Virtual, Augmented und Cross Reality in Praxis und Forschung: Technologiebasierte Erfahrungswelten in der beruflichen Aus- und Weiterbildung – Theorie und Anwendung 3515124756, 9783515124751

Mit der Digitalisierung ergeben sich nicht nur vielfältige Änderungen im privaten und gesellschaftlichen Leben, sondern

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German Pages 287 [290] Year 2020

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Teil 1 Lehren und Lernen in technologiebasierten Erfahrungswelten
Technologiebasierte Erfahrungswelten
User Experience Design und Evaluation in immersiven Virtual-Reality-Umgebungen
Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären?
Teil 2 Anwendung von virtuellen und erweiterten Umgebungen
Evaluierung potenzieller Augmented-Reality-Anwendungsfälle im industriellen Umfeld
Eine explorative Studie zu potenziellen Anwendungsfeldern von VR in technischen Domänen
On-the-Job-Training mittels AR-/VR-gestützter Fehlerdiagnose und -behebung in industriellen Anlagen
Konzeptionierung virtueller Lehr- und Lernarrangements im Kontext des industriellen Dienstleistungsbereichs des MaschinenundAnlagenbaus
Teil 3 Forschung zu virtuellen Umgebungen
Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf mittels einer virtuellen Lernumgebung
Entwicklung und Potenzialeinschätzung einer Virtual Reality zum Erlernen der Mnemotechnik
Virtual Reality
Technologieakzeptanz des virtuellen Verkaufsraums VR2GO in der Firma ANDREAS STIHL AG & Co. KG
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
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Virtual, Augmented und Cross Reality in Praxis und Forschung: Technologiebasierte Erfahrungswelten in der beruflichen Aus- und Weiterbildung – Theorie und Anwendung
 3515124756, 9783515124751

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VIRTUAL, AUGMENTED UND CROSS REALIT Y IN PR AXIS UND FORSCHUNG Technologiebasierte Erfahrungswelten in der beruflichen Aus- und Weiterbildung Theorie und Anwendung Herausgegeben von Bernd Zinn

Pädagogik Franz Steiner Verlag

VIRTUAL, AUGMENTED UND CROSS REALITY IN PRAXIS UND FORSCHUNG Technologiebasierte Erfahrungswelten in der beruflichen Aus- und Weiterbildung Theorie und Anwendung Herausgegeben von Bernd Zinn

Franz Steiner Verlag

Umschlagabbildung: Cross Reality (XR), © Evelyn Hoffarth Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020 Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: DTP + TEXT Eva Burri, Stuttgart Druck: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12475-1 (Print) ISBN 978-3-515-12478-2 (E-Book)

Inhaltsverzeichnis

BERND ZINN

Editorial

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 1 Lehren und Lernen in technologiebasierten Erfahrungswelten BERND ZINN / SUNITA ARIALI

Technologiebasierte Erfahrungswelten

Lehren und Lernen zwischen Virtualität und Realität

13

QI GUO

User Experience Design und Evaluation in immersiven Virtual-Reality-Umgebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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CAROLIN PLETZ / BERND ZINN

Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären?

Ein Überblick zu theoretischen Ansatzpunkten und dem Forschungsstand . . . . . . . . . . . . 57 Teil 2 Anwendung von virtuellen und erweiterten Umgebungen TOBIAS KORB / ALEXANDER SCHMIDT / OLIVER RIEDEL

Evaluierung potenzieller Augmented-Reality-Anwendungsfälle im industriellen Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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CAROLIN PLETZ / BERND ZINN

Eine explorative Studie zu potenziellen Anwendungsfeldern von VR in technischen Domänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6

Inhaltsverzeichnis

SEBASTIAN HEINZE / SEBASTIAN CARSCH / CHRISTOPH JESAJA HEIDELBACH / JULIAN RAHM / MARC MAUERMANN / LEON URBAS

On-the-Job-Training mittels AR-/VR-gestützter Fehlerdiagnose und -behebung in industriellen Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141

BERND ZINN / CAROLIN PLETZ / QI GUO / SUNITA ARIALI

Konzeptionierung virtueller Lehr- und Lernarrangements im Kontext des industriellen Dienstleistungsbereichs des Maschinen- und Anlagenbaus . . . . . .

169

Teil 3 Forschung zu virtuellen Umgebungen BERND ZINN / CAROLIN PLETZ / HENRI WADAS / QI GUO

Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förderund Unterstützungsbedarf mittels einer virtuellen Lernumgebung

. . . . . . . . . . . . . . 187

EVELYN HOFFARTH

Entwicklung und Potenzialeinschätzung einer Virtual Reality zum Erlernen der Mnemotechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219

SUNITA ARIALI / BERND ZINN

Virtual Reality

Eine Studie zur chronometrischen Analyse der mentalen Rotationsfähigkeit

243

CAROLIN PLETZ / MARBOD LEMKE / LEANDRA DEININGER

Technologieakzeptanz des virtuellen Verkaufsraums VR2GO in der Firma ANDREAS STIHL AG & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Editorial BERND ZINN

Von den Effekten des Digitalen Wandels sind zahlreiche gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Lebensbereiche grundlegend betroffen . Die Digitalisierung verändert unseren privaten und beruflichen Alltag . Sie ermöglicht es uns beispielsweise, jederzeit und an fast jedem Ort mobil erreichbar zu sein, sie gestattet es uns, an fernen Orten ohne eigene Repräsentanz Maschinen virtuell zu steuern oder in Form eines Avatars an virtuellen Konferenzen mit hoher Funktionalität räumlich und zeitlich flexibel teilzunehmen . Mit dem Digitalen Wandel im beruflichen Aus- und Weiterbildungsbereich ergeben sich neue und veränderte Möglichkeiten für das Lehren und Lernen, gleichzeitig bestehen mit der Digitalisierung aber auch vielfältige Herausforderungen . Der Digitale Wandel eröffnet Chancen, birgt aber auch Risiken, mit denen wir umgehen müssen . Wenn im Diskurs der Digitalisierung davon ausgegangen wird, dass virtuelle und physisch reale Räume zum Lehren, Lernen und Arbeiten zukünftig weitergehend verschmelzen, so stellen sich zu deren Ausgestaltung multiple Fragen . So ergeben sich Fragen an die möglichen Einsatzbereiche der technologiebasierten Erfahrungswelten und den zentralen förderlichen Randbedingungen, um einen sinnvollen Einsatz der Technologien in der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu unterstützen . Es bestehen Fragen an die grundlegende Akzeptanz der neuen Technologien und an die anschlussfähigen lehr- und lerntheoretischen Grundlagen des Lehrens und Lernens in und mit den technologiebasierten Erfahrungswelten . Wo liegen beispielsweise die erfahrungsbasierten Potenziale und Grenzen in einem Lehren und Lernen zwischen Virtualität und Realität? Oder anders formuliert: Wie können die neuen Technologien im Kontext beruflicher Aus- und Weiterbildungsszenarien sinnvoll zum Einsatz gebracht werden und was ist bei der Konzeptionierung von Lehr- und Lernsettings in und mit technologiebasierten Erfahrungswelten zu beachten . An diesen und weiteren Fragestellungen setzt der vorliegende Sammelband an . Der Fokus des Sammelbandes liegt hierbei auf den Technologien Virtual Reali-

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Bernd Zinn

ty (VR), Augmented Reality (AR), Mixed Reality (MR) sowie Cross Reality bzw . Extended Reality (XR), die im Folgenden übergreifend als technologiebasierte (computergenerierte) Erfahrungswelten bezeichnet werden . Der vorliegende Sammelband vermittelt der Leserin und dem Leser einen Einblick in die theoretischen Grundlagen sowie aktuellen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bezugsfeld des Lehrens und Lernens mit technologiebasierten Erfahrungswelten . Die Autorinnen und Autoren greifen in den einzelnen Beiträgen verschiedene Schwerpunkte auf, berichten von ihren Entwicklungs- und Forschungsarbeiten in unterschiedlichen Domänen und beschreiben fachspezifische und fachübergreifende Anknüpfungspunkte und gleichfalls weitergehende Forschungsdesiderate im Bezugsfeld der fokussierten Technologien . Die elf Beiträge sind inhaltlich vielfältig gelagert und berichten damit, in welchen Feldern Entwicklungs- und Forschungsaktivitäten zu technologiebasierten Erfahrungswelten stattfinden und darüber hinaus als notwendig erachtet werden . Damit zeigen die sowohl theoretisch und konzeptionell als auch empirisch angelegten Beiträge ein zentrales Handlungsfeld des Digitalen Wandels auf, liefern spezifische Ansatzpunkte für die berufliche Aus- und Weiterbildungspraxis sowie für die wissenschaftliche Erforschung technologiebasierte Erfahrungswelten allgemein . Die Beiträge können fruchtbare Impulse für die domänenspezifische Betrachtung der Technologien in der beruflichen Aus- und Weiterbildung liefern, gleichzeitig darüberhinausgehend aber auch die domänenübergreifende Forschung zu technologiebasierten Erfahrungswelten durch die spezifische Kontextualisierung bereichern . Der Sammelband ist inhaltlich in drei Abschnitte gegliedert . Die Beiträge im ersten Abschnitt beschäftigen sich mit den theoretischen Bezugspunkten des Lehrens und Lernens in virtuellen Umgebungen, den technischen Aspekten sowie der Akzeptanz technologiebasierter Erfahrungswelten . Im zweiten Abschnitt werden in den einzelnen Beiträgen aktuelle und potenzielle Anwendungsszenarien der VR- und AR-Technologie in der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie in unternehmerischen Kontexten vorgestellt . Der dritte Abschnitt umfasst Beiträge, in denen von Forschungsarbeiten im Bezugsfeld der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie im Kontext des virtuellen Vertriebs berichtet wird . Teil 1: Lehren und Lernen in technologiebasierten Erfahrungswelten Im Beitrag mit dem Titel „Technologiebasierte Erfahrungswelten – Lehren und Lernen zwischen Virtualität und Realität“ von Bernd Zinn und Sunita Ariali werden lerntheoretische Ansätze und Konzepte thematisiert, die für das Lehren und Lernen mit technologiebasierten Erfahrungswelten von besonderer Bedeutung sind . Qi Guo berichtet in ihrem Beitrag mit dem Titel „User Experience Design und Evaluation in immersiven Virtual-Reality-Umgebungen“, basierend auf den Konzepten der Usability, des User Interface und der User Experience im technologischen Kontext von immersiven VR-Umgebungen, Entwicklungsprinzipien, technischen Artefakten

Editorial

und narrativen Prinzipien im Bezugsfeld des Design- und Evaluationsprozess entsprechender Umgebungen . Carolin Pletz und Bernd Zinn beschäftigen sich in dem Beitrag mit dem Titel „Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären? Ein Überblick zu theoretischen Ansatzpunkten und dem Forschungsstand“ mit der Modellierung der Technologieakzeptanz . Zudem berichten sie vom empirischen Forschungsstand zur Technologieakzeptanz sowie den beeinflussenden nutzerbezogenen, organisationalen und technologiespezifischen Faktoren des Konstruktes . Teil 2: Anwendung von virtuellen und erweiterten Umgebungen Tobias Korb, Alexander Schmidt und Oliver Riedel berichten in ihrem Beitrag mit dem Titel „Evaluierung potenzieller Augmented-Reality-Anwendungsfälle im industriellen Umfeld“ von grundlegenden Kriterien für die Entwicklung einer Augmented-Reality-Anwendung . Die Merkmale sollen dem Leser als Leitfaden für die Planung von Augmented-Reality-Anwendungen dienen . Darüber hinaus werden mögliche Use Cases im Kontext des erstellten Modells vorgestellt und überprüft . Mit dem Titel „Eine explorative Studie zu potenziellen Anwendungsfeldern von VR in technischen Domänen“ berichten Carolin Pletz und Bernd Zinn in ihrem Beitrag von den Ergebnissen einer Studie zu den Einsatzmöglichkeiten der VR-Technologie aus der Perspektive von Beschäftigten in technischen Domänen . Die Befunde der Studie zeigen, dass die Einsatzmöglichkeiten facettenreich wahrgenommen werden und dabei insbesondere die Anwendungsfelder Ausbildung, Weiterbildung sowie Produktentwicklung und -testung von Relevanz sind . Im Beitrag von Sebastian Heinze, Sebastian Carsch, Christoph Jesaja Heidelbach, Julian Rahm, Marc Mauermann und Leon Urbas mit dem Titel „On-the-job-Training mittels AR & VR-gestützter Fehlerdiagnose & -behebung in industriellen Anlagen“ wird vom Einsatz der erweiterten und virtuellen Umgebung vor dem Hintergrund des Produktionsalltags berichtet . Dabei betrachten die Autoren ein On-the-Job-Training unter industrietypischen Bedingungen, das sich auf verschiedene Teilbereiche industrieller Anlagen und die Kommunikation Mensch-Mensch sowie Mensch-Maschine bezieht . Bernd Zinn, Carolin Pletz, Sunita Ariali und Qi Guo präsentieren unter dem Beitragstitel „Konzeptionierung virtueller Lehr- und Lernarrangements im Kontext des industriellen Dienstleistungsbereichs des Maschinen- und Anlagenbaus“ ein Rahmenmodell, welches dem Leser praxisrelevante Ansatzpunkte für den konzeptionellen Aufbau von spezifischen virtuellen Lehr- und Lernszenarien liefern kann . Teil 3: Forschung zu virtuellen Umgebungen In dem Beitrag von Bernd Zinn, Carolin Pletz, Henry Wadas und Qi Guo mit dem Titel „Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf mittels einer virtuellen Lernumgebung“ wird von den technologischen und methodischen Aspekten einer virtuellen Lernumgebung sowie von den Befunden

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Bernd Zinn

einer explorativen Studie zur praxisnahen Eignung der Lernumgebung berichtet . Darüber hinaus diskutieren die Autoren mögliche Implikationen für die Forschung im Bezugsfeld der Förderung von Auszubildenden mit besonderem Förder- und Unterstützungsbedarf . Evelyn Hoffarth berichtet unter dem Beitragstitel „Entwicklung und Potenzialeinschätzung einer Virtual Reality zum Erlernen der Mnemotechnik“ von der Entwicklung einer virtuellen Umgebung zum Erlernen und Anwenden einer Mnemotechnik als Verfahren zur Steigerung der Gedächtnisleistung . Anschließend werden im Beitrag explorative Befunde einer Pilotstudie zum Erlernen der Mnemotechnik mit und ohne VR-Unterstützung vorgestellt sowie ein Ausblick auf Desiderate im Bezugsfeld gegeben . Im Beitrag „Virtual Reality – eine Studie zur chronometrischen Analyse der mentalen Rotationsfähigkeit“ berichten Sunita Ariali und Bernd Zinn von einer experimentellen Studie, in der analysiert wird, inwiefern verschiedene virtuelle technologische Umgebungen (teil-immersiv vs . voll-immersiv) geeignet sind, um die mentale Rotationsfähigkeit als eine zentrale Dimension des räumlichen Vorstellungsvermögens und unter Berücksichtigung chronometrischer Daten bei Schülerinnen und Schülern zu unterstützen . Mit dem Titel „Technologieakzeptanz des virtuellen Verkaufsraums VR2GO bei der Firma Andreas Stihl AG & Co . KG“ beschreiben Carolin Pletz, Marbod Lemke und Leandra Deininger in ihrem Beitrag einen virtuellen Verkaufsraum und stellen eine hypothesenprüfende Studie mit Trainern vor, in der der Frage nachgegangen wird, welchen Einfluss die Faktoren Nützlichkeit, Benutzerfreundlichkeit, soziale Norm und Verhaltenskontrolle auf die Nutzungsintention des Verkaufsraums haben . Abschließend bedanke ich mich bei allen Autorinnen und Autoren für die vorliegenden Beiträge und die sehr gute Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe Cross Reality am BPT . Mein besonderer Dank gilt Frau Carolin Pletz, die bei der Erstellung des Sammelbandes mitgearbeitet hat, Frau Evelyn Hoffarth für die Gestaltung des Covers und Anna Zinn für die fundierten Lektoratsarbeiten .

Teil 1 Lehren und Lernen in technologiebasierten Erfahrungswelten

Technologiebasierte Erfahrungswelten Lehren und Lernen zwischen Virtualität und Realität BERND ZINN / SUNITA ARIALI

Technology-based experience worlds Teaching and learning between virtuality and reality Zusammenfassung: Virtuelle Umgebungen verschmelzen zunehmend mit realen Lehr-

und Lernumgebungen mit dem hoffnungsvollen Anspruch, die Arbeitsabläufe in Unternehmen sowie die beruflichen Aus- und Weiterbildungsprozesse zu optimieren . Doch wie ist diese Annahme lerntheoretisch begründet? Der vorliegende Beitrag fokussiert in diesem Bezugsfeld zentrale lerntheoretische Ansätze und Konzepte, die für das Lehren und Lernen mit technologiebasierten Erfahrungswelten für besonders bedeutungsvoll gehalten werden . Hierzu erfolgt nach der Einleitung und einem Überblick über die für den Beitrag relevanten Technologien und den Forschungsstand ein Diskurs zu lerntheoretischen Ansätzen und Konzepten im Kontext technologiebasierter Erfahrungswelten . Abstract: Virtual environments are increasingly merging with real-life teaching and learn-

ing environments with the aspiration to optimize professional education and training processes or workflows . But how can such a hopeful assumption be justified in a learning-theoretical way? The present article focuses on the central learning-theoretical basic approaches and concepts that could be of central importance to the learning and teaching with technology-based experience worlds . Hereto, after the introduction and an overview of the technologies relevant to the article, as well as a state of the present research, a discourse regarding learning-theoretical basic approaches and concepts in the context of technology-based experience worlds will be discussed .

1.

Einleitung

Mit der durch den Digitalen Wandel geprägten realen und (parallelen) virtuellen Lebens- und Arbeitswelt verbinden sich vielfältige Herausforderungen, die gleicher-

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Bernd Zinn / Sunita Ariali

maßen technologische, gesellschaftlich-kulturelle sowie anwendungsbezogene Perspektiven betreffen . Mit dem stetig steigenden Digitalisierungsgrad der Berufs- und Arbeitswelt werden diverse Entwicklungspotenziale verbunden . Wesentliche technologische Kennzeichen der Digitalisierung der Berufs- und Arbeitswelt sind cyber-physische Systeme und der zunehmende Vernetzungsgrad von Maschinen, Anlagen und Prozessen (vgl . Schatz & Bauernhansl 2015; Bauer, Dworschak & Zaiser 2017) . Im Zuge der Digitalisierung der Berufs- und Arbeitswelt stehen neben den neuen technologischen und ökonomischen Möglichkeiten, die damit verbunden sind, innovative digitale Lern- und Arbeitsmittel im Fokus, die für die berufliche Aus- und Weiterbildung grundlegende neue Lehr- und Lernoptionen und damit einhergehend auch veränderte methodisch-didaktische Gestaltungsoptionen eröffnen (vgl . Zinn 2016, 2017) . Physisch reale Räume werden mit virtuellen Welten verknüpft und können zunehmend in Lern- und Arbeitskontexte eingebunden werden (vgl . Bauernhansl 2017) . Durch die Einbindung virtueller Umgebungen in ein reales Lernumfeld können beispielsweise die Eigenschaften und Prinzipien einer komplexen Anlage nachvollziehbar betrachtet werden . Gleichzeitig kann den Lernenden die Möglichkeit eingeräumt werden, die Prozesse der Wissensaneignung selbst durch zusätzliche Informationen effizienter zu steuern (vgl . Schuster et al . 2016) . Es wird davon ausgegangen, dass die neuen Formen der Mensch-Technik-Interaktion auch spezifische Lernumgebungen erfahrbar machen können und das Potenzial haben, betriebliche Praxisbezüge verstärkt in die berufsschulische Aus- und Weiterbildung zu integrieren . Die Nutzung der Technologie im Aus- und Weiterbildungsbereich wird besonders dann als vorteilhaft angesehen, wenn sie nicht als reines Additiv eingebracht, sondern didaktisch in reale berufliche Projekte integriert wird (vgl . Zinn 2017) . Im Fokus des vorliegenden Beitrags stehen die im folgenden Abschnitt beschriebenen Technologien Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR), Mixed Reality (MR) sowie Cross Reality (XR), die im Fortgang des Beitrag als technologiebasierte (computergenerierte) Erfahrungswelten bezeichnet werden . Hinsichtlich dieser Technologien werden im Beitrag zentrale lerntheoretische Ansätze und Konzepte, die für das Lehren und Lernen in technologiebasierten Erfahrungswelten als bedeutsam gelten, thematisiert . Hierzu wird nach der Einleitung ein Überblick über die technologiebasierten Erfahrungswelten gegeben und der Forschungsstand zu ausgewählten wahrnehmungsbezogenen Aspekten vorgestellt, um anschließend die für das Lehren und Lernen mit den technologiebasierten Erfahrungswelten als zentral erachteten Theorien und Ansätze näher zu beschreiben . 2.

Technologiebasierte Erfahrungswelten

Obwohl insbesondere erst in der letzten Dekade die technologiebasierten Erfahrungswelten verstärkt in den Fokus diverser Anwendungsfelder in der Aus- und Weiterbildung gerückt sind, wurden die technologischen Grundlagen für die einzelnen Techno-

Technologiebasierte Erfahrungswelten

logien schon früher gelegt . Bereits im Jahr 1934 beschrieb Stanley G . Weinbaum ein auf Brillen basierendes System mit holografischen Aufnahmen von fiktiven Ereignissen (vgl . Korgel 2017) . Im Jahr 1965 veröffentlichte Ivan Sutherland seinen Essay mit dem Titel „The Ultimate Display“, in dem er erste Visionen über virtuelle Umgebungen skizziert . Er beschreibt dabei ein Display, das mit einem Computer verbunden ist und uns die Möglichkeit bietet, künstliche Welten zu betreten, wie folgt: „The ultimate display would, of course, be a room within which the computer can control the existence of matter . A chair displayed in such a room would be good enough to sit in . Handcuffs displayed in such a room would be confining, and a bullet displayed in such a room would be fatal . With appropriate programming such a display could literally be the Wonderland into which Alice walked“ (Sutherland 1965, S . 508) .

Von solchen Visionen abgesehen, regte Sutherland (1965) auch eine Reihe technologischer Entwicklungen an, die dreidimensionale Interaktionen unterstützen, indem sie Informationen nicht nur über die Augen, sondern auch über Ohren, Nase, Mund und Hände vermitteln . Sutherlands Arbeit bildete einen zentralen Grundstein für die VR-Entwicklung . Seine Visionen treiben noch bis heute verschiedene Forschungsfelder zur VR-Technologie an . Sutherland versuchte sogar, seine Ideen selbst zu verwirklichen und baute das erste 3D Head-Mounted Display (HMD) . Da aber die technischen Möglichkeiten in den 1960er Jahren noch begrenzt waren, konnten Sutherland und andere die betreffenden Ideen nur eingeschränkt umsetzen . In den 1990er Jahren erschienen dann die ersten Virtual-Reality Headsets auf dem Markt, welche vor allem für Forschungszwecke bestimmt waren (vgl . Korgel 2017) . Sie wurden beispielsweise zur Konstruktion und zum Design von Fahrzeugen im Rahmen medizinischer Ausbildungszwecke oder zur Visualisierung von komplexen Datenbanken eingesetzt . Trotz der anfänglichen Begeisterung scheiterten in der Folge viele VR-Projekte . Zentrale Gründe hierfür waren einerseits die hohen Anschaffungskosten der Technologie und andererseits deren begrenzte Einsatzmöglichkeiten aufgrund zu schlechter Bildauflösung und Bildwiederholungsrate . Unter dem Begriff Virtual Reality (VR)-Technologie werden heute zahlreiche technologische Möglichkeiten zusammengefasst, mit denen virtuelle Umgebungen erfahrbar gemacht werden können . Unter virtuellen Umgebungen werden wiederum computergenerierte Echtzeitdarstellungen von realen oder fiktiven Umgebungen verstanden, in die die Nutzerinnen und Nutzer eintreten und in denen sie über verschiedene Benutzerschnittstellen mit weiteren Nutzerinnen und Nutzern interagieren können . Im Zentrum der VR steht die Erfahrung, an einem fremden (virtuellen) Ort zu sein (vgl . Rheingold 1992) . Laut Dörner und Kollegen stellt VR eine Analogie der Realität dar (vgl . Dörner et al . 2014) . In einer VR-Anwendung werden die Sinneseindrücke des Nutzers über künstliche und natürliche Nutzerschnittstellen übertragen . Insbesondere natürliche Nutzerschnittstellen für die Visualisierung sollen eine realitätsbezogene Navigation und Interaktion ermöglichen und damit eine authentischere Erfahrung realisieren . Neben dem visuellen Eindruck, der auf-

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16

Bernd Zinn / Sunita Ariali

grund der stereoskopischen Darstellung einen dreidimensionalen Charakter hat, wird bei den VR-Anwendungen auch ein auditives Feedback vermittelt und dadurch ein räumliches Szenario geschaffen, das den Eindruck erweckt, sich in einer digitalen Welt zu befinden, die vollständig von der realen Außenwelt isoliert existiert (vgl . Dörner et al . 2014) . Verschiedene Sensoren berücksichtigen Kopf- und Körperbewegungen und können der Nutzerin bzw . dem Nutzer das Gefühl vermitteln, sich in der virtuellen Welt zu bewegen und in ihr sowie mit ihr zu interagieren . Durch Echtzeit-Visualisierungen und -Reaktionen des Systems erhalten die Personen ein sofortiges Feedback zu ihrer Handlung . VR hat das Potenzial, den Arbeits- und Lernprozess durch realistisches Nachbilden des Produktionsprozesses zu simulieren und ihn interaktiv zu explorieren (vgl . Dörner et al . 2014; Schuster et al . 2016), indem die Nutzerinnen und Nutzer befähigt werden, die virtuelle Umgebung und die darin enthaltenen Objekte aktiv zu beeinflussen, zu greifen oder zu steuern . Interaktivität umfasst somit motorische und sensorische Gesichtspunkte (vgl . Schreier 2002) . Neben den VR-Anwendungen werden heute Augmented-Reality-Anwendungen oder Mixed-Reality-Anwendungen zur Darstellung digitaler Inhalte eingesetzt . Unter Augmented Reality (AR) versteht man technologiegestützte Erweiterungen der Realität, wobei die zusätzlichen Informationen verschiedene menschliche Sinnesmodalitäten ansprechen können . Die erweiterten computergenerierten Informationen umfassen in der Regel visuelle Darstellungen (z . B . Bilder, Videos, Textinformationen) oder auditive Informationen (z . B . gesprochener Text, Musik) . Mit Mixed Reality (MR) werden überwiegend Kombinationen von AR und VR verstanden (vgl . z . B . Preim & Dachselt 2015) . Milgram und Kishino (1994) definierten MR als ein Kontinuum zwischen realen und künstlichen Welten . Vor dem Hintergrund, dass VR und AR zunehmend hybrid verwendet und technologiebasierte Erfahrungswelten durch zusätzliche technologische Erweiterungen angereichert werden, werden beide Anwendungen auch unter dem Oberbegriff Cross Reality (XR) oder Extended Reality zusammengefasst . Unter Cross-Reality versteht Coleman folgendes: „Cross-reality (also known as x-reality) is an informational or media exchange between real-and virtual-world systems“ (Coleman 2009, S . 16) . Paradisio und Landay beschreiben Cross-Reality wie folgt: „[T]he union between ubiquitous sensor/actuator networks and shared online virtual worlds […] We call the ubiquitous mixed reality environment that comes from the fusion of these two technologies cross-reality“ (Paradisio & Landay 2009, S . 14) . Ebenfalls das Modell von Milgram und Kishino als Grundlage nehmend, gehen Mann et al . (2018) noch einen Schritt weiter, indem sie eine zusätzliche Dimension einführen und das Modell (1994) um die Modalitätsdimension erweitern . Mann et al . (2018) bezeichnen die dadurch entstandene Realität als sogenannte „Multimediated Reality“ und definieren diese wie folgt: Multimediated Reality ist „not just interactive multimedia-based ‚reality‘ for our five senses, but also includes additional senses (like sensory sonar, sensory radar, etc .), as well as our human actions/actua-

Technologiebasierte Erfahrungswelten

tors . These extra senses are mapped to our human senses using synthetic synesthesia . This allows us to directly experience real (but otherwise invisible) phenomena, such as wave propagation and wave interference patterns, so that we can see radio waves and sound waves and how they interact with objects and each other“ (Mann et al . 2018, S . 1) .

3.

Forschungserkenntnisse zur Wahrnehmung virtueller (Lern-)Umgebungen

Mit der dynamischen Entwicklung der technologiebasierten Erfahrungswelten in den letzten Jahren entstand ein Bedarf an einer systematischen Erforschung der einzelnen Technologien sowie der Analyse von fördernden und hemmenden Bedingungen sowie der individuellen und sozialen Folgen ihres Einsatzes . Hinsichtlich der diversen Forschungsbestrebungen können im Wesentlichen drei Betrachtungsebenen differenziert werden (vgl . Bente, Krämer & Petersen 2002): (1) die Makroebene, die die gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen für die Implementierung der Technologien fokussiert, (2) die Mesoebene, bei der die Auswirkungen der Technologien auf Gruppen- und Organisationsstrukturen im Vordergrund steht, und (3) die Mikroebene, die sich mit den psychologischen Aspekten der Nutzung befasst . Die Mikroebene beschäftigt sich darüber hinaus mit dem Gegenstandsbereich der psychologischen Forschung und umfasst einerseits allgemeinpsychologische Fragen, wie etwa Wahrnehmung, Informationsverarbeitung und Gedächtnis; andererseits werden auch pädagogisch-psychologische Fragen gestellt, die sich auf die strukturelle Erklärung des Lehrens und Lernens mit den technologiebasierten Erfahrungswelten beziehen . Im Folgenden werden ausgewählte Studienergebnisse zur Wahrnehmung von virtuellen Räumen vorgestellt, wobei hier nicht der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden soll . Vielmehr soll die Auswahl einen Überblick über die Bedeutung wahrnehmungsbezogener Aspekte im Bezugsfeld geben . Die Forschungserkenntnisse zur Wahrnehmung von virtuellen Räumen können helfen zu verstehen, wann und warum es zu Wahrnehmungsverzerrungen bzw . zu förderlichen Momenten bei der Nutzung virtueller Räume zu Lehr- und Lernzwecken kommt . Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Fähigkeit, mit oder in einer computergenerierten Umgebung zu interagieren, wesentlich auf den individuellen Wahrnehmungen und dem Aufbau einer mentalen Repräsentation der Umgebung basiert . Die Wahrnehmung der Umwelt erfolgt über die menschlichen Sinne . Für die Nutzung von virtuellen Umgebungen sind die visuelle, auditive und taktile Wahrnehmung zentral (vgl . Dörner et al . 2013), eher selten wird der olfaktorische Sinn angesprochen . Dinh et al . (1999) untersuchten beispielsweise verschiedene Sinneseindrücke im Hinblick auf die Präsenz und die Gedächtnisleistung der Versuchsteilnehmer in einem virtuellen Bürokomplex mit Variation der Sinnesmodalitäten . Dabei wurde eine signifikant bessere Bewertung bezüglich der Präsenz festgestellt, wenn auditive oder taktile Stimuli gegeben wurden .

17

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Bernd Zinn / Sunita Ariali

Was den olfaktorischen Stimulus betrifft, gab es einen nicht signifikanten positiven Trend . Gedächtnisfragen wurden von den Versuchsteilnehmern am besten beantwortet, wenn diese multisensorischen Stimuli ausgesetzt waren . Diejenigen Probanden, die beispielsweise die Kaffeemaschine nicht nur gesehen, sondern auch den Kaffee gerochen hatten, erinnerten sich weit häufiger an sie . Ebenso wurde sich an einen Ventilator viel häufiger erinnert, wenn die Versuchspersonen zusätzlich den Wind des Ventilators spürten . Aus den Erkenntnissen darüber, wie Menschen Informationen in den künstlich generierten Welten wahrnehmen und verarbeiten, können nach Dörner und Steinicke konkrete Empfehlungen für die Gestaltung solcher Welten sowie der Interaktionen in ihr abgeleitet werden (vgl . Dörner & Steinicke 2013) . In den vergangenen Jahren erschienen mehrere Studien, in welchen die Auswirkungen verschiedener gestaltungsbezogener Aspekte von virtuellen Umgebungen auf die Leistung analysiert wurden . Die visuelle Gestaltung des virtuellen Raumes, beispielsweise die räumliche Anordnung von Gegenständen, die Komplexität der Umgebung, die realistische vs . schematische Darstellungsform, die Manipulation von Farben und der Beleuchtung oder die Verwendung von Texturen, ist ein zentraler Bereich in der Forschung zu virtuellen Welten . Ragan et al . (2015) führten ein Experiment durch, um zu verstehen, wie sich der Darstellungsrealismus der virtuellen Umgebung auf das Training auswirkt . Hierbei stellten sie fest, dass ein maximaler Realismus, das Training visueller Suchaufgaben positiv beeinflusst . Xu, Murcia-López und Steed (2017) beschäftigten sich mit der visuell-räumlichen Wahrnehmung und analysierten, wie genau verschiedene Distanzen in den virtuellen Umgebungen eingeschätzt werden . Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass es in den virtuellen Umgebungen oftmals zu einer Unterschätzung der vertikalen Distanzen kommt (ebd .) . Sun et al . (2015) gehen davon aus, dass die Leistung durch das Bewusstsein eines eigenen Körpers signifikant positiv beeinflusst werden kann . Ries et al . (2008) führten hierzu ein Experiment durch, indem sie eine Selbst-Avatar-Bedingung mit der Bedingung ohne Avatar verglichen . In der Selbst-Avatar-Bedingung konnte die Versuchsperson, wie es auch in den realen Umgebungen der Fall ist, sich selbst aus der egozentrischen Perspektive betrachten . Dabei zeigte sich, dass unter der Avatar-Bedingung die räumlichen Distanzen genauer wahrgenommen werden und die Anzahl an Fehlern bei Navigationsaufgaben reduziert werden kann . Die Studienergebnisse von Alshaer, Regenbrecht und O’Hare (2017) belegten hingegen, abgesehen von einem positiven Präsenzerleben, keinen positiven Einfluss der Selbst-Avatar-Bedingung – weder auf Wahrnehmungs- noch auf Verhaltensaspekte in virtuellen Räumen . Dennoch wird allgemein angenommen, dass der egozentrische Charakter virtueller Umgebungen den Lerngegenständen eine neue Dimension verleiht und sich positiv auf die räumliche Informationsverarbeitung auswirkt (vgl . Ariali & Zinn 2018) . Darüber hinaus könnten durch die Einbindung natürlicher Benutzerschnittstellen und Interaktionsmöglichkeiten die räumlichen Fähigkeiten unterstützt und verbessert werden . In angloamerikanischen Publikationen findet

Technologiebasierte Erfahrungswelten

man zwar bereits Befunde, die Tendenzen in diese Richtung aufzeigen (vgl . z . B . Kozhevnikov, Cheng, & Kozhevnikov 2015; Dünser et al . 2006), doch bedarf es noch eines weitergehenden evidenzbasierten Wissens, um technologiebasierte Interventionen zu entwickeln, mit deren Hilfe relevante räumliche Fähigkeiten wirkungsvoll trainiert werden können . Eine besondere Forschungsherausforderung bei der Gestaltung technologiebasierter Lernwelten ist die optimale Einbindung natürlicher Benutzerschnittstellen, wobei die Navigation in künstlichen Umgebungen einen wichtigen Aspekt intuitiver Bedienbarkeit darstellt (vgl . Hale & Stanney 2014) . Dabei gibt es eine Reihe von Fortbewegungstechniken, die von aktuellen virtuellen Welten unterstützt werden . Boletsis (2017) analysierte 36 Studien, die sich zwischen 2014 und 2017 mit den verschiedenen Navigationsmöglichkeiten beschäftigten . Dabei identifizierte er 11 unterschiedliche Techniken, wobei das Laufen auf der Stelle und das Navigieren mittels eines Eingabegerätes (Controller) am häufigsten vertreten waren . Das Laufen auf der Stelle lässt sich mithilfe eines Trackingsystems integrieren . Damit es realisiert werden kann, müssen die Füße der Probanden zuvor mit Sensoren ausgestattet werden . Dieses Verfahren kann schnell umgesetzt werden, benötigt aber eine Trainingsphase, da die Probanden sich an die virtuellen Bewegungsabläufe zunächst erst gewöhnen müssen . Bei der Navigation mittels eines Eingabegerätes löst ein Knopfdruck eine virtuelle Bewegung aus, die Körperbewegung der Nutzerin bzw . des Nutzers spielt dabei keine Rolle . Diese Klasse der Navigation lässt sich sehr einfach realisieren und wird deswegen häufig eingesetzt . Boletsis (2017) stellte in seinem Review fest, dass die Forschung zu Fortbewegungstechniken hauptsächlich auf Aspekte der Usability beschränkt ist und weitere psychologische Aspekte vernachlässigt . Meyer und Pfeifer (2017) untersuchten, ob natürliche Handbewegungen in einem virtuellen Trainingsprogramm einen signifikant positiven Einfluss auf den Lernerfolg im Vergleich zur Nutzung eines Controllers haben . Als Umgebung diente ein virtuelles Labor, in welchem im Rahmen eines medizinischen Kontextes eine Infusion vorbereitet werden sollte . Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die Nutzung von natürlichen Handbewegungen in der virtuellen Umgebung tendenziell positiv von den Versuchspersonen aufgenommen wird, jedoch nicht signifikant positiver als die Nutzung der Controller . Bezogen auf den Lernerfolg wurde keine signifikante Differenz zwischen den beiden Testbedingungen gefunden, allerdings einen Effizienzunterschied, welcher sich darin äußerte, dass die Probanden ihre Aufgaben schneller bewältigten, wenn sie natürliche Handbewegungen vollführen konnten (vgl . Meyer & Pfeifer 2017) . In einem Zwischenfazit ist festzustellen, dass sich der Forschungsstand zur räumlichen Wahrnehmung und den Interaktionsmöglichkeiten in virtuellen Umgebungen variantenreich und im Hinblick auf die Befunde zum Teil heterogen darstellt . Die Auswahl der exemplarisch vorgestellten Studien zeichnet sich durch differente kontextuelle Einbettungen, unterschiedliche Schwerpunktsetzungen und eine differente Forschungsmethodik aus . Obwohl die Ergebnisse damit nur begrenzt übertragbar sind,

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können sie möglicherweise dennoch erste Ansatzpunkte zur Gestaltung und weiteren Erforschung von virtuellen Lern- und Arbeitsräumen liefern . 4.

Lerntheoretische Ansätze und Konzepte

Forschungsbefunde zur Medien-, Usability- und Lehr-Lern-Forschung belegen, dass weniger das gewählte Medium (bzw . die gewählte Technologie) als vielmehr seine Usability, das räumliche Präsenzerleben, das Flow-Erleben, die kontextuelle und situationsbezogene Einbindung des Lehr-Lern-Arrangements sowie das didaktische Design für den Lernprozess effektrelevant sind (vgl . Hinkofer & Mandl 2003; Rey 2009; Jahnke 2016; Zinn, Guo & Sari 2016) . Auch wenn bei didaktischen Entscheidungen die lerntheoretischen Ansätze und Konzepte oftmals keine unmittelbare handlungspraktische Relevanz für das didaktische Design haben, so liefern diese Theorien den Lehrenden dennoch vielfältige Hinweise, wie sie das didaktische Design gestalten können bzw . sollten (vgl . Reinmann et al . 2013), so dass sie eine mittelbare praktische Bedeutung für die Konzeptionierung von technologiebasierten Lehr- und Lernarrangements besitzen . Im folgenden Abschnitt geht es daher um die Klärung der Frage, welche Theorien und Ansätze bedeutsam für das Lernen in technologiebasierten Erfahrungswelten sind und welche Konsequenzen sich hieraus für die Gestaltung entsprechender Umgebungen ergeben . Anknüpfend an einer Literaturanalyse angloamerikanischer Publikationen im Bildungssektor von Loke (2015) sowie deutschsprachiger Publikationen (vgl . z . B . Robben & Cermak-Sassenrath 2010; Weibel & Wissmath 2011; Zinn, Guo & Sari 2016; Schuster et al . 2016), erachten wir folgende Theorien und Ansätze für das Lehren und Lernen mit technologiebasierten Erfahrungswelten für besonders bedeutsam: Embodied Cognition, Erfahrungsbasiertes Lernen, Situiertes Lernen, Konstruktivismus, Sozialkonstruktivismus, Präsenztheorie, Flow-Theorie und Cognitive Load Theory . Arbeiten zur Embodied Cognition belegen, dass körperliche Zustände einen basalen Einfluss auf die Kognition und das menschliche Handeln nehmen (vgl . Storch et al . 2010) . Nach dem Ansatz des Embodied Cognition nehmen sensorische Funktionen sowie die komplexe Interaktion mit der Umwelt eine entscheidende Rolle bei kognitiven Prozessen ein (vgl . Kaltner 2015) . Demnach werden beispielsweise im Lernprozess bei einer Person mit einer aufrechten Körperhaltung unterbewusst auch mentale Konzepte wie Moral oder Dominanz verbunden . Knapp formuliert bedeutet Embodiment, dass kognitive Prozesse in der komplexen körperlichen Interaktion mit der Umwelt verankert sind . Der Ansatz des Embodied Cognition geht dabei von mehreren Grundannahmen aus, die von Wilson (2002) wie folgt zusammengefasst werden: (a .) Kognition ist situiert und impliziert immer eine Interaktion zwischen Wahrnehmung und Handlung . (b .) Off-Line-Kognition ist körperbasiert, d . h . auch von der unmittelbaren Umgebung losgelöste Vorgänge basieren auf fundamentalen sensomotorischen

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Prozessen . (c .) Kognitive Prozesse dienen der Handlungen und müssen damit als Beitrag zu situationsangepasstem Verhalten betrachtet werden . (d .) Die Kognition kann auf die Umgebung ausgelagert werden: Da uns nur begrenzte Arbeitsgedächtniskapazität zur Verfügung steht, sind wir darauf angewiesen, unsere Umwelt so zu nutzen, dass wir die für Informationsverarbeitung erforderliche Arbeitsleistung minimieren . (e .) Durch den kontinuierlichen Informationsaustausch ist es schwer, zwischen Körper und Umgebung zu unterscheiden . (f .) Kognition läuft in Echtzeit ab . (vgl . Wilson 2002) . Ausgehend von diesen Prinzipien werden Informationen zu einem bestimmten Vorgang in den verschiedenen Sinnesmodalitäten in Form einer multimodalen Erfahrung gespeichert . Bei Erinnerung an eine Kategorie (z . B . Geruch) werden multimodale Repräsentationen reaktiviert, um mental zu simulieren, welche Wahrnehmungen und Handlungen mit der Erfahrung zusammenhängen . Folgt man dem Ansatz des Embodied Cognition, so sind in den technologiebasierten Erfahrungswelten der Nutzerin bzw . dem Nutzer möglichst vielfältige auditive, visuelle und sensomotorische Erfahrungsräume bereitzustellen, um sie bzw . ihn im Lernprozess zu unterstützen . In komplexen Erfahrungsräumen könnte auch die Theorie des Erfahrungsbasierten Lernens von Relevanz sein . Angelehnt an Dewey (1938) formuliert Kolb (1984) einen erfahrungsbasierten Lernzyklus, der auf vier Zyklen basiert: konkrete Erfahrung, Beobachtung und Reflexion, abstrakte Begriffsbildung und aktives Experimentieren . Nach Kolb (1984) ist das Lernen ein stetiger Prozess und kann in formalen Bildungssituationen nur in Kombination mit konkreten individuellen Erfahrungen effektiv sein . In virtuellen und anderen technologiebasierten Erfahrungswelten kann dieser Erfahrungsraum geschaffen werden, indem die Nutzerinnen und Nutzer über natürliche Benutzerschnittstellen mit ihrer Arbeitsumgebung realitätsnahe interagieren (vgl . Haase et al . 2015) . In einer Studie mit Medizinstudierenden wurde beispielsweise nach einem Rollenspiel in einem virtuellen Krankenhaus bei der Nachbesprechung mit einem Tutor festgestellt, dass die Reflexionsleistung der Probanden in den virtuellen und realen Umgebungen ähnlich verliefen, was dafür spricht, dass erfahrungsbasiertes Lernen in virtuellen und realen Räumen vergleichbar verlaufen kann (vgl . Loke, Blyth & Swan 2012; Loke 2015) . Für das Lernen in virtuellen Umgebungen und in der um virtuelle Elemente erweiterten realen Welt kann somit die Theorie des Erfahrungsbasierten Lernens relevant werden, weil Lernende in künstlichen (realitätsnahen) Umgebungen konkrete (virtuelle) Erfahrungen sammeln können, die dann das Verhalten auch in realen Umgebungen beeinflussen können . Auch der Ansatz des Situierten Lernens geht davon aus, dass Lernprozesse immer in einem zu beachtenden Anwendungsprozess bzw . in einer Situation erfolgen (vgl . Lave & Wenger 1991; Wenger 1998) . Unter dem Begriff „Situation“ wird dabei sowohl die materielle als auch soziale Umwelt des Lernenden eingeordnet, und es wird davon ausgegangen, dass das Lernen effektiv ist, wenn ein situativer Bezug zur späteren Berufs- und Arbeitswelt hergestellt wird . Im berufsschulischen Unterricht wird dem situierten Lernen eine hohe Bedeutung beigemessen . Dies ist spätestens mit der

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Einführung des Lernfeldkonzepts deutlich geworden (vgl . KMK 2007) . Die tatsächliche Umsetzung und Integration von komplexen beruflichen Situationen am berufsschulischen Lernort ist aber oftmals mit einer Reihe von grundlegenden Problemen (z . B . hohe Anschaffungskosten und Komplexität der Maschine, Risikofaktoren in der Arbeitsumgebung) verbunden . Geht man davon aus, dass virtuelle Umgebungen vergleichbare Situationen bieten, die dasselbe Verhalten und Denken bei Lernenden auslösen wie eine reale Situation (vgl . Loke 2015), so könnte mit virtuellen Umgebungen auch das situationale Lernen am berufsschulischen Lernort unterstützt werden . Lernen und Arbeiten in virtuellen Umgebungen ist ungefährlich, es entsteht weder Materialverschleiß, noch können Schäden an Maschinen entstehen – die Möglichkeit praxisnaher Gestaltung oder Modifizierung der Ausbildungssituationen wäre gegeben (vgl . Blümel, Jenewein & Schenk 2010; Katzky et al . 2013) . Technologiebasierte Erfahrungswelten eignen sich grundsätzlich, um situationales Lernen zu unterstützen . Inwieweit virtuelle Erfahrungen aber tatsächlich mit realen Erfahrungen vergleichbar sind und welchen Wert sie im Vergleich zu anderen realen Lernformen haben, ist bisher nicht hinreichend geklärt, die Befundlage stellt sich heterogen dar . Die modernen natürlichen Benutzerschnittstellen unterstützen zwar die visuellen und sensomotorischen Erfahrungen in virtuellen Umgebungen auf vielfältig Weise, die Interaktion in der virtuellen Welt oder der durch Virtualität angereicherten Welt entspricht jedoch meistens nicht exakt der sensomotorischen Erfahrung in der realen Umgebung . Übertragen auf technologiebasierte Erfahrungswelten, impliziert der Konstruktivismus, dass Erfahrungswelten den Lernenden Optionen bieten sollten, mit der Lernwelt zu interagieren und ihr Wissen selbst konstruieren zu können (vgl . Shute, Rahimi & Emihovich 2017) . Der Konstruktivismus, der vor allem auf die Arbeiten von Dede (1995), Dickey (2005) und Papert (1980) zurückzuführen ist und dabei auf Arbeiten von Piaget zurückgreift, besagt, dass Menschen mit ihren Wahrnehmungen die Welt nicht einfach „abbilden“ können, sondern individuell „konstruieren“, indem sie ihre eigene Repräsentation der Welt erschaffen . Folgt man diesem Ansatz, können technologiebasierte Erfahrungswelten durch ihre technologischen Optionen als interaktive Orte genutzt werden, an denen Lernende ihr Wissen durch die Anwendung multipler Tools entwickeln können . Es wird außerdem angenommen, dass die den Menschen umgebende Welt keine objektiv gegebene, sondern eine sozial konstruierte Wirklichkeit ist . In der Theorie des Sozialkonstruktivismus, die sich auf die Arbeiten von Vygotsky (1978) stützt, wird davon ausgegangen, dass Lernen maßgeblich auch auf der Basis sozialer Interaktionen erfolgt . Die Lernentwicklung nimmt dabei immer auf einem interpsychologischen (sozialen) Level ihren Anfang und geht dann mit der Zeit in ein intrapsychologisches (individuelles) Level über . Höhere mentale Funktionen werden dadurch erworben, dass eine Person diese Funktionen zunächst in der Interaktion mit einer anderen Person ausführt . Eine besondere Form des Lernens in der (virtuellen) Gruppe ist das kollaborative Lernen, bei der die Gruppenmitglieder koordiniert und synchron zu-

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sammenarbeiten . Dabei wird von der Gruppe versucht, eine gemeinsame Auffassung des Problems zu finden und aufrechtzuerhalten (vgl . Roschelle & Teasley 1995) . Dazu werden unter den Gruppenmitgliedern Informationen ausgetauscht, unterschiedliche Meinungen diskutiert und gemeinsam Entscheidungen getroffen . Es herrscht Übereinstimmung darüber, dass die Interaktivität zwischen den Kollaborationspartnern eine große Rolle für den Erfolg der Gesamtarbeit spielt . Dabei ist nicht die Häufigkeit der Interaktionen entscheidend, sondern inwieweit sich die Interaktionen und die kognitiven Prozesse der Partner gegenseitig beeinflussen (vgl . Dillenbourg 1999) . Kollaborativ orientierte Gruppen unterscheiden sich von individuell orientierten Gruppen dadurch, dass ihre Mitglieder miteinander und nicht nebeneinander arbeiten . Barron (2000) konnte zeigen, dass die Qualität der Interaktion positiv mit der Effektivität der kollaborativen Gruppenarbeit korreliert . Gängige virtuelle Umgebungen stellen vielfältige Tools zur Verfügung, um das kollaborative Lernen und Arbeiten zu fördern . Folgt man den Annahmen des Sozialkonstruktivismus und überträgt diese auf technologiebasierte Erfahrungswelten, scheint die Verwendung kollaborativer Tools sowie die Ermöglichung vielfältiger verbaler und nonverbaler Interaktionen zwischen den Nutzern, auch in Form von Avataren, zur Unterstützung von Lernprozessen beizutragen . Gekoppelt mit der Forschung zu virtuellen Umgebungen erschienen bereits in den 1990er Jahren zahlreiche Publikationen im Journal „Presence: Teleoperators and Virtual Environments“, die ein tieferes Verständnis zur Präsenztheorie lieferten (vgl . Hendrix & Barfield 1995; Slater, Usoh and Steed 1994; Slater 1999; Witmer & Singer 1998; Zeltzer 1992) . Zwar gibt es keine einheitliche Definition von Präsenz, doch stammt eine im Kontext von virtuellen Umgebungen häufig benutzte Begriffsbestimmung von Wittmer und Singer (1998): „the subjective experience of being in one place or environment, even when one is physically situated in another“ (Wittmer & Singer 1998, S . 225) . Wittmer und Singer untersuchten das Präsenzerleben im Rahmen der Militärausbildung und ermittelten positive Zusammenhänge zwischen der Arbeitsleistung und der in der virtuellen Umgebung wahrgenommenen Präsenz . Lombard und Ditton (1997) zeigen aber auch, dass es Aufgabenbereiche gibt, in denen die wahrgenommene Präsenz hinderlich sein kann . Daher wird empfohlen, den Nutzern die Möglichkeit zu geben, den Grad des Präsenzerlebens in der virtuellen Umgebung durch die Manipulation von Einflussfaktoren (u . a . Nutzung eines Avatars, Multisensorik) selbst zu steuern . Das in virtuellen Umgebungen wahrgenommene Präsenzerleben korreliert mit dem Flow-Erleben (vgl . Weibel & Wissmath 2011; Zinn, Guo & Sari 2016) . Bei der Flow-Theorie wird davon ausgegangen, dass eine Person eine Tätigkeit als beglückend erleben kann und diese als ein einheitliches „Fließen“ erlebt . Die Person nimmt dabei keine oder kaum eine Trennung zwischen sich und der Tätigkeit war (vgl . Csikszentmihalyi 1997) . Die wichtigste Bedingung des Flow-Erlebens ist dabei, dass die Fähigkeit und Handlungsanforderung der Person subjektiv zusammenpassen . Ein Flow-Erleben

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kann sich dann einstellen, wenn die handelnde Person weder unter- noch überfordert ist . In der pädagogischen Psychologie wird das Flow-Erleben als leistungsrelevante Komponente der Lernmotivation (vgl . Engeser et al . 2005), die eine motivationssteigernde Wirkung hat, beschrieben (vgl . Sherry 2004; Voiskounsky et al . 2004) . Um ein Flow-Erleben generell zu begünstigen, sollte bei der Gestaltung einer (virtuellen) Lernumgebung daher ein bestmögliches Verhältnis zwischen den Fähigkeiten der Nutzer und den konkreten (virtuellen) Lernanforderungen angestrebt werden . Die optimale kognitive Belastung spielt in Lernprozessen generell und speziell auch in virtuellen Realitäten eine entscheidende Rolle . Die Kombination von (zu) hoher extrinsischer und intrinsischer Belastung kann zu einer kognitiven Überlastung („cognitive overload“) führen und den Wissenserwerb beeinträchtigen . In seiner Cognitive Load Theory (CLT) beschreibt Sweller (1994, 2011) verschiedene Belastungsarten, welche beim Lernen auftreten können und den Wissenserwerb beeinflussen . Die Theorie lehnt sich an das Modell der Architektur des menschlichen Gedächtnisses von Baddeley (1992) an und geht davon aus, dass die Arbeitsgedächtniskapazität begrenzt ist und gleichzeitig nur eine bestimmte Menge an Informationen behalten kann . In der CLT werden drei Arten von Belastungen des Arbeitsgedächtnisses unterschieden . Die Belastung, welche durch die Art des Lernmaterials hervorgerufen wird, bezeichnet Sweller (1994) als intrinsische Belastung („intrinsic load“) . Diese wächst mit der Anzahl an den gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis befindlichen Elementen, wobei das Ausmaß der intrinsischen Belastung auch vom Expertisegrad des Lernenden abhängt . Die zweite Belastung, die in der CLT spezifiziert wird, ist die extrinsische („extraneaous load“) . Diese ist direkt durch das instruktionale Design des Lernmaterials beeinflussbar . Durch die kognitive Anstrengung beim Automatisieren von Schemata entsteht zusätzlich die lernbezogene Belastung („germane load“) . In diesem Kontext zeigen Murcia-López und Steed (2016), dass räumliche Wissensaufgaben in virtuellen Umgebungen im Vergleich zu desktopbasierten Umgebungen nur dann besser gelöst werden, wenn die virtuelle Umgebung hinreichend komplex ist . Aber was ist hinreichend komplex? Bislang liegen keine eindeutigen domänenübergreifenden Hinweise bezüglich optimaler Gestaltungsformen von virtuellen Lern- und Arbeitsumgebungen vor (siehe Abschnitt 3) . Einzelne Studien deuten zwar daraufhin, dass vielfältige Handlungsmöglichkeiten in der virtuellen Umgebung das episodische Gedächtnis allgemein unterstützen (vgl . Plancher et al . 2013) . Da aber eine interaktive virtuelle Umgebung auch mit großem ökonomischem Aufwand verbunden ist, stellt sich die Frage, ob der Mehrwert komplexer interaktiver Umgebungen tatsächlich gegeben ist oder unter Umständen sogar einen „cognitive overload“ verursachen kann . Um eine lernbezogene Überlastung zu vermeiden, könnte der Expertisegrad der Nutzer abgeschätzt und in die Konzeptionierung technologiebasierter Erfahrungswelten einbezogen werden .

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5.

Zusammenfassung und Ausblick

Anschließend an die bisherigen Ausführungen und in Anlehnung an die verbreiteten Erwartungen an E-Learning im Allgemeinen stellt sich die Frage, ob das Lehren und Lernen in technologiebasierten Erfahrungswelten eine bessere Anpassung an die individuellen Bedürfnisse ermöglicht und tatsächlich zu besseren Lernergebnissen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung führt . Wie eingangs formuliert, wird erwartet, dass entsprechende Lern- und Arbeitsumgebungen mit vielfältigen Vorteilen für die Lernund Arbeitswelt verbunden sind . Aber gehen mit der bloßen Verwendung von neuen technologiebasierten Erfahrungswelten per se Optimierungen einher? Nein, hier besteht kein Automatismus! Unseres Erachtens geht es dabei vielmehr um die Klärung der förderlichen und hinderlichen Rahmenbedingungen im Kontext der spezifischen Nutzergruppen, der fokussierten Kompetenzen, der verwendeten Technologie und der methodisch-didaktischen Umsetzung einschließlich der gewählten lerntheoretischen Bezüge . Ausgehend von den oben skizzierten Anknüpfungspunkten sowie dem Forschungsstand zu den wahrnehmungsbezogenen Aspekten des Lehrens und Lernens in technologiebasierten Erfahrungswelten, befinden sich die im Sammelband fokussierten Technologien vielerorts noch in Entwicklungs- und Erprobungsphasen . Zielgebend scheint es daher zu sein, entsprechende Umgebungen so weiterzuentwickeln, dass sie individuelle fachliche und überfachliche Anforderungen der Nutzer erfüllen können und gleichzeitig ohne größeres spezielles technologiebasiertes Vorwissen intuitiv bedienbar sind, was letztlich auch die technologiebezogene Akzeptanz steigern könnte (vgl . Zinn & Pletz 2019) . In dieser Hinsicht wäre es denkbar, den Nutzern selbst auch die Möglichkeit zu geben, die Umgebungsvariablen an die eigenen Vorkenntnisse anzupassen . Dies kann einerseits zur motivationalen Förderung beitragen und andererseits die Lernenden dabei unterstützen, ihre kognitiven Kapazitäten adaptiv zu nutzen . Im Zusammenhang mit KI-Systemen wird davon ausgegangen, dass zukünftig die Option bestehen wird, anhand der kognitiven Belastung der Nutzer das Interface und die Informationsgehalte der Anwendung automatisiert anzupassen . Die Weiterentwicklung der technologiebasierten Erfahrungswelten zielt daher vor allem auf die Erweiterung natürlicher Benutzerschnittstellen und auf neue Interaktionsmöglichkeiten ab . Obwohl diverse Studien zur Wahrnehmung von technologiebasierten Erfahrungswelten existieren (s . o .), sind die Forschungsdesiderate bezüglich der Gestaltung längst nicht ausgeschöpft . Zwei Aspekte sind hier interessant: (1 .) die Analyse der Wahrnehmungsmodalitäten und (2 .) deren Kombinationsmöglichkeiten . Dazu gehören u . a . visuelle Elemente, Darstellungsform (schematisch vs . realistisch), Gestaltung des Selbst- oder Fremd-Avatars sowie die Einbindung von adaptiven Informationen . Ausgehend von der Cognitive Load Theory kann eine informationsreiche Umgebung durch kognitive Überforderung sogar zu einer ineffizienten Arbeitsweise führen . Je mehr Vorwissen eine Person besitzt, desto weniger kann ein möglicher „intrinsic cognitive load“ erfolgen und desto mehr kognitive Kapazitäten stehen für die

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Informationsaufnahme zur Verfügung . Ausgehend von dieser Erkenntnis sollte bei der Gestaltung entsprechender Umgebungen nicht nur der Komplexitätsgrad der Inhalte, sondern auch der Grad der Expertise der Nutzer berücksichtigt werden . Die angerissenen Forschungsdesiderate der Mikroebene sollten immer wieder überdacht werden, weil eine dynamische Entwicklung der einzelnen Technologien erfolgt . Darüber hinaus scheint es prüfenswert zu sein, inwiefern die auf der Mikroebene gewonnenen Erkenntnisse einen Einfluss auf die Meso- und Makroebene der technologiebasierten Erfahrungswelten nehmen . Die effektive Nutzung von technologiebasierten Erfahrungswelten setzt nicht nur optimale technische und umgebungsbezogene Gegebenheiten voraus, sondern adressiert auch gesellschaftliche und soziale Aspekte . Mit den technologiebasierten Erfahrungswelten und einer anzunehmenden weiteren Verschmelzung von virtuellen und realen Lehr- und Lernwelten sind auch grundlegende erkenntnistheoretische Fragestellungen verbunden . Während (wirkliche) Realitäten einer Erkenntnislogik von Abduktion, Deduktion und Induktion zugeführt werden können und im Hinblick auf ihren Aufbau, ihre Verlässlichkeit und ihre Kohärenz anhand vorliegender wissenschaftlicher Aussagesysteme überprüft werden können, stellen sich entsprechende Analysen zu virtuellen Realitäten „eingeschränkt“ dar . Virtuelle Umgebungen können von der Wirklichkeit unabhängige Konstrukte sein, sie müssen nicht den Naturgesetzen entsprechen und die „wirkliche“ Realität darstellen . Manchmal ist es sogar vorteilhaft, dass virtuelle Realitäten die Wirklichkeit in modifizierter Form darstellen, vielmehr sollen sie diese nur anschaulich erklärbar machen . Damit ergibt sich im Bezugsfeld eine elementare Dilemmata-Situation . Auf der einen Seite ermöglichen virtuelle Lernwelten neue Lern- und Arbeitsmöglichkeiten und können zu Effizienzeinsparungen führen; anderseits besteht die Gefahr, dass sie die Nutzer über die Wirklichkeit (bewusst oder unbewusst) täuschen und die sinnliche „echte“ Erfahrungswelt eingeschränkt widergeben . Um dies zu vermeiden und stattdessen zu gewährleisten, dass das virtuell Geübte möglichst effizient auf reale Situationen übertragen wird, benötigen Lehrende und Lernende im Bezugsfeld der fokussierten Technologien und von deren Verwendung sophistizierte epistemologische Überzeugungen, um sich reflexiv und kritisch denkend mit den (zunehmenden) technologiebasierten Erfahrungswelten in Lehr- und Lern-Arrangements auseinanderzusetzen . Literatur

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User Experience Design und Evaluation in immersiven Virtual-Reality-Umgebungen QI GUO

User experience design and evaluation in virtual reality Zusammenfassung: Die rasante technologische Entwicklung von Benutzerschnittstellen

(User-Interfaces) virtueller Realitäten (VR) bietet den Nutzern eine neuartige Benutzererfahrung (User-Experience) . Gleichzeitig ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, die Design- und Evaluationsprozesse von zweidimensionalen Anwendungen auf dreidimensionale Anwendungen zu übertragen, anzupassen und zu erweitern . Bei der Konzeptionierung von virtuellen Umgebungen ist es deshalb wichtig, nicht nur ein Wissen über die verfügbaren aktuellen Techniken, sondern auch über anwendungsbezogene Strategien zu haben, mit denen die User-Experience weiterentwickelt und bewertet werden kann . Basierend auf den Konzepten der Usability, des User-Interface und der User-Experience fokussiert der vorliegende Beitrag zentrale Entwicklungsprinzipien, technische Prinzipien und narrative Prinzipien, die für den Design- und Evaluationsprozess immersiver VR-Umgebungen hilfreich sein können . Was die vor diesem Hintergrund erforderlichen spezifischen Methoden betrifft, werden die Anforderungsanalyse, das konzeptionelle Design sowie die Bewertung von Prototypen und funktionalen Anwendungen diskutiert . Abstract: The rapid technological development of user interfaces of virtual reality (VR)

provides the users a new user experience, resulting in the need to transfer the design and evaluation processes of two-dimensional applications to three-dimensional applications at the same time . For the conception of virtual environments, it is therefore important to have not only the knowledge of the available current techniques, but also of the application-related strategies for the development and evaluation of the user experience . Based on the concepts of usability, user interface and user experience, the presented article focuses mainly on development principles, technical principles and narrative principles, which can be helpful for the design and evaluation process of immersive VR environments . With regard to the specific methods, the requirements analysis, the conceptual design as well as the evaluation of prototypes and functional applications are also discussed .

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1.

Einleitung

Obwohl der Markt für die Virtual-Reality (VR)-Technologie rund eine Dekade nachdem das Unternehmen Oculus VR den ersten Prototyp eines modernen VR-Headsets (Oculus Rift) in der Entwicklungsversion auf den Markt gebracht hat, heute kleiner ist als erwartet, werden durch die beständige Entwicklung der VR-Hardware (z . B . laufende Aktualisierungen der Produkte HTC Vive und Oculus Rift) und der Technologien der 5G-Datenkommunikation sowie die Diskussion darüber, wie künstliche Intelligenz (KI) genutzt werden soll, weiterhin grundlegend hohe Erwartungen an die VR-Technik und ihre Potentiale gestellt (vgl . Zschiesche & Gschwendtner 2018) . Einschlägige Unternehmen konkurrieren um die nächste Generation der virtuellen Erfahrung und zunehmend mehr Wissenschaftler unterschiedlicher Domänen konzentrieren sich darauf, VR-Umgebungen zu entwerfen und zu erforschen . Für Entwickler von VR-Umgebungen ist es bedeutsam und herausfordernd zugleich, eine für den Benutzer1 überzeugende Erfahrung in einer virtuellen Umgebung zu schaffen, welche im Vergleich zu den 2D-Anwendungen auf PCs andere technische Voraussetzungen berücksichtigen muss, so z . B . die veränderten Interaktionsmöglichkeiten, welche sich u . a . auf die Gestaltung der Benutzeroberfläche auswirken . Das Head-Mounted-Display (HMD) ersetzt beispielsweise den Monitor eines Computers, die Controller in den Händen ersetzen die Maus und die Benutzer bewegen ihren Körper in einem von Sensoren überwachten Bereich, anstatt vor einem Desktop-Computer zu sitzen . Die Virtual Reality Technologie (VR) bietet das Potential, sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich respektive dem Aus- und Weiterbildungssektor gewinnbringend eingesetzt zu werden (vgl . Guo 2015; Zinn 2017) . Um eine effektives VR-Erlebnis entwerfen zu können, ist ein tiefgreifendes Verständnis der Möglichkeiten und Einschränkungen von VR sowie der Art und Weise, wie Nutzer Informationen in immersiven Umgebungen wahrnehmen und verarbeiten, erforderlich . Im Gegensatz zu einem schlechten Design bemerken Nutzer ein gutes weniger deutlich, weil ein gutes Design exakt an ihre Bedürfnisse angepasst sein kann . Die Unzulänglichkeiten eines schlecht umgesetzten Designs werden dagegen meistens deutlich wahrgenommen (vgl . Norman 2013) . Basierend auf dem Forschungsstand zur Entwicklung und Bewertung der Benutzererfahrung in VR-Umgebungen sowie Konzepten zur Benutzererfahrung in desktopbasierten Anwendungen werden im Folgenden grundlegende Prinzipien und Methoden erläutert, anhand derer die Benutzererfahrung in VR-Umgebungen gestaltet und bewertet werden kann . In diesem Zusammenhang ist es zunächst erforderlich, in den nun folgenden Abschnitten die Begriffe Usability, User-Interface und User-Experience einzuführen und zu erläutern . Sodann werden im zweiten Kapitel etablierte Prinzipien

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei nicht geschlechtsneutralen Begriffen die männliche Form verwendet; dies schließt alle anderen Geschlechter ein . 1

User Experience Design und Evaluation in immersiven Virtual-Reality-Umgebungen

des Designs und deren Implementierung vorgestellt . Im dritten Kapitel werden Methoden zur Analyse und Evaluation von Prototypen und funktionalen Anwendungen betrachtet, bevor im vierten Kapitel die vorgestellten zentralen Ansätze zum Design von VR-Umgebungen abschließend diskutiert werden . 1.1

Usability

Der Begriff „Usability“ kann mit Benutzerfreundlichkeit oder Gebrauchstauglichkeit eines Bewertungsgegenstands übersetzt werden . Im technischen Bereich wird der Begriff Usability oft verwendet, um die Benutzerfreundlichkeit der Oberfläche einer Hardware (z . B . Maschine) oder einer Software zu beschreiben und zu bewerten . Die Usability wird von der International Organization for Standardization (ISO) als das Ausmaß definiert, in dem ein Produkt von definierten Nutzergruppen verwendet werden kann, um spezifische Ziele in einem bestimmten Nutzungskontext erstens effektiv, zweitens effizient und drittens zufriedenstellend zu erreichen (vgl . ISO 9241–11 1998) . Die Effektivität beschreibt hierbei die Genauigkeit und Vollständigkeit, mit der Nutzer bestimmte Ziele erreichen . Unter Effizienz wiederum ist zu verstehen, ob der Ressourcenverbrauch im Hinblick auf die Genauigkeit und Vollständigkeit, mit denen Nutzer Ziele erreichen, verhältnismäßig ist . Mit Zufriedenheit werden die Abwesenheit von Unbehagen und die positive Einstellung zum Produkt bezeichnet, gepaart mit der Intention es zu verwenden (vgl . ebd .) . In der einschlägigen Forschung zur Usability werden weitere Komponenten der Usability diskutiert, wie z . B . die Anzahl der Bedienfehler und die Erlernbarkeit, d . h . wie leicht Nutzergruppen die angestrebten Tätigkeiten mit dem Produkt bei der ersten Benutzung umsetzen können (vgl . Nielsen 2012) . Die Erforschung der Usability kann hilfreich sein, um beispielsweise das Design einer Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine oder einer Software zu verbessern . Was interaktive IT-Produkte oder -Systeme anbelangt, ist die Usability einer der wichtigsten Indikatoren für die Qualität der Benutzerschnittstellen aus Sicht der Nutzer, was letztlich auch mitentscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit von Produkten oder Systemen ist (vgl . Zinn, Guo & Sari 2016) . Im Zusammenhang mit Gamification oder der Entwicklung und Erprobung von Serious Games mit interaktiven Computeranwendungen ist die Usability ebenfalls ein zentrales Thema, wenn es gilt, funktionsfähige und als attraktiv empfundene User-Interfaces zu gestalten (vgl . Bolas 1994) . 1.2

User-Interface

Der Begriff „User-Interface“ (UI) kommt ursprünglich aus dem Bereich der Desktop-PCs und bezieht sich hierbei vor allem auf den Befehlsmodus des Monitors unter dem Paradigma von WIMP („windows“, „icons“, „menus“ und „pointer“; vgl . Beau-

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douin-Lafon 2000) . Die Erforschung der Auswirkungen von UIs auf die Benutzererfahrung (User-Experience, siehe Abschnitt 1 .3) bezüglich Desktop-PCs erfolgte bereits in den 1990er Jahren, als sich die Betriebssysteme der Computer zu einem voll funktionsfähigen System entwickelten . Im Jahr 2000 ist die Mensch-Computer-Interaktion (engl .: „human-computer-interaction“, HCI) zu einem interessanten wissenschaftlichen Thema geworden, was die verbesserte Entwicklung von Computeranwendungen in der Informatik betrifft (vgl . ebd .) . Bei der Konzeption, Konstruktion und Entwicklung von Computer-Applikationen spielt die Gestaltung des UI eine entscheidende wichtige Rolle, wenn es z . B . gilt, die Nutzerführung zu optimieren, die Reaktion des Systems auf die Aktionen der Nutzer zu verbessern, Motivation die Nutzer zu erhöhen oder sogar deren Emotionen zu beeinflussen . In der Studie von Agarwal und Meyer (2009) zeigen sich beispielsweise signifikante Unterschiede in den emotionalen Reaktionen von Nutzern auf verschiedene UIs einer Lernanwendung . Die jüngsten Entwicklungen der VR-Hardware sowie von VR-Anwendungsszenarien erfordern eine Neubetrachtung und Neudefinition des UI, da die Darstellung des UI in virtuellen Umgebungen in hohem Maße von den Möglichkeiten der Hardware abhängt . Beispielsweise können Benutzer mit teil-immersiven smartphone-basierten VR-Headsets Interaktionen durch das Anvisieren eines Zielfixierungspunkts mittels Kopfbewegungen vornehmen, während Benutzer mit immersiven HMDs Interaktionen mit den Hand-Controllern und realen Armbewegungen steuern (vgl . Yoo & Parker 2015) . Festzuhalten ist, dass das UI im Kontext der virtuellen Technologie bislang wenig erforscht ist, wenngleich eine wissenschaftliche Betrachtung desselben interessant wäre, um bessere VR-Applikationen zu konzipieren . 1.3

User-Experience

Die Bezeichnung „User-Experience“ (UX) ist im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion weit verbreitet . Definiert wird die UX in diesem Zusammenhang als die Wahrnehmung und Reaktion einer Person, welche aus der Verwendung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung oder der damit einhergehenden Erwartungen resultieren (ISO 9241–210 2010) . UX beschreibt damit die inhärenten persönlichen und bewertenden Gefühle von Nutzern vor, während oder nach der Interaktion mit einem Produkt, einem System oder einer Dienstleistung . Die UX ist dabei dynamisch, kontextabhängig und subjektiv (vgl . Law et al . 2009) . Heute haben viele Bereiche, in denen UX zu berücksichtigen ist, darunter Smartphone-Anwendungen, Webseiten und Computer, durch laufende Entwicklungen und Verbesserungen über die Zeit ausgereifte und bewährte UX-Design-Systeme hervorgebracht (vgl . Garrett 2010; Norman 1986; Obrist et al . 2011) . Im Bereich der immersiven VR-Technologie gibt es dagegen aufgrund der aktuell noch relativ geringen Anzahl

User Experience Design und Evaluation in immersiven Virtual-Reality-Umgebungen

an Nutzern, bestehenden technischen Schwierigkeiten, der schnellen technologischen Entwicklung der Technologie sowie der Vielfalt der technologischen Systeme noch diverse Forschungsdesiderate im Bereich der UX (vgl . Serafin & Serafin 2004; Sharma et al . 2017; Zinn et al . 2020a) . Die Berücksichtigung der UX umfasst nicht nur die Entwicklung des UI und alle Interaktionen mit Soft- und Hardware, sondern auch den direkten oder indirekten Einbezug der potentiellen Nutzer in alle Prozesse der Planung, Entwicklung, Bewertung oder Vermarktung des Produkts . 2.

