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German Pages 260 [261] Year 2023
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 346
Verhinderung einer Mehrfachhaftung des Kartellanten Die Streitverkündungslösung des Bundesgerichtshofes
Von
Hannah-Sophia Visé
Duncker & Humblot · Berlin
HANNAH-SOPHIA VISÉ
Verhinderung einer Mehrfachhaftung des Kartellanten
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 346
Verhinderung einer Mehrfachhaftung des Kartellanten Die Streitverkündungslösung des Bundesgerichtshofes
Von
Hannah-Sophia Visé
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.
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Meiner Familie
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2021/2022 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis einschließlich April 2021 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Christoph Thole, Dipl.-Kfm., für die thematische Anregung und die Gewährung größtmöglichen Freiraumes bei der Anfertigung dieser Arbeit. Ebenso möchte ich mich für die Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Verfahrens- und Insolvenzrecht bedanken. Herrn Prof. Dr. Torsten Körber, LL.M., danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Mein herzlicher Dank gilt zudem meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am Institut für die gemeinsame Zeit, die ich sowohl in fachlicher als auch in zwischenmenschlicher Hinsicht stets als Bereicherung empfunden haben. Die dort gewonnenen Freundschaften haben über so manches Motivationsloch hinweggeholfen. Hervorheben möchte ich Frau Julia von Rekowski, der ich auch für die kritische Durchsicht der Arbeit Dank schulde. Mein größter Dank gilt meiner Familie, die während meiner Promotionszeit stets an meiner Seite war. Von ganzem Herzen danke ich meinen Eltern, Petra und Dr. Christoph Visé, für ihre immerwährende und vorbehaltlose Unterstützung auf meinem beruflichen und privaten Lebensweg. Meinem Vater und meinem Bruder, Sebastian Visé, danke ich zudem für die Übernahme der mühevollen Arbeit des Korrekturlesens. Mein ganz besonderer Dank gilt schließlich meinem Verlobten, Patrick Jantos, für seinen liebevollen und bedingungslosen Rückhalt während sämtlicher Herausforderungen, die die juristische Ausbildung bereithält. Ihnen allen ist diese Arbeit gewidmet. Köln, im Januar 2022
Hannah-Sophia Visé
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II. Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Die Abwälzung von kartellbedingten Preisaufschlägen innerhalb mehrgliedriger Lieferketten: Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Die Entwicklung des GWB bis zur 9. Gesetzesnovelle: Ein kurzer Überblick
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II. Die unterschiedlichen Perspektiven der Abwälzung unter Berücksichtigung des grundlegenden Urteils des BGH in der Rechtssache ORWI . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Anspruchsberechtigung mittelbar Geschädigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Einwand der Schadensabwälzung (passing-on-defence) . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Grundsätzliche Zulassung des Einwandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Schadensentstehung oder Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 C. Die Streitverkündungslösung des BGH vor dem Hintergrund des vor dem Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle in Deutschland geltenden Rechtes . . . . . . . . . . . . 40 I. Der Kartellschadensersatzanspruch: Anspruchsvoraussetzungen und Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Einordnung als Voraussetzung des Schadensersatzanspruches . . . . . . . . . . 44 b) Konkretisierung der Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 aa) Das Verhältnis zur tatsächlichen Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (1) Funktion der tatsächlichen Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (2) Die Entscheidung des BGH in der Rechtssache Schienenkartell II
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(3) Ähnlichkeit der Betroffenheitsprüfungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 bb) Das Verhältnis zur Kartellbefangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Haftungsausfüllender Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Positiver Schaden und entgangener Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Schadenseintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Kartellbefangenheit des Beschaffungsvorganges . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
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Inhaltsverzeichnis bb) Anscheinsbeweis und tatsächliche Vermutung: Die Berücksichtigung von Erfahrungssätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (1) Kombination zweier Anscheinsbeweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (2) Die tatsächliche Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) Schadenshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 d) Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 aa) Feststellung des Vorteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Kausalzusammenhang zwischen Vorteil und schädigendem Ereignis 79 cc) Versagung der Vorteilsausgleichung aufgrund wertender Überlegungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (1) Fallgruppen der Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (2) Besonderheiten des kartellrechtlichen Schadensersatzanspruches 86 dd) Die Problematik des Nachfragerückgangs in der Entscheidung ORWI und das Erfordernis der Kongruenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (1) Diskrepanz zwischen der Entscheidung ORWI und dem Erfordernis der Kongruenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (2) Weitergehende Bedenken gegen eine zusätzliche Anforderung an die Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 ee) Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 ff) Höhe des Vorteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Besonderheiten bei Schadensersatzansprüchen mittelbarer Abnehmer . . . . . . 98 II. Zulässigkeit und Wirkung einer Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Die Voraussetzungen der Streitverkündung und ihre Auswirkungen auf den Vorprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Die Interventionswirkung im Folgeprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Der subjektive Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Der objektive Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Die Besonderheiten bei einem non-liquet im Vorprozess . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Erfolgsgeeignetheit zur Vermeidung einer Mehrfachhaftung: Prozessuale Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers und Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Faktische Probleme der Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 bb) Allgemeine beweisrechtliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 cc) Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Vorprozess unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Beteiligungsmöglichkeiten des mittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (1) Betreffend den Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (2) Betreffend den Eintritt und den Umfang des Schadens . . . . . . . . . 116 (3) Betreffend die Vorteilsausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Inhaltsverzeichnis dd) Sekundäre Darlegungslast des klagenden unmittelbaren Abnehmers
