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German Pages 1326 [1321] Year 2020
ULRICH STELKENS
Verwaltungsprivatrecht
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 994
Verwaltungsprivatrecht Zur Privatrechtsbindung der Verwaltung, deren Reichweite und Konsequenzen
Von
Ulrich Stelkens
Duncker & Humblot • Berlin
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität des Saarlandes hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Habilitationsschrift angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-11860-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706© Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Joachim Burmeister hat dem Verwaltungsprivatrecht 1972 den Vorwurf der „System- und Disziplinlosigkeit" gemacht, die sich bereits in seiner „begriffsschizophrenen Bezeichnung" andeute (WiR 1972, 311, 314). Seither ist die Disziplinierung privatrechtlichen Verwaltungshandelns weit fortgeschritten: Es ist mittlerweile im Schrifttum, aber auch in der Rechtsprechung anerkannt, daß die Verwaltung bei jeder Form privatrechtlichen Verwaltungshandelns öffentlich-rechtlichen Bindungen, insbesondere denen der Grundrechte und der Zuständigkeitsordnung, unterliegt. Die vorliegende Arbeit - es handelt sich um eine aktualisierte Fassung meiner Habilitationsschrift, die im Dezember 2003 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes angenommen worden ist - geht hiervon aus. Ihr Anliegen ist es, die Grundlagen des Verwaltungshandelns in Privatrechtsform zu strukturieren, indem sie insbesondere den privatrechtlichen Verwaltungvertrag als Handlungsform der Verwaltung begreift. Vielleicht kann das Verwaltungsprivatrecht so auch dem Vorwurf der Systemlosigkeit begegnen. Mein besonderer Dank gilt natürlich zunächst meinem akademischen Lehrer, Herrn Univ.-Prof. Dr. Klaus Grupp, und zwar für viel mehr als für die Betreuung (auch) dieser Arbeit. Zu Dank verpflichtet bin ich ebenso Herrn Univ.Prof. Dr. Rudolf Wendt und Herrn Univ.-Prof. Dr. Torsten Stein - auch nicht nur für die Erstellung des Zweit- und Drittgutachtens. Danken möchte ich schließlich meinem Vater, Herrn Prof. Dr. Paul Stelkens: Er hat die ersten Entwürfe kritisch durchgearbeitet und die vorgeschlagenen Lösungen einem Praktikabilitätstest unterzogen. Zudem hat die - von ihm ermöglichte - Mitarbeit an „seinem" VwVfG-Kommentar in weiten Teilen die Grundlage für diese Arbeit geliefert. Die Arbeit befindet sich auf dem Stand von März 2005. Zu diesem Zeitpunkt lagen Entwürfe für eine Teilreform der §§54 ff. VwVfG und des Kartellvergaberechts (§§ 97 ff. GWB) vor, deren Inhalt (nur) noch in den Fußnoten berücksichtigt werden konnte. Saarbücken, im April 2005 Ulrich Stelkens
Inhaltsverzeichnis Einleitung
23 Erstes Kapitel Der Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung
A. Verfassungsrechtliche Verankerung des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung I. Anerkennung der rechtsstaatlichen Bedeutung der Privatrechtsbindung der Verwaltung im 19. Jahrhundert
52
53
53
II. Heutige rechtsstaatliche Bedeutung des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung 57
B. Reichweite des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung
64
I. Privatrechtsfahigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts als privatrechtliche „Vollrechtsfähigkeit"
64
1. Die Konzeption des BGB und ihre verfassungsrechtliche Anerkennung .... 64 2. Einschränkung der Privatrechtsbindung der Verwaltung nach der Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. der „ultra-vires-Lehre"? 70 II. Folgerungen für Geltungsanspruch und Regelungsinhalt des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung
82
1. Schutzziel und Schutzinhalt des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung
82
8
Inhaltsverzeichnis 2. Rechtfertigung der bestehenden materiellen Fiskusprivilegien
85
3. Reichweite des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung bei Erfüllung primärer und sekundärer Verwaltungsaufgaben
86
4. Verhältnis des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
97
5. Reichweite des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung gegenüber dem Organisationsverfassungsrecht juristischer Personen des öffentlichen Rechts 104 6. Geltung des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung im Verhältnis zwischen Verwaltungsträgern
109
7. Fiskuslasten als Ausprägung des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung?
119
III. Privatrechtsbindung der Verwaltung und Verwaltungsakt
124
1. Die „Verwaltungsaktsfestigkeit" des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung
125
2. Abgrenzung privatrechtsmißachtender Einzelfallregelungen von privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakten
137
C. Zusammenfassung der Ergebnisse und ihre Bedeutung für eine Lehre vom Verwaltungsprivatrecht 141 Zweites Kapitel Handlungsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts im Privatrechtsverkehr A. Verwaltungsorganisationsrechtliche Grundlagen I.
144 145
Grundbegriffe
146
1. Unterscheidung zwischen juristischer Person, ihren Organen und Organ waltern
146
2. Sonderformen der Verwaltungsorganisation: Auftragsverwaltung, zwischenbehördliches Mandat, Organleihe
152
Inhaltsverzeichnis II. Bedeutung der Zuständigkeitsnormen 1. Arten der Zuständigkeiten
156 157
2. Bindung des privatrechtlichen Verwaltungshandelns an die Zuständigkeitsordnung 160 3. Der materielle Gehalt der Zuständigkeitsnormen: Das Prinzip der Selbstorganschaft
166
III. Besonderheiten bei Auseinanderfallen von privatrechtlicher Aktiv- oder Passivlegitimation und der Verwaltungszuständigkeit
174
1. Abgrenzung von unproblematischen Fällen
175
2. Verschiedene Lösungsansätze in der Rechtsprechung
181
3. Notwendigkeit einer einheitlichen Lösung
189
B. Zurechnung von Willenserklärungen I.
Maßgebliches Recht für Vertretungsfragen
195 195
1. Bedeutung der Rechtsnatur der abzugebenden Willenserklärung für das anzuwendende Recht 196 2. Bedeutung der Rechtsnatur des zwischen dem Organwalter und dem Verwaltungsträger bestehenden Rechtsverhältnisses für das anzuwendende Recht II. Zurechnung von Willenserklärungen eines Organwalters i.e.S
200 203
1. Außenvertretungskompetenz des Organs
204
2. Einzelvertretung und Gesamtvertretung durch Organwalter i.e.S
209
3. Begrenzung der Vertretungsmacht durch Schriftformerfordernisse
210
4. Begrenzung der Vertretungsmacht der Organwalter i.e.S. durch die materielle Zuständigkeit des Organs und Anwendbarkeit der Lehre vom Mißbrauch der Vertretungsmacht
216
III. Zurechnung von Willenserklärungen eines Organwalters i.w.S
225
1. Rechtsnatur und Rechtswirkungen der Zeichnungsbefugnis
225
10
Inhaltsverzeichnis 2. Fehlerfolgen bei Erteilung der Zeichnungsbefugnis durch einen Unbefugten
231
3. Fehlerfolgen bei Erteilung der Zeichnungsbefugnis für „höchst-persönliche Rechtsgeschäfte" 232 4. Fehlerfolgen bei Erteilung der Zeichnungsbefugnis an hierfür rechtlich ungeeignete Personen 235 5. Reichweite der rechtmäßig erteilten Zeichnungsbefugnis
241
IV. Fehlerfolgen und Vertrauensschutz bei fehlender Vertretungsmacht
244
1. Entsprechende Anwendbarkeit von § 177, § 178 und § 180 BGB
245
2. Duldungs- und Anscheinsvollmacht
252
3. Erfüllungshaftung wegen „Anspruchserwirkung" aus § 242 BGB
257
4. Schadensersatzhaftung des Vertreters und des Verwaltungsträgers
266
C. Zurechnung nicht-rechtsgeschäftlichen Verhaltens
275
I. Zurechnung bei juristischen Personen des Privatrechts
275
1. Zurechnung des Verhaltens der Organwalter i.e.S.: § 31 BGB
276
2. Zurechnung des Verhaltens anderer Personen: § 278 Satz 1, § 831 Abs. 1, § 855 BGB
279
II. Zurechnung bei Verwaltungsträgern
283
1. Regelungsgehalt des § 89 Abs. 1 BGB
283
2. Regelungsgehalt des Art. 34 Satz 1 GG: Das Problem des haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs 3. Allgemeine Zurechnungsgrundsätze bei Verwaltungsträgem III. Die Unterscheidung zwischen dienstlichem und privatem Verhalten
296
D. Zurechnung von Kenntnissen und Wissen I.
Wissenszurechnung bei juristischen Personen des Privatrechts
286 293
303 ,
303
Inhaltsverzeichnis 1. Wissensvertreter
304
2. Wissensinhalt
309
II. Wissenszurechnung bei Verwaltungsträgern
312
1. Entdeckung der Besonderheiten der Wissenszurechnung bei Verwaltungsträgern durch die Rechtsprechung
313
2. Ausschließliche Maßgeblichkeit des öffentlichen Rechts für die Wissenszurechnung bei Verwaltungsträgern
318
E. Zusammenfassung der Ergebnisse und ihre Bedeutung für eine Lehre vom Verwaltungsprivatrecht
323
Drittes Kapitel Die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht und die Abgrenzung ihrer Anwendungsbereiche A. Die „Gesetzgebungskompetenztheorie" I. Kurze Kritik der „klassischen" Abgrenzungstheorien 1. Vorrechtlicher Ansatz
328 330 330 330
2. Heranziehung von Dogmen zur Bestimmung der Anwendungsbereiche von öffentlichem und privatem Recht 333 3. Überbetonung der Rechtswegfrage II. Die „Gesetzgebungskompetenztheorie" als Gesamtlösung 1. Prämissen und Aussagen der „Gesetzgebungskompetenztheorie"
342 344 344
2. Näheres zum Zusammenhang zwischen Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG und dem Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung 351 3. Näheres zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des Privatrechts unter Anwendung der „Gesetzgebungskompetenztheorie"
354
4. Möglichkeit gemeinsamen Rechts nach der „Gesetzgebungskompetenztheorie" und seine Bedeutung für die Rechtswegfrage 356
12
Inhaltsverzeichnis 5. „Gesetzgebungskompetenztheorie" und der Einfluß des Gemeinschaftsrechts auf die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht
363
B. Zuordnung von Normen auf der Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Recht 375 I. Existenz von Privatverwaltungsrecht? 1. Gesetzgebungspraxis und Rechtsprechung
376 377
2. Notwendigkeit der Anerkennung von Privatverwaltungsrecht aus der Sicht des Gesetzgebers
382
3. Reichweite des Privatverwaltungsrechts
3 86
4. Rechtsweg für die Durchsetzung von Privatverwaltungsrecht
394
II. Zuordnung von Sonderregeln für den Abschluß und den Inhalt privatrecht407 licher Verwaltungsverträge 1. Zuordnung von Regelungen, die die Privatrechtsform für die Erfüllung von primären Verwaltungsaufgaben vorschreiben 407 2. Zuordnung von Regelungen, die ein Kontrahierungsverfahren für die Erfüllung von Primäraufgaben in Privatrechtsform anordnen
410
3. Zuordnung von Regelungen, die ein Sonderrecht für privatrechtliche Verwaltungsverträge normieren, die zur Erfüllung primärer Verwaltungsaufgaben abgeschlossen werden
412
4. Zuordnung des Vergaberechts
414
III. Zuordnung von Regelungen, die Verwaltungsträgern die Einwirkung auf zwischen Dritten bestehende Rechtsverhältnisse ermöglichen
421
1. Zuordnung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB
421
2. Zuordnung der Verwaltungsträgem eingeräumten gesetzlichen Vorkaufsrechte
423
3. Zuordnung von Vorschriften, die zugunsten von Verwaltungsträgem eine Legalzession privatrechtlicher Ansprüche anordnen
426
IV. Zuordnung von besonderen sachenrechtlichen Regelungen
428
Inhaltsverzeichnis 1. Zuordnung von Sonderregeln über Erwerb, Begründung, Veränderung und Übertragung dinglicher Rechte bei Beteiligung von Verwaltungsträgern
428
2. Zuordnung von Regelungen, die für Verwaltungsträger im BGB nicht vorgesehene dingliche Rechte begründen
435
V. Zusammenfassung der Ergebnisse und ihre Bedeutung für eine Lehre vom Verwaltungsprivatrecht 449
C. Verwaltungsträger als Verpflichtete aus gesetzlichen privatrechtlichen Ansprüchen I. Passivlegitimation aus gesetzlichen Herausgabeansprüchen
452 453
1. Rechtsprechung zum Bereicherungsrecht
453
2. Rechtsprechung zu dinglichen Herausgabeansprüchen
456
3. Bewertung aus der Sicht der „Gesetzgebungskompetenztheorie"
462
II. Passivlegitimation aus gesetzlichen Unterlassungs- und Störungsbeseitigungsansprüchen
465
1. Rechtsprechung zum Nachbarrecht
465
2. Rechtsprechung zu wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüchen gegenüber der Art und Weise wettbewerbsrelevanten Verwaltungshandelns 484 3. Rechtsprechung zu wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüchen gegenüber der Aufnahme wettbewerbsrelevanter Tätigkeiten 496 4. Rechtsprechung zum Ehrenschutz und allgemeinen Persönlichkeitsrecht. 503 5. Bewertung aus der Sicht der „Gesetzgebungskompetenztheorie"
512
III. Passivlegitimation aus gesetzlichen Schadensersatzansprüchen
526
1. Rechtsnatur der allgemeinen Integritätsschutzpflichten als Normqualifikationsproblem
527
2. Rechtsprechung zu den Verkehrssicherungspflichten
530
3. Rechtsprechung zur Pflicht zur Vermeidung unerlaubter Handlungen
534
14
Inhaltsverzeichnis 4. Rechtsprechung zu den Gefährdungshaftungstatbeständen und vergleichbaren Regelungen
545
5. Zuordnung der allgemeinen Integritätsschutzpflichten nach der „Gesetzgebungskompetenztheorie"
547
6. Die besonderen Probleme der „allgemeinen Unfallverhinderungspflichten": Haftungsregime für Dienstfahrtenunfälle und Querschläger... 555 IV. Passivlegitimation aus gesetzlichen Aufwendungsersatzansprüchen insbesondere aus Geschäftsführung ohne Auftrag
563
V. Zusammenfassung der Ergebnisse und ihre Bedeutung für eine Lehre vom Verwaltungsprivatrecht
570
D. Verwaltungsträger als Inhaber gesetzlicher privatrechtlicher Ansprüche I.
573
Aktivlegitimation aus bereicherungsrechtlichen Ansprüchen
574
1. Anwendungsbereich der §§ 812 ff. BGB nach der Rechtsprechung
574
2. Zuordnung nach der „Gesetzgebungskompetenztheorie"
578
3. Ausschluß und Einschränkung privatrechtlicher Bereicherungsansprüche durch öffentlich-rechtliche Regelungen?
586
II. Aktivlegitimation aus gesetzlichen Ansprüchen zur Abwehr von Eingriffen in absolute Rechte, den Besitz und Wettbewerbspositionen 588 1. Schutz öffentlich-rechtlicher absoluter Rechte durch privatrechtliche Abwehransprüche?
589
2. Abschließende Regelung bestimmter Sachverhalte durch das Privatrecht?
595
3. Ausschluß und Einschränkung privatrechtlicher Abwehransprüche durch öffentlich-rechtliche Regelungen? III. Aktivlegitimation aus gesetzlichen Schadensersatzansprüchen
600 609
1. Schadensersatzansprüche als „wesensmäßiges" Privatrecht?
610
2. Schutz öffentlich-rechtlicher Rechtsgüter durch privatrechtliche Schadensersatzansprüche?
619
Inhaltsverzeichnis 3. Sonderfall der allgemeinen Integritätsschutzpflichten
628
4. Ausschluß und Einschränkung privatrechtlicher Schadensersatzansprüche durch öffentlich-rechtliche Regelungen?
631
IV. Aktivlegitimation aus gesetzlichen Aufwendungsersatzansprüchen insbesondere aus Geschäftsführung ohne Auftrag
634
1. Ausschluß privatrechtlicher Aufwendungsersatzansprüche aus verfassungsrechtlichen Gründen?
637
2. Anwendbarkeit privatrechtlicher Aufwendungsersatzansprüche nach der „Gesetzgebungskompetenztheorie"
644
3. Abschließende Regelung bestimmter Sachverhalte durch das Privatrecht?
653
4. Ausschluß und Einschränkung privatrechtlicher Aufwendungsersatzansprüche durch öffentlich-rechtliche Regelungen?
654
V. Zusammenfassung der Ergebnisse und ihre Bedeutung für eine Lehre vom Verwaltungsprivatrecht 657
E. Anwendbarkeit des Rechts der privatrechtlichen vertraglichen Schuldverhältnisse - Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verwaltungsverträgen 660 I. Zuordnungen von Verwaltungs Verträgen, die bestehende Sonderrechts Verhältnisse verändern oder aufheben 662 1. Veränderung und Aufhebung bestehender privatrechtlicher Schuldverhältnisse
663
2. Veränderung und Aufhebung bestehender öffentlich-rechtlicher Verwaltungsrechtsverhältnisse
666
3. Möglichkeit der Veränderung der Rechtsnatur bestehender Rechtsverhältnisse?
672
II. Zuordnung von Verwaltungsverträgen, die neue Rechtsverhältnisse begründen 1. Allgemeiner Ansatzpunkt der „Gesetzgebungskompetenztheorie" und die Zuordnung durch Rechtssatz besonders vorgeordneter Verträge
678
680
16
Inhaltsverzeichnis 2. Zuordnung nicht normativ vorgeordneter Verwaltungsverträge nach der „Gesetzgebungskompetenztheorie"
693
3. Überzeugungskraft der in der Literatur vorgebrachten Argumente für eine weitergehende Publifizierung des Verwaltungsvertragsrechts III. Besondere Vertragskonstruktionen
700 713
1. Rechtsnatur hinkender Austauschverträge 2. Rechtsnatur von Umgehungsverträgen
713 725
3. Existenz gemischt öffentlich-privatrechtlicher Verträge?
729
IV. Exemplifizierung der Ansatzpunkte der „Gesetzgebungskompetenztheorie" in Einzelfällen 739 1. Verträge über Leistungen der Daseinsvorsorge
740
2. Subventions-, Ansiedlungs- und Ausbildungsförderungsverträge
744
3. Vermögensprivatisierungs- und Vermögensverwertungsverträge
751
4. Verträge über die Einräumung von Wegenutzungsrechten fur Versorgungsleitungen (Gestattungs- und Konzessionsverträge)
755
5. Verträge zur Sicherung öffentlich-rechtlicher Forderungen eines Verwaltungsträgers
762
6. Verträge zur Abwendung der Enteignung und Umlegungsverträge
768
7. Sozialrechtliche Leistungsbeschaffiingsverträge
772
8. Mietgarantien der Sozialämter
781
V. Zusammenfassung der Ergebnisse und ihre Bedeutung für eine Lehre vom Verwaltungsprivatrecht
F. Sonderprobleme des Verhältnisses von Verwaltungsorganisationsrecht und Privatrecht I. Anwendbarkeit des Privatrechts zwischen Verwaltungsträgern 1. Anwendbarkeit des Privatrechts im allgemeinen Verkehr zwischen Verwaltungsträgern
785
791 791
793
Inhaltsverzeichnis 2. Geltung privatrechtlicher Ansprüche zwischen Verwaltungsträgern aufgrund einer Legalzession
816
3. Möglichkeit privatrechtlicher Verträge zwischen Verwaltungsträgern
818
4. Ausschluß und Einschränkung privatrechtlicher vertraglicher Ansprüche durch die Besonderheiten des Verwaltungsorganisationsrechts?. 828 5. Besonderheiten bei Beteiligung öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute
830
II. Anwendbarkeit des Privatrechts im Recht des öffentlichen Dienstes und bei Einbeziehung selbständiger Unternehmen in die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben 835 1. Bedeutung der für die Einstellung und Beförderung von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes geltenden Sonderregelungen 836 2. Anerkennung der Existenz auf privatvertraglicher Grundlage tätiger Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bis 1945
840
3. Fortentwicklung des Rechts der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in Gesetzgebung und Rechtsprechung nach 1945 853 4. Rechtsnatur der Arbeitsverträge des öffentlichen Dienstes nach der „Gesetzgebungskompetenztheorie"
869
5. Rechtsnatur vertraglicher Dienstverhältnisse von Organwaltern i.e.S
884
6. Rechtsnatur von Verwaltungsverträgen über die Einbeziehung selbständiger Unternehmen in die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben 888 III. Zusammenfassung der Ergebnisse und ihre Bedeutung für eine Lehre vom Verwaltungsprivatrecht
G. Bedeutung der Ergebnisse für eine Lehre vom Verwaltungsprivatrecht
897
900
Viertes Kapitel Durchsetzung bestehender öffentlich-rechtlicher Bindungen bei privatrechtlichem Verwaltungshandeln A. Kritik der bisherigen Lösungsansätze I.
Verwaltungsprivatrecht als Sonderprivatrecht
904 906 907
Inhaltsverzeichnis 1. Erste Ansätze einer „Sonderprivatrechtslösung" in der Rechtsprechung des Reichsgerichts 909 2. Die „Sonderprivatrechtslösung" in der heutigen Rechtsprechung
912
3. Methodische Bedenken gegen die „Sonderprivatrechtslösung"
921
4. Unvereinbarkeit der „Sonderprivatrechtslösung" mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Privatrechtsanwendung
926
5. Art. 10 EGV als Zwang zur „Sonderprivatrechtslösung" bei Verstößen gegen Gemeinschaftsrecht? 941 II. Analoge Anwendung der §§54 ff. VwVfG auf privatrechtliche Verwaltungs Verträge 1. Verstoß der Analogie gegen verfassungsrechtliche Prinzipien und die Grundsätze der „Gesetzgebungskompetenztheorie"
950
2. Nur eingeschränkte Vergleichbarkeit privatrechtlicher und öffentlichrechtlicher Verwaltungs Verträge
953
3. Analogieunfähigkeit der § § 54 ff. VwVfG III. Zweistufentheorie
960 967
1. Zweistufentheorie als Instrument zum Schutz des potentiellen Vertragspartners
968
2. Zweistufentheorie als Instrument des Konkurrentenschutzes
974
IV. Vorrang „schlichter Privatrechtsanwendung"
981
1. Rechtlicher Vorrang „schlichter Privatrechtsanwendung"
982
2. Methodischer Vorrang „schlichter Privatrechtsanwendung"
986
Die „Zweiebenentheorie" I.