Prinzipien des UX-Designs und ihre Implementierung

2.1

Entwicklungsprinzipien: iterativer Entwicklungsprozess

Das so genannte „Usability Engineering“ (dt .: „Entwicklung der Benutzererfahrung“) ist eine Entwicklungsmethode für IT-Produkte und basiert auf dem Ansatz des „User-Centered Design“, welches die Endbenutzer aktiv in die Gestaltung von IT-Produkten einbezieht (Hilbrecht & Kempkens 2013) . Die Usability von Software sollte demzufolge gewährleistet sein, indem bei der Konstruktion gewisse Prinzipien beachtet werden, z . B . frühzeitig den Fokus auf die Nutzer und die konkreten Aufgaben der Anwendung zu richten, die Usability empirisch zu bewerten und einen iterativen Designprozess zu durchlaufen (vgl . Gould & Lewis 1985) . Eine Methode zur interaktiven Entwicklung von Anwendungen ist das Konzept der Lean-UX, welches aus der agilen Projektentwicklung stammt und darauf abzielt, in relativ kurzer Zeit eine möglichst optimale UX zu bieten (vgl . Gothelf & Seiden 2013) . Bei der Lean-UX wird das Prinzip verfolgt, Annahmen, nämlich die positive Bewertung der UX, ständig zu überprüfen . Der Beweisprozess, ob die Nutzer die UX positiv bewerten, sollte mit einem einfachen Funktionsprototyp durchgeführt werden, anstatt damit bis zum Projektabschluss zu warten . Das Konzept des so genannten minimalen überlebensfähigen Produkts (engl .: „minimal viable product“, MVP) setzt voraus, dass die einfachste Version des Produkts sofort erstellt und getestet wird, was die Ressourcen sparen und unnötige Kosten für die Suche nach dem produktivsten Weg vermeiden soll . Nur wenn es bei einer Fertigstellung von 20 % des Produkts messbare Belege für die getroffenen Annahmen gibt, wird das Konzept weiterentwickelt (vgl . ebd ., Steimle & Wallach 2018) . Für das UX-Design einer Anwendung in einer VR außerhalb des Spielesektors müssen vor der Entwicklung einige anspruchsvolle Entscheidungen getroffen werden . Dazu zählen Entscheidungen, wie komplex technologische Funktionen und die einzuführenden Inhalte sein sollen und wie hoch die Kosten der Entwicklung und Evaluation sein dürfen . Aus inhaltlicher Sicht sollten jene Elemente in einer VR, die eng mit der Zielsetzung der Anwendung zusammenhängen, so genau wie möglich dargestellt sein, wäh-

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rend dies für irrelevante Elemente nicht gilt . Dies sollten Designer insbesondere berücksichtigen, wenn sie die Effizienz der Anwendung abschätzen . Ebenso sollten sie beachten, wie anspruchsvoll die Anwendung hinsichtlich der einzusetzenden Technologie ist, bevor sie mit dem Entwurf beginnen . Die einzusetzende VR-Hardware kann grundsätzlich so komplex sein wie im Falle eines immersiven VR-System mit Tracking des gesamten Körpers, aber auch so einfach wie im Falle eines Google-Cardboard aus Karton und zwei optischen Linsen, welches es einem großen Kreis von Nutzern von normalen Smartphones ermöglicht, VR zu erleben . Es muss demnach zwischen einer immersiveren virtuellen Erfahrung, welche eine komplexere Hardware erfordert, und einem höheren Verbreitungsgrad, welcher durch einen niedrigeren Aufwand erreicht werden könnte, abgewogen werden . Hierfür kann eine Bewertung der Wirtschaftlichkeit in Form einer Kosten-Nutzen-Analyse hilfreich sein, um mögliche positive und negative Ergebnisse der Investition zu ermitteln (vgl . Westkämper et al . 2006) . Überlegt werden muss bezüglich des UX-Designs aus technischer Sicht außerdem, ob der Nutzer über ausreichend Platz zum Einrichten eines immersiven VR-Systems verfügt, ob das System in wenigen Sekunden gestartet werden kann oder ob eine ungestörte Umgebung mit einer langen Einführung benötigt wird sowie ob Systemfehler selbstständig behoben werden können, falls die Technologie ausfällt . Darüber hinaus gibt es einige optionale Zusätze (engl .: „add-ons“), welche dem basalen VR-System hinzugefügt werden können, z . B . ein Headset-Mikrofon für eine bessere Audioumgebung, Datenhandschuhe für sensitivere Interaktionen und Eye-Tracking-Geräte für genauere Analysen der Blickbewegung . 2.2

Technische Prinzipien: Interaktionen, Navigation, Visualisierung und Simulation

Für das UI-Design im Bereich der Informationstechnologie werden in der ISO 9241–110 (2006) sieben Dialogprinzipien festgelegt, darunter (1) die Aufgabenangemessenheit, (2) die Selbstbeschreibungsfähigkeit, (3) die Kontrollierbarkeit, (4) die Erwartungskonformität, (5) die Fehlertoleranz, (6) die Anpassbarkeit und (7) die Lernförderlichkeit . Diese Prinzipien betreffen dabei nicht nur die Entwicklung der Benutzerschnittstellen, sondern auch das grundlegende System- und Prozessdesign . Inwiefern diese sieben Prinzipien gelten, hängt von der jeweiligen Anwendungssituation ab . Beispielsweise ist hier entscheidend, ob es sich um professionelle Benutzer oder neue Benutzer handelt, in immersiven VR-Umgebungen oder in desktopbasierten VR-Umgebungen und in welchem konkreten Anwendungskontext agiert wird .

User Experience Design und Evaluation in immersiven Virtual-Reality-Umgebungen

2 .2 .1

Interaktionsmethoden

Das UI einer 3D-Umgebung bietet neben den herkömmlichen Interaktionsmöglichkeiten, wie z . B . per Mausklick oder Tastatureingabe, mehr Optionen eine Interaktion umzusetzen . Die Methoden der Eingabe und der Ausgabe sind „natürlicher“ als je zuvor . Diesbezüglich ist in immersiven VR-Anwendungen eine Kombination von Interaktionsmöglichkeiten via Blick, Gesten, Bewegung, Sprache und Ton üblich . Die Interaktion mit der Schnittstelle und die Interaktion mit den dargestellten Inhalten fallen hierbei zusammen, was zu einer Präsenzerfahrung, sprich dem Gefühl, sich in der Welt zu befinden (engl . „being in the world“) und in der Welt zu handeln (engl . „acting in the world“), führen kann (vgl . Steuer 1992; Fontaine 2002) . Beispielsweise nutzt der Nutzer in einer desktopbasierten Umgebung einen Mausklick, um eine Tür zu öffnen . In einer VR würde der Nutzer den Arm ausstrecken, den virtuellen Türknopf greifen, ihn drehen und damit die Tür öffnen . Zu gewährleisten, dass der Nutzer in der VR in das Geschehen eingreifen kann, ist ein Schlüsselkonzept für das Design und die Entwicklung der Interaktionen mit einem immersiven VR-System (vgl . Dörner et al . 2013) . Für die Auswahl sind interaktive Tasten erforderlich . Wenn ein Nutzer seine Hand bzw . den Controller ablegt oder mit einem Lichtzeiger auf die Tasten zeigt, sollten diese hervorgehoben werden, z . B . indem ihre Größe, Form oder Farbe geändert wird (engl .: „hovering“, „highlighting“) . Sagayam und Hemanth (2017) geben einen Überblick über verschiedene Möglichkeiten der Gestenerkennung von Hand-Gesten in VR-Anwendungen, wobei die zentralen Eigenschaften verschiedener Arten von Techniken herausgestellt werden und betont wird, wie wichtig die menschliche Gestenerkennung für die Mensch-Computer-Interaktion ist . Einige der auf dem neuesten Stand der Technik befindlichen Datenhandschuhe können eine haptische Rückmeldung geben, welche aber im Bereich der VR-Anwendungen noch nicht weit verbreitet sind, weil sie technisch sehr komplex sind und folglich hohe Anschaffungskosten verursachen . Dass sie aber in naher Zukunft doch angewendet werden, scheint aber nicht unwahrscheinlich zu sein, könnte doch durch sie das Immersionsgefühl des Nutzers gesteigert werden . Im Falle von virtuellem Sport oder virtuellem Tanz wäre zudem die Möglichkeit, den gesamten Körper zu tracken (engl .: „Body Tracking“), erforderlich . Die Möglichkeiten, mit Objekten zu interagieren, unterscheiden sich je nach VR-Hardware . Bewegungen des Kopfes zur Steuerung des Sichtfelds sind sowohl mit einem immersiven VR-System als auch einem einfachen Cardboard möglich, was, wenn zusätzliche Elemente wie Licht und Schatten hinzukommen, einen authentischen dreidimensionalen Eindruck erzeugt . Durch VR-Systeme mit Controllern kann direkt interagiert werden, während die Interaktionsrealisierung in VR-Setups mit der einfacheren Pappkonstruktion relativ begrenzt ist . Mit den so genannten „Stand-alone-Brillen“ (z . B . einem Cardboard), welche ohne zusätzliches Equipment auskommen, können Benutzer lediglich interagieren, indem sie auf Zielfixierungspunkte

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unterschiedlich lange blicken, verbale Befehle erteilen oder den Kopf bewegen . Wenn der Blick verwendet wird, um mit der VR zu interagieren, sollte für den Nutzer deutlich unterscheidbar sein, wie interagiert und wie einfach „normal geschaut“ werden kann, da andernfalls Bedienfehler auftreten könnten . „Head-up Displays“ (HUD) sind die Anzeigen, die durchgängig im Sichtfeld der Benutzer eingeblendet werden, z . B . in der linken unteren Ecke oder in der Mitte des Bildschirms . Sie können verwendet werden, um in Echtzeit Änderungen von Ergebnissen, die abgelaufene Zeit und anderen Sofortnachrichten anzuzeigen und müssen an die spezifische VR-Anwendung angepasst werden . Beispielsweise sollte eine Nachricht für Nutzer, die eine VR-Brille verwenden, im mittleren Bereich des Sichtfelds dargestellt werden, damit sie permanent sichtbar ist, auch dann, wenn der Kopf gedreht wird . Alternativ könnte es eine Reset-Funktion geben, welche die Position des HUD zurücksetzen kann . Dennoch sind HUD für allgemeine Einstellungen, wie z . B . Lautstärkeeinstellung oder Helligkeitseinstellung des Bildschirms, praktisch . Neben den HUD gibt es zwei Methoden, Menüs zur Interaktion mit der virtuellen Umgebung einzurichten: (1) statische Menüs und (2) dynamische Menüs . Statische Menüs sind feste Interaktionsoberflächen und befinden sich an einer Wand, auf einem Tisch oder auf einer anderen ebenen Stelle, ähnlich wie z . B . Bedienoberfläche an einer Maschine in der Realität . Der Benutzer bewegt sich zum Menü und aktiviert die Tasten im Menü mit den Controllern oder einer Handbewegung . Dynamische Menüs dagegen sind bewegliche Bereiche, welche Nutzer z . B . in der Hand halten oder welche sich automatisch mit dem Nutzer in der virtuellen Umgebung bewegen . Ein Beispiel hierfür ist das Menü in der VR-Zeichnungsanwendung „Tilt Brush“ von der Firma Google, in der die Funktionen durch Tasten rund um die Controller sofort verfügbar sind . Kommt ein dynamisches Menü zum Einsatz, sollte berücksichtigt werden, wie die Objekte räumlich angeordnet sind . Ruft ein Nutzer ein Menü auf, sollte der Designer vorher berücksichtigt haben, ob das Menü andere Objekte verdeckt oder das Menü von anderen Objekten in der VR verdeckt wird . Hilfreich ist hier, wenn verschiedene Menüs verwendet werden und deren Größe an die jeweilige Größe der Umgebung oder an die Entfernung zum Objekt angepasst werden . 2 .2 .2

Methoden zur Positionsveränderung und Fortbewegung

In der VR besteht die Möglichkeit, sich in der virtuellen Umgebung in einem Radius zu bewegen, welcher nicht auf die reale Raumgröße beschränkt sein muss . Zu den bekanntesten Bewegungsmethoden in immersiven virtuellen Umgebungen gehören (1) das „normale Gehen“, (2) die Teleportation, (3) die „Move-in-Place-Bewegung“ und (4) das omnidirektionale Bewegen . Ein so genanntes immersives „Roomscale-VR System“ bietet beispielsweise mit sechs Bewegungsfreiheiten (sechs „Degrees of freedom“, einschließlich der Translati-

User Experience Design und Evaluation in immersiven Virtual-Reality-Umgebungen

onsbewegungsrichtungen und der Rotationsbewegungsrichtungen) die Möglichkeit, sich auf einer begrenzten Fläche (z . B . einem Quadrat mit einer Seitenlänge von jeweils fünf Metern beim System von HTC Vive) tatsächlich fortzubewegen . Durch das körperliche Gehen hat der Nutzer somit das realistischste Bewegungserlebnis in der VR . Um sich aber vom VR-Standpunkt aus weiter entfernen zu können, sind andere Methoden, wie z . B . die Teleportation erforderlich . Die Teleportation, worunter die freie Teleportation und die Festpunkt-Teleportation fallen, ist eine der vorherrschenden controller-basierten Bewegungsmethoden in einem virtuellen Raum (vgl . Frommel, Sonntag & Weber 2017) . Um sich zu teleportieren, zielt ein Nutzer auf den Zielpunkt und betätigt eine Taste auf dem Controller oder visiert den Zielpunkt mit den Augen für mehrere Sekunden an . Am Beispiel des HTC-Vive-Systems sind in Abbildung 1 die Interaktionsebenen in drei Bereiche unterteilt: den Teleportationsbereich, den Laufbereich und den Armbereich .

Abb. 1 Aufteilung von Interaktionsregionen mit Roomscale-VR (Eigene Darstellung).

Die sensorgesteuerte Fortbewegung, bei der die Nutzer auf der Stelle treten um sich fortzubewegen, ist nach der Erfahrung der Forschungsgruppe um Zinn vor allem dann geeignet, wenn nur relativ kurze Distanzen (zwischen 5 und 20 Meter) im virtuellen Raum zurückgelegt werden müssen, weil das längere Auf-der-Stelle-treten von Nutzern oftmals als anstrengend empfunden wird (vgl . Zinn et al . 2020b) . Weitere Möglichkeiten zur Fortbewegung in einer VR sind omnidirektionale Böden, Plattformen mit beweglichen Kugeln wie z . B . der „CyberCarpet“ (vgl . Schwaiger, Thummel & Ulbrich 2007), Schuhe mit beweglichen Kugeln (vgl . Iwata et al . 2005) oder omnidirektionale Navigationslaufbänder, welche aus der Unterhaltungsindustrie stammen (z . B . Virtuix Omni und Cyberith Virtualizer) und sich durch ihre platz-

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sparenden physischen und technischen Eigenschaften auszeichnen . Das Virtuix Omni verwendet beispielsweise eine Laufplattform, um Bewegungen beim Gehen, Drehen, Laufen und Springen zu simulieren . Es erfordert spezielle Schuhe, welche die Reibung mit dem Untergrund reduzieren, so dass die Bewegungen der Füße präzise erfasst werden können . Eine weitere künstliche Methode zur Navigation und Fortbewegung stellt der Einsatz eines Joysticks dar, was aber ergonomische Einschränkungen mit sich bringt . 2 .2 .3

Sichtfeld und Platzierung der Inhalte

Auch die visuelle Distanz zwischen dem Nutzer und den virtuellen Objekten kann die Benutzererfahrung in einer VR erheblich beeinflussen . Eine zu geringe Distanz kann die Augen überanstrengen, wohingegen eine zu große Distanz dazu führt, dass insbesondere Objekte mit Texten und Bildern (nicht anders als in der Realität) nur verschwommen wahrgenommen werden . In einer Studie mit der VR-Brille Gear VR wurde der Zusammenhang zwischen der Entfernung von virtuellen Objekten und dem stereoskopischen Eindruck der Nutzer untersucht . Demnach ist der dreidimensionale Eindruck umso geringer, je weiter die virtuellen Objekte entfernt sind (vgl . Chu 2014) . Je nach Hardware können die geeigneten Abstände, das Sichtfeld und die Auflösung der VR-Brille variieren . Wie in Abbildung 2 dargestellt ist, können verschiedene Bereiche unterschieden werden, an denen virtuelle Inhalte sinnvoll platziert werden können, was von Chu (2014) in Bezug auf das Produkt von Gear VR und von Alger (2015) hinsichtlich des Produkts Oculus Rift untersucht wurde . Während des Entwicklungsprozesses ist es dem Entwickler zwar grundsätzlich möglich, ein UI mit einer Breite von 360 Grad zu erstellen, jedoch ist die Unterteilung der Bereiche hilfreich, um zu entscheiden, wo die wichtigsten Informationen und Elemente platziert werden sollen . Zu beachten ist hierbei, dass der jeweilige genaue Positions- und Winkelbereich des UX-Designs je nach Hardware variieren kann, um ein komfortables Benutzererlebnis zu ermöglichen . Die „Main Content Zone“ (dt: „Hauptinhaltszone“) ist dabei der Bereich, auf den sich der Benutzer konzentriert und mit welchem er hauptsächlich interagiert . Um etwas zu betrachten, das sich nicht in dieser Zone befindet, muss der Kopf oder Körper wie in der Realität gedreht werden . Die statischen oder dynamischen HUDs sollten sich daher immer in diesem Bereich befinden . In der „Peripheral Zone“ (dt . „periphere Zone“) werden Objekte platziert, welche Nutzer an etwas erinnern, Aufmerksamkeit erregen oder anzeigen sollen, dass es weitere Optionen gibt . Beispielsweise kann ein Aufblinken eines Objekts in der peripheren Zone Nutzer dazu anregen, sich in die entsprechende Richtung zu drehen . Für Nutzer ist dagegen nicht sichtbar, was hinter ihnen in der „Curiosity Zone“ (dt .: „Neugier-Zone“) passiert . Um Objekte in diesem Bereich betrachten zu können, muss der Nutzer seinen Kopf oder Körper entsprechend

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Abb. 2 Sichtfeld und Platzierung der Inhalte in VR (vgl. Chu 2014; Alger 2015)2.

drehen . Hardware, welche die Gestensteuerung durch den Körper eingeschränkt und statisch definiert, schließt diesen Bereich allerdings aus . In der so genannten „No-No Zone“ (dt .: „Nein-Nein-Zone“) sollten gar keine VR-Elemente angezeigt werden, außer Elemente der Nutzer selbst (z . B . die Controller, Hände, Avatarkörper), da sonst die Augen bei sehr nahen Objekten zu sehr belastet werden könnten . In der „Skybox Zone“ (dt .: „Horizont-Zone“) befindet sich der Horizont der VR-Umgebung, wo z . B . die umliegende Umgebung wie eine Landschaft mit Bergen oder eine Straße angezeigt wird, ohne dass eine Interaktion möglich ist . Aus technischer Sicht können die Objekte in der Skybox-Zone in der Anwendung durch Bilder ersetzt werden, um die Menge der zu verarbeitenden Daten im virtuellen Szenario zu reduzieren, da weit entfernte Objekte (z . B . über 20 Meter entfernte Objekte beim System Gear VR), wie oben berichtet, den Nutzern ohnehin in flacher Form erscheinen (vgl . Chu 2014) . Was die räumliche Anordnung der virtuellen Objekte angeht, beeinflussen die Entfernung und der Winkel, in welchem die Hände bewegt werden können, die Interaktion in der virtuellen Umgebung . Wenn das VR-Headset und die Controller Positionssensoren haben (was bei einem 6DoF-Headset normalerweise der Fall ist), gilt als Richtwert eine Armlänge als angemessene Entfernung zwischen dem Nutzer und dem Objekt in der VR . Dieser Richtwert sollte nicht nur hinsichtlich des horizontalen Abstands berücksichtigt werden, sondern auch, um die Höhe der Objekte entsprechend

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Der genaue Winkel und Abstand in der Darstellung kann je nach Hard- und Software variieren .

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festzulegen . Um Objekte zu berühren, welche sich über dem Headset befinden, muss der Nutzer seinen Arm anheben oder sich auf den Boden hocken, um ein niedrigeres Objekt zu erreichen . Wenn über eine längere Zeit hinweg mit den Controllern in der Luft gearbeitet werden soll, sollten sich die VR-Elemente eher in der Nähe der natürlichen Armhaltung befinden . Objekte, welche weniger häufig verwendet werden müssen, sollten in ausreichendem Abstand zum Nutzer platziert werden, damit sie nicht versehentlich berührt werden . Häufig benötigte Objekte sollten sich dagegen in der direkten Nähe des Nutzers befinden . 2 .2 .4

Authentizität

Die physikalischen Eigenschaften der virtuellen Objekte in einer VR zu simulieren, ist für ein immersives und realistisches Erlebnis unerlässlich, da sie die kinästhetischen, visuellen, auditiven und olfaktorischen Eindrücke der Nutzer beeinflussen . In einer virtuellen Welt sollten die physikalischen Gesetzmäßigkeiten (z . B . Schwerkraft, Reibung, Beschleunigung) deshalb der Realität entsprechen . Die Landschaft sollte sich beispielsweise nicht bewegen, wenn es keine damit verbundenen Interaktionen gibt . Krueger stellt fest, dass allein die Simulation physikalischer Eigenschaften zentral für eine lebensechte VR-Erfahrung ist (vgl . Hansen 2006) . Einer der „faszinierenden“ Faktoren von VR ist aber die Tatsache, dass in der virtuellen Umgebung auch surreale Elemente als real erscheinen können (vgl . Zinn & Ariali 2020) . Es besteht eben nicht nur die Möglichkeit eine reale, aber komplexe Umgebung zu kopieren, sondern diese auch bewusst zu manipulieren . Es können „vereinfachende“ Elemente verwendet werden, indem beispielsweise dem Nutzer angeboten wird, eine Bedienungsanleitung über einen Button zu öffnen oder die Farbe eines Autos zu verändern, indem ihm eine Farbpalette zur Verfügung gestellt wird, aus der er auswählen kann . Die gesamte VR-Umgebung kann als Schnittstelle der Benutzerinteraktion betrachtet werden . Es sind viele unrealistische und surreale Elemente in der VR möglich, aber dass diese logisch und konsistent aufgebaut ist, ist essenziell (vgl . ebd .) . Die Art und Weise der Gestaltung des Lichts ist ein wichtiger Aspekt für die Wahrnehmung der VR-Umgebung und für das Präsenzerleben . Beim immersiven User-Experience-Design ist die Nachbildung realistischer Lichtmuster, wie sie in der physischen Welt vorhanden sind, noch schwierig, doch wird in der Informatik und Grafikverarbeitung stetig an der Entwicklung von Lösungen für das Rendern einer realistischen Umgebung geforscht (vgl . Slater et al . 2009; Akenine-Moller, Haines & Hoffman, 2018; Mihut et al ., 2018) . Das Simulieren von realem Licht und Schatten ist ein zentrales Element für die Schaffung einer virtuellen, aber realistisch anmutenden Umgebung . Insbesondere die Simulation von Schatten sich bewegender Objekte, wie die der eigenen Hände oder des Körpers des Nutzers, spielen hierbei eine Rolle, sorgt dies doch für einen stärkeren Einfluss auf den Eindruck des Nutzers als in 2D-Um-

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gebungen . Die Kunstwerke „NowForeVR“ der Künstlergruppe „The Swan Collective“ (2016) zeigen z . B ., wie gemischte Lichttechniken, kombiniert mit 3D-Animationen und Malerei, eine immersive virtuelle Umgebung schaffen können . Auditive Elemente können ebenfalls die Immersion und das Präsenzerleben der Nutzer verbessern, indem virtuell eine 360-Grad-Tonumgebung nachgeahmt wird (vgl . Serafin & Serafin 2004) . Beispielsweise könnte die Stimme eines Avatars tatsächlich aus der Richtung kommen, in welcher dieser sich in der virtuellen Umgebung befindet . Eine entsprechende Tonpositionierung ist aber nicht nur im Hinblick auf eine gesteigerte Immersion, sondern auch hinsichtlich kollaborativer Szenarien hilfreich, damit mehrere Nutzer miteinander sprechen können . 2 .2 .5

Einschränkungen der Anwendungen

Aus ergonomischer Perspektive ist die „Motion Sickness“ (dt .: „VR-Krankheit“) eines der am meisten diskutierten negativen Themen, wenn es um die Usability von VR-Umgebungen geht . In unterschiedlichen Studien wurden die technischen und medizinischen Gründe hierfür untersucht, die hauptsächlich darin bestehen, dass der Nutzer seinen Körper bewegt, er diese Bewegung in der VR aber nicht nachvollzogen sieht, was insbesondere für ungleichmäßige Beschleunigungen gilt (vgl . Dörner et al . 2013; Munafo, Diedrick & Stoffregen 2017) . Da das Sichtfeld in einer VR grundsätzlich dem Nutzer zugeordnet ist, sollte die VR-Umgebung nicht ohne ihn bewegt werden, um Motion Sickness zu vermeiden . Weitere unangenehme Gefühle, welche in einer VR verursacht werden können, sind eine Überanstrengung der Augen oder Desorientiertheit . Solche negativen Auswirkungen können vermieden oder eingedämmt werden, wenn einige Aspekte berücksichtigt werden, wie z . B . dass die Bildfrequenz erhöht wird (z . B . mindestens 60 Bilder pro Sekunde bei der Hardware Gear VR), die Nutzer keinen „virtuellen“ Beschleunigungen in der Anwendung ausgesetzt werden sowie die räumliche Anordnung der virtuellen Darstellung konsistent gehalten wird (vgl . Chu 2014) . Des Weiteren muss beachtet werden, dass die Nutzer eines immersiven VR-Systems in der physischen Umgebung nicht an Wände stoßen oder ggf . über Kabel stolpern . Sollte zu befürchten sein, dass Nutzer die in der VR dargebotenen Inhalte beängstigend oder abstoßend finden könnten, sollten sie zuvor davor gewarnt werden (vgl . Hadjidjanos 2016) . 2.3

Narrative Prinzipien: Identitäten und Geschichten

Neben den oben dargelegten technischen Prinzipien gibt es auch eine Reihe von narrativen Prinzipien, um die User-Experience in einer interaktiven und immersiven Umgebung zu steigern . Im Folgenden wird hierauf eingegangen .

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2 .3 .1

Identitäten und Avatare

In VR-Anwendungen wird der Körper der Nutzer in der Regel durch eine virtuelle Figur, den so genannten Avatar, dargestellt . Eine Studie zur Untersuchung der virtuellen Identität zeigt, dass Nutzer ein deutlich stärkeres Gefühl haben, einen virtuellen Körper zu besitzen, wenn die realen Körperbewegungen mit den Körperbewegungen des Avatars konsistent sind und in Echtzeit übertragen werden (vgl . Mottelson & Hornbæk 2017) . Die Eigenschaften des Avatars, wie dessen Geschlecht, Kleidung und Bewegungen, sollten genauso wie die virtuelle Umgebung auf den Nutzer und die entsprechende darzustellende Situation angepasst werden . Der Avatar muss jedoch nicht vollständig mit der realen Person übereinstimmen . Ein Avatar könnte beispielsweise nur eine Teilmenge dessen Eigenschaften verkörpern und müsste auch keinen vollständigen Körper besitzen, solange ein Nutzer sich ihm eindeutig zuordnen kann . Zusätzlich ist es wesentlich, dass verschiedene Nutzer, die sich im selben virtuellen Szenario bewegen, voneinander unterscheiden und ihre Nutzeridentitäten bewahren können . Aus soziologischer Sicht sollten bei der Betrachtung der UX auch soziale Aspekte berücksichtigt werden, insbesondere bei Anwendungen, in denen mehrere Nutzer (also bei so genannten „Multiuser-Anwendungen“) miteinander interagieren . Studien zeigen, dass in kollaborativen virtuellen Umgebungen der so genannte Proteus-Effekt auftreten kann, d . h ., dass das Verhalten von Personen in virtuellen Umgebungen von dem sie vertretenden Avatar beeinflusst wird (vgl . Yee 2014; Yee & Bailenson 2007) . Der Proteus-Effekt in einer VR zeigt, dass der Avatar in einer VR die Selbstwahrnehmung und die Selbstfokussierung der Nutzer verbessern kann (vgl . Vasalou, Joinson & Pitt 2007) . Weil die Nutzer einen Avatar frei wählen und ihn bezüglich dessen demografischen Merkmalen und des äußeren Erscheinungsbilds frei nach ihren Vorstellungen gestaltet können, sind kollaborative VR-Umgebungen im Grunde anonym (vgl . Bailenson, Blascovich & Guadagno 2008) . 2 .3 .2

Narratives Storytelling

Das Prinzip des „Storytelling“ (dt: „Geschichtenerzählen“) kann in einer VR-Anwendung der Benutzererfahrung förderlich sein und den Spaß an der Nutzung, die Immersion und das Präsenzerleben verbessern (vgl . Bucher 2018) . In einer narrativen VR-Anwendung folgen Nutzer dem Story-Skript und lösen die nächste Szene durch ihre Handlungen aus . Beispielsweise kann eine sofortige Reaktion der Anwendung anzeigen, welche Elemente der VR-Umgebung für die nächste Handlung interaktiv sind, Objekte können die Aufmerksamkeit des Nutzers auf sich ziehen indem sie sich bewegen oder blinken, oder auditive Elemente können auf implizierte Veränderungen der Stimmung oder der Geschichte hinweisen .

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Im Kontext des situierten Lernens in der partizipativen Pädagogik ist das Storytelling ein Lehr- und Lernwerkzeug für narrativ zentrierte Lernumgebungen . In „Serious Games“ (dt: „ernsthafte Spiele“) fließen z . B . hierdurch pädagogische Elemente in die Benutzererfahrung ein (vgl . Zyda 2005) . Durch Storytelling ist es einfacher, Nutzer in einen „Flow-Zustand“ zu bringen . Ein „Flow-Zustand“ wird beschrieben als optimaler mentaler Zustand der intrinsischen Motivation, indem die Person vollständig in eine sehr aktivierende Tätigkeit eintaucht, das Gefühl von Zeit verliert und dadurch zeitweise andere Bedürfnisse völlig ignoriert (vgl . Nakamura & Csikszentmihalyi 2002) . 3.

Methoden zur Analyse und Evaluation von UX

Da UX eine interdisziplinäre Thematik ist, welche verschiedene Perspektiven integriert, erfordert ihre Evaluation einen holistischen Ansatz . Verschiedene Interessengruppen auf der Konferenz CHI 2011 identifizierten unterschiedliche theoretische Ansatzpunkte für die UX-Forschung und -Praxis (vgl . Obrist et al . 2011) und klassifizierten diese in verschiedene Bereiche, wie z . B . Mensch/Nutzer, Produkt/Artefakt, Design usw . (vgl . Obrist et al . 2012a) . Themen aus dem Bereich der UX werden in verschiedenen Disziplinen untersucht, insbesondere in der Psychologie . Andere Disziplinen wie die Soziologie, Pädagogik und Philosophie erweitern die Erkenntnisse zur UX über das reine Interaktionsdesign hinaus, z . B . um Perspektiven menschlicher Werte und nachhaltiger Aspekte (vgl . Obrist et al . 2012b) . Obwohl sich die Hardware im VR-Bereich fortlaufend stark entwickelt hat und weiter verändert, gelten die UX-Prinzipien und -Techniken für z . B . Design und Evaluation grundsätzlich weiter fort . Ausgehend von verschiedenen Design- und Entwicklungsansätzen im Bereich VR werden einige mögliche Vorschläge zu einer besseren Gestaltung von UX in diesem Beitrag aufgezeigt . Mittlerweile verfügen Forscher, Entwickler und Designer über eine beträchtliche Anzahl an UX-Methoden, mit denen sie z . B . Interaktionsprozesse entwerfen, Prototypen bewerten oder den Verbrauchermarkt studieren können . Einige dieser Methoden werden exemplarisch im Folgenden diskutiert . 3.1

Anforderungsanalyse und konzeptionelles Design

Im Bezugsfeld der Anforderungsanalyse zur VR-Umgebungen stellt Rogers fest, dass die Wechselwirkungen zwischen den designbezogenen, technologischen und methodischen Aspekten sowie Verhaltensaspekten bei der Erstellung eines konzeptionellen Designs berücksichtigt werden müssen, anstatt sich nur auf theoretische Rahmenbedingungen des Designs zu konzentrieren (vgl . Rogers 2011) . VR-Umgebungen sollten primär einen praktischen Bezug haben (vgl . ebd .) .

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Für den UX-Designer ist es daher zunächst einmal zentral, die potentielle Nutzergruppe im Kontext ihrer spezifischen (Lern-)Ausgangslage und Intention zu analysieren (vgl . Zinn et al . 2020a) . Um eine funktionale Anwendung gut gestalten und entwickeln zu können, muss zunächst diesbezüglich eine Anforderungsanalyse durchgeführt werden, um das Ziel der Anwendung zu bestimmen . Um den potentiellen Markt einer Anwendung zu definieren, kann es hilfreich sein, Personas und Use-Cases (dt: „Anwendungsfälle“) näher zu bestimmen . Personas sind fiktive Benutzercharaktere oder –prototypen, welche über die typischen Eigenschaften der Zielgruppe verfügen . Der Produktentwickler simuliert und analysiert hierfür die Ziele, Verhaltensweisen und Ansichten der potentiellen Nutzer und erstellt eine abstrakte typische Benutzerbeschreibung, welche für das weitere Design und die Strategie des Produkts leitend ist (vgl . Pruitt & Grudin 2003) . Ein Use-Case definiert dabei einen konkreten Anwendungsprozess und umfasst dabei u . a . die Zielsetzung, den Inhalt der Anwendung und wie Nutzer das Ziel der Anwendung erreichen können . Da verschiedene Nutzer unterschiedliche Anforderungen an eine Anwendung haben, sollte ein Use-Case auch Details zu den spezifischen Bedingungen und Interaktionsprozessen für eine spezielle Benutzergruppe enthalten (vgl . Zinn & Ariali 2020) . Um zu analysieren, wie sich Nutzer in den fokussierten Kontexten (z . B . bei einer Arbeitsroutine) in der Realität verhalten und um dieses auf die VR-Umgebung übertragen zu können, hat sich methodisch die Durchführung von so genannten kontextuellen Interviews als zweckdienlich erwiesen (vgl . Holtzblatt & Jones 1993; Beyer, Holtzblatt & Baker 2004) . Bei kontextuellen Interviews wird das klassische Interview mit einer Beobachtung der Nutzer im tatsächlichen Nutzungskontext verbunden . Kontextuelle Interviews eignen sich, um die spezifischen Nutzeranforderungen und -bedürfnisse zu analysieren und etwaige Einflüsse der (Arbeits-)Umgebung auf die Interaktion mit den relevanten Gegenständen aufzudecken . Die Methode der „Experience Map“ (dt: „Erlebniskarte“) verfügt über ähnliche Merkmale wie ein Use-Case oder die Methode des Cognitive Walkthrough (siehe Abschnitt 3 .2 .2 .) . Sie umfasst eine tiefergehende Analyse und Vorhersage des Verhaltens potenzieller Nutzer und beschreibt, wie sich diese in verschiedenen Szenarien von Anfang bis Ende verhalten und auf das System reagieren würden . Diese Überlegungen können auch begründete Hinweise für die weitere Konzeption und praktische Entwicklung von VR-Umgebungen liefern . Die Verwendung entsprechender Methoden zur Anforderungsanalyse soll dem Entwickler zusammenfassend eine klare Vorstellung der Zielgruppe und der Anwendungsfälle geben und letztlich ein begründetes Design der VR-Umgebung ermöglichen . Der Einbezug von potentiellen Nutzern ist ein zentrales Element des partizipativen Designs, um ein Produkt zu entwickeln, welches tatsächlich benötigt wird . Die Berücksichtigung der Akzeptanz von Nutzern bezüglich einer Technologie vor, während und nach ihrer Testung ist ebenfalls wichtig, um frühzeitig einen möglichen

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Widerstand dagegen erkennen und Akzeptanzprobleme reduzieren zu können . Das Technology Acceptance Model (TAM), welches im Jahr 1989 erstmalig zur Untersuchung der Akzeptanz von Computersystemen bei Managern und Beschäftigten veröffentlicht wurde, hat sich z . B . in diesem Kontext bewährt (vgl . Davis, Bagozzi & Warshaw 1989; siehe hierzu auch Pletz & Zinn 2020) . Im Kommunikations- und Designprozess gibt es vielfältige Methoden, um die Abstimmung zwischen Designern und Entwicklern erfolgreich zu gestalten . Die Veranschaulichung von Abläufen mit Bildern, welche ursprünglich aus der Filmindustrie stammt, wird aufgrund der immersiven Eigenschaften von VR mittlerweile auch verwendet, um VR-Anwendungen zu konzipieren und zu entwerfen (vgl . Arnowitz, Arent & Berger 2007) . „Storyboards“ (dt .: „Szenenbücher“) sind eine Reihe von Illustrationen oder Bildern, einschließlich der möglichen Bewegungen und Animationen in den Szenarien, welche von den Designern entworfen werden und die es auf eine einfache und klare Weise ermöglichen, die „Storyline“ (dt: „Handlungsablauf “) der virtuellen Anwendung mithilfe der Bilder zu visualisieren . Beim „Paper Prototyping“ (dt . „Papier-Prototyp“) kann die Anwendung ebenfalls kostengünstig und leicht mittels Skizzen des UI und der virtuellen Umgebungen beschrieben werden . Das Paper Prototyping wird insbesondere auch als effizientes Werkzeug für die Kommunikation mit den Nutzern auf interaktiven Smart-Tablets eingesetzt, z . B . bei Anwendungen mit umfassenden Funktionalitäten (vgl . Snyder 2003) . 3.2

Bewertung von Prototypen und funktionalen Anwendungen

Nachdem eine Demoversion des funktionalen Prototyps einer VR-Anwendung fertiggestellt worden ist, sollten Nutzertests durchgeführt werden . Die Usability kann über eine subjektive Bewertung durch potentielle Nutzer und objektive Fehlerberichte bestimmt werden . Vorteilhaft scheint es dabei zu sein, wenn die Nutzer bereits Kenntnisse zu den Grundlagen der Mensch-Computer-Interaktion im Bezugsfeld von VR-Anwendungen besitzen . Im Folgenden werden verschiedene Aspekte, wie Prototypen und funktionale Anwendungen evaluiert werden können und welche sich im vorliegenden Bezugsfeld als sinnvoll erwiesen haben in einem Überblick vorgestellt . Im Einzelnen sind dies: heuristische Evaluation, Cognitive Walkthrough, Erfassung der Usability, physiologische Aufzeichnung und die Erfassung von emotionalen Faktoren . 3 .2 .1

Heuristische Evaluation

Die heuristische Evaluation kann eine schnelle und ökonomische Rückmeldung zum Interaktionsdesign einer Anwendung in einer frühen Entwicklungsphase liefern . In VR-Umgebungen können hierdurch grundlegende Usability-Probleme frühzeitig er-

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kannt werden, beispielsweise indem herausgefunden wird, dass ein Konzept allgemein nicht zum Ziel der Anwendung passt oder wegen mangelnder Funktionalität, weil z . B . die Nutzer die Objekte nicht manipulieren können . Nielsen (1993) stellt die heuristische Evaluation als wirksamen Ansatz zur Bewertung der Usability vor . Die kooperative Bewertung von Monk et al . (1993) ist ebenfalls eine Alternative . Heuristische Evaluationen werden in der Regel von Experten vorgenommen (engl .: „Expert Review“), welche auf der Basis ihrer Erfahrung verbesserungswürdige Aspekte aufdecken können . Ein Nachteil dessen ist, dass sich diese möglicherweise auf zu kleine Details konzentrieren, welche für einen ersten Prototypen vielleicht noch nicht zentral sind . Nielsen (2000) schlägt deshalb vor, dass ein interner Nutzer-Test mit fünf bis sieben Teilnehmern für einen heuristischen Prototypentest ausreicht, in welchem diese mittels der Methode des „Lauten Denkens“ (engl . „Think-Aloud“) negative und positive Rückmeldung geben können . Kleine Gruppen können die Anwendung auf diese Weise so iterativ testen . Indem die Tests mehrmals wiederholt wurden, konnten die Designer auf der Grundlage ihrer Untersuchungen immer konkreter entwickeln und die größtmögliche Verbesserung des Produkts mit einem vertretbaren forschungsökonomischen Aufwand erzielen . 3 .2 .2

Cognitive Walkthrough

Der „Cognitive Walkthrough“ (dt .: „kognitives Durchlaufen“) ist ebenfalls eine heuristische Methode zur Bewertung von interaktiven Systemen, in welchen Nutzer einer bestimmten Interaktionssequenz folgen oder Aufgaben erfüllen müssen (vgl . Spencer 2000) . Die Designer gehen mental Schritt für Schritt die einzelnen Interaktionsschritte durch und stellen sich vor, ob relevante Informationen von Nutzern bemerkt werden können, ob sie die Aufgabe korrekt erfüllen können und entsprechende Rückmeldungen von der Anwendung erhalten . Der Cognitive Walkthrough ist somit eine einfache, aber effektive Methode, potenzielle Probleme in der Anwendung operativ zu identifizieren (vgl . Wharton et al . 1994) . Weil der Designer tiefgreifende Kenntnisse über die Applikation hat, besteht allerdings die Gefahr, dass er, im Gegensatz zu einer Testbedingung mit unabhängigen Nutzern, etwaige Probleme nicht entdeckt oder Probleme erwartet, die für Nutzer realiter nicht bestehen (vgl . Blackmon, Kitajima & Polson 2003) . Der Cognitive Walkthrough ist insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung der Usability von Relevanz (vgl . Lewis et al . 1990) . Basierend auf dem Interaktionsmodell von Norman (1986), welches die Grundlage für den Cognitive Walkthrough bildet (vgl . Wharton et al . 1994), entwickelten Sutcliffe und Kaur (2000) einen erweiterten Ansatz, um die physischen Handlungen und psychischen Vorgänge von Nutzern in 3D-Umgebungen zu beschreiben und sich den spezifischen Herausforderungen in VR, wie der Navigation, Orientierung und Bewegung, zu stellen .

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3 .2 .3

Erfassung der Usability

Die Usability von Softwareanwendungen kann durch Paper-Pencil-Tests bestimmt werden, welche die Nutzer nach der Erprobung der Umgebung ausfüllen, so dass sie unmittelbar eine Rückmeldung zur Anwendung geben können, was die externe Validität der Tests erhöht (vgl . Sauro & Dumas 2009) . Um einen geeigneten Fragebogen auszuwählen, sollten Aspekte wie z . B . bestehende Zeitbeschränkungen für die Durchführung oder die Angemessenheit für den zu betrachtenden Kontext berücksichtigt werden . Im Folgenden werden einige Usability-Fragebögen beispielhaft aufgeführt . Brooke (1996) entwickelte die „System Usability Scale“ (kurz: SUS, umgangssprachlich: „Quick-and-Dirty Methode“) für Messungen der Usability in möglichst kurzer Zeit, welche häufig verwendet wird . Der „After Scenario Questionnaire“ (ASQ) verwendet drei Likert-Skalen und weist bezüglich der Zuverlässigkeit und Sensitivität des Tests akzeptable Werte auf (vgl . Lewis 1991) . Die „Usability Magnitude Estimation“ (UME) wurde entwickelt, um den Nachteil von Likert-Skalen, die darin bestehen, dass die Antwortmöglichkeiten auf vordefinierte Auswahlen beschränkt sind, zu überwinden, was insbesondere für die subjektiven Dimensionen komplexer körperlicher Stimuli relevant ist (vgl . McGee 2004) . Hierbei schätzen die Personen die einzelnen Items auf einem Kontinuum ein und vergeben Zahlenwerte über die Stärke der Ausprägung . Im Rahmen der Studie von Sauro und Dumas (2009) wurde auch der Subjective Mental Effort Questionnaire (SMEQ) berücksichtigt . Hierbei gibt eine gezeichnete Linie an, wie hoch die mentale Anstrengung bei der Ausführung einer Aufgabe ist (vgl . Zijlstra 1993) . Die Ergebnisse verschiedener Studien zeigen, dass der SMEQ akzeptable Testgütekriterien erreicht . Die UME ist dagegen weniger sensitiv als die anderen Fragetypen (vgl . Sauro & Dumas 2009) . 3 .2 .4

Physiologische Aufzeichnung

Aufgrund der in einer VR bestehenden Interaktionsmöglichkeiten kann die Erfassung von z . B . Körperbewegungen, Kopf- und Handbewegungen, Blickbewegungen, Atemfrequenz, Herzschlag und Puls die Evaluation und Entwicklung der VR-Anwendungen ergänzen (vgl . Slater, Usoh & Steed 1994; Dörner et al . 2013) . Zunehmend wird auch die Methode des „Eye Tracking“ (dt . „Blickerfassung“) im Rahmen von Nutzertests eingesetzt . In einem Eye-Tracking-Datensatz werden in der Regel die Fixationspunkte, Fixationszeiten und die Verläufe der Fixationspunkte aufgezeichnet . Aus der Sicht der UX ist es hilfreich, objektiv feststellen zu können, welche Inhalte die Aufmerksamkeit der Nutzer auf sich ziehen, ob diese Schlüsselelemente wahrnehmen oder ob sie sich auf irrelevante Punkte konzentrieren (vgl . Duchowski 2007; Patle et al . 2018; Sharma et al . 2017) . Darüber hinaus kann die Bewegungsroute des Fixationspunkts auch anzeigen, ob Nutzer den vom Designer festgelegten Lernablauf Schritt

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für Schritt folgen und das Ziel des Trainings erreichen . Pettersson et al . (2018) nutzten beispielsweise ein Eye-Tracking-System, um die allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit von den Testteilnehmern mittels des „Ravens Progressive Matrices“-Test (RPM) in einer VR-Umgebung zu bewerten, und dadurch die Genauigkeit der Ergebnisse zu verbessern . 3 .2 .5

Erfassung von emotionalen Faktoren

Die Immersions- und Präsenzerfahrung in einer VR hat einen erheblichen Einfluss auf die emotionale Reaktion der Nutzer, was bereits in verschiedenen VR-Anwendungen, welche in einem psychotherapeutischen Kontext eingesetzt wurden, nachgewiesen wurde (vgl . Riva et al . 2007) . Bereits vor ca . zwanzig Jahren wurden der VR-Technologie potenzielle Möglichkeit zum Einsatz in der Psychotherapie oder Gesundheitsvorsorge zugesprochen (vgl . Riva 2005) . Beispielsweise kann VR in der Expositionstherapie bei Angstzuständen und spezifischen Phobien eingesetzt werden, was zeigt, dass virtuelle Umgebungen entsprechende Emotionen hervorrufen und damit auch beeinflussen können (vgl . Parsons & Rizzo 2008) . Insbesondere im Zusammenhang mit Anwendungen im Bildungsbereich aber auch in weiteren Anwendungsbereichen (z . B . in Verkaufsszenarien) sollten emotionaler Aspekte im Rahmen der UX analysiert werden . Zusätzlich können sich Licht, Schatten, Farben und sogar Gesichtsausdrücke der Avatare in der virtuellen Umgebung auf mentale Prozesse der Nutzer auswirken (vgl . Agarwal & Meyer 2009) . Aus der Perspektive der pädagogischen Psychologie verfügen VR-Umgebungen als 360-Grad-Umgebungen z . B . durch die Immersion und das Präsenzerleben daher weitaus mehr Elemente, um Einfluss auf die Emotionen der Benutzer zu nehmen, als desktopbasierte Anwendungen (vgl . Diemer et al . 2015) . 4.

Zusammenfassung

Im vorliegenden Beitrag wurden, basierend auf den Konzepten der Usability, des User-Interface und der User-Experience zentrale Entwicklungsprinzipien, technische Prinzipien und narrative Prinzipien, die für den Design- und Evaluationsprozess immersiver VR-Umgebungen hilfreich sein könnten, diskutiert . Auf der Grundlage des einschlägigen Forschungstands wurden für den Entwicklungs- und Bewertungsprozess von VR-Anwendungen relevante Aspekte thematisiert . Die VR-Technologie hat, was Soft- und Hardware betrifft, in den letzten Jahren beträchtliche Entwicklungsschübe erfahren . Trotzdem bestehen nach wie vor noch Einschränkungen bezüglich technischer Aspekte und dahingehend, wie Inhalte erzeugt werden . In Bezug auf VR-Lernumgebungen können die Prinzipien des Usability-Engineering den Entwicklungsprozess

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systematisch unterstützen, um eine effektive, effiziente und zufriedenstellende virtuelle Lernumgebung aufzubauen . In diesem Rahmen ist es vor allem erforderlich, auch die Einschränkungen von natürlichen Schnittstellen, z . B . in sehr komplexen VR-Umgebungen, und die potenzielle Nutzbarkeit für ein aktives Lernen auszubalancieren (vgl . Sutcliffe & Kaur 2000) . Unabhängig vom konkreten Inhalt der Anwendung, sollten als Erstes stets die technischen Aspekte von VR berücksichtigt werden, welche die Möglichkeiten und Grenzen eines sinnvollen Einsatzes abstecken, z . B . ob es sich um eine raumfüllende, immersive oder eine dektopbasierte VR-Umgebung mit Maus und Tastatur handelt . Neben den technologischen Rahmenbedingungen bilden aber auch die innovative Idee, das Konzept der Anwendung und die Bedeutung der Inhalte die zentralen konstruktiven und handlungsleitenden Elemente einer VR-Umgebung . Literatur

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Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären? Ein Überblick zu theoretischen Ansatzpunkten und dem Forschungsstand CAROLIN PLETZ / BERND ZINN

How can technology acceptance of virtual learning and working environments be explained? An overview of theoretical approaches and the state of research Zusammenfassung: Aktuelle Veröffentlichungen zu virtuellen Umgebungen (Virtual

Reality, kurz: VR) gehen von vielversprechenden Einsatzmöglichkeiten der Technologie aus, insbesondere in der beruflichen Aus- und Weiterbildung in technischen Domänen und im Kontext der allgemeinen Diskussion über die Industrie 4 .0 . Zentrale Voraussetzung für den förderlichen Einsatz der VR-Technologie ist allerdings eine positive Akzeptanz durch die betroffenen Nutzergruppen . Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit theoretischen und empirischen Ansatzpunkten zur Erklärung der Technologieakzeptanz von virtuellen Lern- und Arbeitsumgebungen . Er greift nach der thematischen Einleitung zunächst exemplarische Einsatzszenarien der VR-Technologie auf und beschreibt grundlegende theoretische Modelle der Technologieakzeptanz . Anschließend wird über den empirischen Forschungsstand zur Technologieakzeptanz berichtet, um sodann die beeinflussenden nutzerbezogenen, organisationalen und technologiespezifischen Faktoren zu diskutieren . Ausgehend von den vorliegenden Befunden wird ein Forschungsdesiderat bezüglich der Technologieakzeptanz der VR-Technologie in technischen Domänen begründet . Abstract: Recent publications on Virtual Reality (VR) are based on the promising appli-

cation possibilities of the technology, in particular in vocational education and training in technical domains and in the context of the general discussion on Industry 4 .0 . However, the central prerequisite for the beneficial application of VR technology is positive acceptance by the concerned user groups . Based on this context, this paper deals with theo-

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Carolin Pletz / Bernd Zinn

retical and empirical approaches to explain the technology acceptance of virtual learning and working environments . After the thematic introduction, exemplary application scenarios of VR technology and basic theoretical models of technology acceptance will be addressed . Subsequently, the empirical state of research on technology acceptance will be reported and the influencing user-related, organizational and technology-specific factors discussed . Based on the available findings, a research desideratum for the technology acceptance of VR technology in technical domains will be established .

1.

Einleitung

Die „Digitalisierung der Arbeitswelt“ und „Industrie 4 .0“ sind zentrale Themen unserer Zeit (vgl . Andelfinger 2017a) . Regelmäßig wird im Kontext von Industrie 4 .0 von der vierten industriellen oder der „digitalen“ Revolution gesprochen, welche einen flächendeckenden Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien sowie eine weitergehende Vernetzung der physischen mit der digitalen Welt zu einem Internet der Dinge mit sich gebracht hat . Mit Industrie 4 .0 als Hightech-Strategie der Bundesregierung wird das zentrale Ziel verfolgt, „dass sich die Betriebe im Hochlohnland Deutschland im globalen Wettbewerb einen Standortvorteil durch flexible Produktion mit qualitativ hochwertigen Individualprodukten verschaffen“ (Gebhardt, Grimm & Neugebauer 2015, S . 47) . Industrie 4 .0 beinhaltet als Kernelement das Zukunftsbild der „Smart Factory“, in der einzelne Maschinenteile, Geräte oder Materialien vollkommen mit Computerdaten vernetzt sind . Die Kopplung erstreckt sich über die verschiedenen Bereiche der Produktion, der Logistik, des Engineering, des Managements sowie der Internetdienste und ermöglicht einen eigenständigen Austausch von Informationen sowie eine selbstständige Regulation und Steuerung der Maschinen und Systeme bis hin zu vollautomatisierten und sich selbst steuernden Fabriken (vgl . Becker 2015) . Wie jede Revolution zieht auch die digitale Revolution gesellschaftliche Veränderungen und Neugestaltungen in der Arbeitswelt nach sich (vgl . Andelfinger 2017b) . Im Fall von Industrie 4 .0 besteht die Wandlung insbesondere in den Auswirkungen der Einführung neuer disruptiver Technologien auf die Interaktion zwischen Mensch und Maschine sowie Maschine und Maschine . Nach dem sogenannten Werkzeugszenario soll der Mensch zwar trotz erhöhter Automatisierung und Selbstständigkeit der Maschinen und Systeme ein unverzichtbarer Bestandteil der Produktionswelt der Zukunft bleiben (vgl . Windelband & Dworschak 2015), doch rücken Mensch und Technik enger zusammen (vgl . Kärcher 2015) . „Einerseits ist davon auszugehen, dass einfache, repetitive Tätigkeiten verstärkt automatisiert, andererseits der Anteil an komplexen indirekten Tätigkeiten an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik steigen werden“ (Senderek & Geisler 2015, S . 36) . Technologisch anspruchsvolle Anlagen und Werkzeuge sowie komplexe Prozesse erzeugen deshalb andere Kom-

Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären?

plexitäts-, Abstraktions- und Problemlöseanforderungen an die Beschäftigten als bisher (vgl . Becker 2015) und erfordern damit eine höhere interdisziplinäre und flexible Handlungsfähigkeit (vgl . Gebhardt, Grimm & Neugebauer 2015) . Gleichzeitig werden die Beschäftigten möglicherweise weniger in der Lage sein, automatisierte Produktionsprozesse vollständig nachzuvollziehen (vgl . Senderek & Geisler 2015) . Ebenfalls werden sich räumliche und zeitliche Gegebenheiten der Arbeit ändern (vgl . Becker 2015; Zinn 2017) . Im Kontext dieser grundlegenden Veränderungen und des stetigen Fortschritts moderner Informations- und Kommunikationstechnologien bieten neue Technologien das Potenzial, sich evolutionär auf die gesamte Wertschöpfungskette und damit auf den Lern- und Arbeitsalltag von Mensch und Maschine auszuwirken (vgl . Bauer & Horváth 2015) . Eine zentrale Herausforderung für die Unternehmen besteht dabei darin, die Potenziale der neuen Technologien produktiv einzusetzen und die Beschäftigten durch lernförderliche Arbeits- und Produktionssysteme in ihren Kompetenzentwicklungen zu unterstützen (vgl . Senderek & Geisler 2015; Zinn 2017) . Im Fokus des vorliegenden Beitrags steht dabei vor dem Hintergrund des Forschungs- und Entwicklungsprojekt VASE1 die Technologie der virtuellen Realitäten (Virtual Reality, kurz: VR) . Der Grundstein für die VR-Technologie wurde zwar bereits vor gut einem halben Jahrhundert durch Ivan Sutherland (1965) mit dem Essay „The Ultimate Display“ gelegt, der breitflächige Einsatz der Technologie (u . a . in der Unterhaltungsindustrie sowie in den Wirtschafts- und Bildungssektoren) wurde aber erst in den letzten Jahren, aufgrund deutlich verbesserter Soft- und Hardwaresysteme, ermöglicht (vgl . Thomas et al . 2018; Vergara, Rubio & Lorenzo 2017) . Im Bereich der VR-Technologie gibt es bislang kaum Forschung dazu, wie die (potenziellen) Nutzerinnerinnen bzw . Nutzer virtuelle Umgebungen wahrnehmen und bewerten . Da die technische Entwicklung virtueller Umgebungen einer Prüfung von deren vermeintlichen Vorteilen vorauseilt, besteht die Gefahr, dass teure und komplexe Systeme entwickelt werden, die nicht den erwarteten Nutzen bringen (vgl . Schuster 2015) . Damit moderne VR-Technologien ihr Potenzial ausschöpfen und dazu beitragen können, berufliche Lern- und Arbeitsprozesse sowie letztlich die Produktivität eines Unternehmens zu steigern, müssen sie von den angesprochenen Personengruppen (u . a . von Ausbildern bzw . Ausbilderinnen, Auszubildenden oder Fachkräften) akzeptiert und genutzt werden (vgl . Venkatesh et al . 2003) . Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich deshalb mit der zentralen Frage, wie die Technologieakzeptanz der VR-Technologie von Seiten der (potenziellen) Nutzerinnen bzw . Nutzer untersucht werden kann und welche potenziell hemmenden und fördernden Aspekte es hier gibt . VASE (Virtual and Analytics Service im Maschinen- und Anlagenbau) wird durch die BMBF Bekanntmachung „Technikbasierte Dienstleistungssysteme“ des Forschungsprogramms „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ unter dem FKZ: 02K16C110 gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut . 1

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Aufbauend auf der thematischen Einleitung, werden im folgenden Abschnitt Ansatzpunkte zur Nutzung der VR-Technologie in der beruflichen Aus- und Weiterbildung exemplarisch beschrieben, bevor im dritten Abschnitt relevante Begriffe und theoretische Modelle zur Technologieakzeptanz vorgestellt werden . Der Beitrag fokussiert dabei insbesondere das „Technology Acceptance Model“ von Davis (1989), welches als das zentrale Modell der Forschung zur Technologieakzeptanz bezeichnet werden kann und wovon viele Nachfolgemodelle abgeleitet wurden . Im vierten Abschnitt erfolgt eine Bilanzierung des empirischen Forschungsstands zur Technologieakzeptanz, bevor abschließend im fünften Abschnitt zentrale Forschungsdesiderate zur Akzeptanz der VR-Technologie aufgedeckt sowie Anknüpfungspunkte für zukünftige Studien aufgezeigt werden . 2.

Ansatzpunkte von VR in der beruflichen Aus- und Weiterbildung

Moderne virtuelle Lern- und Arbeitswelten bieten authentische Simulationsumgebungen, die situativ angepasst werden können . So können beispielsweise virtuelle Bedingungen geschaffen werden, die unter physisch-realen Bedingungen zu gefährlich oder zu teuer wären, oder Orte erschlossen werden, die in der Realität nicht erreichbar wären (vgl . Schuster 2015) . Es ergeben sich Möglichkeiten, Steuerungs-, Produktions- oder Arbeitsabläufe zu simulieren sowie abbildungsgetreu oder vereinfacht zu veranschaulichen . In Lernkontexten können zum Beispiel Sinnesdaten, die für den Menschen in der realen Welt normalerweise nicht erfahrbar sind, wie Ultraschall oder magnetische Felder, in virtuellen Umgebungen veranschaulicht werden, um komplexe und abstrakte Sachverhalte verständlich darzustellen (vgl . Schwan & Buder 2006) . Innovative Lehr-Lern-Konzepte unter Nutzung der VR-Technologie können dazu beitragen, den Praxisbezug in der berufsschulischen Ausbildung zu stärken und Lehr-Lern-Prozesse zu unterstützen, indem reale berufliche Handlungssituationen virtuell aufbereitet und mit dem berufsschulischen Unterricht vernetzt werden (vgl . Zinn 2015) . Anwendungsbezogene Trainingsangebote können so von den Beschäftigten abgerufen werden, damit sie ihre Arbeitsaufgaben besser bewältigen können, wodurch es ihnen ermöglicht wird, prozessual hinsichtlich ihrer betrieblichen Aufgaben zu lernen und das Lernen bedarfsgerecht in den Arbeitsalltag einzubeziehen (vgl . Gebhardt, Grimm & Neugebauer 2015) . Heute werden sowohl in der betrieblichen Praxis als auch im schulischen Bereich Simulationsumgebungen, in denen komplexe Maschinen in Echtzeit verändert und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden können, genutzt . Innovative VR-Plattformen mit Head-Mounted Displays (HMD) gestatten zudem eine physisch reale Fortbewegung . Mittels natürlicher Benutzerschnittstellen für Visualisierung, Interaktion und Fortbewegung werden neue Interaktionsformen in den virtuellen Lern- und Arbeitsumgebungen möglich . Durch eine unmittelbare Steuerung wird eine authenti-

Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären?

schere Lernerfahrung als in traditionellen Simulationsumgebungen im Bezugsfeld des Ansatzes des Embodiment Learning erreicht, mit dem der Wissenstransfer des Gelernten auf spätere Anwendungssituationen erleichtert werden kann (vgl . Zinn 2017) . „Der zentrale Vorteil der Nutzung natürlicher Benutzerschnittstellen wird dabei insbesondere darin gesehen, dass der Lernprozess ganzheitlich verläuft: Motorische Bewegungsmuster werden in den Lernprozess integriert, das Lernen wird durch deklarative und prozedurale Gedächtnisprozeduren unterstützt“ (Zinn 2017, S . 172) . Des Weiteren fördert die VR-Technologie die räumliche und zeitliche Autonomie der Lernenden, da sowohl räumlich als auch zeitlich flexibel gearbeitet und gelernt werden kann (vgl . Zinn, Guo & Sari 2016) . Einzelne Maschinen sowie ganze Produktionsanlagen oder Arbeitsumgebungen könnten beispielsweise virtuell abgebildet und Schulungen für Mitarbeiter und Kunden unabhängig von Ort, Zeit und dem Vorhandensein der realen Anlagen oder Materialien abgehalten werden . Ebenso könnten Meetings mit Kollegen oder Kunden ortsunabhängig in virtuellen Umgebungen erfolgen . Die Nachteile der Nutzung der VR-Technologie bestehen allerdings aktuell noch in den relativ hohen Anschaffungskosten der HMDs sowie darin, dass für die Darstellung der virtuellen Umgebungen leistungsstarke Computer benötigt werden . Unerwähnt bleiben sollte auch nicht, dass es aufgrund einer Zeitverzögerung zwischen der tatsächlich ausgeführten Kopfbewegung mit dem HMD und der virtuellen Darstellung des geänderten Blickwinkels bei den Nutzerinnen bzw . Nutzern zu Übelkeit („Motion Sickness“) kommen kann . Für Personen mit Behinderungen im Seh- oder Hörbereich bestehen ebenfalls noch Einschränkungen in den Nutzungsmöglichkeiten . Trotz dieser aktuell noch bestehenden Defizite haben virtuelle Lern- und Arbeitsumgebungen das Potenzial, die Anforderungen nach flexiblen und situierten Lernund Arbeitsumgebungen zu erfüllen und sich damit in Form innovativer Lernsysteme förderlich auf den Lern- und Arbeitsalltag der Beschäftigten auszuwirken (vgl . Zinn, Guo & Sari 2016) . Dem vorausgesetzt muss aber beachtet werden, dass neue Technologien von Personen nicht automatisch genutzt werden, sobald sie am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen . Auf der Basis von Marktstudien zur Akzeptanz von Computer- und Online-Lernprogrammen stellten beispielsweise Bürg und Mandl (2005) fest, dass das Angebot an innovativen Lernformaten in den Jahren 2001 und 2002 lediglich von etwa 50 Prozent der Mitarbeitern einmal im Quartal genutzt wurde, obwohl sich die Unternehmen bereits zu dieser Zeit aufgrund eines erhöhten Bildungsbedarfs Vorteile davon versprachen . Um die Technologienutzung besser vorhersagen und positiv beeinflussen zu können, scheint es daher notwendig herauszufinden, warum einzelne Personengruppen Technologien annehmen und nutzen oder sie ablehnen und nicht verwenden . Im Rahmen dieser Problematik hat sich der Begriff der Technologieakzeptanz in der Literatur etabliert (vgl . Bürg & Mandl 2005; Davis, Bagozzi & Warshaw 1989) .

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Carolin Pletz / Bernd Zinn

3.

Begrifflichkeiten und Modelle der Technologieakzeptanz

3.1

Allgemeine Begriffsbestimmung

Im Allgemeinen bedeutet der Begriff Akzeptanz (von lat . acceptare) so viel wie Annahme, Billigung, Anerkennung oder Hinnahme (vgl . Arndt 2010) . Disziplinübergreifend gibt es eine sehr heterogene Anzahl an Akzeptanzansätzen, weshalb ein integrativer Überblick über die verschiedenen Definitionen und Begrifflichkeiten nur schwer möglich ist (vgl . Lucke 1995) . Die Frage, „warum bestimmte Dinge und Meinungen sich durchsetzen und von den Mitgliedern einer Gesellschaft oder einzelner Bevölkerungsgruppen ‚angenommen‘ werden, während andere – manchmal sogar die alltagspraktisch zweckmäßigeren, objektiv vernünftigeren, sozial gerechteren, wissenschaftlich fruchtbareren oder technisch fortschrittlicheren – abgelehnt oder ignoriert werden“ (Lucke 1995, S . 255),

kann als der zentrale Punkt der Akzeptanzbetrachtung benannt werden . Im unternehmerischen oder technologischen Kontext wird vor allem bei der Einführung neuer Produkte und Innovationen, wie neuer Informationstechnologien, von Akzeptanz gesprochen (vgl . Bürg & Mandl 2005) . Technologieakzeptanz wird als die positive Annahmeentscheidung einer Innovation durch die Anwender bezeichnet (vgl . Simon 2001) . In der Literatur herrscht keine Einigkeit darüber, wie sich die Technologieakzeptanz bei Personen äußert . Einige Forscher gehen davon aus, dass sich die Akzeptanz in konkretem Verhalten zeigt, das heißt beispielsweise in der tatsächlichen Nutzung eines neuen Produkts, während andere Forscher bereits von Akzeptanz sprechen, wenn eine Person eine positive Einstellung gegenüber dem Produkt hat (vgl . Arndt 2010; Müller-Böling & Müller 1986) . Laut Bürg und Mandl (2005) hat sich in der Akzeptanzforschung die auf Müller-Böling und Müller (1986) zurückgehende Unterscheidung zwischen Einstellungsakzeptanz und Verhaltensakzeptanz bewährt . Einstellungsakzeptanz ist demnach nicht direkt beobachtbar und wird definiert als „relativ dauerhafte kognitive und affektive Wahrnehmungsorientierung, gekoppelt mit einer Reaktionsbereitschaft“ gegenüber der Technologie (Müller-Böling & Müller 1986, S . 26) . Verhaltensakzeptanz spiegelt sich dagegen in konkret beobachtbarem Verhalten, zum Beispiel in der beobachtbaren Nutzung der Technologie, wieder . Gemäß der Theorie kann angenommen werden, dass sich bei positiver Einstellungsakzeptanz und günstigen Rahmenbedingungen auch eine positive Verhaltensakzeptanz zeigt .

Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären?

3.2

Modelle der Technologieakzeptanz

In den aktuellen Modellen zu Determinanten der Technologieakzeptanz stellt der Zusammenhang zwischen Einstellung, Verhaltensabsicht und beobachtbarem Verhalten eine zentrale Grundannahme dar . Das menschliche Verhalten wird dabei als eine Folge der Einstellungsbildung betrachtet und es wird davon ausgegangen, dass Personen die Intention haben, jenes Verhalten auszuüben, zu welchem sie eine positive Einstellung haben . Übertragen auf die Technologieakzeptanz sollten also diejenigen Technologien genutzt werden, die mit einer positiven Einstellung verknüpft sind . Ausgangspunkt dieses Basiskonzepts bildet die Theory of Reasoned Action (TRA; vgl . Ajzen & Fishbein 1980; Fishbein & Ajzen 1975) und deren Weiterentwicklung zur Theory of Planned Behavior (TPB; vgl . Ajzen 1985; Ajzen 1991) . 3 .2 .1

Theory of Reasoned Action (TRA)

Gemäß der TRA ist das zentrale Element eines jeden Verhaltens die Verhaltensintention . Je stärker diese ausgebildet ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten auch tatsächlich gezeigt wird . Dabei definiert die TRA zwei Einflussfaktoren auf die Verhaltensintention: zum einen die individuelle Einstellung der Person gegenüber dem Verhalten („attitude toward behavior“), welche wiederum an bestimmte Erwartungen in Bezug auf das Verhalten und die Verhaltenskonsequenzen geknüpft ist („behavioral beliefs“), und zum anderen die subjektive Norm („subjective norm“) . Diese bezieht sich als sozialer Faktor auf den wahrgenommenen sozialen Druck, das Verhalten auszuführen oder nicht auszuführen . Dabei spielen vorgelagerte normative Erwartungen eine Rolle („normative beliefs“), welche die wahrgenommenen Erwartungen von Bezugspersonen oder -gruppen sowie die eigene Motivation, diesen Erwartungen zu entsprechen, beinhalten . Die subjektive Norm wirkt sich gemeinsam mit der individuellen Einstellung und den damit einhergehenden Erwartungen auf die Verhaltensintention („behavioral intention“) und darüber hinaus auf das tatsächlich beobachtbare Verhalten („actual behavior“) aus (vgl . Ajzen & Madden 1986) . Die TRA vernachlässigt den Aspekt, dass ein spezifisches Verhalten nur gezeigt werden kann, wenn die Person auch tatsächlich Entscheidungsfreiheit über das Ausführen oder Nicht-Ausführen des Verhaltens hat . In vielen Fällen hängt das Verhalten nämlich neben internen Faktoren wie Fähigkeiten, Können und Wissen von externen Faktoren wie Zeit, Möglichkeiten oder der Kooperationsbereitschaft anderer Personen ab (vgl . Ajzen 1985; Ajzen & Madden 1986) . Damit ist die Verhaltensintention als alleiniger Prädiktor in Situationen unzureichend, in denen die persönliche Kontrolle über das Verhalten eingeschränkt ist . Aufgrund dieser Kritik wurde die TRA in der Therory of Planned Behavior (vgl . Ajzen 1985, 1991) um den Faktor der Verhaltenskontrolle ergänzt . Abbildung 1 veranschaulicht die Zusammenhänge gemäß der TPB .

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3 .2 .2

Theory of Planned Behavior (TPB)

Die TPB geht von denselben Zusammenhängen in Bezug auf die Einstellung, subjektive Norm, Verhaltensintention und das beobachtbare Verhalten aus wie die TRA . Zusätzlich zieht sie die wahrgenommene Verhaltenskontrolle („perceived behavioral control“) als Einflussfaktor heran . Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle wird determiniert durch Kontrollüberzeugungen der Person („control beliefs“), über die Präsenz von Faktoren, welche die Ausübung des Verhaltens unterstützen oder behindern, sowie durch die Stärke dieser Faktoren . Damit kann die Theorie auch solches Verhalten erklären, welches vom Vorhandensein interner und externer Ressourcen abhängt und nicht nur von der Entscheidungsfreiheit der Person . Zusammen führen die Einstellung zum Verhalten und die subjektive Norm sowie die wahrgenommene Verhaltenskontrolle zur Herausbildung einer Verhaltensintention, welche wiederum mit der Ausführung des tatsächlichen beobachtbaren Verhaltens in Verbindung steht . In der TPB wird die wahrgenommene Verhaltenskontrolle außerdem als direkter Prädiktor für das tatsächlich beobachtbare Verhalten betrachtet, um auch ein Verhalten abzudecken, über das die Person keine oder eingeschränkte Kontrolle hat .

Abb 1 Theory of Planned Behavior (TPB; eigene Darstellung in Anlehnung an Ajzen 1991).

Die beiden Einstellungstheorien TRA und TPB stellen eine nützliche Grundlage für die Erklärung und Vorhersage des Verhaltens von Individuen dar . Da sie aber keinen expliziten Bezug zur Nutzung von Technologien aufweisen, zeigten sich in Untersuchungen zur Akzeptanz von Informationstechnologien Probleme in der Anwendbarkeit (vgl . Marangunić & Granić 2015) . Davis (1989) adaptierte die TRA und TPB aus diesem Grund zum „Technology Acceptance Model“ (TAM) mit dem Ziel, eine explizite Vorhersage der Nutzungsintention und der tatsächlichen Nutzung von Technologien treffen zu können . Im Folgenden werden das TAM und seine Modifikationen vorgestellt .

Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären?

Im Kern beinhalten diese Modelle die Grundannahmen der TRA und TPB und bilden die Grundlage für die Betrachtung der Technologieakzeptanz der VR-Technologie . 3 .2 .3

Technology Acceptance Model (TAM)

Das „Technology Acceptance Model“ (TAM) von Davis bildet einen zentralen Ansatzpunkt in der Akzeptanzforschung und einen Grundstein für viele darauf aufbauende Modelle (vgl . Venkatesh & Davis 2000) . Es beinhaltet eine Theorie zur Erklärung des individuellen Nutzungsverhaltens bezüglich Informationstechnologien und dazugehöriger Einflussfaktoren und wurde mit dem Ziel entwickelt, die Nutzung verschiedener Technologien durch unterschiedliche Nutzergruppen vorhersagen zu können (vgl . Davis, Bagozzi & Warshaw 1989) . Der erklärte Varianzanteil des TAM an der Nutzungsintention und tatsächlichen Nutzung von Technologien wird allgemein mit etwa 40 Prozent beziffert (vgl . Venkatesh & Davis 2000; Venkatesh et al . 2003; Venkatesh & Bala 2008) . Abbildung 2 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen den einzelnen Komponenten . Das TAM geht von zwei zentralen Einflussfaktoren aus, die für die Technologieakzeptanz der Nutzerinnen bzw . Nutzer entscheidend sind: der wahrgenommenen Nützlichkeit („perceived usefulness“) und der wahrgenommenen einfachen Bedienbarkeit bzw . Benutzerfreundlichkeit („perceived ease of use“) der Technologie (vgl . Davis 1989) . Die wahrgenommene Nützlichkeit wird definiert als „the degree to which a person believes that using a particular system would enhance his or her job performance“ (Davis, 1989, S . 320) . Eine Technologie mit einer hohen wahrgenommenen Nützlichkeit beeinflusst demnach die Arbeitsleistung laut Nutzerin bzw . Nutzer positiv . Die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit wird definiert als „the degree to which a person believes that using a particular system would be free of effort“ (Davis 1989, S . 320) . Demnach bewertet eine Person ein Produkt bei hoher wahrgenommener Benutzerfreundlichkeit als einfach bedienbar . Die wahrgenommene Nützlichkeit und wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit werden laut TAM durch externe Variablen, wie zum Beispiel durch Eigenschaften der Nutzerin bzw . des Nutzers wie demografische Merkmale oder Persönlichkeitsmerkmale, welche im TAM aber nicht weiter spezifiziert werden, beeinflusst und haben eine direkte Bedeutung für die Einstellung gegenüber der Technologienutzung („attitude toward using“) . Diese beeinflusst wiederum die Nutzungsintention („behavioral intention to use“), welche sich konsistent mit der TRA und TPB schließlich auf die tatsächliche Nutzung auswirkt („actual system use“) . Die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit hat nicht nur einen direkten Einfluss auf die Nutzungsintention, sondern auch auf die wahrgenommene Nützlichkeit . Dies wird mit der Annahme begründet, dass sich eine Technologie bei ansonsten gleich bleibenden Bedingungen als umso nützlicher erweist, je müheloser die Nutzerin bzw . der Nutzer die Technologie bedienen kann .

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Abb. 2 Technology Acceptance Model (TAM; eigene Darstellung in Anlehnung an Davis, Bagozzi & Warshaw 1989).

3 .2 .4

Technology Acceptance Model 2 (TAM 2)

Um die theoretische Genauigkeit des Modells zu erhöhen, erweiterten Venkatesh und Davis (2000) das TAM zum „Technology Acceptance Model 2“ (TAM 2) . Im Fokus stand dabei vor allem die Erreichung eines besseren Verständnisses des Faktors der wahrgenommenen Nützlichkeit . Hierzu wurden entsprechende soziale und kognitive Determinanten, welche laut Theorie die wahrgenommene Nützlichkeit beeinflussen, in das Modell aufgenommen und getestet . Venkatesh und Davis (2000) beschäftigten sich im Rahmen ihrer Untersuchung außerdem mit der Frage, wie sich die Einflüsse dieser Determinanten mit zunehmender Erfahrung mit der neuen Technologie über die Zeit verändern . Das TAM 2 wurde in vier Studien validiert und erklärt etwa 60 Prozent der Varianz der wahrgenommenen Nützlichkeit (vgl . Venkatesh & Davis 2000) . Die Zusammenhänge gemäß TAM 2 sind in Abbildung 3 dargestellt . Das Grundmodell des TAM bleibt mit den Einflussfaktoren der wahrgenommenen Nützlichkeit und der Benutzerfreundlichkeit auf die Nutzungsintention sowie auf die tatsächliche Nutzung erhalten . Da der Einfluss der Einstellung gegenüber der Technologienutzung in Folgeuntersuchungen zum TAM inkonsistent und der zusätzliche Erklärungsanteil durch diesen Faktor im Modell nur gering war, wurde er weder im TAM 2 noch in weiteren Folgemodellen berücksichtigt (vgl . Davis, Bagozzi & Warshaw 1989) . Venkatesh et al . (2003) nehmen in diesem Kontext an, dass die Einstellung ein Ergebnis der Beurteilung der wahrgenommenen Nützlichkeit im Sinne einer Leistungssteigerung und der Benutzerfreundlichkeit im Sinne des benötigten Aufwands ist und bei Nichtbeachtung dieser Größen als Ersatz fungiert . Durch explizite Berücksichtigung der beiden Faktoren entfällt dagegen die Relevanz des Einstellungskonstrukts für die Erklärung der Nutzungsintention . Die wahrgenommene Nützlichkeit wird gemäß TAM 2 von den Faktoren subjektive Norm („subjective norm“), Image („image“), Relevanz für die eigenen Arbeitsaufgaben („job relevance“), Qualität des Ertrags („output quality“) sowie Nachweisbarkeit

Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären?