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(1) Erforderlichkeit einer sekundären Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . 120 (a) Kenntniserlangung mittels Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . 121 (b) Informationsbeschaffung als Zweck der Streitverkündung? . . . 123 (c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Zumutbarkeit einer sekundären Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Feststellungen im Ersturteil zum Schadenseintritt beim unmittelbaren Abnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Feststellungen im Ersturteil zur Weiterwälzung des Preisaufschlages 129 2. Vorprozess des mittelbaren Abnehmers und Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Vorprozess des mittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle in Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I. Unionsrechtlich aufgestellte Vorgaben durch die Kartellschadensersatzrichtlinie 143 1. Entscheidungen des EuGH zum kartellrechtlichen Schadensersatz: Courage und Manfredi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Vorschläge der Kommission im Grün- und Weißbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3. Ordentliches Gesetzgebungsverfahren zur Kartellschadensersatzrichtlinie . . . 148 4. Wesentliche Aspekte und inhaltliche Zielvorgaben der Richtlinie für das Recht der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Art. 13 RL: Einwendung der Abwälzung des Preisaufschlags . . . . . . . . . . 150 b) Art. 14 RL: Mittelbare Abnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Vorgaben zur Vermeidung einer Mehrfachhaftung des Kartellteilnehmers 156 II. Deutsches Gesetzgebungsverfahren zur 9. GWB-Novelle: Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben in deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Referentenentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Regierungsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Endgültige Gesetzesfassung und ausgebliebene Änderungen . . . . . . . . . . . . . 165 III. Punktuelle Neuerung durch das GWB-Digitalisierungsgesetz (10. GWB-Novelle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 IV. Die Modifizierung der Gesetzeslage: Inhaltliche Ausgestaltung des Kartellschadensersatzanspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Haftungsausfüllender Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Unmittelbarer Abnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Anderweitige Auslegungsmöglichkeit des § 33a II 1 GWB n. F.? . . . . 174 (1) Anwendungsbereich des § 33a II 4 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . 174
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Inhaltsverzeichnis (2) Erfordernis einer gesonderten gesetzlichen Vermutung für die Kartellbefangenheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Verbleibender Anwendungsbereich des Anscheinsbeweises bzw. der tatsächlichen Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Mittelbarer Abnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 aa) Eintritt eines kartellbedingten Preisaufschlages auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Vermutungsbasis des § 33c II GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 cc) Verbleibende Verteidigungsmöglichkeiten des Kartellanten . . . . . . . . . 185 (1) Der Grundsatz: Beweis des Gegenteils und Gegenbeweis . . . . . . . 185 (2) Die Besonderheiten des § 33c III 1 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (3) Abweichende Auslegungsmöglichkeiten des § 33c III 1 GWB n. F. und deren Konsequenzen für § 33c II GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . 189 (a) § 33c III 1 GWB n. F. als dritte Verteidigungsmöglichkeit . . . . 189 (b) § 33c III 1 GWB n. F. als Tatbestandsausnahme . . . . . . . . . . . . 190 (c) § 33c II GWB n. F. als gesetzlicher Anscheinsbeweis . . . . . . . 191 (aa) Gesetzliche Festschreibung eines Anscheinsbeweises? . . 191 (bb) Übertragung der Überlegungen auf § 33c GWB n. F. . . . . 193 (cc) Vereinbarkeit der Auslegung mit Art. 14 RL . . . . . . . . . . 196 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 V. Konsequenzen der geänderten Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Kartellschadensersatzprozess für die Streitverkündungslösung des BGH . . . . . . 197 1. Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers und Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Beweisrechtliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Das Verhältnis von sekundärer Darlegungslast und neuen Offenlegungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Auslegung des § 33c II GWB n. F. als widerlegbare gesetzliche Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (1) Die Problematik der Mehrfachhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (2) Berücksichtigung der Zielsetzung der Richtlinie: Vermeidung einer Mehrfachhaftung des Kartellanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (3) Überlegungen de lege lata unter Beibehaltung der Streitverkündungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (4) Anderweitige geeignete Verfahrensmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (a) § 147 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (b) § 75 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (5) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
Inhaltsverzeichnis
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bb) Auslegung des § 33c II GWB n. F. als gesetzlich normierter Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Folgeproblem: Rückwirkende Geltung des gesetzlichen Anscheinsbeweises? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Vorprozess des mittelbaren Abnehmers und Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Vorprozess des mittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 E. Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl. a. E. AEUV a. F. angef. Art. Artt. Bd. bearb. BegrRefE BegrRegE Beschl. v. BGB BGBl. BGH BGHZ bspw. BT d. h. Drs. ECLI Ed. EG EGV Einl. EuGH EUV f./ff. Fn. geänd. ggf. G. v. GWB h. M. Hrsg. i. E. insb. i. R. d. i. S. d.
andere Ansicht Amtsblatt der Europäischen Union am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung angefügt Artikel Artikel (Mehrzahl) Band bearbeitet Begründung Referentenentwurf Begründung Regierungsentwurf Beschluss vom Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen beispielsweise Bundestag das heißt Drucksache European Case Law Identifier Edition Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i. d. F. bis 30. November 2009 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i. d. F. bis 30. April 1999 Einleitung Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union i. d. F. des Vertrags von Lissabon folgende [Seite, Nummer, Randnummer] Fußnote geändert gegebenenfalls Gesetz vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herrschende Meinung Herausgeber im Ergebnis insbesondere im Rahmen der/des im Sinne des
Abkürzungsverzeichnis i. S. v. i. V. m. Lfg. LG lit. Ls. m. w. N. Neubearb. n. F. Nr. OLG RG RL Rn. Rspr. S. s./S. sog. stRspr. u. u. a. Urt. v. vgl. Vorb. z. B. ZPO
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im Sinne von in Verbindung mit Lieferung Landgericht littera Leitsatz mit weiteren Nachweisen Neubearbeitung neue Fassung Nummer Oberlandesgericht Reichsgericht Richtlinie Randnummer/-n Rechtsprechung Seite siehe/Siehe sogenannte/-r/-s/-n ständige Rechtsprechung und und andere/-s; unter anderem; unter anderen Urteil vom vergleiche Vorbemerkung zum Beispiel Zivilprozessordnung
Wegen der übrigen Abkürzungen wird verwiesen auf die im Literaturverzeichnis in Klammern angeführte Zitierweise sowie auf Kirchner, Hildebert (Begr.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, bearb. v. Böttcher/Eike, 9. Aufl., Berlin/Boston 2018.
