Zünfte auf den Kirchenfenstern, am Kirchengestühl und an anderen Stellen noch vielerorts bezeugen. Es gibt aber auch direkte Vorläufer für repräsen103
6i Modell einer Dreimastbark, mitgeführt von einer Gruppe Segelmacher und Reepschläger im Festung %ur Schillerfeier in Hamburg 18J9. Nach einer Lithographie von C. Adler iSjp tative Schiffsdarstellungen in öffentlichen Gebäuden. Wir denken dabei an die bekannten prunkvollen Schiffsmodelle in den Ratshäusern und Korporationshäusern des Handelsbürgertums der großen Hansestädte, in denen wir die Vorbilder für das spätere brauchmäßige Aufhängen bzw. Aufstellen von Schiffsmodellen in Dorf- und Kleinstadtkirchen vermuten. Als Berufssymbol spielt das Schiff aber auch unter den Handwerkern, die am Schiffbau und an der Takelung beteiligt sind, eine gewisse Rolle. Schiffszimmerleute führten im 17. und 18. Jahrhundert ein Segelschiff als Zunftzeichen auf dem Willkommhumpen, auf der Zunftlade, auf dem Zunftsiegel und auf den Sargschildern. Und noch im 19. Jahrhundert führten Handwerker Schiffsmodelle als Berufssymbole in Festzügen mit, wie die Segelmacher und Reepschläger in Hamburg aus Anlaß der Schillerfeier von 1859. Überblickt man unter dem Gesichtspunkt dieser Funktionen die hier auftretenden Schiffstypen, so überrascht es nicht, daß Voll- und Barkschiffe, die durch die Zahl ihrer Masten 104
mit entsprechend reicher Takelage ein imposantes Bild abgeben, bei weitem überwiegen. Zweimastige Briggschiffe und einmastige Schiffe der kleinen Küstenschiffahrt finden sich selten. Andererseits sind repräsentative Kriegsschiffe, sowohl Fregatten als auch Linienschiffe, verhältnismäßig häufig vertreten. In Schleswig erreicht ihre Zahl fast die Hälfte der dort bekannten Schiffsmodelle. Die Mehrzahl der Modelle sind, wie man feststellen konnte, Wiedergaben historisch nachweisbarer Schiffe. Bemerkenswert dabei ist, daß nicht nur einheimische Fahrzeuge als Vorlagen gewählt wurden, sondern des öfteren auch ausländische. Eine persönliche Beziehung der Stifter zum dargestellten Schiff fehlt also in den meisten Fällen. Das gilt ganz besonders für die Zeit nach 1900, als man unbeirrt von der technischen Entwicklung die alten Segelschiffstypen nach wie vor in Modellen nachbildete, obwohl diese längst nicht mehr gefahren wurden. Der historische Rückgriff auf frühere Formen kennzeichnet diese Periode. Ausnahmen sind selten. Eine wollen wir allerdings hier nennen: das Modell eines Raddampfers in der Kirche von Altefähr auf Rügen, gestiftet von der Fährgenossenschaft zu Altefähr, weil es ein Stück Fährgeschichte der Strecke Stralsund—Rügen überliefert. Von 1856 bis 1894, als ein neuer Schraubendampfer
eingesetzt wurde, war dieses Fährschiff, das nur unter dem Ökelnamen die Flunner bekannt war, in Betrieb. Die Bauart der Schiffsmodelle in den Kirchen hat sich während der ganzen Zeitspanne, in der sie auftreten, kaum verändert. Es sind durchweg „Block-" bzw. „Klotzmodelle", das heißt: der Rumpf ist aus einem vollen Holzblock geschnitzt, wofür man weiches Schnitzholz — also Linde, Weide, Esche — bevorzugte. Originalrisse sind für diese Schnitzarbeit nur in seltensten Fällen benutzt worden. Maßstäblichkeit wurde nirgends angestrebt. Für die Größe der Modelle war offensichtlich 62 Modell einer \•weimastigen Brigg als Gedächtnisschiff in der Kirche Altefähr auf Rügen
allein der Gesichtspunkt bestimmend, sie so zu bauen, daß sie an ihrem Standort noch voll zur Wirkung kamen. Und das war meistens der weite Raum inmitten des Kirchenschiffs oder eines Seitenschiffs, in dem sie an einer Stange oder an einem Stahldraht frei aufgehängt waren, oder es war eine Fenster- oder Blindnische oder eine Konsole an der Wand, wo sie auf einem kleinen Stellbock aufgestellt waren. Deshalb kommen recht unterschiedliche Größen vor, die von 5 o bis 200 cm in der Länge über Steven reichen. Was uns nun erlaubt, diese Modelle unter dem Aspekt der Volkskunst zu sehen, das ist ihre Ausführung im einzelnen. Schon auf den ersten Blick erkennen wir, daß auffallend viele Details am Rumpf, auf Deck und in der Takelage beachtet worden sind. An technischen Ein-
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6) Modell des Raddampfers „Altefähre", des früheren Fährschiffes, als Gedächtnisschiff in der Kirche Altefähr auf Rügen richtungen beobachten wir Landgangsboot und Fallreeptreppe, Anker mit Ankerkette und Ankerwinsch, Ruderpinne, Positionslampen und Decklaternen, Bugspriet, Klüverbaum, Masten, Rahen und Gaffeln, dazu die Takelage mit Stage, Wanten und dem laufenden Gut. Allerdings paßt manchmal die Takelage nicht mehr zum Baustil des Rumpfes, wenn sie nach Renovierungen neu angebracht und dann nach geltender Neuerung modernisiert wurde. Die Kriegsschiffe zeigen stets geöffnete Pforten, aus denen die Kanonenmündungen weit hervorragen. Besonders sorgfältig ist in der Regel die Verzierung angeführt: die Galionsfiguren am Bug, der meist reich geschmückte Achterspiegel mit Zierfenstern und -galerien, mit Reliefs von Blumenornamenten, Symbolfiguren und Hoheitszeichen (Krone, Königsmonogramm, Wappen). Zur Verzierung sind auch die Namensschilder zu rechnen, die in Zierschrift ausgeführt und immer mit Ornamentrand versehen sind. Gleichfalls als Zierrat sind die bunten Flaggen aufzufassen: Nationalflaggen, bei denen zwischen der rechteckigen Handelsflagge und der zweispitzigen Königs-, Staats- und Kriegsflagge unterschieden wird, weiter Stadtflaggen, Reedereiflaggen, Nummernflaggen und Signalwimpel. Was an diesen Details auffällt, ist ihre Disproportion zum Schiffsganzen. Das gilt zuerst 106
von der Takelage, die vielfach höher ist, als sie nach Länge und Höhe des Rumpfes sein müßte. Bei den im Kirchenraum hängenden Modellen, die ja gewöhnlich von unten nach oben betrachtet werden, hat man dieses Mißverhältnis sicher absichtlich gewählt, um die optische Verkürzung der oberen Teile wieder auszugleichen. Es tritt aber auch sonst gelegentlich auf, vermutlich ebenfalls aus ästhetischen Gründen. Bei anderen Details liegen die Gründe für ihre bemerkenwerte Übergröße aber vor allem darin, daß man sie bei einer Nachbildung im richtigen Verhältnis nur sehr schlecht oder vielleicht gar nicht mehr wahrnehmen könnte. So hätten die Reepe etwa die Stärke von Spinnwebfäden, die Blöcke die Größe von Stecknadelköpfen und die Flaggen die Dimension von kleineren Briefmarken. Hieraus ergibt sich eine gewisse sachliche Notwendigkeit für die unverhältnismäßige Wiedergabe, wenn das Schiff in seinen individuellen Merkmalen erkennbar sein soll. Hinzu kommt aber vor allem, daß die Volkskunst allgemein auf eine Darstellung zielt, in der die Realität der Umwelt durch das realistisch beschreibende Detail begriffen und ausgedrückt wird. Schiffsmodelle gleicher Art finden sich nun auch des öfteren in Familienbesitz. Sie stam64 Modell der Bark „Martha" mit Meeresgrund, der mit Naturobjekten aus dem Meer bedeckt ist. Vermutlich aus Lassan, datiert 1884 (Höhe 7/ cm)
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6j Modell des Dampfers „Hamburg", Arbeit des Rentners W. Tolr^mann, Senftenberg 1968 (Höhe 40 cm, Länge
cm)
men in der Regel von Kapitänen, die das eigene Schiff als Modell schnitzten oder schnitzen ließen, das ja meist nach den Wünschen und Vorstellungen des Kapitäns gebaut und stets auch anteilig von ihm mitfinanziert war. So war das Modell ein Dokument der Erinnerung an die Reisen mit dem Schiff für die Familie und den Bekanntenkreis. Im Gegensatz zu den öffentlich aufgestellten Modellen sind hier also starke persönliche Beziehungen zum dargestellten Schiff gegeben. Es wird zum Träger aller Erlebnisse, die sich für den Kapitän mit dem Schiff verbinden. Und die Quintessenz dieser Erlebnisse findet in manchen Fällen auch ihren sichtbaren Niederschlag in der bildnerischen Darstellung. Hierfür ein Beispiel, das wir den Sammlungen des Museums der Stadt Greifswald entnehmen. Es handelt sich 108
dabei um das Modell eines Vollschiffes, das sich durch eine realistische Darstellung vieler Details auszeichnet (s. Abb.). Es trägt am Heck die Bezeichnung „Martha — Lassan" und auf dem Wimpel am Hauptmast nochmals den Namen und die Jahreszahl 1884. Hersteller, Herstellungsort und -jähr des Modells sind nicht bekannt. In der Ausführung unterscheidet es sich nicht von den schon geschilderten Modellen. Das vom Kiel bis zur Mastspitze rund 75 cm messende Modell ist nun in einem Glaskasten untergebracht, der an einer Seite mit einer Holzplatte, an den übrigen drei Seiten und oben mit Glas abgeschlossen ist, so daß er von drei Seiten eingesehen werden kann. Unsere Beachtung verdient der Boden dieses Kastens. Denn hier ist mit Mitbringseln aus Übersee eine fremde und exotische Meereswelt aufgebaut. Durch getönte Watte ist der Boden des Meeres wiedergegeben. Auf dem Boden liegen verstreut ein Korallenstock, verschiedene Seeigelschalen und Seeschneckengehäuse, je
ein Ober- und Unterkiefer eines kleinen Alligators. Ein kleiner verbogener Blechanker ist wohl als Teil eines Wracks gemeint. Das Blau der Rückwand bedeutet den Himmel, der diese Welt überspannt. In dieser Bildkomposition kennzeichnen die Mitbringsel aus Übersee materiell genau die Topographie des Bildes. Es ist die exotische Ferne. Und von hier aus läßt sich auch der Inhalt des Bildes entziffern, der etwa lauten könnte: die große Fahrt des Vollschiffs „Martha". Von diesen im technischen Detail sehr sorgfältig gearbeiteten Modellen heben sich andere durch eine ungefüge und stark vergröbernde Darstellung ab. Von dieser Art zeigen wir ein Beispiel aus jüngster Zeit: den Dampfer „Hamburg", gebaut 1968. Er stammt von Walter Tolzmann, geboren 1896 in Stettin (Szczecin) als Sohn eines Werftarbeiters. Er wuchs in der Lastadie auf, einem Stadtviertel unmittelbar an der Oder, wo die Bollwerke mit den Frachtschiffen und Oderkähnen sein täglicher Spielplatz waren. Er mußte Bäcker lernen, arbeitete aber nach dem ersten Weltkrieg ein paar Jahre als Schiffsbäcker auf Frachtern der Ost- und Nordseefahrt, danach als Kesselklopfer auf der Stettiner Vulcanwerft. Nach dem letzten Krieg wurde er nach einigen Zwischenstationen in Senftenberg ansässig. Aber die Erinnerung an die Bilder seiner Kindheit und seiner Berufserfahrung mit und auf Schiffen hat er sich bis ins Alter bewahrt. Und als er Renter wurde, begann er Dampfer und Segelschiffe zu bauen. Außerdem schnitzt und bastelt er auch andere Motive, wobei er phantasiereich Altes und Neues in plastische Bilder umsetzt. Bei der „Hamburg" handelt es sich um einen Frachter mittlerer Tonnage eines Typs, der etwa von 1890 bis um 1920 im deutschen Nordsee- und Ostseeverkehr gefahren wurde. Alle möglichen Stoffe hat Tolzmann nun verwendet, um die Realität des Schiffes mit seinen technischen Einrichtungen recht natürlich nachzubilden. Aus einem Block Kiefernholz von 5 3 cm Länge sägte und schnitzte er den Rumpf, der teilweise ausgehöhlt wurde, um die Laderäume, die mit Brettchen abgedeckt sind, zu simulieren. Kupferlitze nahm er für die Stags und die An-
tenne, ein Fahrradlichtkabel mit Anschlußblech für die Trosse mit Haken am Ladebaum, ein schwaches Gliederkettchen für die Ankertrosse, Alublech für Kajütendach und Anker, einen Aluklemmring für die Ladebaumhalterung, Alufolie für die Flaggen, Phantasie-Wappenschildchen von Zigarettenschachteln für das Reederzeichen an den beiden Schloten, Wattebäusche für den Rauch. Allein diese kurze Aufzählung läßt bereits erkennen, wie erfindungsreich Tolzmann auch die gewöhnlichsten Materialien für die gestalterische Bewältigung von kompliziert strukturierten Objekten einzusetzen weiß. Ebenso wichtig wie das Schiff ist ihm aber auch die Besatzung. Sie ist mit zehn Figuren vertreten, die in naiver Manier aus 8 mm starken Brettchen ausgesägt sind. Angesetzt sind Ohren und gestreckte Arme, die sich vorn zu übergroßen, plumpen Händen verbreitern. Durch Kleidung und Größe werden Offiziere, Maate und Schiffsjungen unterschieden. Der Kapitän, ausgezeichnet durch den goldbronzierten Mützenschirm, steht an der heruntergelassenen Fallreeptreppe, so als wollte er einen Gast an Bord begrüßen. Die übrigen verteilen sich über das ganze Schiff vom Maat auf dem Krähennest bis zu den Schiffsjungen in den Beibooten, so daß sich insgesamt ein sehr lebendiges Bild ergibt. Eine Darstellungsweise besonderer Art zeigt eine Gruppe von Seemannsbildnereien, die wir Dioramabilder nennen möchten. Nach Art von Dioramen zeigen sie nämlich ein Landschaftsbild, das im Vordergrund mit plastischen Elementen gefüllt ist, während eine gemalte Rückwand den Hintergrund bildet. Dabei werden die plastischen Objekte größer gehalten als die gemalten des Hintergrundes, wodurch eine effektvolle tiefenräumliche Wirkung erzeugt wird. Das Ganze befindet sich in einem Kasten von 5 bis 20 cm Tiefe, dessen Seiten wie die Wände einer Kulissenbühne von vorn nach hinten etwas zusammenlaufen, wodurch die perspektivische Verkürzung, die sich schon aus der Größendifferenzierung von Hauptraum und Hintergrund ergibt, noch verstärkt wird. Nur die Vorderseite gibt durch eine Glasscheibe die Sicht in den Kasten frei. Umrahmt ist diese Seite mit handelsüblichen Profil109
