Niederrheinisches Geistesleben: Im Spiegel Klevischer Zeitschriften des achtzehnten Jahrhunderts [Reprint 2020 ed.] 9783111558134, 9783111187631


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German Pages 247 [256] Year 1912

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Quellen und Literatur
Bibliographie
Einleitung
I. Die Zeitschriften in Duisburg und Wesel
II. Die Zeitschriften in Cleve
Zusammenfassung und Schluss
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Niederrheinisches Geistesleben: Im Spiegel Klevischer Zeitschriften des achtzehnten Jahrhunderts [Reprint 2020 ed.]
 9783111558134, 9783111187631

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A. Marcus und E. Weber's Verlag in Bonn

Moderne Wirtschaftsgestaltung Veröffentlichungen des Kölner Museums für Handel und Industrie Herausgegeben von Professor der

Dr. Kurt Wiedenfeld

Staatswissenschaften

Demnächst erscheint:

an

der

Handelshochschule

in

Köln

Heft 1

Das Rheinisch - Westfälische Kohlensyndikat Von Professor Dr. Kurt Wiedenfeld Mit mehreren Anlagen

Preis etwa 4 . 5 0 Mk.

In einer Zeit, vor der als bedeutsamstes Problem des Wirtschaftslebens die Frage nach dem Wesen der grossen Kartelle steht, und in einem Augenblick, in dem die Erneuerung von mehreren dieser Gebilde die Frage nach ihrer Weiterentwicklung brennend macht, wird es weiteren Kreisen willkommen sein, aus u n p a r t e i i s c h e r Feder eine Darstellung von dem wichtigsten dieser Syndikate zu erhalten. Piof. Dr. W i e d e n feld, von der Handels-Hochschule Köln, der durch die Einrichtung des kölnischen Museums für Handel und Industrie vielfach Fühlung mit der i heinisch-westfälischen Industrie erhalten hat und daher als deren guter Kenner wohl gelten kann, versucht hier zu einem klaren, a l l g e m e i n - v e r s t ä n d l i c h e n Bilde zusammenzufassen, was über d a s i n n e r e W e s e n und die W i r k u n g d e s S t e i n k o h l e n s y n d i k a t s zu sagen ist. Die Gegensätze unter den Mitgliedern, besonders das Verhältnis der reinen zu den Hütten-Zechen — der Kampf des Syndikats um den Absatz, seine Bedrängung durch die englische und die Braunkohle — die Wirkungen auf die Unternehmungen lind die Arbeiter, sowie auf die Verbraucher und Weiterverarbeiter — vor al'em die Fragen des volkswirtschaftlichen Effekts, ob in Technik und Organisation ein Stillstand aus der Preismacht des Syndikats erfolgt ist — alles dies wird eingehend von gründlicher Einzelkenntnis aus erörtert, wobei doch das Allgemein-Gültige nicht verloren geht. Eine Reihe von mehrfarbigen Diagrammen und Karten bringt die Entwicklung der wichtigsten Teilvorgänge zu plastischer Anschaulichkeit. Mit diesem Buch wird eine Sammlung volkswirtschaftlicher Abhandlungen eingeleitet, welche der Verfasser unter dem Titel „Moderne Wirtschaftsgestaltungen" zu dem Zweck herausgibt, die zahlreichen Anschauungsmaterialien des ihm unterstellten Museums weiteren Kreisen nutzbar zu machen. Auch sollen darin solche Arbeiten seiner Schüler veröffentlicht werden, die wegen der in der Praxis gewonnenen Unterlagen für die wissenschaftliche Erkenntnis unsres Wirtschaftslebens von allgemeinerem Wert zu sein scheinen.

:::

A. Marcus & E. Weber's Verlag, Bonn (Dr. jur. Albert Ahn)

:::

- -

Studien zur Rheinischen Geschichte Herausgeber:

Dr. jur. Albert Ahn

In dieser S a m m l u n g w e r d e n zunächst weitere Hefte erscheinen:

Die Rheinlande und die Preussische Verfassungsfrage auf dem ersten Vereinigten Landtag 1847 von Dr. E. Hemmerle Preis e t w a M k .

6.—

P r e u s s e n s Verfassung und Verwaltung im Urteile der rheinischen Politiker insbesondere der rheinischen Abgeordneten des Frankfurter Parlaments von Dr. Helene Nathan Preis e t w a M k . Weitere wichtige Arbeiten aus

3.50

v e r s c h i e d e n e n Arbeits - Gebieten

sind in Vorbereitung.

STUDIEN ZUR RHEINISCHEN GESCHICHTE HERAUSGEBER: DR. JUR. A L B E R T

AHN

1. Heft:

Niederrheinisches Geistesleben im Spiegel Kleyischer Zeitschriften des achtzehnten Jahrhunderts

von

Paul Bensei

BONN A. MARCUS

UND E. WEBERS 1912

VERLAG

(Dr. ALBERT

AHN)

Druck von Julius Beltz, Hofbuchdrucker, Langensalza

Dem Andenken meines Vaters,

des Studienrates Prof. Paul Bensei, gewidmet

Vorwort. Bei Gelegenheit seiner Studien über die Rheinlande zur französischen Zeit 1 ) fand Herr Privatdozent Dr. J. Hashagen in Bonn auf der Universitätsbibliothek eine ganze Reihe von Zeitschriften des vorfranzösischen 18. Jahrhunderts aus dem Herzogtum Cleve. Sie sind seinerzeit mit der Bibliothek der 1818 aufgelösten Universität Duisburg, die der N e u g r ü n d u n g in Bonn überwiesen wurde, herübergekommen. — Es ließ sich vermuten, daß eine nähere Untersuchung vielleicht interessante Ergebnisse zutage f ö r d e r n . u n d Einblicke in das noch wenig bekannte geistige Leben jener Gegenden ermöglichen würde. Auf diese Zeitschriften machte Herr Dr. Hashagen mich aufmerksam. Es war natürlich durchaus ungewiß, o b die Bonner Sammlung vollständig war. Meine erste Arbeit bestand darin, festzustellen, was erschienen ist, und wo Exemplare erhalten sind. Es zeigte sich, daß in Bonn manches fehlte; die Bibliographie gibt darüber eine Übersicht. Sodann habe ich, abgesehen von dem nur flüchtig behandelten, aus dem Rahmen meiner Untersuchung herausfallenden Courier du Bas Rhin und dem gleichfalls nur durchgesehenen Duisburger Intelligenzblatt, alles, was noch aufzufinden war, eingehend durchgearbeitet. Bei der Berliner Auskunftsstelle sowie bei allen noch besonders befragten Bibliotheken — das sind alle deutschen und die Wiener Universitätsbibliothek, eine Reihe größerer Landes- und Stadt- sowie verschiedene Gymnasialbibliotheken — habe ich freundliches Entgegenkommen gefunden. Persönlich benutzt habe ich außer der Bonner Universitätsbibliothek die Stadtbibliothek in Köln und die Landes- und Stadtbibliothek in Düsseldorf, ferner das dortige Staatsarchiv. Auch von privater Seite bin ich in verschiedener Hinsicht gefördert worden. Besonderen Dank schulde ich Herrn Privatdozenten Dr. Hashagen, der mir nicht n u r die Anregung zu dieser Arbeit gegeben, sondern mich auch ständig und wirksam durch Rat und Tat unterstützt hat.

Dr. Paul Bensei. *) „Die Rheinlande und die französische Herrschaft", Bonn 1908, Hanstein.

Inhaltsübersicht. Seite

Quellen und Literatur Bibliographie Einleitung Der Stand der preßgeschichtlichen Forschung . . . . Abgrenzung der Arbeit Allgemeine Schilderung der Verhältnisse des Herzogtums Cleve I. Abschnitt. Die Zeltschriften in Duisburg und Wesel . . . 1. D i e l a n d t a g s f ä h i g e n S t ä d t e o h n e Z e i tungen 2. D u i s b u r g Allgemeines Intelligenzblatt Duisburgische gelehrte und gemeinnützige Beyträge und Duisburgische wöchentliche Unterhaltungen . . Duisburgische literarische Nachrichten Duisburgisches Magazin Stromata 3. W e s e l . Allgemeines Röders Geschäft, der Gemeinnützige Jugendzeitung Niederrheinische Unterhaltungen Lesebibliothek Unterhaltungen für Freunde der Tugend und nützlicher Kenntnisse Provinzialzeitung II. Abschnitt. Die Zeitschriften in Cleve 1. V o r b e m e r k u n g : D i e Z u s t ä n d e i n C l e v e 2. P o l i t i s c h e Z e i t u n g e n i n C l e v e . . . . 3. D i e m o r a l i s c h e n W o c h e n s c h r i f t e n i n Cleve a) Der Westfälische Beobachter. Allgemeines, Äußeres . Herausgeber, Mitarbeiter . . . . . . . Vorbereitung, Bedeutung Beweggründe, Ziele, Redaktionsgrundsätze des Herausgebers

X-XV XV - XX 1-10 1 5 7 10-37 10 12 13 14 17 18 20 21 24 24 28 33 35 36 37-220 37 39 45-100 45 47 50 51

VII!

Inhalt formale Analyse materiale Analyse Schlußwort b) Der Freund der Wahrheit und des Vergnügens am Niederrhein Allgemeines, Äußeres, Erscheinungsweise . . . Herausgeber Seine Ansichten und Ziele, Wege dahin . . . Sprache und Stil . . . Mitarbeiter, Entlehnungen Inhalt formale Analyse materiale Analyse Schlußwort 4. D i e w i s s e n s c h a f t l i c h - l i t e r a r i s c h e n U n ternehmungen Beerstechers a) Der Beerstechersche Verlag b) Sammlung gelehrter Nachrichten am Niederrhein Allgemeines, Äußeres Herausgeber, Mitarbeiter, Quellen Inhalt . . . . c) Encyclopädisches Journal Allgemeines, Programme Äußeres, Erscheinungsweise Kupfer Erfolg, Verbreitung . . . . Herausgeber, Mitarbeiter Quellen, Unoriginalität Inhalt Die ersten 5 Hefte Hefte 6 - 1 3 Schlußwort d) Theater-Zeitung Allgemeines, Äußeres, Erscheinungsweise . . . Programm Herausgeber, Mitarbeiter Inhalt Schlußwort _ e) Magazin vor Ärzte. Allgemeines, Äußeres, Erscheinungsweise . . . Mitarbeiter 5. D i e p o l i t i s c h - a u f k l ä r e r i s c h e n Monatsschriften a) Politische und moralische Unterhaltungen für die Jugend und ihre Freunde. Allgemeines, Äußeres Herausgeber und sein Werk Die leitenden Gesichtspunkte Mitarbeiter, Quellen Inhalt. Der politische Teil Unpolitische Nachrichten Der moralische Teil

54 60 76 77 80 84 87 89 90 94 99 100-151 100 102 104 105 107 112 113 114 115 124 126 130 138 138 140 140 143 150 150 151 152-220 152 153 156 157 158 161 162

IX b) Mancherlei zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung. Allgemeines, Äußeres 168 Herausgeber, Mitarbeiter, Quellen 170 Programm 173 Inhalt. Die politischen Nachrichten, Revolution . . .173 Stellung dazu 176 Stellung zum Staate, zu Preußen 180 Deutschtum, Heimat 182 Wissenschaftliche Interessen 184 Moralisches 186 Unterhaltungsstoff 188 Zusammenfassung 188 c) Der Clevische. Zuschauer. Allgemeines, Äußeres . . . . . 189 Subskribenten 190 Herausgeber, Mitarbeiter, Quellen 191 Form 193 Programm 195 Inhalt. Aufklärung 199 Religion 207 Staat 211 Heimatsbewußtsein, Geschichte 212 Erziehung, Gesundheitspflege 215 Wirtschaftsleben 217 Gemeinnützige Fragen, Verschiedenes . . . 219 Schlußbemerkung 219

Zusammenfassung und Schluß

. . .

. 221—227

Quellen und Literatur. A. Akten des Düsseldorfer Staatsarchivs. C 2 a Cleve-Mark-Akten. X. Innere Landesverwaltung. 4. Zensur der Bücher und Zeitschriften in Cleve-Mark 1721 bis 1805. XVI. Geistliche Sachen. 95 g. Die Professoren in Duisburg, deren Anstellung und Besoldung 1784-1805—1811.

Depositum Wesel: Repertorium der Magistrats- auch Kirchen-, Schul- und Armen-Stiftungs-Registratur Index Repertorii primi: Caps. 73, Druckerei und Buchhandel Pag. 82. Caps. 121, Intelligenzsachen Pag. 140. Index Repertorii secundi: Nr. 3 2 - 3 5 : Die Intelligenzblätter (s. Bibliographie.)

B. Bücher und Aufsätze. *) 1. Zeitungswesen im allgemeinen. Detlef Freiherr von Biedermann: Das Zeitungswesen sonst und jetzt, Leipzig 1882. Karl Bücher: Die Entstehung der Volkswirtschaft, Leipzig 1907 Emil Löbl: Kultur und Presse, Leipzig 1903. Robert Prutz: Geschichte des deutschen Journalismus I (Einziger Band), Hannover 1845. Ludwig Salomon: Geschichte des deutschen Zeitungswesens, Oldenburg und Leipzig 1900—1905. 3 Bände. Ludwig Salomon : Allgemeine Geschichte des Zeitungswesens, Sammlung Göschen Nr. 351. Ludwig Salomon: Artikel: Zeitung im Handwörterbuch der Staatswissenschaften. Joachim von Schwarzkopf: Über Zeitungen, 1795. Gustav Wolf: Einführung in das Studium der neueren Geschichte, Berlin 1910: Das Zeitungswesen, S. 2 4 3 - 3 2 3 .

2. Moralische Wochenschriften. Max Dessoir: Geschichte der neueren deutschen Psychologie 1 2 , 1902, S. 147 ff. *) Nachfolgende Zusammenstellung soll hier ihren Platz finden, obwohl viele der angeführten Bücher und Aufsätze im Text nicht zitiert •worden sind.

XI J.

Q . E c k a r t : D i e moralischen Wochenschriften, in Grenzboten 64, 2. Teil. S . 4 1 9 - 427, 4 7 7 — 4 8 5 . Karl G o e d e k e : G r u n d r i ß zur Geschichte der deutschen Dichtung V I I I - , S. 4 : Zeitschriften. Hermann H e t t n e r : Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts. 4 Bde. Braunschweig 1894 6 . Karl J a k o b i : Die ersten moralischen Wochenschriften Hamburgs, Hamburger Schulprogramm 1888. Max Kawczynsky: Studien zur Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts: D i e moralischen Wochenschriften, Leipzig 1808. Karl August Koberstein: G r u n d r i ß der Geschichte der deutschen Nationalliteratur III, 1872, S. 54, 157, 284. Karl K o p p m a n n : Aus Hamburgs Vergangenheit, Hamburg und Leipzig 1885. Lachmansky: Die deutschen Frauenzeitschriften des 18. Jahrhunderts, Berlin 1900. Oskar L e h m a n n : Die deutschen moralischen Wochenschriften des 18. Jahrhunderts als pädagogische Reformschriften, Leipzig 1893. H. L ö b n e r : Danziger moralische Wochenschriften des 18. Jahrhunderts, i n : Mitteilungen des Westpreußischen Gesch ich tsverei ns B d . II, 1903. Richard M. Meyer: Die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts, Berlin 1906 a , S. 19. Ernst M i l b e r g : D i e moralischen Wochenschriften des 18. Jahrhunderts, Meißen 1880. Justus Moser: Ein neues Ziel für die deutschen Wochenschriften, i n : Patriotische Phantasien III, Neue Ausgabe von Abeken, 1858, S 86. Julian S c h m i d t : Geschichte der deutschen Literatur von Leibniz bis auf unsre Zeit, 5 Bde, Berlin 1886 ff.

3. Territoriales Zeitungswesen, einzelne Zeltungen. Hermann B e c k e r : Die Anfänge der Tagespresse in Dortmund, i n : Beiträge zur Geschichte der Stadt Dortmund und der Grafschaft Mark X I , 1902, S. 8 9 - 157. Karl B e c k m a n n : Heinrich Lindenborn, der kölnische Diogenes. — Beiträge zur Literaturgeschichte und Kulturgeschichte des Rheinlandes, herausgegeben von Josef Götzen, I. Bonn 1908. Arend B u c h h o l t z : Die Vossische Zeitung, Geschichtlicher Rückblick auf 3 Jahrhunderte. Berlin 1904. Ernst Consentius: Die Berliner Zeitungen bis zur Regierung Friedrichs des G r o ß e n , Berlin 1904. Ernst Consentius: Friedrich der G r o ß e und die Zeitungszensur, i n : Preußische Jahrbücher 115, 1904, S. 220. Wilhelm Creizenach. Die Frankfurter Zeitungen. Mitteilungen des Vereins für Frankfurter Geschichte III. Johann Gustav Droysen: Die Zeitungen im 1. Jahrzehnt Friedrichs des G r o ß e n , i n : Zeitschrift für preußische Geschichte X I I I , 1876, S . 1 ff. Carl E i c h h o r n : D i e Geschichte der St. Petersburger Zeitung 1 7 2 7 - 1 9 0 2 , St. Petersburg 1902. Eicken: Aus Duisburgs ältesten Zeitungen, in: Festschrift zur 14. Hauptversammlung des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins zu Duisburg, Duisburg 1905, Ewich. Leonhard E n n e n : Die Zeitungspresse der Reichsstadt Cöln, in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein X X X V I , 1881, S. 12 ff Carl d'Ester: D a s Zeitungswesen in Westfalen von den ersten Anfängen

XII bis zum Jahre 1813, Münster in Westfalen 1907, Heinrich Schöningh. Münstersche Beiträge zur neueren Literaturgeschichte, herausgegeben von Dr. Scnwering, Heft I und II. Justus Hashagen: Der »Menschenfreund" des Freiherrn Friedrich von der Trenck, in: Zeitschrift des Aachener Oeschichtsvereins Bd. 29, 1907, S. 49 ff. Justus Hashagen: Zur Geschichte der Presse in der Reichsstadt Köln, in: Annalen des hist. Vereins f. d. Niederrhein, Bd. 85, S. 166 ff. Hassenkatnp: Jacobi und seine Zeitungen, in: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins (Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins) IX und X, 1894 und 1895. Eduard Heyck: Die Allgemeine Zeitung 1798—1898. Beiträge zur Geschichte der deutschen Presse. München 1898. Walther Hofstätter: Das deutsche Museum ( 1 7 7 6 - 1 7 8 8 ) und das neue deutsche Museum (1789—1791), in: Probefahrten, herausgegeben von A.Köster, Heft 12, Leipzig 1908. Hundertfünfzig Jahre Schlesische Zeitung, Breslau 1892. Josef Joesten: Die literarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert,, in: Grenzboten 1899, I, S. 205 ff. Josef Joesten; Literarisches Leben am Rhein, Leipzig 1899. Jubiläums-Zeitung, Festnummer des Hamburger Correspondenten, Hamburg 1881. Hermann Keussen sen.: Beiträge zur Geschichte Krefelds und des Niederrheins, in: Annalen d. hist. Vereins f. d. Niederrhein 65, 1898, Seite 105-132. Reinhold Koser: Preußische Staatsschriften aus der Regierungszeit König Friedrichs II, Bd. I, ( 1 7 4 0 - 1 7 4 6 ) , 1877. (In d. Einl. über die publizistische Tätigkeit des Königs und über politische Zeitungen.) Kowalewski: Hamburgs periodische Literatur, in Zeitschrift des Vereins für Hamburger Geschichte X, 1899, S. 273 ff. Merländer: Buchdruck und Buchhandel in Düsseldorf. Verzeichnis der in Düsseldorf erschienenen Druckwerke vom Jahre 1 7 5 1 - 1 7 8 5 , in: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins Bd. 3 u. 4, 1888 u. 1889. Meyen: Die Berliner Monatsschrift von Gedike und Biester. — Literarhistorisches Taschenbuch V, 1847. Emil Pauls: Beiträge zur Geschichte der Buchdruckereien, des Buchhandels, der Zensur und der Zeitungspresse in Aachen bis zum Jahre 1816, Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins XV, 1893, S. 97 ff. Emil Pauls: Zur Geschichte der Zensur am Niederrhein bis zum Frühjahr 1816, in: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins XV, 1900. Joachim von Schwarzkopf: Die politischen Zeitungen und Intelligenzblätter in den Kgl. preuß. Staaten, in: Allgem. lit. Anzeiger 1801, Nr. 37, S. 3 4 5 - 3 6 8 . C. D. von Witzleben: Geschichte der Leipziger Zeitung, Leipzig 1860. R. Zenker: Geschichte der Wiener Journalistik von den Anfängen bis zum Jahre 1848. Wien und Leipzig 1892, 2 Bde. Zur Geschichte der kaiserlichen Wiener Zeitung, Wien 1903.

4.

Intelligenzwesen.

Vieles schon in oben aufgeführten Aufsätzen und Büchern. Außerdem: Johann Beckmann: Beiträge zur Geschichte der Erfindungen II, 1788 r S. 2 3 1 — 2 4 1 ; IV, 1799, S. 306—309. Justus Moser: Etwas zur Verbesserung der Intelligenzblätter, in: Patriotische Phantasien I, Neue Ausgabe von Abeken, 1858, S. 260.

XIII Ludwig Munzinger: Die Entwicklung des Inseratenwesens in den deutschen Zeitungen, Heidelberg 1902. Hjalmar Schacht: Die Entstehung des Zeitungsanzeigewesens, in: Allgemeine Zeitung 1899, Beilage 12. Hjalmar Schacht: Darstellung des Intelligenzwesens, in: Qrenzboten 1904, 23 und 24. Zedier: Die Intelligenzblätter der nassauischen Fürstentümer, in: Annalen des Vereins für nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung XXIX, 1897, S. 93 ff.

5. Zur Geschichte des Niederrheins. Amusemens des Eaux de Cleves oder Verjüngungen und Ergötzlichkeiten bei denen Wassern zu Cleve. Entworffen von einem Mitgliede der Brunnen-Gesellschaft. Lemgo, gedruckt bey Johann Heinrich Meyer 1748 (von Schütte?) (deutsch geschrieben). Bruno Bauer: Geschichte der Politik, Kultur und Aufklärung des 18. Jahrhunderts, Charlotten bürg, 1843 - 4 4 . Heinrich Berghaus: Deutschland seit 100 Jahren. 5 Bde., Leipzig 1859—62. Karl Biedermann: Deutschland im 18. Jahrhundert, 3 Bde., Leipzig 1880*ff. A. Chr. Borheck, Geschichte der Länder Cleve, Mark, Jülich, Berg auch Ravensberg, Duisburg 1800. Anton Friedrich Büsching: Erdbeschreibung, 7. Aufl. 1789—90, 6. Teil, S. 29 ff. Fr. Char: Geschichte des Herzogtums Cleve, Cleve und Leipzig 1843. Wilhelm Dieterici: Geschichtliche und statistische Nachrichten über die Universitäten im Preuß. Staate, Berlin 1836; S. 144—147, 1 5 9 - 161 über Duisburg. Leonhard Ennen: Zeitbilder aus der neueren Geschichte der Stadt Cöln, 1857. Fabricius: Erläuterungen zum Histor. Atlas der Rheinprovinz, Bd. 5. Justus Gruner: Meine Wallfahrt zur Ruhe und Hoffnung, oder Schilderung des sittlichen und bürgerlichen Zustandes Westfalens am Ende des 18. Jahrhunderts. 2 Bde., Frankfurt a. M. 1802. Felix Günther: Die Wissenschaft vom Menschen. Ein Beitrag zum deutschen Geistesleben im Zeitalter des Rationalismus, Gotha 1907. Geschichtliche Untersuchungen, herausgegeben von Karl Lamprecht, 5 Bd. 1 Heft. August von Haeften : Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg: Ständische Verhandlungen I. Band (Cleve, Mark) Berlin 1869. Justus Hashagen: Die preußische Herrschaft und die Stände am Niederrhein, in: Westdeutsche Zeitschrift 28, 1909, S. 1 ff. K. Th. Heigel: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Auflösung des alten Reiches I. Band. Stuttgart 1899; Werner Hesse: Beiträge zur Geschichte der früheren Universität in Duisburg. Duisburg, F. H. Nieten, 1879. Otto Hötzsch: Stände und Verwaltung in Cleve - Mark in der Zeit von 1666—1697. 1908. M. Joannis Kaysers P. L. C. Evangelischen Predigers in Cleve Parnassus Clivensis, Cleve 1698 J. F. Knapp: Regenten- und Volksgeschichte der Länder Cleve, Mark, Jülich, Berg und Ravensberg, 3 Bde., Crefeld 1836.

XIV [[. A. Kopsladt:] Uber Cleve in Briefen an einen Freund, Frankfurt a M. 1822. Max Lehmann: Freiherr vom Stein I. Leipzig 1902, S. 85—134: Die westlichen Provinzen des preußischen Staates. Christian Friedrich Meyer: Ansichten einer Reise durch das Clevische . . . im Jahre 1794, Düsseldorf 1797. Montanus: Die Vorzeit der Länder Cleve, Mark, Jülich, Berg und Westfalen, Solingen 1837—39, 2 Bde. Rob. Schölten: Die Stadt Cleve, Beiträge zur Geschichte derselben, Cleve, Fr. Boß, 1 8 7 9 - 81, Rob. Schölten: Geschichtliche Nachrichten über Cleve am Rhein, 1888, Selbstverlag. Rob. Schölten: Zur Geschichte der Stadt Cleve, 1905. Joh. Moritz Schwager: Bemerkungen auf einer Reise durch Westfalen bis an und über den Rhein, Leipzig 1804 (Reise 1794). Scotti: Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem Herzogtum Cleve und in der Grafschaft Mark über Gegenstände der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege ergangen sind. Düsseldorf 1826, 5 Bde. Heinrich von Stephan: Geschichte der preuß. Post von ihrem Ursprünge bis auf die Gegenwart, Berlin 1859. Ernst Tröltsch: Artikel: Aufklärung in: Realencyclopädie für protest. Theologie 3. Gustav von Velsen: Die Stadt Cleve, Cleve und Leipzig 1846. [Chr. de Vries: Clevischer Lusthof, 2. Druck 1730.] Graf von Wakkerbart: Rheinreise (1791), Halberstadt 1794. Woldemar Wenck: Deutschland vor 100 Jahren, 2 Bände, 1887—90. Gustav Wolf: Einführung in das Studium der neueren Geschichte, Berlin 1910: das Postwesen, die Buchdruckerkunst, der Buchhandel, S. 27-110. Besonders reichhaltig an Aufsätzen über Zustände und Verhältnisse im Herzogtum Cleve ist die Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins.

Bibliographische und biographische Hilfsmittel. Allgemeine deutsche Biographie (A. d. B.) Allgemeines Sachregister über die wichtigsten deutschen Zeit- und Wochenschriften, Leipzig 1790 [von Beutler und Guts-Muths, zitiert: Beutler] Erman und Horn : Bibliographie der deutschen Universitäten, 3 Bde., 1904—05, Leipzig u. Berlin. Ersch u. G r u b e r : Encyclopédie. Hatin: Bibliographie historique et critique de la presse périodique française, Paris 1866. Wilhelm Heinsius: Allgemeines Bücherlexikon 1700—1810, 4 Bde., Leipzig 1812 [ - 1 8 7 2 . ] Holzraann u. Bohatta: Deutsches Anonymenlexikon für die Zeit 1501—1850 Weimar 1902 ff. Holzmann u. Bohatta: Deutsches Pseudonymenlexikon Weimar 1906. Jöcher: Allgemeines Gelehrtenlexikon I—IV, 1750—51 und mehrere Fortsetzungen. Max Kawczynsky : Verzeichnis der englischen, deutschen, französischen moralischen Zeitschriften, Leipzig 1880.

XV Chr. G. Kayser: Vollständiges Bücherlexikon 1750—1832, 7 Bde., Leipzig 1834—36 [dauernd fortgeführt.] T. Kellen: Bibliographie des Zeitungswesens, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1907, Nr. 184—186, 188, 246—252. Joh Oeorg Meusel: Das gelehrte Teutschland (G. T.), Lemgo 1796. Joh. Oeorg Meusel: Lexikon der vom Jahre 1750—1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, Leipzig 1802—1816, 15 Bde. (M. N.) Joh. Stephan Pütter: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen, Bd. 1 1765, Bd. 2 1788. Fr. Raßmann: Münsterländisches Schriftstellerlexikon mit Nachträgen I—IV. Bingen, 1814—1824. P. E. Richter: Verzeichnis der Periodika im Besitze der K. ö. Bibl. zu Dresden 1880. Rotermund : Gelehrtes Hannover 1823. Rotermund: Lexikon aller Gelehrten, die seit der Reformation in Bremen gelebt haben 1818.

Bibliographie. 1. Der westphätische Beobachter eine Wochenschrift. (W. B ) C l e v e , 17 ">5—57 (58), 100 Stück in 8°, meist ' / i Bogen stark, der Jg. zu 1 Rtlr. 8 Gr. V e r l e g e r : Hofbuchdruckerin WitweJ. R. Sitzmann. H e r a u s g e b e r : Friedrich Wilhelm von Derschau und RegierungsReferendar Goecke. V o r h a n d e n in: Bonn, Univ. Bibl.: St. 1—90 in einem Bande Düsseldorf, Bibl. d. Herrn W. Grevel 1 ): St. 1 - 5 0 . Mainz, Stadt Bibl.: St. 1—50; 51—100. 2- Der Gemeinnützige W e s e l , 1772—1773. wöchentlich 1 Stück in 8°, der Jg. zu 2 Rtlnv V e r l e g e r : Franz Jakob Röder. 3. Sammlung gelehrter Nachrichten am Niederrhein. C l e v e , 1773, wöchentlich 2 Stück in 8 0 je 1 Bogen stark, der Jg. zu 4 Rtlrn. oder 6 holl. Gulden. V e r l e g e r : Johann Gottlieb Beerstecher. V o r h a n d e n in: Berlin, Kgl. Bibl.: St. 1—17. 4. Der Freund der Wahrheit und des Vergnügens am Niederrhein. (F. d. W.) C l e v e , 1773—74, anfangs wöchentlich 1 St., später ein Doppelstück, je 1 Bogen bzw. 2 mal 1 Bogen stark in 8°, das Vierteljahr zu 24 Stübern während, und 36 Stübern nach der Subskriptionszeit. J ) Die Bibliothek des Herrn W. Grevel ist testamentarisch der Stadt Essen vermacht worden.

XVI V e r l e g e r : Zuerst: J. G. Beerstecher, später J. R. Sitzmann. H e r a u s g e b e r : August Friedrich Cranz. V o r h a n d e n in: Bonn, U. B.: Teil 1—4. Cöln, St. B : Teil 1—2. Düsseldorf, Grevel: Teil 1—2. Gießen, U B.: Teil 1—4. Kassel, Landes-Bibl.: Teil 1—4. 5 . Encyclopädisches Journal. (E. J.) C l e v e , 1774 (1774—1775), Monatsschrift, das Stück zu 6 Bogen in 8°, der Jg. zu 6, später zu 8 Rtlrn. V e r l e g e r : I. G. Beerstecher. H e r a u s g e b e r : Für Heft 1 - 5 Beerstecher (?), für Heft 6—13 Christian Wilhelm Dohm. V o r h a n d e n in: Bonn, U. B.: Bd. 1, St 1—7, Bd. 2, St. 8 - 1 0 in einem Einband. Breslau, U. B.: Bd. 1. Cöln, St. B.: Bd. 1, Bd. 2. Darmstadt, Grhzl. B.: Bd. 1, Bd. 2, St. 8—10. Dresden, K- B : Bd. 1, Bd. 2, St. 8—10. Göttingen, U. B.: Bd. 1, Bd. 2, St. 8 u. 9. Heidelberg, U. B.: Bd. 1, St. 1—3. Jena, U. B.: Bd. 1. Karlsruhe, Großh. B . : Bd. 1, Bd. 2. München, K. B . : Bd. 1, Bd. 2, St. 8—11. Rostock, U. B . : Bd. 1, Bd 2, St. 8—12. Straßburg, U. B.: Bd. 1, Bd. 2, St. 8 - 1 0 ; 6 . Theater Zeitung. C l e v e , 1776, 30 Nummern in 8°, meist V« Bogen stark, derHalbjahrgang zu 2 Rtlrn. V e r l e g e r : 1. G. Beerstecher H e r a u s g e b e r : J. G. Beerstecher. V o r h a n d e n in: Bonn, U. B.: Nr. 1—24, 33—36. Kassel, L. B.: Nr. 1—39. 7. Magazin vor Arzte. C l e v e , 1775, 3 Hefte zu 6 Bogen in 8°, der Jg. zu l / , Louisd'or während und 4 Rtlrn. nach Ablauf der Pränumerationszeit. V e r l e g e r : Johann Gottlieb Beerstecher. H e r a u s g e b e r : Prof. Baldinger. V o r h a n d e n in: Jena, U. B.: St. 1—[12]. München, K- B.: St. l - [ 6 ; 7 - 1 2 ] und vermutlich noch an manchen andern Stellen. Duisburgische gelehrte und gemeinnützige Beyträge. D u i s b u r g , 1777 - 82, wöchentlich 1 Stück »/» Bogen stark in 8 V e r l e g e r : Kgl. Adreßcomptoir. H e r a u s g e b e r : Chr. G. Ludwig Meister. V o r h a n d e n in:

XVII

Bonn, U. B . : Jg. 1777—79, 1781—1782. Duisburg, Gymn. B.: Jg. 1777—1782. Düsseldorf, Grevel: Jg. 1778. Göttingen, U. B : Jg. 1777—1782. Kiel, U. B.: Jg. 1777-1782. Straßburg, U. B.: Jg. 1777, 1780, 1782. 9. Duisburgische wöchentliche Unterhaltungen. D u i s b u r g , 1783 und 1784 als Fortsetzung der Beyträge. V o r h a n d e n in: Bonn, U. B : Bd. 1 u 2. Duisburg, B d. Kgl G : Bd. 1 u. 2. Göttiugen, U. B . : Bd. 1 u. 2. Kiel, U. B . : Bd. 1 u. 2. Straßburg, U. B : Bd 1 u. 2 10. Jugendzeitung. (J. Z.) W e s e l , 1779—1785, wöchentlich 1 St. 7 , Bogen stark, seit 1780 mit einer „Beylage zur Jugendzeitung", gleichfalls tya Bogen stark, im ersten Jahr zu 1 Rtlr. 8 Gr., später 1 Rtlr. 18 Gr. V e r l e g e r : Fr. J. Röder. H e r a u s g e b e r : Nicolaus Hüther. V o r h a n d e n in: Düsseldorf, Grevel: Einzelne Hefte. Wesel, Bib!. d K G : Jg. 1773 -82, 1781—85, Beylage: 1780—8ö. 11. Duisburgische litterarische Nachrichten. D u i s b u r g , 1781—1783, 1781 alle 14 Tage, 1782—83 alle 8 Tage ein Stück in 8 je y ? Bogen stark, der Jg. zu 40 Stübern fü r Bezieher der Beyträge, sonst zu 1 Rtlr. V e r l e g e r : Kgl. Adreßcomptoir. H e r a u s g e b e r : Meister und Grimm. V o r h a n d e n in: Bonn, U. B : Jg. 1 u. 2. Cöln, St. B : Jg. 1, St. 1—11, 13—18, 22—25. Kiel, U. B . : Jg. 1—3. Leipzig, U. B : Jg. 1, Jg. 2, St. 1 - 2 2 . 12. Duisburgisches Magazin. D u i s b u r g , 1781—82, monatlich 1 Heft zu 4 Bogen in 8°, 6 Hefte zu einem Bändchen vereinigt, der Halbjahrgang zu 1 Rtlr.. im ganzen 2 Bändchen. V e r l e g e r : Witib Benthon. H e r a u s g e b e r : [Ibbecke u.) Gildemeister. V o r h a n d e n in: Berlin, K B . : Bd. 1, Heft I. Bonn, U. B.: Bd. 1, Heft 2. Cöln, St. B : Bd. 1 u. 2. Duisburg, Kgl- Gymn.: Bd. 2 Göttingen, U. B . : Bd. 1 u. 2. Kiel, U. B : Bd. 1 u. 2. München, U. B . : Bd. 1 u. 2.

XVIII 13. Duisburgs

Handelsakademie-Journal.

D u i s b u r g , 1782, monatlich 1 Stück, der Jg. zu l Conventionstaler, erschienen 1 Stück. V e r l e g e r : Witib Benthon. H e r a u s g e b e r : Ibhecke. 14. Lesebibliothek. W e s e l , 1785, monatlich 1 Heft zu 6 Bogen in 8 zu einem Bändchen zusammengefaßt. V e r l e g e r : Fr. J. Röder. Vorhanden in: Berlin, K. B . : Jg. 1, Bd. 1—4. 15. Niederrhelnlsche Unterhaltungen.

vierteljährlich

(N. U.)

Wesel, 1786—92, wöchentlich anfangs 2 St., je ' / , Bogen stark; seit dem 2. Halbjahr 1 St. 1 Bogen stark, in 8 ° , seit 1791 monatlich 4 Bogen, der Jg. zu 1 Rtlr. 18 Gr oder 2 Rtlr. 6 Stüber Clever Kurs. V e r l e g e r : Fr. J . Röder (seit 1790 auch Keßler in Frankfurt.) H e r a u s g e b e r : Wilhelm Heinrich Triesch. V o r h a n d e n in: Berlin, K- B . : Jg. 1 7 8 6 - 9 0 . Cöln, St. B . : Jg. 1786—90 Düsseldorf, L. B . : Jg. 1786. Düsseldorf, Grevel: Jg. 1786, II. Hälfte, Jg 1790 u. 1792. Mainz, Kasinoges. Hof z. Gutenberg: Jg. 1790. Wesel, Bibl. d. K. G : Jg. 1 7 8 6 - 9 2 (von Jg. 1790 u. 92 fehlt die erste Hälfte, von 1786 ist Bd. 2 doppelt). 16. S t r o m a t a , eine Unterhaltungsschrift für T h e o l o g e n . D u i s b u r g , 1787—1789, im ganzen 7 Hefte zu je 6 Bogen in 8 ° , Heft 1—3 u. 4—6 zu je einem ßändchen zusammengefaßt. V e r l e g e r : Helwing. H e r a u s g e b e r : Grimm und Muzei. V o r h a n d e n in: Bonn, U. B : Heft 7. Breslau, U. B : Heft 1—7. Halle, U. B : Heft 1 - 6 . Kiel, U. B . : Heft 1—6. Leipzig, U B : Heft 1—6. Marburg, U. B . : Heft 1—7. 17. Politische und moralische Unterhaltungen und ihre Freunde. (P. u. m. U )

für

die

Jugend

C l e v e , 1 7 8 8 - 8 9 , monatlich 1 St. zu 3 Bogen in 8°, 12 St. im ganzen. V e r l e g e r : Johann Wilhelm Möller. H e r a u s g e b e r : Johann Nicolaus Hüther. V o r h a n d e n in: Bonn, U. B . : Jg. 1.

XIX 18. Mancherlei zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung. (M. z. U ) C l e v e , 1789—90, monatlich 1 Heft zu 4 Bogen in 8°, der Jg. zu 1 Rtlr 10 Ggr. Berliner oder 1 Rtlr. 42 Stüber Clever Kurs, im ganzen 10 Hefte. V e r l e g e r : J. W. Möller. H e r a u s g e b e r : N. Hüther. Vorhanden in: Bonn, U. B.: Heft 1—10. 19. Der Clevische Zuschauer. (Cl. Z.) C l e v e , 1792—93, monatlich 1 Heft zu 4 Bogen in 8 2 Rtlrn., 12 Hefte im ganzen. V e r l e g e r : Hofbuchdrucker Koch. V o r h a n d e n in: Bonn, U. B . : Jg. 1. Düsseldorf, L. B . : Heft 6. Düsseldorf, Grevel: Heft 1—4.

der Jg. zu

2 0 . Weselsche Monatsschrift. W e s e l , 1793, als Fortsetzung der N. U. V o r h a n d e n in: Dresden, K. B : Heft 1. 21. Unterhaltungen für Freunde der Tugend und nützlicher Kenntnisse. W e s e l , 1794, monatlich 1 Heft zu 4 Bogen in 8 6 Hefte zu einem Bändchen vereinigt. V e r l e g e r : F. J. Röder. H e r a u s g e b e r : F H. Westermann. V o r h a n d e n in: Cöln, St. B . : Bd. 1. 1. Das Duisburger Intelligenzblatt unter wechselndem Titel. D u i s b u r g , 1727—1794 (—1849). V o r h a n d e n in: Berlin, K. B.: Jg 1 7 5 1 - 5 4 ; 1770—76. Duisburg, Stadtarchiv: Jg. 1727—1741; 1 7 4 4 ^ 1 7 5 3 ; 1755; 1772. Duisburg, K. G . : Jg. 1736—1776. Düsseldorf, Bibl. d. Staatsarchivs: Jg. 1769. Düsseldorf, Staatsarchiv, Dep. Wesel: Jg. 1741, Heft 32, Jg. 1764 bis 67; 1768—73; 1775; 1776—1787; 1789—1794 (—1805). Düsseldorf, Grevel: Jg. 1736—63 (1749 unvollständig) und lose Nummern. (Nur die Blätter, auf denen wissenschaftliche Arbeiten stehen ) 2. Courier de Cleves oder De Cleefsche Courant. C l e v e , zwischen 1764 und 1767, in holländischer Sprache. H e r a u s g e b e r ; Griethuysen. 3. Courier du Bas Rhin. C l e v e , 1767—93. W e s e l , 1793—? zweimal wöchentlich, je 8—10 Seiten in 4° stark, der Jg. zu 5 Rtlrn. pr. C. oder 9 holländische Gulden in Cleve

XX zu 11 holl. Gulden bezw. 24 frzs. Livres außerhalb. V e r l e g e r : Kriegs- und Domänenkammer durch die Stempelkasse. D r u c k e r : Witwe Sitzmann. H e r a u s g e b e r ; Jean Manzon. V o r h a n d e n in: Bremen, St. B . : Jg. 1790—99Cöln, St B . ; J g . 1777, Nr. 53—105; Jg. 1779. Düsseldorf, L. B . : Jg. 1781, 1. Hälfte. Düsseldorf, Grevel: Lose Hefte. Karlsruhe, Großh. B . : Jg 1784—1794. Mainz, Kasinoges. Hof z. Gutenberg: J g . 1785. München, K. B . : Jg. 1767—1776. Paris, Bibl. Nat.: Jg. 1778—1792. Wernigerode, fürstl. Stoib. B : 1781—1802. und vermutlich an noch manchen andern Stellen. A n m e r k u n g : Unauffindbar war der „Clevische Anzeiger" vom Schauspieler Müller, der in den Briefen „Über Cleve" erwähnt wird (S. 30), und die in die französische Zeit fallenden beiden Blätter Orion und Lachesis. Fälschlich als Zeitschriften angeführt wurden verschiedentlich folgende Bücher: Der niederrheinische Zuschauer, 1766 und: Die niederrheinische Zuschauerin, 1770, beide Rhenopolis, ferner: Der Weise aus dem Monde durch mich, Nirgends (Frankfurt bei Eßlinger 1768.)

Einleitung, Die Geschichte des deutschen Zeitungswesens steht noch in ihren Anfängen. Zwar fehlt es nicht völlig an Untersuchungen und Bearbeitungen; einzelne Zeiten und Höhepunkte sind wiederholt Gegenstand eingehenderer Forschung geworden. So ist man den ersten, unbewußten und tastenden Anfängen der heutigen Presse verschiedentlich bis zu den einzelnen Wurzelsträngen nachgegangen. Auch den moralischen Wochenschriften ist manche Arbeit gewidmet, und in allen Literaturgeschichten werden sie kurz gewürdigt. Aber eine auch nur annähernd erschöpfende Darstellung fehlt uns noch. Selbst das, was über die Wochenschriften begrenzter Gebiete gesagt ist oder über besondere Arten von Wochenschriften und bestimmte Interessengebiete in ihnen, läßt durchweg an Ausführlichkeit zu wünschen übrig. Die moralischen Wochenschriften sind ferner stets in höherem Maße vom literarischen als vom historischen Gesichtspunkt aus betrachtet worden. Damit hängt zusammen, daß man sich vorwiegend mit den wenigen Erzeugnissen von wirklichem literarischem Einfluß beschäftigt, die andern Blätter 1 ) G r a ß h o f , Die brieflichen Zeitungen des 16. Jahrhunderts Leipz. Diss. 1877; S t e i n h a u s e n , Geschichte des deutschen Briefes Berlin 1889—91; S t e i n h a u s e n , Die Entstehung der Zeitung aus dem brieflichen Verkehr. (Archiv für Post und Telegraphie XXIII, 347, Berlin 1895). — — S t i e v e , Über die ältesten halbjährigen Zeitungen oder Meßrelationen und insbesondere über deren Begründer Michael von Aitzing (Abh. d. Münch. Akad. 1881, Hist. Kl. XVI. 1, S. 177. ff.); O p e l , Die Anfänge der deutschen Zeitungspresse 1609—1650 (Archiv f. Gesch. d. deutschen Buchh. III, Leipzig 1879); A. H e g e r , Reste periodischer Zeitschriften des 17. Jahrhunderts (Centraiblatt f. Bibl.-Wesen, 1889, VI, S. 159—160).

B e n s e i , Niederrheinisches Geistesleben.

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aber, vor allem der späteren Zeit, in der die wachsende Zahl das einzelne mehr zurücktreten ließ, verhältnismäßig unbeachtet gelassen hat und sie mit dem schon im Laufe des 18. Jahrhunderts auftretenden Urteil abtut, sie seien ungenießbar. Wenn solche Ablehnung damals vielleicht berechtigt war, als man um die Mitte des Jahrhunderts an den Hauptbildungsstätten in erstaunlich schneller Entwicklung zu literarischer Bildung emporstieg, die für nur wenige Jahre zurückliegende Zeiten das Verständnis zu verlieren begann, so muß heute, bei dem inzwischen gewonnenen Abstand, der Literar- und vor allem der Kulturhistoriker ganz anders an die fraglichen Literaturwerke herangehen. Noch nach der Mitte des 18. Jahrhunderts haben die moralischen und ähnliche Wochenschriften vor allem in den weniger zentral gelegenen Gegenden Deutschlands gewaltigen Einfluß ausgeübt, der nach ihrem Gehalt auch durchaus nicht wunderbar ist. Eingehende Einzeluntersuchungen würden das zweifellos für weite Gebiete nachweisen können. Bei Gelegenheit von Jubiläen haben einige politische Zeitungen, die ins 18. oder gar 17. Jahrhundert hinabreichen, ihre Geschichte geschrieben. 1 ) Aber gerade sie bieten weniger unmittelbares Material für die Geistesgeschichte ihrer Zeit. Die Darstellung muß sich — vor allem für das 17. und 18. Jahrhundert — darauf beschränken, die äußere Geschichte des betreffenden Blattes zu schreiben, über den Kampf um Privilegien und mit der Zensur, über finanzielle Verhältnisse, Verleger und Herausgeber zu berichten. Das innere Wesen dieser eigentlichen Nachrichtenzeitungen hat sich bis in das letzte Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts hinein nur wenig über die unentwickelte Anfangsstufe erhoben. Ihre Entwicklung bestand vorwiegend in Ausgestaltung und Vervollkommnung des Nachrichtenwesens auf Grund des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwunges. Nur einzelne, z. B. die Voßische ' ) Vor allem sind zu nennen: v o n W i t z l e b e n , Geschichte der Leipziger Zeitung, Leipzig I 8 6 0 ; A r e n d B u c h h o 11 z, Die Vossische Zeitung, Geschichtlicher Rückblick auf 3 Jahrhunderte, Berlin 1904; C a r l E i c h h o r n , Die Geschichte der St. Petersburger Zeitung 1727—1902, St. Petersburg 1902; Zur Geschichte der kaiserlichen Wiener Zeitung, Wien 1903; Hundertfünfzig Jahre Schlesische Zeitung, Breslau 1892.



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u n d in beschränkterem Maße die Wiener Zeitung fingen etwa seit der Mitte des Jahrhunderts an, ihren Inhalt auszubauen. Wenn die Voßische Zeitung in den fünfziger Jahren durch ihren Teil „Von gelehrten Sachen" größere Bedeutung gewann, so lag das daran, daß sie das Glück hatte, Männer wie Mylius und Lessing sich zeitweilig zu verpflichten. Im großen und ganzen aber brachten die großen Zeitungen nur Neuigkeiten, und die Regierungen, das Publikum und die Zeitungen selbst wollten nichts anderes. In dem Sinne sprachen sich nicht nur immer die Privilegien für Zeitungsschreiber aus, sondern wie es in „Zeitungs Lust und Nutz" vom Spaten (d. i. Kaspar Stieler, 1695) schon hieß: „Man lieset die Zeitungen darümb nicht, daß man daraus gelehrt und in Beurteilung der Sachen geschickt werden, sondern daß man allein wissen wolle, was hier und da begiebet, derowegen die Zeitungsschreiber mit ihrem unzeitlichen Richten zu erkennen geben, daß sie nicht viel Neues zu berichten haben, sondern blos das Blatt zu erfüllen, ein Senf darüber hermachen, welcher zu nichts anders dienet, als daß man die Naseweisheit verlachet und gleichsam mit Füßen tritt, weil sie aus ihrer Sphäre sich verirren, wo sie nicht anders als straucheln und versinken können," so vertrat auch noch die Ankündigung der neuen Westfälischen Provinzialzeitung in Wesel vom Jahr 1794 den Standp u n k t : „Eine echt patriotische Zeitung hält es mit keiner Partei, nur mit der Wahrheit. Sie lobt und tadelt nicht, sie liefert den Stoff zum Urteil, sie selbst urteilt nie." Erst Cottas in Tübingen 1798 begründete „Allgemeine Zeitung" brach grundsätzlich mit diesen Anschauungen und sah in dem subjektiven Teil der Zeitung, in dem Raisonnement und der Leitung und Beeinflussung der Leser auf Grund der mitgeteilten Nachrichten als erste der maßgebenden Zeitungen ihre Hauptaufgabe, die sie in einzig dastehender, glänzender Weise Jahrzehnte hindurch erfüllt hat. Bis dahin aber bestand der Inhalt der Zeitungen vorwiegend aus aneinandergereihten Nachrichten, die vor den Revolutionstagen häufig derart waren, daß man kaum Interesse dafür voraussetzen würde. Vgl. Gesch. d. kais. Wiener Zeitung, S. 11, S. 141, und v. Witzleben, a. a. O. S. 151, wo diese Tatsache auch betont wird. 1*



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H ö f i s c h e Nachrichten spielen in vielen Blättern eine unverhältnismäßige R o l l e . 1 ) Unmittelbare A u s b e u t e für die Erkenntnis d e s D e n k e n s u n d F ü h l e n s ihrer T a g e bieten in viel höherem Mäße die Zeitschriften, die aber s c h o n aus äußeren G r ü n d e n nicht die n ö t i g e B e a c h t u n g g e f u n d e n haben, weil sie, meist in bestimmter Zeitrichtung wurzelnd, sich a u c h nur kürzere Zeit halten konnten u n d s o w e d e r das n ö t i g e Alter noch die erforderlichen Jubiläen erlebten, w ä h r e n d die e i n e A u f g a b e der Zeitungen, die Pflicht, Nachrichten zu bringen, in allem W e c h s e l der Zeiten u n d M e i n u n g e n stets die g l e i c h e blieb u n d sie leicht am Leben erhalten konnte. Nicht, als o b nicht d o c h Literatur über bedeutendere moralische, s c h ö n geistige, wissenschaftliche u n d aufklärerisch-politische Blätter jener Zeit v o r h a n d e n wäre. Aber es ist wenig, meist a u s germanistisch-literarischen u n d vielleicht biographischen Gesichtspunkten heraus gearbeitet u n d nicht e i n g e h e n d g e n u g . Überall harren d e s w e g e n noch reiche, ergiebige Quellen, die unl ) Die Darstellung dieser Tatsache bei E d. H e y c k , Die Allgemeine Zeitung 1798—1898, München 1898, S. 24 ist recht kraß, aber bezeichnend: „Allerdings, wenn man sich etwa ausmalt, James Cook hätte, als er 1770 die schon von Tasman und manchen andern besuchte Welt des fünften Erdteils für Albion entdeckte, den Wilden dort als Gastgeschenk eine Auslese deutscher Zeitungen (und notabene auch die Fähigkeit, sie zu lesen) zurückgelassen, so ergeben sich wunderbare Perspektiven. Die Herren Antipoden hätten mit ganz unfehlbarer Sicherheit zu der Vorstellung gelangen müssen, die Einwohner Deutschlands hießen in der Mehrzahl Kurfürst, Herzog oder Reichsgraf, auch Kaiser oder König und beschäftigten sich, wie die braunen Leser selber, ausschließlich mit Jagen, oder Sich-begeben von einem Orte zum anderen, womit der Zweck dieser Lokalvertauschungen in sich erschöpft gewesen sei. Als eigentlich noch bedeutendere Personen hätten ihnen die sogenannten Hofchargen sich darstellen, das Sich-in-der-Begleitung-befinden hätte ihnen als die oberste Höhe der Tätigkeit und irdischen Wichtigkeit erscheinen müssen. Vor allem aber würden sie die ernsthafte und verlockende Überzeugung gewonnen haben, daß das Dasein in diesem fernen Deutschland ein von Sorge und Ungemach freies, durch unablässige Huld und stets erneute Wonnegefühle beseligtes sei; daß Willkürakte, Grausamkeit, Erdbeben und Schiffsunglücke nur die Plage der übrigen, besonders der von Germanien weiter entlegenen Länder und Küsten seien und daß der Deutsche vor allen Völkern durch ein Leben in Frieden, Behagen und Glück ausgezeichnet und unendlich beneidenswert sei."



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mittelbar wertvolles Material liefern würden, der Erschließung. Dabei sind die literarisch weniger und vielleicht sogar unbedeutenden Blätter als dem Durchschnitt näher stehend historisch womöglich von nicht geringerem Werte. W a s uns fehlt, sind erschöpfende Einzeldarstellungen, die entweder bestimmte Arten von Zeitungen und Zeitschriften oder die Presse bestimmter Gegenden eingehend untersuchen, die nicht nur ihre Entwicklung nach den äußeren Bedingungen, sondern in höherem Maße ihren inneren Gehalt am Geiste der Zeit zu zeichnen sich bemühen. Erst auf solchen Untersuchungen fußend wird eine allgemeine G e schichte des deutschen Zeitungswesens möglich sein. — Bei näherem Zusehen beweist das zurzeit allein in Frage kommende Werk Salomons, wie sehr wir noch im Ungewissen tappen, wie selbst ein Kenner der einschlägigen Literatur noch auf Grund halber, unkontrollierbarer Eindrücke zu schreiben genötigt ist. Für das Ländergebiet der Rheinprovinz gibt es kaum eingehendere Arbeiten. Die Veröffentlichungen der verschiedenen Geschichtsvereine weisen zwar mancherlei auf, doch handelt es sich, abgesehen davon, daß eigentlich nur die Presse der beiden Reichsstädte Aachen und Cöln die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken gewußt hat, um kleine Ausschnitte einer Zeitungsgeschichte oder um kurze, summarische, äußere Daten. Man scheint im allgemeinen bislang nicht an das Vorhandensein einer irgendwie nennenswerten Zeitungsliteratur am Rhein im Verlauf des 18. Jahrhunderts geglaubt zu haben. Und doch zeigt e s sich immer mehr, daß in Cöln z. B . das Zeitungswesen keine geringe Rolle gespielt hat. — Vorliegende Arbeit hofft nachzuweisen, daß auch von allen BilduTigsmittelpunkten so abgelegene, dem allgemeinen Interesse damals und heute entzogene Gegenden wie das ehemalige Herzogtum Cleve im 18. Jahrhundert tatsächlich eine beachtenswerte Zeitungsliteratur gehabt haben. Sie beschränkt sich nicht darauf, genau festzustellen, was erschienen und was davon noch vorhanden ist, und die äußere G e schichte der einzelnen Unternehmungen zu bringen, sondern bemüht sich, im Interesse der kulturellen Erforschung jener Gegenden und Zeiten eine möglichst vollständige Ana-



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lyse alles dessen zu geben, was die deutschen Zeitungen der Stadt Cleve enthalten, die Individualität gewissermaßen jedes Blattes, der verschiedenen Gruppen und damit der gesamten Presse zeichnend. — Im Interesse eingehenderer Bearbeitung trat entgegen der ursprünglich beabsichtigten gleichen Behandlung der Zeitungen von Duisburg und Wesel eine gewisse Beschränkung auf Cleve selbst ein. Doch sollten auch jene nicht unberücksichtigt bleiben. In einem gemeinsamen Abschnitt charakterisiert, dienen sie den Clever Blättern als Hintergrund. Die Bevorzugung gerade Cleves ist damit zu rechtfertigen, daß es die Hauptstadt des Landes war, daß seine Zeitungen am wenigsten einförmig sind und infolge des sich mit der Zeit wandelnden Typus am deutlichsten die Entwicklung des Geisteslebens erkennen lassen. Auch erstrecken sich seine Zeitungen über die längste Zeit. Von dem eine Stellung für sich einnehmenden Intelligenzblatt abgesehen, ist die erste Zeitung des Herzogtums, „Der Westphälische Beobachter", eben in Cleve erschienen (1755—57), 17 Jahre vor dem nächsten Blatt, dem „Gemeinnützigen" in Wesel, von dem noch dazu nichts aufzufinden war, und erst die Unruhen des Revolutionskrieges, der sich schon 1793 am Niederrhein sehr stark bemerkbar machte, setzten dem Zeitungswesen der Stadt Cleve ein Ende. Die Duisburger Zeitungen dagegen beginnen — wiederum abgesehen vom 1727 begründeten Intelligenzblatt — 1777 und endigen schon 1784 oder, wenn man will, 1789. Die erste Weseler Zeitung, die auf uns gekommen ist, stammt aus dem Jahre 1779. Von da an erschienen dort ununterbrochen Zeitungen, von den Kriegswirren nur vorübergehend ins Stocken gebracht. Hier bildet das Jahr 1794, das die größere Hälfte des Herzogtums auf dem linken Rheinufer in die Hände der Franzosen lieferte, den naturgemäßen Einschnitt. Die gesamten Verhältnisse änderten sich, die Behörden verlegten ihren Sitz a u f s rechte Rheinufer, die Zeit der Fremdherrschaft begann. In Wesel, wo sich die Blätter bisher den weltbewegenden Ereignissen verschlossen hatten, wurde die „Westphälische Provinzial-Zeitung" privilegiert und vertrat sofort eine ausgesprochen politische, stark franzosenfeindliche Richtung. Das war ein neues, ausschlaggebendes und bestimmendes Moment.



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Das Unternehmen, das kleine, rings von gleichartigen Ländern umgebene Herzogtum Cleve 1 ) herauszugreifen, um seine Presse zu untersuchen, war nicht verfehlt; denn Cleve führte ein ziemlich weitgehendes Sonderdasein, wenn es auch natürlich seinen niederrheinischen Charakter nicht verlor. Es lag etwa in der Mitte aller zum Niederrhein in weitem Sinne gehörigen Länder und bildete so den Vermittler zwischen ihnen. Es lag sowohl im Cölner wie im holländischen Einflußgebiet, wobei Volksverwandtschaft, politische und Handelsinteressen sowie die räumliche Nähe allerdings in höherem Maße auf Holland hinwiesen. Auch die konfessionellen Verhältnisse ließen das Herzogtum teils nach Norden, teils nach Süden schauen. Johann III. von Cleve-Mark, der durch seine Gattin auch die Länder Jülich, Berg, Ravensberg und Ravenstein an sich brachte (1511—1539), war ein Freund des Humanismus. Er zog eine ganze Reihe von Humanisten an seinen Hof, an dem zeitweilig auch Erasmus von Rotterdam lebte. Dessen vermittelnder kirchenpolitischer Standpunkt wurde sowohl von Johann wie von seinem Sohne Wilhelm IV. dem Reichen angenommen. Auf Grund eines 1445 den clevischen Herzögen vom Papste verliehenen ius episcopale suchten sie selbständig zu reformieren, ohne Erfolge zu erzielen. 2 ) Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden ihre rechtsrheinischen Länder evangelisch, Jülich blieb fast ganz dem alten Glauben treu; in Cleve waren die Verhältnisse verwickelter. Während das Volk im wesentlichen 'katholisch blieb, traten der Adel und die führenden Kreise der Städte zum größten Teil zur Reformation über. Die zahlreichen holländischen Emigranten verhalfen dem Calvinismus zur Herrschaft und drängten das Luthertum fast ganz zurück. Die Bildungsschicht und die aus ihr hervorgehenden regierenden Kreise waren gegen Ende des 16. Jahrhunderts in der Mehrheit evangelisch. Die politischen Schicksale des Landes haben 1 ) (Köster) Umriß der preußischen Monarchie, 1800, 1,47 (nach Lehmann, Stein I, S. 87 Anm. 2) gibt als Flächeninhalt 40 Quadratmeilen an; B f i s c h i n g , Erdbeschreibung VI, S. 30, sagt: »Es ist 16 Stunden Wegs lang und 4 bis 5 breit." H ö t z s c h , Stände und Verwaltung gibt S. 321 eine Zusammenstellung mehrerer Angaben. 2 ) C h a r , S. 147, H a e f t e n , S. 22.

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bis zum Westfälischen Frieden die konfessionellen Verhältnisse mancherorts noch verschoben. 1 ) Jedenfalls blieben die katholischen Teile der Bevölkerung in dauernder Beziehung zum katholischen Süden und der kirchlichen Zentrale, die Reformierten neigten den calvinistischen Generalstaaten zu, so daß einseitige Abhängigkeit verhindert wurde. Die dauernd erhalten gebliebene, im 16. und 17. Jahrhundert fast souveräne provinzielle Selbständigkeit des Landes, vertreten durch die Landstände — die Ritterschaft und die 7 landständischen Städte — die damit zusammenhängende Selbstverwaltung und der Umstand, daß es nach dem Tode des letzten einheimischen Fürsten, des irrsinnigen, stets regierungsunfähig gewesenen Johann Wilhelm (1609), mit Mark und Ravensberg im Vertrage von Xanten 1614 vorläufig und im Erbvergleich mit Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Neuburg 1666 endgültig an das rasch erstarkende, unabhängige Haus der Hohenzollern kam, haben eine gewisse provinzielle Eigenart ausgebildet. Selbst Jülich-Berg gegenüber, mit dem Cleve vor dem langen Erbfolgestreit nicht nur durch Personalunion, sondern auch durch eine Union der Stände verbunden gewesen war.8) Verzichteten die Stände auch nur unwillig in dem letzten, schon ruhigen Stadium ihres erbitterten Kampfes mit dem Großen Kurfürsten, auf dem Landtage von 1684, auf die Union, so hatten sich die Länder damals doch schon innerlich getrennt. 3 ) Trotz aller Verwandtschaft war Jülich-Berg das Land der katholischen, dort residierenden Pfälzer, Cleve dagegen die Provinz der reformierten Kurfürsten von Brandenburg und Könige von Preußen. Selbst der eng verbundenen Grafschaft Mark gegenüber hatte Cleve nicht nur das unbestrittene politische Übergewicht, sondern auch seine Besonderheit. Geographisch getrennt, wurden beide Länder zwar zusammen verwaltet; aber ihre Selbständigkeit wurde *) Zu diesen Ausführungen siehe H a e f t e n S. 18, S. 2 2 - 2 7 , S. 92, S. 94. *) Unionsvertrag von 1496, erneuert im Erbverbündnis von 1647. ') Zu den inneren Verhältnissen und vor allem dem Kampf mit den Ständen s. H a e f t e n , Akten und Urk., H ö t z s c h , Stände und Verwaltung, H a s h a g e n , Die preußische Herrschaft und die Stände am Niederrhein.



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nie vergessen. Bis zuletzt behielten sie ihre Sonderlandtage, die mitunter sogar entgegengesetzte Standpunkte vertraten, da ihre wirtschaftlichen Interessen häufig einander widerstriten. >) Die 1702 durch Erbschaft an Preußen gekommene, bald darauf gefürstete Grafschaft Mörs mit der Herrschaft Crefeld und das Oberquartier Geldern, das im Frieden von Utrecht, 1714, Preußen zugesprochen wurde, standen unter den Clever Behörden, bewahrten aber auch weitgehende Eigenart. 2) Auch haben sie nur ein einziges Blatt hervorgebracht; es ist „Der Familienfreund, Eine Monatsschrift zur sittlichen Bild u n g und Vervollkommnung des Menschen", Neuwied und Crefeld, herausgegeben von dem Lehrer an der Schehlischen Erziehungsanstalt in Crefeld M. Lang. Die Anstalt hatte guten Ruf und war, nach der Zeitschrift zu schließen, die sich vorwiegend in gefälliger Form mit Erziehungsfragen beschäftigt und sich vielfach an die Zöglinge selbst wendet, von frischem Geiste durchweht. Cleve gehörte im 18. Jahrhundert keineswegs zu den fortgeschrittenen Gegenden Deutschlands, wenn es auch, wie aus den Zeitungen hervorgeht, an dem gewaltigen wirtschaftlichen und geistigen Aufschwung in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts teilnahm. Im Gegensatz zur Grafschaft Mark und dem Herzogtum Berg, die beide eine aufstrebende, industrielle Entwicklung durchmachten, 3 ) behielt es seinen ausgesprochen agrarischen Charakter. Auch die Bevölkerung der meisten Städte bestand ganz vorwiegend aus Ackerbürgern. Die alte Handelsblüte und die aufstrebende Tuch- und Lederindustrie hatte der Dreißigjährige Krieg größtenteils vernichtet. 4 ) Die landwirtschaftlichen Verhältnisse waren freilich recht entwickelt. Einen in politischer Hinsicht wenigstens besonders aus') H ö t z s c h S. 339. ») L e h m a n n S. 92, S. 99. ') Vgl. für Berg: Joh. Moritz S c h w a g e r, Bemerkungen auf einer Reise durch Westphalen, bis an und über den Rhein, die das pulsierende Leben erkennen lassen, und für Mark: L e h m a n n , Stein I, S. 85: »Die Perle unter ihnen (den westlichen Provinzen) war die Grafschaft Mark, von den National-Ökonomen jener Tage deshalb gepriesen, weil sie alle Erwerbsquellen in sich faßte." ') H a e f t e n S. 952/53, H ö t z s c h S. 324, S 329.