A. Einleitung I. Problemstellung Treffen mehrere Wettbewerber Vereinbarungen, die den Wettbewerb beschränken, so können aus dieser Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht Abnehmer auf unterschiedlichen Absatzstufen innerhalb einer mehrgliedrigen Lieferkette Schäden erleiden. Infolgedessen können ebendiese potentiell Geschädigten versuchen, ihre Ersatzansprüche gegenüber dem Rechtsverletzer prozessual durchzusetzen. In Betracht kommen insbesondere Klagen unmittelbarer Abnehmer, also solcher, die Waren oder Dienstleistungen unmittelbar vom Rechtsverletzter erworben haben. Denkbar sind daneben Klagen von Abnehmern nachfolgender Vertriebsstufen (mittelbare Abnehmer).1 Sofern mehrere Absatzstufen existieren, können sich die unmittelbaren Abnehmer dazu entschließen, eine von ihnen zunächst zu tragende (kartellbedingte) Preiserhöhung ganz oder teilweise an ihre eigenen Abnehmer weiterzugeben. Dementsprechend erhöhen diese unmittelbaren Abnehmer ihre Preise gegenüber ihren eigenen Vertragspartnern.2 Diese Abwälzung eines etwaig entstandenen kartellbedingten Preisaufschlages wird in verschiedenen Konstellationen relevant. Im Rahmen des Kartellschadensersatzprozesses des unmittelbaren Abnehmers kann der Kartellteilnehmer den Einwand erheben, der Preisaufschlag sei vom unmittelbaren auf den bzw. die mittelbaren Abnehmer abgewälzt worden, so dass bei Ersterem letztendlich kein Schaden verblieben sei. Ein solches Vorbringen dient also der Verteidigung des beklagten Kartellanten.3 Im Prozess des mittelbaren Abnehmers hingegen begründet dieser Geschädigte die Entstehung seines eigenen Schadens mit ebendieser Weiterwälzung durch den 1 Zum Begriff der unmittelbaren und mittelbaren Abnehmer vgl. die Begriffsbestimmungen in Art. 2 Nr. 23 u. 24 der Richtlinie 2014/104/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl. 2014 L 349, 1. Im Folgenden: Kartellschadensersatzrichtlinie oder Richtlinie bzw. RL. 2 Vgl. nur Bacher, in: H.-J. Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, Kap. 82 Rn. 32; Langen/ Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 1. 3 Vgl. hierzu sowie zum nachfolgenden Absatz die Darstellung der Problematik bei Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 28 f. Neben Bulst verwendet ebenso Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 150 ff. die Begrifflichkeiten „Verteidigung“ und „Angriff“ zur Umschreibung der jeweiligen Situation.
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A. Einleitung
unmittelbaren Abnehmer. Von Relevanz ist die Abwälzung damit auch in der beschriebenen Angriffssituation. Allein dieser Umstand birgt die Gefahr sich widersprechender gerichtlicher Entscheidungen.4 Die Abwälzung von kartellbedingten Preisaufschlägen ist seit längerem Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen. Die Diskussion konzentrierte sich bis zum Jahre 2011 im Wesentlichen auf zwei Aspekte: die Zulassung des Einwandes der Schadensabwälzung (passing-on-defence) sowie die Anspruchsberechtigung der mittelbar Geschädigten.5 Zu beiden Streitpunkten hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem grundlegenden Urteil vom 28. Juni 2011 in der Rechtssache ORWI6 Stellung genommen und die Diskussion um die genannten Fragestellungen damit, zumindest im Grundsatz, zum Erliegen gebracht. Nur geringfügig weniger Aufmerksamkeit erfuhr die mit einer Anspruchsberechtigung der mittelbaren Abnehmer Hand in Hand gehende Gefahr einer mehrfachen Haftung des Kartellanten. Für den Kartellteilnehmer besteht insoweit das Risiko sowohl dem unmittelbaren als auch dem mittelbaren Abnehmer Ersatz für einen Preisüberhöhungsschaden leisten zu müssen, obwohl der kartellbedingte Preisaufschlag nur bei einem der Abnehmer oder bei beiden in Teilen als Schaden dauerhaft das Vermögen geschmälert haben kann.7 Obiter dictum positionierte sich der BGH in der Entscheidung ORWI im Hinblick auf diese mögliche mehrfache Haftung des schädigenden Kartellteilnehmers. Dieser könne mit Hilfe der Streitverkündung im Sinne des § 72 ZPO widersprüchliche Entscheidungen in der oben geschilderten Situation der (potentiellen) Klagen von mehreren Abnehmern verschiedener Marktstufen verhindern.8 Nunmehr gewinnt die Problematik der Mehrfachhaftung des Kartellanten durch die Kartellschadensersatzrichtlinie und deren Umsetzung in das deutsche Recht durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen9 erneut an Aktualität. Ist schon unter Zugrundelegung der Gesetzeslage vor der 9. GWB-Novelle zweifelhaft, ob die Streitverkündungslösung des BGH überhaupt geeignet ist, das aufgeworfene Problem zu lösen, so ist dieser Lösungsvorschlag zumindest durch die 4 Vgl. nur Kirchhoff, WuW 2012, 927, 933, der allerdings die Gefahr unter Geltung der Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle wohl als vernachlässigbar qualifiziert. Hierzu tendiert auch W.-H. Roth, FS Huber, 1133, 1166 Fn. 185. 5 Beispielhaft seien insofern die Untersuchungen von Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, Görner, Die Anspruchsberechtigung der Marktbeteiligten nach § 33 GWB sowie Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens angeführt. 6 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145 – ORWI. 7 Auch auf Letzteres weist der BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 60 – ORWI ausdrücklich hin. 8 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 73 – ORWI. 9 Neuntes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 1. 6. 2017, BGBl. I 1416. Im Folgenden: 9. GWB-Novelle.
I. Problemstellung
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gesetzlichen Neuerungen ins Wanken geraten. Insbesondere der neu geschaffene § 33c GWB (n. F.) bedingt eine weitgehende Veränderung der bestehenden Rechtslage. Stützten sich die Überlegungen des BGH noch auf den „[…] Gleichlauf der Beweis- und Nachweisanforderungen an die Weiterwälzung des Schadens für die Passing-on-Defence einerseits und die Klagen mittelbarer Abnehmer andererseits […]“10, so wird nunmehr gemäß § 33c II GWB n. F. lediglich zugunsten eines mittelbaren Abnehmers dem Grunde nach vermutet, dass der Preisaufschlag auf ihn abgewälzt wurde. Ob die vom BGH verwendete Metapher des Weiterwälzungseinwandes des Kartellanten als Spiegelbild des Schadensnachweises des mittelbaren Abnehmers11 unter der geänderten Gesetzeslage noch zutreffend ist, ist mehr als fraglich. Die aufgezeigte Problematik wird im Schrifttum zwar vielfach gesehen. Nur wenige Beiträge gehen jedoch über die bloße Darstellung des Problems hinaus. Teilweise wird (wenigstens für die Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle) angenommen, die Gefahr einer Mehrfachhaftung des Kartellanten würde sich in der Praxis nicht verwirklichen, das Problem sei „[…] im Wesentlichen akademischer Natur […].“12 Blieben die Überlegungen an dieser Stelle stehen,13 so wäre dies nicht nur wenig zufriedenstellend, da die abstrakte juristische Problemstellung nun einmal besteht.14 Übersehen würden vielmehr auch die zunehmenden Bestrebungen des europäischen, aber auch des deutschen Gesetzgebers kollektive Rechtsschutzmöglichkeiten auszubauen oder auch in anderer Art und Weise die Chancen der Geschädigten auf eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer (kartellrechtlichen) Schadensersatzansprüche zu verbessern.15 Jüngstes Beispiel für Letzteres ist die durch das GWB-Digitalisierungsgesetz (10. GWB-Novelle) zugunsten der potentiell Geschädigten eingefügte gesetzliche Vermutung für die Kartellbefangenheit (§ 33a II 4 und § 33c III 2 GWB 10 Kirchhoff, WuW 2015, 952, 954 unter Verweis auf BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 59 f. – ORWI. 11 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 59 – ORWI. 12 Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 329. In der Tendenz ähnlich Basedow, ZWeR 2006, 294, 303 f. 13 Nicht so Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 329 ff., der sich auch mit derjenigen Fallkonstellation auseinandersetzt, in der es tatsächlich zu einer Mehrfachhaftung kommt. 14 Ähnlich schon Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 388 f. 15 Ähnliche Überlegungen schon bei Koch, WuW 2005, 1210, 1217 sowie Drexl, FS Canaris, 1019, 1035. Auf europäischer Ebene existieren bspw. die Empfehlung der Kommission vom 11. Juni 2013, Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten (2013/396/EU), ABl. 2013 L 201, 60 sowie der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG v. 11. 4. 2018, KOM(2018) 184 final. Überlegungen zur Effektivität der Ende 2018 in die ZPO eingefügten Musterfeststellungsklage bei Kartellschäden Mallmann/Erne, NZKart 2019, 77.