66 Diorama von Stubbenkammer auf Rügen mit Fischerbooten am Strand. Aus dem Elternhaus Ernst-Morit£ Arndts, Gut Schoritz auf Rügen {22,4x28 cm, Kastentiefe 4 cm) leisten, um auch in der äußeren Form den Charakter eines Wandbildes herzustellen. Das Kulturhistorische Museum Stralsund besitzt eine kleine Sammlung dieser eigenartigen Bilder, von denen wir sechs für unsere Abbildungen ausgewählt haben. Das älteste stammt aus dem Gut Schoritz auf Rügen, dem Elternhaus Ernst Moritz Arndts; doch läßt es sich nicht genauer datieren. Es zeigt auf der rechten Seite die weiß leuchtende Kreideküste von Stubbenkammer, die teilweise mit niedrigem Gestrüpp bestanden ist, davor die dunklere Strandzone und dicht am Bildrand Steingeröll. Zwei kleine plastisch geformte Gestalten, ein Mann und eine Frau mit Kiepe, beleben die 110
steile Wand. Im flachen Gewässer liegt ein Fischerboot, mit zwei Fischern besetzt, die im Begriff sind anzulegen. Weiter links ein zweites Fischerboot mit einem Fischer, der in Richtung Strand rudert. Hiermit ergibt sich ein kleines Genrebild der Fischerarbeit im Vordergrund. Ein hellblauer Hintergrund mit Federwölkchen, der sich in die linke schräge Seitenwand fortsetzt, und zwei Segelschiffe, als schwache Silhouetten an der Horizontlinie zu erkennen, eröffnen den Blick auf das Meer. Diese romantisch-harmonische Idylle von Stubbenkammer, in der Schiffe und Fischerboote nur Szenerie eines Landschaftsbildes bedeuten, ist offenkundig aus der Sicht eines Binnenländers entstanden. Sein Standpunkt ist der Strand, von dem aus er auf Küste und Meer blickt. Wie sich dagegen aus maritimer Sicht ein Dioramabild aufbaut, zeigen die Bilder des Rahschoners „Anna und Alma von Zingst", einer Dreimastbark ohne Namensschild, der
Fünfmastbark „Marie" und des Vollschiffs „Kaiser". Das sind Seebilder, bei denen die Küstenlandschaft nur als Hintergrund erscheint. Hauptgegenstand sind stets die Segelschiffe, die, als Halbmodelle ausgeführt, den größten Teil des Vordergrundes einnehmen, während im Hintergrund die Küste oder die Hafeneinfahrt mit der Lotsenstation oder nur das Lotsenboot das topographische Milieu kennzeichnet. In manchen Dioramen dieser Art, zum Beispiel in der Darstellung der „Kaiser", fallen gewisse Züge des Marinepatriotismus auf, wie er im Zusammenhang mit dem Aufbau der deutschen Kriegsmarine in dieser Periode erzeugt wurde. Das wird in diesem Fall am Schiffsnamen „Kaiser" sichtbar, der frei erfunden ist. Aber auch der Matrosenanzug 67 Halbmodell des Rahschoners „Anna und Alma von Zingst" mit Küstenlandschaft uud Lotsenstation auf gemaltem Hintergrund und mit plastisch geformtem Wellengang im Vordergrund. Zingst, letztes Drittel 19. Jh. X 62 cm, Bildtiefe 7 cm)
der Spielzeugpüppchen an Bord des Schiffes ist in diesem Sinne zu verstehen. Ein richtiges Hafenbild sehen wir in Abb. 71. Es wurde um 1890 angefertigt und soll aus dem Besitz eines Stralsunder Kapitäns stammen. Der Vordergrund ist als Hafenbecken angelegt, das hinten durch die Kaimauer abgegrenzt wird. In der Mitte ragt ein kleines Bollwerk in das Becken hinein. Dort sind fast alle Schiffstypen der kleinen Ostseeschiffahrt vom letzten Drittel des 19. Jahrhunderts versammelt: ein Raddampfer mit einem Mast (Vordergrund Mitte links), ein Schraubendampfer mit 3-Mast-Gaffeltakelung (dahinter am Kai), eine Fracht-Jacht (links außen), ein Gaffelschoner (Vordergrund Mitte rechts), eine Fracht-Schlup (rechts außen), außerdem einige Ruderboote (am Bollwerk). Die Ausführung ist simpel und entspricht etwa dem schnitzerischen Niveau der Flaschenschiffe. Sie bezeugt aber, daß sich der Schnitzer mit den Schiffstypen sehr gut auskannte, die er trotz stärkster Vereinfachung noch ausreichend charakterisieren konnte. Das Straßenbild des Hintergrundes zeigt eine phantasievoll aus ein-, zwei- und dreistöckigen Häusern zusam-
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68 Diorama mit Halbmodell einer Dreimastbark, die auf dem vorderen Mast die Lotsenflagge gesetzt hat, rechts eine Lotsenstation (ßjX cm, Kastentiefe 6 cm) mengesetzte Straße, die von einer zweiten Häuserreihe und einer größeren gotischen Kirche überragt wird. Unter den Häusern fallen vier Giebelhäuser mit den geöffneten Luken der Dachspeicher auf, wie sie für die Hafenviertel der Städte Stralsund, Rostock und Wismar typisch sind. Doch läßt sich eine bestimmte Straße als Vorbild nicht ermitteln. Kleine bunte Lackbildchen von Kinderfiguren, auf Pappe geklebt, sind am Straßenrand aufgestellt, wo sie die Szene beleben. Bemerkenswert an der Hintergrundbastelei ist das Material, aus dem die Häuserfronten gearbeitet sind. Es ist Kork in dicken Scheiben, aus denen einzeln die Hausumrisse, sowie deren Fenster und Türen herausgeschnitten sind. Aus dem gleichen Material kennen wir eine Reihe von Dioramenbildern anderer Landschaften, von denen das um die Jahrhundertwende beliebte Motiv „Der Rhein" am häufigsten vorkommt. Möglicherweise kommt von dort die An112
regung, das leicht zu bearbeitende Material Kork zu verwenden. Das Milieu des Hafens ist gleichfalls der Inhalt eines weiteren Dioramabildes, das erst nach 1945 entstanden ist. Am Kai liegt das Vollschiff „Seeadler", das wohl nach dem gleichnamigen Hilfskreuzer Graf Luckners von 1917 so benannt wurde. Es ist als Halbmodell gearbeitet, das mit dem langgestreckten weiß-roten Rumpf und den drei hohen Masten den ganzen Bildraum beherrscht. Ganz links ist das Modell des Schleppers „Hamburg" vorgesetzt. Beide Modelle vereinfachen die Merkmale sehr stark und lassen manches Zubehör ganz weg. Das ist bei dieser Größe — das Bild mißt am Rahmen 3 8 mal 5 2 cm — ungewöhnlich, ist aber wohl als Kriterium dafür zu werten, daß zu dieser Zeit das Interesse an den Details, vielleicht auch schon deren Kenntnis verloren gegangen sind. Der Bildrand schließt vorn mit einer Kette von Seeschnecken ab (Netz-Reusenschnecke, Turmschnecke, Pelikansfuß, Kreiselschnecke), von denen einige abgeschliffen und poliert und teilweise gefärbt sind, wie sie für fernöstliche Kunstgewerbe-Souvenirs verarbeitet wurden. Für unser Bild wurden sie also ein zweites Mal verwendet.
69 Diorama mit Halbmodell der Fünfmastbark „Marie" und mit Modell eines Lotsenbootes. Arbeit eines Wismarer Segelmachers, um 1SS0 {48 x So cm)
8 Volkskunst
jo Diorama mit Halbmodell des Vollschiffs „Kaiser" und mit Modell des Lotsenboots „Weser /", rechts im Hintergrund eine Lotsenstation x Ü /i cmi Kastentiefe 7,7 cm)
JI Diorama eines Hafens, angeblich Teil des Stralsunder Hafens. Hafenstraße als Korkarbeit ausgeführt, Schiffe als kleine Blockmodelle, Figärchen aus Bilderbogen ausgeschnitten und auf Pappe geklebt. A.us dem Besit% des Stralsunder Kapitäns Paeplow, um 1890 (,49,3 XJ9,J cm-> Kastentiefe 10 cm) Die Topographie des Hafens wird markiert durch zwei hohe Gebäude, die den Hintergrund flankieren: links ein weiß und rot gestrichener Leuchtturm, rechts ein grüner Zeitballturm neben einem rot gehaltenen einstöckigen Gebäude. Der eigentliche Hintergrund zeigt eine Straßenansicht mit mehreren Gast114
stätten. Benutzt wurde hierfür eine Abbildung aus einer illustrierten Zeitschrift in einem Ausschnitt, der in geschickter Weise oben der Dächerlinie folgt, so daß sich die Häuser vor dem hellblau getupften Himmel perspektivisch abheben. Die Namen der abgebildeten Gaststätten identifizieren das Milieu als eine Straße aus dem Hamburger Stadtviertel St. Pauli, und eine Coca-Cola-Reklame gestattet die Datierung in die Zeit um 1950. Der Anachronismus dieses Bildes — ein dreimastiges Segelschiff des 19. Jahrhunderts vor einer Stadtlandschaft aus der Mitte des 20. Jahrhunderts — charakterisiert die Hilflosigkeit gegenüber historischen Sachverhalten, wie sie in der populären Bildnerei dieser Periode öfter begegnet.
Halbe Modelle, die im Dioramabild aus Gründen der geringen Raumtiefe das volle Modell ersetzen, treten auch in einer eigenen Bildform auf: dem Reliefbild. Sie gehen zurück auf ein Konstruktionsverfahren im handwerklichen Schiffsbau des 19. Jahrhunderts, bei dem die Schiffsbaumeister für ein neues Schiff ein maßstäbliches Halbmodell des Rumpfes aus Holz schnitzten oder schnitzen ließen, um die nautisch beste Gestaltung des Schiffskörpers zu ermitteln. Nach diesem Holzmodell wurden dann die Spantformen angefertigt. Der abstrakte Körper aus dem technischen Bereich wird in der Volkskunst zu einem realistischen Schiffsbild vervollständigt. An einem Beispiel aus dem Greifswalder Museum 72 Diorama eines Hafens (Hamburg?) mit Vollschiff „Seeadler" und Schlepper „Hamburg", Hintergrundcollage aus Illustriertenbildern, nach 194J (jixj2,j cm, Kastentiefe 21,j cm)
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lassen sich die Prinzipien dieser Bastelei ablesen. Es zeigt ein dreimastiges Vollschiff mit einer Kiellänge von 24 cm auf einer halbkreisförmigen Holzplatte von 3 8 cm Höhe und 45 cm Breite an der Basis. Auf der grün gestrichenen Fläche tritt das nur in zwei Farben gehaltene Schiff als plastisches Relief hervor. Sein Rumpf ist ganz schwarz mit weißem Wassergang, in dem kleine Aussparungen Kanonenpforten andeuten. Die drei Masten, Bugspriet und Klüver liegen in der Ebene der Grundfläche. Vom Klüver bis zum Besan sind alle Segel, die aus dünnen Holzspänen geschnitten und weiß gestrichen sind, vollständig gesetzt. Dabei sind sie sehr schräg gestellt, jedoch nach hinten etwas verkürzt, wodurch sich eine perspektivische Tiefenwirkung ergibt. Eine gelbe Mondsichel in Höhe der Mastspitzen achtern vom Schiff ist das einzige Bildzeichen, das die Beziehung zur Umwelt herstellt. Es steht für den Nachthimmel über dem Meer, es steht aber auch für die Gestirne, an denen sich der
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Schiffer nachts orientiert. Aus dem Bildthema „Schiff auf See bei Nacht" läßt sich wohl auch die eigenartige Farbgebung erklären, die mit dem Schwarz-Weiß des Schiffes und dem schwachen Grün des Himmels die nächtliche Stimmung schildert. Woher dieses Reliefbild stammt und wo es angebracht war, ist unbekannt. Nach der Größe und der Form der Holzplatte könnte es über der Tür einer Schifferkajüte oder im Flur eines Schifferhauses gehangen haben. Bei anderen Bildern dieses Typs wird das Prinzip der reliefartigen Gestaltung nicht nur 7) Reliefbild eines dreimastigen Halbmodell auf Brett (.Höhe des Brettes } 8 cm)
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Vollschiffes,
für das Schiff angewandt, sondern auch für andere Bildgegenstände. So kennen wir aus Graal-Müritz das Reliefbild einer mit vollem Tuch segelnden Viermastbark, bei dem auch die See in weiter Fläche vom unteren Bildrand bis zur Bildmitte mittels einer Kitt-Gips-Masse plastisch gestaltet wurde. In einer streifigen Struktur, die vermutlich durch ein kammartiges Spachtelholz hervorgerufen wurde, sind Welle auf Welle modelliert mit weit hochgezogenen "Wellenkämmen, die sich teilweise überschlagen. Dabei ist alles in naiver Weise von vom nach hinten ohne irgendeine größenmäßige Differenzierung angelegt. Eine gewisse perspektivische Wirkung ergibt sich erst dadurch, daß die dunkelgrüne Farbe der Seefläche oben noch ein Stück auf der glatten Grundfläche weiter-
J4 Reliefbild der Dreimastbark „Otto", aus einer Kiefernplanke geschnitzt. Vermutlich Zingster Arbeit, zweite Hälfte (2jX cm, Relief tiefe i cm)
ip.Jh.
geführt wird. Der Eindruck einer stark bewegten See wird durch weiße Farbtupfer auf den Wellenkämmen auch farblich unterstrichen. In einem anderen Fall wurde ein Seemann angeregt, das Reliefbild einer vollgetakelten Bark ganz aus einem Stück Holz zu schnitzen. E r benutzte hierfür eine Kiefernplanke, aus der er einen Zentimeter tief den Hintergrund ganz herausstemmte, während er Rumpf, alle Segel, Stags, Flaggen und Wimpel so herausschnitzte, daß sie ein flaches Relief ergeben. Erhaben blieb der Rand stehen, der den Rahmen des Bildes bildet. Kräftige Grundfarben: grün, blau, schwarz, rot und weiß bekräftigen den realistischen Stil der Schnitzerei. A m Wimpel findet sich der Schiffsname „ O t t o " , doch ist der Heimathafen nicht bekannt. Wie stark eine bestimmte soziale Schicht mit ihren sozial determinierten Leitbildern und Wertvorstellungen zur Herausbildung besonderer Formen beitragen kann, zeigt das Beispiel der Schiffsbilder oder Schiffsporträts.