Abb. 3 Technology Acceptance Model 2 (TAM 2; eigene Darstellung in Anlehnung an Venkatesh & Davis 2000).

des Nutzens („result demonstrability“) beeinflusst . Die subjektive Norm beschreibt konsistent mit der TRA und TPB die Erwartung einer Person, dass ihr wichtige Personen die Nutzung der Technologie befürworten oder ablehnen . Sie hat einen direkten Einfluss auf die wahrgenommene Nützlichkeit und auf die Nutzungsintention, jedoch mit der moderierenden Variablen der Freiwilligkeit der Nutzung . Gemäß TAM 2 hat die subjektive Norm nur einen Einfluss auf die Absicht der Technologienutzung, wenn diese nicht freiwillig, sondern vorgeschrieben ist . Der Einfluss der subjektiven Norm auf die wahrgenommene Nützlichkeit wird von Venkatesh und Davis (2000) mit dem Mechanismus der Internalisierung erklärt . Nimmt eine Person beispielsweise wahr, dass die bzw . der Vorgesetzte oder Kollegin bzw . Kollege eine Technologie für nützlich hält, kann sie zu dem Schluss kommen, dass diese Technologie auch tatsächlich brauchbar ist, was wiederum die wahrgenommene Nützlichkeit positiv beeinflusst . Darüber hinaus geht das TAM 2 davon aus, dass die Einflüsse der subjektiven Norm mit größer werdender Erfahrung im Umgang mit der Technologie schwächer werden, da die Nutzerin bzw . der Nutzer auf tatsächliche Erfahrungen mit den Stärken und Schwächen der Technologie zurückgreifen kann . Die subjektive Norm hat laut TAM 2 außerdem einen Einfluss auf das Image der Nutzerin bzw . des Nutzers . Moore und Benbasat (1991) definieren das Image einer Person als den eigenen Status innerhalb der Organisation oder des sozialen Systems,

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welcher sich durch die Nutzung einer neuen Technologie verbessert . Wenn wichtige Personen der Organisation die Nutzung einer Technologie befürworten, sollte sich der Status der Nutzerin bzw . des Nutzers bei tatsächlicher Nutzung verbessern . Gleichzeitig hat das Image laut TAM 2 einen Einfluss auf die wahrgenommene Nützlichkeit, da ein verbesserter sozialer Status mehr Macht mit sich bringt und damit einhergeht, dass man sich selbst und andere einem eine gesteigerte Leistung zuschreiben, unabhängig davon, ob diese Leistungssteigerung tatsächlich mit der neuen Technologie zusammenhängt oder nicht . Zu den kognitiven Einflussfaktoren auf die wahrgenommene Nützlichkeit zählen die Relevanz für die eigenen Arbeitsaufgaben, welche definiert wird als das wahrgenommene Ausmaß, wie gut die neue Technologie im Rahmen der eigenen Aufgaben anwendbar ist, und die Qualität des Ertrags . Sie beschreibt die Bewertung der Nutzerinnen bzw . Nutzer, wie gut einen die Technologie dabei unterstützt, die eigenen Arbeitsaufgaben zu erfüllen . Als dritte kognitive Variable wird die Nachweisbarkeit des Nutzens aufgeführt . Die Nützlichkeit einer Technologie sollte dann positiver bewertet werden, wenn der Nutzen sehr deutlich wahrzunehmen ist . Das TAM 2 geht davon aus, dass die Freiwilligkeit der Nutzung oder Erfahrung mit der Technologie einen moderierenden Einfluss lediglich auf die subjektive Norm haben . 3 .2 .5

Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT)

Die Entwicklung des TAM löste eine Vielzahl an Studien aus, welche das Modell in unterschiedlichen Kontexten testeten und weitere Modifikationen entwickelten . Um dieser Fülle an Folgeuntersuchungen zu begegnen und damit einhergehende unübersichtliche Modellerweiterungen einzudämmen, wurde von Venkatesh, Morris, Davis und Davis (2003) der Versuch einer Zusammenführung unternommen . Die „Unified Theory of Acceptance and Use of Technology“ (UTAUT) stellt die daraus resultierende Vereinigung verschiedener Ansätze zur Betrachtung der Technologieakzeptanz dar und hat sich gemäß Lin, Lu und Liu (2013) in der Literatur als das den anderen Modellen überlegene Modell zur Vorhersage der Akzeptanz von Technologien etabliert . Die UTAUT stellt ein fundiertes einheitliches Modell dar, welches die zentralen Elemente der folgenden acht zugrunde liegenden Modelle integriert: TRA, TAM, Motivational Model (MM; vgl . Davis, Bagozzi & Warshaw 1992), TPB, Combined TAM and TPB (DTPB; vgl . Taylor & Todd 1995), Model of PC Utilization (MPCU; vgl . Thompson, Higgins & Howell 1991), Innovation Diffusion Theory (IDT; vgl . Moore & Benbasat 1991) und Social Cognitive Theory (SCT; vgl . Compeau & Higgins 1995; Compeau, Higgins & Huff 1999) . Der Anteil der erklärten Varianz der UTAUT an der Nutzungsintention zur Technologienutzung wird von Venkatesh und Davis (2003) mit etwa 70 Prozent beziffert, was den erklärten Varianzanteil der acht einzelnen Modelle übersteigt .

Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären?

Abb. 4 Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT; eigene Darstellung in Anlehnung an Venkatesh et al. 2003).

Abbildung 4 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen den Komponenten gemäß der UTAUT . Das Modell geht von drei Einflussfaktoren auf die Nutzungsabsicht von Technologien aus: Leistungserwartung („performace expectancy“, gemäß wahrgenommener Nützlichkeit im TAM), Aufwandserwartung („effort expectancy“, gemäß wahrgenommener Benutzerfreundlichkeit im TAM) und sozialer Einfluss („social influence“) . Der Einfluss dieser Faktoren wird von den Variablen Alter („age“), Geschlecht („gender“), Erfahrung mit der Technologie („experience“) und Freiwilligkeit der Nutzung („voluntariness of use“) moderiert . Die Faktoren Bedenken sowie Selbstwirksamkeit wurden als weitere Einflussvariablen im Rahmen der Validierungsstudien getestet, haben laut UTAUT aber keinen direkten Einfluss auf die Nutzungsintention, da sie vollständig über den Faktor der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit mediiert werden . Entsprechend der Grundannahme, dass zwischen der Verhaltensintention und dem tatsächlich beobachtbaren Verhalten aus TRA, TPB und TAM ein Zusammenhang besteht, geht auch die UTAUT davon aus, dass die Nutzungsintention der Technologie positiv mit der tatsächlichen Nutzung zusammenhängt . Die tatsächliche Technologienutzung wird darüber hinaus von erleichternden Bedingungen („facilitating conditions“) beeinflusst, welche von Venkatesh und Kollegen als das Ausmaß definiert werden, „to which an individual believes that an organizational and technical infrastructure exists to support use of the system“ (Venkatesh et al . 2003, S . 453) . Damit vereint dieses Konstrukt Aspekte der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle, der organisationalen Umgebung sowie der

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Kompatibilität zwischen der Technologienutzung und der Arbeitsweise der Nutzerin bzw . des Nutzers . 3 .2 .6

Technologie Acceptance Model 3 (TAM 3)

Im Rahmen einer weiteren Modifikation des TAM im „Technology Acceptance Model 3“ (TAM 3) setzten sich Venkatesh und Bala (2008) das Ziel, konkrete Handlungsempfehlungen für die Förderung der Nutzerakzeptanz von IT-Systemen abzuleiten . Diesem Vorhaben vorausgehend, identifizierte Venkatesh (2000), konsistent mit der Vorgehensweise im TAM 2 und der Spezifikation der Einflussfaktoren auf die wahrgenommene Nützlichkeit, Einflussfaktoren auf die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit . Zusammengefasst benennt er in diesem Rahmen die Faktoren Selbstwirksamkeit („computer self-efficacy“), erleichternde Bedingungen („perceived external control“), Bedenken („computer anxiety“) und Spaß an der Nutzung („computer playfulness“) als Determinanten . Sie werden als Ankervariablen („anchors“) bezeichnet, d . h . als relevante Faktoren, die sich insbesondere in frühen Phasen der Technologienutzung auf die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit auswirken . Mit zunehmender Nutzung der Technologie und damit einhergehender wachsender Erfahrung der Nutzerin bzw . des Nutzers adjustiert („adjustment“) sich ein Teil dieser Ankervariablen . Der Einfluss der Ankervariablen Selbstwirksamkeit und Spaß an der Nutzung nimmt dabei mit wachsender Erfahrung ab, und gleichzeitig nimmt der Einfluss der beiden adjustierten Variablen erlebtes Vergnügen („perceived enjoyment“) und objektive Benutzerfreundlichkeit („objective usability“) zu . Die Faktoren Selbstwirksamkeit und erleichternde Bedingungen werden, konsistent mit der TPB, als Konstrukte der wahrgenommenen internen und externen Kontrolle der Nutzerin bzw . des Nutzers über die Technologienutzung erfasst . Es wird davon ausgegangen, dass die wahrgenommene Kontrolle insbesondere in frühen Phasen der Technologienutzung einen Einfluss auf die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit hat . Der Spaß an der Nutzung hat darüber hinaus ebenfalls einen positiven Einfluss, da die Nutzung einer Technologie umso müheloser erfahren wird, je spielerischer sie ausfällt . Dagegen wird erwartet, dass der Faktor Bedenken, definiert als Sorgen oder Ängste einer Person gegenüber der Technologienutzung, einen negativen Einfluss auf die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit hat . Im Rahmen der angenommenen Adjustierungen einzelner Faktoren aufgrund der wachsenden Erfahrung mit der Technologie, sollte eine Nutzerin bzw . ein Nutzer ihren bzw . seinen Eindruck der Benutzerfreundlichkeit regulieren . Der eher als kurzfristig definierte Spaß an der Nutzung sollte demgemäß mit der Zeit zurückgehen und daraus ein technologiespezifisches Vergnügen erwachsen . Des Weiteren adaptiert sich aus der computerspezifischen Selbstwirksamkeit und den Bedenken eine objektivere wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit . Zuletzt wird die Wahrnehmung der erleichternden Bedingungen technologiespezifischer .

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Abb. 5 Technology Acceptance Model 3 (TAM 3; eigene Darstellung in Anlehnung an Venkatesh & Bala 2008)

Im TAM 3 kombinieren Venkatesh und Bala (2008) die Erkenntnisse aus dem TAM 2 zur wahrgenommenen Nützlichkeit mit den Erkenntnissen von Venkatesh (2000) zur wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit . In Abbildung 5 ist das daraus resultierende Modell dargestellt . Im TAM 3 wird über die Annahmen der beiden zugrundeliegenden Modelle hinaus postuliert, dass Erfahrung mit der Technologie einen moderierenden

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Einfluss auf die Zusammenhänge zwischen der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit und der Nützlichkeit, den Bedenken bzw . der objektiven Benutzerfreundlichkeit, dem Spaß an der Nutzung bzw . Vergnügen sowie der Nutzungsintention ausübt . 4.

Bilanzierung des empirischen Forschungsstands

Aufbauend auf den theoretischen Modellannahmen, sollen im Folgenden empirische Forschungsergebnisse zur Technologieakzeptanz vorgestellt werden . Hierzu ist dieses Kapitel in zwei Abschnitte gegliedert . Zunächst werden empirische Studien vorgestellt, welche die Vor- und Nachteile der TAM-Modelle2 bei einer Untersuchung der Technologieakzeptanz allgemein aufzeigen, woraufhin explizite Studien zur Technologieakzeptanz der VR-Technologie folgen . 4.1

Empirischer Forschungsstand zur Technologieakzeptanz allgemein

Insgesamt kommen King und He (2006) in ihrer Meta-Analyse zu dem Schluss, dass das TAM als valides und robustes Modell bezeichnet werden kann, welches das Potenzial hat, in breiteren Anwendungsfeldern eingesetzt zu werden . Der Zusammenhang zwischen den Kernkomponenten der TAM-Modelle, namentlich der wahrgenommenen Nützlichkeit, der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit, der Nutzungsintention und der tatsächlichen Nutzung, wird in einer beachtlichen Anzahl von Studien aufgezeigt (vgl . Lee, Kozar & Larsen 2003) . Dabei scheint der Einfluss der wahrgenommenen Nützlichkeit auf die Nutzungsintention einer Technologie am stärksten und robustesten zu sein (vgl . King & He 2006) . Allerdings kommen Legris und Kollegen (2003) zu dem Schluss, dass das TAM und das TAM 2 mit einem erklärten Varianzanteil von etwa 40 Prozent in der Technologienutzung um weitere signifikante Einflussfaktoren ergänzt werden sollte . Der postulierte Varianzanteil der UTAUT von etwa 70 Prozent lässt daher auf die Überlegenheit dieses Modells schließen (vgl . Venkatesh et al . 2003) . Die TAM-Modelle weisen in ihren Kernkomponenten eine schlanke Struktur auf und können durch die genaue Definition der kausalen Zusammenhänge und der Operationalisierung der Variablen leicht überprüft werden . Die Operationalisierung in Form eines Fragebogens ist leicht zu handhaben und vielseitig einsetzbar (vgl . Niklas 2014) . Die Reliabilität der Kernkomponenten in den 88 betrachteten Studien von King Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden der Begriff „TAM-Modelle“ verwendet, wenn die Kernannahmen zum Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Nützlichkeit, der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit, der Nutzungsintention und der tatsächlichen Nutzung der Modelle TAM, TAM 2, UTAUT und TAM 3 fokussiert werden, da diese modellübergreifend identisch sind . 2

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und He (2006) kann mit durchschnittlichen Werten von Cronbachs α > 0 .8 als hoch bezeichnet werden . Aufgrund der in der Robustheit und Validität begründeten Popularität der TAMModelle, existiert eine respektable Anzahl an Studien, die diese Modelle als Grundlage heranziehen, um die Technologieakzeptanz zu untersuchen . Der Anwendungsbereich erstreckt sich von Kommunikationssystemen auf Büro- und Mehrzwecktechnologien (vgl . Lee, Kozar & Larsen 2003), ist aber längst nicht mehr nur auf Untersuchungen zur Technologieakzeptanz von Informationstechnologien beschränkt . Auch im Bereich innovativer Lerntechnologien werden die TAM-Modelle als Erklärungsgrundlage für die Technologieakzeptanz herangezogen . Eder (2015) kommt dabei zu dem Schluss, dass sie eine theoretisch und empirisch gute Ausgangsbasis zur Untersuchung der Akzeptanz von Bildungstechnologien in der beruflichen Bildung bieten . So existieren beispielsweise für diesen Bereich Studien zur Akzeptanz von computer- oder webbasierten Lernumgebungen (vgl . Chen 2011; Park, Lee & Cheong 2007; Sumak, Hericko & Pusnik 2011; Tan 2013) sowie von Blended-Learning Umgebungen (vgl . Padilla-Meléndez, Del Aguila-Obra & Garrido-Moreno 2013) . Ein zentraler Kritikpunkt ist die Tatsache, dass die TAM-Modelle nur wenige bis keine praktischen und handlungsrelevanten Empfehlungen geben können, wie die Technologieakzeptanz der Nutzerinnen bzw . Nutzer positiv beeinflusst werden kann . Sie kann zwar gemessen und vorhergesagt werden, allerdings können keine proaktiven Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden, wie Hemmnisse beseitigt und die Technologieakzeptanz gesichert und gesteigert werden kann . Dementsprechend weisen die TAM-Modelle zwar einen hohen erklärten Varianzanteil der Nutzungsintention und der tatsächlichen Technologienutzung auf, können darüber hinaus aber keine Aussagen über Faktoren der Organisation oder über Eigenschaften der Technologie machen, welche die wahrgenommene Nützlichkeit und Benutzerfreundlichkeit determinieren und proaktiv zu Gunsten der Technologieakzeptanz verändert werden könnten (vgl . Niklas 2014) . Venkatesh und Bala (2008) berücksichtigten diese Kritik zumindest theoretisch im Rahmen der Entwicklung des TAM 3 und führen verschiedene Interventionsmöglichkeiten auf, die vor oder während der Implementierung einer Technologie zur Steigerung der Technologieakzeptanz beitragen können . Dazu zählen sie den Einbezug der Nutzerinnen bzw . Nutzer in den Implementationsprozess, die Schaffung von Anreizen zur Nutzung sowie Unterstützungstätigkeiten der Organisation durch die Führungskräfte, Kolleginnen bzw . Kollegen und Training . Die Ergebnisse der Meta-Analyse von Schepers und Wetzels (2007) deuten außerdem darauf hin, dass individuelle Faktoren der Nutzerin bzw . des Nutzers und der betrachteten Technologie einen Einfluss auf die Zusammenhänge zwischen den Kernkomponenten des TAM haben . Um durch Spezifikationen genauere Vorhersagen zur Technologieakzeptanz machen zu können, existiert, hieran anknüpfend, eine Vielzahl an Studien, die in Erweiterung der TAM-Modelle entsprechende Faktoren der Nutzerinnen bzw . Nutzer, der Organisation und der Technologie untersuchen .

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4 .1 .1

Einflussfaktoren der Nutzerinnen bzw . Nutzer

Individuelle Unterschiede der Nutzerinnen bzw . Nutzer werden als einflussreiche Faktoren für die Annahme neuer Technologien betrachtet (vgl . Lin, Lu & Liu 2013) . Dazu zählen u . a . demografische Faktoren, wie das Geschlecht oder das Lebensalter . Gefen und Straub (1997) beschäftigten sich beispielsweise in ihrer Studie mit dem Einfluss des Geschlechts auf die wahrgenommene Nützlichkeit und Benutzerfreundlichkeit von E-Mails im Rahmen des TAM . Es zeigte sich, dass Frauen die Nützlichkeit von E-Mails höher einschätzten als Männer, wohingegen die Benutzerfreundlichkeit von Männern höher eingeschätzt wurde als von Frauen . Die Ergebnisse von Venkatesh und Morris (2000) in ihrer Untersuchung zur Akzeptanz von Informationstechnologien lassen ebenfalls auf Geschlechtsunterschiede schließen . Männer zogen die wahrgenommene Nützlichkeit stärker in ihren Nutzungsentscheidungen heran als Frauen, und umgekehrt berücksichtigten Frauen stärker die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit als Männer . Darüber hinaus zeigte sich auch, dass Männer die Technologie umso benutzerfreundlicher beurteilten, je mehr Erfahrung sie mit ihr gesammelt haben, wohingegen die Bewertung der Benutzerfreundlichkeit bei Frauen mit der Zeit zurückging . Im Hinblick auf den demografischen Wandel und die Herausforderungen der Industrie 4 .0 können insbesondere Einflüsse des Lebensalters bei der Implementierung neuer Technologien eine Rolle spielen (vgl . Bochum 2015) . Da gerade ältere Personen besonders von den Unterstützungspotenzialen neuer Technologien profitieren könnten, sollte die Frage der Technologieakzeptanz hier verstärkt berücksichtigt werden . Allerdings binden jüngere Personen Technologien gemäß Vodanovich, Sundaram und Myers (2010) stärker in ihren Alltag ein und nutzen sie zu anderen Zwecken als ältere Personen . Die Studie von Morris und Venkatesh (2000) über ein mittelständisches Unternehmen mit 300 Mitarbeitern zeigt, dass ältere Mitarbeiter neue Informationstechnologien weniger häufig nutzten als jüngere Mitarbeiter . Chung und Kollegen (2010) ergänzen dieses Ergebnis um den Befund, dass es altersbedingte Unterschiede in der Bewertung der Nützlichkeit und Benutzerfreundlichkeit neuer Technologien gibt . Ältere Personen bewerteten in ihrer Studie zur Nutzung von Online-Communities die Nützlichkeit der betrachteten Technologie niedriger als jüngere Personen . Neben den berichteten demografischen Einflussfaktoren können sich auch Persönlichkeitsfaktoren auf die Technologieakzeptanz auswirken . In der Literatur wird in diesem Rahmen u . a . das Konstrukt der Technologiebereitschaft („technology readiness“) von Parasuraman (2000) aufgegriffen, welches mithilfe des Technology Readiness Index (TRI) erhoben werden kann . Die vier Komponenten Optimismus, Innovativität, Unbehagen und Unsicherheit determinieren gemäß der Theorie die Neigung einer Person, neue Technologien zu nutzen (vgl . Parasuraman 2000; Parasuraman & Colby 2015) . Studien zeigen, dass die Kernkomponenten des TAM um das Konstrukt der Technologiebereitschaft ergänzt werden können (vgl . Lam, Chiang &

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Parasuraman 2008; Lin, Shih & Sher 2007; Walczuch, Lemmink & Streukens 2007) . Gemäß Lam et al . (2008) wirken sich dabei die einzelnen Dimensionen der Technologiebereitschaft förderlich oder hemmend auf die wahrgenommene Nützlichkeit und die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit einer Technologie aus . Weitere Studien beschäftigen sich mit dem Einfluss der Big-Five-Persönlichkeitsfaktoren auf die Technologieakzeptanz (vgl . Barnett et al . 2015; Rosen & Kluemper 2008; Wang & Yang 2005; Zhou & Lu 2011) . Das TAM oder die UTAUT wurden hierbei jeweils um die Persönlichkeitsfaktoren erweitert und deren Einflüsse auf die Kernkomponenten untersucht . Die Ergebnisse zeigen, dass die Persönlichkeitsfaktoren Extraversion, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrungen einen Einfluss auf die wahrgenommene Nützlichkeit, Benutzerfreundlichkeit, erleichternde Bedingungen und auch darauf, wie die soziale Norm eingeschätzt wird, nehmen können (vgl . Rosen & Kluemper 2008; Wang & Yang 2005) . Ebenso lassen die Ergebnisse vermuten, dass der Persönlichkeitsfaktor Neurotizismus einen Einfluss auf die Technologieakzeptanz ausübt (vgl . Barnett et al . 2015; Zhou & Lu 2011) . 4 .1 .2

Einflussfaktoren der Organisation

Kohnke und Bungard (2009) zählen zu den intraorganisationalen Einflussfaktoren, die sich technologieübergreifend förderlich oder hemmend auf die Technologieakzeptanz auswirken können, die Unterstützung durch die leitenden Führungskräfte und durch die direkte Vorgesetzte bzw . den direkten Vorgesetzten sowie allgemeine Unterstützungstätigkeiten des Unternehmens, wie die Bereitstellung von Nutzerinformationen über Neuerungen oder Änderungen der Technologie, Anwendertrainings sowie das Vorhandensein eines Anwendersupports, und fassen damit verschiedene Studienergebnisse zusammen, die entsprechende Zusammenhänge postulieren (vgl . Amoako-Gyampah & Salam 2004; Igbaria & Iivari 1995; Igbaria et al . 1997; Rouibah, Hamdy & Al-Enezi 2008) . Die Führungskräfte des Unternehmens können in diesem Zusammenhang gemäß Lewis, Agarwal und Sambamurthy (2003) einen Einfluss darauf nehmen, wie eine neue Technologie von den Beschäftigten wahrgenommen wird, da eine sichtbare Unterstützung im Implementationsprozess dazu führen kann, dass die Beschäftigten von einer hohen Nützlichkeit des neuen Systems ausgehen . Außerdem beeinflussen die Führungskräfte die Normen und Werte innerhalb der Organisation, an welchen sich die Beschäftigten orientieren . Anwendertrainings bieten den Nutzerinnen bzw . Nutzern darüber hinaus die Möglichkeit, nicht nur technische, anwendungsbezogene und funktionale Aspekte der Technologie kennenzulernen und sich von diesen einen Eindruck aus eigener Erfahrung zu bilden, sondern auch eine positive Einstellung gegenüber der Technologie zu entwickeln (vgl . Amoako-Gyampah & Salam 2004) . Des Weiteren ist das Vorhandensein von personeller Unterstützung und spezifischen

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Instruktionen im Rahmen eines Anwendersupports vor allem bei Problemen mit der Bedienung der Technologie hilfreich (vgl . Igbaria, Guimaraes & Davis 1995) . Untersuchungen von Kohnke und Kollegen zur Nutzung von Softwaresystemen mittels einer um die Faktoren soziale Norm und wahrgenommene Verhaltenskontrolle erweiterten Version des TAM bestätigen die beschriebenen Einflüsse und zeigen, dass sich insbesondere Anwendertrainings und ein Anwendersupport positiv auf die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit sowie die wahrgenommene Verhaltenskontrolle auswirkten, was wiederum die Nutzungsintention und tatsächliche Nutzung erhöhte (vgl . Kohnke & Bungard 2009; Kohnke & Müller 2009; Kohnke, Wolf & Müller 2011) . Darüber hinaus wirkte sich die Unterstützung durch die Führung förderlich auf die wahrgenommene Nützlichkeit und die soziale Norm der Nutzerinnen bzw . Nutzer aus . 4 .1 .3

Einflussfaktoren der Technologie

Kohnke und Bungard (2009) schlagen neben den berichteten technologieübergreifenden organisationalen Faktoren auch Einflussfaktoren vor, die von der betrachteten Technologie selbst abhängen . Angeführt werden für den Softwarebereich (1 .) die Qualität der Systeminformationen, also die Vollständigkeit oder Korrektheit der bereitgestellten Informationen, (2 .) die Qualität der Systemfunktionen, zum Beispiel ob alle für die Erfüllung der Arbeitsaufgaben relevanten Funktionen bereitgestellt sind, sowie (3 .) die Qualität der Systemperformance, welche sich beispielsweise auf die Verfügbarkeit des Systems bezieht . Die Studien von Kohnke und Kollegen (2009; 2011) bestätigen einen förderlichen Einfluss dieser Faktoren auf die wahrgenommene Nützlichkeit und Benutzerfreundlichkeit von Softwaresystemen . Liu und Kollegen (2009) betrachteten im Rahmen ihrer Untersuchung zur Technologieakzeptanz einer onlinebasierten Lernplattform die Medienvielfalt als Merkmal der Technologie und kombinierten diese mit dem TAM . Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Plattform als umso nützlicher wahrgenommen wurde, je größer die dargebotene Medienvielfalt ausfiel . Die Lernplattform mit text-, audio- und videobasierten Lerninhalten wurde im Vergleich zu den Lernplattformen mit geringerer Medienvielfalt als am nützlichsten wahrgenommen, was sich wiederum förderlich auf die Nutzungsintention auswirkte . Jäger und Kollegen (2014) untersuchten die Akzeptanz eines Online-Lernsystems im Hochschulkontext mithilfe der UTAUT und erfassten als Einflussfaktor der Technologie die kollaborativen Anteile der angebotenen Lehrveranstaltungen . Es stellte sich heraus, dass sich in niedrig kollaborativen Veranstaltungen (Vorlesungen) allein die Leistungserwartung (gemäß der wahrgenommenen Nützlichkeit) förderlich auf die Nutzungsintention auswirkte, wohingegen in hoch kollaborativen Veranstaltungen (Seminaren mit Gruppenarbeit) lediglich die Aufwandserwartung (gemäß der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit) einen förderlichen Einfluss auf die Nut-

Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären?

zungsintention hatte . Dieses Ergebnis wird von Jäger und Kollegen (2014) mit dem erhöhten Koordinationsaufwand in hoch kollaborativen virtuellen Veranstaltungen im Vergleich zu niedrig kollaborativen Veranstaltungen erklärt . Den Nutzerinnen bzw . Nutzern ist es in hoch kollaborativen Veranstaltungen wichtiger, dass die Technologie den ohnehin erhöhten Nutzeraufwand durch eine hohe Benutzerfreundlichkeit minimiert, wohingegen in niedrig kollaborativen Veranstaltungen die Leistungssteigerung in den Vordergrund tritt . Insgesamt ist anzumerken, dass die Studie keinen Zusammenhang zwischen der Nutzungsintention und der tatsächlicher Nutzung aufzeigte . 4.2

Empirischer Forschungsstand zur Technologieakzeptanz der VR-Technologie

Der folgende Teilabschnitt befasst sich mit Forschungsergebnissen, die sich explizit auf die Technologieakzeptanz der VR-Technologie beziehen . Bertrand und Bouchard (2008) untersuchten in diesem Rahmen die Technologieakzeptanz nicht-immersiver desktopbasierter virtueller Umgebungen im medizinischen Bereich zum Einsatz für die Behandlung psychischer Gesundheitsprobleme . Dazu befragten sie Therapeuten auf Basis einer erweiterten Version des TAM . Neben den Kernkomponenten wahrgenommene Nützlichkeit, wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit sowie Nutzungsintention erfassten die Autoren die vier Ankervariablen Selbstwirksamkeit, erleichternde Bedingungen, Bedenken und Spaß aus der Erweiterung von Venkatesh (2000) . Als zusätzlicher Faktor wurden die wahrgenommenen Kosten der VR-Technologie berücksichtigt . Die Ergebnisse zeigen, dass die Nutzungsintention einzig durch die wahrgenommene Nützlichkeit der Technologie direkt determiniert wurde . Die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit wirkte sich nur indirekt über die wahrgenommene Nützlichkeit auf die Nutzungsintention aus . Des Weiteren bestätigte sich, dass die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit durch erleichternde Bedingungen, Bedenken und Spaß beeinflusst wurde, was mit den Annahmen der Erweiterung von Venkatesh (2000) in Einklang steht . Die Studie von Fetscherin und Lattemann (2008) untersuchte die Technologieakzeptanz der nicht-immersiven virtuellen Umgebung Second Life auf der Basis einer Erweiterung des TAM . Die Faktoren wahrgenommene Nützlichkeit, wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit, soziale Norm, Bedenken, Einstellung gegenüber der Technologie, Leistungserwartung sowie Faktoren, die das soziale Miteinander im Rahmen der virtuellen Umgebung, wie beispielsweise das Vorhandensein von Kommunikations- und Kollaborationsmöglichkeiten, widerspiegeln, wurden in einer Online-Studie mit Second-Life-Nutzerinnen bzw . -Nutzern erhoben . Es zeigten sich, konsistent mit der Kernannahme der TAM-Modelle, signifikante Zusammenhänge zwischen der wahrgenommenen Nützlichkeit, der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit und der Nutzungsintention . Darüber hinaus wurde die wahrgenommene Nützlichkeit von den Faktoren des sozialen Miteinanders determiniert, womit die Studie – neben den

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Kernkomponenten der TAM-Modelle – Faktoren des sozialen Miteinanders als relevante Einflussfaktoren auf die Technologieakzeptanz der VR-Technologie vorschlägt . Die Studie von Rasimah und Kollegen (2011) beschäftigte sich mit der Technologieakzeptanz einer Mixed-Reality-Anwendung im Rahmen einer biomedizinischen Lehrveranstaltung . Als ergänzende Faktoren zum TAM wurden die Innovationsfähigkeit als Einflussfaktor der Nutzerinnen bzw . Nutzer sowie das wahrgenommene Vergnügen im Umgang mit der Technologie erhoben . Es stellte sich heraus, dass die Nutzungsintention hauptsächlich von der wahrgenommenen Nützlichkeit der Technologie determiniert wurde, wobei der Einfluss der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit auf die Nutzungsintention nur moderat ausfiel . Die Innovativität der Nutzerinnen bzw . Nutzer hatte einen positiven Einfluss auf die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit, welche sich wiederum positiv auf das wahrgenommene Vergnügen auswirkte . Auch Berkemeier, Niemöller, Metzger und Thomas (2018) untersuchten die Akzeptanz einer Mixed-Reality-Anwendung in der Landmaschinentechnik auf der Basis des TAM und bestätigten einen positiven Einfluss der wahrgenommenen Nützlichkeit . Weitere Autoren schlagen den Einsatz des TAM für die Untersuchung der Akzeptanz virtueller Umgebungen zum Lernen von Schweißarbeiten (vgl . Göbel & Sonntag 2017) oder virtuellen Gebäudebesichtigungen (vgl . Juan, Chen & Chi 2018) vor . Pletz und Zinn (2018) untersuchten die Technologieakzeptanz der immersiven VR-Technologie bei Beschäftigten in technischen Domänen . Auf Basis eines latenten Strukturgleichungsmodells wurden die theoretischen Annahmen des TAM bestätigt . Es zeigten sich signifikante Zusammenhänge sowohl zwischen der wahrgenommenen Nützlichkeit und der Nutzungsintention als auch zwischen der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit und der Nutzungsintention . Die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit beeinflusste außerdem die Nützlichkeit . Darüber hinaus bewerteten Personen, welche bereits Erfahrung mit der VR-Technologie gesammelt haben, die Nützlichkeit und Nutzungsintention signifikant höher, als Personen ohne Erfahrung . Einflüsse des Alters wurden – bis auf eine negativere Bewertung der Benutzerfreundlichkeit durch die älteren Testteilnehmerinnen bzw . -teilnehmer – nicht festgestellt . 5.

Forschungsdesiderat für die Technologieakzeptanz der VR-Technologie

Wie die oben berichteten Studien zur Technologieakzeptanz der VR-Technologie zeigen, ist der Forschungsstand insgesamt dünn und insbesondere im Bereich der immersiven VR-Technologie ausbaufähig . Es lassen sich daher kaum allgemeingültige Aussagen zu hemmenden und fördernden Aspekten der Technologieakzeptanz treffen sowie Empfehlungen für eine erfolgreiche Implementierung von VR aussprechen . Zukünftige Studien sollten sich grundsätzlich damit beschäftigen, wie die VR-Technologie zum aktuellen Entwicklungsstand von den beschäftigten (potenziellen) Nutzerinnen bzw .

Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären?

Nutzern in technischen Domänen wahrgenommen wird . Zu fragen gilt, ob die Technologie als im Arbeitsalltag nützlich und entlastend wahrgenommen wird, in welchen Arbeitsbereichen dies der Fall ist und welche Eigenschaften der Technologie zu solch einer positiven Einschätzung führen . Auf der Basis der beschriebenen potenziellen Einsatzmöglichkeiten der VR-Technologie sind zur Beantwortung dieser Fragen Betrachtungen in unterschiedlichen Branchen und Berufsfeldern nötig, um sowohl allgemeingültige als auch bereichsspezifische Aussagen treffen zu können . Der aktuelle Forschungsstand liefert Hinweise darauf, dass die TAM-Modelle grundsätzlich auch im Bereich der VR-Technologie eine sinnvolle Anwendung finden . Da die Anzahl der Studien hierzu aber nicht nur gering ist, sondern die Ergebnisse bezüglich des Zusammenhangs zwischen den Kernkomponenten auch nicht einheitlich sind, besteht in dieser Hinsicht noch deutlicher Forschungsbedarf . Insbesondere die Relevanz der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit sollte intensiv untersucht werden . Neben der weiterführenden Untersuchung der Kernkomponenten der TAM-Modelle betonen Marangunić und Granić (2015), was mit der Empfehlung von Legris und Kollegen (2003) konform geht, wie wichtig es ist, in Untersuchungen zur Technologieakzeptanz von komplexeren Technologien, wozu die VR-Technologie gezählt werden kann, weitere Einflussfaktoren, wie Faktoren der Nutzerinnen bzw . Nutzer, der Technologie oder der Organisation, zu berücksichtigen . Dies könnte zu einem tieferen Verständnis der Zusammenhänge zwischen den Kernkomponenten beitragen sowie konkrete und praxisnahe Handlungsempfehlungen zur proaktiven Steigerung der Technologieakzeptanz für Unternehmen zulassen . Unserem Kenntnisstand nach existieren aktuell noch keine Veröffentlichungen, die weitere relevante Einflussfaktoren in Untersuchungen zur Technologieakzeptanz der VR-Technologie betrachten . Individuelle Einflussfaktoren der Nutzerinnen bzw . Nutzer stellen gemäß Marangunić und Granić (2015) in diesem Rahmen ein wichtiges Forschungsdesiderat zur erweiterten Untersuchung der Technologieakzeptanz dar . Hierzu zählen neben den aufgeführten demografischen Faktoren und Persönlichkeitsfaktoren auch die kognitiven Fähigkeiten, wie die Gedächtnisleistung oder die Verarbeitungskapazität, emotionale Faktoren, wie Ängste zu versagen oder weitere Bedenken bei der Technologienutzung sowie kulturelle Aspekte . Das Alter wird hierbei von Marangunić und Granić (2015) besonders als zu betrachtender Faktor hervorgehoben . Laut deren Literaturanalyse wurden bislang insbesondere ältere Personen in Studien zur Technologieakzeptanz vernachlässigt, weshalb es das Ziel zukünftiger Untersuchungen sein sollte, mehr Repräsentanten der älteren Generationen einzubeziehen . Ein weiteres Forschungsdesiderat besteht in der Untersuchung organisationaler und technologiespezifischer Einflussfaktoren auf die Technologieakzeptanz der VR-Technologie . Es gilt zu prüfen, welche organisationalen Tätigkeiten und welche Eigenschaften der VR-Technologie sich förderlich oder hemmend auf die Technologieakzeptanz auswirken . Die vorgeschlagenen Einflussfaktoren Unterstützung durch

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die Führung, Anwendertrainings und Anwendersupport zur Implementierung von Softwaresystemen (vgl . Kohnke & Bungard 2009; Kohnke & Müller 2009; Kohnke, Wolf & Müller 2011) könnten hierbei die Ausgangsbasis bilden3 . Es stellen sich außerdem Fragen nach der konkreten Gestaltung dieser Unterstützungsmöglichkeiten . Welche Form der Kommunikation sollten Führungskräfte nutzen, um eine Technologie vorteilhaft darzustellen, und sollten sie eher direkt oder indirekt agieren? Welche Trainingsmethoden sind am effektivsten, um die wahrgenommene Nützlichkeit und wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit positiv zu beeinflussen, und wann sollten sie im Optimalfall stattfinden? Wie sollten Supportmöglichkeiten gestaltet sein, um sowohl technische als auch fachspezifische Probleme lösen zu können? Diese und weitere Fragen könnten in zukünftigen Studien adressiert werden (vgl . Venkatesh & Bala 2008) . Außerdem gilt es die relevanten spezifischen Technologieeigenschaften der VR-Technologie noch von Grund auf zu identifizieren . Der von Fetscherin und Lattemann (2008) identifizierte Faktor der Möglichkeit eines sozialen Miteinanders im virtuellen Raum kann hierzu möglicherweise einen ersten Anknüpfungspunkt liefern . In keiner der berichteten Studien wurde die VR-Technologie bereits im regulären Arbeitsalltag der befragten Personen eingesetzt, weshalb noch keine Daten zur tatsächlichen Nutzung der Technologie vorliegen . Da als Indikator der Technologieakzeptanz deshalb bisher nur die Intention zur Nutzung gemessen wurde, stellt ein weiteres Forschungsdesiderat die explizite Berücksichtigung der tatsächlichen Technologienutzung dar . Legris und Kollegen (2003) weisen in diesem Kontext auf die Problematik subjektiver selbst berichteter Daten zur tatsächlichen Technologienutzung hin, weshalb in zukünftigen Studien primär objektive Daten erfasst werden sollten . In Einklang mit dieser Empfehlung stellten Turner und Kollegen (2010) in ihrer Meta-Analyse von 73 Veröffentlichungen zum TAM fest, dass die Zusammenhänge zwischen den Kernkomponenten der TAM-Modelle abhängig von der subjektiven oder objektiven Einschätzung der tatsächlichen Nutzung waren . Objektive Daten würden deshalb den Erklärungsanteil der TAM-Modelle an der Technologieakzeptanz berichtigen und ein fundiertes Bild von den Zusammenhängen zwischen den Einflussfaktoren abgeben . 6.

Diskussion und Ausblick

Virtuelle Lern- und Arbeitsumgebungen bieten authentische Simulationsumgebungen, welche die zeitliche und räumliche Autonomie der Beschäftigten im Kontext der Digitalisierung der Berufs- und Arbeitswelt verbessern könnten und das Potenzial haben, sich förderlich auf den Lern- und Arbeitsalltag der Beschäftigten auszuwirken (vgl . Zinn, Guo & Sari 2016) . Zu hinterfragen gilt es, wie die (potenziellen) Nutzerinnen bzw . Nutzer die

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Siehe hierzu auch den Beitrag von Pletz, Lemke und Deininger (2020) in diesem Band .

Wie lässt sich die Technologieakzeptanz virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen erklären?

Technologie wahrnehmen und bewerten, und welche einzelnen Faktoren die Technologieakzeptanz der VR-Technologie hemmen und welche sie fördern . Die Modelle der Technologieakzeptanz auf der Basis des TAM (vgl . Davis 1989) scheinen hierbei eine fundierte Ausgangslage darzustellen . Offen bleibt, wie die Kernfaktoren wahrgenommene Nützlichkeit und wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit mit der Nutzungsintention und tatsächlichen Nutzung der VR-Technologie zusammenhängen und welche weiteren Einflussfaktoren es gibt, die die Technologieakzeptanz determinieren . In zukünftigen Studien sollte die Technologieakzeptanz der VR-Technologie mithilfe der TAM-Modelle umfassend in technischen Domänen untersucht werden, um hemmende und fördernde Aspekte im spezifischen Kontext zu identifizieren und somit zu klären, inwiefern sie im Arbeitsalltag der Beschäftigten und in der beruflichen Aus- und Weiterbildung eingesetzt werden kann . Dabei sollten nicht nur die postulierten Kernzusammenhängen der TAM-Modelle berücksichtigt werden, sondern vor allem auch Einflussfaktoren von Seiten der spezifischen Organisation sowie beeinflussende Eigenschaften der Technologie selbst definiert und deren Einflüsse auf die Technologieakzeptanz untersucht werden, damit Unternehmen konkrete Handlungsempfehlungen gegeben werden können, wie sie diese Akzeptanz steigern können . Neben subjektiven Daten zur Technologienutzung sollten hierbei wenn möglich primär auch objektive Daten herangezogen werden . Literatur

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Teil 2 Anwendung von virtuellen und erweiterten Umgebungen

Evaluierung potenzieller Augmented-RealityAnwendungsfälle im industriellen Umfeld TOBIAS KORB / ALEXANDER SCHMIDT / OLIVER RIEDEL

Evaluation of potential augmented reality use cases for industrial environment Zusammenfassung: Das steigende Interesse von Firmen an Augmented Reality und der

Umstand, dass sich der technische Reifegrad aktueller Geräte erhöht hat, haben zu ersten prototypischen Anwendungen im Produktionsumfeld geführt . Die fehlende Erfahrung im Umgang mit Mixed Reality führt allerdings auch dazu, dass die eigentlichen Vorteile der Augmented Reality nicht genutzt werden . Stattdessen werden hauptsächlich bereits vorhandene Konstruktionsdaten oder Simulationen in statische Hologramme überführt . Dabei wird die Fähigkeit des Hologramms, mit der Umgebung in Interaktion zu treten, vernachlässigt . In dieser Veröffentlichung werden deshalb verschiedene Kriterien für eine sinnvolle Augmented-Reality-Anwendung hergeleitet und erläutert . Die einzelnen Kriterien werden anschließend in einem Bewertungsmodell zusammengefasst, welches als Leitfaden für die Planung zukünftiger Augmented-Reality-Anwendungen dienen soll . Um die Verwendung dieses Modells zu demonstrieren, werden potenzielle Use-Cases vorgestellt und anschließend durch die vorgestellte Methodik bewertet . Abschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse diskutiert und ein Fazit gezogen . Abstract: The increasing interest of companies in augmented reality coupled with the

technical maturity of current devices leads to first prototypical applications in the production environment . However, the lack of experience in handling mixed reality leads to the fact that the actual advantages of augmented reality cannot be used . Instead, mainly existing construction data or simulations are converted into static holograms . The aspect of the interaction of the hologram with the individual environment is neglected . In this paper different criteria for a meaningful augmented reality application are derived and explained . The individual criteria are then summarized in an evaluation model, which serves as a guideline for the planning of future augmented reality applications . In order to evaluate the handling of this model, potential use cases are presented and subsequently checked . Finally, the results will be discussed and a conclusion will be drawn .

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1.

Einleitung

Die Digitalisierung der Produktion ist momentan das Ziel vieler KMU, Großunternehmen und Konzerne . Mit diesem Begriff sind allerdings nicht nur die digitale Verwaltung von Prozessen und die Abbildung physischer Produktionskomponenten in Verwaltungssystemen gemeint . Auch die Interaktion zwischen Mensch und Maschine verändert sich mit steigendem Digitalisierungsfaktor, weshalb sie bei diesem Begriff stets mitgedacht werden muss . Wo Mitarbeiter früher Informationen auf einem Blatt Papier ausgetauscht haben, werden heute Verwaltungsprogramme auf Tablets oder Maschinen-Bedienpanels genutzt . Die Entwicklung ist jedoch noch einen Schritt weitergegangen . Augmented Reality, kurz AR, ist der Fachbegriff für die Erweiterung der Realität mit digitalen Informationen . Erste Forschungen zu diesem Themengebiet sind bereits mehrere Jahrzehnte alt (vgl . Milgram und Kishino 1994; Azuma et al . 2001) . Auch was das konkrete Produktionsumfeld betrifft, sind in den 1990er Jahren bereits erste Forschungen zu der Frage, wie die Technologie vorteilhaft eingesetzt werden könnte, behandelt worden (vgl . Caudell und Mizell 1992), doch ist der Sprung aus der Forschung in die Produktion noch nicht gelungen . Dies lag in der Vergangenheit vor allem an der mangelnden technologischen Ausstattung . Seit 2016 Microsoft die AR-Datenbrille HoloLens auf den Markt gebracht hat (vgl . Microsoft 2018), ist es keine Frage der Technologie mehr, Augmented Reality in einem Produktionsumfeld zu nutzen . Firmen können nun Anwendungen entwickeln, die eine Anreicherung der Realität mit digitalen Informationen ermöglichen . In ersten Forschungsprojekten (vgl . Korb 2017) sind Plattformen entstanden, die einen Entwicklungsprozess für produktionsrelevante AR-Software erleichtern sollen . Was jedoch oft missachtet wird, ist die Frage, welche Fälle geeignet sind, um Augmented Reality anzuwenden . Ein Blick auf die führende Fachmesse Europas für elektrische Automatisierung, die SPS IPC Drives in Nürnberg, verrät, dass die Unternehmen immer noch nicht wissen, wie Augmented Reality effektiv eingesetzt werden könnte . Im Jahr 2017 gab es mehrere Stände auf der Messe, die anhand der Microsoft HoloLens erste Szenarien mit Augmented Reality präsentiert haben . Diese Szenarien beschränkten sich jedoch größtenteils auf das Anzeigen einzelner digitaler Komponenten auf dem Messeboden . Eine gewinnbringende Nutzung der Technologie in der Produktion ist hierdurch offensichtlich nicht möglich . Doch welche Eigenschaften sollte eine Anwendung erfüllen, damit sie sinnvoll genutzt werden kann? Und wie sieht ein passender Anwendungsfall aus? Diese Fragen sind essentiell für die Nutzung jeder neu aufkommenden Technologie . Auf den nachfolgenden Seiten wird eine Methodik präsentiert, die es Firmen erlaubt, diese beiden Fragen eigenständig, jedoch mit definiertem Prozess, für sich zu beantworten . Zuvor werden jedoch nicht nur die theoretischen Grundlagen der Augmented Reality, sondern auch der Stand der Technik näher erläutert . Auf dieser Wissensbasis werden sodann Kriterien präsentiert, die ein sinnvoller Augmented-Reality-Anwendungsfall erfüllen sollte, gefolgt von einer Methodik zur selbstständigen

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Überprüfung von Anwendungsfällen auf den sinnvollen Einsatz von Augmented Reality . Um die Methodik zu evaluieren, werden anschließend drei verschiedene Anwendungsfälle für einen Einsatz der Technologie in der Produktion präsentiert und ausgewertet . In einem abschließenden Fazit wird die Arbeit zusammengefasst und ein Ausblick auf die Zukunft der Augmented Reality im Produktionsumfeld gegeben . 2.

Grundlagen

In diesem Kapitel wird das Wissen vermittelt, das benötigt wird, um den Ausführungen in diesem Aufsatz folgen zu können . Hierfür ist es nicht nur nötig zu wissen, was Augmented Reality ist . Ebenso wichtig ist es zu definieren, was nicht unter Augmented Reality zu verstehen ist . Des Weiteren werden unterschiedliche technologische Ansätze vorgestellt, mit denen ein Augmented-Reality-Effekt erzeugt werden kann . 2.1

Über Realität und Virtualität

Augmented Reality ist nicht erst in den letzten Jahren entstanden . Als Forschungsfeld war AR bereits in den 1990er Jahren relevant . Milgram (vgl . Milgram und Kishino 1994) publizierte 1994 das Realitäts-Virtualitäts-Kontinuum, auf dem die unterschiedlichen Ausprägungen der realen und virtuellen Welt zueinander in Beziehung gesetzt werden . In Abbildung 1 sind beide Extreme als Pole links und rechts dargestellt . Sämtlicher Raum zwischen diesen Polen wird als Mixed Reality (gemischte Realität) bezeichnet . Wird hauptsächlich von einer Erweiterung der physischen Welt mit digitalen Elementen gesprochen, lautet der Fachterminus Augmented Reality . Diese Form der Mixed Reality ist deutlich bekannter als ihr Gegenstück, die Augmented Virtuality . Unter diesem Begriff versteht man eine größtenteils virtuelle Welt, die mit einzelnen physischen Elementen angereichert wird . Aus technischer Sicht sind die in der Augmented Virtuality gemachten Fortschritte im Gegensatz zur Augmented Reality noch nicht im Consumer-Markt angekommen und haben deshalb auch noch wenig Anklang in produzierenden Unternehmen gefunden .

Abb. 1 Realitäts-Virtualitäts-Kontinuum nach Milgram.

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Ein genauerer Blick auf die vorhandenen Definitionen von Augmented Reality verrät, dass sich Wissenschaftler nicht komplett einig sind, was unter dem Begriff Augmented Reality zu verstehen ist . Azuma (1997) nutzt zwei wichtige Wörter, um den Begriff Augmented Reality zu erläutern . Er beschreibt die virtuellen Objekte in der realen Welt als überlagernd („superimposed upon“) und mit der realen Welt verbunden („composited with“) . Beide Bezeichnungen beschreiben eine feste örtliche Verknüpfung mit der realen Welt . Für die Überlagerung einer physischen Komponente, muss das digitale Objekt genau an dem Ort im dreidimensionalen Raum liegen, an dem auch das physische Objekt liegt . Als eine Verbindung physischer und digitaler Komponenten, was Azuma als zweite Eigenschaft der AR beschreibt, wird zumindest die örtliche Relation zwischen beiden Komponenten definiert . Hierunter ist zu verstehen, dass sich beide Komponenten nicht überlagen müssen, ihre Positionen jedoch in Abhängigkeit zueinander stehen . In beiden Fällen sagt die Definition aus, dass sich die virtuellen Komponenten nicht an zufälligen Positionen im Raum befinden, sondern die Platzierung festgelegt ist . Diese Definition schränkt, anders als Milgrams ungenauere Definition von AR auf dem Realitäts-Virtualitäts-Kontinuum, die Grenzen der Augmented Reality deutlich ein . Damit AR sinnvoll genutzt werden kann, sei es im Consumer-Markt oder im produzierenden Gewerbe, sollte die Definition nach Azuma verwendet werden . Wenn kein Zusammenhang zwischen physischen und digitalen Komponenten besteht, lässt sich nur ein beschränkter Vorteil aus der Technologie ziehen . Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit die Definition von Azuma auch als Grundlage zur Ableitung der Kriterien für den sinnvollen Einsatz von Augmented Reality in der Produktion genutzt . 2.2

Derzeitige Augmented-Reality-Technologie

Nachdem das theoretische Konzept von AR nun bekannt ist, wird im folgenden Abschnitt ein Blick auf die technische Realisierung geworfen . Hierbei wird auf die einzelnen Teilsysteme eingegangen, welche die Grundlage für heutige Augmented Reality Technologien bilden . Bei diesen Komponenten handelt es sich um ein Visualisierungsmedium für die Anzeige virtueller Objekte, eine Sensorik zur Einordnung des Systems in die Umgebung, eine Komponente für die Ausführung von Software und für die Aggregation der Sensordaten sowie die Software selbst . 2 .2 .1

Visualisierungsmedium

Diese Teilkomponente jedes AR-Systems ist für die Darstellung der virtuellen Objekte zuständig . Im Falle eines Smartphones oder Tablets wird ein handelsüblicher, nicht transparenter Bildschirm eingesetzt . Die Illusion von Transparenz wird durch

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eine Kamera erzeugt, die das Geschehen vor dem Tablet auf dem Bildschirm anzeigt . Bei Headmounted Displays (HMD), wie etwa der Microsoft HoloLens und der Magic Leap der gleichnamigen Firma, werden transparente Displays direkt vor den Augen mit Inhalten gefüllt . Diese Displays sind von der Größe her vergleichbar mit Brillengläsern . Eine weitere Möglichkeit, die jedoch bisher noch nicht in der fertigenden Produktion eingesetzt wird, ist ein großes transparentes OLED-Display, das direkt an der Produktionsanlage angebracht ist . Der Kostenfaktor des Displays allein ist jedoch um ein Vielfaches höher, je nach Display-Größe, als die Kosten eines Gesamtsystems auf HMD- oder Tablet-Basis . Im Forschungsprojekt iWindow, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde, entstand eine Augmented-Reality-Lösung für Werkzeugmaschinenfenster, die auf diesem Ansatz basiert (vgl . Sommer et al . 2018) . 2 .2 .2

Sensorik

Damit AR-Systeme die Umwelt wahrnehmen können, wird eine unterschiedliche Sensorik in Augmented-Reality-Lösungen verbaut . Sämtliche Komponenten haben jedoch dieselbe Funktion: die Einordnung des AR-Systems und von dessen Hologrammen in die physische Umwelt . Eine sehr ungenaue Form der Einordnung wird durch das Global Positioning System (GPS) ermöglicht . Die Positionserkennung von Komponenten ist mit dieser Technologie auf einige Meter genau durchführbar . Dies ermöglicht jedoch keine sinnvollen Anwendungen nach der Definition von Azuma, da ein Wissen über die unmittelbare Umgebung fehlt . Eine Kamera bietet für dieses Problem eine bessere Lösung . Je nach Anforderung des Anwendungsfalls ist deshalb die Nutzung unterschiedlicher Sensorik nötig . Auf sich alleingestellt, kann ein Sensor jedoch häufig nicht ausreichend Informationen liefern . Eine Kombination unterschiedlicher Sensorik ist daher Standard für Augmented-Reality-Systeme . Neben GPS-Modulen und Kameras bilden Lagesensoren, Laserscanner, Mikrofone und weitere Komponenten die Augen und Ohren eines AR-Systems . 2 .2 .3

Hardware-Infrastruktur

Sämtliche Sensorik ist nutzlos, wenn die erfassten Daten nicht ausgewertet und genutzt werden . Zur Bewältigung dieser Aufgabe ist eine kompakte Infrastruktur notwendig . Bei Systemen auf Tablet- oder Handybasis sind bereits Ressourcen wie Prozessoren, Grafikeinheiten und Speicher verbaut, die hierfür genutzt werden können . Bei der Nutzung von Headmounted Displays wird eine dedizierte Hardware für die Auswertung der Informationen benötigt . In der Microsoft HoloLens ist die verarbeitende Hardware direkt in der Brille verbaut und kann batteriebetrieben ohne die Hilfe

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zusätzlicher Systeme agieren . Dies hat den Vorteil, dass der Träger sich frei bewegen und unabhängig von Kabelverbindungen agieren kann . Im Falle der Magic Leap ist dies jedoch nicht der Fall . Ein externer, kleiner Computer wird per Kabel mit der Magic Leap verbunden . Dieser Computer ist ebenfalls batteriebetrieben und kann an der Person angebracht werden, die die Brille trägt . Der Vorteil dieser Lösung ist der erweiterte Platz in der Rechenkomponente, so dass dort eine potentere Hardware und größere Akkus verbaut werden können . 2 .2 .4

Software

Mit den bisher beschriebenen Komponenten ist ein Großteil der Hardwaregrundlage für ein Augmented-Reality-System beschrieben . Die Software-Komponente ist dafür zuständig, diese Hardware-Komponenten anzusprechen und zu nutzen, um sinnvolle Inhalte zu erzeugen . Als Aufgabe der Software zählt neben der verarbeitenden Logik auch die Darstellung virtueller Objekte . Im Falle der HoloLens und der Magic Leap basiert die verwendete Software auf der Spiele-Engine Unity3D . Ergänzend zu den visuellen Inhalten kann durch die Verwendung von Hochsprachen wie C-Sharp die Anwendungslogik implementiert werden . Zusammengefasst sind alle der vier Komponenten in jedem Augmented-Reality-System vorhanden . Das Grundgerüst lässt sich bedarfsgerecht erweitern, doch können die meisten Zusatzkomponenten wieder in eine der vier Kategorien eingeordnet werden . Dieser kurze Überblick kratzt lediglich an der Oberfläche der Technik von AR-Systemen, ist jedoch ausreichend, um den nachfolgenden Kapiteln folgen zu können . Ein tieferer Einblick in den Aufbau der Systeme geben gewisse Veröffentlichungen (vgl . Milgram und Kishino 1994) und (vgl . Furht 2011) . 3.

Augmented Reality – Stand der Technologie in der Produktion

Die Entwicklung von Augmented Reality im industriellen Umfeld ist in den letzten Jahren stark vorangeschritten . Im Gartner Hype Cycle of Emerging Technologies von 2012 hatte die Augmented Reality den Höhepunkt der Hype-Phase noch vor sich . Seit mehr als einem Jahr befindet sich die Technologie, wie dies im Hype Cycle 2017 und 2018 zu sehen ist, jedoch nun im sogenannten „trough of disillusionment“, dem Tal der Enttäuschung (vgl . Gartner 2018) . Damit ist gemeint, dass die Illusionen, die man sich bezüglich einer neuen Technologie gemacht hat, geschwunden sind, so dass man nun in der Lage ist, ihr tatsächliches Potential zu ergründen . Die Anfänge dieser Phase sind, wie der Name sagt, meist enttäuschend . In dieser Phase entstehen viele Umsetzungen, Prototypen und Show Cases, die technologisch ausgereift sind, aber aus Anwendungssicht nicht überzeugen können . Hiermit ist gemeint, dass durch den Einsatz

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der entstehenden Anwendungen keine Verbesserung des Gesamtprozesses stattfindet . Die wissenschaftlichen Ergebnisse sehen dahingegen anders aus . Erste theoretische Vorschläge oder prototypisch umgesetzte Anwendungen zeigen einen potenziellen Mehrwert durch die Nutzung von Augmented Reality in der Produktion . Nachfolgend werden vielversprechende Anwendungen und interessante Ansätze aus aktuellen Forschungsprojekten genauer beschrieben . In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „iWindow – intelligentes Maschinenfenster“ (vgl . Sommer et al . 2018) ist das herkömmliche Schutzglas einer Werkzeugmaschine um ein transparentes Display erweitert worden . Auf diesem Display kann perspektivisch, je nach Blickwinkel des Betrachters, das Interieur der Werkzeugmaschine virtuell angezeigt werden . Der Bildschirm bietet hierbei die Möglichkeit, den kompletten physischen Innenraum digital zu überlagern oder die Transparenz des Displays zu nutzen, um nur bestimmte Elemente des realen Innenraums der Maschine digital zu erweitern . Informationen zum Status der Werkzeugmaschine, aktuelle Sensorwerte oder vorberechnete Bahnkurven sind Beispiele für virtuelle Informationen . Welche Informationen im Vorfeld erzeugt und anschließend angezeigt werden sollen, bleibt dem Nutzer des iWindow Framework überlassen . Forscher der University of South Australia haben gemeinsam mit dem Konzern General Motors ein AR-System entwickelt, das einen Projektor nutzt, um Informationen auf den Karosserien von Automobilen anzuzeigen (vgl . Doshi et al . 2017) . Der Vorteil dieser Methode ist, dass ein Mitarbeiter nicht auf zusätzliche Geräte zur Visualisierung angewiesen ist . Die fehlende Mobilität und Flexibilität ist hingegen, je nach Anwendungsgebiet, ein Nachteil dieser Methode . Für einen Einsatz auf dem Hallenboden ist der Ansatz deshalb weniger geeignet, da genug Platz und eine freie Sicht des Projektors auf sein Ziel nicht immer gewährleistet werden kann . Um die Entwicklung von Industrieanwendungen unter Nutzung von Augmentedoder Virtual-Reality-Technologien zu vereinfachen, ist laut einer Studie (vgl . Ramirez et al . 2013) aus dem Jahr 2013 die Entwicklung von speziellen Frameworks nötig . Im Rahmen der Exzellenzinitiative eniPROD (Energieeffiziente Produkt- und Prozessinnovationen in der Produktionstechnik) wurde 2014 ein Framework entwickelt, mit dessen Hilfe Daten aus der Produktion in industriellen Augmented-Reality-Anwendungen dargestellt werden können (vgl . Kollatsch et al . 2014) . Der Fokus dieses Framework liegt darauf, Rohdaten möglichst schnell auf einer simpel designten Oberfläche anzuzeigen . Die genaue Erfassung der Umgebung und eine exakte Positionierung von virtuellen Elementen im Raum ist nicht Schwerpunkt des Projekts . Beides ist zwar möglich, doch ist es die Hauptaufgabe dieses Framework, einen einfachen Umgang mit der Technologie zu ermöglichen . Was die methodische Evaluierung von Augmented-Reality-Anwendungen betrifft, ist die Technik deutlich weniger ausgereift als jene, mit der Anwendungsfälle konkret umgesetzt werden . Neumann und Majoros (1998) stellen einige Fehlerquellen bei der

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Implementierung von Augmented-Reality-Anwendungen vor . Grimm et al . (2002) beschreiben einen Prozess, mit dem AR-basierte Anwendungen erstellt werden können . Allerdings beschränken sie sich in ihren Ausführungen auf den Umgang mit dem eigens entwickelten Framework AMIRE . Klopfer und Squire erarbeiteten 2008 notwendige Eigenschaften, die eine Augmented-Reality-Anwendung haben sollte, um erfolgreich zu sein (vgl . Klopfer und Squire 2008) . Diese Eigenschaften lassen sich jedoch nicht auf die fertigende Industrie allgemein übertragen, da sie lediglich die Spiele-Industrie und Smartphones in den Blick nahmen . AR im Sinne von Azuma ist nicht Gegenstand ihrer Betrachtungen . Zusammenfassend lässt sich sagen, dass momentan viele Augmented-Reality-Anwendungen für den industriellen Einsatz entstehen . Einige davon sind erfolgversprechend und in der Regel das Produkt eines Projekts mit Forschungs-Charakter . Das bedeutet, dass entweder Vorausentwicklungsabteilungen großer Firmen oder Partner aus universitären Einrichtungen am Projekt beteiligt sind . Viele Projekte jedoch schöpfen bislang die Möglichkeiten dieser Technologie noch nicht aus . Ein Grund hierfür könnte sein, dass bei der Überprüfung von Anwendungsfällen das Vorgehen bislang wenig methodisch ist . Ohne dieses methodische Vorgehen bei der Überprüfung von Anwendungsfällen auf den Einsatz von Augmented Reality, wird eventuell Arbeit in die Entwicklung von Anwendungen gesteckt, die nicht für AR geeignet sind . Aus diesem Grund wird in dieser Ausarbeitung eine Bewertungsmetrik präsentiert, die eine verantwortliche Person eines Unternehmens in die Lage versetzt, sinnvolle Anwendungsfälle von potenziell erfolglosen zu unterscheiden . 4.

Kriterien für den erfolgsversprechenden Einsatz von Augmented Reality

Augmented Reality bietet die Möglichkeit, die tatsächliche physische Realität und Umgebung durch Hologramme zu erweitern . Mit technischen Geräten wie der HoloLens von Microsoft oder der Magic Leap One von Magic Leap stehen Entwicklern neue Möglichkeiten zur Lösung bestehender Probleme bereit . Doch für welche Problemstellungen ist der Einsatz von AR-Technologie sinnvoll? Welche Anwendungsfälle sind für den Einsatz einer erweiterten Realität geeignet? Im Folgenden werden Kriterien präsentiert, mithilfe derer bewertet werden kann, ob der Einsatz von AR-Technologie für einen bestimmten Anwendungsfall sinnvoll ist oder nicht . Aufbauend auf den vorgestellten Kriterien wird anschließend eine Bewertungsmetrik und die dazugehörige Methodik vorgestellt, um die Sinnhaftigkeit eines Einsatzes von AR-Technologie bewerten zu können . Die Bewertungsmethodik richtet sich dabei an Personen in Entscheidungspositionen, welche keine tieferen Vorkenntnisse im Bereich der AR-Technologie haben . Außerdem wird davon ausgegangen, dass AR-Technologie verfügbar ist und auch funktioniert . Technische Implementierungsdetails, wie beispielsweise die Hygiene von AR-Brillen, die Akkulaufzeit oder die Blickfeldgröße, werden nicht

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betrachtet . Des Weiteren wird lediglich die technologische Sinnhaftigkeit untersucht . Eine ökonomische Bewertung unter Berücksichtigung von Entwicklungsaufwand sowie Kosten und Nutzen findet nicht statt . Die Auswahl der nachfolgend präsentierten Kriterien basiert auf unterschiedlichen Arbeiten . Zum einen wurde im Forschungsprojekt iSrv eine Studie mit mehreren KMU im deutschen Raum durchgeführt . In dieser Studie wurden Firmen befragt, inwiefern sie Serviceplattformen und Möglichkeiten zur Ergebnisvisualisierung mit AR und VR bereits nutzen oder zu nutzen beabsichtigen . Die vollständigen Ergebnisse der Studie sind noch nicht öffentlich zugänglich, werden jedoch in naher Zukunft vom Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen der Universität Stuttgart und dem Fraunhofer IAO publiziert werden . Die hier entwickelten Kriterien greifen aber nicht nur auf die Ergebnisse dieser Studie, sondern auf bereits veröffentlichte Arbeiten zurück . Konkret zu nennen ist hier ein Forschungsreport von Akhtar (vgl . Akhtar 2018) . Dort werden unterschiedliche industrielle Einsatzmöglichkeiten von AR und VR beleuchtet und deren Nutzen erklärt . In einem Artikel von Waszkowski (2018) werden weitere Anwendungsfälle und zu beachtende Kriterien präsentiert . Neben diesen öffentlich verfügbaren Quellen fließt auch die in vorangehenden Forschungsprojekten des ISW gesammelte Erfahrung (vgl . Korb 2017; Sommer et al . 2018) mit in die Bestimmung der Kriterien ein . Für alle nachfolgend präsentierten Kriterien wird zunächst die allgemeine Bedeutung des Kriteriums erklärt . Anschließend können anhand einer Übersichtskarte die jeweilige relevante Fragestellung sowie die jeweiligen Antwortmöglichkeiten abgelesen werden . Beide Komponenten sind als Hilfestellung für die Bewertung einer Anwendung gedacht . 4.1

Kriterium 1: Projektion von Hologrammen

Beim ersten Kriterium handelt es sich um eine sehr allgemeine, jedoch wichtige Frage . Können digitale Abbildungen, in dieser Arbeit allgemein als Hologramme1 bezeichnet, innerhalb der physischen Welt überhaupt sinnvoll angewendet werden? Ergibt sich dadurch ein Vorteil gegenüber der klassischen Informationsanzeige auf einem zweidimensionalen Bildschirm? Diese Fragen hören sich banaler an, als sie sind . Mit Blick auf viele derzeitige Anwendungsfälle, in denen AR genutzt wird, müssten diese Fragen streng genommen mit nein beantwortet werden, d . h . AR kommt hier nicht sinnvoll zur Anwendung . Aus diesem Grund ist dieses Kriterium, methodisch gesehen, auch In dieser Arbeit werden alle digitalen Abbildungen im physischen Raum als Hologramme bezeichnet . Die Technologie zum Darstellen der Hologramme wird als Projektion bezeichnet . Beide Bezeichnungen sind in den meisten Anwendungsfällen korrekt, jedoch gibt es Ausnahmen, die trotz der Wortwahl nicht ausgeschlossen werden . 1

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das einzige K .-o .-Kriterium in der vorliegenden Arbeit . Mit allen weiteren Kriterien kann der Nutzen von Hologrammen näher spezifiziert werden, wobei davon ausgegangen wird, dass die allgemeine Nutzung von Hologrammen an sich sinnvoll ist . Ein Beispiel für eine nicht sinnvolle, jedoch häufig eingesetzte Augmented-Reality-Anwendung ist das Projizieren eines größenverstellbaren Gegenstands auf freiem Boden . Alle Vorteile, die sich aus der Projektion ergeben, können bereits mit einer herkömmlichen PC-Applikation erreicht werden . Der Einsatz von Augmented Reality ist in diesem Fall also nicht zielführend und sollte deshalb sehr gut überlegt werden, wenn in dem begutachteten Anwendungsfall die oben formulierten Fragen mit einem Nein beantwortet werden müssen . Die Kontrollfrage, die für dieses Kriterium gestellt werden sollte, lautet folglich: Ist es dem Anwendungsfall förderlich, wenn Hologramme in die reale Umgebung projiziert werden? Die möglichen Antworten beschränken sich auf „Ja“ und „Nein“ . Kriterium inklusive Kontrollfrage und Antwortmöglichkeiten sind in Abbildung 2 überblicksartig zusammengefasst . Ein solcher Überblick wird auch für die anderen Kriterien gegeben werden .

Abb. 2 Überblick Kriterium „Projektion“.

4.2

Kriterium 2: Positionierung

Das Kriterium „Positionierung“ beschreibt die Platzierung der digitalen Informationen im physischen Raum . Die Antwortmöglichkeiten reichen von „egal“ über „statisch“ bis „dynamisch“ . Mit diesen Adjektiven wird beschreiben, wie die Elemente positioniert worden sind . Eine statische Platzierung bedeutet, dass die digitalen Informationen an einen festen Punkt im physischen Raum gepinnt werden . Die Position verändert sich nicht, egal welche Änderungen im physischen Raum vorgenommen werden . Es besteht somit keine Relation zwischen der Hologramm-Position und dem Rauminhalt . Diese Relation ist jedoch bei einer dynamischen Positionierung gegeben . Das Hologramm wird mit bestimmten Gegenständen oder Formen im Raum verknüpft und bewegt sich relativ zu diesen mit . Ist es für den Anwendungsfall irrelevant, ob die Positionierung statisch oder dynamisch stattfindet, sollte die Antwortmöglichkeit „egal“ gewählt werden .

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Ein Beispiel für eine statische Positionierung ist die Anzeige von Prozessinformationen an der Wand hinter einer Werkzeugmaschine . Die Position sollte sich nicht ändern, da die Informationen unabhängig vom aktuellen Prozess eingesehen werden sollen . Durch eine automatisierte Erfassung der Prozesse könnten die Informationen jedoch auch direkt auf der Maschine oder dem entstehenden Produkt angezeigt werden . Werden Linearachsen einer Maschine verfahren oder wird gar die Maschine verschoben, bewegen sich die betreffenden digitalen Informationen mit und behalten somit ihre Relation zur physischen Welt . Ist die Positionierung egal, könnten die Prozessinformationen irgendwo in der Halle angezeigt werden . Der Nutzer könnte somit die Informationen nicht mehr einer bestimmten Maschine instinktiv zuordnen . In Abbildung 3 ist dieses Kriterium überblicksartig zusammengefasst:

Abb. 3 Überblick Kriterium „Positionierung“.

4.3

Kriterium 3: Dynamik des Hologramms

Dieses Kriterium beschreibt die Dynamik des Hologramms selbst und umfasst die beiden Ausprägungen „statisch“ und „dynamisch“ . Ein statisches Hologramm ist ein Hologramm, welches sich in seiner Form und Darstellung nicht ändert . Änderungen in Form und Darstellung sind etwa Größenänderungen, inhaltliche Änderungen oder das Ein- und Ausblenden von Teilinformationen . Was keine Rolle spielt, ist die Positionierung des Hologramms . Diese Eigenschaft wird explizit von der Betrachtung ausgenommen und nur im Kriterium 2 betrachtet . Inhalte, die ursprünglich auf Papier abgebildet waren, sind beispielsweise inhaltlich statisch . Im produktionstechnischen Umfeld könnte ein solcher statischer Inhalt bei der Darstellung von Anleitungen genutzt werden . Animierter Inhalt, wie etwa Produktvideos, wird bei diesem Kriterium jedoch ebenfalls als statisch qualifiziert . Die Projektion passt sich nicht an und ändert sich nicht, vorausgesetzt die Größe der Projektion bleibt ebenfalls gleich . Ein dynamisches Hologramm verändert sich im Laufe der Zeit durch Faktoren innerhalb des geschlossenen AR-Systems . Ein Beispiel hierfür ist die Größenänderung der Projektion, die sich einstellt, wenn der Betrachter sich ihr nähert oder sich von ihr entfernt . Weiterhin könnte sich die Projektion um die eigene Achse drehen, je nachdem, von wo aus der Betrachter auf die Projektion blickt . Eine

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dritte Möglichkeit ist die Veränderung der Projektion über eine bestimmte Zeit hinweg . Wird einem Werker an einer Werkzeugmaschine in den ersten 60 Minuten das Koordinatensystem eingeblendet, danach jedoch automatisch ausgeblendet, handelt es sich ebenfalls um ein dynamisches Hologramm . Die Kontrollfrage und ihre Antwortmöglichkeiten sind in Abbildung 4 überblicksartig dargestellt:

Abb. 4 Überblick Kriterium „Dynamik“.

4.4

Kriterium 4: Kooperation

Dieses Kriterium befasst sich damit, ob mehrere Personen mit der Darstellung eines Hologramms zusammenarbeiten . Damit ist gemeint, dass unterschiedliche Personen dasselbe digitale Objekt sehen und gegebenenfalls mit ihm interagieren können . Dieses Kriterium wirkt sich, unabhängig davon, welche Antwort gegeben wird, kaum auf die theoretischen Erfolgschancen des Anwendungsfalls aus . Es ist dennoch wichtig, sich über dieses Kriterium Gedanken zu machen, da sich eine Kooperation auf Basis von Augmented Reality nicht leicht realisieren lässt . Eine Diskussion über Strömungseigenschaften innerhalb eines konstruierten Systems ist ein beispielhafter Anwendungsfall, bei dem dieses Kriterium von Interesse ist . Mehrere Personen müssen die digitale Anlage und dargestellten Ströme sehen, um über die Simulation diskutieren zu können . Anders verhält es sich wiederum mit prozess- oder kundenbezogenen Informationen, die auf einem Hallenboden dargestellt werden . Hier ist keine Kooperation, sondern nur die Anzeige für einzelne Personen erwünscht . Kontrollfrage und Antwortmöglichkeiten für dieses Kriterium sind in Abbildung 5 zu sehen:

Abb. 5 Überblick Kriterium „Kooperation“.