949
Durchsetzung subjektiv-öffentlicher Rechte auf Begründung privatrechtlicher Schuldverhältnisse
991
992
1. Materielle Rechtslage bei subjektiv-öffentlichen Rechten auf Abschluß privatrechtlicher Verwaltungsverträge im Normalfall 993
Inhaltsverzeichnis 2. Materiellrechtliche Besonderheiten bei „Zwischenschaltung" von Verwaltungsakten oder Zusagen
1005
3. Materiellrechtliche Besonderheiten bei der Einschaltung privater Kreditinstitute in die Subventionsvergabe
1010
4. Verwaltungsverfahrensrechtliche Durchsetzung
1015
5. Rechtsweg für die gerichtliche Durchsetzung
1024
6. Klageart und Vollstreckung bei gerichtlicher Durchsetzung
1036
7. Schadensersatzansprüche wegen Fehl Verhaltens im Vorfeld des Vertragsschlusses
1045
II. Einwendung subjektiv-öffentlicher Rechte gegenüber nach Privatrecht bestehenden Verpflichtungen
1052
1. Behauptung, die dem Privaten vertraglich gewährten Rechte blieben hinter dessen subjektiv-öffentlichen Rechten zurück
1053
2. Behauptung, die dem Privaten vertraglich auferlegten Verpflichtungen verletzten dessen subjektiv-öffentliche Rechte 1056 3. Rechtswegprobleme bei der Anerkennung subjektiv-öffentlicher Rechte auf Änderung bestehender privatrechtlicher Verträge
1067
4. Behauptung des Verbots der Durchsetzung nach Privatrecht gegebener 1073 gesetzlicher Ansprüche 5. Prozessuale Probleme bei Verboten der Durchsetzung gesetzlicher privatrechtlicher Ansprüche
1081
6. Behauptung sonstiger Rechtswidrigkeit privatrechtlichen Verwaltungshandelns
1087
III. Durchsetzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung durch den Verwaltungsträger 1091 1. Instrumentalisierung privatrechtlicher Möglichkeiten der Vertragsbeendigung zur Durchsetzung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
1093
2. Verfassungsrechtlicher Rahmen für die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Vertragsänderungsansprüche der Verwaltung
1102
3. Möglichkeit der Begründung eines allgemeinen öffentlich-rechtlichen Vertragsänderungsanspruchs der Verwaltung durch Rechtsfortbildung.. 1116
20
Inhaltsverzeichnis 4. Einzelheiten zum Inhalt und zur Durchsetzung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Vertragsänderungsanspruchs der Verwaltung 1124 5. Öffentlich-rechtliche Vertragsänderungsansprüche der Verwaltung im Kartellvergaberecht 1130 6. Besonderheiten beim rechtswidrig gewordenen privatrechtlichen Verwaltungs vertrag
1137
IV. Besonderheiten beim verwaltungsprivatrechtlichen Konkurrentenstreit
1141
1. Durchsetzung subjektiv-öffentlicher Rechte auf „privatrechtliches Einschreiten"
1142
2. Der verwaltungsprivatrechtliche negative Konkurrentenstreit: Konkurrentenstreit im Subventionsrecht
1146
3. Der verwaltungsprivatrechtliche Konkurrentenverdrängungsstreit: Konkurrentenstreit bei Einstellung von Arbeitnehmern in den öffentlichen Dienst, bei Vergabe öffentlicher Aufträge und bei Vermögensprivatisierung
1156
4. Besonderheiten des verwaltungsprivatrechtlichen Konkurrentenverdrängungsstreits im Kartellvergaberecht
1172
Zusammenfassung der Ergebnisse
1184
I. Verwaltungsträger als gegenüber Privaten aus gesetzlichen privatrechtlichen Ansprüchen Verpflichtete
1184
II. Verwaltungsträger als Inhaber gesetzlicher privatrechtlicher Ansprüche
1187
III. Das Recht privatrechtlicher Verwaltungsverträge
1190
IV. Verwaltungsprivatrecht zwischen Verwaltungsträgern
1205
Literaturverzeichnis
1208
Sachverzeichnis
1271
Abkürzungsverzeichnis Die verwendeten Abkürzungen - mit Ausnahme der unten aufgeführten - entsprechen den amtlichen Gesetzesabkürzungen bzw. den Abkürzungen des „Abkürzungsverzeichnisses der Rechtssprache", 5. Aufl. 2003, von Hildebert Kirchner und Cornelie Butz. Die in den zitierten Entscheidungen des BSG verwendeten Abkürzungen finden sich in den Gesamtregisterbänden seiner »Amtlichen Sammlung". Siehe i. ü. auch die Anmerkung zum Literaturverzeichnis Begr.
Begründer
ders.
derselbe
dies.
dieselbe/dieselben
GKÖD
Gesamtkommentar öffentliches Dienstrecht
HdbDtStR
Handbuch des Deutschen Staatsrechts
HdbStR
Handbuch des Staatsrechts
HdbVerfR
Handbuch des Verfassungsrechts
KommJuR
Der Kommunaljurist
MünchKomm
Münchener Kommentar
SKZ
Saarländische Kommunalzeitschrift
VerwR
Verwaltungsrecht
ZEUS
Zeitschrift für Europarechtliche Studien
ZWeR
Zeitschrift für Wettbewerbsrecht
„Die Freude des Mannes, der das Pulver erfunden hat oder die drahtlose Telegraphie, ist dem Juristen versagt. In der Rechtswissenschaft gibt es keine Erfinder oder sollte es wenigstens nicht geben. Nur was das Leben wirksam und schaffend an Rechtsstoff schon enthält, weist sie auf und beschreibt sie. Noch mehr: auch die Art, wie sie das beschreibt, die Begriffe, mit welchen sie das Vorgefundene zu erfassen und zu Verständnis und sicherer Beherrschung zu bringen sucht, sie werden besser von ihrem Vertreter nicht auf den Markt gebracht mit der frohen Verkündigung: dieses habe ich im stillen Kämmerlein ersonnen als etwas Neues, Bahnbrechendes. Sondern der Sache dient es mehr, wenn er sagen kann: hier ist eine alte erprobte Denkmaschine; seht zu, ob sie nicht jetzt noch zu gebrauchen ist."
Otto Mayer
1
Einleitung a) Wie der Untertitel der Untersuchung andeutet, soll das Verwaltungsprivatrecht die Antwort auf die Frage geben, wann der Staat und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts an privatrechtliche Rechtssätze gebunden sind, wann sie von privatrechtlichen Handlungsformen Gebrauch machen können und welche Rechtsfolgen sich aus einer Beteiligung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts an einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis ergeben. Verwaltungsprivatrecht umfaßt damit alle die Fälle, in denen das Privatrecht auf das Handeln juristischer Personen des öffentlichen Rechts anzuwenden ist.2 Der hier vorgeschlagenen Begriffsverwendung steht die „klassische" Verwendung des Begriffs „Verwaltungsprivatrecht" gegenüber, die auf H. J. Wolff zurückgeht, dem Erfinder dieser (bereits in der 1. Auflage seines „Verwaltungsrechts" von 1956 enthaltenen3) Wortschöpfung. 4 H. J. Wolff wollte
1
O. Mayer, AöR 21 (1907), S. 499.
2
Ähnlich die Begriffsverwendung auch bei BGH, NuR 2004, 554, 555 (auf einen zur Enteignungsabwendung geschlossenen GrundstückskaufVertrag sei das „Verwaltungsprivatrecht" anwendbar); BVerwG, NVwZ 2000, 1418, 1419 (Beschaffungstätigkeit sei „verwaltungsprivatrechtliches Handeln"); VGH Kassel, NVwZ 2003, 238 f. („Raumvermietung an Schilderpräger", hierzu unten S. 1031: Vermietung von Räumen in KfzZulassungsstelle unterstehe dem „Verwaltungsprivatrecht"); Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, S. 353; Lerche, Festschrift Winkler, S. 581, 591 ff.; Röhl, JuS 2002, 1053,1054; Schmidt-Äßmann, Ordnungsidee, Rn. 6/24. 3 4
H; J. Wolff,
Verwaltungsrecht I, § 23 I b, S. 73.
Als Schöpfer des Begriffs „Verwaltungsprivatrecht" wird H. J. Wolff auch bezeichnet bei Forsthoff, Lehrbuch, S. 197; Haas, DVB1. 1960, 303; Mann, Verw 35 (2002), S. 463, 478; ders., Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 284; Pietzcker, Staatsauftrag, S. 357; Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 8; Wertenbruch, JuS 1961, 105,
106.
24
Einleitung
hiermit nämlich nur der Rechtsfigur einen Namen geben, die Siebert in seinem insoweit grundlegenden Vortrag vor der Zivilrechtslehrertagung in Schlangenbad am 17. Oktober 19535 „entdeckt", dort mit den Worten „Privatrecht als Mittel der öffentlichen Verwaltung" umschrieben hatte6 und die sofort - nicht nur bei H. J. Wolff - großes Interesse fand. 7 Es ging um die schlichte Behauptung, auch die privatrechtlich handelnde Verwaltung sei öffentlich-rechtlichen Bindungen, insbesondere den Grundrechten, dann - aber auch nur dann - unterworfen, wenn sie unmittelbare Verwaltungszwecke erfülle. Damit sollte das „klassische" Verwaltungsprivatrecht nur für die sog. Daseinsvorsorge (Versorgungs- und Entsorgungsverwaltung) sowie für die Wirtschaftsförderung und für die subventionierende Verwaltung gelten, nicht aber für sonstige „fiskalische" (beschaffende und erwerbswirtschaftliche) Tätigkeit.8 Begründet wurde diese Differenzierung jedoch weder von Siebert noch später von H. J. Wolff. Dies war nach dem damaligem Stand der Verwaltungsrechtswissenschaft auch nicht notwendig: Es galt nicht zu begründen, warum die „fiskalische" Verwaltung nicht an das öffentliche Recht gebunden sein sollte, sondern darzulegen, warum die öffentliche Hand entgegen der in Rechtsprechung9 und Lehre 10 vor 1949 ganz herrschenden Auffassung nunmehr jedenfalls bei der sog. „unmittelbaren Aufgabenerfullung" öffentlich-rechtlichen Bindungen zu unterwerfen sei. b) Heute ist demgegenüber ganz herrschende Meinung, daß die Verwaltung jedenfalls dann öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt, wenn sie zur Wahrnehmung von Aufgaben der Daseinsvorsorge und der Wirtschaftslenkung privatrechtliche VerwaltungsVerträge 11 abschließt.12 Unklarheiten bestehen
5
Veröffentlicht in der Festschrift Niedermayer, S. 215 ff. Siebert , Festschrift Niedermayer, S. 215, 221 f. 7 Siehe z. B. Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 37, 55 Fn. 37; Dürig , Festschrift Nawiasky, S. 157, 184 ff. 8 Zum „klassischen" Begriff des Verwaltungsprivatrechts Röhl, VerwArch. 86 (1995), S. 531, 572 ff.; Unruh, DÖV 1997, 653, 662 ff. 9 RGZ 110, 297, 298 ff.; RGZ 128, 134, 145; RGZ 133, 388, 390 („Theaterkritiker", hierzu unten S. 910); PrOVGE 52, 28, 31; RAGE 11,273, 276 f. 10 W. Jellinek, VerwR, S. 25; Kotigen , VVDStRL 6 (1929), S. 104, 127 ff.; Richter, WDStRL 6 (1929), S. 69, 82 f., 99 ff; demgegenüber bereits für eine vollständige Bindung der privatrechtlich handelnden Verwaltung an das öffentliche Recht Behr, AöR 38 (1918), S. 288, 301: Verträge des Fiskus dürften Angehörige des eigenen Bundesstaates nicht bevorzugen und müßten die Gewerbefreiheit achten; sonst seien sie nichtig. 11 Mit dem Begriff des Verwaltungsvertrages werden nach der wohl von Bullinger (Vertrag, S. 25 Fn. 1) begründeten, von Krebs und Schmidt-Aßmann (Krebs, WDStRL 52 [1993], S. 248, 257 f.; ders., in: Ehlers/Krebs, Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, S. 41; Schmidt-Aßmann, Festschrift Gelzer, S. 117; ders., Ordnungsidee, Rn. 6/114; Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 137 mit Fn. 328) 6
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„nur" hinsichtlich der Reichweite und des Inhalts dieser Bindungen. Für die heutige Diskussion über die Rechtsfolgen der Verwaltung in Privatrechtsform macht dies jedoch mittlerweile notwendig, die Annahme zu rechtfertigen, eine Bindung an das öffentliche Recht sei nur bei „immittelbarer Erfüllung staatlicher Aufgaben" gegeben. Diese Rechtfertigung trägt die bloße Unterscheidung zwischen „unmittelbarer" und „mittelbarer" Erfüllung von Verwaltungsaufgaben und die hiermit verbundene Unterscheidung zwischen „verwaltungsprivatrechtlicher" und „fiskalischer" Tätigkeit jedenfalls nicht selbstverständlich in sich.13 Hierbei können die Rechtsfolgen privatrechtlicher Verwaltungstätigkeit heute auf wesentlich festerer dogmatischer Grundlage bestimmt werden, als dies zu der Zeit möglich war, als Siebert und H. J. Wolff die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht entwickelten. Als Ergebnisse jahrelanger rechtswissenschaftlicher Diskussion sollen diese Grundlagen hier nicht weiter in Frage gestellt werden: c) Dies gilt zunächst für den Grundsatz, daß sich juristische Personen des öffentlichen Rechts schlechthin nicht auf Grundrechte berufen können, auch wenn sie von staatlichen Maßnahmen im „fiskalischen" Bereich betroffen werden, also auch in Fällen sogenannter „grundrechtstypischer" Gefährdungslagen.14 Dies hat das BVerfG in der Sasbach-Entscheidung letztlich unmißver-
„wiederbelebten" Terminologie alle Verträge angesprochen, die Verwaltungsträger schließen, unabhängig von ihrer Rechtsnatur. Dies ist mittlerweile wohl weitgehend eingeführt: K Bauer , Festschrift Knöpfle, S. 11, 12; ders ., DÖV 1998, 89, 90; ders., in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität, S. 245, 252; Brohm , JZ 2000, 321, 322; Grziwotz , Vertragsgestaltung, Rn. 27 ff.; Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 23 f.; dies ., Jura 2001, 659, 661; Höfling/Krings , JuS 2000, 625, 626; H. Jochum , Verwaltungsverfahrensrecht, S. 224; Krautzberger , in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 11 Rn. 4; Spannowsky , Grenzen, S. 47 f.; Voßkuhle , VerwArch 92 (2001), S. 184, 205. Teilweise wird der Begriff des Verwaltungsvertrages jedoch auch enger gefaßt, vgl. die Zusammenstellung bei Schlette , Vertragspartner, S. 18 ff.). 12
Soweit an der Lehre vom Verwaltungsprivatrecht heute Kritik geübt wird, richtet sie sich vor allem gegen die - noch von Siebert und H. J. Wolff als selbstverständlich vorausgesetzte - Annahme, die Verwaltung könne die ihr zugewiesenen Aufgaben unter Verwendung privatrechtlicher Handlungsformen erfüllen. Zu dieser in der Literatur wohl vorherrschenden Position näher 1. Kap. A II f (S. 63) und C a (S. 141), 3. Kap. D II 3 (S. 600 ff.) und IV 1 (S. 637 ff.) sowie E II 3 (S. 700 ff.). 13
So bereits Zeidler , WDStRL 19 (1961), S. 208, 220 f.; ferner T. Koch , Status, S. 139; Kunert , Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 95 ff.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 77; Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 141 ff.; Wallerath , Bedarfsdeckung S. 175 ff.; a. A. nur//. J. Wolff/BachoflStober, VerwR I, 23 Rn. 30. 14 Siehe zur Diskussion über die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts nur die Darstellungen bei Bleckmann (Staatsrecht II, § 9 Rn. 26 ff.) und Storr (Staat als Unternehmer, S. 187 ff.), die mit überzeugender Argumentation der Rechtsprechung des BVerfG folgen.
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ständlich klargestellt,15 die jüngst mehrfach ausdrücklich bestätigt wurde.16 Auch wenn die Rechtsprechung des BVerfG im übrigen nicht ganz einheitlich zu sein scheint,17 lassen sich vor dem Hintergrund der Sasbach-Entscheidung jedenfalls recht gut die vom BVerfG angenommen „Ausnahmen" von diesem Grundsatz in ein System bringen: Dies betrifft zunächst die Grundrechtsfähigkeit der öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgesellschaften, da es sich hierbei nicht um „typische", in den Staat „integrierte", 18 sondern um rein „formelle" juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt, die außerhalb der Staatsorganisation stehen.19 Deren Tätigkeit soll dementsprechend aus der folgenden Untersuchung vollständig ausgeklammert werden. Die weiteren anerkannten Ausnahmen für die Hochschulen20 und die Rundfimkanstalten 21 sind hiermit nicht zu vergleichen: Sie beruhen auf der Überlegung, im „Kultursektor" müsse ein unmittelbarer Staatseinfluß ausgeschlossen sein. Damit werden aus den Grundrechten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Art. 5 Abs. 3 GG letztlich Staatsstrukturbestimmungen herausgelesen, die eher mit der Staatsstrukturbestimmung des Art. 28 Abs. 2 GG als mit der Gewährung von Grundrechten an „echte" Grundrechtsträger zu vergleichen sind.22 Soweit die Selbstverwaltungsträger des Kulturbereichs im Wege der Verfassungsbeschwerde ihren „Grundrechtsschutz" geltend machen können, ähnelt das Verfahren seiner Struktur
15
BVerfGE 61, 82, 108.
16
BVerfG, 1 BvR 1298/94 u. a. v. 13. 7. 2004, http://www.bverfg.de, Abs. 134 = NJW 2005, 45, 46 (kein Grundrechtsschutz für „Fiskus" als Erben); BVerfG (K), 2 BvR 403/02 v. 23. 7. 2002, http://www.bverfg.de, Abs. 11 ff. = NVwZ 2002, 1366 f.; BVerfG (K), 2 BvR 1248/03 und 1249/03 v. 9. 6. 2004, http://www.bverfg.de = Abs. 22 ff. = NZS 2005, 139, 140 ff.; BVerfG (K), 2 BvR 622/03 v. 28. 9. 2004, http://www.bverfg.de = NVwZ 2005, 82, 83. 17 Zu den insoweit wieder eher einschränkenden Entscheidungen BVerfGE 68, 193, 208 und BVerfGE 75, 192, 197 (hierzu Stern , Staatsrecht III/l, § 71 VII 2, S. 1150) siehe sogleich unter d (S. 27). 18
BVerfGE 42,312, 321.
19
Siehe zum Begriff der „formellen" juristischen Person des öffentlichen Rechts: Renck, BayVBl. 1993,452, 453. 20 BVerfGE 15,256,262. 21 22
BVerfGE 31, 314, 322.
So deutlich Bleckmann , Staatsrecht II, § 9 Rn. 42. Für Rundfunkanstalten wird dies zumeist bestritten. Im Ergebnis macht es jedoch keinen Unterschied, ob die Rundfunkanstalten als Selbstverwaltungsträger bezeichnet werden oder als Verwaltungsträger, die in der „gesellschaftlichen Sphäre" verankert sind und im durch „Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umhegten Wirkungskreis" tätig werden, wenn ihnen zugleich verboten wird, über diesen Bereich hinaus tätig zu werden, weil sie hierzu vom Organisationsgesetzgeber nicht geschaffen worden sind (so. z. B. Gersdorf\ Öffentliche Unternehmen, S. 125 ff.). Ähnlich wie hier auch Groß , Kollegialprinzip, S. 29 ff.; Sodan/Gast , Umverteilung, S. 43 ff. (für Betriebskrankenkassen).
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nach also eher der Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG als einer „echten" Individualverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG. Bestätigt wird dies dadurch, daß das BVerfG zu Recht den Rundfunkanstalten (entsprechendes muß für Hochschulen gelten) nur eine Berufung auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, grundsätzlich nicht auch auf andere Grundrechte gestattet.23 Die letzte große Ausnahme, nämlich daß sich alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts - und damit auch der Staat - auf die Prozeßgrundrechte berufen können,24 läßt sich dementsprechend ebenfalls nicht als Anerkennung „echter" Grundrechtsfähigkeit zugunsten juristischer Personen des öffentlichen Rechts im Prozeßbereich begreifen. Sie ist vielmehr Konsequenz der besonders strikten Gewaltenteilung zwischen Judikative und Exekutive. In allen weiteren Fällen, in denen eine partielle Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts diskussionswürdig erscheint,25 kann es folglich nicht darum gehen, eine „echte" Grundrechtsfähigkeit zu statuieren in dem Sinne, daß die öffentliche Hand in diesen Fällen in jeder Hinsicht wie ein privater Grundrechtsträger anzusehen wäre. Die Frage kann nur lauten, ob sich aus den Grundrechten weitere Staatsstrukturbestimmungen herleiten lassen, zu deren Schutz der hierdurch „begünstigten" juristischen Person des öffentlichen Rechts - mangels sonstiger verfassungsgerichtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten- die Individualverfassungsbeschwerde zu gewähren ist.26 d) Diese Sichtweise führt unmittelbar zu einem weiteren, hier nicht in Frage zu stellenden Grundsatz: Alles Handeln juristischer Personen des öffentlichen Rechts in Privatrechtsformen ist der Staatsfunktion der „vollziehenden Gewalt" und hierbei der Staatsfunktion der Verwaltung zuzuordnen. Dementsprechend
23 BVerfGE 59, 231, 254 f. (keine Berufung auf Art. 9 Abs. 3 und Art. 2 Abs. 1 GG); BVerfGE 78, 101, 102 ff. (keine Berufung auf Art. 14 GG); BVerfGE 83, 238, 312 (keine Berufung auf Pressefreiheit); BVerfG (K), 1 BvR 341/93 v. 28. 10. 1998, http://www.bverfg.de, Abs. 33 = NJW 1999, 709 (keine Berufung auf Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG); nicht unbedingt einen Widerspruch hierzu stellt es dar, wenn das BVerfG nunmehr (1 BvR 330/96 und 348/99 v. 12. 3. 2003, http://www.bverfg.de, Abs. 35 ff. = BVerfGE 107, 299, 309 f.) öffentlich-rechtlichen Rundfiinkanstalten in Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch eine Berufung auf Art. 10 GG und Art. 19 Abs. 4 GG gestattet. 24
BVerfGE 6,45,49 f; BVerfGE 21, 362, 373; BVerfGE 61, 82, 104.
25
Siehe hierzu etwa Stern , Staatsrecht III/l, § 71 VII 6 und 7, S. 1166 ff.; speziell zur Frage der Grundrechts(un-)föhigkeit der öffentlichen Banken und Sparkassen siehe 3. Kap. F I 5 d (S. 834 f.). 26
So deutlich auch der Ansatz zur Begründung der Grundrechtsfähigkeit der Betriebskrankenkassen bei Sodan/Gasty Umverteilung, S. 37 und S. 41 ff.
28
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ist jedes privatrechtliche Verwaltungshandeln kompetenzgebunden.27 Dies gilt zunächst - wie schon von der „klassischen" Lehre vom Verwaltungsprivatrecht angenommen soweit die Verwaltung die ihr „eigentlich" obliegenden Aufgaben, die sogenannten Primäraufgaben erfüllt. Herkömmlicherweise wird dies als „unmittelbare Aufgabenerfüllung" in privatrechtlichen Formen umschrieben. Kompetenzgebunden sind darüber hinaus aber auch das Beschaffungswesen28 und die erwerbswirtschaftliche Betätigung der Verwaltung. Die Wahrnehmung dieser Tätigkeiten wird herkömmlich als „mittelbare Aufgabenerfullung" bezeichnet, soll hier jedoch als Erfüllung „sekundärer Verwaltungsaufgaben" bezeichnet werden, um zum Ausdruck zu bringen, daß auch die für die Erfüllung der Primäraufgaben notwendige Beschaffung von Sach- und Finanzmitteln Verwaltungsaufgabe ist.29 Für das Beschajfungswesen wird die Kompetenzbindung selbstverständlich, wenn hierunter nicht nur das Recht der öffentlichen Aufträge verstanden wird, sondern die Enteignung oder Zwangsverpflichtung als „im Hintergrund schwebende Alternative" zum freihändigen Erwerb der benötigten Sachmittel und Dienstleistungen mit in den Blick geBetätigung ist die Kompetenznommen wird. 30 Für die erwerbswirtschaftliche bindung jedoch nach wie vor nicht unumstritten.31 Versteht man unter erwerbswirtschaftlicher Betätigung in diesem Zusammenhang die Tätigkeit der Verwaltung, mit der diese ausschließlich die Erwirtschaftung von Gewinnen anstrebt,32 spricht bereits ein Vergleich mit den dem Staat zustehenden alternativen „Gewinnerzielungsmöglichkeiten", der Steuererhebung nämlich, gegen eine Kompetenzfreiheit der erwerbswirtschaftlichen Betätigung. Nicht umsonst werden gerade aus dem „Steuerstaatsprinzip" Grenzen für die erwerbswirtschaftliche Betätigung hergeleitet.33 Für die Kompetenzfreiheit der er-
27 Grundlegend Mallmann, WDStRL 19 (1961), 164, 194 ff.; ferner Burmeister, in: Wadle, Dialog, S. 105, 123 ff.; Gurlit , Verwaltungsvertrag, S. 250; Jestaedt , Demokratieprinzip, S. 247 ff.; Pietzcker , Staatsauftrag, S. 371. 24
So jetzt ausdrücklich auch OLG Düsseldorf, NZBau 2003,400,402.
29
Burgi , Funktionale Privatisierung, S. 45 ff.; Wallerath , Bedarfsdeckung, S. 185.
30
Wallerath , Bedarfsdeckung, S. 97 ff.
31
A. A. etwa Blümel , in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 101 Rn. 8; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 30 Rn. 8; Püttner , Unternehmen, S. 162 f.; Ruppelt , in: Umbach/Clemens, GG, Art. 30 Rn. 17; Sannwald , in: Schmidt-Bleibtreu/ Franz Klein, GG, Art. 30 Rn. 19; Stern , Staatsrecht II, § 41 IV 4 b, S. 783 und VII 7 b, S. 831 f. 32
Vgl. Ehlers, Privatrechtsform, S. 90; ders ., Jura 1999, 212; Grupp , ZHR 140 (1976), S. 367, 370; Gusy , JA 1995, 166, 167; zu einem weiteren Begriff der erwerbswirtschaftlichen Betätigung siehe 1. Kap. B II 3 d (S. 92 ff.). 33 Vgl. hierzu Cremer , DÖV 2003, 921, 930 ff.; Löwer , WDStRL 60 (2001), S. 416, 423; Schliesky , Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 164 ff.; Storr, Staat als Unternehmer, S. 119 ff.