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A. Einleitung
n. F.).16 Insbesondere die geschädigten Verbraucher als Endabnehmer könnten so künftig stärkere Anreize haben, ihre kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche gerichtlich durchzusetzen. Dessen ungeachtet darf schon bezweifelt werden, dass unternehmerische Zwischen- (beispielsweise Groß- und Einzelhandel) und Endabnehmer in Gänze kein Interesse an der Geltendmachung möglicher Schadensersatzansprüche haben werden.17 Ausschlaggebend für die Auseinandersetzung mit einer denkbaren Mehrfachhaftung des Kartellanten ist jedoch die Kartellschadensersatzrichtlinie. Diese enthält eine Vielzahl von Vorgaben im Hinblick auf die Verhinderung einer Überkompensation der Geschädigten bzw. einer mehrfachen Haftung des Kartellanten. Vor diesem europäischen Hintergrund ist eine – insbesondere richtlinienkonforme – Lösung der Problematik daher erstrebenswert.
II. Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes Vor dem Hintergrund der Vielgestaltigkeit kartellrechtlich relevanter Sachverhalte ist eine Begrenzung der Untersuchung auf bestimmte Fallkonstellationen geboten. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher grundsätzlich nur auf Schäden, die auf Hardcore-Kartelle zurückzuführen sind. Der Begriff bezeichnet (Grund-)Absprachen zwischen Wettbewerbern (horizontale Vereinbarungen), die allein die Beschränkung des freien Wettbewerbs bezwecken.18 Dies erfolgt beispielsweise indem bestimmte Preise vereinbart (sogenannte Preiskartelle) oder die entsprechenden Kunden bzw. Produktions- oder Absatzquoten unter den Wettbewerbern aufgeteilt werden (sogenannte Kundenschutzabsprachen bzw. Quotenkartelle).19 Diese Kartellverstöße führen unmittelbar oder mittelbar zu Preiserhöhungen bei den kartellierten Waren oder Dienstleistungen.20 Dies begründet ihre Relevanz für die Untersuchung der Abwälzungsproblematik. Die Ausführungen beschränken sich dabei grundsätzlich auf die geschädigten Gruppen der unmittelbaren sowie der mittelbaren Abnehmer, wobei insbesondere für die Untersuchung der prozessualen Situation angenommen wird, dass eine etwaige Abwälzung des Preisaufschlages innerhalb derselben Lieferkette erfolgt, zwischen dem Kartellteilnehmer und dem unmittelbaren Abnehmer sowie zwischen diesem 16 Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer Bestimmungen (GWBDigitalisierungsgesetz) v. 18. 1. 2021, BGBl. I 2. 17 Im Ansatz ähnliche Überlegungen schon Herrlinger, WRP 2005, 1136, 1138. 18 Ewald, in: Wiedemann, HdB KartellR, § 7 Rn. 94; Kling/Thomas, Kartellrecht, § 5 Rn. 109; Stock, Der Schadensnachweis bei Hardcore-Kartellen, S. 27. 19 Vgl. nur Stock, Der Schadensnachweis bei Hardcore-Kartellen, S. 27 ff. m. w. N. sowie § 33a II 3 GWB n. F. 20 Vgl. auch Hoffmann, NZKart 2018, 175 f. sowie die Ausführungen unten auf den S. 65 f.
III. Gang der Untersuchung
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und dem mittelbaren Abnehmer also jeweils vertragliche Beziehungen bestehen. Sofern Überlegungen zu durch einen etwaigen Preisschirmeffekt21 Geschädigten erfolgen, so dienen diese lediglich vergleichenden Zwecken. Aus Vereinfachungsgründen wird der Untersuchung darüber hinaus der Fall der Weiterveräußerung zugrunde gelegt. Die folgende Abhandlung beschränkt sich auf den Preisüberhöhungsschaden, da nur insofern eine Mehrfachhaftung des Kartellanten in Betracht kommt. Andere Schadenspositionen, wie insbesondere der entgangene Gewinn, bleiben grundsätzlich, mit Ausnahme von Abgrenzungsfragen, unberücksichtigt.