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4.5

Kriterium 5: Beeinflussung

Passt sich ein Hologramm in Inhalt, Größe oder sonstigen Faktoren an seine Umwelt an, wird dies als Beeinflussung des Hologramms bezeichnet . Der Einfluss wird in den meisten Fällen unidirektional sein und lediglich die digitale Welt, und somit die Hologramme, verändern . In seltenen Anwendungsfällen kann sich jedoch auch die physische Welt den Hologrammen anpassen . Zusammengefasst ist mit diesem Kriterium der gegenseitige Einfluss von physischer und digitaler Welt gemeint . Im Unterschied zu Kriterium 3, „Dynamik des Hologramms“, wird in Kriterium 5 nur eine Änderung durch externe Einflüsse betrachtet . Unter extern versteht sich hier, die von der Sensorik wahrgenommene Produktionsumgebung und erhaltene Informationen aus der realen Welt . Ein Sonderfall entsteht, wenn sich die physische Welt durch das Hologramm ändert und diese Anpassung wiederum Rückwirkung auf das Hologramm hat . Streng genommen hat sich das Hologramm in diesem Fall indirekt selbst beeinflusst . Eine entstehende Kausalitätsschleife wird in diesem Kriterium jedoch ebenfalls als externer Einfluss gesehen . In den meisten Fällen passt sich das Hologramm jedoch durch Änderungen im Prozesszustand oder menschlicher Interaktion an . Ein Beispiel für Änderungen im Prozess ist die Anpassung von Diagrammen auf Basis des aktuellen Systemzustands . Auch die automatisierte Anpassung von Positionierung, Größe oder Inhalt der Hologramme, basierend auf der von der Sensorik wahrgenommenen Produktionsumgebung, ist möglich . Je nach aktuellem Bearbeitungsschritt können beispielsweise mögliche Komplikationen und Lösungsmuster für den Maschinenbediener direkt auf dem Werkzeug angezeigt werden . Zusammengefasst haben alle Beispiele eines gemeinsam: Eine Änderung in einer der beiden Welten, d . h . in der physischen oder der digitalen, führt dazu, dass sich die andere Welt jeweils anpasst . Die Kontrollfrage und ihre Antwortmöglichkeiten sind in Abbildung 6 dargestellt:

Abb. 6 Überblick Kriterium „Beeinflussung“.

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4.6

Kriterium 6: Dimensionierung

Dieses Kriterium beschreibt die Dimensionierung der Hologramme . Es enthält die Kategorien „egal“, „1 : 1“ und „spezifisch“ . In der Kategorie „egal“ spielt die Dimensionierung der Hologramme keine Rolle . Bei der Kategorie „1 : 1“ muss das zu visualisierende Objekt exakt dieselbe Dimension haben wie das physische Objekt . Bei reinen Informationen wie Graphen oder textuellen Darstellungen ist dies in den meisten Fällen nicht möglich, da es kein physisches Gegenstück gibt . Aus diesem Grund ist eine solche Dimensionierung häufig nur bei der grafischen Nachbildung von physischen Objekten wichtig . Möchte man beispielsweise ein Auto in der Originalgröße auf einem Tablet visualisieren, so lässt sich dies, bedingt durch die kleine Displaygröße, nur schlecht umsetzen . Mit Augmented Reality wird dies jedoch möglich . Die Ausprägung „spezifisch“ trifft zu, falls das zu visualisierende Objekt eine spezifische, jedoch nicht notwendigerweise eine 1:1-Dimensionierung in Bezug auf das physische Objekt erfordert . Beispiele für diese Kategorie wären ein Modellauto oder eine Landkarte . Die Dimensionierung muss hier klar festgelegt sein, doch ist eine 1:1-Dimensionierung unnötig . Ein Beispiel aus der Produktion für eine 1:1-Dimensionierung ist die Abbildung einer Abtragsimulation direkt auf dem Schlitten der Werkzeugmaschine . Eine feste Dimensionierung ist beispielsweise im Falle einer Analyse von Strömungen innerhalb eines Gesamtsystems, wie sie oben erwähnt wurde, notwendig . Eine sich ändernde Dimensionierung kann für Diagramme jeglicher Art genutzt werden, da hierbei nur die Korrelation der hologrammintern voneinander abhängigen Werte relevant ist . Solange diese Relation gleich bleibt, spielt die Dimensionierung theoretisch keine Rolle . In Abbildung 7 wird dieses Kriterium überblicksartig zusammengefasst:

Abb. 7 Überblick Kriterium „Dimensionierung“.

4.7

Kriterium 7: Handfreiheit

Dieses Kriterium beschreibt die Notwendigkeit, dass Anwender beide Hände frei haben müssen . Obwohl dieses Kriterium für die Anwendung von Augmented Reality nicht grundlegend ist, spielt es doch in der Produktion und allgemein im industriellen

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Umfeld eine große Rolle . Einer der aktuell häufigsten Anwendungsfälle ist die Anzeige von Wartungsinformationen . Ein Wartungsingenieur bekommt seine Anleitung vor die Problemstelle projiziert und muss nicht eine seiner Hände benutzen, um die Anleitung festzuhalten oder zu positionieren, da er ein Headmounted Display trägt . Die entsprechende Kontrollfrage und die Antwortmöglichkeiten sind in Abbildung 8 zu sehen:

Abb. 8 Überblick Kriterium „Handfreiheit“.

Die beschriebenen sieben Kriterien und ihre Kontrollfragen sollen zur Entscheidungsfindung beitragen, ob ein möglicher Anwendungsfall realisiert werden sollte . Es gibt weitere Kriterien, die nicht Teil dieser Methode sind, doch sollte die initiale Auswertung einfach gehalten werden, weshalb sich auf diese Kriterien beschränkt wurde . 5.

Methode zur Beurteilung

Im folgenden Kapitel wird ein methodisches Vorgehen präsentiert, welches bei der Überprüfung von AR-Anwendungsfällen unterstützt . Grundlage für das Vorgehen ist eine Gewichtung und logische Verknüpfung der präsentierten Kriterien, um eine sinnvolle Anwendung von Augmented Reality zu gewährleisten . Die Kombination möglicher Ausprägungen der Kriterien ergibt einen Wert, der repräsentativ für den potenziellen Erfolg eines Anwendungsfalls steht . Nachfolgend werden das Vorgehen sowie die Formel zur Berechnung des Ergebnisses näher beleuchtet und erklärt . 5.1

Vorgehen

Als Grundannahme für das nachfolgende Vorgehen wird vorausgesetzt, dass ein auf AR basierender industrieller Anwendungsfall existiert und die ausführende Person in der Lage ist, die Ausprägungen der Kriterien korrekt entsprechend dem Anwendungsfall auszuwählen . Sind diese Bedingungen gegeben, kann mit der Evaluierung begonnen werden . Je nach Komplexität nimmt die Bewertung eines Anwendungsfalls lediglich einige Minuten bis maximal eine Stunde Zeit in Anspruch . Der Großteil die-

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ser Zeit wird benötigt, um die Auswahlmöglichkeiten der Kriterien korrekt dem Anwendungsfall zuzuordnen . Das eigentliche Vorgehen beschränkt sich auf eine lineare Abfolge von Fragen, die bereits in der Kriterienbeschreibung als Kontrollfragen vorgestellt wurden . Jedem Kriterium kann genau eine bestimmte Ausprägung zugewiesen werden . Die Ausprägungen sind mit unterschiedlichen Gewichtungen belegt und berechnen im Hintergrund den Ergebniswert, der nachfolgend ARfolgsfaktor genannt wird . Das Ergebnis bietet lediglich eine grobe Einschätzung zum Potential des analysierten Anwendungsfalls . Ein niedriger Ergebniswert sollte Anlass geben, den Anwendungsfall zu hinterfragen und gegebenenfalls alternative Visualisierungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen . Sollte das Ergebnis positiv ausfallen, wird dennoch empfohlen, weitere Analysen durchzuführen . Beispielsweise ist eine ökonomische Prüfung des Anwendungsfalls sinnvoll, welche nicht Teil dieses Vorgehensmodells ist . Zusammengefasst soll der Ergebniswert lediglich der Orientierung dienen . Dennoch ist es für Laien oder fachfremde Personen möglich, mit nur wenigen Minuten Aufwand eine erste Einschätzung darüber zu bekommen, ob ein angedachter Anwendungsfall mittels Augmented Reality realisiert werden sollte oder nicht . 5.2

Bewertungsmetrik

Um den Ergebniswert nachvollziehen zu können, wird im Folgenden die Bewertungsformel zur Berechnung des ARfolgsfaktors beschrieben . Zusätzlich wird die Skala des ARfolgsfaktors erläutert, die in fünf verschiedene Kategorien unterteilt wird, was eine einfachere Einordung der Ergebnisse ermöglichen soll . Die Formel zur Berechnung des potenziellen Erfolgs eines Anwendungsfalls mit AR, dargestellt in Formel 1, setzt sich aus den Einzelfaktoren a1 und bn zusammen . Der Index n steht hierbei für das jeweilige Kriterium und reicht von 1 bis 7 . Die Faktoren an stehen für die Gewichtung der einzelnen Kriterien . Die Summe von a1 bis a7 ergibt insgesamt 1 . Die vollständige Gewichtung der einzelnen Kriterien ist in Tabelle 1 aufgelistet . Die Faktoren bn stehen für die Gewichtung der jeweiligen Ausprägungen . Der Index n steht erneut für das jeweilige Kriterium . Die Ausprägungsfaktoren bn enthalten Werte zwischen 0 und 1, wobei 0 für eine geringe Tauglichkeit und 1 für eine hohe Tauglichkeit stehen . 7

b1 ∑a n * bn n=1

Formel 1 ARfolgsformel zum Berechnen des Ergebniswertes

Wie die einzelnen Kriterien genau gewichtet sind, ist Tabelle 1 zu entnehmen . Die wichtigsten und somit am höchsten gewichteten Kriterien sind Kriterium 1 („Projek-

Evaluierung potenzieller Augmented-Reality-Anwendungsfälle im industriellen Umfeld

tion“) und Kriterium 5 („Beeinflussung“) . Kriterium 1 wird deshalb so hoch gewichtet, weil hier die objektive Sinnhaftigkeit von digitalen Elementen in der physischen Umgebung erfragt wird . Ist diese Frage zu bejahen, erreicht ein Anwendungsfall zumindest die Gesamtbewertung von 0,2 und wird somit nicht von Beginn an als unbrauchbar aussortiert . Wird Kriterium 1 jedoch mit Nein beantwortet, wird nicht nur ein Fünftel der Gesamtpunktzahl abgezogen, sondern die gesamte Summe mit 0 multipliziert . Das Gesamtergebnis ist folglich stets 0 . Dieser Teil der ARfolgsformel liegt darin begründet, dass digitale Informationen im physischen Raum notwendigerweise von Vorteil sein müssen . Ist dies nicht vorteilhaft, kann der Anwendungsfall auch keinen Mehrwert bieten . Der zweite wichtige Faktor ist die Beeinflussung . Interagieren Hologramme mit der Umwelt, ist dies in der Regel ein Anzeichen für einen sinnvollen Augmented-Reality-Anwendungsfall; tun sie das nicht, funktionieren klassische Visualisierungen besser . Warum dies so ist, erklärt folgende Gedankenkette: Grundsätzlich stellt AR Informationen an einem Ort bereit, an dem sie sonst nicht sein könnten . Damit diese Informationen dauerhaft sinnvoll bleiben, müssen sie von der realen Welt beeinflusst werden und sich an Situationen anpassen . Im Optimalfall ist eine direkte Interaktion mit den Hologrammen möglich, um umgekehrt auch die reale Welt durch die digitalen Komponenten beeinflussen zu können . Da dieses Kriterium für einen erfolgreichen Einsatz von Augmented Reality sehr wichtig, jedoch nicht zwingend nötig ist, wird es höher bewertet als die meisten anderen Faktoren . Als Ausschlusskriterium dient es jedoch nicht . Tab. 1 Gewichtungsfaktoren für die einzelnen Kriterien. n

an

1

0,2

2

0,1

3

0,15

4

0,1

5

0,25

6

0,1

7

0,1

Eine vollständige Übersicht über die Gewichtung der einzelnen Ausprägungen innerhalb eines Kriteriums ist Tabelle 2 zu entnehmen . Jede Spalte (b1 bis b7) steht für das entsprechende Kriterium . In den Zeilen sind alle möglichen Ausprägungen eingetragen . Bietet ein Kriterium eine Ausprägung nicht als Antwortmöglichkeit an, wird das Feld freigelassen . Die Zahlen in den einzelnen Zellen geben die Gewichtung der gewählten Ausprägung an . Die Gewichtung liegt zwischen 0 und 1 . Die Summe der einzelnen Gewichte kann spaltenweise größer als 1 sein .

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Tobias Korb / Alexander Schmidt / Oliver Riedel

Tab. 2 Ausprägungsfaktoren für die Kriterien 1 bis 7. b1

b2

b3

b4

b5

b6

b6

Ja

1

1

1

1

Nein

0

0,8

0,3

0,5

Egal

0,2

Statisch

0,7

0,5

1

1

Dynamisch

0,5

Spezifisch

1

1:1

1

Das Ergebnis der ARfolgsformel lässt sich anschließend einer Bewertung zuordnen . In Tabelle 3 sind die jeweiligen Bewertungen aufgelistet . Die Bewertung beschränkt sich an dieser Stelle auf den potenziellen Mehrwert, der sich durch den Einsatz von AR-Technologie ergibt . Ökonomische Gesichtspunkte werden, wie bereits dargelegt, nicht betrachtet . Tab. 3 Beurteilungsskala für den ARfolgsfaktor. Ergebniswert (ARfolgsfaktor)

Beurteilung

0,8–1,0

Der Einsatz von AR-Technologie ist für diesen Anwendungsfall sehr gut geeignet.

0,6–0,8

Der Einsatz von AR-Technologie ist für diesen Anwendungsfall gut geeignet.

0,4–0,6

Der Einsatz von AR-Technologie kann für diesen Anwendungsfall geeignet sein.

0,2–0,4

Der Einsatz von AR-Technologie ist für diesen Anwendungsfall wahrscheinlich nicht geeignet.

0,0

Der Einsatz von AR-Technologie ist für diesen Anwendungsfall nicht anzustreben. Es sollten andere Visualisierungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden.

Ein Wert von 0 kann lediglich dann erreicht werden, wenn Kriterium 1 mit der Ausprägung „Nein“ belegt wurde . Ein ARfolgsfaktor zwischen 0,2 und 0,4 ist das potenziell niedrigste Ergebnis, vorausgesetzt, in Kriterium 1 wurde die Sinnhaftigkeit von Hologrammen bestätigt . Anwendungsfälle in dieser Kategorie sind mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit nicht erfolgreich . Ein Anwendungsfall mit einem ARfolgsfaktor zwischen 0,4 und 0,6 sollte überdacht, beziehungsweise mit zusätzlichen Eigenschaften erweitert werden, um potenziell erfolgreich zu sein . Ein Anwendungsfall mit einem Wert über 0,6 als Ergebnis der Analyse befindet sich im positiven Bereich der Skala . Zwischen 0,6 und 0,8 sind Anwendungsfälle zu finden, die vielversprechend sind und,

Evaluierung potenzieller Augmented-Reality-Anwendungsfälle im industriellen Umfeld

falls sie mit Augmented Reality kombiniert werden, wahrscheinlich einen Mehrwert bieten . Für alle Anwendungsfälle mit einem ARfolgsfaktor von über 0,8 bietet eine Realisierung mit Augmented Reality mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen Mehrwert . Diese Anwendungsfälle sollten auf jeden Fall ökonomisch und technisch untersucht und gegebenenfalls umgesetzt werden . 6.

Evaluation durch Überprüfung von Anwendungsfällen

Um zu zeigen, wie man mit dem beschriebenen Vorgehen konkret umgehen kann, werden nachfolgend drei unterschiedliche Anwendungsfälle dargestellt und anschließend mit der vorgestellten Methode bewertet . Hierfür wurden bewusst Anwendungsfälle mit unterschiedlichem Potential für Augmented Reality gewählt . Die Anwendungsfälle sind frei gewählt und spiegeln nicht das wider, woran die Autoren momentan arbeiten oder planen zu arbeiten . 6.1

Automobil-Projektion auf Hallenboden

In diesem Anwendungsfall soll ein CAD-Modell eines Automobils im Maßstab 1 : 1 auf den Hallenboden projiziert werden . Neben der reinen Betrachtung sind keine weiteren Interaktionsmöglichkeiten erwünscht . Dieser Anwendungsfall war in unterschiedlichen Varianten 2017 und 2018 auf mehreren Messen (z . B . IPC SPS Drives 2017, HMI Hannover Messe 2018) zu sehen . Nachfolgend werden tabellarisch die Kontrollfragen der einzelnen Kriterien beantwortet, um eine Einschätzung der Sinnhaftigkeit dieses Anwendungsfalls zu bekommen . Tab. 4 Kontrollfragen für den Anwendungsfall 1. Kriterien

Kontrollfragen

Ausprägung

Projektion

Sind Hologramme in der physischen Umgebung von Vorteil?

Positionierung

Wie soll das Hologramm positioniert werden?

Statisch

Dynamik

Wie verhält sich der Inhalt des Hologramms?

Statisch

Kooperation

Arbeiten mehrere Personen gleichzeitig gemeinsam mit dem Hologramm?

Nein

Beeinflussung

Sollen sich Hologramm und Umwelt gegenseitig beeinflussen?

Nein

Dimensionierung

Wie soll die Dimensionierung des Hologramms erfolgen?

1:1

Handfreiheit

Soll der Nutzer beide Hände frei zur Verfügung haben?

Nein

Nein

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Die Auswirkungen der eingetragenen Ausprägungen werden anschließend mit der ARfolgsformel zu einem vergleichbaren Wert umgerechnet: 7

Far = b1 ∑a n * bn n=1

= b1 * ( a1 * b1 + a 2 * b2 + a 3 * b3 + a 4 * b 4 + a 5 * b5 + a 6 * b6 + a 7 * b 7 ) = 0 * ( 0 ,2 * 0 + 0 ,1* 0 ,7 + 0 ,15* 0 ,5+ 0 ,1* 0 ,8 + 0 ,25* 0 ,3+ 0 ,1* 1+ 0 ,1* 0 ,5 ) = 0 * ( 0 ,45 ) =0 Formel 2 Berechnung des ARfolgsfaktors für den Anwendungsfall 1

Durch die Ausprägung b1 wird der ARfolgsfaktor dieses Anwendungsfalls auf 0 gesetzt . Eine Visualisierung auf herkömmliche Art und Weise, an einem Monitor oder über einen Projektor, sowie eine Interaktion mit dem 3D-Modell über Maus und Tastatur bietet keine Nachteile gegenüber der AR-basierten Lösung und ist einfacher zu realisieren und zu steuern . Wenn der Einsatz von AR in diesem Anwendungsfall auf längere Sicht keine Vorteile bietet, wird sich der Anwendungsfall nicht durchsetzen, weshalb dieser nicht mit technischem Mehraufwand in einer Augmented-Reality-Umgebung umgesetzt werden sollte . 6.2

Live-Statistik-Anzeige einer Produktionsanlage

Im zweiten Anwendungsfall sollen aktuelle Hinweise, Auswertungen und von einer Produktionsanlage durchgeführte Aktionen begleitend zum Prozess direkt an der Anlage visualisiert werden . Die Statistiken verändern sich laufend und zeigen stets die aktuellen Prozessinformationen an . Dieser Anwendungsfall ist nicht abwegig und wird industriell bereits von mehreren Firmen umgesetzt oder als Entwicklungsdienstleistung angeboten . Tab. 5 Kontrollfragen für den Anwendungsfall 2 Kriterien

Kontrollfragen

Ausprägung

Projektion

Sind Hologramme in der physischen Umgebung von Vorteil?

Positionierung

Wie soll das Hologramm positioniert werden?

Statisch

Dynamik

Wie verhält sich der Inhalt des Hologramms?

Dynamisch

Kooperation

Arbeiten mehrere Personen gleichzeitig gemeinsam mit dem Hologramm?

Nein

Beeinflussung

Sollen sich Hologramm und Umwelt gegenseitig beeinflussen?

Nein

Dimensionierung

Wie soll die Dimensionierung des Hologramms erfolgen?

Handfreiheit

Soll der Nutzer beide Hände frei zur Verfügung haben?

Ja

Spezifisch Ja

Evaluierung potenzieller Augmented-Reality-Anwendungsfälle im industriellen Umfeld

Die Auswirkungen der eingetragenen Ausprägungen werden anschließend mit der ARfolgsformel zu einem vergleichbaren Wert umgerechnet: 7

F ' ar = b1 ∑a n * bn n=1

= b1 * ( a1 * b1 + a 2 * b2 + a 3 * b3 + a 4 * b 4 + a 5 * b5 + a 6 * b6 + a 7 * b 7 ) = 1* ( 0 ,2 * 1+ 0 ,1* 0 ,7 + 0 ,15* 1+ 0 ,1* 0 ,8 + 0 ,25* 0 ,3+ 0 ,1* 1+ 0 ,1* 1 ) = 1* ( 0 ,775 ) = 0 ,775 Formel 3 Berechnung des ARfolgsfaktors für Anwendungsfall 2

Ein ARfolgsfaktor von 0,775 reiht sich in der Kategorie 0,6 bis 0,8 ein und bedeutet, dass der Anwendungsfall erfolgversprechend ist . Es lohnt sich, die ökonomischen und umsetzungstechnischen Faktoren zu betrachten, um vollends evaluieren zu können, ob der Anwendungsfall umgesetzt werden sollte . 6.3

Digitaler Roboterzwilling mit Prozesseingriff

Ein Schweißprozess ist komplett digital nachgebildet und mit dem physischen Prozess synchronisiert . Während des Schweißens sieht der Werker nicht, was im physischen Prozess passiert . Ein digitales Abbild des Prozesses soll diesen Prozess nicht nur visualisieren, sondern es dem Werker auch ermöglichen, aktiv auf den Prozess Einfluss zu nehmen . Hierfür kann er mit dem digitalen Roboter interagieren . Dieser Anwendungsfall ist rein hypothetisch und bislang noch in keiner Veröffentlichung praktisch behandelt worden . Tab. 6 Kontrollfragen für den Anwendungsfall 3 Kriterien

Kontrollfragen

Ausprägung

Projektion

Sind Hologramme in der physischen Umgebung von Vorteil?

Ja

Positionierung

Wie soll das Hologramm positioniert werden?

Statisch

Dynamik

Wie verhält sich der Inhalt des Hologramms?

Dynamisch

Kooperation

Arbeiten mehrere Personen gleichzeitig gemeinsam mit dem Hologramm?

Nein

Beeinflussung

Sollen sich Hologramm und Umwelt gegenseitig beeinflussen?

Ja

Dimensionierung

Wie soll die Dimensionierung des Hologramms erfolgen?

1:1

Handfreiheit

Soll der Nutzer beide Hände frei zur Verfügung haben?

Ja

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Tobias Korb / Alexander Schmidt / Oliver Riedel

Die Auswirkungen der eingetragenen Ausprägungen werden anschließend mit der ARfolgsformel zu einem vergleichbaren Wert umgerechnet: 7

F '' ar = b1 ∑a n * bn n=1

= b1 * ( a1 * b1 + a 2 * b2 + a 3 * b3 + a 4 * b 4 + a 5 * b5 + a 6 * b6 + a 7 * b 7 ) = 1* ( 0 ,2 * 1+ 0 ,1* 0 ,7 + 0 ,15* 1+ 0 ,1* 0 ,8 + 0 ,25* 1+ 0 ,1* 1+ 0 ,1* 1 ) = 1* ( 0 ,95 ) = 0 ,95 Formel 4 Berechnung des ARfolgsfaktors für Anwendungsfall 3

Durch die gewählten Ausprägungen führt einer Analyse des Anwendungsfalls zu einem ARfolgsfaktor von 0,95 . Dieser besagt, dass der Anwendungsfall große Erfolgschancen hat und auf jeden Fall auch seine Wirtschaftlichkeit überprüft werden sollte . Die Ergebnisse der drei Anwendungsfälle spiegeln die Einschätzungen der Autoren vor Durchführung der Methode wider . Der erste Anwendungsfall (Automobilprojektion auf dem Hallenboden) kann langfristig keinen Mehrwert bringen und sollte auch entsprechend eingestuft werden . Der zweite Anwendungsfall (Live-Statistik-Anzeige einer Produktionsanlage) wird in mehreren Branchen bereits umgesetzt und von der ARfolgsformel als unter Umständen erfolgreich klassifiziert . Der dritte Anwendungsfall (Digitaler Roboterzwilling mit Prozesseingriff) schöpft das theoretisch vorhandene Potential der Augmented Reality fast völlig aus und wird erwartungsgemäß als sehr gut geeignet bewertet . Die technologischen Einschränkungen, gepaart mit dem Implementierungsaufwand dieses Anwendungsfalls, führen jedoch dazu, dass er noch nicht realisiert wurde . Zusammenfassend zeigen die drei analysieren Anwendungsfälle, dass die vorgestellte Methode zwar eine oberflächliche, aber wegweisende Beurteilung ermöglicht . Anwendungsfälle mit einem ARfolgsfaktor zwischen 1 und 0,6 haben eine gute Chance, nach der Umsetzung einen Mehrwert zu bieten . Ob dieser Mehrwert wirtschaftlich ist, wird mit dieser Methode nicht bewertet . Folglich sind alle Anwender der Methode dazu angehalten, ihre als gut bewerteten Anwendungsfälle aus technischer und ökonomischer Sicht zu analysieren . Der in dieser Arbeit beschriebene Prozess dient lediglich dazu, mögliche Anwendungsfälle grob einzuordnen und hauptsächlich solche auszusortieren, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mit Augmented Reality umgesetzt werden sollten .

Evaluierung potenzieller Augmented-Reality-Anwendungsfälle im industriellen Umfeld

7.

Fazit und Ausblick

In dieser Arbeit wurde ein Einblick in die aktuelle Situation der Augmented Reality im Produktionsumfeld gegeben . Mit derzeitigen technologischen Möglichkeiten kann AR gewinnbringend eingesetzt werden, doch fehlt es noch an Erfahrung, um geeignete Anwendungsfälle identifizieren zu können . Andererseits sind gewisse Anwendungsfälle für den Einsatz von AR eher nicht geeignet, weil ein solcher Einsatz keinen Mehrwert erzeugt . Um diese Frage klären zu können, wurde ein Vorgehensmodell entwickelt, mit dem quantitativ vergleichbare Aussagen über die Eignung von Augmented Reality in bestimmten Anwendungsfällen ermittelt werden können . Mit diesem Modell wurden anschließend drei unterschiedlich geeignete Anwendungsfälle bewertet und die Resultate beschrieben . Sinn und Zweck des Modells ist die minutenschnelle Analyse eines Anwendungsfalls . Der Zeitaufwand impliziert, dass die Bewertung lediglich in eine Richtung deutet, jedoch keine finalen Aussagen erlaubt . Kurzum: Das Vorgehen ist hilfreich, um einen möglichen Anwendungsfall initial zu validieren; fällt das Ergebnis positiv aus, muss er im Anschluss näher betrachtet werden . Genau hier liegen die Einschränkungen der vorliegenden Arbeit . Als Mitarbeiter eines steuerungstechnischen Instituts fehlt den Autoren die kaufmännische Kompetenz, um ein auf AR basierendes komplettes Geschäftsmodell zu evaluieren . Ein solches Gesamtpaket könnte in Zukunft jedoch in Zusammenarbeit mit weiteren Instituten geschnürt werden . Des Weiteren sind, wie bereits in der Arbeit dargelegt, nicht alle möglichen Kriterien in die Formel eingeflossen, so dass die Methode künftig um weitere Kriterien ergänzt werden könnte . Auch die initiale Gewichtung der einzelnen Faktoren könnte im Zuge von Evaluierungen mehrerer Anwendungsfälle noch modifiziert werden . Bevor dieses Modell weiterentwickelt wird, sollte jedoch zuerst eine Website erstellt werden, auf der industriell tätige Unternehmen dieses Modell leicht nutzen können . Hieran wird derzeit noch gearbeitet . 8.

Danksagung

Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden zum Teil im Forschungsprojekt „iSrv – intelligentes Servicesystem“ gewonnen . Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Forschungsprogramms „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut . Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt allein bei den Autoren .

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Tobias Korb / Alexander Schmidt / Oliver Riedel

Literatur

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Evaluierung potenzieller Augmented-Reality-Anwendungsfälle im industriellen Umfeld

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Eine explorative Studie zu potenziellen Anwendungsfeldern von VR in technischen Domänen CAROLIN PLETZ / BERND ZINN

An explorative study on potential applications of VR in technical domains Zusammenfassung: Obwohl die VR-Technologie durch den massiven Wandel in Kos-

ten- und Dimensionsfaktoren mittlerweile grundsätzlich für einen breiten und vielfältigen Einsatz in Unternehmen geeignet scheint, mangelt es bislang an einem systematisch erhobenen Wissen über die sinnvollen (potenziellen) Einsatzbereiche von VR in technischen Domänen . Die vorliegende explorativ angelegte Studie geht diesem Forschungsdesiderat nach, und analysiert mögliche Einsatzbereiche der VR-Technologie . Hierbei werden (potenzielle) Nutzerinnen bzw . Nutzer in technischen Domänen (1) zu den Einsatzbereichen der Technologie sowie (2) den fördernden und hemmenden Faktoren der VR-Technologie befragt . Die Ergebnisse zeigen, dass die Einsatzmöglichkeiten vielfältig wahrgenommen werden, vor allem aber die Einsatzbereiche der Aus- und Weiterbildung, Service, Marketing sowie der Produktentwicklung und -testung besonders häufig genannt werden . Ein zentraler Vorteil von VR wird mit den vielfältigen Simulationsoptionen der Technologie beschrieben . Hemmende Aspekte zur Einführung der VR-Technologie in Unternehmen werden von den Befragten am häufigsten mit möglichen Gesundheitsaspekten verbunden . Zudem liefern die Ergebnisse Ansatzpunkte zur Steigerung der Nützlichkeit und Benutzerfreundlichkeit der VR-Technologie . Abstract: Although the massive changes in cost and dimensional factors now make VR

technology generally suitable for broad and varied applications in companies, there is a lack of systematic collected knowledge on the (potential) areas of application of VR in technical domains . This explorative study investigates the research desideratum and examines possible areas of application of VR technology . In this regard, (potential) users were interviewed in technical domains (1) on the applications of the technology as well as (2) the promoting and inhibitory factors of VR technology . The results showed that the pos-

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Carolin Pletz / Bernd Zinn

sible applications are perceived in many different ways . The areas of application of training and further education, service, marketing besides product development and testing were principally mentioned . A key advantage of VR is attributed to its diverse simulation options . Inhibitory aspects of VR technology’s introduction in companies are repeatedly associated with possible health aspects by respondents . Moreover, the results provided starting points for improving the usefulness and usability of VR technology .

1.

Ausgangssituation und Forschungsstand zum Einsatz der VR-Technologie

Die Thematik zu virtuellen Lern- und Arbeitsumgebungen (Virtual Reality, kurz VR)1 hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen (vgl . Wong, Kong & Hui 2017; Zinn, Guo & Sari 2016) . „VR ist ein relativ junges Wissenschaftsgebiet, dessen Weiterentwicklung u . a . stark von rasanten Fortschritten bei der zugrundeliegenden Hardware getrieben wird“ (Dörner et al . 2013, S . 12) . Waren immersive VR-Systeme nämlich in der Vergangenheit mit extrem hohen Kosten verbunden und dadurch nur für große Unternehmen zugänglich sowie in der Benutzerfreundlichkeit durch eine unzureichende Bildauflösung, ein kleines Sichtfeld und schlechte Latenzen für die virtuelle Bewegungssimulation eingeschränkt (vgl . Hilfert & König 2016; Mujber, Szecsi & Hashmi 2004), kamen gemäß Vergara, Rubio und Lorenzo (2017) die ersten kommerziell einsetzbaren VR-Brillen im Jahr 2015 auf den Markt . Durch den Wandel der immersiven Technologie in Bezug auf Kosten- und Dimensionsfaktoren ist damit erst zum heutigen Zeitpunkt ein großflächiger Einsatz möglich (vgl . Thomas et al . 2018) . Wissenschaftliche Veröffentlichungen zu VR-Einsatzgebieten lassen sich gemäß Vergara, Rubio und Lorenzo (2017) hauptsächlich in die Bereiche (1) Informatik, (2) technische Domänen, darunter zum Beispiel Bautechnik oder Ingenieurwissenschaften, und (3) Medizin einordnen . Die Studien variieren hierbei grundsätzlich in den eingesetzten Benutzerschnittstellen und berücksichtigen sowohl nicht-immersive als auch immersive VR-Umgebungen . Im medizinischen Bereich klassifizieren Reznek, Harter und Krummel (2002) VR-Anwendungen in die Kategorien (1) Grundlagenausbildung, zum Beispiel für die Visualisierung der menschlichen Anatomie, (2) für die Simulation klinischer Szenarien sowie (3) zur Übung medizinischer Maßnahmen wie Behandlungsmethoden . Studien beschäftigen sich beispielsweise mit dem Einsatz von VR für die Ausbildung von Krankenschwestern (vgl . Green, Wyllie & Jackson 2014), zur Simulation und Übung in der Zahnmedizin (vgl . Bello, Otobo & Eru 2018; Eve et al . 2014) und für chirurgische Eingriffe (vgl . Izard et al . 2018; McCloy & Stone 2001),

Für eine ausführliche Beschreibung der VR-Technologie wird an dieser Stelle auf den Beitrag von Zinn und Ariali (2020) zum Lehren und Lernen mit VR in diesem Band verwiesen . 1

Eine explorative Studie zu potenziellen Anwendungsfeldern von VR in technischen Domänen

indem die Lernenden beispielsweise durch Finger-Tracking die exakten Fingerbewegungen eines Experten mitverfolgen können (vgl . Yoshida et al . 2014) . VR kann auch für die Patienten selbst eingesetzt werden, zum Beispiel für die Gesundheitsvorsorge (vgl . de Ribaupierre et al . 2014) oder zum Einsatz in psychotherapeutischen Szenarien (vgl . Riva 2005), insbesondere für Formen der Expositionstherapie zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (vgl . Aiken & Berry 2015), Angst- oder Panikstörungen (vgl . Parsons & Rizzo 2008) sowie Trainings der sozialen Kompetenz (vgl . Park et al . 2011) . Die größte Anzahl an wissenschaftlich veröffentlichten VR-Anwendungen zählt laut Vergara, Rubio und Lorenzo (2017) aber zu den technischen Domänen . Im Bereich der Bautechnik und Architektur werden der VR-Technologie vor allem für Designentwicklungen und Konstruktionsprozesse Potenziale zugesprochen (vgl . Bouchlaghem & Liyanage 1996) . Der Literaturüberblick von Wang, Wu, Wang, Chi und Wang (2018) deckt auf, dass sich die meisten Publikationen zu VR im Bereich des Bauingenieurwesens mit architektonischen Visualisierungsmöglichkeiten sowie Sicherheitstrainings (vgl . Le, Pedro & Park 2015; Li et al . 2018; Pham et al . 2018; Sacks, Perlman & Barak 2013) beschäftigen . VR eröffnet in diesem Rahmen Test-, Planungs- und Visualisierungsmöglichkeiten, zum Beispiel anhand entsprechender Optionen dreidimensionale Konstruktionen virtuell in Echtzeit zu erstellen und zu verändern oder kollaborativ an Designs arbeiten zu können (vgl . Bouchlaghem et al . 2005) . Die Interviewstudie von Whyte (2003) mit Vertretern aus 15 Unternehmen des Bausektors zeigt auf, dass die Technologie zur Zeit der Untersuchung vor allem für die frühzeitige Aufdeckung von Konstruktionsproblemen oder für designtechnische Absprachen mit Kunden genutzt wurde . Woksepp und Olofsson (2008) untersuchten in einer quantitativen Fallstudie, wie der Einsatz eines nicht-immersiven virtuellen Modells zu einem Bauvorhaben von den Baubeteiligten wahrgenommen wird . Die Befragten waren der Meinung, dass die virtuelle Umgebung einen besseren Überblick über das Bauvorhaben als herkömmliche Konstruktionszeichnungen gibt und damit zu einem besseren Verständnis sowie einer besseren Kommunikation zwischen den baubeteiligten Beschäftigungsgruppen führen kann . Bedenken hatten die Befragten dagegen in den technologieverbundenen Kosten und im zu erreichenden Detailierungsgrad der virtuellen Modelle . Hilfert und König (2016) zählen weitere mögliche Use-Cases für den Einsatz der VR-Technologie im Bereich Bautechnik und Architektur auf, darunter die Testung von Fluchtwegen oder Gebäudezugänglichkeiten und Trainings zur Bedienung von Baumaschinen . In der beruflichen Aus- und Weiterbildung dieses Bereichs führen Sampaio und Martins (2014) eine Lernumgebung mit nicht-immersiver VR für den Brückenbau an, in der die Lernenden in die Lage versetzt werden, einzelne Bauteile und deren Zusammenspiel genau zu analysieren sowie virtuell in Bewegung zu versetzen, um den Konstruktionsprozess besser nachvollziehen und unterstützen zu können . Die Experimentalstudie von Fogarty, McCormick und El-Tawil (2017) zeigt, dass der Einsatz einer immersiven VR zu einem besseren Verständnis räumlicher Anordnungen

117

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bei Lernenden im Baubereich führen kann und eine gute Möglichkeit für die Dozenten darstellt, Lernstoff vereinfacht aufzubereiten . In den Ingenieurwissenschaften finden sich Beiträge zum Einsatz von VR beispielsweise in den Bereichen Automotive (vgl . Zimmermann 2008), Luft- und Raumfahrt (vgl . Stone, Panfilov & Shukshunuv 2011) oder im Bootsbau (vgl . Marks, Estevez & Connor 2014) . Im Rahmen der allgemeinen Produktentwicklung werden der Technologie vorteilhafte Möglichkeiten für Designprozesse, das operative Controlling wie Produktplanungen, Trainings und Simulationen sowie für Produktionsprozesse anerkannt (vgl . Mujber, Szecsi & Hashmi 2004) . Die Ergebnisse einer Experimentalstudie mit immersiver VR von Coburn, Salmon und Freeman (2018) schreiben der Technologie vorteilhafte Kooperationsmöglichkeiten in Entwicklungsprojekten im Vergleich mit herkömmlichen Austauschplattformen zu . Der Technologie wird außerdem ein unterstützendes Potenzial im Prozess der Montageplanung von Bauteilen und Maschinen beigemessen, was bei komplexen Produkten eine entscheidende Rolle für die Produktqualität und -effizienz spielen kann, beispielsweise für Sicherheitsaspekte oder wenn im Rahmen von Wartungsfällen Einzelteile ausgetauscht werden müssen (vgl . Seth, Vance & Oliver 2011) . Die Experimentalstudie von Boud, Haniff, Baber und Steiner (1999) zeigt in diesem Zusammenhang, dass Versuchspersonen nach einem Training sowohl mit (1) nicht-immersiver als auch (2) immersiver VR in der Lage waren, ein Bauteil schneller zusammenzubauen als (3) nach der Auseinandersetzung mit einer herkömmlichen papierbasierten Bauzeichnung . Angemerkt werden sollte an dieser Stelle allerdings, dass die Stichprobe mit insgesamt 25 Personen klein ausfiel und die Ergebnisse daher kritisch zu bewerten sind . Im Rahmen der Aus- und Weiterbildung von (angehenden) Fachkräften bieten virtuelle Lernlabore für Studentinnen bzw . Studenten in technischen Studiengängen Simulationsmöglichkeiten, die auf reale Laborsituationen vorbereiten und theoretisches Wissen vermitteln können . Dabei sind sie räumlich sowie zeitlich flexibel und ermöglichen die ungefährliche und kostengünstige Wiederholung von Experimenten (vgl . Balamuralithara & Woods 2009) . Ebenso können ganze Maschinenkonstruktionsund Fertigungsprozesse ohne überfüllte Seminarräume oder zeitlich begrenzte Laborzeiten geübt werden (vgl . Vergara, Rubio & Lorenzo 2017) . Kamińska und Kollegen (2017) befragten hierzu Studentinnen bzw . Studenten zum Nutzen einer immersiven virtuellen Umgebung für das Lernen von mechanischen und elektronischen Komponenten einer Waschmaschine . Die Befragten waren der Ansicht, dass die dargestellten Lerninhalte in der virtuellen Umgebung einen positiven Effekt auf das Verständnis und die Erinnerungsleistung haben können . Ausnahmslos wollten alle Befragte die Technologie gerne in ihren Kursen nutzen . Zusammengefasst zeigt der dargestellte Überblick auf, dass der VR-Technologie in technischen Domänen insgesamt äußerst vielfältige Einsatzmöglichkeiten zugesprochen werden, bereits auch zu Zeiten, in denen sich vor allem die immersive Technologie noch in einem aus heutiger Sicht frühen Entwicklungsstadium befand

Eine explorative Studie zu potenziellen Anwendungsfeldern von VR in technischen Domänen

(vgl . Bouchlaghem & Liyanage 1996; Boud et al . 1999; Bricken 1991; Pantelidis 1997) . Die vorgestellten Beiträge zum Forschungsstand gestalten sich hierbei in ihrem Zugang heterogen . Es werden sowohl nicht-immersive als auch immersive VR-Systeme betrachtet, rein theoretische Annahmen zu VR-Einsatzgebieten ohne tatsächliche empirische Nutzerbefragung aufgeführt, insbesondere auch zu frühen Entwicklungsstadien der immersiven Technologie, oder die Studien beziehen sich auf die Testung und Evaluation einzelner fachspezifischer VR-Szenarien durch die (zukünftigen) Nutzerinnen bzw . Nutzer . Von Interesse ist deshalb, wie potenzielle und aktuelle Nutzerinnen bzw . Nutzer aus technischen Domänen die VR-Technologie zum heutigen Entwicklungsstand und auch fachbereichsübergreifend wahrnehmen . Angesichts der Tatsache, dass für einen Einsatz der VR-Technologie die Vor- und Nachteile in Bezug auf monetäre und zeitliche Investitionskosten sowie technische Optionen zum Beispiel im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse gegenseitig abgewogen werden sollten (vgl . Zinn et al . 2020; Zinn & Pletz 2019), gilt es zu ergründen, in welchen konkreten Anwendungsfällen insbesondere die immersive VR-Technologie grundsätzlich als sinnvoll bzw . nicht sinnvoll erachtet wird und, warum dies der Fall ist, sowie welche Vorteile und Bedenken die Nutzerinnen bzw . Nutzer damit verbinden . Darüber hinaus spielen diese Erkenntnisse auch unter der Annahme, dass spezifische Ideen über konkrete Anwendungsszenarien die wahrgenommene Nützlichkeit der Technologie durch die Nutzerinnen bzw . Nutzer beeinflussen können (vgl . Pletz & Zinn 2018) eine Rolle, um die Akzeptanz von VR einschätzen zu können . Die vorliegende explorative Studie adressiert dieses Forschungsdesiderat mit den folgenden Forschungsfragen . 2.

Forschungsfragen

Auf Basis der aktuellen rasanten technologischen Entwicklung von VR soll in der vorliegenden explorativen Studie2 analysiert werden, (1) welche grundsätzlichen Einsatzmöglichkeiten der VR-Technologie vonseiten der (potenziellen) Nutzerinnen bzw . Nutzer in technischen Domänen als sinnvoll erachtet werden, (2) welche Vorteile der VR-Technologie im Arbeitsalltag gesehen werden und (3) welche Bedenken damit einhergehen . Es sollen im Rahmen von denkbaren Optimierungsmöglichkeiten (4) Funktionen für eine Steigerung der Nützlichkeit und (5) Funktionen für eine Steigerung der Benutzerfreundlichkeit der Technologie identifiziert werden .

Die Studie wurde im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprojekts VASE [Virtual and Analytics Service im Maschinen- und Anlagenbau] durchgeführt . Das Projekt wird durch das BMBF im Rahmen der Bekanntmachung „Technikbasierte Dienstleistungssysteme“ des Forschungsprogramms „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ unter dem FKZ .: 02K16C110 gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut . 2

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3.

Methoden

Im Folgenden wird das methodische Vorgehen im Hinblick auf das Untersuchungsdesign, die Stichprobe, den Ablauf der Datenerfassung, den verwendeten Fragebogen und die Auswertung vorgestellt3 . 3.1

Untersuchungsdesign

Um dem explorativen Charakter des Forschungsanliegens gerecht zu werden, wurden in einem Fragebogensetting offene Fragen formuliert und qualitativ ausgewertet (siehe Abschnitt 3 .5) sowie um spezifische Fragen mit geschlossenem Antwortformat ergänzt . Die Befunde wurden zusätzlich noch durch die Ergebnisse einer Interviewstudie von Roth (2018)4 erweitert . 3.2

Stichprobe

Es nahmen insgesamt N = 276 Personen an der Studie teil . Es wurden n = 5 Personen aus den Analysen ausgeschlossen, da ihr Antwortverhalten auf Sprach- oder Verständnisschwierigkeiten hindeutete . Damit bestand die Stichprobe neben n = 4 fehlenden Angaben zum Geschlecht zu 83 % aus männlichen (n = 228) und zu 14 % aus weiblichen Probanden (n = 39) . Das Durchschnittsalter betrug 38 .17 Jahre (SD = 11 .26 Jahre) mit einer Spanne von 19 bis 64 Jahren . Es machten n = 18 Personen keine Angaben zu ihrem Alter . Das Bildungsniveau der Stichprobe setzt sich neben n = 3 fehlenden Werten wie folgt zusammen: 9 % (n = 24) verfügen über einen Werk-/Realschulabschluss, 12 % (n = 32) über das Abitur, 19 % (n = 52) über einen Bachelor-Hochschulabschluss, 46 % (n = 124) über einen Master-Hochschulabschluss oder höher sowie 13 % (n = 36) über einen sonstigen Bildungsabschluss . Die Angaben zur beruflichen Tätigkeit der Befragten lassen sich bei n = 31 fehlenden Werten wie folgt zusammenfassen: 14 % (n = 38) arbeiten als Servicetechniker;

Der vorliegende Beitrag ergänzt die Untersuchung von Pletz und Zinn (2018) um die untersuchten Forschungsfragen und entspricht der genannten Veröffentlichung daher in der Stichprobe, im Ablauf der Datenerfassung sowie in den Angaben der Befragten zur Nutzung von VR und den Items zur räumlichen und zeitlichen Flexibilität . 4 Im Rahmen der Interviewstudie wurden N = 14 leitfadengestützte Interviews mit Personen aus dem Schulungs- und Servicebereich, vorwiegend mit Leitungsfunktion, durchgeführt und gemäß der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet . Die Interviewpartner entstammten zum Großteil Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau . Die Interviewstudie zielte darauf ab, Einsatzmöglichkeiten der VR-Technologie im industriellen Dienstleistungsbereich sowie damit einhergehende Vorteile und Schwierigkeiten zu identifizieren . 3

Eine explorative Studie zu potenziellen Anwendungsfeldern von VR in technischen Domänen

10 % (n = 28) als Ingenieur/Konstrukteur/Produktentwickler, 9 % (n = 25) arbeiten im Bereich IT/Software, 8 % (n = 23) im Bereich Training/Aus- und Weiterbildung, 6 % (n = 17) im Bereich Personalentwicklung, 6 % (n = 17) im Vertrieb/Marketing, 5 % (n = 15) der Befragten sind Studenten, 3 % (n = 9) sind im Bereich Projekt-/Innovationsmanagement beschäftigt, 3 % (n = 8) arbeiten in der Forschung und 16 % (n = 43) der Teilnehmerinnen bzw . Teilnehmer gaben sonstige berufliche Tätigkeiten an . Des Weiteren gaben 6 % (n = 17) der Befragten an als Entwickler für VR/AR (Augmented Reality) Umgebungen tätig zu sein . Der Großteil der Befragten stammt dabei aus Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen bzw . Mitarbeitern (63 %, n = 172) . Neben n = 7 fehlenden Angaben sind die meisten Unternehmen aus dem Bereich Maschinen- und Anlagenbau (48 %, n = 131) und daneben aus den Bereichen Informatik/ Software (13 %, n = 35), Automobil/Automotive (7 %, n = 18), Elektrik/Elektronik (5 %, n = 13), Bildung/Wissenschaft (4 %, n = 10), Kommunikation/Marketing/Vertrieb (2 %, n = 5), Design (2 %, n = 5) sowie aus sonstigen Bereichen (14 %, n = 38) . 3.3

Ablauf der Datenerfassung

Die Befragung erfolgte online (n = 117, 42 %) sowie im Rahmen einer VR-Veranstaltung5 in Stuttgart mittels Paper-Pencil-Fragebogen (n = 159, 58 %) . Die Besucherinnen bzw . Besucher der VR-Veranstaltung hatten dort die Möglichkeit sich über die aktuelle VR-Hard- und Software zu informieren sowie partiell auch VR-Anwendungen selbst zu testen . Die Befragung wurde an einem Informationsstand zum Projekt VASE durchgeführt . Der Link zur Onlineumfrage wurde an die beteiligten Unternehmen des Projekts VASE per E-Mail gesendet . Die Teilnahme der Probanden erfolgte freiwillig . Zunächst wurden die Probanden über den Ablauf und das Ziel der Befragung informiert sowie zu ihren demografischen Daten befragt . Im Anschluss folgte ein Informationstext zur VR-Technologie mit Informationen zur Begriffsbestimmung, der systemtypischen Hardware und zu Anwendungsmöglichkeiten . Zur Veranschaulichung wurden zwei Abbildungen mit einer virtuellen Beispielumgebung und Nutzern mit der Hardware (Head-Mounted-Display und Sensoren) eingefügt . Die Probanden der Onlineversion hatten darüber hinaus die Möglichkeit, eine ca . einminütige tonlose Filmsequenz anzuschauen, die drei verschiedene virtuelle Beispielumgebungen zur Demonstration der Technologie enthielt: eine virtuelle Produktionshalle, ein Baggerführerhaus und einen Seminarraum mit einer Präsentation und Animationen eines technischen Bauteils . Nach dem Informationstext und gegebenenfalls der Film-

Bei der Veranstaltung zu VR handelte es sich um die VR Expo 2018, die an der Universität Stuttgart durchgeführt wurde . 5

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sequenz folgte der Fragebogen . Die Reihenfolge der Fragen war für alle Probanden identisch . Insgesamt dauerte die Befragung ca . 7 Minuten . 3.4

Fragebogen

3 .4 .1

Angaben zur VR-Nutzung

Um die Erfahrung der Befragten mit der VR-Technologie beurteilen zu können, gaben sie an, ob sie die Technologie bereits privat (z . B . für Spiele, Videos) oder beruflich (z . B . in Schulungen, im Kundenkontakt) genutzt haben, ob sie die Technologie bereits kurz ausprobiert haben (z . B . im Rahmen einer Informationsveranstaltung) oder noch gar nicht ausprobiert oder genutzt haben . Es gaben 42 % (n = 114) der Befragten an, die VR-Technologie bereits privat genutzt zu haben, 46 % (n = 125) nutzten sie beruflich, 39 % (n = 105) haben sie kurz ausprobiert und 14 % (n = 39) haben die Technologie noch nicht ausprobiert oder genutzt . Die Befragten sollten außerdem bestimmen, ob sie die Technologie aktuell im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit nutzen (ja: 42 %, n = 114; nein: 58 %, n = 156; keine Angabe: < 1 %, n = 1) . Im Ergebnisbericht werden Personen, welche die Technologie bereits privat oder beruflich genutzt haben, als Personen mit Erfahrung mit VR beschrieben und Personen, welche die Technologie bisher nur kurz ausprobiert haben oder sie noch nicht genutzt haben, werden als Personen ohne Erfahrung mit VR beschrieben . 3 .4 .2

Anwendungsfelder, Vorteile und Bedenken zur VR-Technologie

Zwei Items erfassten zunächst die Einschätzung der Probanden zur Auswirkung der VR-Technologie auf ihre räumliche Flexibilität (Item: „Der Einsatz der Virtual Reality Technologie würde sich positiv auf meine räumliche Flexibilität auswirken, z B indem ich flexibel bestimmen könnte, wo ich arbeite “) und ihre zeitliche Flexibilität (Item: „Der Einsatz der Virtual Reality Technologie würde sich positiv auf meine zeitliche Flexibilität auswirken, z B indem ich flexibel bestimmen könnte, wann ich arbeite “) . Die Beantwortung der Items erfolgte auf einer 7-stufigen Likert-Skala (1 = „stimmt gar nicht“; 4 = „teils-teils“; 7 = „stimmt voll und ganz“) . Daraufhin folgte eine Frage mit offenem Antwortformat6 zu weiteren Vorteilen, welche die Probanden in der Nutzung der VR-Technologie sehen . Außerdem folgte eine offene Frage zu den Bedenken, welche die Probanden in Bezug auf den Einsatz der VR-Technologie haben . Zum Abschluss

Die Antworten auf die Items mit offenem Antwortformat wurden in einem freien Textfeld abgeben . Mehrfachnennungen waren möglich . 6

Eine explorative Studie zu potenziellen Anwendungsfeldern von VR in technischen Domänen

des Fragebogens sollten die Befragten im offenen Antwortformat angeben, in welchen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich(en) die VR-Technologie ihrer Meinung nach sinnvoll einzusetzen wäre . Zwei weitere Fragen mit offenem Antwortformat wurden 80 Probanden7 in der Onlineversion gestellt . Die Befragten sollten angeben, über welche Funktionen die VR-Technologie verfügen sollte, damit sie (1) nützlich(er) und (2) benutzerfreundlich(er) für ihre Arbeit wäre . Außerdem wurden zehn Items mit geschlossenem Antwortformat zur Nützlichkeit der Technologie, zur Einstellung der Probanden gegenüber der VR-Technologie als sinnvolles Werkzeug für Schulungen und zu den Bedenken präsentiert . Die Befragten sollten angeben, ob sie sich verschiedene Service- oder Beratungstätigkeiten in einer virtuellen Umgebung vorstellen können (Beispielitem: „Ich kann mir vorstellen, mich mit anderen Personen, z B mit Kunden, in einer virtuellen Umgebung zu treffen und auszutauschen “), wie sich der Einsatz der VR-Technologie auf Schulungen auswirken würde (Beispielitem: „Ich kann mir vorstellen, dass man sich die Inhalte einer Schulung in Virtual Reality länger merken kann “) und ob sich der Einsatz negativ auf die Kundenbeziehungen auswirken würde (Item: „Ich glaube, dass sich der Einsatz der Virtual Reality Technologie negativ auf die Kundenbeziehungen auswirkt “) . Die Items zur Einstellung der Probanden gegenüber VR in Schulungen wurden von Krause und Eilks (2015) adaptiert und an die VR-Technologie angepasst . Die restlichen Items wurden selbst generiert . Die Beantwortung der Items erfolgte auf einer 7-stufigen Likert-Skala (1 = „stimmt gar nicht“; 4 = „teils-teils“; 7 = „stimmt voll und ganz“) . 3.5

Auswertung

Die Fragen mit geschlossenem Antwortformat wurden mit dem Statistikprogramm R (Version 3 .4 .4) ausgewertet . Die Auswertung der Fragen mit offenem Antwortformat wurde mit MAXQDA (Version 12) durchgeführt, einer Software für die qualitative Datenanalyse, und erfolgte gemäß der Methode der zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) . Die inhaltlichen Hauptkategorien der Auswertung wurden deduktiv aus dem Fragebogen abgeleitet, um die Forschungsfragen zielgerichtet zu adressieren, und umfassten gemäß der Fragestellungen (1) die Anwendungsfelder der VR-Technologie, (2) die Vorteile der VR-Technologie und (3) die Bedenken gegenüber der VR-Technologie . Des Weiteren wurden (4) Funktionen für eine Steigerung der Nützlichkeit und (5) Funktionen für eine Steigerung der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit betrachtet . Die Bildung von zusammenfassenden Unterkategorien erfolgte im Rahmen der Auswertung induktiv . Insgesamt wurden im Rahmen der Analyse 823 Codes vergeben .

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Aus zeitökonomischen Gründen wurde bei den restlichen Probanden auf diese Items verzichtet .

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4.

Ergebnisse

Nachfolgend werden die Ergebnisse entsprechend der 5 Haupt- und 26 Unterkategorien8 in zusammengefasster Form aufgeführt und mit ausgewählten Zitaten veranschaulicht . Zur besseren Übersicht werden jeweils zum Anfang der Kapitel 4 .1–4 .5 die anschließend angeführten Unterkategorien kurz aufgelistet . Folgende weiterführende Informationen werden erläuternd zu den zitierten Personen angegeben: Geschlecht, Alter und aktueller Beruf sowie, ob die Personen bereits Erfahrung mit VR (Erfahrung mit VR vs . keine Erfahrung mit VR) haben . 4.1

Anwendungsfelder der VR-Technologie

Auf die offene Frage nach sinnvollen Aufgaben- und Tätigkeitsbereichen für den Einsatz der VR-Technologie antworteten n = 206 Probanden (76 %) . Davon gaben n = 9 Personen (4 %) nur allgemein an, dass die VR-Technologie in breiten Einsatzgebieten sinnvoll einzusetzen sei ohne konkrete Bereiche zu benennen und n = 8 Personen (4 %) machten unpassende Aussagen . Diese Antworten wurden deshalb aus der anschließenden Analyse ausgeklammert . Die Kategorie „Anwendungsfelder der VR-Technologie“ umfasst somit die folgenden Unterkategorien: – Schulung und Ausbildung – Produktentwicklung und -testung – Service – Marketing und Vertrieb – Projektarbeit – Entertainment – Branchen – Sonstige Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche Das größte Einsatzgebiet der VR-Technologie wird im Bereich Schulung und Ausbildung gesehen (n = 103; 50 %) . Virtuelle Schulungen, Weiterbildungs-, Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen für die Beschäftigten, Führungskräfte und Kunden stellen für den Großteil der Befragten das größte Potenzial der Technologie dar . Dabei werden Themen im Bereich Arbeitssicherheit, technischer Service, Onboarding, Verkauf und Medizin genannt . Dazugehörig sprechen die Befragten die Möglichkeit zu räumlich unabhängigen Schulungen an . Dazu zählt die Schulung von Mitarbeitern, die sich in anderen Ländern befinden, aber auch die Schulung an Produkten und Maschinen, In der Analyse werden nur diejenigen Unterkategorien explizit berichtet, die von mindestens 10 % der Probanden, welche eine offene Frage beantwortet haben, genannt wurden . Die restlichen Antworten werden jeweils in der Unterkategorie „Sonstige“ beispielhaft erläutert . 8

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die im realen Raum nicht vorhanden sind . Die folgenden Zitate sollen als Beispiel für die Nennungen der Probanden dienen: „Schulungsszenarien (z . B . Wartung und Instandhaltung)“ (w, 32 Jahre, Mitarbeiterin in der Forschung & Entwicklung, keine Erfahrung mit VR) „Schulung von weit entfernten Kunden oder Servicetechnikern .“ (m, 25 Jahre, Servicetechniker, Erfahrung mit VR)

Aus den Interviewergebnissen von Roth (2018) lässt sich ebenfalls ableiten, dass die ortsunabhängige Durchführung von (Bediener-) Schulungen vor allem für Montage-, Instandhaltungs-, Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie für Fehleranalysen und Sicherheitsunterweisungen für Servicetechniker und Kunden – vom Komplexitätsgrad abgestimmt auf die Zielgruppe – als sinnvoll erachtet wird . Als weiteres großes Einsatzgebiet wird von n = 93 Probanden (45 %) der Bereich Produktentwicklung und -testung genannt . Die Konzeption, Planung und Entwicklung von (neuen) Produkten kann durch VR im virtuellen Raum erfolgen, wozu auch die Möglichkeit der Konstruktion sowie die designtechnische Entwicklung und Reviews zählen . Hallen-, Anlagen- und Produktplanungen können virtuell mithilfe der Möglichkeiten eines direkten Anordnens der Komponenten und der Vorschau von Zugänglichkeiten oder sicherheitstechnischen Aspekten durchgeführt werden . Simulationen und Testungen sind virtuell ohne Hardware möglich, was die folgenden Zitate verdeutlichen: „Maschinenkonzeptionen“ (m, 54 Jahre, Projektmanager, keine Erfahrung mit VR) „Design/Entwicklung, Konstruktion“ (m, 39 Jahre, Mitarbeiter in der Aus- und Weiterbildung, Erfahrung mit VR) „Prüfungen/Checks ohne Hardware“ (m, 28 Jahre, Entwicklungsingenieur, Erfahrung mit VR)

Der dritte Bereich lässt sich unter der Kategorie Service zusammenfassen (n = 62; 30 %) . Unterschiedliche Servicetätigkeiten wie Wartung, Reparatur, Instandhaltung, Montage, Fehlerdiagnose oder Kundenbetreuung könnten gemäß der Befragten virtuell, beispielsweise mit einem digitalen Zwilling, erfolgen . Des Weiteren sehen die Befragten ein großes Potenzial darin, durch VR im Bereich Service angeleitet und unterstützt zu werden . So könnten beispielsweise Kunden durch virtuelle Anleitungen selbst einfache Servicetätigkeiten übernehmen und auch Servicetechniker für komplexere Tätigkeiten virtuell angeleitet werden: „Service, Wartung, Instandhaltung“ (w, 36 Jahre, Mitarbeiterin im Vertrieb/Marketing, Erfahrung mit VR) „Eigen-Support durch Kunden“ (m, 28 Jahre, Servicetechniker, keine Erfahrung mit VR)

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Die Probanden der Onlinebefragung können sich insgesamt gut vorstellen, dass Kunden einfache Wartungsarbeiten (M = 5 .94, SD = 1 .20) und einfache Reparaturen (M = 5 .83, SD = 1 .31) mithilfe der VR-Technologie durchführen können, was die Auswertung der entsprechenden geschlossenen Items zeigt . Sie können sich ebenfalls gut vorstellen, sich mit anderen Personen, zum Beispiel Kunden, in einer virtuellen Umgebung zu treffen (M = 5 .38, SD = 1 .62) oder diese in einer virtuellen Umgebung zu beraten (M = 5 .33, SD = 1 .67) . Die Ergebnisse von Roth (2018) ergänzen diese Befunde und zeigen auf, dass der Technologie im Servicebereich Einsatzmöglichkeiten zur Vorbereitung der Servicetechniker für Außeneinsätze oder Kundengespräche zugesprochen werden, indem sie sich zum Beispiel einzelne Komponenten der Maschine im Vorhinein anschauen oder beispielsweise durch Rollenspiele soziale Kompetenzen im virtuellen Raum trainieren können . Ebenso ist eine Unterstützung der Servicetechniker im Innendienst möglich, indem sie den Kunden virtuell bei der Fehleranalyse begleiten, u . a . auch, um festzustellen, „ob eine Fehlsituation beim Kunden tatsächlich durch einen Maschinendefekt oder eine Fehlbedienung verursacht wurde“ (Roth 2018, S . 53) und indem Dokumentationsprozesse zur langfristigen Sicherung der Maschineninformationen erleichtert werden . Die Interviewpartner bestätigen außerdem das Potenzial der Technologie den Kunden im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe selbst zu befähigen, einfache Servicetätigkeiten durchzuführen . Die Bereiche Marketing und Vertrieb werden von n = 44 Befragten (21 %) als Einsatzgebiet benannt . VR kann auf Fachmessen und im Kundenkontakt bei Verkaufsgesprächen oder Verkaufsverhandlungen und beispielsweise als Ersatz für Telefonkonferenzen eingesetzt werden . Insbesondere die Möglichkeit der virtuellen Produkt- oder Maschinenpräsentation, zum Beispiel in virtuellen Showrooms, wird in diesem Bereich aufgezählt: „Verkaufsgesprächen/-verhandlungen – auf Messen, fürs Marketing“ (w, 53 Jahre, Mitarbeiterin in der Personalentwicklung/Personalverantwortliche, Erfahrung mit VR) „Produktpräsentationen, virtuelle Messen, Produktpräsentationen über Distanz“ (m, 48 Jahre, Mitarbeiter im Vertrieb, Erfahrung mit VR)

Der Bereich Projektarbeit wird von n = 42 Befragten (20 %) genannt . Hierzu zählen allgemeine Projekttätigkeiten wie das „Projektmanagement“ (m, 27 Jahre, Konstrukteur, keine Erfahrung mit VR), interdisziplinäres Arbeiten sowie die Durchführung von Präsentationen . Darüber hinaus sehen die Probanden die Möglichkeit virtuell interne Konferenzen und Meetings sowie Besprechungen mit Kunden abzuhalten . VR kann laut der Befragten sinnvoll für die (ortsunabhängige) Projektkommunikation und ein kollaboratives Arbeiten genutzt werden . Verschiedene Branchen wurden von n = 38 Personen (18 %) genannt, in denen VR sinnvoll eingesetzt werden kann . Dazu zählen Medizin (n = 15), Architektur/Bau

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(n = 11), Logistik (n = 2) sowie Industriebereiche (n = 10), darunter beispielsweise Automobil, Maschinenbau und Produktion . Freizeit und Entertainment wurde ebenfalls als Anwendungsfeld gelistet (n = 20; 10 %) . Darunter fallen zum Großteil virtuelle Spiele, aber auch Kulturvermittlung, Onlineshopping oder Social Media: „Gaming“ (m, 28 Jahre, Servicetechniker, Erfahrung mit VR) „Unterhaltungsindustrie“ (m, 33 Jahre, Mitarbeiter im Innovationsmanagement, Erfahrung mit VR)

Sonstige Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche wurden von n = 19 Befragten (9 %) genannt . Dazu zählen beispielsweise „Qualitätssicherung, Materialmanagement“ (m, 39 Jahre, Mitarbeiter in der Aus- und Weiterbildung, Erfahrung mit VR), oder „Programmierung“ (m, 55 Jahre, Mitarbeiter im Vertrieb/Marketing, Erfahrung mit VR) . 4.2

Vorteile der VR-Technologie

Insgesamt wird ein positiver Einfluss der VR-Technologie auf die räumliche Flexibilität (M = 3 .61, SD = 1 .96) von den Probanden als mittel eingeschätzt . Ebenso lässt sich die Einschätzung der Probanden, dass sich die VR-Technologie positiv auf ihre zeitliche Flexibilität auswirken würde (M = 3 .04, SD = 1 .82), in einen mittleren Bereich einordnen . Die Online-Befragten glauben, dass die Inhalte einer Schulung in einer virtuellen Umgebung besser verstanden werden (M = 5 .78, SD = 1 .19) und, dass man sich die Inhalte in einer Schulung mit der VR-Technologie länger merken kann (M = 5 .16, SD = 1 .40) . Außerdem sind sie überzeugt, dass die VR-Technologie eine große Hilfe für ein effektiveres Lernen ist (M = 5 .38, SD = 1 .25) und ein hohes Potenzial besitzt, das Lernen in wichtigen Bereichen der eigenen beruflichen Tätigkeit zu unterstützen (M = 5 .19, SD = 1 .44) . Von den 271 befragten Personen beantworteten n = 113 Personen (42 %) die Frage nach weiteren Vorteilen der VR-Technologie . Darunter waren n = 41 Angaben (36 %) zu möglichen Einsatzgebieten der Technologie ohne konkret einen Vorteil darin zu benennen, weshalb diese Antworten für die Beantwortung der Forschungsfrage an dieser Stelle ausgeklammert werden und auf die Ergebnisse in Abschnitt 4 .1 verwiesen wird . Weitere Personen (n = 7; 6 %) machten nur allgemeine Aussagen, dass die Technologie (nicht) vorteilhaft eingesetzt werden kann, ohne konkrete Gründe anzugeben . Diese Antworten wurden nicht berücksichtigt . Folgende Unterkategorien lassen sich damit für die Kategorie „Vorteile der VR-Technologie“ identifizieren: – Simulationsmöglichkeiten – Verbesserte Visualisierung und Vermittlung technischer Inhalte – Sonstige Vorteile

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Die meisten Nennungen (n = 31; 27 %) der verwertbaren Antworten lassen sich im Bereich Simulationsmöglichkeiten zusammenfassen . Produkte können in diesem Rahmen bereits vor der Fertigstellung virtuell in Betrieb genommen werden, um denkbare Fehlerquellen in Konstruktion, Funktionalität, Optik, etc . aufzudecken und frühzeitig zu beheben . Auch Räumlichkeiten können im Vorfeld überprüft werden, zum Beispiel für eine Prüfung der Aufstellbedingungen oder Zugänglichkeiten einer Maschine . Kostenersparnisse durch eine Reduktion der physischen Modelle, aber auch durch eine frühzeitige Fehlervermeidung vor der breitflächigen Produktion, gehen mit diesen Möglichkeiten einher . Die beiden folgenden Antworten geben diese Vorteile wieder: „Maschine kann getestet werden, ohne körperlich dazustehen (virtueller Zwilling)“ (m, 53 Jahre, Mitarbeiter im Vertrieb/Marketing, Erfahrung mit VR) „Konzepte prüfbar ohne Hardware bauen zu müssen“ (m, 47 Jahre, Ingenieur in der Medizintechnik, Erfahrung mit VR)

Handlungen, welche in der Realität gefährlich, komplex oder teuer sind, können in virtuellen Umgebungen simuliert, ausprobiert und geübt werden, ohne dass Konsequenzen gefürchtet werden müssen . Dabei kann die Trainingssituation spielerisch zur korrekten Handlung hinführen sowie gemachte Fehler für den Lernprozess aktiv genutzt werden . Reale Maschinen, Anlagen oder Produkte sind nicht erforderlich, wodurch auch ungeschulte Personen angeleitet werden können . Die folgenden beiden Zitate fassen diese Punkte passend zusammen: „Für Schulungen sehe ich persönlich das größte Potential, da in einer virtuellen Umgebung auch schwierige Fertigkeiten geübt werden können“ (w, 46 Jahre, Mitarbeiterin in der Aus- und Weiterbildung, Erfahrung mit VR) „Sehr realitätsgetr[e]ues Ausprobieren und Lernen kann dadurch ermöglicht werden, allerdings in einem „Schutzraum“ jedoch unter mehr oder weniger realen „Bedingungen“, was super ist, um Dinge auszuprobieren – wobei Fehler-machen erlaubt sein kann und muss als Lernaspekt . […] (w, 28 Jahre, Mitarbeiterin in der Forschung, keine Erfahrung mit VR)

Roth (2018) fasst diese Aussagen mit dem Ergebnis zusammen, dass VR gemäß der Interviewteilnehmer eingesetzt werden kann, um Tätigkeiten an komplexen Maschinen einzuüben, „die in der Realität nicht in ausreichender Stückzahl vor Ort sind, weil sie zu teuer sind, sich noch in der Entwicklung befinden oder bereits an den Kunden ausgeliefert wurden“ (Roth 2018, S . 55) sowie um Tätigkeiten zu simulieren, „die in der Realität zu aufwendig, zu gefährlich oder nicht möglich sind“ (Roth 2018, S . 55) . Simulationsmöglichkeiten mit VR sind dementsprechend sowohl im Bereich Schulung, als auch für die Forschung und Entwicklung, das Marketing und den Vertrieb sowie die Produktion von Bedeutung .