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weltwirtschaftlichen Betätigung wird demgegenüber nur angeführt, daß andernfalls wegen Art. 30 GG die umfangreiche erwerbswirtschaftliche Betätigung des Bundes größtenteils als unzulässig angesehen werden müßte. Da vor Inkrafttreten des Grundgesetzes die Befugnis des Reichs zur erwerbswirtschaftlichen Betätigung jedoch allgemein anerkannt gewesen sei,34 könne nicht angenommen werden, daß das Grundgesetz dies (stillschweigend) ändern wollte.35 Wie vor allem Lerche und Ronellenfitsch dargelegt haben, ist dieser Schluß jedoch nicht zwingend.36 Im übrigen sollte die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine erwerbswirtschaftliche Betätigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts zulässig ist, nicht mit der Frage vermengt werden, ob eine juristische Person des öffentlichen Rechts, wenn sie in diesem Bereich tätig wird, für diese Tätigkeit (zu Recht oder zu Unrecht) Verwaltungsoder sonstige Kompetenzen in Anspruch nimmt. Werden diese Fragen voneinander getrennt, so ist nicht erkennbar, was sonst als Verwaltungstätigkeit die erwerbswirtschaftliche Betätigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts sein könnte37 - gerade weil auch die „fiskalische" Verwaltung uneingeschränkt zur Verwaltung gezählt,38 wenn auch nur eingeschränkt dem Verwaltungsrecht unterstellt wird. Dementsprechend muß sich jedes „fiskalische Hilfsgeschäft" und jede erwerbswirtschaftliche Betätigung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf einen - wenn auch nicht notwendigerweise geschriebenen - Kompetenztitel zurückführen lassen. Dem Staat und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts steht keine Privatautonomie zu.39
34
Siehe hierzu etwa Richter , VVDStRL 6 (1929), S. 69, 80 ff.
35
Püttner , Unternehmen, S. 163 f.
36 Lerche , in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rn. 42 f. (Bearbeitung 1983) und Art. 86 Rn. 55 (Bearbeitung 1989); Ronellenfitsch , in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR III, §84 Rn. 4; wie hier ferner Bothe, in: Denninger/Hoffmann-Riem/H.-P. Schneider/E. Stein, AK-GG, Art. 30 Rn. 17; Burgi , Funktionale Privatisierung, S. 46 f.; Ehlers , Privatrechtsform, S. 114; Erbguth , in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 33; März , in: v. Mangoldt/Friedrich Klein/Starck, GG, Art. 30 Rn. 45; Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 52 ff.; Schliesky , öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 138 ff.; Storr , Staat als Unternehmer, S. 529 ff.; Trute , in: v. Mangoldt/Friedrich Klein/Stark, GG, Art. 83 Rn. 17; Wallerath , Bedarfsdeckung, S. 181 ff. 37 So deutlich Burmeister , in: Wadle, Dialog, S. 105, 123 ff.; ders ., in: ders ., Stellung der Verwaltung, S. 77, 81. 38 39
OVG Münster, NVwZ-RR 2003, 800, 801; Dürig , Festschrift Nawiasky, S. 157.
Ehlers , in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 2 Rn. 80; J. Ipsen, Allg VerwR, Rn. 199; Maurer , Allg VerwR, § 3 Rn. 9; H. J. Wolff/Bachof/Stober , VerwR I, § 23 Rn. 15; Ziekow , Festschrift König, S. 303, 312. Ausführlich hierzu Burmeister , WiR 1972, 311, 339 ff.; ders., DÖV 1975, 695, 700 ff.; ders., in: Prütting, Dialog III, S. 1, 7 ff.; ders., in: ders.: Stellung der Verwaltung, S. 77, 86 ff.; ders., VVDStRL 52 (1993), S. 190, 210 ff.
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Die vom BVerfG auch nach der Sasbach-Entscheidung gelegentlich nicht ausdrücklich ausgeschlossene Möglichkeit, daß sich juristische Personen des öffentlichen Rechts u. U. auf Grundrechte berufen könnten, soweit sie keine öffentlichen Aufgaben erfüllen, 40 läuft damit ins Leere: Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben festgelegt. 41 Mißachten sie dies, ist ihr Handeln rechtswidrig - grundrechtsgeschützt kann es dadurch nicht werden. 42 e) Als Kehrseite der fehlenden Grundrechtsberechtigung entspricht es im übrigen mittlerweile nahezu allgemeiner (insbesondere in allen neueren Grundgesetzkommentaren vertretenen) Auffassung, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts nach Art. 1 Abs. 3 GG auch dann an die Grundrechte gebunden sind, wenn sie sich privatrechtlicher Handlungsformen bedienen, unabhängig davon, ob diese Tätigkeit der Erfüllung der ihnen primär obliegenden Aufgaben dient oder nur rein „fiskalischen" oder „erwerbswirtschaftlichen" Charakter hat. 43 Die oftmals noch als „herrschende Meinung" bezeichnete Gegenauffassung - die schon sehr früh bestritten worden i s t 4 4 - wird heute kaum
40
BVerfGE 68, 193,208; BVerfGE 75, 192,197.
41
Gusy , DÖV 1984, 872, 878; Wallerath, Bedarfsdeckung, S. 175 ff.
42
In diese Richtung auch T. Koch , Status, S. 139.
43
So etwa aus neuerer Zeit: J. Becker , Verwaltungsprivatrecht S. 48 ff.; Bleckmann , Staatsrecht II, § 10 Rn. 50 ff.; Broß , ZWeR 2003, 270, 273; Burgi , Funktionale Privatisierung, S. 250; Cremer, DÖV 2003, 921, 923 ff.; O. Dörr, DÖV 2001, 1014, 1015 ff.; Denninger , in: Denninger/Hoffmann-Riem/H.-P. Schneider/E. Stein, AK-GG, Art. 1 Rn. 30; Dreher , NZBau 2002, 419, 425; dersin: Immenga/Mestmäcker, GWB, Vor §§ 97 ff. Rn. 88 ff.; Dreier , in: Dreier, GG, Art. 1 III Rn. 65 ff.; Eggers/Malmendier , NJW 2003, 780, 781 f.; Ehlers , in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 2 Rn. 78 ff.; ders., Privatrechtsform, S. 214 ff.; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 97 ff.; Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 377 ff., 398 ff.; Gusy, JA 1995, 166, 171; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 94 ff.; P.-M. Huber , Konkurrenzschutz, S. 315; Jestaedt , Demokratieprinzip, S. 238 ff.; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 1 Rn. 60; Lerche, Festschrift Winkler, S. 581, 585 f.; Maurer, Allg VerwR, § 3 Rn. 10; D. Merten , in: Sommermann, Mehrebenensystem, S. 1, 7; Möllers, Staat als Argument, S. 326 ff.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 73 ff.; Niebuhr, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Vergaberecht, § 97 Rn. 240 ff.; Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 638 f.; Pietzcker, in: Motzke/Pietzcker/Prieß, VOB/A, Syst VIII Rn. 20 ff.; ders., Zweiteilung, S. 16 f.; Pünder, VerwArch 94 (2005), S. 38, 41; Robbers, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 1 Rn. 86; Röhl, JuS 2002, 1053; Rüfner, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR V, § 117 Rn. 45; Scharen, NZBau 2003, 585, 587; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Rn. 6/24; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 40 Rn. 335, 357; Starck, in: v. Mangoldt/Friedrich Klein/Starck, GG, Art. 1 Rn. 197; Stern, Staatsrecht III/l, § 74 IV, S. 1394 ff.; Storr, Staat als Unternehmer, S. 482 f.; Vinte, Grundstücksverkäufe, S. 147; Waldner , Bieterschutz, S. 122 ff.; Wallerath, Bedarfsdekkung, S. 303 ff.; ders., Allg VerwR, § 1 Rn. 34 f.; Ziekow/Siegel, ZfBR 2004, 30, 34 f. 44
So z. B. von Low, DÖV 1957, 879 f.; Mallmann, VVDStRL 19 (1961), S. 164, 194 ff.; Zeidler , VVDStRL 19 (1961), S. 208, 225 ff.
Einleitung noch vertreten, die Entwicklung ist über die Einschränkung des Geltungsbereichs des „Verwaltungsprivatrechts" im Sinne von Siebert und H. J. Wolff hinweggegangen.45 Dem hat sich wohl auch die Rechtsprechung überwiegend angeschlossen.46 Soweit unter Berufung auf ein Urteil des BGH vom 26. Oktober 1961 („Gummistrümpfe") 47 heute noch eine Freistellung der „fiskalischen" bzw. „erwerbswirtschaftlichen" Tätigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts von der Grundrechtsbindung angenommen wird, 4 8 wird diese Fortentwicklung von Rechtsprechung und Lehre nicht berücksichtigt. Wenn zur Begründung auf ein fehlendes Bedürfnis für die Grundrechtsbindung „wirklich" rein fiskalischen Verwaltungshandelns hingewiesen wird, 4 9 mag dies für den Regelfall zutreffen. 50 Dies bestätigt jedoch allenfalls die - durch rechtstatsächliche Untersuchungen nicht gesicherte- Annahme, die Praxisrelevanz der Grundrechtsgeltung bei rein „fiskalischer" Tätigkeit sei gering. Dem Verfas-
45
So auch die Einschätzung von O. Dörr , Rechtsschutzauftrag, S. 9; Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 399 ff; D. Merten , in: Sommermann, Mehrebenensystem, S. 1,7; Pökker, DÖV 2003, 193, 199; Pietzcker , NZBau 2003, 242, 243; Puhl , WDStRL 60 (2001), S. 456, 477; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, §40 Rn. 357; Vinke, Grundstücksverkäufe, S. 147. 46
Vorausgesetzt wird dies vor allem von BVerfG (K), 2 BvR 2248/03 v. 29. 7. 2004, http://www.bverfg.de, Abs. 20 ff. = NVwZ 2004, 1224, 1226 ff. („Dachabdichtungsarbeiten", hierzu unten S. 32; vgl. hierzu Broß [der Berichterstatter in diesem Fall war], ZWeR 2003, 270, 273); ferner OLG Brandenburg, NVwZ 1999, 1142, 1146 („Flughafen Berlin-Schönefeld"); OLG Hamm, NVwZ-RR 2003, 31 f.; OLG Rostock, NZBau 2002, 170, 171; OLG Stuttgart, NZBau 2002, 395, 397; 1. Vergabekammer des Bundes, NJW 2000, 151, 152 („Münzplättchen II", hierzu unten S. 710 und 977); OVG Berlin, NJW 2004, 3585 VGH Kassel, NVwZ 2003, 238, 239 („Raumvermietung an Schilderpräger", hierzu unten S. 1031); OVG Münster, NVwZ-RR 2004, 795 („NPDKontoeröffnung", hierzu unten S. 1031: Bindung einer öffentlichen Sparkasse an § 5 Abs. 1 PartG); BAGE 104, 295, 298 (Geltung des Art. 19 Abs. 4 GG bei der Einstellung von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes); wohl auch BGH, NuR 2004, 554, 555; ausdrücklich offengelassen wird die Frage bei BGHZ 146, 202, 212 („Berliner UBahnreinigung", hierzu unten S. 1173); BGH, NVwZ 2004, 377, 379; OLG Saarbrükken, NZBau 2003, 462, 463; unentschlossen: BGH, NJW 2004, 1031 (keine unmittelbare Bindung an Grundrechte, jedoch Notwendigkeit der Beachtung „gewisser Bindungen und Schranken, die für Privatpersonen nicht in entsprechender Weise gelten" - wozu dann auch das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG gezählt wird); a. A. jedoch noch OLG Naumburg, VIZ 2001,44,45. 47
BGHZ 36, 91, 95 (hierzu auch unten S. 775 und S. 1025); ebenso noch BGH, NJW 1977, 628, 629 f. 48
So wohl Kannengießer , in: Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein, GG, Vorb. v. Art. 1 Rn. 8; H. J. Wolff/Bachof/Stober , VerwR I, § 23 Rn. 20 ff. 49
So wohl Bullinger , in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 239, 256 f.; Schlette , Vertragspartner, S. 165. 50
Siehe z. B. die Fälle von BGH, NVwZ 2003, 504 ff. und NVwZ 2004, 377 ff.
Einleitung
32
sungsgeber kann damit jedoch nicht verboten werden, auch diese Verwaltungstätigkeit an die Grundrechte zu binden.51 f) Mittlerweile wohl herrschender Meinung entspricht es wohl auch, daß aus der Grundrechtsbindung privatrechtlich handelnder juristischer Personen des öffentlichen Rechts folgt, daß auch die „fiskalische" Verwaltungstätigkeit „öffentliche Gewalt" im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG darstellt.52 Bei dieser Frage handelt es sich nur um einen „Nebenkriegsschauplatz" der allgemeinen Diskussion zur Grundrechtsbindung der privatrechtlich handelnden Verwaltung: Soweit diese bejaht wird, muß auch der Begriff der „öffentlichen Gewalt" in Art. 19 Abs. 4 GG entsprechend weit verstanden werden. Hiervon geht jetzt auch ganz selbstverständlich die 1. Kammer des Zweiten Senats des BVerfü in einem Beschluß vom 29. Juli 2004 („Dachabdichtungsarbeiten") aus.53 Konsequenterweise muß - wie an anderer Stelle näher dargelegt worden ist 54 zudem angenommen werden, daß auch im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG „öffentliche Gewalt" jegliches privatrechtliches Handeln juristischer Personen des öffentlichen Rechts ist, privatrechtliche Verwaltungsmaßnahmen also unmittelbar selbst Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein können.55 Das
51
Siehe hierzu auch 4. Kap. A I V 1 d und e (S. 984 ff.).
52
BAGE 104, 295, 298 (Geltung des Art. 19 Abs. 4 GG bei der Einstellung von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes); O. Dörr , Rechtsschutzauftrag, S. 9 f., 176 f.; P.-M. Huber , in: v. Mangoldt/Friedrich Klein/Starck, GG, Art. 19 Rn. 436; Krebs , in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rn. 55; Pünder , VerwArch 94 (2005), S. 38, 54; Schulze Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rn. 55; ebenso wird von der oben in den Fn. 43 und Fn. 46 zitierten Literatur und Rechtsprechung Art. 19 Abs. 4 GG für maßgeblich gehalten, wenn es um die Notwendigkeit von Primärrechtsschutz im Vergaberecht geht. Für nicht zwingend hält diesen Schluß jedoch Pietzcker , Zweiteilung, S. 54 ff. Gegen eine Ausweitung des Begriffs der öffentlichen Gewalt jedoch - ohne nähere Begründung noch Bleckmann , Staatsrecht II, § 39 Rn. 3; Hofmann , in: Schmidt-Bleibtreu/Franz Klein, GG, Art. 19 Rn. 69 (anders jedoch bei Rn. 67 für Vergaberecht); Ibler , in: Friauf/ Höfling, Berliner Kommentar, Art. 19 IV Rn. 68 ff; Krüger/Sachs , in: Sachs, GG, Art. 19 Rn. 118; Ramsauer , in: Denninger/Hoffmann-Riem/H.-P. Schneider/E. Stein, AK-GG, Art. 19 Rn. 49 f.; Schenke , in: Dolzer/K Vogel, Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 192 f. (Bearbeitung 1982); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 65 f. (Bearbeitung 2003); Schwachheim , in: Umbach/Clemens, GG, Art. 19 Rn. 155. 53
BVerfG (K), 2 BvR 2248/03 v. 29. 7. 2004, http://www.bverfg.de, Abs. 20 ff. = NVwZ 2004, 1224, 1226; vgl. hierzu Broß (der Berichterstatter in diesem Fall war) ZWeR 2003, 270, 273). 54 55
Näher U. Stelkens , DVB1. 2004, 403,405 f.
Wegen § 90 Abs. 2 BVerfGG und der entsprechenden Regelungen des Landesverfassungsprozeßrechts kann sich dies praktisch nur dann auswirken, wenn es um die Zulässigkeit einer Vorabentscheidung (z. B. nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG) oder einer verfassungsgerichtlichen einstweiligen Anordnungen (z. B. nach § 32 BVerfGG) geht.
Einleitung
BVerfG verneint dies allerdings.56 Eine Rechtfertigung dafür, den Kreis der mit der Verfassungsbeschwerde rügbaren Exekutivakte enger (oder auch weiter) zu ziehen als den Kreis der grundrechtsgebundenen Exekutivakte ist aber nicht erkennbar und wird auch nirgends versucht. Will das BVerfG den Anschluß an die Entwicklung der Verwaltungsrechtswissenschaft nicht verpassen, wird es daher seine Auffassung überdenken müssen. g) Die bisherigen Ausfuhrungen zeigen bereits, daß hier auch nicht in Frage gestellt werden soll, daß der Staat und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts Träger privatrechtlicher Rechte und Pflichten sein können. Das BGB geht hiervon aus:57 Der Untertitel 3 des Titels 2 des Abschnittes 1 des Ersten Buchs des BGB mit der Bezeichnung „Juristische Personen des öffentlichen Rechts" rechnet juristische Personen des öffentlichen Rechts zu den „Personen" im Sinne des BGB und sieht sie damit als privatrechtsfähig an. Ihre Privatrechtsfähigkeit wird zudem mittelbar etwa von § 18, § 19, § 882a ZPO, § 4 EGZPO vorausgesetzt, die von der Prozeßfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts im Zivilprozeß ausgehen - und damit auch davon, daß sie Kläger bzw. Beklagte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 13 GVG sein können. Dies setzt wiederum voraus, daß es zumindest grundsätzlich vorstellbar ist, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts am Privatrechtsverkehr teilnehmen. Angesichts dieser Rechtslage ist die grundsätzliche Möglichkeit der Teilnahme juristischer Personen des öffentlichen Rechts am Privatrechtsverkehr auch weitgehend unbestritten.58 Hiergegen ist allerdings eingewandt worden, Privatrechtsfähigkeit setze Privatautonomie voraus, die juristischen Personen des öffentlichen Rechts anerkanntermaßen nicht zukomme. Deshalb sei das Privatrecht auf deren Handeln grundsätzlich nicht anzuwenden.59 Weshalb sich jedoch bereits aus der fehlenden Privatautonomie juristi-
56 BVerfGE 96, 171, 180; BVerfG (K), NVwZ-RR 1995, 232; BVerfG (K), 1 BvR 698/99 v. 1. 7. 1999, http://www.bverfg.de, Abs. 2; BVerfG (K), 1 BvR 1246/95 v. 25. 8. 1999, http://www.bverfg.de, Abs. 22 = FamRZ 1999, 1575; BVerfG (K), 1 BvR 2156/99, v. 10. 2. 2000, http://www.bverfg.de, Abs. 8 = NZA 2000, 835; BVerfG (K), 1 BvR 1136/96 v. 22. 3. 2000, http://www.bverfg.de, Abs. 17 = NJW 2000, 3341; offengelassen noch von BVerfGE 12, 354, 361. Ebenso seit jeher die Rechtsprechung des BayVerfGH zur Verfassungsbeschwerde nach Art. 120 BayVerf: BayVerfGH, in: BayVGHE 13 n. F., II 81, 83 ff.; BayVerfGH, in: BayVGHE 13 n. F., II 101, 106; BayVerfGH, in: BayVGHE 24 n. F., II 93, 95; BayVerfGH, in: BayVGHE 34 n. F., II 145, 146. 57
So auch BydlinksU AcP 194 (1994), S. 319, 333; T. Koch , Status, S. 30 f.; Storr , Staat als Unternehmer, S. 470 ff. 58 59
Zuleeg , VerwArch 73 (1982), S. 384, 393.
So etwa Kempen , Formen wahlfreiheit, S. 65 ff.; Schachtschneider , Staatsunternehmen, S. 10 ff.; ähnlich wohl auch D. Schmidt , Unterscheidung, S. 290 ff.
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Einleitung
scher Personen des öffentlichen Rechts ergeben soll, von Verfassungs wegen sei ihr Handeln schlechthin oder auch nur grundsätzlich nicht geeignet, privatrechtliche Rechtsfolgen auszulösen, bleibt unklar. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum die fehlende Privatautonomie juristischer Personen des öffentlichen Rechts den Gesetzgeber dazu zwingen soll, das Privatrecht so auszugestalten, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts weder aus privatrechtlichen Tatbeständen verpflichtet werden noch - als „Kehrseite" hiervon - auf die privatrechtlichen Instrumente zurückgreifen können.60 Von Verfassungs wegen ist nur gefordert, daß sie, wenn sie privatrechtlichen Bindungen unterliegen und privatrechtliche Bindungen eingehen, auch den - im einzelnen allerdings strittigen - öffentlich-rechtlichen Vorgaben Rechnung tragen.61 Ein Verfassungsgebot des Ausschlusses juristischer Personen des öffentlichen Rechts von privatrechtlichen Handlungsformen, läßt sich auch nicht allgemein aus den Grundrechten und übrigen Verfassungsbestimmungen herleiten. Die Verfassung beschränkt sich darauf, dem Staat und seinen Untergliederungen bestimmte Aufgaben zuzuweisen (Staatsorganisationsrecht) und ihrer Tätigkeit allgemeine Grenzen zu ziehen (Grundrechte). Wie diese Aufgaben erfüllt und wie die Einhaltung der Grenzen gesichert werden, legt die Verfassung demgegenüber zumeist nicht fest, sondern überläßt dies der Regelung durch einfaches Recht.62 Daß dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, juristischen Personen des öffentlichen Rechts das Privatrecht als Handlungsform zur Verfügung zu stellen, verdeutlichen zudem unmißverständlich Art. 87d Satz 1, Art. 87e Abs. 3, Art. 135 Abs. 6 und Art. 143b Abs. 2 Satz 2 GG, die voraussetzen, daß dem Bund als Privatrechtssubjekt möglich ist, Kapitalgesellschaften zu gründen, deren Anteile zu halten und zu veräußern, sowie die (privatrechtlichen) Rechte wahrzunehmen, die sich aus einem solchen Gesellschaftsanteil ergeben. Auch das Europäische Gemeinschaftsrecht verlangt nicht, daß der deutsche Gesetzgeber der Verwaltung die Fähigkeit abspricht, privatrechtlich zu han-
60
Ähnlich Bydlinksi, AcP 194 (1994), S. 319, 339 Fn. 40; Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 246, 300 f.; Gusy , DÖV 1984, 872, 878 f.; Ehlers , in: Schoch/SchmidtAßmann/Pietzner, VwGO, § 40 Rn. 265; Kämmerer , Privatisierung, S. 35; Pietzcker, Staatsauftrag, S. 361; Schnapp, DÖV 1990, 826, 828 f.; Spannowsky, Grenzen, S. 92; Storr , Staat als Unternehmer, S. 467 ff. 61 In diesem Sinne auch Burmeister (WiR 1972, 311, 349 f.; ders., in: Prütting, Dialog III, S. 1, 7 ff.; ders., in: ders., Stellung der Verwaltung, S. 77, 83 ff.; ders ., WDStRL 52 [1993], S. 190, 214 ff.), der jedoch den Begriff der „Privatrechtsfähigkeit" mit dem der Privatautonomie gleichsetzt, so daß er aus diesem Grund die so verstandene „Privatrechtsfähigkeit" des Staates verneint (vgl. Ehlers , Verw 20 [1987], S. 373, 383 Fn. 22). 62
Püttner , Unternehmen, S. 79 ff.