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gezeichneten Charakter verlieh dem Lande das Vorhandensein seiner bis zum Untergang des alten Reiches bestehenden, tätigen, in mancher Hinsicht modern denkenden Landstände, deren weitgehende Rechte von den absoluten preußischen Königen nicht angetastet wurden, nachdem sie sich mit dem Großen Kurfürsten im Rezeß von 1660/61 geeinigt hatten. x ) Neben der Ständevertretung bestand eine gleichfalls im wesentlichen erhaltene Selbstverwaltung kommunaler Verbände in den Amts- und Erben-, sowie in den Kirchspieltagen. Es ist daher für den Freiherrn vom Stein sicher von Bedeutung gewesen, daß er seine Beamtenlaufbahn in diesen westlichen Provinzen begann. 2)

I. Die Zeitschriften in Duisburg und Wesel. Von den 24 Städten des Herzogtums waren nur 7 landtagsfähig: Cleve, Wesel, Emmerich, Calcar, Duisburg, Xanten und Rees. Von diesen haben es im 18. Jahrhundert, soweit feststellbar, nur Cleve, Wesel und Duisburg zu eigenen Zeitungen gebracht, die Hauptstadt und die beiden vorwiegend protestantischen Städte des rechten Rheinufers. Wesel war Garnisonort, Duisburg Sitz einer, wenn auch unbedeutenden, reformierten Universität. Die übrigen vier, teilweise einst Mitglieder der Hanse, hatten ihre frühere Bedeutung nicht zu bewahren gewußt. Durch immer wiederkehrenden, lang anhaltenden Kriegsdruck gehemmt, waren sie zurückgegangen und umfaßten, vor allem gegen Ende des Jahrhunderts, fast nur Ackerbaubevölkerung. Christian Friedrich Meyer berichtet in seinen „Ansichten einer Reise durch das Clevische . . . im Jahre 1794" von E m m e r i c h (S. 40): Es ist „in den alten Zeiten eine der Vgl. L e h m a n n 1, S. 98: Was den Ständen Bedeutung verlieh, »ist die Tatsache, daß sie die drei parlamentarischen Grundrechte durch das Zeitalter der absoluten Monarchie hindurch gerettet hatten: die Periodizität des Zusammentritts, die Steuerbewilligung, die Mitwirkung bei Oesetzen." ! ) S. L e h m a n n I, S. 105, H a s h a g e n , Die preuß. Herrsch S. 24 f. gegen E. von M e i e r , Französische Einflüsse auf die Staatsund Rechtsentwicklung Preußens im 19. Jahrhundert II, 1908, S. 119.



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größten Handlungsstädte gewesen, es hat sich jedoch die H a n d l u n g vor einigen fünfzig und mehreren Jahren von hier nach Wesel und von da nach Duisburg hingezogen und dahin mit den großen Kaufleuten etabliert". Der Rückgang muß beträchtlich gewesen sein. Während fast das ganze 17. Jahrhundert hindurch in Emmerich Buchdrucker gelebt haben, zählt eine Gewerbestatistik vom Jahre 1721 nur 2 B u c h b i n d e r auf; 1735 war sogar nur einer vorhanden. 1 ) Meyer bemerkt weiter (S. 41): „ N u r eine Chiamosen Manufactur und die dazu gehörigen Wollspinner sind hier vorhanden, alle übrigen Einwohner beschäftigen sich mit den unentbehrlichsten Handwerken und mit dem Ackerbau." Gesegnet war Emmerich nur mit Kirchen. In den vierziger Jahren besaß es 6 katholische Kirchen und Klöster, eine reformierte Kirche mit hochund niederdeutschem Gottesdienst, eine lutherische mit hochdeutscher, eine menonitische mit niederdeutscher Predigt und eine (reformierte) französische Kirche. 2 ) Dabei betrug die Zahl der Einwohner 1784 nur 3543. 3 ) Von C a l k a r berichtet Meyer (S. 28): „Die Stadt Calkar scheint in ehemaligen Zeiten mehr als noch einmal so groß gewesen zu seyn, als sie gegenwärtig ist, ganze Felder, Wiesen und Gärten befinden sich jetzt in (d. i. innerhalb) ihren Stadtgraben." 1784 beherbergte es (nach Büsching) 1507 Menschen in 424 Häusern. Wenig bedeutender war R e e s mit seinen 1697 Einwohnern, die in drei Bekenntnissen nebeneinander lebten. Doch bestand dort ein Kanonikerstift. — X a n t e n zählte 1784 1984 Einwohner. Es besaß die größte und angesehenste Kollegiatkirche des Herzogtums und, wie Meyer (S. 12) berichtet, „auch viele Honoratiores und Beamte", die „vor kurzem eine Erholungs-Societät gestiftet, worinn verschiedene Journale, und die besten Zeitungen gehalten werden." Auch mit der GrünNach einer handschriftlichen Zusammenstellung des Staatsarchivs Düsseldorf. *) Amusemens des eaux de Cleves S. 240. Noch B ü s c h i n g berichtet, es sei »holländisch" gepredigt worden. s ) B ü s c h i n g S. 45. Wie Meyer spricht sich auch G r u n e r II S. 198 ff aus. Über die älteren Zeiten der Stadt s. Wasserburgi Embricensis Embrica sive urbis Embricensis descriptio. Libri tres, 1667 bei Silberling (dem ältesten bekannten Buchdrucker Cleves) 286 Seiten Folio.



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dung einer literarischen Gesellschaft trug man sich. Das war aber im Mai 1794, als sicher viele Flüchtlinge in Xanten lebten, bereit, sofort über den Rhein zu gehen, wenn die Zeiten es erfordern sollten. D u i s b u r g war die kleinste der drei vorhin genannten Städte. Einst Reichsstadt und Mitglied der Hanse hatte sie 1784 nur 3531 Einwohner; teils trieben sie Handel mit Holland, teils lebten sie unmittelbar oder mittelbar von der Universität und dem Gymnasium, die beide reformiertes Gepräge trugen. Überhaupt herrschte das reformierte Bekenntnist fast völlig. — Auf den Reisenden machte Duisburg den Eindruck eines anmutigen,, reichen Städtchens. 1 ) Die Universität freilich findet immer nur geringschätzige Erwähnung. 2 ) Den schon von Herzog Wilhelm gefaßten Plan, Duisburg eine Universität zu schenken, führte 100 Jahre später der Große Kurfürst aus. Am 15. Okt. 1654 wurde das Gründungspatent unterschrieben. Mit geringen Mitteln ausgestattet, sich nie der besonderen Gunst der Landesherren erfreuend, hat die Universität Bedeutung nicht zu erlangen vermocht. Leicht hätte sie es unter keinen Umständen gehabt, mit den gleichfalls reformierten Universitäten der Generalstaaten Schritt zu halten. Dazu lag sie m einer Gegend, in der das reformierte Bekenntnis gar nicht so verbreitet war. Es fehlte nicht nur an Geld, die besten Lehrkräfte nach Duisburg zu ziehen, sondern auch am erforderlichen Nachwuchs. Immerhin haben auch Männer von einiger Bedeutung in Duisburg gelehrt. Im großen und ganzen war die Universität aber rückständig. Ihre Orthodoxie war im Lande etwas verrufen, und Kant fand wenig Liebe. 3 ) Trotz alledem herrschte in Duisburg natürlich wissenschaftliches Leben, anfangs sogar Lehreraustausch mit Holland, wohin die Beziehungen lange mindestens ebenso eng gewesen zu sein scheinen, wie zu innerdeutschen Universitäten. ' ) G r u n e r II S. 236. s ) G r u n e r II S. 2 4 0 ; W a k k e r b a r t S. 3 5 0 ; In späterer Zeit, rückblickend, C. J. Weber 9 S. 7 9 4 ; vgl. auch D i e t e r i c i, S. 144 bis 147, 159—161; W e r n e r H e s s e , Beiträge zur Geschichte d. früheren Univ. in Duisburg. 3 ) H e s s e S. 60, G r u n e r II S. 240/41.



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Warum freilich das Intelligenzblatt mit dem Titel: „Wöchentliche Duisburgische auf das Interesse der Commerden der Clevischen / Geldrischen / Moers- und Märkischen / auch umbliegender Landes-Orten eingerichtete Adresse und Intelligenz-Zettel", 1 ) als es 1727 wie in den andern so auch in den westlichen Provinzen Preußens eingerichtet wurde, gerade nach Duisburg kam und nicht nach der Hauptstadt oder der bedeutendsten Handelsstadt Wesel, ist nicht ersichtlich. Mit dem 13. Mai 1727 beginnend, wurde es jeden Dienstag vom Adreßkontor, das mit dem Postamt verbunden war, ausgegeben. Seit dem 1. Aug. 1791 erschien es zweimal, Dienstags und Freitags. Eingegangen ist es, gänzlich veraltet wie alle Blätter seiner Art und doch wie die andern noch solange gehalten, bis der allgemeine Unwille sie hinwegfegte, erst 1849. Es war lange Zeit hindurch das einzige offizielle und in ausgedehnterem Maße Annoncen führende Organ der im Titel angeführten Länder. Es bietet deswegen eine Fülle noch fast ungenutzten Materiales für die Kenntnis ihrer wirtschaftlichen Lage. 2 ) Bei seiner Kleinheit verlangte der Erscheinungsort nach keinem solchen, entwickeltere, größere Verhältnisse voraussetzenden Intelligenzblatt. Für die entfernteren Gegenden war sein wirtschaftlicher Nutzen bei den damaligen Verkehrsverhältnissen und dem seltenen Erscheinen schwerlich größer. Es begegnete deswegen auch überall entschiedenster Ablehnung; die obersten Behörden und das (vermutlich erst am Anfang des 18. Jahrh. gegründete) Duisburger Postamt mußten alle ihre Autorität aufbieten, um die unteren Verwaltungsstellen zu veranlassen, die pflichtmäßigen Mitteilungen über Geburten, Heiraten, Sterbefälle, Erlasse und Anzeigen gerichtlicher und außergerichtlicher Verkäufe, Verpachtungen usw. dem Adreßkontor zur Veröffentlichung einzusenden. Dabei bestand anfangs für alle, auch amtliche Inserate der Einheitspreis von 5 Stübern. Im März 1779 wurde festge») Von 1768—1775 führte es den Titel: „Wöchentliche Duisburgische Anzeigen«, seit 1776: „Duisburgscher Intelligenzzettel«. *) Über Intelligenzwesen im allgemeinen und das Duisburger Blatt s. abgesehen von der vorne dafür angegebenen Literatur noch d'Ester, Zeitungswesen S. 153 ff.



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setzt, daß Inserate bis zu 3 Zeilen 2 Ggr., bis zu 6 Zeilen 4 Ggr. usw. kosten sollten. Seit April 1792 kostete jede Zeile von 25 Silben 1 Ggr. — Auf der andern Seite war die ganze Rücksichtslosigkeit des absoluten Staates nötig, um die nach den Verordnungen dazu Gehaltenen wirklich zur Abnahme des Intelligenzblattes zu zwingen. Dabei gewann die Regierung selbst erst allmählich einen festen Standpunkt. Anfangs sind die Erlasse unscharf und widerspruchsvoll. — Für jedes der in Frage kommenden Herrschaftsgebiete wurde eine bestimmte Zahl von Stücken festgesetzt, die dann irgendwie untergebracht werden mußten. Zu den Pflichtabonnenten gehörten die Beamten mit selbständiger Amtsverrichtung, die adligen Grundbesitzer und deren Pächter, Ärzte, Apotheker und Gastwirte, Kirchen, Klöster und Schulen, Fabrikanten, Innungen, Zünfte und Gewerke, je nach Anzahl der Mitglieder, und Juden, von denen aber mehrere Familien zusammen ein Exemplar halten durften. Auch sonst wurden Erleichterungen gewährt, z. B. den Kirchen. Der Normalpreis betrug 1 Rtlr. Das ganze stellte eine Besteuerung zugunsten des 1722 gegründeten Potsdamer Militärwaisenhauses dar. Auch die durch kgl. Reskript vom 5. Sept. 1729 an den Oberkurator aller Universitäten, Freiherrn von Cnyphausen, verfügte Verpflichtung der Universitätsprofessoren von Frankfurt a. O., Königsberg und Duisburg, nach Halleschem Muster die Intelligenzblätter ihrer Stadt durch Lieferung gemeinnütziger und wissenschaftlicher Beiträge interessant zu machen, hob keineswegs die Beliebtheit, wenigstens nicht des Duisburger Blattes. Doch darf man seine Wirkung keineswegs ganz gering anschlagen, so wenig die Schreiber vielfach den richtigen, für das Lesepublikum passenden Ton zu treffen wußten oder sich bemühten. Das Intelligenzblatt war dem Aufkommen weiterer Zeitungsunternehmungen natürlich nachteilig, konnte den geeigneten Männern aber keine dauernden Hindernisse in den Weg legen. Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre lebten in Duisburg einige Universitätsprofessoren, die literarischer Unternehmungsgeist, vielleicht auch der Wunsch, das knappe Einkommen zu vergrößern, veranlaßte, einige Zeitschriften ins Leben zu rufen. Seit 1774 weilte der aus Halle



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stammende geistliche Liederdichter und religiöse Erbauungsschriftsteller Christoph Georg Ludwig Meister (1738—1811) als Pfarrer in Duisburg. 1 ) 1778 wurde er in Duisburg Prof. der Theologie, 1784 erhielt er einen Ruf als Prediger zu Unserer Lieben Frauen in Bremen und wurde gleichzeitig mit der theologischen Professur am dortigen akademischen Gymnasium betraut. — Von 1777—1784 gab er ein moralischgemeinnütziges Wochenblatt heraus, bis 1782 unter d^jn Titel: „Duisburgische gelehrte und gemeinnützige B e y t r ä g e " ; die beiden letzten Jahrgänge hießen „ D u i s b u r g i s c h e w ö c h e n t l i c h e U n t e r h a l t u n g e n " . Verlegt (und vielleicht angeregt — das Duisburger Postamt bewahrt leider keine Akten darüber auf, doch wurden auch anderwärts Beilagen geboten) wurde die Wochenschrift vom kgl. Adreßkontor. Wöchentlich erschien y 2 Bogen in Oktav, gleichzeitig mit dem Intelligenzblatt. Der Preis ist nirgends genannt. Der Text stammt durchweg hauptsächlich von Meister allein. Die Vorrede zum ersten Jahrgange, wie fast stets am Ende des Jahres gedruckt und dem als Buch auf den Markt gebrachten Bande vorangestellt, erwähnt, daß außer ihm noch Rektor Hüther 2 ) aus Wesel und Professor Gildemeister aus Duisburg einigen Anteil daran gehabt hätten. Gildemeister 3 ) (1750—1812) stammte aus Bremen und starb dort auch, bevor er das ihm 1811 übertragene Amt des Präsidenten am Handelsgericht antreten konnte. Seit Dezember 1776 war er Professor der Rechte in Duisburg. 1784 schied er, einem Rufe als Syndikus des „Collegiums Seniorum" in seiner Vaterstadt folgend. Er war literarisch sehr rührig, nicht nur als Mitarbeiter für Duisburgische und andere Blätter, — er schrieb z. B. auch für das „Deutsche Museum" und das „Hanseatische Magazin" — sondern auch als Herausgeber, wie wir sehen werden. Ebenso haben ihn verschiedene ano>) Allgem. deutsche Biogr. XXI S. 253, O o e d e k e V S. 441; R o t e r m u n d , Bremen II S. 37; f ö c h e r l V S p . 1281; R i c h t e r biogr. Lexikon; K o c h , Geschichte des Kirchenliedes VI S. 498. •) Vgl. unten S. 153. 3 ) A. d. B. IX S. 169; C h r i s t o p h W e i d 1 i c h s Biographische Nachrichten Teil I, S. 226, Nachträge S. 97; R o t e r m u n d , Bremen I, S. 136; A l l g e m . L i t . Z t g . 1812 S. 667.



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nym erschienene Bücher zum Verfasser. — Den „Beyträgen" lieferte ferner gelegentlich der bekannte Bochumer Arzt Karl Arnold Kortum 1 ) (1745—1824), der schon als Duisburger Student Mitarbeiter des Intelligenzblattes gewesen war, medizinische, gemeinnützige oder satirische Artikel, und die Zahi der Mitarbeiter ist damit zweifellos noch nicht erschöpft, nur fehlen Anhaltspunkte für weitere Feststellungen. Gelegentlich werben Übersetzungen geboten. Der in den Vorreden wiederholt betonte Erfolg des Blattes war nicht unberechtigt. Freilich bot es nur für geistig nicht gerade hochstehende Bevölkerungsschichten, wie sie im Verbreitungsgebiet vorwiegend zu finden waren, geeignete Kost, trotz einiger rein gelehrten, theologischen Abhandlungen. Religiös-erbauliche Betrachtungen und fromme Gedichte und Lieder von Meister bilden verhältnismäßig den beträchtlichsten Teil des Blattes. Was gefordert wird, ist echtes, das ganze Leben durchdringendes, in Taten und Handlungen sichtbares Christentum; der Standpunkt ist rein protestantisch und steht dem Rationalismus nahe. Auch der übrige Inhalt ist durchweg lehrhaft und gemäßigt aufklärerisch. Das in jener Zeit allgemein angestrebte Ziel drückt der Aufsatz „Vom Nutzen wöchentlicher Blätter" (Jg. 1, Stück 2) folgendermaßen aus: „Unsere vornehmste Bemühung wird immer dahin gehen, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, damit der Leser nicht bloß angenehm unterhalten, sondern auch nützlich beschäftigt werde." Für orientalische Anekdoten und kurze Darstellungen aus der römischen Geschichte herrscht eine gewisse Vorliebe. In den Abhandlungen werden alle wichtigen Gebiete gestreift, Kirchenpolitik und Staatsauffassung, rechtliche, soziale und wirtschaftliche Fragen, Medizin, Lebensführung in Familie und Gesellschaft, Psychologie und Erziehung. Das Ganze durchdringt eine stark religiös gerichtete, ernste, aber durchaus in der Erde wurzelnde, daher gesunde, gemäßigt aufklärerische Lebensauffassung. Fehlen auch den beiden Wochenschriften Schwung, literarische Höhe und ansprechende Eindringlichkeit — die Satire tritt z. B. leider sehr zurück — so haben sie doch unbestreitbar *) Deickc, Der Jobsiadendichter C. A. Kortum, Mülheim a. Ruhr.



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das Verdienst, Jahre hindurch die Oedanken der Leser mit ernster, moralischer Lebensauffassung erfüllt, mancherlei Wissen verbreitet und den literarischen Geschmack, den allein schon die damals wenigstens teilweise recht merkwürdigen Gesangbuchlieder verderben mußten, gereinigt zu haben. In diesem Sinne spricht sich der Herausgeber im „Vorbericht" zum 6. und letzten Band der „Beyträge" a u s : „Sei denn auch seine Schrift noch so unvollkommen, so hat sie doch das nicht ganz unerhebliche Verdienst, manchem einen Geschmack an der Lektüre eingeflößt zu haben, den er sonst nicht hatte; sie hat nützliche Kenntnisse verbreitet; in diesem oder jenem Herzen einen guten Gedanken, eine fromme Entschließung angefacht und irgend eine für das Gute erkaltete Brust zu seligen Gefühlen der Tugend wieder erwärmt. Edlen Lohns genug, wenn er sich dessen erfreuen darf." Als Ergänzung für akademisch gebildete oder überhaupt wissenschaftlich interessierte Leser gab Meister in Gemeinschaft mit dem Professor der Kirchengeschichte Heinrich Adolf Grimm 1 ) von 1781—1783 die „ D u i s b u r g i s c h e n l i t e r a r i s c h e n N a c h r i c h t e n " heraus. Dieses Rezensionsblatt hatte weniger Erfolg. In der Vorrede zum 3. Band, die wiederum eigentlich ein Nachwort ist, erklären die Herausgeber, wegen mangelnder Unterstützung durch Mitarbeit die „Nachrichten" eingehen lassen zu müssen. Die für später vorbehaltene Fortsetzung ist nicht zustande gekommen. 1781 war alle zwei Wochen ein Stück von x j 2 Bogen erschienen. 1782 und 83 wurde jeden Sonntag 1 / 2 Bogen ausgegeben. Der Jahrgang kostete für Bezieher der Bei'träge 16 Ggr. oder 40 stbr. Berliner Cours, sonst 1 Rtlr. Wie viel Abnehmer vorhanden waren, wissen wir leider nicht. — Auch ob nicht doch der eine oder andre Duisburger Professor oder Pfarrer der Umgegend häufiger Rezensionen eingesandt hat, ist uns unbekannt. In ihrem erwähnten Schlußwort entschuldigen die Herausgeber eine gewisse, nicht zu leugnende Einseitigkeit des Blattes mit dem Hinweis auf den erwähnten MitarbeiterMangel. Begreiflicherweise finden überwiegend theologische ') A. d. B. IX S. 678. Geb. in Siegen am 1. Sept. 1747, 1777 Rektor der Duisburger Stadtschule, 1779 Professor, gestorben 1813 in Homberg in Berg. B e n s e i , Niederrheinisches Geistesleben.

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und philologische Werke Berücksichtigung, gelegentlich aber auch medizinische, besonders über Geburtshilfe, juristische — hier ist wohl Qildemeister Rezensent — und allgemeiner interessierende. Regelmäßig wird der Inhalt verschiedener bedeutender Zeitschriften angegeben, des „Deutschen Museums", der „Allgemeinen deutschen Bibliothek", der „Olla Potrida". Bemerkenswert ist der verschiedentlich betonte Rezensionsstandpunkt, Schriften duisburgischer Gelehrter nur anzuführen, aber nicht zu besprechen. — Neben den Rezensionen finden sich „Nachrichten" aus der wissenschaftlichen Welt, Anzeigen vor allem von Dissertationen, Subskriptionsaufforderungen und dergleichen. Am 1. Juli 1781 erschien das erste Heft des „ D u i s b u r g i s c h e n M a g a z i n s " von Ibbecke und Gildemeister, von dem uneigennützigen Drange, — die Vorrede betont, daß etwaiger Gewinn für Wohltätigkeitszwecke verwandt werden würde — literarische Bildung und Aufklärung zu verbreiten, für ein geistig hochstehendes Publikum ins Leben gerufen. Ibbecke hatte sich gerade erst in Duisburg als Privatdozent niedergelassen. 1 ) Als Sohn eines Pfarrers zu Blexen im Herzogtum Oldenburg 1740 geboren, wurde er Kaufmann in Danzig, ließ sich dann aber in den preußischen Staatsverband aufnehmen und widmete sich Studien. Er würde Prof. der englischen Sprache am Gymnasium zu Frankfurt am Main, Direktor der Handelsakademie in Homburg, 1777 Prof. der Kamerai- und Kommerzwissenschaften am Philanthropin in Heidesheim. 1779 siedelte er nach Kaiserslautern über, 1781 nach Duisburg, wo er über Kamerai- und Kommerzwissenschaft söwie über englische Sprache und Literatur las. 2 ) Ibbecke war schon literarisch hervorgetreten. Unter dem Namen William Thompson hatte er einige Werke über englische Sprache und Literatur sowie mehrere Schauspiele verfaßt, unter seinem eigenen Namen eine „Grundlehre von der Geschichte, von der Ausübung und von den Rechten der Handlung". Mehreres ist nachgefolgt. Von der Herausgabe ») Vgl. M e u s e l , O. T., Weseler J u g e n d z e i t u n g 1781, St. 37, 15. Sept.; D u i s b . 1 i t. N a c h r . 1781 St. 23 u. 24. H e s s e S. 61. a ) Vorlesungsverzeichnis der Universität für das S. S. 1781, s. Duisb. lit. Nachr. 1781, St. 17.

— 19 — des „Magazins" trat er schon beim dritten Heft zurück, Gildemeister die Arbeit allein überlassend, angeblich wegen zu starker sonstiger Inanspruchnahme. Er versuchte dann, offenbar ohne Erfolg, in Duisburg eine Handelsakademie zu begründen und eine entsprechende Zeitschrift „ D u i s b u r g s H an d e 1 s a k a d e m i e - J o u r n a l " ins Leben zu rufen. In No. 35 der Duisb. litt. Nachr. von 1781, in der letzten Augustwoche, wird das erste Heft, vermutlich für den 1. Sept., angezeigt. Bei diesem einen Heft ist es (nach Meusel, O. T.) geblieben. Verlegerin war die Universitätsbuchdruckerin Witwe Benthon. — Das „Duisb. Magazin" hat es auf 2 Haibjahrgänge gebracht. Monatlich erschien im Verlage der Universitätsbuchdruckerei ein Heft von 4 Bogen in blauem Umschlag geheftet, der Halbjahrgang zu 1 Rtlr. — Auch dieses Blatt hatte nach Gildemeisters Klage unter dem Mangel an Mitarbeitern zu leiden. Von Ibbeckes Tätigkeit merkt man nichts; Hauptmitarbeiter ist der Herausgeber; von Duisburger Professoren erscheinen außerdem Meister, der im 18. Jahrhundert gern gelesene Verfasser philosophischer Lehrgedichte, Arzt und Prof. der Geschichte Johann Philipp Moritz Withof (1725—1789), gelegentlich auch der Jurist Schlegtendal und der Mediziner Leidenfrost. Aus Dankbarkeit für das ihm von Gildemeister gewidmete Epos Blondel, das in den drei ersten Heften abgedruckt wurde, hat Gleim, ohne sich nennen zu lassen, eine kleine Fabel eingesandt. Trotzdem noch eine Reihe von anderen meist ungenannten Mitarbeitern vorhanden war, flössen die Beiträge gegen die anfängliche Erwartung so spärlich ein, daß Gildemeister gegen Schluß häufiger zu Übersetzungen aus englischen Magazinen greifen mußte, nachdem er schon am Allfang des zweiten Halbjahrganges auf vermutlich verspätetes Erscheinen der Hefte hingewiesen und auf's neue zu Mitarbeit aufgefordert hatte. — — Das „Magazin" ist wegen seiner Widmung merkwürdig; sie lautet: „Seiner Königl. Hoheit, dem Durchlauchtigsten Kronprinzen von Preußen, ihrem gnädigsten Kronprinzen und Herrn legen diese Monatsschrift zur höchsten Protektion untertänigst zu Füßen Seiner Königl. Hoheit usw. untertänigst-gehorsamste die Herausgeber." Sie deutet auf den Versuch hin, den Hof für Duisburg zu interessieren. 2•

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Das „Magazin" wollte grundsätzlich keine Frage, kein Gebiet von Bedeutung für ein breiteres, gebildetes Publikum von der Erörterung ausschließen, daneben aber auch selbst belletristische Beiträge bringen. Neben Originaldichtungen und Übersetzungen stehen längere, gründliche und fast durchweg gediegene Abhandlungen über allgemeiner interessierende juristische, medizinische, historische, pädagogische und ähnliche Fragen, auch eine Reihe interessanter Reisebriefe. Bemerkenswert ist das Interesse für das Mittelalter. Gildemeister veröffentlichte einiges über seine Funde auf der Bremer Bibliothek; so hat er eine näher beschriebene Wigaloishandschrift und im Goldastschen Nachlaß eine Minnesängerhandschrift entdeckt, die nach seinen Ausführungen im wesentlichen mit der (sogen.) Manessischen (großen Heidelberger) Liederhandschrift (C) übereinstimmt. Das letzte Heft ist dadurch bedeutungsvoll, daß es ein noch ungedrucktes „Glaubensbekenntnis vom Abendmahl" aus der Feder Martin Bucers veröffentlichte. Die Handschrift befand sich im Besitz von Prof. Berg. Für Duisburg und die niederrheinischen Gegenden bedeutete es einen Verlust, daß das gut geleitete, vornehm wirkende Blatt nach einjährigem Bestehen eingehen mußte. Freilich war es sicher nicht leicht, den damals schon nicht mehr seltenen, sich überall in günstigerer Lage befindlichen Magazinen und Monatsschriften erfolgreich Konkurrenz zu machen. Nach dem Eingehen der „Duisburgischen wöchentlichen Unterhaltungen" mit dem Jahrgang 1784 war das Intelligenzblatt wieder die einzige Zeitung; auch sie brachte ja aber allerhand Gemeinnütziges und Wissenswertes. Nur von 1787—89 gab Grimm in Gemeinschaft mit dem Prof. Philipp Ludwig Muzel ein theologisches Blatt heraus, „ S t r o m a t a , e i n e U n t e r h a l t u n g s s c h r i f t f ü r T h e o l o g e n " , verlegt von Helwing. Alle 2 Monate sollte dem Plane nach ein Heft von 6 — 7 Bogen in 8 ° erscheinen. Das ist aber nur im ersten halben Jahr annähernd der Fall gewesen. Die Hefte 1—3 wurden als Halbjahrgang zu einem Bändchen vereinigt, dessen Titelblatt das Jahr 1787 trägt; das folgende Bändchen mit Heft 4—6 ist erst gegen Ende von 1788 fertig geworden. 1789 erschien noch ein 7. Heft. — Die Stromata hatten



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135 Subskribenten, meist Geistliche begreiflicherweise, darunter auch einzelne katholische (Canonici). — Jedes Stück enthält 4 Abschnitte: Abhandlungen, Rezensionen, Beiträge zur Kirchen- und Gelehrten-Geschichte und Nachrichten aus der theologischen Welt. Unter den Abhandlungen finden sich exegetische und dogmatische, moralische und pädagogische. Aber alles zeugt davon, wie wenig die Herausgeber dem Fluge der Zeit gefolgt w a r e n ; nicht der leiseste Wellenschlag der gewaltigen Geistesbewegungen jener Jahrzehnte und T a g e macht sich bemerkbar. Das Blatt steht auf der orthodoxen Seite, ohne doch in den Kampf der Geister irgendwie einzugreifen. Fragen, die damals vielen, die im Strome schwammen, unwichtig vorkamen, werden voller E m s t abgehandelt, e t w a : „Über die Anwendung des Unterschieds zwischen Religion und Theologie" oder „Gedanken über das Vorbildliche der Opfer" (beides St. 4) oder „ Ü b e r die Bedeutung der W ö r t e r mittelbar 'und unmittelbar, wenn von Handlungen und Wirkungen Gottes die Rede ist." (St. 5.) Es scheint aber so, als ob solche scholastischen Erörterungen damals doch wenigstens teilweise als bedeutsam oder zum mindesten auch nötig angesehen worden sind. Auf gleicher Stufe stehen die Rezensionen nach Auswahl der Bücher und nach der Behandlung. Verdienstlicher sind die kirchengeschichtlichen Abhandlungen, die einiges Material über das Aufkommen der Reformation am Niederrhein bringen. Im 18. Jahrhundert überragte W e s e l , ursprünglich gleichfalls Reichsstadt und eine Zeitlang Mitglied der Hanse, fast in jeder Beziehung das weit kleinere Duisburg, wenn 1 ) Beutler fällt folgendes Urteil über die Stromata: »Interessante Aufsätze aus allen Teilen der theologischen Gelehrsamkeit, insbesondere auch Anmerkungen und Beurteilungen über das Neuste, was in diesem Fache getan oder gesagt wird, zum besten solcher Leser zu liefern, die nicht viel Lektüre und nicht Gelegenheit haben, sich von den wissenswürdigsten Dingen hinlängliche Notiz zu verschaffen, war die Absicht der Herausgeber, und ihre Schrift zerfiel in Abhandlungen, Rezensionen, Be'träge zur Kirchen- und Gelehrten-Geschichte, [Anzeigen von] Veränderungen und Beförderungen, und enthielt manche durchdachte und brauchbare Abhandlung."



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auch zweifellos Duisburg der aufstrebende, Wesel der stehenbleibende Ort w a r . I n früheren Jahrhunderten war Wesel ein recht bedeutender Handelsplatz gewesen, und auch im 18. Jahrhundert stand es unter den Städten am Niederrhein obenan, schon als eine der wichtigsten Übergangsstellen über den Rhein. Dazu lag es in einer Gegend blühender, entwickelter Landwirtschaft. 1765 hatte es 4439 Einwohner, 1784 dagegen nur 4409. (Büsching.) In diesen Zahle.! ist die beträchtliche Garnison von 3 Regimentern — Wesel war Festung — nicht mit einbegriffen. Wesel war der erste Ort des Herzogtums, in dem die Reformation Fuß faßte. 1540 nahm der Magistrat mit vielen Bürgern das Abendmahl in beiderlei Gestalt; vorher war schon mehrere Jahre lutherisch gepredigt worden. Das Augsburger Interim hielt die Bewegung nur zeitweilig auf. Doch traten Magistrat und Bürgerschaft, nachdem sich 1567 eine reformierte Gemeinde holländischer Emigranten zusammengeschlossen hatte, 1570 zum Calvinismus über. Das reformierte Bekenntnis war seitdem herrschend. Neben der holländischen und deutschen bestand eine wallonisch-französische reformierte Gemeinde. Zur Zeit der Königin Maria war Wesel auch Zufluchtsort flüchtiger Engländer gewesen. Als sich die konfessionellen Verhältnisse befestigt hatten, machten die Katholiken etwa y 3 der Bevölkerung aus. Daneben bestand eine kleine aber offenbar wohlhabende lutherische Gemeinde und eine kleine Judenschaft. Das Gymnasium mit 4 Klassenlehrern und einem französischen Sprachlehrer und das Schulseminar waren rein reformiert. Die lutherische Lateinschule war sehr unbedeutend. Einen oberflächlichen Einblick in die sozialen Verhältnisse Wesels gewährt eine Abnehmerliste des Intelligenzblattes vom Jahre 1736. 2 ) Da werden genannt: Richterliche und Regierungs-Beamte mit 16 Stück; einer hatte noch nicht abonniert; — Wesel hatte eine Serviskommission, eine Kommission der frommen Stiftungen und ein Landgericht. — ») Über Wesel s. M e y e r , S. 10 u. 81; G r u n e r II S. 230; B ü s c h i n g S. 50; F a b r i c i u s S. 307. 4 ) Düsseldorfer Staatsarchiv, Depositum Wesel, Index Repertorii primi, Caps. 121. Intelligenzsachen.

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Der Magistrat mit 3 Stück. — Zur kommunalen Selbstverwalt u n g von Wesel gehörten 3 Bürgermeister, 12 Räte, 10 Schöffen, 2 Stadtsekretäre, 2 Stadtrentmeister; dazu traten als Vertreter der Bürgerschaft 12 Gemeinsleute, die in allen wichtigen Fragen mitbeschließende Stimme hatten. — Ferner das Akziseamt mit 4 Stück, das Proviantamt mit 2 Stück, 4 Advokaten, 2 Notare und Prokuratoren, 6 Doktoren der Medizin, 5 Chirurgen, 5 Apotheker, 3 ref., 1 luth., 1 kath. Kirche, die Fraterherren und Dominikaner, das ref. Gymnasium, die Parochialschule mit je 1, die Judenschaft von 16 Familien mit 2 Stücken. 21 Zünfte und Innungen hielten zusammen 42 Stück, wobei eine Innung mit einem Pflichtstück noch fehlte. Von den Gastwirten waren 3 abonniert, die andern noch nicht, entgegen ihrer Verpflichtung. Ebenso verordnungswidrig verhielten sich die 5 Gewerke mit je einem Pflichtstück. — Die Zusammenstellung zeigt, daß eine verhältnismäßig nicht kleine Zahl von Akademikern und Beamten in Wesel wohnte. Leider bietet sie keine Anhaltspunkte für die sonstige zur Bildungsschicht gehörige Zivilbevölkerung. — Die Gesellschaft der Garnison war recht groß. Zu ihr gehörten, wenigstens gegen Ende des Jahrhunderts, zu der für uns in Frage kommenden Zeit, die Offiziere und Beamten der drei Füsilierregimenter von Gaudi, von Eichmann und Hessen-Kassel. Die Subskribentenliste der „Niederrheinischen Unterhaltungen" für 1786 zählt in Wesel 55 Subskribenten auf, darunter 26 zur Garnison gehörige, Offiziere, Kriegsgerichtsräte, Kompagniechirurgen und Feldprediger. Gruner erzählt, daß die Geselligkeit unter kastenmäßiger Abschließung der einzelnen Kreise leide, sonst aber nichts zu wünschen übrig lasse. Die Offiziere hatten, wie an vielen Orten damals, ein dauerndes Liebhabertheater. Auch Schauspielergesellschaften kamen nicht selten, meist wohl auf dem W e g e von oder nach Holland, auf dem sie dann auch Cleve zu besuchen pflegten. Als sich die Josephische (deutsche) Truppe, die nach dem Fortgang von Münster 1774 längere Zeit in Wesel gespielt hatte, 1776 im Haag auflöste, gründete ihr Mitglied Madame Dobler in Wesel eine eigene. Juni bis September spielte sie in Cleve und ging dann nach Crefeld. H a e f t e n S- 95 Anm.

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— Im Jahre 1779 gründete der Buchhändler Bredow der Sohn eine Leihbibliothek mit 606 Bänden. Daß es die erste war, ist unwahrscheinlich. Das Weseler Zeitungswesen verdankt seine Blüte dem Buchhändler Franz Jakob Röder. Er stammte aus Mülheim am Rhein, wanderte 1764 in Wesel ein und arbeitete zunächst bei dem 1740 in Wesel eingewanderten Buchhändler Bredow dem Älteren. Bald machte er sich selbständig, kaufte eins der größten Häuser am Markt und gründete ein bedeutendes Geschäft, Buchdruckerei, Buchbinderei und Buchhandlung. Schon 1766 bewarb er sich um die Ratsdruckerei. Aber erst am 10. August 1769 wurde der von der Kriegs- und Domänenkammer genehmigte Pachtvertrag auf 24 Jahre abgeschlossen. In den achtziger Jahren beschäftigte er abgesehen von seinem Hausgesinde in seinem Geschäft 7 Personen, damals keine geringe Zahl. Er hat als Buchhändler und Verleger am Niederrhein und auch im weiteren Deutschland keine unbedeutende Rolle gespielt. Die meisten Werke von Kortum z. B. sind bei ihm gedruckt und verlegt. Sein erstes Zeitungsunternehmen war eine Wochenschrift, „ D e r G e m e i n n ü t z i g e " , nachweisbar 1772 und 73 in 8° erschienen; jeder Jahrgang zerfiel in 4 Teile. Das ganze kostete im Buchhandel nachher 4 Rtlr. Leider war sie nirgends mehr aufzufinden. Wir sind daher auf zwei Beurteilungen angewiesen, die wohl beide nicht ganz vorurteilsfrei sind. Beutler sagt (S. 164): „Nur für die Gegend, wo sie erschien, gemeinnützig, Moral, Satyre, Verse sind ihr Inhalt." Dieses Urteil beweist, daß man in Mitteldeutschland die niederrheinischen Gegenden ziemlich tief einschätzte. Ein gleichzeitiger Rezensent in der „Sammlung gelehrter Nachrichten", der in unbegründetem Gelehrtenstolz auf die alten Wochenschriften herabsieht, drückt sich schärfer aus: „Indessen hat sich doch ein Gemeinnütziger wagen dürfen, sich auf diesem kritischen Schauplatze zu zeigen. Die wenigen guten Stücke, die man in dem ersten Jahrgang findet, befinden sich in einer höchst elenden Gesellschaft." (S. 146/47.)' Zu den Mitarbeitern des „Gemeinnützigen" wie aller Röderscher Blätter gehörte auch Kortum. 1779 begann Röders „J u g e n d z e i t u n g" (J.Z.) zu er-



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scheinen, bereits eis Fortsetzung eines anderen Blattes, von dem sich nicht einmal der Name erhalten hat. Wir wissen nur aus der Nachricht am Schluß des 1. Stückes der Jugendzeitung, daß es wöchentlich zweimal in der Stärke von V4 Bogen ausgegeben wurde. Demgegenüber erschien die „Jugendzeitung", damit die Materien nicht abgebrochen zu werden brauchten, nur Sonnabends V2 Bogen stark in 8°. Seit 1780 erschien sie Mittwochs, während Sonnabends eine ebenso starke „ B e y l a g e z u r J u g e n d z e i t u n g" ausgegeben wurde. Im ersten Jahre kostete die „Jugendzeitung" 1 Rtlr. 8 Ggr., späterhin beide Teile zusammen 1 Rtlr. 18 Ggr. preuß. oder 2 Rtlr. 6 stbr. Clev. Courant. Herausgeber war der Konrektor am Weseler Gymnasium Nikolaus Hüther, auf den wir unten zu sprechen kommen. — Die J. Z. hat bis 1785 bestanden. Aus den vorhandenen Subskribentenlisten können wir uns ein annähernd richtiges Bild von ihrer Verbreitung machen. 1779 hatte sie 246 Subskribenten: Buchhandlungen und Postämter, viele Offiziere und adlige Landbesitzer, Beamte, Frediger und Kandidaten, Bürgermeister und Kaufleute, auch Se. Exzellenz, den Grafen und Edlen Fr. Wilhelm zur Lippe. Davon wohnten in Wesel selbst 57, in Cleve 28, Emmerich 15, Xanten 16, Rees 11, Duisburg 8. Von Orten außerhalb des Herzogtums stellte Cöln 18 und Düsseldorf 12 Abnehmer. 1781 erscheinen beinahe 400 Subskribenten, darunter Wittekind in Eisenach als Bezieher von 100 Stück; sonst sind die Listen in den folgenden Jahren etwas kleiner als 1779. Daß sie vollständig sind, ist nicht anzunehmen. Sie beruhten merkwürdigerweise nicht auf geschäftlichen Aufzeichnungen Röders, vielmehr mußten die Subskribenten, die genannt werden wollten, ihren Namen einsenden, und das dürfte mancher trotz wiederholter Aufforderungen vergessen haben. Das Bemerkenswerteste an der Jugendzeitung ist, daß sie ganz und gar nicht das Gepräge einer Jugendzeitung trägt. In den Vorreden wird dieser Punkt verschiedentlich berührt. In der des Jahrganges 1781 z. B. heißt es: „Für die, deren Beruf und Geschäft es ist, öffentliche Schriften zu beurteilen, sei bemerkt, daß an erwachsene Jugend, nicht an Kinder gedacht ist. Da aber ein großer, beinahe der

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größte Teil der Leser dieses Blattes alte Leute sind, wird auf ausdrückliches Ersuchen auch auf solche Rücksicht genommen." Trotz allem hat ganz sicher die Absicht, auch für die Jugend u n d sogar f ü r Kinder zu schreiben, bis zuletzt vorgelegen und sich bisweilen in entsprechenden Beiträgen bemerkbar gemacht. Meistens ist ireilich nichts davon wahrzunehmen. — Wie schon die Zweiteilung zeigt, werden zwei Ziele verfolgt. Die „Jugendzeitung" ist ein Nachrichtenblatt und dient der politischen Aufklärung und Orientierung der Leser, die „Beylage zur Jugendzeitung" ist gemeinnütziger Natur, will allerhand Kenntnisse verbreiten, moralisch aufklärend und belehrend wirken und unterhalten, durch Anekdoten, Gedichte und ähnliches. Die sachliche Scheidung zwischen den beiden Teilen ist aber nicht streng durchgeführt. Die Jugendzeitung von 1779 bringt, um den Inhalt etwas zu kennzeichnen, an erster Stelle jedes Heftes fortlaufend eine ausführliche, zurückgreifende Schilderung des bayrischen Erbfolgekrieges, dann erst die aktuellen Meldungen. Der Jahrgang 1780 berichtet in gleicher, weit ausholender Weise über den nordamerikanischen Befreiungskrieg; der folgende führt das weiter und gibt außerdem einen „Allgemeinen Abriß der politischen Verfassung von Europa beim Anfange des Jahres 1781". Bei Österreich, womit der Anfang gemacht wird, geht die kritische Beurteilung bis auf den Siebenjährigen Krieg zurück. Hier wie überall offenbart sich der Herausgeber als treuer Anhänger des aufgeklärten Staates, und zwar mehr des österreichischen der Maria Theresia und Josephs als des preußischen Friedrichs des Großen. Der Kaiser spielt eine viel größere Rolle als der König von Preußen, der eigne Landesherr. Vor allem seine kirchenpolitischen Maßnahmen werden lebhaft begrüßt. Der protestantische Standpunkt des Blattes ist zwar nicht zu verkennen, das Konfessionelle spielt aber keine Rolle. Es herrscht der aufklärerische Duldurigsgedanke, der allerdings hier wie auch sonst laute Abneigung gegen alle Möncherei nicht ausschließt. — In der angedeuteten Weise verfolgt der Herausgeber in jedem Jahrgang ein oder gelegentlich auch zwei Hauptthemen, das Nachrichtenvielerlei zu allgemeinen Über-



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sichten und Einordnungen zusammenfassend, das Werden, die Entwicklung und das Ablaufen schwebender Ereignisse, der beiden genannten Kriege z. B., von inzwischen gewonnener, fester Grundlage aus schildernd. Das Bestreben, möglichst viele Neuigkeiten zu bringen, hat offenbar nicht bestanden, es ist stets das Wichtigste herausgesucht worden. Wendungen wie: „Da die öffentlichen Nachrichten uns gegenwärtig sehr wenig Interessantes bieten, so können wir unsern Lesern auch nicht viel mitteilen" wiederholen sich. Mitunter allerdings finden wir doch so erschütternde Nachrichten wie: „Rußland. Ihre Majestät die Kaiserin haben einen Schnupfen bekommen." — Ein Blick in das Redaktionsgetriebe der J. Z. ist uns leider versagt. Sie scheint eine Reihe eigener Korrespondenten besessen zu haben. Das meiste wird aber doch wohi großen Zeitungen, der Cölner oder Frankfurter Reichs-Oberpostamts-Zeitung etwa oder dem Clever Courier du Bas Rhin entnommen sein. Originalmitteilungen sind sicher die, die unter „Wesel" erscheinen, worunter nicht nur seltene lokale, sondern auch wichtige auswärtige Mitteilungen abgedruckt werden. So steht z. B. in No. 49 der „Beylage" vom 9. Dez. 1780: „Wesel. Soeben erhält man hier über Berlin die Nachricht, daß die Kaiserin-Königin tot sei." Der Tod war am 29. November erfolgt! — Die Ereignisse werden zum Anlaß f ü r politisch unterweisende Artikel, so z. B. die Meldungen über das Tauschprojekt Josephs und Karl Theodors zu dem Artikel: „Von Pfalzbayern und den dazu gehörigen Ländern." Die sehr interessierenden, bereits beginnenden Wirren des Streites zwischen dem Statthalter der Generalstaaten, dem Prinzen von Oranien, und den sogenannten Patrioten haben Aufsätze wie: „Kurzer Begriff von der Regierungsform von Holland. (Von einem Holländer.)" im Gefolge. Die Gesinn u n g der J. Z. ist oranisch. — — D i e NachrichtenvermitteIung ist also belebt und fruchtbar gemacht. Die J. Z. will nicht nur berichten, sondern auch leiten, darin entschieden sehr fortgeschritten. In der moralisch gerichteten Beilage ist das selbstverständlich. Von den beiden oben besprochenen Duisburger Wochenschriften unterscheidet sie sich dadurch, daß sie nicht religiös, sondern aufklärerisch-rationalistisch gestimmt ist. Da-

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mit hängt zusammen, daß sie sich in ganz anderem Maße dem Gegenwartsleben, wie es sich gerade abspielt, zukehrt, es verwertet. Sehr vieles könnte auch in dem andern Teil stehen, z. B . : „Nachricht von einem Kanal, welcher die Ostund Nordsee vereinigen soll," dessen Fertigstellung für 1787 in Aussicht genommen ist. (Stück 3 der „Beilage", 1780.) Die beiden Teile gehen, wie schon bemerkt, ineinander über; politischer und unpolitischer Tagesbericht überwiegt in der J. Z., Moralisch-Gemeinnütziges findet sich fast nur in der „Beilage". Doch bringt z. B. der Jahrgang 1781 der „Beilage" an erster Stelle jedes Stückes in Fortsetzungen eine „Kurze Nachricht von Westindien". Im Jahr darauf erscheint eine lange Artikelreihe: „Von den britischen Niederlassungen in Ostindien", deren geographische und wirtschaftliche Verhältnisse darstellend. In beiden Teilen finden wir Meldungen über die 1783 beginnenden, mit Staunen verfolgten Anfänge der Luftfahrt; beide Teile dienen gelegentlich als Sprachrohr und Erreger der öffentlichen Meinung in Fragen der inneren Politik, wenn sie Toleranzmachrichten bringen und besprechen, oder Aufsätze wie: „Die Lotto, durch eine Tatsache bekämpft." Ebenso sind Anfänge des Feuilletons vorhanden, z. B . : „Von Pyrmont und der Art und Weise, wie man daselbst gewöhnlich den Brunnen zu gebrauchen pflegt." Alles dies findet sich nicht regelmäßig vor, an bestimmter Stelle des Blattes, in fester Reihenfolge, sondern wie es kommt, bald dies, bald das. — In der „Beilage" erinnert sehr vieles an die moralischen Wochenschriften: Allgemein moralische oder pädagogische Erörterungen und Mahnungen, lyrische Ergüsse, moralisch wirkende Anekdoten, Erzählungen, Gedichte, Rätsel. Aber alles weist einen frischeren Ton auf, zumal im Vergleich mit den Duisburger Blättern; vielfach ist die Absicht, literarisch zu unterhalten, überwiegend über den moralischen Zweck. Werden doch gern Gedichte wie etwa das Rheinweinlied des Matthias Claudius gebracht. Dazu treten dann noch lehrreiche naturwissenschaftliche Artikel sowie Ratschläge und praktische Hinweise auf nützliche Kenntnisse und Fertigkeiten, nach Art von Familienblättern. Mit Schluß des Jahres 1785 trennten sich Röder und sein Herausgeber Hüther. Aus der Jugendzeitung wurden

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die „ N i e d e r r h e i n i s c h e n U n t e r h a l t u n g e n " , die der Xantener reformierte Pfarrer Wilhelm Henrich Triesch besorgte. In Düsseldorf 1748 geboren, wurde er 1771 Prediger in Urdenbach in Berg; 1775 wählte ihn die Gemeinde in Xanten. Dort verblieb er, den 1790 an ihn ergangenen Ruf an die deutsch-reformierte Gemeinde in Kopenhagen ablehnend, bis zu seinem Tode am 2. Februar 1799. Als Geistlicher seiner Gemeinde wie als wissenschaftlicher Arbeiter hat er sich Verdienste erworben. Er gehörte der einflußreichen, aufklärerischen Richtung der Berliner Monatsschrift von Gedicke und Biester an, war auch ihr Mitarbeiter. Ganz in ihrem Sinne leitete er die N. U., sicher eins der bedeutendsten und einflußreichsten Provinzialblätter jener Tage und das bedeutendste am Niederrhein während des ganzen 18. Jahrhunderts vor der Franzosenzeit, wenn es auch nicht in weiteren Kreisen bekannt wurde. Ein Mitarbeiter macht dem Herausgeber in dieser Hinsicht Vorwürfe, indem er eine Rezension aus dem ersten Bande des „Jahrbuchs für die Menschheit", Heft 1, verwertet. Sie lautet: „— Sonst macht der Name des Herausgebers wie Sie wissen dreiviertel der Arbeit. Haben Sie z. B. wohl von den „Niederrheinischen Unterhaltungen", wovon wöchentlich 1 Bogen bei Röder in Wesel herauskommt, und die monatlich brochiert in einer blauen Jacke versandt werden, je ein Wort gehört? Es kommen ganz artige, zweckmäßige Sachen darin vor, zum Teil selbst besser, als manches Journal nicht liefert, das einem berühmten Namen an den Schweif gebunden und so glücklich ins Universum geschleudert wird. Aber was hilft es? Man kennt den Redakteur nicht, man hat eine verstimmte Posaune, und so achtet kein Mensch darauf; die Weygandsche Buchhandlung in Leipzig versteht das Ding besser." (N. U. 1788, X. Heft No. 9.) Gleichwohl hatten die N. U. steigenden Erfolg, so daß sich Röder 1790 sogar veranlaßt sah, mit dem Frankfurter Buchhändler J. Joachim Keßler in Verbindung zu treten, da sie auch weiter oben am Rhein Anklang gefunden hatten. Gleichzeitig trat eine äußere Veränderung ein. Die Umschlagsblätter wurden rosa und nicht mehr im bisherigen Maße zu Annoncen benutzt, deren vor allem in der ersten Zeit bisweilen merkwürdig persönliche Ton völlig

— 30 — schwindet. Findet sich doch in Heft 7 des 1. Jahrganges beispielsweise folgende „Anfrage. Sollte jemand von mir vom Journal von und für Deutschland das 11. Stück von 1785 zum Lesen geliehen haben, der wird mir einen Gefallen tun, wann er mir solches wiederschicket. F. J. Röder." Ebenso hören Subskribentenlisten und dergleichen auf. Es bleiben nur größere buchhändlerische Anzeigen und Subskriptionsaufforderungen. Anfangs ähnelten die N. U. der J. Z. ziemlich stark, änderten dann abet teilweise Erscheinungsform und Charakter, freilich ohne von der Grundrichtung abzuweichen. Nur im ersten Halbjahr erschien zweimal wöchentlich 1 / 2 Bogen; vom zweiten Halbjahr an dagegen in jeder Woche einmal ein ganzer Bogen, nur Sonnabends statt Mittwochs und Sonnabends, im üblichen Oktavformat auf gutem Papier und in gutem Druck, in der äußeren Form die J. Z. vorteilhaft übertreffend. Schon im ersten halben Jahr wurden die Stücke eines Monats zu einem Heft ¡¡n blauem Umschlag mit Titel, Bezugsbedingungen, Inhaltsangabe und Annoncen zusammengefaßt. Nach auswärts wurden sie überhaupt nur monatlich versendet, soweit es ging, postfrei. So wird es schon bei der J. Z. gewesen sein. Bei ihr sind die bezeugten Umschläge leider verloren gegangen. — Der Preis der N. U. belief sich auf 1 Rtlr. 18 Ggr. Konventionsmünze oder 2 Rtlr. 6 stbr. Clever Cours. Von 1791 an fiel die Ausgabe von Wochenstücken ganz fort, die N. U. wurden völlig zur Monatsschrift. Schon die Zahl der regelmäßigen Mitarbeiter war bedeutend. Allem Anscheine nach gehörten sie den verschiedensten Ständen an. Mit vollem Namen zeichneten nur wenige; ganz selten der niemals ausdrücklich als Herausgeber genannte Triesch, dann Kortum, der daneben häufig Abkürzungen wählt, der damals in Hückeswagen, später in Mülheim am Rhein lebende lutherische Pfarrer Reche — einer der ersten, die in Cöln predigen durften — und sein Freund, der eifrige Korrespondent der „Berliner Monatsschrift", des „Deutschen Museums" und anderer Blätter, Pfarrer Schwager aus Jöllenbeck in Ravensberg, ein typischer, verdienst-

— 31 — voller Aufklärer. 1 ) Außerdem aber wandte sich jedermann in der Gegend, der seinem U n m u t über irgend einen, die Allgemeinheit berührenden Punkt Luft machen, oder seiner Freude über die zunehmende Aufklärung Ausdruck verleihen wollte, an die N. U., die ihren Raum gern zur Verfügung stellten, auch wenn der Einsender auf anderm Boden stand als sie. S o verkörperten sie damals tatsächlich die öffentliche Meinung nicht nur Cleves, sondern auch Bergs, und verschiedene Preßfehden sind auf ihren Seiten ausgefochten worden. Sie erhoben ihre Stimme in dem allgemeinen Angriff auf die sogenannten „Feinen" des Wuppertals, ohne sich jedoch Verteidigern zu verschließen. Ebenso lassen sie in Sachen der Schulmeistergärung im Bergischen Vertreter beider Lager zu Worte k o m m e n . 2 ) Auch inhaltlich standen die N. U. der J . Z. anfangs nahe, da sie bis zu gewissem Grade zunächst politische Neuigkeiten zu bringen pflegten. D o c h schon No. 1 des zweiten Halbjahrganges berichtet, daß die „politischen und neuesten Nachrichten" fortfallen würden, da sie doch nicht so vollständig geliefert werden könnten, daß eine politische Zeitung für den Leser entbehrlich würde. Dagegen will der Verfasser von nun an in dem letzten Blatt jedes Monats „eine allgemeine und zugleich räsonierende Nachricht von den merkwürdigsten in benanntem Monat vorgefallenen politischen Begebenheiten vortragen, woraus man einigermaßen die jedesmalige Lage der Staatsangelegenheiten so viel als möglich im Zusammenhang wird übersehen können." Diese Übersicht wird im 4. Halbjahr aufgegeben. Ausgeschaltet ist das Gebiet der äußeren Politik damit keineswegs. Die Wirren in Holland und der Spaziergang der Preußen nach Amsterdam 1787 interessieren sogar bis ins einzelne. Hierbei spiell ) Geboren zu Kalckkuhl in der fürstl. Schwarzenbergischen Herrschaft Gimborn in Westfalen am 24. Sept. 1738, gestorben am 29. April 1804, s. seine Selbstbiographie in Aschenbergs »Niederrheinischen Blättern" 1 S. 53 ff. und vorher in J . R. G. Beyers allgem. Magazin für Prediger. Bd. 10, St. 4, dort auch sein Bild. ! ) Bemerkenswert ist, daß die Zustände in Cleve keinen Anlaß zu Ahnlichem bieten. Sie waren viel einfacher; in alten Geleisen laufend hatten sie weniger Reibungsflächen.

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ten auch lokale Interessen mit, die noch immer engen, nachbarlichen Beziehungen zu Holland und der Umstand, daß die eignen Regimenter im Felde standen. Recht anziehend ist der in mehreren Fortsetzungen erscheinende Feldzugsbericht aus der Feder eines Offiziers. — Der Revolution gegenüber verhalten sich die N. U. merkwürdig schweigsam. Sie bringen eigentlich nur Unwichtiges, „Revolutionsanekdoten", eine Beschreibung des Bastillesturmes, offizielle Dokumente und dergleichen. Zu eingehender Auseinandersetzung mit ihr kommt es nicht. Die streng monarchische, mitunter altpreußischkönigstreu gefärbte Oesinnung des Blattes und seine Abneigung gegen antidynastische Revolutionen stehen aber außer Zweifel. Schon die engen Beziehungen zu Beamtenschaft und Offizierkorps würden das verbürgen. Aber auch allgemeindeutsches Nationalbewußtsein kommt zu Wort, z. B. wenn voller Stolz auf Leistungen des Deutschtums in Nordamerika und auf seine Bestrebungen, sich zu festigen hingewiesen wird. Der Nachdruck der N. U. liegt jedoch auf anderem. Das Programm für den zweiten Jahrgang in Heft 12 des ersten vergegenwärtigt am besten (wenn auch unsystematisch) die Bestrebungen. In den Bereich des Blattes fallen: „1. Nachrichten von merkwürdigen Vorfällen und Begebenheiten, besonders von solchen, die zum Beweise dienen, wie weit in dieser oder jener Gegend, Aufklärung, guter Geschmack, Besiegung herrschender Vorurteile, Toleranz, Verbannung des Aberglaubens und alles, was zur Beförderung des Menschenwohls dient, Fortgang gewinnen oder noch Widerstand finde. 2. Nachrichten von den merkwürdigen Anstalten zur Aufnahme und Verbesserung des Erziehungswesens, des Handels, der Landwirtschaft. 3. Nachrichten von neuen nützlichen Erfindungen. 4. Nachrichten und Anzeigen von merkwürdigen Erscheinungen und Wahrnehmungen im Naturreich. 5. Beispiele guter, edler, auszeichnender Handlungen. 6. Beobachtungen, Erfahrungen und geprüfte Gedanken einsichtsvoller Männer über wichtige Angelegenheiten des häuslichen, bürgerlichen und moralischen Lebens.

— 33 — 7. Charakteristische Züge einzelner Völkerschaften. 8. Unterhaltende, lehrreiche Erzählungen und Anekdoten. 9. Kurze Anzeigen und Ankündigungen neuer literarischer Produkte. 10. Eigentlich sogenannte gelehrte Abhandlungen über bloß spekulative Gegenstände finden in diesem Journal keinen Platz. 11. Auszüge aus den besten deutschen Journalen, insofern dieselben Aufsätze und Nachrichten enthalten, die unter die eine oder die andere von obigen Rubriken gehören. 12. Endlich wird bei dem Schluß jedes Monats eine kurze Übersicht der merkwürdigsten politischen Begebenheiten hinzugefügt, woraus man den G a n g und die jedesmalige Lage der öffentlichen Angelegenheiten der Staaten und Völker in einem etwaigen Zusammenhang wird übersehen können." Dieses Programm ist redlich und anerkennenswert durchgeführt worden. Nur Punkt 12 kam, wie bemerkt, später in Wegfall, und Punkt 9 trat sehr zurück. — Die Blütezeit der N. U. lag in den achtziger Jahren. V o r allem die beiden letzten Jahrgänge verlieren an Frische und Unmittelbarkeit. Die Aufsätze werden abstrakter, und naturwissenschaftliche Abhandlungen werden häufiger. Mit dem Fortfall der bewußten örtlichen Einstellung schwindet mehr und mehr der reizvolle, unmittelbare Zusammenhang mit dem wirklichen Leben. Als Fortsetzung sollte 1793 in etwas kleinerem Formate, sonst aber gleichartig, nur, wie es scheint, mit mehr Betonung des bis dahin vernachlässigten belletristischen Elementes, die „Weselsche Monatsschrift" erscheinen. Die Kriegsunruhen verzögerten die Ausgabe des ersten Heftes bis zum 22. März. In einer Bemerkung versprach Röder, das 2. Heft noch im März, das 3. und 4. nach Möglichkeit im April zu liefern. O b es dazu gekommen, war nicht festzustellen. Neben der J . Z. kam 1785 eine moralisch-aufklärerischliterarische Monatsschrift bei Röder heraus, die „ L e s e b i b 1 i o t h e k". Die einzelnen Hefte waren 6 Bogen stark, vierteljährlich wurden sie zu einem Bande mit Inhaltsverzeichnis zusammengefaßt. Der erste Jahrgang scheint der einzige geblieben zu sein, denn der Erfolg war nicht ermunternd. Die B e n s e i , Niederrheinisches Geistesleben.

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Liste der Subskribenten weist nur 66 Namen auf, Offiziere, Amtmänner, Juristen, Prediger, Postbeamte, Schulmänner, adlige Gutsbesitzer, fast ausschließlich in Wesel und dem Herzogtum wohnhaft; ganz wenige Stücke gingen nach Ostfriesland, Bremen und Holland. — Die Zahl war etwas gering, das Unternehmen konnte sich nicht lohnen, obwohl für Autorenhonorar sicher nicht viel auszugeben war. Der unbekannte Herausgeber (er wohnte nicht in Wesel; vielleicht war es Triesch) kann leicht der einzige Mitarbeiter gewesen sein. Die „Lesebibliothek" ist offenkundig, ohne es zu verhehlen, ganz unoriginal. Sie lebte vom Nachdruck, hat aber das Verdienst, durch gute Auswahl ihren Lesern manches Interessante und zu ihrer Zeit Wertvolle gebracht, sie in verschiedenster Hinsicht angeregt zu haben. — Jedes Heft zerfiel in vier Abschnitte: 1. Lektüre zur Bildung des Herzens. 2. Lektüre zur Aufklärung des Verstandes und Schärfung des Nachdenkens. 3. Lektüre zur Bildung des Geschmacks. 4. Lektüre zur angenehmen Unterhaltung. Die erste Abteilung bringt vor allem Sachen, die moralisch wirken sollen, Abhandlungen, Anekdoten, Gedichte und Sprüche. Die Grundforderung ist Bescheidenheit und Genügsamkeit. Doch werden auch sehr ernste, verständige Töne z. B. in der Frage der Liebe und Ehe angeschlagen. Bemerkenswert ist, daß verschiedene der Aufsätze von den Begründern der moralischen Wochenschriften, Steele und Addison, stammen; sie hatten noch immer Wirkungskraft, wie zum Teil heute noch. Die Gedichte gehören vorwiegend Angehörigen des Halberstädter Kreises oder des Göttinger Bundes zu. — Der zweite Abschnitt bietet Gelegenheit, die allerverschiedensten Stoffe zu behandeln. Er beweist, daß der Herausgeber aufklärerisch dachte und wirken wollte. Für die natürliche Religion wird mehrfach eingetreten, und wiederholt lesen wir Angriffe Voltaires auf orthodoxes Christentum. Dazu treten auch hier moralische Beiträge, ferner historische und religionsgeschichtliche Untersuchungen z. B. von Adelung und Meiners; die naturwissenschaftlichen beschäftigen sich gern mit dem Menschen und seinem Bau; Sitten und



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Wesen fremder Völker werden nach Reisebeschreibungen voller Interesse geschildert. Die Psychologie ist vertreten durch den sich wiederholenden Artikel: „Beiträge zur Kenntnis des menschlichen Herzens in einzelnen Stellen aus Schriftstellern." Damit greift der Herausgeber in den folgenden Abschnitt über, dessen Zweck es ist, durch Auszüge mit den besten Literaturerzeugnissen bekannt zu machen. Mit an erster Stelle steht noch der Messias, daneben Wielands Oberon und das Befreite Jerusalem. Lessing kommt im Nathan, Goethe im Clavigo zu Worte. Jedes Heft bringt in dieser Abteilung auch einen abgeschlossenen kurzen Abschnitt zur Theorie des Schönen von Sulzer (1720—79). Der letzte, der Unterhaltung gewidmete Abschnitt vermittelt die Kenntnis deutscher und fremder Literaturerzeugnisse. Er enthält Teile aus Scarrons (1610—1660) „Konischem Roman" und Novellen von Le Sage (1668—1747) und Boccaccio (1313—1375), auch eine Erzählung aus 1001 Nacht. — Die Gedichte sind teils Klopstockisch, teils weisen sie wieder auf die Gleimsche Art hin; einmal werden auch einige Volkslieder aus Herders Sammlung (1778/79) abgedruckt. — In mancher Hinsicht ähnlich war das Blatt, das F. H. Westermann 1794, während die Kriegsstürme schon bedenklich nahe rückten, bei Röder erscheinen ließ, „ U n t e r h a l t u n g e n für Freunde der T u g e n d und nützl i c h e r K e n n t n i s s e " . Ob außer dem ersten Bande, der die 6 ersten Monatshefte zu je 4 Bogen in kleinem Oktav enthielt, noch etwas erschienen ist, war nicht festzustellen. Erhalten hat sich weiter nichts. — Das Titelblatt trägt das Motto: „Nil forsan Novum; sed neglecta reducit, sparsa coliigit, utilia selegit, necessaria ostendit, sie utile." Am Schluß befindet sich ein Inhaltsverzeichnis. — Ein einziger Aufsatz ist gezeichnet, eine Übersetzungsprobe Hüthers aus Martinets Hausbuch. 1 ) — Die „Unterhaltungen" bringen in erster Linie theoretische Abhandlungen über literarisch-ästhetische Fragen, die nach Eschenburg gebildete Theorie stets mit Beispielen belegend, sowie sprach- und literargeschichtliche Aufsätze. Manches ') Die Übers, erschien 1795 in Leipzig: Joh. Flor. Martinet, Hausbuch für vaterländische Familien, welche einige Unterweisung nötig haben. 3*



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fällt in das Gebiet der Philosophie, im besonderen der Psychologie sowie der Pädagogik. Wie alle damaligen Zeitschriften naturwissenschaftlich-biologische. Beiträge für unentbehrlich hielten, so auch die „Unterhaltungen". Wir finden z. B. einen Artikel „Von dem Verdauungsgeschäfte oder von der Erhaltung und Ernährung des menschlichen Körpers" (S. 160) und andrerseits „Merkwürdigkeiten aus der Naturgeschichte der Krebse". (S. 294.) Aphorismen und Anekdoten dürfen natürlich auch nicht fehlen. Im Jahre 1781 suchte Röder um ein auf 30 Jahre laufendes Privileg für eine „Deutsche Provinzial Zeitung in den Provintzien Cleve, Meurs und Marek" nach. Die Privilegierung sollte ihr einen gewissen offiziellen Anstrich verleihen. Die maßgebenden Regierungskreise in Cleve und Berlin verhielten sich ablehnend, da sie Beeinträchtigung des Intelligenzblattes und des Courier du Bas Rhin in Cleve befürchteten. 1793 erneuerte Röder seine Eingabe. Er konnte darauf hinweisen, daß in andern Provinzen Preußens offizielle Provinzialzeitungen neben den Intelligenzblättern vorhanden seien und daß die neue Prozeßordnung ihr Bestehen geradezu voraussetze. Diesmal sagte die Regierung nicht nein, da sie das Bedürfnis nach einem unbedingt nationalen Blatt in den schweren Zeiten empfand und die Lippstädter Zeitung, von der preußischen Zensur nicht erreichbar, da Lippstadt Condominium Preußens und Lippes war, als unzuverlässig galt, obwohl sie den als Schulmann bekannten Rektor des Lippstädter (1774—96), späteren Direktor des Duisburger Gymnasiums (1796—1821) Johann Gottfried Nonne von 1774—1796 zum Herausgeber hatte, und obwohl Nonne durchaus preußisch gesonnen war. 1 ) — Die „Westfälische Provinzial Zeitung von Staats und gelehrten Sachen" wurde genehmigt und bill ) Die Hauptschrift über ihn: J. G. L. Nonne in seinem Leben und Wirken dargestellt von Dr. A. W. P. M ö l l e r , Konsistorialrat in Hamm und Münster", 1822, ist nach d'Ester »sehr selten" (S. 185, Anm. 1). Rezensiert ist sie im „Rhein.-westf. Anz. Kunst- und Wissenschaftsblatt« 1823, 27. Sept. Vgl. ferner: H e s s e l b a r t h im Programm des Realgymnasiums zu Lippstadt 1889: »Aus der Geschichte des alten Lippstädter Gymnasiums'"; W. M e i n e r s S. 443; G o e d e k e VII § 303 No. 1, AI lg. Lit. Z t g . 1821, 3, 247.