III. Gang der Untersuchung Im Vordergrund der Untersuchung steht die kritische Auseinandersetzung mit der Streitverkündungslösung des BGH. Gleichzeitig soll gezeigt werden, dass sich Schwierigkeiten im Bereich des Kartellschadensersatzes vielfach durch den Rückgriff auf das allgemeine Zivil- bzw. Zivilprozessrecht bewältigen lassen.22 Das erste Kapitel soll einen Überblick über die Entwicklung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bis zur 9. GWB-Novelle verschaffen. Dieses Gesetz hat, gemessen an seiner relativ jungen Geschichte, bereits zahlreiche Novellierungen erfahren. Insbesondere seit dem Ende der 90er Jahre erfolgen diese, häufig angestoßen durch Rechtsakte auf europäischer Ebene, in immer schnellerer Abfolge. Gerade vor dem Hintergrund dieser stetigen Veränderungen sollen im ersten Kapitel der Untersuchung daneben auch grundlegende Aspekte näher beleuchtet werden. Die Problematik einer Mehrfachhaftung des Kartellanten resultiert aus der Bejahung der grundsätzlichen Anspruchsberechtigung der lediglich mittelbar Geschädigten. Unlösbar damit verbunden ist der Einwand der Abwälzung des Preisaufschlages durch den Kartellanten. Das zweite Kapitel behandelt vertieft einzelne materiell-rechtliche Voraussetzungen eines Kartellschadensersatzanspruches unter Zugrundelegung der Gesetzeslage vor der 9. GWB-Novelle. Hieran anknüpfend sollen die möglichen prozessualen Konstellationen bei einem Kartellschadensersatzprozess im Hinblick auf die Erfolgsgeeignetheit der Streitverkündungslösung des BGH zur Vermeidung einer Mehrfachhaftung des Kartellanten näher beleuchtet werden. 21
„Preisschirmeffekte entstehen, wenn Kartellaußenseiter aufgrund des höheren Kartellpreisniveaus entscheiden, ihrerseits den Preis für das betroffene Produkt zu erhöhen.“ (Kalmus, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 360). 22 Diesen Ansatz verfolgen bspw. auch die Beiträge von Schiemann, FS Möschel, 547; Thole, NZKart 2020, 227; so grundsätzlich auch Triantafyllidis, Die Einordnung der PassingOn-Defense. Hierzu passt auch die Auffassung von Rother, NZKart 2017, 1: „Die zur Umsetzung der Richtlinie neu eingefügten Bestimmungen der §§ 33 a–h und § 89 a–e GWB enthalten zivilrechtliche und zivilprozessuale Sondervorschriften, die der Sache nach eher in das BGB und die ZPO als in das GWB gehören.“
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A. Einleitung
Die Untersuchung der Rechtslage vor dem Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle ist dabei unter mehreren Gesichtspunkten unerlässlich. Zum einen werden die vom Gesetzgeber vorgenommenen Änderungen nur durch eine Gegenüberstellung mit der bisherigen Rechtslage erkennbar. Zum anderen ist die alte Gesetzeslage von großer Relevanz für die Praxis. Da Kartelle regelmäßig erst aufgedeckt werden, nachdem sie bereits jahrelang unbemerkt bestanden und Schäden verursacht haben, befassen sich deutsche Gerichte grundsätzlich mit kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen für die eine alte Fassung des GWB Anwendung findet.23 Die von den Gerichten, insbesondere dem BGH, geäußerten Rechtsauffassungen hinken damit der aktuellen Gesetzeslage hinterher. Es wird noch mehrere Jahre dauern, bis deutsche Gerichte (vorwiegend) über Ersatzansprüche unter Geltung der neuen Gesetzesfassung zu entscheiden haben.24 Dies bedingt, dass auch die materiell-rechtliche Ausgestaltung eines Schadensersatzanspruches unter Geltung des GWB in der Fassung vor der 9. GWB-Novelle keineswegs bereits in allen Einzelheiten geklärt ist. Darüber hinaus ist es für die Beantwortung der Frage, ob die Streitverkündungslösung des BGH noch unter der veränderten Gesetzeslage nach der 9. GWBNovelle geeignet ist, eine Mehrfachhaftung des Kartellanten zu vermeiden, erforderlich, zunächst kritisch zu hinterfragen, ob diese überhaupt unter Geltung der alten Gesetzesfassung hierfür geeignet ist. Im dritten Kapitel sollen zunächst die Entwicklungen auf europäischer Ebene hin zum Erlass der Kartellschadensersatzrichtlinie nachvollzogen werden. Hieran anknüpfend wird das Gesetzgebungsverfahren auf nationaler Ebene, das in den Erlass der 9. GWB-Novelle mündete, genauer in den Blick genommen. Die insoweit vom deutschen Gesetzgeber vorgenommenen Änderungen und Neuregelungen bilden den Ausgangspunkt für die weitere, intensive Auseinandersetzung mit der hierdurch bedingten Modifikation der bisherigen Rechtslage sowie deren Konsequenzen für die Streitverkündungslösung des BGH. Von einer Darstellung alternativer, materiell-rechtlicher Lösungskonzepte de lege lata zur Verhinderung der erneut aufgeworfenen Problematik einer Mehrfachhaftung des Kartellanten – wie etwa der Gesamtgläubigerschaft im Sinne der §§ 428 ff. BGB oder der Drittschadensliquidation –25 wird bewusst Abstand genommen.26 Diese sind bereits an anderer Stelle mit überzeugender Begründung abgelehnt worden.27 Auch von dem Entwurf eines Lösungsvorschlages de lege ferenda wird ausdrücklich ab23
Zu den Einzelheiten der zeitlichen Anwendung der Vorschriften vgl. S. 42 sowie S. 168. So etwa Weitbrecht, WuW 2018, 498, 501. Vgl. auch Lahme/Ruster, NZKart 2019, 645, 648 mit Verweis auf Petrasincu/von Steuben, NZKart 2018, 286, 290; Soyez, WuW 2018, 368, 372. 25 Diese beiden Konzepte wurden insb. vorgeschlagen vom KG Berlin Urt. v. 1.10.2009 – 2 U 10/03 Kart, juris-Rn. 103 ff. (Gesamtgläubigerschaft) u. juris-Rn. 130 f. (Drittschadensliquidation) – Transportbeton (juris). 26 Eine Ausnahme bilden die grundlegenden Ausführungen auf den S. 27 ff. 27 So etwa von Fuchs, ZWeR 2011, 192, 207 ff.; Schiemann, FS Möschel, 547, 552 ff. 24
III. Gang der Untersuchung
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gesehen.28 Das inzwischen abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren zur 10. GWBNovelle zeigt zum einen, dass eine entsprechende gesetzgeberische Initiative in naher Zukunft nicht zu erwarten ist. Zum anderen verdeutlicht dieses einmal mehr, dass ein punktuelles gesetzgeberisches Handeln häufig nicht zielführend ist. Gesetzliche Änderungen in diesem Bereich sollten im Zusammenhang mit kollektiven Rechtsschutzmöglichkeiten gedacht werden.29 Die vorstehende Untersuchung konzentriert sich daher auf die Auslegung der bestehenden Gesetzeslage, stets mit dem Ziel der Richtlinienkonformität.
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Solche Überlegungen unternehmen bspw. Hoffmann, NZKart 2016, 9 sowie umfassend Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 261 ff., außerdem schon Linder, Privatklage und Schadensersatz im Kartellrecht, S. 161 ff., wobei keineswegs die Geeignetheit dieser Vorschläge in Abrede gestellt werden soll. 29 In diese Richtung tendieren wohl auch Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 313 ff.