Einleitung
dein. Vielmehr verdeutlicht einerseits Art. 238 EGV, der die Möglichkeit des Abschlusses privatrechtlicher Verwaltungsverträge mit der Gemeinschaft voraussetzt, und andererseits Art. 282 EGV, nach dem die Gemeinschaften in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit besitzen, die juristischen Personen nach innerstaatlichem Recht zuerkannt ist, und sie insbesondere bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern können, daß das Gemeinschaftsrecht selbst für notwendig hält, daß die Gemeinschaften privatrechtsfähig sind, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können. Implizit wird damit auch die Organisationshoheit der Mitgliedstaaten dahingehend anerkannt, daß sie auch sich selbst und „ihren" juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Fähigkeit zusprechen können, privatrechtliche Bindungen einzugehen. Dies schließt zwar nicht von vornherein aus, daß das Gemeinschaftsrecht im Einzelfall der Verwendung privatrechtlicher Handlungsformen durch die Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen entgegenstehen kann. Hiermit wird aber die Fähigkeit der Mitgliedstaaten und ihrer Untergliederungen, nach Maßgabe der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung privatrechtliche Rechtsgeschäfte zu tätigen und privatrechtlichen Bindungen unterworfen zu sein, nicht prinzipiell in Frage gestellt.63 h) Grundlage der folgenden Untersuchung ist also zunächst die von der ganz herrschenden Meinung angenommene Möglichkeit, daß Bund, Länder und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts Träger privatrechtlicher Rechte und Pflichten sein können, daß ihnen jedoch insoweit keine Privatautonomie und keine Grundrechtsberechtigung zusteht, sie vielmehr an die öffentlich-rechtliche Zuständigkeitsordnung gebunden und darüber hinaus unmittelbar grundrechtsverpflichtet sind. Dies gilt - ebenfalls nach mittlerweile ganz herrschender Meinung - unabhängig davon, ob sie sich der Privatrechtsformen unmittelbar zur Erfüllung der ihnen „eigentlich" obliegenden Aufgaben oder nur zu „fiskalischen" oder „erwerbswirtschaftlichen" Zwecken bedienen. Damit ist anerkannt, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts bei jeder Form privatrechtlichen Handelns öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegen, die ihr Verhalten im Privatrechtsverkehr steuern. Offen und völlig umstritten sind jedoch die sich aus der Möglichkeit privatrechtlichen Verwaltungshandelns unter Fortgeltung öffentlich-rechtlicher Bindungen ergebenden Konsequenzen hinsichtlich der Wirkungsweise dieser Bindungen.64 Deren Behand-
63 64
Näher hierzu 3. Kap. A II 5 (S. 363 ff.) und 4. Kap. A I 5 (S. 941 ff.).
Gonzäles-Varas , ThürVBl. 2002, 221, 222; Knapp , Geschäftsführung, S. 81; Röhl, VerwArch 86 (1995), S. 531, 576; Schmidt-Aßmann , in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 407, 419; Trute , in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, öffentliches Recht und Privatrecht, S. 167, 179.
Einleitung
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lung soll Gegenstand der folgenden Untersuchung sein. In den ersten drei Kapiteln sollen dementsprechend zunächst genauer die Voraussetzungen untersucht werden, die juristische Personen des öffentlichen Rechts erst in den Stand setzen, Träger privatrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein. Im Ersten Kapitel ist daher die jedenfalls einfachrechtlich gewährleistete Privatrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts näher zu untersuchen. Ihr kommt nach deutscher Verfassungstradition auch ein spezifisch rechtsstaatlicher Gehalt zu, der sich als Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung umschreiben läßt. Im Zweiten Kapitel soll dann die Handlungsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts im Privatrechtsverkehr dargestellt werden. Auf dieser Ebene können bereits zahlreiche Probleme „abgearbeitet" werden, die die in Privatrechtsformen handelnde Verwaltung aufwirft, insbesondere die Vertretung juristischer Personen des öffentlichen Rechts im Privatrechtsverkehr und die hiermit zusammenhängenden Probleme funktionaler Privatisierung. Im Dritten Kapitel, das jedenfalls vom Umfang her das Kernstück der Untersuchung darstellt, ist die Frage zu behandeln, wann juristische Person des öffentlichen Rechts überhaupt privatrechtlich handeln und wann auf sie das Privatrecht anzuwenden ist, weil sich nur dann das Problem öffentlich-rechtlicher Bindungen im Privatrechtsverkehr stellen kann. Den Schwerpunkt einer Untersuchung zum Verwaltungsprivatrecht auf diese Frage zu setzen, mag überraschen. Jedoch wird sich zeigen, daß bereits hierbei die meisten Weichen für die rechtstechnische Bewältigung der „eigentlichen" verwaltungsprivatrechtlichen Probleme gestellt werden, nämlich der konkreten Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Bindungen beim privatrechtlichen Handeln im Einzelfall. Daß das Verwaltungsprivatrecht als „irgendwo" zwischen öffentlichem und privatem Recht „vagabundierendes" Rechtsgebiet bezeichnet65 und ihm der Vorwurf der „System- und Disziplinlosigkeit" gemacht werden konnte, die sich bereits in seiner „begriffsschizophrenen Bezeichnung" andeute,66 zeigt insoweit deutlich, daß Inhalt und Rechtswirkungen des Verwaltungsprivatrechts nicht dogmatisch „verortet" werden können, ohne die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Recht und ihrer Anwendungsbereiche zu bestimmen. Wie näher darzulegen sein wird, ist auch diese Grenze im wesentlichen durch den Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung geprägt. Im Vierten Kapitel soll es dann (schließlich) um die materiellrechtliche Wirkungsweise öffentlichrechtlicher Bindungen beim privatrechtlichen Verwaltungshandeln und ihre prozessuale Durchsetzung gehen.
65
Rupp, DVB1. 1971, 669, 670; dem zustimmend Ehlers , Privatrechtsform, S. 259; Schlette , Vertragspartner, S. 128. 66
Burmeister , WiR 1972, 311, 314.
Einleitung i) Nicht behandelt werden kann in dieser Untersuchung jedoch die gesamte Problematik des Verwaltungsgesellschaftsrechts , also die Frage, in welcher Form sich öffentlich-rechtliche Bindungen in den Fällen durchsetzen können, in denen juristische Personen des öffentlichen Rechts allein, zusammen mit anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder auch Privaten privatrechtliche Organisationsformen zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben gründen und verwenden. Nicht behandelt werden soll damit insbesondere die selten klar gestellte67 - Frage, ob die so gegründeten Gesellschaften privater Rechtsform selbst öffentlich-rechtlichen Bindungen unterworfen sind, wie dies insbesondere der Auffassung der ordentlichen Gerichte zu entsprechen scheint,68 oder ob - mit einer vor allem in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ver-
67 Deutlich aber Hellermann , SächsVBl. 2004, 249, 250; speziell für Gemeindewirtschaftsrecht: Diefenbach , WiVerw 2003, 115, 129; Jarass , NWVB1. 2002, 335, 336 f. 68 Siehe z. B. BGHZ 52, 325, 328 ff. (unmittelbare Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG bei Ausgestaltung von Beförderungstarifen); BGHZ 91, 84, 95 f. (unmittelbare Bindung an Landesfeuerschutzgesetz, das die Gemeinde zur kostenlosen Vorhaltung von Löschwasser verpflichtet); BGHZ 93, 358, 364 (unmittelbare Bindung an die Grundsätze des Kommunalabgabenrechts); BGH, GRUR 1959, 244, 246 („Versandbuchhandlung": unmittelbare Bindung an das Gemeindewirtschaftsrecht); BGH, NJW 1995, 2352, 2353 f. („Sterbegeldversicherung": unmittelbare Bindung einer von Ersatzkassen gegründeten Gesellschaft an § 30 SGB IV); BGH, NVwZ-RR 2000, 703, 704 (unmittelbare Bindung an Landesgesetz, das Gemeinden verpflichtet, dem Land für Schulsport Hallenbäder kostenlos zur Verfugung zu stellen); BGH, NZBau 2001, 637, 640 (unmittelbare Bindung an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung); BGH, EuZW 2003, 444, 446. („Ausgleichsleistung", hierzu unten S. 919 und S. 942: unmittelbare Bindung an Art. 87 ff. EGV); BGHZ 155, 166, 174 (allgemeine Geltung des „Verwaltungsprivatrechts" auch für Eigengesellschaften); BGH, NJW 2004, 1031 (unmittelbare Bindung der Postbank AG an das Willkürverbot und das „Parteienprivileg" des Art. 21 Abs. 2 GG); KG, NVwZ-RR 2002, 765, 766 (unmittelbare Bindung an die Vorgaben für städtebauliche Verträge); OLG Celle, NZBau 2001, 648 (unmittelbare Bindung an das Gemeindewirtschaftsrecht); OLG Düsseldorf, NZBau 2002, 626, 629 (unmittelbare Bindung an das Gemeindewirtschaftsrecht); OLG Dresden, NJW 2001, 1433 (unmittelbare Bindung der Postbank AG an das „Parteienprivileg" des Art. 21 Abs. 2 GG); OLG Düsseldorf, NVwZ 2002, 248,249 (unmittelbare Bindung an das Gemeindewirtschaftsrecht, jedenfalls bei beherrschendem Einfluß der Gemeinde); OLG München, NVwZ 2000, 835 (unmittelbare Bindung an das Gemeindewirtschaftsrecht); BVerwG, NVwZ 1991, 59 (unmittelbare Bindung an den kommunalrechtlichen Anspruch auf Zulassung zu gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen); BVerwGE 113, 208, 211 (unmittelbare Grundrechtsbindung der damals noch im staatlichen Alleinbesitz stehenden Deutschen Post AG); VGH Kassel, NVwZ 2003, 874, 875 (unmittelbare Bindung einer gemischtwirtschaftlichen Flughafengesellschaft an Art. 8 Abs. 1 GG); OVG Saarlouis, AfP 1998, 426, 428 f. (unmittelbare Bindung an presserechtlichen Auskunftsanspruch); VG Ansbach, BayVBl. 1997, 441 f. (unmittelbare Bindung an das Kommunalabgabenrecht); VG Chemnitz, SächsVBl. 2004, 132, 135 (unmittelbare Bindung an das Gebot staatlicher Neutralität im Wahlkampf); VG Darmstadt, NVwZ-RR 2001, 173, 175 (unmittelbare Bindung an das Gebot staatlicher Neutralität im Wahlkampf; einschränkend insoweit
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Einleitung
breiteten Auffassung - nur die juristische Person des öffentlichen Rechts, die Anteilseigner der Gesellschaft ist (öffentlicher Anteilseigner), öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt, diese jedoch verpflichtet ist, auf die Beachtung dieser Bindungen durch die Gesellschaft hinzuwirken.69 Diese Fragen aus der Untersuchung auszunehmen, mag angesichts ihrer ganz erheblichen praktischen Bedeutung - nicht zuletzt aufgrund der Privatisierung von Post und Bahn - enttäuschen. Jedoch ist dies aus zwei Gründen gerechtfertigt: Zunächst wird hierdurch der Blick auf die Grundlagen des Verwaltungsprivatrechts gelenkt, indem das Handeln juristischer Personen des öffentlichen Rechts ohne Zwischenschaltung privatrechtlicher „Trabanten" als verwaltungsprivatrechtlicher Regelfall angesehen wird. Erst wenn dieser Regelfall bewältigt worden ist, ist es sinnvoll, die noch kompliziertere Frage des Verwaltungsgesellschaftsrechts in Angriff zu nehmen. Ansonsten droht eine Vermengung der relevanten Aspekte, die ihrerseits undifferenzierte „Radikallösungen" provoziert, die in der Rechtswirklichkeit keine Entsprechung finden und daher von der Rechtspraxis - zu Recht- nicht akzeptiert werden. Noch schwerer wiegt ein zweiter Grund: Es stellt sich immer deutlicher heraus, daß das Verwaltungsgesellschaftsrecht nicht bewältigt werden kann, wenn nicht eine Grundfrage geklärt ist, über die in der deutschen Verwaltungs- und Staatsrechtswissenschaft bis in die jüngste Zeit diskutiert wird, ohne daß sich auch nur ein Konsensansatz abzeichnet.70 Diese Grundfrage ist die Frage der Grundrechtsberechtigung (und die hiermit korrespondierende Frage der Grundrechtsbindung) der „Verwaltungsgesellschaften", die - auch in der neueren Literatur und Rechtsprechung - teils grundsätzlich bejaht (bzw. verneint),71 teils aber auch mit einem mehr oder weniger klaren ,jein" beantwortet wird, indem ent-
VGH Kassel, NVwZ-RR 2004, 58, 60); VG Hannover, NdsVBl. 2003, 305 (unmittelbare Bindung an presserechtlichen Auskunftsanspruch); VG Köln, DVB1. 1973, 698, 699 (kein Vertrauensschutz bei Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten). 69
So für Ansprüche auf Zulassung zu gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen. BVerwG, NVwZ 1990, 134 f.; BVerwG, NVwZ 1991, 59; für Ansprüche auf Unterlassung wirtschaftlicher Betätigung: BVerwG, NJW 1995, 2938, 2939 f.; VGH Kassel, NVwZ 1996, 816 f.; VGH Mannheim, NJW 1984, 251 f.; NJW 1995, 274; OVG Münster, NVwZ 1986, 1045 ff.; NVwZ 2003, 1520, 1521; fax Anspruch eines Kammermitgliedes auf Austritt der Kammer aus privatrechtlichem Verein: BVerwG, NVwZ-RR 2001, 93, 94; OVG Münster, GewArch 2000, 378. 70 So auch die Einschätzung bei Möstl, Grundrechtsbindung, S. 1; Ronellenfitsch , in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR III, § 84 Rn. 45. 71 So OVG Magdeburg, NuR 2004, 194 f.; D. Merten, in: Sommermann, Mehrebenensystem, S. 1, 10 f.; Pieroth , NWVB1. 1992, 85, 87 f.; Püttner , Unternehmen, S. 119 f.; wohl auch Bullinger , in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 239, 256 f.; Heintzen , VVDStRL 62 (2003), S. 220, 248 ff.; ebenso bereits Köngen , VVDStRL 6 (1929), S. 105, 127 f. mit Fn. 36.
Einleitung
weder auf die Frage abgestellt wird, ob die Gesellschaft ihre Ziele mit Mitteln des Wettbewerbs erreichen soll,72 oder auf den Umfang der staatlichen Beteiligung und/oder die von der Gesellschaft wahrgenommenen Tätigkeiten.73 Der dem zugrunde liegende Meinungsstreit ist von Möllers nicht ganz zu Unrecht als Ausdruck eines verdeckten Richtungsstreits der Staatsrechtslehre bezeichnet worden.74 Dies dürfte damit zusammenhängen, daß er auch mit der eher
72
So jeweils für Deutsche Telekom AG: BVerwGE 114, 160, 189; BVerwGE 118, 226, 238; BVerwG, NVwZ 2004, 105, 107; NVwZ 2004, 233, 236; NVwZ 2004, 237, 239; NVwZ 2004, 742, 743; NVwZ 2004, 745, 746 f.; OVG Münster, NVwZ 2000, 697, 701; VG Köln, NWVB1. 2000, 67, 70; Wirth, JA 1998, 820, 822 f.; diesen Ansatz verallgemeinernd Lang, NJW 2004, 3601, 3602 ff.; Kämmerer , Privatisierung, S. 464 ff.; Löwer , in:v. Münch/Kunig, GG, Art. 10 Rn. 11. 73 Vgl. BVerfGE 45, 63, 78 f. (keine Grundrechtsfähigkeit für Stadtwerke-AG); BVerfGE 68, 193, 212 f. (keine Grundrechtsfähigkeit für Vereinigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts in privater Rechtsform [Landesinnungsverbände]); BVerfG (K), NJW 1990, 1783 (keine Grundrechtsfähigkeit für Energieversorgungsunternehmen, an dem zu über 75% juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind); BVerfG (K), 1 BvR 1213/00 v. 15. 11. 2000, http://www.bverfg.de, Abs. 3 = NJW 2001, 811 (offengelassen für Energieversorgungsunternehmen unter öffentlicher Kapitalbeteiligung von 25,1%). In der Literatur wird z. B. vorgeschlagen, die Grundrechtsfähigkeit zu verneinen, wenn der staatliche Anteil 100% (so Spannowsky , ZGR 1996, 400, 408 ff.) oder jedenfalls 75% beträgt (so v. Amauld , DÖV 1998,437,442 ff.). Möstl (Grundrechtsbindung, S. 92 ff.) verneint die Grundrechtsfähigkeit, wenn der öffentliche Anteilseigner einen beherrschenden Einfluß im Sinne der §§ 17, 18 AktG ausüben kann und die Gesellschaft funktional Verwaltungsaufgaben ausübt (ähnlich wohl J. Becker , Verwaltungsprivatrecht, S. 53 ff.). Gersdorf (öffentliche Unternehmen, S. 157 ff.; dem folgend Tomerius/Breitkreuz , DVB1. 2003, 426, 430 f.) läßt einen „bestimmenden Einfluß" genügen. Insoweit ähnlich Groß (Kollegialprinzip, S. 39 ff.), der die Grundrechtsfähigkeit beginnen läßt, wenn der öffentliche Anteilseigner weniger als 50% der Anteile hält. T. Koch (Status, S. 216 ff.) will die Grundrechtsfähigkeit nur in dem Ausnahmefall verneinen, daß die Gesellschaft selbst Träger von Verwaltungsaufgaben ist. Nach Storr (Staat als Unternehmer, S. 187 ff.) besteht ein abgestufter Grundrechtsschutz je nach Stärke staatlicher Einflußnahmemöglichkeiten (ähnlich wohl auch Mikesic , NVwZ 2004, 788, 790). Windthorst (VerwArch 95 [2004], S. 377, 388 ff.) stellt darauf ab, ob der öffentliche Anteilseigner beherrschenden Einfluß nehmen kann und dies nach der Rechtsordnung auch darf. H. Jochum (Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Lizenzversagungsgrundes § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PostG, S. 26 ff.) will die Grundrechtsfähigkeit bejahen, wenn die Gesellschaft gegenüber dem öffentlichen Anteilseigner in einer „Außenrechtsbeziehung" steht, was z. B. bei der Deutschen Post AG der Fall sei. Oft wird die Grundrechtsfähigkeit auch schon dann bejaht, wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht 100% aller Anteile halten (so Ehlers , Privatrechtsform, S. 84 f.; ders ., in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 2 Rn. 85; Koppensteiner , NJW 1990, 3105, 3109; Möllers , Staat als Argument, S. 331; Rüfner , in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR V, § 116 Rn. 80 f.; Schmidt-Aßmann, Beilage 34 zu BB 1990, 1, 10 ff.; Spannowsky , ZHR 160 [1996], S. 560, 568 ff.; Stern , Staatsrecht III/l, § 71 VII 6 c, S. 1169 f.; Zimmermann , JuS 1991,294, 299). 74
Möllers , VerwArch 90 (1999), S. 187, 191 ff.
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staatstheoretischen als rechtlichen Diskussion zur Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft in Zusammenhang gebracht wird. 75 Vermutlich deshalb hat die Erste Kammer des Ersten Senats des BVerfG in einem Beschluß über eine einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG vom 8. Januar 200276 angekündigt, die Frage der Grundrechtsbindung staatlich beherrschter, jedoch nicht im staatlichen Alleinbesitz stehender Kapitalgesellschaften (betroffen ist die Deutsche Postbank AG) werde „eingehend zu prüfen sein". Was immer dabei herauskommt: In dieser Untersuchung läßt sich hierzu nichts Neues beitragen. j) Um dennoch einer Stellungnahme nicht auszuweichen: Es dürfte einiges dafiir sprechen, bei der Entscheidung dieser Frage nicht nur isoliert auf Art. 19 Abs. 3 GG und die mit der Grundrechtsfähigkeit verbundene Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde abzustellen, sondern zu fragen, welche Auswirkungen die „Zwischenschaltung" privatrechtlicher Gesellschaften auf die Art und Weise der Erfüllung der Verwaltungsaufgaben hat, zu deren Erfüllung die Gesellschaft vom öffentlichen Anteilseigner gegründet oder aus privater Hand „aufgekauft" wurde. Insoweit wird zumeist angenommen, die privatrechtlichen Gesellschaften würden selbst zum Träger dieser Aufgabe werden. So werden sie vielfach neben den juristischen Personen des öffentlichen Rechts als „Verwaltungsträger" bezeichnet.77 Eine solche Sichtweise läuft jedoch darauf hinaus, dem öffentlichen Anteilseigner die Befugnis zuzuweisen, die ihm durch die Zuständigkeitsordnung zugewiesenen Aufgaben auf eine Gesellschaft privaten Rechts mit befreiender Wirkung zu übertragen bzw. mit der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben zu „beleihen", auch wenn dies die Zuständigkeitsordnung ausdrücklich nicht vorsieht. Wie insbesondere Osterloh festgestellt hat, ist diese „freie" Übertragungsmöglichkeit staatlicher Aufgaben auf Privatrechtssubjekte jedoch dogmatisch kaum begründbar.78 Deutlich zeigt dies ein Vergleich mit der mittlerweile ganz herrschenden Meinung zu den Zulässigkeitsgrenzen zwischenbehördlicher Mandate und funktionaler Privatisierung bei fehlender gesetzlicher Grundlage.79 Daher dürfte es näher liegen, allein auf die Sicht des
75
Heintzen , WDStRL 62 (2003), S. 220, 237; Kahl, Jura 2002, 721, 726 f.; Lang, NJW 2004, 3601, 3605; Möllers, VerwArch 90 (1999), S. 187, 197 ff.; ders ., Staat als Argument, S. 305 ff. 76 BVerfG (K), 1 BvR 2069/01 v. 8. 1. 2002, http://www.bverfg.de, Abs. 7 = NVwZ 2002, 847. 77 So etwa Burgi , in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, §52 Rn. 17; Maurer, VerwR, § 21 Rn. 11.
Allg
78 Osterloh, WDStRL 54 (1995), S. 204, 231 ff.; ähnlich Hellermann, SächsVBl. 2004, 249, 250; T. Koch, Status, S. 205 ff. 79
Hierzu ausführlich 2. Kap. A II 3 (S. 166 ff.).
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öffentlichen Anteilseigners abzustellen und zu fragen, welche konkreten Aufgaben dieser mit der Gründung der Gesellschaft erfüllt. Dabei kann sich herausstellen, daß die Gesellschaft die Funktion eines Verwaltungshelfers erfüllt, indem sie bestimmte Tätigkeitenfiir den öffentlichen Anteilseigner als Aufgaben des öffentlichen Anteilseigners wahrnimmt. Ihre Funktion unterscheidet sich dann nicht von der Funktion sonstiger für juristische Personen des öffentlichen Rechts handelnde und in die Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben eingeschalteten Privatunternehmen.80 Die Konsequenzen der Einschaltung der „Verwaltungsgesellschaften" sollten daher nach den Grundsätzen behandelt werden, die für den Fall der Einschaltung „echter" Privatunternehmen in die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben gelten.81 Ein solches Modell liegt z. B. § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG oder § 18a Abs. 2 Satz 3 WHG zugrunde.82 Häufiger dürfte jedoch sein, daß Ziel der Einschaltung der Gesellschaft ist, den öffentlichen Anteilseigner selbst von einer unmittelbaren Verantwortung für die Wahrnehmung einer auch im öffentlichen Interesse liegenden Tätigkeit zu entbinden. Alis Verwaltungsaufgabe wird dann aus der Sicht des öffentlichen Anteilseigners nur die Förderung und Gewährleistung dieser Tätigkeit durch das Halten und Verwalten der Anteile an der Gesellschaft wahrgenommen. Art. 87e und Art. 87 f GG bilden ein Modell für diese Konstruktion: Sie unterscheiden zwischen einer Gewährleistungsverantwortung des Bundes als „eigentlicher" Staatsaufgabe im Bereich des Bahn-, Post- und Telekommunikationswesens und der Zulässigkeit der Erbringung unmittelbarer Bahnverkehrs- bzw. Post- oder Telekommunikationsleistungen durch private Bundesunternehmen, ohne die Erbringung dieser Leistungen selbst zur Aufgabe gerade des Bundes als Anteilseigner zu machen.83 Dies dürfte sich ebenso als Modell für nahezu alle Fälle der Organisationsprivatisierung auch im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge eignen. § 16 Abs. 2 KrW-/AbfG und § 18a Abs. 2a WHG zeigen dies deutlich.84 Damit nimmt in allen Formen der Organisationsprivatisierung die Gesellschaft selbst ungeachtet der Art ihrer Einschaltung jedenfalls keine Verwaltungsaufgaben wahr, so daß es auch keinen zwingend zu verhindernden Systembruch darstellt, die Gesellschaft selbst ungeachtet der von ihr wahrgenommenen Tätigkeiten als grundrechtsberechtigt (und damit nicht als grund80
T. Koch , Status, S. 218 ff; Osterloh , WDStRL 54 (1995), S. 204,231 ff.
81
Siehe hierzu 2. Kap. A II 3 d bis f (S. 169 ff.), B I 2 c (S. 203), III 4 (S. 235 ff.), 5 d (S. 244), B IV 1 d (S. 248 f.), C II 2 (S. 286 ff.) und 3. Kap. F II 6 c bis h (S. 890 ff.). 82
Siehe hierzu 2. Kap. A II 3 f (S. 172 f.).