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dete sich anfangs unter der Leitung eines gewissen Dünger, dann unter der Heubergers 1 ) zum Sprachrohr der franzosenfeindlichen Kreise des östlichen Niederrheins aus. Zum Zensor des neuen Blattes wurde der Bürgermeister Duden ernannt, der als Bezahlung anfänglich 100 Rtlr. von Röder forderte, sich mit ihm aber auf 60 einigte. Vorher scheinen Röders Blätter überhaupt nicht unter Zensur gestanden zu haben; Akten oder Andeutungen darüber sind wenigstens nirgends erhalten. Als Röder 1781 sein Privilegiumgesuch einreichte, fragte die Clever Kriegs- und Domänenkammer bei der Regierung an, wie es denn mit der Zensur wäre. Röder ließ damals als sein drittes Blatt schon 2 Jahre lang die J. Z. erscheinen. Hätte es einen Zensor gehabt, so wäre das der Kriegs- und Domänenkammer kaum unbekannt gewesen.

II. Die Zeitschriften in Cleve. 1. Vorbemerkung: Die Zustände in Cleve.2) C l e v e war die Hauptstadt des Herzogtums. Die starke Beamtenschaft verlieh ihr Bedeutung und Gepräge und machte sie unmittelbar und mittelbar zur volkreichsten Stadt der westlichen Provinzen Preußens. 1754 zählte Cleve 5197 Einwohner, und in den achtziger Jahren waren es auch noch weniger als 6000.3) Doch überragte es viele, selbst beträchtlich größere Städte an Wichtigkeit. Denn es war Sitz dreier hoher Behörden, der verhältnismäßfg unabhängigen L a n d e s r e g i e r u n g , der K r i e g s - u n d D o m ä n e n k a m m e r für die westlichen Provinzen — Mark erhielt erst 1787 seine eigne, deren 2. Direktor gleichzeitig Stein wurde — und eines O b e r j u s t i z k o l l e g i u m s , alle mit verschiedenen Abteilungen. An unteren Behörden gab es ein erstinstanzliches Landgericht, eine Abteilung der Berliner Hauptbank, ein kgl. Leihhaus und den städtischen Magistrat für Verwaltung und Rechtsprechung; ferner ein reformiertes Gymnasium mit ») s. J. G r o t e , |ahrb. f. Westfalen I 297/98. G o e d e k e VII §303, N o 18. 2 ) s. M e y e r S. 30; G r u n e r II S. 209; (Kopstadt,) Ober Cleve. ») B ü s c h i n g S. 42; Ü b e r C l e v e S. 11.

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5 Lehrern. Dazu kam die Geistlichkeit verschiedener Bekenntnisse. Die Masse der Bevölkerung war katholisch; die herrschenden Stände waren reformiert und lutherisch. Dem entsprachen die kirchlichen Verhältnisse. Die große von einem Pfarrer bediente Kathedralkirche war katholisch. In ihr wurde am Sonntage niederdeutsch gepredigt. (In den vierziger Jahren.) Dazu kamen zwei Klosterkirchen, „worinnen auch hochteutsch geprediget, und Messe gehalten wird", und die Kirche eines Nonnenklosters ohne öffentlichen Gottesdienst. Die Reformierten wie die Lutheraner hatten beide ihre eigene Kirche mit je zwei hochdeutsch predigenden Geistlichen; die reformierte französische Gemeinde hielt ihren Gottesdienst in einem Raum auf dem Schloß ab. Daneben gab es eine menonitische Gemeinde mit eignem Gotteshause und niederdeutschem Prediger; 1 ) endlich eine Judenschaft. — — Cleves Bedeutung wurde dadurch noch beträchtlich gehoben, daß sich hier alljährlich die Landstände zu ihren Beratungen zusammenfanden. Wie es bei der verhältnismäßig starken Oberschicht zu erwarten war, herrschte in Cleve lebhafte, feine Geselligkeit. Meyer schildert sie ganz kurz folgendermaßen (S. 32): „Hier zeigt sich die Clever Schönheit mit dem großen hellblauen Auge, von einem reichen Holländer geführt, welcher schwarz gekleidet einen runden Hut auf dem Kopfe trägt, Kaufleute, Grafen, Barone, Regierungs- und Kriegs-Räthe, Avantüriers und Handwerksleute gehen hier in buntem Gemische, lassen sich in freundschaftliche Gespräche ein, und suchen nach ernsthaften Geschäften Erholung." In den Amusemens heißt es von den Frauen (S. 56): „Das Weiber-Volk ist manierlich, munter, höflich, angenehm, und guten theils schön; dabey insgemein so artig, als man es in anderen Landen antritt. J a das clevische Frauenzimmer tut es ohne Zweifel allen anderen in dieser Provinz zuvor, sowohl durch seine gute Art, als auch weit gesetztem und artigem Umgang." Der ehemalige Halberstädter Stiftssenior Kopstadt, der Schreiber der Briefe über Cleve, rühmt den guten Ton und das zuvorkommende, liebenswürdig-höfliche Wesen der Clever Gesell*) A m u s e m e n s S. 2 5 f . F a b r i c i u s behauptet, dass nur etwa 150 prot. Familien in Cleve gelebt hätten. (S. 300.)

1755

— 39 — schaft, fühlte sich aber durch die beliebte, spottgewürzte Unterhaltung und die Freude am Durchziehen abgestoßen. l ) Kurz bevor er sich in Cleve niederließ (1781), war auch die Clevische Sozietät gegründet worden, der die angesehensten Bürger aus allen Kreisen angehörten und in der ein angenehmer, wirklich vornehmer Ton herrschte. Die Freimaurerloge „Zur Hoffnung" bestand schon seit 1775. — Die immer nur als überaus reizvoll geschilderte Lage Cleves auf mehreren Hügeln an einem kleinen Rheinarm lockte auch viele „Particüliers", Rentner, sich dort niederzulassen, besonders reiche Holländer. Und seit 1742 wurde es ein in steigender Beliebtheit zumal wieder von Holländern aufgesuchter Badeort. 1741 und 42 erschloß nämlich der Clever Arzt Dr. Schütte, einer längst gehegten Vermutung nachgehend, eine reichliche Mineralquelle. — Die Amusemens des Eaux de Cleves geben eine anschauliche Schilderung aller Naturschönheiten, Sehenswürdigkeiten und Altertümer von Cleve und Umgegend, aber auch von dem angenehmen und nützlichen Brunnenleben; es ist ein „Führer" in anziehender, den Zweck verhüllender Form. Viel wissenschaftliches Leben hat in Cleve seit den Tagen Johanns III. und Wilhelms des Reichen nicht mehr geherrscht. Auch die schöne Literatur fand kaum Vertreter und auch wohl nur geringe Unterstützung; Leihbibliotheken waren allerdings vorhanden. Gegen Ende des Jahrhunderts vereinigten sich allwinterlich Künstler und Dilettanten zu einem großen Konzert, das ein großes Ereignis darstellte, von allen besucht, die etwas auf sich hielten. Durchreisende Musiker kamen gewöhnlich ebenso auf ihre Rechnung wie durchreisende Theatergesellschaften, die manchmal mehrere Monate spielten. Das 11 Jahre, von 1775 bis zu Friedrichs II. Tode, währende Theatermonopol Döbbelins schädigte freilich die entfernten westlichen Provinzen ganz besonders.

2. Politische Zeitungen in Cleve. Das Zeitungswesen hat sich in Cleve erst spät entwickelt. Im besonderen müssen wir uns wundern, daß es überhaupt ») Über Cleve S. 16 ff.



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keine deutsche politische Nachrichtenzeitung gehabt hat. Denn die Bedeutung Cleves als Regierungsstadt darf man nicht unterschätzen, und die Postverbindungen waren schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts g u t . l ) Der Postwagen zwischen Cleve und Arnheim verkehrte dreimal wöchentlich, ebenso zwischen Cleve und Düsseldorf-Cöln; zwischen Cleve einerseits, Wesel und Nimwegen andrerseits fand täglicher Verkehr statt, mit Ausnahme der Sonntage. Die Post aus Berlin und Leipzig-Halle über Magdeburg, Minden, Wesel traf zweimal wöchentlich ein, Sonnabends und Mittwochs, während sie Montags und Donnerstags mit den Postsachen aus Holland dahin abging. — Die Verhältnisse waren nicht ungünstig, jedenfalls durchaus hinreichend, eine gute selbständige Zeitung zu ermöglichen, wie der C o u r i e r d u B a s R h i n bewies. Denn dieses französisch geschriebene Blatt von europäischer Bedeutung erschien in Cleve, seit 1767. 2 ) Aus No. 16 und den folgenden des Courier erfahren wir, daß er vorher unter dem Titel Courier de Cleves oder de Cleefsche Courant in holländischer Sprache erschienen ist. — In seiner ersten Eingabe um Privilegierung einer Provinzialzeitung vom 26. August 1781 erwähnt Röder einen gewissen Kommerzienrat Oriethuysen, der in Cleve eine holländische Zeitung aus 9 andern als 10. zusammengeschrieben habe. Es ist sicher der Cleefsche Courant gemeint, über den seit 1764 verhandelt worden ist. Denn 1767 übernahm Griethuysen die Clever Lotterie, mit der anfangs der Courier du Bas Rhin in enger Verbindung gestanden haben muß, da er nach dem Zusammenbruch Griethuysens mit der Begründung, er sei ein Anhängsel der Stempelkasse, in die der Lotteriegewinn wohl floß, für den Staat in Anspruch genommen wurde. — In Verbindung mit Griethuysen und dem neugegründeten Courier du Bas Rhin wird auch ein Oberst Schoumaker ge' ) Amusemens S. 28 ff. *) Hat in schreibt in seiner Bibliographie: »Man begegnet dem Namen dieses Blattes ziemlich häufig; aber ich habe keine bibliographische Auskunft über es finden können. Im Jahre 1767 wurde ihm wegen des darin herrschenden ausschweifenden und unehrerbietigen Tones die Einführung nach Frankreich verwehrt. Die kaiserliche Bibliothek besitzt die Jahrgänge 1778—1792.«



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nannt, der den Herausgeber Jean M a n z o n a u s Paris besorgt haben soll. Manzon war 1740 m Oulx in Piemont geboren und wird gewöhnlich Exjesuit genannt. Jedenfalls war er später verheiratet. Ein Sohn von ihm gab nach seinem Tode noch einige Jahre den Courier heraus. In beschränktem Maße ist Manzon als Übersetzer und Neuherausgeber älterer Literaturwerke tätig gewesen. Seine eigentliche Lebensaufgabe war aber die Leitung des Courier, dessen Seele er war. Da ein gewisser Becarde de l'Abbaye gegen Zahlung von 100 Talern das Privileg für eine französische Zeitung in Cleve an sich gebracht und auch eine Zeitlang verwertet hatte, konnte der Courier nicht unangefochten erscheinen. Schoumaker kaufte dem Inhaber das Privileg ab, so daß am 1. Juli 1767 das erste Stück des Courier in die Welt ging. Sein erfolgloser Vorgänger ist verschollen. — Die äußeren Verhältnisse des Courier während seiner ersten Jahne sind ziemlich ungeklärt. Griethuysen und Schoumaker wirtschafteten gewissenlos und mußten flüchten. Solange sie am Ruder waren, hatte Manzon mit den größten finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Doch bildete die Zeitung zur Zeit des Zusammenbruchs schon einen solchen Wertgegenstand, daß Manzon den Plan faßte, sich eine Druckerei zu verschaffen und sie auf eigne Kosten herauszugeben. Aber auch die Hofbuchdruckerin Witwe Sitzmann, die den Druck bisher besorgt hatte und auch dauernd behielt, bemühte sich um sie, und in No. 82 vom 12. Okt. 1768 konnte sie die Mitteilung der Regierung abdrucken, nach der alle Zahlungen fortan an sie zu richten seien, da ihr die Zeitung übertragen sei. Lange kann dieser Zustand nicht angedauert haben. Auf Anweisung von Berlin hin brachte sie der Kammerpräsident von Werder als ein Anhängsel der Stempelkasse an sich, in ziemlich rücksichtsloser Weise gegen Manzon vorgehend. Seitdem scheint die (wohl nominelle) „Direktion der Zeitung" sich beim Kammerpräsidenten, d. h. bei der ihm unterstehenden Stempel») S. S c h w a r z k o p f , Allgem. lit. Anz. 1801. S. 355. M e u s e l , G. T.; Q u é r a r d , La France littéraire V S. 498; Ü b e r C l e v e S. 30. K o s e r , Preuß. Staatsschriften I, S. 44 Anm.

— 42 — kasse, befunden zu haben. Die Redaktion wurde Manzon gelassen. Der Courier erschien zweimal wöchentlich, Mittwoch und Sonnabend, 8—10 Seiten stark in Quart. Jede Seite zerfiel in 2 Spalten; nur die Avertissements waren durchgedruckt. In Cleve kostete der Jahrgang 9 holländische Gulden oder 5 Rtlr. preuß. Courant, außerhalb 11 holl. Gulden bezw. 24 frzs. Livres. Bis Sonntag bezw. Mittwoch abend 6 Uhr mußte das Manuskript dem jeweiligen Zensor übergeben werden; am nächsten Morgen um 8 Uhr sollte es zur Abholung bereit liegen. Außerdem mußten die ersten Abzüge vorgelegt werden. Diese Ordnung wurde erst vorgeschrieben, nachdem der erste Zensor, Geheimrat Heiden, 1769 seines Amtes entsetzt worden war. Sein Nachfolger durch viele Jahre hindurch war Geheimrat Schlechtendal. Auf Vorschlag des Regierungspräsidenten von Danckelmann — in Zensurfragen war in Cleve die Regierung, nicht die Kriegs- und Domänenkammer zuständig — wurde die Zeitungsdirektion am 24. März 1770 angewiesen, dem Zensor ein „Douceur" von jährlich 50 Rtlrn. in monatlichen Raten auszuzahlen. Die Blütezeit des Courier war mit dem Tode des ihm wohlgesinnten Königs Friedrich wohl zu Ende. Leider liegen für die ersten 20 Jahre seines Bestehens nicht auch Rechnungsablagen vor wie für die spätere Zeit, deren Unruhe ihn gerade bei seiner Lage besonders schädigen mußte. 1793 soll er nach Wesel verlegt worden sein, doch tragen die Titel his zum Jahre 1796 die Bezeichnung: A Cleves, erst von 1797 an A Wesel. In dieser Zeit scheint Manzon gestorben zu sein. Die Redaktion soll sein Sohn übernommen und bis zum Engehen des Blattes (1803 ?) mit schwindendem Erfolg, zuletzt in Düsseldorf, beibehalten haben. Über den letzten 1

) Das erste, immer noch dürftige Licht in alle diese Verhältnisse hat nach Akten des Berliner Geheimen Staatsarchivs, Tit. CXLIX, Zeitungen der Städte und des platten Landes, No. 1 vol. 6, d ' E s t e r s Aufsatz: »Aus der Geschichte des »Courier du Bas Rhin", einer preussischen Finanzspekulation am Niederrhein", in: Dortmundisches Magazin, Westfälisches Magazin, Neue Folge — Mitteilungen der Wissenschaftlichen Vereine und der Wilhelm-Augusta-Viktoria-Bücherei, No. 12, 15. Dez. J909, No. 13, 1. Jan. 1910, gebracht.

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Schicksalen liegt noch ebenso viel Dunkel wie über den ersten Jahren. Manzon verstand es, dem Blatt sehr schnell eine seltene Verbreitung zu verschaffen, so daß der Staat, als dessen Angestellter er schrieb, gute Geschäfte machte. Geschäftliche Rüchsichtnahme war es denn auch sicher zum größten Teil, die Manzon stets so milde Zensoren finden ließ. Trotz aller Beschwerden fremder Mächte und auch preußischer hoher Beamten — vor allem der Gesandte im Haag, von Thulemeier, fand immer wieder Grund, sich erbittert über den zügellosen Zeitungsschreiber bei allen nur möglichen Instanzen zu beschweren — wurde Manzon nur verwarnt oder erhielt die bezahlte Strafe zurückerstattet. Gelegentlich wird die Clever Behörde ausdrücklich angewiesen, Manzon unter keinen Umständen gehen zu lassen, wenn er etwa im Verdruß scheiden wolle. Aber auch von dem einkommenden Geld abgesehen, war es dem König und der Regierung in Berlin äußerst erwünscht, gegen die ausgesprochen preußenfeindlichen, österreichisch gesinnten andern französischen Zeitungen Deutschlands und Hollands ein so treffliches Gegengewicht zu haben. Friedrich dem Großen mochte auch Manzons Feder an sich behagen. — Daß der Courier von Berlin und auch von andern Seiten aus informiert wurde und fremden Zeitungsmeldungen entgegentreten mußte, geht aus der Durchsicht der Zensurakten hervor. Bis zu welchem Grade das der Fall gewesen ist, wie weit insonderheit der König selbst Mitarbeiter war, bedarf einer besonderen, eingehenden Untersuchung, die der Courier überhaupt verlangt. Hier kann das alles nur kurz gestreift werden. Für eine Untersuchung wie die vorliegende kommt er kaum in Frage. Er hätte ebenso in jeder andern Stadt erscheinen können. Er muß in Zusammenhang mit den andern damaligen französischen Zeitungen vor allem Hollands behandelt werden. Sah er doch seine von Berlin aus unterstützte Hauptaufgabe darin, gegen sie Stellung zu nehmen. Besonders mit der Gazette de Leyde wurde mancher sachliche und persönliche Strauß ausgefochten. Anfangs brachte der Courier noch allerhand ins Gebiet der Literatur und Kunst fallende Beiträge und Mitteilungen sowie ausführliche Hofberichte. Das fiel bald fort. Die Masse

— 44 — der rein politischen Nachrichten ließ keinen Raum übrig. Er hat zweifellos eine große Anzahl wohlunterrichteter Mitarbeiter und Korrespondenten gehabt. Berliner Meldungen sind verhältnismäßig selten. Die meisten Korrespondenzen stammen stets aus Paris und Holland, wenn die Briefe nicht einmal ausbleiben oder längere Zeit irgendwo böswillig unterschlagen werden, daneben aus London, Wien, Polen. Innerdeutsche Verhältnisse werden nur sehr selten berücksichtigt, eigentlich nur, wenn es sich um so hochpolitische Dinge handelt wie z. B. das Tauschprojekt Josephs und Karl Theodors. Denn fast ausschließlich die hohe Politik findet im Courier Platz. Er war ein Blatt für Diplomaten und hohe Staatsbeamte. Auf sie war er zugeschnitten, um ihre Geschäfte und Personen drehte sich alles, ihre Kenntnis wurde vorausgesetzt. Darum ist auch die Tatsachenrnformation dauernd das Wichtigste. W a s darüber hinaus an Beurteilung und Kritik vom Herausgeber geboten wird, — gewöhnlich kursiv gedruckt — entspringt weniger der Absicht, die Leser aufzuklären, in einem bestimmten Sinne auf sie zu wirken, als dem Bedürfnis, seine Meinung an den Mann zu bringen. Ein Nebeneinanderhalten entsprechender Nummern des Courier und der Jugend-Zeitung macht das deutlich. Allerdings bringt die J. Z. die Nachrichten meist nicht unerheblich später. — Die Regierungskreise bedienten sich des Courier natürlich gern zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Manzon hat aber keineswegs bedingungslos alle an ihn herantretenden Wünsche in dieser Hinsicht befriedigt. Das führte zu einem heftigen Zusammenstoß mit seinem Feinde Thulemeier im Haag, dessen Beschwerde über Manzon beim Ministerium zu einem milden Verweise führte, aus dem eine gewisse Mißbilligung von Thulemeiers Vorgehen zu entnehmen war. Manzon hatte bei. dieser Gelegenheit, auf mannigfache Herausforderungen endlich antwortend, einen würdigen, berechtigtes Journalistenselbstbewußtsein verratenden Brief an Thulemeier geschrieben, in dem er dessen anmaßende Überhebung gebührend aber maßvoll zurückwies und betonte, nur vom Berliner Ministerium Befehle entgegennehmen zu müssen. Die einlaufenden Beschwerden waren überhaupt großenteils persönlicher Natur. Wenn es sich um verbündete oder zu beachtende Mächte

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handelte, dann standen die preußischen Behörden durchaus auf dem Standpunkt, daß hochgestellte Personen, selbst wenn sie schuldig seien, durch Zeitungen nicht bloßgestellt werden dürften. x ) Den Regierungs- und Gerichtsbehörden wie der Lotterie diente der Courier als offizielles Publikationsorgan, war aber auch in größerem Umfange Annoncenblatt für Privatleute. Manchmal sind mehrere Seiten mit Erlassen, Zitationen und Inseraten angefüllt. In der Bevölkerung ist der Courier schwerlich verbreitet gewesen. An seine Stelle mußten andre Zeitungen treten. Der Hinweis darauf, daß dieses oder jenes aus den Tageszeitungen bereits bekannt sei, findet sich nicht ganz selten in den von uns behandelten Zeitschriften. In erster Linie wurden wohl die Cölner und Frankfurter Postamtszeitungen gehalten; noch verbreiteter dürfte die Lippstädter Zeitung gewesen sein. In einem Schreiben vom 17. März 1792 machte die Kriegs- und Domänenkammer die Regierung auf die aufrührerischen Artikel der Zeitungen, besonders der Lippstädter aufmerksam. Bis zur G r ü n d u n g der Westphälischen Provinzialzeitung hatte sie auch neben dem Intelligenzblatt und dem Courier in manchen Fällen als offizielles Publikationsorgan gedient. — Solange sie bestand, hat die Weseler J. Z. wohl manchem genügt. Brachte sie die Nachrichten auch etwas spät, so erschien sie doch auch zweimal wöchentlich und zeichnete sich durch seltene Vielseitigkeit aus.

3. Die moralischen Wochenschriften in Cleve. Die erste Zeitschrift in Stadt und Herzogtum Cleve war „ D e r W e s t p h ä l i s c h e Beobachter, eine W o c h e n s c h r i f t " , 1755—57 bei der Hofbuchdruckerin Witwe Sitzmann erschienen, mit dem Bewußtsein, das erste Blatt zu sein. „Ich weis nicht, was man von einem Schriftsteller urtheiien werde, welcher das erste Wochenblat in Westphalen zu schreiben unternimt," das sind die ersten Worte des Beobachters. l

) Reskr. an die Clever Regierung vom 2. März 1770. Vgl. über die Zensur die zurzeit eingehendste Arbeit von P a u l s , Zur Geschichte der Zensur usw.

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E s fällt uns auf, daß in Cleve ein „ w e s t p h ä l i s c h e r Beobachter" erscheint. Aber Cleve wurde damals g a n z allgemein zu den „westphäiischen Provinzen" gerechnet, wegen der gleichfalls ausgesprochen niederdeutschen Art und Sprache seiner Bewohner. E s gehörte auch zum „Westphäiischen Kreis". Noch 1794 erschien die Provinzialzeitung f ü r Cleve, Mörs und Mark in Wesel als „westphälische". U n d der Beobachter läßt tatsächlich keinen Unterschied zwischen dem eigentlichen Westfalen und Cleve gelten (s. S. 228 f., S. 500). Man darf also nicht etwa annehmen, der Beobachter sei in Cieve vielleicht nur gedruckt worden. D a s widerlegen W e n d u n g e n w i e : das Wörterbuch, „welches ehemals hier von einem Clevischen Kanzellisten, Gerhard de Scheueren, geschrieben w o r d e n " (S. 66), Erwähnungen der „hiesigen hochpreislichen Kriegs- und D o m a i n e n k a m m e r " (S. 415), des B r u n n e n s (S. 493); verschiedentlich bezeichnet der Beobachter Cleve als seinen Wohnort und die Einwohner Cleves als seine Mitbürger (S. 68, 415). Bezeichnend .ist folgende Stelle: „Stille, stille mein Herr, sagte ich hierauf etwas hitzig; das möchte ich unsern Westphälerinnen nicht gern in die A u g e n sagen. In diesem Stücke sind sie eben so kitzlicht, als ihre gepriesenen Helenen, und zum wenigsten haben sie unsere Cleverinnen gewiß nicht gesehen, sonst würden sie anders urtheilen" (S. 500). Die Annahme, keine V o r g ä n g e r zu haben, stimmt nur für die engere Heimat des W . B . Schon 1715—18 erschien in Minden „ D e r Mindische B o t h e " 1 ) , 1741 in B ü c k e b u r g „ D e r westphälische Patriot" 2 ), 1746 wieder in Minden die „Nützliche S a m m l u n g " 3), 1753/54 in L e m g o bei Helwing die Wochenschrift: „Westphälische Bemühungen zur A u f n a h m e des G e s c h m a c k e s und der Sitten" 4 ). D a s erste „ S t ü c k " des W . B. wurde am S o n n a b e n d , den 24. Mai 1755 a u s g e g e b e n ; der erste J a h r g a n g schloß mit Stück 50 am 8. Mai 1756. Mit dem letzten Stück erschien ein „Vorbericht" unter dem Datum des 3. Mai 1756, ein ») «) 3) *)

d'Ester S. 220. Beutler S. 36, d'Ester S. 50. d'Ester S. 50, verweist auf „Westfalen und Rheinland» 1823, S. 64, Beutler S. 51, d'Ester S. 50.



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Inhalts- und ein Druckfehlerverzeichnis. Der Jahrgang 56 bis 57 — Seiten und Stücke zählen durch — wurde mit Stück 96 am 2. April 1757 infolge der Besetzung des Landes durch die Franzosen abgebrochen; die letzten vier Nummern sind über ein Jahr später, mit dem 27. Mai 1758 anfangend, nachgeliefert worden. Das Format ist Oktav. Das einzelne Stück ist nur in Ausnahmefällen umfangreicher als 1 j i Bogen (8 Seiten). Der Preis für den Jahrgang betrug nach Kaysers Bücherlexikon 1 Rtlr. 8 'Gr. Der W. B. selbst gibt nur einige Male, am Schluß der ersten Blätter, an, daß das einzelne Stück 2 Stüber koste. Die ä u ß e r e F o r i n des W. B. ist noch recht unentwickelt. Eine Anordnung der Materien innerhalb des einzelnen Stückes fehlt. Fast ausnahmslos wird jedesmal nur eine Sache abgehandelt, einmal dies, einmal jenes; in der Regel bildet jedes Stück ein geschlossenes Ganzes, selbst wenn Fortsetzungen folgen. Überschriften sind auch dann selten, wenn innerhalb eines Stückes etwas Neues angefangen wird (z. B. S. 189, 263 usw); am Anfang cler Stücke fehlen sie stets. Nur Briefe beginnen mit einer Anrede, „Mein Herr Beobachter" oder dergleichen. Am Schluß des Jahres fand der Leser im Inhaltsverzeichnis, was als Überschrift für die einzelnen Stücke hätte genommen werden können. Als H e r a u s g e b e r des W. B. nennt eine Mitteilung im „Westphälischen Anzeiger" 1799, Nr. 85, Spalte 1367 zwei Männer, F r i e d r i c h W i l h e l m v o n D e r s c h a u (1723—1779), damals Kriegsrat bei der clevischen Kriegs- und Domänen kämm er, und den damaligen Regierungs-Referendar G o e c k e , der später Landrichter in Altena gewesen sein soll. Obwohl auffailenderweise weder bei Derschau noch bei Goecke von sonstiger literarischer Tätigkeit etwas bekannt ist, werden wir die Nachricht mangels jeglichen Gegenbeweises anerkennen müssen. Von Kohlmann in seinem Aufsatz: Christoph Friedrich von Derschau, der erste preußische Regierungspräsident von Ostfriesland (Jahrbuch der Gesellschaft f. bild. Kunst u. vaterl. Altertümer zu Emden, V, Heft 1) und von d'Ester (in seinem mehrfach angeführten Buche) wird irrtümlich der ais moralischer Schriftsteller auch sonst hervorgetretene Christoph Friedrich von Derschau (1714—

— 48 — 1799) als Herausgeber genannt. Dieser Derschau weilte aber bereits seit 1751 als Regierungspräsident von Ostfriesland in Aurich. Unter seinen Schriften findet sich der W. B. auch nie aufgeführt. — Der wirkliche, offenbar allein ausschlaggebende Herausgeber, der aus einer preußischen Familie stammende Fr. W. von Derschau 1 ), war seit 1751 in Cleve tätig. Nach manchen Versetzungen und Beförderungen kam er 1769 als Wirklicher Geheimer Etats-, Krieges- und dirigierender Minister an das Generaldirektorium in Berlin. Außerdem wurde er Generalpostmeister und erhielt die Oberaufsicht über das Salzwesen im ganzen Lande sowie die Landesverwaltung der Kurmark nebst dem Finowkanal und das Kollegium Sanitatis. Vermählt war er mit einer Tochter des Geheimrats Schuirmann aus Cleve, die ihm eine vor ihrem eigenen frühen Ableben gestorbene Tochter gebar. — Die oben erwähnte Mitteilung im „Westphälischen Anzeiger" vermochte nicht anzugeben, ob außer den beiden Genannten noch andere mitgearbeitet hätten. Darüber kann kein Zweifel bestehen, auch wenn man von den in richtiger Briefform abgedruckten Einsendungen absieht. Man ist bei moralischen Wochenschriften stets genötigt, Mitteilungen über innere Verhältnisse mit Vorsicht aufzunehmen, und insbesondere beim W. B. weiß man sehr oft nicht recht, wo die Tatsache aufhört und die Fiktion anfängt. Aber in diesem Punkte hat sich der Herausgeber doch recht unzweideutig ausgesprochen. — In dem einleitenden ersten Stück schreibt er allerdings (S. 7/8), wer er sei, und ob mehrere mitarbeiteten, sei den Lesern vermutlich ganz gleichgültig. Deswegen vermeide er, irgend einen erdichteten Lebenslauf vorzuerzählen, wie es wohl üblich sei. Nur dem doch immer neugierigen Frauenzimmer zuliebe verrate er, daß ihm eine mit Geschmack und Geist begabte Freundin — „Ihr Geschmack ist nicht von der gemeinen Art, und ihren Geist trift der Unterschied des Geschlechts gar nicht" — versprochen habe, l ) s. Historische Beyträge 1781; wörtlich daraus in: von Üchtritz diplomatische Nachrichten Bd. 3 (Leipzig 1790 — 95); kürzer im Zedlitzschen Adelslexikon. Eine Anfrage beim Verwalter des von Derschauschen Familienarchivs, Herrn Hauptmann von Derschau in Spandau, vermochte kein weiteres Material beizubringen.

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Beiträge und Material zu iiefern. — Im „Vorbericht", der, wie erwähnt, am Schluß des nun fertig vorliegenden Jahrganges ausgegeben wurde, heißt es a b e r : „Man wird bereits aus dem Unterschiede der Schreibart sehen können, daß verschiedne Blätter von andern Verfassern herrühren, und ich ersuche hiermit alle meine Landsleute, mich auch künftig mit ihren Beiträgen zu beehren." An einer andern Stelle schreibt Derschau eine Vorrede zu zwei abgedruckten Briefen, in der es heißt, er habe sich an den vornehmsten Orten Westfalens um einige Beobachter beworben, „welche mir unterweilen von dem Nachricht gäben, was ihres Orts vorfiele, und einer öffentlichen Anzeige werth zu seyn scheinen möchte." (S. 211.) Diese an sich mit Vorsicht aufzunehmende Behauptung wird in der Hauptsache durch das gestützt, was der Herausgeber im 97. Stück vom 27. Mai 1758, das den 2. Jahrgang nach der durch den Krieg verursachten einjährigen Pause fortsetzt, erläuternd bemerkt: die Zeitläufte hätten die Unterbrechung verschuldet, d i e M i t a r b e i t e r h ä t t e n n i c h t s e i n s e n d e n k ö n n e n , und die Leser hätten doch keine Sammlung gehabt. — Der Versuch, durch eine Stilanalyse etwa auszusondern, was verschiedenen Verfassern angehört, dürfte mangels aller Anhaltspunkte zu keinem Ergebnis führen, zumal der Herausgeber jedes Stück stark überarbeitet und seinem Stil angeglichen zu haben scheint. Einzelne Verschiedenheiten in der Rechtschreibung sind unwesentlich. Hervortritt n u r die erwähnte Freundin, Amalie, die im W. B. überhaupt eine bedeutsame Rolle spielt. Wenn sie keine erfundene Gestalt, sondern ein Wesen von Fleisch und Blut gewesen ist, wie man angesichts der großen Wärme, mit der von ihr stets die Rede ist, annehmen möchte, dann sind ihr nachweisbar Stück 12 (S. 81) — ein Brief mit Schilderungen eitler Frauenzimmer, sehr bezeichnender Weise mit „Allerliebste Schwestern!" beginnend, und die „Fabel" (S. 190) über die Neugier der Männer zuzuschreiben. 1 ) — Qoeckes Leben und Mitarbeiterschaft bleiben dunkel. x

) vgl. noch folgende Stellen, die auf ständige Mitarbeiter schließen lassen: S. 302: »Meine angeordnete Nebenbeobachter"; oder S. 731: »So eben theilt mir ein Freund einige bewährte Ratschläge mit," . . . , S. 212: »Meine Correspondenten werden ohne Zweifel die TTioren ihres Orts am B e n s e i , Niederrheinisclies Geistesleben. 4



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Sicherlich ist dem W. B. ein Avertissement voraufgegangen, wie es stets üblich war, in dem eine, wie bekannt, im „Vorbericht" wiederholte Aufforderung zum Einsenden von Beiträgen gestanden haben wird. Eine Anmerkung am Schluß des 1. Stückes gibt an, daß Briefe für den Herausgeber an die Hofbuchdruckerei Witwe Sitzmann in Cleve zu richten seien. Von dieser Möglichkeit wurde ausgiebiger Gebrauch gemacht. Feste Anhaltspunkte irgend welcher Art, Subskribenten listen oder dergleichen besitzen wir für dieses erste Blatt leider nicht, aber zahlreiche Einsendungen bezeugen, daß der W. B. b e t r ä c h t l i c h e V e r b r e i t u n g und Bedeutung gehabt haben muß. Schon rein räumlich. Wenn man eine — allerdings unverbindliche — Deutung der selten und nur in Abkürzungen gegebenen Bezeichnung der Herkunftsorte versuchen will, so käme man bei M. (S. 69/74, 117/119) auf Minden, bei D. (S. 131) mit großer Sicherheit auf Duisburg, bei B—d (S. 132) auf Bielefeld, bei H. (S. 242) auf Hagen (eher als Hamm), bei dem Brief über die „Feinen" (S. 243/58) auf's Wuppertal, bei W. (S. 545/55) auf Wesel, bei O. (S. 634/36) auf Osnabrück. N. (S. 140 und 302) bedeutet vielleicht Neuß, V. (S. 295/96) Venlo und Rd. (S. 425—432) Remscheid. Das Verbreitungsgebiet wäre danach recht ausgedehnt gewesen und hätte sich weit in die rechtsrheinischen „westphälischen Provinzen" hinein erstreckt. Einzelne dieser Briefe sind sicherlich echt. Bemerkenswert ist es z. B., daß der Brief auf S. 131, der wegen seines scharfen Angriffs auf einen öffentlichen Rechtslehrer nur Duisburg im Auge haben kann, tatsächlich mit „D., den 28. August 1755" gezeichnet ist. — Andre dagegen werden wir für Fiktionen halten müssen. Welche B e d e u t u n g der W. B. gehabt hat, erhellt gleichfalls aus den Zuschriften. Derschau erhielt anerkennende, zustimmende Briefe (S. 117, 634) und solche, die ihn schmähten und bedrohten, weil die Schreiber sich durch irgend eine seiner Bemerkungen getroffen fühlten (S. 56—58, 481, 723). Für eine Reihe von jungen Mädchen wurde er eine Art von Briefkastenonkel; die eine weiß nicht, wie sie sich meisten vor Augen haben, wenn sie mir ihre Beobachtungen mittheilen."

— 51 — in ihrer stillen Heimatsstadt die Langeweile vertreiben soll (S. 242), eine andre will den ihr bestimmten Mann nicht heiraten (S. 521). Manche interessierte seine Person und vor allem seine Freundin {S. 189). Andre wünschen dies oder jenes im W. B. zu finden oder ergreifen selbst die Feder, um ihre Gedanken vor ein größeres Publikum zu bringen. Und gerade solche Eingesandts entsprechen des öfteren nicht dem aufs Allgemeine, Typische gerichteten Charakter der moralischen Wochenschriften, beziehen sich auf bestimmte Fälle und Personen, die von einigermaßen Eingeweihten nicht gut verkannt werden konnten und wohl auch nicht sollten. Man fängt an, sich in die Öffentlichkeit zu flüchten. Das gilt fast ohne jeden Zweifel für die Brandmarkung des Duisburger Juristen mit seinen Plagiaten (S. 131), für die Schilderung der drei unfähigen Prediger in M. (S. 69), die Mitteilungen über die „Feinen" mit ihrem geistlichen Hochmut (S. 343 ff.) und noch manches andere. Wir erfahren femer, daß der W. B. auch auf Gesellschaften häufig Mittelpunkt des Gespräches bildete oder Stoff lieferte, auch in Gegenwart des den meisten unbekannten Verfassers (S. 91, 127). Aus all dem geht hervor, daß das Blatt etwas bedeutete; es schlug ein. So viel Erfolg hatte der Herausgeber selbst nicht erwartet; dem verleiht er im Vorbericht Ausdruck: „Denn im Anfange vermuthete er selbst nicht, daß sie lange fortdauren würde, und noch weniger versprach er sich die gütige und geneigte Aufnahme, welche sie nachher gleichwohl gefunden hat, und für die er dem Publico seine Dankbarkeit hiedurch öffentlich bezeiget." Ohne rechtes Zutrauen, halb und halb gegen seinen Willen, ist er an das Unternehmen herangegangen. „Der Verfasser der gegenwärtigen Blätter ist wider sein Denken ein Schriftsteller geworden. Seine Gefälligkeit brachte ihn dazu, und sein phlegmatisches Naturell machte ihn im voraus gegen den Beifall, den sie finden möchten, ganz gleichgültig." Nachdem er die Arbeit aber einmal übernommen hat, verfolgt er ein h o c h g e s t e c k t e s Z i e l mit Ernst und Geschick. — „Könte mein Blat im ganzen Jahre nur zehn, ia nur zween Lasterhafte zum Geschmack an der Tugend, nur zween Boshafte zu der Kentniß der Menschlichkeit, nur

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einige Niederträchtige zum Gefühl der Hoheit der Vernunft, und nur wenige Misanthropen zum geselligen Gebrauche der irdischen Güter reitzen; O wie hoch würde ich diesen Lohn meiner Bemühungen schätzen! Mögen doch ihre Verächter immerhin wie Kunstrichter groß thun. Argil mag Verdruß und Rache schnauben, und die Deuter mögen in meinen Betrachtungen ein Rätsel spitzfindig errathen und meine Gedanken auskünsteln wollen; ich bin gewiß ruhig dabei, und trotze auf die Redlichkeit* meiner Absichten," (S. 303) so faßt er seine Ziele einmal kurz zusammen. Über die Notwendigkeit moralischer Sittenrichter besteht bei ihm kein Zweifel. Er sagt geradezu in seiner Einleitung (St. 1): „Ich bin gänzlich der Meinung, das Reich der Tugend würde wichtige Vortheile davon ziehen, wenn in jeglichem Staate ein verständiger und gewissenhafter Mann bestellt würde, welchem der Fürst das Recht gäbe, alle Toren und Lasterhafte, von den Pallästen an, bis auf die Hütten öffentlich, und sogar namentlich zu bestrafen. Das Laster würde sich scheuen, sein Haupt kühn empor zu heben; es würde im finstern kriechen müssen, und der Zwang tugendhaft zu scheinen, 'würde gewis noch manchen mit der Zeit tugendhaft machen." (S. 6.) — Rom hatte in seiner besten Zeit seine Zensoren. An eine Wiederherstellung solcher Zustände ist freilich nicht zu denken. Aber wie Athen seine Schauspiele hatte, als „eine öffentliche Schule der Sitten und Tugenden," so können jetzt die Wochenschriften wirken. „Wenn sie mit gehöriger Behutsamkeit und Anmuth geschrieben sind, haben sie allezeit einige gute Wirkungen veranlasset, und ich irre vielleicht nicht, wenn ich ihnen vor andern moralischen Schriften einige Vorzüge beilege. Sie sind freyer, abwechselnder und für Leser von allerley Geschmack brauchbarer. Sie werden von mehrern in die Hände genommen, weil sie nicht so ermüdend sind. Das Frauenzimmer erweiset ihnen die Ehre sie durchzublättern, und, weil sie sich auf mehrere Fälle heraus lassen, empfängt mancher noch eine gute Lehre, der sonst wenig an Lesung nützlicher Bücher dachte. Viele lesen sie anfangs aus einer strafbaren Neugier, hernach aber verwandelt die Anmuth der vorgetragenen Wahrheit, ihre Neigung, und sie erklären sich vor die Tugend und den guten

— 53 — Geschmack. Manche Ausbrüche der Laster und Torheiten werden durch sie «gehindert; denn Toren und Lasterhafte fürchten sich vor der Satyre, und wie manchen üblen Gewohnheiten im gesellschaftlichen Leben hat nicht ihr freundlicher Spott einen Stoß gegeben?" Noch größere Wirkung als verschiedene andere, mit Beifall gelesene Wochenschriften wird ein Blatt auf seine Mitbürger ausüben, „welches mitten unter ihnen hervor trit, und wovon sie, wenn es ihnen beliebt, auf mancherlei Weise Theil nehmen können." (S. 2) — — Er ist ein „Beobachter", d. h. „ein Mensch, der auf die Sitten seiner Mitbürger, auf ihre Urtheile, Gesinnungen und Handlungen, Torheiten und Laster, ihre Tugenden und Verdienste, ihre herschende Gewohnheiten, ihre Lebensart, ihr Betragen im Umgang mit einander, kurz, auf alles, was unter ihnen vorgeht, und zuweilen sogar auf Kleinigkeiten aufmerksam ist, und seine Betrachtungen darüber anstellt." (S. 2.) „Unsere eigene Wohlart" verlangt, daß wir in dieser Weise mit offenen Augen und Sinnen durchs Leben gehen. Und um das vorgesteckte Ziel zu erreichen, darf man seine Beobachtungen auch der großen Öffentlichkeit vorlegen, wenn man n u r „auf die gehörige Klugheit, und Güte des Herzens achtet". Trotz aller beabsichtigten Vorsicht wird er, wie er voraussieht, mit dem „deuterischen Geschlecht" zusammenstoßen, das, in Westfalen noch häufiger als anderwärts, stets bestimmte Persönlichkeiten in seinen Schilderungen suchen und finden wird. Diese Deuter werden verschiedentlich angegriffen, in der Einleitung und an manchen andern Stellen. Sie werden stets Unrecht behalten. Denn selbst bei eingesandten Stücken hat er sich „die Erlaubnis vorbehalten, einen oder andern Umstand, wenn er gar zu deutlich ins Auge fiele, zu verändern, und, da ich niemals die Orte nennen werde, von denen ich die Zuschriften empfange, ia, da es allezeit mehrere Thoren von einer Art in der Welt gibt, so wird ein solcher, der sich getroffen zu seyn glaubt, allemal den stolzen Trost haben, daß es mehrere seiner Art gebe, . . ." So finden wir denn auch einmal folgende Bemerkung (S. 218): „Die schlaue Lehrbegierige hat mich schon vor einiger Zeit mit einer Zuschrift beehrt. Ihr Schreiben ist munter, artig und witzig, allein mir deucht, daß darinn die

— 54 — Schilderung eines gewissen Herrn zu lebhaft und kenntlich gerathen sey; also kann ich diesen Brief nicht einrücken." Der Herausgeber war sich sehr wohl bewußt, daß stetes Moralisieren, selbst wenn es im Zuge der Zeit liegt, nur dann zu ertragen ist, wenn es nicht nur inhaltlich wirksam, sondern auch in mannigfachen anregenden Formen vorgebracht wird, wenn des Zuhörers Aufmerksamkeit und Wohlwollen erregt wird. Deswegen sucht er, wie wir sehen, mit Erfolg, ein gewisses p e r s ö n l i c h e s Vertrauensverh ä l t n i s zwischen sich und dem Publikum zu begründen. Schon die Darstellung ist ausgesprochen und bewußt persönlich : das und das habe i c h beobachtet, m e i n e Meinung darüber ist die und die. Doch wird weit darüber hinausgegangen. Wir nehmen nicht nur an seinen Beobachtungen und Gedanken teil, wir hören auch von seinem Leben, was ihm Angenehmes und Unangenehmes begegnet. Er berichtet von zustimmenden und drohenden Briefen und druckt sie zum Teil mit seinen Antworten ab. (S. 56—58 und an anderen Stellen.) „Ich habe es wohl gedacht, ich würde nicht ohne Anfechtung bleiben, und wären sie alle so freundschaftlich, wie der kleine Zwist, den meine Freundin, Aemilia, mit mir gehabt hat; so würde ich mir ein besonderes Vergnügen daraus machen, mich darauf einzulassen," (S. 53) und etwas später: „So liebreich und freundschaftlich ist der Ton nicht, aus welchem folgende Briefe reden, welche mein Verleger vor einigen Tagen empfangen hat, und welche ich meinen Lesern iezo mittheilen will." Ein andermal läßt er uns mittrauern über den Verlust seines treuen Stars (S. 733) oder erzählt uns von einer Gesellschaft, die er mitmachte. (S. 597.) Im W. B. ergänzt er die Verteidigungsrede, die er auf ihr der Romanlektüre gehalten hat. Gelegentlich berichtet er von einer Unterredung, die er mit einem Kaufmann hatte, der des Brunnens wegen in Cleve weilte. (S. 493.) Seinen eigenen Charakter macht er des öfteren zum Gegenstand seiner Betrachtung. Zwei ganze Stücke widmet er seinen Fehlern (St. 44 und 48); es ist allerdings lauter Ironie, eine durchsichtige Satire auf alle, die als Spießbürger und Streber zu leben und vorwärts zu kommen trachten. Seine verschiedenen Fehler bestehen darin, daß

— 56 — er nicht will wie die große Masse. Trotzdem n a n n t e er sich nie. Die Lüftung des Geheimnisses müßte dem Reiz seiner Blätter nachteilig sein. — Vor allem aber macht er uns mit Aemilia und ihrer gegenseitigen Freundschaft bekannt. Die unbestimmten Andeutungen in der Einleitung hatten eine Reihe von Anfragen veranlaßt. „Ich habe verschiedene Anfragen wegen Aemilien erhalten. Einige sind aus bloßer Neugierde geflossen, andre enthalten einige übel angebrachte Spöttereien, und ein gewisser Unverschämter beschuldigt mich gar eines unerlaubten Umganges." (S. 189.) Seine Absicht, Interesse zu erwecken, hatte er jedenfalls erreicht. Sie wird häufig erwähnt als verständnisvolle Freundin, ergreift ja auch selbst die Feder zur Mitarbeit. Als sie ihm plötzlich durch den Tod entrissen wird, widmet er ihr einen Nachruf, aus dem echtes Gefühl zu sprechen scheint. Aus ihrem Nachlaß veröffentlicht er die Briefe, die sie mit ihrem späteren, vor ihr verstorbenen Manne vor der Verlobung gewechselt hat. Ihren kleinen Sohn nimmt er zu sich. Wie weit hier die Wahrheit, wie weit die für die moralischen Wochenschriften so bezeichnende F i k t i o n v o n V e r h ä l t n i s s e n u n d P e r s o n e n reicht, ist leider unmöglich zu scheiden. Wenn die Gestalt der Ämilia erfunden ist, dann ist sie jedenfalls sehr geschickt erfunden. Hatte der W. B. eine Mitarbeiterin, was damals doch immerhin sehr selten war, so gewann gleich die ganze Frauenwelt ein Interesse an ihm. Dieses Interesse wurde dann sehr bald dadurch gesteigert, daß sie als Vertreterin ihres Geschlechtes mit — wenn auch scherzhaften — Angriffen gegen die Männer zu Worte kam (S. 93, 190). Aber sie ermöglichte ihm auch, von einer hohen, geistigen Freundschaft zu reden, von der mustergültigen Erziehung, die sie genossen, von ihrer vorbildlichen Religiosität, von der würdigen, modernen Art ihrer Verlobung und Eheschließung zu plaudern; daß er ihren Sohn zu sich nahm, bot Gelegenheit zu Auseinandersetzungen über die Erziehung eines Jungen. Wenn das alles fingiert war, dann verschaffte es ihm die Möglichkeit, trockenes, theoretisches Moralisieren zu vermeiden und scheinbar grünendes, blühendes Leben für seine Zwecke fruchtbar zu machen. Das will die Fiktion ja. Deswegen wurde auch häufig die Briefform gewählt,

— 56 — um diese oder jene Frage ungezwungen, scheinbar aus dem Leben heraus, zu behandeln. Vorbedingung für das Aufkommen dieser Form ist jedoch ohne Zweifel das wirkliche Vorhandensein einer beginnenden Publizität, wie sie im W. B. tatsächlich festzustellen ist. — Wo es nur geht, belebt der W. B. seine Satire. Worum es sich auch handeln mag, der moralisierende Vortrag wird stets durch Beispiele ergänzt; in kürzeren oder längeren Absätzen werden zur Sache gehörige Charaktere genannter — natürlich fingierter — Personen geschildert und in ihrem wahren Licht gezeigt. Manches Stück enthält auch nur solche „Schilderungen" (z. B. St. 20), die, den psychologischen Blick schulend, typische Gestalten und allgemein verbreitete Fehler kennzeichnen und verurteilen, ohne in theoretische Erörterungen zu verfallen. Die Tatsache, daß ein Brief eine satirische Fiktion enthält, wenn etwa von einer „Gesellschaft der bösen Gesichter" darin die Rede ist (S. 199—204), oder daß er sonst auf unwirkliche Verhältnisse schließen läßt, beweist noch nicht notwendig seine Unechtheit. Auch die Einsender könnten satirisch veranlagt gewesen sein, wenn es auch wohl näher liegt, solche Briefe dem Herausgeber zuzuschreiben. (Z. B. S. 117, 140, 199 usw.) An weiteren E i n k l e i d u n g e n der S a t i r e fehlt es nicht. Öfters wird der Traum gewählt, teils mit, teils ohne Allegorie. Der Verfasser erzählt etwa, daß er in einer Allee wandelnd über die Liebe nachsann. Unter einer ehrwürdigen Linde schlummerte er ein. Die Grübeleien aber setzte der Traum fort, in eine Allegorie der sinnlichen Liebe und ihrer Folgen übergehend. Durch ihr anfangs lockendes Reich mit seinen zahllosen reizvollen Frauengestalten, vor ihren Thron, aber auch durch die folgende Allee der Reue und Verzweiflung führt ihn ein freundlicher Alter, der Verstand. U n d : „Hier weckte mich die traurige Nachtigal mit einem starken Seufzer auf." (St. 4, S. 29 bis 36). Ein anderer Traum führt ihn ins Reich der Tugend (St. 39, S. 319), ein dritter auf den Mond (St. 68, S. 573), wo die Menschen, eine umgekehrte Welt bildend, eine Reinigungszeit durchmachen müssen. In Stück 85 (S. 709) berichtet er über seinen Traum von einem „Ehegericht" vor Pluto, der,



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die Klagen der Ehegatten anhörend, die entsprechenden Strafen verhängt. — Ein andermal (St. 37/38, S. 305—318, St. 40/41, S. 327—342) finden wir ein „Lexikon der hauptsächlichsten in Westphalen üblichen Wörter und Redensarten mit Noten verfertiget von Jakob Dreist," das in alphabetischer Anordnung eine große Anzahl von Redensarten und Schlagwörtern aufführt, um sie voller Ironie und Sarkasmus satirisch zu verwerten. Z. B. „ S i c h d i v e r t i r e n wird hauptsächlich bei Gesellschaften gebraucht. (Siehe Oesellschaft.) Ich habe mich schön divertirt, heisst im eigentlichen Verstände oft so viel, als ich habe mich um meine halbe Vernunft getrunken ; oft, ich habe mich an der Lombertafel einige Stunden steif gesessen, leblose Bilder durcheinander geworfen, und blindlings einige Thaler verloren; oft aber auch, ich habe ausser dem Gesundheitstrinken keinen einzigen witzigen Einfall bemerket. Die Zeit nur ist verloren/ Die ich mit goldnen Thoren/ Bei Spiel und Wein und Pracht/ So fühllos durchgelacht. Zachariä." Darunter: „ E h r e . Der Mann hat viel Ehre, dies bedeutet so viel, als er ist visitenfähig, und zum Handkuß des Frauenzimmers bereits zugelassen" usw. Ähnlich ist eine Abhandlung über die „Anfangsgründe der Verleumdungskunst, zum bequemen Gebrauch der Theetafeln" (St. 10, S. 79), in einer, die philosophischen und überhaupt wissenschaftlichen Kompendien jener Tage mit ihrem in unzählige Paragraphen zerlegten Wissen parodierenden Form; oder eine Sammlung grotesker Rezepte für verspottete Fehler und Gebrechlichkeiten (S. 375, 399) und Vorschriften des Aberglaubens für Wöchnerinnen und ihre Kinder. (S. 731, 739.) — Für seinen Kampf wider unnütze westfälische Reimhelden und Gelegenheitsdichter erfindet der Verfasser eine besondere Persönlichkeit, Jost Reimhammer, dessen Lebensgeschichte selbst eine Satire auf den Werdegang solcher Verseschmiede für Hochzeiten, Tauffestlichkeiten usw. ist. Als Sohn eines Küsters, während seiner Schüler- und Studentenzeit dauernt vor einem Nichts stehend, durch Freitische notdürftig



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am Leben erhalten, war er darauf angewiesen, seine Fertigkeit im Reimen auszunutzen und für andere bezahlte Arbeiten auszuführen. Seine Winkelexistenz erlitt auf mehreren Universitäten Schiffbruch. So wurde er von Duisburg aus in westfälischen Landen Gelegenheitsdichter, von Herrensitz zu Herrensitz ziehend, wo man ihn gerade brauchte. Jetzt erhält er die Aufgabe, auf einem Packesel seine Zunftgenossen zur Abstrafung nach Cleve zu bringen. Ab und zu laufen Berichte von ihm ein. (S. 525, 654.) — Das ganze Reimhammersche Unternehmen ist natürlich Satire, die Angegriffenen aber müssen gelebt haben, denn einzelne ihrer Machwerke werden im Auszug abgedruckt und zerzaust. (S. 287 ff.. 656 ff.) Auch die s a t i r i s c h e F a b e l vermissen wir nicht (S. 190, 358); ebenso wenig die fabel- und märchenhafte Erzählung. St. 66 (S. 557) z. B. enthält den Bericht, den der aus Westfalen in die Hölle zurückkehrende Teufel Astaroth vor Beelzebub abstattet. Das gleiche Stück enthält die Erzählung von einer Kavaliersfahrt Jupiters. (S. 562—64.) U n e i n g e k l e i d e t ist die S a t i r e , wenn z. B. der Hergang einer westfälischen Visite unmittelbar verspottet und angegriffen wird (St. 3, S. 17), wenn die üblichen Neujahrsgebräuche einer scharfen, direkten Kritik unterzogen (St. 32, S. 259), Charaktertypen mit großen, übertreibenden Strichen hingezeichnet und lächerlich gemacht werden (z. B. St. 12, S. 81; St. 20, S. 159; S. 372 und viele andere Stellen), oder wenn ironisch der Nutzen des Behorchens geschildert wird ; (St. 17, S. 133). In sehr vielen Fällen fehlt es aber an jeder satirischen Zuspitzung, nicht nur, wenn sie der Sache nach nicht am Platze ist, z. B. wenn vorbildliche Beispiele geschildert oder etwa Aemiliens Bibliothek zusammengestellt wird, sondern auch bei Stoffen, die an sich satirische Behandlung vertrügen: Die s a c h l i c h e A b h a n d l u n g zu allerhand Kultur- und Bildungsfragen ist durchaus nicht selten. Hierher gehören, neben vielen andern, etwa die Artikel: Vom Studieren des Frauenzimmers (S. 151) oder: Von der westphälischen Mundart (S. 61) oder die Stücke 89 und 90 über Schulwesen (S. 741, 757).

— 59 — D i e S p r a c h e des W. B. ist die der guten Literatur jener Zeit, durchaus „sächsisch". Der Herausgeber verkennt keineswegs den Wert und die Berechtigung westfälischer Art und Mundart, tritt vielmehr entschieden für sie ein. Aber die Literatursprache ist seiner Meinung nach einzig das „Obersächsische". Ganz vereinzelt finden sich plattdeutsche Wendungen. Die polternden Auslassungen einer am Althergebrachten hängenden westfälischen Mutter über die neumodischen Bildungsbestrebungen der Frauen bilden die einzige längere Partie: „Ja", sagt Frau Sara mit einem gezogenen Tone, und nimmt ihre Brille von der altklugen Nase, „Korzwiel is dat! Wat heft miene Dochter mit den Bokern to dohn? Da heft de Juffern neen Werk mit. Dat Spinnrad tüsken de Beene, dat gehört für se! wat miene Dochter wieten sali, will ik ehr wol sülvest lehren. Se is nu im groten Katechissem; wenn se den von buten kan, denn kan se genog, mehr heft se nich nödig. Mehr hebbe ik auk nich gelehrt, und hebbe doch enen braven Mann kregen." (S. 156.) — Der S t i l ist ohne auffallende Eigentümlichkeiten, mitunter etwas weitschweifig, in der Regel aber nicht ungewandt und treffend charakterisierend. Freilich sind so plastische Bilder wie: „Ottilien haben die Pocken so übel zugerichtet, daß sie einer Wiese ähnlich sieht, welche die Maulwürfe durchritten haben" (S. 301) nicht allzu häufig. Einzelne Stücke sind aber geradezu glänzend geschrieben, so der Brief tiner Westfälin an eine Sächsin, die ihrem Auserwählten in seine westfälische Heimat folgt, in dem die Empfängerin auf so viel Unkultur, die ihr begegnen wird, schon bei den Hochzeitsfeierlichkeiten, hingewiesen wird (St. 91), und die reizende Plauderei des Beobachters über die liebenswürdige Aufnahme und vornehme Gastlichkeit, die er auf einem feinen Edelhofe gefunden hat. (St. 97.) — An rechter Stelle wird ein derbes Wort nicht gescheut, mitunter ist der Ton sogar auffallend ungeniert.') ») St. 20. S. 162 »Wie sittsam erröthet nicht die artige Daphne, wenn der Herr Doctor Z. in der Qesellschaft witzige Zoten reisset! Das unschuldige Kind! Ihr wisset es nicht, dass sie schon in ihrem vierzehnten Jahre die ecole des filles gelesen hat; und daß sie beim ScHlafengehen die unflätigsten Discourse mit ihrem Mädchen führet. Sie hat die wollüstigsten Träume, und sie würde sich schon, ich weiß nicht, wem? Preis gegeben haben, wenn sie nicht gewisse üble Folgen befürchtete.

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Zur Belebung des Textes und zur Verstärkung seiner Wirkung dienen häufig eingestreute Gedichtstellen; manchmal geht die Prosa sogar ganz in Verse über. (S. 381/82 z. B.) Auch lateinische und französische Zitate finden sich. (S. 241, 394 z. B.) — Der Verfasser hatte in seiner Einleitung behauptet, seiner Naturanlage entsprechend werde der Ernst überwiegen. Das trifft auch wohl zu; doch kann man sich nicht beklagen, daß der Humor zu kurz gekommen sei. (Vgl. z. B. S. 716 oben und unten und viele andere Stellen.) — Erwähnung verdient noch, daß die verwendeten Namen das gleiche unwirkliche Aussehen haben wie in der Literatur des früheren 18. Jahrhunderts: Sehnde, Fulvia, Silvia, Eudalie, Chloris; Marfurius, Stentor, Mops usw. D e r I n h a l t des W. B., mannigfach wie seine Form, ist durch sein Ziel, die Mitbürger in jeder Hinsicht zu läutern, bestimmt. Selbst das wenige, was von aktuellen Zeitereignissen Widerhall findet, der siebenjährige Krieg mit seinen bevorstehenden Schrecken, oder die furchtbare Feuersbrunst in Cleve, dient lediglich als Ausgangspunkt für moralische Betrachtungen, neben anderen, wie literarischen oder fingierten verwandt. (St. 73, 93, 97.) Nur in St. 70 vom 2. Oktober 1756 (S. 589) — hier hören wir zum erstenmal vom Kriege, den Friedrich bereits im August durch den Einfall in Sachsen eröffnet hatte — ist das Moralische nur Verbrämung. Es berichtet von den schlimmen Plänen österreichischer Minister, denen der König glücklicherweise zuvorgekommen sei, und von der mehr oder weniger großen Wahrscheinlichkeit, selbst vom Kriege betroffen zu werden. Als w e s t f ä l i s c h e r Beobachter geht er von einer S c h i l d e r u n g d e r w e s t f ä l i s c h e n E i g e n a r t mit ihren mancherlei Vorzügen und vielen Schwächen aus, wie sie sich ihm darstellt. (St. 2, S. 9 ff. und an vielen andern Stellen.) „Sie passen in alle Formen, und es kommt nur bei ihnen auf die Erziehung und den Umgang an. Sie sind Also wundert euch nicht, wovon sie so blaB aussiehet. Ich habe neulich in ihrem Putzschranke etwas liegen gesehen, das war ein . . doch ich darf es nicht nennen. Genug, wer sie einmal heirathen wird, darf auf ihre unverletzte Keuschheit keine Rechnung machen." Vgl. auch den Brief August Reinlichs, St. 78, S. 659.