Die Volkskunde versteht darunter jene einfachen Segelschiffsbilder des 19. Jahrhunderts, die sich Schiffer und Reeder der Frachtsegler in den Hafenstädten malen ließen und von ihren Reisen mit nach Haus brachten. Die ersten Bilder dieser Art kennen wir bereits aus dem 18. Jahrhundert, und zwar von italienischen Seehäfen, wo wir in den älteren Schiffsvotivbildern die künstlerische Vorstufe der Schiffsbildmalerei finden. Von den Mittelmeerhäfen breitete sich diese Kunst nach Nordfrankreich, Belgien, Holland, England, Dänemark, Schweden und nach Deutschland aus, wo dann in der Periode des rapide wachsenden Welthandels, der auch der Segelschiffahrt noch eine letzte Blütezeit brachte, in allen größeren Seestädten das Malen von Schiffsbildern als ein einträgliches Gewerbe betrieben wurde. Die Schiffsporträts sind gewöhnlich als Aquarelle ausgeführt, seltener als Ölbilder. Außerdem gibt es Schiffsbilder als Hinterglasmalerei, die sich von den Aquarellen vor allem im malerischen Ausdruck, bedingt durch die andersartigen Farben und die spezielle Technik des Farbauftrags, unterscheiden. Inhaltlich sind sie ebenso wie die Aquarellbilder als individuelle Schiffsporträts angelegt, doch erreichen sie nicht deren realistische Genauig" 7
keit. Antwerpen war im 19. Jahrhundert der Hauptort dieser Malerei; daneben wurde diese Kunst vereinzelt in einigen Nordseehafenstädten Englands, Dänemarks und Deutschlands betrieben. Bei den Schiffern der Ostseestädte ist sie anscheinend nicht besonders beliebt gewesen. Bilder dieser Art sind bei uns eine Rarität. Die Aquarell-Schiffsbilder, die sich in unseren kulturhistorischen Museen und privaten Sammlungen erhalten haben, sind meist signiert oder können durch Stilkriterien einem Künstler zugeschrieben werden, so daß wir Maler und Herkunftsorte feststellen können. Dabei zeigt sich, daß unsere Kapitäne gern zu den Malern gingen, die schon einen Namen als Schiffsmaler hatten; und diese fanden sie eher in einer großen fremden Hafenstadt als im mecklenburgischen oder vorpommerschen Heimathafen. Flensburg, Malmö, Kopenhagen, Altona, Hamburg, Amsterdam, Antwerpen sind deshalb die Orte, aus denen die Bilder zumeist herstammen. Das gilt freilich nur für die Schiffe der nordeuropäischen Fahrt und der Nordatlantik-Route. Für die einmastigen Schiupen und Jachten der kleinen Ostseefahrt fanden sich Maler in unseren Häfen. Einer dieser Maler, dem wir aus den Jahren 1863 bis 1875 eine Reihe reizender Bilder verdanken, ist Friedrich Ludwig Stoll, der selbst mehrere Jahre lang zur See gefahren ist, bevor er in Wolgast die Malerei begann. Diese berufsmäßigen Schiffsbildmaler erlernten ihr Gewerbe meist rein handwerksmäßig in einer kleinen Bilderwerkstätte einer Hafenstadt, oft in einem Familienbetrieb, in dem Vater und Sohn oder andere Familienangehörige tätig waren, oder als reine Autodidakten durch Kopieren von gleichartigen Bildern. Eine akademische Kunstausbildung erwarben nur wenige. Zur handwerksmäßigen Ausbildung gehörten die Kenntnisse des Malens mit Wasserfarben sowie ein gewisser Kanon typischer Bildformen, der international tradiert wurde, mit einem festen Schema für Bildmotive, Bildaufbau und Darstellungsart. Individuelle Züge sind in den Bildern zwar oft zu erkennen, zum Beispiel in der Darstellung der Wellen, für die jeder dieser Maler 118
eine eigene routinehafte Darstellungsformel entwickelte. Das allgemeine Schema, das den eigenartigen, internationalen Stil der Bilder ausmacht, wird hierdurch zwar variiert, jedoch nicht wesentlich verändert. Abgebildet wurde stets ein bestimmtes Schiff, das der Auftraggeber als Bild wünschte. Aus diesem Auftrag ergab sich der Inhalt der Darstellung. Das Schiff wurde groß in den Vordergrund gesetzt, auf See beim Winde segelnd, wobei jeder Maler eine Bewegungsrichtung bevorzugte. Damit möglichst viele Details sichtbar gemacht werden konnten, wurde es breitseits in ganzer Länge und voll getakelt dargestellt. Ein tiefer Blickpunkt ließ die Konturen klar hervortreten, einschließlich der charakteristischen Aufbauten an Deck und aller sichtbar hervortretenden Anlagen und Einrichtungen am Rumpf, wie zum Beispiel die bei den Schiupen und Jachten am plattgatten Heck außenbords hängenden Landgangsboote. Ein Vergleich verschiedener Bilder zeigt, wie in solchen Einzelheiten manche individuellen Eigenarten des Schiffes zum Ausdruck gebracht wurden. Bei den Masten und der Takelage war das nicht der Fall. Hier wurde vor allem Wert darauf gelegt, daß voll getakelt war und daß die Segel seemännisch richtig gesetzt waren, womit der Typ des Schiffes dokumentiert wurde, aber auch seine Segelqualität. Dagegen erlaubte nun die Beflaggung, die auf keinem Schiffsbild fehlen durfte, die Individualität des Schiffes genau anzugeben. An der Gaffel, sofern ein Gaffelsegel geführt wurde, oder bei Zweimastigen auch am Topp des Hauptmastes wehte die Nationalflagge. Am Mast oder am Vormast war die wimpelförmige Kontorflagge gesetzt, die das Zeichen des Reeders oder bei kleineren Fahrzeugen einfach den Namen des Schiffes trug. Hinzu kamen häufig die an der Gaffel gesetzten vier Signalwimpel, die nach dem nationalen Seeschiffsregister das einzelne Schiff bezeichneten. Belebt wurde die Darstellung der äußeren Schiffserscheinung durch die Schiffsbesatzung, die auf jedem Bild zu finden ist. Im entsprechenden Maßstab wurden die Menschen als kleinfigurige Silhouetten wiedergegeben. Dabei hielt der Schiffer die Ruder-
MEmmcu u 7/ Bild der Jacht „Heinrich". Aquarell von W. Stoll, Wolgast um 1870 pinne, während der Matrose oder der Bootsmann und der Junge auf dem Mittelschiff oder Vorschiff standen, das Gesicht dem Schiffer 2ugewandt. Und es gibt Beispiele, bei denen auch der Hund an Bord mitporträtiert wurde. Merkwürdig an diesen Bildern ist nun, daß oft dasselbe Schiff noch ein zweites Mal abgebildet ist. Diese Art der Doppelansicht ist wahrscheinlich keine eigene Erfindung der Schiffsbildmaler. Sie kommt nämlich bereits in der niederländischen Marinemalerei des
17. Jahrhunderts vor. Auf dem Weg über die bis ins 19. Jahrhundert weit verbreiteten Kupferstich-Reproduktionen muß sie auch den Schiffsmalern der niederländischen und englischen Hafenstädte bekannt gewesen sein. Eine solche Darstellung kam den Vorstellungen der Auftraggeber sehr entgegen. Denn sie ermöglichte nun eine Abbildung des Schiffes aus ganz anderer Sicht. Diese zweite, kleinere Wiedergabe ist in den Bildmittelgrund gelegt, und zwar meist achtern vom Schiff der Hauptdarstellung. Sie zeigt das Schiff ebenfalls segelnd, dieses Mal aber auf Gegenkurs, so daß hier das Heck sichtbar wird. In den zwei Ansichten ist es also als Schiffstyp, aber auch 119
als individuelles Fahrzeug allseitig charakterisiert. Volkskundlich bemerkenswert daran ist, wie die Prinzipien einer akademischen Malerei des 19. Jahrhunderts von der zeitlichen und räumlichen Einheit eines Bildes, nach der gleichsam wie bei einer Momentaufnahme alle Objekte nur einmal abgebildet werden dürfen, hier unbekümmert außer Acht gelassen werden, indem ein Objekt gleichzeitig zweimal im selben Bild erscheint. Volkstümliche Bildnerei kennt eine solche akademische Einengung des Bildinhalts eben nicht. Gegenüber der minutiösen Deutlichkeit in der Abbildung des Schiffes erscheinen alle übrigen Bildobjekte nur als schwach angedeutete landschaftliche Staffage. Doch benutzten die Maler den Hintergrund, um auch die topographischen Bezüge dieser Arbeitswelt in das Bild zu bringen. So erkennen wir auf manchen älteren Bildern die Vedute eines Hafens oder einer Hafenstadt mit einigen charakteristischen Bauwerken. Das ist dann in der Regel die Stadt, in der der Maler seine Werkstatt hatte. Oft finden wir am tiefliegenden Horizont die Umrisse eines hervorragenden Küstenabschnitts, wie Kap Arkona mit dem Leuchtturm, Schloß Kronborg am Öresund, die Kanalküste, die Felsen von Gibraltar oder andere bekannte Landmarken an den Hauptrouten, die dem Schiffer als Orientierungspunkte für das Segeln unter Land oder als Markierungspunkte für bestimmte Abschnitte seiner Reise vertraut waren. In dem Raum zwischen dem Schiff im Vordergrund und dem Horizint sehen wir auf manchen Bildern noch weitere Fahrzeuge. Doch sind diese stets nur umrißartig ohne Details wiedergegeben. Die inhaltliche Gliederung in Hauptgegenstand und landschaftliche Staffage wurde durch die Darstellungsweise noch hervorgehoben. Das Schiff wurde — in dieser Aquarelltechnik — zunächst in seinen Umrissen mit dem Stift vorgezeichnet, bevor die Farben aufgetragen wurden. Die so entstandenen Linien blieben aber stehen. Und es fällt auf, daß die Bordkanten, die Wasserlinien des Rumpfanstrichs, die Spriets, Bäume, Masten und Gaffeln, die Stagen, Wanten und Fallreepe, selbst die Segelumrisse und die einzelnen Segeltuch120
bahnen alle schnurgerade bzw. in exakten Kurven gezeichnet sind. Diese Linienführung konnte der Maler nur erzielen, in dem er mit Lineal und mit Straklatten oder mit Schablonen arbeitete. Bei der Fülle gleichartiger Aufträge wurde seine Arbeit hierdurch wesentlich vereinfacht. Und der Eindruck technischer Genauigkeit, der durch diese Zeichenweise hervorgerufen wurde, war den Auftraggebern vermutlich ganz erwünscht. Mit Wasserfarben wurden die Partien dann koloriert und perspektivische Effekte hinzugefügt: die Rundung des Rumpfes, die Bauchung der im Wind liegenden Segel, das Flattern der Flaggen und Wimpel. Doch wurde hierdurch die Exaktheit der Zeichnung nicht beeinträchtigt, so daß sich für die Abbildung des Schiffes eine äußerst realistische Darstellung ergibt. Demgegenüber sind Meer und Himmel, aber auch die Objekte des Hintergrundes ganz routinemäßig mit dem Pinsel ausgeführt, wobei jeder Maler einen eigenen Stil entwickelte, so daß mittels dieser Kriterien eine Zuweisung der Bilder an die einzelnen Werkstätten möglich ist. In unserer Bildanalyse muß schließlich noch die Bildunterschrift genannt werden. Sie steht bei diesen Aquarellen auf dem unteren Bildrand, also außerhalb des eigentlichen Bildes. Sie enthält in der Regel die Typenbezeichnung und den Namen des Schiffes, den Namen des Kapitäns mit dem Heimathafen, manchmal auch das Datum der Entstehung des Bildes und den Namen des Malers. Die Unterschrift zum Bild eines Gaffelschoners lautet zum Beispiel: „Schooner Franz Ludwig. Geführt von Cap'. L. Krohn von Neuendorf. Gezeichnet von W. Stoll. Wolgast d. i2ten Oct. 1875." Man fragt sich, welchem Zweck diese Unterschrift dienen konnte, wenn die Identität des abgebildeten Schiffes, wie wir gesehen haben, bereits durch zeichnerische Darstellungsmittel ausreichend gekennzeichnet war. Die formalen Vorbilder hierfür finden wir in den zeitgenössischen Stichen und Lithographien mit Marinemotiven, die, besonders bei historischen Darstellungen, den Bildgegenstand in ausführlicher Unterschrift erläuterten. In den Unterschriften unserer Bilder sollte aber wohl etwas ganz anderes zum Ausdruck gebracht
werden, das nur aus der speziellen Funktion dieser Bilder gedeutet werden kann. Sie waren zum Wandschmuck bestimmt. Unter Glas und Rahmen, wie sie teilweise bis heute erhalten sind, wurden sie in die „gute Stube" des Schifferhauses gehängt, wo die Berufswelt des Schiffers in Schiffs- und Marinebildern, in Kompaß, Chronometer und Barometer sowie in den Souvenirs von den Seereisen ihren bildmäßigen Ausdruck fand. Unter diesem Schmuck nahm das Bild des eigenen Schiffes zweiffellos einen besonderen Rang ein. Denn es bezeugte, und das vor allem durch die Bildunterschrift, daß der Schiffer dieses oder jenes Fahrzeug tatsächlich geführt hatte. Von der Funktion her gesehen bedeutet das Schiffsbild also mehr als Reproduktion erfahrener Wirklichkeit zum Zwecke der Erinnerung, es bedeutet bildlich dokumentierte Bestätigung des beruflichen wie des sozialen Status und der persönlichen Leistung im Beruf. Auf die eigentliche Volkskunst hat sich die professionelle Schiffsbildmalerei kaum ausgewirkt, weil Malen nicht zu den populären Techniken gehört. Die einzige Ausnahme, die wir kennen, ist das Bild einer Bark ohne Schiffsnamen von einer Seemannskiste, die aus Hamburg stammt (Historisches Museum Schwerin, Abt. Feudalismus). Seine Entstehungszeit liegt vermutlich zwischen 1870 und 1900. Es ist mit Ol auf Leinwand gemalt und war von vornherein für die Kiste bestimmt, denn sein gestrecktes Querformat (26,5 X 64,5 cm) entspricht genau der Innenseite des Kistendeckels, wo es mit schmalen Leisten befestigt ist. Was an unsere Schiffsbilder erinnert, ist die Zeichnung des Schiffes, das in voller Längssicht mit allen Segeln abgebildet ist. Wie bei diesen sind die Konturen des Rumpfes, der Segel und das Taugut erst mit Bleistift vorgezeichnet, bevor die Flächen mit Farbe gefüllt sind. Die malerische Ausführung der See, des Himmels und des Küstenstreifens mit einigen Häusern am linken Bildrand lassen hier die unbeholfene Hand eines Laienmalers erkennen.
Gesichter der Dinge Anthropomorphe und zoomorphe Gestaltung von Gefäß und Gerät
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inen besonderen Bereich populärer Kleinplastik bilden jene Gefäße, Ge—1— räte und Werkzeuge, die ganz oder an bestimmten Stellen als Menschen oder als Tiere gestaltet sind. Dingformen sind umgewandelt in lebende Wesen. Diese ästhetische Umwandlung dient zweifellos nicht dem praktischen Gebrauch der Dinge, sie ist eher zweckwidrig, zumindest nicht zweckdienlich. Andererseits ist sie auch nicht bloße attributive Dekoration. Denn sie zeigt nicht oder nur selten ornamentalisierte Formen, sondern meist sehr realistische. Sie meint also das, was sie darstellt. Wie aber hängen die menschen- und tiergestaltigen Formen mit dem Verwendungszweck dieser Dinge bzw. mit ihren eigentlichen Funktionalformen zusammen? Welchen Sinn haben diese merkwürdigen Gestaltgeräte und -gefäße? Daß unser Verhältnis zu den Dingen, mit denen wir täglich umgehen, nicht nur ein praktisches ist, verrät das große Feld der Metaphern, denen wir uns zur Bezeichnung einzelner Dinge 122
und Dingteile bedienen. Wir sprechen von den Beinen der Stühle, Tische und Liegen, von den Füßen der Schränke und Sessel, von den Armen der Wand- und Deckenleuchten. Nägel, Stecknadeln und Reißzwecken sind mit einem Kopf versehen. Flaschen haben einen Hals. Schlüssel haben einen Bart. Besonders reich an Wörtern dieser Art sind die Mundarten. So nannte man, um nur zwei Beispiele anzuführen, im Niederdeutschen die zwei an einer irdenen Suppenschüssel waagerecht angesetzten Henkel, die zum Aufhängen am Tellerbord dienen, ören (Ohren), den Ansatz am irdenen Milchkochtopf Steert und danach den Topf Steertpott. Die Wörter bezeichnen in diesen Fällen Dinge, die nach technisch-statischen und allgemeinen ästhetischen Prinzipien gestaltet sind, nicht aber nach dem Bild von Tieren oder Menschen, auch nicht in den Details. Es gibt aber auch Beispiele, bei denen der materielle Anlaß für die Benennung noch erkennbar ist. So bezeichnet schwäbisch Saurüssel eine irdene Bratenpfanne mit einem kleinen, spitz zulaufenden Ausguß, der einer Sauschnauze ähnlich sieht. Selten sind die Fälle, bei denen sich die Sprachbilder an einem Objekt häufen und so ergänzen, daß sie das Bild eines Ganzen erkennen lassen. Die Kaffeekanne und die Teekanne mit runder Wandung sind ein Beispiel hierfür. Sie haben einen Bauch, Schultern, einen Hals, eine Schnauze, am Rand der Öffnung auch Lippen. Hier sind die Metaphern so aufeinander bezogen, daß sich offensichtlich das Bild einer aufrecht stehenden Gestalt ergibt. Zu einem weiblichen Wesen wird die Kaffeekanne in der Sprache familiärer Vertraulichkeit, wenn sie sogar einen weiblichen Eigennamen bekommt, wie im Niederrheinischen, wo man eine bauchige Messing- oder KupferDreibeinkaffeekanne, die mit einem kleinen Hahn versehen ist, Dröppelmina nannte, wobei also ein technischer Mangel, das Dröppeln (das heißt Tröpfeln), als menschliche Schwäche gesehen wurde. Gleiche Vorstellungen sind wirksam, wenn in niederdeutschen Mundarten die kleine Pfeffermühle Peperlieschen genannt wurde, im Rheinischen die Blechkanne, in der die Arbeiterfrauen ihren Männern das Essen in die Fabrik brachten, Henkelmann.