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Im Schulungsbereich wird von den Interviewpartnern außerdem die Möglichkeit, Schulungen auf unterschiedlichen Wissensniveaus anzubieten, als Vorteil gesehen . Schulungsteilnehmer können „entsprechend ihres Vorwissens auf ein gleiches Level gebracht werden, um anschließend an einer Präsenzschulung teilzunehmen“ (Roth 2018, S . 55) . Kollaborative Trainings könnten sogar ebenfalls in VR stattfinden . Des Weiteren können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kundinnen bzw . Kunden mithilfe von VR weltweit durch kurze Lernsequenzen zu Neuheiten oder Fehlern und deren Behebung schnell und einheitlich informiert werden . Die Befragten nennen die Möglichkeiten einer besseren Visualisierung und Vermittlung technischer Inhalte als weiteren Vorteil der VR-Technologie (n = 19; 17 %) . Insbesondere die Vermittlung von technischen Informationen an Endkunden, technisch unerfahrene Personen oder Entscheidungsträger kann laut den Befragten durch ein „Erlebbarmachen“ der Produkte gefördert werden, was sich auch in den Interviewergebnissen von Roth (2018) als starker Vorteil herausstellt . Durch die visuelle Darstellung in VR könnten Kunden demgemäß ein tieferes Verständnis zum Aufbau und den Funktionalitäten eines Produkts erlangen und praktischer nachvollziehen, was passiert: „Technische Informationen sind besser an nicht technisch versierte Menschen zu vermitteln“ (m, 53 Jahre, Mitarbeiter in der Personalentwicklung/Personalverantwortlicher, Erfahrung mit VR)

Darunter fällt auch die Möglichkeit, Maschinen, Produkte oder Konzepte virtuell präsentieren und vorstellen zu können, insbesondere wenn sie sich noch in einem Entwicklungsstadium befinden . Kunden könnten dadurch bereits sehr früh in den Entwicklungsprozess eines neuen Produkts eingebunden werden oder das Produkt auf Messen begutachten: „Vorstellung von Neuprodukten auf Messen (speziell, wenn sie noch nicht fertig sind) .“ (m, 50 Jahre, Mitarbeiter in der Aus- und Weiterbildung, keine Erfahrung mit VR)

Diese Vorteile finden sich ebenfalls in den Interviewergebnissen wieder . Maschinen, die sich noch im Entwicklungsstadium befinden, können dem Kunden in einem frühen Stadium gezeigt werden, um ggf . noch Änderungswünsche berücksichtigen zu können . Des Weiteren wird für die Vermittlung technischer Inhalte in VR der Vorteil gesehen, dass keine direkten Computerkenntnisse benötigt und technische Inhalte, gemäß der Schulungsszenarien, angepasst an das Wissensniveau der Zielgruppe vermittelt werden können (Roth 2018) . Sonstige Vorteile (n = 27; 24 %) beschreiben neben der möglichen Verbesserung der räumlichen und zeitlichen Flexibilität, welche insbesondere für die Servicetechniker in den Ergebnissen von Roth (2018) hervorgehoben werden, zum Beispiel auch die Möglichkeit der Kollaboration in VR, u . a . durch virtuelle Besprechungsräume, welche eine „bessere Vernetzung […]“ (w, 39 Jahre, Industrie und Interface Designerin, keine Erfahrung mit VR) fördern sowie die „Kollaboration [e]rleichtern/verbessern“

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(m, 45 Jahre, Mitarbeiter im Bereich VR, Erfahrung mit VR) können . VR kann darüber hinaus als Assistenzsystem verstanden werden, das beispielsweise Menschen mit einem Handicap eine Teilhabe ermöglicht oder in Form eines Remote Supports Servicetechniker unterstützen kann . Die Interviewergebnisse von Roth (2018) geben außerdem Aufschluss über wirtschaftliche Vorteile der VR-Technologie, „indem durch effizientere Prozesse bei Reparaturen oder Instandhaltungsarbeiten Kosten eingespart werden“ (Roth 2018, S . 57) können . Kostenreduktionen gehen auch einher mit der „virtuelle[n] Darstellung teurer Maschinen, wodurch keine Kosten für die Produktion und den Aufbau der Maschine und weitere Betriebskosten vor Ort entstehen“ (Roth 2018, S . 57), schnellere Entwicklungszeiten von Produkten oder Bauvorhaben durch Simulationsmöglichkeiten und durch die schnellere und kostengünstigere Umsetzung von Schulungen durch eine Eindämmung von Reisekosten . Zudem werden durch virtuelle Trainings potenzielle Schäden durch Fehlbedienungen an der realen Maschine vermieden . Der zentrale Mehrwert der VR-Technologie gegenüber bisher genutzten Technologien wird von den Interviewpartnern aber hauptsächlich darin gesehen, dass die VR-Technologie im Gegensatz zu herkömmlichen E-Learning Schulungen einen größeren „Ausprobier-Charakter“ mit besseren Möglichkeiten zur Übung von Tätigkeiten hat, welche auch Fehler und ein entsprechendes Feedback erlauben . Des Weiteren könnte dadurch die Motivation und Begeisterung der Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer gesteigert werden . 4.3

Bedenken gegenüber der VR-Technologie

Die Bedenken der Onlinebefragten, wonach die VR-Technologie überbewertet wird und konventionelle Medien in Schulungen häufig effektiver sind, lassen sich in einen mittleren Bereich einordnen (M = 3 .26, SD = 1 .37) . Die Bewertung der Probanden, dass die VR-Technologie in Schulungen keine große Rolle spielen sollte, da nicht-virtuelle Schulungskonzepte bereits erprobt und etabliert sind (M = 2 .19, SD = 1 .10), kann als niedrig beurteilt werden . Ebenso lassen sich die Bedenken, dass sich der Einsatz der VR-Technologie negativ auf die Kundenbeziehungen auswirkt (M = 2 .16, SD = 1 .37), einem niedrigen Bereich zuordnen . Es machten n = 114 Personen (42 %) weitere Angaben zu ihren Bedenken gegenüber der VR-Technologie . Davon gaben n = 9 Befragte (8 %) an, keine Bedenken oder keine passende Antwort zu haben, weshalb diese Antworten in der folgenden Analyse nicht berücksichtigt wurden . Damit umfasst die Kategorie „Bedenken gegenüber der VR-Technologie“ die Unterkategorien: – Gesundheitsaspekte und Tragekomfort – Realitätsverlust – Soziale Aspekte – Sonstige Bedenken

Eine explorative Studie zu potenziellen Anwendungsfeldern von VR in technischen Domänen

Die meisten Nennungen (n = 41; 36 %) lassen sich in den Bereich Gesundheitsaspekte und Tragekomfort einordnen . Die Befragten äußern sich vor allem besorgt über die noch unerforschten langfristigen Auswirkungen von VR auf die Gesundheit, dabei insbesondere auf die Augen sowie über möglich kurzfristige Folgen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Motion Sickness . Darüber hinaus wird der Tragekomfort, vor allem bei längerer Benutzung, mit den relativ schweren Head Mounted Displays (HMD) kritisch gesehen . Weitere Probanden konstatieren zudem ein erhöhtes Verletzungsrisiko, da die reale Umwelt mit einem HMD nicht mehr wahrgenommen wird und es dadurch zu Koordinationsproblemen und Verletzungen im realen Raum kommen kann . Die folgenden drei Zitate dienen als Beispiel für die genannten Bedenken: „Kopfschmerzen und Schwindel“ (w, 28 Jahre, Mitarbeiterin im Vertrieb/Marketing, Erfahrung mit VR) „Die VR benötigt noch zu viel lästiges Equipment . Wenn ich mir vorstelle, dass ich den ganzen Tag mit einer ‚Taucherbrille‘ rumlaufen muss, nicht sehr angenehm .“ (m, 63 Jahre, Mitarbeiter in der Aus- und Weiterbildung, keine Erfahrung mit VR) „Motion Sickness“ (w, keine Altersangabe, Mitarbeiterin in der Beratung, keine Erfahrung mit VR)

Roth (2018) bestätigt diese gesundheitlichen Bedenken durch die Interviewpartner . Bedenken in Bezug auf die Gerätschaft werden ebenfalls identifiziert . Diese beziehen sich allerdings weniger auf den Tragekomfort, sondern vermehrt auf technische Schwierigkeiten mit der Hardware, beispielsweise aufgrund der Raum- und Kabelgebundenheit, sowie aufgrund des Aufwands und des benötigten Vorwissens zur Einrichtung des Equipments . Weitere Schwierigkeiten werden in der Erstellung von Nutzerstatistiken und der Überprüfung des Lernerfolgs, in der Verknüpfung unternehmensinterner IT-Landschaften mit VR sowie im Fehlen einer notwendigen Infrastruktur für die erforderlichen Datenmengen gesehen . Als zweite Unterkategorie der Bedenken kann ein Realitätsverlust durch die Nutzung von VR genannt werden (n = 22; 19 %), welcher ebenfalls von Roth (2018) in der Interviewanalyse aufgezählt wird . Zum einen wird von den Befragten befürchtet, dass der Bezug zur Realität durch eine vermehrte VR-Nutzung verloren geht und man sich von der realen Welt entfremdet oder diese sogar ablehnt . Manche Personengruppen könnten vermehrt in virtuelle Welten entfliehen und eine Sucht entwickeln . Es wird zum anderen befürchtet, dass die Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion durch einen fließenden Übergang der Welten nicht mehr gelingt, wodurch fatale Fehleinschätzungen in der realen Welt ausgelöst werden können und sich die Hemmschwelle zu riskantem Verhalten verschiebt . Die meist spielerische Umsetzung von Lernobjekten im virtuellen Raum könnte in diesem Zusammenhang laut den Befragten dazu führen, dass die Ernsthaftigkeit des Lerngegenstands verloren geht . Folgende Beispiele verdeutlichen dies:

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„Dass der Bezug zur wahren Realität verloren geht und es dadurch zu Fehleinschätzungen kommt, die sich fatal auswirken können .“ (m, 52 Jahre, Konstrukteur, keine Erfahrung mit VR) „Gamification! Durch die meist spielerische Umsetzung von Lernobjekten wird die Ernsthaftigkeit des Erlernten bedingt wahrgenommen .“ (w, 50 Jahre, Mitarbeiter im Vertrieb/ Marketing, Erfahrung mit VR) „Noch mehr Realitätsverlust als wir ihn jetzt schon haben (über Smartphones etc .)“ (m, 50 Jahre, Mitarbeiter in der Aus- und Weiterbildung, keine Erfahrung mit VR)

Als dritte Unterkategorie sind die sozialen Aspekte der Nutzung von VR aufzuführen (n = 20; 18 %) . Die Befragten sehen einen Rückgang der persönlichen Kommunikation durch den vermehrten Einsatz der Technologie kritisch, da die sozialen Kompetenzen und der zwischenmenschliche Austausch darunter leiden könnten . Durch eingeschränkte Körpersignale und einen fehlenden persönlichen Kontakt könnte es im Verständnis der Befragten zu zwischenmenschlicher Entfremdung kommen . Soziale Abschottung und Isolation wären die kritischen Folgen dieser Entwicklung: „Das Zwischenmenschliche geht verloren“ (m, 48 Jahre, Mitarbeiter in der Aus- und Weiterbildung, keine Erfahrung mit VR) „Abschottung; [I]solation“ (m, keine Altersangabe, 3D-Designer, Erfahrung mit VR)

Weitere Nennungen sind in den Bereich sonstige Bedenken (n = 49, 43 %) einzuordnen . Dazu zählen beispielsweise organisatorische Bedenken, wie Haftungsfragen zu VR-Schulungen oder die Einhaltung des Datenschutzes . Weiterhin haben Befragte Bedenken dahingehend, dass aktuell noch zu viel Entwicklungsarbeit der Hardware notwendig ist bis diese sinnvoll eingesetzt werden kann, wie beispielsweise im Rahmen der Rechnerleistung, und dass die Technologie eingesetzt werden könnte, ohne einen konkreten Nutzen zu haben, zum Beispiel um lediglich als Imagewerkzeug zu dienen . Der Aufwand des Einsatzes könnte sich im Vergleich zum Nutzen deshalb nicht auszahlen . Kostenfaktoren, eine Überforderung der Nutzerinnen bzw . Nutzer, Akzeptanzprobleme und Möglichkeiten des Missbrauchs sind außerdem beispielhaft in dieser Kategorie zu nennen . Die Ergebnisse zu den Bedenken der Befragten können um Aussagen der Interviewstudie von Roth (2018) ergänzt werden, wann ein Einsatz der VR-Technologie für nicht sinnvoll oder nicht möglich gehalten wird . Demnach ist VR in Situationen unzureichend, in denen „ein direktes Feedback, Fingerspitzengefühl oder weitere Sinneswahrnehmungen“ (Roth 2018, S . 56) nötig sind, zum Beispiel um festzustellen „wann etwas eingerastet ist, wie schwer etwas ist, wie ein bestimmtes Gas riecht, wie laut eine Maschine oder eine Umgebung ist“ (Roth 2018, S . 56) . Aus Sicht der Interviewpartner können diese Eigenschaften aktuell nicht oder nicht zufriedenstellend

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mit VR umgesetzt werden . „Auch für reine Informations- oder Werbezwecke ohne Wissenszugewinn und die einfache Übertragung einer Präsenzschulung in eine VR Umgebung“ (Roth 2018, S . 56) lohnt sich der Aufwand unter Betrachtung von Kosten-Nutzen-Rechnungen gemäß der Ergebnisse nicht . Ebenso wenig halten die Interviewpartner den Einsatz für einen Erstkontakt mit Kunden oder für Kaufentscheidungen für angemessen, da „der persönliche Kontakt […] nur ergänzt, aber nicht ersetzt werden“ (Roth 2018, S . 56) könne . Weitere Schwierigkeiten und Herausforderungen sehen die interviewten Personen bei der Implementierung der Technologie, „wenn die Belegschaft nicht weiß, um was es sich bei der VR-Technologie handelt, und sie als Gimmick ansieht oder Angst vor ihrer Benutzung hat“ (Roth 2018, S . 63) . Akzeptanzprobleme durch die Mitarbeiter oder die Kunden werden von einem Großteil der Interviewpartner als große Schwierigkeit wahrgenommen . Wirtschaftliche Schwierigkeiten und Herausforderungen ergeben sich außerdem durch die Frage, wie umfassend das Unternehmen mit der VR-Technologie ausgestattet werden sollte und in der Berechnung belastbarer Kosten-Nutzen-Kalkulationen, mit der beispielsweise das Management für entsprechende Investitionen überzeugt werden müsste . In Bezug auf Schwierigkeiten hinsichtlich des Alters oder der Berufserfahrung von Mitarbeitern „überwiegt die Ansicht, dass diesbezüglich keine Generalisierung möglich ist“ (Roth 2018, S . 65) . 4.4

Funktionen zur Steigerung der Nützlichkeit

Von den befragten n = 80 Probanden beantworteten n = 39 Personen (49 %) die Frage nach Funktionen, welche die VR-Technologie nützlich(er) machen würden . Die Antworten von n = 5 Personen (13 %) wurden aus der Auswertung ausgeschlossen, da sie nur allgemein berichteten, VR bereits nützlich bzw . nicht nützlich zu finden oder keine Idee zu haben . Die Kategorie „Funktionen zur Steigerung der Nützlichkeit“ gliedert sich in die folgenden Unterkategorien: – Einfache Erstellung der VR-Umgebungen/-Anwendungen – Einfache und intuitive Bedienung – Realitätsnähe – Weiterentwicklung technischer Geräte – Kompatibilität mit bestehenden Systemen und Prozessen – Möglichkeit der Simulation – Sonstige Funktionen zur Steigerung der Nützlichkeit Eine einfache Erstellung der VR-Umgebungen/-Anwendungen wurde am häufigsten von den Befragten genannt (n = 12; 31 %) . Die Vorschläge zur Steigerung der Nützlichkeit beziehen sich dabei primär auf die Implementation von Drag-and-Drop-Funktionen in VR gemäß eines Baukastensystems oder einer „Bibliothek mit vorhandenen

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Lösungen/Produkten […]“ (m, 50 Jahre, Technischer Redakteur, keine Erfahrung mit VR), um virtuelle Umgebungen schnell, kostengünstig und einfach zu gestalten . Daten, beispielsweise Konstruktionsdaten, sollten sich schnell und ohne Aufwand in VR umwandeln lassen „[…] ohne Spezialistentools oder Spezialisten selbst“ (m, 63 Jahre, Mitarbeiter in der Aus- und Weiterbildung, keine Erfahrung mit VR) . Die Interviewergebnisse von Roth (2018) bekräftigen diese Aussage, da die interviewten Personen der Ansicht sind, dass die Technologie aktuell noch zu unausgereift und „der Aufwand für die Erstellung einer VR-Umgebung noch zu hoch und komplex im Vergleich zum Nutzen ist“ (Roth 2018, S . 62) . Die aufwändige und zeitintensive Content-Erstellung wird sogar als häufigste Schwierigkeit mit VR in den Interviews genannt . Die Interviewpartner sind aber auch der Meinung, „dass sich die Technologie in einem Zeitfenster von zwei bis fünf Jahren weiterentwickeln und etablieren wird“ (Roth 2018, S . 62), sodass Inhalte schnell, effektiv und kostengünstig durch das Schulungspersonal selbstständig ohne externe Experten oder Mitarbeiter mit entsprechenden Programmierkenntnissen entwickelt werden können . Eine einfache und intuitive Bedienung wurde des Weiteren in der Befragung aufgezählt (n = 7, 18 %) . VR-Umgebungen sollten sich gemäß den Befragten einfach und ohne große Vorbereitung handhaben lassen: „Einfache Handhabung (schneller Start, einfache Verbindung mit Partner, bidirektionale Kommunikation)“ (m, 39 Jahre, Servicetechniker, Erfahrung mit VR) „Einfache Bedienung der Software“ (w, 30 Jahre, Mitarbeiterin im Vertrieb/Marketing, Erfahrung mit VR)

Von weiteren n = 7 Befragten (18 %) wird eine Realitätsnähe für wichtig empfunden . Darstellungen von Produkten, Maschinen oder der Umgebung sollten realistisch sein, genauso wie die Funktionalitäten oder Bewegungsachsen einzelner Objekte und Bauteile . Das folgende Zitat dient als Beispiel der Nennungen: „Realitätsbezogene Darstellung der Situation, Umgebung .“ (m, 52 Jahre, Konstrukteur, keine Erfahrung mit VR)

Eine Weiterentwicklung der technischen Geräte wird von n = 7 Personen (18 %) als nützlichkeitssteigernd berichtet . Darunter fallen HMDs, welche „kabellos [und] für Brillenträger geeignet“ (m, 37 Jahre, Servicetechniker, Erfahrung mit VR) sowie besser aufgelöst und insgesamt kostengünstiger sind . Weiter sollen die Geräte autark arbeiten und kompakter sein . Weitere n = 5 Personen (13 %) sehen eine Kompatibilität mit bestehenden Systemen und Prozessen als wichtig an . Die VR-Technologie sollte sich einfach an bestehende Programme wie CAD, Maschinensoftware oder Lieferantentools anbinden lassen: „Schnittstelle VR zu 3D-CAD“ (m, 42 Jahre, Konstrukteur, Erfahrung mit VR)

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Die Möglichkeit der Simulation wird auch in dieser Frage explizit aufgegriffen (n = 5; 13 %), um die Technologie nützlich einsetzen zu können . So möchten die Befragten „Maschine[n] virtuell in Betrieb nehmen, verschiedene Abläufe simulier[en]“ (m, 53 Jahre, Mitarbeiter in der Personalentwicklung/Personalverantwortlicher, Erfahrung mit VR) sowie Fehler und Möglichkeiten visualisieren können . Es ist n = 4 Probanden (10 %) wichtig, dass die Technologie zuverlässig und flexibel im Einsatz der Hard- und Software sowie hoch verfügbar ist . Sonstige Nennungen (n = 7; 18 %) beinhalteten beispielsweise die „physische Umsetzung der Aktivitäten im virtuellen Raum z . B . mittels Roboter“ (m, 29 Jahre, Mitarbeiter im Bereich IT/Software, keine Erfahrung mit VR) oder „Möglichkeiten zur Kommunikation in verschiedenen Sprachen mit integriertem Übersetzer“ (m, 30 Jahre, Servicetechniker, keine Erfahrung im Bereich VR) . 4.5

Funktionen zur Steigerung der Benutzerfreundlichkeit

Es haben n = 43 Personen (54 %) von den befragten n = 80 Personen die Frage nach Funktionen, welche die VR-Technologie benutzerfreundlich(er) machen würden, beantwortet . Davon gaben n = 3 Personen (7 %) an, dass die Bedienung bereits einfach sei oder dass sie keine Idee haben, weshalb diese Antworten nicht in die Analyse einfließen . Somit ergeben sich für die Kategorie „Funktionen zur Steigerung der Benutzerfreundlichkeit“ die folgenden Unterkategorien: – Einfache und intuitive Bedienung – Aspekte der Hardware – Übersichtlichkeit der Bedienoberfläche – Sonstige Funktionen zur Steigerung der Benutzerfreundlichkeit Knapp die Hälfte der Antworten (n = 23; 53 %) beziehen sich auf eine einfache und intuitive Bedienung, gemäß der bereits genannten Funktionen zur Steigerung der Nützlichkeit . Die Handhabung der Technologie sollte demgemäß möglichst einfach, realitätsnah und intuitiv ablaufen . Des Weiteren wünschen sich die Befragten eine möglichst hohe Präzision der Hardware, beispielsweise bei der Bewegungssteuerung durch das Tracking der Hände oder bei einem haptischen Feedback, um eine möglichst realistische Bedienung zu ermöglichen . Die folgenden Zitate geben diese Nennungen beispielhaft wieder: „2 Sensor-Handschuhe für intuitive Bewegungen mit der Hand und zielgerichtetes Drücken von Knöpfen am Bedienpult“ (m, 25 Jahre, Servicetechniker, Erfahrung mit VR) „Einfache Handhabung auch für Kunden/andere Teilnehmer“ (m, 28 Jahre, Servicetechniker, keine Erfahrung mit VR)

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Daran anknüpfend nennen n = 9 Probanden (21 %) weitere Aspekte der Hardware, welche die Benutzerfreundlichkeit beeinflussen können . Die Hardware sollte demgemäß flexibel, d . h . leicht, widerstandsfähig, standardisiert und verlässlich sowie präzise, vor allem auch im Bewegungstracking, sein: „Genaue Erfassung der Handbewegungen z . B . mit Hilfe eines Exoskelettes“ (m, 29 Jahre, Mitarbeiter im Bereich IT/Software, keine Erfahrung mit VR) „Bedienung durch möglichst verbreitete I/O-Geräte (Handschuhe, Gestik, Joystick, Mouse …), leichte, transportable, zuverlässige und widerstandsfähige Hardware“ (m, 53 Jahre, Personalverantwortlicher, Erfahrung mit VR)

Hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit erwarten auch die interviewten Personen von Roth (2018), dass „die VR-Technologie leicht einzuschalten und zu konfigurieren“ (Roth 2018, S . 68) und die Hardware ohne tiefergehende Vorkenntnisse im IT-Bereich leicht bedienbar sein sollte . „Die Navigation muss intuitiv, selbsterklärend und leicht verständlich sein“ (Roth 2018, S . 68) . Laut der Interviewpartner geht eine höhere Benutzerfreundlichkeit, ähnlich den Aussagen zur Nützlichkeit, außerdem mit der Weiterentwicklung der Hardware in kabellose und für Brillenträger geeignete HMDs einher . Punkte für eine Übersichtlichkeit der Bedienoberfläche werden von n = 8 Probanden (19 %) als wichtig für die Benutzerfreundlichkeit benannt . Sie sollte „[…] nicht zu ausführlich, gut gegliedert“ (w, 24 Jahre, Mitarbeiterin im Bereich IT/Software, keiner Erfahrung mit VR), einfach und strukturiert aufgebaut sein . Auch Anleitungen und Tutorials können gemäß der Befragten in diesem Bereich hilfreich sein . Es gab außerdem n = 8 sonstige Nennungen (19 %), darunter zum Beispiel der Wunsch nach Funktionen im Sinne einer Anpassbarkeit der Technologie, vor allem an verschiedene Nutzerlevel oder individuelle Bedürfnisse der Nutzerinnen bzw . Nutzer oder Funktionen für „drag [and] drop“ (m, keine Altersangabe, Mitarbeiter in der Ausund Weiterbildung, Erfahrung mit VR) . 5.

Zusammenfassung und Diskussion

Das Forschungsanliegen der vorliegenden explorativen Studie war es, konkrete Anwendungsfelder der VR-Technologie zu identifizieren, welche von den (potenziellen) Nutzerinnen bzw . Nutzern in technischen Domänen zum jetzigen technologischen Entwicklungsstand für sinnvoll erachtet werden, sowie Vorteile und Bedenken zur Nutzung der Technologie zu identifizieren . Darüber hinaus sollten Aspekte für eine Steigerung der Nützlichkeit und der Benutzerfreundlichkeit der VR-Technologie abgeleitet werden, um Schlussfolgerungen für Optimierungspotenziale zu erhalten . Die Befunde der Studie zeigen, dass die größten Anwendungsfelder der VR-Technologie im Bereich Schulung und Ausbildung sowie Produktentwicklung und -testung

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gesehen werden . Ein vorteilhafter Einsatz begründet sich hierbei vor allem in der Möglichkeit, unabhängig vom Ort und der Frage, ob Anlagen oder Produkte in materieller Form vorhanden sind, schulen und entwickeln zu können . Simulationen, Testungen und Trainings sind ohne Hardware möglich . VR gilt zusammengefasst insbesondere dann als sinnvoll, wenn etwas simuliert werden soll das in materieller Form (noch) nicht vorhanden ist, in der Realität zu gefährlich, komplex oder teuer ist oder fachfremde Personen involviert sind . Unter dem Aspekt, dass die Stichprobe aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen stammt und die geschilderten Aspekte trotzdem fachbereichsübergreifend genannt wurden, kann diesen Ergebnissen eine höhere Aussagekraft zugesprochen werden . Die größten Bedenken äußerten die Befragten zu Gesundheitsaspekten und dem Tragekomfort, insbesondere bei längerfristiger Benutzung der VR-Technologie . Personen sollten angesichts dieser Bedenken in langsam länger werdenden VR-Sessions an die Nutzung gewöhnt werden . Außerdem spielt eine Berücksichtigung dieser kritischen Anmerkung bereits in der Entwicklung der VR-Umgebungen eine Rolle, indem durch eine möglichst geringe Latenz die simulierten Bewegungen optimal auf die real empfundenen Bewegungen abgestimmt werden (vgl . Dörner & Steinicke 2013) . Weitere Bedenken wurden zu einem Realitätsverlust und dem Rückgang der sozialen Interaktion geäußert . Die Antworten der Stichprobe zu Funktionen, die eine Steigerung der Nützlichkeit hervorrufen könnten, lassen sich dahingehend interpretieren, dass vor allem eine einfachere Erstellung des virtuellen Contents für einen gewinnbringenden Einsatz der Technologie in Unternehmen gefordert wird . Eine teilautomatisierte Entwicklungssoftware könnte in diesem Rahmen dabei helfen, die Erstellung der VR-Umgebungen nicht nur für IT-Experten zu ermöglichen und zu beschleunigen . Ebenso könnte eine Standardisierung der Hard- und Software für eine höhere Benutzerfreundlichkeit in der Einrichtung und Nutzung von VR sorgen . Ergänzend geben die Ergebnisse von Roth (2018) Aufschluss über Aspekte, die bei der Implementation von VR berücksichtigt werden sollten, um die Akzeptanz der Technologie bei den Beschäftigten zu fördern . Betont werden vor allem eine frühe Schaffung von Transparenz durch Informationen und eine Kommunikation der Ziele sowie eine frühzeitige Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch indem Bedenken berücksichtigt werden . Vor allem Personen ohne Erfahrung mit der Technologie sollten genügend Zeit bekommen, um sie auszuprobieren, damit ein Interesse geweckt und ein Nutzen erkannt sowie der Umgang mit der Hardware erlernt werden kann . Vor dem Hintergrund des nicht einheitlichen Erhebungsverfahrens (Onlineerhebung bzw . Paper-Pencil-Erhebung) sind die Studienergebnisse zu bewerten . Hierzu wurden aber zwischen den zwei Teilstichproben keine testbezogenen Auffälligkeiten (z . B . Teilnehmermotivation) festgestellt . Limitationen der Studie ergeben sich in Bezug auf die Datenerhebung im Rahmen einer expliziten Veranstaltung zu VR, wodurch möglicherweise primär Personen angesprochen wurden, die im Durchschnitt hoch an

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der Thematik interessiert sind, was eine Positivauswahl darstellt . Die Studie erhebt damit keinen Anspruch auf Repräsentativität . Weiterführende Analysen sollten darüber hinaus untersuchen, ob sich in den Nennungen spezifische Unterschiede zwischen Personen mit und ohne Erfahrung mit der VR-Technologie abzeichnen . Obwohl die Ergebnisse trotz der verschiedenen involvierten Unternehmensbereiche in Teilen ein übereinstimmendes Meinungsbild aufzeigen, wäre ebenso die zielgerichtete Betrachtung einzelner Fachrichtungen innerhalb der technischen Domänen in zukünftigen Untersuchungen hilfreich, um genauere Aussagen über die jeweiligen fachspezifischen Potenziale der Technologie treffen und diese gewinnbringend in der Entwicklung konkreter Use-Cases einbringen zu können . Darüber hinaus könnten weiterführende Studien zu den Auswirkungen von VR auf die Gesundheit dazu beitragen, mögliche Nutzerbedenken in diesem Bereich zu adressieren . Literatur

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On-the-Job-Training mittels AR-/VR-gestützter Fehlerdiagnose und -behebung in industriellen Anlagen SEBASTIAN HEINZE / SEBASTIAN CARSCH / CHRISTOPH JESAJA HEIDELBACH / JULIAN RAHM / MARC MAUERMANN / LEON URBAS

On-the-job training using AR-/VR-supported fault diagnosis and correction in industrial plants Zusammenfassung: Im Produktionsalltag industrieller Anlagen in der Prozess- als auch

in der Fertigungsindustrie sind Störungen und deren Beseitigung ein typischer Teil des Arbeitsalltages von Bedienern . In der Verpackungsindustrie treten diese im Mittel alle 4,5 min auf (vgl . Oehm et al . 2016), in der Prozessindustrie häufig bei der Inbetriebnahme kontinuierlicher Anlagen (vgl . Oppelt & Urbas 2017) sowie in gering automatisierten oder hoch-flexiblen Batchprozessen (vgl . Smith 2014) . Assistenzsysteme sollen hier zukünftig den Bediener bei der Vermeidung und Behebung von Ausfällen unterstützen (vgl . Venkatasubramanian, Rengaswamy, Yin & Kavuri 2003) . Problematisch sind dabei Störfälle, die erst nach einer manuellen Diagnose behoben werden können . Aufgrund des steigenden Automatisierungsgrads und den damit verbundenen „Ironies of Automation“ (vgl . Bainbridge 1983) steht das dafür notwendige Wissen vor Ort immer seltener zur Verfügung . Eine kollaborative Störungsanalyse könnte den notwendigen Wissenstransfer wieder ermöglichen (vgl . Höge 2011), stellt dabei aber hohe Anforderungen an ein gemeinsames Verständnis der aktuellen Situation . In der Mensch-zu-Mensch- und Mensch-zu-Maschine-Kommunikation müssen die Beteiligten konstant ihr Verständnis der Lage austauschen, um ihre mentalen Modelle der Situation abzugleichen (vgl . Clark & Brennan 1991) . Die langsam im unternehmerischen Alltag der Prozess- sowie Fertigungsindustrie Einzug haltenden Technologien der AR und VR können dazu wesentlich beitragen .

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In diesem Beitrag wird zunächst der aktuelle Einsatz dieser Technologien in der industriellen Anwendung untersucht . Neben allgemeinen Vorarbeiten werden auch AR- und VR-Interaktionsmechaniken vorgestellt, die industrietauglich gestaltet sind, wodurch die Systeme in Lehr- und Lernszenarien eingesetzt werden können . Der Fokus liegt dabei auf Anwendungsfällen des On-the-Job-Trainings unter industrietypischen Bedingungen, die sich auf verschiedene Teilbereiche industrieller Anlagen und die Kommunikation Mensch zu Mensch sowie Mensch zu Maschine beziehen . Abstract: Disturbances and their rectification are a characteristic part of the daily working

routine of machine operators in the everyday production environment of industrial plants in both process and manufacturing industries . In the packaging industry, these disturbances occur on average every 4 .5 minutes (cf . Oehm et al . 2016), in the process industry frequently during the commissioning of continuous systems (cf . Oppelt & Urbas 2017) as well as in low-automated or highly flexible batch processes (cf . Smith 2014) . Assistance systems are intended to support the operators in avoiding and eliminating failures (Venkatasubramanian, Rengaswamy, Yin & Kavuri 2003) . Problematic in this context are disturbances that can only be rectified after manual diagnosis . Due to the increasing degree of automation and the associated ironies of automation (cf . Bainbridge 1983), the knowledge required for disturbance diagnosis is becoming increasingly rare on site . A collaborative fault analysis can reinstate the necessary knowledge transfer (cf . Höge 2011), but poses high demands on a common understanding of the current situation . In human-to-human and human-to-machine communication, the participants must constantly align their understanding of the situation in order to compare their mental models of this situation (cf . Clark & Brennan 1991) . The AR and VR technologies, slowly entering the everyday business life of the process and manufacturing industry, can contribute significantly to this objective . In this article, the use of such technologies for industrial applications will be examined first . Alongside general preparatory work, AR and VR interaction mechanics, which are designed to be suitable for industrial use, are also presented, enabling the systems to be used for teaching and learning scenarios . The focus is set on application cases of on-the-job training under typical industrial conditions that relate to different sub-areas of industrial plants and human-to-human and human-to-machine communication .

1.

Einleitung

Prozess- und Fertigungsanlagen zeichnen sich durch eine starke Individualisierung für ihren jeweiligen Anwendungsfall aus . Die Überwachung, Bedienung oder physikalische Interaktion erfordert deshalb eine lange Einarbeitungs- und Anlernphase . Was Prozessanlagen anbelangt, sind Operator-Trainings seit langem Stand der Technik (vgl . Götte, Urbas & Wozny 1998) . In diesen Trainings werden die zukünftigen Bediener

On-the-Job-Training mittels AR-/VR-gestützter Fehlerdiagnose und -behebung in industriellen Anlagen

mittels einer Computersimulation im Umgang mit bestimmten Situationen geschult . Allerdings ist es aus Komplexitätsgründen teilweise nicht möglich und auch nicht ökonomisch, alle möglichen Situationen vorauszudenken und entsprechend in einem Simulationsmodell zu hinterlegen . Daher ist das Üben von Ausnahmesituationen nach wie vor eine große Herausforderung . Denn gerade durch ihren hohen Automatisierungsgrad sind die Anlagen in der Lage, kleinere Unregelmäßigkeiten selbstständig zu bewältigen . Je nach Automatisierungsgrad sind hier mehr oder weniger Eingriffe nötig (vgl . Schegner & Urbas 2018) . Kritisch werden extreme Situationen dann, wenn sie nicht mehr von technischen Systemen abgefangen werden können und den Eingriff des Operators erfordern . Gerade in Stresssituationen sind gelernte Handlungsabläufe von enormem Vorteil für die Handlungssicherheit . Eine andere Situation liegt bei fertigungstechnischen Anlagen vor, bei denen bereits kleine Störungen zu einem Stoppen der Maschine führen . Das Fraunhofer IVV fand hierzu in über 125 Maschinenanalysen (von Verpackungsmaschinen) heraus, dass alle vier Minuten eine Störung auftritt und 70 % der Störungen weniger als zwei Minuten andauern (vgl . Schult, Beck & Majschak 2015) . Der Grund für diese Zeitintervalle liegt darin, wie diese Störungen behoben werden . Weil vielen Bedienern die Ursache der Störung unbekannt ist, beheben sie lediglich deren Symptomatik . Dies führt wiederum zu einer Folgestörung, bis schließlich Personal mit mehr Prozessverständnis die Ursache beseitigt . In beiden Domänen der Industrie benötigen die Bediener zur Lösung einer solchen Störung tiefgreifendes Wissen über die Anlage, müssen stets mit Kollegen im Feld kommunizieren und mit dem Bedienerinterface interagieren . Der Aspekt des Lernens in solch einem Szenario stellt sich dabei insbesondere beim On-the-Job-Training ein, welches die zur Lösung notwendigen Teilschritte einer Arbeitsaufgabe nutzt, um einen Lerneffekt bei den Nutzern zu erzeugen (vgl . Clauss 2018) . Gerade wichtiges und für den erfolgreichen Betrieb der Anlage notwendiges prozedurales Wissen kann durch diese Form des Lernens vermittelt werden, wie es das bloße faktenbasiertem Lernen nicht vermag . Die Idee, während der normalen Arbeit Lerneffekte zu erzielen, ist nicht neu (vgl . Becker 1964) und gerade in der industriellen Anwendung reizvoll, wie die in diesem Beitrag beschriebenen Anwendungsszenarien zeigen sollen . In Abbildung 1 werden die Anwendungsfälle zwei Interaktionskonstellationen zugeordnet: einmal der Mensch-Mensch-Kommunikation und zum anderen der Mensch-Maschine-Kommunikation . Der Anwendungsfall der Rüstunterstützung bezieht sich auf die Mensch-Maschine-Interaktion während des Umrüstens von Produktionsanlagen, wobei der Schulungsaspekt eines solchen, auf AR-Technologien basierenden Systems hervorgehoben wird . Der Anwendungsfall des Forschungsprojektes „KoMMDia – Kooperative Mensch-Maschine-Dialoge in der Diagnose und Beseitigung von Störungen in Verarbeitungsanlagen“ nutzt eine möglichst natürlichsprachige Verarbeitung der von den Bedienern eingegebenen Fehlerbeschreibung, um passende Vorschläge zur Fehlerbehebung anbieten zu können, und stellt damit einen digitalen Begleiter zur Seite . Die Kommunikation zwischen Menschen kann, wie im

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Anwendungsfall des Forschungsprojektes „PlantCom“ vorgestellt, insbesondere beim Übertragen von Information unterstützt werden, die nicht über die verbale Kommunikation transportiert werden kann . In dieser kollaborativen Störungsdiagnose ist der Faktor des Lernens in der Handlungsorientierung zu sehen .

Abb. 1 Interaktion zwischen Mensch, Maschine und Mensch sowie die Einordnung der Anwendungsfälle.

Die Eigenschaften des Menschen, auf unvorhersehbare Ereignisse reagieren und auf Basis der eigenen Erfahrungen mit der Umwelt kommunizieren zu können, sind nur schwer vom Menschen auf die Maschine zu übertragen (vgl . Haase, Termath & Schumann 2015) . Eine optimale Mensch-Maschine-Interaktion ist deshalb stets notwendig, um ökonomische und holistische Ziele zu erreichen . Die komplexe Interaktion von Mensch zu Mensch und Mensch zu Maschine wird in diesem Beitrag nach einer Aufarbeitung des theoretischen Hintergrundes anhand der geschilderten Anwendungsfälle in der Domäne von industriellen Anlagen diskutiert, wobei auch ein erstes AR-/VR-Unterstützungssystem vorgestellt wird . Die daraus gewonnenen Ergebnisse können bereits diskutiert werden und führen zu weiteren Forschungsfragen im Ausblick . 2.

Theorie

2.1

Definitionen

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter der Bezeichnung Augmented Reality (AR) häufig eine Erweiterung der menschlichen Wahrnehmung um virtuelle Inhalte verstanden . Im einfachsten Fall handelt es sich dabei um eine visuelle Anreicherung des Benutzerblickfeldes mit computergenerierten 3D-Objekten . Grundsätzlich

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werden AR in der Fachliteratur nach Azuma (vgl . Azuma 1997) drei charakteristische Eigenschaften zugeschrieben: 1 . Kombination von Realität und Virtualität, 2 . Interaktion in Echtzeit sowie 3 . eine perspektivisch korrekte Darstellung im dreidimensionalen Raum . Diese gängige Definition ist im Kontext der hier vorgestellten Konzepte weiter zu konkretisieren . Durch AR lassen sich Realität und Virtualität nicht nur miteinander kombinieren, sondern auch in einen direkten Zusammenhang setzen . Somit wird die Wahrnehmung realer Gegenstände durch computergenerierte Attribute ergänzt und dadurch der potentielle Informationsgehalt virtuell ausgebaut . Für AR existieren bereits einige erprobte Interaktionsmedien (vgl . Ducher 2014), wie Berührung, Gesten, Blick oder Sprache . In einem industriellen Umfeld kann eine große Geräuschkulisse vorherrschen, die eine Verwendung von Sprachbefehlen prinzipiell stark beeinträchtigt, welche somit hier vernachlässigt wird . Die Interaktionen stehen in Relation zu den augmentierten Objekten, sodass auch hier eine Verknüpfung zwischen realen und virtuellen Objekten erfolgt . Für Virtual Reality existiert in der Literatur hingegen keine derart klar formulierte Definition (vgl . Dörner, Broll, Grimm & Jung 2013) . Der Begriff assoziiert, dass die menschliche Wahrnehmung zu 100 % aus computergenerierten Daten erzeugt wird . Dabei handelt es sich momentan noch um ein Zukunftsszenario . Aktuelle VR-Anwendungen manipulieren primär die visuelle Wahrnehmung der Benutzer . Für die Industrie existieren bereits einige erprobte Anwendungsszenarien, wie Training bzw . Aus- und Fortbildung von Mitarbeitern oder in der Produktentwicklung . Virtual Reality bedeutet in diesem Kontext nicht nur ein passives Erleben, sondern vielmehr eine aktive Interaktion mit der simulierten Umgebung . Im Kontext der Prozessindustrie erlaubt dies beispielsweise ein Abrufen von Sensordaten oder die Steuerung von einzelnen Aktoren, ohne dabei lokal vor Ort sein zu müssen . Dadurch entsteht, ähnlich zu AR, eine Verknüpfung zwischen dem virtuellen 3D-Model und der realen Anlage . 2.2

Industrielle Anwendung

Die Prozessindustrie befindet sich in einem großen, durch die Individualisierung der Produkte getriebenen Wandel, im Zuge dessen globale Megatrends, kürzere Produktentwicklungs- und Fertigungszyklen ebenso wie gestiegene Anforderungen der Kunden an die Dynamik der Prozesse (vgl . Lier & Grünewald 2011) umgesetzt werden müssen . Modularisierung ist ein Ansatz, um diesen Anforderungen gerecht zu werden (vgl . Bloch et al . 2017) . Ihr Grundprinzip besteht auf einer Teilung der Anlage in Module einzelner Prozessschritte . Das ermöglicht eine schnellere Rekonfiguration der Anlage, um auf neue Anforderungen oder auf Änderungen des zugrundeliegenden

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Prozesses reagieren zu können . Diese Rekonfigurationen können in kürzeren Zeitabständen durchgeführt werden und führen so für das Anlagenpersonal zu dem Problem, dass es damit immer schwieriger wird, ein tiefes Anlagenverständnis auszubilden, im Gegensatz zum Personal in heutigen Prozessanlagen, bei denen das Personal über Jahre hinweg nur punktuell Änderungen vorfindet . Um auch in modularisierten Anlagen zuverlässig Probleme beheben zu können, wird die Kommunikation Mensch zu Mensch und Mensch zu Maschine vertieft werden müssen . Zusätzlich führen die Änderungen in der Anlagenstruktur auch zu Änderungen dahingehend, wie diese Anlagen geführt werden, wobei auch dort zusätzliche Möglichkeiten der Kommunikation zwischen den Mitarbeitern entstehen . Auch in der Fertigungsindustrie sinken Fertigungszyklen zunehmend, und es steigt die Produktvariabilität . In der Fertigungsindustrie handelt es sich jedoch, im Gegensatz zur Prozessindustrie, um offene Systeme, bei denen Umwelteinflüssen im Prozess (meist) nicht eliminiert werden (können) (vgl . Müller & Oehm 2018) . Zusätzlich erschweren die volatilen, biogenen Produkteigenschaften der Ausgangsstoffe eine Automatisierung, wie sie in der Prozessindustrie möglich ist (vgl . ebd .) . Neben dieser Automatisierung besteht mit der Menschzentrierung ein weiterer, neuerer Ansatz, mit den aktuellen Herausforderungen begegnet werden kann . Dabei wird eine Prozessoptimierung durch eine Förderung der auditiven, taktilen und kognitiven Fähigkeiten der Maschinenbediener angestrebt . Damit wird auch den „Ironies of Automation“ begegnet . Diese zeigen unter anderem den Widerspruch auf, dass von Menschen entwickelte soziotechnische Systeme trotz Automatisierung niemals fehlerfrei laufen werden, der Bediener aber im Fehlerfall und trotz durch Automatisierung verlorenen Prozessverständnisses das System reparieren soll (vgl . Bainbridge 1983) . 2.3

Lernaspekte

Im Gegensatz zum Lernen, weil ein bestimmter Aspekt in Zukunft von Bedeutung sein könnte, wird das handlungsbegleitende Lernen immer wichtiger (vgl . Maurer 2004) . Die Handlungsorientierung des Lernens ist auch für industrielle Anwendungen ein Konzept, welches Lerneffekte begünstigt . Der Wissenstransfer, zum Beispiel von Erfahrungswissen älterer Mitarbeiter auf unerfahrenere Mitarbeiter, ist ein wichtiger Schritt, um auch in dynamischen und eine hohe Adaption voraussetzenden Umgebungen letzteren das dafür erforderliche Wissen zur Verfügung zu stellen . Im Gegensatz zum Erlernen von (losgelösten) Lösungsstrategien führt ein tieferes Problemverständnis inklusive dem systematischen Testen von Hypothesen zu einem Transfer von strategischem Wissen, zum Beispiel wann ein bestimmtes Problem es notwendig macht, die eigenen Lösungsmethoden anzupassen (vgl . Vollmeyer, Burns & Holyoak 1996) . In digitalisierter Form kann zusätzlich zum Wissenstransfer von Mensch zu Mensch eine Informationsanreicherung der Darstel-

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lung stattfinden und zu einem breiten Lernangebot führen, was den Wissenstransfer zusätzlich verbessert (vgl . Winters & Latham 1996) . Wie ein solcher Transfer gestaltet sein könnte, zeigt der Anwendungsfall 3 .3 . Nicht zuletzt können Konzepte wie Gamification oder Serious Gaming in einer virtuellen Lern- und Arbeitsumgebung dazu genutzt werden, die Motivation des Nutzers oder auch dessen Akzeptanz eines solchen Systems zu fördern (vgl . Nicholson 2012) . Die angeborene Neugierde des Menschen kann genutzt werden, um verschiedene Ausprägungen einer Lernunterstützung zu realisieren . Diese können von beiläufiger Nutzung bis hin zu einer Aufforderung an einen Assistenten, einen bestimmten Sachverhalt zu erklären, reichen . 2.4

Frühzeitige Integration vorhandener Informationsmodelle

Während der Planung und Umsetzung einer Anlage, sei es in der Fertigungs- oder Prozessindustrie, entsteht eine Vielzahl an domänenspezifischen Informationsmodellen . Durch die zunehmende Digitalisierung ist es mittels Roundtrip-Konzepten möglich, frühzeitig miteinander korrespondierende Modelle aus vorhandenen abzuleiten und zu nutzen . Hierbei werden Ansätze aus der Softwareentwicklung genutzt, in denen Modelle mittels bidirektionaler Transformationsregeln miteinander vernetzt und anschließend ineinander überführt werden können . Auf diese Weise entsteht ein vollständiges digitales Abbild der Anlage . Die Prozessfließbilder, die in der Angebotsphase erstellt werden, können somit früher dazu genutzt werden, um erste 3D-Modelle zu erzeugen (vgl . Rahm, Graube & Urbas 2017; Malcher 2018) . Damit ist eine Vorverlagerung der Qualifizierung, wie in Abbildung 2 dargestellt, möglich . Weiterhin ist ein stets aktueller Datenbestand für die kontinuierliche Weiterbildung vorhanden, um auch Änderungen oder Erweiterungen einer Anlage möglichst schnell verfügbar zu haben . Durch die Synchronisation sämtlicher Informationsmodelle untereinander ist über den gesamten Lebenszyklus der Anlage hinweg ein konsistenter Datenbestand vorhanden .

Abb. 2 Fraunhofer IFF (vgl. Haase, Termath, & Schumann 2015): Vorverlagerung von Qualifizierung im Anlagenlebenszyklus.

Die durch die komplexen und großen Informationsmodelle erzeugten Informationsräume induzieren auch neue Interaktionsweisen, da das reine Faktenwissen durch die

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leichte Zugänglichkeit dieser Räume in den Hintergrund gedrängt wird (vgl . Clark & Brennan 1991) . Die Megatrends der Digitalisierung, allen voran die zunehmende Dynamik der Produktwechsel, erfassen somit auch die Art und Weise des Wissenserwerbs . Neben 3D-Modellen zur Darstellung einer Anlage kann auch das Prozesswissen mit in die Qualifizierung einfließen . So ist aufgrund der komplexen Verschränkung der Teilanlagen mit ablaufenden Prozessen tiefes Wissen notwendig, um auf Störungen angemessen reagieren zu können, ein ausführliches Beispiel hierzu wird in Anwendungsfall 3 .2 . diskutiert . 3.

Anwendungsfälle

Im Rahmen dieses Beitrages werden drei Anwendungsfälle in der Domäne der Prozessund Fertigungsindustrie vorgestellt . Das erste Szenario unterstützt die Mensch-zu-Maschine-Kommunikation und ist in der Domäne der Fertigungsindustrie anzusiedeln . Es wird ein Assistenzsystem vorgestellt, welches Field-Operators (FO) mittels AR bei der Rüstung von Maschinen unterstützt und gleichzeitig ihr Erfahrungswissen aufnimmt, um es für die Mitarbeiterschulung verfügbar zu machen . Ein weiteres Szenario schlägt die Brücke zwischen Prozess- und Fertigungsindustrie, indem eine natürlichsprachige Mensch-zu-Maschine-Kommunikation mittels eines Assistenzsystems ermöglicht wird . Ein wesentlicher Teil der Kommunikation erfolgt dabei über aktuelle AR-Ansätze, um explizit die physikalische Maschine, aus der Fertigungsindustrie bzw . Module der Prozessindustrie, mit in die Kommunikation einzubeziehen und mit zusätzlichen Informationen anzureichern . Die virtuelle Aufbereitung der Inhalte unterstützt dabei die Weiterbildung der FO . Das dritte und letzte Szenario ist in der Prozessindustrie verortet und untersucht die Kommunikation zwischen FO und Control-Room-Operator (CRO) . Um bei der Untersuchung von Fehlerhypothesen Mehrdeutigkeiten zu verhindern und dem jeweiligen Gesprächspartner dabei zu helfen, die Sicht des Anderen zu verstehen, können entsprechende Informationen übertragen werden . Eine Möglichkeit dabei ist die Realisierung der Informationsübertragung mittels VR- und AR Komponenten zur Schulung der Mitarbeiter sowie die Diskussion und Durchführung von Problemlösungsstrategien . 3.1

Anwendungsfall Maschinenrüstung

3 .1 .1

Problem

Aufgrund der Individualisierung von Produkten und der Flexibilisierung von Produktionsprozessen ist die Anzahl an Rüstvorgängen im Produktionsalltag verschiedener Branchen (bspw . Lebensmittel- oder Metallverarbeitung) deutlich gestiegen (vgl .

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Zäpfel 2001) . Mehrfache Stillstände von Maschinen, um sie auf die folgende Produktionsphase einzustellen, sind die Folge . Die Dauer solcher Prozesse ist zwar in den letzten 70 Jahren bspw . in der Automobilindustrie bereits gesunken (vgl . Ohno 1988), doch arbeiten andere Wirtschaftsbereiche weiterhin an der Minimierung der Rüstzeit, um die Auftragszeit wirtschaftlich optimal nutzen zu können (vgl . Götz, Wagner & Reinhart 2014) . Der Alltag besteht dabei häufig noch aus zeitintensiven Vorgängen, bei welchen ständig wechselndes Personal mithilfe von Handbüchern eine Vielzahl komplexer Schritte ausführen muss . Diese Prozesse sind weiterhin sehr wissensintensiv, und damit sie im Sinne des Produzenten zügig umgesetzt werden können, müssen die damit betrauten Mitarbeiter nicht nur entsprechend qualifiziert werden, sondern auch bereits einen großen Erfahrungsschatz mitbringen . Weiterhin sind teilweise noch nicht vorhandene Informationen über Maschinenzustände unabdingbar, um reproduzierbare und situativ angepasste Ergebnisse zu erzielen . Falsche Einstellparameter können unter Umständen große Auswirkungen auf die Produktion haben . In einer Form-, Füll- und Verschließanlage für Joghurtbecher kann bspw . ein zu hoher Ausformdruck zu einer Verschmutzung der Formwerkzeuge führen, welche einen Stillstand von bis zu zwei Stunden zur Folge hat . Zur Vermeidung solcher Stillstände existieren bereits Ansätze der Werkerführung mit Technologien wie Augmented und Mixed Reality, die jedoch aufgrund ihrer Komplexität gerade für kleine und mittelständische Unternehmen oft nicht umsetzbar ist . Weiterhin fehlt eine Verknüpfung der Durchführung von Rüstarbeiten mit bedarfsgerechten, situativ angepassten Schulungen, um eine Abhängigkeit von den dünn gesäten Experten in diesem Bereich und Problemlagen, die sich ergeben, wenn diese Experten nicht verfügbar sind, zu vermeiden . 3 .1 .2

Lösungsansatz

Ein möglicher Ansatz zur Optimierung sowie Schulung des Rüstpersonals ist es, dieses mittels AR zu unterstützen, was im Folgenden beispielhaft an der bereits erwähnten Thermoformanlage dargestellt wird . Ein selbstoptimierendes Authoring-System für die Maschinenrüstung unterstützt aber nicht nur die betreffenden Mitarbeiter, sondern kann zur Optimierung des Rüstprozesses beitragen . Das System wird dabei in verschiedene Module aufgeteilt, ein Augmented-Reality (AR)-, ein Maschinelles Lern (ML)-, ein Manufacturing-Execution-Systems (MES)- und ein Datenmodul . Als Backend dient dabei das Authoring-System, über das diese Module miteinander verknüpft sind . Das Datenmodul fasst Wissensbausteine (WBS) in Form einer Ontologie zusammen, die die Domäne „Rüstprozess“ im erforderlichen Umfang maschinenlesbar beschreibt, insbesondere die Zusammenhänge und Abhängigkeiten bezüglich des Rüstprozesses . Grundlage für die Erstellung dieser WBS sind die Arbeitsschritte der Rüstaufgabe, welche durch verschiedene Informationen (3D-Scan/-Modell des betreffenden Bauteils, Video des Arbeitsschritts, Audioanweisungen, MES-Daten, Erfah-

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rungswissen und schriftliche Dokumente) angereichert werden . Über das AR-Modul, welches dem Werker als Frontend dient, kann bei Bedarf eine Rüstumgebung in Form einer Kombination verschiedener WBS für die spezifische Rüstaufgabe erstellt werden, um die betreffenden Mitarbeiter auf den Planungsebenen bei der Organisation der Rüstaufgabe zu unterstützen . Ergänzt werden diese Rüstumgebungen durch im MES-Modul erstellte bedarfsgerechte Rüstchecklisten, welche auf neu generiertem Wissen basieren . Diese sichern, anhand von mittels Produktionsdaten generiertem Wissen, die Qualität, Aktualität sowie die Dokumentation des Rüstvorgangs ab und helfen so, diesen zu verifizieren . Bereits während des Rüstvorgangs können dabei Erfahrungen, die der Rüstmitarbeiter mit entsprechenden WBS (Ontologie) gemacht hat, gespeichert und für spätere Vorgänge nutzbar gemacht werden . Der Erfolg der Rüstung wird anhand geeigneter Monitoringkennzahlen und durch das ML-Modul bewertet . Hierbei soll eine Mustererkennung und Klassifikation mittels ML-Verfahren erfolgen, mit denen mit vergleichsweise geringen Datenmengen Ergebnisse erzielt werden können . Durch den auf diese Weise entstandenen wissensbasierten Regelkreis und mithilfe evolutionärer Algorithmen kann der Rüstvorgang mit seinen spezifischen Einstellparametern automatisch und iterativ nach den in der Wissensbasis abgelegten Regeln optimiert werden . Die Ergebnisse dieser Optimierung werden automatisch in AR-Inhalte umgesetzt . Die Themen Usability sowie Nutzung der vorhandenen IT-Infrastruktur werden fokussiert, um eine hohe Anwenderakzeptanz zu gewährleisten . Weil die Umrüst-Thematik branchenübergreifend von hoher Relevanz ist, kann das skizzierte System von einem breiten Kreis des produzierenden Gewerbes eingesetzt werden, der Maschinen in der Produktion und Verpackung einsetzt und sie aufgrund von Produktwechseln neu rüstet . Mit dem System läuft die Rüstung skizziert wie folgt ab: Initial werden der Rüstvorgang einmalig und exemplarisch von einem FO durchgeführt und dessen Handlungen mittels (Head-)Kamera gefilmt . Aus dem entstandenen Video werden im Anschluss einzelne Arbeitsschritte extrahiert und mit Maschinendaten, Produktionsdaten, Informationen aus Bedienungsanleitungen, Sprachanweisungen und Erfahrungswissen angereichert und als WBS zusammengeführt (vgl . Abbildung 3) . Im Produktionsalltag wird vom System anhand des im MES hinterlegten Produktionsplans erkannt, dass eine Rüstung einer Thermoformanlage aufgrund eines Produktformatwechsels im Produktionsplan vorgesehen ist, worauf der Produktionsplaner bzw . FO hingewiesen wird . Letzterer kann sich dann über das Authoring-System automatisiert eine AR-Visualisierung der Rüstaufgabe in Form einer spezifischen Kombination der WBS, inklusive aktueller Rüstchecklisten, erstellen und sofort mit dem Rüstvorgang beginnen . Dabei müssen Werkzeuge und Material ausgetauscht sowie die Prozessparameter neu eingestellt werden . Während der Rüstung kann der Mitarbeiter sich Notizen, bspw . über den Zustand des Werkzeugs oder der Maschine, in Form eines eingegebenen Textes, eines gesprochenen Textes, eines Bildes oder eines Videos anlegen . Nach jeder Rüstung werden vom System der spezifische Maschinen-

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datensatz sowie die Inhalte der Rüstcheckliste gespeichert, die Wissensbasis ergänzt und der Rüsterfolg anhand der definierten Monitoringkennzahlen, wie jener über die Qualität der Produkte und die Anzahl des produzierten Ausschusses, bewertet . Diese Bewertung wird wiederum mit dem Datensatz gekoppelt . Aus den Rüstparametern und der Bewertung des Rüstvorgangs kann ein ML-Modell angelernt werden . Evolutionäre Algorithmen entwickeln anschließend iterativ neue Parametervarianten, deren Qualität durch das ML-Modell bewertet wird . Auf dieser Weise können besonders gute Rüstparameter ermittelt und auch für neue Formate auf Basis der vorhandenen Datenlage schnell gute Parameterkonstellationen gefunden werden .

Abb. 3 Ablauf AR-unterstützer Rüstung.

Die automatisierte, modulare Erstellung von AR-Szenarien zur Maschinenrüstung ohne die Notwendigkeit tiefgreifender Vorkenntnisse von AR-Systemen oder ITKnow-how verringert die Hürde in Unternehmen, die Technologie anzuwenden . Außerdem werden die Dokumentation und der Informationsaustausch bereits während des Rüstvorgangs ohne Zusatzaufwand für die Mitarbeiter verbessert, wodurch die Speicherung von wertvollem Erfahrungswissen katalysiert wird . 3 .1 .3

Wissenserwerb und -übertragung

Dieses Erfahrungswissen kann jedoch nicht nur bei der Optimierung der Maschinenrüstung, sondern auch im Rahmen der Aus- und Weiterbildung der FO einen Mehrwert generieren, da im Produktionsalltag Maschinen und Anlagen, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt für Schulungen in Rüstvorgängen zur Verfügung stehen . Grundlage hierfür ist, dass die Maschinenparameter mit dem spezifischen Erfolg des Rüstvor-

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gangs verglichen werden können, was auch der Fall ist: Aus den Daten kann extrahiert werden, welche Parameter einen besonderen Einfluss auf den Rüsterfolg haben . Diese Parameter können als Ausgangspunkt für eine zielorientierte Weiterbildung dienen, die auf dem eingangs erstellten 3D-Modell der Maschine basiert, anhand dessen ein virtueller Arbeitsraum erstellt werden kann . Mithilfe des Authoring-Systems wird dieser Arbeitsraum entsprechend den gewünschten Schulungsinhalten angepasst . Dabei sollte das Wissen in der virtuellen Umgebung nicht vorgegeben, sondern explorativ erarbeitet werden, um den persönlichen Erfahrungsraum des geschulten Mitarbeiters optimal zu erweitern (vgl . Müller 2007) . Damit das Lernen mit Simulationen seine Vorteile gegenüber rein textorientierten Lernformen entfalten kann, müssen laut Höntzsch, Katzky, Bredl, Kappe & Krause (2013) folgende Aspekte bei der Umgebungserstellung berücksichtigt werden: 1 . klare Lernziele, Arbeitsaufträge und Instruktionen, 2 . permanent verfügbare Hintergrundinformationen sowie 3 . Hinweise und Übungen, die zur Reflexion anregen, zum Beispiel das Einstellen eines bestimmten Zustandes der Simulation . Der erste Punkt wird unterstützt, indem die konkrete Rüstaufgabe und Historien zu etwaigen Fehlern oder Störungen klar formuliert sind . Dies erfolgt, während die Aufgabe durchgeführt wird, womit eine unternehmensspezifische, bedarfsgerechte Schulung gewährleistet wird . Hintergrundinformationen werden durch die semantische Informationsbeschreibung aus dem MES- und Daten-Modul über eine Schnittstelle zur Verfügung gestellt . Die Optimierungsvorschläge und Berechnungen aus dem ML-Modul können den Bediener unterstützen, die Auswirkung von verschiedenen, eingestellten Parametern auf das VR-Modell einzuschätzen . Damit ist der zweite Punkt adressiert worden . Der dritte Punkt berücksichtigt den Lerneffekt . Dieser kann dabei weiterhin durch eine Optimierung der Immersion, also die Verminderung der Wahrnehmung der eigenen Person in der realen Welt unter gleichzeitiger Vergrößerung der Identifikation mit einer Person in der virtuellen Welt (vgl . Zinn, Guo, & Sari 2016), verbessert werden . Deshalb müssen auch aktuelle Forschungsergebnisse in Bezug auf virtuelle Avatare, wie bspw . in Lugrin et al . (2018), berücksichtigt werden . 3.2

Anwendungsfall CBR-gestützte Störungsdiagnose

3 .2 .1

Problem

Die Anforderungen an heutige Produktionsanlagen haben sich in den letzten Jahren stark verändert . So wurde der Ruf nach einer flexiblen Produktion, kürzeren Produkt-Anlaufzeiten, einem höheren Durchsatz und besserer Produktqualität laut (vgl .

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Trappey, Trappey, Govindarajan, Sun & Chuang 2016) . Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, entstanden in der Industrie verschiedene Ansätze, darunter die Modularisierung von Anlagen in der Prozessindustrie . Im Rahmen dieser Ansätze werden einzelne, abgeschlossene verfahrenstechnische Aufgaben, wie Reagieren, Mischen und Filtern, in Module gekapselt . Je nach Prozess können die Module flexibel miteinander verschaltet werden (vgl . Obst et al . 2015) . Ein Ansatz aus der Fertigungsindustrie sind sogenannte cyberphysische Produktionssysteme (CPPS) . Gemäß ihm werden die Fertigungsmaschinen zunehmend miteinander vernetzt und produzieren situationsgerecht die gewünschten Produkte (vgl . Wang 2014) . Beiden Ansätzen ist gemeinsam, dass die Komplexität der Anlagen und im Speziellen die Entwicklung derselben es erforderlich machen, auf die Erkenntnisse verschiedener Fachdisziplinen, wie Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik, zurückzugreifen oder in dieser Hinsicht interdisziplinär zusammenzuarbeiten . Gerade, weil in der Industrie der Fokus zunehmend auf die Herangehensweise und die Ansätze der Informatik gerichtet wird, schreitet die Digitalisierung voran . Sehr früh ermöglicht wurde dadurch die Integrationsmöglichkeit von Informationsmodellen zur Bereitstellung in neue Anwendungsszenarien . Weiterhin wurden verschiedene Methoden aus anderen Forschungsfelder, wie Machine-Learning, Datenanalysen oder VR-/AR-Interaktionen im Anwendungsbereich von Industrieanlagen möglich und adaptiert . Dieser Trend hat allerdings zu einer gesteigerten Komplexität im Umgang mit Prozess- und Fertigungsanlagen geführt, sei es bei der Montage, Wartung, Umrüstung oder im Betrieb . Gerade in Ausnahmesituationen verfügen die Operatoren, die meist nur für einen Maschinentyp verantwortlich sind, nicht über das erforderliche Wissen und haben auch keine Zeit, um die genaue Ursache für eine aktuelle Störung zu analysieren, da ihnen die anderen Teile der Produktionslinie und deren Wirkketten nicht immer bekannt sind . Hinzu kommt bei Fertigungsanlagen die meist sehr kurze Einarbeitungszeit von saisonalen Kräften . Daher beschränken sich diese auf das Erkennen und die Behebung der Symptomatik einer Störung . Dies führt wiederum, wie eingangs erwähnt, zu einer Verstetigung der Störung, bis Techniker oder besser ausgebildetes Personal für die Problemlösung zur Verfügung stehen und die Ursache der Störung beheben . 3 .2 .2

Lösungsansatz

Ein Assistenzsystemansatz kann das Verständnis des Operators bezüglich Wirkketten gezielt unterstützen . Hierfür interagiert der FO über einen Dialog mit dem System und erarbeitet im kooperativen Miteinander eine mögliche Lösung . Aufgrund des höheren Automatisierungsgrades sind in vielen Produktionslinien, wie jenen der bereits angesprochenen Verpackungsindustrie, Menschen als Operatoren unverzichtbar . Die angesprochene gesteigerte Komplexität verlangt, dass man die Mensch-Maschine-Interaktion neu denkt . Der Mensch ist nicht mehr nur der Bediener der Maschine,

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sondern dient dem System aktiv als Informationsquelle . Das Assistenzsystem stellt notwendige Informationen bereit, um das Verständnis des Bedieners zu unterstützen . Ein Frage-Antwort-System, welches auf Beidseitigkeit beruht, dient dabei als Basis . Die Kommunikation seitens des Assistenzsystems wird zudem dadurch unterstützt, dass es die Realität mittels AR-Konzepten anreichert, und bietet damit eine weitere Konkretisierung der Informationen, was auch einem begleiteten Vorgehen bei der Störungsbehebung förderlich ist . Eine schematische Darstellung eines solchen Assistenzsystems und dessen Integration in eine Fabrik ist in Abbildung 4 dargestellt . Grundlage für das Assistenzsystem (rechter Teil) ist ein wissensbasiertes System, welches nicht nur Prozesswissen, sondern auch bereits gelöste Störungen speichert und wie sie gelöst worden sind . Hierbei wird sich des Konzepts des fallbasierten Schließens aus dem Teilgebiet der künstlichen Intelligenz bedient (vgl . Kolodner 1991) . Dieser Ansatz ist an die Lösungsstrategie von Menschen angelehnt . Ein Mensch analysiert und löst Probleme mithilfe seines Erfahrungswissens oder indem er bei Experten nachfragt . Stellt sich ihm ein neues Problem, versucht er bereits ihm bekannte Lösungsstrategien anzuwenden und zu adaptieren, d . h . er wird bei einem ihm bekannten Problem die ihm bereits bekannte und erfolgreiche Lösungsstrategie anwenden . Mehrere Fälle werden in einer Falldatenbank zusammengefasst . Neue, unbekannte Probleme und ihre Lösungen werden nach Verifikation in die Fallbasis aufgenommen und stehen anschließend anderen Bedienern zur Verfügung . Damit ist das Assistenzsystem ein selbstlernendes System, welches sein Erfahrungswissen über den gesamten Lebenszyklus hinweg erweitert . Der zweite wesentliche Teil in Abbildung 4 ist der Bediener selbst (linker Teil) . Da, wie bereits erwähnt, trotz des steigenden Automatisierungsgrads nicht alle Aspekte sensorisch effektiv erfasst und ausgewertet werden können, um auf den möglichen Fehler schließen zu können, wird die Beobachtung des Bedieners genutzt, um die auftretende Störung detailliert zu beschreiben . Technisch wird hierzu ein Frage-Antwort-System, gekoppelt mit einem System des fallbasierten Schließens, zur kooperativen Lösungsfindung eigesetzt (vgl . Rahm et al . 2018) .

Abb. 4 Konzept eines dialogbasierten Assistenzsystems im KoMMDia-Projekt.

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Der präsentierte Lösungsansatz lässt sich dabei auf beide Bereiche der Industrie, die Prozess- und die Fertigungsindustrie, anwenden, sei es vom FO, der den Prozess einer Maschine überwacht, oder vom Techniker, der die modulare Produktion überwacht . Beiden Personengruppen steht mit dem System ein digitaler Begleiter zur Seite, dessen Wissensbasis von der Planungsphase (vgl . Abschnitt 2 .1 .) bis zur aktuellen Lebensphase reicht und immer weiter angereichert wird . 3 .2 .3

Wissenserwerb und -übertragung

AR-Technologien sind ein weiteres Mittel, um über einen visuellen Kanal abzugleichen, ob Mensch und Maschine das gleiche Verständnis von einem Prozess oder einer Situation haben . Hierzu kann der Bediener gezielt auf Einstellparameter oder Maschinenteile, die explizit geprüft werden sollen, hingewiesen werden . Damit sind nicht mehr nur Aussagen über ein Objekt möglich, sondern auch ein Zeigen oder Navigieren zum Objekt hin . Beispielsweise könnte eine Dialogpassage des Systems wie folgt aussehen: „Wie sieht das Produkt hinter der Zuführung aus?“ Hierzu muss der Bediener wissen, wo sich die „Zuführung“ befindet und was genau die Positionsangabe „hinter“ für das Assistenzsystem bedeutet . An dieser Stelle kann das Assistenzsystem mittels einer In-Door-Navigation den Bediener zu dem gewollten Bereich hin navigieren und explizit auf den Anlagenteil verweisen, wie es in Abbildung 5 dargestellt ist . Zur Störungsbehebung kann diese Mechanik ebenfalls angewandt werden und somit eine Anleitung dem Nutzer zur Verfügung gestellt werden, die er gezielt befolgt kann . Auf diese Weise wird der textuelle oder sprachliche Dialog verkürzt und der Interpretationsspielraum minimiert . Allerdings sollten auch hier die Fähigkeiten und das Wissen des Bedieners mit einbezogen werden, da dies maßgeblich die Gebrauchstauglichkeit des Systems beeinflusst . Ein weiterer Vorteil von AR-Technologien ist die Anreicherung der Realität mit weiteren Informationen, wie Live-Maschinendaten, Explosionszeichnungen von Maschinenteilen oder diversen Anleitungen . Die Grundlage hierfür bilden die aus der Planungsphase erstellten und adaptierten 3D-Modelle der einzelnen Maschinen oder die Anleitung des Herstellers . Eine Herausforderung, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist allerdings, dass mit dem zusätzlichen Assistenzsystem ein weiteres System hinzukommt, welches der FO oder Techniker bedienen können muss . Da die Stillstandzeiten verkürzt und die Produktionszeiten verlängert werden sollen, müssen die Bediener eines solchen Systems im Umgang mit diesem entsprechend geschult werden . Dafür stehen meist nur Bilder oder Beschreibungen zur Verfügung, wobei gerade belastende Situationen nicht fachgerecht simuliert werden können . Reine Trainingsanlagen sind aus ökonomischen Gründen nicht umsetzbar . Hierfür könnten ebenfalls die 3D-Modelle aus dem Anlagenengineering, die bereits für die AR aufbereitet wurden, genutzt werden . In einer

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Abb. 5 Herstellung eines Bezugs zwischen realen und virtuellen Elementen in AR, was dem besseren Verständnis des Bedieners dient.

rein virtuellen Umgebung könnten die Nutzer explizit Störungssituationen durchspielen, die Interaktion mit der Maschine oder der Anlage und dem Assistenzsystem üben und auf diese Weise gleichzeitig die komplexen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Systemen kennenlernen und verinnerlichen, so dass dadurch ein Lernprozess angeregt wird (vgl . Höntzsch, Katzky, Bredl, Kappe & Krause 2013) . Damit ist ein ganzheitlicher Ansatz möglich, der auf der einen Seite die Komplexität zwischen Maschine und Bediener in der Realität auf das Wesentliche reduziert, indem er sich auf das Assistenzsystem konzentriert . Auf der anderen Seite kann diese neue Art der Interaktion, auch bei unbekannten Maschinen, bis zu einem selbstdefinierten Grad des sicheren Umgangs erlernt werden . Da auch hier die Hemmschwelle, größere Defekte zu verursachen, entsprechend minimiert ist, kann die Plattform auch als Experimentierumgebung zur Verfügung stehen . Durch die Verschmelzung von VR-/ AR-Ansätzen sind Erprobungsszenarien auch während des idealen Betriebes denkbar . So könnten Operators das Assistenzsystem nutzen, um sich Aspekte der Maschine und in ihr vorhandene Zusammenhänge anzeigen zu lassen, wodurch sie ihre Maschine sehr bewusst kennenlernten . 3.3

Anwendungsfall Kollaborative Störungsdiagnose

3 .3 .1

Problem

Die Fehlerdiagnose stellt hohe Anforderungen an das Anlagenpersonal . Sie müssen sich insbesondere des aktuellen Zustands der Anlage sehr bewusst sein (vgl . Endsley 1995) . Ziel ist eine Prozessführung, die ungewollte Prozessschwankungen minimiert bzw . eliminiert . Abgesehen davon müssen typischerweise die Rollen in der Prozessund Fertigungsindustrie aufgeteilt werden . Der CRO nutzt die großflächigen Displays und Anzeigen in der Leitwarte, um sich einen zusammenfassenden Überblick über die

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Anlage, Alarmmeldungen, Trendcharts, aktuelle Prozessparameter und Gesundheitsund Performanceindikatoren zu verschaffen (vgl . Kluge 2014) . Im Gegensatz dazu bearbeitet der FO hauptsächlich Inspektions- und Wartungsarbeiten, bisweilen greift er manuell in den Prozess ein . An einem Beispiel kann eine Situation, die auf den Einsatz eines FO und CRO angewiesen ist, wie folgt beschrieben werden: Als der CRO in der Leitwarte den Alarm vernimmt, versucht er, den Grund für diese Alarmmeldung zu analysieren, wobei er weiß, dass die Anlage auch mit einem grundsätzlichen Problem behaftet sein könnte, dass für die Auslösung des Alarms verantwortlich ist . Jedoch sind in einer Leitwarte bisweilen nicht alle Informationen verfügbar, die zu einer umfassenden Einschätzung der Situation und somit letztendlich der Identifikation des Fehlers benötigt werden . Also wird ein Kollege in der Anlage um eine Inspektion des Fehlerortes gebeten, etwa indem man ihm sagt, es habe „ein Druckverlust im Bereich X der Teilanlage Y stattgefunden . Bitte den Ort des Fehlers inspizieren“ . Der FO kann nun diesen Bereich auf Fehler hin untersuchen . Vor Ort sind Rückschlüsse auf den aktuellen Zustand der einzelnen Teile der Anlage und der Prozessmedien möglich, etwa Leckagen oder sonstige Situationen, die vom Normalzustand der Anlage abweichen . Beiden Rollenträgern stehen oftmals nicht ausreichende Informationen zur Verfügung, um das Problem allein bzw . ohne Hilfe des Anderen zu lösen, also beginnt die Einschätzung der Situation bereits kooperativ, indem gemeinsam Hypothesen identifiziert und überprüft werden . Es werden Beobachtungen, Ideen und Vorstellungen (die mitunter deutlich voneinander abweichen können) ausgetauscht, wobei diese auf grundlegend verschiedenen Informationen basieren . Der CRO bezieht hauptsächlich Messwerte, während der FO in der Lage ist, auch direkt Werte bzw . Zustände zu beobachten . Ein solcher, kooperativer Problemlöseprozess stellt auch hohe Anforderungen an die Erstellung einer geteilten Darstellung bzw . Repräsentation einer Situation . Die Kommunikationspartner müssen kontinuierlich einander abfragen und sich wechselseitig überprüfen, um zu einem gemeinsamen Verständnis der Situation zu gelangen und sich koordiniert zu verhalten (vgl . Clark & Brennan 1991) . Die dazu notwendige Kommunikation ist zeitaufwändig und sehr fehleranfällig, wobei für den FO oftmals das Problem besteht, dass viele Messwerte nur in der Leitwarte ausgewertet werden können, so dass er die Rückmeldung des CRO benötigt . Im Gegensatz dazu kann es für den CRO schwierig sein, die Handlungen des FO nachzuvollziehen, wenn diese nur insofern ermittelt werden können, als sie einen Einfluss auf messbare Prozessgrößen haben, häufig hilft hier nur die direkte Sprachkommunikation . Diese Indirektheit der Kommunikation begünstigt das Entstehen von Ungenauigkeiten und Doppeldeutigkeiten, die konsequent eliminiert werden müssen . Im konkreten Szenario oder in der Prozessindustrie allgemein kann dies nur geschehen, indem man über die Bezeichnung des Prozesswerts bzw . die Lokalität des Messwerts genau kommuniziert . Wenn der CRO von einer „Temperatur“ spricht, ist nicht eindeutig, welche Messstelle er damit meint, falls mehrere vorhanden sind (meint er nun die Temperatur des Produkts

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im Reaktor, die Temperatur einlass-/auslassseitig oder die Temperatur am Heizer) . Diese Ungenauigkeiten existieren auch auf Seiten des FO, sind aber insofern komplex, als FO und CRO oftmals unterschiedliche Positionen in ihrem Bezugssystem (Displays in der Leitwarte, Reale Anlage) vorfinden . 3 .3 .2

Lösungsansatz

Die Frage des PlantCom-Projektes, in welchem die kollaborative Störungsdiagnose in prozesstechnischen Szenarien untersucht wird, ist, wie die Kommunikation zwischen Leitwarte und Feld verbessert werden kann . Ausgangspunkt hierfür sind im Projekt die aufgestellten Fehlerhypothesen . Diese sind vor der eigentlichen Kommunikation von CRO und FO aufgestellt worden und sollen reduziert werden, bis der konkrete Fehlerfall bekannt ist . Untersucht werden dabei im Projekt verschiedene Interaktionsansätze, wie eine Kommunikation über diese Hypothesen unterstützt werden kann . Die bisherige Kommunikation von CRO und FO läuft rein sprachbasiert ab, weshalb die untersuchten Interaktionsansätze die Übertragung von Information mittels eines Assistenzsystems beinhalten . Eine Möglichkeit zur Informationsübertragung ist, dass der gesamte Arbeitsplatz des einen für den anderen Partner einsehbar ist . Dies reduziert zwar die Belastung des CRO, kann aber gegebenenfalls zu einer Überlastung des FO führen, der sich aus der großen Datenmenge die passende Information heraussuchen muss . Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den FO über Kommunikationsprotokolle in die Lage zu versetzen, bestimmte Informationen mit dem CRO zu teilen bzw . zu besprechen . Hierbei wird in Teilen auf die Flexibilität von verbaler Kommunikation verzichtet und es besteht die Gefahr von überflüssiger Kommunikation, die nicht dazu beiträgt, den Fehlerfall zu lösen . Die letzte Möglichkeit besteht darin, beide zuvor beschriebenen Interaktionsansätze miteinander zu verbinden . Damit beide Partner aktiv an der Kommunikation und am Problemlöseprozess beteiligt sind, kann der CRO Daten wie aktuelle Prozessparameter oder Visualisierungen aus der Leitwarte an den FO weiterleiten, wohingegen der FO Beobachtungen und Rückmeldungen aus dem Feld an den CRO geben kann . Durch die Auswahl der übertragenen Informationen durch den CRO kann auch die Bildung eines gemeinsamen Verständnisses gefördert werden . Damit diese verschiedenen Interaktionsansätze auf ihre Eignung für den Anwendungsfall untersucht werden können, wird ein skalierbares Konzept benötigt, mit dem die einzelnen Ansätze auch umgesetzt werden können . Abbildung 6 zeigt die grundlegende Idee hinter der Gestaltung der Kommunikationsunterstützung für die Informationsübertragung . Die Arbeitshypothesen haben für beide Kommunikationsteilnehmer einen hohen Informationsgehalt, sowie enthalten verschiedene Möglichkeiten, die zu dem beobachteten Fehler führen können . Die Erfahrungen und Beobachtungen der Teilnehmer sind auf einzelne und spezielle Prozesselemente beschränkt . Sollen sie

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zum Kommunikationspartner übertragen werden, kann der Informationsgehalt durch das Anreichern der Nachricht mit verschiedenen Darstellungen erhöht werden, sodass ein Austausch über die mentalen Modelle möglich wird . So können zum Beispiel Informationen über ein einzelnes Prozessgerät („Messwert Füllstandssensor“) mittels des Trendcharts und der Position im Rohrleitungs- und Instrumentierungsdiagramm (R&I-Fließbild) angereichert werden .

Abb. 6 Verlauf des Informationsgehalts über die verschiedenen Phasen des Szenarios.