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so geschmeidig wie Wachs, das alle Gestalten annimmt, so man in dasselbe eindruckt." Deswegen ist vielleicht keine „Nation" schwerer zu schildern. „Ich lobe an meinen Landsleuten ihr gutes Herze, Sie sind redlich, aufrichtig, treu, fleißig, ehrbar und zur Falschheit und Schmeichelei ungeschickt. Sie sind mitleidig und offenherzig, aber in keinem so großen Grade als andere Völker, die sich oft wegen ihrer Übereilung Vorwürfe machen müssen." Weiter: „Bisweilen scheinen sie lasterhafter als andere Völker, weil sie ihre Laster unter dem Schein der Tugend nicht zu verbergen wissen. Ihre Keuschheit ist, gegen andere teutsche Provinzen zu rechnen, unbefleckt. Kein Laster ist bei uns schändlicher als das Buhlen." Aber: „Die Westphäler sind zu allen Wissenschaften geschickt, aber wenige sind ihnen recht ergeben." Ihr rauhes Wesen ist tadelnswert. „Sie meinen, ein solches lächerliches Wesen erforderte ihre alte teutsche Redlichkeit." Ihre Aufführung gegen Fremde ist schlecht. Ihre „Kinderzucht" läßt zu wünschen übrig. „An der Familienseuche krankt ganz Westphalen." Ohne Familie kein Ansehen ; deswegen die vielen unglücklichen Ehen, die nach Familienrücksichten schon in der Wiege geschlossen werden. Die sehr allgemein gehaltenen lobenden Worte erscheinen nur als Versüßung der bitteren Wahrheiten. Immer wieder kommt er auf alles das zurück, was dem Westfalen auch sonst vorgeworfen wurde und wird, immer wieder rügt er allgemein menschliche Fehler und Schwächen, in Abhandlungen und Schilderungen, bald diese bald jene Einzelheit hervorhebend. — Alle typisch westfälischen Mängel beruhen im Grunde in dem Fehlen wirklicher, kultureller Durchgeistigung des Wesens und Seins. W o man auch ansetzen mag, stößt man auf denselben Mangel: Überall Grobkörnigkeit, Plumpheit, Unbeweglichkeit, Kleben am Althergebrachten. Es fehlt an der geistigen Regsamkeit, die sich über die Verhältnisse stellt, die über Vorurteile und Aberglauben hinwegsieht, an Selbstbeherrschung in allen Lebenslagen, ob es sich um geduldiges Ertragen einer Krankheit oder um den Verkehr mit Untergebenen handelt. Unzählige Ehen werden durch Rücksichtslosigkeit und Gehenlassen zur Qual. Das Gemütsleben läßt gleichfalls alle Verfeinerung durch Bil-



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dung vermissen. — Immer wieder dringt der W. B. deswegen auf Selbstbesinnung, unmittelbar durch nackte Worte und mittelbar, indem er einen fehlerhaften Charakter nach dem andern zergliedert oder auch Muster hinstellt; immer wieder fordert er geistige Selbsttätigkeit und Selbstbeherrschung, Erhebung über den Alltag in die reineren Höhen geistigen Lebens und veredelten Genießens echten Menschentums. Leider aber ist Westfalen dank dem Mißtrauen und der Unnachgiebigkeit seiner Bewohner das Land der „Prozeßseuche". (St.37.) Die meist wenigen h e r r s c h e n d e n F a m i l i e n in den Städten sind untereinander in „Mißgunst, Eifersucht, Haß und Streit" zerfallen, und innerhalb der ausgebreiteten Verwandtschaft herrscht ein schrecklicher Familienklüngel; „Familiensynoden" unterdrücken die freie Entschließung des einzelnen und halten sich insonderheit für verpflichtet, alle Eheschließungen streng zu überwachen. (S. 300.) Der A d e l ist darin nicht besser. Ein ganz lächerlicher, geschwollener Stolz kennzeichnet ihn. Dabei hat er meist kein anderes Verdienst als seine Geburt. Über seinen Hof schaut er nicht hinaus, Pferde, Hunde und Jagd sind seine einzigen Interessen. Die Informatoren für die heranwachsenden Junker werden womöglich nach dem Grundsatz möglichster Billigkeit ausgesucht. Dem Adel gegenüber wird die Satire häufig recht scharf. (S. 56, 205, 358, 579.) Das g e s e l l i g e u n d g e s e l l s c h a f t l i c h e L e b e n kann nach alledem auf keiner besonders hohen Stufe stehen. (St. 3, 26, 31 usw.) Für den Gebildeten ist es unerträglich, da Interessen, die über die alltäglichen Fragen hinausgehen, kein Echo finden. Auf den Gesellschaften beschäftigt man sich mit Essen und Trinken, die gähnende Langeweile sucht man durch Kartenspiel zu verscheuchen. Von natürlichem, unbefangenem Umgang ist nichts zu merken, Förmlichkeiten und strenge Etikette werden übermäßig gewertet, jeder ist vor dem andern auf der Hut. — Die Tanzpicknicks des Winters haben sicher ihre Berechtigung; denn trotz allen Eiferns dagegen behält das Tanzen, weil es Bewegung schafft, seinen Nutzen, wenn man auch „auf der andern Seite manche Ausschweifung bei denselben beobachtet." (S. 214.) Statt ihrer und der leider

— 63 — häufigeren Spielpicknicks werden „gelehrte Picknicks" vorgeschlagen, auf denen zwar „nicht eigentlich gelehrte Dinge besprochen, aber auch keine nichtswürdigen Gespräche von Kleinigkeiten," sondern solche von „wichtigeren und anmutigem Materien" geführt werden sollten. (S. 303.) Die Zusammenkünfte müssen „Erhohlungen des Geistes seyn, und ein paar Frauenzimmer von frölichem Wesen geben ihnen das beste Ferment." Überhaupt muß die Frau mehr in die Geselligkeit hineingezogen werden: „Hierin fehlt uns ein wichtig Stück der feineren Lebensart" (S. 27), zu der die Westfalen zu führen das ehrliche Bestreben des W. B. ist. Auch sie sollen die Schönheit eines Lebens kennen lernen, in dem Kunst, Literatur, Musik, gebildeter Umgang, verständnisvoller Naturgenuß eine Rolle spielen. Freilich, noch ist es weit bis dahin. Noch haben die Mitbürger Schwierigkeiten mit dem Hochdeutschen, falls sie es überhaupt sprechen, was bei vielen Frauen vor allem nicht der Fall ist. (S. 67/68.) Die l i t e r a r i s c h e B i l d u n g befindet sich auf einem bedauerlichen Tiefpunkte. „Die Erfahrung hat mich schon oft gelehrt, daß die meisten nicht wissen, was sie aus einem Gedicht machen sollen, und daß es ihnen sehr gleichgültig ist, ob sie einen ausgepeitschten Gassenhauer oder ein rührendes Gedicht von einem unsrer besten Poeten hören. Picander, Hofmanswaldau, Menantes, Günther sind allenfalls ihre vortreflichsten Dichter, die sie noch kennen. Ich habe die Probe gemacht, und verschiednen einige Stellen aus dem Messias, Hallers Gedicht von der Ewigkeit, oder einige Cramersche Oden vorgelesen; ich habe auf die »Wirkung derselben acht gegeben: aber wie ärgerte ich mich, da ich sehen muste, einige blieben ganz kalt und unempfindlich, andre lobten blos das erhabne Deutsche, welches darin wäre (so wenig wüsten sie, wo sie das Erhabne suchen sollten) noch andre empfanden zwar, aber so dunkel und schwach, als ein Schlafender, welcher eine Musik höret und fortschläft." (S. 107.) Daß Gellerts Schwedische Gräfin und Lessings. Miß Sara Sampson keinen Beifall finden würden, dessen :>t er sicher. „Hanswurstpossen würden allen möglichen Beifall erhalten, und schon mehrere haben angemerkt, daß es auch einen Logenpöbel gebe." — K u n s t u n d K ü n s t l e r gibt

— 64 — es In Westfalen schon gar nicht; sie würden auch kein urteilsfähiges Publikum finden. (S. 105.) Nur einige elende Reimer, gegen die nicht scharf genug vorgegangen werden kann, fristen ihr Dasein. (St. 35, S. 287, St. 95.) Die veredelnde Musik wird vernachlässigt. (St. 11.) Voller Freude werden daher brauchbare, von Landsleuten eingesandte Gedichte abgedruckt, zum Beweise, daß es einige „gute Köpfe" doch gebe. (St. 55, 91, 100.) — Die hohe B e w e r t u n g d e s W e i b e s , die Derschau auszeichnet, erhellte schon aus den eben angeführten Worten über gelehrte Picknicks. Sie tritt immer wieder zutage. Daß er den Frauen nicht gern einmal etwas versetze, darf man nicht erwarten. Ihre weiblichen Sünden und Schwachheiten, Neugierde, Eitelkeit, Putzsucht, Arbeitsscheu, Mannstollheit usw., werden ihnen allen Ernstes vorgehalten. Aber nirgends verfällt das Weib als solches einer besonders geringschätzigen Beurteilung. Es kommt vielleicht etwas schlechter weg, aber doch mehr nach dem Grundsatz: Was sich liebt, das neckt sich. Und Aemilia findet sogar Gelegenheiit zu neckischen Ausfällen gegen die Männerwelt. (S. 93.) Gegen die Behauptung von der größeren Neugier der Frauen läßt sie eine den Männern ungünstige Fabel abdrucken. (S. 190.) Das humoristisch behandelte Ehegericht (S. '709) und seine briefliche Kritik seitens einer Erzürnten (S. 723) fallen ganz in die Richtung dieses scherzhaften Kleinkrieges. — In Aemilia, der hoch erhobenen, wird das ganze Geschlecht geehrt. (St. 53, 57 und 58 vor allem.) Für die zarte Blüte einer so reinen Freundschaft, wie sie hier bestand, sind zwar auf beiden Seiten nur wienige reif, an ihrer Möglichkeit darf jedoch nicht gezweifelt werden. Denn „Hochachtung und Bescheidenheit sind allemal sichere Vormauern der Keuschheit gewesen," und: „Ein Frauenzimmer von männlichem (!) Geist wird ihren Vertrauten allezeit in der gebührenden Ehrerbietung erhalten." — Entsprechend ist die Hochschätzung der E h e . Es ist bemerkenswert, daß der Beobachter es nie für nötig hält, über eheliche Untreue zu eifern. Was er beanstanden muß, ist der Mangel an der ihr gebührenden Hochschätzung, die Unfähigkeit der Ehegatten, sie zum Paradies zu machen. „Eine Ehe ohne Zärtlichkeit gleichet der abscheulichen Insel; . . . auf welcher diese liebenswürdige

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Gattin mit ihrem zärtlichen Ramiro und einem unschuldigen Pfände ihrer Liebe ihr Leben auf die kümmerlichste Weise vor Hunger beschließen mußte. Eine zärtliche Ehe ist das Paradies auf Erden. Wie selig ist der Mann, der eine solche Gattin besitzt und nach ihrem Wert zu schätzen weiß!" Darum muß auch das Herz entscheiden, nicht Familienrücksichten oder der Wille der Eltern. Sinnlos und grausam ist vor allem die Sitte, jüngere Töchter nicht vor älteren zu verheiraten (S. 295 ff.) Der Marburgische Kanzler Hombergk zum Vach hatte Recht, wenn er „die Jungfern unter die res fungibles, quae conservando conservan non possint" setzte. Er weiß Beispiele, „daß drei, vier erwaschsene Töchter haben das Opfer dieses unsinnigen Herkommens werden müssen. Sie blieben den Eltern zur Last, und am Ende nahmen sie dann, wen sie kriegen konnten, oder sie wurden melancholisch, und die eine fiel gar in verbotne Liebe." — Eine ideale Verlobung und Heirat war die Ämiliens. Derschau spricht des breiteren davon und veröffentlicht den Brief, in dem ihr späterer Gatte um sie anhält, und die Antwort, die ihm wurde. Da gab's keine törichten Zeremonien, keine unangebrachte Scham, kein Gehabe vor oder nach der Hochzeit. „Zu heirathen ist keine Sache, deren man sich schämen dürfte, und eine ehrliche, tugendhafte Liebe zu einer Mannsperson wird ihr kein Mensch in der Welt übel nehmen." (S. 471.) Am erfolgreichsten wird die moralische Erneuerung stets sein, wenn sie bei der Jugend und in der Jugend einsetzt. So richtet der W. B. denn auch sein Augenmerk auf E r z i e h u n g u n d U n t e r r i c h t , vielleicht nicht ganz in dem Maße wie viele anderen Wochenschriften. — Die Stücke 89 und 90 sind ausschließlich Schulfragen gewidmet. Die früher in den Schulen herrschende Pedanterie in Zucht und Unterricht ist zwar großenteils geschwunden. Man führt die Jugend jetzt auf kürzerem Wege schneller zum Ziel, zur Brauchbarkeit, „zu den Diensten der Republik", wobei Republik stets im Sinne von „Staat" gebraucht wird. Aber noch vieles ist tadelnswert, wiewohl es als Anmaßung zurückzuweisen ist, wenn sich heute jeder Naseweis und jeder Vater, der das Schulgeld bezahlt hat, herausnimmt, Schule und Lehrer meistern zu wollen. An dem jedoch nicht abzuleugnenden B e n s e 1, Niederrheinisches Geistesleben.

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Verfall der Schulen sind nicht die Schulmeister oder die Schulen selbst Schuld, sondern der Staat, weil er nicht für die richtigen Lehrkräfte sorgt. Dieser grundlegenden Frage wird leider ganz allgemein zu wenig Wert beigemessen. Man nimmt „verrostete Kandidaten", die zum Pfarramt nicht taugen, aber von ihrer Familie wenigstens in einer solchen Versorgung untergebracht werden. „Wie gewaltig versündigen sich also alle die nicht an einem Lande, welche nicht clie Geschicktesten und Besten zu Lehrern bestellen, sondern hierin nach Gunst, nach Eigennutz und andern unlautern Absichten verfahren!" Für die wichtigeren Stellen muß man sich Leute von auswärts verschreiben, denn wer von Einheimischen genug Geschick besitzt, geht lieber auf eine bequeme Pfarre, da das Schulamt wenig Lohin, Annehmlichkeit, Ehre und Dank einbringt. Daraus sollten die Konsequenzen gezogen werden: „Warum bestimmt ihr also den Schullehrern keine größere Belohnung? — Es kann seyn, daß eine Stelle vor zweihundert Jahren einträglich war; allein ist sie es noch, da alle Preise über drei Viertheile gestiegen sind?" Der Staat müßte eingreifen und die aus frommen Stiftungen stets in gleicher Höhe fließenden Gehälter regeln. — Und dann die Ehre! „Ja, sagt ihr, das ist es eben. Die wenigsten Schulleute verdienen einen besonderen Vorzug; es ist weder Lebensart, noch edles Wesen an ihnen, sie sind nicht genießbar. Aber seyd ihr nicht selbst daran Schuld? Warum ziehet ihr sie nicht hervor, daß sie artiger und geselliger würden? Eins ist hier wechselsweise die Ursache des andern. Man hält Schulleute verächtlich, weil ihrer viele von geringerer Abkunft, oder von schlechten Sitten sind, und die gemeine Verächtlichkeit scheucht andere zurück, nicht in den Schulstand zu treten." Auch darin handelt der S t a a t unbillig, daß er sie nicht befördert, ihnen nicht einmal Altersruhe gewährt und sie nach Verdienst versorgt. — Das Los der Hauslehrer und Informatoren ist womöglich noch bedauernswerter. Sie werden als Bediente behandelt und müssen froh sein, wenn sie so besoldet werden wie der Jäger des Herrn oder der Koch. (Vgl. S. 205.) Das S c h u l i d e a l des W. B. ist die dreiteilige Einheitsschule Matthias Gesners (1691—1761). „Sowohl Künstler als

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Kaufleute, Soldaten, Baumeister, Landwirte und alle andern, welche dem Staate nützlich werden sollen, müßten ihren Unterricht darin finden." Der von Gesner geforderte Betrieb der Realfächer wird stark befürwortet. Im klassischen Unterricht muß die neuhumanistische, auf Ausbildung von Geschmack, Verstand und Herz ausgehende Methode die alte formalistische immer mehr verdrängen. Merkwürdigerweise wird die 1747 von dem Schüler des Franckeschen Seminars Johann Julius Hecker in Berlin gegründete Realschule als ein Muster hingestellt. Sie entsprach etwa heutigen Fachschulen, nicht aber höheren Unterrichts- und Erziehungsanstalten. Der Gesnerschen Schule glich sie darin, daß die verschiedensten Kurse für verschiedene Berufe nebeneinander herliefen, in einzelnen Hauptfächern, Religion z. B., aber gemeinsam unterrichtet wurden. Ein schwerer Schaden ist das Vorhandensein so vieler kleiner Schulen. Wenige große wären ihrer Aufgabe in viel höherem Maße gewachsen. Diese Erwägung führt auch dazu, im Interesse der Allgemeinheit die private Erziehung der Kinder und den häufigen, ohne stichhaltige Gründe erfolgenden Besuch „ausländischer" Schulen zu bedauern. Beinahe noch mehr im Interesse der Betroffenen selbst liegt es, sie nicht zu früh von der Schule zu nehmen und unreif eine Universität beziehen zu lassen. Von größter Bedeutung für Volk und Staat ist ferner die Ausgestaltung des vernachlässigten L a n d s c h u l e n w e s e n s . „Man begnügt sich, der Jugend die notdürftigsten Wahrheiten der Religion einzuprägen; allein die Landschulen sind nicht darnach, daß darin der Verstand nur einigermaßen erleuchtet würde, und sind die Kinder erst konfirmiert; so bekümmert sich vollends niemand weiter um den Anbau einer gesunden Erkenntnis. Der Prediger bleibt bei seiner Bibel, und der Bauer in seiner Dummheit." (S. 586.) Bessere Schulverhältnisse würden ein ganz anderes Volk großziehen, zumal wenn der Lehrer für „die Vornehmsten aus seiner Gemeine in allerlei Dingen, die zu der Naturlehre, der Wissenschaft und dem gemeinen Leben gehören," besondere Kurse, abhielte. (S. 587.) So nur kann dem entsetzlichen Aberglau-

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ben, der in Westfalen bis in hohe Kreise hinein herrscht, wirksam entgegengetreten werden. Das Grundübel in der K i n d e r e r z i e h u n g ist die Vernachlässigung in den ersten Jahren. Man geht meist erst an die Arbeit, wenn das Unkraut schon üppig empörgeschossen ist. Und dann fehlt es den Eltern gewöhnlich an unbefangener Beurteilung ihrer Lieblinge. Sie sehen in ihnen Engel, denen von Lehrern und Erziehern stets Unrecht geschieht. Sie werden entweder unverantwortliich verweichlicht und verwöhnt, oder gänzlich bezahlten Kräften überlassen. — Dem steht die Art gegenüber, wie Derschau seinen Pflegesohn, das Kind Ämiliens, erzieht. (St. 74.) Es ist zwar auch sein erstes Bestreben, dessen Liebe und Zutrauen zu gewinnen. Aber nicht durch Schwäche und Nachgiebigkeit will er dahin kommen: „Oleichwohl sehe ich ihm deshalb nicht durch die Finger. Ich ahnde seine geringsten Versehen, obgleich mit gelindem Ernste, und meinen Befehlen muß er den genauesten Gehorsam leisten." (S. 626.) — Gesprächsweise, auf Spaziergängen sucht er seine Sinne zu entwickeln und seinen Blick für Naturschönheiten zu schärfen, macht er ihn mit Dingen und Verhältnissen bekannt. Auch zu Hause beschäftigt er sich viel mit ihm, denn „unsre meisten Kinder sind im achten, neunten Jahre schon so verderbt, oder zum wenigsten von so schlechter Bequemlichkeit zur Gesellschaft, daß man sich scheuen muß, ein Kind guter Art darunter zu stecken." (S. 623.) Ein hartes Urteil, und beinahe furchtbar im Munde eines im Grunde doch so gütigen und maßvollen Menschen wie der Herausgeber war. Man muß sich aber vergegenwärtigen, daß man damals weder in pietistischen noch in aufklärerischen Kreisen, zu denen der Herausgeber gehört, geneigt war, die besondere Natur des Kindes anzuerkennen. Die Äußerung läßt also eher auf gesunde Verhältnisse schliessen, die freilich zu dem ernsthaften Kinderideal, zu den Musterkindern, in schroffem Widerspruch stehen mochten. — Der H. ist sehr wahrscheinlich erst durch Basedow auf Ges*) S. 584. will nicht sagen, ehrbareren und gehet" S. auch

»Man glaubt es kaum, was nöch für Aberglauben, ich unter dem allerdfimmsten Pöbel, nein, selbst unter den vornehmeren Leuten, insonderheit in W. im Schwange S. 586, S. 731, 739.

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ner aufmerksam geworden, wie überhaupt seine ganze Erziehungsmethode der von Basedow in seiner Dissertation 1 ) entwickelten entspricht. Wie jener knüpft er zu Hause beim Unterricht an Kupferstiche an und erzieht den kleinen Franz zu selbständigem Lesen und zu Fertigkeit im Vortrag. — Das größte Gewicht legt er darauf, den Keim der Religion zu pflegen, den so viele verkümmern lassen oder, vielleicht in bester Absicht, ersticken. Mit der Belastung der Gedächtnisses wird nichts erreicht. Die Religion muß zu tiefer Religiosität führen. Sehr ernsthafte Betrachtungen werden dem Problem der M ä d c h e n b i l d u n g gewidmet. Nach Derschaus Ansicht fehlt es den Frauen keineswegs an den nötigen Gaben und Fähigkeiten, und es ist Pflicht, sie auszubilden. „Ich sage nicht zu viel, wenn ich behaupte, das Glück der Familien, die Wohlfarth eines Staats, ia das Beste des ganzen menschlichen Geschlechts beruhe grossen Theils auf dieser schöneren Hälfte desselben. . . . Welche Vortheile würden nicht daraus erwachsen, wenn es von Jugend auf zu etwas mehr, als zu den niedrigen Geschäften in der Haushaltung oder vor dem Spiegel angeführt würde?" (S. 153.) Wie unerhört gering ist aber noch ihre Bildung, wie eng ihr Gesichtskreis! Der Mann kommt heraus, studiert, lernt im Umgang mit vernünftigeil Männern. „Wer nimmt sich aber des armen Frauenzimmers an, welchem diese Hülfsmittel fehlen, und das gleichwohl nicht weniger, als iene, einer bessern Anführung werth wäre?" (S. 588.) Auch für Frauen ist es entehrend, schwere Irrtümer und Vorurteile zu hegen, tief im Aberglauben zu stecken. — Der Blaustrumpf wird aber doch nicht als Ideal hingestellt: „Eine gelehrte Frau, wie sie Moliere schildert, ist eine lächerliche Närrin." (S. 153.) — An öffentlichen Anstalten für Mädchen fehlt es leider gänzlich. Nicht einmal der Wunsch nach solchen ist vorhanden oder wird auch nur begriffen. (S. 158.) — Leider verbietet den meisten Frauen schon der Mangel an äußeren Glücksumständen ernsthaftes Studium. Zum größten Teil sind sie darauf angewiesen, sich ') »Ungewöhnliche und doch vorzügliche Unterrichtsmethode für die Jugend der höheren Stände,« 1751 lateinisch geschrieben.



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durch Lesen zu bilden. Ihrer Unerfahrenheit auf diesem Gebiete kommt er zu Hilfe, indem er (St. 71) ausführlich über Romane spricht — mit Maß und in richtiger Auswahl gelesen sind sie nützlich — und (in St. 21) die übliche Frauenzimmerbibliothek vorführt, die in wenigen Wochenschriften fehlt. Sie gehört angeblich Ämilia. Die in 9 Gruppen zerfallende Zusammenstellung verrät umfassende Literaturkenntnis. Die erste G r u p p e enthält Schriften, die zur Religion und Erbauu n g g e h ö r e n ; die zweite solche, deren Inhalt natürliche Religion und Naturwissenschaft bilden; in der dritten stehen die Historiker, mancherlei in merkwürdiger Eintracht nebeneinander, Bossuets Einleitung in die Geschichte der Welt und der Religion neben dem „Leben der Frau von Maintenon und der Ninon von Lenclos". Viertens folgt die moralische Klasse mit hauptsächlich fremder Literatur, Griechen, Römer, Franzosen, Engländer. Fünftens erscheinen Ämiliens moralische Wochenschriften, im ganzen über 30, darunter die drei ersten englischen von Steele und Addison, die an der Spitze der ganzen Bewegung stehen, The Tatler (Der Plauderer) 1709—1711, T h e Spectator (Der Zuschauer) 1711—1712, The Guardian (Der Vormund) 1713, und die beiden bedeutsamen deutschen, „Der Patriot", H a m b u r g 1724—1726 und „Die Vernünftigen Tadlerinnen" Gottscheds 1725—1726. Die gewöhnlich vor und neben diesen genannten „Discourse der Mahlern" von Bodmer und Breitinger in Zürich 1721—1723 fehlen. Eine besondere, die sechste, Abteilung bilden die Monatsschriften, unter ihnen an erster Stelle „die Belustigungen des Verstandes und Witzes" (1741 von Gottscheds Schüler Johann Joachim Schwabe in Leipzig begründet) und die Bremer „Beiträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes" (von 1745—1750 von ehemaligen Mitarbeitern der „Belustigungen" herausgegeben). Die Abteilung sieben enthält die nicht allzu zahlreichen meist englischen Romane. Als einziger deutscher erscheint Gellerts „Schwedische Gräfin" (1747). Abteilung acht umfaßt die zeitgenössischen deutschen Dichter; daneben ganz vereinzelte Franzosen und Engländer. Neuntens steht unter „Vermischte Schriften" allerhand, was oben vergessen worden war. — — Zur Bildung eines Weibes gehört notwendig auch gesellschaftliche Gewandtheit. Deswegen wünscht der W. B., „man

— 71 — entfernet? unsere Töchter nicht so stark von dem Umgange mit artigen wohlgezogenen Mannspersonen. Sie werden so scheu gewöhnet, daß sie außer den gewöhnlichen Complimenten, wobei niemand etwas denkt, wenig zu antworten, und noch weniger ein Gespräch zu unterhalten und lebhaft zu machen wissen". (S. 246.) Bei Visiten sitzen sie daher „in ihre Brustharnische eingespannt" steif und stumm da. Leider machen die üblichen Sitten den harmlosen Verkehr eines lebhaften, geweckten Mädchens mit anregenden Männern fast unmöglich, sehr zum Schaden der Ehen (St. 95). „Wie schön wäre es, wenn sich Personen zuvor erst recht kennen lernten, ehe sie noch auf die Heirat gedächten." (S. 473.) Aber ein solches Mädchen geriete in „schnödesten Verdacht". Diese „spanische Eingezogenheit" muß aufgegeben werden. — Zu einem aber muß und kann j e d e s Mädchen unbedingt erzogen werden, „scharfe Ordnung und Accuratesse in der Haushaltung" zu üben, ein Punkt, der für Westfalen besonders betont wird: „Unsre Nation ist überhaupt zur Nachlässigkeit und Unordnung im Hauswesen sehr geneigt." (S. 247.) Welche grundlegende Bedeutung die R e l i g i o n für Derschau hat, ist schon an verschiedenen Stellen klar geworden. Religiöse und kirchliche Fragen nehmen vielleicht den breitesten Raum ein. Dogmatische Erörterungen irgend welcher Art kommen nicht zur Sprache; gleichwohl ist nicht zu verkennen, daß der W . B. stets n u r evangelische Verhältnisse im Auge hat. Nur ganz selten wird der Katholizismus berührt, in Angriffen vom Aufklärerstandpunkt aus. Der Geistliche, vor allem der Ordensmann, erscheint, nur nebenher erwähnt, als nichtstuender, Wein trinkender, der Welt zur Last fallender Pfaffe (S. 234, S. 386), die Kirche als Hort krassesten Aberglaubens und schlechte Landesherrin. (St. 52; S. 230.) Stets verlangt der W . B. echtes das ganze Leben durchdringendes, tätiges Christentum, für das Ämilia ein leuchtendes Beispiel bot: „Alle ihre Handlungen flössen aus dieser höhern Quelle, und, indem sie den Beifall der Welt nicht suchte, fand sie gleichwohl Hochachtung und Liebe bei allen, die sie genauer kannten. Mit einem Wort, Ämdlia war eine rechtschaffene Christin, ohne den Schein davon zu suchen, sie war eifrig in ihrem Gottesdienste; aber ebenso eifrig war

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sie auch, die Pflichten gegen andere zu erfüllen." (S. 438.) — Nicht schwärmerisches Wesen machlt das Christentum aus, wie es die lächerliche Sekte der „Feinen" betätigt (St. 42 und 43), oder auswendig gelernter Kram, sondern es besteht „in einer lebendigen und wirksamen Erkenntniß der göttlichen Wahrheiten, welche das Herz mit kindlicher Scheu, zärtlicher Liebe und fester Zuversicht gegen das höchste und allergütigste Wesen erfüllte. Die Religion ist ein stetes Bewustseyn, ein Gefühl OOttes, und so nöthig es ist, GOtt aus seinen Werken und aus der nähern Offenbarung deutlich und recht kennen zu lernen; so viel nöthiger ist es, das Gemüth dadurch in die gehörige Fassung und Harmonie mit ihm zu versetzen." (S. 626/627.) Aus seinem wahren Christentum heraus fordert er, allerdings ohne sich ausdrücklich auf Christus dabei zu berufen, gütiges, verstehendes Mitleid mit Gefallenen und Sündern (S. 466 ff. u. St. 62), und tätige Unterstützung der Armen. (S. 609—612.) Auf allen Gesellschaften sollte man an sie denken und für sie etwas zurücklegen, ihnen auch den Spielgewinn zukommen lassen. Nur für den Nichtchristen, den Freigeist, hat Derschau nicht das geringste Verständnis, er wird mit Verachtung bekämpft. „Die Freigeisterei ist kein Fehler des Verstandes, sie ist eine Bosheit des Herzens." (S. 184.) Der Freigeist wird ohne weiteres mit Betrügern und Wüstlingen identifiziert. (St. 65.) Gleichwohl hält er es nicht für nötig, sich mit den Freigeistern ernstlich auseinanderzusetzen. Nur wenige junge Wüstlinge, besonders „einige Herren von dem Militärstande", machen sich eine Ehre daraus, die Religion zu verspotten. Für Westfalen ist die Lauheit und Gleichgültigkeit in Sachen der Religion viel gefährlicher, die trotz äußerlichen Festhaltens an der Kirche innerlich ungläubig macht. Gegen die Geistlichen erhebt der Verfasser die schwere Anklage, an der „Kaltsinnigkeit im Christentum" vorwiegend selbst schuld zu sein. In ausgetretenen Bahnen wandelnd, eignen sie sich nur das Notdürftigste an und sind zufrieden, wenn sie nur eine Predigt zusammensetzen können. An vielen Stellen, teilweise in langen Erörterungen (St. 9. St. 79—81) werden die Schäden im Predigerstande, seine geringen Leistungen, die Unerträglichkeit seiner Predigten, erörtert (St. 36 u. a.), nicht etwa aus Abneigung gegen ihn, sondern in der

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reinen Absicht, Wandel zu schaffen, die Pfarrer aus Trägheit,, Gleichgültigkeit und Unbildung aufzurütteln. — Nicht geringe Schuld an den Verhältnissen tragen auch Patrone und Gemeinden, die nach Geld und Gunst, nicht nach Tauglichkeit ihre Stellen vergeben. Der Stand krankt ferner daran, daß so viele von niederer Herkunft in ihn treten. Das Elternhaus hat ihnen weder Erziehung noch geistige Anregung bieten können und auf Schule und Universität haben sie auch nicht viel gewonnen. Daß sie einem Gebildeten infolgedessen nur wenig geben können, ist sicher. Er geht schließlich nur aus Pflichtbewußtsein in die Kirche, da die Predigt unter allen Umständen doch die Menge etwas in Zucht hält, auch wenn sie nicht erbaut, sondern ein dogmatischer Vortrag ist. Der Trieb nach einem glücklichen Leben liegt in uns: „Man mag sagen, was man will, der Trieb zu einem bequemen und vergnügten Leben liegt in unsrer Natur, und er ist viel zu stark, als daß er sich durch leere Worte übertäuben ließe." (S. 606.) In eingeschränktem Maße ist er auch durchaus zu billigen: „Und warum sollte ich also nicht, in so weit es die Vernunft und Religion billiget, nach einem beständigen Zustande angenehmer Empfindungen streben ?" (S. 606.) Aber die höheren P f l i c h t e n g e g e n d i e M e n s c h h e i t u n d d a s V a t e r l a n d (St. 5) dürfen darunter nicht leiden, nicht die Wirksamkeit zum Nutzen der Allgemeinheit. Nur in ihr liegt Verdienst, ganz und gar nicht in hoher Geburt, Stand und Reichtum. „Je mehr Handlungen von ihm darauf abzielen, ie grösser und fruchtbarer seine Bemühungen sind, je wichtiger der Vortheil ist, welchen er dadurch, es sey nun im Ganzen, oder in einzelnen Teilen stiftet: desto verdienter macht er sich um den S t a a t , um die Religion, um die Wissenschaften, um die Sitten, und worauf seine Bemühungen sonst gehen." (S. 506.) — Der Staat steht hier an erster Stelle. Auch sonst spielt er keine unwichtige Rolle; wird ihm doch z. B. die Regelung der Schulfragen und die Sorge für gute Prediger zugeschoben. Ausdrücklich wird hervorgehoben, daß sich der einzelne ihm unterordnen müsse: „Ein edler Geist unterwirft sich dem allen willig, was ihm der Stand eines Bürgers auflegt, er beobachtet seine Pflichten so-



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wol gegen die grosse bürgerliche Oesellschaft, als gegen die kleinern und besondern Gesellschaften, in die er eingeflochten ist, nach der Schärfe, und er verleugnet sogar alle seine Bequemlichkeit und Vortheile, wenn er der Welt dadurch nützlich seyn kan." (S. 192.) Aus diesen Worten sprechen nicht die typischen Gedankengänge der Aufklärer über den Staat; es ist wohl großenteils der aus Ostelbien stammende preußische Beamte Friedrichs des Großen, der hier redet. Und der Staat war eben Preußen, das von Freund und Feind auch schon damals, vor dem Siebenjährigen Kriege, bewunderte. Gerade in Westfalen und am Rhein fiel der Gegensatz zwischen preußischen Landesteilen und solchen, die unter anderer, wohl gar geistlicher Herrschaft standen, sehr ins Auge und wurde in allen Reisebeschreibungen betont. Der W. B. sagt darüber: „Wer dies nicht glauben will, der vergleiche nur die Preußischen Provinzen in Westphalen mit den Bischöflichen, die sich darinn finden. Man bedarf an manchen Orten kaum sechs Stunden voneinander zu reisen; so wird sich der Unterschied wie zwischen Tag und Nacht zeigen. Dort wäret ihr in einem fleißigen, nahrhaften, wohlgebauten I.ande voller Einwohner; hier kommt ihr in eine einsame verbildete Gegend voller Bettler." (S. 230/31.) Trotz dieses günstigen Urteils sind ihm noch schwere Schäden bekannt. Von den Beamten behauptet er eine ganze chronique scandaleuse zu wissen. (S. 394.) Und zwischen Obrigkeit und Bürgern besteht nicht die rechte Fühlung. (St. 87; S. 725/26.) Dem Bürger fehlt es am nötigen Vertrauen, den Behörden am väterlichen Tone. Man straft zu schnell: „Es ist ungerecht, auf ein Gesetz wider den eignen Willen des Gesetzgebers überall mit solcher Strenge zu halten, daß es nach dem Buchstaben erfüllt werden soll." (S. 730.) Eine eigentliche Aufforderung, P r e u ß e n t u m zu pflegen, findet sich n i c h t ; die Erwähnungen bestehen in nebenher ausgesprochenen Anerkennungen des Staates und seines Herrschers. Das Lob ist eher zurückhaltend als überschwenglich (S. 585, 590, 594), kein Hauch von Byzantinismus findet sich. Der W. B. steht auf Friedrichs des Großen Standpunkt: „Denn was ist selbst ein Fürst, nach dem eignen Urtheile eines grossen Königes, anders, als der vornehmste:

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Bediente [Beamte] eines Staats?" (S. 194.) Die Leichtigkeit, mit der er Gutes stiften kann, macht ihn beneidenswert. — Daneben steht, ganz unvermittelt, die höchste Wertschätzung der Republiken des klassischen Altertums: „Damals waren die Jahrhunderte der Patrioten; aber damals war es auch, wo die Liebe zur Freiheit den Mut erweckte und der Wetteifer um die allgemeine Wohlfahrt lauter edelmütige Entschließungen wirkte." In jenen freien Staaten konnte patriotischer Geist gedeihen. „Unser Jahrhundert weist nur ein einiges Reich, in welchem die Liebe für die Gesetze und allgemeine Freiheit noch große und eifrige Patrioten erziehet." Gemeint ist offenbar England, das auch sonst anerkennend erwähnt wird. (S. 515 z. ß.) Auch Frankreich kann einmal Vorbild sein: „Man mag sagen, was man will, die französische Sprache hat den Witz und die Scharfsinnigkeit der Deutschen sehr aufgekläret" (S. 66); gegen Französelei macht der W. B. aber Front (S. 7 z. B.), ohne doch mit wirklichem Nachdruck für Betonung des Deutschtums gegen fremdes Wesen einzutreten. Ernstlich wird von ihm dagegen die Pflege westfälischer Art und Mundart gefordert. (St. 8.) „Sie hat so etwas männliches, nachdrückliches und kraftvolles an sich, daß mir die Obersächsische Mundart ganz matt und weichlich dagegen vorkömt." (S. 62.) In ihrem Lobe geht er dann etwas sehr weit, so daß man nicht mehr recht weiß, ob es ihm ganz ernst ist, — wenn hier nicht vielleicht die Zweilieit der Herausgeber eine Erklärung bietet: „Ein Held, würde sich in ihr noch einmal so erhaben ausdrücken; ein Redner würde noch einmal so stark darin donnern, und welche prächtige, feurige und maiestätische Ausdrücke würde sie nicht einem Dichter in den Mund legen, wenn er in dem Schwung eines Homers oder Miltons von grossen erhabnen Dingen singen wollte." (S. 62.) Jedenfalls ist zu bedauern, daß man keine niederdeutschen Predigten mehr hört. Zur Pflege der Muttersprache wird die G r ü n d u n g einer plattdeutschen Gesellschaft und die Schaffung eines Provinziallexikons angeregt. Die Heimatliebe darf freilich nicht solche Formen annehmen, wie bei Bibulus, der f ü r sein Vaterland säuft u n d mit jedem rauft, „der nicht zugeben will, daß Wesiphalen das Paradies von Deutschland sey". (S. 42.)



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Auf den Einfluß der geographisch-klimatischen Verhältnisse ynd der Bodenbeschaffenheit eines Landes auf Art und Wesen seiner Bewohner und ihrer Kultur war — nach anderen — besonders von Montesquieu hingewiesen worden. Auch Derschau waren diese Gedanken bekannt. Von anthropogeographischen Betrachtungen ausgehend unternimmt er es aus m e r k a n t i l i s t i s c h e n G e s i c h t s p u n k t e n heraus den Z u s t a n d W e s t f a l e n s zu schildern. (St. 28, 29.) „Will man daher von der westphälischen Nation überhaupt urtheilen; so muß man sowohl die natürliche als politische Verfassung ihres Landes in Erwegung ziehen." (S. 227.) Der gedeihlichen Entwicklung Westfalens ist unter anderem vor allem folgendes schädlich: 1. Es sind zu viele kleine Städte da, die den Handel „Verdünnern"; ähnlich sind auf dem Lande „die vielen einzelnen Stätten dem Anbau und ' der ' Ausbreitung mehrerer Einwohner" hinderlich. (S. 230.) Westfalen weist also nicht die nötige und mögliche Volksdichte auf. 2. Westfalen ist unter zu viele Herren zerteilt. Unter diesen haben die kleinen und geistlichen ganz andre Interessen als die Verwaltung ihres Ländchens. Dieser Zustand macht eine einheitliche, auf sicherer Grundlage aufgebaute Wirtschaft unmöglich. Und 3. fehlt es am nötigen Kreislauf des Geldes. Den Adel trifft der Vorwurf, daß er es in falschem Standesvorurteil von sich weist, in wirtschaftlicher, kaufmännischer Tätigkeit die Schätze des Landes zu heben, daß er sein Kapital ruhen läßt. — Diese letzten Lehren standen in ausgesprochenem Gegensatz zu den sozialen Anschauungen Friedrichs des Großen, der von wirtschaftlicher Tätigkeit des Adels nichts wissen wollte. Äußere Verhältnisse, nicht etwa Nachlassen der Kraft oder Mangel an Stoff haben dem W. B. ein bedauerlich frühes Ende bereitet. Unter den vielen Schäden, die infolge der französischen Besetzung nicht ausbleiben konnten, war das durch sie bedingte Eingehen des W. B. vielleicht nicht der geringste. Hatte er doch eine Fülle von Anregung und Wissen in eindringlicher, ansprechender und darum nutzbringender Weise unter seinen Lesern verbreitet, unterstützt durch feines psychologisches Verständnis und genaue Kenntnis der Verhältnisse. So, wie er war, mußte er sein, leicht verständlich ge-

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schrieben, für ein Publikum, das noch einiger Nachsicht bedurfte. Man vergegenwärtige sich, daß Sulzer noch 10 Jahre später, 1765, folgende Worte schrieb: „Solange die Bücher bloß in den Händen der Professoren, Studenten und Journalschreiber sind, dünkt es mich auch kaum der Mühe wert, für das gegenwärtige Geschlecht etwas zu schreiben. Wenn es in Deutschland ein besonderes Publikum gibt, das nicht aus gelehrten Professionsverwandten besteht, so muß ich meine Unerfahrenheit gestehen, daß ich dieses Publikum nicht kennen gelernt habe. Ich sehe nur Studenten, Kandidaten, hier und da einen Professor und zur Seltenheit einen Prediger mit Büchern umgehen. Das Publikum, von dem diese Leser einen unmerklichen und wirklich ganz unbemerkten Teil ausmachen, weiß gar nicht, was Literatur, Philosophie, Moral und was Geschmack ist." — An der Schaffung einer nicht zur Zunft gehörigen Bildungsschicht am Niederrhein hat der W. B. redlich und sicher erfolgreich mitgearbeitet. Vereinigte der Herausgeber doch mit einer geschickten Feder hohe Bildung. Häufige Zitierungen und Anführungen beweisen, daß er in der schöngeistigen, aber auch historischen und philosophischen Literatur des In- und Auslandes zu Hause war. Alle Fragen, die damals in den der Aufklärung sich zuneigenden Kreisen erörtert wurden, beschäftigen auch ihn, wie wir sahen. — Am meisten wirkte er vielleicht durch die aus jeder Zeile sprechende vornehme Lauterkeit seiner Persönlichkeit. Auch nachdem der Friede zwischen Preußen und seinen Feinden im Jahre 1763 geschlossen und Cleve von den Franzosen geräumt worden war, mußte die Stadt 10 Jahre auf eine neue deutsche Zeitung warten. Am 12. März 1773 begann „ D e r F r e u n d d e r W a h r h e i t u n d d e s V e r g n ü g e n s a m N i e d e r r h e i n " zu erscheinen. Der erste Verleger nennt sich nicht, und zwar mit folgender Begründung: „Indessen findet der Verleger für gut, sich für jetzo noch unbekannt zu halten, zum theil der Neugierde den Verfasser zu errathen dadurch zu entgehen, zum theil das Publicum in Ungewißheit zu lassen, in welcher Gegend des Niederrheins solcher wohnen möchte, und zum theil einem Vorurtheile zuvor zu kommen, daß in unsern Gegenden noch

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herrschet, klein von seinem Vaterlande zu denken, und jedes Product, dessen Endzweck zum Vergnügen, zum Unterricht des Publicums abzielet, zu verachten." Der zweite Grund war wohl ausschlaggebend: Das Interesse und die Neugierde, dem Geheimnis auf den Grund zu kommen, sollten angestachelt werden. — Dieser Verleger war der Clever Buchhändler Johann Gottlieb Beerstecher, der auch die „Neue Buchhandlung" in Düsseldorf besaß. Die ganze äußere Ausstattung läßt keinen Zweifel daran aufkommen; außerdem aber kündigt er wie alle andern Schriften seines Verlages auch den Fr. d. W. in den „Jülich- und Bergischen Wöchentlichen Nachrichten" in No. 12 vom 23. März 1773 an. In, No. 22 vom 1. Juni steht die Subscriptionsaufforderung für das zweite Vierteljahr. Während Beerstechers Grundgeschäft ach in Cleve befand, verkündete das erste Blatt (S. 5/6), „daß Düsseldorf der Hauptort der Distribuierung dieses Wochenblattes sey." Es sollte aber auch wöchentlich „in den vornehmsten Städten Westphalens und des Niederrheins" zu haben sein (S. 6), und zwar in: Düsseldorf, Bonn, Duisburg, Dortmund, Hamm, Münster, Elberfeld, Wesel und (bezeichnenderweise am Schluß) in Cleve, außerdem „auf allen löblichen Kayserlichen Reichs Ober-Post, und Post-Ämtern". Als das gedruckt wurde, können die Verhandlungen mit den in Frage stehenden Buchhändlern noch nicht abgeschlossen gewesen sein. Denn in der Pränumerationsaufforderung für das zweite Vierteljahr (S. 150) sind teilweise andre Städte aufgeführt. Man bekam das Blatt: „Zu A a c h e n bei der Kaiserl. Reichs-Oberpostamts Zeitungs^Expedition; zu B o n n in der Intelligenz; zu C l e v e bei Buchh. Beerstecher; zu C ö l n bei der Kayserl. Reichs-Oberpostamts Zeitungs-Expedition; zu C r e v e l t bei Hr. Termeer; zu D o r t m u n d bei Hr. Baedecker; zu D u i s b u r g bei Hr. Reiche; zu D ü s s e l d o r f in der neuen Buchhandlung am Burgplatz; zu E l b e r f e l d bei dem Kayserl.. Reichspostamt; zu F r a n k f u r t bei der Kayserl. ReichsOberpostamts Zeitungs-Expedition; zu M ü n s t e r bei H n Buchh. Benedickt; zu O s n a b r u g g bei Hr. Buchh. Schmidt; zu W e s e l bei Hr. Bredow."

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Der P r e i s des einzelnen Stückes betrug unter Beerstecher 3 Stüber, der Pränumerationspreis für das Vierteljahr 24 Stüber oder 8 Ggr. Leipz. Cours. Nach Ablauf der Pränumerationszeit mußte man 36 Stüber bezahlen. In den oben genannten Städten sollte der Fr. d. W . wöchentlich frei geliefert werden; für andre Orte war eine Preiserhöhung nicht zu vermeiden, sollte aber über 30 Stüber oder 10 Ogr. nicht hinausgehen. Den Titelköpfen zufolge erschien der Fr. d. W . regelmäßig, Woche um Woche, bis am 5. März 1774 die 52 Stücke voll wurden, jedesmal 1 Bogen stark, vierteljährlich zu einem Bändchen zusammengefaßt und mit einem Inhaltsverzeichnis versehen. x ) Das ist aber eine regelrechte Vorspiegelung falscher Tatsachen. Im Verlaufe des zweiten Quartals stellte der Fr. d. W. sein Erscheinen ein, ohne daß wir die Ursachen wüßten. Nach dem, wie wir Beerstecher als Verleger kennen, dürfte ihm die Schuld zuzuschieben sein. — Erst im Frühjahr 1774 wurde er fortgesetzt. Im 24. St. (angeblich vom 21. August 1773) besagt ein Avertissement am Schluß (S. 368) 2 ): „Von dem Freunde der Wahrheit und des Vergnügens am Niederrhein, werden gegenwärtig wöchentlich Zwey Stück, i n d e r H a u p t e x p e d i t i o n b e y d e r H o f b u c h d r u c k e r i n Wittwe Sitzman, und zwar alle Sonnabend ausgegeben." Dieses Avertissement ist unterschrieben: „ C l e v e , den 16. Februar 1774." — Ob das Doppelheft 24/25 wirklich das erste des neuen Verlages war, ist nicht sicher. Der Umstand, daß auf St. 21 vom 30. Juli das 22. St. erst am 7. August statt, wie es richtig gewesen wäre, am 6. erschien, läßt vermuten, daß Stück 22 und 23 auch erst im Frühjahr als Doppelheft herausgekommen sind; man verrech' ) Wie beim W. B. finden sich die Überschriften der einzelnen Beiträge oft erst im Inhaltsverzeichnis und wachsen sich bisweilen zu Inhaltsangaben aus. Verweise auf Seiten fehlen, nur, was die Stücke enthalten, wird - noch dazu unvollständig — mitgeteilt. s ) Die Seitenzählung ist hier falsch; zitiert wird die richtige Zahl. St. 24 kommen die Seiten 353 - 368 (statt 7 6 9 - 789) zu, St. 25 die Seiten 369 - 384 (statt 753 - 768). Ebenso kommen St. 32 die Seiten 4 8 1 - 4 9 6 zu (statt 4 9 7 - 5 1 2 ) und St. 33 die Seiten 4 9 7 - 5 1 2 (statt 481?. bis 496).



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nete sich in den Tagen. — Zu zwei Heften wöchentlich ist man wohl übergegangen, um den verschleppten Jahrgang möglichst rasch zu Ende zu führen. Der zweite Teil des Fr. d. W. schloß also mit dem Februar, der dritte Mitte April, der vierte Anfang Juni 1774. Damit stimmt zusammen, daß am Schluß des dritten Teils (S. 608, St. 39, 4. Dez. 1773) zur Pränumeration für das 4. Quartal bis Ende April oder Anfang Mai aufgefordert wird. In seiner Ankündigung des zweiten Jahrganges vom Fr. d. W. in den „Jülich- u. Bergischen Wochentlichen-Nachrichten"vom 22.Okt. 1 7 7 7 berichtet der Düsseldorfer Buchhändler Bauer, das Blatt sei seinerzeit mit dem 1. Halbjahr ins -Stocken geraten und später auf Kosten des Verfassers in Cleve zu Ende gedruckt worden, ohne daß man in Düsseldorf davon erfuhr. Er habe deswegen den ersten Jahrgang aufgekauft. — OB die Witwe Sitzmahn' wirkEcH nur "Dfuck ünd Kortimisstoit des Fr. d. W. gehabt hat, bleibt zu bezweifeln. Die Titelblätter des dritten und vierten Teils des ersten Jahrganges tragen den Vermerk: „Cleve. Gedruckt und zu finden, bey der Wittwe Sitzmann, Königl. Preuß. Hofbuchdruckerin." (Teil zwei hat im Bonner Exemplar kein Titelblatt!) — Das Tormat blieb auch im zweiten Verlage kleines Oktav. — Die Bezugsbedingungen wurden ergänzt. Man konnte auch subscribieren und hatte alsdann am Schluß des Vierteljahres 30 Stüber zu zahlen. Bei den Postämtern kostete der Bezug 12 Ggr. Wer 10 Stück bezog, bekam ein 11. umsonst. — Die beiden ersten Teile wurden für 24 Stüber nachgeliefert. H e r a u s g e b e r und Verfasser des Fr. d. W. war der als rücksichtsloser und frivoler Satiriker bekannt gewordene A u g u s t F r i e d r i c h C r a n z . Geboren wurde er am 26. Sept. 1737 in Marwitz bei Landsberg a. W., er starb am 18. (oder IQ.) Okt. 1801 in Berlin. 1 ) Die Quellen berichten ») s. AI l g . d. B i o g r . IV. S. 564; E r s c h u. G r u b e r , 1. Sekt, Teil21, S.429; Meusel Q. T. Bd. 1 S. 636; S c h m i d t u n d M e h r i n g , Neuestes gelehrtes Berlin, 1795, S. 92; S c h r ö d e r , Lexikon Hamburger -Schriftsteller, I, 1851, S. 592; R a ß m a n n , Handwörterbuch der teutschen Dichter S. 242; K o s m a n n , Denkwürdigkeiten und Tagesgeschichten -der preußischen Staaten, 1801, Nov. S. 1188, Dez. S. 1331; Ooedeke V* S. 544.

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n u r unvollkommen über sein Leben. Vor allem fehlen Mitteilungen über die Zeit, in der der Fr. d. W. erschien. — Als Sohn eines lutherischen Pfarrers studierte er anfänglich Theologie, dann Jura. Wo, erfahren wir aus dem (nicht paginierten) Vorbericht zum zweiten Jahrgang des Fr. d. W. Dort sagt er, daß er in Langes (1711—81) Laublinger Heim, „wo sich mit dem unvergeßlichen Stille (1696—1752, A. d. B. XXXVI, S. 240), mit dem sanft fühlenden Kleist (1715—1759), mit dem liebenswürdigen Sänger Pira (1715—1744), ächte Söhne Apoll's, und der Natur, versammelten", verkehrt habe; er hat also in Halle studiert; immatrikuliert wurde er am 27. Nov. 1755. — 1772, also 35 Jahre alt — was er bis dahin getrieben, wird nirgends berichtet — wurde er Hauslehrer bei einem Grafen Solms in Berlin. Durch dessen Vermittelung kam er als Kriegs- und Steuerrat nach Cleve, wo er wegen Unregelmäßigkeiten verabschiedet werden mußte. Wann das geschah, entzieht sich unserer Kenntnis. Den Fr. d. W. scheint er noch als Beamter verfaßt zu haben, denn er spricht davon, daß er auf seine Schriftsteilerei nur seine Mußestunden verwenden könne. l ) Nach seiner Entlassung führte er ein ziemlich unstetes Literatendasein. 1779—1784 lebte er unter Friedrichs besonderem Schutze in Berlin, 2 ) zeitweilig mit Zensurfreiheit und einer Pension begabt. 1784 siedelte er nach Hamburg über, wie es scheint, um seinen Gläubigern zu entgehen. In Altona verheiratete er sich. Seine Frau wird mit warmen Worten des Lobes geschildert. Die Ehe ging aber durch seine Schuld auseinander, wenn es von ihm auch heißt (Kosmann S. 1197): „Als Gatte und Vater, die Finan-

*) In der nicht paginierten »Vorbemerkung« heißt es (S. 8), er werde »die schönsten Belohnungen einiger wenigen Stunden einerndten," die er »mit Vergnügen den Geschäften entziehe." In der »Vorrede,« die am Schluß des ersten Vierteljahrs einen Rückblick gibt, steht: »Die Zeit indessen, welche ich öffentlichen Pflichten schuldig bin, und einige andere unternommene wichtigere Arbeiten, ließen mir gerade für diese Blätter nur wenig Erholungs-Stunden übrig, in welchen der ermüdete Geist ausruhet.« *) s. Kosmann, S. 1338 f. Auf Veranlassung Dohms, der sein Zensor war, wurde ihm 1782 verboten, seinen »Beitrag zur Chronika von Berlin« weiter herauszugeben. Seine Beschwerde beim Könige hatte ein Bensel, Niederrheinisches Geistesleben. 5



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zen nicht in Betracht gezogen, war Cranz ein vortrefflicher Mann." Er starb verlassen und elend. Welchem Umstände er des Königs Gunst zu verdanken hatte, ist unbekannt. Sonst genoß er als Person, obwohl seine Schriften sicher viel gelesen worden sind, nur sehr wenig Achtung. Und er verdiente sein Schicksal. Skrupellos zerrte er Familiengeheimnisse und allerhand Skandale, mit ironischen und satirischen Bemerkungen verbrämt, in die Öffentlichkeit, und verbreitete sich über Laster, „welche die gemeinste Bescheidenheit zu nennen verbietet." Er ist sogar gelegentlich bis zu einer Art von Erpressung gegangen. Daß er für derartiges genug Leser fand, läßt sich denken, zumal er den Freigeist spielte und wohl auch mit großer Keckheit am Staate Kritik übte. Dabei war er völlig gesinnungslos; nur um zu glänzen und um Geld zu verdienen schrieb er. Darüber sprieht-er-sich in den „Fragmenten über verschie-. dene Gegenstände der neuesten Zeitgeschichte" (Berlin und Leipzig 1790—92, 12 Hefte) im 1. Heft, S. 14 (nach Ersch und Gruber) mit großer Offenheit selbst aus: „Mein Plan war, auffallende Dinge zu schreiben, um das Publikum stark in Contribution zu setzen, weil ich Geld brauchte." — In der ersten Zeit seiner schriftstellerischen Tätigkeit, in die der Fr. d. W. fällt, traten die peinlichen Seiten seiner Schriftstellerei noch kaum hervor, wenn er auch schon damals keinen literarischen Ehrgeiz besessen hat. — Der Aufforderung, zu dem von Schmidt und Mehring 1795 herausgegebenen „gelehrten Berlin" ein Verzeichnis seiner Schriften einzusenden, entsprach er mit folgenden Begleitworten (nach Kosmann S. 1333): „Eigentlich gehöre ich gar nicht unter die Rubrik des gelehrten Deutschlands und habe dagegen schon irgendwo in meinen Schriften protestiert; denn noch habe ich nichts drucken lassen, wodurch ich in der gelehrten Welt eine Rolle spielen wollte. Meine Schriften hatten nicht einmal Kabinettsschreiben an den Minister von Münchhausen zur Folge (28. Nov. 1782), in dem stand: »Der Kriegesrath Cranz soll auf die Originalanlage so wenig in seiner ihm erteilten Censurfreiheit beeinträchtigt, als wegen seiner beigelegten periodischen Schrift von Jemand beunruhigt werden; ich will vielmehr, dass Ihr ihn dagegen, so oft er nichts wider den Staat - eine vernünftige Religion und gute Sitten schreibt, jedesmal schätzen sollt."

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das Gepräge des Katheders noch die Korrektheit der Schule — sie waren in der Sprache der Höfe, welche so ziemlich die verdorbenste ist, oder im Konversationston ohne schulgerechte Korrektur — und gehören viel mehr ins Reich des nicht gelehrten Deutschlands." Im Fr. d. W. schildert er sich freilich ganz anders, als die Überlieferung über ihn es tut. Da ist er der arbeitsame, zurückgezogene Mann, für dessen tief empfindendes Herz die Schriftstellerei in den Nebenstunden Bedürfnis ist. Stets lebt und handelt er mit gemessener Bedachtsamkeit nach moralischen Grundsätzen. Mag „der Geizige auf seinem Lager für Einbruch" zittern, „der Ausschweiffende Thor in Phrinens Umarmung seine Kräfte" erschöpfen, er verwendet seine Muße besser. Wenn die aufgehende Morgensonne ruft, geht er mit leichterem Herzen, als jenen möglich, an die Geschäfte des Tages. Nach seiner Vorbemerkung war seine Absicht beim Schreiben, sich „eine angenehmere Beschäftigung zu verschaffen, als die, welche der ekle formelle Müssiggang giebt." Im Vorbeiichtzum zweiten Jahrgang schreibt er rückschauend, die Arbeit am Fr. d. W. sei seine Lieblingsbeschäftigung, die darauf verwandte Zeit seien seine heitersten Stunden gewesen, in denen er ganz sich selbst und seinen Empfindungen gehörte. — Er spielt seine empfindsame Rolle recht keck. Seine letzten Worte beklagen, daß es so gar nicht möglich sei, seine besten Empfindungen dem Publikum lebenswahr mitzuteilen (S. 819), und an einer andern Stelle schildert er die Gewalt der Gefühle, die ihn mitunter nötigte, den Pinsel aus der Hand zu legen, wenn er den rührenden Teilen seines Gemäldes zu nahe kam. (S. 392.) Der Fr. d. W. ist das erste bekannte Erzeugnis seiner Feder. Wiewohl er sich nie nennt, steht seine Autorschaft fest.1) Im zweiten Bande betont er seine Identität mit dem Verfasser der „Galerie der Teufel" und unterzeichnet mit C. i Diese bereits mehrfach erwähnte Fortsetzung des Fr. d. W. erschien 1777 (alle andern Angaben sind falsch) bei A. F. Bauer in Düsseldorf; den aufgekauften ersten Jahrgang 1

) s. Meusel, Gelehrtes Teutschland, Kayser, Holzmann-Bohatta.

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brachte er mit einem neuen Titelblatt, das das Jahr 1776 trug, in den Buchhandel. Jede Woche wurde ein Stück, einen Bogen stark, ausgegeben, beginnend mit dem 9. Januar. Das Bonner Exemplar der Zeitschrift weist 29 Nummern auf; ob sie damit ihr Ende fand, ist ungewiß. Da sie nicht im Herzogtum Cleve erschien und da auch Cranz damals nicht mehr in Cleve geweilt zu haben scheint, wird sie hier nur vergleichsweise herangezogen. Der zweite Band ist noch ausgesprochener Unterhaltungsschrift als der erste. Im Vorbericht (S. 10/11) sagt er darüber: „Ich traue es meinen Lesern zu, daß sie ihre bürgerliche Pflichten kennen — und wer sie nicht weiß, wird schwerlich eine Wochenschrift lesen, um ein erträgliches Glied der menschlichen Gesellschaft zu werden." Das ist im Grunde schon beim ersten Bande seine Meinung gewesen, wenn er sie auch niemals so deutlich ausspricht'. Im' übrigen nimmt' e f häufiger als" nötig das Wort, um seine A n s i c h t e n u n d Z i e l e und die W e g e , die seiner Meinung nach dahin führen, zu erörtern 1 ); denn womit er seine Stücke füllte, war ihm gleichgültig; wenn er nur auf die nötige Seitenzahl kam. — Bei dem Fehlen wirklicher Grundsätze widerspricht sich Cranz dabei nicht selten; und von logischem Gedankenaufbau ist keine Spur zu merken. Auf der einen Seite setzt er auseinander, daß er nichts anderes bezwecke, „als dem Leser Nutzen und Vergnügen zu verschaffen" (Vorbem. S. 1), wobei diesmal der Nachdruck auf N u t z e n liegt. Ähnlich sagt er später (S. 387): „Ich hatte die Absicht, den einen und den andern zum Nachdenken und zur nähern Entwicklung von Ideen zu bringen und den Geschmack an guten Handlungen zu befördern." Dies Ziel soll erreicht werden, indem „die Empfindung des allgemeinen Wohlwollens enthüllet und erweitert" wird. Der Freund soll „ein kleiner Bilder-Saal" werden, „wo die han*) Diesem Zwecke ist zunächst der ganze erste Bogen gewidmet, 10 Seiten Vorbemerkung ohne Überschrift und Zählung und das aus den übrigen 6 Seiten bestehende 1. Stück, »Worin sich der Verfasser noch näher erklärt;' dann der • Vorbericht* am Schluß des ersten Teils, das ganze 26. St. am Schluß des zweiten und die »Nachricht an das Publikum zum Beschluß des dritten Quartals" sowie die Beschreibung einer Landschaft, die, seine Tätigkeit kennzeichnend, den Jahrgang beschließt.

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delnde Personen, in wahren Situationen des Lebens — aber bei aller Vortrefflichkeit doch mit den kleinen Nüancen des Unvollkommenen vorgestellt werden, um das Gebiet der Wahrscheinlichkeit nicht zu überschreiten." (S. 388.) Diese vorsichtige, mittelbare Einwirkung scheint ihm Erfolg zu verbürgen, während in den Schulen mit ihrem „diktatorischen oder langweiligen Ton" nichts erreicht werde. Hier setzt er sich also die hohe Aufgabe vor, Geist und Empfindung seiner Mitmenschen zu veredeln. — Ganz unvermittelt sagt er dann aber wenige Zeilen später: „Der Verfasser gibt sich indessen für keinen Arzt aus, und kann die stolze Erwartung nicht haben, den verderbten sittlichen Geschmack seiner Zeitgenossen zu heilen, er ist zufrieden, wenn er denen Besserdenkenden eine nicht unangenehme Unterhaltung verschaff, wobey das Herz und die Sitten nicht verliehren können." Bereits in der Vorbemerkung (auf S. 5) hatte er, bezeichnend f ü r seine leichtlebige Auffassung, gesagt: „Durch die Philosophie des Lebens und die Weltkenntnis geleitet, wird er nicht über alles, was er noch unvollkommen gesehen hat seufzen, sondern die Sachen nehmen wie sie sind, und jeder Sonne ihre heitere Miene lassen, welche durch die eingestreuten Schatten nur noch gefälliger wird." Man sieht, nicht nach dem Amte des Bußpredigers geht sein Ehrgeiz, lieber hilft er, die Annehmlichkeiten des Lebens, „welche die gütige Natur nicht sparsam ausgestreuet hat, zu geniessen, zu verfeinern und zu vermehren." (S. 6 d. Vorbem.) Nicht an Lasterhafte wendet er sich, die mögen und werden ihrem Schicksal doch verfallen; er schreibt auch nicht für „Narren, die sich unter der Geissei eines Juvenal's, eines Boileau's und eines Rabener's krümmen, 2 ) — Nein! nur für euch, denen die Natur die schöne Anlagen zum guten Geschmack und ein feines Gefühl für alles was groß, edel und liebenswürdig ist, *) Ähnlich im Vorbericht zum zweiten Bande S. 10: »Und dann keine trockene Sittenlehre - kein Sistem gemeiner Moral." S. 11: »Beispiele haben eine ungemeine Gewalt über das Herz des Menschen.» 2 ) Vgl. Vorher, zum 2. Bande, S. 10. »Auch keine bittere Satire oder Spott wird man hier antreffen - nichts was menschliche Schwächen höhnt. Der Unmuth naht sich meiner Feder nicht, die nur dem Vergnügen meiner Leser geheiligt ist.«

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verliehen hat, und — euch hätte ich zuerst nennen sollen, ihr liebenswerten Geschöpfe! die ihr bestimmt seyd durch natürliche Schönheit und zarte Empfindungen 'die Zierde der Menschheit zu seyn, und durch eure sanfte unwiederstehliche Anmuth, das tiefere Nachdenken der Männer aufzuheitern, und ihren finstern Ernst zu mildern, oder ihre rauhe Fröligkeit gesitteter zu machen — für euch sind diese Blätter bestimmt." (S. 7 d. Vorbem.) Sie sollen nach Möglichkeit jedem etwas bringen, dem, der in Zurückgezogenheit einfache Erholung sucht, und auch dem, der geistige Anregung und Belehrung wünscht. Die Schwierigkeit, es allen recht zu machen, will Cranz dadurch nach Möglichkeit überwinden, daß er prunklos und doch gefällig „die simple Sprache der Natur und des gesellschaftlichen Lebens" gebrauchen will. Stoff sei ja genug vorhanden, trotz der Menge anderer Wochenschriften. Dehn wie das Reich der Natur nie ausgekannt werde, sondern sich dem Forscher immer mehr enthülle, so könne man auch „in dem Reiche der Sitten, in cfer Geschichte des menschlichen Herzens" jede Sache von unzähligen, immer wieder neuen Gesichtspunkten aus betrachten. Auch der Fr. d. W. werde manches Neue bringen, manches andere vielleicht in richtigere Beleuchtung rücken. (St. 1.) In der rückschauenden Erörterung des bisher Gebotenen setzt er am Schluß des zweiten Quartals wortreich auseinander, für welchen Geschmack die einzelnen Artikel bestimmt seien. Nach literarischen Lorbeeren strebt der Fr. d. W. nicht. Das wird von vorne herein und immer wieder betont. Im Gegenteil. Er ist nicht gewillt, vor der „gelehrten Kritik" sein „ehrerbietiges Kompliment" zu machen, denn „kein Kunstrichter wird diese Blätter lesen und sie sollen gar nicht in dem Reiche der Gelehrsamkeit eine Figur machen;" er vergleicht sich (S. 386) mit einem gastfreien Mann, „der keine Festins giebt, aber es immer gern sieht, wenn ein Freund an seine Tafel vorlieb nimmt, wie er es findet, und über das, was ihm aus gutem Herzen vorgesetzt worden ist, vergnügt weggeht." x) *) vgl. im Vorbericht zum 2. Bande, S. 2 : »Kein literarischer Unterricht wird diese Blätter karakterisieren - Beiträge aus dem Reiche

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Mit derselben fabelhaften Anspruchslosigkeit oder besser Gleichgültigkeit steht Cranz der äußeren Form gegenüber. Er muß sich einmal (S. 161—164) ausdrücklich gegen — offenbar heftige —, dahin zielende Angriffe verteidigen. Trotz der Unhaltbarkeit seiner Stellung macht er das recht geschickt. „Er schreibt zu nachlässig, zu ungeputzt, und mit zu weniger Sorgfalt, von der besten Seite genommen sind seine Blätter nur Brouillon" — hat man ihm vorgeworfen. Dem entgegnet e r : Allerdings machen Putz und Draperie „nicht das Verdienst des Freundes der Wahrheit und des Vergnügens aus. Sein Anzug ist der, den ihme die liebe Natur gab, und Er zeigt sich dem Publicum nicht in Nachthabit oder im Frack — sondern wie seine Freundin die Wahrheit — ganz nackend." Seine Gedanken und sein Herz reden, seine Feder eilt geschwind hinterher. „Da ist nun freilich an keine lange Toilette zu gedenken." Immerhin verspricht er, sich zu bessern. Er will seine Mußestunden weiter verkürzen und feilein. Die Vorwürfe waren nichts weniger als unberechtigt, und leider kann man nicht feststellen, daß er seinem Versprechen nachgekommen ist. Nach wie vor ist seine Schreibweise flüchtig und unsauber. Bei vielem, was uns heute auffällt, muß man freilich berücksichtigen, daß die sprachlichen Formen damals noch keineswegs so festlagen wie heute, und daß auch Goethe z. B. in seinen Dichtungen aus der ersten Hälfte der siebziger Jahre unbekümmert mundartliche Formen verwandte, die er wenige Jahre später sorgfältig vermied und aus dem Vorhandenen ausmerzte. So haben wir Formen wie: die „Damens" (S. 690) oder die „Plans" (S. 123) und die vom heutigen Standpunkt aus häufig falsch angewandten schwachen Adjektivendungen zu beurteilen. Schlimmer ist schon, daß er die Präpositionen so häufig falsch gebraucht, wenn er sagt: „zu beides verpflichtet" (S. 385) o d e r : Der Waldbewohner hört „auf ein Lager von Baumblätter" den Uhu (S. 500) usw. Was einen besonders unangenehm berührt, ist, daß er meist sehr wohl das Richtige weiß und an andern Stellen gebraucht, also seine Flüchtigkeit und Unachtsamder Gelehrsamkeit und selbst der schönen Wissenschaften würde man hier vergebens suchen - dafür wird außerdem genug gesörgt."