Die sprachlichen Beobachtungen in Küche und Haushalt lassen sich im Bereich der Handwerker und ihrer Werkstätten wiederholen. Auch hier finden wir an vielen Arbeitsgeräten Köpfe, Backen, Zähne, Lippen, Arme, Beine, Schenkel, Füße. Und Geräte, bei denen sich diese Metaphern häufen, sind gleichfalls vertreten, wie der Amboß, der im Niederdeutschen Foot, Kopp, Hals, Rücken, Bost und Näs oder Horn hat (nach dem BrandenburgBerlinischen Wörterbuch). Kann man in der Form des Amboß wohl kaum eine Tiergestalt wahrnehmen und schon gar nicht eine bestimmte Gattung, so ist das bei den Geräten, die als Bock bezeichnet werden, schon anders. Denn diese bestehen in der Regel aus einem länglichen Brett oder Vierkantholz, das mit vier oder mit drei Beinen versehen ist, so daß die Assoziation eines Vierbeiners naheliegt. Ein Backbock für die Backmulde, ein Sägebock zur Auflage des Holzes beim Sägen und ein Waschbock für den Waschzuber waren früher auf jedem Bauemhof vorhanden. Ebenso wären aus dem Handwerk unzählige Beispiele für Zusammensetzungen mit -bock zu nennen. Bock und Pferd als Turngeräte sind allgemein bekannt. Die Metapher Bock verdeutlicht die sprachliche Situation. Das Wort ist die schriftsprachlich gebräuchliche und allgemein verständliche Bezeichnung für eine Einrichtung mit spezifischen Merkmalen, nämlich für eine Halteoder Stützvorrichtung, die mit drei oder vier Beinen versehen ist. Sofern diese technischen Merkmale gegeben sind, kann die stets verfügbare Metapher angewendet werden, ohne daß man gleich an einen Ziegen- oder Schafsbock denken muß. Dasselbe gilt für viele Metaphern gleicher Art. Umgekehrt, und damit kommen wir auf unser Thema zurück, dürfte es nicht ungewöhnlich sein, daß vom gewohnten Sprachbild im einzelnen Fall Realisationsimpulse ausgehen, die zu einer bildnerischen Gestaltung eben dieses Bildes führen. Die Assoziation bestimmter Bildgestalten, gespeist aus dem großen, stets verfügbaren Vorrat an Metaphern, muß als ein gestaltbildendes Element angesehen werden. Das 19. Jahrhundert ist jedoch in dieser Hinsicht kaum
noch produktiv. Die meisten anthropomorphen und zoomorphen Gestaltungen aus dieser Periode sind Endstufen einer längeren ikonographischen Tradition. In der Regel ist es ein ganz bestimmtes Geräte- oder Gefäßteil, das einmal Anlaß zu einer Umwandlung der Funktionalform gewesen ist. Nehmen wir unseren Nußknacker als Beispiel. Technisch gesehen ist er — jedenfalls in der Form, die durch die Seiffener Produktion weltbekannt geworden ist — eine Zange, mit deren Hilfe Nüsse geknackt werden. Ihr Kopj besteht aus zwei sich gegenüber stehenden scharfen Backen, die die Nuß packen und durch den Hebeldruck der Griffe aufbrechen. Diesen Vorgang mit dem Aufbeißen zu vergleichen und die Zangenbacken als zwei Zahnreihen zu sehen, dürfte nahe liegen. Das Bild des menschlichen Kopfes bietet sich als Gestalt des Zangenkopfes an. Hierzu stimmt, daß man das Gerät im Bayrischen Nußbeißer nennt. Die Vervollständigung zur ganzen Figur ist vermutlich erst spätere Entwicklung. Seine anthropomorphen Figurationen werden im 19. Jahrhundert freilich in erster Linie dadurch bestimmt, daß er nur anläßlich des Weihnachtsfestes in Funktion tritt, bei dem die Bescherung mit Kinderspielzeug die dominierende Rolle spielt. Daß er in dieser Spielzeugwelt gleichfalls als Spielzeug erscheint, nämlich meistens in der Uniform des Spielzeugsoldaten, ist verständlich. Beim Nußknacker des 17. und 18. Jahrhunderts überwiegen dagegen noch die komisch-heiteren Gestalten des Bürgerspotts, wenn man dem „Negerweib", dem „bösen Weib", dem „Bettelmönch", dem „Kurzbeinigen" das Nüsseknacken zumutet. In der ersten literarischen Beschreibung des Nußknackers, und zwar aus dem Prospekt einer Masken-Schlittenfahrt Freisinger Studenten zum Fasching 1783, wird seine damalige Gestalt vorgeführt. Auf 30 Schlitten wurde das Thema „Berchtesgadener Ware" dargestellt, wobei jeweils ein Schlitten ein Objekt in vergrößerter Kopie zeigte, das dann scherzhaft mit Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens in Beziehung gebracht wurde. Hier heißt es unter 25: „Nußbeißer in Gestalt eines Männchens, dessen Maul und Bauch eines ist." Der 123
j6 Klemmkopf einer Zugbank als Mannskopf. Niederösterreich
„Soldat" und nach ihm der „König" sind aus dieser Reihe komisch-mißliebiger Gestalten hervorgegangen. Daneben kommen viele andere Figuren vor, wie zum Beispiel das nur in einfachen Konturen gezeichnete Mannsgesicht eines Nußknackers aus Fünen, das wir abbilden. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Auch die eigentlichen Arbeitsgeräte sind häufig Gegenstand anthropomorpher bzw. zoomorpher Umgestaltung. Wie auch hier der arbeitende Teil dazu anregt, zeigt das Beispiel der Arbeitsbank. Als Schneid-, Schnitte-, Tochoder Hein^elbank ist sie in ganz Deutschland bekannt; auch in den Nachbarländern ist sie 124
verbreitet. Sie besteht aus einer länglichen Bank, die einerseits den Sitz für den Arbeitenden bildet, andererseits eine Vorrichtung zum Festklemmen eines Holzstücks besitzt, das dann mit dem Zweigriffmesser bearbeitet wird. Bei einigen holzverarbeitenden Gewerben gehört sie zum notwendigen Werkzeuginventar, so beim Stellmacher, Korbmacher, Muldenhauer, Rechenmacher. Aber auch die Bauern besitzen oft diese Bank zur Herstellung und zum Ausbessern ihrer Arbeitsgeräte. Der Klemmkopf, der drehbar angebrachte arbeitende Teil der Klemmvorrichtung, ist nun das Objekt einer Schnitzerei, die allerdings nicht
77 Klemm köpf einer Zugbank mit Mamsgeshht. Oberösterreich
im gesamten Verbreitungsgebiet der Bank vorkommt, sondern nur in einer begrenzten Region, die von Osterreich über Ungarn und die Slowakei bis nach Südpolen reicht. Meist wird dieser Teil als Männerkopf in natürlicher Größe oder etwas kleiner und dann mit kurzer Schulterpartie gestaltet. Da der Kopf dem Arbeitenden zugewandt ist, ergibt sich eine verblüffende Beziehung zwischen Mensch und menschengestaltigem Arbeitsgerät, das wie ein Knecht Hilfsdienste leisten muß. Die Schnitzerei ist in den meisten Fällen in recht einfacher Art ausgeführt. Wir finden Stücke, bei denen der vierkantige Klotz aus Hartholz mit dem Beil
nur wenig behauen ist, so daß die kubische Grundform erhalten bleibt. Den Kopf erkennt man eigentlich nur von vorn, wo durch eingekerbte Augen, eine gezähnte Mundlinie und eine angesetzte Nase ein grimmig blickendes Flachgesicht entsteht. Neben diesem groburtümlichen Typ treten auch natürlicher gestaltete Formen auf. Sie zeigen einen rundovalen Kopf, manchmal bedeckt mit einer niedrigen, schirmlosen Kappe, an dem die Gesichtszüge plastisch herausgearbeitet sind. An einem Stück dieser Art aus Niederösterreich, das durch seine weit geöffneten Augen auffällt, ist der Kopf nur bis zur Oberlippe ausgeführt, 125
wo er in einem rechteckig hervorstehenden Klemmbrett endet. In dieser Form ist es nach unserer Kenntnis eine Ausnahme. Wird der Klemmkopf als Tierkopf geschnitzt, so wählt man fast immer den Widder, ein Motiv, das bei den Hirtenschnitzereien der genannten Region eine große Rolle spielt und sicher von dorther übernommen ist. Auch bei dieser zoomorphen Form kommen unbeholfen-vereinfachende neben naturalistisch ausgeführten Gestaltungen vor. Aus dem Handwerk der Tischler war es der Hobel, und zwar der kurze Schlichthobel, der bevorzugtes Objekt tischlermäßiger Schnitzkunst war. Dieses Werkzeug mußte sich der Tischlergeselle, wie übrigens alle anderen Werkzeuge auch, bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts in den hölzernen Teilen selbst herstellen. Eine Arbeit, die der Lehrling genauso lernen mußte wie die Herstellung der eigentlichen Tischlerware. So ist es verständlich, daß der Tischler das Schnitzmesser auch einmal am Holz des eigenen Werkzeugs versuchte. Zur j8 Tischlerhobel in Stralsund
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Schwanengestalt.
Schnitzerei reizte wohl besonders die sogenannte Nase. Das ist der am vorderen Ende des Hobelkastens angebrachte, meist etwas vorgewölbte Griff zur Führung des Werkzeugs. Diese erhält die Form eines Kopfes, meist eines Tierkopfes, der nach vorn gerichtet ist. Darunter gibt es aber auch die Form des Vogelkopfes, der weit zurückgebogen nach hinten blickt. Bei dieser Darstellung wird der Hobel gern zum ganzen Tier ergänzt. Das geschieht in der Weise, daß das hintere Ende des Hobels etwas verjüngt wird und die groben Umrisse der Flügelspitzen oder des Vogelschwanzes bekommt. Daß hierdurch auch ein guter Griff für die zweite Hand entsteht, ist sicher nicht unbeabsichtigt. Daneben gibt es Formen, bei denen das Gesamtbild des Vogels vollständig ausgeführt wird, indem auf den Seiten die Linien der Flügel herausgearbeitet sind, während der Keil, mit dem das Eisen festgehalten wird, wie ein hochgerichteter Vogelschwanz geschnitzt wird. Gleiche Formen aus SchleswigHolstein, Vorpommern und Dänemark bezeugen die alten zünftlerischen Beziehungen innerhalb dieser Region. Menschengestaltige Nasen mit einem kleinen Kopf an der Spitze
j y Kleiekot^er als Mannsgesicht aus Ebeleben in Nordthüringen. (Länge 60 cm) kommen aus den handwerklichen Schnitzgebieten Oberbayerns und Österreichs, darunter Janusköpfe, Türkenköpfe, Soldatenköpfe und andere. Tischlerarbeit sind sicher auch die prächtigen Schnitzereien an den Spezialhobeln des Küfers, von denen wenige Stücke erhalten sind. Markante Beispiele menschengestaltiger Formen an einem Produktionsmittel finden wir in mittel- und süddeutschen Getreidemühlen. Hier ist es die Mahlgangsöffnung, die mit einer maskenartigen Verzierung so verkleidet ist, daß der offene Mund die Öffnung für den Austritt des Mehls bzw. der Kleie bildet. Kleikot^er ist ihre volkstümliche Bezeichnung in
Niedersachsen. Sie ist stets als Reliefschnitzerei ausgeführt. Wer die Schnitzer waren, die Müller selbst, die ja gleichzeitig Mühlenbauer waren und deshalb auch die Arbeit mit dem Zimmermannswerkzeug beherrschen mußten, oder schnitzende Tischler, ist leider nirgends bekannt. Nach der Qualität der Schnitzarbeit möchte man eher das letztere annehmen. Die Verzierung zeigt gewöhnlich ein Männergesicht, etwa in natürlicher Größe von kreisrunder oder ovaler oder auch quadratischer Form. Die Gesichtspartien: Augen, Nase, Mund und der häufig vorkommende lange Schnurrbart sind stets sehr realistisch gestaltet. Manchmal sind auch Ohren vorhanden, die beiderseits abstehen und dann, mit einem Loch versehen, zur Befestigung der Maske am Gebälk dienen. Zu diesem Darstellungsstil " 7
So Kleiekot^er als Frauengesicht (Großbodungen in Nordthäringen) und als Mannsgesicht (SaalfeldjSaale), i8.Jh. gehört eine Bemalung, die den Realismus der Schnitzerei farblich nachvollzieht. In manchen Fällen, so bei den runden, freundlich blickenden Gesichtern aus Nordthüringen, die wohl alle von demselben Meister geschnitzt sind, glaubt man sogar individuelle Züge wahrnehmen zu können. Aus dieser Gegend, nämlich von Großbodungen bei Nordhausen, stammt übrigens das einzige Beispiel eines Frauengesichts, das auch insofern unsere Aufmerksamkeit verdient, als es in der plastischen Komposition hervorragend gelungen ist. Formen aus Südwestdeutschland fallen dadurch auf, daß sie anstelle der Ohren oder am unteren Gesichtsrand mit barocken Schnörkeln verziert sind. Das setzt sie formal in die Nachbarschaft der Maskarons, die als ornamentales Motiv an barocken Bauwerken und Prunkmöbeln, auch an barocken Prunkstücken von eisernem und hölzernem Arbeitsgerät (bekannt sind der Schraubstock des bremischen Ratsschlossermeisters von 1774 und ein Ulmer Küferhobel um 1700) von der Mitte des 17. bis zum 18. Jahrhundert häufig verwendet wurden. Aber auch für die Offnungen an repräsentativen Brunnenbauten dieser Zeit waren steinerne oder bronzene Maskarons ein beliebter Zierat. Wir nehmen an, daß diese barocke Form des Wasserspeiers das Vorbild für den Kleiespeier 128
abgegeben hat. Die maskenhaft starren Züge der meist weit geöffneten Augen und die herausbleckende Zunge mancher Kleiespeier dürften dann als Formelemente dieser Herkunft zu erklären sein. Umso beachtlicher ist die Leistung der Schnitzer, die ein barockantikisches Architekturornament, das nur einer kleinen feudalen Bildungsschicht verständlich war, in die Realität vertrauter Gesichter wandelten. Zu erwähnen ist hier, daß manchmal auch die Mahlgangsöffnung der kleinen Handmühlen (in Niederdeutschland Quernen genannt), die für bestimmte Zwecke neben den Wasser- und Windmühlen vereinzelt bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch waren, mit einem Männergesicht in Steinmetzarbeit verziert ist. An diesem Gerät kommen übrigens — im Unterschied zu den hölzernen Kleiespeiern — auch Tierköpfe vor, in unserer Abbildung zum Beispiel ein Löwenmaul. Ungewöhnlich ist in diesem Zusammenhang ein Blasebalg, der um 1900 in einer Maschinenfabrik Südthüringens hergestellt wurde (Firmenschild der Firma Häfner, Steinbach-Hallenberg). Der hölzerne Kopf dieses Blasebalgs, der in der Dorfschmiede zu Feldengel bei Sondershausen in Betrieb war, ist als Drachenkopf geschnitzt. Schon seine Größe ist beeindrukkend, mißt er doch in der Länge 32 cm. Vom hinteren rechteckigen Ansatz bis zum runden Mundstück sind die Kopfpartien flächig und in geschwungener Abgrenzung herausgearbeitet. Die starrblickenden Augen und das
leicht geöffnete Maul mit den Zahnreihen sind in Flachschnitt vertieft. Der ornamentale Charakter der Linienführung wird unterstrichen durch die Farben: das Grün der Kopfpartien mit schwarzen Umrandungen, das Weiß der runden Augäpfel mit schwarzer Pupille und das Weiß der kantigen Zähne im Rot des Mauls. Die Bildvorstellung stammt wohl aus dem älteren Traditionsfeld der Schmiedezünfte, denn wir kennen einige weitere Beispiele für den Drachenkopf als Mündung eines Blasebalgs (z. B. aus der Kremper Marsch). In Menschen- oder Tiergestalt treten auch in Küche und Stube Geräte auf, die auf irgend-
eine Weise Hilfsdienste leisten müssen. Zu den eigenartigen Vertretern dieser Gattung zählen die irdenen Kienspanhalter, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch in einigen abgelegenen Gebieten Mittel- und Nordeuropas verwendet wurden. Ihr Verwendungszweck war, einen brennenden Kienspan zur Beleuchtung eines Raumes hochzuhalten. Daß auch eiserne Spanhalter in entsprechenden Zweckformen hierfür üblich waren, sei am Rande erwähnt. In Deutschland sind die irdenen aus dem Erzgebirge, wo man sie Gahnaffen nannte, dem Vogtland und in Bayern bekannt, ferner aus dem benachbarten Oberösterreich und aus der Steiermark, dort Geanmaul oder Maulauf genannt. Das Berliner Museum für Volkskunde besitzt einige Exemplare aus Wassing in Niederbayern, die, beurteilt man sie nach der Art ihrer Ausführung, vermutlich von Zieglern als Nebenoder Feierabendarbeit hergestellt sind. In zwei Gestalttypen sind sie vertreten, beide handmodelliert, einmal als Männerkopf, in Größen von 6 bis 8 cm Höhe, zum andern als liegendes
81 Handmühle, sog. Querne, mit Mahlgangsöffnung in Gestalt eines Löwenmauls. Niedersachsen
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Volkskunst
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82 Blasebalgkopf in Gestalt eines Drachenkopfes. Aus der Dorf schmiede in Feldengel bei Sondershausen, hergestellt in Südthüringen Ende ip. fh. (Kopf teil Länge }2 cni) Tier, in Größen von 8 bis 10 cm Höhe. Die Köpfe zeigen breite Bauerngesichter mit mächtiger, beinahe naturalistisch geformter Nase. Die punktförmigen Augen sind durch tiefe Einstiche eines Stäbchens, die Augenränder durch strichförmige Einkerbungen, der geöffnete Mund (deshalb die Bezeichnung Gahnaffe) als rechteckiger Schlitz für den Span wiedergegeben. Flache, schräg angesetzte Kerben an den Wangen deuten den Bart an. Oben bedeckt den Kopf ein Bauernhut mit schmaler, hochgekippter Krempe bzw. eine kleine Kappe. 130
Unten endet der Kopf auf Kinnhöhe in der runden Standfläche. Ebenso wie die Männerköpfe dokumentieren auch die Tiergestalten die phantasiereiche bildnerische Begabung ihrer Hersteller. Die von uns abgebildeten stellen einen liegenden Hund und eine liegende Katze dar. Es fällt auch bei diesen auf, daß trotz grober Vereinfachung Form- und Bewegungsvarianten gelingen, die für jedermann verständlich sind. Gehören diese Gestalten zum vertrauten häuslichen Milieu, so können im gleichen Bereich auch Gestalten erscheinen, die woanders herkommen. Das ist zum Beispiel der Fall beim nordfriesischen Wendehalm. Schlangengestalt. Hierunter versteht man eine Vorrichtung zum Aufhängen des Kessels über dem offenen Herdfeuer, bestehend aus einer neben dem Herd senkrecht eingelassenen Stange mit
8)—84 Kienspanhalter in Gestalt von Mannsköpfen und Kathen. Niederbayern (Höhe y—io cm) einem schwenkbaren Arm, an dessen Spitze ein Haken für den Kesselbügel angebracht ist. Der Arm ist geschmiedet, und zwar in Gestalt einer Schlange, die wie in einer natürlichen Bewegung aus der Ruhelage mit spiralförmig gerolltem Schwanz den Körper gestreckt vorschnellt. Dabei ist der Kopf breit ausgeschmiedet, sein Maul ist leicht geöffnet (in dem abgebildeten Exemplar mit einer Kugel zwischen den
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Kiefern), die Augen sind durch schwache Kerben markiert. Ikonographisch ist die Schlange in Norddeutschland häufig vertreten: als Motiv der Flach- und Reliefschnitzerei an Torbögen und Füllhölzern des niederdeutschen Bauernhauses, als Aussägearbeit in Form zwei verschlungener Schlangenleiber an Stuhllehnen, als Schlange des Paradiesbaumes in vielen Gerätschnitzereien. Die Häufung dieses Motivs an so vielen Stellen am und im Haus ist auffallend. Sehen wir uns nach einer Erklärung hierfür um, so stellen wir fest, daß zumindest der Schlange als Kesselhalter am