Das im Forschungsprojekt entwickelte und untersuchte Unterstützungssystem nutzt mobile Web-Apps zum Übertragen von Informationen . Allerdings wird die Frage versucht zu klären, ob das Szenario durchgeführt werden kann oder nicht, ob hier AR- & VR-Technologien miteinander verknüpft werden sollten . Ein erster entsprechender Ansatz wird im 4 . Kapitel beschrieben . 3 .3 .3

Wissenserwerb und -übertragung

Wissenserwerb und Wissenstransfer werden in modularisierten Anlagen immer mehr an Relevanz gewinnen (vgl . Müller, Narciss & Urbas 2017), da nicht allein der CRO über Änderungen im Modul-Setup entscheiden wird, sondern das Wissen über die Änderungen an der Anlage auch über mehrere Personen verteilt sein wird (z . B . über mehrere Verantwortungsebenen) . Die beständigen Änderungen erzeugen somit auch Probleme, was die Anwendbarkeit des aktuellen Wissens des Nutzers und der Strategien anbelangt (vgl . Canas, Quesada, Antoli & Fajardo 2003; Sarter & Woods 1992) . Der große Vorteil virtueller Qualifizierung wird durch die Handlungsorientierung deutlich (Haase, Termath & Schumann 2015) . Wenn der Nutzende das Unterstützungssystem verwendet und mit ihm interagiert, erfolgt ein Kompetenzerwerb des vorher impliziten Wissens des Experten . Der Problematik eines eventuellen Kompetenzverlustes beim Führen von höherautomatisierten Systemen (vgl . Bainbridge 1983) kann auch mittels des Kompetenzerwerbs mit Handlungsorientierung entgegengewirkt werden . In einem ersten Experiment wurde untersucht, inwiefern visuelle Information genutzt werden kann, damit der FO versteht, über welches Prozesselement der CRO spricht . Dabei musste der FO ein Gerät auswählen, welches vom CRO genannt wurde,

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wobei nur die Versuchspersonen einer Versuchsgruppe zusätzliche visuelle Informationen präsentiert bekamen . Die Ergebnisse zeigen, dass in 51 % der Fälle die zusätzlich angezeigte visuelle Information genutzt wurde, auch bei eindeutigen Aussagen . Die Bearbeitungszeit wurde um ein Drittel beschleunigt, ohne dass dadurch zusätzliche Fehler erzeugt wurden . Visuelle Information ist demnach eine wertvolle Informationsquelle und kann die Effizienz steigern, wobei durch die Nutzung und die Handlungsorientierung zusätzlich ein Lerneffekt eintreten kann . In einem weiteren Experiment wurde mittels FO und CRO die Menge an geteilter Information in der gemeinsamen Fehlerdiagnose untersucht . Dabei wurden drei verschiedene Konfigurationen der Wissensverteilung unterschieden: So gibt es (i) Gruppen, deren Angehörige das Wissen über die Anlage miteinander teilen (und zwar das Wissen über typische Fehler und Regeln bezüglich der Arbeitssicherheit), (ii) Gruppen, in denen nur der CRO Wissen über die zu erledigende Aufgabe hatte (beide Teilnehmer aber Wissen über den Arbeitsplatz und die zur Verfügung stehenden Daten des anderen hatten) und (iii) Gruppen, in denen jegliches Wissen miteinander geteilt wurde . Die Ergebnisse zeigen keine statistisch signifikanten Vorteile im Hinblick auf Bearbeitungszeiten und Fehlerraten, doch wurden die Regeln zur Arbeitssicherheit in Gruppen mit komplett geteiltem Wissen weniger oft verletzt . Grundsätzlich ist erkennbar, dass die Klarheit und die Vollständigkeit der Information entscheidende Faktoren bei der Fehlerdiagnose sind . Das strategische Auswählen sinnvoller Hypothesen von den Kommunikationsteilnehmern ist ebenfalls ein wichtiger Faktor . Die Strategie der Hypothesenauswahl und das zwischen den Kommunikationsteilnehmern geteilte Wissen sind somit auch für den Wissenserwerb innerhalb einer Fehlerdiagnose nützlich . In einem letzten Experiment wurde untersucht, inwiefern Kommunikationsprotokolle geeignet sind, die Informationsübertragung zu unterstützen . Dabei wurden zwei Unterscheidungen getroffen: Gruppen, bei denen die Protokolle die klare und vollständige Kommunikation fördern sollen, beispielsweise indem die aktuell vorgenommene Handlung verbalisiert wird, und Gruppen, bei denen das systematische Auswählen und Testen von Fehlerhypothesen (zum Beispiel, indem die Kommunikationspartner über die Hypothesen diskutieren, bevor sie getestet werden) unterstützt wird . Die Ergebnisse zeigen keine statistisch signifikanten Unterschiede, was die Lösungszeit und die Fehlerrate in den einzelnen Gruppen angeht, doch ist der Einfluss der Protokolle auf die Kooperation der Kommunikationspartner ersichtlich . Die Protokolle zur klaren und vollständigen Übertragung erzeugten einen hohen verbalen Aufwand, verbesserten aber nicht das strategische Testen . Die Protokolle zum strategischen Testen führten dazu, dass Alternativen, Lösungsansätze und Folgen des Handels diskutiert wurden, wobei auch weniger plausible Hypothesen direkt zu Beginn ausgeschlossen wurden . Ein solches Protokoll kann auch dabei helfen, das eigene mentale Modell in einer Diskussion mit dem jeweiligen Partner zu erweitern und somit den Wissenserwerb bezüglich der Fehlerdiagnose zu fördern .

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4.

Beispiel der Umsetzung des Konzepts

4.1

Konzept

Im Rahmen von studentischen Arbeiten (vgl . Heidelbach 2018) ist an der Professur für Prozessleitechnik an der TU Dresden ein auf AR- und VR-Konzepten basierender Prototyp entstanden, der im Szenario einer kollaborativen Störungsdiagnose in industriellen Anlagen als Fernunterstützungssystem eingesetzt werden kann . Vor Ort agiert der Novize mit einer AR-Anwendung, während der Experte über VR prinzipiell an jedem Ort mit Zugang zum Internet das 3D-Modell derselben Anlage betreten und erkunden kann . Beide bewegen sich in einer ähnlichen Umgebung, obwohl sie räumlich voneinander getrennt agieren . Der Prototyp erweitert nun die verbale Kommunikation während der Fernunterstützung um eine visuelle Komponente, indem er deren Wahrnehmung über AR und VR für Experte und Novize synchronisiert . Die Prozessanlage wird dabei zum festen Bestandteil der Störungsdiagnose, indem sie die gemeinsame Grundlage für den virtuellen Raum bildet, auf der beide Technologien aufsetzen . Dort lassen sich digitale 3D-Objekte erstellen, manipulieren und mit bestehenden Geräten aus der Anlage verbinden . Dieses Prinzip lässt sich mit einer Skizze auf einem Blatt Papier vergleichen, die mit Pfeilen, Beschriftungen und Notizen Stück für Stück ergänzt wird . Dies wird nun in einen virtuellen Raum überführt, sodass für diesen im Weiteren der Begriff 3D-Planfigur verwendet wird . Dort vorgenommene Änderungen sind für alle Teilnehmer in ihrem Medium direkt sichtbar . In Abbildung 7 ist die gleiche Szene dieses virtuellen Raumes in AR und VR dargestellt . Das Bildschirmsymbol ist über einen Pfeil mit der Pumpe des Prozessmoduls verknüpft . Die Scheibe kann durch eine Änderung der Position oder der Hintergrundfarbe manipuliert werden .

Abb. 7 AR und VR während der kollaborativen Störungsdiagnose.

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Weitere Teilnehmer der kollaborativen Störungsdiagnose werden durch einen virtuellen Avatar dargestellt . Dieser repräsentiert die aktuelle Position und Orientierung des Benutzers innerhalb der jeweiligen Version der Anlage und ist exemplarisch für AR, wie sie links in Abbildung 5 zu sehen ist . 4.2

Evaluation

Um den Nutzen von AR und VR in einem Fernunterstützungssystem untersuchen zu können, wurde eine Evaluierung durchgeführt . In einem fiktiven Szenario nutzten Probanden den entstandenen Prototyp um zu überprüfen, ob in einer prozesstechnischen Laboranlage mittels verschiedener Fehlerhypothesen gezielt die Ursache für eine Störung gefunden werden kann . Die Pumpe eines Dosier-Moduls konnte nicht eingeschaltet werden, was drei mögliche Gründe hatte: 1 . das Pumpen gegen ein nachfolgendes, geschlossenes Ventil, 2 . durch Leckage tritt Flüssigkeit in das Schmiermittel der Pumpe ein und 3 . am Eingang der Pumpe liegt kein zu förderndes Medium an . Die Pumpe unterbindet in allen drei Fällen aus Selbstschutz automatisch den Betrieb . Jeweils ein Experte und ein Novize nahmen als Zweiergruppe an einem Evaluationsdurchlauf teil . Beide besaßen exklusives Wissen, das dem anderen nicht zur Verfügung stand . Für eine erfolgreiche Diagnose ist es notwendig, dieses Wissen untereinander auszutauschen . Im Anschluss an die kollaborative Störungsdiagnose wurden die Probanden im Rahmen eines Interviews zu verschiedenen Aspekten des Prototyps befragt . Der Fragenkatalog bestand im Wesentlichen aus zwei inhaltlichen Abschnitten: Zunächst sollten die Probanden ihren Eindruck von der 3D-Planfigur und dem Avatar schildern . Den Fragen waren fünf verschiedenen Hypothesen über den Prototyp zugeordnet, die im Vorfeld der Evaluierung formuliert worden waren: 1 . Avatare stellen andere Teilnehmende während des kollaborativen Problemlösens dar . 4 . Während der Fernunterstützung erhöhen virtuelle Spielfiguren die Immersion eines gemeinsamen Arbeitens . 5 . Durch die Verwendung des Fernunterstützungssystems kann eine örtliche Trennung der Teilnehmenden aufgehoben werden . 6 . Die Erstellung einer 3D-Planfigur unterstützt die Kommunikation zwischen Experten und Novizen innerhalb der prozesstechnischen Fehlerdiagnose . 7 . Die Manipulation von Elementen aus der 3D-Planfigur eignet sich zum Austausch von Informationen zwischen den verschiedenen Teilnehmenden . Im zweiten Abschnitt des Fragebogens sollten allgemeine Fragen in Bezug auf den Prototyp beantwortet werden . Das Interview glich einem Gespräch . Die Probanden

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konnten ausführlich ihre Gedanken zu den einzelnen Themen äußern . Insgesamt nahmen vier Gruppen à zwei Personen an der Evaluierung teil, die unterschiedliches Vorwissen über die Domäne der Prozessleittechnik besaßen . Weil die Zahl an Probanden nur gering war, können aus der aktuellen Untersuchung nur allgemeine Tendenzen abgeleitet werden . Die erste Hypothese konnte technologieübergreifend für gültig befunden werden . Trotz der prototypischen Umsetzung der AR- & VR-Komponenten äußerten die Probanden, dass der Avatar den Partner während der Fernunterstützung repräsentiert habe . Personenbezogene Daten wie Position und Orientierung im Raum sowie die Fortbewegung können über eine virtuelle Darstellungsform derart übertragen werden, dass andere Menschen die Präsenz eines weiteren Anwesenden wahrnehmen . Für die zweite Hypothese ließ sich aus den Antworten der Evaluationsteilnehmer aufgrund der vielen verschiedenen Positionen keine eindeutige Tendenz ableiten . Alle Probanden fühlten sich als Bestandteil einer Gruppe, die gemeinsam während der Störungsdiagnose innerhalb der Anlage arbeiteten . Der Einfluss des Avatars auf die Immersion des gemeinsamen Arbeitens wurde von den Evaluierenden jedoch ganz unterschiedlich wahrgenommen . Einige empfanden das Konzept als sehr sinnvoll, während andere keinen großen Nutzen aus der Darstellungsart ziehen konnten . Die Auswertung der dritten Hypothese, das Fernunterstützungssystem könne die örtliche Trennung zwischen Experten und Novizen gänzlich aufheben, ergab, dass dies während der Evaluation nicht erfolgte . Allerdings äußerten alle Probanden, dass sich das Gefühl der räumlichen Trennung reduziert habe . Besonders bemerkenswert ist der Umstand, dass, im Gegensatz zur AR-Komponente, die Evaluierenden der VR-Komponente hier einen direkten Zusammenhang zu dem Avatar sahen . Insgesamt lässt sich deshalb eine teilweise Gültigkeit als Tendenz der dritten Hypothese ableiten . Die vierte Hypothese ist im Rahmen der Evaluierung für beide Technologien als gültige Aussage zu bewerten . Zwei Aspekte sind dabei vor allem durch die Probanden hervorgehoben worden . Zum einen konnten durch die Markierungen in der 3D-Planfigur sprachlich Mehrdeutigkeiten verhindert bzw . verringert werden . Dies half den Teilnehmern, während der Evaluierung über identische Objekte in der Prozessanlage zu sprechen . Zum anderen wurde durch die 3D-Planfigur die Kommunikation während der kollaborativen Störungsdiagnose strukturiert . Das eigentliche Problem wurde entsprechend den Fehlerhypothesen in kleinere Arbeitspakte unterteilt, die von den Probanden nacheinander untersucht wurden . Abschnittsweise wurden die Ergebnisse in die 3D-Planfigur eingetragen . Die Gruppen verwendeten dabei unabhängig voneinander zwei verschiedene Varianten . In der ersten konnte anhand der 3D-Objekte der Gültigkeitsstatus der einzelnen Fehlerhypothese über eine farbliche Markierung abgelesen werden . Ein grünes Einfärben stand für das Zutreffen der überprüften Hypothese, während ein rotes Einfärben das Gegenteil bedeutete . In der zweiten Variante wurden der zu überprüfende Prozesswert und dessen Ergebnis farblich angezeigt . Da am Eingang der Pumpe eine Flüssigkeit vorhanden war, wurde dies dann beispielsweise mit einem grünen Einfär-

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ben symbolisiert . Die Bewertung der fünften und letzten Hypothese kann aufgrund der unterschiedlichen Interaktionsmöglichkeiten der AR- und VR-Komponente nicht einheitlich erfolgen . Für AR kann hier keine Tendenz abgeleitet werden, da die Umsetzung des AR-Prototyps die Interaktion mit der 3D-Planfigur stark einschränkte . Lediglich das Einfärben der 3D-Objekte durch die Probanden war möglich . Diese Funktion wurde von den AR-Probanden während des Evaluationsdurchlaufes ausgiebig verwendet . Anschließend wurde jedoch angemerkt, dass die Rückmeldung auch auf dem verbalen Weg erfolgt sei, was für dieses Szenario vollkommen ausreichend gewesen wäre . Was VR angeht, kann dennoch eine positive Tendenz für diese Hypothese abgeleitet werden . Die Probanden nutzen die 3D-Planfigur, um den Informationsgehalt der verbalen Kommunikation durch visuelle 3D-Objekte zu ergänzen . Meist wurden diese erstellt, im Raum positioniert und dann mit einem Prozessgerät innerhalb des Moduls der Anlange über einen Pfeil verknüpft . 5.

Zusammenfassung und Ausblick

In dem Beitrag wurden drei verschiedene Szenarien beschrieben, wie die aktive Förderung von Mitarbeitern in industriellen Anlagen in ihrem Arbeitsumfeld mittels aktueller Interaktionstechnologien umgesetzt werden kann . Die vorgestellten Anwendungsfälle „Use-Case CBR-gestützte Störungsdiagnose“ und „Use-Case Kollaborative Störungsdiagnose“ zeigen Ansätze auf, mit denen AR und VR im Rahmen von Forschungsprojekten auf ihre Machbarkeit hin untersucht und umgesetzt werden können . Was die Maschinenrüstung anbelangt, wurde ein System vorgestellt, welches den Rüstprozess optimiert, indem der Maschinist über AR-Technologien notwendige Informationen bereitgestellt bekommt und somit handlungsorientiert unterstützt wird . Neben dem physikalischen Austauschen von Maschinenteilen wird ebenfalls die Parametrierung der Maschine aufgrund von Algorithmen auf eine für den Bediener nachvollziehbare Weise unterstützt . Im Anwendungsfall der CBR-gestützten Störungsdiagnose wurde ein digitaler Begleiter vorgestellt, der auf im Zusammenhang mit früheren Störungen gesammelten Erfahrungswissen beruht . Der Ansatz der dialogbasierten Kommunikation zwischen Mensch und Maschine kann für eine gezielte Wissensvermittlung und -generierung eingesetzt werden . Im Anwendungsfall der kollaborativen Störungsdiagnose ist Wissenstransfer ein entscheidender Faktor . Der Transfer zwischen CRO und FO wurde mittels erster Experimente untersucht und zeigt, dass strategisches Testen der Fehlerhypothesen dabei hilft, vorhandenes Wissen miteinander zu teilen und somit die Störungsdiagnose zu unterstützen . Kommunikationsprotokolle können dabei die Strategiebildung unterstützen und haben somit auch einen Einfluss auf den Wissenstransfer zwischen und Lerneffekte bei den Nutzern . Die reduzierten Interaktionsmöglichkeiten im Anwendungsbeispiel reichten aus, um bereits Tendenzen dahingehend, ob AR-/VR-basierte Systeme genutzt werden sollen oder

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nicht, abzuleiten . Dabei können vielversprechende weiterführende Möglichkeiten zum Transfer, zum Beispiel eine Übertragung von Information zur Aufmerksamkeitslenkung, beispielweise per digitalen Laserpointer, eingesetzt werden . Insbesondere die Handlungsorientierung bei On-the-Job-Trainingsszenarien verspricht in den vorgestellten Anwendungsfällen Vorteile, wobei sich bereits jetzt zeigt, dass hinsichtlich dieser Themen weitere Forschungsarbeit notwendig ist . Die drei Szenarien heben das Potenzial einer mittels AR- und VR-Technologien gestützten Kommunikation hervor und ermöglichen einen Austausch untereinander und das gegenseitige Verstehen über Sprachgrenzen hinweg . Dabei muss auch hier auf eine nutzerzentrierte und situationsgerechte Verwendung geachtet werden, um den Nutzer nicht mit einer Flut an Information zu überlasten . Auch über Übungs- & Trainingszwecke hinaus werden die Vorteile der AR-/VR-Technologien für eine dynamische und anpassbare Prozessgestaltung der digitalen Anlage der Zukunft aufgezeigt . Für eine abschließende Beurteilung der jeweiligen Umsetzungen und Ansätze von AR/VR in der Domäne der Prozess- und Fertigungsindustrie müssen die jeweiligen Konzepte bezüglich ihrer Eignung unter dem gesonderten Aspekt des Lernens und Lehrens in realen Umgebungen evaluiert werden . Die ersten Ergebnisse der Fallstudie zeigen, dass VR-/AR-Ansätze vielversprechende Konzepte für die zukünftige Interaktion mit Anlagen enthalten können . Die Digitalisierung ermöglicht nicht nur den AR-/VR-Systemen eine Datenbasis, sondern auch neue Interaktionsweisen, die gerade mit diesen Technologien gut realisierbar sind . Digitale Assistenten können sowohl bei der Exploration von realen Problemen mit AR-Technologien, als auch beim Explorieren von simulierten Problemen genutzt werden, indem Techniken wie die Co-Creation gefördert werden . Hier könnten insbesondere bei einem Transfer in die mentalen Modelle des Nutzers Lerneffekte erzielt werden, die über die in diesem Beitrag beschriebenen Konzepte hinausgehen . Nach der Ausgestaltung der Lernumgebungen mittels AR bzw . VR können diese Konzepte perspektivisch auch um Forschungspunkte im Bereich des e-Learnings ergänzt und Learning Communities eingerichtet werden . Ein entsprechend geschulter Community-Manager kann dann durch das formale Management der Community (Planung, Zusammensetzung, Wachstum, Erfolgsmonitoring) zum Wissenserwerb und zur -verteilung beitragen und mit Virtual Collaborative Learnings (VCL) auch VR-gestützte Methoden in Unternehmen zur Anwendung bringen (vgl . Clauss 2018) . 6.

Danksagung

Einige der in diesem Beitrag vorgestellten Forschungen und Forschungsergebnisse wurden von dem BMBF-geförderten Forschungsprojekt KoMMDia (Förderkennzeichen: 02K16C072) und dem DFG-geförderten Forschungsprojekt PlantCom unterstützt .

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Literatur

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Konzeptionierung virtueller Lehr- und Lernarrangements im Kontext des industriellen Dienstleistungsbereichs des Maschinenund Anlagenbaus BERND ZINN / CAROLIN PLETZ / QI GUO / SUNITA ARIALI

Conceptual design of virtual teaching and learning arrangements in the context of the industrial service industry of machine and plant engineer Zusammenfassung: In diesem Beitrag wird ein Rahmenmodell zur Konzeptionierung vir-

tueller Lehr- und Lernarrangements für die berufliche Aus- und Weiterbildung vorgestellt . Das Rahmenmodell wurde auf der Basis zentraler lehr- und lerntheoretischer Erkenntnisse insbesondere zu methodisch-didaktischen Entscheidungen sowie unter Einbezug vorliegender Befunde zur Konzeptionierung virtueller Umgebungen entwickelt . Dabei werden ausgehend von der potenziellen Nutzergruppe, den fokussierten Kompetenzen sowie den technologischen Optionen zur Gestaltung virtueller Lehr- und Lernarrangements die als relevant erachteten lerntheoretischen Ansätze und methodischen Optionen in Bezug gesetzt . Das Rahmenmodell wird hierbei exemplarisch im Kontext des industriellen Dienstleistungsbereichs des Maschinen- und Anlagenbaus vorgestellt . Es kann darüber hinaus auch als ein grundlegendes methodisch-didaktisches Baukastensystem genutzt werden und soll dem Leser praxisrelevante Ansatzpunkte für den konzeptionellen Aufbau von spezifischen virtuellen Lehr- und Lernszenarien im Kontext der beruflichen Aus- und Weiterbildung liefern . Abstract: In this contribution, a framework model for the conceptual design of virtual teach-

ing and learning arrangements for vocational training and further training is introduced . The framework model was developed on the basis of central theoretical teaching and learning insights, especially in regards to methodical didactic decisions under consideration of existing findings in regards to virtual surroundings . Based on the potential user group, the focused competences as well as the technological options for the design of virtual teaching and learn-

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ing arrangements, the learning-theoretical approaches and methodological options considered to be relevant are put into relation . The framework model is presented as an example in the context of the industrial service sector of mechanical and plant engineering . In addition, it can also be used as a basic methodical-didactic modular system and should provide the reader with practice-relevant starting points for the conceptual development of specific virtual teaching and learning scenarios in the context of vocational education and training .

1.

Einleitung

Die Einsatzbereiche der virtuellen Technologie (Virtual Reality, VR) sind vielfältig und facettenreich . VR kann die Gestaltung neuer innovativer Lehr- und Lernformate für die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie Informations- und Austauschformate vor dem Hintergrund multipler beruflicher Informations- und Handlungssituationen unterstützen (vgl . Thomas, Metzger & Niegemann 2018; Pletz & Zinn 2020a) . Insbesondere für den industriellen Dienstleistungsbereich des Maschinen- und Anlagenbaus ergeben sich interessante Anwendungsszenarien . Mit modernen technologischen VR und AR-Komponenten sowie im Zusammenhang mit der dynamischen Verbreitung der Digitalisierung sind im industriellen Dienstleistungsbereich grundlegende Wandlungsprozesse verbunden . Speziell mit der zunehmenden Einführung moderner Lehr- und Lerntechnologien im industriellen Dienstleistungssektor werden unter anderem eine räumliche und zeitliche Flexibilisierung des Dienstleistungsangebots, eine weitergehende individualisierte Ausrichtung an den Kundenwünschen und die Entwicklung neuer Dienstleistungen verbunden . Mit der (zunehmenden) Digitalisierung und dem Einsatz innovativer Technologien entstehen veränderte und neue Geschäftsmodelle (vgl . Kaufmann 2015) . Über die Einbindung moderner Technologien können innovative Dienstleistungsumgebungen grundlegend zur Flexibilisierung, Individualisierung und Optimierung der Wertschöpfung beitragen und in der beruflichen Aus- und Weiterbildung neue Lehrund Lernoptionen ermöglichen (vgl . Zinn, Guo & Sari 2016) . Angesichts der Tatsache, dass allgemein davon ausgegangen wird, dass Fachkräfte in Anbetracht steigender Komplexitäts-, Problemlöse- und Abstraktionsanforderungen (vgl . Windelband 2014) im Arbeitsprozess durch innovative Assistenzsysteme entlastet werden können (vgl . Zinn 2015; Zinn 2017), wird das Bedeutungsspektrum deutlich . Speziell zur VR-Technologie im industriellen Dienstleistungsbereich des Maschinen- und Anlagenbaus scheinen verschiedene Use Cases mit diversen Zielgruppen (Nutzern) interessant . So sind virtuelle Szenarien mit und ohne Kollaboration beispielsweise zur Verbesserung eines zeitnahen ökonomischen Austausches zwischen Kunden und Unternehmensmitarbeiter denkbar, zur Unterstützung von Servicetechnikern im Außen- und Innendienst oder zur Visualisierung von komplexen Objekten im Bezugsfeld der räumlich und institutionell verteilten Entwicklungsabteilungen zur besseren Abstimmung prinzipiell vorstellbar .

Konzeptionierung virtueller Lehr- und Lernarrangements

Das Potenzial für eine domänenspezifische und -übergreifende Nutzung von VR-Systemen, insbesondere in einem gemeinsamen Customer-Service-Ansatz mit Kunden sowie im Aus- und Weiterbildungsbereich ist erheblich . Neue Informationsund Kommunikationstechnologien erlauben es, verstärkt virtuelle Orte mit physisch realen Räumen zu verknüpfen . Virtuelle Lern- und Arbeitsumgebungen können zu (neuen) Beratungs- und Schulungsszenarien, zur räumlich und zeitlich flexibleren Fehlersuche, zur Unterstützung des Kunden bei Wartungsarbeiten oder die Aus- und Weiterbildung im Kontext innovativer Lehr- und Lernformate unterstützen . Die Minimierung der Stillstandzeiten von Maschinen und Produktionslinien ist in Produktionsunternehmen eine stetige Herausforderung und angesichts des zunehmenden globalen Wettbewerbsdrucks grundlegend problematisch . Mit neuen virtuellen Austauschformaten könnte die Zugänglichkeit relevanten Wissens erhöht werden, Fehlerfallanalysen könnten zeitnah durchgeführt werden und damit möglicherweise auch die Stillstandzeiten reduziert werden . Der Einsatz IT-gestützter Ferndiagnosen aus dem Backoffice kann die Fehlerdiagnose und Problembehebung vor Ort durch virtuelle Hilfs- und Unterstützungssysteme aus der virtuellen Lern- und Arbeitsumgebung heraus befördern . Die bei Maschinenfehlern notwendige sofortige Erschließbarkeit relevanten Wissens und gegebenenfalls die kollaborative Generierung und Nutzung der Schwarmintelligenz innerhalb des Austausches in virtuellen Räumen beinhaltet damit das Potenzial einer höheren Kundenzufriedenheit durch raschere Fehler- und Problemlösung und kann dergestalt zur Steigerung der Wertschöpfungskette beitragen (vgl . Zinn & Pletz 2019) . Festzustellen ist, dass technologisch und wirtschaftlich im industriellen Dienstleistungsbereich ein Bedarf an flexiblen (virtuellen) Lern- und Arbeitsumgebungen besteht . Damit verbindet sich auch die Frage nach der grundlegenden Ausgestaltung der virtuellen Lehr- und Lernszenarien . Wie müssen virtuelle Arrangements im beruflichen Kontext konzipiert sein, damit die Nutzer die virtuelle Umgebung gewinnbringend einsetzen und sich die oben skizzierten unterstellten Potenziale in den spezifischen Use Cases entfalten können? Welche zentralen Aspekte sind für die Konzeptionierung entsprechender Lehr- und Lernarrangements bedeutsam? In Anlehnung an die allgemein verbreiteten Erwartungen an E-Learning stellt sich die Ausgangsfrage für den vorliegenden Beitrag, wie virtuelle Lehr- und Lernarrangements methodisch-didaktisch konzipiert werden können . Im Kern geht es um die Fragen, unter welchen Bedingungen das Lehren und Lernen in virtuellen Umgebungen, eine Anpassung an die Bedürfnisse der Nutzer, eine höhere Arbeitsleistung, eine höhere Effizienz von Lehr-Lern-Prozessen (vgl . Köhler, Kahnwald & Reitmeier 2008) oder höhere Arbeitsmotivation (vgl . Kerres 2012) mit sich bringen kann . Der Beitrag1 Das diesem Artikel zugrundeliegende Vorhaben „Virtual and Analytics Service im Maschinen- und Anlagenbau“ (VASE) wird im Rahmen des BMBF-Programms „Innovationen für die Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen“ mit dem Themenschwerpunkt „Produktionsbezogene Dienstleistungs1

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fokussiert damit den Modus Operandi von VR Lehr- und Lernarrangements . Hierzu wird – ausgehend von der Darstellung theoretischer und empirischer Ansatzpunkte (Abschnitt 2) – ein Rahmenmodell zur grundlegenden Konzeptionierung virtueller Lehr- und Lernarrangements im Kontext des industriellen Dienstleistungsbereichs des Maschinen- und Anlagenbaus entwickelt und vorgestellt (Abschnitt 3) . In Abschnitt 4 erfolgt ein abschließender Ausblick . 2.

Lerntheoretische und konzeptuelle Ansatzpunkte

Zur allgemeinen Wirksamkeit didaktischer Konzepte in traditionellen Lernumgebungen stellt sich im Anschluss an den Forschungsstand eine Kombination aus kognitiven Zugängen (Erwerb von deklarativem Wissen, Ausbilden von prozeduralem Wissen) und konstruktivistischen (individuelles Erleben, Erfahrung, Erprobung) lerntheoretischen Ansätzen zur Entwicklung eines innovativen Lernkonzept allgemein am geeignetsten dar (vgl . Gruber, Mandl & Renkl 1999; siehe auch den Beitrag von Zinn & Ariali 2020) . Folgt man bei der Gestaltung von virtuellen Lehr- und Lernarrangements diesen Ansätzen, so sind sowohl kognitivistische als auch konstruktivistische Elemente methodisch-didaktisch zu integrieren und möglichst ein geleiteter Aufbau von deklarativem als auch prozeduralem Wissen und eigenständige Explorationen zu ermöglichen . Für bedeutsam werden hierfür insbesondere folgende lerntheoretische Ansätze gesehen: das instruktionsorientierte Lernen (vgl . Ausubel, Novak & Hanesian 1978), der Cognitive Apprenticeship (vgl . Collins, Brown & Newmann 1989), der Cognitive Flexibility Ansatz (vgl . Spiro et al . 1988) und die Anchored Instruction (vgl . Bransford 1990; CTGV 1993) . Darüber hinaus bilden auch die Ansätze zum Lernen aus Fehlern (vgl . Oser, Hascher & Spychiger 1999), das problembasierte Lernen (vgl . Barrows 1996), das kollaborative Lernen (vgl . Slavin 1995) und der Ansatz des situierten Lernens (vgl . Greeno, Smith & Moore 1993) gute Anknüpfungspunkte zur grundlegenden methodisch-didaktischen Gestaltung einer virtuellen Umgebungen . Im Folgenden werden die Ansätze im Überblick skizziert (siehe ergänzend auch Zinn & Ariali 2020) . Das instruktionsorientierte Lernen ist gekennzeichnet durch die Bereitstellung systematisch aufbereiteter Informationen, verbunden mit einem hohen Maß an Anleitung und zumindest hinsichtlich der Vermittlung konzeptuellen Wissens in verschiedenen Domänen überlegen (vgl . Kirschner, Sweller & Clark 2006) . Der Ansatz eignet sich somit insbesondere für den Erwerb von Fachwissen beispielsweise bei der Anleitung von Novizen oder um Personen in der VR-Umgebung im Hinblick auf ihre Tätigkeiten eng zu steuern .

systeme“ mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 02K16C110 gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut .

Konzeptionierung virtueller Lehr- und Lernarrangements

Moderne Instruktionsdesignmodelle zur Konzeptionierung von multimedialen Lernszenarien, die im Wesentlichen auf dem 4-Komponenten-Modell (Four-Component Instructional Design, 4C/ID) von Van Merrienboer aufbauen (vgl . Van Merrienboer 1997; Van Merrienboer & Kirschner 2007), und den Erwerb von Handlungswissen fokussieren, sehen dabei den Erwerb theoretischen Wissens als funktional untergeordnet . Beim 4-Komponenten-Modell wird davon ausgegangen, dass für das Design und die Realisierung komplexen Lernens im Bezugsfeld multimedialer Szenarien vier Komponenten zentral sind: (1) Lernaufgaben mit einem Alltagsbezug einschließlich Problemlösungscharakter, (2) Informationen zur Unterstützung bei der Problemlösung und mit erklärendem Charakter, (3) Informationen, die für das Lernen und die Durchführung routinemäßiger Aspekte zur Bearbeitung von Lernaufgaben erforderlich sind und (4) das Üben an praktischen Teilaufgaben (vgl . Van Merrienboer & Kester 2014) . Neben instruktionsorientierten und problemorientierten Lernumgebungen beinhalten darüber hinaus aktuelle Ansätze des instruktionsorientierten Lernens eine zunehmende Orientierung an den unterschiedlichen Voraussetzungen der Lernenden und unterstützen damit die Individualisierung des Lernens (vgl . Reigeluth & Carr-Chellmann 2009; Reigeluth, Beatty & Myers 2017) . Der Schwerpunkt des problembasierten Lernens liegt in der Bearbeitung von konkreten Problemstellungen aus einem bekannten oder einem zukünftigen beruflichen Tätigkeitsfeld (vgl . Barrows 1996) . Bei der eigenständigen Bearbeitung problemorientierter fachlicher Aufgaben innerhalb der virtuellen Umgebungen können die eventuell den Problemlöseprozess behindernden Fehlkonzepte der Lernenden durch die Methode „Think Aloud“ (vgl . Dörner 1981; Ericsson & Simon 1980) offengelegt und in Orientierung an das Lernen aus Fehlern (vgl . Oser, Hascher & Spychiger 1999) vom Trainer als Lerngelegenheit aufgegriffen werden . Vorteilhaft stellt sich bei Trainings im technischen Bereich der Ansatz des Cognitive Apprenticeship (vgl . Collins, Brown & Newmann 1989) dar . Beim Cognitive Apprenticeship wird der Lernende unterstützt, indem der Lehrende in der ersten Phase das zu Lernende modellhaft vormacht und dabei eigene kognitive Prozesse, die zur Problemlösung führen können, explizit macht (Modelling) . In der nächsten Phase wird der Lernende selbst aktiv und wird dabei vom Lehrenden unterstützt (Coaching) . Der Lehrende greift in der dritten Phase nur noch dann ein, wenn der Lernende ohne Hilfe nicht weiterkommt (Scaffolding) . Mit zunehmendem Wissen und steigenden Fertigkeiten des Lernenden nimmt der Beistand durch den Lehrenden ab (Fading), damit der Lernende immer selbstständiger an der Lösung des Problems arbeiten kann (vgl . Collins, Brown & Newmann 1989) . Für den Einbezug des Cognitive Apprenticeship spricht auch, dass sich dieser Ansatz in einer Studie mit gewerblich-technischen Auszubildenden (vgl . Schaper, Hochholdinger & Sonntag 2004) und in einer Studie mit angehenden Servicetechnikern (vgl . Nickolaus et al . 2018) als wirksam erwiesen hat, um die Transferproblematik signifikant zu mildern .

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VR-Lernumgebungen, die ein kollaboratives Vorgehen erlauben, können dabei den Austausch unterstützen . Beim Ansatz des kollaborativen Lernens (vgl . Slavin 1995) wird das Lernen in einer Gruppe in kollaborativen Lernumgebungen und meistens anhand einer Gruppenaufgabe organisiert . Auch wenn die Studienlage zu den Effekten des Lernens speziell in virtuellen kollaborativen Umgebungen noch dünn ist, weisen die Befunde der Metastudie von Kyndt et al . (2013) zur allgemeinen Wirksamkeit kooperativer Lernformen auf positive Aspekte des kollaborativen Lernens im Hinblick auf Leistung und Einstellungen hin . Die Konzeptionierung eines individuellen Lehr- und Lernarrangements richtet sich neben der spezifischen Ausgangslage der Nutzergruppe auch nach dem konkreten Anwendungsgebiet . Anknüpfend an die Einleitung des Beitrags werden mit der VR-Technologie vielfältige Anwendungsgebiete in der Berufs- und Arbeitswelt sowie im Kontext unterschiedlicher Nutzergruppen verbunden . Insbesondere im Schulungs-, Service- und Marketingbereich werden Use Cases für Auszubildende, Fachkräfte, Kunden und sonstige Nutzer (z . B . potenzielle Kunden) gesehen . Bezogen auf die Nutzergruppe der (angehenden) Fachkräfte werden virtuelle Use Cases zu Ausund Weiterbildungszwecken im Kontext der Bedienung, Montage, Wartung, Reparatur und Instandsetzung von Maschinen und Anlagen und im Umgang mit gefährlichen Stoffen verbunden . Zu den Use Cases im Bezugsfeld der Nutzung der VR-Technologie durch einen Kunden zählen u . a . Schulungen zur selbstständigen Durchführung kleinerer Wartungsarbeiten oder die Präsentation und Einführung in neue Maschinenapplikationen . Darüber hinaus werden virtuelle Umgebungen in den Bereichen Marketing, Verkauf, Arbeitsvorbereitung sowie Forschung und Entwicklung erprobt (vgl . Thomas, Metzger & Niegemann 2018; Pletz & Zinn 2020a) . Die verschiedenen Use Cases und Nutzergruppen machen deutlich, dass die Ausgangslagen und Interessen der Nutzerinnen bzw . Nutzer vielfältig sind . Dabei stellt sich neben den methodisch-didaktischen Entscheidungen auch die Frage nach der Förderung der Akzeptanz von virtuellen Lern- und Arbeitsumgebungen und dem Aspekt des Transfers des virtuell Gelernten in die reale Handlungssituation . Da im vorliegenden Sammelband bereits an anderer Stelle ausführlich auf den Akzeptanzaspekt zu virtuellen Umgebungen eingegangen wird (vgl . Pletz & Zinn 2020b), werden im Folgenden hierzu ergänzend die allgemein förderlichen Merkmale zum Transfer der in virtuellen Szenarien erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf reale Szenarien betrachtet . Auch wenn sich der Stand zur Transferforschung im Kontext moderner virtueller Umgebungen insgesamt heterogen darstellt und verschiedene Schwerpunkte in den vorliegenden Studien fokussiert werden, so liefern sie dennoch diverse Anhaltspunkte für die Konzeptionierung von virtuellen Lehr- und Lernumgebungen (vgl . Mc Lellan, 1991; Popovici, 2004; Bossard et al . 2008) . Das Interesse an Transferfragen zu virtuellen Umgebungen ergibt sich dabei aus verschiedenen Perspektiven: (1) Die Art der Übertragungsqualität ermöglicht die Klassifizierung der virtuellen Umgebung (VR) nach dem Gelernten . (2) Der Transfer-

Konzeptionierung virtueller Lehr- und Lernarrangements

prozess kann Bedingungen innerhalb der VR schaffen, um den Transfer des Lernens zu erleichtern . (3) Bestimmte Merkmale der VR müssen mit dem Lerntransfer übereinstimmen und diesem entsprechen . (4) Die Übertragungsqualität kann zur Bewertung der Wirksamkeit einer VR verwendet werden und (5) die Forschung im Bereich des Lerntransfers untersucht den spezifischen Kontext des Lernens (Bossard et al . 2008) . Grundlegend bedeutsam für die Analyse der Transferleistung ist dabei die tatsächliche Vermittlungsabsicht . Besteht die Absicht in der bloßen Vermittlung von Informationen über eine Maschine, beispielsweise für einen potenziellen Kunden, oder geht es um den Erwerb von komplexem handlungsbezogenem Wissen zur Bedienung einer Maschine? Betrachtet man die vierte Perspektive zur Wirksamkeit weiter und fragt nach den zentralen Merkmalen zur Förderung der Transferleistung, so ist im Anschluss an Bendorf, der die Ergebnisse der Transferforschung allgemein und technologieunabhängig zusammenfasst, davon auszugehen, dass sich für die Transferleistung zu komplexeren Lernszenarien folgende Merkmale als günstig erweisen: (1) eine möglichst tiefe Durchdringung des relevanten Wissens, wobei sich ein problemorientierter Wissenserwerb für den Transfer als vorteilhafter erweist als faktenorientiertes Lernen, (2) authentische Anwendungsaufgaben, wobei zu beachten ist, dass eine rein kontextualisierte Information den Transfer behindern kann, (3) multiple Kontexte zur Flexibilisierung des Wissens, (4) abstrakte Problemrepräsentationen, die vom Konkreten zum Abstrakten erworben werden, (5) ein hohes Ausmaß gemeinsamer Elemente von Lern- und Transferaufgaben, (6) Metakognitionen, die den Lernenden die Möglichkeit geben, ihre Lern- und Lösungsstrategien zu überwachen, zu reflektieren und zu verbessern, (7) die Motivation, die aufzubringen ist, um sich mit der Lösung auseinanderzusetzen und (8) relevante Vorerfahrungen der Lernenden, die aktiviert werden müssen (vgl . Bendorf 2002) . Studien zu den technologischen VR-Optionen belegen zudem, dass ein höherer Immersionsgrad einen positiven Einfluss auf den Lernerfolg nimmt (vgl . Jensen & Konradsen 2018) und damit möglicherweise den Transfer von virtuellen auf reale Situationen sensus dem Embodiment Ansatz (vgl . Barsalou 2009; Koch 2011; Leuzinger-Bohleber, Emde & Pfeifer 2013) unterstützen kann . Die unmittelbare Anbindung von virtuellen Trainings an einen Anwendungskontext erscheint, vor dem Hintergrund, dass sich dieses in verschiedenen Studien (vgl . Hasselhorn 1992; Mähler & Hasselhorn 2001; Nüesch & Metzger 2010) als günstig erwiesen hat, vorteilhaft . Hierzu sollten Trainings beispielsweise für (angehende) Fachkräfte, aufbauend auf einer Instruktionsphase, an konkreten beruflichen Problemstellungen orientiert werden und können damit den Ansätzen des situierten Lernens und problembasierten Lernens folgen . Interessant scheint für die Konzeptionierung komplexer VR/AR-Lern- und Arbeitsumgebungen hierbei auch der Ansatz der Lernfabrik, der bisher überwiegend auf produktionstechnische Fragestellungen ausgelegt und in realen Zusammenhängen erprobt wurde (vgl . Lamancusa, Jorgensen & Zayas Castro 1997; Abele et al . 2010; Cachay et al . 2012, für einen Überblick siehe auch Zinn 2014) . Im Ansatz der Lernfabrik werden den Lernenden durch authentische beruf-

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liche Aufgabenstellungen und berufsspezifische Arbeitsmittel reale Arbeitsbedingungen simuliert . Flankiert wird die Lernumgebung von Informations-, Demonstrations- und Kommunikationselementen . Da die Verknüpfung von Theorie und Praxis in der Lernfabrik unter weitestgehend authentischen (realen) Bedingungen stattfindet, ergeben sich gegenüber traditionellen Aus- und Weiterbildungsansätzen neben den Integrationsvorteilen eines in sich geschlossenen Lernraums umfassendere Möglichkeiten, auf die Milderung der Transferproblematik hinzuarbeiten (vgl . Cachay et al . 2012) . Folgt man der Annahme, dass zukünftig physisch reale und virtuelle Umgebungen enger verzahnt werden, so scheint eine Verknüpfung von virtuellen und realen Lernmöglichkeiten in einer hybriden Lernfabrik mit realen und virtuellen Lern- und Arbeitsszenarien obligatorisch und im Hinblick auf eine Qualifizierung für zukünftige Arbeits- und Berufswelten hoch anschlussfähig . Ziel ist es, eine cyber-physische Äquivalenz zu erreichen, bei der virtuelle und physische Produktionsumgebungen oder Produkte möglichst in Echtzeit abgeglichen werden (vgl . von Lukas & Stork 2013) . Um die Aufwände für die Erstellung virtueller Umgebungen in unternehmerischen Kontexten gering zu halten und eine produktive Einbindung der VR-Technologie nachhaltig zu gewährleisten, sollte die Implementierung unter Einbezug der bestehenden bzw . adaptierten unternehmerischen Prozesse erfolgen . Bei der Prozessintegration geht es vor allem darum zu prüfen, welche Datensätze (z . B . 3D-CAD-Daten von Maschinen), Austauschformate und Schnittstellen im Unternehmen vorliegen und in die notwendige Erstellung der VR-Umgebungen integriert werden können, welche Schnittstellen genutzt werden können bzw . optimiert werden müssen und wie die internen Prozesse im Kontext der Einbindung der neuen Technologie zukünftig aufeinander abgestimmt werden müssen (vgl . Bues, Schultze & Wingert 2018) . Wie oben bereits erwähnt, ist bei der Einführung von VR-Lern- und Arbeitsumgebungen bzw . entsprechender VR-Handlungsprogramme die Vorerfahrung der Nutzer bezüglich der VR-Technologie maßgeblich zu berücksichtigen . In jedem Fall ist vor einem virtuellen Lehr- und Lernarrangement sicherzustellen, dass die Nutzer in die Bedienung der VR-Technologie hinreichend eingewiesen werden und eine begleitete Einführung in die VR-Umgebung erfolgt . Die Rezeption neuer Handlungsprogramme angesichts neuer Technologien ist nach den vorliegenden Transferstudien dabei insbesondere vom bestehenden Problemdruck bei den Rezipienten (z . B . ein Schulungsbedarf liegt vor), der Erfolgswahrscheinlichkeit der alternativen Programme, deren Praktikabilität im eigenen Handlungsfeld, Aufwands-Ertragskalkülen, den eventuell neu aufzubauenden Kompetenzen, zu erwartenden Belastungen, verfügbaren Unterstützungsmaßnahmen und mit allen anderen Momenten assoziierten motivationalen Orientierungen abhängig (vgl . Nickolaus & Gräsel 2006) . Ähnliches gilt auch für die aus den Forschungen zur Usability, User Diversity und Technikakzeptanz hervorgegangenen Aussagen, in welchen einerseits auf eine häufig unzureichende Adaptivität der Systeme an die heterogenen Nutzerbedürfnisse und -fähigkeiten verwiesen wird (vgl . Ziefle 2010; Arning & Ziefle 2007) und andererseits die Notwendigkeit gesehen

Konzeptionierung virtueller Lehr- und Lernarrangements

wird, bei der Gestaltung einschlägiger Systeme sowohl die vorhandenen/notwendigen Kompetenzen, die motivationalen Orientierungen als auch die Passung der Systeme mit den Arbeitsumgebungen zu berücksichtigen (vgl . Brauner & Ziefle 2015) . Folgt man den vorliegenden Befunden, sind zudem ergonomische, kognitive und kommunikative Usability in Verbindung mit motivationalen Eigenschaften der Nutzung wesentliche Erfolgsfaktoren für die Akzeptanz und Nutzung entsprechender Technologien (vgl . Ziefle 2002; Zinn, Guo & Sari 2016) . Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass für die Konzeptionierung von virtuellen Lehr- und Lernumgebungen eine Analyse der individuellen Ausgangsbedingungen des zu planenden Lehr-Lernarrangements mit: Zielgruppe, Kompetenzebene, Lerninhalt (Use Case) sowie den realen VR-Technologieoptionen grundlegend notwendig erscheint . Ausgehend von dieser systematischen Analyse können begründete Entscheidungen zum methodisch-didaktischen Vorgehen unter Berücksichtigung der dargestellten lerntheoretischen und konzeptuellen Ansatzpunkte getroffen werden . Aufbauend darauf sowie den vorliegenden Erkenntnissen zu den potenziellen Anwendungsgebieten virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen im Bezugsfeld des industriellen Dienstleistungsbereichs des Maschinen- und Anlagenbaus wird im folgenden Abschnitt ein Rahmenmodell vorgestellt . 3.

Beschreibung des Rahmenmodells

Entsprechend dem Rahmenmodell ist für die Konzeptionierung eines spezifischen VR-Lehr- und Lernszenarios (siehe Abbildung 1) charakteristisch, dass ausgehend von (1 .) der Konkretisierung der Nutzergruppe und (2 .) in Abhängigkeit von der fokussierten Kompetenzebene(n) Fach-, Sozial- und Personal- bzw . Selbstkompetenz sowie (3 .) den Lerninhalten (Use Case) (4 .) die VR-Technologie ausgewählt wird . Die horizontalen Entscheidungsebenen stehen dabei in einer Interdependenz und die Optionen auf den einzelnen Entscheidungsebenen schließen sich nicht zwangsläufig gegenseitig aus, sie können fallbezogen miteinander kombiniert werden . Beginnend mit der Analyse der (Lern-)Ausgangslage, bei der die Auswahl der Zielgruppe (z . B . Auszubildende, Fachkräfte, Kunden) und der fokussierten Kompetenzebene der beruflichen Handlungskompetenz (Fachkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz2; vgl . KMK 2018) erfolgt, wird der Use Case mit seiner Zielsetzung Die drei Dimensionen der Handlungskompetenz sind wie folgt definiert: Fachkompetenz: „Bereitschaft und Fähigkeit, auf der Grundlage fachlichen Wissens und Könnens Aufgaben und Probleme zielorientiert, sachgerecht, methodengeleitet und selbstständig zu lösen und das Ergebnis zu beurteilen .“ Selbstkompetenz: „Bereitschaft und Fähigkeit, als individuelle Persönlichkeit die Entwicklungschancen, Anforderungen und Einschränkungen in Familie, Beruf und öffentlichem Leben zu klären, zu durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und fortzuentwickeln . Sie umfasst Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und 2

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Abb. 1 Methodisch-didaktischer Baukasten für die Gestaltung virtueller Lernumgebungen (eigene Darstellung).

Pflichtbewusstsein . Zu ihr gehören insbesondere auch die Entwicklung durchdachter Wertvorstellungen und die selbstbestimmte Bindung an Werte .“ Sozialkompetenz: „Bereitschaft und Fähigkeit, soziale Beziehungen zu leben und zu gestalten, Zuwendungen und Spannungen zu erfassen und zu verstehen sowie sich mit anderen rational und verantwortungsbewusst auseinanderzusetzen und zu verständigen . Hierzu gehört insbesondere auch die Entwicklung sozialer Verantwortung und Solidarität .“ (KMK 2018, S . 15)

Konzeptionierung virtueller Lehr- und Lernarrangements

und den Lerninhalten konkretisiert . Verbunden mit dem Use Case werden die spezifischen Lerninhalte abgeleitet . Bei der sich anschließenden Auswahl der VR-Technologie werden neben der Kosten-Nutzen-Analyse vor allem die spezifischen Ausgangslagen der Zielgruppe (u . a . Vorwissen, Motivation, Interessen, Vorerfahrungen zur Technologie) und die fokussierten Kompetenzbereiche bedeutsam (s . o .) . VR-Lehr- und Lernarrangements können mit unterschiedlichem technologischem Equipment durchgeführt werden, dabei können drei Varianten differenziert werden . – Variante 1: Die desktopbasierte Umgebung beinhaltet lediglich ein 2D-Bild eines Raumes auf einem Standardmonitor, das vom User in der egozentrischen und/oder allozentrischen Perspektive wahrgenommen werden kann . Die Variante wird als nicht-immersive VR-Umgebung beschrieben, da diese meistens nur durch künstliche Benutzerschnittstellen (Tastatur, Maus, Controller) Interaktionen ermöglicht . Der zentrale Vorteil der Gestaltung einer nicht-immersive VR-Umgebung liegt im geringen technologischen Aufwand, der sich meistens auf einen handelsüblichen Personal Computer (PC), Tastatur, Maus und Headset beschränkt . – Variante 2: Für die teil-immersive VR-Umgebung ist die dreidimensionale (räumliche) Wahrnehmung mittels einer VR-Brille (z . B . Head-Mounted-Display, HMD; Cardboard) charakteristisch . Die VR-Brillen werden in kabelgebundene, kabellose und mobile Bauarten unterschieden . Während kabelgebundene VR-Brillen per Kabel an PC’s angeschlossen sind, werden kabellose bzw . mobile VR-Brillen in Verbindung mit einem Smartphone oder als Standalone-VR-Brille mit vergleichbarer Prozessorleistung benutzt . Die Bewegung des Users erfolgt hierbei über das Drei-Stufen-Bewegungs-Tracking (3DOF), bei dem der User einer Richtung nachgeht, in dem er mit der Hand, dem Kopf oder einem Controller zeigt . Komplexe Bewegungen nach vorne/hinten, oben/unten oder links/rechts werden nicht differenziert . – Variante 3: Die immersive VR Umgebung zeichnet sich gegenüber der Variante 2 dadurch aus, dass das Bewegungs-Tracking mit einem Sechs-Stufen-Bewegungs-Tracking (6DOF) erfolgt, bei dem komplexe Bewegungsmuster möglich sind . Hierfür werden spezielle Sensoren und/oder Kameras benötigt . Zudem ist diese Variante meistens durch den Einbezug natürlicher Benutzerschnittstellen, beispielsweise durch die Nutzung von Datenhandschuhen und Trackingsensoren bzw . Kameras, die eine reale Fortbewegung des Users erkennen und in die virtuelle Umgebung umsetzen, charakterisiert . Welche der beschriebenen drei technologischen Varianten im speziellen Use Case vorteilhaft ist und inwiefern die Einbindung von Augmented Reality (AR) erfolgen kann, hängt von mehreren Aspekten ab . Basal wird die Auswahl beeinflusst, ob und inwiefern die jeweilige erforderliche Hardware überhaupt verfügbar ist und welche Mittel für die Erstellung der virtuellen Lernumgebung zur Verfügung stehen . Während PCs

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allgemein verfügbar sind, sind mit der Anschaffung eines immersiven VR-Systems zur Realisierung der Variante 3 (immersive VR-Umgebung) entsprechende Investitionskosten verbunden . Zudem erfordert es meistens die Erstellung einer komplexen virtuellen Umgebung durch VR-Experten, die zeitlich und monetär aufwendig sein kann . Dagegen ermöglichen die immersiven Systeme im Vergleich zu desktopbasierten Umgebungen die Integration natürlicher motorischer Bewegungsabläufe und können damit die Wahrnehmung als eine sensomotorische Koordination, die sich in der Komplexität eines handelnden Wesens ereignet, maßgeblich unterstützen und damit – folgt man dem Kognitionsverständnis des Embodiment – das „Lernen mit allen Sinnen“ fördern . In Anbetracht des spezifischen Use Case müssen auf dieser Ebene die Vor- und Nachteile der einzelnen technologischen Optionen sowie der Verfügbarkeit der Hardware und VR-Umgebung gegenseitig abgewogen werden . Ausgehend von der systematischen Analyse können dann begründete Entscheidungen zum methodisch-didaktischen Vorgehen unter Berücksichtigung der im zweiten Abschnitt dargestellten lerntheoretischen und konzeptuellen Ansatzpunkte getroffen werden . Die als relevant erachteten lerntheoretischen Ansätze umfassen innovative kognitivistische und konstruktivistische Ansätze und orientieren sich in ihrer Gewichtung an der spezifischen Thematik, Zielsetzung und den Lernausgangsbedingungen der Nutzerinnen bzw . Nutzer . Was die Sozialform anbelangt, bieten virtuelle Umgebungen die Möglichkeit, sowohl allein, beispielsweise in einem geführten Selbstlernmodus, als auch kollaborativ in einem virtuellen Raum oder in räumlich getrennten virtuellen Räumen zu arbeiten . Mehrere Personen, die räumlich verteilt sind, können sich gemeinsam in einer virtuellen Umgebung mit einem realen oder virtuellen Dozenten im virtuellen Raum treffen und austauschen . Computergenerierte Avatare können die Rolle eines Dozenten übernehmen und beispielsweise demonstrieren, wie eine Maschine aufgebaut ist oder in welcher Reihenfolge eine berufsspezifische Handlung durchgeführt wird (Zinn & Pletz 2019) . 4.

Zusammenfassung und Ausblick

Das hier entwickelte und vorgestellte Rahmenmodell wurde auf der Basis zentraler Erkenntnisse der Lehr- und Lernforschung, aktuell vorliegender empirischer Befunde zur Konzeptionierung virtueller Umgebungen sowie im Kontext von ausgewählten unternehmensorganisatorischen Aspekten entwickelt . Der industrielle Dienstleistungsbereich des Maschinen- und Anlagenbaus stellt dabei exemplarisch die kontextuelle Einkleidung dar . Das Modell kann für unterschiedliche Zielgruppen zur Entwicklung spezifischer virtueller Lehr- und Lernszenarien und darüber hinaus auch als methodisch-didaktisches Baukastensystem im Kontext verschiedener Bereiche der beruflichen Aus- und Weiterbildung genutzt werden . Die Intention des vorlie-

Konzeptionierung virtueller Lehr- und Lernarrangements

genden Beitrags liegt damit darin begründet, dem Leser bzw . der Leserin theoretisch und empirisch begründete Anregungen zur spezifischen Ausgestaltung von virtuellen Lern- und Arbeitsumgebungen zu geben . Das Rahmenmodell kann damit vielfältige Hinweise für die Gestaltung von VR-Umgebungen liefern, die aber immer im Kontext der individuellen Ausgangsbedingungen interpretiert und im Bezugsfeld der jeweiligen betrieblichen und berufsschulischen Randbedingungen gesehen und bewertet werden müssen . Eine Evidenzbasierung zur Nutzung der VR-Technologie im engen Kontext der verschiedenen Entscheidungsebenen und dessen Optionen erscheint perspektivisch wünschenswert . Literatur

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Teil 3 Forschung zu virtuellen Umgebungen

Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf mittels einer virtuellen Lernumgebung BERND ZINN / CAROLIN PLETZ / HENRI WADAS / QI GUO

Support for apprentices with special needs by utilizing a virtual learning environment Zusammenfassung: Im Zentrum des vorliegenden Beitrags steht die virtuelle Lernum-

gebung „Virtual Storage Hall“ (VSH) mit ihren spezifischen technologischen und methodischen Optionen . Hierzu wurde im Rahmen einer explorativen Studie die VSH im Hinblick auf ihre grundsätzliche Eignung für angehende Fachkräfte der Lagerlogistik zu ihren Nutzungsbarrieren in Abhängigkeit der individuellen Beeinträchtigung der Studienteilnehmer analysiert . Die Befunde belegen, welche speziellen Faktoren der Virtual Reality (VR)-Umgebung von den befragten Auszubildenden perzipiert und als motivierend und im Hinblick auf den Kompetenzerwerb für relevant erachtet werden . Abstract: This article focuses on the virtual learning environment „Virtual Storage Hall“

(VSH) with its specific technological and methodological options . In the context of an explorative study, the VSH was analysed in terms of its fundamental suitability for prospective specialists in warehouse logistics for its usage barriers depending on the individual impairments of the study participants . The findings prove which specific factors of the Virtual Reality (VR) environment are perceived by the apprentices interviewed and are considered motivating and relevant in regards to competence acquisition .

1.

Einleitung

Folgt man dem international gebräuchlichen Inklusionsbegriff, der die Vielfalt von Menschen in den Mittelpunkt rückt (vgl . Booth 2008), wird der Anspruch erhoben,

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allen Menschen die volle und gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen . Verbunden damit, dass der individuellen Teilhabe (Inklusion) am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt eine besondere gesellschaftliche Bedeutung zukommt (vgl . Wansing 2012) und vor allem im Handwerk und den personenbezogenen Dienstleistungsberufen die Abbruchquoten in der Ausbildung seit langem hoch sind, erhält die Thematik Inklusion, nicht zuletzt auch mit der UN-Behindertenrechtskonvention, in verschiedenen Bereichen der beruflichen Bildung eine hohe Relevanz . Die Ermöglichung einer aktiven und gleichberechtigten Teilnahme von Menschen mit Behinderung am Berufs- und Arbeitsleben stellt ein zentrales Ziel der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen dar (VN-BRK, 2008) . Im beruflichen Bildungsbereich bedeutet dabei Teilhabe zunächst, dass eine Einmündung in eine adäquate Ausbildung gelingt und diese erfolgreich absolviert werden kann . In der beruflichen Bildung wird im Bereich der dualen Ausbildung die Entscheidung, Behinderte in die Regelausbildung aufzunehmen, auf privat-rechtlicher Ebene durch den Abschluss eines Ausbildungsvertrags zwischen Unternehmen und Auszubildenden getroffen . Von der großen Gruppe der Lernbehinderten und Lernbeeinträchtigten münden relevante Anteile vor allem in sogenannte Fachpraktikerberufe gemäß § 66 Berufsbildungsgesetz und § 42m Handwerksordnung ein . Die hier getroffenen besonderen Ausbildungsregelungen gelten für behinderte Menschen, für die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nicht in Betracht kommt . Ein zentrales und durch die eher zunehmenden Anforderungen in den einzelnen Ausbildungsberufen verschärftes Problem stellt für die Gruppe der Fachpraktiker die Bewältigung der theoretischen Anforderungen im schulischen Kontext dar, die mitursächlich für vorzeitige Auflösungen der Ausbildungsverträge sind (vgl . Hasler 2016) . Kausal scheinen dafür – neben den unterdurchschnittlich ausgeprägten kognitiven Grundfähigkeiten – auch ein mangelndes Vorwissen, unzureichend entwickelte Lernstrategien und Defizite der metakognitiven Handlungssteuerung zu sein, die Grünke und Grosche (2014) als typisch für Lernbehinderte beschreiben . Gleichzeitig ist festzustellen, dass mit der zunehmenden Digitalisierung der Arbeits- und Berufswelt veränderte Aufgaben- und Tätigkeitsprofile für Fachkräfte entstehen und die Nutzung innovativer Technologien bereits in der Ausbildung (vgl . Zinn 2015), auch von Fachpraktikern, ein fester Bestandteil sein sollte . Virtuelle Lern- und Arbeitsumgebungen (Virtual Reality, kurz VR), die im Fokus des Beitrags stehen, bieten das Potenzial, adaptive Förderangebote für Menschen mit physiologischen und/oder kognitiven Behinderungen bereitzustellen, um deren besonderen visuellen, auditiven und haptischen Bedürfnissen gerecht zu werden . Virtuelle Lern- und Arbeitsumgebungen können darüber hinaus eine räumliche und zeitliche Flexibilisierung des Lernens in einem geschützten Raum ermöglichen und gestatten ein vernetztes kollaboratives Lernen und Arbeiten von Menschen mit und ohne Behinderung (vgl . Zinn, Guo & Sari 2016) . Über die Einbindung der VR-Technologie können ergänzende Förderumgebungen geschaffen werden, eine Flexibilisie-

Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf

rung und Individualisierung sowie gleichzeitig auch eine bedarfsgerechte Vernetzung von Auszubildenden mit und ohne Behinderung ermöglicht oder eine Lernortkooperation unterstützt werden . Bislang liegen wenige empirische Erkenntnisse zum Einsatz von modernen VR-Umgebungen im Bezugsfeld der beruflichen Ausbildung vor (siehe Abschnitt 2) . Der vorliegende Beitrag1 behandelt im Besonderen die VR-Umgebung „Virtual Storage Hall“ (VSH) mit ihren innovativen, spezifischen Förderelementen sowie ihren modernen künstlichen und natürlichen Benutzerschnittstellen und die Frage, inwiefern diese VR-Umgebung grundsätzlich geeignet scheint, um eine heterogene Auszubildendengruppe mit ihren individuellen Beeinträchtigungen wie beispielsweise Autismus, Schizophrenie oder sonstige Beeinträchtigungen, die einen besonderem Förder- und Unterstützungsbedarf hervorrufen, zu unterstützen . Bedeutsam scheint in dieser Betrachtung, dass, neben der allgemeinen Herausforderung einer stärkeren Integration und offensiven Verwertung virtueller Lern- und Arbeitsumgebungen im Bezugsfeld der Förderung von benachteiligten Auszubildenden, die Frage nach möglichen Nutzungsbarrieren bzw . nach der grundsätzlichen technologischen Akzeptanz durch die Lernenden zu klären ist . Im Folgenden wird hierzu im zweiten Abschnitt der Forschungsstand zum Einsatz von virtuellen Umgebungen zur Förderung von Menschen mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf skizziert . Im dritten Abschnitt werden die technologischen und methodischen Aspekte der selbst entwickelten virtuellen Lernumgebung VSH beschrieben, um danach im vierten Abschnitt von den Ergebnissen einer Pilotstudie zur praxisnahen Eignung der Lernumgebung VSH zu berichten . Der Beitrag schließt im fünften Abschnitt mit einer Diskussion der qualitativen Ergebnisse und der Ableitung von Forschungsdesideraten im Bezugsfeld des Anwendungskontextes . 2.

Einordnung des Anwendungskontextes und Überblick zum Forschungsstand

Bereits 1980 wurde durch die Bundesregierung, nach Auswertung mehrerer Berufsvorbereitungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit, das Programm zur Förderung Benachteiligter aufgelegt, um die Zahl der nicht formal ausgebildeten Jugendlichen zu reduzieren . In der Folgezeit sind vielfältige Modellprojekte und Trainingsprogramme zur beruflichen Integration und individuellen Förderung benachteiligter Jugendlicher entwickelt und erprobt worden (vgl . Bojanowski, Ratschinski & Straßer 2005) . Die Das diesem Artikel zugrundeliegende Vorhaben „Lehrerbildung an berufsbildenden Schulen 2“ (LEBUS 2) wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01JA1902 gefördert . 1

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diversen Projekte und Programme zeichnen sich durch unterschiedliche konzeptuelle (Förder-)Ansätze aus und wurden in diversen berufsbildenden Maßnahmen und Schulformen (z . B . Reha-Vorbereitungslehrgang, Berufsausbildungsvorbereitung, Berufsausbildung) sowie mit unterschiedlichen Untersuchungsschwerpunkten durchgeführt . Viele der Ansätze sind betont pragmatisch, deskriptiv oder oft bewusst theoretisch ausgerichtet (vgl . Ratschinski 2005) . Für die Erstausbildung in einem sogenannten Fachpraktikerberuf müssen spezielle Ausbildungsregelungen mit der für den Beruf zuständigen Kammer vereinbart werden . Meist sind Fachpraktiker Menschen mit Lerneinschränkungen (u . a . Autismus, Dyskalkulie, Lese-Rechtschreibstörungen, Aufmerksamkeits-Defizit und Hyperaktivitäts-Syndrom) oder sonstigen psychischen Beeinträchtigungen und Behinderungen, die ein besonderes Umfeld benötigen, um die Lerninhalte aufnehmen zu können . Eine geschützte Lern- und Arbeitsumgebung sowie kleine Klassen sind wichtig, da auf diese Weise der Lärmpegel niedriger ist und auf den Einzelnen besser eingegangen werden kann . Vor dem Hintergrund, dass Aufgaben im kognitiven Bereich von ihnen meist als zu belastend empfunden werden, führen diese im betrieblichen Umfeld oftmals einfache, meist körperliche, Tätigkeiten aus . Lesen, Schreiben und das Erkennen von logischen Zusammenhängen ist häufig schwierig . Um Arbeitsprozesse verstehen und umsetzen zu können, sind daher gut strukturierte Lern- und Arbeitsabläufe für die Menschen wichtig, wobei sich der Einsatz von Bildmaterialien und das Lernen anhand von praktischen Beispielen als förderlich gezeigt hat . Die Ausbildungen in Fachpraktikerberufen können in normalen Betrieben oder in speziellen Ausbildungsstätten, wie den Berufsbildungswerken (BBW) und Sonderberufsschulen, absolviert werden . Wenn der Leistungsstand und die Behinderung es erlauben, kann in die Regelausbildung gewechselt und der höhere Berufsabschluss erlangt werden . Allerdings lassen die schwachen kognitiven Fähigkeiten dies häufig nicht zu, sondern führen neben weiteren, daraus resultierenden Faktoren, wie dem mangelnden Vorwissen, den schwach ausgeprägten Lernstrategien und der defizitären metakognitiven Handlungssteuerung eher zu einem vorzeitigen Ausbildungsabbruch (vgl . Hasler 2016; Grünke & Grosche 2014) . Die spezielle Eignung virtueller Umgebungen für Personen mit besonderem Förderund Unterstützungsbedarf wird von Cromby et al . (1996) in diesem Bezugsfeld mit drei Eigenschaften der Technologie begründet: Erstens können betroffene Personen in virtuellen Umgebungen aktiv und selbstgesteuert lernen sowie Fehler machen, die keine realen, teilweise beschämenden oder gefährlichen Konsequenzen nach sich ziehen . Die Technologie urteilt nicht über sich wiederholende Fehler in derselben Aufgabe oder langsame Lernfortschritte und gibt konsistentes Feedback zu den Aktivitäten . Zweitens können virtuelle Umgebungen an die individuellen Bedürfnisse der lernschwächeren Personen angepasst werden, um den Lernprozess zu optimieren, zum Beispiel durch gestufte Lernhilfen, welche nach und nach reduziert werden, bis die oder der Lernende die Aufgabe (durch adaptive Wiederholungsraten) eigenständig löst . Drittens kön-

Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf

nen Regeln und abstrakte Konzepte ohne den Einsatz von Sprache oder von anderen Symbol-Systemen übermittelt werden, sondern mithilfe von multi-sensorischen Erfahrungen in der virtuellen Umgebung verständlich gemacht werden . Die empirischen Erkenntnisse zum Einsatz virtueller Umgebungen zur Förderung von Personen mit besonderem Förder- und Unterstützungsbedarf im beruflichen Bereich sind dünn und beschränken sich bislang auf einzelne Anwendungsgebiete . Veröffentlichte VR-Förderumgebungen lassen sich gemäß Standen und Brown (2005) vor diesem Hintergrund in drei Gruppen einteilen: (1 .) Umgebungen zur Förderung von Fähigkeiten für mehr Unabhängigkeit im Alltag und Beruf, darunter auch (2 .) kognitive Fähigkeiten, und (3 .) zum Training der sozialen Kompetenzen . Zu beachten ist hierbei, dass die eingesetzten Benutzerschnittstellen zwischen den Studien variieren und sowohl nicht-immersive als auch immersive virtuelle Umgebungen zum Einsatz kommen . Zu den alltags- und berufsrelevanten Fähigkeiten zählen beispielsweise die Sicherheit im Straßenverkehr, das Einkaufen im Supermarkt, die Zubereitung von Mahlzeiten, aber auch die Zeitwahrnehmung oder die räumliche Orientierung (vgl . Den Brok & Sterkenburg 2015; Standen & Brown 2005) . In der Studie von Standen, Cromby und Brown (1997) wurden Jugendliche mit kognitiven Einschränkungen in einem virtuellen Supermarkt trainiert, Produkte zu suchen und einzukaufen . Die Teilnehmer waren anschließend in der Lage, Produkte in einem realen Supermarkt schneller und präziser als eine Kontrollgruppe einzukaufen . Brooks et al . (2009) untersuchten die Eignung einer virtuellen Küche im Vergleich zu einer realen Küche sowie papier-basierte Arbeitsbüchern für die berufliche Weiterbildung von Menschen mit einer Lernbehinderung . Die Studienteilnehmer sollten relevante Schritte für die Vorbereitung von Mahlzeiten (z . B . vorheriges Händewaschen) sowie das Erkennen von Gefahrensituationen in der Küche lernen und absolvierten hierfür ein Training in einer der drei Bedingungen . Die Ergebnisse zeigen, dass es für die Vorbereitung von Mahlzeiten keine Leistungsunterschiede zwischen den Probanden in der realen und der virtuellen Trainingsumgebung gab, die Probanden mit den Arbeitsbüchern dagegen signifikant schlechter abschnitten . Des Weiteren waren die Teilnehmer in der virtuellen Bedingung in der Lage, die Technologie zu bedienen und hatten Spaß an der Benutzung . Mendozzi et al . (2000) untersuchten die Eignung einer virtuellen Lagerhalle und Werkstatt für Trainings von lernschwächeren Personen in einem geschützten Beschäftigungsverhältnis . Die Teilnehmer sollten in verschiedenen Szenarien lernen, Objekte in der Lagerhalle einzusammeln oder eine Taschenlampe zusammenzubauen . Die Aufgabenschwierigkeiten steigerten sich im Verlauf der Trainings, zum Beispiel vom Zusammenbau einzelner weniger Teile ohne ein Zeitlimit bis hin zum kompletten Zusammenbau der Taschenlampe mit bis zu 39 verschiedenen Schritten . Laut der Ergebnisse sammelten die Probanden nach dem Training in der Lagerhalle signifikant mehr Objekte in kürzerer Zeit ein als davor . Ein signifikanter Unterschied bezüglich der Zeit und Korrektheit beim Zusammenbau der Taschenlampe zeigte sich dagegen nicht .

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Tsang und Man (2013) trainierten Personen mit einer Schizophrenie in einer virtuellen Boutique zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit für den beruflichen Wiedereinstieg als Verkäuferin bzw . Verkäufer . Die Ergebnisse deuten auf eine bessere Leistung der Personen in der Experimentalgruppe in Bezug auf die exekutiven Funktionen und die Selbstwirksamkeit im Vergleich zu zwei Kontrollgruppen hin . Die Probanden berichteten zudem, dass sie das virtuelle Training einem konventionellen Training vorziehen würden, da es interessanter gestaltet war und sie sich keine Sorgen über mögliche Fehler machten . Auch Sohn et al . (2016) fokussierten Personen mit einer Schizophrenie als Zielgruppe für virtuelle Trainingsumgebungen für den beruflichen Wiedereinstieg im Einzelhandel . Die Ergebnisse der Studie lassen ebenfalls auf einen positiven Effekt der Trainings auf die kognitive Leistung sowie die klinische Symptomatik der Teilnehmer schließen . Bozgeyikli et al . (2014) entwickelten virtuelle Trainingsumgebungen für Personen mit Autismus-Spektrum-Störung (ASD), Schädel-Hirn-Traumata oder Bewegungseinschränkungen . Je nach Beeinträchtigung konnten verschiedene Aufgaben in einer virtuellen Lagerhalle, einem Hotelzimmer oder einem Supermarkt ausgewählt werden, um berufsrelevante Fähigkeiten zu trainieren sowie die Eignung der Lernenden für spezifische Tätigkeiten zu testen . Die Umgebungen wurden zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen allerdings noch nicht mit der entsprechenden Zielgruppe getestet und evaluiert . Um die Eignung virtueller Umgebungen für das Training der räumlichen Orientierung zu untersuchen, erkundeten angehende Schülerinnen und Schüler einer Förderschule in der Studie von Standen et al . (2001) die Schule im Voraus entweder virtuell (Experimentalgruppe) oder real (Kontrollgruppe) und suchten nach Wegmarkierungen . Es stellte sich in der abschließenden Orientierungsaufgabe in der realen Schule kein Unterschied zwischen den Schülern der Experimental- und der Kontrollgruppe heraus . In der Studie von Rose et al . (2002) sollten lernschwächere Probanden durch einen virtuellen Bungalow navigieren und nach einem Spielzeugauto suchen . Die Ergebnisse zeigen, dass die Probanden der Experimentalgruppe in einem Test zur räumlichen Wiedererkennung besser waren als die passiven Probanden einer Kontrollgruppe, welche nicht selbstständig navigierten . Signifikante Unterschiede ergaben sich dagegen nicht in einem Test zur Wiedererkennung der Objekte . Die Teilnehmer der Studie waren insgesamt hoch motiviert, die Aufgabe in der virtuellen Umgebung zu lösen und äußerten die Intention, virtuelle Umgebungen in Zukunft für Trainings nutzen zu wollen . Für das Training sozialer Kompetenzen in VR werden in der Literatur insbesondere Personen mit ASD, welche durch Einschränkungen in der Kommunikation, soziale Defizite sowie festgelegtes oder sich wiederholendes Verhalten gekennzeichnet sind, als Zielgruppe benannt (Hamdani et al . 2018) . Wie der Literaturüberblick von Hamdani et al . (2018) darlegt, können Personen mit Autismus in virtuellen Umgebungen soziale und kommunikative Fähigkeiten (vgl . Cheng & Ye 2010; Lahiri et al . 2013), den

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Ausdruck von Emotionen (vgl . Didehbani et al . 2016; Lorenzo et al . 2016) und den Umgang mit Ängsten (vgl . Maskey et al . 2014) erfolgreich trainieren . Hierbei kamen virtuelle Lehrende und Interaktionspartner in Form von Avataren (vgl . Cheng & Ye 2010), adaptive Lernsysteme in Kombination mit Eyetracking (vgl . Lahiri et al . 2013), Second Life-Umgebungen (vgl . Didehbani et al . 2016) oder immersive Umgebungen (vgl . Lorenzo et al . 2016) zum Einsatz . Parsons und Cobb (2011) kommen studienübergreifend zu dem Schluss, dass Kinder mit ASD in der Lage sind, die VR-Technologie zu bedienen und sich mit den gezeigten Inhalten auseinanderzusetzen . Auch im Bereich der motorischen Einschränkungen, zum Beispiel aufgrund eines Schlaganfalls erworbenen Hirnverletzungen, der Parkinson-Krankheit oder orthopädischen Leiden, lassen Studienergebnisse darauf schließen, dass betroffene Personen sowohl in der Lage sind VR-Systeme zu nutzen, als auch Bewegungen, die virtuell gelernt wurden, auf reale Trainingssituationen zu übertragen (Holden 2005) . Zusammengefasst verzeichnet der dargestellte Forschungsstand die vielversprechende Tendenz, dass sich Personen mit besonderem Förder- und Unterstützungsbedarf in virtuellen Umgebungen Fähigkeiten und Kenntnisse aneignen können und dass der Transfer von virtuell Gelerntem auf die Realität gelingen kann . An dieser Stelle dürfen allerdings auch die Einschränkungen der Studien nicht unerwähnt bleiben . Die Ergebnisse sollten insbesondere aufgrund von kleinen Stichprobengrößen (vgl . Cheng & Ye 2010; Lahiri et al . 2013; Standen et al . 1997) sowie dem Fehlen von Kontrollgruppen zum Vergleich der Lernleistung (vgl . Didebani 2016; Mendozzi et al . 2000) kritisch betrachtet werden . Ebenso unterscheiden sich die Studien deutlich im Schweregrad der Einschränkungen der Probanden, bzw . geben diesen nicht explizit an, was eine Übertragung der Ergebnisse auf andere Stichproben erschwert . Die bereits erwähnte Tatsache, dass die Begrifflichkeit „VR“ in den Studien für Technologien mit unterschiedlichen Benutzerschnittstellen verwendet wird, trägt hierzu bei . Abschließend merken Didebani et al . (2016) kritisch an, dass häufig nur einzelne spezifische Fähigkeiten in virtuellen Umgebungen trainiert werden . Wie beispielsweise die Emotionserkennung, welche aber in der Realität nicht isoliert auftaucht und damit die Übertragbarkeit der virtuell gelernten Inhalte auf das reale Leben begrenzt scheint . Zudem werden virtuelle Umgebungen oftmals nur speziell für eine einzelne Altersgruppe konzipiert, so dass entsprechende Studienbefunde nicht ohne Weiteres übertragbar scheinen (vgl . ebd .) . Insgesamt ist der Forschungsstand zur Transferproblematik und insbesondere im Bezugsfeld der Nutzung von VR zur Förderung von lernschwachen Schülerinnen und Schülern im beruflichen Ausbildungsbereich noch wenig elaboriert .