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keit, die sich auch in häufigen fehlerhaften und ungenauen Satzkonstruktionen offenbart. Ganz anders ist der Stil des Verfassers zu beurteilen. Cranz kann sich damit neben die besten seiner Zeit und Richtung stellen. — In Laublingen, im Hause des gleichgestimmten Ehepaars Lange, hat er den Geist und die Sprache der Empfindsamkeit in sich aufgenommen. (S. 221.) Kleist und Gesner sind seine literarischen Taufpaten gewesen. Von dem Sänger des Frühlings stammt seine Naturschilderung, und Gesner hat er auch manches abgelauscht. Wo es nur geht, schlägt er liebliche, idyllische Saiten an. In seiner Charfreitagsbetrachtung heißt es z. B.: „Wie traurig ist doch das Loß desjenigen, der mit unfühlbarem Herzen über die schönen blumigten Gefilde des zu jeder frohen Empfindung einladenden Frühlings hinwegtaumelt, — der bey dem Anblick einer lachenden Landschaft, und bey den süssen Melodien eines anmuthigen Waldconcerts, welches aus tausend liederreichen Kehlen zu unsern Ohren dringt, — der bey dem balsamischen Geruch der frühen Rose, oder bey dem sanften Hauch lauer Weste, nicht in wollüstigen Entzücken aufgelößt, sich ganz der Empfindung des reinsten Vergnügens überlassen kann!" (S. 563/64.) Man hat immer das bestimmte Gefühl, wie leicht ihm alles hinströmt, wie ihm die Bilder geflogen kommen, um bald weit ausgesponnen, bald in anschaulicher Kürze hingeschrieben zu werden. — Die Natur wird von ihm öfters in glänzender Weise belebt: „Der schattigte Wald und die dunkle Hole trauret mit dir, — die betaute Flur ist der Wiederschein deiner Thränen benetzten Wangen, — die murmelnde Welle mit ihrem gedämpften Klageton, stimmt zu dem gebrochnen Laut deiner rührenden Stimme, — bejahrte Bäume, wenn der wilde Sturm sie angreift und in der Wurzel bewegt, und dem Fußtritt des Todesengels gleich durch den Wald rauscht, ächzen in deine Klagen, der vertrauliche Wiederhall antwortet dir, und alles um dich her sympatisirt mit deiner Schwermuth. Der Geist deines verlohrnen Freundes schwebt unsichtbar um dich her, und lispelt als Schutzengel dir Trost zu." (S. 507/08.) Doch stehen ihm auch andere Töne zu Gebote. Wenn es darauf ankommt, kann er äußerst drastisch sein: „Noch würde

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mancher eifrige Lutheraner lieber am Miserere sterben, als sich von einer reformirten Hand ein Clistier setzen lassen." (S. 526.) Der Fr. d. W. ist fast vollständig von Cranz selbst geschrieben worden. Es lag gar nicht in seiner Absicht, Mitarbeiter zu gewinnen oder den Fr. d. W. etwa zu einem jedem zugänglichen Sprechsaal zu machen. Von einem andern Berufe, als die Erzeugnisse seiner Feder zu bringen, weiß sein Blatt nichts. Gleichwohl wandte sich das Publikum gelegentlich doch an ihn. „Ohngeachtet der Verfasser dieser Blätter dem Publikum noch nicht seine gute Dienste angeboten hat die Aufträge anderer Wahrheitsfreunde auszurichten und fremde Aufsätze einzurücken . . ." (S. 54), nimmt er einzelnes auf: Eine kurze Rüge lästiger Neugier im Anschluß an die eben angeführten Worte; einen ganz wertlosen Aufsatz über die Quäker (St. 9, S. 130, St. 10, S. 140); die gleichfalls von einem Fremden eingesandten „Zerstreuten Gedanken bey Gelegenheit eines gefundenen Stücks Manuscript" (St. 45 u. 46, S. 693—718), die an St. 27 (S. 403) über die Gründe zur Tugend anknüpfen. Cranz seinerseits läßt eine lange Entgegnung folgen (S. 718—788), ausdrücklich hervorhebend, die Gegenrede habe „nicht die Controvers-Begierde eines rüstigen Streiters zum Grunde, sondern bloß die Neigung sich gern über einen werthen Gegenstand zu unterhalten, wenn man jemand antrift, mit dem es der Mühe werth, sich über eine Materie zu unterhalten." — Der Brief, den er in St. 11 (S. 164) „zur Ausfüllung des noch übrigen Raumes" abdruckt — er verlangt nach anerkennenden Worten über die bisher gelesenen ersten 4 Stücke und über den Plan des Verfassers, dieser solle mehr Beispiele als Regeln und vor allem „niederrheinische Landesprodukte" und „Nachrichten von der dortigen Literatur und von den schönsten Werken des Geistes" geben — braucht nicht fingiert zu sein, obwohl die Rechtschreibung ganz die von Cranz ist. Wenn er im folgenden Stück berichtet (S. 167), er habe sich Mitarbeiter besorgt, das Postpaket mit ihren Beiträgen sei aber leider in den Rhein gefallen, so daß er nichts Rheinisches bringen könne, so weiß man nicht recht, was das soll. Vielleicht ist es als Satire auf seine rheinischen Landsleute aufzufassen, besonders wenn

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man berücksichtigt, daß er sich ein andermal (S. 603) „mit einer wahren Befriedigung rühmt, daß seine Wochenschrift durch ein wahres Niederrheinisches Product bereichert worden ist" — es ist St. 36, „Etwas über die Eigenliebe" (S. 545) — und den Verfasser mit vielen Worten die Hoffnung seines Vaterlandes nennt. — Von einem verstorbenen Freunde stammt angeblich der Aufsatz: „Über die Pflichten der Hagestolzen" (S. 172.) Zu andern ist er von Freunden und Fremden angeregt worden. („Die Kunst aus einem Gatten einen Freund oder Freundin zu machen", St. 28 u. 29, S. 417—448, und der Aufsatz über den Wert der Einsamkeit, St. 32, S. 481—496 [497—512] und St. 40, S. 611—624.) — Mehreres im Fr. d. W. ist Nachdruck, worauf zum Teil ausdrücklich aufmerksam gemacht wird. St. 17 u. 18 (S. 241 bis 272) enthalten eine französische Novelle, „Erfahrung die beste Lehrmeisterin" mit dem Untertitel: „Eine wahre Geschichte aus dem sechszehnten Jahrhundert." Bei anderem unterläßt er den Hinweis, so vor allem bei der als Beleg für vorangegangene Ausführungen mitgeteilten Verteidigungsrede der Polly Backer aus Neu-England (S. 201—213) und anderen aus dem Englischen stammenden Anekdoten (Der Wilde S. 510, Der Sieg der Natur über die Eindrücke der Erziehung S. 494, Beytrag zur Geschichte der Leydenschaften S. 556), die zum Teil ständig in den Zeitungen jener Tage zu finden sind. Nach allem Vorstehenden könnte man zweifeln, ob der Fr. d. W. unter die moralischen Wochenschriften zu rechnen ist. — Ein so typischer Vertreter dieser Gattung wie der W. B. ist er jedenfalls nicht. Aber er macht einen gediegeneren Eindruck, als man nach den Ausführungen des Verfassers erwarten sollte und stellt sich doch selbst ausdrücklich in die Reihe hinein. Er ist ein später, eigentümlich entwickelter Typus der ganzen Gattung. Von den moralischen Wochenschriften stammt das Bestreben, möglichst oft mit den Lesern unmittelbar zu plaudern und dadurch gewissermaßen in ein persönliches Verhältnis mit ihnen zu treten. Cranz erzählt ja auch von seiner Lebensweise und von seinen Empfindungen. Trotzdem wird mit der Unbekanntheit seines Namens und seiner eigentlichen

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Absichten geradezu kokettiert: „Den besondern Zweck, welchen man sich vorausgesetzt hat, mögen denkende Leser in der Folge errathen. — Er würde vielleicht nicht erreicht werden, wenn er zum voraus gesagt würde" (S. 2 der Vorbem.), u n d : „Habe ich nicht gesagt, mein wahrer Zweck sey ein •Geheimnis, und das, daß ihr selbst ausfindig machen müßt?" (S. 8 der Vorbem.), u n d : „Der Verfolg im letzten Quartal wird meinen Plan ohne dem näher vorlegen." (S. 603.) — Seinen Namen will er nicht nennen, da er den Beruf zum Märtyrer nicht in sich fühle. Dieser „besondere Zweck" ist natürlich Fiktion. Fingiert waren auch die niederrheinischen Mitarbeiter. Noch einmal greift Cranz zu diesem Kunstmittel der moralischen Wochenschriften und der Satire überhaupt. Er wird (in St. 35, S. 529—544, St. 41, S. 625—640) zum Menschen suchenden Diogenes mit der Laterne; damit griff er eine beliebte und dankbare Figur a u f , ' ) ohne sie freilich geschickt zu verwerten. Er leuchtet den Menschen gar nicht recht ins Gesicht, verliert sich vielmehr sehr bald in idyllische, zum Schwärmen einladende Gegenden und schildert die dort herrschenden heiteren Verhältnisse und die Schicksale eines empfindsamen ländlichen Liebespaares. Überhaupt finden sich im Fr. d. W. kaum ausgesprochene Satiren. Cranz spricht sich in der Abhandlung „Von dem Werth der satirischen Ader" (St. 30, S. 449—464) sogar ausdrücklich gegen sie aus. Sie beruhe auf Veranlagung und enthalte kein Verdienst, leiste auch nicht viel Gutes. „Es ist unmöglich, daß die Satire nicht Schmerzen machen sollte." (S. 457.) Sie sind nicht immer verdient; und wer gibt dem Satiriker ein Recht, zu verwunden ? Außerdem: „Von Grund aus bessert die Satire niemahls. Eine wahrhaftig treuherzige Warnung, ein guter Rath mit Wohlmeynenheit und Leutseligkeit gegeben; muß allein bessern, oder alle Besserung ist verlohren." Gleichwohl braucht er verschiedene typische Formen der Satire. Der Diogenes wurde schon er*) vgl. K. Beckmann, Lindenborn. Eine Einwirkung Lindenborns ist schwerlich anzunehmen. Diogenes war auch sonst keine seltene Person in den Wochenschriften; verschiedene nannten sich nach ihm, z. B. der Leipziger Diogenes 1723, der deutsche Diogenes, Danzig 1736; s. Milberg Moralische Wochenschriften S. 6 ff.

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wähnt. Daneben findet sich beispielsweise ein Aufsatz „Über die Mode-Wörter" (St. 23 u. 24, S. 337—368 [789]), dem „Lexikon" des W. B. entsprechend. — Auch inhaltlich wird mancher Stoff abgehandelt, der satirische Verwertung sehr wohl vertrüge oder sogar fordert. Aber nur selten vernehmen wir den schwer zu definierenden T o n der Satire, nur selten wird er lebhaft und angreifend, läßt er das persönliche Beteiligtsein des Schreibers erkennen. Die kurze, treffend charakterisierende Satire der moralischen Wochenschriften lag ihm nicht. Er sieht sehr wohl Fehler, Schwächen und Verkehrtheiten, bringt sie auch zur Sprache. Aber er greift sie nicht an, sondern plaudert über sie wie über Sachen, die eben da sind und zu allerhand geistreichen Gedanken anregen, die er dann in moralisierend-philosophierendem Tone vorbringt. Ohne die Probleme auf eine einfache Formel zu bringen oder energisch anzupacken, liefert er, etwas schönredend Essays und Feuilletons. Als solche sind seine Leistungen sehr achtbar, und es ist die Frage, ob er es unter entwickelteren Zeitungsverhältnissen nicht vielleicht zu einem gefeierten Namen gebracht hätte. Auch damit lehnt er sich an seine Vorgänger an, daß er seine Abhandlungen häufig durch mehr oder weniger lange Anekdoten und Geschichtchen zu erläutern und beleben sucht, den Charaktertypen des W. B. entsprechend. Aber der Rahmen wird gesprengt. Die knappe Form paßt ihm nicht; die skizzenhafte Umrißzeichnung erweitert sich. Und das ist gar kein Wunder, hatte doch inzwischen die Empfindsamkeit von ganz Nord- und Mitteldeutschland wenigstens Besitz ergriffen, fuhr doch schon der Sturm und Drang über Deutschland dahin. Man strebte nach Farbe und Bewegung, liebte die schwärmerische Schilderung und das Idyll. — Die verschiedenen als Beispiele dienenden oder selbständig dastehenden erzählenden Teile haben zwar alle einen lehrhaften Zug an sich und sollen auch als lehrhaft empfunden werden, aber die Schilderung und Erzählung, das Dichterische, könnte man sagen, drängen sich doch häufig in den Vordergrund. Leider verlieren gerade die längeren Erzählungen durch den Mangel an Geschlossenheit und an Zusammenfassung des Interesses. Die zahlreichen Zwischenbemerkungen

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des Erzählers sowie die satirischen, lehrhaften, religiös-moralischen und psychologischen Abschweifungen und Reflexionen lagen allerdings im Geschmack der Zeit und wurden damals kaum als störend empfunden wie von uns heute. — Da ist zuerst die Geschichte Celianens und in sie eingeschachtelt die Erzählung vom Freiherrn von F., „woraus einige Erscheinungen der weiblichen Eitelkeit begreiflich werden, nebst einem ungefähren Maasstabe wornach der Werth des männlichen Geschlechts einigermassen zu beurtheilen ist" (Inhaltsverzeichnis. St. 3—6 u. 13, S. 36—86, S. 183—191): Celiane wird zur rechten Zeit von einem englischen Lord über die Grundsätze aufgeklärt, nach denen sie sich ihren Mann wählen müsse, indem ihre drei Verehrer und die Geschichte des Freiherrn von F. als Beispiele dienen müssen; dann finden wir „Etwas über das wahre und scheinbare Vergnügen des menschlichen Lebens in den Anmerkungen des Erasts und der Geschichte Medors und Wilhelminens" (S. 99—129, 135—140, 151—160): Wilhelmine hat in ihrer Engelsreinheit den Lebemann Medor aus einem Verächter der Ehe zu ihrem unbedingten Verehrer gemacht und seinem Leben damit erst rechte Befriedigung und rechten Inhalt gegeben, und die längste, „Alcest" (S. 273—336, 577—602, 641—692), die besser „Hannifa" hieße, weil sie vorwiegend die romantischen Erlebnisse Hannifas enthält. Alcest ist nur der treumeinende, bisweilen an unrechter Stelle moralisierende Beschützer der jungen Französin, die, von Kindheit an in türkischer Gefangenschaft, nach einer Niederlage der Türken von einem Major des siegreichen russischen Heeres erbeutet wird. Ihre Schönheit weckt das brutale Verlangen eines höheren Offiziers, den der Major, nach kurzer Zeit der Verlobte Hannifas, zurückweist. Seine Bemühungen, Hannifa trotzdem in seine Gewalt zu bringen, stürzen den Major ins Unglück und haben eine lange Trennung der Liebenden zur Folge, wodurch das unerfahrene Mädchen Opfer eines Verführers wird. Der Bedränger wird entlarvt, der Major schießt sich mit dem Verführer und fällt. Hannifa beerbt ihn und wird nach Frankreich zu ihrer noch lebenden Mutter gebracht, mit der Aussicht, bei ihrem Vermögen und ihren sonstigen Reizen noch einen passenden Mann zu finden. —



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Ganz im Gegensatz zum W. B. behauptet Cranz von. seinen „Gemählden", ihre Züge seien „nicht aus der phantasierten Welt hergenommen, sondern aus der Natur entlehnt". (S. 579; vgl. S. 36.) Daher komme es auch, daß seine Charaktere nicht romanhafte Musterbilder seien und seine Geschichten nicht romanhaft glücklich schlössen. Celiane z. B. hätte auch er einen würdigen Gatten gewünscht, aber: „Bei einer wahren Begebenheit wie diese mus ich dem Faden der Geschichte folgen, wie er vor mir liegt, die Sache mag ausfallen wie sie will." (S. 183.) Ob Cranz schon hier, wie er es späterhin tat, in einzelnen Fällen an tatsächliche Verhältnisse und Personen anknüpfte, — in andern ist derartiges ausgeschlossen — oder ob die Behauptung eine Fiktion ist, die Interesse erwecken sollte, muß dahingestellt bleiben. Der Fr. d. W. ist im Grunde genommen eine p s y c h o l o g i s c h e S c h r i f t . Das menschliche Herz in seinem Fühlen und Wollen, mit seiner Stärke und Schwäche ist es, was interessiert und was untersucht wird. Die Erzählungen dienen in erster Linie dazu, menschliche Leidenschaft zu illustrieren und auch die meisten Abhandlungen sind unter psychologischem Gesichtspunkte verfaßt, wenn sie nicht geradezu psychologische Fragen zum Thema haben. Freilich fehlt nie der moralische Einschlag. — Wie der Fr. d. W. überhaupt stark unter dem Einfluß der Empfindsamkeit steht, in der Vorliebe für das Idyll und in der Wertschätzung der lieblichen Natur, in Sprache und Stil, so steht auch die „ s c h ö n e S e e l e " im Mittelpunkt des Interesses. Der Untersuchung ihres Wesens ist ein eigenes Stück gewidmet (St. 25, 369—384 [753—768]), und immer wieder werden einzelne ihrer Seiten und Lebensäußerungen behandelt. — Leider sei sie seltener, heißt es, als man aus der häufigen Erwähnung schließen sollte. Denn „Schöne Seele", „Sentiment", „Empfindung", „Fühlbarkeit des Herzens" sind als Worte in aller Munde, aber nur, weil es gerade Mode; allenfalls verstehn sie es noch, die Empfindungen zu heucheln. (S. 353 ff.) Die Sache selbst ist leider nur in wenigen wirksam. Kennzeichen der „schönen Seelen" sind Tiefe, Wahrheit und zarte Feinheit des Fühlens und Wollens. Tugendhaftigkeit und Schönheit der Seele decken sich nicht, es gibt auch eine furchtbare,.

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heroische Tugend, vor der wir schaudern. Die schöne Seele strebt nach Erhebung über den Alltag des Lebens mit seinem Streiten und Hasten; im Verkehr mit sich sucht und findet sie Erholung. Deswegen ist ihr die Einsamkeit keine Qual, wie der Eitelkeit, sondern schenkt ihr die seligsten Stunden. Ganz darf sie sich ihr aber nicht ergeben. Nur ausruhen darf sie in ihr von ihrer ersten Pflicht, der Tätigkeit für das allgemeine Wohl. (St. 32 u. 40, S. 489 u. 611.) — Auch der Mann kann eine schöne Seele h a b e n ; aber Zimmermann hat schon Recht, wenn er behauptet, in feinster, zartester Form käme sie nur beim Weibe vor. Schönheit ist ja „nach dem allgemeinen System der Natur das eigenthümliche Vorrecht des weiblichen Geschlechts so wie Stärcke und Muth das vorzügliche Eigenthum der Männer ist." (S. 379 [763].) Besonders eingehend wird das Thema der „ T u g e n d " abgehandelt, bezeichnender Weise von dem psychologischen Gesichtspunkt aus, welches die Gründe für tugendhaftes Handeln seien. In einer ganzen Reihe von Stücken (St. 27 S. 403 —416, St. 31, S. 465—480, St. 45—48, S. 693—772) wird auseinandergesetzt, daß die Tugend das wahre Glück ausmache, trotzdem gerade die Tugendhaften auf äußere Glücksgüter, denen ihr Wert gar nicht abgesprochen wird, häufig verzichten müßten. Um dieses in ihr liegenden Glücks der inneren Zufriedenheit und Ruhe willen sei sie zu erstreben, nicht aus Furcht vor Strafe oder H o f f n u n g auf Belohnung. Und es sei auch tatsächlich „wahres Naturbedürfnis, im edelsten Verstände gut zu seyn". (S. 403.) Wie es freilich komme, daß diesem Naturbedürfnis von so vielen nicht entsprochen wird, bleibt ungesagt. Der oben erwähnte Einsender der St. 45 u. 46 spricht denn auch die weniger zuversichtliche Ansicht aus, die Tugend als solche könne nur auf besonders fein veranlagte Menschen so unbedingt einwirken, die Mehrzahl dagegen könne der Aussicht auf Belohnung und Strafe nicht entraten. Ähnlich wird etwa die Wirkung der Satire auf das menschliche Gemüt untersucht, dem Wert und den Äußerungen der Eigenliebe nachgegangen, wird bewiesen, daß ein Gefühl niemals durch Verstandesurteile, sondern nur durch andere, stärkere Gefühle überwunden werden könne.

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Cranz folgte dem Qeist der Zeit, wenn er das Gefühl dem Verstände gegenüber besonders betonte und den Regungen des Herzens nachging. Von Polemik irgend welcher Art hält er sich dabei fern und an systematische Entwicklung seiner bestimmten psychologischen Ansichten ist nicht zu denken. Es sind immer Einzelheiten, die herausgegriffen werden und unter Berücksichtigung anerkannter moralischer Wahrheiten und der Idee der schönen Seele ihre Erledigung finden. Manche psychologische Wahrheit findet auch ganz nebenher in treffenden Worten Ausdruck. Satirische Rüge gesellschaftlicher Zustände und menschlicher mehr oder weniger verbreiteter Schwächen findet sich, wie schon angedeutet, verhältnismäßig selten. Die „Reflexionen über die gewönliche Vorstellung die man sich von gesitteten und barbarischen Nationen macht" (St. 2, S. 7 bis St. 3 S. 36) ziehen gegen törichte Bewertung oberflächlicher Kultur zu Felde, die häufig das Beste im Menschen übersehe und das wirkliche Verdienst im Schatten stehen lasse. — Der Artikel über die Modewörter (St. 23 u. 24, S. 337—368 [784]) spottet über allerhand unsinnige Redensarten, denen ihr guter Sinn meistens längst abhanden gekommen ist. —* Daß die gesellschaftlichen Sitten nach der Ansicht des Verfassers in mancher Hinsicht etwas angefault sind, geht aus den drei Erzählungen hervor. Auch sonst nimmt er Gelegenheit, über einen Mangel und wohl gar ein Sinken der Moralität zu klagen. (S. 198, S. 383 [767].) Gegen die doppelte Moral, die bis in die anerkannte Gesetzgebung hineinreiche, nach der ein Dieb z. B. schwer bestraft werde, ein Räuber der Unschuld aber erhobenen Hauptes, wohl gar noch bewundert einherschreiten dürfe, macht er entschieden Front (St. 14, -S. 193), verteidigt dann aber durch den Mund der Polly Backer (S. 201—213) jede, auch die uneheliche Mutterschaft, in der nie ein Unrecht liegen könne. Doch auch Polly Backer, die, zum fünftenmal uneheliche Mutter, wegen ihrer nicht kirchlich und staatlich genehmigten Mutterschaft zum fünften Male vor Gericht steht, obwohl sie ohne jemandem zur Last zu fallen ihre Kinder zu treuen Staatsbürgern erzieht, singt der Ehe ein Loblied. Daß sie nicht dahin gelangte, ist Schuld eines Mannes, der unangefochten hohe Staatsämter versieht.

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— Auch sonst wird die Ehe in hohen Tönen gepriesen. Die Geschichte Medors und Wilhelminens ist ihrer Verherrlichung gewidmet. Sie ist das „reitzungsvollste Band der Glückseligkeit", und die Hagestolze, die es nicht kennen, sind zu bedauern. (S. 172 ff.) Man sollte die Ehe deswegen hochhalten und nicht auf so unzuverlässigem Boden gründen, als man ihn „bei Würden und Reichthümern und bei allen übrigen Vortheilen, die nur glänzen", findet. In viel höherem Maße müßte man „auf wahre Sittlichkeit, auf übereinstimmende Empfindungen" sehen. — Der Fr. d. W. verficht eine veredelte Sinnlichkeit, die Freude am Weibe als dem schönen Geschöpfe Gottes. Es ist „das liebenswehrte Geschlecht, was so sehr gemacht ist, Annehmlichkeiten; — wie die Rose Düfte, — um sich herzubreiten" (S. 415) oder „— und was ein hübsches, liebes Mädchen betrift, die Unschuld und Gefühl der Tugend, und des Schönen besitzt — Ein Mädchen die Seele hat und ihre Seele wenigstens mit eben der Sorgfalt zu bilden wünscht, als sie ihr schönes Haar in zierliche Locken schmiegt; — so will ich es der ganzen männlichen und weiblichen, schönen und häßlichen Welt, die Misantropen, und gallsüchtigen Sittenrichter, die überall Laster sehen, mit inbegriffen gestehen: Daß ich es für das schönste und beste Geschöpf, für die erste Zierde der schönen Natur, uri'd für das angenehmste Wesen halte." (S. 418/419.) — Aber was die Ehe angeht, kann er „mit Rousseau ohnmöglich einerley Meynung seyn, daß der sinnliche Theil der Liebe der beste seyn soll." (S. 425/26.) Das ist vielmehr die geistige Gemeinschaft. Deswegen liest er auch ein Kapitel über „die Kunst aus einem Gatten einen Freund oder Freundin zu machen" (St. 28 u. 29, S. 417—448) in dem er den Frauen beherzigenswerte Ratschläge gibt, wie sie mit ihrer Weiblichkeit den Mann dauernd an sich fesseln können. Bei dem Gedanken an die typische, in sich selbst genügsame „schöne Seele" der Susanna von Klettenberg kommt uns die wiederholte, ausdrückliche Betonung der Pflichten gegen die A l l g e m e i n h e i t unerwartet. — Von den Hagestolzen heißt es, da sie für keine teure Familie zu sorgen haben (S. 176): „Euer ganzes Leben ist ohne Wehrt, so lange es nicht völlig dem Dienst eurer Mitgeschöpfe bestimmt ist, und B e n s e i , Niederrhelnisehes Geistesleben.

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ein Opfer für das allgemeine Beste wird." Medor belehrt den Erast: „Der Mensch ist zum Welt Bürger gebohren. Wenn die Gesellschaft und die grosse Welt die uns angewiesene Sphäre ist; so darf man das ruhige Landleben, nur zu gewissen Zeiten als eine seiner Erholungsstunden ansehen." (S. 158/59.) Noch eindringlicher heißt es (S. 177): „Jeder Weltbürger mus ein Licht seyn, das indem es andern dienet sich selbst verzehret." 1 ) Diese Aufopferungsliebe hat aber mit staatlicher Oesinnung nichts zu tun. Der Staat wird nur einmal erwähnt, um einen Tadel zu erhalten, weil es ihm nur darauf ankomme, gute Bürger, nicht gute Menschen zu haben. (S. 742.) Den Höfen ist der Fr. d. W. nicht gewogen (S. 22), obwohl er zugeben muß, man finde „unter den heutigen Großen die grösten Menschen. . . . Beschützer der Wissenschaften, Freunde der Musen, und Verehrer der Grazien, umgeben ihre Beherrscher in denen e r s t e n Dienern des Staats — wie zu den Zeiten Augusts." (S. 640.) Im übrigen steht aber das politische Gespräch für ihn auf derselben niedrigen Stufe wie „der rauhe oft ungesittete Ton, in den Gesellschaften der Männer, der zügellose Scherz, dem nichts zu heilig ist; der wilde Tumult, der den Nahmen der Fröhligkeit entweiht." (S. 414.) Das liegt aber alles ganz abseits vom Interesse. Ebenso werden E r z i e h u n g s f r a g e n nur gestreift. Belohnung und Strafe sollten höchstens bei kleinen Kindern als Antrieb zur Tugend verwandt werden, heißt es einmal (S. 739, 742). Gelegentlich werden philanthropinistische Gedanken vertreten: Amint genoß einen „geschickten Unterricht, der gar nicht wie Unterricht aussahe und sich in anmutigen Märchen und kleine Erzählungen einkleidete". (S. 775.) Die Mädchenerziehung wird zweimal gestreift. Er beklagt, daß sie, wie sie gerade ist, die schönsten Anlagen der Seele eines Mädchens ungebildet verkümmern lasse (S. 31), und die Geliebte des *) Im Inhaltsverzeichnis stehen die abkühlenden Worte: «Zwölftes Stück. . . . das Vermächtnis eines vermutlich unfreiwilligen Hagestolzen in einem Sendschreiben über die Pflichten dieses Ordens an seine Mitbrüder. Ein Beweis, daß bei schlimmer Laune oft Wahrheiten gesagt werden, zu deren Ausübung sich wohl nur wenige verstehen mögten.«

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Freiherrn v. F. „war glücklicherweise nie in die misbildende Hände einer gezierten Französin gefallen." Etwas mehr Beachtung findet die R e l i g i o n . Cranz kann zwar feststellen, „daß die verschiedene Religionspartheien nicht mehr so gar heftig auf einander loßfeuren" (S. 524), aber noch fehlt viel an wirklich aufgeklärten Verhältnissen. Deswegen erzählt er uns, um das Zufällige aller Bekenntnisse zu erläutern, die Geschichte, wie die Bewohner von Celebes mohamedanisch statt christlich wurden. (St. 34 S. 513.) — Zum Charfreitag, dem höchsten Feiertage der evangelischen Kirche, bringt er eine ansprechende Betrachtung über die Vergänglichkeit des Irdischen (St. 37, S. 561) — ein Beweis dafür, daß er vorwiegend evangelische Leser gehabt haben muß. Der Religion sind auch Worte gewidmet wie: „. . . einer Religion, die nur elenden Witzlingen unbedeutend, jedem vernünftigen Wahrheitsfreunde aber nicht anders als respectable seyn kann." (S. 195/96.) — Ganz selten werden Geistliche und Klosterwesen satirisch gestreift. (S. 103, 106, 499.) Die durchschlagende Wirkung auf Zeitgenossen und Landsleute, die man dem W. B. zuschreiben muß, hat dem Fr. d. W. bestimmt gefehlt. Der W. B. stellte sich mitten ins Alltagsleben, wie es sich in seiner Gegend abspielte, hinein; der Fr. d. W. sprach zu einer an keinen Ort gebundenen kleineren Gemeinde geistig hochstehender, feiner empfindender Menschen. Sein Herausgeber war kein Mann des Volkes, kein Erzieher, sondern ein moderner Literat, der sich der alten Form mit Glück bediente. Allerdings war auch das Publikum ganz anders geworden. Die Zeit war nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Es hatte einen ungeheuren Schritt nach vorwärts getan. Zwischen den Lesern des W. B. und denen des Fr. d. W. liegt ein außerordentlicher Abstand. Erstere sind ganz allgemein die kulturell rückständigen Bewohner des Herzogtums, Adlige, akademisch Gebildete und kleine Bürger ganz ungeschieden. Letztere gehörten zu empfindsamen Kreisen, konnten an sich ebensowohl in Sachsen wie in Cleve wohnen, waren Menschen, die an der ganz Deutschland durchflutenden geistigen Bewegung der Zeit teilnahmen. Freilich, an ihrer Spitze stand der Fr. d. W. keineswegs. Die führenden Literaturkreise hatten sich der Empfind-

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samkeit, wie er sie vertrat, schon entrungen. Wenn auch der Sturm und Drang wesentliche Züge mit der verangegangenen Epoche gemeinsam hat, so drängt in ihm doch alles von stiller Beschaulichkeit fort zur T a t . Daher treten mehr und mehr das Theater und das Drama in den Mittelpunkt des Interesses, darum beginnen politische und volkswirtschaftliche Zeitschriften in jenen Jahren zu erscheinen. — Daß unsere Gegend dem Sturmschritt der Entwicklung langsamer folgt, daß die alte Epoche nicht so schnell und gründlich verdrängt wird, ist kein Wunder. Aber auch sonst in Deutschland hätte ein Blatt wie der Fr. d. W. noch lange zahlreiche dankbare Leser gefunden. Cranz hätte bei seiner wirklich glänzenden Begabung vermutlich leicht großen Erfolg haben können, wenn er sorgfältiger und mit mehr Selbstzucht ans Werk gegangen wäre. Sein Unternehmen war an sich zweifellos geeignet, die landschaftlichen Grenzen zu überschreiten, und war eigentlich auch darauf angewiesen. Man darf annehmen, daß manche Kreise, die den W. B. gern gelesen hatten, dem empfindsamen Fr. d. W. nicht folgen wollten und konnten. Er setzte einen geistigen Zustand und einen Geschmack voraus, den die große Masse der Bewohner Cleves trotz alles geistigen Fortschrittes schwerlich aufweisen konnte.

4. Die wissenschaftlich-literarischen Unternehmungen Beerstechers. Der Fr. d. W. wurde zuerst von Beerstecher in Cleve verlegt. Wir sind damit dem Buchhändler begegnet, der anfangs der siebziger Jahre in Cleve eine rührige Tätigkeit entfaltete und allerhand groß angelegte Unternehmungen ins Leben rief, ohne je von Erfolg gekrönt zu sein. Wie weit das seiner eigenen Schuld und Unfähigkeit zuzuschreiben ist, wie weit ihn Verhältnisse und allerlei Ungunst verfolgt haben, vermögen wir bei den spärlichen Nachrichten über ihn nicht zu entscheiden. Johann Gottlieb Beerstecher 1 ) wurde am 17. Jan. 1749 in Herrenberg (Württemberg) geboren. Seine Eltern waren *) Der Name erscheint später meist in der Form Bärstecher; doch ist die erste Schreibung die ursprüngliche und amtlich gebrauchte. Auch

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der Handelsmann Johann David Beerstecher und Johanna Gottliebin, geb. Hößler (heute schreibt sich die Familie Hesler). Getauft wurde das Kind am Tage nach seiner Geburt. Als Taufzeugen werden aufgeführt: Johann Christoph Haag, fürstl. Mundkoch, Frau Regine Gaurn, Apothekers Ehefrau, Frau Maria Agnes Beerstecher. Die Familie Beerstecher war evangelisch. Anfang der siebziger Jahre erscheint Beerstecher als Buchhändler in Cleve. Im Jahre 1773 gründete er in Düsseldorf ein Zweiggeschäft. Die Angabe Merländers im Düsseldorfer Jahrbuch, das Hauptgeschäft habe sich in Düsseldorf befunden, ist falsch. Seine Schriften erscheinen alle in Cleve. Auch die bibliographischen Angaben Merländers stimmen nur teilweise. — Noch am 29. Dez. 1772 annoncierte Beerstecher nur von Cleve aus in den „Jülich- und Bergischen Wöchentlichen Nachrichten". Seine Vertretung in Düsseldorf führte damals der Drucker und Verleger des Wochenblattes, der Steuerkanzelei-Verwandte Zehnpfennig. Am 23. März 1773 annonciert zum ersten Male (St. 12) die „Neue Buchhandlung" Beerstechers, damals am Burgplatz, in dem ehemaligen Asmushaus gelegen. Am 28. Sept. 1773 verkündete eine Mitteilung (in St. 39), daß die Neue Buchhandlung in das Haus der Witib des Weinhändlers Busch auf der Neuen Brücke gezogen sei und gleichzeitig eine Leihbibliothek mit 600 Bänden begründet habe1). In dieser Zeit muß Beerstecher auch geheiratet und seinen Wohnsitz nach Düsseldorf verlegt haben. Das Hauptgeschäft blieb in Cleve. — Leider ist weder über das Clever noch das Düsseldorfer Geschäft näheres bekannt. Nach den Annoncen zu urteilen, muß es anfangs wenigstens in Düsseldorf gut gegangen sein. Sie werden allmählich seltener, und am 3. Sept. 1776 (in No. 36) erschien auf Grund einer churfürstlichen Verordnung eine Vorladung der Gläubiger in Sachen der Ehefrau Beerstecher gegen ihren Ehemann auf den 30. Okt. 2 Uhr im Rathaus. Beerstecher war in Konkurs geraten. Die Versteigerung seines Lagers begann am schreibt sich die Familie heute noch so. (Nach gütiger Mitteilung des ev. Pfarramtes in Herrenberg.) *) Bei Zahlung von 24 Stübem monatlich konnte man täglich ein Buch entleihen, bei 40 Stübern 2 Bücher.

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3. Okt. Das Clever Geschäft scheint er schon vorher aufgelöst zu haben. Eine Annonce vom 20. Febr. 1776 — es ist seine letzte — kündigt die sechste Bücherausspielung am 26. Febr. an. Es wurden 500 Lose zu einem Rtlr. ausgegeben bei 500 Preisen. 1766/67 war bei Orell, Geßner u. Komp. in Zürich der überhastet abgeschlossene Agathon Wielands erschienen. Von vorneherein trug sich der Dichter mit dem Plane einer veränderten und vermehrten Ausgabe des ganzen Werkes. Für den Roman begeistert, wandte sich Fritz Jakobi in Pempelfort (bei Düsseldorf) mit einer „Nachricht" in den Wöchentlichen Nachrichten vom 10. März 1772 (St. 10) (und wohl auch an vielen andern Stellen) an das Publikum und forderte zur Subskription auf eine Neuauflage auf. Gleichzeitig teilte er mit, daß J. G. Beerstecher den buchhändlerischen Vertrieb übernommen habe. — In der Tat gelang es ihm, 700—800 Subskribenten zusammenzubringen. Trotzdem kam das Unternehmen nicht zustande, angeblich, weil sich Beerstecher als Schwindler entpuppte. Ob diese Beschuldigung zu Recht besteht, muß dahingestellt bleiben. — Die zweite Auflage erschien dann zur Ostermesse 1773 bei Reich in Leipzig. Auch als Herausgeber und Dramatiker ist Beerstecher hervorgetreten; die unten zu besprechende Clever TheaterZeitung (1775), die er auch selbst verlegte, und die 1777 in Düsseldorf erschienenen „Bagatellen, Literatur und Theater" wurden von ihm besorgt, sehr wahrscheinlich auch die „Sammlung gelehrter Nachrichten am Niederrhein" und anfangs das „Encyclopädische Journal". Das „Taschenbuch für Schauspielei- und Schauspielliebhaber", Offenbach 1779, führt zwei Dramen von ihm auf: Ungedruckt: „Das Wirtshauß oder die glückliche Wiedervereinigung" und unter der Feder: „Jost von Bremen, in 5 Aufzügen." Das eine ¡muß man Beerstecher lassen: er hatte Unternehmungslust und große Pläne, denen nur das Vollbringen fehlte — freilich die Hauptsache. Unter Übergehung der Clever Behörden hatte Beerstecher in Berlin um ein Privileg zur Herausgabe einer gelehrten Zeitung in Cleve nachgesucht. Dieses Privileg wurde

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ihm mit dem Datum vom 5. Mai' 1772 verliehen. Es enthielt keine Bestimmung über die Zensur des Blattes, empfahl dagegen den Privilegierten der Unterstützung der dortigen Behörden. Von all dem erfuhren diese merkwürdigerweise erst, als Beerstecher mit dem damaligen Zensor, Landgerichtsassessor Rittmeier, zusammenstieß. Das geschah sehr bald nach Ausgabe des ersten Stückes der „ S a m m l u n g g e l e h r t e r N a c h r i c h t e n a m N i e d e r r h e i . n " . — Nicht nur, weil das Privilegium keine Andeutung darüber enthielt, sondern auch, weil der auswärtige Druck (wohl in Düsseldorf) das fast unmöglich machte, legte Beerstecher die einzelnen Hefte dem Clever Zensor nicht vor. Wegen dieser Nichtbeachtung der Vorschriften ,beschwerte sich Rittmeier in einer Eingabe vom 19. Dez. 1772 bei der Regierung. Zur Stellungnahme aufgefordert, wies Beerstecher auf die bestehenden Schwierigkeiten und auf sein Privileg hin. Er machte den Vorschlag, auch künftig ohne Clever Zensur bleiben zu dürfen, wofür er den Namen Cleve auf dem Titel fortlassen wolle; tatsächlich fehlt er vom 8. St. an, das er als Muster eingesandt hatte. Wir dürfen also wohl annehmen, daß man auf seinen Vorschlag einging. Für das gleich zu behandelnde „Encyklopädische Journal" und für das „Magazin vor Ärzte" hingegen war Rittmeier wieder Zensor. Das Blatt beginnt mit allerhand Erscheinungsunregelmäßigkeiten. Der Titel des ersten Stückes führt schon die Jahreszahl 1773, obwohl das Stück nachweislich 1772 erschienen ist. Die Nachricht (an das Publikum) am Schluß (S. 16) ist unterschrieben: Cleve den 18. Nov. 1772. In der Zeit zwischen dem 18. Nov. und 19. Dez., dem Tage von Rittmeiers Beschwerde, muß es zur Ausgabe gelangt sein. Merkwürdigerweise finden wir aber am 29. Dez. 1772 in No. 52 der Düsseldorfer „Wöchentlichen Nachrichten" die Ankündigung, daß die S. g. N. zu Anfang des künftigen Jahres herauskommen werde. — Eine Anzeige in Heft 16 (S. 256) trägt das Datum des 2. März 1773. Danach wäre jede Woche ganz regelmäßig ein Stück erschienen. Die in der Nachricht stehende Bemerkung, die fehlenden Stücke sollten nachgeliefert werden, ist also dunkel. Selbst wenn wöchentlich zwei Stücke erscheinen sollten, wie anzunehmen ist, stimmt die

— 104 — Anzahl, da ja die Ende 1772 vorzeitig erschienenen für 1773 mitzählten. — Aber eine Verzögerung muß doch eingetreten sein. Am Schluß von St. 7 (S. 112) erklärten „die Verleger" unter dem 20. Jan. 1773, „daß es gegen unsern Willen seye, wenn die Stöcke dieser Zeitung nicht ordentlich erfolgen". Das Publikum solle aber keinen Nachteil dadurch erleiden. An diesen Wirrnissen trug zweifellos der Zensurstreit die Schuld. Oerade damals lag Beerstechers Eingabe mit einem Exemplar des 8. St. der Regierung vor. Leider fehlt uns, wie in den meisten Fällen, das dem Erscheinen vorangegangene, sicher ausführliche Avertissement, auf das die Nachricht in St. 1 Bezug nimmt. Auf dem Avertissement wird sich Beerstecher auch als Verleger genannt haben; in der S. g. N. selbst nimmt er keine Gelegenheit dazu. Mitteilungen in Sachen des Blattes sind unterschrieben: „Die Verlegere." Aber wenn wir nicht aus den Akten unterrichtet wären, so könnten wir doch seine Verlegerschaft aus der Tatsache entnehmen, daß sich nur Anzeigen der Beerstecherschen Buchhandlung finden, lauter Angebote, für dieses oder jenes Werk Pränumeration entgegenzunehmen. Wie lange die S. g. N. erschien, wissen wir nicht; das einzige Berliner Exemplar enthält 17 Hefte, je 1 Bogen stark, in kleinem Oktav, das 17. mit deutschen Lettern, worum die Verleger „von den meisten Freunden und Gönnern dieses Instituts ersucht worden". Die lateinischen der ersten 16 Hefte waren gewählt, „unsern Nachbarn von Holland dadurch einen Gefallen zu erweisen . . ." Aber auch diese waren mit der Änderung einverstanden. — — Der Preis betrug für den Jahrgang 4 Rtlr. oder 6 holl. Gulden. Auswärtige freilich mußten sich mit ihrem Postamt auseinandersetzen. Die Bezahlung sollte halbjährlich erfolgen. Zur Feststellung von H e r a u s g e b e r u n d M i t a r b e i t e r n fehlen alle Anhaltspunkte. Für die oben ausgesprochene Vermutung, Beerstecher habe die Geschäfte des Herausgebers selbst besorgt, läßt sich nur anführen, daß der Betreffende sich die Sache ziemlich leicht gemacht hat, und daß nichts dagegen spricht. — Bemerkenswert ist, daß auf

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Mitarbeiterschaft holländischer Gelehrter nicht nur gerechnet zu sein scheint. Die Nachricht am Schluß des zweiten Stückes (S. 32) teilt (angeblich ?) auf Anfrage holländischer Herren mit, daß sie etwaige Beiträge in französischer, holländischer oder lateinischer Sprache einsenden dürften. In holländischen Städten erschienene Schriften werden tatsächlich ziemlich häufig angezeigt, besonders anfangs. Daß die Einsender oder Beurteiler wirklich in Holland wohnten, ist damit allerdings noch nicht bewiesen. Denn als Überschriften werden stets die Namen der Städte genommen, in denen die besprochenen Werke erschienen sind. — Jedenfalls ist eine starke Mitarbeiterschaft nicht der Vorzug der S. g. N. Weitaus der größte Teil aller Artikel ist andern gelehrten Zeitschriften entnommen, anfangs ohne Hinweis darauf. Erst im 7. Heft wird das Versprechen gegeben, künftig alle entlehnten Aufsätze mit Angabe der Quelle zu versehen. (S. 112.) — Als Muster schwebte die Erlanger Zeitung vor, die halb eigne, halb entlehnte Rezensionen brachte. Auf so hohe Stufe hat sich die S. g. N. nie gehoben. Eigne Rezensionen gehören zu den Seltenheiten; das meiste ist nachgedruckt, eine Zeitlang vorwiegend aus dieser, dann wieder aus jener Zeitung. Verwertung finden vor allem die „Göttingischen gelehrten Anzeigen", die „Frankfurter gelehrten Anzeigen", die „Erfurter gelehrten Anzeigen" und die „Erfurter gelehrte Zeitung", die „Hallesche gelehrte Zeitung" und einige andere. Eine Beschränkung des A r b e i t s f e l d e s kennt die S. g. N. nicht. Bücher aus allen erdenklichen Gebieten werden besprochen, philologische, juristische, medizinische und theologische an erster Stelle, daneben aber auch solche aus allen Zwischengebieten: Altertumswissenschaft, Staatswissenschaft und Volkswirtschaft, Mathematik, Physik und Naturwissenschaft; auch, wenngleich zurücktretend, schöngeistige und kritische Werke. — Ebensowenig legt das Blatt sich örtliche Beschränkung auf. Nicht nur Verlagswerke aus den deutschen Zentren des Buchhandels werden angezeigt, sondern auch aus den germanischen Vorländern, aus der Schweiz, aus Mitau in Kurland, aus Kopenhagen, vor allem aus den Niederlanden. Mehrfach ist auch Italien mit philologischen Werken vertreten.



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Bestimmte T e n d e n z e n , feste wissenschaftliche Richtungen irgendwelcher Art lassen sich nicht feststellen, weder in der Auswahl der besprochenen Werke, noch in den Besprechungen selbst. Schon die starke Abhängigkeit von andern Zeitungen hinderte das bis zu gewissem Grade. Höchstens kann man sagen, daß eine maßvolle Aufklärung vertreten wird, die sehr wohl die kritische Sonde an die Bücher der heiligen Schrift gelegt wissen will. Die „wichtige Lehre" der Inspiration soll gründlich geprüft werden, damit sie „dadurch in ein helleres Licht und Wahrheit zu grösserer Qewisheit gebracht werde." (S. 20.) Andrerseits wird gegen den Materialismus und Atheismus des Système de la Nature, das dem Helvetius zugeschrieben wird, vorgegangen und gegen gleichgültigen Deismus zugunsten des Theismus Stellung genommen. — Die S. g. N. gehört völlig in den Kulturbereich des evangelischen Nord- und Mitteldeutschlands. Abgesehen von der '.ganzen Färbung geht das z. B. auch daraus hervor, daß über den Nellerschen Streit in Trier und Cöln nach den Gött. gel. Anz. berichtet wird. (S. 246 ff.) Die behandelten theologischen Schriften gehören durchaus der evangelischen Theologie an. — Gelegentlich wird von einem Rezensenten gegen die Verteidigung der Tortur Front gemacht (S. 49), werden des F. A. van der Marek in Groningen erschienene Lectiones Academicae über Naturrecht gegen Angriffe von theologischer Seite in Schutz genommen. (S. 30.) — Niederrheinische Literatur findet nur einmal im Vorübergehen Erwähnung (S. 145), wo gegen die Seuche der Wochenschriften polemisiert wird. Voller Stolz auf die so viel weiter geschrittene Zeit erfährt der W. B. ziemlich nichtachtende Erwähnung, und „Der Gemeinnützige" in Wesel wird als eine Verirrung „auf diesem kritischen Schauplatze" bezeichnet. Neben Rezensionen bringt die S. g. N. noch „ N a c h r i c h t e n " aus der Gelehrtenwelt, meist Ankündigungen demnächst erscheinender Werke, die Beerstecher zu besorgen unternahm, aber auch Todesanzeigen usw., sogar richtige Besprechungen, wie auch umgekehrt manche Mitteilungen, die wir hier suchen würden, im groß gedruckten Hauptteile zu finden sind. Die S. g. N. endigte offenbar mit einem Mißerfolg. Das

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entmutigte Beerstecher keineswegs. Er faßte vielmehr sehr bald den kühnen Entschluß, ein nach Umfang, Wert und Verbreitung in Deutschland einzig dastehendes Unternehmen ins Leben zu rufen, und gründete das „ E n c y c l o p ä d i s c h e J o u r n a l " (E. J.). Die Ankündigung vom 10. Dez. 1773 — ein Abdruck von ihr ist dem ersten Bande beigegeben — erschien unter dem Titel: „Nachricht an das deutsche Publicum." Es heißt darin: „Durch den Beystand und die Aufmunterung einiger Gelehrten und angesehener Männer veranlaßt", wolle er, der unterzeichnete Buchhändler, etwas ganz Beispielloses schaffen. Der beabsichtigte Umfang könne nur durch den gewählten Titel entsprechend angedeutet werden. Als Vorbild diene jedoch nicht das Journal encyclopédique, sondern englische Magazine, insonderheit the Universale Magazine of Knowledge and Pleasure. Dieses P r o g r a m m schloß nur „die eigentliche Theologie und die eigentliche Rechtsgelehrsamkeit" vom Inhalt aus, sonst nichts. Im besonderen sollte der Inhalt bestehen „aus kurzen Aufsätzen aus der Philologie — Philosophie — Geschichte und was dazu gehört, als Anecdoten, Lebensbeschreibungen verstorbener und noch lebender Personen, u. d. gl. — Erdbeschreibung — Naturlehre und Naturgeschichte — Haußhaltungskunst — Kamerai- und Handlungswissenschaften — Dichtkunst — kleine und lehrreiche Romane — Ästhetik — Malerei und Altertums-Kunde — Bildhauerkunst — neue Entdeckungen in den Wissenschaften — kurzen Auszügen aus merkwürdigen Büchern, Aufgaben und Preisfragen gelehrter Gesellschaften und anderer — Avertissementen und Nachrichten für das beste der bürgerlichen Gesellschaft — Bücheravertissementen besonders für das deutsche Buchhändler Publicum — man wird nur auf Gegenstände sehen, die den Kriegs- und Staatsmann, den Gelehrten, den Handelsmann, die Leser und Leserinnen zum Vergnügen — unterrichten und eine angenehme und nützliche Lectüre verschaffen sollen." Den Schluß jedes Stückes sollte ein „historisch-politischer Merkur", eine Übersicht über die Ereignisse auf den 4 Erdteilen und in der gelehrten und großen Welt bilden, an die sich astronomische Wetterbeobachtungen anschließen würden.

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Da die in Deutschland kaum bekannten französischen, englischen und holländischen Zeitschriften ausgiebig benutzt werden sollten, da für die Übersetzungen wie für Originalaufsätze schon die berühmtesten Gelehrten gewonnen seien, stehe Stoffmangel nicht zu befürchten. 24 Kupfer jährlich würden den Wert des E. J. besonders heben. Alle 14 Tage würden 6—7 Bogen herauskommen. Als Preis wurden 5 Rtlr. in Gold oder 9 Gulden Reichsgeld festgesetzt — bei Bezahlung bis Ende Februar. Danach erhöhte sich der Preis auf 8 Rtlr. Freie Versendung nach auswärts konnte bei dem verhältnismäßig geringen Preise nicht versprochen werden; schon nicht „wegen den verschiedenen Einrichtungen der Posten in Deutschland". Abonnieren konnte man nach der Ankündigung „in den vornehmsten Buchhandlungen", ferner auf allen „hoch- und löbl. Postämtern, Zeitungs-Expeditionen, und überall, wo dis Avertissement ausgegeben wird". Auf Wunsch standen Probehefte zur Verfügung. Es war Undurchführbares, was Beerstecher versprach. Die entgegengesetztesten Interessen sollten befriedigt werden ; „nur aus dem Fortgang und dem Inhalt dieser periodischen Schrift, wird man die eigentliche Einrichtung sehen können, deren weites Feld unmöglich zu beschreiben ist." — Das war kein Programm, das war das Fehlen jeglichen klaren Ziels. Zwar war der Zusammenhang zwischen den einzelnen Wissenschaften in jener Zeit noch unvergleichlich viel enger, das Interesse weniger differenziert und auf engere Gebiete eingeschränkt als heute, — bezeichnend ist ja schon, daß ein so weit ausholendes Unternehmen ins Leben treten und günstige Aufnahme finden konnte — aber auch damals konnte das Blatt besten Falls formlose Materialsammlung werden. Zum mindesten war es von vorne herein sehr fraglich, ob gerade der entlegene Niederrhein eine glückliche Entwicklung ermöglichen würde. Die Bildungsmittelpunkte des deutschen Sprachgebietes lagen alle fern, Sachsen und Thüringen, Berlin, Göttingen, Hamburg, Bremen, die Schweiz, und mit keiner der in Frage kommenden Städte stand Cleve in engerer Verbindung. Am Niederrhein selbst aber war die

— 109 — Bildungsschicht dünn, und vor allem fehlte es an einem Brennpunkt des geistigen Lebens. Recht hübsch sucht der allgemein gehaltene V o r b e r i e h t (auf nicht gezählten Blättern) von Cranz 1 ) die Absicht des E. J. zu rechtfertigen. Er bringt folgendes vor: SpezialWissenschaft ist immer Stückwerk. Wer sich als Arzt etwa ohne Kenntnis der übrigen n u r mit einer Krankheit beschäftigen wollte, würde mehr Unheil als Nutzen stiften. Ähnlich ist es überall. Daß jedermann auf allen Gebieten beschlagen sei, kann man zwar .nicht fordern; es genügt, ein Gebiet zu beherrschen und über die angrenzenden einen gewissen Überblick zu haben. Wessen Gesichtskreis aber nicht weiter reicht, ist ein Pedant, ein langweiliger, unerquicklicher Mensch. Die Vielseitigkeit der alten Griechen und Römer war bewundernswert: Man war Krieger und Philosoph, man opferte den Musen und Grazien. Selbst „in den Gesellschaften der Aspasien, der Laiden und einer Sappho" wurde nicht nur Amor verehrt, sondern auch die Musen. Heutzutage werden „die Schulen der Aspasien und Laiden" von keinem Perikles oder Sokrates mehr besucht, und die Orte, an denen die „gute Gesellschaft" eine Art von natürlicher „Akademie" bildet, sind selten. Die Lücke wird von den Journalen ausgefüllt, aus denen man sich auf leichte, angenehme Weise mannigfache, anregende und bildende Kenntnisse anzueignen vermag. Wenn sie von Leuten, die all ihr Wissen aus ihnen schöpfen, mißbraucht werden, so darf man das nicht gegen sie geltend machen. Schon vor dem Erscheinen des ersten Stückes mußte Beerstecher wahrnehmen, daß er sich zu viel vorgenommen. Man hatte ihm mancherlei Einwendungen gemacht, die er beachten zu müssen glaubte. Am Schluß des ersten Stückes legte er darüber Rechenschaft ab. (S. 101.) Der historischpolitische Merkur fand keinen Anklang, „weil die ganze Welt Zeitungen ließt, . . . und weil man schon ein periodisches Werk hat, worin man von Monat zu Monat dieses lesen kann". (Wohl Wielands „Teutscher Merkur" 1773—1810.) Nach Meusel G.- T.; gezeichnet ist der Vorbericht nur mit C., doch kann kein Zweifel bestehen.

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An seine Stelle trat ein Verzeichnis von Neuerscheinungen der französischen, englischen, holländischen und anderer fremder Literaturen. Auf Wunsch vieler, denen bei allem dafür Gebotenen ein Louisd'or doch zu viel Geld zu sein dünkte, trat das E. J. als Monatsschrift in die Erscheinung, so daß der Preis auf 1/2 Louisd'or ermäßigt werden konnte, wozu immer noch das Porto trat. Für den Fall, daß „die Gönner und Liebhaber desselben, wie bis jetzo, gegen unser Erwarten geschehen ist, sich täglich vermehren werden", wurde für den Schluß jedes Halbjahrs ein unentgeltliches Supplementheft versprochen. Inhaltlich blieb das erste Programm erhalten, bis der zweite Herausgeber mit dem sechsten Stück die Leitung übernahm. Auf der Ostermesse 1774 in Leipzig einigten sich Beerstecher und der junge Christian Wilhelm Dohm auf ein neues Programm und versandten eine entsprechende Ankündigung: „Encyclopädisches Journal angekündigt und genauer beschrieben von C. W. Dohm." Sie wurde dem 4. St. des E. J. beigegeben. — Vom E. J. waren damals drei Stücke erschienen, von denen Dohm die beiden ersten vorgelegen hatten. Mit ihnen keineswegs einverstanden, entschloß er sich zur Übernahme der angebotenen Stellung, weil sich namhafte Gelehrte zur Mitarbeit bereit gefunden hätten, mit deren Hilfe er etwas liefern wolle, „was unserm Deutschland Ehre und Nutzen bringen kann". Zwar gebe es schon recht viele Journale in Deutschland, aber alle würden gelesen und hätten kaum nötig, am Anfang immer ihr Dasein zu entschuldigen. Die Verbreitung der Aufklärung durch Journale sei für Deutschland bezeichnend, während man auf den Spanier durch Romane, den Welschen durch Dichter, den Franzosen durch Diktionäre und den Engländer durch Denker einwirke. Die deutschen Zeitschriften ständen deswegen auch unerreicht da. Man möge an die Acta Eruditorum denken, in denen Leibniz an der Verbesserung des Verstandes gearbeitet, an die Blätter der „Thomasiusse und Gundlinge", an die Läuterung des Geschmacks durch die Blätter der Fruchtbringenden Gesellschaft und Gottscheds, durch die Bremer Beiträge, an die Verbesserung des theologischen Denkens durch die Allgemeine Deutsche Bibliothek, an Weißes

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und Gatterers für die schönen und historischen Wissenschaften bedeutungsvolle Zeitschriften. — Anschließend entwickelt er seine eigenen Richtlinien, nicht ohne abfällige Bemerkungen über das bis dahin Erschienene. Titel und Umfang werden „manchem verständigen Mann nicht nur weit, sondern fast uns unausfüilbar und unübersehbar" vorkommen. Er ist wenigstens „in aller Absicht unbestimmter, als man wünschen kann". Doch soll er bleiben. — Das E. J. soll kein Rezensionsblatt werden, sondern von höherem Standpunkt aus allgemein gehaltene, vergleichende und entwickelnde Aufsätze über Philosophie und Literatur bringen, zumal über die Beziehungen der Wissenschaften zueinander. Abgesehen von eigentlicher Theologie, Jurisprudenz und Medizin sollen alle Teile der Gelehrsamkeit Berücksichtigung finden. Seine Hauptaufgabe soll aber darin bestehen, nach der Art, wie Leibniz die Acta Eruditorum benutzte, entstehende und zukünftige Arbeiten zu fördern. Es soll ein Ort werden, w o die Gelehrten Ideen, auf die sie bei ihrem Studium kommen, ohne sie ausnutzen zu können, oder für sie weniger wichtige Beobachtungen, die aber vielleicht fremde Arbeitsgebiete in neue Beleuchtung zu rücken imstande sind, zur Anregung und Verwertung für andere mitteilen und wo sie von eigenen Plänen und Absichten reden, um ihrerseits Unterstützung und Anregung zu finden. Jetzt bleibe manches Wertvolle ungenutzt zwischen den Papieren vergraben. Zu den Originalbeiträgen werden streng ausgewählte Obersetzungen aus schwerer zugänglichen, gediegenen Büchern und Akademieschriften treten, aber auch aus Journalen, um die Leser „mit dem neuesten Geschmack und Launen unsrer Nachbarn bekannt zu machen". Kurz, „das E. J. bestimmt sich also, vornehmlich den Gelehrten und den Mann zu unterhalten". Unterhaltungsstoff wird zwar nicht gänzlich fehlen, aber doch zurücktreten. Besonders die Übersetzungen sollen ihn bieten. Vergleicht man dieses Dohmsche Programm mit dem ersten, so wird man zwar bestimmtere Ziele, aber kaum eine stoffliche Einschränkung feststellen können — im Gegensatz zum wirklichen Ausbau des Blattes. Vermutlich hat Dohm anfangs weitgehende Rücksicht auf Beerstechers Ansichten



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genommen, in der Absicht, seinen Standpunkt doch zur Geltung zu bringen. Das E. J. sollte überhaupt durchaus auf ihn abgestimmt werden. In seiner Ankündigung betont er, Aufsätze würden nur dann aufgenommen werden, wenn sie die Billigung des Herausgebers fänden, wissenschaftliche A n fragen und Mitteilungen dagegen sollten unverändert Platz finden, soweit Raum vorhanden. Am Ä u ß e r e n des E. J. änderte Dohm nichts; auch die alten Bezugsbedingungen blieben bestehen. Innerlich erhielt es ein neues Gepräge. E s zerfällt dementsprechend in zwei Teile: Der erste umfaßt die 5 Stücke von Januar .bis Mai 1774, da D o h m erst mit dem sechsten die Redaktion wirklich übernahm, der zweite alles übrige, also den Schluß des ersten Halbjahrs, Stück 6 — Juni — und das Supplement — Stück 7 ; ferner den ganzen zweiten Band, St. 8 — 1 3 , Juli bis Dezember 1774, ohne Supplement. W i e schon beim Fr. d. W . und bei der S. g. N. müssen wir auch beim E. J. die merkwürdigsten E r s c h e i n u n g s u n r e g e l m ä ß i g k e i t e n feststellen. In den Düsseldorfer Wochentlichen-Nachrichten wurde am 11. Jan. 1794 (No. 2) das erste Stück des E. J. für den 15. Jan. angekündigt. Eine Annonce a m 1. Februar meldet, daß St. 1 eingetroffen sei (von Cleve). Am 22. März (No. 12) wird das 2. St. angeboten. Das dritte, März-Heft — auf dem Titel steht Februar — kann frühestens am 1. April herausgekommen sein. Das „Avertissement. wegen der, bey diesem Stücke sich befindenden Medaille" ist für die clevische Buchhandlung vom 30. März und für die Neue Buchhandlung in Düsseldorf vom 31. März 1774 datiert. Stück 4 — April — wird am 28. Juni (No. 2 6 ) angezeigt, Stück 6, das erste, das D o h m besorgte, am 4. Okt. das Supplement, St. 7, am 25. Okt., St. 9 — August 1774 — am 28. Febr. 1 7 7 5 , St. 10 — September (auch auf den Titeln von St. 11 u. 12 steht September, auf 13 Dezember) — am 23. Mai 1775. Für die Stücke 1 1 — 1 3 haben wir keine Anhaltspunkte. — In seinem B u c h e über D o h m 1 ) bemerkt Gronau (S. 3 5 ) : „ D o h m hat die Redaktion dieses J o u r x ) Christian Wilhelm Dohm nach seinem Wollen und Handeln. biographischer Versuch von W. Gronau; Lemgo 1824.