Herd, dem früheren gesellschaftliehen Mittelpunkt des Hauses, ursprünglich eine besondere Bedeutung zugekommen sein dürfte, galt doch die „Schlange", wie zahlreiche Sagen und Märchen bezeugen, als eine Erscheinung, die dem Haus und seinen Bewohnern Glück bringen sollte. Deshalb ist die Kesselhalterschlange, die ja am offenen Feuer einen dem Menschen sehr nützlichen Dienst verrichten muß, wohl als die bildnerische Darstellung der folkloristisch überlieferten imaginären Hausschlange zu verstehen. Ob ihr freilich an dieser Stelle andere Eigenschaften als nur die dekorativen zugesprochen wurden, etwa die eines Glücksbringers, läßt sich nicht sagen, da hierüber keine zuverlässigen Angaben vorhanden sind. Wie sehr aber ihre dekorativen Eigenschaften auch andernorts geschätzt werden, zeigt die sogenannte LauenburgerHerdschlange. Sie ist eine an der Küchenwand befestigte Vorrichtung zum Aufhängen von kleineren Küchengeräten. 8j „Ladenschlange" %um Aufhängen der Papiertüten im Kaufmannsladen. Perleberg (Länge zoo cm)
Ebenfalls aus Eisen geschmiedet, setzt sie sich aus zwei wellenförmig bewegenden Schlangen zusammen, deren Schwanzenden miteinander verknotet sind, während ihre gekrönten Köpfe nach außen weisen. Zur Aufnahme der Geräte sind ihre Körper mit kleinen Häkchen besetzt, und das Ganze wird gehalten von drei oben zusammenlaufenden Eisenbändern. In diesen Zusammenhang stellen wir ein Beispiel aus dem Bereich des Kleinhandels: die Ladenschlange. So nennt man ein schmales, etwa zwei Meter langes Holzbrett, das man im Kaufmannsladen an der Decke über dem Ladentisch anbrachte, um daran gebündelte Papiertüten verschiedener Größen und Büchsen mit Bindfadenknäueln griffbereit aufzuhängen. Aus statischen Gründen hing das Brett hochkant, so daß sich die Fläche zur dekorativen Gestaltung anbot. Aus Perleberg in der Prignitz besitzen wir nun ein Exemplar, das tatsächlich schlangenförmig gestaltet ist. Es ist ein Brett, das wellenförmig ausgeschnitten und an einem Ende so ausgesägt ist, daß der Umriß des geöffneten Mauls zu sehen ist. Am anderen Ende wird es allmählich schmaler und läuft spitz aus. Mit dem simplen Mittel der
86 Eiserner Kesselhalter, sog. Hai oder Wendehai, in Schlangengestalt mit Sicherungshebel, der ebenfalls die Gestalt einer Schlange hat. Ostfriesland 132
8j „Lauenburger Herdschlange", ein eiserner Halter hinter dem Herd mit Haken ^um Außängen von Herdgeräten. Mölln bei Rat^eburg Säge gelingt hier das silhouettenartige Bild einer Schlange, das die vage Bildvorstellung der Bezeichnung phantasievoll realisiert. Diese Perleberger Ladenschlange ist aber keineswegs ein Unikat. Wir kennen gleichartige Gestänge in Schlangengestalt aus geographisch weit entfernt liegenden Gebieten, dabei zu unterschiedlichen Zwecken benutzt: Ebenso wie in der Prignitz als Stange über dem Ladentisch des Kaufmannsladens (in Süd- und Mittelschweden sowie in Österreich) oder als Hutständer in der Biergaststätte (in der Oberpfalz, in Franken und Thüringen). Ein Merkmal, das hier wie dort auftritt, wird von der volkskundlichen Forschung hervorgehoben: Die Schlange steckt meist die Zunge heraus. Also die weit bekannte Gebärde, die Böses abwehren soll. Doch fehlen gesicherte Zeugnisse dafür, daß die Schlange mit herausbleckender Zunge in der genannten praktischen Verwendung überhaupt als ein apotropäisches Zeichen verstanden wird. Gebrauchsgeräte regen besonders dann zu anthropomorpher Umwandlung an, wenn durch ihre Verwendung unmittelbar die Vorstellung menschlicher Gestalt erweckt wird. Das ist zum Beispiel der Fall bei den Haubenund Hutstöcken, die ursprünglich nur aus einem auf einem Fuß stehenden Stock mit
rundem Bügelaufsatz bestanden. An die Stelle des Bügels trat der weibliche Kopf. Sie dienten den Frauen zur pfleglichen Aufbewahrung ihrer oft kostspieligen Trachtenhauben und -hüte. Aber auch im Putzmachergewerbe waren sie bekannt, wo sie teilweise schon die Funktion der Schaufensterpuppe erfüllten. Der Form nach gibt es einfache Holzköpfe, vom Dorfhandwerker geschnitzt, die auf den Stock gesetzt sind, und Holzbüsten, die ein höheres schnitzerisches Niveau verraten. Ein gutes Beispiel vom letzteren Typ kennen wir aus Berchtesgaden, wo vermutlich solche Büsten häufiger produziert wurden. Aber auch die Töpfer stellten zuweilen Hutständer in Gestalt von Frauenköpfen her, als Hohlformen mit der Öffnung nach unten, wo ein Wulstrand in der Höhe des Halsansatzes eine sichere Standfläche bot (fränkische und hessische Töpferorte). Aus dem Bereich häuslicher Arbeitsgeräte müssen wir hier noch die beschnitzten Mangelbretter mit Handgriffen in Gestalt von Tieren oder Fabelwesen vorstellen. Bezeugt sind sie für einen Zeitraum von rund 100 Jahren, von etwa 1720 bis um 1820, und zwar aus Nordfriesland und den Marschgebieten der holsteinischen Westküste und der Niederelbe, aus Niedersachsen und vereinzelt aus den angrenzenden Gebieten. Ihr Schnitzwerk gehört zum Besten, was historische Volkskunst hervorgebracht hat. Uns interessiert daran, wie sich die plastische Darstellung des Griffs mit der Flächenschnitzerei stilistisch und thematisch verbindet.
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88 Keramischer Haubenoder Hutständer als Frauenkopf, einheitlich gelb gefärbt und glasiert. Hessen ip. Jh. (.Höhe )} cm)
Die Schnitzerei am eigentlichen Brett ist meist als Kerbschnitt angelegt. In der Regel ist dann das langgestreckte Rechteck des Brettes in fünf bis sechs quadratische Felder geteilt, die mit verschiedenen Zirkelmustern, Fächerrosetten oder Wirbelrädern gefüllt sind, wobei es stets der Ehrgeiz des Schnitzers ist, für jedes Feld eine neue Variation der Muster zu finden. Das Monogramm der Besitzerin 134
und die Jahreszahl sind ebenfalls in Kerbschnitt angebracht. Der Rhythmus der Kerbschnittflächen wird durch die farbige Bemalung betont. Denn jedes Feld erhält eine besondere Farbe. Diese Ornamentfläche wird auf einer Seite durch eine kleine Plastik überragt, die den Handgriff bildet. Am häufigsten hat sie die Gestalt eines Pferdes. Damit sie ihren Verwendungszweck richtig erfüllen kann, ist
89 Haubenstock {mit Trachtenhut), Berchtesgadener Schnitzerei 18. Jh. (Höhe ßj cm) 135
der Rumpf in Größe und Form den Maßen der Hand angepaßt. Die Vorder- und Hinterbeine, die meist als kantige Blöcke herausgearbeitet sind, ergeben stabile Stütaen für den Griff. Ist bis dahin das schnitzerische Ziel vor allem durch die Zweckmäßigkeit der Form bestimmt, so hat der Schnitzer in der Gestaltung von Hals und Kopf des Tieres gewisse bildnerische Freiheiten. Aber auch sie sind begrenzt. Denn die Bildidee, die in diesen Partien realisiert wird, ist traditionell fixiert und erlaubt deshalb nur geringfügige Variationen. Der Hals wird nämlich — ganz im Gegensatz zur natürlichen Kopfhaltung des Pferdes — in einem großen schwungvollen Bogen hochgewölbt, um dann in dem nach unten gerichteten Kopf zu enden. Ist das Pferd mit Zügeln versehen, dann schließen sich Brust, Hals, Kopf und Zügel zu einem festen Ring. Ebenso merkwürdig wie das schnitzerische Detail der Kopfpartie sind die Formen, bei denen zwei Pferdeköpfe aus dem Rumpf hervorwachsen. Brettfläche und Plastik verbinden sich zuweilen zu einer stilistischen Einheit, wenn sich das geometrische Muster der Brettfläche in Kerbschnitt-Ornamentstreifen wiederholt, die über Beine, Rumpf und Nacken des Tieres laufen. Diese Form ist nun auch in Dänemark, Südschweden und Norwegen verbreitet. Vermittelt wurden Motiv und Technik in erster Linie wohl durch zunftmäßig wandernde Handwerksgesellen, die in dieser Periode auch sonst am Kulturaustausch zwischen den skandinavischen Ländern und Norddeutschland erheblichen Anteil hatten. Bekannt ist aber auch, daß manche Kerbschnittmotive Nordfrieslands mit holländischen übereinstimmen, womit die zweite Richtung kultureller Kontakte während der Zeit des großen Walfangs gewiesen ist. Anders verhält es sich offensichtlich bei einer Form des Mangelbretts, bei der die Schnitzerei als Flachrelief ausgeführt ist. Sie tritt nur in den Marschgebieten auf, ist aber auch hier nicht so häufig wie der Kerbschnitt. V o m letztgenannten unterscheidet sie sich nicht nur durch die Technik, sondern auch durch die Schnitzmotive. Denn hier finden wir — meist ebenfalls in Felder gegliedert — Blattranken, Blumen, Herzen, Paare in Festtracht, 136
allegorische Gestalten mit ihren Emblemen, geflügelte Engelsköpfe, Vögel und Vierbeiner. Monogramm und Jahreszahl fehlen auch hier nicht. Für den Griff wird hierzu meist das Meerweibchen als plastisches Motiv gewählt. Es ist stets als ein armloses Wesen gestaltet, das auf einer Seite mit den Schultern und auf der anderen Seite mit dem als Fischkörper dargestellten Unterleib aufliegt, während der naturalistisch geschnitzte nackte weibliche Oberkörper den eigentlichen Handgriff bildet. Die bewegte Linienführung und rocaillenartige Plastizität der Blattornamentik, der geringelte Schuppenschwanz des Meerweibchens und andere schnitzerische Details lassen sofort an stilistische Vorbilder des bürgerlichen Kunsthandwerks denken. Tatsächlich gehören sie in den Zusammenhang einer Möbelschnitzerei, die zu dieser Zeit in den genannten Gebieten die repräsentative Stubenausstattung einer wohlhabenden Großbauernschicht weitgehend bestimmt. Reiche, farblich gefaßte Reliefschnitzerei finden wir hier an Stubentäfelung, Türrahmen und Türen, an Truhen, Wandschränken, Tellerborden, Löffelbrettern, Ofenstülpen, Stuhllehnen und vielen Kleingeräten. Auf die stilistischen Merkmale dieses ländlichen Schnitzwerks brauchen wir hier nicht einzugehen. Es genügt der Hinweis, daß der Reliefschnitt der Mangelbretter im Technischen wie in den Motiven nach dem Vorbild der Möbeltischlerei gearbeitet ist. Zwar waren diese Mangelbretter eine Art Minnegabe für die zukünftige Braut — deshalb trugen sie ihr Monogramm und die Jahreszahl der Gabe — und wurden von den jungen Männern wohl meist selbst geschnitzt, aber einzelne zeigen eine solche schnitzerische Qualität, daß man in diesen Fällen erfahrene Landmöbeltischler und -Schnitzer als Hersteller annehmen muß. Die Grenzen zwischen handwerklicher und nichtprofessioneller Schnitzerei sind hier oft schwer zu ziehen. Die erhaltenen Stücke zeigen das weite Spektrum populärer Kunst, das von routinierter Perfektion bis zu unbeholfenlaienhafter Ausführung reicht. Insgesamt ist jedoch das Vorbild der hochentwickelten Tischlerschnitzerei Norddeutschlands durch alle Stufen zu spüren.
I
37
pi „Bannkörbe" mit Mannsfratfçen aus der Lüneburger Heide
92 Ständerkopf als Mannskopf.
einer Haspel Zingst
Zu erwähnen ist, daß an hölzernen Ständern, Haltern und sonstwie hervorragenden Teilen das obere Ende, also ihr Kopf, gern mit geschnitztem Schmuck versehen wird. Wenn an diesen Stellen gelegentlich anthropomorphe oder zoomorphe Gestaltungen vorkommen, so gelten sie jedoch selten mehr als etwa geometrische oder pflanzliche Muster. Welche bevorzugt werden, in welchen ikonographischen Zusammenhang sie gestellt werden, hängt — ebenso wie die Darstellungsweise — allein von der ornamentalen Tradition einer Region ab. So sind als reine Ornamente die figürlichen
Darstellungen zu verstehen, die wir an bäuerlichen Geräten zur Flachs- und Wollaufbereitung finden: Tierköpfe an den Wangen der Schwingböcke, an den Wockenstöcken, an den Ständern der Haspeln, an den Webkämmen. Ein einmaliges Stück ist der naiv geschnitzte Männerkopf an einem Haspelständer aus Zingst, den wir abbilden. Außerhalb des Hauses und in ganz anderer Funktion finden wir geschnitzte oder modellierte Gesichter an Bienenkörben und Bienenstöcken. Sie sind dort so angebracht, daß der Mund das schlitzförmige Einflugsloch bildet. Die größte Zahl von Korbgesichtern stammen aus den Imkergebieten der Lüneburger Heide und den östlich anschließenden Gebieten bis I 39
zur Prignitz. Der Korbtyp, der hier verwendet wird, ist der sogenannte Strohstülper. E r wird aus einem Roggenstrohstrang so aufgebaut, daß ein kurzer walzenförmiger, oben kugeligrunder K o r b entsteht. Ritzen und Fugen werden mit Kuhmist verschmiert, um ihn gegen Wind und Feuchtigkeit abzudichten. A n der Korbwand wird ein etwa 20 bis 30 cm hohes Gesicht, das aus einer Holzplatte reliefartig geschnitten ist, mit einem Wurzelband auf der Seite des Fluglochs vorgebunden. E s gibt aber auch Gesichter, die mit Gips oder Lehm auf die Korbwand modelliert sind, wobei dann die Korbform gleich als Grundform des Kopfes begriffen und benutzt wird. In der Darstellung lassen sich jedoch zwischen den geschnitzten und den modellierten Gesichtern kaum Unterschiede feststellen. Sie ist unbeholfen-naiv in einer Weise, die sofort die ungeübte Hand erkennen läßt, so daß man wohl durchwegs die Imker, die ja auch die Körbe selbst anfertigen, als die Hersteller der Schnitzereien und plastischen Gestaltungen ansehen darf. Diese Gesichter sind teils durch Schnurrbart, teils durch Kopfbedeckung, durch die kräftige Nase und starke Augenbrauen als Männergesichter kenntlich gemacht, wobei ein paar Grundfarben die grobe Linienführung unterstreichen. Besonders betont aber werden stets die Augen, die weit geöffnet den Betrachter starr anblicken oder anschielen. Macht schon dieser starre Blick einen fratzenhaft unfreundlichen, abweisenden Eindruck, so wird die Funktion der Gesichter weiter verdeutlicht, wenn in manchen Fällen noch eine lange Zunge herausbleckt. Denn diese ist stets als eine Gebärde gemeint, mit der man Böses, Unheilvolles, Schädliches abwehrt. So sind die Korbgesichter nicht als zierender Schmuck zu verstehen, was auch wegen der normalerweise abseitigen Lage der Bienenstände unverständlich wäre, sondern einzig und allein als magisch wirksame Bildzeichen gegen allen natürlichen Schaden in Gestalt von Schadinsekten und Bienenkrankheiten wie auch gegen alles imaginäre Unheil durch Verhexung oder bösen Blick. In der Lüneburger Heide nennt man deshalb die in dieser Weise ausgestatteten K ö r b e Bannkörbe, die in jedem Stand mindestens einmal vertreten sein mußten,
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oft aber in mehreren Exemplaren aufgestellt waren. In gleicher Funktion finden wir einfachste Schnitzformen an Klotzbeuten, die vereinfachend durch punktuelle Augenlöcher, den breiten Nasenklotz und den schmalen Mundschlitz ein menschliches Antlitz nur in Umrissen aus dem Stammholz hervortreten lassen (Dresdener Heide), daneben auch detaillierter ausgeführte Gesichter, wie zum Beispiel ein schnurrbärtiges Mannsgesicht mit friderizianischer Grenadiermütze an einem Klotzstülper (Blankenburg bei Berlin). Möglich, daß der Uniformierte an diesem Platz als Wachtsoldat zum Schutz des Bienenvolkes gemeint ist. In Thüringen und im mittleren Saalegebiet sind vereinzelt Bienenstöcke als geschnitzte Halb- oder Vollfiguren in zeitgenössischer Kleidung erhalten. Doch ist auch für diese der widernatürlich starre Blick charakteristisch. Der Ort, an dem anthropomorphe und zoomorphe Gestaltungen im 19. Jahrhundert nochmals eine gewisse Bedeutung erlangen, ist die kleinbürgerliche Wohnstube, die sogenannte „gute Stube". In Form der Zierkeramik treten sie hier auf, w o sie neben entsprechendem Mobiliar (Sofa, Trumeau) und Wandschmuck repräsentative Funktionen erfüllen. Oft sind diese figürlichen Gestaltungen als Tafelschmuck gedacht. Als kleine Figürchen sind zum Beispiel oft die Salz- und Pfefferständer für den Gebrauch bei der Feiertagstafel in der Stube gestaltet. Wir kennen sie als Fayenceware der Weißgeschirrhafner Österreichs und der niederrheinischen Manufakturen, als Steingutware der Steingutfabriken, aber auch als gewöhnliche Irdenware vieler Töpferorte. Ihre Vorbilder finden wir in den Kleinplastiken aus Porzellan, wie sie als erster der Dresdener Hofbildhauer Kändler in den 50er und 60er Jahren des 18. Jahrhunderts für die Meißner Porzellan-Manufaktur und nach ihm die Porzellanmodelleure anderer deutscher Manufakturen schufen. Ihre Darstellungen von Bauern und Hirten, Handwerkern und Krinolinendamen, Dudelsackpfeifern und Komödianten waren vielfach die Modelle für das figürliche Schaffen der Töpfer. Waren aber die Porzellanfiguren
in der gezierten Koketterie ihrer Gestik, im puppenhaften Ausdruck ihrer Gesichter, im willkürlichen Kolorit ihrer Kostüme noch ganz im Zeitstil höfischer Spielerei und Kostümierung gehalten, so brachten die Fayencehafner und Geschirrtöpfer eine Note des derben Realismus hinein, der aus der Beobachtung und Kenntnis eigener Umwelt schöpft. Ihre Gestalten, die Bauern und Bäuerinnen, Handwerker und Bürgerinnen, Wurzelsammler, Kräuterweiber und andere Volkstypen tragen die Tracht in den regionalen Formen und Farben, wie sie als Alltags-, Arbeits- und Marktkleidung in den Töpferlandschaften üblich war. Sie stehen auf festen Füßen und begnügen sich mit sparsamen Gebärden. Und sie müssen eine Arbeit verrichten. Zur Aufnahme der Gewürze tragen sie kleine Näpfe in den Händen, so die Salzmandl und Salzweibl aus Gmundner Werkstätten und die Salzhalter aus niederrheinischen Manufakturen. Vom Niederrhein stammen auch die Doppelfiguren, die Rücken an Rücken sitzen, jede mit einem Napf im Schoß für Pfeffer und Salz. Oder sie tragen als Salzbehälter einen Korb auf dem Rücken, so die Figuren aus Lausitzer Töpferwerkstätten.