83
So deutlich Kämmerer , Privatisierung, S. 439 ff.
84
Siehe hierzu 2. Kap. A II 1 c (S. 346 ff.) und 3. Kap. F II 6 b (S. 889 f.).
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rechtsverpflichtet) auch dann anzusehen, wenn sich ihre Geschäftsanteile zu 100% in öffentlicher Hand befinden. 85 So wird auch im Gesellschaftsrecht zunehmend erkannt, daß das Gesellschaftsinteresse mit dem Gesellschafterinteresse- auch bei Ein-Mann-Gesellschaften - nicht notwendig deckungsgleich ist, sondern es ein Eigeninteresse der Gesellschaft an ihrer eigenen Existenz zumindest insoweit gibt, als dies dem „Bündel berechtigter Haftungserwartungen des Rechts- und Geschäftsverkehrs" entspricht, die „ein Gesellschafter mit Gründung und Betrieb einer Kapitalgesellschaft notwendig hervorruft". 86 Daß dieses Gläubigerschutzinteresse auch bei Eigengesellschaften der Verwaltung nicht als praktisch bedeutungslos eingestuft werden kann,87 zeigen verschiedene jüngere Gerichtsentscheidungen, die sich mit der Haftung des öffentlichen Anteilseigners in der Insolvenz seiner Gesellschaft befassen.88 Unabhängig davon kann aus dem Umstand, daß bestimmte Haftungserwartungen bisher tatsächlich nicht enttäuscht worden sind, nicht geschlossen werden, daß diese rechtlich ohne Bedeutung wären.89 Zudem zeigt die ebenfalls noch nicht abgeschlossene Debatte über den Umfang der Weisungsrechte des öffentlichen Anteilseigners gegenüber seiner Gesellschaft bzw. den von ihm entsandten Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern, daß sich die Annahme, privatrechtliche Gesellschaften in öffentlicher Hand könnten selbst Verwaltungsträger sein, in die Verteilung der Gesetzge85 Ebenso T. Koch , Status, S. 220 ff. Eine Entsprechung findet dies in der zunehmend vertretenen Auffassung, öffentliche Unternehmen könnten sich auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten berufen, vgl. Weiß , DVB1. 2003, 564, 567 m. w. N. 86
Vgl. BGHZ 149, 10, 16 („Bremer Vulkan"); BGHZ 151, 181, 186 f. („Kindl Backwaren"); BGH, NJW 2004, 2248, 2252 f.; K Schmidt , NJW 2001, 3577, 3579 ff.; Wiedemann, 50 Jahre Bundesgerichtshof II, S. 337, 352 f.; Wilhelm, NJW 2003, 175, 179 f. Dies auf Gesellschaften in öffentlicher Hand übertragend Heintzen , WDStRL 62 (2003), S. 220, 248 f.; Kämmerer , Privatisierung, S. 229 f., 470; Parmentier , ZIP 2001, 556 ff.; strikt gegen diesen Ansatz auch bei kommunalen Eigengesellschaften: Altmeppen, NJW 2003, 2561,2565. 87
So z. B. noch Ehlers , Privatrechtsform, S. 322 f.; Erbguth/Stollmann, 798, 807. 88
DÖV 1993,
OLG Celle, NVwZ-RR 2000, 754 ff.; OLG Dresden, NVwZ 2001, 836 ff.; OLG Düsseldorf, ZIP 1995, 465 ff.; LG Hannover, NdsVBl. 1999, 221 ff.; hierzu Gundlach , LKV 2000, 58 ff.; T. Koch , NdsVBl. 1999, 206 ff.; Kuhl/Wagner , ZIP 1995, 433 ff.; Maslaton , NVwZ 2000, 1351 ff.; Parmentier , Gläubigerschutz, S. 127 ff.; dies. ZIP 2001, 551 ff.; dies., DVB1. 2002, 1378 ff.; Weger/Jesch, DÖV 2003, 672 ff. Dies zeigt jedenfalls, daß die Annahme nicht selbstverständlich ist, bei Insolvenz eines öffentlichen Unternehmens sei aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben ein Haftungsdurchgriff auf den Staat möglich (so aber z. B. Weiß, AöR 128 [2003], S. 91, 113 m. w. N.; hiergegen Hellermann , SächsVBl. 2004, 249, 250; Weger/Jesch , DÖV 2003, 672, 673 f.). 89
Parmentier, Gläubigerschutz, S. 26 f.; dies., DVB1. 2002, 1378, 1381.
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bungs- und Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern kaum einpassen läßt:90 Werden die „Verwaltungsgesellschaften" selbst als Verwaltungsträger verstanden, entsteht nahezu zwangsläufig ein besonderes Bedürfnis nach einer demokratischen Legitimation der Aufgabenerfüllung durch die Gesellschaft selbst und damit ein Bedürfnis nach Ingerenzmöglichkeiten des öffentlichen Anteilseigners, die über die Befugnisse des Gesellschafters nach dem „normalen" Gesellschaftsrecht hinausgehen.91 Die Art. 70 ff. GG kennen jedoch nur eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Gesellschaftsrecht schlechthin (von der der Bund abschließend Gebrauch gemacht hat)92 und eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Länder für die Organisationsverfassung der ihnen jeweils zugeordneten juristischen Personen des öffentlichen Rechts.93 Eine Kompetenz für ein wie auch immer geartetes Sondergesellschaftsrecht, das entweder die Länder berechtigen könnte, für auf Landesebene gegründete „Verwaltungsgesellschaften" Abweichungen vom privaten Kapitalgesellschaftsrecht zu statuieren, oder den Bund berechtigen könnte, die auf Landesebene gegründeten „Verwaltungsgesellschaften" in eine (privatrechtliche?) Sonderrechtsform zu pressen, läßt sich jedoch den Art. 70 ff. GG nicht entnehmen.94 Ein Sondergesellschaftsrecht, das weder vom Bund noch von den Ländern kodifiziert werden könnte, kann daher auch kaum - wie dies teilweise gefordert wird 95 - im Wege der Rechtsfortbildung unmittelbar aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip hergeleitet werden.96 Daher ist die Rechtsprechung97 jedenfalls in diesem Zusammenhang zu Recht immer von einem „Vorrang des Gesellschaftsrechts" vor
90
In diese Richtung bereits Behr , AöR 38 (1918), S. 288, 304 f.
91
So deutlich insbesondere bei Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 134 ff.; Gern , KommJuR 2004, 1, 5 f.; 192 ff.; M. Faber , NVwZ 2003, 1317, 1321; Löwer , WDStRL 60 (2001), S.416, 440 ff.; Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 253 ff.; Ossenbühl , ZGR 1996, 504, 506 ff. 92 Hiervon geht der allgemein anerkannte Grundsatz des numerus clausus der gesellschaftsrechtlichen Rechtsformen aus: K Schmidt , Gesellschaftsrecht, § 5 II 1, S. 96 ff. 93
Siehe hierzu 1. Kap. B II 5 b (S. 105 f.).
94
A. A. - ohne Begründung - Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 299; siehe hierzu auch Kment , DVB1. 2003, 1018, 1019 ff. (zur Frage der Gesetzgebungskompetenz für § 4 Abs. 3 Nr. 1 ROG). 95
v. Danwitz, AöR 120 (1995), S. 595, 603 ff.; Gern, KommJuR 2004, 1, 5 f.; Kraft, Verwaltungsgesellschaftsrecht, S. 237, 254; Krebs, in: Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem, Verwaltungsorganisationsrecht, S. 339, 351 f.; Ossenbühl, ZGR 1996, 504, 511 ff. 96
Näher zur Bedeutung der Gesetzgebungskompetenzen für die Bestimmung des Anwendungsbereichs von öffentlichem und privatem Recht 3. Kap. A II (S. 344 ff.). 97 So BGHZ 36, 296, 303 ff.; BGHZ 69, 334, 338 ff.; BGHZ 105, 168, 174 ff.; Schön, ZGR 1996,429, 432 ff.
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(angeblichen) öffentlich-rechtlichen Bedürfnissen ausgegangen und hat Sonderregelungen zugunsten öffentlicher Anteilseigner nur anerkannt, wenn sie das Gesetz - wie z. B. in § 394, § 395 AktG, 98 § 53, § 54 HGrG 99, aber auch in „abgelegeneren" Vorschriften wie § 125 Abs. 3, § 128 Abs. 4, § 129 Abs. 3 SGB VII 1 0 0 - ausdrücklich vorsieht und sie sich vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG 101 , aber auch des Europäischen Gemeinschaftsrechts 102 rechtfertigen lassen.103 Schließlich sind die Erfahrungen mit einer wie auch immer gearteten „Publifizierung" oder „Einverleibung" von Gesellschaften privater Rechtsform in die Verwaltungsorganisation nicht ermutigend. Sie fuhrt zu kaum etwas anderem als zu „faszinierenden Unklarheiten", 104 die dem Gebot transparenter Staatsorganisation mit klaren Verantwortlichkeiten zuwider laufen. Dies beweisen einerseits die Unsicherheiten über die Rechtsstellung der vom Reich gegründeten und gesteuerten sog. „Kriegsgesellschaften" des 1. und 2. Weltkrieges,105 andererseits - in ganz anderem Zusammenhang - die bis heute andauernden Diskussionen über die Rechtsstellung der politischen Parteien, die nur daher herrührt, daß die Parteien vom BVerfG jedenfalls zunächst weniger als rein private Vereine angesehen wurden, die Art. 21 GG unter besonderen staatlichen Schutz stellt, sondern als „Quasi-Staatsorgane".106 Zudem ist auf die prak98
Siehe hierzu z. B. Will, VerwArch 94 (2003), S. 248 (251 ff.). Siehe hierzu z. B. Will , DÖV 2002, 319 ff. 100 Siehe hierzu z. B. Waltermann , SGb 2002, 585 ff. 101 Zur Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 GG in diesem Zusammenhang z. B. BGHZ 140, 156, 160 ff.; BGHZ 149,276,281 f. 102 Zur Bedeutung insbesondere der Kapitalverkehrsfreiheit in diesem Zusammenhang siehe W. Kilian , NJW 2002, 3599 ff.; ders., NJW 2003, 2653 ff.; H. Krause , NJW 2002, 2747 ff.; Rüge, EuZW 2002,421 ff. 103 Wie hier (jeweils m. w. N.) auch Altmeppen, NJW 2003, 2561, 2564 f.; Brenner, AöR 127 (2002), S. 222, 234 ff.; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 259 ff.; Heintzen, WDStRL 62 (2003), S. 220, 249 f.; Kämmerer, Privatisierung, S. 232 ff.; Mann, Verw 35 (2002), S. 463, 464 ff.; ders., Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 269 ff.; Kluth, in: H. J. WolfffBachof/Stober, VerwR III, § 82 Rn. 65 f.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 25 ff.; Parmentier , Gläubigerschutz, S. 78 ff.; R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 350 f.; Schön, ZGR 1996, 429, 432; Spannowsky , ZGR 1996, 400, 421 ff.; 7omerius/Breitkreutz, DVB1. 2003,426,432. 99
104
Osterloh, WDStRL 54 (1995), S. 204, 233. Siehe hierzu z. B. RGZ 91, 388 f.; RGZ 92, 373, 374 f.; RGZ 96, 104, 107 ff.; RGZ 100, 142, 144 f.; RGZ 101, 20, 21 ff.; RGZ 103, 131, 132 ff.; RGZ 106, 373, 374; BGHZ 3, 316, 318 ff.; BGHZ 10, 205, 206 ff.; BGHZ 15, 27, 30 ff.; BGHZ 17, 19, 22 ff.; Hedemann, Reichsgericht und Wirtschaftsrecht, S. 130 ff.; Heymann, Rechtsformen der militärischen Kriegswirtschaft, S. 132 ff. 106 Zu den Ursprüngen und Konsequenzen dieser Entwicklung des Parteienrechts U. Stelkens, in: Bertschi u. a., Demokratie und Freiheit, S. 95, 99 ff., 115 ff. 105
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tischen Schwierigkeiten hinzuweisen, die durch Regelungen wie §§80 ff. HandwO hervorgerufen werden, die ausdrücklich anordnen, eine bestimmte juristische Person sei eine juristische Person des Privatrechts, jedoch für sie ein „Sonderorganisationsverfassungsrecht" aufstellen, das die private Rechtsform als bloße „Hülle" erscheinen läßt.107 Bedenken gegen die hier vorgeschlagene Konstruktion sollen jedoch nicht verschwiegen werden:108 Sie rühren insbesondere daher, daß das Gemein-
107
Hierzu z. B. BVerfGE 68, 193, 213 ff.; VG Potsdam, NVwZ 2002, 1396, 1397 (zur Staatsaufsicht über Landesinnungsverbände); Tettinger , Kammerrecht, S. 31. 108 Soweit sie aus der Notwendigkeit hergeleitet werden, auch nach der Privatisierung von Post und Telekommunikation einen effektiven Schutz des Post- und Femmeldegeheimnisses durch Art. 10 GG zu sichern, ist allerdings zu bemerken, daß sich ein Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses nach der Postprivatisierung sinnvoll nicht dadurch gewährleisten läßt, daß nur die Deutsche Post AG und die Deutsche Telekom AG, nicht aber die rein privaten Anbieter hieran gebunden werden. Eine Gesamtschau von Art. 10 GG i. V. m. Art. 87f GG dürfte vielmehr rechtfertigen, (nur) dieses Grundrecht des Art. 10 GG heute als Grundrecht zu begreifen, das - ähnlich wie Art. 9 Abs. 3 GG - unmittelbare Drittwirkung zu Lasten aller (und damit auch zu 100% privater) Post- und Telekommunikationsunternehmen entfaltet. Die Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung des Art. 10 GG würde zwar eine Neuerung in der Grundrechtsdogmatik darstellen - die Liberalisierung von Post- und Telekommunikation ist aber auch neu, so daß es gerechtfertigt ist, von der Grundrechtsdogmatik zu verlangen, daß sie diesen Neuerungen gerecht wird. Die allgemeine Grundrechtslehre, nach der- zu Rechtgrundsätzlich eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte abzulehnen ist, kann jedenfalls als allgemeine Lehre nicht verhindern, daß für einzelne Grundrechte etwas Besonderes gilt (a. A. wohl Krüger/Pagenkopf, in: Sachs, GG, Art. 10 Rn. 18 ff.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 188 ff.). Es kann auch kaum als Gefahr für den freiheitlichen Staat angesehen werden, wenn Post- und Telekommunikationsunternehmen verboten wird, die ihnen anvertrauten Briefe zu öffnen oder von ihnen vermittelte Telefongespräche zu belauschen. Folgerichtig ordnen § 39 Abs. 2 PostG und § 88 Abs. 2 TKG eine unmittelbare Bindung aller Post- und Telekommunikationsunternehmen an das Brief-, Post- und Femmeldegeheimnis an, ohne daß sich hiergegen verfassungsrechtliche Bedenken herleiten ließen. Möstl (Grundrechtsbindung, S. 200 f.) hält diese Vorschriften jedoch (nur) für die Umsetzung eines aus Art. 10 GG hergeleiteten staatlichen Schutzauftrages (so wohl auch BVerfG, 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98 v. 9. 10. 2002, http://www.bverfg.de, Abs. 21 = BVerfGE 106, 28, 37; Bizer , in: Denninger/HoffmannRiem/H.-P. Schneider/E. Stein, AK-GG, Art. 10 Rn. 46, 113 f.). Diese Konstruktion erscheint unnötig kompliziert: Eine Schutzpflicht aus Art. 10 Abs. 1 GG kann keinen anderen Inhalt haben als eine Bindung der privaten Post- und Telekommunikationsunternehmen an das Post- und Femmeldegeheimnis. Warum soll sich diese Verpflichtung dann nicht gleich aus Art. 10 Abs. 1 GG ergeben? Jedenfalls läßt sich die Nichtbindung der Post- und Telekommunikationsunternehmen an Art. 10 GG kaum als zwingende „Kehrseite" der Privatisierung der Bundespost verstehen (so aber Kämmerer , Privatisierung, S. 472; Löwer , in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 10 Rn. 9); denn für private Unternehmen die Möglichkeit zu schaffen, das Vertrauen ihrer Kunden zu mißbrauchen, um Briefe zu öffnen und Telefongespräche abzuhören, war kaum Ziel der Liberalisierung des Post- und Telekommunikationsmarktes.
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schaftsrecht Gesellschaften privater Rechtsform, die von juristischen Personen des öffentlichen Recht beherrscht werden, grundsätzlich mit ihren Anteilseignern gleichsetzt und damit teilweise auf mitgliedstaatlicher Ebene die Existenz eines Sondergesellschaftsrechts für solche Gesellschaften fordert, die dem Staat oder seinen Untergliederungen „zuzurechnen" sind.109 Beispiele für ein solches gemeinschaftsrechtlich gebotenes Sondergesellschaftsrecht bilden die Erweiterung des Begriffs des öffentlichen Auftraggebers in § 98 Nr. 2 und 3 GWB auf Unternehmen der öffentlichen Hand in privater Rechtsform, 110 das TranspR L G , m das für öffentliche Unternehmen im Sinne des Art. 86 EGV besondere Buchführungspflichten vorschreibt, und auch § 2 Nr. 2 UIG, der die Pflicht zur Erteilung von Umweltinformationen auch auf bestimmte juristische Personen des Privatrechts erstreckt. 112 Auch ist auf die Rechtsprechung des EuGH hinzuweisen, nach der sich die unmittelbare Wirkung von Richtlinien bei Versäumung der Umsetzungsfrist auch gegenüber Gesellschaften privater Rechtsform entfalten kann, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts beherrscht werden, so daß diese Gesellschaften aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht auch insoweit nicht als Private, sondern als Staat behandelt werden.113 Ebenso können auch von staatlich beherrschten Gesellschaften gewährte Vergünstigungen als Beihilfen im Sinne der Art. 87 ff. EGV anzusehen sein, obwohl Beihilfen grundsätzlich nur vorliegen, wenn sie mittelbar oder unmittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden. 114 Begründet durch die noch näher darzustellende „Blindheit" des Gemeinschaftsrechts für die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht115 kann sich daher tatsächlich eine Pflicht des deutschen Gesetzgebers ergeben, ein Sondergesellschaftsrecht für staatlich beherrschte Gesellschaften zu normieren 116 - was soeben als mit der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern als
109
Hierzu auch Groß , Kollegialprinzip, S. 40 ff.
1,0
Siehe hierzu näher 3. Kap. B II 4 c bis f (S. 417 ff.).
111 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2000/52/EG der Kommission v. 26. 7. 2000 zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen (Transparenzrichtlinie-Gesetz - TranspRLG) v. 16. 8. 2001 (BGBl. I, 2141 ff.). 1,2
Siehe hierzu Butt , NVwZ 2003, 1071, 1072 f.
113
Siehe hierzu EuGH, Rs. C-157/02 v. 5. 2. 2004, Abs. 24 ff. („Rieser Internationale Transporte"); VGH München, NVwZ-RR 2000, 661, 662; S. Grundmann , JuS 2002, 768, 769; Ruffert , in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 249 EGV Rn. 79. 1.4 So z. B. EuGH, Rs. C-482/99 v. 16. 5. 2002, Slg. 2002, I 4397 ff., Abs. 22 ff., 35 ff., 68 ff. (Frankreich/Kommission); EuGH, verbundene Rs. C-328/99 und C-399/00, Abs. 33 ff. (Italien/Kommission). 1.5
Siehe hierzu 3. Kap. A II 5 (S. 363 ff.).
1.6
Skouris , EuR 1998, 111, 120 f.
Einleitung
kaum vereinbar angesehen wurde. 117 Allerdings werden diese Probleme nicht gelöst, wenn hieraus geschlossen wird, auch für den rein deutschen Rechtskreis müßten „Verwaltungsgesellschaften" mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts gleichgesetzt werden. k) Immerhin fuhrt vor allem diese gemeinschaftsrechtliche Problematik wieder zu der zunächst genannten Rechtfertigung der Herausnahme des Verwaltungsgesellschaftsrechts aus der Untersuchung zurück: Die gemeinschaftsrechtliche Dimension des Verwaltungsgesellschaftsrechts zeigt, daß die hier dargelegte Sichtweise des Verwaltungsgesellschaftsrechts nicht das letzte Wort sein muß, sondern einer vertieften Begründung bedürfte. Dies ist jedoch nur möglich, wenn Klarheit über die Wirkungen des „normalen" Handelns juristischer Personen des öffentlichen Rechts in Privatrechtsformen und der Durchsetzung der hierbei bestehenden öffentlich-rechtlichen Bindungen besteht. Bevor diese Grundlagen nicht gelegt sind, bleibt jede Untersuchung zum Verwaltungsgesellschaftsrecht Spekulation. Aus diesen Gründen soll der Begriff Verwaltungsträger in der folgenden Untersuchung auch nur als Synonym für den Begriff der juristischen Person des öffentlichen Rechts gebraucht werden. 118 Hiermit sollen also nur der Bund, die Länder und die bundes- und landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts gemeint sein, nicht jedoch ihre „Trabanten" in Privatrechtsform. Damit soll vor allem der mit der weiten Begriffsverwendung verbundenen Implikation entgegengetreten werden, die Verwaltungsgesellschaften seien unmittelbar selbst öffentlich-rechtlichen Bindungen unterworfen. Darüber hinaus werden hier auch die Beliehenen nicht zu den Verwaltungsträgern gezählt. Insoweit ist an anderer Stelle dargelegt worden, daß der herkömmlichen Auffassung nicht zu folgen ist, die den Beliehenen verwaltungsorganisationsrechtlich als Behörde ansieht, die sich selbst trägt. Die Beliehenen sind vielmehr atypische Behörden des beleihenden Verwaltungsträgers, wobei die Atypik darin besteht, daß die Beleihung höchstpersönlichen Charakter hat und damit die Behörde „Beliehener" - anders als sonstige Behörden119 - nicht unabhängig vom Wechsel ihrer „Inhaber" besteht.120 1) Vorab ist zudem festzustellen, daß der Begriff „Public Private Partnership " keine Verwendung finden wird. Der Erfolg dieses Begriffs dürfte vor allem auf die Kombination von Anglizismus und Alliteration zurückzuführen
1.7
Siehe hierzu auch Stober , NJW 2002, 2357, 2363 f.
1.8
Wie hier die Begriffsverwendung bei H.-J . Koch/Rubel/'Heselhaus, Allg VerwR, § 20 Rn. 5; zu den übrigen Verwendungen des Begriffs „Verwaltungsträger" Kluth, in: H. J. Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 93 ff. 1.9
Siehe hierzu 2. Kap. A I 1 b (S. 147 f.).
120
Ausführlich U. Stelkens , NVwZ 2004, 304 ff.
48
Einleitung
sein, die ihn - zusammen mit seiner Abkürzung „P. P. P." - besonders einprägsam macht. Zudem kommt er (verwaltungs- und kommunal-)politischen Bedürfnissen entgegen, weil er modern klingt und gleichzeitig diffus ist. 121 Zutreffend ist jedenfalls die Feststellung Schupperts, jede Definition dieses Begriffes gleiche einem Versuch, „einen Pudding an die Wand zu nageln".122 Es handelt sich um keinen rechtsdogmatischen Begriff; 123 denn er stellt weniger auf die Rechts- als auf die Interessenlage ab.124 Verwaltungsprivatrecht hat damit zwar gewisse Berührungspunkte mit dem Phänomen des „Public Private Partnership", insbesondere, soweit es sich mit den Fragen der Voraussetzungen und den Rechtsfolgen funktionaler Privatisierung befaßt. Eine Untersuchung zum Verwaltungsprivatrecht muß aber ebensowenig auf „Public Private Partnership" eingehen, wie sich ein Kochbuch für gutbürgerliche Küche zur Amerikanisierung deutscher Eßgewohnheiten verhalten muß. m) Schließlich erscheint es sinnvoll, die hier verwandte Methode125 etwas näher vorzustellen: Die Darstellung beruht vor allem auf Rechtsprechungsmaterial, das insbesondere durch vollständige Durchsicht aller RGZ-, BGHZ- und BVerwGE-Bände und durch regelmäßige Auswertung der gängigen Fachzeitschriften etwa ab 1998 gewonnen worden ist. Das so (und durch dort und in der Literatur enthaltene Verweise auf andere Gerichtsentscheidungen) gefundene, in weiten Teilen bisher noch nicht „erschlossene" Material machte sehr schnell die Bandbreite verwaltungsprivatrechtlicher Fragestellungen deutlich, die weit über die Probleme hinausreicht, die zumeist mit der Frage nach „Verwaltungshandeln in Privatrechtsform" verbunden werden.126 Erkennbar wurde zudem, daß sich in den verschiedenen Bereichen des privatrechtlichen Verwaltungs121
Ähnlich Jaeschke, NVwZ 2003, 563, 565 f.; Schock, in: Erichsen, Kommunale Verwaltung, S. 103; Tettinger, DÖV 1996, 764 f.; ders. NWVB1. 2005, 1. 122
So Schuppert, Verwaltungskooperationsrecht, S. 4 ff.; ähnlich auch die Qualifizierung von Tettinger (NWVB1 2005, 1 f.) zu den Definitionsversuchen: „Jeder ahnt etwas, aber keiner weiß Genaueres." 123
Schuppert, Verwaltungskooperationsrecht, S. 5.