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— 113 — nals vom 6. bis zum 10. und letzten Heft besorgt. Der Concurs des Verlegers brachte dies Unternehmen gänzlich ins Stocken." Da der Konkurs erst im Sommer 1776 eintrat und nicht 10, sondern 13 Hefte erschienen sind, ist diese Angabe mindestens ungenau. Allerdings haben die meisten Exemplare des E. J. nur Heft 1—10. Man sieht nicht klar. Unter zwei Aufsätzen des 13. Stückes steht noch: Forts, folgt. Die ä u ß e r e A u s s t a t t u n g des E. J. ist anerkennenswert. Papier und Druck lassen nichts zu wünschen übrig. Das Format ist ziemlich großes Oktav. — Auf 7 Bogen hat es nur das erste Stück gebracht. Dohms erstes Stück umfaßt 672 Bogen, alle übrigen 6, das Supplement 4. — Während die Stücke durchzählen, beginnt mit dem 2. Halbjahr neue Seitenzählung. Nach dem sonst ganz gleich ausgestatteten „Magazin vor Ärzte" zu schließen, hatten auch die einzelnen Hefte des E. J. ihren besonderen Umschlag. Im ersten Bande ist ihr Inhalt jedesmal auf der 2. Seite des, Titelblattes verzeichnet, im 2. am Schluß des Heftes. — Der erste Band hat ein summarisches Inhaltsverzeichnis und ein „Register der hier vorkommenden Schriftsteller, Materien und abgehandelten Sachen", für den zweiten Band fehlt beides. Als im ersten Stück mitgeteilt wurde, daß nicht 24, sondern nur 12 Stück jährlich erscheinen sollten, hieß es, hin sichtlich der K u p f e r werde nichts geändert. So erschienen im Januar zwei, die Abbildung eines in Deutschland angeblich noch unbekannten Tieres (eines Känguruhs, zu S. 34) und die erläuternden Zeichnungen eines Apparates zur Messung der Niederschlagsmenge (zu S. 60). Im 2. Heft befanden sich eine Abbildung der „amboinischen Eidexe" (zu Seite 141) sowie die Porträts des Lord Clive un,d der Miß Fanny Ch—n (zu S. 174). Im folgenden, dem Märzheft, übergab Beerstecher seinen Abonnenten eine auch gegen Bestellung zu beziehende Medaille in Kupfer, in Ermangelung eines deutschen Generals den Lord Granby darstellend. In Silber sollte die Medaille 30 Stüber oder 10 Ggr. oder 45 Kreuzer kosten. Von der Menge des Subskribenten werde es abhängen, „wie viele Medaillen ausser den zwölf versprochenen Kupferstichen (die nach verringerten, jähr£ eil gel, Niederrheinisohes Geistesleben.

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— 114 — lieh zu liefernden Stücken auch verringert werden) ich jährlich werde liefern können". Beerstecher hatte sich die Sache inzwischen also anders überlegt. Als sechstes regelmäßiges Kupfer brachte der erste Band noch das Porträt des schottischen Geistlichen und Historikers Wilhelm Robertson (zu S. 469). — Soweit feststellbar, sind dem 2. Bande bloß zwei Blätter beigegeben, eins mit den erläuternden Abbildungen zu dem Aufsatz über eine neue Art von Walzräderwagen in England (zu II, S. 62); das zweite mit einer Karte des neuen Archipelagus zwischen Asien und Amerika, nach einer französischen Vorlage (zu II, S. 431). — Die Medaille ist (nach einer handschriftlichen Randbemerkung im Bonner Exemplar, in dem alle Porträts fehlen) von Heller, die andern Porträte sind von Veraist-Mannheim, die übrigen Kupfer von Metelli-CöIn. Leider fehlt jede b e s t i m m t e Kenntnis davon, welchen E r f o l g das E. J. gehabt hat. Offenbar brachte man Beerstecher und seinem Unternehmen wenigstens in Buchhändlerkreisen Vertrauen entgegen. Auf jedem Titelblatt steht: „Ist zu finden und wird alle Monat einmal ausgegeben, durch folgende Buchhändler: In In In In In In In In In In

Berlin, bey Haude und Spener. Cleve, bey J. Q. Bärstecher. Cölln, bey F. Hochmuth. Düsseldorf, in der Neuen Buchhandlung. Frankfurt am Mayn, bey I. O. Eßlinger. Göttingen, bey Dieterich. Hamburg, bey Herolds Wittwe. Leipzig, bey E. G. Jacobäer. Utrecht, bey I. van Schoonhoven und Comp. Wien, bey I. T. Edlen von Trattner." Später tritt hinzu: „In Braunschweig, in der löbl. fürstl. Way9enhauß Buchhandlung. In Schwerin, bey Buchenröder und Ritter." Wie man sieht, Namen von gutem Klang. Auch scheint das E. J. eine große Auflage erreicht zu haben; darauf deutet



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wenigstens das häufige Vorkommen, auch auf entlegenen Bibliotheken, hin (vgl. die Bibliographie), ebenso die Tatsache, daß Beerstecher seiner umfangreichen Bücheranzeige im ersten Stück eine Umrechnung des clevischen in sächsischen und Frankfurter Kurs voransetzte. Das hatte nur Sinn, wenn er in ihrem Geltungsgebiete Käufer zu finden hoffte, also Abonnenten hatte. Die Person des ersten H e r a u s g e b e r s bleibt im Verborgenen. Der Gedanke, Cranz könne es gewesen 9ein, liegt fern. Er wird nirgend als solcher genannt und war seinem ganzen Wesen nach nicht dazu geeignet. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, daß Beerstecher Herausgeber und Verleger in einer Person war. Jedenfalls hielt sich der erste Herausgeber an das verschwommene Programm, ohne Befähigung zu zeigen. Von den Gelehrten, durch die „aufgemuntert" Beerstecher das E. J. ins Leben rief, ist in den ersten 5 Stücken noch nicht viel zu merken. Ob sie den Herausgeber im Stiche ließen oder ob sie wie der Verleger ans Werk gingen, ehe sie das Erforderliche getan hatten, können wir nicht entscheiden. — Am Niederrhein wohnten nicht allzuviel Männer, die als Gelehrte einen Ruf durch ganz Deutschland hin besaßen, wie sie für ein Blatt nach der Art des E. J. nötig waren. Einer war da, der B a r o n v o n H ü p s c h (1730—1805) in Cöln, dem freilich mehr sein Naturalien- und Raritätenkabinett als wissenschaftliche Leistungen in ganz Europa fast und sogar in der neuen Welt einen Namen gemacht hätte. Immerhin gebührt ihm der Ruhm, als, wenn auch katholisch-kirchengläubiger, Aufklärer gegen Aberglauben und Unwissenheit vorgegangen zu sein und als erfolgreicher, menschenfreundlicher Kurpfuscher viel Gutes getan zu haben. Auch ist er für vernünftige, untersuchende Naturforschung eingetreten, da „eine einzige Entdeckung weit mehr zur Aufklärung einer Wissenschaft beytrage, als ganze Folianten von neuen Systemen und Beschreibungen schon bekannter Dinge" (E. J. S. 593). Hüpsch forderte den Betrieb der Naturwissenschaften im Unterricht — als alter Jesuitenzögling! Gerade im E. J. spricht er sich in diesem Sinne ') s. Adolf Schmidt, Baron Hüpsch und sein Kabinett, Darmstadt 1906.

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aus, wenn auch nur im Vorbeigehen: „Mein Wunsch wird aber nicht eher erfüllt werden, bis man in den Schulen unsrer Gegenden solche allgemein nützliche und sich auf unsre Landesproducten beziehende Kenntnisse einführen wird." (S. 267.) — Als das E. J. zu erscheinen begann, war sein Ruhm schon weit verbreitet. Schon war er Ehrenmitglied von gelehrten Gesellschaften zu Augsburg, La Rochelle und Berlin und ordentliches Mitglied der kurf. bayr. Gesellschaft sittlich- und landwirtschaftlicher Wissenschaften zu Burghausen (seit 1772). Seine Mitarbeit war für jedes Blatt ehrenvoll. Für das E. J. lieferte er drei Beiträge, die nicht nur den tiefen Stand der damaligen Naturwissenschaft, sondern auch Hüpschs wissenschaftliche Geringwertigkeit beweisen: „Untersuchung des merkwürdigen Ursprungs und des vortrefflichen Nutzens des cöllnischen Trassteines" (S. 252), „Anmerkungen" dazu (S. 455) und „Kurze Beschreibung verschiedener in der Naturgeschichte, Naturlehre, Alterthumskunde, Botanik, Ökonomie und andren Theilen der Gelehrsamkeit gemachten neuen Entdeckungen, merkwürdigen Beobachtungen und eignen Erfahrungen." (S. 592.) Dazu kommt im ersten Stück (S. 83) die Ankündigung, daß demnächst die Beschreibung einer von ihm erfundenen Maschine zur Vertreibung der Ameisen geliefert werden solle. Das Versprechen wurde nicht eingelöst, und erst mehrere Jahre später erschien die Schrift: „Description d'une maschine universellement utile et avantageuse, propre à détruire entièrement d'une maniere infaillible, aisée et à peu de frais les fourmis ainsi que d'autres insectes inusible inventée par Mr. le Baron de Hupsch, Membre de plusieurs Académies et Sociétés Literaires. A Cologne, Francfort et Leipzic 1777." — In Cleve selbst wohnte der Konrektor, spätere Direktor G o t t f r i e d A r n o l d M a a s , der Verfasser des Lesebuchs für die teutschen Schulen in Cleve-Mark. (Geb. 1734 in der Grafschaft Mark, gest. nach 1810.) Er lieferte Übersetzungen, doch ist nur ein Aufsatz: „Einige Merkwürdigkeiten des Brydone's Reisen durch Sicilien und Malta" mit M. gezeichnet. Noch ein andrer wohnt wenigstens im Herzogtum. Er zeichnet

Von ihm stammt der Aufsatz: „Gedanken



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über die Absicht und den Plan des Tazitus bei seinem Buch von der Lage und den Sitten der Teutschen, nebst einem Versuche einer Erklärung einiger altteutscher Sitten." (S. 275, 283, 379.) Daß er in Cleve beheimatet war, darf man wohl aus dem Satze schließen: „Die Richtigkeit der Bemerkung Terra humidior qua Oallias adspicit, bestätigt sich im Clevischen fast alle Tage" (S. 283). Von Anfang an suchte man in Cleve Professoren der damals in höchster Blüte stehenden, modernsten deutschen Universität Göttingen zu gewinnen, nicht ohne Erfolg. B a l d i n g e r (1730—1804, A. d. B. II, 4), der spätere Reorganisator der medizinischen Fakultät in Marburg, und B e c k m a n n (1739—1811, A. d. B. II, 238), der Begründer der Technologie, wurden interessiert. Freilich begnügten sich beide, Übersetzungen von Schülern einzusenden. „Unter der Aufsicht des Prof. Baldinger" hatte ein gewisser, nicht weiter bekannter S. C h . O. O s a n n das lateinische Sendschreiben Joh. Albert Schlossers an Herrn Ferdinand Dejean, die amboinische Eidechse betreffend, übersetzt. Diese Übersetzung wurde vom Herausgeber aufgenommen. (S. 181.) — Beckmann sandte eine Übersetzung L u d w i g A l b r e c h t G o t t f r i e d S c h r ä d e r s aus dem „Examen chymique de différentes substances minerales par Mr. Sage, Paris 1769" ein, mit eignen kurzen Anmerkungen versehen. (Die ganze Übersetzung erschien 1775 als Buch.) Schräder (1751—1815, A. d. B. XXXII, 434) war eigentlich Jurist und kam 1789 als Professor der Rechte nach Kiel, hat aber stets an verschiedenen Blättern mit gemeinnützigen Artikeln als Mitarbeiter gewirkt. — Prof. S t e g m a n n aus Cassel, öffentlicher ordentlicher Lehrer der Physik, ordentl. Mitglied der Churmaynz. Akademie der Wissenschaften, der deutschen Gesellschaft zu Göttingen und Leipzig (1725—1795), sandte eine kurze Beschreibung der von ihm erfundenen Brustpumpe. (S. 273.) — Außerdem ist noch eine Übersetzung aus dem Englischen (S. 236—250) und eine aus dem Holländischen (S. 251) gezeichnet, beide mit L. Welcher Name sich dahinter verbirgt, bleibt ungewiß. Weitaus die meisten Beiträge — es sind alles Übersetzungen — ermangeln überhaupt jeder Unterschrift und erwecken keineswegs den Anschein, von namhaften Gelehrten beigesteuert worden zu sein.



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Wahrscheinlich hat der Herausgeber selbst viel übersetzt. — Als ständige Mitarbeiter sind für das erste Halbjahr noch zwei Ärzte zu nennen, „G. A. B e u t h , der Arzeneygelahrtheit und Wundarzeney Doktor, Hebammenlehrer zu Cleve", und A n t o n W i l h e l m S c h a a f , Med. Doct. zu Amsterdam, die beide allmonatlich ihre meteorologischen Wetterbeobachtungen einsandten. Schaaf ist vermutlich auch Übersetzer wenigstens eines Teils der aus Holland stammenden Artikel meist naturwissenschaftlichen Inhalts. Den genauen Zeitpunkt, wann D o h m 1 ) die Redaktionsgeschäfte übernommen hat, vermögen wir nicht zu ermitteln. In seiner Ankündigung gab er an, Zuschriften seien nach Göttingen zu richten, wo er sich von Ende Mai an aufhalten werde. Wir wissen aber bereits, daß nach diesem Zeitpunkt noch St. 4 und St. 5 ohne seinen Namen erschienen, den vielmehr erst St. 6 trägt, und daß St. 6 am 4. Okt. angekündigt wurde. Wie so viele bedeutende Männer jener Tage stammte auch Dohm aus einem Pfarrhause. Am 11. Dezember 1751 wurde er in Lemgo geboren. Der frühe Tod seiner Eltern ließ ihn zwar in auskömmlichen Verhältnissen zurück, brachte es aber mit sich, daß er des Heims entbehren und bald hier, bald dort, bei Verwandten und Fremden, leben mußte. 1769 bezog er die Universität Leipzig, um zunächst, wie üblich, Theologie zu studieren. Sehr bald aber wandte er sich den Rechtswissenschaften zu. Unabhängig, wie er war, machte er sich eines Tages auf, um in Altona Basedows und Wol») Über Dohm s. G o e d e k e , Grundriß VI S. 285.; A. d. B. V S. 297. W. G r o n a u , Christian Wilhelm Dohm, Lemgo 1824. Z e i t g e n o s s e n Bd. 5, 1826 S. 129—194, E r s c h u n d G r u b e r I Sekt. Bd. 26, S. 295 ff. Briefe von ihm in: C h r i s t i a n G o t t f r i e d S c h f i t z . Darstellung seines Lebens von seinem Sohne Fr. Karl Julius Schütz. Bd. 2, S. 4 6 - 76, Halle 1835.; Dr. M o r d c h 6 W. R a p a p o r t Chr. W. Dohm der Gegner der Physiokratie und seine Thesen. Berlin 1908. Durin eine Zusammenstellung von Dohms Schriften und Veröffentlichungen in Zeitschriften sowie der Schriften über ihn^ Über das E. J. ist Rapaport sehr mangelhaft unterrichtet. Nach ihm ist es von »Kleve« begründet.

— 119 — kes Hausgenosse zu werden. Er machte Basedows Übersiedelung nach Dessau mit, trennte sich dann aber von dem schwer zu nehmenden Manne und kehrte, offenbar reich befruchtet, nach Leipzig zurück. — Schon auf der ersten Reise nach Leipzig hatte er unterwegs Gleim kennen gelernt und seine Freundschaft gewonnen. Dessen Empfehlungen erleichterten es ihm, in der Leipziger Gelehrten- und Literatenwelt Fuß zu fassen. Vorwiegend mit Übersetzungen aus dem Englischen und Französischen wurde er Mitarbeiter verschiedener Blätter. — Trotz seiner Jugend bemühte man sich mancherorts um ihn. Vor allem versuchte Gleim, ihn für Halberstadt zu gewinnen. Dohm zog es aber vor, 1773 als Pagenhofmeister des Prinzen Ferdinand von Preußen nach Berlin zu gehen. In der am Hofe als subaltern angesehenen Stellung hielt er es nur wenige Monate aus. Doch hatte der Berliner Aufenthalt das Gute für ihn, ihn mit dem ganzen Kreise der Berliner Forscher bekannt zu machen. In seinen Hauptstudien, neuere Völker- und Staatengeschichte, Erd- und Länderkunde, beförderte ihn der Umgang mit Büsching. Von Berlin aus hat er sich wohl wieder nach Leipzig begeben, wo er mit dem dort zur Ostermesse anwesenden Beerstecher abschloß. Ende Mai befand er sich seiner Ankündigung entsprechend in Göttingen; seine Haupttätigkeit bestand hier sicher in eifrigem Studium der Geschichte, des Staatsrechtes, der Statistik und ähnlicher Gebiete. Daneben hörte er auch andre Professoren, z. B. den Philologen Heyne. Auch mit den aufstrebenden Kräften wie Meiners und Sprengel kam er in Verbindung. — Durch Überanstrengung zog er sich in diesem Jahr eine Nervenkrankheit z u . A u f sie ist das unregelmäßige Erscheinen des E. J. während der Zeit seiner Redaktionstätigkeit zum Teil wohl zurückzuführen. — Nach dem Eingehen des E. J. übernahm er, wenn auch erst nach längerem Zögern, mit Boje zusammen die Herausgabe des „Deutschen Museums", dessen bleibender Wert freilich mehr auf der von Boje bearbeiteten literarischen als auf der Dohm unterstehenden wirtschaftlich-politischen Seite liegt. Gründer und Verleger war Weygand in Leipzig. Am 1. Jan. 1776 ') Rapaport S. 12.



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erschien das erste Heft. Bis 1778 blieb Dohm als Herausgeber tätig, 9ehr bald von Kassel aus. Durch Mauvillons Vermittelung war er Professor für Finanzwissenschaften und Statistik am dortigen Carolinum geworden. Bis 1787 lieferte er noch Beiträge. 1779 trat er in preußische Dienste, wurde Archivar, Gesandter am westfälischen Kreistag in Cöln und später Verwaltungsbeamter. Gelegentlich besorgte er die publizistische Tätigkeit für die Regierung. — Friedrich Wilhelm II. verlieh ihm kurz nach seinem Regierungsantritt den Adel. 1807 folgte er dem im Interesse seiner ehemaligen Untertanen ausgesprochenen Wunsche des Königs und trat in den Dienst des Königreichs Westfalen, nahm aber schon 1810 seinen Abschied. Auf seinem Gute Pustleben bei Nordhausen starb er am 29. Juli 1820. Literarische Tätigkeit entsprach nicht Dohms innerstem Wesen. Er war ein Mann des praktischen Lebens, nach dem er gestrebt hat, bis ihm sein Wunsch in Erfüllung ging. Die Lorbeeren des Gelehrten reizten ihn weniger. Er war trotz reicher Veranlagung kein wirklich produktiver Kopf. Mit Übersetzungen fing er a n ; und im E. J . hat er keinen einzigen Originalaufsatz veröffentlicht. Er lieferte Übersetzungen, Auszüge, Besprechungen und Ankündigungen ausländischer Werke, die allerdings gut ausgewählt sind. Sein eigner Standpunkt kommt vorwiegend in Anmerkungen und Vorbemerkungen zur Geltung, dann natürlich in der ganzen ¡Richtung, die er 9einem Blatte gab. Auch kann man ihm den Vorwurf nicht ersparen, daß er es nicht vermocht hat, für ordnungsgemäßes Erscheinen des E. J. zu sorgen. Mit der Übernahme des Encyclopädischen Journals durch Dohm bekam das Blatt eine größere Zahl von M i t a r b e i t e r n . Und wir finden Namen von gutem Klang. Ein großer Teil der besten Göttinger Gelehrten ist darunter, jüngere und ältere. Es ist wohl Dohm, der sie veranlaßte, etwas beizusteuern, wenn er auch in seiner Ankündigung sagt, er übernehme die Leitung, w e i l bereits namhafte Gelehrte die Beteiligung versprochen hätten. — Gleich sein erstes Heft enthält an erster, in die Augen fallender Stelle einen Aufsatz eines der angesehensten damaligen Historiker, der bald durch seine beiden Zeitschriften „Briefwechsel, meist



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historischen und politischen Inhalts", 1776—1782, und die bekannteren „Staatsanzeigen", 1783—1794, vor allem im zweiten Jahrzehnt der allgewaltige, gefürchtete und allen schlimmen Regenten und Fürstendienern verhaßte Mann wurde, A u g u s t L u d w i g (von) S c h l ö z e r s (1735—1809). Damals war sein Ruhm freilich noch nicht so verbreitet. — Hatte der Aufsatz „Über den ostindischen Handel" (S. 481) auch schon vorher in den „Göttingischen gemeinnützigen Abhandlungen" gestanden, so waren doch „verschiedene Zusätze von dem Verfasser selbst hinzugekommen". Auch weiterhin bewies Schlözer Dohm sein Interesse. Daß dieser die von dem russischen Staatsrat v o n S t ä h 1 i n j1) im Petersburger geographischen Kalender 1774 veröffentlichte „Kurze Nachricht von dem neulich entdeckten Nord-Archipelagus" (II, S. 431) mit der dazu gehörigen Karte bringen konnte, verdankte er „der Güte des Herrn Prof. Schlözers", wie er ausdrücklich anmerkt. — Der Historiker G a t t e r e r (1727 —1799), der in erster Linie als Begründer der historischen Hilfswissenschaften in Deutschland genannt zu werden verdient, betätigte sich unmittelbarer, obwohl er gleichzeitig ein eigenes „Historisches Journal" erscheinen ließ. In einemBriefe für das E. J. — „An -Herrn Dohm, von I. C. Gatterer'' (II, S. 12) — verteidigte er sein System von den manethonischen Dynastien in Ägypten. Von J u l i u s W i l h e l m H a m b e r g e r 2 ) (1726—1773) stammen zwei Übersetzungen, „Untersuchung der Frage: Ob die Heiden jemals den wahren Gott nicht gekannt haben? Eine Abhandlung des Herrn Batteux. Aus dem Französischen der Memoires de l'Academie des Inscriptions T. XXXV, p. 171" (II, S. 99) und „Über einige Nord-Amerikanische Völker. Aus dem Englischen übersetzt", vielleicht auch die nur mit H. gezeichnete Übersetzung des Abschnitts aus Dr. Tuckers Buch; „Four

*) Jakob von Stählin-Storcksburg, geb. zu Memmingen 1710, kam 1735 nach St. Petersburg, wo er bei verschiedenen Staatsanstalten für Wissenschaft und Kunst zu angesehenen Stellen emporrückte. Er starb 1785. s. Meusel, Nekrolog, 13, S. 273. *) Begründer des später nach Meusel genannten »Gelehrten Teutschlands".



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tracts together with two sermons on political and commercial subjects" (II, S. 452).1) — Neben den Historikern stehen die Philosophen F e d e r und M e i n e r s . Meiners (1747—1810) war Universalgelehrter mit viel kulturhistorischem Interesse. So steuerte er „Einige Bemerkungen aus der Geschichte der Inselbewohner der Südsee" bei (II, S. 501). — Feder (1740 —1811), der Bekämpfer Kants, der zu diesem Zwecke 1788—9: zusammen mit Meiners die „Philosophische Bibliothek" herausgab und auch an zahlreichen bedeutenden Blättern mitarbeitete, legte dem Publikum die „Idee eines philosophischen Wörterbuchs nebst etlichen Proben" vor (II, S. 3, S. 470). — Noch ein anderes Mal ist das E. J. in dieser von Dohm angestrebten Weise benutzt worden. Ein gewisser E. zu G. (Eyring in Göttingen?) veröffentlichte (II, S. 463) die „Vorläufige Anzeige eines academischen Versuchs die Geschichte der Menschheit allgemeiner zum Gegenstande des Gelehrten zu machen", in der er seinen Plan, wie man an der Hand geschichtlicher Darstellung ein enzyklopädisches Wissen vom Menschen vermitteln könne, dem Urteil der gelehrten Welt unterbreitete. — — Noch ohne Professur lebte damals in Göttingen als Hofmeister junger, die Universität besuchender Engländer der später in Halle wirkende Geograph und Polyhistor M a t t h i a s C h r i s t i a n S p r e n g e l (1746—1803). Dohm wurde mit dem etwas Älteren schnell bekannt. Beider Interessen waren großenteils dieselben, Erdkunde, Länder- und Völkerkunde, englische Literatur. So gehen wir kaum fehl, wenn wir den mit Sp. gezeichneten Aufsatz: „Britanniens Cultur durch die Römer. Ein Fragment aus einer neuen Geschichte von England" Sprengel zuschreiben. — — J o h a n n G e o r g P h i l i p p T h i e l e wurde 1774 in Göttingen zum Magister promoviert. Im E. J. kündigte er (S. 643) in abstoßend überheblichem Tone seine „ästhetischen Jugendfrüchte" an, die er bei genügender Beteiligung herauszugeben gewillt sei. Gleichzeitig druckte Dohm einige Proben ab: „Wahrheiten und Maximen vermischten Inhalts" (S. 629) und eine Übersetzung aus Thukydides. In einer l ) Ob diese Übersetzungen aus Hambergers Nachlaß stammten oder Nachdrucke waren, ist mir nicht bekannt.



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Fußnote bemerkte er, solche kleinen Übersetzungen aus dem Griechischen werde der Verfasser des öfteren liefern. Es ist nicht dazu gekommen. Dagegen lesen wir noch einmal eine Abhandlung von ihm, die er am 31. Juli 1773 (?) in der göttingischen teutschen Gesellschaft, deren Mitglied er war, vorgelesen hatte, „Etwas vom Nutzen der betrachtenden Wissenschaften" (II, S. 69). Damit endigt seine Mitarbeiterschaft. Seine tatsächlich 1774 in Frankfurt und Göttingen unter dem Titel : „Proben deutschen Gefühls und Geschmacks — die Schriften sind fürwahr Gezeugen unsrer Herzen" erschienenen Jugendfrüchte werden im E. J. rezensiert. — Thiele1 ist weder ein Dichter, noch überhaupt bedeutend geworden. In Hamburg am 9. Mai 1748 geboren, führte er, nachdem er Magister geworden war, ein ziemlich unstetes Leben, wurde Lehrer an verschiedenen Anstalten, Pfarrer und Rektor in Heidelberg und Chur, privatisierte auch in der Zwischenzeit und hielt sich zuletzt in Basel auf, wo er Mitglied des Hospitium Erasmicum wurde. Einige Arbeiten von ihm stehen in Iselins Ephemeriden.*) — Zwar nicht Göttinger Professor, aber doch Mitglied der kgl. Sozietät der Wissenschaften zu Göttingen war J o h a n n F r i e d r i c h H a r t m a n n . Er bekleidete die Stelle eines Registrators und Kommissars bei der Hospitalkasse in Hannover. Meteorologie und Elektrizität bildeten sein Arbeitsgebiet. Für das E. J. sandte er Dohm, offenbar einer Aufforderung entsprechend, „Einige physikalische Bemerkungen bey der großen Sonnen-Finsterniß am 1. April 1764 zu Hannover", die er am 2. Juli desselben Jahres in der Göttinger Akademie vorgelesen hatte. 1782 soll er heimlich aus Hannover entwichen sein. — Dohms ältester Gönner G l e i m besprach wohlwollend den von Friedrich Rudolf Salzmann, dem Erzieher des Freiherrn vom Stein, 1774 herausgegebenen Almanach des Muses pour l'Année 1775 (II, S. 182). — Auch in fernen Gegenden fanden sich Mitarbeiter. Aus Coblenz in Vorpommern sandte der dortige Prediger J o h . J a c o b M e y e n seine Lobrede auf Leibniz ein. *) s. Meusel Q. T. ; Pütter, Versuch einer academischen GelehrtenGeschichte von der Georg-Augustus-Univercität zu Göttingen. Bd. 2. 1788. S. 112 f.



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Die Anregung dazu hatte ihm eine Preisaufgabe der kgl. (preuß.) Akademie der Wissenschaften vom Jahre 1767 gegeben. Zu spät unterrichtet, hatten ihm damals nur zwei Monate zur Verfügung gestanden. Später arbeitete er seine Abhandlung aus, „um die Herausgabe bis auf eine günstige Lage meiner Geschäfte zu verspahren". — Meyen wurde in Colberg am 26. November 1731 geboren. Er studierte in Königsberg und Halle Theologie und wurde 1757 Pfarrer in Coblenz. Sein Hauptinteresse gehörte aber der Mathematik ; seine Schriften sind meist mathematischen oder ökonomischen Inhaltes. 1774 bekam er die Professur für Physik und Mathematik am akademischen Gymnasium zu Stettin. Daselbst ist er 1797 gestorben (s. A. d. B. XXI, 553). Ein andrer stammt aus St. Pölten an der Donau in Nieder-Österreich. Es war ein literarisch sehr gebildeter Safranhändler Lorenz Kappes (s. II, S. 271), der Dohm 4 Briefe literarischkritischen Inhalts schrieb. — Von den Mitarbeitern des ersten Herausgebers erscheint, soweit feststellbar, nur Hüpsch noch einmal im Supplement. Beckmann wie Baldinger haben, obwohl auch in Göttingen wohnhaft, nichts mehr besorgt. — Einer Reihe von Übersetzungen fehlt wiederum jegliche Andeutung des Übersetzers. Das E. J. hat im Verlaufe seines Erscheinens eine völlige Umwandlung erfahren. Der Unterschied zwischen den ersten und letzten Heften fällt in die Augen. In einem Punkte freilich, den wir heute als Mangel zu empfinden geneigt sind, ist es sich ähnlich geblieben: in der starken Benutzung fremder Literaturen. Die Grundsätze, nach denen Dohm dabei vorging, waren allerdings andere als die des ersten Herausgebers, bei dem man jedoch den Versuch, höhere Maßstäbe zu gewinnen, auch anerkennen muß. Anfangs wurden Aufsätze aus französischen Zeitschriften oder sonstigen, meist nicht bezeichneten französischen Quellen, aus holländischen Zeitschriften und Akademieveröffentlichungen, vor allem aber aus den verschiedensten englischen Magazinen ohne die gehörige Auswahl abgedruckt; es war die bequemste Weise, 6 Bogen zu füllen. Man hat den zwingenden Eindruck, daß trotz der gegenteiligen Versicherung ein ausreichender Mitarbeiterstab n i c h t vorhanden war, daß sich der Heraus-



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geber deswegen selbst hinsetzte und aus einer Anzahl ihm vorliegender Hefte einfach darauf los übersetzte. Der Inhalt des erstes Stückes z. B. besteht fast nur aus Artikeln, die den Juliheften des Gentleman Magazine, des Sentimental-, des Oxford Magazine sowie des Macaroni scavoir vivre (?) entnommen sind. Ähnlich einfach setzt sich der Inhalt der folgenden vier Hefte zusammen. Das Plündern fremder Zeitschriften als unfein zu empfinden kam damals niemandem in den Sinn. Der Begriff des geistigen Eigentums war noch nicht allzuscharf ausgeprägt, weil es noch zu wenig Leute gab, die vom Ertrage ihrer Feder lebten und durch Nach- und Abdruck in ihrer Existenz gefährdet wurden. Überdies waren die Leidtragenden zumeist die Buchhändler, die sich in vielen Fällen auch durch Einholung von Privilegien vor Schädigung zu bewahren suchten. Bei dem damaligen Zustande Deutschlands hatte das allerdings nur sehr bedingten Wert. An Rücksicht auf Ausländer dachte man natürlich erst recht nicht und hatte es wohl auch nicht nötig. Der Nachdruck aus englischen Magazinen oder französischen und holländischen Zeitungen hat ihrer sicher nur beschränkten Verbreitung in Deutschland schwerlich geschadet. In gewisser Hinsicht war es dagegen verdienstlich, den deutschen Lesern einen Einblick in die Gedankenwelt ausländischer Blätter zu gewähren und Wertvolles aus fremden Literaturen breiteren Massen nutzbar zu machen. In diesem Sinne sprach sich Dohm ja auch in seiner Ankündigung aus. Freilich legte er den Nachdruck darauf, Übersetzungen aus geeigneten B ü c h e r n zu liefern und handelte danach. Typische Magazinartikel verschwinden, wenn auch nicht unvermittelt, so doch sehr bald. Besprechungen und Übersetzungen gediegener Bücher und Abhandlungen zu bringen, lag dagegen durchaus in seiner Absicht und entsprach seinen eigensten, früh geübten Neigungen. Vielleicht hat gerade seine Tätigkeit als Übersetzer während seines zweiten Leipziger Aufenthaltes Dohm in Beerstechers Augen als geeignet für das E. J. erscheinen lassen. — Mitunter war man sogar auf fremde Quellen unbedingt angewiesen, z. B. wenn man über die neu entdeckten Südseeländer oder überhaupt über



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koloniale Verhältnisse berichten wollte. — Ausgesprochenes Streben nach Originalität gab es nicht. Man wollte bloß Interessantes oder Wissenswertes bringen, gleichgültig, wo man es fand, woher man es bekam. Gleichwohl nahmen die originalen Aufsätze ständig zu, seit Dohm Herausgeber war. Für die Zeit der ersten Leitung sind mit Sicherheit nur drei Aufsätze als original zu bezeichnen, die beiden Abhandlungen von Hüpsch (S. 252, S. 455) und die Untersuchungen über Tazitus (S. 275, 283, 379); alles andre ist sicher oder sehr wahrscheinlich Übersetzung aus einer der drei genannten Sprachen. Unter Dohm wurden die Übersetzungen seltener. An die Stelle vieler kleinen treten mehr Raum beanspruchende, lange Aufsätze. Die holländische Literatur fällt ganz aus. Sie lag dem neuen Mann wie überhaupt dem damaligen Deutschland ziemlich fern. An ihre Stelle treten deutsche Akademieabhandlungen und Zeitschriftenauszüge. Viel einschneidender ist die V e r ä n d e r u n g , die das E. J. i n h a l t l i c h erfuhr. Seinem ersten Programm konnte es natürlich nicht gerecht werden, zumal es zu früh ins Leben trat. Zwar wurde es schon in den ersten fünf Stücken gegen Schluß gediegener, stand aber doch grundsätzlich auf einer viel tieferen Stufe als bei Dohm. Unter ihm wurde es wissenschaftlich, während vorher zwar auch wissenschaftliche Artikel erschienen, das Ganze aber auf einen leichteren, angenehmer, gelehrt aufgeputzter Unterhaltung gewidmeten Ton abgestimmt war. Geschickte und mitunter reizvolle, aber etwas tändelnde Artikel aus englischen Magazinen bilden anfangs das Übergewicht. Sie halten sich ganz im G e s c h m a c k der moralischen W o c h e n s c h r i f t e n . Gefühlvolle Natur- und Todesbetrachtungen („Beschreibung des engländischen Tempe" S. 160, „Betrachtung zwischen den Gräbern der Westmünster-Abtey zu London" S. 130), sentimentale Ergüsse über die Freundschaft (S. 445) und allegorische Darstellung von Glück und Unglück des menschlichen Lebens (S. 457) finden sich neben moralischen Artikeln, die großenteils das Verhältnis zwischen Mann und Weib behandeln (S. 66, S. 313, S. 463). Da die Fragen aber unter weiten, allgemeinen Gesichtspunkten betrachtet werden und sozu-



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sagen akademisches Gepräge tragen, lassen sie die Eindringlichkeit und Wirksamkeit vermissen, die der Westfälische Beobachter z. B. besessen hatte. — Dazu treten satirische und moralische, teilweise auch nur unterhaltende Anekdoten und Erzählungen, bald erfunden, bald von wirklichen Personen handelnd. Und wie gesagt, „moralisch" sind sie nicht alle. Die „verliebte Natur" des Baron Jaghire (Lord Clive) und das Schicksal seiner schönen Mätresse werden mit ziemlicher Weitherzigkeit behandelt (S. 174), und die „Begebenheit einer Gesellschaft" (S. 70) entbehrt — aus dem Französischen stammend —* nicht der Pikanterie. Dem am Schlüsse des ersten Stückes in der Mitteilung über die veränderte Erscheinungsform gegebenen Versprechen, besonders die N a t u r g e s c h i c h t e zu berücksichtigen, wurde nachgekommen. Daß allmonatlich genaue meteorologische Aufzeichnungen über das Wetter in Amsterdam und (seit Heft 2) in Cleve erschienen, ist bekannt. Da sie aber nicht verarbeitet wurden, sondern lediglich Material blieben, hatten sie wenig Zweck und fielen im zweiten Halbjahr fort. In der damaligen, unwissend und unwissenschaftlich anmutenden Weise wurde über merkwürdige Gewittererscheinungen berichtet (S. 217, S. 251), und das im Dienste der Witterungskunde stehende Hyetometer beschrieben (S. 60). Systematische Forschung kommt auch in der Zoologie nicht zu Wort. Wie es sich trifft, wird von fremden, in Europa unbekannten Tieren berichtet, vom Känguruh (S. 34), das irrtümlich zuerst nach Nordamerika versetzt wurde, und von der amboinischen Eidechse, in der man das Zwischenglied zwischen Leguan und Basilisk gefunden zu haben glaubt. Als „zur Aufklärung menschlicher Wissenschaften dienend" wird uns ein Brief aus Surinam in der Übersetzung geboten; er weiß von den merkwürdigsten und unglaublichsten Experimenten an einem Zitteraal zu erzählen (S. 164). Nüchterner beschreibt Hüpsch Natur, Entstehung, Herkunft und Gebrauch des cölnischen Tras-Duck- oder Tophsteins und des darin vielfach enthaltenen Bimssteines (S. 252, 355), der von ihm entgegen der Meinung anderer Mineralogen für vulkanisch gehalten wird.



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Das Fremde und Ungewöhnliche reizt das Interesse auch auf dem Gebiete der V ö l k e r - u n d L ä n d e r k u n d e . Begreiflich! Cook hatte seine Aufsehen erregende erste Weltreise von 1768—1771, auf der Australien eigentlich erst recht entdeckt wurde, hinter sich und befand sich auf seiner zweiten (1772—1775). Diesmal waren auch zwei Deutsche an Bord, die beiden Forster. 1 ) — Über die Neuseeländer berichtet ein Auszug aus der Geschichte der Seereisen von Hawkesworth nach den Aufzeichnungen von Cooks Begleitern Banks und Solander in einer Übersetzung aus dem London Magazine (S. 79). — 1772 hatte der Holsteiner Karsten Niebuhr (1733—1815), der Vater des Historikers, in Kopenhagen die „Beschreibung von Arabien, aus eigenen Beobachtungen und im Lande gesammleten Nachrichten abgefasset" als einen vorläufigen Rechenschaftsbericht über das Ergebnis seiner glänzend durchgeführten Bereisung des Landes erscheinen lassen, während der erste Teil seiner ausführlichen, klassisch gewordenen „Reisebeschreibung" gerade jetzt unter der Presse war und erwartet wurde. (Der 2. Teil erschien 1778.) Von dieser Beschreibung lesen wir eine ausführliche, zum Teil wörtlich zitierende Inhaltsangabe (S. 1, 107). — Mehrfach hat der zu seiner Zeit bekannte Xantener Kanonikus Corneille de Pauw das E. J. beschäftigt. Als Großneffe des Ratspensionärs Johann de Witt stammte er aus Amsterdam, wo er 1739 geboren wurde. Ein Auftrag des Bischofs von Lüttich führte ihn, den katholischen Geistlichen, an den Hof Friedrichs des Großen, der ihn vergeblich an sich zu fesseln versuchte. Pauw zog sich auf seine Pfründe in das Xantener Kanonikerstift zurück. Da er nie über die Stufe eines Subdiakons hinauskam, hatte er Muße genug für seine anthropologisch-ethnographischen Studien, die allerdings nach dem Schreibtisch des Stubengelehrten aussehen. 1799 starb er, nachdem ihn die französische Herrschaft am Niederrhein in allerlei unerquickliche Verhältnisse gebracht hatte. — 1768/69 veröffentlichte er seine „Recherches philosophiques sur les Américains" in 2 Bänden. Ein dritter Band erschien 1770 als Défense. Denn wurde Joh. Reinhold 1754—1794.

Forster,

1724—1798; Johann

Georg Forster,



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das Werk auf der einen Seite viel bewundert, so erfuhr es andrerseits berechtigte, scharfe Angriffe. Noch zwei ähnliche Arbeiten hat Pauw vollendet, R. ph. sur les Egyptiens, 1773, und R. ph. sur les Grecs, 1787. Ein entsprechendes Werk über die Germanen vermochte er nicht mehr abzuschließen. — Obwohl von der Güte des ersten Werkes überzeugt, druckt der Herausgeber doch den äußerst scharf kritisierenden Brief eines Holländers darüber ab, mit der Bemerkung: „Das Hämische und Grobe wird man einem Holländer gerne verzeihen, dessen Sache ohnedem nicht die Urbanität ist." (S. 341, 420.) Diese Kritik setzte zu ihrem Verständnis erhebliche Belesenheit voraus. Leicht lesen sich dagegen die Erzählung vom Sklavenaufstand des Jahres 1772 in Surinam (S. 201) und Auszüge aus Brydones „Reise durch Sizilien und Malta" (S. 330). Von diesen beiden Hauptgebieten des Interesses abgesehen, finden sich noch manche andere Aufsätze wissenschaftlichen Inhalts in b u n t e m V i e l e r l e i . So kam die Altertumswissenschaft mit einer aus England stammenden Untersuchung über den Grund von Ovids Verbannung zu Wort (S. 184), vor allem mit dem Originalaufsatz über den damals in Deutschland besonders interessierenden Tacitus und seine Germania (S. 275, S. 283, S. 379.) Der Verfasser erklärt die Annahme, Tacitus habe eine Satire schreiben wollen, für unmöglich. Er schrieb vielmehr, „um die Römer bey den damaligen Umständen des sinkenden Reichs mit einem Volke näher bekannt zu machen, das durch seine Macht furchtbar und durch seine Liebe zur Freiheit unüberwindlich, folglich ihnen in aller Absicht wichtig war." Das ist als ein neues Ergebnis dick gedruckt. — Im zweiten Teil der Abhandlung führt er aus, daß alle Tugenden, Laster und Einrichtungen der Germanen aus ihrem Freiheitsideal geflossen seien. — — — Beachtenswert ist das anfängliche Interesse des E. J. für die K u n s t . In ihrer wissenschaftlichen Begründung war England damals Deutschland weit voraus. Der Nachdruck von Aufsätzen kunsttheoretischen Inhalts in populärer Form, so „Über die Natur und den Nutzen der Kritik" (S. 316) und „Versuch über das Kennzeichen des Geschmacks" (S. 220) war durchaus erfreulich. Tiefer gräbt die „Rede des Herrn Ben s e i , Niederrheinisches Geistesleben.

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— 130 — Josua Reynolds, Präsidenten der Königlichen Akademie der Mahlerei in London, gehalten bey der Austheilung der Preise an die Schüler dieser Kunst auf den 11. des Wintermonats 1769" (S. 236). Physiologisch ist die Untersuchung über den Sitz der Seele (S. 156). — Die Notwendigkeit des Staates vergegenwärtigt: „Der Hobbesianische Stand der Natur! Eine peruanische Geschichte." (S. 42.) — Ein Mann „voll glühenden Eifers für sein Vaterland, voll der tiefsten Ergebenheit gegen seine Monarchinn" hatte die von ihrem Verfasser der Kaiserin eingesandte Verteidigungsschrift des Wiener Journalisten und Aufklärers von Sonnenfels, „Die Abschaffung der Tortur und Todesstrafe betreffend", mitgeteilt. Sie wurde „als ein Muster in dieser Art", wie man es von Sonnenfels nicht anders erwarten konnte, aufgenommen. (S. 403.) — Das sind die ersten fünf Hefte. Dohm merzte alles Moralisch-wochenschriftliche, alles Anekdotenhafte aus. Daß er dabei und überhaupt bei seinem auf Z u s a m m e n f a s s u n g u n d B e s c h r ä n k u n g gerichteten Bestreben ein freudiges Echo fand, geht aus dem ersten St. Pöltener Brief hervor. Kappes sagt da, auf den Titel Bezug nehmend: „Ich fürchtete, daß wir mehr eine Olla potrida, oder einen RaritätenKasten, Vade Mecum, kritische Nachrichten, Quodlibet oder Zeigefinger — als eine nach einem festen Plan gewählte litterarische Sammlung würden zu lesen bekommen. Aber ich bin — und das sage ich mit der nämlichen Aufrichtigkeit — auf eine sehr angenehme Art betrogen worden." (II, S. 162.) Von Stück zu Stück hebt sich das E. J., den Interessen des Herausgebers immer ausgeprägter Rechnung tragend. Auf Naturwissenschaftlich-Technisches sind diese nicht gerichtet. Nur anfangs erscheint noch allerlei im Geschmack des ersten Herausgebers, z. B. über Blitzableiter (S. 603) oder über Blutschwitzen (II, S. 66). Das Quodlibet von Hüpsch (S. 592) ist schon aufgeführt worden. Die versprochene Fortsetzung ist ausgeblieben. Vielleicht hat Dohm zunächst aber doch die Absicht gehabt, auch dieses Gebiet im Auge zu behalten; darauf deutet wenigstens hin, daß er Hartmann in Hannover, wie erwähnt, um einen Beitrag bat. Sehr bald hat er dann aber wohl eingesehen, daß eine Einschränkung nicht zu um-

— 131 — gehen sei. Auch die Kunst liegt ihm ferner, wenn er auch ein französisches Buch empfiehlt, L'homme du monde éclairé par les arts, par M. Blondel, architecte du Roi, Paris 1774, das eine Verbreitung von Kunstgeschmack und -Interesse im breiteren Publikum erstrebte. Davon abgesehen finden wir nur ganz am Anfang das „Fragment eines Schreibens an Hrn. K. d. G.", R. unterzeichnet, das kurz, aber nicht übel eine Stufenleiter der Künste und ihrer Wirkung auf den Menschen auseinandersetzt und anschließend einiges über Geschmack und Kritik enthält. Wie Dohm später im Deutschen Museum das L i t e r a r i s c h e vorwiegend Boje überlassen hat, so legte er auch im E. J. keinen Nachdruck darauf. Die Gleimsche Rezension (II, S. 182) behandelt den von dem Elsässer Salzmann herausgegebenen französischen Almanach des Muses. Die Aphorismen Thieles kommen nicht in Betracht, und der St. Pöltensche Briefwechsel flog ihm von selbst in die Redaktionsstube. Es sind wirklich prächtige Briefe, die es wohl verdienten, abgedruckt zu werden. Wir ersehen aus ihnen, daß auch in Österreich die sächsische, norddeutsche Literatur, die Konfessions- und Kulturgrenzen überspringend, hie und da festen Fuß gefaßt hat. — Die Briefe des weitgereisten, zunftfremden Safranhändlers sind ein trefflicher Beitrag zur zeitgenössischen literarischen Kritik jener Tage. Kappes geht aber weiter, indem er einige Richtlinien aufstellt, die zwar nicht verfolgt worden sind, aber beachtenswert waren. Die Briefe verraten einen begeisterungsfähigen und dabei maßvollen Mann von umfassender Kenntnis der Geschichte und der klassischen, der deutschen und französischen Literatur, und sind selbst mit Schwung, rednerischer und sogar poetischer Begabung geschrieben. Es ist schade, daß sie an einer so schnell vergessenen Stelle stehen mußten. Ihr Inhalt kann hier nur kurz angedeutet werden. Von allgemeinen Bemerkungen über die endlich errungene Selbständigkeit der deutschen Dichtung und Wissenschaft geht er aus. „Der Name der Deutschen, der als Germans und Allemands oft so wenig bedeutet", ist „in dem Lorbeer-Hayn, wo die Erfinder nützlicher Wissenschaften, wo die Wohlthäter des Menschen-Geschlechts von ihren Heldenthaten aus-

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ruhen", ehrwürdig geworden. Der berechtigte Stolz der Deutschen artet seiner Überzeugung nach leider aus, so daß er sich gezwungen sieht, gegen das, was man später „Bardengebrüll" nannte, nachdrücklich zu Felde zu ziehen. Wirklichen Barden wie Klopstock und Gerstenberg, Mastalier und Denis begegnet er mit Ehrfurcht. Ihre Leistung bleibt es, daß sie „in unserm Hermann ein Ideal der Tapferkeit, eine eigne Helden-Zeit, und eigne Mythologie geschaffen haben". Und doch fehlt noch immer das deutsche Nationalepos! Es folgt eine Skizze, wie die verschiedenen Zeitstufen der deutschen Volksentwicklung in nationalem Sinne dichterisch verwertet werden könnten, die Urzeit mit ihrer Fülle an ungebändigter Kraft und Urwüchsigkeit; dann die Zeit der Entstehung von Völkern, des Aufkommens von Gesetz und Religion, als Hermann lebte; dann Karl der Große, der gewaltige neue Kaiser, der Freund von Wissenschaft und Dichtung; und dann das Mittelalter mit seinen seltsamen Widersprüchen, seinem Gewaltigen und Urwüchsigen, der eigenartigen Frömmigkeit, der Bedeutung der Geistlichkeit mit ihren inneren Gegensätzen und dem Faustrecht. Die liebevolle Begeisterung für die Zeit findet schönen Ausdruck in folgenden, an den Stil des Sturms und Drangs anklingenden Worten: „Und dann die unglücklichen Zeiten des Faustrechts! wo der Dichter, zum zweyten Male, und so anschauend den Stand der Wildheit erkennet. Empörungen von Stadt zu Stadt, von Ritter zu Ritter! Jeder wapnet sich auf seiner Felsenburg, und schießt dann mit Adlers Klauen auf die wehrlosen Einwohner der Ebene herab; die Erde ist nicht mehr der Sitz der Menschen, sondern die höchsten Spitzen steiler, unwegsamer Gebürge. Nie habe ich ohne eine grauenvolle Bewunderung diese noch so häufige Überreste der Ritter-Zeiten ansehen können. Ich kann Ihnen nicht beschreiben, was ich fühlete, als ich in Angelegenheiten meines Handels vor zwey Jahren von Maynz nach Düsseldorf schifte. Wahre mahlerische, dichterische Gegenden! auf beyden Ufern die schönsten Städte, und Flecken, und Dörfer! Überall Geschäftigkeit, Freude! Jede Gegend, jeder Landstrich merkwürdig durch das, was er ist, und durch das, was er war! Die erhabensten stets abwechselnde Hügel,



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deren Fuß oft nichts als einen traurigen Felsen mit leichtem Moos bewachsen, zeiget, oben eine Spanne Erde, und hier in lachenden Aussichten die prächtigsten Weingärten! Dann klimme noch höher an, und besiehe die Trümmer der alten Rittersitze, sieh den Troz, den man der Natur bot. Hier lies den Götz von Berlichingen, hauch in dich den Geist der Ritterzeiten, und dichte! Und brauchst du noch eine Begeisterung, so hole sie zu Riedesheim und Bacharach!" (II, S. 176.) — Es sollte eine deutsche Geschichte zum Gebrauch der Dichter geschrieben werden, in der alle Jahreszahlen, alle Vor- und Zunamen, alle Genealogien, „mit einem Wort, die gesamte Nomenclatur der Geschichte" fehlen dürfte. Denn dann bliebe das Wesentliche übrig, „die Handlungen der Leidenschaften, die Entwicklung des Charakters; Thaten einzelner Menschen in ihr wahres Licht gesetzt, nicht Geschichte der Schlachten, sondern Geschichte der Menschen". (II, S. 181.) Daneben fordert er im Interesse der Vertiefung und der besten Befruchtung für die deutsche Dichtung größere Berücksichtigung der provinziellen Spracheigentümlichkeiten und provinzieller Stoffe. Das Meißnische solle Schriftsprache bleiben, aber der Bayer solle als Bayer dichten und der Obersachse als Sachse. — Der dritte Brief wendet sich vor allem gegen den undankbaren Haß des falschen Bardenpatriotismus gegen Frankreich, das bis vor kurzem noch Lehrmeister war, und kommt zu begeistertem Preise der französischen Redekunst. Der zweite Abschnitt dieses Briefes enthält eine erbarmungslose, ironische Verspottung von Thieles ästhetischen Jugendfrüchten. — Der letzte wenig bedeutende Brief bringt Randbemerkungen zu dem „Memorial d'un Mondain, au Cap Corse 1774" vom Grafen Maximilian Lamberg. Man kann nicht behaupten, daß das E. J. p h i l o s o p h i s c h in höherem Maße interessiert gewesen sei. Eine ausgesprochene philosophische Richtung gab es damals in Göttingen nicht. Feder und Meiners gehörten der eklektischen, weniger auf Forschung als auf Nutzbarmachung vorliegender Kenntnisse gerichteten Aufklärungsphilosophie an. Der Gegensatz der Göttinger zu Kant, der später in der „Philosophischen Bibliothek" seine Vertretung fand, bestand

— 134 — damals noch nicht. Meiners lieferte überhaupt keinen philosophischen Beitrag, und Feder veröffentlichte nur kurze Andeutungen über ein von ihm beabsichtigtes, aber nicht ausgeführtes philosophisches Wörterbuch. (II, S. 3, 470.) — Sehr viel Platz beansprucht Meyens „Lobrede Leibnitzens", an der vor allem mathematisches und historisches Wissen anzuerkennen ist. (S. 527, II, S. 27, 291, 481.) — Hierher müssen auch zwei weitere Aufsätze gestellt werden: Eine Übersetzung aus Piatons Phädrus — das Gleichnis vom Zustande der Seelen vor ihrer Einkehr in irdische Leiber — ein Beispiel dafür, daß Plato mehr als Dichter denn als Philosoph zu würdigen sei (S. 585), und eine ernsthafte Untersuchung über das Daimonion des Sokrates (II, S. 555), das nicht wegdisputiert werden könne. Denn es wird nachgewiesen, daß weder Sokrates, noch die Überlieferung absichtlich oder aus Unkenntnis getäuscht haben können. Was das Daimonion nun eigentlich war, erfahren wir leider nicht, da der Beschluß infolge Eingehens des E. J. fehlt. Dohms Hauptinteresse und eigenes Arbeitsgebiet bilden d e r M e n s c h a l s s o z i a l e s W e s e n , seine Wohnsitze, sein Staat und seine Kultur, seine Geschichte und seine Wirtschaft, ähnlich wie später im Deutschen Museum. Die Südsee, fremde Völker und Länder überhaupt, fesseln auch ihn. Gleich in seinem ersten Stück gibt er eine Probe aus dem wertvollen Buch: „Über die Geschichte der Seereisen, Welche um in der südlichen Hemisphäre Entdeckungen zu machen, auf Befehl Sr. Großbrittanischen Majestät unternommen sind, verfaßt von dem Johann Hawkesworth, ins Deutsche übersetzt von J. H. Schiller" (Berlin bei Haude und Spener, 3 Bde. gr. 4; S. 569). In längerer Vorrede spricht er von dem Entschluß Georgs III. von England, Forscher in die Südsee zu entsenden, von der Ausführung der Reisen, von der Redigierung der Aufzeichnungen durch Hawkesworth, vom Übersetzer und Verleger. Das Werk ist seines Erachtens im rechten Augenblick erschienen, da in England wie in Deutschland die Geschichte gerade aufhöre, „bloßes Gedächtniswerk" zu sein, und anfange, „Geschichte der Menschheit — Philosophie der Geschichte" zu werden. Die Kenntnis der neuen, dem Urzustände noch nahen Völker sei für die Erkenntnis



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der Menschheit von höchster Bedeutung. — Selbständiger gibt Meiners eine Schilderung der seiner Ansicht nach wichtigsten, rätselhaften Probleme, die die Bewohner der Südsee uns aufgeben. (II, S. 501.) — Ebenso wissenswert erscheint die weniger beachtete und gewürdigte, von den Zaren seit Jahrhunderten betriebene Erforschung des asiatischen Ostens mit den davor liegenden Inselgruppen. Die letzte Expedition der Jahre 1764—67 hatte Katharina II. ausgerüstet. Über ihre Neuentdeckungen berichtet der Stählinsche Aufsatz (II, S. 431), der aber atuch die Geschichte dieser Forschungsreisen kurz andeutet. — Auch den Bewohnern der neuen Welt im Westen wird ein Aufsatz gewidmet (II, S. 516), nur den eigentlich dunklen Erdteil, Afrika, zu berühren, fand sich keine Gelegenheit. Mit all dem soll durchaus nicht bloß die Neugierde befriedigt werden; es gelten ernste, wissenschaftliche Gesichtspunkte. Deswegen bespricht Dohm auch eingehend die Sketches of the History of Man von Home nach ihrer anthropogeographischen Seite und gibt in Anmerkungen seine mitunter abweichende Ansicht. — Auch Pauw spielt wieder eine Rolle, abermals als Angegriffener, weil er in seinem neusten Werke den Nachweis zu erbringen suchte, daß die Sineser (Chinesen) nicht von den Ägyptern abstammen. Der Brief (II, S. 361) ist dem Journal des Savans entnommen; Verfasser ist der einen entgegengesetzten Standpunkt einnehmende de Guignes. Die Kritik ist scharf, aber vornehm gehalten. Sie wirft Pauw mangelnde Kenntnis der Grundlagen und Oberflächlichkeit vor. Im einzelnen dürften die Vorwürfe berechtigt sein, in der Hauptsache schwerlich. Jedenfalls stand Pauw alten historischen Überlieferungen und geheiligten Geschichtsquellen mit größerer Unbefangenheit gegenüber als sein Gegner Guignes, und als es sonst im E. J. der Fall ist. Guignes wirft Pauw die Absicht vor, „die Wahrheit der mosaischen Erzählung umzustoßen" (II, S. 363), und tadelt einige Zeilen weiter, daß ihm die Bücher Mosis nur rabbinische Überlieferungen sind. — Gatterer ist noch so befangen, daß er bei der Datierung der Hirtendynastie in Ägypten die Angaben des Alten Testaments als vollgültige Beweise wertet. (II, S. 12.) Die von Hamberger übersetzte Batteuxsche Abhand-

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lung über die Streitfrage, ob die Heiden den „wahren Gott" jemals nicht gekannt haben, lebt und webt völlig in alttestamentlichen Auffassungen. Noah, seine Arche, seine Söhne usw. sind alles beglaubigte Wirklichkeiten, deren Dasein ganz genau in „Jahren nach Erschaffung der Welt" angegeben wird. Infolge ihrer Abstammung von Noah war den Heitien Gott notwendig bekannt. Dadurch, daß sie ihn vernachlässigten und nur ihre Götzen verehrten, haben sie sich viel strafbarer gemacht als die Juden, die neben ihm noch andre Götter hatten. Der Neigung Dohms zur K u l t u r g e s c h i c h t e entsprach Sprengeis Aufsatz: „Britanniens Kultur durch die Römer" (II, S. 195). Sprengel beklagt, daß die Kulturgeschichte nicht in nötigem Maße beachtet werde. Insbesondere harre das Problem der ausbleibenden Kultivierung der Völker Amerikas noch der Lösung. Der Gegensatz zu den Erfolgen der Römer falle in die Augen. Gründlich und mit Heranziehung vieler Quellen wird deren kolonisatorische Tätigkeit in Britannien geschildert und gewürdigt. Auch die biographische Seite der geschichtlichen Forschung ist vertreten. Nach „Les Loisirs au Chevalier d'Eon" berichtet Dohm selbst über Peters des Großen erste Gemahlin Eudoxia Feodorowna (II, S. 387) und bespricht das Buch „Vie de Maire de Medicis Princesse de Toscane Reine de France et de Navarre" (II, S. 383). Ins Gebiet der jüngsten Politik gehört es fast schon, wenn „Einige Nachrichten" vom verstorbenen König von Frankreich, Ludwig XV., und „Authentische Anekdoten" von seiner Mätresse, der Gräfin du Barry gebracht werden. Anzeigen und Besprechungen englischer und französischer historisch-politischer Werke bilden einen öfters wiederkehrenden Artikel. (II, S. 271, 285, 383.) Dohms eigne Leistung ist somit ein einziger Verstoß gegen die anfangs ausgesprochene Absicht, Rezensionen möglichst zurücktreten zu lassen. Durch die politische Lage war auch die Darstellung der eigenartigen staatlichen und kirchenpolitischen Zustände in Neuengland, das im Begriff stand, sich gegen das Mutterland zu empören, aktuell geworden. (S. 632.)

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W i r t s c h a f t l i c h e F r a g e n erörtern Schlözers Aufsatz über den ostindischen Handel (S. 481) und die Übersetzung aus dem Buch des Dr. Tuckers „Four tracts together with two sermons on political and commercial subjects" (II, S. 452), die die Befürchtung, daß ein reiches Land allemal durch ein aufkommendes armes, in dem Arbeitskräfte und Lebensbedingungen billiger seien, verdrängt werden müsse, unter Hinweis auf die wirtschaftliche Bedeutung des Kapitals als unbegründet zurückweist. — Die Lehre der Physiokraten, daß aller Wert im Boden stecke, daß alle Kultur, daß Gewerbe und Handel von der Landwirtschaft abhängen und ihr dienen müssen, wird in einer ansprechenden Schilderung aus Marschalls Travell Vol. II p. 174 auseinandergesetzt. (II, S. 123.) Als Tatsache erfahren wir, daß ein dänischer Edelmann, um seine Einkünfte zu vermehren, zunächst für intensive Bewirtschaftung seines eigenen Bodens und der Felder seiner Bauern sorgte, die, um auf seine Pläne eingehen zu können, nicht gedrückte Leibeigene, sondern freie Pächter sein mußten, daß er dann, um Absatz zu haben, einen Markt, eine Stadt und in ihr mit Hilfe von Ausländern Industrien schuf, die wiederum blühenden Handel im Gefolge hatten. Alles das muß sich aber dem Interesse der Landwirtschaft unterordnen. — Das Ungewöhnliche all der Tatsachen veranlaßt Dohm zu der Schlußbemerkung, die Darstellung enthalte „so viel Sonderbares, daß sich ein aufmerksamer Leser des Zweifels nicht erwehren kann, ob vielleicht nicht der Verfasser hier nur ein romanhaftes Muster hat aufstellen wollen ?" Wie es bei solchen Zeitschriften üblich, hatte auch das E. J. nach Beerstechers Absicht eine Art A n z e i g e r a u s d e r G e l e h r t e n w e l t werden sollen. Solche Anzeigen nehmen im ersten Stück beträchtlichen Raum ein. Hüpsch kündigt die Veröffentlichung seiner Erfindung zur Vertilgung der Ameisen a n ; wir erfahren das Ergebnis von zwei Preisaufgaben der „Hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerben" und lesen Ankündigungen demnächst erscheinender Bücher. Dazu treten vor allem mehrere Seiten füllende Bücherangebote, darunter das versprochene „Verzeichnis neuer ausländischer Bücher".