9} Fidibusmännchen mit hoher Tragebutte, Holtj mit Blechstaffierung, mehrfarbig gefaßt. Aus Fürstenwalde (Spree), i g . Jb.
Ihre figürlichen Porzellan-Vorbilder verleugnen auch die handmodellierten irdenen Ziergeräte für die bürgerliche Schreibkommode nicht: Schreibgarnituren, Briefbeschwerer, Taschenuhrständer, Kerzenhalter. Ähnlich wie bei den Gewürzhaltern müssen die Figuren am Schreibzeug Gefäße tragen oder halten, die Sandstreuer und Tintenfaß aufnehmen. In dieser Tätigkeit werden sie auch durch Kleidung und Haltung als Angehörige der werktätigen Klasse gekennzeichnet. In anderen Figurationen dominiert auf dem Schreibtisch jedoch der bürgerliche Habitus. Zum Beispiel wird oft um ein bezeichnendes Requisit, den Spieltisch, das Sofa, die Gartenbank, die Gartenbalustrade, das dann Sandstreuer und Tintenfaß enthält, ein meist sitzendes Paar in bürgerlich-modischer Kleidung plaziert. Auch Offiziere treten in dieser Rolle auf oder „elegante Herren". Eine andere Form, die seit Ende des 18. Jahrhunderts auch als englisches Steingut viel nach Norddeutschland importiert wurde, ist die Deckelfigur in Gestalt der mo141
94 Walzenförmiges Gefäß mit Deckel in Bärengestalt. Oberlausit^er Töpferwerkstatt 19. Jh. (Höhe 2 j cm)
disch gekleideten Bürgerin. Ihr Oberkörper ist abnehmbar. Er verdeckt eine oder zwei Offnungen für Sand und Tinte. Aus niederrheinischen Töpferwerkstätten kommen Bauernfiguren mit Rückenkiepen, bestimmt für Fidibusse oder Schwefelhölzer. Ältere, aus Holz geschnitzte Fidibusmännchen haben sich im 19. Jahrhundert nur vereinzelt erhalten. Eins dieser seltenen Exemplare kennen 142
wir aus Fürstenwalde/Spree. Es dürfte jedoch aus einer anderen Landschaft stammen, denn es hat die Gestalt eines Winzers, der eine hohe Butte zur Aufnahme der Fidibusse trägt. Sein Knebelbart und seine altertümliche Kleidung — langer blauer Rock mit Silberknöpfen, schwarz-rot gestreifte Hose, weiße Halskrause, schwarzer breitrandiger Hut — verweisen seine Herstellung in das 17. Jahrhundert. In dieser
.^eitfMHt
PF t
^ j Frat^enkrug aus Südtirol. 19. Jh. Ausstattung zeigt die Figur eine gewisse Ähnlichkeit mit Buttenträgerfiguren aus dem Bestand des Dresdener Grünen Gewölbes, die — freilich in feinerer Schnitzkunst ausgeführt und mit Edelmetallbeschlag versehen — einmal als fürstlicher Tafelschmuck und als Trinkgefäße in der im kurfürstlich-sächsischen Rebland liegenden Hoflößnitz dienten. Konnte man den Entstehungsbereich dieser Buttenträger in der Schweiz und im Elsaß lokalisieren, so dürfte auch der Fürstenwalder Buttenmann wahrscheinlich aus handwerklicher Schnitztradition dieser Landschaft stammen. Aus dem reichen ikonographischen Vorrat menschen- und tiergestaltiger Steinzeughumpen, -krüge und -kannen des 16. und 17. Jahrhunderts hat sich nur wenig bis ins 19. erhalten. Die Zeit der großen Saufgelage höfischer, patrizischer und zünftischer Männergesellschaften war vorbei. Und mit ihr war die ganze Pracht der vielförmigen Sturz-, Vexierund Gestaltbecher und -humpen verschwun-
den. Sofern Menschendarstellungen später noch vorkommen, sind sie wohl neuere Schöpfung, wie etwa die Südtiroler Fratzenkrüge mit Röhrentülle, die in einem auf den Gefäßrand gesetzten großen Gesicht die Nase bildet. An tiergestaltigen Gefäßen aus jener älteren Tradition läßt sich mit Sicherheit nur eins bis in die neuere Zeit verfolgen: der Bärenhumpen. Aus rheinischen Steinzeugwerkstätten ist er im 16. und im 17. Jahrhundert vielfach bezeugt. Gewöhnlich hat er die Gestalt des aufrecht sitzenden Bären mit abnehmbaren Kopf, der mit den vorderen Tatzen ein Wappen hält oder ein Kanonenrohr umklammert. Bei neueren Bärengefäßen als Irdenware fallen diese Attribute fort. Auch in der Ausführung erreichen sie bei weitem nicht mehr das Niveau der älteren Gefäße. Gewöhnlich sind es walzenförmig oder bauchförmig auf der Scheibe gedrehte Gefäßkörper mit frei modelliertem Kopf. Ihr Fell besteht aus nudelartigen, durch ein Gazetuch oder ein Sieb gedrückte Tonfäden, die flächenweise an die Wandung aufgebracht werden. Als Deckelgefäße, aber nicht mehr als Trinkhumpen, wurden sie vor allem in Pulsnitz hergestellt. Durch wandernde Töpfergesellen verbreitet und formal nur wenig verändert, wurden sie als Tabakbehälter auch in mehreren Töpferorten der Tschechoslowakei und Ungarns produziert. In gleicher Gestalt und mit demselben nudelartigen Fell gab es aus hessischen Töpfereien aber auch kleine Spielzeugbären. Auf eine Traditionslinie der Glashütten gehen die gläsernen Likörflaschen in Gestalt von Hunden und Schweinen zurück. Im 16. Jahrhundert hatten sie tiergestaltige Scherztrinkgefäße produziert. Deren Nachfolger waren im 18. und 19. Jahrhundert diese 15 bis 20 cm langen „Schnapshunde" und „Schnapsschweine" aus grünem oder hellem Flaschenglas, die man gern als Freundschaftsgeschenke verwendete und die dann eine Zierde des Glasschränkchens bildeten. Sie waren Glasbläserarbeit, die wohl generell als eine den Hüttenarbeitern zugestandene Feierabendarbeit geleistet wurde. Die künstlerische Leistung dieser Leute, die sonst in der Tagesarbeit ja nur die gewöhnlichen Gebrauchsgefäße her-
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^ 6 Schnapshund. Glashütte unbekannt {Länge IJ,J cm) 9J „Grasschwein'''', das mit Grassaat bedeckt als eine Art Zierpflan^enbehälter ins Stubenfenster gestellt wurde. Grimma um 1900 (Höhe 10 cm)
stellten, ist beachtlich. Und die zahlreichen Variationen, die hier vorkommen, gehen wohl weniger auf bestimmte Hüttentraditionen zurück, als vielmehr auf die individuelle imaginative Begabung der Glasbläser. Durchgehend ist die Betonung des Grotesk-Komischen in der Darstellung der Tiere. So erscheinen die Hunde — meist sind es die beim Bürgertum in Mode gekommenen Möpse — mit rundlichem Körper auf kurzen Beinen und dümmlichen Mopsgesicht, bei dem die Augen durch Rot- oder Milchglas betont sind, und die Schweine ebenfalls mit rundlichem oder walzenförmigem Körper, oben mit der Linie der hochstehenden Rückenborsten, und einem Schweinskopf, der durch Rüsselnase, Hängeohren und offenes, zahnbewehrtes Maul charakterisiert ist. Der Schwanz der Tiere bildet dabei die Öffnung, die mit dem Stöpsel geschlossen wird. Das Schweinchen ist auch sonst sehr populär vor allem in den Gestaltformen keramischer Art. Beim Spielzeug nannten wir schon das Pfeifschweinchen. Stubenfähig wird diese
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Form, wenn daraus in spielerischer Gestaltungsfreude eine ganze Tierszene gemacht wird, wie in dem Beispiel des Töpfermeisters Konrad Bauer zu Lauterbach in Hessen, der um 1920 -eine Sau mit vier säugenden Ferkeln auf achteckiger Standfläche modellierte. Die Gruppe ist in der Komposition der fünf Tiere und im plastischen Detail wie in der phantasiereichen Farbgebung — helle Brauntöne in unregelmäßigen Flecken auf weißem Grund — so angelegt, daß man annehmen muß, der Töpfer habe hier gar kein Kinderspielzeug schaffen wollen, obwohl am Hinterende der Sau noch das Pfeifenmundstück angebracht ist, sondern eine kleine Zierplastik. Für Kinder bestimmt ist auch das Sparschweinchen. Seine Existenz verdankt es wohl einzig und allein der sprichwörtlichen Redensart Schwein haben in der Bedeutung (unverdientes) Glück haben, der es körperliche Gestalt verleiht. Und diese Schöpfung scheint jüngeren Datums zu sein, denn weder aus literarischen Zeugnissen noch aus dem musealen Bestand läßt es sich vor
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Volkskunst
98 Sparschwein fidò parscowein, graues Stein^eug mit brauner Bemalung. Grimma 19. Jh. {Höhe I2,j cm) 99 Muttersau mit vier Ferkeln. Lauterbach in Hessen um 192/ (Höhe 6,j cm)
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1880/90 nachweisen. Populär wurde es vermutlich dadurch, daß in manchen Orten die Sparkassen zum Jahreswechsel oder bei den jährlichen Schulfesten kleine Sparschweinchen zur Kundenwerbung verschenkten. Welchen Anklang aber diese Tiergestalt als Mittel einer bürgerlichen Kindererziehung fand, zeigt seine schnelle Verbreitung in ganz Deutschland, an der wohl alle Zentren der Geschirrtöpferei beteiligt waren. A l s reine Gebrauchsware — mußten sie doch zerschlagen werden, wenn man sie entleeren wollte — wurden sie stets aus demselben T o n hergestellt, wie das gewöhnliche Alltagsgeschirr und mit derselben Glasur oder mit demselben Dekor versehen wie dieses. D a ß trotzdem teilweise recht originelle Formen zustande kamen, spricht für die Freude der Töpfer an der plastischen Bildnerei. Und es gibt Beispiele dafür, daß man auch Schweinchen als Vollfiguren herstellte, 100 Sparbrust, Bun^lauer Ware, vom Berliner Weihnachtsmarkt
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I8J6
die also als reine Zierplastiken zu verstehen sind. Eine originelle Art, diese Tierplastik anderweitig zu verwenden, fanden die Töpfer von Grimma in Sachsen mit ihren Grasschweinchen. Das waren kleine hellfarbige Schweinchen, unglasiert, deren Körper in Längsrichtung mit feinen Rillen überzogen war. In diese Rillen wurde Grassamen gedrückt. Dann wurde das Gefäß durch eine kleine Ö f f n u n g mit Wasser gefüllt, das durch den porösen T o n drang und den Samen zum Keimen und Treiben brachte. Die mit dem Grasflor bedeckten Schweinchen zierten die Fensterbänke in den Häusern der Stadt. Ähnliche Grasschweinchen gab es um 1900 in Berlin. Hier benutzte man die Öffnung auf dem Rücken, um kleine Sträuße von Maiglöckchen, Veilchen oder anderen Blumen hineinzustecken. Die in dieser Weise dekorierten Schweinchen wurden von den Blumenhändlern angeboten. Sie waren, wie der Schriftsteller Johann Trojan in seinen „Berliner Bildern" 1903 schildert, ein beliebtes
Geburtstagsgeschenk, denn sie galten als Glücksbringer. Dem Nachbarschaftsbrauch der Frauen, der Wöchnerin einen Besuch abzustatten und ihr ein Geschenk mitzubringen, verdankt die sogenannte Sparbrust ihre Entstehung. Das ist eine irdene Sparbüchse in Form einer nach oben gerichteten weiblichen Brust, unten mit einer Standfläche und an der oberen Rundung mit einem waagerechten Schlitz versehen. Hervorgegangen ist diese Form aus dem seit dem Mittelalter bekannten kugel- beziehungsweise halbkugelförmigen Spartopf. Mit der Sparbrust schufen die Töpfer ein im Grunde einfaches, aber äußerst sinnfälliges Organsymbol für die besondere Situation der Frau als Wöchnerin. Sie diente der Aufnahme von Geldgeschenken, die im 19. Jahrhundert an die Stelle von vorher aus diesem Anlaß üblichen Sachgeschenken getreten waren. Verbreitet war sie offenbar nur in Ostdeutschland (Töpferort Straach im Fläming und andere). Daß sie aber nicht nur auf dem Lande in Gebrauch war, sondern auch in den Städten und sogar in Berlin nicht unbekannt war, zeigt das Exemplar des Märkischen Museums, das 1876 auf dem Berliner Weihnachtsmarkt erworben wurde. Als ein besonderes Volkskunstgenre müssen wir jene Bildnereien ansehen, die aus Ästen, Wurzeln, Auswüchsen, Windhölzern und sonstigen natürlichen Wuchsformen von Laubund Nadelbäumen oder aus Naturbildungen tierischer und mineralischer Herkunft geschaffen sind. Die Volkskunde sieht hier eine spezifische Form der sinnlich-ästhetischen Bewältigung und Aneignung der Natur. Sie äußert sich in dem Gestaltungsprinzip, menschliche und tierische Gestalten in Naturformen hineinzusehen und mit geringem Arbeitsaufwand sichtbar zu machen. Wie aus Tannenzapfen, Zweig- und Aststücken, Tierfußknochen und anderen Naturstoffen in phantasievoller Weise Tiere und Hirten entstehen, zeigen unsere Beispiele des Kinderspielzeugs. Aus anderen Kulturbereichen sind gleichartige Gestaltungen bekannt. Seit dem Mittelalter lebt der Glaube an Alraunen, den glückbringenden Wurzelmännchen, die man aus den Wurzeln 10*