B. Die Abwälzung von kartellbedingten Preisaufschlägen innerhalb mehrgliedriger Lieferketten: Vorüberlegungen Das Risiko einer Mehrfachhaftung des Kartellanten besteht nur, sofern mehrere Faktoren aufeinandertreffen. Einer dieser Faktoren ist dabei die Inanspruchnahme des Kartellanten durch mehrere Abnehmer verschiedener Absatzstufen innerhalb einer Lieferkette. Voraussetzung hierfür ist die grundsätzliche Anerkennung, dass es sich nicht nur bei den unmittelbaren, sondern auch bei den nur mittelbaren Abnehmern des Kartellteilnehmers um potentiell anspruchsberechtigte Geschädigte handelt. Gerade diese grundlegende Frage nach der Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer war jedoch lange Zeit ebenso umstritten wie die Frage, ob dem Kartellanten die Berufung auf die Abwälzung des kartellbedingten Preisaufschlages durch den Abnehmer als Verteidigungsmöglichkeit gegen einen durch diesen geltend gemachten Schadensersatzanspruch offenstehen sollte. Nur vor dem Hintergrund dieser Fragestellungen erschließen sich die Entwicklungen auf europäischer und nationaler Ebene. Bevor in den nachfolgenden Ausführungen diese Problemfelder näher beleuchtet werden, wird zunächst ein kurzer Überblick über die vom Gesetzgeber am Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgenommenen Novellierungen bis zur 9. GWB-Novelle gegeben. Der Fokus liegt dabei auf solchen Neuregelungen bzw. Abänderungen, die den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch betreffen.1
I. Die Entwicklung des GWB bis zur 9. Gesetzesnovelle: Ein kurzer Überblick Bereits die, aus dem Jahre 1957 stammende, erste Fassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen2 enthielt mit § 35 I GWB in der Fassung vom
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Vgl. hierzu auch die Darstellung der Entwicklung des GWB bei Ulshöfer, in: Kamann/ Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 25 Rn. 2 ff. Allerdings liegt der Schwerpunkt dieser Betrachtung auf der Aktivlegitimation. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 27. 7. 1957, BGBl. I 1081.
I. Die Entwicklung des GWB bis zur 9. Gesetzesnovelle: Ein kurzer Überblick
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27. Juli 1957 (im Folgenden: GWB 1957)3 eine Regelung zur Gewährung von Schadensersatz. Hiernach sollte gemäß § 35 I 1 GWB 1957 derjenige zum Schadensersatz verpflichtet sein, der „[…] vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder gegen eine auf Grund dieses Gesetzes von der Kartellbehörde oder dem Beschwerdegericht erlassene Verfügung verstößt, […] sofern die Vorschrift oder die Verfügung den Schutz eines anderen bezweckt […].“
Erforderlich war somit die Verletzung eines Schutzgesetzes bzw. einer entsprechenden Verfügung. Durch die Aufnahme solcher Verfügungen sollte der Anwendungsbereich des § 35 GWB 1957 gegenüber dem, ebenfalls die Verletzung eines Schutzgesetzes erfassenden, § 823 II BGB vergrößert werden.4 Dennoch handelte es sich auch hierbei um einen Fall der Haftung aus unerlaubter Handlung, so dass die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu einer solchen Haftung auf Ansprüche aus § 35 GWB 1957 grundsätzlich Anwendung fanden.5 Durch die 6. GWB-Novelle6 wurde der Schadensersatzanspruch nun in § 33 S. 1 Hs. 2 GWB in der Fassung vom 26. August 1998 (im Folgenden: GWB 1998) geregelt, wobei die inhaltliche Ausgestaltung weitestgehend gleich blieb. Erst im Jahre 2005 erfolgte eine wesentliche Veränderung der Vorschrift durch die 7. GWB-Novelle7. Angestoßen wurde diese durch Neuerungen auf europäischer Ebene in Form der Verordnung 1/2003 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des EG-Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln8, die am 1. Mai 2004 in Kraft trat.9 Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Artt. 81 und 82 EG (jetzt Artt. 101 und 102 AEUV) durch § 33 I 1 GWB in der Fassung vom 7. Juli 2005 (im Folgenden: GWB 2005) („Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes, gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft […].“) sollte Schadensersatz bei Verletzung von europäischem Wettbewerbsrecht über § 33 III i. V. m. I GWB 2005 gewährt werden können und somit einen Rückgriff auf § 823 II BGB überflüssig machen.10 Wurde im Gesetzesentwurf der Bundesregierung noch das Element des Schutzgesetzes bzw. der entsprechenden Verfügung 3
Das angegebene Jahr der Gesetzesfassung richtet sich nach dem Datum der Ausfertigung des jeweiligen Gesetzes. 4 Vgl. BegrRegE, BT-Drs. II/1158, S. 44 zum insoweit mit § 35 I 1 GWB 1957 im Wortlaut gleichen § 28 S. 1 GWB-E. 5 Vgl. BegrRegE, BT-Drs. II/1158, S. 44. 6 Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 26. 8. 1998, BGBl. I 2521. 7 Siebtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 7. 7. 2005, BGBl. I 1954. 8 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1, 1. 9 BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 21. 10 BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 52.
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B. Abwälzung von kartellbedingten Preisaufschlägen
aufrechterhalten,11 so tauchte dies in der später in Kraft getretenen Gesetzesfassung nicht mehr auf. Als ein Grund für die Lossagung vom Schutzgesetzkriterium wurde vom federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit insoweit auf die CourageEntscheidung des EuGH verwiesen,12 nach der „jedermann“ den ihm aus einem Verstoß gegen Art. 85 EGV (umnummeriert in Art. 81 EG) erwachsenden Schaden beanspruchen können müsse,13 was schwerlich mit dem einengenden Kriterium des Schutzgesetzes in Einklang zu bringen war.14 War man im Regierungsentwurf noch der Auffassung gewesen, dass eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Schadensabwälzung nicht erforderlich sei,15 wurde vom Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit für eine solche plädiert.16 Diese wurde für notwendig gehalten, um sich bei der Frage nach der dogmatischen Einordnung des Schadensabwälzungseinwandes gegen eine Berücksichtigung bereits bei der Schadensentstehung zu positionieren.17 Nach Ansicht des Ausschusses handelt es sich hierbei vielmehr um einen Aspekt, der im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen wäre, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Frage bestehen bleibe „[…], ob im Rahmen einer wertenden Betrachtungsweise eine Vorteilsausgleichung bei Kartellrechtsverstößen sachgerecht ist.“18 In jedem Fall sei, so der Ausschuss, für die im Rahmen der Schadensminderung zu berücksichtigenden Umstände der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet.19 Der Formulierung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit entsprechend, trat § 33 III 2 GWB 2005 in Kraft.20 Des Weiteren wurde mit § 33 IV GWB 2005 die Bindungswirkung bei sogenannten Follow-on-Klagen gesetzlich geregelt. Bei einer solchen ist das Zivilgericht im Rahmen eines Schadensersatzprozesses an einen vorausgehend zum Beispiel 11
Vgl. den Wortlaut des § 33 I 1 GWB-E in RegE, BT-Drs. 15/3640, S. 10 f. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrs. 15/5049, S. 49. 13 EuGH, Urt. v. 20.9.2001 – C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 26 – Courage (sog. „Jedermann-Formel“ des EuGH). 14 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrs. 15/5049, S. 49. 15 BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 54. 16 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrs. 15/5049, S. 17 u. 49. 17 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrs. 15/5049, S. 49. 18 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrs. 15/5049, S. 49. 19 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrs. 15/5049, S. 49. 20 § 33 III 2 GWB 2005 lautet wie folgt: „Wird eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis bezogen, so ist der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder Dienstleistung weiterveräußert wurde.“ 12
II. Die unterschiedlichen Perspektiven der Abwälzung
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durch die bestandskräftige Entscheidung der Kartellbehörde festgestellten Verstoß gegen nationales oder europäisches Kartellrecht gebunden.21 Durch die 8. GWB-Novelle22 erfolgte 2013 in Bezug auf den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch keine inhaltliche Veränderung, sondern es wurden vielmehr redaktionelle Anpassungen aufgrund des Vertrages von Lissabon vorgenommen.23 Beispielsweise wurde in § 33 GWB 2005 an mehreren Stellen „Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“ in die, nahezu gleichlautenden, „Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ geändert.