124
Zum Ganzen H. Bauer, DÖV 1998, 89; Bonk t in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 43a; Burgi, Funktionale Privatisierung, S. 98 f.; Jaeschke, NVwZ 2003, 563, 565 f.; Kämmerer, Privatisierung, S. 56 ff.; Schoch, in: Erichsen, Kommunale Verwaltung, S. 101, 103; Schuppert, Verwaltungskooperationsrecht, S. 5; Ziekow, Verankerung, S. 76 ff. 125
Soweit es auf Fragen der juristischen Methodenlehre ankommt, soll hier allein das von Larenz begründete und von Canaris fortgeführte Lehrbuch „Methodenlehre der Rechtswissenschaft" (3. Aufl. 1995) herangezogen werden. Denn das Werk ist einerseits in der Praxis am weitesten verbreitet, andererseits können bei rechtswissenschaftlichen Untersuchungen spezieller Themen nicht jedesmal Fragen der Methodenlehre, also Fragen der Grundlagen des juristischen Arbeitens überhaupt, neu diskutiert werden. 126
Siehe hierzu näher die Zusammenstellung bei 3. Kap. G (S. 900 ff.).
Einleitung
handelns vielfach dieselben Fragen stellen, diese Fragen jedoch in den verschiedenen Bereichen oftmals ganz unterschiedlich beantwortet werden. Dies ließ vermuten, daß sich eine Lehre vom Verwaltungsprivatrecht nicht sinnvoll anhand eines oder mehrerer ausgewählter „Referenzgebiete" des Besonderen Verwaltungsrechts entwickeln läßt, sondern daß letztlich das gesamte privatrechtsrelevante Verwaltungshandeln in den Blick genommen werden muß, also neben den „populären" Bereichen des Subventionsrechts, des Rechts der Daseinsvorsorge, des Vergaberechts, der funktionalen Privatisierung und des Wettbewerbsrechts auch „unbeliebte" Bereiche mit berücksichtigt werden müssen wie das Verhältnis des Privatrechts zum Verwaltungsorganisationsrecht, zum Recht der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, zum Sozialrecht, zum öffentlichen Sachenrecht und zum Staatshaftungsrecht. Darüber hinaus wurden teilweise Diskrepanzen zwischen dem tatsächlich existierenden Richterrecht und seiner Wahrnehmung in der Literatur sichtbar.127 Zudem beruht die Rechtsprechung vielfach auf Grundannahmen, die nie begründet worden sind, sondern die von Anfang an den Charakter reiner „Dogmen" hatten.128 Gerade die Existenz dieser „Dogmen" ist von der Literatur nur selten hinterfragt worden; vielfach werden sie als „geltendes Recht" hingenommen, auch wenn - wie z. B. bei der Frage der Abgrenzung der Anwendungsbereiche von öffentlich-rechtlichem Staatshaftungsrecht und privatrechtlichem Deliktsrecht 129 - ihre Irrationalität offen zu Tage liegt. Dies alles ließ es als notwendig erscheinen, der Untersuchung an vielen Stellen eine Grundlage durch Dokumentation der Rechtsprechungsentwicklung zu geben: Verwaltungsprivatrecht ist nach wie vor weitgehend Richterrecht und Richterrecht läßt sich nur ermitteln, verstehen und kritisch hinterfragen, wenn neben den in den Entscheidungsbegründungen enthaltenen Aussagen auch die den einzelnen Präjudizien zugrunde liegenden Fallgestaltungen bekannt sind. Daher hat sich die Untersuchung auch zu einer Art „Casebook Verwaltungsprivatrecht" entwickelt - einem Konzept, dem es auch entspricht, die Richtersprüche auszugsweise im Wortlaut wiederzugeben; denn nur so läßt sich oftmals beweisen, daß in einem bestimmten Urteil eine bestimmte Aussage enthalten ist. Diese „Dokumentationsteile" haben nicht unerheblich zum Gesamtumfang der Untersuchung beige-
127
So z. B. bei der Frage des Begriffs des „bürgerlichen Rechts" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (hierzu 3. Kap. A II 1 d [S. 348 f.]), bei der Frage der Existenz öffentlichrechtlicher Rechtssätze, die unmittelbar das Rechtsverhältnis zwischen Privaten regeln (hierzu 3. Kap. B I 1 [S. 64 ff.]), bei der Frage der Abgrenzung des privatrechtlichen vom öffentlich-rechtlichen Nachbarrecht (hierzu 3. Kap. C II 1 1 und m [S. 481 f.]) und beim Ehrenschutzrecht (hierzu 3. Kap. C II 4 g und h [S. 509 ff.]). 128
Hierzu 1. Kap. B I 2 (S. 70 ff.), 3. Kap. A I 2 (S. 333 ff.), 4. Kap. A I (S. 907 ff.).
129
Siehe hierzu 3. Kap. C III (S. 526 ff.) und 4. Kap. B I 7 (S. 1045 ff.).
Einleitung
50
tragen. Sie erschienen indes notwendig, um das geltende Richterrecht zum Verwaltungsprivatrecht zunächst zu rekonstruieren, um es einerseits den hier entwickelten Auffassungen gegenüberstellen zu können, andererseits aber auch beurteilen zu können, ob und ggf. wie sehr die hier entwickelten Auffassungen von der Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis abweichen oder ob sie sogar geeignet sind, einzelne von der Rechtsprechung eher intuitiv gefundene Ergebnisse dogmatisch zu begründen. n) Da vor allem das Richterrecht in den Mittelpunkt der Untersuchimg zu stellen war, war es auch geboten, die Rechtsprechung aus der Zeit von 1871 bis 1945 mit einzubeziehen. Im Ersten Kapitel wird näher darzulegen sein, daß die Frage der Bindung der Verwaltung an das Privatrecht - und die hiermit korrespondierende Befugnis der Verwaltung, sich privatrechtlicher Handlungsformen zu bedienen - als Problem spezifisch rechtsstaatlichen, aber auch föderalen Gehalts bereits Ende des 19. Jahrhunderts von der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft „entdeckt" wurde. Diese „Entdeckung" hat nachweisbar auch die Reichsgesetzgebung gerade bei Schaffung der Zivilprozeßordnung und des Bürgerlichen Gesetzbuches beeinflußt und zudem im ganz erheblichen Maße die Rechtsprechung des Reichsgerichts geprägt, die dann ihrerseits weitgehend prägend für die Rechtsprechung des BGH war. Bei der Auswertung des Rechtsprechungsmaterials hat sich dementsprechend gezeigt, daß bereits zur Kaiserzeit „Argumentationsmuster" entwickelt wurden, die vom Reichsgericht während der Zeit der Weimarer Republik, aber auch in der Zeit des Nationalsozialismus weiter ausgebaut und fortgeführt worden sind. Ungeachtet ihres Ursprungs wurden diese , Argumentationsmuster" nach 1945 zunächst vom Obersten Gerichtshof für die Britische Zone und dann auch vom BGH - weitgehend unter ausdrücklicher Zitierung des Reichsgerichts - fortgeführt, und dies unter grundsätzlicher Billigung der verwaltungsrechtlichen Literatur. 130 Der Grund hierfür mag gewesen sein, daß die Frage der Anwendbarkeit des Privatrechts auf das Verwaltungshandeln vor allem als Problem des einfachen Rechts, insbesondere des Anwendungsbereichs des BGB gegenüber der Verwaltung, gesehen wurde, so daß wegen gleichbleibender einfachrechtlicher Grundlagen eine Transponierung insbesondere auch der während der Zeit des Nationalsozialismus entwickelten ,Argumentationsmuster" in die vom Grundgesetz geprägte Rechtsordnung als möglich erschien. Daß dies nicht unproblematisch ist, ist allgemein bekannt. Dies ändert jedoch nichts daran, daß geltendes Richterrecht oftmals nur unter Rückgriff auf seine „Wurzeln" verständlich ist und daß tat-
130
Siehe hierzu insbesondere die Darstellung der Rechtsprechungsentwicklung zur Geltung des Rechts der privatrechtlichen gesetzlichen Schuldverhältnisse gegenüber Verwaltungsträgern bei 3. Kap. C (S. 452 ff.).
Einleitung
sächlich vielfach selbst in der Zeit von 1933 bis 1945 ein ,Argumentationsmuster" geschaffen wurde, das auch das heute geltende Recht prägt. 131 Geht es darum, die jetzige Rechtsprechungspraxis und die ihr weitgehend folgende Literatur zu begreifen, nutzt es daher nichts, nur die Rechtsprechung des Reichsgerichts aus „unverdächtigen Zeiten" zur Kenntnis zu nehmen. Kaum methodenehrlich ist es auch, ein heute (trotz allem) als richtig erkanntes, Argumentationsmuster" ungeachtet seines eindeutigen Ursprungs möglichst nicht auf ein bestimmtes Urteil zurückzuführen, weil dieses in einer Zeit ergangen ist, die durch unbegreifliches Staatsunrecht gekennzeichnet ist. Für die in dieser Untersuchimg verfolgte Methode der Auswertung der Rechtsprechung bedeutet dies, daß die Entwicklung der Rechtsprechung zu den hier interessierenden Fragen als weitgehend ununterbrochener Fluß betrachtet wird, der trotz tiefgreifender staatsrechtlicher Umwälzungen als solcher bis heute fortfließt. 132 Tatsächlich sind „ausbrechende" Entscheidungen, die im Hinblick auf die tragenden Entscheidungsgründe eindeutig auf das jeweils geltende Staats(unrechts-)system bezogen sind, im hier interessierenden Zusammenhang eher selten.133 Sie werden nicht verschwiegen, sondern als solche gekennzeichnet. Im übrigen wird die Rechtsprechung und auch die sie „umgebende" zeitgenössische Literatur „wertfrei" zitiert. Dies betrifft insbesondere die Entscheidungen, die in den Jahren von 1933 bis 1944 in den RGZ-Bänden 138 bis 172 veröffentlicht worden sind. Soweit die dort gefundenen,Argumentationsmuster" - ungeachtet etwaiger „volksgenössischer" Ausfüllungen - in ihrer Struktur auch heute eine gerichtliche Entscheidung tragen könnten, werden sie zur Begründung und Belegung der hier vertretenen Ansichten nicht anders als zeitgenössische Entscheidungen herangezogen. Auch sie werden teilweise zu ihrem besseren Verständnis und zu ihrer Einordnung in den „Rechtsprechungsfluß" ausschnittsweise wörtlich wiedergegeben. Dies geschieht auch, um dem Leser ihre Herkunft offenzulegen.
131
Zur (neueren) Tendenz in der Verwaltungsrechtswissenschaft, bestimmte „monarchische" Ursprünge verwaltungsrechtlicher Institutionen zum Anlaß zu nehmen, diese generell für obsolet zu erklären, siehe auch die zutreffende kritische Beobachtung bei Möllers , VerwArch 93 (2002), S. 22, 50 f. 132
Eine radikale Rechtsprechungsänderung läßt sich nur bei der Frage der Abgrenzung der Anwendungsbereiche von privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Herausgabeansprüchen nachweisen, siehe hierzu 3. Kap. C I 2 (S. 456 ff.). 133 Ein wichtiges Beispiel für eine solche Entscheidung bildet etwa RGZ 150, 193 ff. („Volksschädling", hierzu unten S. 62 und S. 910).
Erstes Kapitel
Der Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung
Die Existenz des Verwaltungsprivatrechts ist Folge des Umstandes, daß das Handeln des Staates und anderer juristischer Personen des öffentlichen Rechts Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Privatrechts auszulösen vermag, sofern es die Tatbestände privatrechtlicher Normen erfüllt. Daß dies so ist, ergibt sich - wie bereits in der Einleitung dargestellt - unmittelbar aus der einfachrechtlichen Normierung des Privat- und Zivilprozeßrechts: Sowohl der Untertitel 3 des Titels 2 des Abschnittes 1 des Ersten Buchs des BGB mit der Bezeichnung „Juristische Personen des öffentlichen Rechts" als auch § 18, § 19, § 882a ZPO und § 4 EGZPO setzen die Fähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts zur Teilnahme am Privatrechtsverkehr voraus, ohne daß diese einfachgesetzlichen Regelungen durch die Verfassungsentwicklung nach 1945 oder auch gemeinschaftsrechtlich „außer Kraft" gesetzt worden wären.1 Dementsprechend kann die grundsätzliche Fähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts, Träger privatrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein, de lege lata nicht in Frage gestellt werden. Vielmehr ist umgekehrt zu untersuchen, ob diese vom einfachen Recht vorausgesetzte und zugelassene „Privatrechtsfähigkeit" von Verwaltungsträgern nicht auch verfassungsrechtlich verankert ist, also dem einfachen Recht - jedenfalls nach deutscher Verfassungstradition - verfassungsrechtlich vorgegeben ist (A). Läßt sich eine solche verfassungsrechtliche Verankerung beweisen und damit ein Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung feststellen, kann genauer bestimmt werden, welche Reichweite diesem Grundsatz im einzelnen zukommt (B). In einer Zusammenfassung soll dann schließlich dargestellt werden, welche Auswirkungen die so gefundenen Ergebnisse für eine Lehre vom Verwaltungsprivatrecht haben (C).
' Siehe Einleitung g (S. 33).
A. Verfassungsrechtliche Verankerung des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung Insbesondere Ende des 19. Jahrhunderts wurde die mit der Anerkennung der Privatrechtsfahigkeit der Verwaltung einhergehende Bindung des Verwaltungshandelns an die für alle geltenden privatrechtlichen Bestimmungen als ein besonderer rechtsstaatlicher Fortschritt angesehen (I). Dieser Aspekt ist in der Diskussion nach 1945 über die Gefahren der „Flucht ins Privatrecht" nahezu vollständig in Vergessenheit geraten (II). I. Anerkennung der rechtsstaatlichen Bedeutung der Privatrechtsbindung der Verwaltung im 19. Jahrhundert a) Der Gedanke, daß Verwaltungsträger dann dem Privatrecht unterworfen werden sollten, wenn sich ihr Verhalten von dem anderer Privatrechtssubjekte nicht unterscheidet, war bereits im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 ansatzweise normiert. Im 14. Titel des 2. Teils heißt es: „§ 76 Bei dem Gebrauche, der Benutzung und Verwaltung der Domänen und Regalien, kommen dem Staate der Regel nach, nur eben die Rechte zu, wie einem jedem Privateigenthümer. § 77 Besondere Vorrechte des Staats bei gewissen Angelegenheiten und Geschäften müssen durch besondere Gesetze bestimmt sein."
Für die Kommunen sah der 6. Titel des 2. Teils Ähnliches vor: „§ 81 Korporationen und Gemeinen stellen in den Geschäften des bürgerlichen Lebens eine moralische Person vor. § 82 Sie werden mit Rücksicht auf ihre Rechte und Verbindlichkeiten gegen Andere, außer ihnen, nach eben den Gesetzen, wie andere einzelne Mitglieder des Staates beurtheilt."
b) Die dort normierten Grundsätze wurden als ein Wesensmerkmal des Rechtsstaates und eine der wichtigsten Leistungen der „polizeistaatlichen Fiskustheorie" gesehen. So schrieb Otto Mayer im ersten Band seines „Deutschen Verwaltungsrechts" im Kapitel „Der Rechtsstaat", es sei eine der großen weiter zu entfaltenden Errungenschaften des Polizeistaates gewesen, ein staatliches
54
1. Kap.: Der Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung
Lebensgebiet der Herrschaft von „Civilrecht und Civilrechtspflege" zu unterwerfen. 1 Den rechtsstaatlichen Gehalt dieses Satzes umschreibt er damit, „daß es der guten Ordnung entspricht und als selbstverständlich gewollt gelten muß, daß das von Natur Gleichartige auch gleich geordnet werde. Deshalb ist es gar nicht nötig, daß das Civilgesetz etwa ausdrücklich ausspreche, es wolle auch auf den Staat zur Anwendung kommen; [...]; es versteht sich von selbst, daß das Civilgesetz, der Civilrechtssatz den Staat trifft, sobald dieser tatsächlich Erscheinungen aufweist, für welche seine Bestimmungen gegeben sind.1*2
c) In der Gesetzgebung wurde dies nicht anders gesehen. Dies zeigt heute noch § 4 EGZPO, der diesen Grundsatz auf das Zivilprozeßrecht überträgt.3 Die Vorschrift normiert Schranken für den Landesgesetzgeber, soweit er zum Erlaß zivilprozessualer Regelungen ermächtigt wird: „Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, für welche nach dem Gegenstand oder der Art des Anspruchs der Rechtsweg zulässig ist, darf aus dem Grunde, weil als Partei der Fiskus, eine Gemeinde oder eine andere öffentliche Korporation beteiligt ist, der Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden."
In den Materialien zu dieser Bestimmung finden sich Aussagen, nach denen es sich bei der Vorschrift um ein „Minimum" rechtsstaatlicher Bindung des Staates an das für alle geltende Gesetz handele4 und Privaten hierdurch eine Garantie gegeben werde, daß ihre Rechte auch gegenüber dem Staat geschützt und anerkannt werden.5 Nur weil „zufällig" 6 ein Verwaltungsträger Partei einer privatrechtlichen Streitigkeit sei, bestehe kein öffentliches Interesse, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten auszuschließen.7 § 4 EGZPO habe den Sinn, Fiskusprivilegien aufzuheben, für die „nicht der Schein eines rechtfertigenden Grundes" erkennbar sei.8
1
O. Mayer, VerwR I 1 , S. 53 und S. 54 mit Fn. 2 (ebenso VerwR I 3 , S. 54). O. Mayer, VerwR I 1 , S. 138 (Hervorhebung im Original); abgeschwächt in VerwR 3 I , S. 120. 3 Behr y AöR 38 (1918), S. 288 f.; Meister, DVB1. 1972, 593, 596 mit Fn. 29. 4 So Abg. Struckmann während der 158. Sitzung der Justiz-Kommission v. 27. 11. 1876, in: Protokolle der Kommission, S. 750 (zit. nach Hahn, CPO, S. 1179). 5 So Abg. v. Puttkamer während der 158. Sitzung der Justiz-Kommission v. 27. 11. 1876, in: Protokolle der Kommission, S. 750 (zit. nach Hahn, CPO, S. 1179). 6 So Abg. Miquel während der 122. Sitzung der Justiz-Kommission v. 15. 2. 1876, in: Protokolle der Kommission, S. 478 (zit. nach Hahn, GVG, S. 679). 7 So Abg. Struckmann während der 122. Sitzung der Justiz-Kommission v. 15. 2. 1876, in: Protokolle der Kommission, S. 473 (zit. nach Hahn, GVG, S. 675). 8 So Abg. Becker während der 18. Sitzung des Reichstags v. 27. 11. 1876 (zit. nach Hahn, CPO, S. 1304). 2
A. Privatrechtsbindung der Verwaltung als Verfassungsprinzip
55
d) Die Bindung der Verwaltung an das Zivilrecht, wenn sie dessen Tatbestände erfüllt, wurde somit als ein zwingendes Gebot des Gleichheitssatzes und des Rechtsstaates betrachtet.9 Dementsprechend bestand während der Beratungen zum BGB auch uneingeschränkt Einigkeit darüber, daß auch die Teilnahme der Verwaltung am Privatrechtsverkehr im BGB zu regeln sei. Dies zeigt heute noch der Untertitel 3 des Titels 2 des Abschnittes 1 des Ersten Buchs des BGB mit der Bezeichnung „Juristische Personen des öffentlichen Rechts", der Verwaltungsträger zu den „Personen" im Sinne des BGB zählt und damit als privatrechtsfähig ansieht.10 Wenn also die Eingangsformulierung der „Motive zum Allgemeinen Theil des bürgerlichen Gesetzbuches" den Inhalt des bürgerlichen Rechts - und damit den Inhalt des Zivilrechts - als den Inbegriff der Normen bezeichnete, „welche die den Personen als Privatpersonen zukommende rechtliche Stellung und die Verhältnisse, in welchen die Personen untereinander stehen, zu regeln bestimmt sind",11 so waren hiermit auch Verwaltungsträger als Teilnehmer am Privatrechtsverkehr und damit „als Privatpersonen" angesprochen. Der preußische Justizminister hob hierzu hervor, es gebe einen Grundsatz, wonach auch Körperschaften des öffentlichen Rechts, sobald sie in Verhältnisse des bürgerlichen Rechts eintreten, diesem unterlägen.12 Dies galt unabhängig davon, wie insbesondere das „Wesen" des Staates (also des Reichs und der Bundesstaaten) im Privatrechtsverkehr begriffen wurde, ob also der Staat als juristische Person des öffentlichen Rechts mit Privatrechtsfähigkeit angesehen oder der Fiskus als neben dem Staat stehendes eigenständiges Privatrechtssubjekt bzw. als „Vermögensträger" des Staates verstanden wurde, zumal oftmals auch vom Fiskus als juristischer Person des Privatrechts gesprochen wurde, hiermit jedoch der Staat als Privatrechtssubjekt gemeint war. 13 Als sich schließlich durchsetzte, auch den Staat - rechtstechnisch14 - als
9 Ähnlich auch Friedrichs, VerwArch 23 (1915), S. 1, 49 f.; Richter, WDStRL 6 (1929), S. 69, 83; Weyl, Festgabe Hänel, S. 84, 123. 10 Siehe hierzu auch U. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 137 ff. 11 Motive I, S. 1 (zit. nach Mugdan I, 1899, S. 359). Mit „rechtlicher Stellung" war die rechtliche Stellung der Personen im Privatrechtsverkehr gemeint, so daß hiermit etwa die Regeln über die Rechtsfähigkeit natürlicher und juristischer Personen, oder Regeln über die Geschäftsfähigkeit oder familienrechtliche Stellung natürlicher Personen angesprochen wurden, nicht jedoch die Rechtsstellung natürlicher und juristischer Personen gegenüber der öffentlichen Gewalt: Siehe hierzu BVerfGE 42, 20, 30 f. („Alsterkrugchaussee II", hierzu unten S. 349, S. 443 und S. 617). 12 Königlich Preußischer Justizminister, Bemerkungen, S. 18. 13 So offensichtlich bei Hatschek, VerwArch 7 (1899), S. 426 ff. 14 Vgl. Maurer, AUg VerwR, § 21 Rn. 7. Diese rechtstechnische Seite wird übersehen, wenn an der juristischen Persönlichkeit des Staates gezweifelt wird (so z. B. Uh~
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1. Kap.: Der Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung
juristische Person des öffentlichen Rechts zu verstehen (was sich bereits im Untertitel 3 des Titels 2 des Abschnittes 1 des Ersten Buchs des BGB abzeichnete), stellte es jedenfalls kein Problem dar, ihn den Bindungen des Privatrechts zu unterwerfen und das Wort „Fiskus" nur zur Bezeichnung des Staates im Privatrechtsverkehr zu verwenden.15 Dies kam in der als allgemeinen Rechtsgrundsatz verstandenen Formel ,fiscus iure privato utitur" 16 zum Ausdruck. Daher ist im vorliegenden Zusammenhang kein Erkenntnisgewinn von einer Darstellung der „Fiskustheorie" zu erwarten. Auch kann dahingestellt bleiben, ob diese „Fiskustheorie" von der Verwaltungsrechtswissenschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts richtig verstanden worden war: 17 Ungeachtet der „Umwege" der Fiskustheorie war ihr Ziel jedenfalls auch, den Staat zumindest faktisch dem Privatrecht zu unterwerfen. 18 Heute läßt sich dies als „Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung" umschreiben. e) Kennzeichnend für die Diskussion über den rechtsstaatlichen Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung im 19. Jahrhundert ist schließlich, daß Reichsgesetzgeber als dessen „Garant" verstanden wurde. Das Reich sollte sicherstellen, daß in den Bundesstaaten von diesem Grundsatz nicht abgewichen wurde. Rechtstechnisch erfolgte dies durch eine entsprechende Auslegung der Gesetzgebungskompetenz des Reiches für das „gesammte bürgerliche Recht" nach Art. 4 Nr. 13 der Reichsverfassung von 1871 in der Fassung des verfassungsändernden Gesetzes vom 20. Dezember 1873.19 Ihr wurde auch die Befugnis des Reichsgesetzgebers entnommen, die Teilnahme der Verwaltung (und damit auch der Verwaltung der Bundesstaaten) am Privatrechtsverkehr zu regeln und sie an das Privatrecht zu binden, sofern seine Tatbestände erfüllt waren.20 Dieser Zusammenhang zwischen dem Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung und der Gesetzgebungskompetenz des Reichs für das bürgerliche Recht zeigt sich etwa in den „Motiven zum Allgemeinen Theil des bürgerlichen Gesetzbuches". Zu § 41 des Entwurfs 21 heißt es nämlich:
lenbrock, Der Staat als juristische Person, S. 164 ff.; wie hier z. B. Kirste, AöR 127 [2002], S. 696, 697; Möllers, Staat als Argument, S. 151 ff.). 15 Vgl. Fleiner, Institutionen1, S. 44 f. 16 Vgl. Hatschek/Kurtzig, Lehrbuch, S. 47 ff. 17 Hierzu ausfuhrlich Bullinger, Vertrag, S. 201 ff.; Ehlers, Privatrechtsform, S. 75 ff.; Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 77 ff; T. Koch, Status, S. 68 ff.; Merk, VerwR I, S. 227 ff. 18 So deutlich Storr, Staat als Unternehmer, S. 191. 19 RGBl., 379. 20 Vgl. Bornhak, VerwArch 8 (1900), S. 1, 64 f. 21 „Personenvereine und Stiftungen können die Fähigkeit haben, als solche selbständig Vermögensrechte und Vermögenspflichten zu haben (juristische Persönlichkeit)."