bestimmter Pflanzen, bevorzugt Tollkirsche, Knabenkraut, Allermannsharnisch, herstellte, indem man sie ein bißchen zurechtschnitt, manchmal noch mit Papier- und Zeugfetzen bekleidete, um sie dann an versteckter Stelle im Haus als Talismane aufzustellen oder aufzuhängen. Die religiöse Laienkunst einst katholischer Gebiete kennt Wurzelkreuze als Devotional-Nachbildungen kirchlicher Gnadenbilder. Wurzelholz von Weinstöcken benutzte man in österreichischen Weinbaugebieten für die Schnitzerei von grotesken Schlangen, Drachen und anderen Phantasiewesen, die man in den Weinkellern und Preßhäusern zur Zier aufhängte. Nicht minder häufig beobachten wir, daß naturgewachsenes Ast- und Wurzelwerk für praktische Zwecke benutzt und dabei gleichzeitig plastisch gestaltet wird. Dabei ist dieses Hineinsehen nicht immer eigene Erfindung. Denn auch hier gibt es regionale Traditionen, die die Verwendung bestimmter Naturstoffe und -formen ebenso wie den Vorrat an realisierbaren Bildvorstellungen für einen gewissen Zeitraum normieren. Innerhalb eines historischtraditionellen Rahmens sind aber auch bemerkenswerte individuelle Leistungen möglich. Ein wirklich originelles Stück ist zum Beispiel ein Hufschlagbock aus der Schmiede von Biere bei Schönebeck an der Elbe. Für solche Böcke, die als Stützen für das Beschlagen der Pferdehufe dienen, werden wegen ihrer Festigkeit auch sonst gern gekrümmte Wurzelstücke genommen. In Biere aber gab der Schmied dem Bock die Gestalt einer Taube, indem er das Holz nach einer Seite schwanzförmig abflachte, nach der anderen Seite halsförmig verjüngte und mit einem kopfähnlichen Wulst versah und dann zwei kurze Stöcke so einsetzte, daß sie die gespreizt gesetzten Vogelbeine ergeben. Regionalen Traditionen folgt im 19. Jahrhundert die Schnitzerei an norddeutschen Schäferstöcken. In Mecklenburg beschränkt sie sich auf das Ende des Griffes, der aus einem winklig gewachsenen Aststück besteht und so auf den Stock gepflockt ist, daß ein Fanghaken entsteht. Dargestellt ist fast immer ein Widderkopf, der manchmal realistisch herausgearbeitet wird, meist aber auf die ornamentale Form des *47
IOI Fangkrücken und einfache Krücken an Schäferslöcken mit Mannsgesicht, Schafskopf und darauf liegender Hand, bärtigem Mannskopf, Hundekopf. Aus dem Unterhar£ (a), dem unteren Saalegebiet (b—c), Mecklenburg (d) 19. Jh. gewundenen Gehörns reduziert ist. Andere Motive sind hier selten. Ikonographisch ergiebiger sind dagegen Harz, Thüringen und das Elb-Saale-Gebiet. Der Fanghaken entsteht hier in der Weise, daß man einen Stock mit Wurzelstück benutzt, von dem man einen zweiten Trieb für den Haken auf 20 bis 25 cm einkürzt. Ausgewählt werden möglichst Wurzelstücke mit bizarr gewachsenen, knorrigen Auswüchsen und Stockansätzen, die sich für die Schnitzerei besonders gut eignen. Hieraus entstehen neben den Tieren aus der Arbeitsumwelt des Schäfers, dem Widder, dem Schäferhund, dem Fuchs, den Vögeln aus Feld und Flur, realistisch geschnitzte Männerköpfe, aber auch groteske Kopfformen mit übergroßen Ohren oder Nasen oder anderen Abnormitäten, gehörnte Teufelsfratzen, Janusköpfe oder von den Holzbildungen angeregte phantastische Kombinationen von Mensch und Tier. Die gleiche Freude an skurrilen, komischen, grotesken Gestalten spricht aus den Schnitzereien an Wanderstöcken, die von Handwerks148
gesellen geschnitzt sind. Auch hierfür werden gern solche Stöcke ausgewählt, die sich durch Verdickungen, Auswüchse oder anderen Mißwuchs für alle möglichen Kleinreliefs und Kleinskulpturen besonders eignen. Und diese sind oft nicht bloß an der Stockkrücke oder am Knauf ausgeführt, sondern auch an anderen Punkten des Stocks, bei manchen durchgehend vom Knauf bis zur Spitze. Ist diese Schnitzarbeit in formaler Beziehung kaum von unseren Schäferschnitzereien zu unterscheiden, so zeigt sie doch in der Motivik nicht deren regional tradierte Beschränktheit, sondern die Züge überregionaler kleinbürgerlich-handwerklicher Motivtraditionen. Ihrer Funktion nach sind sie Erinnerungsstücke an die zünftige Wanderschaft und bleiben als solche oft lange in Familienbesitz. Nach Form und Bedeutung unterscheidet sich hiervon die Schnitzerei an Köpfen von Tabakspfeifen, die wohl erst im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts aufgekommen ist. Schon vom Objekt her ist sie in kleineren Dimensionen angelegt als die gröbere an Schäfer- und Wanderstöcken. Und an die Holzart werden höhere Ansprüche gestellt. Man nimmt nur hartes Drechslerholz, also Buchsbaum, Nußbaum, Rosenholz oder das geringere Erlenholz, aus dem knorrige Astgabeln, Wucherungsknollen und Wurzelstöcke ausgewählt werden. Verbreitet ist eine volkstümliche Pfeifenschnitzerei von Franken bis in die alpinen Gebiete
102 Fangkrücken an Schäferstocken mit Widder- und Hundeköpfen, ein Krückenarm als Rehbein geschnitzt (c). Mecklenburg ip. Jh. alter Schnitztradition, und hier vor allem unter Jägern und Gebirglern, von denen neben Holz auch Hirschhorn genommen wird. Das jagdbare Wild: Hirsch, Sau, Gemse sind hier die bevorzugten Gestalten, die hauptsächlich in ihrer Kopfpartie realistisch dargestellt werden. Eine Motivik, die auch in ihrer Bedeutung als Gruppenzeichen dieser Sozialschichten gesehen werden muß. Was aus der Fülle der anthropomorphen und zoomorphen Gestaltungen des 19. Jahrhunderts in unserer Zeit weiterlebt, ist wenig. Erwähnen wollen wir, daß zumindest eine Kunst, das phantasievolle Hineinsehen menschlicher und tierischer Gesichter, Köpfe und ganzer Gestalten in die Naturformen des Holzes neuerdings viele Anhänger findet. Tanzende Astmännel und Astweibel, grazil schreitende Astvögel, knorrige Wurzelgesichter und -fabelwesen bezeugen auf den Ausstellungen des bildnerischen Volksschaffens diesen Zweig künstlerischer Tätigkeit. In den Kinderschnitzzirkeln gehört sie erfreulicherweise zum festen Programm der künstlerischen Ausbildung. Erwachsene finden darin eine erlebnisreiche Freizeitbeschäftigung. Die Ausstellung „Wur1 1
Volkskunst
zeln und Äste" in der Kleinen Galerie des Kunstgewerbemuseums Berlin-Köpenick zeigte 1973 Arbeiten dieser Art. Sie machte auch deutlich, worin der Unterschied dieser Kunstformen zu gleichen oder ähnlichen des 19. Jahrhunderts besteht. Sind diese nämlich fast immer an Dinge irgendeiner praktischen Verwendung gebunden, so dienen die heutigen allein dem ästhetischen Vergnügen. Ihr Standort ist deshalb die Vitrine oder das offene Fach der Regalwand, wo sie zusammen mit anderem Zierat zum Schmuck der Stube gehören. Aber auch menschen- und tiergestaltige Keramik erlebt heute eine erfreuliche Renaissance. Ziergefäße verschiedenster Funktionalformen, gestaltet als Frauen- oder Männerköpfe, als ganze Figuren, als Tiere oder als phantastische mensch-tierische Mischwesen, gehören zu den beliebtesten Typen in der gewerblichen Kunstkeramik wie in den Keramikzirkeln. Und manches alte Volkskunstmotiv findet dabei eine neue Anwendung. Stilistisch entsteht hier völlig Neues, wie vor allem die menschengestaltigen Formen zeigen. Strebt nämlich der Töpfer des 19. Jahrhunderts generell eine realistische Darstellung an, so arbeitet der Kunstkeramiker wie der Laienkeramiker heute zumeist mit dem Stilmittel der heiter-ironischen Verfremdung, welche die Realität der Erscheinungsformen poetisch verwandelt. Der kreativen Variation eröffnen sich viele Möglichkeiten. I49
lOß Fayence-Trillerflöten, die aus der alten irdenen Trillereule entwickelt wurden: Eule und gehörnter Teufel von Philine Spies iyy j, Werkstatt Rosemarie Spies Berlin (Höhe 8,j und 7,/ cm)
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Bildnachweis
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staatliches Heimat- und Schloßmuseum Sondershausen: 79, 82 Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg/Sa.: 29, 30, 38 Stadt- und Kreismuseum Fürstenwalde (Spree): 93 Technisches Museum Frohnauer Hammer, Frohnau/Erzg.: 49 Universitätsmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Marburg: 88 Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der D D R , Wissenschaftsbereich Kulturgeschichte/Volkskunde (Nachlaß Adolf Spamer): 20a, 22, 23, 24, 99
Fotografie
Standort der abgebildeten Objekte Deutsches Spielzeugmuseum Sonneberg: 13, 16 Heimatmuseum Demmin: 56 Heimatmuseum Perleberg: 85 Heimatmuseum Saalfeld/Saale: 80 b Heimatmuseum Zingst: 67, 92 Historisches Museum Schwerin: 54 Kulturhistorisches Museum Stralsund: 1, 58, 59, 66, 68, 70 — 72, 75, 78 Märkisches Museum Berlin: 2 1 , 26, 100 Meyenburg-Museum Nordhausen: 80a Museum der Stadt Greif swald: 64, 73 Museum für bergmännische Volkskunst Schneeberg: 2, 31 — 37, 39, 40, 42, 44—48, 50, 51 Museum für Volkskunde Berlin: 25, 83, 84, 94, 96 Museum für Volkskunst Dresden: 14, 1 5 , 2 8 , 4 1 , 4 3 österreichisches Museum für Volkskunde Wien: 76. 95 Prignitz-Museum Havelberg: 5 Sammlung Dr. Heinrich, Prerow: 74 Sammlung Dr. K . Robbe, Berlin: 65 Sammlung H. Volster, Wismar: 57, 69 Schweizerisches Museum für Volkskunde Basel:
K . Betthausen, Berlin: 65 Bildarchiv Foto Marburg: 89 Deutsche Fotothek Dresden: 14, 15, 28, 4 1 , 43, 49 Foto Ingber, Sonneberg: 13, 16 Chr. Georgi, Schneeberg: 42, 44 Märkisches Museum Berlin (H. Nixdorf): 2 1 , 26, 100 K . Möller, Schwerin: 73 österreichisches Museum für Volkskunde Wien: 76, 95 Dr. R. Peesch, Berlin: 103 Dr. W. Rudolph, Berlin: 62, 92 W. G . Schröter, Leipzig-Markkleeberg: 89 Staatliche Museen zu Berlin, Photographische Abteilung: 22 — 25, 60, 83, 84, 94, 96, 99 Stadt- und Kreismuseum Fürstenwalde (Spree): 93 G. Stelzer, Greifswald: 64 V E B Industriebaukombinat Rostock, Kombinatsbetrieb F.P.T. Stralsund(G. Ewald): 1,56,58,59, 63, 66, 68, 70 — 72, 75, 78 H. Volster, Wismar: 2, 29—40, 45—48, 50, 51, 57, 67» 69» 74, 79. 8 2 Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der D D R , Wissenschaftsbereich Kulturgeschichte/Volkskunde (Bildarchiv): 18, 97, 98
Grafik Diplom-Grafiker L . Winkler, Ilmenau: 7 — 1 1 , 20, 53 — 55, 80, 81, 85, 86, 90, 91, 1 0 1 , 102
6, 8
157
Literaturvorlagen M. Bachmann und G . Reitz, Der Blaudruck. Leipzig 1962: 3 Bomann-Museum Celle, Schnucken und Bienen in der Lüneburger Heide, [Museumsführer] 1954: 91 Eesti N S V Riiklik Etnograafiamuuseum, Eesti Rahvapäraseid Mänguasju. Tartu 1964 [Ausstellungskatalog]: 10 Festzüge in Hamburg 1696 —1913. Katalog des Museums für Hamburgische Geschichte 1972: 61 K . E . Fritzsch und M. Bachmann, Deutsches Spielzeug. Leipzig 1965: 12 Führer des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover 2 (1953): 81 Literaturkalender 1970, Berlin: 17 M. Kislinger, Alte bäuerliche Kunst. Linz 1963: 77 E. Schlee, Schleswig-Holsteinische Volkskunst. Flensburg 1964: 55, 90a und b Schweizer Volkskunde 28 (1938): 1 1 H. Schwindrazheim, Altes Spielzeug aus SchleswigHolstein. Heide in Holstein o. J . : 7, 20b A . Spamer, Die Deutsche Volkskunde Berlin, Bd. 2: 52 K . Uldall, Billeder af Dansk Folkekunst. K0benhavn 1 9 7 1 : 19 Wiener Zeitschrift für Volkskunde 29 (1924): 9 O. v. Zaborsky-Wahlstätten, Urväter-Erbe in deutscher Volkskunst. Leipzig 1936: 86, 87
158
Register
Adam und Eva 20 f. Adler 22 Adventsbläser 90 Affenkapelle 26, 47 allegorische Darstellung 23 Alpen 28ff., 40 Alraun 147 Altefähr (Rügen) 104t. Altonaer Museum Hamburg 103 Amman, Jost 34L Andachtsbild 19 Annaberg 88 anthropomorphe Dinggestaltung 26, 42, 123 ff. Antwerpen 118 apotropäische Funktion 20, 133, 140, 147 Aquarellbild 1 1 7 ff. Arbeitsbank, Zugbank 124 f. Arbeitsgerät 21 Arche Noah 20, 36, 40 Architekturhistorismus 64 Architekturornament 128 Arma Christi 2 1 , 101 Arndt, Ernst Moritz 1 1 0 Astmännchen, Asttier 149 Aue 93 Augsburg 34 Auto 56
Bachmann, Manfred 57 Bannkorb 140 Bär, Bärengefäß 143 Baudenkmal, technisches 91 f., 93 Bauer, Konrad (Töpfermeister) 145 Bauer 16, 18, 28, 141 f. Bauernhaus 18 f. Bauernhof 40 Bauernkunst 18 Bauernstube 18 ff. Bauhandwerk 14 Bayern 20 Beerensammler 56 Berchtesgaden 13, 19, 35ff., 59, 133 Bergaufzug, Bergparade 59, 62, 68 ff., 90 Bergbaumuseum Freiberg 62 Bergbier 62, 69 Berggeist, Bergmännel 73, 89 Berggrabebrüderschaft 78 Berginvalide 74, 76 Bergknappschaft 69 Bergmann 16, 42, 45, 59, 68, 73ff., 92 Bergmännisches Gedächtnis 80 Bergmannsarbeit 59, 68, 73ff., 86ff., 92 Bergmannstracht 69, 78 f. Bergwerk 58, 72ff., 86ff. Berlin 42, 146 Berliner Weihnachtsmarkt 49, 147 Berufsjubiläum 78 Berufssymbol 103 f., 1 2 1 Bestelmeier, G . H. (Verleger) 13 biblische Motive 2of., 82f. Biedermeier 24 Bienenkorb 139 f. Biere (an der Elbe) 147 Bilderbibel 81 Bilderbogen 17, 42, 81 Bildgebäck 22 Bildnerisches Volksschaffen 149 Bildungsmittel 17 Bildunterschrift 120 f. Blasebalg 128 Blechschnitt 96 Blockmodell 105 Blumenvase 146 Bock (Obersteiger) 78 Böhmen 81 Briefträger 56 Brünlos bei Stollberg 86 Brunnentürke 42 Buchillustration 53 Buckelbergwerk 74ff. Buddelschipp 96, 98 ff. Bürgel (Thüringen) 42 [