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Fremde Literaturen werden von Beerstecher überhaupt stets besonders berücksichtigt. Für derartiges finden wir im 2. und 3. Stück hinter dem Titelblatt je 6 besondere, nicht gezählte Seiten. In erster Linie enthalten sie wieder buchhändlerische Anzeigen, Angebote Beerstechers und Mitteilungen in eigner Sache, vereinzelt außerdem Berichtigungen, Amsterdamer Auktionsund Londoner Theateranzeigen. — Dohm führt das fort und richtet einen allerdings unbedeutenden Abschnitt: „Literarische Anzeigen" ein. (S. 584, 644, II, S. 186, 283.) An die Stelle bloßer Aufzählung neuer ausländischer Bücher treten bei ihm Besprechungen, die schon verschiedentlich berührt wurden. — Erwähnt sei noch, daß er dem neuen Philanthropin Basedows in Dessau einen langen, empfehlenden Artikel widmet. (II, S. 220.) Das E. J. Dohms war ein erster Versuch in seiner Art und muß als solcher gewürdigt werden. Trotz aller Unzulänglichkeiten in Plan und Ausführung überwiegt das Wertvolle in hohem Maße. Aber auch Dohm war nicht die richtige Persönlichkeit. Äußere Schwierigkeiten kamen hinzu, so daß das aussichtsvolle Unternehmen klanglos zugrunde ging. Die Schwierigkeiten mit dem tropfenweise erscheinenden E. J . konnten nicht besonders ermutigen. Beerstecher stürzte sich aber unentwegt auf etwas Neues. Daß die T h e a t e r Z e i t u n g gleichfalls ihre Erscheinungsmerkwürdigkeiten aufzuweisen hat, wundert uns schon nicht mehr. Das erste Stück erschien am 30. Nov. 1774, ohne daß zunächst weitere folgten. Vielmehr erschien am Mittwoch, den 4. Januar 1775, ein neues erstes Stück, das in einer „Nachricht" (S. 16) die früher verbreitete erste Nummer unecht nannte. „Darinn finden sich verschiedene Fehler, die durch Versehen des Faktor als Correctors, stehen geblieben sind. Dieser Umstand zwingt den Herausgeber, unser Institut nicht eher als mit dem Dato, das auf der Stirne dieser ersten ächten Nummer sich befindet, anfangen zu laßen." Die nächsten 4 Stücke waren aber offenbar gleichzeitig mit dem ersten gedruckt worden, wenn auch, um nach und nach ausgegeben zu werden. Das Datum auf ihrem Kopfe ist überklebt. Unter den Papierstreifen mit der neuen Datierung erkennt man die alte,



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den 3., 7., 10. und 14. Dezember 1774. Daß sie noch gedruckt wurden, nachdem Beerstecher sich, vermutlich aus Gründen der Ersparnis, entschlossen hatte, die Th. Z. erst im Januar erscheinen zu lassen, ist sehr unwahrscheinlich. — — In der neuen Folge ist die Th. Z. dem Anscheine nach regelmäßig jeden Mittwoch und Sonnabend erschienen. Nach den „Bagatellen, Literatur und Theater", Düsseldorf 1777, die Beerstecher herausgab, hat sie mit No. 39 am IQ. Mai 1775 ihr Ende gefunden. Bis dahin reicht auch das Kasseler Exemplar. A b o n n i e r e n konnte man halbjährlich für 2 Rtlr. in Louisd'or zu 5 Rtlrn. Die bis zum Januar herauskommenden Hefte sollten nach ursprünglicher Absicht frei geliefert werden; das erste halbe Jahr werde sich also „nicht eher als mit Ausgang's Juny 1775 endigen". So hieß es im dritten Stück (S. 40). Bei veränderter Sachlage sah sich der Herausgeber zu der Bemerkung in dem neuen ersten Stück genötigt, „wegen dem neuen Druck dieser ersten Nummer" falle das Avertissement in No. 3 fort. — Der Preis blieb, zahlbar am Schluß des abgelaufenen Halbjahrs. Das einzelne Stück war Vs. ganz selten 1 Bogen stark. Wenn daher einmal längere Artikel gebracht wurden, war der Inhalt des einzelnen Stückes einseitig; dann fehlte sogar das gewöhnlich an erster Stelle stehende Gedicht. Durch A k t u a l i t ä t zeichnet sich der Inhalt der Th. Z. nicht aus. Sie hinkt im Gegenteil auffällig nach. Die „Theatralischen Neuigkeiten aus Paris" in No. 4 vom 14. Jan. 1775, die ja allerdings bereits Ende November gedruckt waren, berichten z. B. über die Aufführung des MarmontelGretryschen Stückes „Cephale und Procris oder die eheliche Liebe" am „30. December des verwichenen Jahres", d. h. also 1773, und über die Neueinstudierung von Rotrous „Wenceslaus", die am „26. Februar dieses Jahres", also 1774, über die Bretter ging. (S. 44.) Die Aufführung von Glucks „Orpheus und Eurydice" in Paris am 2. August 1774 wird in No. 6 vom 21. Jan. 1775 besprochen. — Merkwürdig ist auch, wenn die Josephische Schauspielertruppe bis in den März 1775 hinein nach dem Zustande geschildert wird, den sie in Münster während ihrer Spielzeit 1773—1774 aufwies,



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obwohl im gleichen März schon Josephis Nachfolger Dobler Schulden halber aus der Stadt verschwinden mußte und ein gewisser Westerhues aus Münster eine neue Truppe zusammenzubringen sich bemühte. (S. 301—303.) — Ebenso liegen die Anlässe zu den abgedruckten Gelegenheitsgedichten häufig Jahre zurück. An Versprechungen war das im ersten Stück entwickelte P r o g r a m m wieder recht reich. „Der Große, der Patriot, der deutsches Theater schätzt und sich seiner Pflege unterziehen will, findet hier von allen seinen so mannigfaltigen und zerstreuten Pflanzschulen und den Talenten ihrer Mitglieder eine concentrierte Nachricht, die er nach seinen Absichten nuzen kan: Der Principal hat das kritische Verzeichniß der neuesten Produkte für die Bühne, vor sich liegen; er wird die guten wählen, und nicht mehr das Gedächtniß seiner Leute mit dem Auskehrsei der dramatischen Musen foltern. Der Schauspieler erhält Abhandlungen über die Theile seiner Kunst, vielleicht auch Aufmunterung seinen Namen in einem Blatt zu lesen, das allenthalben herumkommt, das ihn bei jeder Truppe finden wird, und das Lob und Tadel genau abwägen will: Der Dilettante endlich, wenn er mehr den Taschenbücher- und Zeitungs-Ton liebt, kan sich ausser den dramaturgischen und kritischen Neuigkeiten, an Gedichten und Anekdoten erhohlen." Um das Blatt auf die erstrebte Höhe zu heben, seien verschiedene „von Deutschlands besten Köpfen" als M i t a r b e i t e r gewonnen worden. Auch jeder freiwillige Beitrag sei willkommen, müsse aber im Gegensatz zu den ohne weiteres aufgenommenen Aufsätzen der ständigen Mitarbeiter auf seine Brauchbarkeit geprüft werden. Sonst könnte die Th. Z. „unvermerkt durch wiederhohlte Misbräuche, in eine Weihrauch-Bude oder in einen Tummelplaz der Kabale ausarten" (S. 2). Tatsächlich ist eine ganze Reihe von Männern an der Th. Z. tätig gewesen. Nur zum Teil konnten sie festgestellt werden. — H e r a u s g e b e r war Beerstecher selbst. Bemerkbar ist seine Tätigkeit nicht. Fünf Mitarbeiter zeichnen mit voller Namensunterschrift: Eschenburg, die Karschin, Sprickmann, Stühle und Weiße; die andern zeichnen,



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wenn überhaupt, mit Abkürzungen. Gerade bei den fünfen ist es aber zweifelhaft, ob sie selbst zu der Th. Z. in Beziehung gestanden haben, ob die von ihnen stammenden Beiträge nicht vielleicht von anderer Seite eingesandt worden sind. Sie bestehen — abgesehen von Eschenburgs, des Braunschweiger Professors und Shakespeareübersetzers (1743—1820) Dramolet „Die Wahl des Herkules", das schon 1773 erschienen war, — nur in Prologen, Epilogen und Dedikationsgedichten. Es ist sehr wohl möglich, daß Beerstecher sie nicht von den Verfassern, sondern z. B. von den betreffenden Schauspielertruppen erhalten hat, oder daß sie andern Blättern entnommen sind. Die meisten der Mitarbeiter haben offenbar in Thüringen, vor allem in Gotha gesessen. Meusels G. T. bestätigte einige Vermutungen. Gleich der erste, R unterzeichnete Aufsatz über den theatralischen Tanz (S. 3) stammt von R e i c h a r d. 1 ) Reichard gehörte trotz seiner Jugend — er ist am 3. März 1751 in Gotha geboren — zu dem Gothaer Literatenkreise der Gotter, Ewald, Bertuch usw., stand auch mit auswärtigen Schriftstellern schon in lebhaftem Verkehr. Seine schriftstellerischen Versuche reichen in frühe Jugend zurück. Juristische Studien und studentisches Treiben in Göttingen, Leipzig und Jena unterbrachen sie. Nach Hause zurückgekehrt, betätigte er sich eifrig an der durch Gotter ins Leben gerufenen Liebhaberbühne. Für die Bühne hat er stets Vorliebe behalten. Von 1775—1800 gab er seinen wichtigen „Theater-Kalender" heraus, daneben 1777—84 das „Theater Journal für Deutschland". Als 1775 das Hoftheater ins Leben trat, wurde ihm die literarische Leitung und die Kasse übertragen, letzteres nicht zu seinem Vorteil. An noch vielen andern Journalen war er mehr oder weniger maßgebend beteiligt, um einige zu nennen, an den „Gothaischen gelehrten Zeitungen" 1774—1784, an der „Olla Pötrida" 1774 —1800. Auch die Ausgabe des „Gothaischen Hofkalenders" besorgte er längere Zeit. Durchaus in der französischen Art seiner Zeit gebildet, besaß er eine Vorliebe für die französische ») H. A. O. R e i c h a r d (1751—1828). Seine Selbstbiographie, herausgegeben von H e r m a n n U h d e , Stuttgart, 1877; A. d. B. XXVII., S. 625.



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Sprache und gab sogar französische Blätter heraus, z. B. das „Journal de Lecture". Franzosenfreund ist er deswegen aber nie gewesen. — Amtlich stieg er zu hohen Würden empor. Als Kriegsdirektor der beiden Herzogtümer Gotha und Altenburg starb er am 17. Oktober 1828 in seiner Vaterstadt. Von Reichard stammen noch die Besprechung der Voltaire-Ootterschen „Merope" (Seite 11) und die Übersetzung der aus dem Französischen stammenden „Comoedie aus dem Stegreif" (Seite 225 ff.), ebenso die gegen einen Kritiker Joh. Tobias Sattler gerichteten kurzen, zurechtweisenden Worte. (S. 28.) Die —d gezeichneten Aufsätze sind ihm auch zuzuschreiben: Zwei Besprechungen (S. 26 u. 43) und ein dem Seylerschen Schauspieler Großmann bei seiner Verheiratung gewidmetes Gedicht. (S. 81.) Dieser Großmann tritt in der Th. Z. selbst auf. 1746 in Berlin geboren, wurde G u s t a v F r . W i l h . G r o ß m a n n 1 ) Kaufmann in Danzig, dann Sekretär beim dortigen preußischen Residenten und schließlich Schauspieler. Eine Zeitlang leitete er als Direktor das kurfürstliche Hoftheater in Bonn. Zuletzt spielte er mit einer eignen Truppe, meist in Hannover. Er starb 1796. (Meusel N. IV, S. 326.) Für die Bühne hat er hauptsächlich Obersetzungen geliefert. — Seine starke Beteiligung an der Th. Z. wird ausdrücklich hervorgehoben. 2 ) Mit Sicherheit ist ihm aber nur ein der Prinzipalin gewidmetes Gedicht zuzuschreiben. (S. 113.) Ob die G gezeichneten Gedichte (S. 17, 25) ihm oder Gotter zukommen, ist ungewiß. — — — In Gotha, seiner Vaterstadt, wohnte damals auch der Hofsekretär S c h a c k H e r m a n n E w a l d . 1745 geboren, studierte er in Erfurt und Göttingen (1772), wo er dem Kreise des Hains zugehörte. Er war Mitherausgeber der „Gothaischen Gelehrten Zeitungen". 1824 ist er in Gotha gestorben. — Von ihm stammt, soweit feststellbar, eine Besprechung (S. 133) und die Charakterisierung der Seylerschen Truppe (S. 8, S. 22, S. 29), ferner ein aus Anlaß einer Leipziger Aufführung der Gothaer Schau*) s. J o s . W o l t e r , Gustav Friedrich Wilhelm Großmann, I, Cöln 1901, II, Hannover 1902. *) M e u s e l N . S. 396; (Chr. H e i n r i c h S c h m i d ) Chronologie des deutschen Theaters, 1775, S. 355.

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Spieler der Madame Mecour gewidmetes Gedicht (S. 115) und wohl auch die Schreiben aus Leipzig (S. 41, S. 217). — Wegen ihrer Beziehungen zur Seylerschen Truppe sind auch C. und O. g. S. nach Thüringen zu versetzen. In Münster war der oben genannte S p r i c k m a n n zu Hause (1749—1833), dessen ausschweifendes Genietreiben und Schriftstellertum an den Versuch, in Münster eine feste Bühne zu gründen, anknüpft, dem es nach schweren Kämpfen gelang, wieder festen Boden zu gewinnen und ein sehr angesehener Rechtsgelehrter zu werden. Wurde er doch Eichhorns Nachfolger in Berlin. Die Th. Z. enthält einige seiner der Münsterschen Bühne gewidmeten Gedichte, ebenso einige seines Freundes S t ü h l e , die alle weit zurückliegen. Sprickmann ist außerdem Verfasser der die Josephische Gesellschaft charakterisierenden Artikelfolge (S. 110, 118, 125, 158, 165). Bei Gelegenheit eines Aufenthaltes in Münster ließ sich der längst vergessene Dichter eines Zriny-Dramas, F r i e d r i c h A u g u s t C l e m e n s W e r t h e s 1 ) (1748— 1817), der sich vor aliem durch seine Gozzi-Übersetzung verdient gemacht hat, zu einer dichterischen Huldigung der Josephischen Schauspielerin Gretchen Haverkampf hinreißen. Ein Jahr danach wurde das Gedicht auf ausdrückliches Ersuchen hin in der Th. Z. abgedruckt. (S. 169.) Weitaus am bedeutendsten als. Kritiker an sich und für die Th. Z. ist der Schreiber der Briefe „Über verschiedene Gegenstände der Bühne" (S. 137, 145, 153, 161, 194, 205, 209, 263, 265, 275, 297), der sich leider gänzlich in Dunkel hüllt. *) Bei der räumlichen Verteilung der Mitarbeiter, soweit wir sie feststeilen konnten, ist es begreiflich, daß vor allem die Seylersche Truppe in Weimar, Gotha und Leipzig und das Theater in Münster interessieren. — Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Nationaltheaters in Hamburg (1769) bildete sich aus den Schauspielern neben der alten Acker') T h e o d o r H e r o l d , F A. C. Werthes, Münster 1898. R a ß m a n n , Nachtr. I, S. 72, II, 138, III, 139; bei Raßmann Angabe von Rezensionen seiner Schriften. ») DieZeichen A., S. 171; D* S. 69, 163; H., S. 132; J., S.92; K. D.O., S. 187; L , S. 52; Tn., S. 116,134,171, vermochte ich nicht zu deuten.



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mannschen Truppe, die der Kern der Bühne gewesen war, die Seylersche, in den nächsten Jahren zweifellos die bedeutendste Deutschlands, auch abgesehen davon, daß ihr Ekhof und die Seylerin angehörten. Nach mannigfachen Gastspielen in verschiedenen Städten Deutschlands wurde sie 1771 für längere Zeit in Weimar verpflichtet. Der große Schloßbrand am 6. Mai 1774, der auch die Bühne und die wertvolle Ausrüstung der Gesellschaft vernichtete, bereitete ihrer hoffnungsreichen Wirksamkeit ein unerwartet frühes Ende. Der schlimmsten Not steuernd, bot ihr Herzog Ernst II. von SachsenGotha, das Haupt eines der edelsten Höfe jener Zeit, in seiner Residenz den nötigen Boden. Am 8. Juni 1774 eröffnete sie mit Weißes „Richard III." ihre Spielzeit. 1775 erhielt Seyler das Privileg für Kursachsen und verließ Gotha, wo unter Ekhofs Leitung das erwähnte Hoftheater eingerichtet wurde. — Eine Reihe von Fortsetzungen schildert in der Th. Z. kurz die bisherigen Schicksale der Gesellschaft und charakterisiert und kritisiert ihre Mitglieder, fast durchweg anerkennend. (S. 8, 22, 29.) Wir hören ferner von ihren Erfolgen in Leipzig während der Michaelismesse 1774 gegen die aus dem Felde geschlagene Döbbelinsche Truppe (S. 41, 217), von der Spaltung der Gesellschaft beim Verlassen Gothas (S. 291) und von der sozial bedeutungsvollen Gründung einer Pensionskasse bei ihr während ihres Aufenthalts in Leipzig, wohin sie sich von Gotha aus gewandt hatte. — Zahlreiche der abgedruckten Gedichte sind einzelnen ihrer Mitglieder gewidmet — aus Anlaß von Hochzeiten, Auftreten in glücklichen Rollen usw. —, oder sind von Mitgliedern als Prologe, Schlußworte usw. gesprochen worden. In gleicher Weise werden wir über die Josephische Gesellschaft in Münster unterrichtet (S. 110, 118, 125, 158, 165), bei der freilich ziemlich viel auszusetzen ist. Über das Unternehmen des Nachfolgers Dobler — er eröffnete am 6. Okt. 1774 mit Sedaine-Monsignys Singspiel „Der Deserteur" (wahrscheinlich in der Übersetzung Eschenburgs) die Spielzeit — wurden zwar nähere Nachrichten versprochen (S. 160), wir erfahren aber nur von seinem Zusammenbruch und von einem neuen Versuch eines einheimischen Kaufmanns. (S. 301.) Die letzten beiden Stücke enthalten die Frag-



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ment gebliebene „Nachricht von der Kaiserl. Königl. Schauspiel-Gesellschaft in Wien 1775". (S. 318, 327.) Bis dahin war sie wenig beachtet worden. — Der Kochschen Bühne, die nach mehrjähriger Wirksamkeit in Berlin mit dem Tode des Leiters auseinanderging, wird aus diesem Anlaß mehrfach gedacht. (S. 289, 291, 305.) Vorher wird ein Gedicht der Karschin zu Ehren einer Hauptdarstellerin, der Madame Henisch, gebracht (S. 185), und findet sich Gelegenheit, ihrer Götzaufführung einige Worte zu widmen. (S. 142.) Trotz guten Willens vermochten sie nach der Meinung des Kritikers dem Stück nicht ganz gerecht zu werden. — Die Truppe Döbbelins, der nach Kochs Tode das stark angefeindete Privileg für die preußischen Staaten erhielt, und die „Ch urpfälzisch Deutsche Hofschauspielergesellschaft unter der Direktion des Herrn Marchand" werden mehr oder weniger flüchtig gestreift. Sowohl für die Seylersche Gesellschaft in Gotha wie für die Doblersche in Münster wurde anfangs ein fortlaufender Bericht über die einzelnen Aufführungen versprochen. Als Muster schwebte wohl Lessings Hamburgische Dramaturgie vor. Weder hier noch dort kam es zur Erfüllung. Dagegen haben wir etwas Ähnliches merkwürdigerweise für Paris. Verschiedene wichtigere Aufführungen werden besprochen, durchweg anerkennend, ohne daß wir vorher über die Theaterverhältnisse und Schauspieler aufgeklärt würden. Das wird als bekannt vorausgesetzt. Daß die Kritiken mit großer Verspätung erschienen, ist schon gesagt worden. Geschrieben worden sind sie offenbar lange bevor sie in der Th. Z. als „Schreiben von Paris an einen Mitarbeiter", erschienen. So wenigstens lautet die Überschrift das erstemal. (S. 37.) Es wäre möglich, daß es sich um Nachdrucke handelt. Auch dem Londoner Theater wird Aufmerksamkeit geschenkt. Wir bekommen sogar den „Epilog ,bey Eröffnung des Theaters zu Covent-Garden in London; den 17. Sept. 1774. Gesprochen und verfertigt von Hr. Woodward" im Urtext vorgesetzt. (S. 100.) Ferner hören wir von Londoner Theaterstücken und Aufführungen (S. 221, 309 z. B.) und erfahren mancherlei über neue Bühnenunternehmungen und dergleichen. Ben s e i , Niederrheinisches Geistesleben.

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Zahlreich sind die B e s p r e c h u n g e n u n d R e z e n s i o n e n von Theaterstücken oder Büchern über Theaterwesen. Der häufig wiederkehrende Abschnitt: „Neue Schriften" enthält meist ausländische, neu erschienene Theaterstücke, die vielfach nur genannt, häufig aber auch mit kurzen Bemerkungen wie: Dann und dann zum erstenmal aufgeführt, versehen werden. — Besprochen wurden besonders solche verhältnismäßig neuen Stücke, die für die Seylersche Oesellschaft geschrieben, übersetzt und vertont worden waren. Einzelne ihrer Mitglieder waren selbst dichterisch tätig, vor allem der Altmeister des deutschen Schauspielerstandes, Ekhof. Qroßmanns „Wilhelmine von Blondheim" wurde zwar nicht besprochen, wohl aber das Duodrama mit Musik „Ariadne auf Naxos" von Brandes mit der Bendaschen Vertonung, einer der besten Leistungen des Komponisten. Daß das Singspiel, das Musikdrama überhaupt, einen wichtigen Platz einnahm, kann nicht wundernehmen. Die Gegenwart wird stets von der leichteren Ware beherrscht. Zudem nahmen Oper und Singspiel damals gerade einen gewaltigen Aufschwung; Gluck, Schweizer, Benda und Hiller schufen ihre besten Werke. Das meiste, was auf dem Theater geboten werden konnte, war leider ausländische Ware oder zum mindesten vom Ausland maßgebend beeinflußt. Dieser Mangel an. originalen Bühnenwerken wurde durchaus empfunden. Der unbekannte Briefschreiber bedauert ihn in seiner Besprechung des Reichardschen Theaterkalenders für 1775, in dem sich auch ein „Verzeichniß der vom Jahr 1770 an erschienenen deutschen Schauspieler und anderer Theater-Schriften" findet, und bemerkt dazu: „Wir sind so arm nicht! Aber warum sehen wir so wenig Originale auf unsern Bühnen!" (S. 207.) An einer andern Stelle wird das Vorwiegen der komischen Oper lebhaft bedauert: „Wenn wir Deutsche genug gute Trauerund Lustspiele hätten, so möchten die komischen Opern mit durchgehen, aber daß alle dramatische Dichter komische Opern schreiben, um die Mode mitzumachen, muß dem noch wenig ausgebildeten Geschmacke des Publikums, durchaus schaden." Und doch huldigte ihr das ganze Zeitalter. Goethe hatte eine Vorliebe für das Singspiel, und Wieland errang mit dem ersten ernsten Operntext, Alceste einen außergewöhn-



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liehen Erfolg; auch die Th. Z. erkannte das an. Freilich war die Musik Schweizers das Durchschlagende. Sie bedeutete einen großen Schritt zum längst gesuchten, wirklichen Musikdrama hin. Seine Leistung ist denn auch wiederholt Gegenstand einer teilweise begeisterten Besprechung in der Th. Z. (S. 26, 283.) Die Verspottung, die Wieland wegen seiner durch die Alceste veranlaßten „Briefe über das deutsche Singspiel" in der Ooetheschen Farce „Götter, Helden und Wieland" hinnehmen mußte, wird sehr besonnen als künstlerischer Scherz zwar anerkannt, in der Sache aber zurückgewiesen. (S. 160.) — Von umwälzendem Einfluß auf die weitere Entwicklung wurde aber erst der Erfolg, den der Ritter von Gluck (1714—1785) 1774 in Paris mit seiner „Iphigenie" errang. Die Aufführung verursachte einen heftigen Kampf für und wider und hatte zunächst zur Folge, daß auch sein Werk „Orpheus und Eurydice" aufgeführt wurde. Von diesen Pariser Ereignissen berichtet der Gewährsmann der Th. Z., ohne selbst Stellung zu nehmen; doch scheint er auf der Seite der Modernen zu stehen. (S. 37, S. 59.) Zu den Lieblingen der damaligen Welt gehörte der ganz auf der Grundlage französischer Bildung stehende, gewandt und einnehmend schreibende Gotter (1746—1797). Gleichfalls Gothaer, stand er für die Th. Z. im Vordergrund des Interesses. Seine Bearbeitung der Voltaireschen „Merope" z. B., die in Weimar am Geburtstage der Herzogin-Regentin, der sie gewidmet war, ihre Erstaufführung erlebte, wird von Reichard als ein Meisterwerk bezeichnet. Vor allem übertreffe seine Gestaltung des 5. Aktes das Vorbild, wie auch der Blankvers, der fünffüßige Jambus Gotters, dem gereimten Alexandriner Voltaires vorzuziehen sei. Überhaupt neigt die Th. Z. zur A b l e h n u n g d e r f r a n z ö s i s c h e n D r a m a t i k und allgemein des französischen Einflusses. Die patriotische Absicht läßt sogar über Kunstmängel hinwegsehen. In einer Besprechung von Bocks Lustspiel „Die Deutschen" (S. 263f.) heißt es: „Welche gute, patriotische Absicht und welche schlechte Ausführung!" und: „Kurz, das Stück wimmelt von Fehlern, und doch habe ich den Verfasser wegen seiner patriotischen Absicht recht lieb, danke es ihm recht sehr, daß er durch sein Stück ein bißchen 10*



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das Joch erschüttern helfen, worunter wir immer noch seufzen; wünschte, daß sein Stück auf alle Bühnen gebracht würde! — Hin und wieder würde es doch manche an französischer Seuche kränkelnde Brust angreifen, und mit der Zeit dürfen wir endlich hoffen, daß deutscher Fürst ohne ausländische Räthe, deutscher Hof ohne ausländische Theater, deutscher Knabe ohne französische Erziehung und deutscher Magen ohne französische Köche werde bestehen können." — In berechtigtem Nationalgefühl wird zweimal ganz entschieden gegen die Verhunzung von Lessings Minna von Barnhelm durch den Franzosen Rochon de Chabannes Front gemacht (S. 92, S. 145), dabei dann auch mit Befriedigung festgestellt, es sei ein Beweis dafür, „daß Deutschlands Waage sinkt und Frankreichs Waage steigt". Die mannigfachen Sünden deutscher Übersetzer aus dem Französischen übersah man dabei. — Die Untersuchung: „Oedipus eine dramaturgische Rapsodie" (S. 171, 177) steht in scharfem Gegensatz zu Voltaire und •seinem von ihm selbst über Corneille mit Recht, über Sophokles mit ebensoviel Unrecht erhobenen Stück „Ödipus". Die Th. Z. ist ganz von Lessings Geist durchweht. Die S h a k e s p e a r e - B e g e i s t e r u n g und das Drama des Sturms und Drangs finden in der Th. Z. ein sehr richtig abwägendes, besonnenes Echo. Unter all dem Wust, der auf den Markt kam, hat sie das Wenige von bleibendem Wert deutlich erkannt und hervorgehoben. Als alles überragend werden Clavigo und vor allem Götz empfunden, und zwar gerade wegen ihrer Shakespeareschen Seiten. Sollten dem Götz auch noch mehr Mißgeburten folgen als bisher, so werde er, so werden „Der Hofmeister" und „Menoza" von Lenz doch stets Gewinn bleiben. (S. 132.) Der unbekannte Briefschreiber sagt in seiner in ihrer verhältnismäßigen Allgemeinheit und Kürze ausgezeichneten Besprechung: „Götz wird Emilia Galotti nicht verdrängen, so wenig als der Hofmeister Minna von Barnhelm" (S. 143). Lessing wird überhaupt bedingungslos anerkannt, vor allem auch als Meister der Theorie. In einer Besprechung der krausen „Anmerkungen übers Theater" von Lenz (1774 bei Weygand in Leipzig), die vielfach und auch in der Theater-Zeitung Goethe



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zugeschrieben wurden, findet die Übersetzung von Shakespeares Loves Labour's lost und vor allem das Stück selbst uneingeschränktes, begeistertes Lob. Mit den „Anmerkungen" ist der Rezensent nicht zufrieden: „Und so mag es denn auch für Göthen genug seyn, in der theatralischen Praxis vortreflich zu seyn, die Theorie überlasse er nur Leßingen!" (S. 269.) Auch die abgerissene, durch zahllose Gedankenstriche unverständlich gemachte Schreibweise findet Mißbilligung: „Ich will es mir selber zuschreiben, daß ich die Lücken nicht immer habe ausfüllen können, aber das weiß ich auch, daß ausser mir noch viele seyn werden, denen es ebenso gehen wird. Und doch darf ich mich wohl rühmen, L e ß i n g s Dramaturgie verstanden zu haben." (S. 270.) Einen andern Rezensenten begeisterte allerdings schon der Name „Goethe" zu höchstem Lobe. (S. 71.) — Im allgemeinen werden die vielen törichten und unverständigen Angriffe auf Götz und Clavigo, mögen sie von zart besaiteten Gemütern oder von Wächtern der alten Regelstrenge ausgehen, treffend zurückgewiesen. Dabei herrscht die gleiche Unbefangenheit im Ausdruck, die bei Goethe verteidigt wird. Der Hofmeister und Menoza werden dagegen schon als beinahe etwas gewagt hingestellt. Die Gefahr jedoch, daß die Flut der Nachahmungen allzu bedrohlich anwachsen werde, sei nicht so groß; denn im Clavigo habe Goethe halb und halb schon wieder eingelenkt. Wie es auch kommen werde, der Götz habe unanfechtbare Verdienste. Er habe das Erzählen von der Bühne verbannt und Handlung eingeführt. Er habe im Gegensatz zu den „französischen Romänlein, die noch immer auf unsrer Bühne spuken", auf die deutsche Geschichte hingewiesen und dafür gesorgt, „daß wir Shakespeare immer mehr studiren und immer weiser und weiser aus ihm werden." (S. 144.) Die Theorie der Tragödie berührt die Anfrage eines gewissen Tn. (S. 134.) Nach Aristoteles-Lessings Auffassung vom Wesen des tragischen Charakters dürfe der Held weder ganz tugendhaft, noch ein völliger Bösewicht sein. Wo aber liege die Schuld bei Emilia? Wie lasse sich der Widerspruch des Stückes mit der Theorie erklären, wird gefragt. — Im ersten Aufsatz: „Etwas über den theatralischen Tanz"

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entwickelt Reichard seine Ansicht über das Ballet. Noch sei es unnatürlich und gekünstelt. Wie das gesprochene fordere auch das Tanzdrama ganze Dichter und Tonsetzer. Eingestreut finden sich gelegentlich Untersuchungen anderer Art, z. B. über das, was man „Parterre eines Theaters" nennt und über seine Beifalls- und Mißfallensbezeugung (S. 198) oder über die fördernde und nachteilige Wirkung der Schönheit für eine Schauspielerin. S. 125.) Tn. endlich veröffentlicht philologische Erklärungsversuche einiger Plautusstellen. (S. 116.) Reiner Unterhaltung gewidmet sind die Gelegenheitsgedichte, denen durchgehends jeder literarische Wert fehlt, das Dramolet von Eschenburg, „Die Wahl des Herkules" (S. 65, 81), „Die Comoedie aus dem Stegreif" in Reichards Übersetzung (S. 225, 233, 242, 257) und zahlreiche, zerstreute Theateranekdoten. Die T. Z. ist das beste und jedenfalls das originalste der Beerstecherschen Blätter. Eine Anzahl der erfolgreichsten Theaterschriftsteüer gehörten zu ihren Mitarbeitern. Sie nahm eine kluge, fortschrittliche, aber besonnen abwägende Haltung ein. Weswegen sie noch vor Vollendung des ersten Halbjahres einging, ist schlechterdings nicht einzusehen. Auch in der Medizin versuchte sich Beerstecher. Für die Herausgabe einer medizinischen Zeitschrift, die er „ M a g a z i n v o r Ä r z t e " nannte, gewann er einen der dazu geeignetsten Mediziner, E r n s t G o t t f r i e d B a l d i n g e r (1738—1804), damals Professor in Göttingen, der später Jahre hindurch medizinische Journale herausgegeben hat. Monatlich sollte 1 Stück von 6—7 Bogen herauskommen, halbjährlich zu einem Bande zusammengefaßt, beginnend mit Januar 1775. Bei Pränumeration sollte der Jahrespreis l /: Louisd'or in Gold betragen; nach Ablauf der Pränumerationszeit mit Ende April sollte er auf 4 Rtlr. sächsisch oder 7 Gulden Reichsgeld steigen. Der Verlag tat wiederum alles, um den Erfolg des Blattes in Frage zu stellen. Baldinger hatte das erstemal seine Arbeit ziemlich rechtzeitig getan. Seine Vorrede datiert: „Göttingen, am 31. Decemb. 1774." Die „Nachricht der Ver-



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leger" am Schluß des ersten Stückes dagegen: „Cleve, den 31. Jan. 1775." Das Stück ist aber keineswegs in den ersten Februartagen erschienen. In den Zensurakten für Cleve findet sich eine vom 13. Februar 1775 stammende Anfrage bei der Regierung, ob der Zensor Rittmeier auch hierfür zuständig sei, ob er ein Pflichtexemplar erhalten müsse, und ob er zu bezahlen sei. Die Antwort der Regierung erfolgte am 20. Februar. Sie verwies auf frühere Verordnungen. Von den 12 Heften, auf die es das M. v. Ä. gebracht hat, sind nur drei bei Beerstecher erschienen, Heft 4—12 dagegen bei Friedrich Ootthold Jacobäer in Leipzig bezw. bei Fr. G. Jacobäer und Sohn (H. 12), und zwar je 3 Stücke in den Jahren 1776, 1777. 1778. Auch der zweite Verleger hielt sein ursprüngliches Programm nicht inne; denn der blaue Umschlag von St. 4 versprach ein Heft in jedem zweiten Monat. — Seine Vorrede zum 4. Stück vom 22. April 1776 leitete Baldinger mit den Worten ein: „Nach einer Verzögerung, an welcher ich nicht den geringsten Theil habe, erscheinet nunmehr die Fortsetzung des Magazins. Die innere Verfassung desselben bleibt dieselbe." Im Frühjahr 1775 erschienen nebeneinander das E. J., die Th. Z. und das M. v. Ä. In seiner Nachricht am Schluß des ersten Stückes des M. v. Ä. erklärte Beerstecher, E. J. und M. v. Ä. sollten nach Möglichkeit zusammen versandt werden, um das Porto erträglich zu machen. Das Format des M. v. Ä. ist großes Oktav; Papier und Druck sind von gleicher Güte wie beim E. J. Die einzelnen Stücke, 6 Bogen stark, erschienen in einem blauen Umschlag, auf dem unter dem Titel, der keine Monatsbezeichnung, sondern nur die Zahl des Stückes trägt, buchhändlerische Nachrichten Beerstechers stehen, neben anderem vor allem beim ersten Stück die Inhaltsangabe von St. 8 u. 9 des E. J., beim 2. und 3. St. die Bezugsbedingungen der Th. Z. und der Inhalt der Januar- und Februar- bezw. Märznummern. — Im Innern der Hefte findet sich noch einmal fein Titelblatt, ganz nach der Art des E. J. mit der gleichen Buchhändleraufzählung unter dem Titel. Der Inhalt des Heftes steht immer am Schluß. Außer dem H e r a u s g e b e r gehörten zu den

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b e i t e r n des M. v. Ä., soweit es für uns in Frage kommt, namhafte Mediziner; Baldingers Schüler Ackermann (1756 —1801) aus Altdorf, J. F. Gmelin (1748—1804), damals noch in Tübingen, Georg Wilhelm Stein (1737—1803), Direktor der Entbindungsanstalt in Kassel, Hensler in Kiel (1733—1805), Gruner in Jena (1744—1815), Schröter in Rinteln (1746—1801), Christian Ludwig Lieberkühn (geb. 1750), Prof. am akadem. Gymnasium in Stettin. Berücksichtigung sollte im M. v. Ä. die gesamte medizinische Wissenschaft in allen ihren Teilen finden. Daneben wollte Baldinger als sein Lieblingsgebiet die Geschichte seiner Wissenschaft pflegen. — Was erschienen ist, macht einen würdigen und gehaltvollen Eindruck.

5. Die politisch-aufklärerischen Monatsschriften. Erst nach der befremdlich langen Pause von 13 Jahren bekam Cleve wieder ein deutsches Zeitungsunternehmen: „Politische und moralische Unterhaltungen f ü r d i e J u g e n d u n d i h r e F r e u n d e " mit dem Motto auf dem Titelblatt: Miscuit utile dulci.*) Das Blatt erschien als eine Monatsschrift vom Mai 1788 bis zum April 1789, gedruckt und verlegt bei Johann Wilhelm Möller in Cleve; jedes Stück war drei Bogen stark. Dem ersten Stück ist ein Vorbericht vorgedruckt, der auf einen nicht erhaltenen Prospekt Bezug nimmt. Den Beschluß des letzten Stückes bildet ein (für St. 7 unvollständiges) Inhaltsverzeichnis. 2 ) — Über den Preis des Blattes wissen wir nichts. Nur besagt eine Anmerkung ganz am Schluß des Jahrganges, die Leser und Kollekteurs möchten die Gelder einsenden. Auf den zweifellos vorhanden gewesenen, leider nicht erhaltenen Umschlä») Horaz, Episteln Buch II, 3. (De arte poetica) Vers 343: Otnne tulit punctum, qui miscuit utile dulci; jeglichen Beifall errang, wer Lust und Nutzen vereinte, ein wichtiger Satz der Aufklärungspoetik. 2 ) Das Inhaltsverzeichnis S. 483 ff. berichtigt die schwerwiegendsten Ungenauigkeiten der Seitenzählung. Auf S. 400 folgt der Rest mit 391—482; das Inhaltsverzeichnis zählt richtig durch. Unberücksichtigt bleibt der Sprung von S. 432 auf S. 443. Verschiedene andere Ungenauigkeiten sind nicht erwähnenswert.



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gen der einzelnen Hefte hat er — entsprechend der Einrichtung bei der Fortsetzung: „Mancherlei zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung" — sicher gestanden. — Bedauerlicher noch ist das Fehlen einer Subskribentenliste. H e r a u s g e b e r der P. u. m. U. war J o h . N i c o l a u s H ü t h e r,1) kein Neuling auf journalistischem Gebiete. Die Nachrichten über ihn fließen nur spärlich, obwohl er im Schulund Zeitungswesen seiner Gegend keine ganz unbedeutende Rolle gespielt hat.2) Geboren wurde er am 2. Februar 1745 zu Großsteinhausen im Herzogtum Zweibrücken, er starb am 19. Juni 1810 in Wesel. — Nach vierjährigem Studium in Bremen (auf dem akadem. Gymnasium) und weiteren 3 Jahren auf der Universität Utrecht predigte er 3 Jahre in Bremen. Dann kam er als Konrektor an das Gymnasium in Wesel. Am 15. Sept. 1772 wurde er in sein Amt eingeführt; 1787 rückte er zum Rektor auf. Im gleichen Jahr zerrann ihm eine schöne Hoffnung. Am 10. Juli schlug ihn der Senat der Universität Duisburg vor dem Kandidaten Sack, der noch nichts veröffentlicht habe (!), und dem Prediger Möller aus Lippstadt, der einiges auf Friedrich den Großen verfaßt habe, für die Theologieprofessur vor, die durch das Scheiden des nach Frankfurt a. O. berufenen Professors Muzel frei wurde. Er sei Hauptverfasser der Weseler „Jugendzeitung" und Mitarbeiter an Prof. Meisters „Duisburgischen gelehrten und gemeinnützigen Beyträgen" und an Weddigens „Westphälischem Magazin" gewesen.3) — Schon des Ver') nach Meusel C. T., Kayser, Holzmann-Bohatta. *) s. Meusel G. T. III, S. 456; E r s c h u. G r u b e r ; F e s t s c h r i f t zur Feier der Einweihung des neuen Gymnasialgebäudes, Wesel 1882; W. M e i n e r s , Aus dem höheren Schulwesen im rechtsrheinischen Kleve, in den „Beitr. z. Gesch. d. Herzogts Kleve« - Veröffentl. des hist. Vereins f. d. Niederhein II, Köln 1909 S. 432, S. 445/95. Einiges der folgenden Darstellung entstammt Duisburger Universitätsakten der Clever Regierung, jetzt im Düsseldorfer Staatsarchiv. ') Meusel G. T. führt von ihm an: Lateinische Sprachkunst zum Gebrauch für niedere Schulen, Wesel und Leipzig 1778. 8. und später fallend: Die P. u. m. U.; Mancherlei, zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung; Joh. Flor. Martinet, Hausbuch für vaterl. Familien, welche einige Unterweisung nötig haben. Leipzig 1795 gr. 8.



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dienstes wegen sah sich Hüther zu schriftstellerischer Arbeit veranlaßt; denn erheblich ist sein Gehalt nie geworden. Im Jahre 1803 erhielt er, 58 Jahre alt, 420 Taler, darunter an barem Geld 350 Taler und 30 Taler Schulgeld. 1 ) Aber sicherlich hat ihm auch reines Streben, aufklärend und bessernd seinen Mitmenschen, vor allem der Jugend, nützlich zu sein, die Feder in die Hand gedrückt. — Er scheint ein rühriger Mann gewesen zu sein, mit Ansichten über Erziehung und Unterricht, die zwar nicht originell, aber wohl beachtenswert und fortschrittlich waren. In einem Aufsatz der „Duisb. gel. u. gem. Beyträge" 1777 wendet er sich z. B. entschieden gegen die Zeitverschwendung im Unterricht für Sachen, die doch bald wieder vergessen werden, und befürwortet, praktisch verwertbare, allgemein bildende Kenntnisse und Fertigkeiten beizubringen. Dazu gehört vor allem auch das jedem unentbehrliche Zeichnen. An jeder Schule sei daher ein Zeichenmeister anzustellen. — — Die Weseler Festschrift 2 ) rühmt ihm mancherlei Verdienste um seine Schule nach. Als Vertreter fortschrittlicher Ansichten hatte er schon in den siebziger Jahren Zusammenstöße mit dem Direktor Eichelberg, der, an sich ein tüchtiger Mann, von heilsamen Neuerungen nicht viel wissen wollte. Mit schließlichem Erfolg trat Hüther für das „Durcheinander-docieren" gegen das Klassenlehrerprinzip auf. Er hat die Anregung zur Schaffung einer Bibliothek gegeben und die Besorgung physikalischer Instrumente betrieben. Auch trat er eifrig für den Ausbau eines Hauses zu einem Schulgebäude ein, während die aufeinander folgenden Direktoren Eichelberg, Vater und Sohn, den Übelstand, daß die Klassen sich zerstreut in den Lehrerwohnungen befanden, als besonderen Vorzug ihres Gymnasiums betrachteten. — An den seit 1772 in Wesel bestehenden öffentlichen Vorlesungen, einer Art von Volkshochschulkursen, beteiligte Hüther sich eifrig, indem er Eichelberg bei seinen i) s. Meiners. Der Direktor, Dr. med. Eichelberg, Lehrer der 1. Klasse, erhielt 536 Taler 55 Stüber, der Lehrer der Klasse, 1. Konrektor Heymann, 370 Taler, der 2. Konrektor und Lehrer der 4. Klasse, Mettingh, 350 Taler. ») s. o. S. 153, Anm. 2.



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Vorträgen über Naturlehre unterstützte und selbst über Moral und Religion redete. Bei all seiner rührigen Tätigkeit hatte er keine glänzenden Unterrichtserfolge, wie es heißt. In seinem Verhalten soll er bisweilen etwas schroff und unklug gewesen sein. Auch als Journalist hat er mancherlei geleistet, nur vielleicht gerade auf dem Gebiete nicht, das ihm besonders am Herzen lag, in der Jugendschriftstellerei. Die Jugendzeitung des Röderschen Verlages, die er 1779—85 herausgab, und auch die P. u. m. U. sind beide ursprünglich auf die Jugend berechnet. Allerdings betonte er in Erinnerung an mannigfache Angriffe auf die Jugendzeitung wegen ungeeigneter Schreibart hier gleich im Vorbericht (S. 5), er habe „vorzüglich die schon etwas angewachsene Jugend vor Augen", „wenn man unter diesem Ausdruck die Knospe bis zur Blüthe, das ist: den Raum des Lebens von den an die zärtere Kindheit gränzenden Jahren des Lebens an bis zum vollen Jünglingsalter begreift." Die P. u. m. U. wenden sich nach ihrem Titel nicht mehr so ausschließlich an die Jugend. Tatsächlich versucht Hüther aber ernstlich, den Ton für kindliches Alter zu treffen. Das ganze Blatt wurde dementsprechend eingerichtet, nicht zu seinem Vorteil, denn die Gabe des Jugendschriftstellers war Hüther nun einmal versagt. Auf der andern Seite kamen aber natürlich auch die „Freunde" der Jugend zu kurz. Das Ziel drückte das Blatt, machte es mager und einseitig. Als sich Hüther und Röder mit Ende 1785 trennten, vermutlich, weil ihre Ansichten über das, was not tat, zu sehr auseinander gingen, wandelte dieser sein Blatt, den irreführenden Titel aufgebend, in die ausgezeichneten N. U. um; jener hatte im Schlußwort versprochen, das Blatt, b l o ß für die Jugend eingerichtet, in Gesellschaft mit mehreren Gelehrten unter anderem Titel so bald wie möglich fortzusetzen. Es sollte noch 2 l / 4 Jahre dauern, bis es dahin kam. Für ein reines Jugendblatt fand er überhaupt keinen Verleger. So entstand das Zwitterding der Unterhaltungen für die Ju-

i) s. o. S. 29.



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gend u n d i h r e F r e u n d e . Schon nach einem Jahr war es ersichtlich, daß die für das Blatt gewählte Form unglücklich war. Nach zweimonatiger Unterbrechung wurde es unter dem Titel: „Mancherlei zur angenehmen und nützlichen Unterhaltung" erweitert und vergrößert unter Aufgabe aller vergeblichen Bemühungen um die Jugend fortgeführt. Immerhin haben die P. u. m. U. manches Lesenswerte gebracht. Nur gerade Kinder, auch schon ziemlich „angewachsene", dürften wenig für sich gefunden haben. Hüther war natürlich anderer Ansicht. Das Glaubensbekenntnis des Kronprinzen z. B., das schwerlich ein Kindergemüt interessieren konnte, bevorwortet er folgendermaßen: „So nimm denn also, geliebteste Jugend! dieses Denkmal oder Ehrengedächtniß deines künftigen Beherrschers als ein Geschenk an. Lese und überdenke es fleißig, und lasse die Wahrheiten, die darinnen so schön und so rührend gesagt werden, deinem Verstände Licht und deinem Herzen Wärme geben. Bitte dabey Gott, daß er den Prinzen und uns allen bey so guten Gesinnungen erhalten wolle; so werden wir gewiß alle glücklich seyn." In einer Anmerkung zu der Abhandlung Friedrichs II. sagt er allerdings, sie sei „zwar nicht ganz für die Jugend, aber desto mehr für ihre Freunde"; im großen und ganzen fehlt aber völlig die Erkenntnis, daß „lehrhaft schreiben" und „für Kinder schreiben" noch lange nicht dasselbe ist. Dieser Irrtum ist für den ganzen rationalistischen Philanthropinismus bezeichnend. Das beste Beispiel bietet wohl die Campesche Bearbeitung des Robinson, die sich trotzdem bis in die zweite Hälfte des 19. Jh. behauptete. Die l e i t e n d e n G e s i c h t s p u n k t e , wie sie im Vorbericht kurz entwickelt werden, waren jedenfalls gut, ohne auf Neuheit Anspruch machen zu können. Nach „Mannigfaltigkeit und Abwechselung" hatten alle Zeitschriften gestrebt. — Wie im Leben der Kinder bei vernünftiger Erziehung „eine Stunde des Vergnügens und munterer schuldloser Spiele auf Stunden der Arbeit und Anstrengung folgen", wie nach Möglichkeit spielend gelernt werden soll, „gerade so werden sie (die Herausgeber) bald die ernsten Lehren der Weisheit und Tugend in einem zum Fassungskreis der Ju-



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gend herabgestimmten Ton vortragen, bald sie durch angenehme Erzählungen, Beschreibungen, Qemählde und andere Produkte des Witzes zu ergötzen suchen", und so „diese oder jene für das thätige Leben heilsame Wahrheit in einem gefälligen Gewand ihren Lesern wichtiger und eindringender" machen. (Vorher. S. 4.) Daß die Zahl der „Freunde der Jugend", die sich nach dem Vorbericht vereinigt hatten, „in diesen Blättern junge Leser und Leserinnen monathlich auf eine nützliche und zugleich angenehme Art zu unterhalten", sehr groß gewesen sei, ist ausgeschlossen. Abgesehen von der Redaktionsarbeit hat Hüther offenbar auch zum größten Teil die nicht allzu dicht gesäten Originalbeiträge geschrieben. Sehr viel ist Nachdruck, vorwiegend aus dem Englischen, wenn auch vielleicht durch Vermittelung schon vorhandener deutscher Übersetzungen; es sind Anekdoten, religiös gestimmte, empfindsame Herzensergüsse, rührende Geschichtchen von guten Menschen usw., ein neuer Beweis für die beherrschende Stellung, die England in der Zeitschriftenliteratui jener Zeit und Gegend einnahm. *) Außerdem benutzte Hüther französische Quellen, 2 ) übersetzte zwei Stellen aus Xenophons Memorabilien (S. 71 u. 131) die zweite, weil die erste viel Anklang gefunden hatte, verwendete aber auch deutsche Druckerzeugnisse. Von deutschen Namen erscheint Herder mit Adams Tod und der Baum des Lebens (S. 35), die empfindsame Romanschriftstellerin Sophie von Laroche (1731— 1807) mit „Lehnchen, oder die beste Art der Wohltätigkeit gegen Dürftige" (S. 418, 457, 510), Friedrich der Große mit seinem „Versuch über die Regierungsformen und über die

>) »Mahlerische Beschreibung des Maymonaths« S. 19; »Aus dein Tagebuch von Elisabeth Woodvile«, S. 4 1 ; »Albert Bane, eine wahre Geschichte«, S. 237; »Zwey Anekdoten», S, 234; »Der Misanthrop aus Westmoreland« S. 328; »Paraphrase und Betrachtungen über die Oeschichte Josephs", S. 566. *) »Authentische Familiennachrichten von . . . Jakob Necker« S. 200; »Geschichte der Angelika Kaggioli. Aus dem Französischen des Abt. Choisy«, S. 79 u. 124; »Geschichte des Karaiben Okano. Aus dem Französischen des Herrn v. C.« S. 483 u. 528.



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Pflichten der Regenten" aus dem Jahr 1781 (S. 344 und 400), um die bedeutendsten zu nennen. 1 ) Zweimal ist der Aufforderung des Vorberichts, zweckmäßige Beiträge einzusenden, entsprochen worden, in dem „Schreiben eines vergnügten Greises, des Aurelius" (S. 140) und in dem Aufsatz eines gewissen Hogrand: „Wozu verleiten uns unsere verkehrten Begriffe von der Schönheit?" (S. 184 u. 222.) Jedes Stück der Unterhaltungen zerfällt, dem Titel entsprechend, in zwei Teile. Der erste ist der Nachrichtenübermittelung und politischen Unterweisung gewidmet, der zweite wird durch die Überschrift: „Moralische Unterhaltungen" eingeleitet. Unter ihr folgen die in jedem Stück neu gezählten Artikel. Wie Hüther schon in der Jugendzeitung jedesmal die ersten Seiten dazu benutzt hatte, fortlaufend über gegenwärtige oder eben beendigte Kriege wie den bayrischen Erbfolge- und den nordamerikanischen Befreiungskrieg eingehend zu berichten, so behandelte er jetzt den gleichzeitig stattfindenden K r i e g z w i s c h e n d e r T ü r k e i u n d d e n verbündeten Kaiserreichen Rußland und Ö s t e r r e i c h . Im wesentlichen bleibt er unparteiisch, nur ab und zu macht sich ein gewisses Wohlwollen für die Türkei bemerkbar, 2 ) die damals Preußens diplomatischen Beistand genoß. s ) Trotzdem steht die Darstellung natürlich unter dem Einfluß der absichtlich schöngefärbten österreichischen und vor allem russischen Berichte. l ) Petersburger Hofberichte werden ausdrücklich als Quelle angegeben und ab-

*) Von Chr. Gottlieb Lieberkühn, der kurze Zeit Herausgeber der Vossischen Zeitung war, ist das Gedicht »Auf den Wechsel der Jahreszeiten» (S. 431), von Tiedge(1752— 1840) »der Vorsatz« (S. 579); v. d. Trenk (1726—1794) muß die Beschreibung König Friedrich Wilhelms (Lebensbeschreibung Bd. 3, S. 45 ff. hier S. 55), Herr Oberconsistorialrath Büsching (1724—1893) eine Anekdote aus dem Leben Friedrichs des Großen liefern. *) Vgl. die freundliche Schilderung der türkischen Machthaber S. 11 und die Anm. zu den türkischen Forderungen S. 98; auch das türkische Manifest wird gebracht S. 145. ») vgl. Heigel S. 172/173. *) vgl. Heigel S. 174.

— 159 — gedruckt. (S. 198, 445.) — Hüther beschränkt sich nicht darauf, die eigentlichen Kriegsereignisse nach möglichster Prüfung ihrer Wahrheit zusammengefaßt vorzubringen, sondern geht anfangs weitläufig auf die Vorgeschichte des Krieges ein, auf frühere Friedensschlüsse und zum Kriege führende beiderseitige Zwangslagen und Beschwerdepunkte. (S. 10 ff., 49 ff., 97 ff.) Auch nimmt er Gelegenheit, ein Bild des trägen Qroßherrn Abd ul Hamid zu zeichnen, ohne viel Rücksicht auf die Eigenschaft der P. u. m. U. als Jugendzeitung; 1 ) ebenso werden die beiden tüchtigen Erneuerer der türkischen Macht, Kapitän-Pascha Hassan und Großvezier Jussuph geschildert (S. 498), wird die Taktik des türkischen Heeres erläutert. Das Bestreben nach unterrichtender Durchdringung des Stoffes ist nicht zu verkennen. Daneben erscheinen in dem politischen Teil der einzelnen Stücke außer bloß kurzen Meldungen auch noch andere längere Artikel. Der Berechtigung der vorrevolutionären W i r r e n i n F r a n k r e i c h zwischen den Parlamenten als Vertretern der Generalstaaten und dem Könige wird nachgegangen (S. 299—306): Den Parlamenten könne das Recht zur Mitwirkung an der Gesetzgebung nicht bestritten werden. Daß man in Deutschland vielfach auf der Seite des Königs und seiner Minister stehe, rühre daher, daß man die ständischen Rechte des 25-Millionenvolkes nicht kenne. Dagegen sei es seltsam, daß „bey der Rebellion der Nordamerikaner gegen ihren Souverän, die im ersten Grunde von französischer Aufhetzung und vom Unwillen einiger Schleichhändler, deren Handwerk man stöhrte, herkam, die aber das Glück begünstigte, der größte Teil der Menschen in Europa die Partey der Amerikaner nahm", die die erstrebte „zügellose Ungebundenheit" „zu ihrem eigenen Schaden (wenig-

i) S. 7/8. .Abdul Hamid, geboren den 18. May 1724, ist von verliebter Complexion, und ein Freund der Ruhe, der Wollust und der Weiber.« Einige Zeilen darunter erzählt er von der politischen Gefangenschaft, in der türkische Prinzen nicht selten gehalten werden: «Es entgeht ihnen nichts als die Freyheit; selbst eine Anzahl Frauenzimmer ist zu ihrem Vergnügen bey ihnen, doch wird dafür gesorgt, dass man von der Unfruchtbarkeit dieser Mädchen versichert ist.«



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stens bishiehin noch) auch erhalten haben". In Frankreich ständen die Sachen ganz anders. Es sei eben keine „uneingeschränkte Monarchie von Rechtswegen". „Wenn Mazarin, Richelieu, Meaupou, die Rechte der Gesetze und Nation verletzten, so konnten sie sie doch nicht vernichten." — Eine der wichtigsten Begebenheiten neben den Parlamentsunruhen, die Berufung Neckers, gibt Anlaß, „Authentische Familiennachrichten" des merkwürdigen, hervorragenden Mannes zu bringen. (S. 200.) Im Hinblick auf Frankreich wird die erwähnte Schrift Friedrichs des Großen abgedruckt, in der sich der König zur Staatsvertragstheorie bekennt und den Fürsten den ersten Diener des Staates nennt. Nach anderer Richtung interessant waren die S o u v e r änitätsstreitigkeiten zwischen F e r d i n a n d von Neapel und dem P a p s t e . Sie gaben Gelegenheit, „aus einem Aufsatz eines deutschen Cavaliers" den Charakter des Papstes Pius VI. zu schildern. (S. 397.) Grundeigenschaft sei seine Sucht, Glanz zu entfalten und Ruhm zu gewinnen. Dabei gehe er aber stets in den Mitteln fehl und verrate seine 'Unkenntnis der Welt und der Höfe, so daß er in seiner Politik bei hochfahrendem Wesen nur Niederlagen erleide. Trotz einer gewissen Advokatenschlauheit sei er „borniert". Die Neapolitaner werden allerdings gleichfalls ungünstig geschildert; sie sind — Adel und Volk — herabgekommen, großenteils durch die Nähe Roms und die Herrschaft seiner, Priester. Das Streben ihres Königs nach völliger Selbständigkeit findet den Beifall des Herausgebers. Mit Worten ausgesprochen wird er nicht, zwischen den Zeilen ist er aber herauszulesen. Der Schluß des Jahrgangs veranlaßt eine „Kurze Ü b e r s i c h t der Geschichte des Krieges zwischen den Türken, Russen und Österreichern oder Historica belli inter Turcas, Russos et Austriacos, in Nuce" (S. 547) und eine „Kurze Übersicht der übrigen Merkwürdigkeiten im Jahr 1788, in Europa", fast ausschließlich politischen Inhalts. — Auch Angelegenheiten der eigenen und fremden Dynastien finden fortlaufend Erwähnung. Eine Beschreibung der „Feyerlichkeiten, womit Se. Majestät zu Wesel und Cleve sind aufgenommen worden", — es handelt sich um den ersten Besuch



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des Königs bei Gelegenheit seiner Durchreise nach Loo zu seiner Schwester, der Erbstatthalterin Wilhelmine, am 9. u. 10. Februar 1788 —, ist „aus den Zeitungen und andern Schriften zu bekannt, als daß wir solche hier noch einmal wiederholen dürfen" (S. 55). Dagegen wird die Gelegenheit dazu benutzt, die Schilderung des Königs aus von der Trenks Lebensbeschreibung abzudrucken; sie entsprach der Begeisterung des Anfangs für den neuen Herrn. „Sehet, liebe Leser und Leserinnen, so vortreflich ist die Schilderung von unserm Könige! Haben wir nicht Ursache, stolz darauf zu seyn ? Und sind wir darum nicht doppelt verbunden ihn zu lieben und ihm gehorsam zu seyn. Und worin besteht diese Pflicht? Darinnen, daß wir treue, fleißige, überhaupt rechtschaffene Unterthanen sind, oder es zu werden suchen." (S. 57.) — Das beherzigenswerte Glaubensbekenntnis, das der Kronprinz bei seiner Einsegnung ablegte, und das damals seine Runde durch die Blätter machte, wird auch hier nicht vorenthalten; es erscheint vollständig, in der Redigierung des Hofpredigers Sack. (S. 103, 153.) — Teilnehmend werden Verluste im portugiesischen und spanischen Königshaus gemeldet und besprochen. Die 1788 verstorbenen Standespersonen Europas werden in einer Zusammenstellung aufgezählt. (S. 450, 509.) Von u n p o l i t i s c h e n N a c h r i c h t e n interessieren fast nur solche, die mit B i l d u n g u n d z u n e h m e n d e r G e s i t t u n g zusammenhängen, mag es sich um die neue spanische Kunstschule (S. 15) oder einheimische Seminarerrichtungen und -Prüfungen (S. 217 u. 218) oder die Einweihung des dankens- und nachahmenswerter Weise von der Lippstädter Bürgerschaft errichteten Gymnasialgebäudes (S. 306) oder die Wahl eines Dissidenten in den polnischen Reichstag (S. 220, S. 306) und sonstige Zeichen wachsender Toleranz (S. 166) handeln, um die Arbeit der Berliner Prinzenlehrer, auf die Gottes Segen herabgefleht wird (S. 15),,oder um die Ehrung des Hofrates Kersten durch seinen ehemaligen Schüler, den Erbgrafen von Lippe-Detmold. „Wonne ist es für Lehrer, die getreulich nicht nur am Geiste, sondern auch am Herzen der lieben Jugend arbeiten, und Erweckung zum Danke gegen die Lehrer für die Jugend, wenn erwachsene Ben sei, Niederrheinisches Geistesleben.

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junge Leute die Hand ehren und segnen, welche sie zum Glück dieses und des zukünftigen Lebens bildete." (S. 122.) — In richtiger Erkenntnis ihrer grundlegenden Bedeutung werden die lebhaft begrüßten Erlasse über die Einrichtung des Oberschulkollegiums (22. Febr. 1787) und über die Einführung der Reifeprüfung (1788) ganz abgedruckt. (S. 60; S. 562.) Ganz selten erscheinen andere Nachrichten, über ein Wunderkind in England, über Unwetter in Spanien, neue Erfindungen. — Damit ist die Ausbeute des einen Teils der P. u. m. U. erschöpft. Die „ M o r a l i s c h e n U n t e r h a l t u n g e n " passen für die Jugend ebenso gut oder schlecht wie die früheren moralischen Wochenschriften, von denen sich die P. u. m. U. in diesem Teil kaum unterscheiden. — Etwas lehrhaft, aber ganz unterhaltsam ist die Geschichte: „Die Gebrüder Sohle. Eine wahrscheinliche Geschichte zum Nutz und Frommen der Pädagogen und der Zöglinge." (S. 167.) Auch die Nutzanwendung am Schluß fehlt nicht. Sie veranschaulicht sehr klar die philanthropinistisch begründeten pädagogischen Ansichten des Verfassers. Ebenso lehrhaft, aber auch gut erzählt Sophie von Laroche in der Kindergeschichte „Lehnchen", wie eine reiche Dame zur Wohltäterin an einem armen kleinen Mädchen und seiner Familie wird, indem sie ihm Arbeitsgelegenheit gibt und allerhand billige Verbesserungen der Hauswirtschaft ermöglicht. Die übrigen erzählenden Stücke sind meist fremden Ursprungs, die längeren alle. Es sind teils typische englische, rührende Zeitungsgeschichten (Bane S. 237, Misanthrop S. 320), teils wurzeln sie in mohamedanischem Boden, dem man auch größtes Interesse entgegenbrachte (Angelika Kaggioli S. 79, 124; Musladin Sadi S. 283), ebenso wie dem amerikanischen Neuland; denn erst das 18. Jahrhundert eroberte die Erdteile jenseits des Ozeans geistig. (Okano S. 483, 528.) Neben Erzählungen, Anekdoten und Idyllen finden sich teils lehrende, teils untersuchende und berichtende Abhandlungen, sogar eine hübsche Satire: Die Gegenüberstellung zweier Tagesläufe, nach dem (wohl echten) Tagebuch der Elisabeth Woodvile, der nachmaligen Gemahlin König



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Eduards IV. von England, vor ihrer ersten Vermählung mit Lord John Gray geschrieben, und dem „Auszug aus dem Tagebuch eines modischen Frauenzimmers in einer deutschen Provinzialstadt, gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts, welches sie, wo nicht geschrieben hat, doch geschrieben haben könnte." Oer Gegensatz besteht in angestrengt tätigem Leben auf der einen und faulem Nichtstun auf der andern Seite. Das ist das einzigemal, wo die Mädchenerziehung berührt wird. Sonst aber nehmen Artikel, die E r z i e h u n g im weitesten Sinne zum Thema haben, verhältnismäßig den breitesten Raum ein. — — Das von den P. u. m. U. vertretene Ideal ist ein einfaches, pflichttreues und arbeitsames, vom Geist tiefer Frömmigkeit durchzogenes und doch vom Verstände geleitetes, tugendhaftes Leben in harmloser Fröhlichkeit zu eigenem Glück und dem der Mitmenschen. Hüther selbst drückt das einmal so aus: „Alle haben nöthig mit dem Gefühle der Wohltätigkeit, der allgemeinen Menschenfreundschaft, der Ordnung, der Treue, der Redlichkeit, der Gerechtigkeit, der Gottesfurcht erfüllet zu werden. Alle sollen lernen, arbeitsam, mäßig, mit einem bescheidenen Glück zufrieden, und gute Wirthschafter seyn." (S. 253/54.) Dazu ist die Jugend zu erziehen. Schon sie muß erlernen, die wohlfeilen Freuden der Natur zu genießen (S. 24), denen auch Fürsten geneigt sind (S. 36), die sogar im Leben des Heilands viel bedeutet haben. (S. 33.) Es liegt nahe, zur Sparsamkeit mit der Zeit schon in der Jugend, der Zeit des Säens für den Menschen, zu ermahnen. (S. 45.) Es verlohnt sich die Mitteilung, daß keiner sparsamer und besser mit seiner Zeit umging als der gefeierte Preußenkönig (S. 47), es verlohnt sich, Beispiele dafür zu bringen, daß auch auf den Höhen der Menschheit nach Einfachheit und Pflichterfüllung gestrebt wird. (S. 41; S. 235.) — Für die Einfachheit der Erziehung erscheinen England und Italien als vorbildlich. (S. 231.) Welche Kleiderverschwendung wird dagegen neuerdings in Deutschland getrieben! Wie schwer wird es dem bekümmerten Vater einer zahlreichen Kinderschar, mitzuhalten! (H. befand sich in dieser Lage.) Wie versündigt man sich auch an den Seelen der 11*



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Kinder, denen „das Vergnügen ihrer bessern Jahre" geraubt wird! Man möchte ein Polizeigesetz wünschen oder freiwilliges Vorgehen patriotischer Eltern. In der Geschichte der Gebrüder Sohle werden die Nachkommen Jacobs gelobt, die nach seinem Tode keine unnützen Ausgaben für Trauerkleider machten, vielmehr das so gesparte Geld zu wohltätigen Zwecken verwandten, während sich Michels Hinterbliebene in Schulden stürzten. (S. 182.)1) Hüthers Gedanken über S c h u l e u n d E r z i e h u n g sind philanthropinistisch. Die Kinder auch des gemeinen Mannes sind zu Selbsttätigkeit, zu Nachdenken und verstandesmäßigem Handeln anzuleiten, zu ihrem und der Allgemeinheit Nutzen. (S. 182/83.) Daß der ältere Michel Sohle, der für die Schule stets genau das lernte, was aufgegeben war, und zu Hause alles genau so tat, wie ihm gesagt wurde, bei den beschränkten Eltern und dem unfähigen Kantor gut angeschrieben war, während sein jüngerer Bruder Jakob, dem das Auswendiglernen .ein Greuel war, der seine Zeit dafür auf Erbauung von allerhand kleinen Maschinen verwandte, der das Wesen aller Dinge zu ergründen trachtete und alle Aufträge nach eigner Überlegung erledigte, nur Prügel und Schelte bekam, war kein Wunder. Sowie sie dagegen in die Klasse des Rektors kamen, wandte sich das Blatt. Denn der sah auf Denkfähigkeit. Er vermochte Jakob leicht dazu, das Wenige, was unumgänglich nötig war, auswendig zu lernen. Auch im Leben bewährte sich das vom Rektor geförderte, nachdenkende, beobachtende Wesen Jakobs. Er überschaute bald die Verhältnisse seines Handwerks wie des Staatslebens, richtete sich danach ein und kam vorwärts. Michel ging schwerfällig den alten, ausgetretenen Pfad. Für ihn sind die Mißbilligung des neuen Gesangbuches 2 ) und ') In den Weseler N. U. wurde der Kampf gegen die lästige Mode der Trauerkleider ganz ernstlich geführt. Jg. I, 1. Halbjahr, N. 22. 2. Halbjahr, IX. Heft, Sept. 10. Blatt. Jg. III, Heft XI, Artikel 5. Es ist damals in Wesel eine diesbezügliche Vereinbarung getroffen worden, ebenso gegen alle Briefkurialien. ') Der sehr nötigen Einführung verbesserter Oesangbücher wurde in jenen Jahren in Berg und Cleve-Mark tatsächlich heftiger Widerstand entgegengesetzt.



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das widerwillige Bezahlen der Steuern bezeichnend. — Umfassender wird in den „Betrachtungen über die Erziehung überhaupt" (S. 248, 307) das Erziehungsproblem des kleinen Mannes, diesmal der Landbevölkerung, erörtert. „Der nährende oder Bauernstand ist die Grundlage der ganzen Gesellschaft." Und doch geschieht für die Bildung keines Standes weniger. Es ist ein leider sehr verbreiteter, aber „ein sehr verderblicher Irrthum, daß ein hoher Grad von Erleuchtung dem Landmanne und allen niedern Ständen der Gesellschaft eher schädlich als vortheilhaft seyn würde". Tatsächlich aber bedarf der Landmann zum mindesten nicht weniger als andere der intellektuellen und sittlichen Bildung. Nur eine geeignete Erziehung kann ihm das Vorurteil gegen seinen Stand nehmen, kann ihn edleren, ihn befriedigenden Vergnügungen zugänglich machen. Zu wünschen wäre, „daß ein von dem Geiste eines Geßners, eines Gleims, eines Lavaters oder eines Weißen belebter Dichter eine Sammlung durch eine edle Einfalt sich auszeichnender Gedichte herausgäbe, durch welche den Landleuten von der Schönheit der Natur, von der Würde ihres Standes, von den Reitzen der häuslichen Verhältnisse und von der Glückseligkeit eines tugendhaften Lebens richtige und einnehmende Bilder dargebothen und also sanfte und wohlthätige Empfindungen eingeflößt würden." Begabte Kinder müßten in einzelnen Fächern besonders unterrichtet werden; für die eigentlichen Landbauinteressen wären besondere „Realschulen für Landwirthe" einzurichten. Wie dieses zu schaffende Schulwesen eingerichtet werden soll, bleibt leider unklar. Doch sollten „weder Schwierigkeiten noch Unkosten, eine weise und wohlgesinnte Regierung abschrecken". Nur geringe Andeutungen werden gegeben. An der Veredelung des Gemütslebens zu arbeiten, wird im wesentlichen den Pfarrern zufallen, da die Schulmeister schwerlich dazu imstande sein werden. Im übrigen aber ist es erste Pflicht aller Fürsten, „die mit Ernste die Erziehung und den Unterricht ihrer Unterthanen verbessert haben wollen", den Schulmeister aus dem jetzigen Stande der „Niedrigkeit und Verachtung" zu heben und ihn auch innerlich durch Ausbildung in entsprechenden Anstalten zu ertüchtigen und für seinen Beruf fähig zu machen.