A. Privatrechtsbindung der Verwaltung als Verfassungsprinzip
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„Das Prinzip der Rechtsgleichheit und Gemeinsamkeit des Rechtes ist sichtbar bei den jur. Personen nicht von derselben Bedeutung wie bei den physischen Personen. Auch läßt sich nicht verkennen, daß die ersteren, deren Kreis neben den höchsten Gemeinwesen Verbände rein privater Natur und die zwischen ihnen liegenden Mittelbindungen umfaßt, mannigfachen Anlaß zur Aufstellung von Rechtsverschiedenheiten geben können. Die Rechtsentwicklung geht aber dahin, wie auf dem privatrechtlichem Gebiete überhaupt, so auch bezüglich der juristischen Personen Rechtsungleichheiten möglichst zu vermeiden, die überlieferten Privilegien zu sichten und nur diejenigen zu bewahren, für deren Beibehaltung gewichtige, den Rücksichten auf das öff. Wohl entnommene Gründe sprechen. Dies hat besonders im Laufe der Zeit auch die Behandlung der jura fisci gezeigt [...]. In Zukunft gelten für den privatrechtlichen Verkehr jur. Personen Besonderheiten nur insoweit, als solche im BGB. oder im EG. ausgesprochen sind oder auf in Kraft bleibenden reichsrechtlichen oder auf vorbehaltenen landesrechtlichen Normen beruhen. Sofern Vorbehalte eine Ermächtigung hierzu nicht gewähren, bleibt der Landesgesetzgebung auch zur Privilegierung einzelner jur. Personen kein Raum mehr." 22
Diese Sichtweise durchzieht die gesamten Vorarbeiten zum BGB. Es ist daher gerechtfertigt, den Aussagen in den Gesetzesmaterialien zum BGB, die sich auf die Gesetzgebungskompetenz des Reichs für Fragen beziehen, die mit der Privatrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts zusammenhängen, immittelbare Bedeutung auch für die Frage zuzumessen, inwieweit bestimmte Regelungen über die Teilnahme der Verwaltung am Privatrechtsverkehr rechtsstaatlich geboten sind. Hierauf wird näher einzugehen sein.23 II. Heutige rechtsstaatliche Bedeutung des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung a) Daß Ende des 19. Jahrhunderts die Privatrechtsbindung der Verwaltung als rechtsstaatlich geboten angesehen worden ist, wird heute regelmäßig nicht mehr berücksichtigt. Das Anliegen, Verwaltungsträger jedenfalls an das Privatrecht bei Erfüllung seiner Tatbestände zu binden, ist dem Anliegen gewichen, Verwaltungsträger auch bei Erfüllung privatrechtlicher Tatbestände an das öffentliche Recht zu binden. Dies kann jedoch nach geltendem Recht nicht dadurch erreicht werden, daß die Privatrechtsfähigkeit von Verwaltungsträgern schlechthin verneint wird. Auch ihre fehlende Privatautonomie oder sonstige verfassungs- oder gemeinschaftsrechtliche Gründe verbieten ein Verwaltungshandeln in Privatrechtsformen nicht.24
22
Motive I, S. 81 (zit. nach Mugdan I, S. 396 f.).
23
Siehe hierzu 1. Kap. B II (S. 82 ff.).
24
Siehe hierzu Einleitung d und f (S. 27 ff.).
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1. Kap.: Der Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung
b) Damit läßt sich aus der Fortentwicklung des öffentlichen Rechts seit 1945 jedenfalls nichts gegen eine Bindung der Verwaltung an das Privatrecht bei Erfüllung seiner Tatbestände herleiten. Es spricht vielmehr auch heute noch einiges dafür, es als einen letztlich in Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 GG verankerten Grundsatz anzusehen, daß Verwaltungsträger den für alle geltenden privatrechtlichen Regelungen unterworfen sind, wenn kein sachlicher Grund für ihre Privilegierung gegenüber anderen Rechtssubjekten erkennbar ist.25 Davon geht insbesondere auch das BVerfG aus. In einem Beschluß vom 1. Juli 1964 („Mieterschutzgesetz")26 ging es um die Rechtfertigung einer Sonderstellung von Verwaltungsträgern als Vermieter von Wohnraum. § 32 des Mieterschutzgesetzes27 nahm Mietverträge über Wohnraum dann von den besonderen Bestimmungen des Mieterschutzes aus, wenn der Wohnraum „im Eigentum oder der Verwaltung des Reiches oder eines Landes steht und entweder öffentlichen Zwecken oder zur Unterbringung von Angehörigen der Verwaltung des Reichs oder des Landes zu dienen bestimmt" war. Eine Mieterin sah hierin eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Das BVerfG führte hierzu aus: „Der verbreitete Ausdruck »Fiskusprivileg4 ist aber ungenau. Die Bestimmung begründet kein »persönliches Privileg* des Fiskus; grundsätzlich stehen auch die Räume in Gebäuden, die dem Staat gehören [...], unter Mieterschutz. § 32 Abs. 1 knüpft die Freistellung vom Mieterschutz vielmehr an die weitere Voraussetzung, daß die Räume entweder öffentlichen Zwecken oder zur Unterbringung von Verwaltungsangehörigen zu dienen bestimmt sind; nur unter diesen Voraussetzungen entfällt der Mieterschutz. Privilegiert ist also der öffentliche Zweck, freigestellt ist nicht der »öffentliche Besitz4, sondern der öffentliche »Bedarf. Daß diese Sonderregelung durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist, liegt auf der Hand. Die öffentliche Verwaltung kann ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn ihr die erforderlichen personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung stehen. Dazu gehört nicht nur die Beschaffung der notwendigen Diensträume, sondern auch die Unterbringung der erforderlichen Bediensteten am Dienstort. Eine Regelung, die dies erleichtert, dient der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und liegt deshalb im Interesse aller Staatsbürger. Die Bestimmung der betroffenen Räume für diese Zwecke rechtfertigt die Ausnahmebestimmung des § 32 Abs. 1 MSchG."28
Hier kann dahinstehen, ob die besondere Zweckbestimmung der Räume im konkreten Fall tatsächlich die Sonderregelung zugunsten des Bundes und der 25
Beitzke, MDR 1953, 1; Bydlinksi, AcP 194 (1994), S. 319, 339 Fn. 40; Meister, DVB1. 1972, 593, 596; Nipperdey, JZ 1952, 577, 578. Ähnlich auch Bullinger, Vertrag, S. 91 f.; Lerche, Festschrift Winkler, S. 581, 589. Siehe ferner Kämmerer, Privatisierung, S. 232 ff., der diesen Grundsatz als Grundsatz der Integrität des Privatrechts bezeichnet, ohne ihn allerdings verfassungsrechtlich genauer zu verorten. 26
BVerfGE 18, 121 ff.
27
I.d.F. der Bekanntmachung v. 15. 12. 1942 (RGBl. I, 712).
28
BVerfGE 18, 121, 125.
A. Privatrechtsbindung der Verwaltung als Verfassungsprinzip
59
Länder rechtfertigte. 29 Das BVerfG macht jedenfalls deutlich, daß es den Umstand allein, daß der Bund bzw. ein Land Vermieter der Räumlichkeiten ist, nicht als rechtfertigenden Grund für ihre Privilegierung im Privatrechtsverkehr angesehen hätte. Damit legte das BVerfG seinen Überlegungen stillschweigend den Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung zugrunde. c) Entsprechendes nahm das BVerfG auch in einem Beschluß vom 21. Januar 1970 („Verorgungsbezugsanrechnung") 30 an. Es ging um die Vereinbarkeit einer beamtenrechtlichen Vorschrift mit Art. 3 Abs. 1 GG, nach der Einkünfte aus einer Beschäftigung bei einem Unternehmen, dessen Gesamtkapital in öffentlicher Hand liegt, auf die Versorgungsbezüge eines Ruhestandsbeamten anzurechnen waren. Das BVerfG hob hervor, daß jedenfalls eine „natürliche Grenze" für die Anrechnung der Bezüge aus einem zweiten Beschäftigungsverhältnis dann überschritten werde, wenn das zweite Beschäftigungsverhältnis mit einem privaten Arbeitgeber eingegangen wird. Nichts anderes gelte, wenn es sich bei dem Arbeitgeber um eine Gesellschaft des privaten Rechts im Alleinbesitz der öffentlichen Hand handele: „Hat sich die öffentliche Hand, gleichgültig aus welchen Gründen, dafür entschieden, eine öffentliche Aufgabe mit Mitteln des Privatrechts wahrzunehmen und insoweit privatwirtschaftlich tätig zu werden, so muß sie auch alle Konsequenzen daraus, auch die ihr unerwünschten, auf sich nehmen. Sie tritt damit auf den Boden des Privat- und Gesellschaftsrechts, nimmt konkurrierend mit anderen Wirtschaftsunternehmen am Wirtschafts- und Erwerbsleben innerhalb der freien Gesellschaft teil und unterwirft sich den Gesetzen des Marktes. Das Wirtschaftsunternehmen, dessen gesamtes Kapital in öffentlicher Hand liegt, lebt ganz nach dem Recht, das für alle Wirtschaftsunternehmen gilt, wird geführt nach den in der Wirtschaft geltenden Grundsätzen, plant und produziert und erwirtschaftet Gewinne und trägt Risiken wie jedes andere Unternehmen am Markt. Erst der Gewinn fließt in Form von Dividenden des Aktionärs in die öffentliche Kasse. So betrachtet ist die Lage des Versorgungsempfängers, der in einem Beschäftigungsverhältnis mit einem Wirtschaftsunternehmen der öffentlichen Hand steht, dieselbe, in der sich der Versorgungsempfänger befindet, der bei einem Wirtschaftsunternehmen angestellt ist, dessen Kapital ganz oder teilweise privaten Anteilseignem gehört. Deshalb muß er vor dem Gleichheitssatz [...] auch rechtlich so behandelt werden wie der Versorgungsempfanger, der Angestellter eines Wirtschaftsunternehmens ist, das sich in privater Hand befindet
29 Gestützt war der Beschluß noch auf die „alte Formel", die die verfassungsgerichtliche Kontrolle von Gleichheitsverstößen auf „willkürliche Ungleichbehandlungen" beschränkte (BVerfGE 18, 121, 124). Ob die Regelung einer Anwendung der „neuen Formel" standgehalten hätte (siehe hierzu 1. Kap. B II 1 b [S. 83]), ist demgegenüber zweifelhaft, weil keiner der „anerkannten Rechtfertigungsgründe" für Fiskusprivilegien vorlag, siehe hierzu 1. Kap. B II 2 bis 7 (S. 86 ff.). 30
BVerfGE 27, 364 ff.
31
BVerfGE 27, 364, 374.
60
1. Kap.: Der Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung
d) Bedeutung und Gerechtigkeitsgehalt dieses so verfassungsgerichtlich anerkannten Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung dürfen nicht unterschätzt werden. Dies wird bei einer Durchsicht der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der obersten Gerichtshöfe des Bundes deutlich. In zahlreichen Entscheidungen wird bis heute immer wieder darauf hingewiesen, daß sich Verwaltungsträger bestehenden privatrechtlichen Bindungen nicht unter Hinweis auf vorrangige öffentliche Interessen entziehen können. Die Sachgerechtigkeit der jeweils gefundenen Ergebnisse ergibt sich dabei schon aus den folgenden Kurzbeschreibungen: So wurde etwa entschieden, - daß eine Gemeinde ein ihr eingeräumtes Grundstücksservitut zur Ableitung von Oberflächenwasser nicht unter Berufung auf ihre Pflicht zur Entwässerung öffentlicher Straßen und Plätze einseitig ausweiten könne;32 - daß eine Gemeinde der Sachmängelhaftung für ein als „Bauterrain" verkauftes Grundstück nicht entgegenhalten könne, eine Haftung würde sie faktisch zwingen, dieses Grundstück öffentlich-rechtlich zu Bauland zu erklären; 33 - daß sich ein Land, das eine Fischerstelle insbesondere zur Eisfischerei verpachtet hatte, seiner vertraglichen Haftung wegen Störung des Eisfischens durch Schlittschuhläufer nicht mit der Begründung entziehen könne, es habe die Erlaubnis zum Schlittschuhlaufen hoheitlich erteilt; 34 - daß das Reich, dem ein Grundstück zum Zwecke des Baus einer Kadettenanstalt geschenkt worden war, dem Widerruf dieser Schenkung wegen Zweckverfehlung nicht entgegenhalten könne, es könne über den Ort der Errichtung der Kadettenanstalt frei entscheiden;35 - daß eine Gemeinde privatrechtliche Verwaltungsverträge über die Entwässerung von Grundstücken nicht als „erledigt" ansehen könne, nachdem sie die Entwässerung in öffentliche Regie übernommen hatte;36 - daß eine Gemeinde, die mit einer nicht bestehenden Steuerschuld gegenüber einer Kaufpreisforderung aufgerechnet hatte, gegenüber dem Verzugszinsanspruch des Verkäufers nicht einwenden könne, dem Einspruch gegen die Steuerfestsetzung sei keine aufschiebende Wirkung zugekommen;37
32
RGZ 1,331,334. RGZ 8, 298 ff., siehe hierzu auch 3. Kap. E III 2 (S. 725 ff.). 34 RGZ 25, 354, 356 ff. 35 RGZ 23, 207, 211 ff. (zum selben Sachverhalt: RGZ 27, 193 ff.; RGZ 28, 201 ff.; RGZ 29, 156 ff.; RGZ 35, 243 ff.). 36 RGZ 49, 219, 221 („Stettiner Entwässerungsanlage", hierzu unten S. 673). 37 RGZ 80, 371, 372 ff. 33
A. Privatrechtsbindung der Verwaltung als Verfassungsprinzip
61
- daß eine Stadt der Sittenwidrigkeit eines Grundstückstauschvertrages, durch den sie ein vertragliches Vorkaufsrecht an einem Quellgrundstück umgehen wollte, nicht entgegenhalten könne, es sei ihre Aufgabe, den gemeinen Nutzen durch die Beschaffung guten Trinkwassers zu fördern; 38 - daß eine Stadt die Geltung des Tariflohns für einen Arbeitsvertrag nicht ausschließen könne, nur weil dessen Ziel die „Erwerbslosenfürsorge" war; 39 - daß Sicherungsübereignungsverträge zur Sicherung rückständiger Steuerschulden am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB wegen möglicher Täuschung Dritter über die Kreditwürdigkeit des Steuerschuldners zu messen sind;40 - daß eine öffentlich-rechtliche Kreditanstalt das Recht des Eigentümers aus § 1163 Abs. 1 Satz 2 BGB auch durch Satzung nicht ausschließen könne;41 - daß eine Stadt die Bedingungen eines privatrechtlichen Darlehensvertrages auch dann nicht einseitig ändern könne, wenn es sich bei dem Darlehen um ein Wiederaufbaudarlehen handelt;42 - daß sich ein Mieter gegenüber einem Land auch dann auf § 571 BGB a. F. (= § 566 BGB n. F.) berufen könne, wenn der Kaufvertrag mit dem Vermieter zur Abwendung der Enteignung geschlossen worden war; 43 - daß der Bund keine Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrags verlangen könne, nur weil dieser zur Abwendung der Enteignung geschlossen worden war und das Grundstück dann doch nicht benötigt wurde; 44 - daß eine Gemeinde einem Anspruch aus § 13 AGBGB a. F. nicht entgegenhalten könne, bei Verwaltungsträgern bestehe keine Wiederholungsgefahr; 45 - daß ein Verwaltungsträger auch dann wegen Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet sei, wenn er einen Vertragsbruch „im öffentlichen Interesse" begangen habe;46 38
RGZ 88, 361, 365 f. RGZ 121, 283, 285 ff.; ähnlich auch BAGE 94, 138, 140 ff. 40 RGZ 127, 337, 340; siehe zu solchen Sicherungsgeschäften auch 3. Kap. E IV 5 (S. 762 ff.). 41 RGZ 142,156, 158 f. 42 BGHZ 40, 206, 211 („Wiederaufbaudarlehen", hierzu unten S. 1008). 43 BGHZ 50, 284, 287; siehe hierzu auch 3. Kap. E IV 6 a (S. 768 f.). 44 BGHZ 71, 293, 294 ff. 45 BGHZ 81, 222, 227; keine Sonderstellung im AGB-Recht wird der Verwaltung eingeräumt auch bei BGHZ 113, 55, 57; BGHZ 121, 107 ff.; BGH, NJW 1999, 3260; NVwZ 2004, 1017, 1018. 46 BGHZ 99, 182, 186 ff.; siehe hierzu auch 4. Kap. B III 1 b (S. 1094 ff.). 39
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1. Kap.: Der Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung
- daß die Grundsätze über die Sittenwidrigkeit von Bürgschaftsverträgen mittelloser Familienangehöriger des Hauptschuldners auch für Darlehen gelten, die vom Bund gefordert werden,47 und daß auf solche Darlehen grundsätzlich das gesamte Verbraucherschutzrecht Anwendung findet; 48 - daß einer Lehrerin die Stellung einer Schulleiterin, die ihr arbeitsvertraglich eingeräumt worden war, nicht ohne privatrechtliche Änderungskündigung entzogen werden könne;49 - daß sich ein öffentlicher Arbeitgeber einer wirksam eingegangenen Unkündbarkeitsvereinbarung nicht ohne weiteres mit dem Hinweis auf veränderte Umstände entziehen könne;50 - daß ein Land beim Ankauf von Schulbüchern von den Buchhändlern keine über § 7 Abs. 3 des Gesetzes über die Preisbindung von Büchern hinausgehenden Preisnachlässe verlangen dürfe. 51 - daß § 178e VVG auch auf die (privatrechtlichen) Krankenversicherungsverträge der Krankenfürsorge der Bundesbahnbeamten - einer Körperschaft des öffentlichen Rechts - Anwendung finde. 52 e) Zudem stellt es eine gewisse Bestätigung der rechtsstaatlichen Gebotenheit des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung dar, daß er zur Zeit des Nationalsozialismus vom Reichsgericht nicht mehr ohne weiteres anerkannt wurde: So hielt es in einer Entscheidung vom 3. Februar 1936 („Volksschädling")53 für zulässig, daß die Stadt Berlin einen im Jahre 1923 geschlossenen Mietvertrag über ein kommunales Kino allein wegen fehlender „moralischer Eigenschaften" des Mieters außerordentlich kündigte, da dieser in der Vergangenheit einige nicht mit dem Mietverhältnis in Zusammenhang stehende Straftaten begangen hatte. Das Reichsgericht führte insoweit aus: „Die Zulassung der Kündigung [aus wichtigem Grund] darf selbstverständlich nicht zu einer über das notwendige Maß hinausgehenden Lockerung der vertraglichen Bindungen führen. Es bedarf deshalb in jedem Fall eingehender Prüfung, ob die Fortführung eines bestehenden Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf.
47
BGHZ 134, 42, 47 f. („Existenzförderung I", hierzu unten S. 986); BGHZ 135, 66, 70 ff. („Existenzförderung II", hierzu unten S. 986). 48 BGH, NJW 2003, 2742, 2744. 49 BAGE 89, 376, 383 ff.; siehe hierzu 3. Kap. F II 3 h (S. 863) und 4 g (S. 878 ff.). 50 BAGE 102,40,46 ff.; ähnlich der Fall bei BAG, NJW 2004, 3138, 3141. 51 BGHZ 155, 189, 195 f. 52 BGH, NVwZ-RR 2004, 516 f. 53 RGZ 150, 193 ff.; hierzu auch unten S. 910 sowie zum weiteren Fortgang des Rechtsstreits RGZ 158, 394 ff.
A. Privatrechtsbindung der Verwaltung als Verfassungsprinzip
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Zu einer Untersuchung, ob sich eine allgemeine Abgrenzung fur die Zumutbarkeit finden läßt und wie die Grenze etwa gezogen werden könnte, bietet der vorliegende Fall jedoch keinen Anlaß; denn bei ihm ist Vermieter nicht eine Privatperson, sondern, wie das Berufungsgericht zutreffend in den Vordergrund gestellt hat, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, nämlich die Hauptstadt des Deutschen Reiches. Bei ihr stehen die Pflichten gegen die Gesamtheit des Volkes so vor allen anderen Belangen, daß kaum ein Zwiespalt zwischen ihnen und sonstigen Zielen der Verwaltung denkbar ist. Gerade bei dieser Vermieterin muß deshalb auch die Verwertung ihres Vermögens durch Mietverträge derart im Dienste der Gemeinschaft erfolgen, daß ein Vertrag, dessen Durchführung den Belangen des Volkes zuwider läuft, fur die Klägerin nicht mehr tragbar ist. So liegt es aber unbedenklich, wenn der Mieter, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, als Volksschädling betrachtet werden muß."54
f) Angesichts dieses Entscheidungsmaterials erscheint die Annahme, es bedürfe nach Einfuhrung der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel der Konstruktion der privatrechtlichen Rechtsfähigkeit von Verwaltungsträgern nicht mehr, um eine individuelle Rechtssicherung gegenüber der Staatsgewalt zu gewährleisten,55 nicht als gerechtfertigt. Im vorliegenden Zusammenhang ist nicht nur bedeutsam, daß die Verwaltung an das Recht gebunden ist, sondern gerade auch, an welches Recht sie gebunden ist. Dies ist kein prozessuales, sondern ein materiellrechtliches Problem.56 Wer Verwaltungsträger auch in Rechtsverhältnissen, die denen zwischen Privaten in jeder Hinsicht gleichen, (nur) an das öffentliche Recht binden will, muß darlegen, wie die sich hieraus ergebenden öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen aussehen sollen und wie sich im Einzelfall vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen läßt, daß bei gleicher Sachlage unterschiedliche Rechtsfolgen (und wenn sie nur die Gerichtszuständigkeit betreffen) allein deshalb gelten sollen, weil Anspruchsinhaber oder Anspruchsgegner nicht ein anderer Privater, sondern ein Verwaltungsträger ist. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Ausgestaltung der deutschen Rechtsordnung dürfte sich dies kaum bewältigen lassen.
54
RGZ 150, 193, 200.
55
So Burmeister, DÖV 1975, 695, 700; ders. y in: ders., Stellung der Verwaltung, S. 77, 82; Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208, 222 ff. 56
Siehe hierzu auch 1. Kap. B II 4 a (S. 97).