59
Bürger 141 Bürgerspott 37 Butten trägerfigur 142 f. Collage s. Objektcollage Cranzahl 81 Dampfer 98, 109 Denkmalpflege 83 t., 93 Devotionalbild 81 Dioramabild 84ff., 1 0 9 f f . Doppeladler 22 Dorf 40 Dorf Handwerker 16 Drache, Drachenkopf 128, 147 Drechsler, Drechselei 12, 3 5 ff. Drehturm 62 Dresdener Striezelmarkt 14 Druckgraphik 17 Ehrenfriedersdorf 90 Ehrenzeichen 22 Eingericht s. Geduldflasche Eisenbahner 45 Eisenbildnerei 130 ff. Elb-Saale-Gebiet 148 Engländer 42 Erinnerungsbild 26, 77, 96, 108 Erinnerungsmal 103 Erinnerungsstück 26, 148 Erotik 23 Erzgebirge 13, 27, 35 f., j 9 f f . , 55 ff. Erzgebirgisches Spielzeugmuseum Seiffen 58 Erzgebirgsmuseum Annaberg 62 Erziehungsmittel 27, 146 Erzstufe 77 f. Estland 33 Ethnographisches Museum Tartu 33 Eule 48 f. Expressionismus 13 Fährgenossenschaft zu Altefähr (Rügen) 104 Fahrzeug 28, 37, s. auch Dampfer, Schiff, Segelschiff Faßmaler 35 Feierabendarbeit 12, 58, 129, 143f. Festumzug 104, s. auch Bergaufzug Feuerwehrmann 45 Fidibushalter, Schwefelholzhalter 142 figürliche Keramik 140 ff. figürliche Schnitzerei 5 5 ff., 67 ff. Flagge 106, 1 1 8 Flöhaer Tannenzapfenmännel 14 Formschneider 12
160
Forrer, Robert 18 Förster 44 f. Franzose 42 Fratzenkrug 143 Frauenarbeit 39 Frauengesicht, Frauenkopf 128, 133, 1 5 1 Freiberg 68 f. Freiberger Bergparade 68 ff. Freiberger Bergwerk 74 ff. Freundschaftsgabe 22, 143 Fritzsch, Karl Ewald 62 Frohnauer Hammer 91 f., 93 Frosch auf der Kugel 48 Fuchs 148 Fünen (Dänemark) 124 Fürth 42 Fußball 56 Gänseliesel 56 Gartenvergnügen 42 Gartenzwerg 93 Geburtstagsgeschenk 147 Gedächtnismal 103 Geduldflasche 14, 2 1 , 58t., 73f., 96, 98ff. Gemse 150 Gendarm 44 Genrebild 5 3 f., 1 1 0 Gerstungen (Thüringen) 47 Geschenk 26 Geschirrtöpfer 46 f. Geyer 82f. Gibraltar 120 Glasmacher 12 Glasmacherbildnerei 143 f. Glücksbringer 132, 145, 147 Grabgeleit 90 Grabstein 96 Grassch weinchen 146 Greifswald 49 Grimma (Sachsen) 146 Grobschmied 12 Grubenunglück 90 Gruppenzeichen 149 Grödner Tal (Südtirol) 13, 36 Guckkasten 58 Hafen, Hafenbild 102, i n f f . , 120 Hahnreiter 47 Halbmodell 96, 1 1 1 f., 115 ff. Hammerwerk 91 Handmühle, Querne 128 Handwerk, Handwerker i 2 f . , 34, 36f., 39, 46, 62. 1 4 1 , s. auch Zunfthandwerk Harz 148
Haspelständer 139 Haubenstock 133 Hauck, Richard (Schnitzer) 72 Hauptmann von Köpenick 45 Haus der erzgebirgischen Volkskunst Schneeberg 55 Hausierer 45 f., 56 hausindustrielle Produktion 12 f. Hausschlange 132 Haustier 28ff., 36, 37, 46, 48, 52 Hauswirth, Johann Jakob (Köhler und Papierschnittmacher) 25 Hauszeichen 22 Heiligenbild 20 Heimatberg 58, 7 1 , 82, 87ff. Heimatbild 5 3 f., 68 Heimatdenkmal 91, 93 Heimatliteratur 83 f., 90ff. Heimatmuseum Demmin 100 Heimatschutz 8 3 f., 9 3 Herrgottschnitzerei 13 Herrgottswinkel 20 Herz 21 Hessen 47, 49, 145 himmlisches Jerusalem 81 Hinterglasbild 13, 19, 20, i i 7 f . Hirsch 150 Hirschhorn 149 Hirt 16, 28, 29, 68 Hirtenschnitzerei 126 hl. drei Könige 68 Hobel 126 Hochzeitsgeschenk 22 Hoffmann, E . T. A. 42 f. Hoheitszeichen 106 Holstein 133 Holzbildnerei 28ff., 133 Holzhacker 56 Hufbeschlagbock 147 Hund 130, 143 f., 148 Hutständer 133 ikonographischer Kode 10 Imkerbildnerei 139 f. Industrielandschaft 87 industrielle Produktion 34 Industrieprodukte 13 f. Jäger, Jagd 34, 37, 40, 42, 56, 68, 149 Jägerschnitzerei 149 Jahrmarkt 42, 52 Januskopf 127, 148 Johanngeorgenstadt 58 Jonas 21
Kalenderfest 22 Kaltofen, Ernst (Holzbildhauer) 59 Kanalküste 120 Kap Arkona 120 Karussell 40 Kastenbild (Bergwerk) 77 Katze 130 Keramikzirkel 150 Kerbschnitt 14, 1 3 4 f f . Kesselhaken, -halter i 3 o f f . Kienspanhalter 129 Kinderbibel 83 Klapper 52 Klapperpuppe 38 Kleikotzer 127 f. Kleinbürger 16 Klein-Erzgebirge 93 Kleinplastik 26, 140 ff. Klotzbeute 140 Klotzmodell 105 Klumpp, Albert (Malermeister) 90 Knappschaft 78 Knochenbildnerei 33 komische Gestalt 26, 40, 46 f., 144 König 124 Korbmacher 12 Korkbildnerei 26, 1 1 2 Kräuter weib 141 Kriegsrequisiten 42 Kriegsschiff 104, 106, 1 1 5 Krippe, deutsche 93 Krippenschau, Krippenausstellung 82 ff. Kronleuchter 58 Krüger, Hermann (Tischlermeister) 82 Kruzifix 19 ff., 100 Kulturbund der D D R 93 Kulturhistorisches Museum Stralsund 1 1 0 Kunstgewerbe 45 f. Kunstgewerbemuseum Berlin-Köpenick 149 Kunstgewerbe-Werkstätten Olbernhau 46 Kunsthandwerk 12, 19, 34 Kunstkeramik 150 Kupferschmied 12 Küstenlandschaft 102, n o f f . Kutscher 39 Lackbild 17 Ladenschlange 132 f. Landschaft, biblische bzw. orientalische 83 ff. Landschaftsdarstellung 72, 81 ff., 109 ff. Laubsägearbeit 64, 96 Lauenburger Herdschlange 132 Leier 40 f. Leineweber 12 161
Leonhardt (Böttcher) 86 Leuchtturm 102 Lichthalter 16, 82, s. auch Lichterbergmann und Lichterengel Lichterbergmann 42, 44, 78 ff. Lichterengel 39, 44 Liebesgabe 2 1 , 136 Liebespaar 21 Liebessymbol 21 f. Liebig, Gottlieb (Krippenbesitzer) 82 Likörflasche 143 f. Linda bei Freiberg 80 Lößnitz 83 f. Löwe 128 Lüneburger Heide 139f. Magdeburg 17 Maler 12 Mangelbrett 96, 133 Männergesicht, Männerkopf 124L, i27ff., i39f., 148 ff. manufakturmäßige Produktion 12f., 35, 81 Märchenmotiv 48 Marinemalerei, niederländische 1 1 9 Märkisches Museum Berlin 49, 147 Maske, Maskaron 22, 128 Maskenschnitzer 16 Maurer 12 mechanische Krippe 86 mechanisches Bergwerk 72ff., 86ff. mechanisches Spielzeug 59 Mecklenburg 147 f. Meerweibchen 136 Meininger Oberland 40 Meißener Pelzmärtel 14 mensch-tierisches Mischwesen 148 ff. Merkbuch 12 Metapher 122 Mielke, Robert 18 Miniaturfiguren 44 Miniaturlandschaft 93, 100 Mitbringsel 26, 95, 108f. Mittelgebirge 28 f. Möbel 12, 24f., 96, 136 Möbelschnitzerei 136 Mönchgut 21, 96 Mühle 127t. Müller, Auguste (Spielzeugmacherin) 5 5 ff. Müller, Karl (Spielzeugmacher) 57 Mülsen St. Niclas 83 München 17 Museum der Stadt Greifswald 108, 1 1 5 Museum für bergmännische Volkskunst Schneeberg 55, 71 f., 82 162
Museum für Volkskunde Berlin 17, 129 musikalisches Spielwerk 41, 86 Musikant 56, 70 Musikinstrument 41, 48, s. auch Pfeifenreiterlein, Pfeiftier, Trillervogel, Vogelpfeife Nachtwächter 45 Namensschild 106 Naturstoffe 13, 14, 16, 27ff., 77, 85, i47ff. Nebra (Thüringen) 52 Neujahrsgabe 146 Neuruppin 17 Neuruppiner Bilderbogen 81 Neustädtel 62, 69, 7 1 , 81, 83 ff., 90 f. nichtprofessionelle Kunst 13 f. Niederbayern 129 Niederelbe 133 Niedersachsen 127, 133 Nippsachen 26 Nordfriesland 130, 133 Nordseeküste 94 ff. Nötzel, Friedrich (Strumpfwirker) 86 Nürnberg 13, 34ff., 42, 59 Nußknacker 42 f., 123 Oberammergau 13, 19f., 35, 42, 44 Oberösterreich 13 Oberwiesenthal 83 Objektcollage 14, 77 Oederan 83, 93 Offizier 141 Ölgemälde 1 1 7 Ornamentbuch 12 Ornamentik 12, 14, 22, 26, 3of., 38, 47, 96£f., 128, i34ff. Ostseeküste 94 ff. Panoramabild 26 Papagei 22 Papierschnitt 25 f., 96 Paradiesgarten 60, 81 Perleberg (Prignitz) 132 Pfeifenmacher 41 Pfeifenreiterlein 41 Pfeiftier 52 Pferd 34, 46, 1 3 4 f f . Pflaumentoffel 14 Postbote 45 Produktionsformen der Volkskunst 10 ff. proletarische Schichten i 6 f f . , 27, s. auch Bergmann, Seemann Pulsnitz 143 Puppe 34ff. Puppengeschirr 34, 46 Puppenhaus, Puppenstube 27, 34
Querfurter Wiesenesel 51 Raddampfer 104f., i n Rastelbinder 45 Räuchermännchen 44f. Rauschgoldengel 39 Reede 102 Reepschläger 104 Regionalität 18, 46ff. Reifendreherei 36 Reisesouvenirs 46 Reiter, Reiterpferdchen 34, 46, 49 ff. Reliefbild 1 1 5 ff. Reliefschnitzerei 96, 1 2 7 ^ , 136 religiöse Motivik 19ff., 100 Renner (Bergmann) 88 Repräsentationsformen 18 f., 24 f. Rhein 26, 1 1 2 Rhön 26 Ritztechnik 95 f. Rollenspiel 27, 35, 42 Rose 21 Rössel, Gustav (Spielzeugdrechsler) 90 Rübezahl 45 Sachsen 68 ff. Sägearbeit 132 f. Salzständer, Pfefferständer 140 Sandl (Oberösterreich) 13 Säulenordnung 12 Schäfer 16, 56, 147 f. Schäferschnitzerei 147 f. Schäferstock 147 f. Schaufensterpuppe 133 Schaukasten 72, 74 Schaukrippe 82ff. Schausteller, Schaustellung des Jahrmarktes 37, 40 Scheibenberg 79 Schenken, Geschenke 143, 146 f. Scherenschnitt s. Papierschnitt Scherenschnittkünstler 16 Schießscheibe 22f. Schiff 95 ff. Schiffer-Compagnie Stralsund 103 Schiffervereinigung 103 Schiffsbild 96, I i 7 f f . Schiffsbildmaler 17, 118 Schiffsmodell 102 ff. Schiffsmodellsportklub 103 Schiffsname io8f., n o f f . , 1 1 7 , 120 Schiffsportrait s. Schiffsbild Schiffszimmermann 1 0 1 , 104 Schillerfeier zu Hamburg 1 04 Schlange 1 3 1 ff., 147 Schleswig 104
Schloß Kronborg 120 Schmiedezunft 128 Schnapshund, -schwein 143 Schneeberg 55, 59, 69, 7 1 , 78, 8iff. Schneemann 45 Schnitzer, Schnitzerei 13 f., 20, 26, 35, 5 5 ff. Schnitzerverein, Schnitzverein 7 1 , 83 ff. Schnitzzirkel 149 Schreibgarnitur 141 Schulfest 146 Schütze, Schützengesellschaft 22, 39 Schützenhaus, Schützenplatz 23 Schwein 52, 143 ff. Schweiz 16, 25f., 29ff. Schweizerhaus 40 Schwindrazheim, Oskar 18 Seemann 16, 94ff. seemännische Bildnerei 100 ff. Seemannskiste 1 2 1 Seeschnecke 1 1 2 Segelschiff 98 ff. Sehma 64, 81, 84f. Seiffen 20, 36, 40, 43 ff., 5 5 ff., 123 Senntumsmaler 16 Seyffert, Oskar 18, 56 Sinnbildforschung 14 Sohnrey, Heinrich 18 Soldat 27, 42ff., 123f., 127 Soldat Schwejk 45 Sonneberg 3 5 ff. Souvenirproduktion 98, 1 1 2 Sparbrust 147 Sparschwein 52, 145 Spielzeug 13, 20, 27ff., 58, 60, 68, 123, 143 Spielzeugmacher 5 5 ff. Spottgestalten 40 St. Pauli (Hamburger Stadtviertel) 1 1 4 St.-Wolfgang-Kirche Schneeberg 64, 69, 91 St.-Wolfgang-Pyramide 81 Stadtlandschaft 81 f., 91 Stammeshypothese 18 Steiger 78f., 81 Steinmetzreliefarbeit 96, 128 Stoll, Friedrich Ludwig (Schiffsbildmaler) 1 Straach (Fläming) 47, 147 Stubbenkammer (Rügen) 1 1 0 Stubenschmuck 5gff., 72ff., 149 Student 45 Stülpner, Karl (Wilddieb) 92 Südtirol 143 Südwestdeutschland 26 Tabakspfeife 148 Tabaktopf 143
Tannenzapfentier 28 f. Tanz 62, 68 Taube 21, 148 Taucha (Sachsen) 101 technische Bastelei 5 9 ff. Telgte (Westfalen) 49 Teufelsfratze 148 Theorie der Volkskunst 9 ff. T h u m 84
Wanderstock 148 Wandschmuck 24ff., 5 3 f., I09f., 121 Wappen 22, 79 Wäscherin 56 Wasserradantrieb 93 Wochenmarkt 40 Wohnstube 24ff. Wossidlo, Richard 94 Webebrett 96
Thüringen, Thüringer Wald 13, 29, 44, 47, 59, 128,
Weihnachten 16, 39, 46, 5 8 ff. weihnachtlicher Stubenschmuck 44 Weihnachtsausstellung 83 Weihnachtskrippe, Krippenfiguren 42, 44, 68, 81 ff. Weihnachtsmarkt 27, s. auch Berliner Weihnachtsmarkt Weihnachtspyramide 62, 71, 81 Weißbinder 12 Weißenburg 17 Werkzeug 14, I24ff. Westfalen 49 Wetterfahne 96 Widder 126, 148 Wilddieb 92 Wildschwein (Sau) 149 Winzer 142 Wöchneringabe 147 Würdezeichen 22 Wunderglaube 20 Wurzelgesicht 149 Wurzelkreuz 147 Wurzelmännchen 147
148
tierisches Mischwesen 48 Tierkosename 29 f. Tischler 12 Tischlerbildnerei 126, 136 Tolzmann, Walter (Arbeiter) 109 Töpfer 12 Töpferbildnerei 145 f. Topf markt 46, 49 Tourismus 93 Träger 39 Trillervogel 48 Trinkgeschirr 22 Tschekalow, Alexander K . 46 Türke 42, 45, 127 Turmlautbrüder 90 Tütenhalter 132 Vereinswesen 71, 83 ff., 90 ff. Verkehrsmuseum Dresden 103 verkehrte Welt 26, 46 f. Verleger, Verlag 13, 36, 40, 56 Verlöbnis 21 Vexiervogel 49 Viechtau (Oberösterreich) 36, 39 Virchow, Rudolf 17 V o g e l 46, 126, 149 Vogelbauer 37 Vogelpfeife 41, 48 Vogtländer Moosmann 16 Volkskunst-Kode 10 Volkstracht 39, 53, 141 Volkstype 26, 56, 141 Vollmodell 96 Vorlagebuch 12 Votivbild, Votivtafel 20, 117 Votivschiff 103 Wachsmadonna 19 Wackelfigur 26 Wald 57, 68 Waldarbeiter 45, 56 Waldtier 36, 46 Walroßbein 95 164
Zeichencharakter 19 Zeitsatire 26 Zeugdrucker 12 Ziegler 12 Zieglerbildnerei 129 Zier (Bergschmied) 62 Zierkeramik 140 ff., 149 Zimmermannsbildnerei 101 Zimmermannswerkzeug 100 f. Zingst 139 Zinngießer 12 Zinnleuchter 78 Zinnsoldat 42 Zirkus 56 Zizenhausener Terrakotten 26 zoomorphe Dinggestaltung 26, 126, I28ff. Zunftaltertümer 22, 104 Zunftbürger 16, 35 Zunfthandwerk IOI, 126, 136 Zunftrequisiten 22 Zunftstube 22 Zunftsymbol, Zunftzeichen 22, 103 f.