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Der Eingang dieser „Betrachtungen" ist allgemeiner gehalten. „Die Erziehung ist ohne Zweifel das wichtigste Geschäft des Vaters . . . und die erhabenste Pflicht des Landesherrn . . ." Die deswegen auch überall errichteten Anstalten verfehlen aber meist ihren Zweck. Ihre Aufgabe muß es sein, zu rüstigem Leben im Dienste der Allgemeinheit zu erziehen, nicht nur den Geist, sondern auch den Charakter zu bilden. Geeignet wäre die Einheitsschule, die, in allgemeinen Gegenständen alle gemeinsam unterrichtend, doch jedem Stande die ihm nötige Bildung vermittelte. Die Einteilung der Bevölkerung in drei Stände, die bei dieser Gelegenheit gegeben wird, ist physiokratische Lehre. Erzieherische Absichten verfolgt auch der Aufsatz: „Wozu verleiten uns unsere verkehrten Begriffe von der Schönheit, besonders in Ansehung des Putzes?" (S. 184), vielleicht der beste der P. u. m. U. Er will den Geschmack im Alltagsleben fördern, indem er treffend die grundlegenden Schönheitsregeln der menschlichen Kleidung entwickelt. Ihre Hauptaufgabe ist, dem Körper Bedeckung und Schutz zu gewähren. Je nach den besonderen Verhältnissen, die z. B. mit den Jahreszeiten wechseln, muß sie verschieden beschaffen sein. Aber dem Hauptgedanken muß sich alles unterordnen. Was ihm widerspricht, ist unweigerlich unschön. Unsere Kleider dürfen „keine größere Unbequemlichkeit verursachen, als die ist, wider welche sie schützen". — Unter diesen Gesichtspunkten werden vor allem die ungeheuerlich großen, Blumengärten ähnelnden modischen Frauenhüte betrachtet, aber auch die Sitte, Ohrschmuck zu tragen. Verurteilt wird andrerseits auch der zur Zeit ünbegireiflicherweise mit dem Zeichen der Knechtschaft, der Kette, geschmückte Männerhut. Und warum sind alle diese Ungeheuerlichkeiten? Weil man nicht stark und stolz genug ist, sich der Mode zu widersetzen, die von der Laune „eines narungsdürftigen, oder gewinnsüchtigen französischen Schneiders, Schusters, Friseurs usf." (S. 230) diktiert wird. Von Bedeutung sind in den P. u. m. U. auch E m p f i n d s a m k e i t u n d R e l i g i o n , häufig ineinander übergehend. Mai und Natur werden angeschwärmt, die Freude an der Natur als harmlos, billig und bildend angepriesen.



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(S. 19, S. 24.) In ihr wird zugleich ihr Schöpfer verherrlicht. Auch der Aufsatz „Der Baum" läuft darauf hinaus; seine Schönheit, sein Nutzen bilden nur einen Beweis für Gottes Größe. Doch auch in ernsthafterer Weise werden die religiösen Saiten angeschlagen. Der Jahreswechsel gibt Anlaß zu einer Betrachtung voll getragener Ewigkeitsgedanken. (S. 374.) Der „Väterliche Rat an einen jungen Menschen", der sich anschickt, das schützende Vaterhaus zu verlassen, ist eine warme, tiefgefühlte Warnung, vom Glauben nicht abzufallen, sondern trotz sicher anstürmenden Spottes und Hohnes treu an Gott festzuhalten, in ihm Glück und Halt in allen Lebensstürmen zu suchen, sich des öffentlichen Bekenntnisses zu ihm durch Teilnahme am Gottesdienst nicht zu schämen, vor allem im Gebet innig mit ihm zu verkehren. Die Freigeister werden wieder bekämpft; Sokrates wird gegen sie zu Hilfe gerufen, mit seinem Gespräch mit Aristodem, der gelehrt wird, in der Welt die ordnende Hand und die Menschenliebe Gottes zu finden (Xen. Mem. I, 4). — Religiös begründet ist die lange, zu Herzen gehende Abhandlung über die „Gelindigkeit". „Sie ist, mit einem Worte, derjenige Sinn, dasjenige Verhalten, so uns das Evangelium Christi einschärft, wenn es uns befiehlt, einer des andern Last zu tragen; uns zu freuen mit den Fröhlichen, und zu weinen mit den Weinenden ; uns einander zum Guten zu gefallen, gütig und liebreich, barmherzig und freundlich zu seyn, den Schwachen zu unterstützen, und gegen alle Menschen Geduld zu üben." (S. 261.) — — Auch ein eigentümliches Gebilde, die Paraphrase, d. h. die freie Erzählung biblischer Stoffe findet sich, dem Englischen entnommen. („Paraphrase über die Geschichte Josephs" S. 566.)») — Seines frommen Inhalts wegen ist das Gedicht: „Der Vorsatz" von Tiedge, mit dem der Band schließt, aufgenommen. — Die einzigen literarischen Beiträge sind das Gedicht „Auf den Wechsel der Jahreszeiten" von Lieberkühn (S. 431) und die Würdigung Geßners (1730—88). (S. 37.) Schließlich fügt sich in den Rahmen des moralischen l ) Ziemlich häufig ist die Paraphrase in den beiden moralischen Wochenschriften Meisters in Duisburg.



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Teils auch noch der Brief des schreibfrohen, fröhlichen Greises Aurelius ein. (S. 140.) Er kann ein Ansporn zu Tugend und Fleiß sein. Aurelius befürwortet etwas philosophierend eine heitere Lebensauffassung als die beste und schildert den Abend seines durch die Gunst des Schicksals und eigene Arbeitsamkeit glücklichen Lebens, das ihm in der Tat ein Recht gibt, heiterer Stimmung zu sein. Im April 1789 stellten die P. u. m. U. ihr Erscheinen ein. Im Juli — gegen Ende des Monats, denn der Bastillesturm (14. Juli) wird schon eingehend geschildert — kam das erste Heft der Fortsetzung heraus, „ M a n c h e r l e i z u r a n g e n e h m e n und nützlichen Unterhaltung". (M. z. U.) Unbeengt durch hemmende Rücksichten auf die Jugend zeigt sich der Herausgeber Hüther hier in wesentlich günstigerem Lichte. Er bemüht sich nicht ohne Erfolg, eine monatliche Rundschau ins Leben zu rufen, deren Aufgabe es sein sollte, das Gegenwartsleben in seinen verschiedenen Äußerungen zu verfolgen und zu beleuchten und es in moralischem, aufklärerischem Sinne zu beeinflussen. Eigentlicher Unterhaltungsstoff fehlt fast ganz. Der Titel ist freilich wieder unglücklich gewählt; er ist matt und in seiner Schwerfälligkeit von vorne herein abstoßend. Und doch spielte der Titel damals bereits keine kleinere Rolle als etwa heutzutage. Bezeichnend dafür ist, wie in den „Duisburgischen litterarischen Nachrichten" bei der Anzeige der neuen Zeitschrift „Westphälischer Brockenkorb" 1 ) die Titelfrage vom Rezensenten erörtert wird: „Bei der Menge von Journalen ist es freilich fast schwer einen neuen ungebrauchten Titel für eine neue Monatsschrift zu finden . . . . aber die Herausgeber solcher Schriften sollten sich doch in acht nehmen, daß sie nicht solche Titel wählen, die ihrem Journal schaden könnten. Brockenkorb ist wirklich ein Titel, der manchen delikaten Leser abschrecken wird. Vor etwa dreisig Jahren wäre wohl ein solcher Titel noch ohne Anstoß gelesen worden — . . . — aber jetzo wird er 1

) bei Joh. Arnold Imhof in Cöln, monatlich 6 Bogen zu 12 Stäber. Herausgeber war Rektor zum Kamff in Gummersbach — Das 1. St. erschien Nov. 1783. vgl. auch d'Ester S. 83.



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nicht gefallen und manchem wird er beim ersten Anblick unausstehlich sein." (Bd. 3, St. 46.) Zwar gebe es auffallende, unschöne, fremde Namen wie Potpourri oder Olla potrida, die keinen Anstoß erregten; über entsprechende deutsche werde aber nicht so nachsichtig hinweggelesen. — Der Angriff auf M. z. U. müßte allerdings nach etwas anderer Richtung hin erfolgen. Das Beispiel verdeutlicht aber, wie man in dieser Hinsicht dachte. Trotz weit höherer Stufe weisen die Züge von M. z. U. doch solche Ähnlichkeit mit dem P. u. m. U. auf, daß ihre nahe Verwandtschaft unverkennbar ist. Das Interesse für die Jugend kann Hüther nicht verleugnen. Er rechnet darauf, sie unter seinen Lesern zu finden. Um der „jungen Leser" willen wird eine in „ächt römischem Styl entworfene Inskription" auf Joseph II. mitgeteilt. (S. 377.) Da er mutmaßt, „daß diese Monatschrift auch von vielen jungen Leuten gelesen wird", berichtet er von der Aufführung einiger Kinder am Geburtstage ihrer Mutter. Bei der Erzählung von Regulus meint er: „Für die jungen Leser ist sie ohnehin nützlich und lehrreich." Nach der Ankündigung soll auf die Fortschritte des „Erziehungsgeschäfts" geachtet werden, ohne daß es nachher geschieht. — Ferner: Wie in den P. u. m. U. wird auch diesmal der Xenophon als Quelle benutzt. — Die Neuigkeiten sind zwar, einseitiger als in den P. u. m. U., fast ausschließlich dem Gebiete der hohen Politik entnommen, und die U n r u h e der Zeiten bringt es mit sich, daß der einschlafende Türkenkrieg an Interesse verliert, und daß nicht mehr an- erster Stelle fortlaufend von ihm erzählt wird; aber wieder findet sich, und zwar in verstärktem Maße, der allgemeiner gehaltene Abschnitt: „Übersicht der politischen Lage und des Zustandes der europäischen Staaten im Jahr 1789." (S. 53, 108, 173, 373, 439.) — Auch das erweist die Zusammengehörigkeit der beiden Blätter, daß der Motto-Hexameter auf dem Umschlag der einzelnen Hefte und dem Titelblatt zum ersten Halbjahrgang die Fortsetzung des [Omne tulit punctum qui] miscuit utile dulci darstellt: Lectorem delectando pariterque monendo. (Horaz Episteln II, 3, Vers 344.) Wie lange M. z. U. erschienen ist, ließ sich nicht feststellen. Erhalten sind 10 Hefte vom Juli 1789 bis zum



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April 1790. Ausgegeben wurden sie gegen Ende des Monats, dessen Namen sie tragen, vielleicht immer am folgenden ersten. Die Ereignisse des betreffenden Monats finden noch weitgehende Berücksichtigung. — Wenn die Zeitschrift mit dem 10. St. wirklich ihr Ende gefunden hat, dann ist es jedenfalls unvermutet eingetreten. Das 10. Heft hatte im letzten Augenblick anstelle der „merkwürdigen Begebenheiten", die das Inhaltsverzeichnis angibt, ein eingesandtes, empfindsames Gedicht zum Abdruck gebracht. Deswegen findet sich am Schluß die Bemerkung: „Die merkwürdigen Begebenheiten d. Monats werden in dem nächsten Heft mitgeliefert werden." — Wir müssen den Unstern bedauern. Das einzelne „Heft" war 4 Bogen stark, jedes in einem blauen Umschlag. Auf der ersten Umschlagsseite steht der Titel, auf der 2. und 3. eine Darlegung der Ziele, der Erscheinungsweise und des Preises, auf der 4. der Inhalt des Heftes. Nur zweimal (Oktober- und Novemberheft) werden die in jener Zeit unvermeidlichen Neujahrswünsche angekündigt, „in verschiedenen Dessins, auf seidene Bänder, Atlas und Papier abgedruckt", einmal wünscht Hüther ein gut erhaltenes Exemplar von Rollins alter Geschichte zu kaufen (Heft 10), und einmal erscheinen Druckfehlerberichtigungen. (Heft 7.) Möller verzichtete also fast völlig darauf, Annoncen oder wenigstens eigne buchhändlerische Ankündigungen zu bringen. Er ist, je nach dem Standpunkt, den man einnehmen will, zurückgeblieben oder vornehm. Daß für den ersten Halbjahrgang ein besonderes Titelblatt und Inhaltsverzeichnis vorhanden ist, wurde schon bemerkt. Hefte und Seiten werden durchgezählt. Auch die Artikel der einzelnen Hefte werden gezählt und mit römischen Ziffern versehen. Den Schluß bilden stets, vom 10. Stück abgesehen, die politischen Übersichten und „neuesten merkwürdigen Begebenheiten". — Der Jahrgang kostete nach dem Prospekt 1 Rtlr. 10 Ggr. Berl. Cour, oder 1 Rtlr. 42 Stüber clevisch, zahlbar bei Empfang des 12. Stückes. Von besonderen Bedingungen bei Pränumeration wird nichts gesagt. Der H e r a u s g e b e r H ü t h e r hat vor allem wohl die politischen Übersichten verfaßt und die neusten Merkwürdigkeiten zusammengestellt, dann aber auch die Stücke aus-



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gesucht, die andern Zeitschriften und Büchern entnommen sind. Wie viele der nicht gezeichneten Originalaufsätze auf ihn kommen, wie viele auf nicht genannte, fest verpflichtete Mitarbeiter, ist nicht feststellbar. Den größten Teil darf man ihm wohl zuschreiben. — In Hamm, der Hauptstadt der Grafschaft Mark, waren die drei sonst bekannten Mitarbeiter ansässig. Als Verfasser des Aufsatzes: „Grundsätze des Philosophen von Sans-Souci" (S. 281, 343) wird bei Gelegenheit der Druck- und Schreibfehlerberichtigung „der verdiente Herr Rektor Schindler 1 ) in Hamm" genannt. Ihm darf man auch den Aufsatz: „Vergnügein in Verbindung mit Wohltätigkeit" zuschreiben, der Hammer Verhältnisse schildert. — Von dem Vater des späteren Potsdamer Hofpredigers und Beraters Friedrich Wilhelms III., Rulemann Eylert, stammt die eingehende „Antikritik" gegen eine Rezension in den Duisburgischen Stromata. (S. 539.) — Seit ganz kurzem lebte auch der junge Gymnasiallehrer, der spätere Generalsuperintendent von Anhalt-Bernburg, Friedrich Adolf Krummacher (1767—1845), in Hamm. Er veröffentlichte die beiden Kindergedichte „Fritzchen an ein Eichhörnchen" (S. 435) und „Die Lieblingsblümchen" (S. 506) sowie die Abhandlung über „Das Ephemeron" (S. 549) im Januar-, Februar- und Märzheft. — O b der Szr, der den Artikel: „Buchstäblich wahres Gespräch zwischen einem Wurmserischen Husaren und einem Türken" unterschreibt, Hüther bekannt war, wissen wir nicht; unbekannt war ihm jedenfalls der See . . ., der Einsender der Artikel über Cleve (S. 233, 302, 310); denn er wird in einer Anmerkung aufgefordert, sich bekannt zu geben. Der Prospekt hatte, wie üblich, zu Mitarbeit aufgefordert, vor allem „vaterländische Gelehrte". Fragen wir, welche Q u e l l e n Hüther verwertet hat, so finden wir zuerst einen Provinzeinwohner, den mehrfach genannten Xantener Kanonikus Pauw, mit einem Auszug aus seinen Recherches philosophiques sur les Grecs (Tom. II, Berx ) Meuse! G. T. führt von J. F. Schindler ohne weitere Mitteilungen nur eine Schrift an: «Wohlgemeinter Zuruf an Paläologen und Neologen; Hamm 1802".



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lin 1788): „Über die Orakel zu Delphi und Dodona." (S. 42.) Aus dem „Berliner Journal für Aufklärung" (Bd. 3, St. 3, S. 193—202) entnommen ist „Alonzo. Eine philosophische Phantasie" von dem Göttinger Dichter und Philosophen Friedrich Bouterwek. (1765—1828.) — Der Aufsatz: „Über die Schädlichkeit der Schnürbrüste" beruht auf der durch eine Preisaufgabe der Erziehungsanstalt Schnepfental veranlaßten gleichnamigen Abhandlung des berühmten Mainzer Anatomen Samuel Thomas Sömmerring (1755—1830), die epochemachend wirkte. — Friedrich Gabriel Resewitz (1729 —1806), der als Schulleiter wenig erfolgreiche „Abt" der Erziehungsanstalt Kloster Bergen und spätere Generalsuperintendent für Magdeburg, ist Verfasser der „Regeln für junge Leute aus den gesitteten Ständen bei ihrem Eintritt in die Welt." (S. 261, 325.) — Der edle Dichter, „den sein Vaterland zu einem französischen Bürger macht, dessen Geist aber zu den Deutschen gehört," von dem „Ein poetisches Sendschreiben an Herrn Grafen Moritz von Brühl. Aus dem Elsaß, im September 1789", „Die französische Revolution" betitelt, aufgenommen wird, ist offenbar der Kolmarer Gottlieb Konrad Pfeffel (1736—1809). (Er zeichnet P—1.) Fremdländische Quellen sind eigentlich nur benutzt, wenn sie ach nicht umgehen ließen, so, wenn Reden gegeben werden sollten, die auf der Nationalversammlung in Paris gehalten worden waren, oder bei Beschreibungen fremder Völker und Länder. — Der Aufsatz: „Von den Patagonen" (S. 21) sammelt die vorhandenen Berichte über die Größe der Patagonier. Die „Beschreibung des schwedischen Finnlands" (S. 153) stammt „Aus der Reisebeschreibung eines französischen Offiziers von Finnischer Herkunft". Über die Bewohner der „freundschaftlichen Inseln in der Südsee" wird nach Cooks dritter und letzter Reise (1776—1779) berichtet. (S. 402.) — Eier Reisebeschreibung des Abbé Gaudin sind die beiden korsischen Anekdoten (S. 566) entnommen. — Teile der Forsterschen Übersetzung der „Briefe aus Italien" von dem französischen Parlamentspräsidenten du Paty dienen zur Charakterisierung des Königs Leopold als Großherzogs von Toskana. (S. 612.) — Die Anekdote: „Der Affenzahn" (S. 106) stammt „Aus dem Englischen", vermutlich aus einer Zeitschrift. —



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Neben diesen modernen Quellen steht vereinzelt die Übersetzung aus dem Xenophon. (S. 199.) Verschiedentlich schon wurde der auf dem Umschlag ständig erscheinende Prospekt erwähnt. Die sinnverwirrende Verstümmelung des ersten Satzes wird merkwürdigerweise nicht geändert. — Das P r o g r a m m versprach viel: Allen soll etwas gebracht werden, Jung und Alt, Studierten und Unstudierten, Mann und Weib. Die Wißbegierde und der Geist der Leser, aber auch ihr „Gefühl f ü r das Wahre, das Gute und Schöne" sollen beschäftigt werden. Um den Zweck zu erreichen, sollen Aufsätze aus dem Gebiet der populären Philosophie und der Moral wie „aus dem weiten Reich der Natur" gebracht werden, Merkwürdigkeiten der Geschichte, der Erd- und Völkerkunde. Ausgezeichnete Charaktere und edle Handlungen werden des Beispiels wegen ihren Platz finden neben angenehmen Erzählungen, Gedichten und dergleichen. „Am Schluß eines jeden Monathstücks wird eine gedrängte Erzählung der neuesten Begebenheiten in der bürgerlichen Welt, eingerückt, und besonders dabei auf die Fortschritte der Aufklärung, der Moralität, des Erziehungsgeschäfts und des Menschenwohls überhaupt reflektiert werden." Gegen Ende des denkwürdigen Juli 1789 erschien das erste Heft von M. z. U. Was Wunder, daß in ihm und den folgenden die Pariser Ereignisse eine besondere Rolle spielen, daß die durch die R e v o l u t i o n aufgerührten Fragen dauernd besonders eingehend, an erster Stelle behandelt werden! Die zusammenhängende Schilderung der Geschehnisse erscheint in dem Abschnitt: Übersicht der politischen Lage usw. unter „Frankreich". Was unter dem Obertitel über die andern Länder, Portugal und Spanien vorher und Italien mit seinen einzelnen Staaten, die Schweiz, die Niederlande, GroßBritannien, Schweden, Dänemark, Polen und Rußland nachher gesagt wird, fällt daneben wenig ins Gewicht. Die ersten drei Hefte führen die Erzählung der Revolution von den Anfängen der Nationalversammlung bis zum Schwüre Baillys, des neuen Maire von Paris, vor dem König, das Recht des Königs wie des Volkes achten und schützen zu wollen. (Am Ludwigstag, dem 25. August.) Das folgende 4. Heft berichtet im Abschnitt: „Neueste merkwürdige Begebenheiten im



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Oktober" vom „fürchterlichen Aufstand" des 5. Oktober. Dann treten die Pariser Ereignisse zurück. Nur das Wichtigste wird unter den merkwürdigen Begebenheiten fortlaufend mitgeteilt: Im Januar der Beschluß des Duldungsdekretes vom 24. Dezember, das den Nichtkatholischen alle Bürgerrechte verlieh, im Februar das theatralische Erscheinen des Königs in der Nationalversammlung am 4. Februar und die Aufhebung der geistlichen Orden am 13. Februar, im 9. Heft die Wahl des reformierten Predigers Rabaut de St. Etienne zum Präsidenten der Nationalversammlung am 15. März. Gleichzeitig wird die scharfe Kritik erwähnt, die Neckers letzter Finanzbericht in der Nationalversammlung gefunden: „Neckers Ansehen sinket." Den frei werdenden Raum nehmen eingehendere Darstellungen des Türkenkrieges und bald des Aufruhres in den österreichischen Niederlanden ein. Die Lütticher Wirren werden nur gestreift. — Die Unabhängigkeitserklärung der neuen „vereinigten belgischen Staaten" vom 7. Januar hatte im Januarheft gestanden. Der nächste Monat sollte die „Verbindungsakte" im Wortlaut bringen. Es kam nicht dazu. Denn inzwischen starb am 20. Februar Joseph II. Das Ereignis mußte zunächst ganz allgemein die Blicke auf sich lenken. Überdies konnte man annehmen, daß dem Streit damit seine Spitze abgebrochen sei. Zwei und eine halbe Seite werden dem verstorbenen Herrscher gewidmet. Tiefer gehende Anteilnahme spricht nicht aus ihnen, aber es fehlt auch jede Spur des damals noch fast durchweg wuchernden Byzantinismus. „Der merkwürdigste Vorfall, welcher den Monat Februar d. J. in der Weltgeschichte auszeichnen wird, ist der tödtliche Hintritt des deutschen Kaisers Joseph II., welcher am 20. d. Morgens gegen 6 Uhr erfolget, und welchen er mit der Standhaftigkeit eines Helden, und den Andachtsübungen eines Christen unter langwierigen höchst schmerzhaften Leiden entgegengegangen ist." (S. 509.) Die Todesursache sei nach eigner Angabe die Vernachlässigung seiner Krankheit im Feldzug von 1788. Dann kommt der kurze Versuch einer Würdigung seines Wesens und seiner Erfolge. „Man kann keinein aufmerksamen Blick auf die Geschichte seiner Regierung werfen, ohne von dem Unerwarteten in dem Gange menschlicher Dinge



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und Schicksale gerührt zu werden. Seit langer Zeit hatte kein Fürst sich unter größern Erwartungen auf den Thron einer ausgebreiteten und mächtigen Monarchie gesetzt. Seine mannigfaltigen Kenntnisse, sein unternehmender, rastlos thätiger Geist, seine Betriebsamkeit in allen Theilen der Geschäfte des Friedens und des Krieges, seine Erhabenheit über alle Arten von Vorurtheilen, ließen eine glänzende thatenvolle Regierung, besonders nach dem Tode seiner verewigten Frau Mutter, vermuthen. Und fast keine seiner Unternehmungen ist ihm ganz geglückt; Sorgen und fehlgeschlagene Entwürfe trübten ihm viele Tage seines Lebens, und Undank der Unterthanen bei gut gemeinten Reformen und Neuerungen kränkten sein Herz." (S. 510.) „Seinen Charakter zu würdigen wird erst die Nachkommenschaft, wo der Widerwille und die Parteilichkeit der Zeitgenossen ruhen, und die geheimen Triebfedern der Kabinete an den Tag kommen werden völlig im Stande seyn." Ähnliche Urteile wurden damals in vielen Zeitschriften und von vielen, die das Wort nahmen, ausgesprochen und bestehen im wesentlichen heute noch zu Recht. l ) — Damit ist Joseph völlig abgetan. Die Welt gehört den Lebenden ; das Interesse wendet sich seinem Nachfolger Leopold zu. Bedingungsloses Nachgeben sowohl in den Niederlanden wie in Ungarn bildete seine erste Regierungsmaßnahme. Die Madjaren hatte schon Joseph besänftigen können; die Belgier blieben auch Leopold gegenüber unnachgiebig. — Wie einst auf seinen Bruder, setzte jetzt die Aufklärung auf ihn die größten Hoffnungen, und mit mehr Recht. Diese Stimmung kommt auch in M. z. U. zur Geltung. Das bezeugen die beiden Briefe du Patys: „Gemähide Königs Leopold als Großherzogs von Toskana, entworfen im Jahre 1785. In zwei Briefen aus Florenz." (S. 612.) Beide sind journalistisch ausgezeichnet; der zweite gibt eine Unterredung mit dem Großherzog selbst wieder. Sie schildern den römischen König als das Muster eines aufgeklärten, wohlwollenden, tüchtigen Herrschers. Alles übrige, was unter den „merkwürdigen Begebenheiten" gemeldet wird, ist kaum von Belang.

]

) vgl Heigel, S. 233—238.



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Meist sind es Nachrichten aus hohen und höchsten Kreisen, wobei, wie schon in der Jugendzeitung, der Berliner Hof gegenüber dem Wiener sehr zurücktritt. — Daneben ist vereinzelt von der anscheinenden Wiedergeburt Polens und von Schwedens inneren und äußeren Schwierigkeiten die Reae. Preußens auswärtige Politik wird nur in Verbindung mit Polen, Großbritannien, den vereinigten Niederlanden und Lüttich gestreift. „Die weise Mäßigung des Königs von Preußen und seines Ministeriums" bietet wiederholt Anlaß zu anerkennenden Worten. — Auch eine einzige Mitteilung von nur örtlicher Bedeutung findet sich: Am 21. Febr. starb 35 Jahre alt als letzter seines edlen Geschlechtes der Regierungspräsident von Cleve, Freiherr Emilius Albert Carl von Förder. (S. 516.) In der Auswahl des Gebotenen, in der Kommentierung der Nachrichten und in eigenen Aufsätzen nimmt M. z. U. der R e v o l u t i o n gegenüber Stellung. Die neue Beweg u n g wird nicht jubelnd begrüßt als große Freiheit- und Heilbringerin, noch weniger aber wird sie feindlich oder nur kühl abgelehnt. Das Bestreben nach sachlicher, abwägender Beurteilung und W ü r d i g u n g ist unverkennbar. — Die einzig dastehende Bedeutung der Revolution ist nicht bekannt oder geahnt, wenn es auch einmal heißt: „Wenn wir diesen Artikel, für welchen eigentlich n u r ein Theil des letzten Bogens in jedem Monathstück bestimmt war, etwas ausdehnen, so werden es unsre Leser nicht übel deuten. Weltbegebenheiten von der Beträchtlichkeit, wie die gegenwärtige Umschaffung Frankreichs, fallen nicht alle Tage vor." (Anm. auf S. 126.) Daß eine Entschuldigung für nötig gehalten wurde, ist bemerkenswert. Die Darstellung eines Franzosen in Schlözers Staatsanzeigen (Heft 50, S. 257), der die Revolution auf Immoralität, Atheismus, unreifes Anstaunen der englischen und amerikanischen Verfassung, auf persönlichen Ehrgeiz gewisser Schönredner und auf unverantwortliche Schwäche und Haltlosigkeit des Ministeriums zurückführt, wird als übertrieben abgelehnt, aber der Aufsatz: „Einige Gedanken über die gegenwärtigen Unruhen und Revolutionen in Frankreich" (S. 242) will die Revolution doch nur als eine Teuerungsunruhe ansehen, vergleichbar der des Jahres 1785,



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die durch geeignete Hilfsmaßnahmen und durch kraftvolles Auftreten der Regierung bald erstickt wurde. Die Geschehnisse seien eigentlich ganz unverständlich. Kämen solche Nachrichten aus Asien, würde man sich nicht wundern, „aber daß in Frankreich solche Empörungen und Revolutionen in unsern Zeiten, wo die Anzahl der Truppen sehr groß ist, vorgefallen, das gehört unter die Dinge, welche man nicht glauben würde, wenn man nicht sichere Nachrichten davon hätte." (S. 242.) Dies Vertrauen auf die stehenden Heere war damals nicht allgemein. Man wies wiederholt darauf hin, daß auch die Prätorianer und Mamelucken versagt hätten, und daß das Beispiel der Pariser Garden anderwärts Nachahmung finden könne. 1 ) So viel steht fest, die unbezwingbare Kraft der gewaltigen, tief erregten Masse, das ganz und gar Ungewöhnliche der Nationalversammlung wurde in M. z. U. nicht empfunden. Die Gedanken, die der Revolution zunächst als Maßstäbe und Richtlinien dienten, waren Allgemeingut im aufklärerischen Lager. Man hatte mit ihnen in den Höhen der Theorie geliebäugelt und wunderte sich gar nicht, daß sie mit einem Male in der Praxis zur Geltung kamen. Daß Frankreich durch die Umwandlung in verderbliche Wirren und Schwierigkeiten gestürzt worden, konnte nicht verkannt werden. Obwohl das Septemberheft verkündete: „Hiemit schließen wir unsre Erzählung und werden von der neuen Konstitution, sobald diese ihre Konsistenz erhalten haben wird, gleichfalls das Erheblichste melden" (S. 182), obgleich man also die Bewegung für im wesentlichen abgeschlossen hielt, so war man sich andrerseits doch bewußt, daß die Lage noch gefahrdrohend und schwierig genug war. Die Finanzen sind zerrüttet, die „antirepublikanische Partei", d. h. die Partei des ancien régime, ist nur betäubt, nicht vernichtet, die wirtschaftliche Not schwer und drückend. Und so groß auch „die Erwartungen sein mögen, welche die französische Nation zu dieser Revolution gefaßt hat; so sehr ist es zu bedauern, daß damit auch das gewöhnliche Loos aller ') vgl. zu diesem ganzen Abschnitt Heigel, S. 273 —326, Die französische Revolution und der deutsche Volksgeist. B e n s e i , Niederrheinisches Geistesleben. ]2



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großen Veränderungen, Schrecken, Unordnung und Unheil verbunden gegangen." (S. 179.) Aber lange darüber zu klagen wäre zwecklos. Es „würde für den Umfang dieser Blätter zu umständlich seyn", „von den furchtbaren Empörungen in den größten Städten" oder den „Gewalttätigkeiten und Mordbrennereien auf dem platten Lande" (S. 179) zu erzählen. Statt dessen werden uns theatralische Ereignisse vorgesetzt, feierliche Schwüre, Umritte und Reden, die als äußere Merksteine glücklichen Fortschrittes aufgefaßt werden, und wird die weitere Regelung Gottes ordnender Hand einheimgegeben. (S. 182.) Trotz verhältnismäßiger Zurückhaltung im Urteil ist es keine Frage, daß die Revolution gern gesehen und mit Freuden begrüßt wird, wenn auch nur für Frankreich. Nichts weist darauf hin, daß eine Übertragung der durch sie geschaffenen Verhältnisse auf deutschen oder, enger genommen, preußischen Boden für wünschenswert oder möglich gehalten wurde. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß man in Cleve, das städtische und ländliche Selbstverwaltung genoß und durch seine Stände auf die Gesetzgebung Einfluß besaß, das Ideal bis zu gewissem Grade schon verwirklicht sah. Dahin zielende Andeutungen fehlen allerdings, wie die Landstände in den cle vischen Zeitschriften überhaupt kein einziges Mal erwähnt werden. Die Sympathien sind auf seiten des Volkes, ohne daß dem Königtume oder dem Träger der Krone feindlich entgegengetreten würde. Der monarchische Gedanke wird sogar schonend behandelt: „Dieses große schöne Königreich . . . . hat uns seit geraumer Zeit ein rührendes Bild geliefert, wie tief eines der ersten Völker der Welt durch den Luxus eines glänzenden und verschwenderischen Hofes, durch die Intriguen mächtiger und aristokratisch verbundener Großen und einen fürchterlichen seit mehr als einem Jahrhundert fortgesetzten Ministerialdespotismus sinken kann. Allein die neuesten Vorfälle daselbst erweisen auch, was die Energie eines von dem eisernen Druck mehrerer Jahrhunderte betäubten, doch am Rande seines völligen Untergangs aufwachenden und sich besinnenden Volkes ausrichten kann." (S. 56.) An anderer Stelle, in der Gegenüberstellung: „Lud-



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wig XIV. und Ludwig XVI. oder vielmehr das Französische Ministerium im Jahr 1689 und im Jahr 1789" (S. 371) heißt es: Vor 100 Jahren wurde auf Anstiften des Ministers Louvois die Verwüstung der Rheinpfalz beschlossen, in diesem Jahre „ist der Ministerial-Despotismus in Frankreich gestürzt, seine Werkzeuge theils zernichtet, theils entflohen; und Ludwig XVI. sanktioniert die heiligen Rechte des Menschen und des Bürgers. Selbst den Soldaten ruft er z u : Eure ersten Pflichten sind die der Bürger!" Die Bürger aber erhoben sich sehr bald zu einem „fast britischen Geist der Freiheit". (S. 58.) Ihr Tun verdient volle Anerkennung. „Unter den großen Gährungen fährt die französische Nationalversammlung muthig fort das große Werk der Konstitution seiner Vollendung näher zu bringen." Sie ist die große Fackel der Toleranz. Reden wie die des reformierten Predigers Rabaut de St. Etienne, den die Nationalversammlung trotz seines unkatholischen Glaubens später zum Präsidenten wählte, zugunsten uneingeschränkter Gedankenfreiheit oder die des Pfarrers Gregoire für die Juden finden lebhaften Widerhall und M. z. U. druckt sie, die zweite wenigstens im Auszug, voller Stolz über den Fortschritt der „Menschheit" von Februar bis April an erster Stelle ab. Wirklich begeistertes Lob enthält nur das Sendschreiben Pfeffels an den Grafen Brühl. Auch in ihm bedeutet das Volk, der dritte Stand, alles. Der König ist der gute Mann geworden, „der den Gesetzen unterthan — Zum Wohlthun nur Despot geblieben; — In dem wir längst den Biedermann — Noch wärmer als den König lieben." Das Urteil über Ludwig XVI. ist überhaupt nicht ungünstig. Er ist der Fürst, „der nichts als das Glück seines Volkes will und wünscht", der aber, wie man zwischen den Zeilen lesen muß, bald in den Händen einer mächtigen Hofpartei ist, bald, von Männern des Volkes aufgeklärt, alles tut, was die Nation wünscht. Im Gegensatz dazu werden die Schritte der allerdings viel weiter gehenden Belgier — erklärten sie doch ihre U n abhängigkeit von einem so geschätzten Fürsten wie Joseph II. — aufs schärfste gemißbilligt, besonders wegen ihres klerikalen Charakters. Sie sind „Insurgenten", die ihr „durch das Einflüstern fanatischer Priester bis zur Wuth entflamm12*



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ter Empörungsgeist" veranlaßte, die nachgiebigen „väterlichen Erklärungen" des Kaisers unbeachtet zu lassen, die sich selbst von Leopold nicht gewinnen lassen wollten. Im Zusammenhang mit der Revolution beschäftigt man sich mit dem P r o b l e m d e s S t a a t e s . Oleich das 2. Heft bringt einen hierher gehörigen Aufsatz: „Zwei Fragen: Was ist ein Staat? und — warum leben Menschen in Staaten vereinigt?" (S. 92.) Er stammt (angeblich?) aus „einem hellen deutschen Kopfe" eines philadelphischen Bürgers, den nach eigner Angabe die freie Äußerung seiner Ansichten vor 20 Jahren zur Flucht aus Deutschland zwang. An diesem Ideal einer Staatsverfassung soll Mouniers von der Nationalversammlung wirklich angenommener Entwurf der neuen französischen Verfassung gemessen werden. (S. 92 Anm.) Die beiden nächsten Hefte bringen den Entwurf an erster Stelle. — In seiner Antwort auf die erste Frage geht der Deutschamerikaner von einer weit ausgeführten Begriffsbestimmung des Staates aus: „Ein Staat besteht in einer Anzahl Menschen, welche in einem gewissen Bezirk der Erde beisammen leben, um mit vereinigten Kräften unter gemeinschaftlichen Oesetzen und gemeinschaftlicher Regierung gewisse Absichten zu erreichen, an den alle Theil nehmen wollen und können." (S. 93.) Der allgemeine Wille schließt die Bürger zusammen, die Obrigkeit verkörpert ihn. Wer sich ihr widersetzt, stellt sich außerhalb der Gemeinschaft, wo sie nicht im allgemeinen Interesse handelt, hat sie ihr Recht verloren. — Am Staatswesen müssen alle gleichen Anteil haben. Die Negersklaven haben deswegen ein Recht, sich gegen einen Staat zu empören, der sie unterdrückt. — Die Antwort auf die zweite Frage: „Welches ist die Absicht, warum Menschen in Staaten vereiniget leben ?" ist: „Die allgemeine menschliche Bestimmung." „Diese wollen und sollen die Staatsbürger durch ihre Verbindung leichter und in höherm Grade erreichen, als wenn sie Familienweis oder einzeln, abgesondert für sich lebten." (S. 98.) Hier steht das Humanitätsideal vor Augen. — Der Staat hat nicht nur alles Störende aus dem Wege zu räumen, sondern auch positiv fördernd durch Erleichterung und Unterstützung des Lebens und durch Unterricht tätig mitzuwirken, wie in 7 Punkten ausgeführt



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wird. — Zwar habe noch nie ein Volk bewußt seine Verfassung zu diesem Zweck eingerichtet, und nie sei zwischen Regierung und Obrigkeit wirklich ein Vertrag zustande gekommen, aber schon die gesellige Naturanlage des Menschen deute an, daß nur auf diesem Wege die Vervollkommnung zu erreichen sei. Mouniers Entwurf bringt als 1. Hauptstück die „Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers" in 23 Artikeln und dann die „Grundsätze der französischen Regierung" in 35 Artikeln. Der Amerikaner wie Mounier legen, der Zeitauffassung entsprechend, den Nachdruck auf die Rechte der Bürger. Die Pflichten dem Staat gegenüber sind sehr gering. Bei Mounier heißt es nur in Art. 8: „Die Pflicht eines jeden besteht darin, das Recht des andern zu respektieren." (S. 132.) Obwohl die Aufklärung von der Hingabe an das Staatswesen, wie sie in den Republiken der alten Welt herrschte, nichts wissen wollte, bildeten sie doch das Ideal, auch in M. z. U. Nur in ihnen konnte jede Größe der Vaterlandsliebe heranreifen (S. 562). — Im Wesen des Absolutismus lag es, alles Gefühl für die Allgemeinheit des Staates und seiner Angehörigen zu ersticken. Bei M. z. U. fordert die Allgemeinheit zwar Berücksichtigung, aber unter kosmopolitischen Gesichtspunkten. Z. B.: „Ebenso nachtheilig ist oft die Vielleserei für das t h ä t i g e g e m e i n n ü t z i g e L e b e n . (Dick gedruckt.) Der Mensch ist offenbar von der weisen guten Vorsehung bestimmt nicht nur zu denken und zu lesen, sondern auch vorzüglich zu handeln, und dadurch sich und andern nützlich zu werden. Zu dem Ende soll er seine geistigen und körperlichen Kräfte in der Jugend ausbilden und im reiferen Leben in dem ihm angewiesenen Wirkungskreise sie den Absichten Gottes gemäß unermüdet gebrauchen." (S. 11.) Trotz dieser von M. z. U. vertretenen fortschrittlichen Staatsauffassung spielt das Ideal des uneingeschränkt regierenden, aufgeklärten Fürsten noch eine Rolle. Das bezeugt der Aufsatz: „Ein alter Fürst an seinen Sohn." (S. 356.) Die Anm. dazu besagt: „Da jetzt die Aufmerksamkeit der Menschen mehr als jemals auf das Thun und Laßen ihrer Fürsten gespannt ist; da man sich an ihren Tugenden ergötzt und



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über ihre Laster betrübt; da man jede Lehre, jede Schilderung, die einen guten Regenten betritt, mit Vergnügen ließt: so glaube ich, daß bei solchen Umständen die Lehren, die hier ein alter Fürst seinem Sohn giebt, der zu einem künftigen Regenten gebildet werden soll, eine eben nicht unangenehme Unterhaltung auf einige Augenblicke verschaffen werden." — Die Lehren gehen dahin, nicht dem Vergnügen zu leben, sondern sich tüchtig umzusehen, zu lernen und einst unabhängig von andern und allein zu regieren. In manchem richtein sich die Worte vielleicht an nahe Adressen, so wenn der alte Fürst sagt: „Kürze den faden langweiligen Gang der Kanzleigeschäfte ab, wo es thunlich ist. Verlange schlechterdings, daß man dir nach dem simplen Menschenverstand in zwo Zeilen hinschreibe, was sonst einen halben Bogen einnimmt — deine Leute sind keine Thiere, denen du Lasten auflegen darfst nach Belieben, und der beste Kopf wird verdreht, windschief und endlich selbst zur Wüste, wenn er ewig Acten lesen und Acten schreiben soll." (S. 361.) Im Lande sollen Sparsamkeit und Einfachheit walten, Gottesfurcht herrschen und nur das Verdienst gewürdigt werden. Stolz oder Vorliebe für den wirklichen bestehenden Staat P r e u ß e n fehlen. Nicht einmal Ansätze wie im W. B. sind vorhanden. Hüther war kein ostelbischer hoher Staatsbeamter wie damals Derschau, sondern ein geborener „Ausländer", der in Bremen und Holland studiert hatte und mit eigentlichem Preußentum nur sehr wenig in Berührung gekommen sein kann. Und dann waren die Zeiten überhaupt kosmopolitischer geworden. Nur einmal wird lobend Preußens gedacht: Die Lage der Juden ist in Preußen wesentlich besser als nach Gregoires Schilderung in Frankreich ÌS. 530 Anm.). Das d e u t s c h e N a t i o n a l b e w u ß t s e i n , das in M. z. U. mehrfach hervortritt, ist nicht ganz unpolitisch. Der philadelphische Bürger ist ein „heller deutscher Kopf" (gesperrt gedruckt), der edle Dichter des „politischen Sendschreibens" wird mit Stolz für Deutschland in Anspruch genommen, obwohl er französischer Bürger ist. Und vor allem : Im 9. und 10. Heft (S. 562 u. 628) erscheint ein ¡Abschnitt, der stehend werden sollte: „Edle Züge von Deutschen, welche

— 183 — denen von großen Römern gleichkommen, wo nicht gar dieselben übertreffen." Daß von den Alten so viele Taten heldenhafter Vaterlandsliebe überliefert sind, liegt ja sicher an den dafür günstigeren Staatsverfassungen, aber zum nicht geringen Teil daran, daß sie bessere Geschichtsschreiber gefunden haben; den Deutschen mangeln sie, sonst würde es an entsprechenden Beispielen großer Männer nicht fehlen. Der Verfasser beabsichtigt, an der Ausfüllung der Lücke zu arbeiten, indem er entsprechende Heldentaten von alten Griechen und Römern auf der einen, Deutschen auf der andern Seite nebeneinander erzählt. Das erste Beispiel liefern Horatius C o d e s und Heinrich von Asche, der „einstmals in den sogenannten Kreutzzügen, mit völliger Rüstung auf dem Streitrosse in den Strom" sprengte, „um die jenseits siegenden Türken anzufallen". „Horatius C o d e s that nur etwas ähnliches, um zu fliehen, nichtsdestoweniger ist sein Andenken verewigt; wo ist aber auch nur ein schriftliches Denkmal unsers Helden ? " D a s zweite Paar bilden Regulus und Friedrich der Schöne von Habsburg. Der Blick für die nächste H e i m a t , der in Deutschland lange gefehlt hat, ist aufgegangen und bedarf der Pflege. Eigenartig rechtfertigt ein Unbekannter sein Unterfangen, Cleve mit seinen Vorzügen und Mängeln vorzuführen. (S. 233, 302.) Man höre: „Cleve und seine Gegenden. Ein Schattenbild an der Wand für Damen. Orgelum, Orgelum, Orgelei, Wer will sehen, der komm herbei! Schauen Sie auf, meine schönen D a m e n ! Denn für Sie hauptsächlich habe ich meine Zauberlaterne aufgetan; schauen Sie auf! Hier präsentiert sich zum ersten — weder Adam und Eva im Paradiese (und so weiter, im Tone des Schaubudenbesitzers), sondern eine Stadt, wie sie gar zierlich und anmuthig auf Hügeln erhaben daliegt, — unser Cleve!" So oft man das Gemälde auch betrachtet hat, sicher sind einem manche Züge entgangen, auf die Hüther aufmerksam machen will. Er schildert Stadt und Gegend. Die Gegend l

) Der Verfasser schöpft aus Albertus Aquensis, Lib. III. Kap. XLIV; (Migne, Patrol. lat. CLXVI, 389—716)

— 184 — möchte er „einem freundlichen Mädchen in bescheidenem Putz vergleichen, das nicht gewaltsam zu staunender Bewunderung, zu unfreiwilligem Opfer und mächtigen Gefühlen dahinreißt, das aber unser Gemüth mit Heiterkeit und stillem Behagen anfüllt und in vertraulicherer Bekanntschaft Vorzüge entfaltet, die die Herzen sanft und fester für das gute Kind gewinnen." (S. 304.) Beschrieben werden der Tiergarten, der Sternbusch und das Kirmestal. Daran schließen sich Abschnitte über die Tracht und über einzelne Mißstände an. Häufig ist nicht zu erkennen, wo die anerkennenden Worte des Verfassers ehrlich gemeint sind, wo sie in Ironie und Satire übergehen. Nur seine Polemik gegen die Clever Sprachsünden ist sehr deutlich. Einmal sagt er: „. . . wollten ja eigensinnige Kunstrichter wider den rauhen und holprigten Ton der hiesigen Provinzialsprache Einwendungen machen, so will ich sie beschämt zum Schweigen bringen, sobald ich ihnen sage, wie sehr man hier der Sprache jener Nation mächtig ist, der alle Welt als Gesetzgeberin der Kunst zu leben und der Moden huldiget, und daß uns jeder schöne Mund in Cleve mit dem süßen gallischen Ausdruck bezaubert, wenn man anderwärts nur selten etwas anders als seine Muttersprache hören muß" (S. 240), und später: „Was unsre Sprache betrift, so haben wir deren eigentlich drei : Die Französische, die Deutsch-Französische und die Clevische; ich weiß aber wirklich nicht, welches die rechte sey?" (S. 313.) — Als Wächter des öffentlichen Anstandes tritt er im letzten Kapitel auf: „Sollte es wohl der Aufmerksamkeit gleichgültig seyn, daß man so ohne Schaam und Scheu die Straßen zu allgemeinen Abtritten privilegiert hält?" (S. 316.) In beschränktem Maße pflegt M. z. U. w i s s e n s c h a f t l i c h e I n t e r e s s e n , in strenger und in volkstümlicher Form. Der Abdruck der „Antikritik oder Nähere Beleuchtung der Rezension des Buches, betitult: Joseph. Prophetisches Symbol von Jesus dem Nazarener, König der Juden usw. Siehe die Duisburgische Stromata drittes Stück Seite 248." (S. 539) sprengt eigentlich den Charakter der für weite Kreise bestimmten Zeitschrift. Daran ändert auch die entschuldigende Anmerkung wenig, der Aufsatz werde eingerückt, „weil er verschiedene wichtige Bemerkungen enthält,

— 185 — welche auch dem unstudierten, doch denkenden Verehrer der Christus-Religion schätzbar und nützlich seyn werden." — Wissenschaftlich bewertet werden will auch der Aufsatz: „Grundsätze des Philosophen von Sans-Souci, nebst einigen Betrachtungen darüber." (S. 281.) Freilich bemühte sich der Verfasser Schindler, die „Betrachtungen über 9eine Grundsätze so populär zu machen, als es die Natur der Sache zuließ". Sein Ziel ist 1., die Grundsätze aus den in Briefen und Schriften verstreuten Aussprüchen zusammenzustellen, und 2., zu zeigen, „daß der Verehrer der Religion, ungeachtet der Hochachtung und Bewunderung, welche dieser erhabene Forscher verdient, doch nicht Ursache hat, dadurch in seinen Überzeugungen irre zu werden." (S. 282.) Die Kritik dessen, „was der größte Mann eines Jahrhunderts sagte, that oder schrieb", wird überhaupt nur in aller schuldigen Verehrung und Zurückhaltung unternommen: „Man denke aber nicht, daß es meine Absicht sey, den König widerlegen zu wollen; weit bin ich von einem so verwegenen Unternehmen, wozu ich mich überdem viel zu schwach fühle, entfernt! Auch würde ich mir selbst es nie verzeihen können, wenn ich je etwas sagen oder schreiben sollte, wodurch nur im mindesten die Ehrfurcht verletzt werden könnte, die man dem Andenken eines so erhabenen, weisen und wohltätigen Regenten schuldig ist." — Die hervorstechenden Züge im Systeme Friedrichs des Großen sind sein Materialismus und nie überwundener Zweifel. Es baut sich auf dem Satze a u f : „Alles, wovon ich mir durchaus keine Vorstellung machen kann, ist unmöglich und ungereimt", der leicht kritisiert werden kann. Denn der Materiaiismus hält ihm nicht besser stand als die Lehre des Christentums, das aber so viele „frohe Hoffnungen" gewährt. In den Wahrheiten der geoffenbarten und natürlichen Religion findet man Boden zum Festwurzeln. Mit ihrer Verwerfung gewinnt man nur Unsicherheit und Haltlosigkeit und kann obendrein ewigen Schaden an seiner Seele nehmen, wenn sie Recht haben sollte. Alle Vorwürfe gegen die Religion treffen n u r die Schwärmer. „Der aufgeklärte Verehrer der Religion ist liebevoll und duldsam. Er haßt und verabscheut eine ungesellige, menschenfeindliche und freudenleere Moral, und seine Grundsätze verbieten ihm



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keine Vergnügungen, die mit der Tugend bestehen können. Ja, sein Glaube an Gott, Vorsehung, Christum und Ewigkeit, haben den größten, wohlthätigsten Einfluß auf einen heitern und frohen Genuß der Freuden des Lebens." (S. 352.) — Verhängnisvoll für den König war der große Einfluß Voltaires, den er erst durchschaute, als er seine Lehren angenommen hatte. Und während ihm die deutsch geschriebenen Verteidigungsschriften der Religion nicht zu Gesicht kamen, lernte er viele schlechte Theologen kennen, solche, die den freien Forscher haßten und Wolff z. B. aus Halle trieben, und solche, die „den niedrigsten Wollüsten fröhnten". Endlich schädigte den König seine lebhafte Einbildungskraft, die „in Erforschung abstrakter Wahrheiten mehr nachtheilig als beförderlich" ist. (S. 355.) Ins Gebiet der Altertumsforschung führt der Auszug aus Pauws kurz zuvor ererschienenem Werk: Recherches philosophiques sur les Grecs, „Über die Orakel zu Delphi und Dodona" (S. 42). — Vereinzelt geblieben ist ein Aufsatz aus dem Gebiete der Naturkunde: „Einige Merkwürdigkeiten aus der Naturgeschichte des Ephemerons oder der Eintagsfliege" von Krummacher. Dagegen führt M. z. U. gern zu fremden Völkern und fernen Ländern, zu den Patagoniern und Südseebewohnern (S. 21, S. 402), nach Finnland und Korsika. (S. 153, S. 566.) Das b ü r g e r l i c h e L e b e n soll durch Lehre und Beispiele in verschiedener Hinsicht günstig beeinflußt werden. Dabei tritt das Interesse für die werdende Menschheit wieder mehr hervor. Wie die P. u. m. U. ihren „väterlichen Rat an einen jungen Menschen" hatten, so M. z. U. die Resewitzschen „Regeln für junge Leute aus den gesitteten Ständen bei ihrem Eintritt in die Welt." (S. 261, 325.) Sie enthalten beherzigenswerte Ratschläge über die Wahl des Umgangs, die Stellung zum Vergnügen, die Art, sich dem erwählten Berufe zu widmen, vor allem über die Stellungnahme zur Religion. Allem, was sie herabsetzen kann, muß man aus dem Wege gehen. Auch die heiligste Sache leidet unter Spott und Hohn. Wie leicht aber kann eine Zeit kommen, in der man der Religion bedarf. — Verteidigungsschriften der Religion, überhaupt theologische Bücher sollten nur die lesen, die sich ganz diesem Studium widmen. Halbwissen führt



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ganz besonders auf diesem Gebiete zu Irrtum und Gefahr. — Erzieherische Ziele verfolgt auch der Aufsatz: „Über die Leserei unserer Zeiten, als Einleitung." (S. 3, 65.) Er beginnt mit weit ausholenden Betrachtungen über die Entwicklung des Lesens zum jetzigen Umfange, geht zu einem Abwägen des Nutzens und Schadens über, um mit Ratschlägen zu schließen. — Früher wurde nur von Gelehrten viel gelesen, andre begnügten sich mit Erbauungsschriften und Reisebeschreibungen. Mit Opitz wurde das anders. Von der Zeit an entwickelten sich die Verhältnisse derart, durch Hoffmannswaldau und Lohenstein hur vorübergehend gehemmt, mächtig gefördert durch Gottsched und seine bedeutenderen Schüler, ebenso durch die beiden Schweizer Bodmer und Breitinger, daß man nun von einem lesenden Jahrhundert reden kann. Die Vermehrung des Lesestoffes und die gesteigerte Lektüre schaden sicher insofern, als sie eine bedauerliche Halbbildung im Gefolge haben. Doch leisten sie mehr Gutes: Ausbildung und Schulung des Geistes, Verfeinerung des Geschmackes, edlere Genußfähigkeit. Bei Beobachtung entsprechender Regeln kann aller Schaden vermieden werden. Man muß Maß halten und die richtige Auswahl treffen oder treffen lassen, damit weder Verstand noch Herz zu kurz kommen. Das Jagen nach Glück zeitigt die merkwürdigsten Formen. Vielfach sucht man es in Geselligkeit. Da finden sich die einen zu stumpfsinnigem Kartenspiel zusammen, andre veranstalten prächtige Gastmähler, noch andre suchen die Geselligkeit öffentlicher Häuser. U n d doch bietet es sich in seiner ganzen, klaren, strahlenden Schönheit n u r in trautem, von wahrer, dauernder Liebe durchwehten Familienkreise, in dem ein fröhliches, tüchtiges Weib segensreich waltet. Das Ideal eines solchen Weibes schildert schon Xenophon in seiner Ökonomie, und M. z. U. druckt die Stelle ab. Die dort geschilderte Hausfrau soll der heutigen Frauenwelt ein Muster sein mit ihrem zurückgezogenen Fleiß und ihrer auf die Vorstellung des Gatten hin ungeschminkten Wange, „ungeachtet unserer so sehr geprahlten Verfeinerung und unserer Verbesserung in den Künsten des gesellschaftlichen Umgangs." (S. 216.) Freilich kannten die athenischen Frauen



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keine leere Geselligkeit; sie verkehrten deswegen viel inniger mit ihrem Gatten; ihr Herz wie ihr Verstand waren stets nützlich beschäftigt, so daß sie nicht einmal Zeit gehabt hätten, „zu öffentlichen Versammlungsörtern des Spiels und der Liebeshändel, wo der Verstand und das Herz auf gleiche Weise verdorben werden", ihre „gefährliche Zuflucht" zu nehmen. Vor der ihren Beruf ausfüllenden Frau bezeigt M. z. U. die höchste Achtung. — Die Bemerkungen zu dem Xenophontischen Stück hatten Gelegenheit geboten, gegen alle unwahren, Täuschung beabsichtigenden Schönheitsmittel vorzugehen. An anderer Stelle wird der Leib und Seele verrenkenden Schnürbrust in kurzen, aber erschöpfenden Ausführungen (nach Sömmerring, S. 302) entgegengetreten. Mit dem Aufsatz: „Von dem Charlatan Müller und seiner Sprechmaschine" (S. 391) eröffnet M. z. U. in aufklärerischem Unwillen nach Art der N. U. seine Spalten dem Angriff auf Leute, die bei ihrer Spekulation auf die Dummheit der Menschen leider nicht fehl gehen. Es sei völlig ausgeschlossen, daß eine Maschine jemals sprechen könne. — Als nachahmenswert wird das Vorgehen der Hammer Gesellschaft gerühmt, die es versteht, bei ihren Festlichkeiten durch eine Art von Armensteuer für ihre bedürftigen Mitmenschen zu sorgen. (S. 168.) Reiner Unterhaltung ist Weniges gewidmet, 3 Gedichte (S. 435, S. 506, S. 643); die längere Erzählung: „Gustav Adolph, oder die großmüthigen Freunde", eine Verherrlichung unbegrenzter Freundestreue; zwei Duldungsanekdoten (S. 106, S. 368) und endlich Bouterweks Alonzo, ein tönendes Gedicht, das den Höhenflug eines Tat suchenden Geistesaristokraten schildert. (S. 220.) Das Bedeutungsvolle an M. z. U. ist die politische Stellungnahme. Auf dem Boden aufklärerischer Staatsauffassung stehend, begrüßte das Blatt die französische Revolution als Bringerin des Fortschritts, ohne doch aus ihr gleich Heil für die gesamte Menschheit zu erhoffen. Es wägt ruhig ab und sieht sich nicht veranlaßt, irgendwelche, die Grenzen Frankreichs überschreitende Folgeerscheinungen zu vermuten, zu fürchten oder zu hoffen. Es ist das erste Blatt, das einen, wenn auch maßvoll, so doch entschieden vertretenen politi-

— 189 — sehen Standpunkt einnimmt, der sich von allem Extremen in gleicher Weise fernhält, aber unbeirrt den Fortschritt verficht. — Die lehrhaft-moralischen und die wissenschaftlich gerichteten Teile zeigen den Zusammenhang mit den früheren Zeitschriften. Welchen Umständen die Schuld dafür zuzuschieben ist, daß in Cleve, im Gegensatz zu Wesel, keine Zeitung längere Zeit hindurch bestanden hat, bleibt dunkel. Ein Bedürfnis lag offenbar vor. Zwei Jahre nachdem M. z. U. eingegangen war, im April 1792, trat eine neue Zeitschrift ins Leben, die es trotz ihrer breiten Grundlage auch nur auf einen Jahrgang gebracht zu haben scheint, „ D e r C l e v i s c h e Z u s c h a u e r oder Patriotische Beyträge zur Aufklärung. Von einer Gesellschaft Wahrheitsliebender Freunde", den der Königl. Hofbuchdrucker Koch verlegte. Es war das Sprachrohr einer der vielen gemeinnützigen Gesellschaften jener Tage, womit ihm von vorne herein ein ziemlich sicherer Boden bereitet war. Der Cl. Z. war ursprünglich als Wochenschrift beabsichtigt und dementsprechend angekündigt worden. Tatsächlich aber erschien er, der Zeitrichtung entsprechend, als M o n a t s s c h r i f t . Auf dem Umschlag zum ersten Heft wird erklärend und rechtfertigend bemerkt, an dieser Erscheinungsweise sei „die Bitte der mehresten Herren Interessenten Schuld, die lieber den Verfolg gleich haben, als es wöchentlich abgebrochen lesen wollten". Nach der Subskriptionsaufforderung im 11. Hefte sollte die Fortsetzung unter dem Titel: „Der Cl. Z., oder Historische oeconomische litterarische Beyträge zum Nutzen und Vergnügen unserer Landsleute" sogar „quartaliter" erscheinen. Von dieser Fortsetzung hat sich keine Spur erhalten; sie ist schwerlich zustande gekommen. Trotzdem ist sie Schuld daran, daß das Märzheft des Cl. Z. mit sehr erheblicher Verspätung herauskam. Denn da die Subskriptionsaufforderung im 11. (Februar-) Heft nicht den nötigen Erfolg hatte, wurde das 12. Heft, wie es auf seinem Umschlage heißt, absichtlich zurückgehalten. Man wollte erst eine genügend große Subskribentenliste zusammenbekommen, um dann im noch ausstehenden Heft des ersten



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Jahrganges das Erscheinen der fortsetzenden Vierteljahrsschrift versprechen zu können. Das Warten war vergeblich. Die Aufforderung, zu subskribieren, mußte in dem nach langem Zögern doch erscheinenden 12. Hefte dringend wiederholt werden. Dieses Heft enthält an letzter Stelle eine Zuschrift aus Amsterdam, in holländischer Sprache, eine medizinische Preisaufgabe, mit dem Datum des 1. September 1793. Wie viel Zeit zwischen Heft 11 und 12 lag, wissen wir nicht, da für die Datierung der andern Hefte alle Anhaltspunkte fehlen. An Stoff hat es offenbar nie gefehlt, wenn er vielleicht auch gelegentlich nicht rechtzeitig zusammen war. Aufsätze, die als Lückerbüßer anmuten, kommen nicht vor. Jedes Heft ist 4 Bogen Oktav stark, der Druck ziemlich eng, aber gut, bemerkenswerterweise in lateinischen Lettern. Der ganze Jahrgang stellt einen inhaltreichen, dicken Band von 765 Seiten dar, für den der Preis von 2 Rtlrn. nicht zu hoch war. Die Subskriptionszeit währte ein halbes Jahr. — Der Umschlag des ersten Heftes enthält auch die ohne Kenntnis der Voranzeige nicht ganz verständliche Versicherung, die Befürchtung einiger Interessenten, die Kupferstiche könnten zu teuer werden, sei unbegründet, das einzelne Blatt werde den Preis von 3 oder 4 Oroschen für das Oktavblatt nicht übersteigen. Vielleicht handelt es sich um wahlfreie Beilagen. In den vorhandenen Exemplaren findet sich kein Kupfer. — Auf den (im Bonner Exemplar den einzelnen Stücken vorgebundenen) Umschlägen stehen stets Titel und Inhaltsverzeichnis, außerdem mitunter Nachrichten in eigener Sache, buchhändlerischen Anzeigen Kochs und des Mitarbeiters Eskes und im September 1792 das französisch abgefaßte Preisausschreiben der Verwalter eines Amsterdamer Legates, das ein Jahr später, im letzten Heft, gewissermaßen im redaktionellen Teil, in holländischer Abfassung mit der neuen Aufgabe wiederkehrt. — Vor dem 1. Heft ist als Vorrede eine „Rede in der Versammlung der Oesellschaft den 4 ten Februar 1792 gehalten" abgedruckt, X X V I Seiten. — Ein Oesamtinhaltsverzeichnis fehlt. Dagegen haben wir, das einzigemal in einer Clever Zeitung, ein „Alphabetisches Verzeichnis der Subskribenten".



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Es werden 2 2 1 A b n e h m e r aufgezählt, 216 Einzelbezieher und 5 Körperschaften. Bei der Art, wie die Listen zusammengestellt zu werden pflegten, dürfte die Zahl noch größer gewesen sein. Jedenfalls war das keine kleine Auflage für jene Zeit und Gegend. Dem Stande nach waren die Subskribenten großenteils Regierungsbeamte, daneben Mediziner und verhältnismäßig viele Apotheker, Schulmeister und Pfarrer, Buchhändler und Postämter, Kaufleute und viele Personen ohne Angabe des Standes, auch einzelne Juden. — Verbreitungsgebiet des Cl. Z. ist nach der Subskribentenliste im wesentlichen das linksrheinische Cleve und der nördliche Teil des rechten Ufers gewesen. In den Gegenden von Wesel und Duisburg wurde er weniger gehalten. Über Vs der Abnehmer, 74, werden ausdrücklich als in Cleve selbst ansässig aufgeführt. Aber sicher gehört noch ein großer Teil der Personen, bei denen die Angabe des Wohnortes fehlt, nach Cleve, vor allem, wenn es sich um Beamte handelt. Wer der oder die H e r a u s g e b e r waren, entzieht sich unserer Kenntnis. Die Gesellschaft hüllte sich absichtlich in Schweigen. Den Namen des Herausgebers zu nennen, vermied man ja überhaupt fast durchweg, und die vielen Orden und Gesellschaften jener Zeit liebten es gleichfalls ausnahmslos, geheimnisvolles Dunkel um sich zu verbreiten. — D e r Mitarbeiterfrage scheint man große Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Für einzelne Gebiete wurden feste Kräfte gewonnen. Eine der Mitteilungen auf dem Umschlage des ersten Heftes entschuldigt, im Hinblick auf Versprechungen der Ankündigung, das Fehlen eines Beitrages über clevische Geschichte in ihm mit der Krankheit des damit beauftragten Mitgliedes. Dieses Mitglied war, wie mit großer Sicherheit erschlossen werden kann, der Kanonikus Eskes aus Rees. Die Begleitworte an die Herausgeber, die dem ersten Stück der „Beyträge zur Geschichte der Provinz Cleve. Von Aspel" (S. 127) beigegeben sind und mit abgedruckt werden, sind unterschrieben: „C. E.", der Brief: „Über Aufklärung" (S. 456): „R . . . im Oktober 1792 C. E." Man wird auf den in der Subskribentenliste stehenden Kanonikus Eskes schließen dürfen, zumal einige bei andern Verlegern erschienene Bücher von ihm zweimal auf dem Umschlag des Cl. Z. angezeigt

— 192 — werden. (Heft 2 u. 3.) 1 ) Nach der gleich gründlichen Arbeitsweise zu gehen, ist er auch Verfasser des Aufsatzes : „Leben und Thaten des letzten Grafen und ersten Herzogs von Cleve, Adolph"