B. Reichweite des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung Ist auch heute noch jedenfalls nach deutscher Verfassungstradition von einem rechtsstaatlichen Gebot der Privatrechtsbindung der Verwaltung auszugehen, so besagt dies allein noch nichts über dessen Reichweite. Daher muß sein Inhalt genauer festgestellt werden. Insoweit bedarf es einer Konkretisierung des Inhalts der „Privatrechtsfähigkeit" juristischer Personen des öffentlichen Rechts (I). Darauf aufbauend können anhand der historischen Entwicklung genauere Aussagen zur Reichweite des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung gemacht werden (II). Schließlich muß die praktisch wichtige Frage behandelt werden, ob und wie sich der Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung zu der Möglichkeit der Verwaltung verhält, bestimmte Rechtsverhältnisse einseitig durch Verwaltungsakt verbindlich zu gestalten (III). I. Privatrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts als privatrechtliche „Vollrechtsfähigkeit" Das BGB spricht - neben natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts - nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Fähigkeit zu, Träger privatrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein (1). Diese Konzeption wird von der in Rechtsprechung und Literatur in diesem Zusammenhang vielfach vertretenen „ultra-vires-Lehre" nicht beachtet (2). 1. Die Konzeption des BGB und ihre verfassungsrechtliche
Anerkennung
a) Juristische Personen sind solche Organisationseinheiten, denen die Rechtsfähigkeit als Regel gewährt und höchstens durch Ausnahmen negativ begrenzt wird, die somit „vollrechtsfähig" sind. Ihnen stehen die teilrechtsfähigen Organisationseinheiten gegenüber, denen enumerativ nur einzelne Rechte als eigene Rechte zugeordnet werden.1 Wenn der Untertitel 3 des Titels 2 des
1 Bachof AöR 83 (1958), S. 208, 263 ff.; Erichsen, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 11 Rn. 11; Kempen, Formen wahlfreiheit, S. 66 ff.; Klotz, DÖV 1964, 181, 183; Kluth,
B. Reichweite des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung
65
Abschnittes 1 des Ersten Buchs des BGB also nur Juristische Personen des öffentlichen Rechts" zu den „Personen" des Abschnittes 1 des Ersten Buchs des BGB zählt, so gewährt es die Privatrechtsfahigkeit nur vollrechtsfahigen, nicht aber teilrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Organisationseinheiten. Solchen Organisationseinheiten kommt somit nur dann die Fähigkeit zu, Träger privatrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein, wenn ihre Privatrechtsfähigkeit durch spezielle (Bundes-)Gesetze ausdrücklich angeordnet wird oder wenn sie zugleich den Tatbestand eines teilrechtsfähigen Personenverbandes im Sinne des Zivilrechts (vgl. § 14 Abs. 2 BGB) erfulleh. 2 Folglich ist es zumindest mißverständlich, wenn von einer einheitlichen „allgemeinen Rechtsfähigkeit" juristischer Personen des öffentlichen Rechts ausgegangen3 oder gesagt wird, mit der Errichtung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts sei ihnen ihre privatrechtliche Rechtsfähigkeit „mitgegeben"4 oder die Rechtspersönlichkeit des öffentlichen Rechts schließe die privatrechtliche Rechtsfähigkeit ein.5 Nach der Konzeption des BGB bestimmt nicht das öffentliche Recht den Umfang der Privatrechtsfähigkeit von Verwaltungsträgern, sondern sie wird vom Privatrecht in der Weise angeordnet, daß es an den Tatbestand der Errichtung einer vollrechtsfahigen öffentlich-rechtlichen Organisationseinheit die Rechtsfolge ihrer Privatrechtsfahigkeit (auch) im Interesse des Schutzes anderer Privatrechtssubjekte knüpft. 6 So verstanden widerspricht das Konzept der „Privatrechtsfähigkeit" juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht dem
in: H. J. Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 80 Rn. 25 ff.; Maurer, Allg VerwR, § 21 Rn. 10; H. 1 Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 32 Rn. 6 f. 2 Probleme hat dies z. B. im Hinblick auf die Privatrechtsfähigkeit der ARD aufgeworfen, bei der sich die Frage stellt, ob sie jedenfalls auch eine BGB-Gesellschaft ist, siehe hierzu 3. Kap. F I 3 f (S. 824 f.). Von der Möglichkeit der Privatrechtsfähigkeit auch nur teilrechtsfähiger öffentlich-rechtlicher Organisationseinheiten geht demgegenüber Bachof (AöR 83 [1958], S. 208, 275 ff.) aus, der annimmt, daß aufteilrechtsfähige öffentlich-rechtliche Verbände die Vorschriften über den nichtrechtsfähigen Verein (mit Vorsicht) analog angewandt werden können. Schwierigkeiten wirft zudem die Frage der Rechtsfähigkeit des fehlerhaft errichteten Verwaltungsträgers und der „juristischen Person des öffentlichen Rechts in Gründung" ("einer öffentlich-rechtlichen Organisationseinheit, die bereits vor der Erlangung ihrer Rechtsfähigkeit ihre Geschäfte aufnimmt) auf, siehe hierzu U. Stelkens, LKV 2003,489, 492 ff. m. w. N. 3
So wohl Frotscher, JuS 1997, L 49, L 51; Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 247 f.
4
H. J. Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 34 Rn. 7; ähnlich Kluth, in: H. J. Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 17; F. Mayer/Kopp, Allg VerwR, S. 312; Wallerath, Bedarfsdeckung, S. 201. 5 6
Forsthoff,
Lehrbuch, S. 484.
So deutlich auch Bornhak, VerwArch 8 (1900), S. 1, 14 f.; im Ergebnis ähnlich Klotz, DÖV 1964, 181, 186.
.
e Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung
Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung,7 weil dieser Grundsatz die Dichotomie von öffentlichem und privatem Recht nicht zu überwinden vermag. b) Daß dieser Differenzierung praktische Bedeutung zukommt, wird deutlich, wenn in diesem Zusammenhang auch die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern für die Errichtung juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. teilrechtsfähiger öffentlich-rechtlicher Organisationseinheiten einerseits und für die Normierung des Privatrechts andererseits in den Blick genommen wird. Für die Errichtung und Auflösung juristischer Personen des öffentlichen Rechts und teilrechtsfähiger öffentlich-rechtlicher Organisationseinheiten findet sich keine umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes - ebensowenig wie eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung und der Reichsverfassung von 1871 bestanden hat. Der Bund hat dementsprechend nach dem Grundsatz des Art. 70 GG nur dann die Kompetenz zur Errichtung juristischer Personen des öffentlichen Rechts und teilrechtsfähiger öffentlich-rechtlicher Organisationseinheiten, wenn ihm eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz zugewiesen ist. Insoweit ergibt sich eine Zuständigkeit des Bundes für die Errichtung und Auflösung bundesunmittelbarer juristischer Personen des öffentlichen Rechts und teilrechtsfähiger öffentlich-rechtlicher Organisationseinheiten aus Art. 86, Art. 87 GG, für die Errichtung landesunmittelbarer juristischer Personen des öffentlichen Rechts und teilrechtsfähiger Organisationseinheiten (nur) nach Maßgabe der Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 GG („Einrichtung der Behörden").8 Im übrigen liegt die Organisationshoheit nach Art. 30 und Art. 70 GG auf Landesebene bei den Ländern.9 Demgegenüber ist es immer schon als Aufgabe des Privatrechts verstanden worden, die Rechtssubjekte zu bestimmen, die an das Privatrecht gebunden sein sollen. So wurde etwa von Otto v. Gierke hervorgehoben, es sei Aufgabe des BGB, die Privatrechtssubjekte erschöpfend aufzuzählen. 10 Das BGB als Bundesrecht (Art. 125
7
So aber Kämmerer, Privatisierung, S. 36.
8
Der Begriff der „Behörde" in Art. 84 Abs. 1, Art. 85 Abs. 1 GG wird weit verstanden und soll insbesondere auch die Errichtung landesunmittelbarer juristischer Personen des öffentlichen Rechts gestatten, siehe VGH München, NVwZ 2004, 1382; Broß, in: v. Münch/Kunig, GG 4/5 , Art. 84 Rn. 13; Groß, in: Friauf/Höfling, Art. 84 Rn. 17 ff.; Heitsch, Ausführung der Bundesgesetze, S. 189 ff.; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 28 (Bearbeitung 1985); U. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 55; ders., LKV 2003,489, 490; Trute, in: v. Mangoldt/Friedrich Klein/Starck, GG, Art. 84 Rn. 9 f. 9 So deutlich auch Mann (Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 347 ff.) und Stober (NJW 2002, 2357, 2363), jeweils zur Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung der Organisationsverfassung öffentlicher Unternehmen. 10
v. Gierke, Entwurf, S. 159.
B. Reichweite des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung
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Nr. 1 GG) kann diese Aufgabe nur dann erfüllen, wenn dem Bund insoweit auch eine umfassende Gesetzgebungskompetenz zusteht. Während der Vorarbeiten zum BGB nahm man jedenfalls an, daß sich eine Gesetzgebungskompetenz des Reichs zur Regelung dieser Frage unmittelbar aus dem Kompetenztitel „bürgerliches Recht" nach Art. 4 Nr. 13 RV ergab.11 Ihren Sinn findet diese Ansicht vor allem darin, daß auch Verwaltungsträger dem Privatrecht unterworfen werden sollten. Das ist nur möglich, wenn sie auch Träger privatrechtlicher Pflichten sein können. Folglich konnte es nicht dem Landesgesetzgeber überlassen bleiben, die Privatrechtsfahigkeit der von ihm errichteten Verwaltungsträger zu verneinen und sie damit von den Bindungen des Privatrechts freizustellen. 12 Dementsprechend hat das Reichsgericht in einem Urteil vom 21. Februar 1919 aus dem Umstand, daß ein bestimmter Kommunalverband (die Fettstelle Groß-Berlin) als juristische Person des öffentlichen Rechts anzusehen sei, geschlossen, daß er auch nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts schadensersatzpflichtig werden könne. Wäre die Rechtsfähigkeit des Kommunalverbandes zu verneinen gewesen, wären demgegenüber die hinter ihm stehenden Gemeinden und Kreise verpflichtet gewesen.13 Dem entsprach auch, daß das Reichsgericht den einzelnen „fiskalischen Stationen" keine selbständige Privatrechtsfahigkeit zusprach, sondern sie als für den Staat handelnde Organe ansah.14 Auch heute noch liegt es daher nahe, die Kompetenz zur Regelung der Privatrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts - ungeachtet der Unklarheiten über den genauen Inhalt dieses Kompetenztitels15 - aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG herzuleiten. Gegenwärtig könnte dann die Regelung der Privatrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Organisationseinheiten ebenfalls grundsätzlich nur durch Bundesgesetz getroffen werden. Dies schlösse für den Landesgesetzgeber aus, einer bestimmten öffentlich-rechtlichen Organisationseinheit durch Gewährung bloßer Teilrechtsfähigkeit eine Privatrechtsfähigkeit „ä la carte" zu gewähren. c) Eine solche Kompetenzzuordnung ist jedoch nicht ganz unzweifelhaft, weil die Entscheidung darüber, welchen öffentlich-rechtlichen Organisations11
Dem stehen die unten (1. Kap. B II 5 a [S. 104f.]) zitierten Gesetzgebungsmaterialien nicht entgegen (so aber Winterfeld, Grenzen des Handelns, S. 100 f.), da'sich diese nur auf die Frage beziehen, inwieweit der Privatrechtsgesetzgeber die Organisationsverfassung juristischer Personen des öffentlichen Rechts regeln kann. 12
Hierin zeigt sich erneut, daß der Reichsgesetzgeber als „Garant" des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung verstanden wurde, siehe 1. Kap. A I e (S. 56). 13
RGZ 95, 28, 30 f.
14
RGZ 2, 392, 393; RGZ 70, 371, 375 ff.; siehe hierzu auch Bornhak, VerwArch 8 (1900), S. 1, 65 f.; Friedrichs, VerwArch 23 (1915), S. 1,47 f. 15
Hierzu näher 3. Kap. A II 1 d (S. 348).
.
e Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung
einheiten Privatrechtsfähigkeit zukommt, gewisse Rückwirkungen auf die verwaltungsorganisationsrechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten insbesondere auch der Länder hat. Die Entscheidung des BGB, nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts Privatrechtsfähigkeit zu gewähren, zwingt die Länder dazu, ihre Verwaltungsorganisation so auszugestalten, daß für alles staatliche Handeln auf Landesebene entweder das Land selbst oder eine landesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts Zurechnungsausgangs- und Zurechnungsendpunkt ist. Denn jede Organisation braucht in irgendeiner Form ein sachliches und personelles Substrat, um agieren zu können. Sie muß Rechte erwerben, Sachen zu Eigentum haben, Personen anstellen und über Geldmittel verfugen können. Soll zu diesem Zweck - was nach der Ausgestaltung des einfachen Rechts jedenfalls gegenwärtig in weiten Teilen unvermeidlich ist 16 - auf die Verwendung privatrechtlicher Handlungsformen zurückgegriffen werden, ist die Konstruktion vollrechtsfähiger Organisationseinheiten, also juristischer Personen des öffentlichen Rechts, unabwendbar, um der Verwaltung Vermögensfahigkeit zu verleihen.17 Daß dies verwaltungsorganisationsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten einschränken kann, zeigt sich deutlich, wenn die früheren bundesgesetzlichen Regelungen über die Sondervermögen der Deutschen Bundespost (§ 3 Abs. 2 Postverwaltungsgesetz18 bzw. § 2 Abs. 2 PostVerfG 19) und des Bundeseisenbahnvermögens (§ 3 Abs. 2 Bundesbahngesetz20 bzw. § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Zusammenfuhrung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen)21 mit den geltenden Vorschriften über die kommunalen Eigenbetriebe verglichen werden. Die genannten früheren bundesrechtlichen Bestimmungen sprachen den Sondervermögen der Bundespost bzw. der Bundeseisenbahn keine juristische Persönlichkeit zu, bestimmten jedoch dennoch, daß der
16
Siehe hierzu näher 1. Kap. B II 3 d bis f (S. 92 ff.).
17
Böckenförde, Festschrift H. J. Wolff, S. 269, 304 f.; Burmeister, in: Wadle, Dialog, S. 105, 127 f.; Friedrichs, PrVBl. 1919/20, 489, 491; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Rn. 5/4. 18
Gesetz über die Verwaltung der Deutschen Bundespost (Postverwaltungsgesetz) v. 24. 7. 1953 (BGBl. I, 676), aufgehoben durch Art. 1 § 66 des Gesetzes zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz - PostStruktG) v. 8. 6. 1989 (BGBl. I, 1026). 19 Gesetz über die Unternehmens Verfassung der Deutschen Bundespost (Postverfassungsgesetz - PostVerfG), verkündet als Art. 1 des Gesetzes zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz - PostStruktG) v. 8. 6. 1989 (BGBl. I, 1026). 20 Vom 13. 12. 1951 (BGBl. I, 955), aufgehoben durch Art. 8 § 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (EisenbahnneuordnungsG - ENeuOG) v. 27. 9. 1993 (BGBl. I, 2439). 21
Verkündet als Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (EisenbahnneuordnungsG - ENeuOG) v. 27. 9. 1993 (BGBl. I, 2439).
B. Reichweite des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung
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Bund für die Verbindlichkeiten dieser Sondervermögen nur mit diesem Sondervermögen, umgekehrt das Sondervermögen selbst nicht für sonstige Verbindlichkeiten des Bundes haftet. Dies bezog sich auch und gerade auf privatrechtliche Verbindlichkeiten. Die Regelungen über die Sondervermögen des Bundes stellten damit eine Abweichung von dem vom BGB normierten Grundsatz dar, daß nur vollrechtsfähige öffentlich-rechtliche Organisationseinheiten privatrechtsfähig sind. Wird die Regelung dieses Grundsatzes dem „bürgerlichen Recht" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zugeordnet, können die Länder vergleichbare Regelungen - auch soweit ihnen die Organisationshoheit zusteht - nicht treffen. Hiervon scheinen die Länder selbst auszugehen: Soweit etwa im Eigenbetriebsrecht die Bildung von nichtrechtsfähigen öffentlichrechtlichen Sondervermögen zugelassen wird, fehlt es an Bestimmungen, die die Haftung der Kommunen auch im Außenverhältnis auf das Sondervermögen beschränken. Dementsprechend wird auch durchgängig angenommen, die Handlungen des Eigenbetriebes seien im Außenverhältnis ausschließlich der Trägerkommune zuzurechnen.22 Eine echte Verselbständigung eines „Sondervermögens" im Verhältnis nach außen kann daher durch den Landesgesetzgeber nur erreicht werden, wenn er - wie dies etwa für die Sparkassen durchgängig angeordnet ist - dem Sondervermögen selbst juristische Persönlichkeit zuspricht, es also - auch gegenüber seinem Träger - für vollrechtsfähig erklärt. d) Dennoch wird man diese - nicht besonders gravierenden - Auswirkungen auf die Verwaltungsorganisationshoheit der Länder nicht zum Anlaß nehmen können, die Regelungen über die Privatrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Organisationseinheiten aus dem Kompetenzbereich des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG („bürgerliches Recht") herauszunehmen. Wie bereits dargelegt, ist bei Verabschiedung des BGB angenommen worden, daß die Regelungen darüber, wer privatrechtsfähig ist, auf die Kompetenz des Reichs aus Art. 4 Nr. 13 RV zurückgeführt werden kann. Diese Einschränkung der verwaltungsorganisationsrechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Bundesstaaten wurde von diesen im gesamten Gesetzgebungsverfahren nicht kritisiert, obwohl in anderen Bereichen deutlich darauf geachtet worden war, daß der Reichsgesetzgeber die Kompetenz zur Regelung des bürgerlichen Rechts gerade in Richtung des Verwaltungsorganisationsrechts nicht überschritt. 23 Wie das Beispiel der Regelungen über die Eigenbetriebe gezeigt hat, scheinen die Länder eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes in diesem Bereich auch bis heute zu akzeptieren.
22 OLG Dresden, VergabeR 2004, 500, 501; OLG Frankfurt a. M., NVwZ 2002, 895 f.; OVG Bautzen, SächsVBl. 2004, 286, 287; BAG, BayVBl. 2003, 57 f.; Altmeppen, NJW 2003, 2561; Gern, Kommunalrecht, Rn. 741; Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 104 f.; H. J. Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 98 Rn. 28. 23
Siehe hierzu die Nachweise bei 1. Kap. B II 5 a (S. 104).
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e Grundsatz der Privatrechtsbindung der Verwaltung
Wird mit der herrschenden Auffassung angenommen, daß jedenfalls bei der Auslegung solcher Gesetzgebungskompetenztitel, die- wie die Gesetzgebungskompetenz „bürgerliches Recht" - wortgleich aus der Weimarer Reichsverfassung (Art. 7 Nr. 1 WRV) und der Reichsverfassung von 1871 übernommen worden sind - auch der vorkonstitutionellen Staatspraxis und der historischen Entwicklung der in Rede stehenden Kompetenzmaterie besondere Bedeutung zukommt,24 dann bedeutet dies für den vorliegenden Zusammenhang, daß mit der nicht näher diskutierten25 Übernahme des Gesetzgebungstitels „bürgerliches Recht" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG allgemein dem Bund als Privatrechtsgesetzgeber die Kompetenz zugesprochen wurde, auch für die öffentlich-rechtlichen Organisationseinheiten der Länder die Frage der Privatrechtsfähigkeit abschließend festzulegen. Dieser Befund wird zudem noch dadurch belegt, daß das Grundgesetz selbst in Art. 34 Satz 1 GG voraussetzt, daß jedes Verwaltungshandeln auf eine juristische Person des öffentlichen Rechts zurückzuführen ist. Denn dort wird als passivlegitimiert der „Staat" bzw. „die Körperschaft" 26 bezeichnet und nicht etwa „die Behörde" oder die „Organisation", für die der Jemand" gehandelt hat. Damit hat das Grundgesetz selbst den einfachrechtlichen -Grundsatz rezipiert, daß als öffentlich-rechtliche Organisationen privatrechtsfähig nur juristische Personen des öffentlichen Rechts sind. 2. Einschränkung der Privatrechtsbindung der Verwaltung nach der Lehre von der Teilrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bzw. der „ ultra-vires-Lehre "? a) Im Gegensatz zu der soeben dargestellten Konzeption des BGB hat der BGH in einem Urteil vom 28. Februar 1956 („Fischwirtschaft") 27 angenom-
24
Siehe nur Bothe, in: Denninger/Hoffmann-Riem/H.-P. Schneider/E. Stein, AKGG, Art. 70 Rn. 10 f.; Degenhart in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 44 ff.; v. Mangoldt/Friedrich Klein/Pestalozza, GG, Art. 70 Rn. 59 ff.; Rozek, in: v. Mangoldt/Friedrich Klein/ Starck, GG, Art. 70 Rn. 49. 25
v. Mangoldt/Friedrich
26
Klein/Pestalozza,
GG, Art. 74 Rn. 26, 51.
Der Begriff der „Körperschaft" ist aus Art. 131 Abs. 1 Satz 1 WRV übernommen worden. Schon damals bestand Einigkeit, daß hiermit alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts gemeint sein sollten (vgl. z. B. RGZ 112, 335, 339 f.; Anschütz, WRV, Art. 131 Anm. 6 [alle „Gemeinwesen"]). Auch wenn das Grundgesetz den Begriff der Juristischen Person" kennt (z. B. in Art. 19 Abs. 3 GG) kann dementsprechend aus der Verwendung des Begriffs „Körperschaft" in Art. 34 Satz 1 GG nicht geschlossen werden, eine Haftung von Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts komme nicht in Betracht. Dies ist auch unbestritten, siehe nur Windthorst, in: Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 2. 27
BGHZ20, 119.
B. Reichweite des Grundsatzes der Privatrechtsbindung der Verwaltung
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men, die Fähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts, Inhaber privatrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein, sei auf deren jeweiligen Wirkungskreis beschränkt. Außerhalb ihres Wirkungskreises könnten sie nicht handeln. Konkret ging es um einen Vertrag der sog. „Hauptgeschäftsstelle Fischwirtschaft", einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die zu dem Zweck errichtet worden war, einen Ausgleichsstock zu verwalten, mit dessen Mitteln die heimische Fischwirtschaft gefordert werden sollte. Die Mittel des Ausgleichsstocks wurden u. a. aus Ausgleichsabgaben der Fischimporteure angesammelt. Allein um den Wert des Ausgleichsstocks zu erhalten, hatte die Hauptgeschäftsstelle vor der Währungsreform Salzheringe gekauft, die nach der Währungsreform wieder verkauft werden sollten. Der BGH hielt diese Vorgehensweise für nicht mehr vom Wirkungskreis der Hauptgeschäftsstelle umfaßt, da es sich um eine „eigenwirtschaftliche" Betätigung dieser Hauptgeschäftsstelle gehandelt habe, die dieser aufgrund ihrer Satzung ausdrücklich verboten gewesen sei. Hieraus schloß er: „Da die Vertretungsmacht eines Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts niemals über den der juristischen Person durch Gesetz, Satzung oder Zweck zugewiesenen Wirkungskreis hinausgehen kann, hat der Geschäftsführer P. [...] zugleich die ihm als Organ der Beklagten zustehende »Vertretungsmacht4 überschritten. Der Mangel der Vertretungsmacht folgt ohne weiteres aus der Beschränkung des Wirkungskreises der Beklagten. Soweit in § 1 Abs. 3 der Satzung vom 13. Juni 1935 mit rein »deklaratorischer4 Wirkung der Beklagten die eigenwirtschaftliche Betätigung auf dem Gebiet der Fischwirtschaft »untersagt4 ist, handelt es sich nicht um eine den Hauptgeschäftsfuhrer nur nach innen bindende Anweisung, die nur die Wirkung hätte, daß er auf dem Gebiet der Fischwirtschaft im Verhältnis zu der Beklagten solche Geschäfte nicht hätte abschließen sollen oder dürfen. Die Rechtslage war vielmehr so, daß er derartige Geschäfte überhaupt nicht machen konnte, weil hierzu der Beklagten das rechtliche Können fehlte. Ob eine solche Beurteilung in gleicher Weise für juristische Personen des Privatrechts zutrifft, wenn deren Satzungen Beschränkungen ihrer Aufgabenbereiche enthalten, kann hier dahingestellt bleiben. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind jedenfalls grundsätzlich nur im Rahmen des ihnen durch Gesetz oder Satzung zugewiesenen Aufgaben- und Wirkungsbereichs zu einem rechtswirksamen Handeln befugt. Sie können nur innerhalb des durch ihre Zwecke und Aufgaben bestimmten, sachlich und räumlich beschränkten Lebenskreises handeln. Außerhalb ihres Funktionsbereichs liegende Handlungen entbehren schlechthin der Rechtswirksamkeit. Für diese Beurteilung ist allein die objektiv gegebene Rechtslage maßgebend [...].4