II. Die unterschiedlichen Perspektiven der Abwälzung unter Berücksichtigung des grundlegenden Urteils des BGH in der Rechtssache ORWI Schon zur Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle waren zahlreiche Aspekte des Schadensersatzes bei Kartellrechtsverstößen in der (instanzgerichtlichen) Rechtsprechung und der Literatur umstritten und sind es teilweise immer noch. Auch insoweit stellt sich bereits das Problem der Mehrfachhaftung des Kartellteilnehmers, wobei die Lösungsansätze hierzu in früherer Zeit in erster Linie materiell-rechtlicher Natur waren. Die Rechtssache ORWI bot dem BGH im Jahre 2011 die Möglichkeit, zu mehreren umstrittenen Fragen des Kartellschadensersatzes Stellung zu nehmen. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatten die Parteien um den Anspruch der ORWI Formulardruck GmbH & Co. KG (ORWI) auf Ersatz des, durch ein europaweit agierendes Preiskartell für Selbstdurchschreibepapier (SDPapier) verursachten, Schadens gestritten. Die Beklagte war als Herstellerin des SDPapieres an dem Kartell beteiligt. ORWI bezog die ihrerseits für die Produktion selbstdurchschreibender Formulare genutzten SD-Papiere von Großhändlern, die sämtliche Papiere zuvor von Kartellteilnehmern erworben hatten. Die durch das Kartell bedingte Preiserhöhung hatten die Großhändler hierbei (mutmaßlich) auf ORWI abgewälzt.24 Mit seinem grundlegenden Urteil vom 28. Juni 2011 äußerte sich der BGH nun zu den strittigen Punkten der Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer sowie des Einwandes der Schadensabwälzung durch den Kartellanten. Darüber hinaus nahm
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BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 54. Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 26. 6. 2013, BGBl. I 1738. 23 BegrRegE, BT-Drs. 17/9852, S. 27. 24 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 1 ff – ORWI. 22
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B. Abwälzung von kartellbedingten Preisaufschlägen
der Senat in derselben Rechtssache auch zum Problem der Mehrfachhaftung des Kartellanten Stellung und führte zu dessen Lösung die Streitverkündung an.25 Sowohl die Frage der Anspruchsberechtigung des mittelbaren Abnehmers, als auch die Frage nach der grundsätzlichen Zulassung des Einwandes der Schadensabwälzung durch den Kartellanten sind spätestens durch die 9. Novellierung des GWB zumindest im Ausgangspunkt geklärt. § 33c II GWB n. F. impliziert, dass dem mittelbaren Abnehmer die Möglichkeit eingeräumt wird, seinen Schadensersatzanspruch geltend zu machen.26 Dass dem Kartellanten die Geltendmachung des Einwandes der Schadensabwälzung grundsätzlich offensteht, ergibt sich aus § 33c I 2 GWB n. F. Allerdings sind beide Aspekte „[…] im Wesentlichen durch die sogenannte ORWI-Entscheidung des Bundesgerichtshofs geprägt […]“27, so dass die neu geschaffenen Vorschriften stets auch vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung betrachtet werden müssen. Daneben erscheint es für die Problematik der Mehrfachhaftung relevant, diese beiden grundlegenden Fragestellungen (auch unter dem Gesichtspunkt eines materiell-rechtlichen Lösungsansatzes) näher zu erörtern. So wurde beispielsweise für einen Ausschluss der Anspruchsberechtigung des mittelbaren Abnehmers plädiert, um so einer doppelten Inanspruchnahme des Kartellanten vorzubeugen.28 Hingegen trägt gerade die Zulassung des Einwandes der Schadensabwälzung durch den Kartellteilnehmer dazu bei, ebendiese doppelte Inanspruchnahme zu verhindern. Im Folgenden sollen deshalb beide Aspekte nähere Betrachtung finden. 1. Anspruchsberechtigung mittelbar Geschädigter Uneinigkeit bestand lange Zeit hinsichtlich der Frage, ob neben dem unmittelbaren Abnehmer eines Kartellanten auch Abnehmer entfernterer Absatzstufen berechtigt sein sollten, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Hierfür hatten sich bereits zahlreiche Stimmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur ausgesprochen.29 Darüber hinaus hatte der EuGH schon 2001 in der Entscheidung Courage sowie 2006 in der Manfredi-Entscheidung ausgeführt, dass „jedermann“ den ihm aus einem Verstoß gegen Art. 85 EGV/Art. 81 EG erwachsenden Schaden beanspruchen
25
BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 19 ff. (Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer), Rn. 55 ff. (Weiterwälzungseinwand), Rn. 73 f. (Streitverkündung) – ORWI. 26 Vgl. nur Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33c GWB Rn. 21. 27 So zum Einwand der Schadensabwälzung: Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 606/16, S. 58. Im Folgenden: Regierungsentwurf oder RegE, BRDrs. 606/16. 28 Berrisch/Burianski, WuW 2005, 878, 886; Brinker/Balssen, FS Bechtold, 69, 77 ff. 29 Vgl. nur Kießling, GRUR 2009, 733, 735 f.; W.-H. Roth, FS Huber, 1133, 1148 f., 1154 f.; Schütt, WuW 2004, 1124, 1128 ff.