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3.

Virtuelle Lernumgebung „Virtual Storage Hall“

Im folgenden Abschnitt wird die im Beitrag fokussierte virtuelle Lernumgebung „Virtual Storage Hall“ (VSH) ausführlich beschrieben . Die VSH ist eine virtuelle Umgebung, in der Kommissionierungstätigkeiten innerhalb einer Lagerhalle im Rahmen verschiedener Lern-Szenarien simuliert werden können . Die Aufgabe des Kommissionierers bzw . der Kommissioniererin umfasst das Zusammenstellen der beauftragten Artikel anhand einer so genannten Pickliste mit Namen, Mengen sowie den Standorten, die durch eine mehrstellige Identifikationsnummer definiert werden . Der grundlegende Aufbau der Halle, die Befüllung der Lagerregale sowie die Art der Kommissionierungs-Aufgaben sind einem Unternehmen aus dem Bereich Lagerung und Logistik aus dem Großraum Stuttgart nachempfunden . In diesem rund 3 .000 m2 großen Kommissionier- und Großmengenlager werden rund 20 .000 verschiedene Artikel vorrätig gehalten und jährlich rund 150 .000 Sendungen an Endkunden abgewickelt . Die folgenden Zielgruppen werden im kooperierenden Unternehmen beschäftigt und sollen mithilfe der VSH diese Kommissionierungstätigkeit erlernen und auf ihre reale Tätigkeit vorbereitet werden: Personen mit einer Lernschwäche, Aufmerksamkeitsstörung (ADS, ADHS), Auditiven Verarbeitungsund Wahrnehmungsstörung (AVWS), Spastik oder Autismus (ASD) . Abbildung 1 zeigt einen Ausschnitt aus der realen Lagerhalle sowie die nachempfundene VSH . Die VSH wurde in der Entwicklungsumgebung Unity erstellt und basiert auf der VR-Hardware der HTV-Vive . Neben der Basisfunktionalität von Unity wurden das Framework „SteamVR“ und das darauf aufbauende „Virtual Reality Toolkit“ (VRTK) verwendet . Beide beinhalten nützliche Funktionalitäten für die VR-Entwicklung mit der HTC-Vive . Der Großteil der sichtbaren Grafikelemente ist in der 3D-Software Blender entstanden . Dazu gehören das Außenareal, die Lagerhalle inklusive der La-

Abb. 1 Ausschnitt aus der realen Lagerhalle (links) und der virtuellen Lagerhalle VSH (rechts) (eigene Darstellung).

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gerregale, weitere Objekte der Kommissionierungstätigkeit, wie zum Beispiel ein Paketwagen, die Objekte der Lernaufgaben sowie einer Vielzahl an Detailobjekten ohne Interaktionsmöglichkeiten, welche den Realitätsgrad der Simulation fördern sollen . Um die VR-Anwendung problemlos laufen lassen zu können, sind die Mindestanforderungen der eingesetzten Hard- und Software z . B . in Bezug auf den benötigten Platz, die Leistungsstärke des PCs oder Grafikkarte zu berücksichtigen . 3.1

Aufbau der virtuellen Lagerhalle

Der Aufbau der VSH ist schematisch in Abbildung 2 dargestellt . Den Großteil der virtuellen Lagerhalle nimmt der Regalblock ein . Daneben werden in der Simulation gemäß der realen Halle ein Ablagetisch für die Picklisten und ein funktioneller Paketwagen zum Kommissionieren der Gegenstände bereitgestellt . Der Regalblock umfasst über 200 Regale, welche insgesamt über 10000 Gegenstände enthalten können . Alle Gegenstände sind in Boxen eingeordnet, die jeweils eine eindeutige Identifikationsnummer (ID) besitzen . Die ID setzt sich aus je einer Zahl der Dimensionen (1) Regalgang, (2) Regalsäule, (3) Regalebene und (4) Box zusammen . Im Regalblock gibt es 23 Regalgänge mit je 10 Regalen . Die Regale im Regalblock sind jeweils auf der Vorder- und Rückseite befüllt und zugänglich, deshalb existieren in der Schreibweise der IDs insgesamt 46 Regalgänge . Jedes Regal (= Regalsäule) besitzt 5 Regalebenen und in jeder Ebene befinden sich 2 bis 16 Boxen .

Abb. 2 Schematischer Aufbau der VSH (eigene Darstellung).

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3.2

Die Anwendung

Das Herzstück der Anwendung ist das dynamische Datenmodell des Regalblocks . Es definiert die Anordnung der Regale und der enthaltenen Gegenstände . Das Datenmodell kann beliebig erzeugt werden, um den Anforderungen aller Lern-Szenarien gerecht zu werden . Zum Beispiel kann per Knopfdruck aus einer vorgegebenen Pickliste ein Datenmodell erzeugt werden, welches alle zu suchenden Gegenstände an der richtigen Stelle enthält und die restlichen Boxen mit zufälligen Gegenständen füllt . Die verschiedenen in Blender erstellten 3D-Modelle werden entsprechend dem Datenmodell und einer Maßtabelle der realen Lagerhalle in der Simulation platziert und erzeugen so den sichtbaren Regalblock . 3 .2 .1

Performanz

Die große Anzahl an Gegenständen, die in der VSH gleichzeitig dargestellt werden sollen, beeinträchtigt die Performanz der Anwendung, d . h . die Bildwiederholrate sinkt . Um trotzdem eine angenehm empfundene Bildwiederholrate von über 90 Hz und eine realistische Lichtdarstellung zu gewährleisten, bedient sich die Anwendung einem halbdynamischen Aufbau . Das Datenmodell ist hierbei dynamisch und jederzeit erstellbar . Die realistische Darstellung des 3D-Modells ist aber nur durch eine Vorberechnung der Belichtung (Light-Baking) möglich . Diese Vorberechnung kann je nach gewünschter Lichtqualität mehrere Stunden dauern . Alle Lern-Szenarien wurden auf diese Weise finalisiert . Eine zusätzliche Reduzierung der dargestellten Gegenstände ist mit aktueller Hardware (Stand 2018) trotzdem unumgänglich . Weil jedes Regal insgesamt über hundert Gegenstände zur Simulation hinzufügt, wird ein Großteil der unbenutzten Regale als geometrisch einfacher, geschlossener Lagerschrank dargestellt . Zusätzlich wird in jeder Box nur ein Platzhaltergegenstand angezeigt . Dieser legt der Nutzerin bzw . dem Nutzer bei entsprechender Interaktion eine Kopie seiner selbst in die Hand . Bei dieser Vereinfachung wird trotzdem die festgelegte Anzahl der Gegenstände pro Box und deren einzigartige ID berücksichtigt . Mit diesen zwei Vereinfachungen, welche die angestrebten Aktivitäten in der Halle kaum einschränken, wird die Anzahl der Objekte in den Szenarien mit Regalblock um circa 90 % reduziert . Eine weitere Möglichkeit, die Hardware während der Laufzeit zu entlasten, bietet das „Occlusion-Baking“ . Es ermöglicht diejenigen Gegenstände aus der Berechnung auszuschließen, welche aus Sicht der Nutzerin bzw . des Nutzers in der Anwendung von anderen Gegenständen verdeckt werden . Dazu wird aus mehreren Betrachtungswinkeln in der Simulation systematisch eine rundum Berechnung durchgeführt . Je kleiner die Abstände zwischen den verschiedenen Betrachtungswinkeln sind, desto mehr Gegenstände können später ausgeblendet werden . Damit steigen aber auch die

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Berechnungszeit sowie die Anzahl der berechneten Verdeckungstabellen . Für die VSH erwies sich das Occlusion-Baking mit den von Unity bereitgestellten Werkzeugen aufgrund der blickdurchlässigen Lagerregale als impraktikabel . 3 .2 .2

Avatar, Fortbewegung und Interaktion

Die Schnittstelle zwischen der Nutzerin bzw . dem Nutzer und der Simulation ist der zugewiesene Avatar . Die Person steuert den Avatar über die VR-Brille und die VR-Controller und kann sich so in der Simulation bewegen, umschauen und mit Gegenständen interagieren . Damit die Controller nicht versehentlich fallengelassen werden und vor allem Probanden mit motorischen Einschränkungen keine Bedenken haben müssen, die Controller zu beschädigen, können diese mit Handschlaufen an den Handgelenken befestigt werden . In der aktuellen Version der VSH besitzt der Avatar keinen sichtbaren Körper in der Simulation . Die Nutzerin bzw . der Nutzer sieht nur Abbildungen der realen VR-Controller, um die Interaktionen zu koordinieren . Der Avatar kann allgemein auf unterschiedliche Weisen bewegt werden, welche diverse Vor- und Nachteile mit sich bringen . Zum einen kann die Nutzerin bzw . der Nutzer den Avatar über die VR-Brille bewegen, d . h . über die eigenen Bewegungen im realen Raum, was einer natürlichen Bewegung entspricht . Der Sensorbereich hat für gewöhnlich eine quadratische Form mit einer Diagonalen von fünf Metern . Diese Art der Bewegung wirft aber zwei Probleme auf . Erstens reicht der Sensorbereich nicht aus, um große Umgebungen komplett begehen zu können und zweitens schränken virtuelle Gegenstände in der Simulation die Nutzerin bzw . den Nutzer in den realen Bewegungen nicht ein . Das bedeutet, der Avatar kann sich durch virtuelle Gegenstände hindurchbewegen . Um beide Probleme zu lösen, besteht eine weitere Möglichkeit der Fortbewegung, sich durch einen aufrufbaren Laserstrahl mittels der VR-Controller zu teleportieren . Beim Teleportieren wird der Avatar augenblicklich an den Zielpunkt verschoben . Die Nutzerin bzw . der Nutzer muss sich hierbei nicht mehr vom Mittelpunkt des Sensorbereichs entfernen, kann sich aber weiterhin drehen, beugen sowie auf- und ab bewegen, um das Sichtfeld zu steuern . Da das Teleportieren nur freie Flächen zulässt, ist eine Kollision mit Gegenständen in der Simulation ausgeschlossen . Sollte sich die Person trotzdem mit realen Schritten im Sensorbereich bewegen, erscheint ein Indikator, der sie zur Mitte zurückführt . Das Teleportieren wurde in der aktuellen Version der VSH als standardmäßige Fortbewegungsmöglichkeit gewählt . Eine Alternative zum Teleportieren ist die sensorgesteuerte Fortbewegung des Avatars, das „Tracker-Movement“ . Dazu werden zwei Tracker an den Beinen der Nutzerin bzw . des Nutzers befestigt . Indem die Person auf der Stelle tritt, bewegt sich der Avatar in Blickrichtung nach vorne . Auch hier kann ein Bereich begangen werden, der größer ist, als der abgesteckte Sensorbereich der VR-Brille . Diese Fortbewegungsmethode wirft aber drei Probleme auf . Erstens können bei seitlichen Bewegungen unkontrol-

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lierte Überlappungen zwischen Avatar und Gegenständen in der Simulation auftreten . Außerdem wird ein Abweichen vom Mittelpunkt des Sensorbereichs begünstigt, weil die Nutzerin bzw . der Nutzer die reale Umgebung nicht sieht . Zweitens ist es nicht intuitiv, dass die vertikale Achse der real ausgeführten Bewegungen nicht der horizontalen Achse der resultierenden Bewegungen in der Simulation entspricht . Das dritte Problem ist, dass die sichtbare Vorwärtsbewegung im virtuellen Raum ohne tatsächliche Vorwärtsbewegung des realen Körpers eine Motion Sickness begünstigt . Neben der Fortbewegung kann die Nutzerin bzw . der Nutzer in der VSH mithilfe der VR-Controller virtuelle Gegenstände, zum Beispiel Gegenstände in den Regalen, greifen . Es besteht zudem die Möglichkeit, durch Anvisieren virtueller Knöpfe am linken VR-Controller mithilfe des aufrufbaren Laserstrahls, die aktuelle Pickliste aufzurufen, Informations-Nachrichten zur aktuellen Aufgabe einzublenden sowie die aktuelle Kommissionierungsaufgabe abzugeben . Da Personen mit motorischen Einschränkungen potenzielle Schwierigkeit aufweisen könnten, den Laserpointer auf einen kleinen Bereich zu fokussieren und zu interagieren, sind z . B . die interaktiven Panels und die Pickliste in der VSH viel größer gestaltet, als sie in der Realität sind . 3 .2 .3

Tutor/in und Tutorial-System

Da sich die potenziellen Nutzerinnen und Nutzer in ihrer individuellen Beeinträchtigung stark unterscheiden, ist eine flexible und personalisierte Betreuung während der virtuellen Tätigkeit unumgänglich (vgl . Brooks et al . 2009) . Die flexibelste Lösung hierfür stellt die Betreuung durch eine reale Tutorin bzw . einen Tutor dar . Diese Person kann die Bewegungen und Aktionen der Nutzerin bzw . des Nutzers von außen am Desktop mitverfolgen und bei Schwierigkeiten mit der Steuerung oder Verständnisschwierigkeiten der Aufgaben eine individuelle Hilfestellung geben . Zum Beispiel kann die Wiederholungsrate bei einzelnen Aufgaben adaptiv und individuell erhöht oder verkürzt und an das Lerntempo der Lernenden angepasst werden oder virtuell bereitgestellte Informationen können vorgelesen bzw . vereinfacht erklärt werden . Der Tutorin bzw . dem Tutor steht hierfür das Tutor-Menü zur Verfügung . Mit dessen Hilfe können die einzelnen Lern-Szenarien gestartet werden . Außerdem zeigt es nach der Beendigung eines Szenarios dessen Statistik mit Speicheroptionen an . Des Weiteren verfügt die Tutorin bzw . der Tutor über einen Ablaufplan, welcher den grundlegenden schrittweisen Ablauf der Lern-Szenarien inklusive potentieller Anpassungsmöglichkeiten in der VSH bereitstellt . Grundsätzlich sollte die betreuende Person über die gesundheitlichen Einschränkungen und die besonderen Förder- und Unterstützungsbedarfe der bzw . des Lernenden aufgeklärt sein, um günstige adaptive Anweisungen und Unterstützung bieten zu können . Die VSH besitzt als Alternative zu einer realen Tutorin bzw . einem Tutor auch ein simples Dialogsystem, das „Tutorial-System“ . Dieses ermöglicht es, die Nutzerin bzw .

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den Nutzer voll automatisch schrittweise durch die Lernszenarien zu führen . Dafür muss im Vorfeld eine konforme Darstellung der einzelnen Schritte in Textform definiert werden . Jeder dieser abstrakten Schritte wird durch eines von drei Programm-Modulen in der Simulation verwirklicht . Der „Headgear-Messager“ kann Aufgaben oder Informationen ins Sichtfeld der Person einblenden . Das „Task-Trigger-Modul“ erkennt Aktionen der Person, welche das Tutorial zum nächsten Schritt wechseln lassen soll . Das „Checkpoint-Modul“ zeigt Zielbereiche an und erkennt, wenn die Person diese durchläuft . So kann sie auf einer bestimmten Route durch die Halle geführt werden . Auf diese Weise können wunschgemäße und beliebig lange Tutorials mit kleinem Aufwand erstellt werden . Abbildung 3 veranschaulicht die Bestandteile des Tutorial-Systems .

Abb. 3 Bestandteile des Tutorial-Systems (eigene Darstellung).

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3.3

Die Lern-Szenarien

Die VSH beinhaltet vier Lern-Szenarien . Drei davon vermitteln schrittweise Lerninhalte zur allgemeinen Verwendung der VR-Hardware sowie zur Kommissionierungstätigkeit . Im vierten Szenario wird der gesamte Ablauf einer Kommissionierungs-Aufgabe ohne Anweisungen oder zusätzliche Hilfestellungen simuliert . Diese Aufteilung in verschiedene Szenarien und kleine komprimierte Lernaufgaben ist wichtig, um die Vermittlung der Lerninhalte an die unterschiedlichen Lern- und Niveaustufen der Lernenden anzupassen . Insbesondere für lernschwache Personen und Lernende mit ADHS ist es besonders wichtig, dass die Lernaufgaben in kleinen Teilen aufbereitet werden (vgl . Krueger & Dayan 2009; Gold 2018) . Somit lernen sie die Prozesse voneinander zu trennen und klar zu differenzieren . Prozedurale Aufgaben werden im Arbeitsgedächtnis effektiver weiterverarbeitet, wenn die Aufgaben in kleine Abschnitte eingeteilt werden (Gold 2018) . Der zu lernende Gesamtprozess wird so in kleinere Einheiten aufgeteilt, was die Komplexität in den Einzeleinheiten reduziert . Die im vorhergehenden Lern-Szenario oder in der vorangegangenen Aufgabe erworbenen Kenntnisse werden in der darauffolgenden Einheit wieder aufgegriffen und die Schwierigkeit durch Hinzunahme weiterer Lern-Elemente erhöht . Nur wenn die Nutzenden eine Lern-Einheit absolvieren, sollten sie die nächste Lern-Einheit bearbeiten können . Unumgänglich ist bei Einsatz einer neuen Technologie die Schulung der Bedienung zur Fortbewegung und Interaktion . Bevor die tatsächliche Kommissionierungsaufgabe vermittelt wird, wird diese deshalb im ersten Lern-Szenario thematisiert . Gestufte Lernhilfen in Bezug auf die Handlungs- und Interaktionsmöglichkeiten durch implementierte Funktionen im System unterstützen den Lern-Prozess zusätzlich . Die Lernenden werden in den ersten Lern-Szenarien stark angeleitet und schrittweise durch die Aufgaben geführt, woraufhin im vierten Szenario frei exploriert und die Aufgaben selbstständig durchgeführt werden können und die Lernenden maximale Handlungsspielräume haben . Die Lernenden sollten in diesem Rahmen jeweils klare und ausführliche Erklärungen in Bezug auf die Ziele der einzelnen Lernsequenzen sowie die Aufgaben erhalten, um ihnen ein Gefühl der Steuerbarkeit des Lernprozesses zu vermitteln . Diese didaktische Transparenz hinsichtlich der Arbeitsaufträge und Lernziele soll bei den Probanden ein lernfreundliches Klima schaffen . Zusätzlich soll die Motivation der Lernenden durch ein adaptives Belohnungssystem gefördert werden . Sie bekommen sofort ein positives Feedback, wenn eine Aufgabe richtig erfüllt wurde, z . B . durch Animationen oder sprachliches Lob . Jeder Durchlauf eines Lern-Szenarios erzeugt automatisch eine Statistik über die Aktionen der Nutzerin bzw . des Nutzers . Abbildung 4 gibt einen Überblick zu den einzelnen Lern-Szenarien .

Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf

Abb. 4 Übersicht der einzelnen Lern-Szenarien in der VSH (eigene Darstellung).

3 .3 .1

Controls-Szenario

Im Controls-Szenario lernt die Nutzerin bzw . der Nutzer die Steuerung und alle Interaktionsmöglichkeiten der VSH kennen . Die Person startet im Eingangsbereich der virtuellen Lagerhalle, in der sich fünf Lern-Stationen befinden, welche schrittweise durchlaufen werden . Die Lern-Stationen bestehen jeweils aus einer Informationstafel und möglichen Testgegenständen . Auf den Informationstafeln sind die Steuerungsund Interaktionsmöglichkeiten theoretisch beschrieben, welche die Nutzerin bzw . der Nutzer jeweils direkt an den bereitgestellten Testgegenständen in spielerischen Aufgaben ausprobieren und üben kann . An der ersten Station lernt die Person mittels der VR-Controller zu teleportieren . An der zweiten Station wird das Greifen von Gegenständen erklärt . An der dritten Station wird das Teleportieren mit dem Greifen verbunden und gezeigt, wie beide Controller gleichzeitig verschiedene Aktionen ausführen können . An der vierten Station wird vermittelt, wie mithilfe der virtuellen Knöpfe am linken VR-Controller Informationsnachrichten des Headgear-Messagers wiederholt aufgerufen werden können . An der fünften Station wird die Benutzung der virtuellen Pickliste erklärt . 3 .3 .2

Search-Szenario

Das Search-Szenario soll vermitteln, wie gelagerte Gegenstände anhand ihrer ID gefunden werden können . Dafür wird in vier Lernstationen schrittweise aufbauend die Bedeutung der einzelnen Ziffern der ID und deren Verortung in den Regalgängen, -säulen, -ebenen und Boxen erklärt . Jede Station enthält neben einer Informationstafel bis zu zwei Aufgaben mit Spielcharakter . Die erste Aufgabe befasst sich jeweils nur mit der aktuell zu lernenden Ziffer der ID, während die zweite Aufgabe auch alle zuvor behandelten Lernschritte miteinbezieht . An der ersten Station lernt die Person, die gesuchten Regalgänge zu finden . An der zweiten Station wird gezeigt, wie innerhalb eines Regalgangs die richtige Regalsäule gefunden werden kann . Dazu werden der Nutzerin bzw . dem Nutzer zwei spielerische Sammelaufgaben im Regalblock gestellt . An der dritten Station lernt die Person mit-

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hilfe einer spielerischen Zuordnungsaufgabe sowohl in einem einzelnen Regal als auch im gesamten Regalblock die Regalebenen zu identifizieren . An Station 4 wird das Wissen über die Boxennummern vermittelt . Im ersten Spiel soll die Person Gegenstände in die passenden Boxen eines alleinstehenden Regals einsortieren . Im zweiten Spiel müssen Gegenstände in die entsprechenden Boxen im gesamten Regalblock gelegt werden, was alle vorherig gelernten Ziffern zusammenführt . 3 .3 .3

Task-Szenario

Im Task-Szenario lernt die Nutzerin bzw . der Nutzer an drei Stationen den zusammenhängenden Ablauf einer Kommissionierungs-Aufgabe kennen . Die Person soll nach diesem Szenario in der Lage sein, in der VSH ohne Hilfestellung virtuelle Gegenstände kommissionieren zu können . An der ersten Station soll die Nutzerin bzw . der Nutzer lernen, wo die Picklisten für die Kommissionierungs-Aufgaben in der Halle zu finden sind und welche Picklisten priorisiert werden sollen . In einem Lernspiel kann vertieft werden, wie die priorisierte Liste erkannt wird . An der zweiten Station werden Hinweise dazu gegeben, wie die Picklisten möglichst effizient abgearbeitet werden können . Dabei spielt die gelaufene Route, die richtige Benutzung des Paketwagens sowie der finale Abgabeort der gesammelten Gegenstände eine Rolle . In einem Lernspiel sollen die Nutzerin bzw . der Nutzer diese Hinweise mit einer vereinfachten Aufgabenstellung umsetzen . An der dritten Station wird behandelt, wie die Kommissionierungs-Aufgabe abgeschlossen werden kann und wie weitere Picklisten abgearbeitet werden können . 3 .3 .4

Independent-Szenario

Im Independent-Szenario kann die Nutzerin bzw . der Nutzer die gesamte Kommissionierungs-Tätigkeit ausführen . Dafür liegen mehrere Picklisten bereit, die nacheinander abgearbeitet werden können . Die Person startet im Eingangsbereich der simulierten Lagerhalle und findet die Ablagefläche der Picklisten sowie den Start- und Abgabebereich des Paketwagens direkt vor sich . Dahinter befindet sich der Regalblock . 3 .3 .5

Auswertung

Die einzelnen Szenarien erzeugen jeweils eine Ergebnisstatistik, die allgemeine Messwerte und weitere Parameter der Kommissionierungstätigkeit umfasst . Von Interesse ist beispielsweise, wann und mit welchen Gegenständen die Person interagiert, die

Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf

fortbewegte Distanz durch das Teleportieren oder Bewegungen sowie Rotationen und längere Fokussierungen der VR-Brille . 3.4

Entwicklungsmöglichkeiten

Die folgenden Abschnitte befassen sich mit weiteren Entwicklungsmöglichkeiten der VSH, welche in der aktuellen Entwicklungsversion noch nicht enthalten sind . 3 .4 .1

Vertonung

In der aktuellen Version der VSH bekommt die Nutzerin bzw . der Nutzer neben den möglichen Anweisungen und Hilfestellungen der Tutorin bzw . des Tutors alle Aufgaben und Anweisungen über Texte vermittelt . Eine Vorlese-Funktion könnte hier per Knopfdruck zugeordnete Infotexte vorlesen oder als Sprache eines computergesteuerten Charakters dienen . Durch den zusätzlichen optionalen Informationskanal könnte der Lernprozess insbesondere für Lernende mit einer Sehstörung oder einem Aufmerksamkeitsdefizit unterstützt werden . Dieses Feature ist entweder durch ein Text-to-Speech-Programm oder eigene Tonaufnahmen zu verwirklichen . Das Text-to-Speech-Plugin verwendet eine computergenerierte Stimme, um Texte zu versprachlichen . Die eigenen Tonaufnahmen klingen dagegen zwar menschlicher, müssen aber alle selbst eingesprochen werden und sind deshalb aufwändiger . 3 .4 .2

Körperdarstellung

Die Nutzerin bzw . der Nutzer besitzt in der Simulation einen Avatar . Betrachtet die Person sich selbst, sieht sie aber nur die in der Luft schwebenden 3D-Modelle der VR-Controller . Die Immersion der Simulation könnte weiter gesteigert werden, indem die VR-Controller sowie deren Funktionen durch 3D-Modelle von realistischen Händen und deren Animationen ersetzt werden oder sogar ein komplettes animiertes Körpermodell integriert wird, damit die Nutzerin bzw . der Nutzer sein Handeln umfassender wahrnehmen kann .

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3 .4 .3

Computergesteuerte Charaktere

In der aktuellen Version befindet sich die Nutzerin bzw . der Nutzer alleine in der Lagerhalle . Es ist möglich, zusätzliche computergesteuerte Charaktere in die Lagerhalle einzufügen . Diese können entweder zur Visualisierung der Tutorin bzw . des Tutors verwendet werden oder computergesteuerte Mitarbeiterinnen bzw . Mitarbeiter simulieren . 3 .4 .4

Kollaboratives Arbeiten

Im Moment kann die VSH nur von einer einzelnen Person benutzt werden . Durch eine Erweiterung der Anwendung wäre es möglich, dass mehrere Personen eine Simulation gemeinsam nutzen . Auf diese Weise wären ein kollaboratives Lernen und Arbeiten, lokal oder über das Internet, möglich . 3 .4 .5

Weiterentwicklung des Tutorial-Systems

In der aktuellen Version sind die Schritte der Tutorials statisch definiert . Ein erweitertes System könnte Informationen und Aufgaben im Verlauf adaptiv an das Handeln der Nutzerin bzw . des Nutzers anpassen . Zum Beispiel könnten die Aufgaben individuell häufig wiederholt werden . Mit einem ausreichend flexiblen Tutorial könnte die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass die Person ohne eine reale Tutorin bzw . einen realen Tutor erfolgreich durch die Szenarien geführt werden kann . 4.

Explorative Studie

4.1

Zielsetzung

Die Zielsetzung der Studie besteht darin, die entwickelte virtuelle Lernumgebung VSH mit ihren spezifischen technologischen und methodischen Optionen (siehe Abschnitt 3) im Hinblick auf ihre grundsätzliche Eignung für angehende Fachkräfte der Lagerlogistik zu untersuchen . Dabei geht es auch darum, mögliche Nutzungsbarrieren in Abhängigkeit der individuellen Beeinträchtigung zu analysieren . Die Untersuchungsziele und der verbundene Erkenntnisgewinn der Studie bestehen darin, festzustellen, welche speziellen Faktoren der VR-Umgebung von den befragten Auszubildenden perzipiert und als motivierend und im Hinblick auf den Kompetenzerwerb für relevant erachtet werden .

Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf

4.2

Anlage und Umsetzung der Studie

In Anbetracht des explorativen Charakters des Studienziels und der individuellen Beeinträchtigungen der Studienteilnehmerinnen bzw . -teilnehmer, wurde forschungsmethodisch ein qualitativer Zugang mit leitfadengestützten Interviews durchgeführt . 4 .2 .1

Stichprobe

An der Interviewstudie nahmen insgesamt N = 8 Personen teil, davon n = 5 Beschäftigte, n = 1 Auszubildende und n = 2 Aushilfen in den Berufen Fachlagerist/in und Fachkraft für Lagerlogistik . Die Stichprobe setzte sich aus n = 5 Männern und n = 3 Frauen zusammen . Das Durchschnittsalter betrug 25 .48 Jahre (SD = 6 .84 Jahre) mit einer Spanne von 18 bis 38 Jahre . Die Teilnehmer entstammten einem Unternehmen aus dem Bereich Lagerung und Logistik, das rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter über 30 Menschen mit Behinderung, beschäftigt und benachteiligten Jugendlichen, die ohne zusätzliche Förderung eine Berufsausbildung nicht erfolgreich abschließen würden, geförderte Ausbildungsplätze anbietet . Es nahmen n = 2 Personen mit Lernbehinderung (davon n = 1 Person mit einer zusätzlichen Spastik), n = 1 Person mit Schizophrenie (kognitiv verlangsamt), n = 1 Person mit ASD und ADS, n = 1 Person mit Depression (kognitiv und motorisch verlangsamt) und n = 1 Person mit Hörbehinderung (kognitiv verlangsamt, versorgt mit Hörgeräten/Cochlea-Implantat2) sowie n = 2 Personen ohne Einschränkungen, darunter eine Vertreterin der Lagerleitung, teil . Es gaben n = 6 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, Spielerfahrung mit PC, Konsole oder Handy zu haben . Außerdem haben n = 3 Personen die VR-Technologie im Rahmen von VR-Spielen bereits ausprobiert . Es trugen n = 6 Personen eine Brille . Da ein männlicher Teilnehmer nicht mit der Tonaufnahme des Interviews einverstanden war, wurden seine Antworten schriftlich protokolliert . 4 .2 .2

Ablauf der Datenerfassung

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden zunächst zum Vorgehen und Ziel der Untersuchung instruiert sowie kurz über die VR-Technologie informiert . Die Personen durchliefen daraufhin die beiden Trainingsszenarien „Controls“ und „Search“ (siehe Abschnitt 3) mit einer zwischenzeitlichen Pause unter Betreuung einer Tutorin . Im Durchschnitt wurden für das erste Szenario 12 Minuten (Min = 6 Minuten, Max = 20 Minuten) und für das zweite Szenario 24 Minuten (Min = 13 Minuten, Max = 35 Minuten) benötigt .

2

Hörprothese für Gehörlose

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Die Befragung mittels des teilstrukturierten Interviewleitfadens erfolgte unmittelbar nach der Umsetzung des Trainings in der VR-Umgebung und dauerte im Durchschnitt 7 Minuten (Min = 5 Minuten, Max = 12 Minuten) . Um den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Beantwortung der Fragen zu erleichtern, konnten sie zur Einschätzung der Ausprägung einer Eigenschaft ergänzend eine visuelle 5-stufige Skala (1 = „Daumen nach oben [grün]“ bis 5 = „Daumen nach unten [rot]“) verwenden . 4 .2 .3

Auswertung

Die Auswertung der Interviews erfolgte als qualitative Inhaltsanalyse (vgl . Mayring 2015) . Das Kategoriensystem beinhaltet insgesamt 175 Codes in den 8 deduktiv gebildeten Kategorien „Spaß bei der virtuellen Tätigkeit“ (18 Codes; Cohens Kappa3 = .98), „Anstrengung bei der virtuellen Tätigkeit“ (20 Codes; Cohens Kappa = .93), „Bedienung der VR-Technologie“ (56 Codes; Cohens Kappa = .80), „Anlernqualität der virtuellen Umgebung für Kommissionier-Tätigkeiten“ (25 Codes; Cohens Kappa = .85), „Allgemeine Beurteilung der Erfahrung in VR“ (26 Codes; Cohens Kappa = .73), „Nutzungsintention von VR in der Zukunft“ (14 Codes; Cohens Kappa = .79), „Motion Sickness“ (1 Code; Cohens Kappa = 1 .00) und „Optimierungsvorschläge“ (15 Codes; Cohens Kappa = .78) . 4.3

Ergebnisse

Im Rahmen der Ergebnisdarstellung finden ausgewählte Zitate Verwendung, um der Leserin bzw . dem Leser die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Befragten zu verdeutlichen . Folgende weiterführende Informationen werden erläuternd zu den Interviewten angegeben: Geschlecht (m = männlich, w = weiblich), Alter und Behinderung (A = ASD, D = Depression, L = Lernbehinderung, S = Schizophrenie, H = Hörbehinderung, o . E . = ohne Einschränkung) sowie, ob die Personen bereits Erfahrung mit VR (VR-Erfahrung vs . keine VR-Erfahrung) haben . 4 .3 .1

Spaß bei der virtuellen Tätigkeit

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, dass ihnen die virtuelle Tätigkeit viel Spaß gemacht hat . Die positive Beurteilung wurde bei den Personen ohne Erfahrung mit VR vor allem mit dem Neue-Aspekt der Technologie begründet: Maß für die Interrater-Reliabilität (Beobachterübereinstimmung zweier unabhängiger Beobachter) . Eine sehr gute Übereinstimmung liegt nach Fleiss und Cohen (1973) bei Werten k > .75 vor, von einer guten Übereinstimmung wird bei .60 < k < .75 ausgegangen . 3

Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf

„Also mir macht es Spaß, etwas Neues zu lernen, neue Sachen zu lernen […] . Und das hat mir also Spaß gemacht .“ (m, 25 Jahre, H, keine VR-Erfahrung) „Weil ich hab das noch nie gemacht und so, das ist für mich das erste Mal und das war gut gewesen“ (m, 38 Jahre, D, keine VR-Erfahrung)

Ein Proband mit VR-Erfahrung gab zudem an, technisch interessiert zu sein und deshalb Spaß an der Technik zu haben . Ein weiterer Teilnehmer gab an, dass ihm die verschiedenen Aufgaben in den beiden Szenarien Spaß gemacht haben . Die Lagerleitung bestätigte dies mit der Auffassung, dass die einzelnen Aufgaben die Nutzer durchgängig beschäftigen und dadurch keine Langeweile aufkam: „Einem ist dabei nicht langweilig geworden, also man hat schon gemerkt: okay, einsammeln, hinlegen . Ich denke das kann ich mir schon gut vorstellen […] wenn man dann verschiedene Aufgaben hat . […]so vom Prinzip her denke ich, macht das auf jeden Fall schon recht gut Spaß“(w, 30 Jahre, o . E ., VR-Erfahrung)

4 .3 .2

Anstrengung bei der virtuellen Tätigkeit

Sechs Probanden fanden die virtuelle Tätigkeit nicht oder nur leicht körperlich oder kognitiv anstrengend . Die Bearbeitung der einzelnen Aufgaben in der virtuellen Umgebung oder die Anweisungen des Versuchsleiters waren demnach keine große Belastung für die Probanden: „Also wenn man die Aufgaben lesen muss, dann muss man natürlich erstmal überlegen, was muss man jetzt eigentlich machen . […] Ich meine so anstrengend war es eigentlich nicht“ (m, 19 Jahre, L, VR-Erfahrung)

Ein Proband ohne Erfahrung mit VR, welcher im Vergleich zu den anderen Teilnehmern größere Schwierigkeiten hatte, die Steuerung der Technologie zu erlernen (siehe auch 4 .3 .4 Bedienung), beurteilte die Anstrengung höher: „Eine 4 [= anstrengend auf der visuellen 5-stufigen Skala] war es schon, ich habe es noch nie gemacht und so .// I4: Was genau war für dich anstrengend?// TN55: Das teleportieren, dorthin zu gehen und das holen und so alles“ (m, 38 Jahre, D, keine VR-Erfahrung)

Ebenso wurde von einem Probanden (m, 30, A, keine VR-Erfahrung) angemerkt, dass das Merken der gelesenen Inhalte auf den Tafeln für ihn schwierig gewesen sei, weshalb er die Anstrengung als mittelmäßig beurteilte . Zwei Probanden gaben an, dass die

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I = Interviewerin TN = Teilnehmer/in

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Nutzung der VR-Brille für ihre Augen anstrengend gewesen sei . Dieser Aspekt sollte gemäß der Lagerleitung vor allem bei längeren Tätigkeiten in VR berücksichtigt werden: „I: Wie anstrengend war das für deine Augen?// VP8: Also so jetzt auf einen kurzen Zeitraum fand ich es nicht anstrengend, ich könnte mir jetzt aber schon vorstellen, also aus Erfahrung mit VR, wenn man da halt eine Stunde oder so dran sitzt, dann geht das schon auf die Augen . Also für so einen kurzen Zeitraum würde ich sagen, gar nicht“ (w, 30 Jahre, o . E ., VR-Erfahrung)

4 .3 .3

Bedienung der VR-Technologie

Nach eigener Aussage kamen fünf Teilnehmerinnen bzw . Teilnehmer insgesamt sehr gut bis gut mit der Bedienung der VR-Technologie zurecht und beherrschten die Steuerung zum Teleportieren und Greifen von Objekten nach dem Szenario „Controls“ in gutem bis sehr gutem Maße . Die Einführung in die Bedienung wurde als leicht verständlich bewertet: „I: Wie gut hast du [die Bedienung] danach [Szenario Controls] verstanden?// VP2: Ja sofort . Das war kein Problem“ (w, 21 Jahre, S, keine VR-Erfahrung) „die Einweisung, die war sehr einfach“(m, 22 Jahre, L, VR-Erfahrung)

Die Steuerung durch nur zwei Knöpfe an den Controllern wurde von zwei Teilnehmern, darunter die Vertreterin der Lagerleitung, positiv beurteilt: „An der Bedienung fand ich besonders einfach, dass ich halt nur zwei Knöpfe hatte bei denen ich jetzt nicht großartig nachdenken muss für was ist jetzt das, für was ist jetzt das . Sondern nein, ich hab einfach nur die Trigger-Taste, um Dinge zu greifen und […] das Touchpad, um mich zu teleportieren . Drehen kann ich mich ja sowieso, also es ist wirklich nicht schwer“ (m, 22 Jahre, L, VR-Erfahrung)

Zwei Probanden gaben an, dass es anfangs etwas Übung erforderte mit den Controllern umzugehen, wenn man die VR-Technologie noch nicht gut kennt . Mit der Zeit wäre die Steuerung aber durch die Übung problemlos . So beurteilte ein Proband sein Verständnis zur Steuerung zu Beginn der virtuellen Tätigkeit als mittelmäßig, zum Ende aber als sehr gut . Eine Person stellte hierzu fest, dass sie trotz der positiven Beurteilung manchmal mit der Steuerung durcheinander kam, wenn sie sich im Szenario „Search“ eine Aufgabe zum Lagersystem merken musste: „immer mal wieder hab ich jetzt nicht gewusst, muss ich jetzt das Touchpad oder muss ich den Trigger halten . […] wenn man sich zum Beispiel jetzt konzentrieren muss, ja ich muss

Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf

zu B03, dann Säule 2, dann hat man das natürlich im Kopf und dann vergisst man mal hier, oh was muss ich jetzt drücken, um mich zu teleportieren“ (m, 22 Jahre, L, VR-Erfahrung)

Zwei Probanden gaben an, mittelmäßig mit der Bedienung zurechtgekommen zu sein . Im Folgenden werden in diesem Zusammenhang aufgetretene Schwierigkeiten bei der Bedienung näher erläutert . Drei Teilnehmer merkten an, dass das Greifen von virtuellen Objekten für sie insgesamt schwieriger war, als das Teleportieren: „Also im teleportieren bin ich zufrieden […] . Beim Greifen war das nicht einfach“ (m, 25 Jahre, H, keine VR-Erfahrung)

Beim Teleportieren erwähnten zwei Teilnehmerinnen, dass die Abschätzung und Auswahl der korrekten Distanz teilweise problematisch war: „Manchmal hab ich beim teleportieren, war ich zu weit, war bisschen schwierig das einzuschätzen, wie weit muss ich jetzt zielen mit dem Controller“ (w, 21 Jahre, S, keine VR-Erfahrung)

Eine Probandin entfernte sich nach eigener Aussage während der virtuellen Tätigkeit zeitweise von der Mitte des Sensorbereichs, was durch den Versuchsleiter korrigiert werden musste, um die Funktionalität der virtuellen Umgebung aufrecht zu erhalten: „Ja, manchmal bin ich aus dem gelben Feld rausgegangen oder so oder aus Versehen ins Regal rein“ (w, 21 Jahre, S, keine VR-Erfahrung)

Vier Probanden merkten an, dass sie die Beschriftungen in der Lagerhalle durch die Auflösung der VR-Brille oder ihre eigene Brille darunter teilweise nicht gut erkennen konnten, was auch in Kombination mit den engen Gängen zu Orientierungsproblemen geführt hat (siehe auch 4 .3 .8 Optimierungsvorschläge) . Zusammenfassend kann angemerkt werden, dass in der Bedienung von VR keine gravierenden Schwierigkeiten aufgetreten sind und diese ggf . durch mehr Übung behoben werden können . Insgesamt schätzte auch die Vertreterin der Lagerleitung die Bedienung als einfach und geeignet für Personen mit besonderem Förder- und Unterstützungsbedarf ein . Insbesondere jüngere Personen mit Spielerfahrung sollten dieser Einschätzung nach keine Probleme haben, die Steuerung zu erlernen: „die meisten würden es wahrscheinlich gut hinbekommen- ich glaube, gerade die Jüngeren . Prinzipiell haben die schon einen PC […] oder einen Controller mal in der Hand gehabt, da soll es kein Problem sein . Wenn jetzt jemand lernschwach ist und ist dann eher über 60 [ Jahre alt], könnte ich mir vielleicht vorstellen, dass sie sich da schwertun würde . Aber dadurch, dass die Bedienung eigentlich so einfach ist, ist das dann auch, wenn man das dann ein paar Minuten in der Hand hat, denke ich, nicht so das Problem“ (w, 30 Jahre, o . E ., VR-Erfahrung)

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4 .3 .4

Anlernqualität der virtuellen Umgebung für Kommissionier-Tätigkeiten

Fünf Probanden schätzten ihr Verständnis über das gelernte Lagersystem nach dem Szenario „Search“ als gut bis sehr gut ein . Eine Person beurteilte ihr Verständnis als befriedigend . Angemerkt werden sollte an dieser Stelle, dass die Probanden das reale Lagersystem, an welchem sich der virtuelle Lagerraum orientiert, aus ihrem Arbeitsalltag bereits kannten . Trotzdem wurde von den Probanden eine Einschätzung erbeten, um mögliche Optionen zur Optimierung des Lernsystems für Personen ohne Kommissionier-Kenntnisse ableiten zu können . Eine Probandin merkte die Übereinstimmung mit der Realität explizit an: „Ja das hab ich schon immer gewusst . Das ist ja das gleiche, der gleiche Regalaufbau gewesen wie in meiner Arbeitsstelle .// I: Hast du das wiedererkannt?// VP2: Wiedererkannt, genau . Und dann musste ich nicht viel lernen . Also, das wusste ich schon davor, wie das aufgebaut ist“ (w, 21 Jahre, S, keine VR-Erfahrung)

Die Ähnlichkeit zwischen der virtuellen und der realen Lagerhalle wurde vor diesem Hintergrund von einem weiteren Probanden positiv bewertet: „Gut fand ich, wie detailgetreu das unserem Lager nachempfunden war . Also klar, es sieht nicht hundertprozentig danach aus, aber B01 bis B045/46, das war richtig“ (m, 22 Jahre, L, VR-Erfahrung)

Fünf Probanden beurteilten die Lernspiele als gut und hilfreich, um das Lagersystem zu verstehen: „Also das Lagersystem habe ich durch die Spiele gut verstanden und bin ich gut zurechtgekommen“(m, 25 Jahre, H, keine VR-Erfahrung)

Die einzelnen Arbeitsanforderungen waren dabei gemäß zweier Probanden annehmbar und verständlich . Die Möglichkeit, sich die Erklärungen zum Lagersystem bei Unklarheiten auf den Tafeln erneut anschauen zu können, wurde hierbei als unterstützend wahrgenommen: „es ist einfach erklärt, also es ist jetzt kein zu hohes Niveau vom Lesen her, das könnte jemand, der jetzt nicht unbedingt den höchsten Wortschatz hat auch noch leicht nachvollziehen“ (m, 22 Jahre, L, VR-Erfahrung) „da es auch gut erklärt wurde, ganz wörtlich, dass man das auch gut versteht und also man konnte sich immer wieder, falls man sich nicht klar ist, konnte man immer wieder dran gehen an die Wände, um zu schauen, wie das ist und dann ging es ganz gut“ (w, 18 Jahre, o . E ., keine VR Erfahrung)

Ein Proband konnte sich außerdem vorstellen, dass das Gelernte in der virtuellen Umgebung übertragbar auf die reale Welt ist . Verständnisschwierigkeiten zur Num-

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merierung und Einteilung der Säulen, Ebenen oder Boxen traten laut eigener Aussage im Laufe der Durchführung bei drei Probanden auf, wurden aber mit der Zeit durch die Übung besser oder aber es handelte sich um „Leichtsinnsfehler“ (m, 22 Jahre, L, VR-Erfahrung): „am Anfang war es ein bisschen unklar gewesen, aber dann mit der Zeit habe ich es einigermaßen kapiert . So eine Übung gewesen halt“ (m, 38 Jahre, D, keine VR-Erfahrung)

Die Vertreterin der Lagerleitung schätzte zusammenfassend ein, dass die schrittweise Vermittlung des Lagersystems in den Lernspielen für Personen mit besonderem Förder- und Unterstützungsbedarf geeignet ist und die Anforderungen der realen Tätigkeit insofern entsprechen, als dass eine weitere Vereinfachung relevante Inhalte weglassen müsste . Verständnisschwierigkeiten könnten im Rahmen der Übung auch thematisiert werden: „Ich denke, dass das schon gut aufgebaut war mit der Reihenfolge . […] Ich denke, von der Menge her, die da jetzt dargestellt worden war, war das eigentlich schon genau die richtige, weil weiter reduzieren könnte man es nicht, ohne dass man dann etwas raus lässt, wo eigentlich dann auch später wichtig sein könnte . Ich denke, dass es wahrscheinlich schon angemessen ist, weil, es ist ja auch eine Lernumgebung, d . h . wenn man am Anfang Fehler macht, dann macht man halt die Fehler . Dafür ist es ja da, zum üben, bis man dann die richtigen Plätze hat“ (w, 30 Jahre, o . E ., VR-Erfahrung)

4 .3 .5

Allgemeine Beurteilung und Nutzungsintention von VR in der Zukunft

Insgesamt bewerteten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Erfahrung in der virtuellen Umgebung als positiv bis sehr positiv . Sie gaben ausnahmslos in hohem Maße an, dass sie die virtuelle Umgebung sehr gerne oder gerne in Zukunft nutzen würden, um neue „Dinge“ zu lernen . Die VR-Technologie stellt in diesem Rahmen, nach der Einschätzung der befragten Teilnehmerinnen bzw . Teilnehmer eine neue und interessantere Möglichkeit dar, um berufliches Wissen und Fähigkeiten zu erwerben: „Ja das wäre schon spannender als nur Theorie in der Schule . Ich habe ja auch in der Schule das gehabt, wie das Regal aufgebaut ist, aber so macht es natürlich noch mehr Spaß als nur im Buch das anzugucken“ (w, 21 Jahre, S, keine VR-Erfahrung) „Ha es ist mal etwas anderes, eine Herausforderung und so“ (m, 38 Jahre, D, keine VR-Erfahrung)

Eine Probandin führte als Begründung den Vorteil von VR an, in einem geschützten Raum Neues lernen zu können, ohne reale Abläufe zu stören oder selbst gestört zu

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werden . In Übereinstimmung hiermit gaben zwei Probanden an, dass die virtuelle Umgebung vor allem vorteilhaft für einen ersten Einblick in die Lagerhalle und damit einhergehend für eine bessere Vorstellung der Arbeitsabläufe beim Kommissionieren sein kann: „Da es interessant war, das so zu erleben und ich davor noch nie so eine Erfahrung hatte und ich auch so jetzt zum Beispiel, wenn ich jetzt keinen Einblick hätte im Lager auch einen guten Einblick davon bekommen würde“ (w, 18 Jahre, o . E ., keine VR Erfahrung)

Des Weiteren wurde von einem Probanden eine Erleichterung der körperlichen Arbeit bei der Erlernung des Lagersystems durch das Trainieren in VR und der dort gegebenen Fortbewegungsmöglichkeit des Teleportierens genannt: „Und es ist halt für die Leute ein bisschen leichter, wenn sie was suchen und sie müssen nur draufdrücken und dann zeigt es da an, dort ist es und es tut dir viel Arbeit wegnehmen . Körperliche Arbeit ein bisschen, dass man es im Kopf leichter findet, das ist einfacher dann“ (m, 38 Jahre, D, keine VR-Erfahrung)

Dieser Aspekt und der damit einhergehende wirtschaftliche Vorteil durch eine Zeitersparnis in den Abläufen, auch dadurch, dass ein Trainer nicht in der realen Lagerhalle mitlaufen muss, wurden durch die Vertreterin der Lagerleitung bestätigt . Sie betonte aber auch, dass die reale Erfahrung wichtig ist und sie sich ein VR-Training deshalb in Kombination mit einem realen Training und für einen ersten Eindruck als vorteilhaft vorstellen kann . Insgesamt kam sie zu dem Schluss, dass die virtuelle Umgebung VSH für Personen mit besonderem Förder- und Unterstützungsbedarf als Lernsystem für Kommissionier-Tätigkeiten geeignet ist: „Also ich denke, dass es schon sehr geeignet sein kann, weil da hat man halt die Möglichkeit, auf jeden Fall zu üben . […] der Mitarbeiter müsste dann mitlaufen, dann wäre es- fände ich- wahrscheinlich wirtschaftlich gesehen, so ein virtueller Übungsraum fast sinnvoller, wie das jetzt in einem richtigen Lager zu üben . […] Also jetzt komplett in einer virtuellen Umgebung nicht, aber so zum Reinschauen oder zum Ausprobieren finde ich das irgendwie schon super, weil das einfach – ich finde das zeitsparender, wie wenn man jetzt wirklich ein großes Lager hat und man muss alles hoch und runterrennen dafür . Ich denke so einfach nur zum Ausprobieren, wie es ist, fände ich es glaube ich super . Ich bin aber schon so ein Mensch, der auch eben mal die Sachen in die Hand nehmen muss, um zu schauen, ob das dann auch so klappt . Aber ich denke, so für den Ersteindruck, finde ich es auf jeden Fall gut“ (w, 30 Jahre, o . E ., VR-Erfahrung)

Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf

4 .3 .6

Motion Sickness

Ein einzelner Proband (m, 19 Jahre, L, VR-Erfahrung) äußerte, dass es ihm während der virtuellen Tätigkeit ein wenig schlecht geworden war . Die restlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten laut eigener Aussage während oder nach der virtuellen Tätigkeit keine Probleme mit Motion Sickness oder Kopfschmerzen . 4 .3 .7

Optimierungsvorschläge

Zur Verbesserung der angesprochenen Schwierigkeiten im Erkennen der Bezeichnungen auf den Tafeln und an den Gängen sollte die Beschriftung entsprechend vergrößert werden sowie die Breite der Gänge angepasst werden . Im Rahmen der technischen Optimierung schlug ein Proband zur weiteren Entlastung der Augen für die VR-Brille vor, „den Helligkeitsgrad ein bisschen [zu] senken“ (m, 22 Jahre, L, VR-Erfahrung) . Die Nutzung einer kabellosen Brille sowie die Verbesserung des haptischen Feedbacks beim Greifen wurden auch/ebenso im technischen Rahmen genannt . Von Seiten der Lagerleitung wurde ein Optimierungsvorschlag im Hinblick auf ein automatisiertes Feedback durch das System gemacht, um auch im virtuellen Raum direkt erkennen zu können, ob eine Aufgabe korrekt oder nicht korrekt gelöst wurde, z . B . durch ein grünes oder rotes Aufblinken des Pakets bei entsprechender Platzierung . Eine spielerischere Rückmeldung oder Belohnung dieser Art könnte gerade jüngere Auszubildende noch stärker anregen: „Also was ich denke, das Einzige, was man, wenn man jetzt noch Jugendlicher ist, wenn man dann auch irgendsowas aufploppen würde „super!“ oder irgendwie . So wie so eine Trophäe bei Spielen, wo einen ja dann sehr animiert . Oh, ich möchte das jetzt noch schneller oder besser schaffen . Das könnte ich mir noch vorstellen, dass das jetzt noch mehr animieren würde . […] dass man dann sieht „wow“, du hast es geschafft, das ist gut . So als visuellen Anreiz fände ich ganz cool noch“ (w, 30 Jahre . o . E ., VR-Erfahrung)

In Übereinstimmung hierzu gab eine Probandin an, dass sie die Umgebung mit der Zeit etwas eintönig fand und sie sich eine spannendere Gestaltung mit Musik oder mehr Farben wünschen würde . Der Wunsch nach mehr Farben wurde noch von einer weiteren Person geäußert (m, 30 Jahre, A, keine VR-Erfahrung): „dann wurde es dann bisschen langweilig […] . Das ist ja ohne Musik und eintönig . Nicht farbenfroh und so . Abgesehen davon, dass ich nicht Konsolen spiele oder so, würde es mir schon gefallen, wenn da auch irgendwas wäre, dass bisschen spaßiger ist . So bunter wie ‚Mario und Luigi‘, aber das ist ja kein Spiel“ (w, 21 Jahre, S, keine VR-Erfahrung)

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Für Personen, die größere Schwierigkeiten im Verständnis des Lagersystems haben, könnten weitere Vereinfachungen, zum Beispiel Wegmarkierungen zum richtigen Lagerplatz, hilfreich sein . 5.

Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag stellt, ausgehend von einem Überblick zum Forschungsstand, die virtuelle Lernumgebung „Virtual Storage Hall“ (VSH) mit ihren spezifischen, technologischen und methodischen Aspekten für den Einsatz bei Auszubildenden und Aushilfen mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf in der Lagerlogistik vor . Die Anwendung der VSH wird grosso modo von den befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmern (Auszubildende, Aushilfen, Beschäftigte in den Berufen Fachlagerist/in und Fachkraft für Lagerlogistik) als übersichtlich und selbsterklärend bewertet . Vor dem Hintergrund der Beurteilung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie gut sie mit der Bedienung der Hardware zurechtgekommen sind, müssen individuell lange Eingewöhnungszeiten für die Lerner vorgesehen werden, um eine wünschenswerte Hardwarebedienung sicherzustellen . Der mehrfach von den befragten Auszubildenden bzw . Aushilfen genannte „Spaß beim Lernen“ sticht als motivationsfördernder Aspekt zum Einsatz der Technologie heraus . Dabei scheint die Umgebung vor allem hilfreich, um in einem für den Lerner geschützten Rahmen, einen Überblick in den strukturellen Aufbau des Lagersystems und die Abläufe darin zu bekommen . Die VSH bietet damit zusammenfassend die Möglichkeit einer adaptiven Gestaltung von geschützten Lehr- und Lernsettings zur individuellen Förderung im Bereich der Lagerlogistik . Die Ergebnisse der Pilotstudie zur praxisnahen Eignung der VR-Anwendung deuten allgemein auf ein vielversprechendes Lehr- und Lernpotenzial hin, sind aber in Anbetracht ihres explorativen Charakters begrenzt . Limitationen der Studie ergeben sich vor dem Hintergrund der spezifischen Stichprobe in Bezug auf die kognitiven und/oder körperlichen Einschränkungen (siehe Abschnitt 4 .2 .1) sowie unter dem Gesichtspunkt der sozialen Erwünschtheit und der deutlich begrenzten Stichprobengröße . Es kann davon ausgegangen werden, dass die tendenziell positive Beurteilung der Auszubildenden und Aushilfen auch durch die Neuartigkeit der Technologie moderiert ist . Mit einem häufigeren Einsatz könnte dieser zu unterstellende positive Effekt verschwinden . Zudem wurden in der Pilotstudie bislang nur zwei der vier Lern-Szenarien der VSH formativ evaluiert, was die Beurteilung des Systems auf diese beiden beschränkt . Die im dritten Abschnitt ausführlich beschriebenen konstruktions- und instruktionsbedingten Aspekte der Virtual Storage Hall, können Hinweise zur Konzeptionierung entsprechender virtueller Umgebungen im Bezugsfeld der Förderung liefern . Da für die Beurteilung der tatsächlichen Lernperformanz nur die subjektive Einschätzung

Förderung von Auszubildenden mit einem besonderen Förder- und Unterstützungsbedarf

der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie eingeholt wurde, lassen die Ergebnisse keinerlei validen Schlüsse darüber zu, ob die virtuell gelernten Inhalte und Fähigkeiten auch auf die reale Kommissionier-Tätigkeit übertragen werden können und damit ein Lerntransfer positiv begründet werden kann . Vor diesem Hintergrund soll in einer Wirkungsstudie mit klassischem Experimental- und Kontrollgruppendesign der tatsächliche Transfer des virtuell Gelernten auf die reale Kommissionier-Tätigkeit näher untersucht werden . Literatur

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Entwicklung und Potenzialeinschätzung einer Virtual Reality zum Erlernen der Mnemotechnik EVELYN HOFFARTH

Development and potential assessment of a virtual reality for learning mnemonics Zusammenfassung: Gegenstand des Beitrags ist die Entwicklung einer Virtual Reality

(VR)-Umgebung zum Erlernen und Anwenden einer Mnemotechnik als Verfahren zur Steigerung der Gedächtnisleistung und die Betrachtung deren grundsätzlicher Potenziale . Das Memorisieren abstrakter Informationen, hier Zahlen, wird mit der Loci-Routenmethode an 29 Testpersonen überprüft . Die Loci-Technik wurde von den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern mit eigenem Vorstellungsvermögen, ohne technische Hilfsmittel (Methode 1) und in einem zweiten Durchgang mit der Unterstützung eines Head-Mounted Displays im VR-Raum (Methode 2) angewendet . Der VR-Raum wurde mit einem Interior Design aus einer texturlosen Einrichtung und farbigen Assoziationsobjekten, die einzelne Zahlen einer vorgegebenen Zahlenfolge repräsentieren, erstellt und gestaltet . Die Zahl-Assoziationsobjekte wurden nacheinander an beliebigen Stellen im VR-Raum abgelegt und das Wiedergeben der Zahlenfolge analysiert . Im Beitrag wird davon ausgegangen, dass Virtual Reality die Erinnerungsperformanz durch bereits modellierte Assoziationsobjekte fördert und dass reale Bewegungen der Testperson im Raum und die Interaktion mit diesen Objekten den Lernprozess spielerisch unterstützen . Ziel der vorliegenden Studie ist es, ein exploratives Wissen zu VR-Nutzerfreundlichkeitsaspekten und dem Einsatz von VR im Bezugsfeld der Mnemotechnik zu generieren . Im Beitrag wird auf die Vorgehensweise der Umsetzung mit dem VR-Equipment und -Interface, dem Workflow bei der Erstellung einer visuellen VR-Unterstützung und der Implementierung in Unreal Engine eingegangen sowie die Auswertung der Studie der Anwendung des Erlernens und der Effektivität der Mnemotechnik mit und ohne VR-Unterstützung thematisiert . Abstract: This article looks at the development of a Virtual Reality environment (VR) in

order to learn and implement mnemonics as a means to improve memory performance,

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Evelyn Hoffarth

and in order to observe their fundamental potentials . The memorisation of abstract information (in this case, numerical), was assessed by way of the Loci-Route method, which was applied to 29 test subjects . The Loci-method was applied to the test subjects without technological assistance and using only their imagination (Method 1), and – in a second run – using a Head-Mounted display in a VR-Room (Method 2) . The VR-Room was designed with texture-neutral furnishings, and with coloured association-objects, which represent singular numbers of a predefined numerical sequence . The number-association objects were successively placed at arbitrary positions in the VR-Room, and the recitation of the sequence was analysed . The article assumes that virtual reality already promotes and fosters memory performance through association objects that were modelled prior, and that the real-life movements of the testing subjects and the interaction with these objects supports the learning process in a playful way . The aim of the present study is to generate an explorative knowledge of VR usability aspects, and the application of VR in the scope of mnemonics . The article delves into the approach of the application using VR-Equipment and the implementation in Unreal Engine with its workflow and interface, as well as the evaluation of the study of the application of the learning and the effectiveness of mnemonics with and without VR support .

1.

Einleitung

In einer Stunde lassen sich 3 .260 beliebig gewählte Ziffern merken, was der Rekord von Zhang Ying (China) 2018 (vgl . WMC 2019) oder die 1 .251 fehlerfrei wiedergegebenen Binärziffern in fünf Minuten der Gedächtnissportlerin Lkhagvadulam Enkhtuya (Mongolei) beweisen (vgl . IAM 2018) . Wenn wir uns im Alltag einfache Zahlenfolgen nicht merken, könnte es nicht nur an unserer kognitiven Leistungsfähigkeit (IQ), dem Erinnerungsvermögen oder der Konzentrations- und Wahrnehmungsfähigkeit liegen, sondern mitunter könnte auch die zunehmende Verwendung digitaler Assistenzsysteme und damit einhergehend ein geringeres Training entsprechender kognitiver Fähigkeiten dazu beitragen . Früher hat man sich meist die Telefonnummern von Freunden gemerkt oder wusste die Abfolge von Wegepunkten, um Orte aufzusuchen, auswendig . Hierdurch wurde in der Anwendung die Gedächtnisleistung trainiert . Im Zeitalter der Digitalisierung werden Telefonnummern in Kontaktlisten von Smartphones gespeichert und zur Navigation entsprechende Assistenzsysteme genutzt . Ähnlich verhält es sich mit dem Abrufen anderer Datenelemente, wie beispielsweise der International Bank Account Number (IBAN) . Weitere Beispiele ließen sich aufzählen . Eine Möglichkeit, die Gedächtnissportlerinnen und -sportlern zu Spitzenleistungen verhilft, ist das Denken in sogenannten Gedächtnispalästen und das Anwenden der Mnemotechnik (vgl . Metzig & Schuster 2006) . Durch dieses Verfahren können die Merkfähigkeit gesteigert und entsprechende alltägliche Herausforderungen besser gemeistert werden . Der vorliegende Beitrag fokussiert speziell den Einsatz von Virtual

Entwicklung und Potenzialeinschätzung einer Virtual Reality zum Erlernen der Mnemotechnik

Reality (VR)-Umgebungen zum (zeitgemäßen) Erlernen und Anwenden der Mnemotechnik und gibt einen kurzen Überblick zum Forschungsstand und Einsatz von VR im Bezugsfeld des Lehrens und Lernens . Außerdem beschäftigt sich der Beitrag mit der Entwicklung von VR-Umgebungen zur Mnemotechnik, der Pilotstudie mit einem Vergleich der Loci-Technik mit VR und ohne VR sowie einem Feedback der Testpersonen zu präferierten Darstellungsformen der VR-Anwendung (vgl . Hoffarth 2018) . 2.

Theoretischer Hintergrund

2.1

Mnemotechnik

Die Mnemotechnik als Lernsystem und Assoziations-Merkmethode wird als Hilfsmittel im Sinne einer unterstützenden Maßnahme für den Merkprozess und der Reproduktion sowie Wiedergabe abstrakter Informationen in der vorgestellten Arbeit angenommen . Die Idee der Mnemotechniken wurde nach einer Überlieferung geboren, als ein Saal einstürzte und Gäste unter sich begrub . Simonides, ein griechischer Dichter, der etwa 500 v . Chr . lebte, war zu dem Fest eingeladen, hatte den Saal aber kurzzeitig verlassen und war einziger Überlebender . Er konnte die entstellten Opfer nur anhand ihrer Sitzplätze zuordnen . Daraus ist zu schließen, dass sich räumliche Verknüpfungen leicht mit Informationen koppeln lassen und dass Ordnung eine wichtige Voraussetzung für gute Gedächtnisleistung ist (vgl . Svantesson 1995; Metzig & Schuster 2006) . 2.2

Loci-Technik (Routentechnik)

Das Merken bestimmter Reihenfolgen wird als Loci-Technik bezeichnet . Der Begriff ist der lateinische Plural von locus, dem Platz/Ort . Diese Routentechnik wurde bereits um 500 v . Chr ., in Zeiten ohne Papier und Bleistift, von Redenhaltern genutzt, um Reden auswendig zu lernen und im freien Sprechen den roten Faden nicht zu verlieren (vgl . Lieury 2013; Bazil & Wöller 2008) . Die alten Römer prägten sich früher Dinge in Säulenhallen oder verschiedenen Tempeln ein, die namensgebend für die Tempeltechnik sind . Heute ist der Begriff der sogenannten Loci-Technik gebräuchlicher und statt der Tempel werden beispielsweise in einem Haus, das in einzelne Zimmer untergliedert ist, an verschiedenen, markanten, eindeutigen Plätzen, die zu lernenden verbildlichten Inhalte oder Begriffe eingeprägt . Dazu werden diese durch einen Weg geordnet und detailgenau in Gedanken mit ihnen räumlich verknüpft und durchlaufen (vgl . Bazil & Wöller 2008; Braun, Stenger & Ritter 2014) . So lassen sich Gegenstände, Schlüsselwörter, Vorträge, Spielkarten und Fakten, die eine gewisse Abfolge haben, besser merken und in der richtigen Reihenfolge später wiedergeben .

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2.3

Das Zahl-Form-System

Will man die Loci-Technik nutzen, um sich Ziffern und Zahlen spielerisch zu merken, wird zusätzlich das Zahl-Form bzw . Zahl-Symbol-System angewendet . Dafür wird eine Liste erstellt, bei der jede Zahl einem Symbol, das ihr in der Form ähnelt, zugeordnet wird (vgl . Reinhaus 2014; Geisselhart 2005) . Die Null kann z . B . durch ein Ei dargestellt, die Zahl Eins gedanklich mit dem Bild einer Kerze verknüpft sein, die Fünf mit einer Hand und so weiter . Am besten werden Symbole gewählt, die im individuellen Bezugsfeld der potenziellen Nutzergruppe stehen . Die Durchwahl -5016 des Kollegen lässt sich durch eine Geschichte aus den Symbolen Hand, Ei, Kerze und Würfel verknüpfen, bei der sich der Kollege mit der Hand ein Ei greifen will, sich dabei an einer Kerze verbrennt und die Wunde durch Darauf-drücken eines Würfels heilt . Die zugehörige fiktive Geschichte muss nicht zwingend einen Sinn ergeben . Allen Merktechniken ist gemein, dass die Personen Bilder entwerfen müssen und im Rahmen der Geschichte Emotionen hervorgerufen werden . Je persönlicher, bildhafter, fantasievoller, merkwürdiger und ausdrucksstärker die Geschichte, desto leichter ist es, sich später daran zu erinnern und sie im Langzeitgedächtnis zu speichern (vgl . Puck 2010; Karsten 2002) . Bei der Loci-Technik geht es um den Grundsatz „Verbinden“ und dem Ablegen einzelner Bilder, Szenen oder Geschichten an bestimmten „Orten“ . Im Beitrag liegt der Fokus auf dem Erlernen von Zahlenkombinationen, da sich das Gehirn Zahlen im Gegensatz zu Wörtern oder Namen meist schwer merken kann . Wird zum Beispiel die Ziffer 5 betrachtet, regt das nur eine Region im Gehirn an . Bei einer ausgestreckten Hand dagegen, sind es über 20 aktivierte Gehirnregionen (vgl . Bien 2015) . Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Mnemotechniken den Lerninhalt in eine bildhafte Form strukturieren, anordnen und dabei eine umfassendere kognitive Aktivität bewirken . Der Erinnerungsinhalt und die Erinnerungsstütze werden in eine wechselseitige Beziehung gebracht, welche die Assoziation zur Erinnerungsstütze und von der Erinnerungsstütze zum Erinnerungsinhalt erlaubt (vgl . Bien 2015) . 2.4

Virtual Reality

Mithilfe eines VR-Systems, welches dem bzw . der Nutzer*in visuelle, auditive und sogar haptische Informationen vermitteln kann, taucht der bzw . die Nutzer*in in eine in sich geschlossene, künstliche Umwelt ein . So wird ein perfektes, sensorisches Abbild unserer realen oder einer fiktiven Welt assoziiert . Die Präsentation der 3D-Inhalte erfolgt oft multisensorisch, indem neben dem Sehsinn weitere Sinne wie der Hörsinn oder Tastsinn angesprochen werden . Im Kontext heutiger VR-Technologien sind der visuelle, akustische und der haptische Sinn die wichtigsten Sinne, wohingegen der olfaktorische (Riechen) oder gustatorische Sinn (Schmecken) nicht virtuell stimuliert werden (vgl . Dörner et al . 2013) .

Entwicklung und Potenzialeinschätzung einer Virtual Reality zum Erlernen der Mnemotechnik

Zudem wird in VR-Systemen oft 3D-Tracking zur Realisierung natürlichen Zeigens eingesetzt . Durch das Tracking von Körperbewegungen kann z . B . das Greifen virtueller Objekte simuliert werden und der bzw . die Nutzer*in bekommt sensorische Rückmeldung auf seine Eingabe, indem etwa Handbewegungen direkt auf ein virtuelles Handmodell abgebildet werden . Auch das Tracking der Nutzerposition und der Nutzerorientierung durch das sogenannte Head-Tracking, d . h . das Verfolgen des Kopfes, kennzeichnet VR-Systeme durch die blickpunktabhängige Bildgenerierung (vgl . Dörner & Steinicke 2013) . Kriterien anhand derer man ein VR-System und die äußerlichen Charakteristika der Technologie der Virtual Reality erkennen, bestimmen und beurteilen kann, sind: intensiv, interaktiv, immersiv, illustrativ und intuitiv (die sogenannten fünf „i’s“) . Sie gestalten ein neues Werkzeug und eigenständiges Medium (vgl . Ommeln 2005) . Intensiv bedeutet in diesem Kontext, dass Handlungen in der VR einen hohen Grad an Aktivität in Echtzeit aufweisen und es dem bzw . der Benutzer*in schwer möglich ist, sich passiv, wie beispielsweise bei einer Fernsehsendung oder einem Film, zu verhalten . Interaktiv heißt im computerwissenschaftlichen Kontext, dass es dem Spielenden als Teil der virtuellen Welt möglich sein muss, sich in der Spielewelt zu bewegen, mit Objekten zu interagieren und Einfluss zu nehmen . Mit immersiv ist der Grad gemeint, zu dem der Benutzer*in in der Lage ist, sich in das Geschehen hineinzuversetzen und zum Beispiel mit physikalischen Reflexen reagiert, sobald etwas exemplarisch Bedrohliches im Spiel passiert . Myron Krueger, einer der Pioniere der virtuellen Reality, hat dafür den ‚Ducktest‘ gefunden . Wenn jemand sich vor einem anfliegenden virtuellen Stein duckt, dann ist dies das Zeichen dafür, dass diese Welt glaubhaft ist . Diesen Effekt bezeichnet man als ‚Immersion‘ . Immersiv bedeutet, dass der bzw . die Benutzer*in die virtuelle Welt glaubhaft finden muss . Die Förderung der eigenaktiven und äußerst intensiven, spontanen Interaktionsmöglichkeit im Dreidimensionalen erweckt den Eindruck von Realität . Intuitiv ist die „traditionelle, sprachliche, sequentielle Informationsverarbeitung“ und illustrativ die „nichtlineare, bildhafte Codierung“ als kognitive Verarbeitungsfähigkeit (vgl . Ommeln 2005) . 2.5

Funktionsprinzip einer VR-Brille

Zwei grundlegende Effekte unterscheiden den visuellen Eindruck einer VR-Brille von dem eines normalen Displays (TV, Smartphone etc .): Der 3D-Eindruck dank stereoskopischer Illusion sowie ein weites Sichtfeld ohne erkennbare „Grenze“ . Dadurch entsteht ein Gefühl, als sei man „im Bild“ (Immersion) . Ist man in der virtuellen Realität, verschwimmt so die Grenze zwischen virtuell und echt . In der VR-Brille wird das visuelle Bild durch zwei sich leicht voneinander unterscheidende Display-Bilder vor den Augen mit einem Computerprogramm erzeugt, was zur Illusion des dreidimensiona-

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len Sehens führt . Laut Sir Charles Wheatstone haben Menschen durch beidäugiges Sehen einen Tiefensinn und das Gehirn verschmilzt die beiden zweidimensionalen Bilder der Augen zu einem dreidimensionalen Bild . Dies wird in VR nachempfunden . Zudem benötigt die VR-Brille eine Linse, damit ein scharfes Bild entstehen kann . Ausschlaggebend für die Qualität ist die Frequenz der Bilddarstellung, die Auflösung des Bildes der VR-Brille und die Breite des Sichtfeldes (vgl . Mißfeldt 2018; Brill 2009) . Einsatzgebiete der VR sind im Militär, Wissenschaft und Forschung, Tourismus, Industrie, Arbeitsschutz, Ausstellungen, Unterhaltungsmedien und der Spieleindustrie . Im Bildungsbereich gibt es VR-Anwendungen wie das Mobile Sprachlernprogramm von „Mondly“ (vgl . Bezmalinovic 2017) oder „Macunx VR“, seit Dezember 2018 in „Munx VR“ umbenannt, eine Software, die durch VR beim Erschaffen des eigenen Gedächtnispalasts unterstützt (vgl . Ralby & Mentzelopoulos & Cook 2017; Macunx VR 2018; Kickstarter 2019; Pinker 2018) . 3.

Entwicklung der Virtual Reality-Umgebung

Sowohl Unity, als auch Unreal Engine von Epic Games sind Entwicklungswerkzeuge zur Erstellung von 2D- und 3D-Spielen und Anwendungen für eine Vielzahl unterschiedlicher Plattformen einschließlich VR-Umgebungen (vgl . Chittesh 2015) . Das Tracking der Hände des bzw . der Nutzer*in und die Integration von Handmodellen in die Szene der VR-Anwendung, gelang in der Unity Entwicklungsumgebung nicht, weshalb zu Unreal Engine gewechselt wurde . In Unreal Engine funktionierte das Hand-Tracking auf Anhieb wünschenswert und die Optik überzeugte im Gegensatz zu der von Unity . Der Workflow für eine VR-Anwendung unterscheidet sich von dem eines Animationsfilms . Bei einem Animationsfilm werden verschiedene Kameras mit unterschiedlichem Abstand zu einem Objekt in der Szene positioniert und die Szene kann aus verschiedenen Betrachtungswinkeln gesehen werden, wohingegen es in VR nur eine Kamera gibt . Diese bewegt sich mit dem bzw . der „getrackten“ Nutzer*in der VR-Anwendung in der vektorisierten 3D-Umgebung mit und filmt aus dessen Betrachtungsperspektive . Eine weitere Besonderheit in VR ist die geringe Polygonzahl von Objekten . Beim Modellieren der Objekte in der 3D-Visualisierungs- und Animations-Software Maya, die später in Unreal Engine importiert wurden, dürfen diese nicht zu viele Polygone enthalten, da die Objekte oder deren Bewegung in VR in Echtzeit zu rendern sein müssen, um Motion Sickness zu vermeiden . In VR-Anwendungen sollte die Bildwiederholrate, auch Framerate genannt, über 60 frames per second liegen wobei eine geringe Auflösungstiefe genügt . Bei der Oculus Rift DK2 liegt die Bildwiederholrate bei 75 Hertz (Hz) und bei der HTC Vive bei 90 Hz (vgl . technische Daten entnommen aus Bues, Schultze & Wingert 2018) . Die vier Grundelemente, die im Allgemeinen ein gutes Spiel ausmachen und aus denen sich das Spiel im Kern zusammensetzt, sind: (1 .) Ästhetik, (2 .) Mechanik, (3 .) Story und (4 .) Technologie (vgl . Schell 2016) . Die Ästhetik der VR-Umgebung nimmt

Entwicklung und Potenzialeinschätzung einer Virtual Reality zum Erlernen der Mnemotechnik

unmittelbaren Einfluss auf das VR-Erlebnis, dessen Ziel es ist, zum späteren Lernerfolg der Wiedergabe der Zahlen-Objekte beizutragen . Hauptaugenmerk des VR-Betrachters darf nicht der Raum sein, in dem er bzw . sie sich in Details verlieren kann oder durch den er bzw . sie, bei perfekter oder übertriebener Oberflächengestaltung, abgelenkt wird . Daher wurde das Inventar farb- und texturlos belassen (siehe Abbildung 1) .

Abb. 1 Virtual Reality Umgebung in Unreal Engine zum Anwenden der Loci-Technik (eigene Darstellung).

Im Gegensatz dazu sollen sich die Assoziationsobjekte farblich von der Einrichtung abheben und ein Material mit Textur besitzen (siehe Abbildung 2) . Je realistischer und detailreicher die Gestaltung der Zahl-Assoziationsobjekte, desto eher ist anzunehmen, dass das Assoziationsobjekt dem bzw . der VR-Nutzer*in vertraut erscheint, er bzw . sie bei dem Objekt verweilt und sich das Objekt sowie dessen Lage im Raum besser einprägt . Das Inventar wurde im barocken Einrichtungsstil entworfen, um der Testperson durch charakteristische Merkmale des außergewöhnlichen Inventars Ankerpunkte zum Ablegen der Zahl-Assoziationsobjekte zu bieten . Neun Einrichtungsgegenstände wurden in Maya entwickelt, da diese für elf Zahl-Assoziationsobjekte ausreichend sind . Um eine Auswahl an Objekten zu den Zahlen zu treffen, die der Präferenz der meisten Menschen entspricht, wurde im Vorfeld über Objekte abgestimmt . Dazu wurden willkürlich ausgewählte Personen (N = 21) befragt . Die Abstimmung ergab folgende Symbole mit größter Übereinstimmung: Ei (0) – Kerze (1) – Zwilling (2) – Dreirad (3) – Auto (4) – Hand (5) – Würfel (6) – Zwerge (7) – Sanduhr (8) – Pfeife (9) – Fußball (11) .

Abb. 2 Zahl-Assoziationsobjekte 0–11 (eigene Darstellung, originale Objekte in Farbe).

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Die Zahl Zehn wurde nicht für die Zahlenfolge berücksichtigt . Grund dafür ist, dass die von der Literatur vorgeschlagene Zahl-Assoziation der „Bibel“ wegen der darin enthaltenen zehn Gebote, die Zahl Zehn nach eigener Einschätzung nicht prägnant genug damit assoziieren lässt und sie der Form nach ihr nicht ähnelt . Infolgedessen wurde auf die Zahl Zehn komplett verzichtet, da kein anderes geeignetes Zahl-Assoziationsobjekt gefunden werden konnte . Zwei Möglichkeiten gibt es für die Testperson, sich die Assoziationsobjekte einzuprägen . Entweder die Testperson bewegt sich und läuft zu den Assoziationsobjekten, um diese zu greifen und an einer Stelle im Raum abzulegen, oder der Versuch wird von der Testperson im Sitzen durchgeführt . Das Sitzen hat den Vorteil, dass die Testperson eine bequeme Haltung einnehmen kann und das Anstoßen gegen Hindernisse in der realen Welt entfällt . Im Sitzen bewegt sich die Testperson nicht physikalisch und die Bewegungen in VR können vom Gleichgewichtssinn nicht richtig nachvollzogen werden, weshalb sich schneller ein Schwindelgefühl einstellen kann . Demzufolge und aufgrund der Annahme, dass auf Assoziationsobjekte real zugegangen und sie bewegt werden sollen, damit sie sich besser einprägen lassen, wurde die Variante im Stehen befürwortet . Ziel ist, eine mögliche Motion Sickness an allen potenziell verursachenden Stellen so gering wie möglich zu halten und für die nutzende Person zu einer entspannten, angenehmen und effektiven VR-Erfahrung beizutragen . Zur Effektivität trägt auch die Interaktion wesentlich bei . Jochen Binz stellt fest: „Reines Sehen kann nie so einprägsam sein wie die Interaktion . Insbesondere auf diesem Gebiet schafft die Digitalisierung neue Möglichkeiten . Die Didaktik bekommt nun ein viel aufregenderes Gesicht und das Lernen macht einfach mehr Spaß .“ (Binz 2018) .

Bei der Auswahl eines geeigneten Endgerätes galten 2018, zum Zeitpunkt der Studie, sowohl die HTC-Vive als auch die Oculus Rift VR-Brille als die technologisch am weitesten entwickelten VR-Brillen . Eindeutige Empfehlungen für oder gegen eine der beiden VR-Brillen waren auch nach Recherche nicht auszusprechen . Controller zum Steuern in der VR-Anwendung konnten bei der Entscheidung vernachlässigt werden, da auf diese verzichtet wurde . Stattdessen wurde das Sensorgerät Leap Motion eingesetzt, welches Hand- und Fingerbewegungen verfolgt und dessen Position, Geschwindigkeit und Ausrichtung mit geringer Latenz und guter Genauigkeit meldet (vgl . LeapDeveloper 2019) und die Assoziationsobjekte dadurch gesteuert werden . Das Greifen ohne einen Controller, der bedient werden muss, ist intuitiver und es ist davon auszugehen, dass es weniger irritiert und vom Merkprozess ablenkt . Dem subjektiven besseren Tragekomfort und der Wahrnehmung ihrer Optik nach, wurde die Oculus Rift bei der VR-Anwendung eingesetzt . Damit die Assoziationsobjekte später gegriffen, angehoben, getragen und an einer anderen Stelle abgelegt werden können, muss die Interaktion mit diesen möglich sein . Das Assoziationsobjekt stellt jedoch ein Netz, ein sogenanntes „mesh“, aus einzelnen Dreiecks-Polygonflächen dar und weist nicht automatisch physikalische Eigenschaf-

Entwicklung und Potenzialeinschätzung einer Virtual Reality zum Erlernen der Mnemotechnik

ten auf . Daher erhält das Objekt eine Kollisionshülle, weil es sonst bei Kollision mit einem anderen Objekt in dieses eintaucht oder es von diesem abprallt, statt den physikalischen Gesetzen zu folgen . Die Standardeinstellungen, die auf das Objekt angewendet werden, sind bei geometrisch komplexen Objekten nicht ausreichend . Deshalb können mehrere Kollisionshüllen auf dasselbe Objekt angewendet und die Skalierung dem Genauigkeitsgrad nach angepasst werden . Das Verbindungskabel zur VR-Brille begrenzt den Bewegungsradius . Um einen größeren Bereich in VR zu erschließen oder sich an verschiedene Stellen in der VR-Welt platzieren zu können, gibt es in VR die Locomotion1 und das Teleportieren2 als Fortbewegungsart . In der Anwendung wurde hierauf verzichtet, da beide Bewegungsarten zu Motion Sickness beitragen können und sich dies beim Merkprozess störend auswirkt . Die Einrichtungsgegenstände müssen deshalb eng angeordnet sein, damit sie alle im näheren Umfeld erreichbar sind . Der daraus resultierende Platzmangel, bedingt durch die beschränkte Reichweite des nur einen Oculus Rift Sensors, der die VR-Brille im Raum verfolgt, wird durch Optionen in unterschiedlichen Höhen zum Ablegen der Objekte ausgeglichen . Damit die Objekte gut greifbar und bei Herunterfallen auffindbar sind, sollten sie nicht zu klein in der VR-Umgebung sein . Die Zahl-Assoziationsobjekte und das Inventar wurde in Maya modelliert, in das FBX-Format exportiert und dann in die Entwicklungsumgebung von Unreal Engine integriert . Nurbs3 sind für den FBX-Export und somit in Unreal Engine nicht möglich . Nur Polygone lassen sich dort darstellen . Wird das Pfadwerkzeug in Maya benutzt und eine Fläche entlang des Pfades erstellt, ergibt sich ein Nurb . Dieses lässt sich aber zu einem Objekt aus Polygonen in Maya konvertieren, was beim Griff des Wasserkochers als Teil des Inventars, vorgenommen wurde . 4.

Pilotstudie

4.1

Erlernen und Anwenden der Mnemotechnik ohne und mit VR-Unterstützung

Im Zentrum der Forschungsfrage steht, wie sich Lernen und die damit verbundene Erinnerungsperformanz ohne technische Hilfsmittel (Methode 1) von der VR-unterstützten Methode (Methode 2) unterscheiden . Mit Erinnerungsperformanz ist hier Locomotion: Bei der künstlichen Locomotion wird ein Knopf gedrückt, der Joystick bewegt oder eine Richtung auf dem HTC Vive Touchpad betätigt, in die der VR-Nutzer*in bewegt wird . Durch die Locomotion Methode ist alles in VR erreichbar, ohne gegen ein Hindernis aus der echten Welt zu stoßen . Dadurch verspürt die Sehkraft Bewegung, aber das Innenohr nimmt keine wahr, die Sinne kommen aus dem Gleichgewicht und Motion Sickness kann eintreten (vgl . McCaffrey 2017) . 2 Teleportation: Bei Teleportation wird auf einen Bereich in der Roomscale Area oder außerhalb gezielt oder auf einen Knopf geklickt und der Nutzer*in wird dort hin teleportiert (gebeamt) . 3 Nurbs: Non-Uniform Rational B-Spline, mathematisch definierte Fläche . 1

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die kognitive Fähigkeit gemeint, aufgenommene Informationen für ca . zehn Minuten zu behalten . Dazu wurde angenommen, dass VR den Denkprozess durch bereits modellierte Assoziationsobjekte vereinfacht und das reale Bewegen der Testperson im Raum und die Interaktion mit den Assoziationsobjekten im virtuellen Raum, den Lernprozess spielerisch unterstützt sowie erleichtert . Die genaue Lage der Objekte wird als konkretes Bild im Kopf abrufbar . Das Gelernte in Form der Zahlenreihenfolge wird besser verankert, indem Assoziationsobjekte zu einer Geschichte durch das eigene Vorstellungsvermögen verknüpft werden . Ziel der Studie war es, neben Aspekten der VR-Nutzerfreundlichkeit im Rahmen eines Within-Subjects Designs die oben genannte Hypothese zu verifizieren oder zu widerlegen . In der vorliegenden Studie sollten sich die Teilnehmenden eine 11-stellige Zahl merken . Die ausgewählte Zahlenfolge war beliebig gewählt und folgte keinem Bildungsgesetz . Für die Studie erfolgte die Auswahl der Testpersonen (N = 28) zufällig . Es wurden sowohl medienaffine Personen der „Hochschule der Medien“, als auch Personen aus technischen Berufen wie z . B . gelernte Schreiner, Studierende des Maschinenbaus und aus technisch fremden Studiengängen und Berufen (z . B . Pflegefachkraft, Studierende des Steuerrechts, der Psychologie und des Verkauf und Marketings) befragt . 4.2

Mnemotechnik/VR-Anwendung – Fragebogen

Zu Beginn des Fragebogens wurden demografische Daten zu den Merkmalen Geschlecht, Alter und Beruf erhoben . Zur Einschätzung der allgemeinen Technikakzeptanz der Teilnehmenden des Tests und ihrer Vorerfahrungen zu VR, Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR) wurden ihnen vor der Testung entsprechende Kontextfragen gestellt . Auf Basis der Antworten zu weiteren Fragen der allgemeinen Zahlenmerkfähigkeit wurden die Versuchspersonen eingeordnet . Die Testpersonen sollten zunächst eine Selbsteinschätzung ihrer Fähigkeit des Zahlenwiedergebens sowie ihrer Mathematikfähigkeiten (4-stufige Likert-Skala: sehr gut, gut, eher schlecht und schlecht) abgeben . In zwei abschließenden Kontextfragen wurde die Vorerfahrung mit Assoziationstechniken und die Art des Lerntyps einer Person herausgefunden . Nach den absolvierten Tests (siehe Abschnitt 4 .3) wurde die Trefferquote für die Loci-Technik ohne VR und mit VR ermittelt, um die Effektivität der Methoden gegenüberzustellen und es wurde eine eigene Einschätzung zum erzielten Ergebnis erfragt sowie welche der beiden Methoden der Testperson mehr Spaß bereitet hat . Elf Fragen wurden zur VR-Anwendung und einer möglicherweise auftretenden Motion Sickness und dem Befinden der Testperson gestellt . In weiteren Kategorien ging es um ein Feedback zur VR-Anwendung und deren Handhabbarkeit, Immersionsgrad und ob die VR-Anwendung herausfordernd und wie sie zu erlernen war . Fragen zur Nutzerfreundlichkeit, Verbesserungspotenzial oder Wünschen zu der VR-Anwendung, Vor-

Entwicklung und Potenzialeinschätzung einer Virtual Reality zum Erlernen der Mnemotechnik

schläge für weitere VR-Anwendungsgebiete und ob der zeitliche Rahmen ausreichend war, waren in Freitextform gestaltet . Abschließende Fragen nahmen Bezug auf die Gestaltungsform der Einrichtungsgegenstände und Objekte . 4.3

Versuchsdurchführung

Den Testpersonen wurde die Loci-Technik erklärt und dass die Zahl jeweils durch ein Objekt, welches ihrer Form oder dem Sinn entspricht, repräsentiert ist . Die Fantasie der Testperson über das Aussehen des Objektes als Symbol zur entsprechenden Zahl sollte nicht beeinflusst werden, weshalb die Testperson das Symbol zur Zahl selbst hinschreiben oder -zeichnen sollte . Didaktisch wurde das „Schreiben“ als Denkwerkzeug gewählt . Durch den Eigenanteil des Selbstschreibens oder Hinzeichnens werden kognitive Prozesse gestützt, da durch die Verschriftlichung eine Verlangsamung des inneren Sprechens und ein Abstraktionsprozess stattfindet und die Zahl-Symbol Assoziation strukturiert, erlernt und gefestigt wird . Kohärentes epistemisches Schreiben, besonders in Bezug auf Risikoschüler, leistet das volle Potenzial für die Unterstützung von sachfachlichen Lernleistungen (vgl . Thürmann 2012) . „Schrift verschiebt die Wahrnehmung von der Akustik auf die Optik, sie macht Sprache auf diese Weise dinghaft und mithin erfahrbar und reflektier- und analysierbar . Text und Schrift eröffnen ein spezifisches Reflexionspotenzial“ (Pohl & Steinhoff 2010, S .10) . Die Testpersonen hatten fünf Minuten Zeit, um sich die Ziffern und Zahlen der vorgegebenen 11-stelligen Zahl in die entsprechenden Objekte der Zahl-Symbol Liste umzuwandeln und daraus eine Geschichte zu bilden, welche die einzelnen Objekte miteinander verbindet . Unter Verwendung der eignen Notizen mussten diese nach vier Minuten die Geschichte laut vorsagen . Die Zahlenfolge sollten sich die Versuchspersonen ausschließlich mit der Loci-Technik einprägen . In maximal 45 Sekunden sollte die Zahlenfolge in der richtigen Reihenfolge reproduziert werden . Anschließend wurde der Versuch für die gleiche Testperson in VR durchgeführt . Die Testperson hatte die Wahl, die VR-Anwendung mit oder ohne Musik auszuführen . Nimmt die Testperson an, dass Musik für sich und die eigene Konzentrations- sowie Merkfähigkeit förderlich sein könnte, konnte für die VR-Anwendung optional Musik, entsprechend des persönlichen Geschmacks, aus den drei Genres „Klassik“, „Elektro“ oder „Instrumental“ ausgewählt werden . Ob sich Musik konzentrations- und lernfördernd auswirkt, ist in der Literatur kontrovers belegt . Rauscher, Sham und Ky (1993) zufolge schnitten Testpersonen, nachdem sie 10 Minuten Musik von Mozart gehört hatten, besser bei abstrakten/räumlichen Tests ab, als beim Hören von entspannender und Blutdruck senkender Musik oder einem Ruhezustand, in dem sie gar nichts gehört hatten . Die Erkenntnis, dass das Hören der von Mozart komponierten Musik zur Steigerung der räumlichen Leistungsfähigkeit/Vorstellung führt, wird als „Mozart-Effekt“ bezeichnet (vgl . Schellenberg & Hallam 2005) . Die Metaanalyse von Forschern der

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Universität Wien hat den Mozart-Effekt mittlerweile widerlegt und sie gehen davon aus, dass klassische Musik doch keinen Einfluss auf die Intelligenz des Hörers hat (vgl . Pietschnig, Voracek & Formann 2010) . Altenmüller fasst Erkenntnisse verschiedener Studien zusammen, wonach „Musikhören mit Induktion von Aktivierung und positiver Stimmung […] zu einer kurzfristigen Verbesserung der kognitiven Leistungen, besonders bei zeitlich räumlichen Denkaufgaben“ (Altenmüller 2007, S .47) führt und sich Musik, sofern diese als subjektiv angenehm und anregend empfunden wird, positiv auswirken kann (vgl . Altenmüller 2007) . VR mit der auditiven Komponente, soll so individuell eingesetzt werden, um alle Vorteile, welche die VR-Technik bieten könnte, zur Wahl zu stellen, um dadurch möglicherweise zu einer Verbesserung der räumlichen Vorstellung beizutragen und der herkömmlichen Lernform überlegen zu sein . Die Zahlen wurden den Teilnehmenden einzeln diktiert und sie bekamen nach jeder genannten Zahl Zeit, das entsprechende Objekt im VR-Raum abzulegen . Zum Platzieren aller Assoziationsobjekte, hatte die Versuchsperson in Summe ca . fünf Minuten Zeit . Die Testperson bekam die gleiche Zeit, die sie im vorherigen Durchlauf ohne VR zum Bilden und Sprechen der eigenen Geschichte entsprechend ihrer Lerngeschwindigkeit gebraucht hatte, wodurch sich die Testzeit zwischen den Testpersonen um +/– 1 Minute unterscheiden konnte . Leichte Anpassungen der zeitlichen Vorgabe waren notwendig, da die kognitiven Fähigkeiten der Testpersonen nicht zuvor ermittelt wurden und individuelle Zeitvorgaben bessere Aussagen über den Vergleich der Effektivität des Merkprozesses ohne VR- und mit VR-Unterstützung in Bezug zu der Testperson zuließen . Daher wurde es mitberücksichtigt, ob die Testperson die Loci-Technik bereits kennt und nutzt und wie sie sich zum Merken und Wiedergeben von Zahlen selbst im Fragebogen einschätzte, um die Zeit, die sie im folgenden Versuch zum Merken der Zahlen bekam, entsprechend leicht anzuheben oder zu senken . Beherrscht und praktiziert eine Testperson die Loci-Technik bereits privat, war davon auszugehen, dass sie durch die durchschnittlich angesetzte Zeitvorgabe unterfordert sein wird und alle Ziffern in der Methode ohne VR und mit VR fehlerfrei wiedergeben kann, was vorab an der Selbst-Einschätzung im Fragebogen ggf . schon ablesbar war . Nach Absetzen der VR-Brille musste die Zahlenfolge innerhalb von maximal 45 Sekunden wiedergegeben werden . In einem Nutzerfeedback wurde die Trefferquote für die Loci-Technik ohne und mit VR analysiert und der Testperson, nachdem sie die VR-Anwendung durchlaufen hatte, zuvor genannte Fragen (siehe Abschnitt 4 .2 .) gestellt .

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4.4

Ergebnisse

4 .4 .1

Vergleich der Loci-Technik mit VR und ohne VR

Nachdem der Test der Loci-Technik ohne VR, d . h . dem Bilden und Wiedergeben der eigenen Geschichte mit eigener Fantasie (Methode 1) und mit der VR-Anwendung (Methode 2) absolviert worden war, wurden die Ergebnisse der beiden Tests hinsichtlich der richtig wiedergegebenen Zahlen aus der Zahlenfolge deskriptiv ausgewertet und verglichen . Insgesamt schnitten von 28 Testpersonen neun Testpersonen in Methode 1 besser ab und zehn Testpersonen erreichten in Methode 2 ein besseres Ergebnis . Neun Testpersonen schnitten in beiden Methoden gleich gut ab . Das Ergebnis fällt demnach nicht eindeutig aus . Auch wenn der geäußerte Spaßfaktor für die meisten Personen bei der VR-Anwendung größer war, lässt sich über die Effektivität der beiden Methoden noch keine eindeutige Aussage treffen . Die Differenzierung pro und contra VR hätte durch eine Verkürzung der Merkzeit oder Erhöhung der Zahlenfolge bei der Versuchsdurchführung, deutlicher zeigen können, ob durch VR die Merkfähigkeit eines jeden Einzelnen besser oder schlechter als ohne VR ist und welche der Methoden insgesamt besser abschneidet . So waren viele Personen in beiden Techniken gleich gut und konnten alle Zahlen wiedergeben, was leider nicht zu einem eindeutigen Ausschlag führte . Ergebnisse deuten darauf hin, dass weibliche Testpersonen von der VR-Methode profitieren können, sich durch die konkreten Bilder der Assoziationsobjekte aus der Szene erinnern und die Zahlen dadurch fehlerfreier wiedergeben können . Bei männlichen Probanden war keine Tendenz für oder gegen VR zu erkennen . Eigenen Überlegungen zufolge könnte es für die Testteilnehmer zusätzlich motivierend sein, wenn sie in der VR-Anwendung weitere Anreize bekommen . Dies kann bedeuten, dass es verschiedene Level gibt, dass sie sich in einer Bestenliste mit anderen messen können oder dass es domänenspezifisch Bezüge gibt . Der Wunsch dazu wurde von einigen männlichen Testpersonen nach der VR Testung geäußert, als sie wissen wollten, wie sie im Vergleich zu anderen Testpersonen abgeschnitten hatten . Ausbaufähig ist die VR-Anwendung als Lernumgebung für sie durch Gamification4 Aspekte, die sie als motivierend erachten, um die Lernleistung zu steigern . Frauen waren überwiegend vom visuellen Eindruck und der Gestaltung fasziniert . Der Ausbau dieser mit Texturen und Zuweisung von Materialien sowie die VR-Atmosphäre könnten einen Einfluss auf die

Gamification (Gamifizierung): Darunter wird die Anwendung virtueller Spieletechniken mit spieltypischen Elementen, wie das Erlangen von Punkten oder Status verstanden, um die Aufmerksamkeit von Einzelpersonen oder Gemeinschaften zu wecken und/oder deren Verhalten zu ändern . Gamification beruht auf drei Mechanismen . Erstens: Die Nutzer*innen können in einen Wettbewerb treten (mit sich selbst oder mit anderen) . Zweitens: Die Nutzer*innen teilen bestimmte Informationen . Drittens: Die Nutzer*innen wollen Spaß haben und belohnt werden (vgl . Watson 2014) . 4

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Merkfähigkeit haben . Gleichermaßen wird das Wohlfühlverhalten in der VR-Umgebung beeinflusst und dadurch über kleine technische Mängel hinweggesehen . Testpersonen, die sich in Mathematik, den Auswahlmöglichkeit des Fragebogens der Mathematiknote als „eher schlecht“ eingeschätzt hatten, schnitten mit der VR-Anwendung ausnahmslos besser ab . Hingegen half die VR-Unterstützung Testpersonen, die sich der Mathematiknote mit „sehr guten“ Mathematikkenntnissen einschätzten, nur in den wenigsten Fällen, da sie durch die eigene Vorstellungskraft überwiegend besser waren . Für sie war VR eher hinderlich und es hätte mehr ihrer individuellen Stärke angepasst werden müssen . Nach Auswertung der Ergebnisse ist festzustellen, dass sich in Abhängigkeit von Probandengruppen Indizien erkennen lassen . Geschlechtsspezifisch wirkte sich die VR-Anwendung bei weiblichen Probanden sowie bei Testpersonen, die der eigenen Einschätzung nach eher schlecht in Mathematik sind, als positiv und förderlich zur Steigerung des Lerninhaltes aus . Es lässt sich feststellen, dass VR nicht von vornherein lernfördernd ist, sondern im Hinblick auf seine lernfördernde Wirkung differenzierter zu betrachten ist . Die Anwendung wurde von beiden Geschlechtern überwiegend als immersiv wahrgenommen, was in diesem Kontext die Konzentration steigern könnte, da sie von der realen Umgebung im Merkprozess nicht abgelenkt werden und die Aufmerksamkeit auf die entscheidenden Inhalte gelenkt wird . Hinweise, die zu einer besseren Konzentration in VR führen, belegt die Studie „Virtual memory palaces: immersion aids recall“ . Verkürzt beschrieben ging es in der Studie darum, 42 Gesichter berühmter Persönlichkeiten mit Namen zu lernen, von denen 21 Gesichter ausgewählt wurden und von der Testperson mit einer Darstellung auf dem Desktop-Bildschirm und in einem weiteren Durchlauf in einer VR-Brille erlernt wurden . Die Gesichter wurden dazu in einer der beiden 3D-Szenen (Palast oder mittelalterliche Stadt) zufällig räumlich angeordnet und mussten von Testpersonen (N = 40) mit der Loci-Technik in fünf Minuten eingeprägt werden . Anschließend wurden die Positionen der Gesichter durch Zahlen ersetzt und jede der nummerierten Positionen musste mit Namen und dem Gesicht der Persönlichkeit sicher wiedergegeben werden . Die Testperson durchlief sowohl die Desktop-Anwendung als auch die die VR-Anwendung mit zwei verschiedenen Szenen und zwei verschiedenen Anordnungen von Gesichtern . Die Studie fand heraus, dass Testpersonen in der Virtual Reality, die sich die Gesichter durch eine VR-Brille (Head Mounted Display) eingeprägt hatten und diese in dieser VR-Umgebung wiedergegeben hatten, fokussierter waren, als Diejenigen, welche die Anwendung an einer Desktop Anwendung eines Laptops ausgeführt hatten (vgl . Krokos, Plaisant & Varshney 2018) . Die Testpersonen wurden befragt, welche Wiedergabe sie für die gestellte Aufgabe bevorzugen würden . “[…] We explicitly stated that their decision should not be based on the novelty or „coolness“ of the display or the experience . All but two of the 40 participants stated they pre-

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ferred the HMD for this task . They further stated that they felt more immersed in the scene and so were more focused on the task . […]“ (Krokos, Plaisant & Varshney 2018, S .10) .

Aus der vorgestellten Studie mit dem Wiedergeben von Gesichtern, als auch aus der eigenen Studie zur Merkfähigkeit einer Zahlenfolge mit der Loci-Technik, ist zu schließen, dass die voll-immersive Umgebung mit größerer Peripherie zu einer besseren Wiedergabe gewusster Zahlen-Assoziationsobjekte wegen besserer Konzentration und Aufmerksamkeit beitragen kann . Mit einer Optimierung der Greifbarkeit und des Trackings, ist durchaus von einem Potenzial für VR und die Steigerung der Lerneffizienz auszugehen . Ob dieses Potenzial in Zukunft auch im Bereich der VR-Lernanwendungen verstärkt genutzt werden wird, wird auch vom Preis der VR-Brillen abhängen . Spielebegeisterte nutzen die VR-Brillen teilweise bereits und besitzen eigene VR-Brillen . Die Mehrheit der Bevölkerung hat, wie auch die Studie als kleine Stichprobe gezeigt hat, bisher wenig Berührpunkte mit der VR-Technik gehabt und bewegt sich noch sehr verhalten darin und damit . Beansprucht die VR-Lernumgebung deutlich mehr Zeit als normales Lernen und bringt nur geringen Mehrwert, wird sie eher abgelehnt werden, auch wenn der Spaßfaktor dabei höher ist . Aber dies ist eine Frage der Gewöhnung an dieses Medium . Der Umgang mit Smartphones hat schließlich auch seine Zeit gebraucht . 4 .4 .2

Feedback zur VR Anwendung

Feedback zur Bedienbarkeit und Nutzerfreundlichkeit der VR-Anwendung konnte über ankreuzbare Antwortmöglichkeiten in einem Fragebogen gegeben werden, während die darin enthaltenen Freitextfelder Aufschluss über Vorschläge der Testperson zur Verbesserung und Erweiterung der VR-Anwendung gaben . So wies die Funktionalität beispielsweise noch leichte Mängel auf . Der Greifmechanismus und das Hand-Tracking funktionierten nicht immer einwandfrei und es unterschied sich, wenn auch in geringem Ausmaß, vom realen Greifen . Ein geführtes Übungstutorial wurde von einigen Versuchspersonen gewünscht und wäre sinnvoll, um den Greifprozess zu erlernen, sich im Raum zurechtzufinden und durch die VR-Anwendung geführt zu werden, sodass die Einweisung durch eine Person entfällt . Eine weitere Verbesserung der VR-Anwendung kann durch Ton (Sound-Feedback), der beim Greifen oder Ablegen des Objektes gemäß den physikalischen Gesetzen auftritt, vorgenommen werden, wodurch die Interaktion realer wirken könnte . Würde für die Studie eine längere Zahlenfolge zum Merken ausgewählt, sind für einzelne Testpersonen ein größerer Raum oder mehrere Räume mit extrem abweichender Struktur und Raumaufteilung vorstellbar und werden von ihnen als hilfreich angenommen . Eine Erweiterung der VR-Anwendung kann durch verschiedene Schwierigkeitsgrade (durch Zeitvorgabe oder Länge der Zahlenfolge) zum Merken der Zahlenfolgen erfol-

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gen . Einige kamen mit der vorgegebenen Zeit und der Anzahl der zu merkenden Zahlen zurecht, für andere musste der zeitliche Rahmen entsprechend angepasst werden, weil sie sowohl beim Konstruieren der Geschichte, als auch in der VR-Anwendung, mehr Zeit benötigten . Manche Testpersonen brauchten länger, sich an die Fortbewegung, die Greifweise in VR und an die Anordnung des Inventars im Raum zu gewöhnen und diese zu erlernen . Vereinzelt kam es bei Testpersonen vor, dass ein Objekt unbeabsichtigt zu Boden fiel und dieses wieder an die Ausgangsposition gebracht werden musste . Hierfür wäre ein Reset-Knopf hilfreich gewesen . Als positives Feedback wurde mehrfach die Immersion (das Eintauchen in eine „andere Welt“) genannt . Die Ausarbeitung der einzelnen Objekte (Textur/Farbe), genauso wie das Sehen der eigenen Hände als 3D-Darstellung und die damit verbundene Interaktionsmöglichkeit mit der „virtuellen“ Welt, wurde von den Testpersonen als sehr förderlich empfunden . Die Möglichkeit, die Zahlenobjekte an eine bestimmte Position, die abgelaufen werden kann, abzulegen, bzw . die Kombination aus Denken, Bewegen (Laufen, Greifen und Platzieren) und dem visuellen Eindruck wurde positiv wahrgenommen, wodurch das Durchgehen im Kopf erleichtert wurde . Nach Absolvieren der VR-Anwendung wurde erfragt, wie sich die Testperson die Darstellung einer VR-Lernanwendung, zum Merken von Zahlen gewünscht hätte . Dies erfolgte in den drei Kategorien für das Inventar, die Zahl-Assoziationsobjekte und die Umgebung . Dabei waren Mehrfachantworten möglich . Auswahlmöglichkeiten zur gewünschten Gestaltung für das Inventar standen in ansteigender Reihenfolge der Darstellungskomplexität zur Wahl (siehe Abbildung 3) . Die strukturlose Modellierung in Grautönen, wie sie in der VR-Umgebung gegeben war, wurde von der Mehrheit befürwortet . Eine realistische Modellierung, war für viele Teilnehmer*innen auch denkbar, genauso wie eine AR-Umgebung . Für die Zahl-Assoziationsobjekte gab es für die Testperson übereinstimmende Auswahlmöglichkeiten wie für das Inventar, jedoch mit dem Zusatz der Option, die Zahl-Assoziationsobjekte mit entsprechendem Ton zu versehen oder das Objekt animiert in der VR-Umgebung vorzufinden (siehe Abbildung 4) . Die 3D-Farbgebung der Zahl-Assoziationsobjekte in der VR-Anwendung entsprach den Vorstellungen der Mehrheit, die dies als lernunterstützend betrachteten . Der Wunsch, die Assoziationsobjekte mit Ton zu versehen, wurde von knapp der Hälfte der Testpersonen gewünscht . Nahezu ein Viertel sprach sich für animierte Objekte aus . Die Wunschvorstellung der Testpersonen, einer für sie perfekten Umgebung, in der sie sich in der VR-Welt befunden hätten, wurde ebenfalls ermittelt . Damit sollte herausgefunden werden, ob die Anwendung der Lernwelt visuell eher einfach oder kreativ und fantasievoll gestaltet werden muss, um Wünschen des Anwenders zu entsprechen und den Lernzweck zu erfüllen .

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Inventar skizziert 2D/3D (abstrakt)

2

Cartoon Style 2D in Farbe

1

strukturlos 3D Grautöne

14

3D in Farbe

6

fantasievoll 3D

2

realistisch modelliert (Textur, Schattierung, Details) 3D

9

fotorealistisch (AR)

7

28 Testpersonen, Mehrfachantworten möglich Abb. 3 Inventar Darstellungsform (eigene Darstellung).

Zahl-Assozia�onsobjekte skizziert 2D (abstrakt)

0

skizziert 3D (abstrakt)

0

Cartoon Style 2D (Farbe) strukturlos 3D (Grautöne)

1

3

3D (Farbe)

17

fantasievoll 3D

4

realistisch modelliert 3D

9

Ton für Objekte Animation

13

6 28 Testpersonen, Mehrfachantworten möglich

Abb. 4 Zahl-Assoziationsobjekte Darstellungsform (eigene Darstellung).

Das Inventar der VR-Anwendung hatte ein barockes Design . Dies wurde nur von vier der 28 Testpersonen als gut beurteilt (siehe Abbildung 5) . Die Meisten hätten eine

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neutrale Darstellungsform bevorzugt . Ein futuristisches Design konnten sich sechs Teilnehmende als geeignete Umgebung zum Merken der Zahlen vorstellen .

Umgebung normal (unauffällig)

18

barock, retro, mediteran, ägyptisch, landhaus etc.

4

futuristisch (modern eingerichtet) Sci-fi

6 2

fantasievoll (Schloss, Traumland, Disney) Landschaft, Natur

5 2 28 Testpersonen, Mehrfachantworten möglich

Abb. 5 Umgebung Darstellungsform (eigene Darstellung).

4 .4 .3

Potenzielle Anwendungsbereiche einer Lern-VR-Umgebung aus Sicht der Testpersonen

Gemäß der Testpersonen, welche die VR-Anwendung zur Mnemotechnik mit der Loci-Technik durchlaufen haben, ist die Anwendbarkeit von VR zu Lernzwecken abhängig vom jeweiligen Lerninhalt . Lerninhalte, die gut visualisierbar sind, wie beim Auswendiglernen in den Schulfächern Geografie, Biologie oder Geschichte oder wenn es sich um Begriffe/Prozeduren handelt, ist der Einsatz von VR für die Testpersonen vorstellbar . Komplexe, technische Umgebungen lassen sich durch eine VR-Anwendung trainieren . Eine Erzählerstimme führt und bewegt sie durch die VR-Welt und erklärt z . B . bei elektrischen Modellen die Funktionsweise eines Mikrofons, einer Kamera oder die Tasten eines Mischpultes . Das könnten Ansätze zu VR-basiertem Lernen sein, bei dem ein interaktives, erlebbares, visuelles Lernen vermittelt wird . Im universitären Bereich ist der Einsatz von VR in der Informatik zur Darstellung und dem Erlernen von Programmierschleifen oder dem Programmpfad von studierenden Testpersonen

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gewünscht . Auch das Anwendungsbeispiel zum Merken von Zahlenfolgen, wie Telefon-, Reisepass- und Kontonummern, sind vorstellbare VR-Anwendungsgebiete, die von Testpersonen zur Nutzung vorgeschlagen wurden . 5.

Zusammenfassung und Ausblick

Ziel der Pilotstudie war es, die Loki-Technik durch zwei Methoden (1) ohne Hilfsmittel und (2) mit VR-Unterstützung anzuwenden, um damit jeweils eine 11-stellige Zahlenfolge zu erlernen und die Erinnerungsperformanz von Testpersonen zu analysieren . Die Vermutung, dass die Zahlenfolge durch die vormodellierten Zahl-Assoziationsobjekte in der VR-Umgebung und die Interaktion mit diesen in VR besser zu merken und aus dem Kopf abrufbar sind, hat sich nach deskriptiver Auswertung nur bei Testpersonen, die sich in den Mathematikfähigkeiten als „eher schlecht“ eingestuft hatten, bestätigt . Die Ergebnisse der Studie deuten auf positive Momente des Einsatzes der VR-Methode hin . Testpersonen, die in VR, im Gegensatz zu der Methode ohne VR, besser abgeschnitten hatten, begründen ihre VR-Lernleistung mit einem größeren Spaßfaktor . Das Design und die Immersion in VR wurden dafür ebenfalls als positiv bewertet . In der Pilotstudie ergaben sich Limitationen im Hinblick auf eine fehlende Übungsphase zum Erlernen der Mnemotechnik . Die Loci-Technik wurde von der Versuchsleiterin erklärt und die Zahl-Assoziationsobjekte durch die Testperson selbst verschriftlicht, jedoch erfolgte kein Probedurchlauf, anhand dessen die Loci-Technik mit einer Zahlenfolge, die der Länge der Zahlenfolge der studienrelevanten Testung entsprach, geübt werden konnte . Einerseits kann dies vorteilhaft sein, da keine unmittelbare Verwechslungsgefahr der Übungs-Zahlenreihenfolge zu der eigentlichen Zahlenfolge der Studie bestand, andererseits kann es u . U . für eine Versuchsperson, welche neue Techniken nur schwierig und langsam lernt, herausfordernd sein, die Loci-Technik so erstmalig ohne vorherige Übung anwenden zu müssen . In der vorliegenden Studie konnte die Assoziation zwischen Zahlen und Objekten in VR durch den vorherigen Durchgang bereits gefestigt werden . In zukünftigen Studien müsste im Within-Subjects Design eine randomisierte und ausbalancierte Reihenfolge der Methode, die zuerst getestet wird, gegeben sein bzw . die Studie im Between-Subjects Design durchgeführt werden . Beim Vergleich der Effektivität der Loci-Technik ohne und mit VR wurden in der Studie die Rahmenbedingungen so geschaffen, um die Vorteile und das maximale Potenzial der jeweiligen Technik zu nutzen . Eine exakte Vergleichbarkeit der beiden angewandten Methoden zur Loki-Technik ist deshalb nicht gegeben, da bei der Methode 1 „ohne Hilfsmittel“ von der Testperson keine Route/kein Weg im eigentlichen Sinn abgelaufen wurde, sondern meist nur eine Zahl-Assoziationsobjekte verknüpfende Geschichte im Kopf gebildet wurde . In VR spielte zum Merken der Zahl-As-

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soziationsobjekte jedoch deren räumliche Verortung/Anordnung eine Rolle und die Geschichte, mit der sie verknüpft wurden eine untergeordnete bis gar keine . Um eine exakte Vergleichbarkeit gewährleisten zu können, hätte in der Methode 1 anstelle dem Bilden einer kreativen Geschichte in der teils unterschiedliche Orte vorkamen, nur das Vorstellen des Verteilens und anordnen von Zahl-Assoziationsobjekten in einem Raum erlaubt sein dürfen, worauf die Versuchsleiterin hätte hinweisen müssen . Eine weitere Limitation ergab sich in der explorativen Studie durch die kleine Stichprobengröße (N = 28) und die damit verbundenen methodischen Begrenzungen . Die geringe Anzahl schränkt die deskriptiven Befunde auf die Studienteilnehmer*innen ein und lässt im Bezugsfeld keine allgemeingültigen Aussagen zu . Trotz der Beschränkungen liefern die explorativen Erkenntnisse einzelne Ansatzpunkte, um die Anwendung der Mnemotechnik und speziell die Loci-Technik im Bezugsfeld der Nutzung virtueller Umgebungen weitergehend im Rahmen der empirischen Bildungsforschung und Forschung zur Usability zu betrachten . Neben der vorliegenden rein deskriptiven Analyse, wäre eine umfangreiche empirische Untersuchung der abhängigen Variablen (z . B . Lösungswahrscheinlichkeit, Performanz) unter Einbezug der unabhängigen Variablen (z . B . Ausgestaltung der VR-Umgebung) sowie weiterer Kontrollvariablen (z . B . Kognitive Leistungsfähigkeit, Testzeit) sinnvoll . Bislang wurde für jede Person, ohne Betrachtung weiterer relevanter Konstrukte und Zusammenhänge unterschieden, welche Methode deskriptiv ein besseres Ergebnis erzielt, jedoch nicht, ob ein statistisch signifikanter Unterschied unter Berücksichtigung weiterer Aspekte besteht . Im Rahmen der explorativen Studie, von der berichtet wurde (vgl . Hoffarth 2018), wurden auf deskriptiver Basis zwar erste Indizien gefunden, dass sich insbesondere Personen, die sich den eigenen Angaben nach in Mathematik eher mit geringeren Fähigkeiten einschätzen, an die eingeprägten Zahl-Assoziationsobjekte und deren Lage in der VR-Umgebung genauer erinnern konnten, als an den Inhalt der mittels der Methode 1 generiert und erlernt wurde . Interessant scheint daher auch die weitere Betrachtung kognitiv unterschiedlicher Leistungsgruppen . Die Interaktionsmöglichkeit, Immersion und das Interesse an Gedächtnisspielen sowie die Gestaltungsart der VR-Anwendung waren Aspekte, die von den Testpersonen subjektiv als lernfördernd empfunden wurden . Im Ausblick ist festzustellen, dass die vorliegende explorative Studie mehrere Forschungsdesiderate beinhaltet . So wäre es interessant, in einer Längsschnittstudie den tatsächlichen Lernfortschritt in einer stufenweise mit ansteigenden Schwierigkeitsgraden aufgebauten VR-Lernumgebung zum Erlernen und Praktizieren der Loci-Technik zu analysieren . Herauszuarbeiten wären dabei relevante Gelingensbedingungen für das Lernen in technologiebasierten Erfahrungswelten . Für die Ausgestaltung der Erfahrungswelt werden möglicherweise bedeutsam: das Design, die Darstellungsform, die Interaktionsmöglichkeiten, die Benutzerschnittstellen, die Gamification-Aspekte, das kollaborative Lernen sowie die Adaptivität des Lernszenarios . Zentrales Anliegen der zukünftigen Forschung sollte es sein, zu prüfen, ob sich komplexe Informationen

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durch die Mnemotechnik und im Kontext der Nutzung virtueller Technologien besser ins Langzeitgedächtnis speichern, memorieren und zu einem späteren Zeitpunkt wiedergeben lassen, als über traditionelle Methoden ohne technische Unterstützung . Dies kann am Beispiel der Loci-Technik durch eine längere Zahlenfolge wie der bisher gewählten von elf Ziffern erfolgen, die in einer VR-Lernumgebung erlernt werden und bei bestimmten Personengruppen unter optimalen Bedingungen einer VR-/AR-Anwendung durchgeführt werden . Ein empirisches Beschreibungs- und Erklärungswissen zum Einsatz der VR- und AR-Technologie im Training der Mnemotechnik könnte insgesamt systematisch begründete Ansatzpunkte für die (domänen)spezifische Förderung an allgemein- und berufsbildenden Schulen sowie hochschulischen Bildungseinrichtungen liefern . Literatur

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241

Virtual Reality Eine Studie zur chronometrischen Analyse der mentalen Rotationsfähigkeit SUNITA ARIALI / BERND ZINN

Virtual Reality A study on the chronometric analysis of the mental rotation ability Zusammenfassung: Mentale Rotationsfähigkeit als zentraler Faktor des räumlichen

Vorstellungsvermögens ist allgemein und insbesondere in technischen und naturwissenschaftlichen Domänen insofern bedeutend, als sie sich positiv auf die Entwicklung der beruflichen Handlungskompetenz auswirkt . Trotz ihrer enormen Bedeutung ist festzustellen, dass Lernende oftmals nur über eine eingeschränkte mentale Rotationsfähigkeit verfügen, sodass ein grundlegender Bedarf an einer adäquaten Förderung des Konstrukts besteht . Als Voraussetzung für eine systematische Förderung dieser Fähigkeit müssen auch die Fragen nach geeigneten technologischen Unterstützungsmaßnahmen geklärt werden . In der vorliegenden Studie wird analysiert, inwiefern virtuelle Umgebungen in Abhängigkeit von der verwendeten VR-Technologie und unter Berücksichtigung chronometrischer Daten geeignet sind, um das räumliche Vorstellungsvermögen zu unterstützen . Zudem wird der Frage nachgegangen, welche Rolle dabei die fluide Intelligenz sowie die Variablen Geschlecht, Erfahrung mit der VR-Technologie und intuitive Nutzung der Technologie spielen . Abstract: Mental rotation ability as a central factor of a spatial ability for imagination is

generally and specifically in technical and scientific domains insofar significant as it positively effects vocational action competences . Despite its enormous significance, it is noted that students often possess a merely limited mental rotation ability, which means that a fundamental need for an adequate advancement of these abilities exists . As a requirement for a systematic advancement of this ability, questions regarding the adequate technological support measures must be addressed and tended to . In the present article, the question

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Sunita Ariali / Bernd Zinn

as to the extent that virtual surroundings depending on the utilised VR-Technology and under consideration of the chronometric data can be used to support spatial imagination abilities, is analysed . Further, the question of which role fluid intelligence as well as the variables gender, experience with VR-Technology and intuitive use of the technology play is also addressed .

1.

Einleitung

Aufgrund der hohen Dynamik der technologischen Entwicklung im Bereich der virtuellen Realität nähern sich die konstruierten virtuellen Umgebungen immer mehr den realen Lernräumen an . Als virtuelle Realitäten (engl . „Virtual Reality“, VR) werden computergenerierte dreidimensionale Simulationen bezeichnet, die der Nutzerin bzw . dem Nutzer natürliche Benutzerschnittstellen zur Interaktion mit virtuellen Objekten zur Verfügung stellen . Je nach Einbindungsgrad der natürlichen Benutzerschnittstellen können virtuelle Realitäten unterschiedliche Formen annehmen . Die Spannweite reicht von (nicht-immersiven) zweidimensionalen desktopbasierten bis hin zu interaktiven und multisensorischen Umgebungen (vgl . Korgel 2017) . Üblicherweise werden virtuelle Technologien grundsätzlich in voll-immersive (VI) und teil-immersive (TI) virtuelle Umgebungen unterteilt . Immersion beschreibt einen Zustand, in dem die virtuelle Umgebung als real wahrgenommen wird . Aufgrund technologischer Einschränkungen kann in den heutigen VR-Umgebungen dieses Gefühl bislang nur begrenzt vermittelt werden . Dennoch möchten wir die uns in dieser Hinsicht zur Verfügung stehende Technologie, welche das höchste Gefühl der Immersion vermitteln kann, im Folgenden als voll-immersiv bezeichnen . Die bekannteste unter ihnen sind die VR-Brillen von HTC-VIVE . Voll-immersive Umgebungen zeichnen sich durch die Verwendung natürlicher Benutzerschnittstellen (u . a . Head-Mounted Display, Gestensteuerung) aus . Dadurch kann die Nutzerin/der Nutzer mit virtuellen 3D-Objekten auf eine natürliche Weise interagieren, Handlungen vornehmen und sich im virtuellen Raum bewegen . Da die Position der Nutzerin/des Nutzers im Raum ständig erfasst wird, ist es möglich, sich in einer egozentrischen Perspektive in der virtuellen Umgebung fortzubewegen und diese visuell und auditiv zu erforschen (vgl . Korgel 2017) . Nachteile der voll-immersiven Umgebung liegen in dem höheren technologischen Aufwand und der begrenzten Mobilität des notwendigen Equipments . Die teil-immersiven Lösungen sind dagegen vor allem durch die hohe Mobilität ihres Equipments gekennzeichnet . Ähnlich wie voll-immersive Umgebungen erlauben auch teil-immersive Umgebungen eine egozentrische Darstellung des Raums und der Objekte, ebenso sind natürliche Benutzerschnittstellen verfügbar, doch sind die Interaktionsmöglichkeiten eingeschränkt . Beispielsweise kann die Nutzerin bzw . der Nutzer nicht auf eine natürliche Weise um die virtuellen Objekte herumlaufen und diese aus verschiedenen Perspektiven betrachten . Ein technologisches Beispiel für die Realisie-

Virtual Reality

rung einer teil-immersiven Umgebung ist die VR-Brille Samsung Gear, welche eine stereoskopische, egozentrische Darstellung der virtuellen Realität ermöglicht, jedoch nur begrenzte Bewegungs- und Interaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stellt . Ein wesentlicher Vorteil sowohl von voll- als auch von teil-immersiven Umgebungen ist ihre vielseitige Einsetzbarkeit . Zu den wichtigen Einsatzgebieten zählen die Arbeitsund Lernumgebungen . Besonders dann, wenn ein Training unter realen Bedingungen unverzichtbar, aber mit hohem Aufwand verbunden ist, bietet sich VR-basiertes Lernen an . Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, komplexe räumliche Zusammenhänge veranschaulichend darzustellen und die Simulation dem jeweiligen Kompetenzniveau des Lernenden anzupassen (vgl . Jenewein et al . 2009) . Um virtuelle Lernumgebungen umzusetzen, wird aufgrund der allgemein günstigen Verfügbarkeit und guten Mobilität des Equipments oft auf die teil-immersive Technologie zurückgegriffen . Bei komplexen räumlichen Zusammenhängen stellt sich aber die grundlegende Frage, inwieweit die Einbindung weiterer Benutzerschnittstellen zu besseren Ergebnissen führen würde . Wäre allein die egozentrische Darstellung für eine VR-basierte Unterstützung des räumlichen Vorstellungsvermögens ausschlaggebend, wären teil-immersive Umgebungen aus ökonomischer und praktischer Sicht in vielen Kontexten eine sinnvolle Wahl . Es ist jedoch davon auszugehen, dass zusätzlich zur egozentrischen Darstellung der Umgebung auch die Möglichkeit zum Perspektivenwechsel durch natürliches Laufen förderlich für das Lernen sein kann, was derzeit nur durch voll-immersive Umgebungen unterstützt wird . Bislang liegen keine Erkenntnisse vor, die belastbare Aussagen darüber liefern, welche der oben genannten VR-Technologien am geeignetsten ist, um das räumliche Vorstellungsvermögen zu unterstützen . Der Schwerpunkt dieses empirischen Beitrags1 liegt auf der Analyse des Einflusses der wahrgenommenen Immersivität der VR-Umgebung auf das räumliche Vorstellungsvermögen in virtuellen Räumen . Zur Erfassung des räumlichen Vorstellungsvermögens wird im Rahmen dieses Beitrags die Komponente mentale Rotationsfähigkeit (MRT) herangezogen . Unter MRT versteht man die Fähigkeit, die Repräsentation eines Reizes mental zu rotieren, um sich vorzustellen, wie ein Objekt aus einer anderen Perspektive betrachtet aussieht (vgl . Shepard & Metzler 1971) . Interessant ist die „mentale Rotation“ deswegen, weil gerade hier deutliche und mehrfach belegte Geschlechtsunterschiede zugunsten männlicher Probanden auftreten (vgl . Peters 2005; Voyer, Voyer & Bryden 1995) . Die vorangegangene Studie von Ariali und Zinn (2018), welche die psychometrischen Daten gleicher Stichprobe wie die vorliegende Untersuchung betrachtete, Das diesem Artikel zugrundeliegende Vorhaben „Lehrerbildung an berufsbildenden Schulen 2“ (LEBUS 2) wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01JA1902 gefördert . 1

245

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Sunita Ariali / Bernd Zinn

konnte im Hinblick auf korrekte Antworten beim Lösen dreidimensionaler räumlicher Aufgaben keinen Unterschied zwischen teil-immersiven und voll-immersiven Umgebungen feststellen . Allerdings berücksichtigten die Autoren als abhängige Variable ausschließlich das Lösungsverhalten (richtig gelöst vs . falsch gelöst) . Dadurch lässt sich aber nur eingeschränkt eine Aussage über die Leistung (als Quotient Arbeit durch Zeit) machen, weil die für die Aufgabenlösung benötigte Zeit keine Berücksichtigung findet . Immer wieder diskutiert man in der mentalen Rotationsforschung darüber, ob die psychometrischen oder chronometrischen Verhaltensdaten einen besseren Aufschluss über die mentale Rotationfähigkeit liefern (vgl . z . B . Codorniu-Raga & Vigil-Colet 2003; Peters 2005): Obwohl oft die Anzahl an korrekt gelösten Aufgaben (psychometrisches Verfahren) als valides Kriterium angesehen wird, behaupten manche Autoren, dass bei genügend vorhandener Zeit jede Person imstande sei, mentale Rotationsaufgaben korrekt zu lösen, und schlagen deshalb das Zeitkriterium als ausschlaggebendes Maß vor (chronometrisches Verfahren) (vgl . Peters 2005) . Da in der Studie von Ariali und Zinn (2018) die Reaktionszeiten nicht berücksichtigt wurden, bleibt die Frage, ob voll-immersive Umgebungen zu schnelleren Reaktionszeiten führen als teil-immersive Umgebungen, zunächst offen und wird mit dieser Studie untersucht . In der vorliegenden Arbeit soll außerdem der Frage nachgegangen werden, inwiefern das räumliche Vorstellungsvermögen und die kognitive Leistungsfähigkeit einen Einfluss darauf haben, dass mentale Rotationsaufgaben in den oben beschriebenen verschiedenen Umgebungen zeitlich effizient gelöst werden und ob sie von den Faktoren Geschlecht, intuitive Nutzung der Technologie und Erfahrung mit virtuellen Umgebungen abhängen . Zur Beantwortung dieser Fragestellungen werden im zweiten Abschnitt zunächst die Begriffe kognitive Leistungsfähigkeit (fluide Intelligenz, IQ), räumliches Vorstellungsvermögen und mentale Rotationsfähigkeit sowie ausgewählte Forschungsbereiche erläutert und anschließend auf dieser Grundlage die Hypothesen der Studie abgeleitet . Im dritten Abschnitt wird das methodische Vorgehen der Studie erläutert und im vierten Abschnitt werden die Ergebnisse berichtet . Abschließend werden im fünften Abschnitt die zentralen Befunde der Studie zusammengefasst und diskutiert . 2.

Theoretische Grundlagen und Forschungsstand

2.1

Fluide Intelligenz

Bei der Beschreibung des Intelligenzkonstrukts gehen manche Autoren von einem Generalfaktor der Intelligenz aus (vgl . Jensen 1998), während andere (vgl . Cattel 1987; Thurstone 1938; Thurstone & Thurstone 1941) von mehreren Primärfaktoren der Intelligenz ausgehen . Die Trennung in (1) fluide Intelligenz und (2) kristalline Intelligenz schlägt sich in mehreren Modellen nieder (vgl . Carroll 1993) . Fluide Intelligenz wird

Virtual Reality

dabei als die Fähigkeit beschrieben, komplexe logische Zusammenhänge und abstrakte Strukturen zu begreifen sowie vielfältige Informationen verfügbar zu halten und zu manipulieren . Eine Messung dieser Fähigkeit erfolgt in der Regel mittels standardisierter Intelligenztests, welche verschiedene Aufgabentypen beinhalten . So wird beispielsweise mithilfe des CFT 20-R die fluide Intelligenz anhand von vier unterschiedlichen Aufgabentypen gemessen . Unter dem Begriff kristalline Intelligenz werden individuelle Unterschiede im verfügbaren und anwendbaren Wissen verstanden (vgl . Gruber & Stamouli 2009) . Neben der fluiden und kristallinen Intelligenz werden weitere Formen der Intelligenz unterschieden . Als ein zentrales und hier im Beitrag im Fokus stehendes Konstrukt gilt das räumliche Vorstellungsvermögen, welches im Folgenden ausführlich beschrieben wird . 2.2

Räumliches Vorstellungsvermögen

Als räumliches Vorstellungsvermögen (RV) wird die Fähigkeit bezeichnet, „in der Vorstellung räumlich zu sehen und zu denken, d . h . im Gedächtnis gespeicherte mehrdimensionale Vorstellungsbilder zu reproduzieren und mit ihnen mental zu operieren“ (vgl . Quaiser-Pohl, Lehmann & Schirra 2001) . In der Literatur gibt es zahlreiche weitere Definitionen dieses Konstrukts; eine maßgebliche definitorische Bedeutung kommt jedoch der 3-Faktoren-Hypothese nach Thurstone (1938) zu . Nach dieser Hypothese sind die Veranschaulichung („visualization“), räumliche Beziehungen („spatial relations“) und Orientierung („spatial orientation“) die drei wichtigsten Subfaktoren, welche auf die räumliche Fähigkeit positiv laden . Eine weitere Begriffsbestimmung des räumlichen Vorstellungsvermögens kommt von Linn und Petersen (1985), welche ebenfalls drei Subfaktoren des Konstrukts, darunter räumliche Wahrnehmung, mentale Rotation und räumliche Visualisierung, identifizierten . Aufbauend auf Thurstone (1983) und der Meta-Analyse von Linn und Petersen (1985) erarbeitete Maier (1999) eine weitergehende Beschreibung der wesentlichen Komponenten des räumlichen Vorstellungsvermögens, wobei er auf folgende fünf Faktoren kam: Veranschaulichung, mentale Rotation, räumliche Beziehungen, räumliche Wahrnehmung und räumliche Orientierung . Eine diagnostische Möglichkeit zur Erfassung der mentalen Rotationsfähigkeit stellt der mentale Rotationstest (MRT) nach Vandenberg und Kuse (1978) in der Version von Peters et al . (1995) dar . Die 24 Testitems bestehen aus dreidimensionalen Würfelkonstruktionen . Bei jeder Testaufgabe ist eine vorgegebene Würfelfigur mit den vier übrigen Figuren auf der rechten Seite zu vergleichen . Jeweils zwei Figuren rechts sind Rotationen der Zielfigur, die anderen zwei Figuren sind nicht mit der Zielfigur identisch . Die beiden rotierten Versionen sollen von den Probanden erkannt werden . Dann, und nur dann, wenn beide Versionen richtig erkannt sind, wird ein Punkt pro Item vergeben, so dass die maximale Punktzahl im MRT 24 ist .

247

248

Sunita Ariali / Bernd Zinn

2.3

Räumliche Fähigkeiten und Lernerfolg

Die räumliche Fähigkeit gilt als ein Schlüsselelement der kognitiven Fähigkeiten eines Menschen und ist insbesondere eine unverzichtbare Fähigkeit sowohl in vielen akademischen Domänen (u . a . Maschinenbau, Architektur) als auch in mehreren gewerblich-technischen Berufen (vgl . Eliot 2002) . Insbesondere im heutigen digitalisierten und wettbewerbsorientierten Arbeitsumfeld wird das räumliche Vorstellungsvermögen immer wichtiger, um in technischen Berufen erfolgreich sein zu können (vgl . Halpern 2000) . In den naturwissenschaftlichen und technischen Berufen ist es notwendig, den Aufbau und die räumliche Zusammensetzung eines komplexen Ganzen zu erkennen . Die Darstellung dreidimensionaler Objekte auf zweidimensionale (2D) Art erfordert von den Lernenden, ein mentales Bild vom Strukturelement auf der Grundlage begrenzter Information zu erstellen . Dies kann zu Herausforderungen im Verlauf des Lernprozesses führen, nichtsdestotrotz sind dreidimensional gestaltete Lernmaterialien immer noch eine Seltenheit (vgl . Fogarty, McCormick & El-Tawil 2018) . Empirisch wurde die Bedeutung des räumlichen Vorstellungsvermögens für naturwissenschaftliche und technische Fachbereiche mehrfach belegt . Sorby und Baartmans (2000), Sorby et al . (2013) sowie Veurink und Sorby (2019) zeigen, dass eine Verbesserung der räumlichen Fähigkeiten zu besseren Leistungen in den MINT-Bereichen führen kann . Zwischen den mathematischen und den räumlichen Fähigkeiten bestehen signifikant hohe positive Korrelationen (vgl . Mix et al . 2016; Sella et al . 2016) . 2.4

Räumliches Vorstellungsvermögen und virtuelle Umgebungen

Die VR-Technologie, welche die Nutzerinnen bzw . die Nutzer digitale Inhalte realitätsnah und egozentrisch betrachten und erleben lässt, gibt den Lerngegenständen eine neue Dimension und lässt vermuten, dass sie sich positiv auf die räumliche Informationsverarbeitung auswirken . Einige Autoren gehen davon aus, dass durch moderne VR-Lösungen nicht nur das räumliche Vorstellungsvermögen unterstützt wird, sondern auch eine höhere Weiterbildungsmotivation im naturwissenschaftlich-technischen Bereich erreicht werden kann (vgl . z . B . Ovtcharova et al . 2015) . Weitere Studien belegen, dass sich sowohl die voll-immersiven als auch die teil-immersiven Umgebungen positiv auf das räumliche Vorstellungsvermögen, vor allem auf die mentale Rotationsfähigkeit, auswirken (vgl . Kozhevnikov et al . 2015; Alqahtani, Daghestani & Ibrahim 2017) . Die EEG-basierte Studie von Sun, Wu und Cai (2018) untersuchte den Unterschied in der Lernleistung zwischen Lernenden mit unterschiedlichen räumlichen Fähigkeiten in einer traditionellen Lernumgebung (Präsentationsfolien) und in einer VR-basierten Lernumgebung . Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten Haupteffekt zugunsten der VR-basierten Lernumgebung, sagen aber gleichzeitig aus,

Virtual Reality

dass sich dieser Haupteffekt nur dann einstellt, wenn die betreffenden Personen über niedrige räumliche Fähigkeiten verfügen . Verfügen die Personen über gute räumliche Fähigkeiten, hat die VR-basierte Lernumgebung hingegen keinen positiven Einfluss auf die Lernleistung . 3.

Empirische Untersuchung

3.1

Hypothese und weitere Untersuchungen

Angesichts der in Abschnitt 2 dargestellten Evidenz zur allgemeinen Förderlichkeit immersiver Umgebungen für das räumliche Vorstellungsvermögen ist davon auszugehen, dass dreidimensionale mentale Rotationsaufgaben in der voll-immersiven Bedingung schneller bzw . effizienter gelöst werden als in der teil-immersiven Bedingung . Daraus lässt sich folgende Hypothese ableiten: Hypothese: Die für die Bearbeitung von 3D-MRT-Aufgaben benötigte Zeit ist in der voll-immersiven Bedingung durchschnittlich kürzer als in der teil-immersiven Bedingung . Die weiteren explorativen Untersuchungen beziehen sich auf die personenbezogenen Variablen Geschlecht und fluide Intelligenz und befassen sich mit den Einflüssen dieser Variablen und von deren Interaktionen untereinander auf die 3D-MRT-Aufgabenbearbeitung in Abhängigkeit von der verwendeten Technologie . Abschließend wird bei Berücksichtigung der zusätzlichen Variablen „Erfahrung mit der VR-Technologie“ und „Intuitive Nutzung der Technologie“ für jede Bedingung ein Strukturgleichungsmodell erstellt, um die Zusammenhänge zwischen den untersuchten Konstrukten besser verstehen zu können . 3.2

Anlage der Untersuchung und Auswertungsmethodik

Zur Überprüfung der Hypothese wurde ein experimentelles Studiendesign ausgewählt . Als unabhängige Variable (UV) wurde die Bedingung (teil-immersiv, voll-immersiv) manipuliert . Als abhängige Variable diente die Zeit, welche die Schülerinnen und Schüler durchschnittlich für die 3D-MRT-Aufgabenbearbeitung benötigten . Der Gruppenunterschied wurde mittels eines t-Tests ermittelt . Da die erfassten durchschnittlichen Reaktionszeiten normalverteilt waren, war die Verwendung eines parametrischen Tests zulässig . Zur Beantwortung explorativer Fragestellungen wurde eine multiple lineare Regressionsanalyse durchgeführt, bei der die durchschnittliche 3D-MRT-Aufgabenbearbeitungszeit durch die Variablen Bedingung, IQ und Geschlecht erklärt wurde . Um zusätzlich zu untersuchen, ob die 3D-MRT-Fähigkeit

249

250

Sunita Ariali / Bernd Zinn

in voll-immersiven und teil-immersiven Umgebungen von denselben Faktoren abhängt und inwiefern diese Faktoren in verschiedenen Bedingungen unterschiedlich gewichtet sind, wurde für jede Bedingung ein separates Strukturgleichungsmodell aufgestellt . 3.3

Beschreibung der Stichprobe

An der Studie haben insgesamt N = 162 Schülerinnen und Schüler teilgenommen . Davon wurden die Personen, die weniger als die Hälfte der 3D-MRT Aufgaben richtig gelöst oder die in der Summe mehr als 300 Sekunden für die Aufgabenlösungen gebraucht hatten, aus der Auswertung ausgeschlossen . Die bereinigte Stichprobe bestand aus N = 149 Personen, die von 13 bis 18 Jahre (M = 15 .40 Jahre; SD = 0 .99 Jahre) alt waren und ein Gymnasium oder eine Realschule (im Raum Stuttgart) besuchten . 77 (52 %) Personen waren männlich und 72 (48 %) weiblich . 86 Schülerinnen und Schüler hatten bereits mindestens eine Gelegenheit gehabt, virtuelle Lern- oder Spielumgebungen auszuprobieren . Fast die gesamte Stichprobe (n = 144; 97 %) bewertet die Ausgangsthematik des virtuellen Lernens als interessant . 3.4

Beschreibung des Versuchsablaufs und der Instrumente

Das durchgeführte Experiment bestand aus fünf Phasen, in denen die Daten schriftlich (paper-pencil) oder digital erfasst wurden . Als digitale Hilfsmittel wurden eine Samsung Gear-VR-Brille mit einem Samsung-Galaxy-S6-Handy (teil-immersive Umgebung) und die VR-Technologie von HTC-VIVE (voll-immersive Umgebung) eingesetzt . Die verschiedenen Versuchsbedingungen zusammen mit den dazugehörigen Interaktionsmöglichkeiten sind in Tabelle 1 dargestellt . Zu Beginn wurden die Versuchspersonen dahingehend informiert, dass die Teilnahme an der Studie freiwillig sei und die Daten anonym und vertraulich behandelt würden . Die Schülerinnen und Schüler konnten im Nachgang der Auswertung ihr Ergebnis anonym abrufen . Die Dauer des Experiments betrug zwischen 45 und 60 Minuten für eine Person und bestand aus fünf Phasen (Phase 1–5) . Die Phasen 1, 2, 4 und 5 verliefen für alle Probanden gleich . Die Phase 3 unterschied sich für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dagegen je nach Bedingung . Es ergaben sich damit zwei Gruppen: die teil-immersive Gruppe und die voll-immersive Gruppe . Die Zuordnung zu den verschiedenen Gruppen erfolgte randomisiert . – Phase 1: Die Probanden machten in der Phase 1 (für beide Gruppen identisch) zu Beginn des Experimentes allgemeine Angaben zu Alter, Geschlecht, Erfahrung mit PC-Spielen, Erfahrung mit VR-Umgebungen und ihrem Interesse an VR-basiertem Lernen .

Virtual Reality

Tab. 1 Vergleich der Versuchsbedingungen. Versuchsbedingungen (UV)

teil-immersiv (TI)

voll-immersiv (VI)

Steuerung des Sichtfeldes

durch die Kopfbewegung

durch die Kopfbewegung

Perspektivenwechsel

kein Wechsel möglich

durch die natürliche Fortbewegung im Raum

Antwortregistrierung durch

1 Handcontroller (Trigger und Touchpad)

2 Handcontroller (rechter und linker Trigger)

Körperhaltung

sitzend

stehend









Phase 2: In dieser Phase (für beide Gruppen identisch) bekamen die Probanden den Paper-Pencil MRT, den sie in maximal zwölf Minuten bearbeiten mussten . Beim Paper-Pencil MRT handelte es sich um den mentalen Rotationstest von Vanderberg und Kuse (1978), welcher in überarbeiteter Version von Peters et al . (1995) insgesamt 24 Multiple-Choice-Aufgaben umfasst . Phase 3: In der dritten Phase (für die Gruppen unterschiedlich) bearbeitete eine Testperson, je nachdem welcher Bedingung sie zugeordnet wurde, einen voll-immersiv technologiebasierten (VI) oder einen teil-immersiv technologiebasierten (TI) 3D-MRT . Die 3D-MRT-Aufgaben basierten auf dem mentalen Rotationstest von Shepard und Metzler (1971) und umfassten 20 Aufgaben . Bis auf (1) die Art der Darstellung und (2) die Art der Interaktion waren die Aufgaben unter den beiden Bedingungen gleich . Während in der TI-Bedingung die mentalen Rotationsfiguren nur aus einer Perspektive betrachtet werden konnten, hatten die Probanden unter der voll-immersiven Bedingung zusätzlich die Möglichkeit, um die mentalen Rotationsfiguren herumzulaufen und diese damit aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten . Phase 4: In dieser Phase (für beide Gruppen identisch) wurde gemessen, inwieweit die eingesetzte Technologie für die Probanden intuitiv zu benutzen war . Als Messinstrument dient der Questionnaire for the subjective Consequences of intuitive Use (QUESI) von Naumann und Hurtienne (2010) . Der QUESI besteht in seiner Originalfassung aus 14 Items mit einer 5-stufigen Likertskala, wobei für die vorliegende Studie aus forschungsökonomischen Gründen eine verkürzte Version des Fragebogens mit 10 Items verwendet wurde . Phase 5: Am Ende des Experiments wurde in der fünften Phase (für beide Gruppen identisch) die fluide Intelligenz der Schülerinnen und Schüler mittels des Culture Fair Test (CFT 20-R) von Weiß (2006) erfasst . Der Test besteht aus 56 bildlichen Items mit den vier Subskalen „Reihenfolgen“, „Klassifikationen“, „Matrizen“ und „topologische Schlussfolgerungen“ .

251

252

Sunita Ariali / Bernd Zinn

4.

Auswertung und Ergebnisse

Die Auswertung wurde mithilfe des Programms R (Version 3 .4 .4) vorgenommen, wobei für die Reliabilitätsanalyse das Package „psych“ und für die Strukturgleichungsmodelle das Package „lavaan“ verwendet wurde . Die Skalen der Instrumente weisen in der Untersuchung gute bis exzellente Reliabilitätswerte (Cronbach’s Alpha) auf: Skala Fluide Intelligenz, α = .81, Skala 3D-MRT, α = .90, Skala QUESI, α = .87, und Skala MRT, α = .86 . Damit man sich einen ersten Überblick über die Verteilung der verschiedenen Testwerte verschaffen kann, werden in Tabelle 2 die deskriptiven Ergebnisse für alle untersuchten Konstrukte differenziert in die verschiedenen Bedingungen dargestellt . Während für die Variablen MRT, Fluide Intelligenz und Intuitive Benutzbarkeit der Technologie (QUESI) keine bedeutsamen Gruppenunterschiede vorliegen, sind bei den Variablen „Reaktionszeit in 3D-MRT“ deutliche Mittelwertunterschiede zwischen den Gruppen zu erkennen . Die mittlere Reaktionszeit für die Lösung von 3D-MRT-Aufgaben ist in der voll-immersiven Bedingung (VI) niedriger als in der teil-immersiven Bedingung (TI) . Tab. 2 Deskriptive Angaben (Stichprobenanzahl, Mittelwerte und Standardabweichungen) der untersuchten Konstrukte für die Gesamtstichprobe und für die einzelnen Bedingungen. Bedingung

N

Mittlere Reaktionszeit in 3D MRT

MRT (Anzahl korrekt)

Fluide Intelligenz

Intuitive Benutzbarkeit

Teilimmersiv (TI)

68

157.51 (48.00)

15.90 (5.31)

107.63 (15.73)

4.09 (0.70)

Vollimmersiv (VI)

81

134.28 (49.82)

15.86 (2.02)

108.87 (13.41)

4.10 (0.70)

149

145.90 (50.19)

15.88 (4.95)

108.25 (14.47)

4.09 (0.68)

Gesamt

Die Hypothese, bei der davon ausgegangen wird, dass die 3D-mentalen Rotationsaufgaben in der voll-immersiven Bedingung schneller gelöst werden als in der teil-immersiven Bedingung, wurde mit dem t-Test bestätigt (t(147) = 2 .89, p < .01, d = .48) . Um weitere explorative Fragestellungen beantworten zu können, wurde eine multiple lineare Regressionsanalyse, bei der versucht wurde, die durchschnittliche 3D-MRT-Aufgabenbearbeitungszeit durch die Variablen Bedingung, IQ und Geschlecht zu erklären, durchgeführt . Die Erklärungskraft (R2) des komplexen Modells liegt bei .25, statistisch bedeutsame Abhängigkeiten ließen sich jedoch durch die Regressionsanalyse nicht ermitteln . Die Ergebnisse zeigen weder signifikante Interaktionen noch Haupteffekte der untersuchten Variablen (siehe Tabelle 3) .

Virtual Reality

Tab. 3 Regressionsanalyse zur Erklärung der mentalen Rotationsfähigkeit (= abhängige Variable; R2 = .25) durch die Variablen IQ, Geschlecht und Bedingung. Variablen

B

SE(B)

(Intercept)

171.26

62.52

IQ-Wert Bedingung TI Geschlecht (weiblich) IQ x Bedingung TI3D IQ x Geschlecht (weiblich) Bedingung TI3D x Geschlecht (weiblich) IQ x Bedingung TI3D x Geschlecht (weiblich)

β 0.00

t

p

2.74

.01

-0.39

0.57

-0.39

–0.70

.49

-70.60

84.81

-70.60

–0.83

.41

77.95

89.07

77.95

0.88

.38

0.88

0.77

0.88

1.13

.26

-0.61

0.82

-0.61

–0.75

.46

-21.56

121.56

-21.56

–0.18

.86

0.19

1.12

0.19

0.17

.87

Anmerkungen: *p < .05, **p