II. Die unterschiedlichen Perspektiven der Abwälzung
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können müsse.30 Die vom EuGH gewählte Formulierung „jedermann“ wurde dabei vielfach so ausgelegt, dass auch mittelbar Kartellgeschädigte mit zum Kreis der potenziell Anspruchsberechtigten gezählt werden sollten.31 Die Entscheidungen des EuGH aufgreifend sprach sich auch die Europäische Kommission in ihrem Weißbuch für eine Klagebefugnis mittelbarer Abnehmer aus.32 Der BGH bejahte die Anspruchsberechtigung nunmehr für den, in der Rechtssache ORWI geltend gemachten, Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB i. V. m. Art. 85 EGV (jetzt Art. 101 AEUV).33 Der bereits zur Zeit der Entscheidung durch die 7. GWB-Novelle in Kraft getretene § 33 GWB 2005, der gemäß Absatz drei in Verbindung mit Absatz eins auch Schadensersatz wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG gewährte, fand, aufgrund des für den Rechtsstreit maßgeblichen Zeitraums von 1994 bis 1996, keine Anwendung.34 Der Verweis der Entscheidung auf den neugefassten § 33 GWB 2005, sowie auf die Regierungsbegründung zu dem vorausgehenden Gesetzentwurf,35 lässt sich jedoch dahingehend verstehen, dass das Urteil auch Geltung für die neue Rechtslage nach der 7.GWB-Novelle beanspruchen soll.36 Kritiker der Einbeziehung der mittelbaren Abnehmer in den Kreis der potentiellen Anspruchsteller hatten hiergegen vorgebracht, dass eine solche zu einer ausufernden Haftung des Kartellanten führen könnte, da dieser sich infolgedessen mit einer Vielzahl von Schadensersatzansprüchen konfrontiert sehen würde.37 Insbesondere wäre die Summe der gegebenenfalls anspruchsberechtigten Abnehmer, bei der Grundkonstellation der Weiterveräußerung von Waren, durch die unternehmerische Entscheidung des Erstabnehmers bedingt, dass Produkt an eine bestimmte Anzahl von Abnehmern weiterzuverkaufen, die es ihrerseits wiederum an eine Vielzahl von Vertragspartnern weiterveräußern würden.38 Durch die Bildung weitreichender Absatzketten würden die Abnehmer damit die Zahl der potentiell Anspruchsberechtigten wesentlich bestimmen. Für den in Anspruch genommenen Kartellanten 30 EuGH, Urt. v. 20.9.2001 – C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 26 – Courage; EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – C-295/04 bis C-298/04, ECLI:EU:C:2006:461, Rn. 60 f. – Manfredi. Vgl. hierzu unten S. 144 ff. 31 Basedow, ZWeR 2006, 294, 302; Dück/Eufinger, WRP 2011, 1530, 1531; Fiedler, Class Actions, S. 31; Fuchs, ZWeR 2011, 192, 194; Lettl, ZHR 167 (2003), 473, 481 f.; Mestmäcker/ Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht2, § 22 Rn. 35; so wohl auch W.-H. Roth, FS H. P. Westermann, 1355, 1367. 32 Weißbuch der Europäischen Kommission „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts“ v. 2. 4. 2008, KOM(2008)165 endg., S. 4 Ziff. 2.1. Im Folgenden: Weißbuch, KOM(2008)165 endg. Vgl. hierzu unten S. 146 ff. 33 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 23 ff. – ORWI. 34 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 13 – ORWI. 35 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 66 f. – ORWI. 36 Ackermann/Franck, GRUR 2012, 298; Bergmann/Fiedler, BB 2012, 206 f.; Schnelle, BB 2012, 80. 37 Koch, WuW 2005, 1210, 1216 f.; Köhler, GRUR 2004, 99, 101 spricht insoweit von einer unverhältnismäßigen Belastung. 38 Köhler, GRUR 2004, 99, 100.
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B. Abwälzung von kartellbedingten Preisaufschlägen
stellt die Anzahl der eventuell Schadensersatzberechtigten damit ein unvorhersehbares Risiko dar.39 Die mögliche Fülle von Kartellschadensersatzansprüchen mittelbarer Abnehmer kann jedoch nicht als Argument dafür dienen, den subjektiven Schadensersatzanspruch des Einzelnen zu verneinen.40 Haben die mittelbaren Abnehmer durch die Schadensabwälzung tatsächlich einen wirtschaftlichen Schaden erlitten, so kann diesen Geschädigten der Anspruch nicht mit dem Argument versagt werden, dass dies den Schädiger über Gebühr belasten würde. Denn neben das Ziel der Prävention tritt bei der privaten Geltendmachung eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruches auch das der Kompensation.41 Dem würde es zuwiderlaufen, wenn man einerseits dem geschädigten mittelbaren Abnehmer den Anspruch versagte, anderseits dem unmittelbaren Abnehmer (bei gleichzeitiger Ablehnung der Erhebung des Einwandes der Schadensabwälzung aufgrund der engen Verknüpfung mit der Anspruchsberechtigung der mittelbaren Abnehmer) einen Anspruch für einen Schaden zusprechen würde, den dieser durch Weitergabe an die mittelbaren Abnehmer ausgeglichen hat.42 Denn auch wenn bei kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen der Abschreckungseffekt eine Rolle spielt, so handelt es sich nicht um einen auf Überkompensation gerichteten Schadensersatzanspruch, bei dem Schadensersatz weit über den Betrag, der zum Ausgleich des Schadens notwendig wäre, gewährt wird.43 Vielmehr bemisst sich die Ersatzfähigkeit des Kartellschadens nach den §§ 249 ff. BGB, so dass von den allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechtes insbesondere auch das Verbot der Bereicherung des Geschädigten zu berücksichtigen ist.44 Demnach wäre es unzulässig, dem unmittelbaren Abnehmer unter Rückgriff auf den Präventionszweck Schadensersatz für den weitergewälzten Preisaufschlag zu gewähren und ihn somit besser zu stellen, als er ohne das rechtswidrige Verhalten des Kartellanten stünde. Darüber hinaus kann der zu berücksichtigende Präventionszweck als Argument für eine Anspruchsberechtigung der mittelbaren Abnehmer herangezogen werden. Insbesondere der Spezialprävention, also „[…] der Abschreckung des konkreten Rechtsverletzers […]“45 ist eine Potenzierung der Anzahl der möglichen Scha39
Köhler, GRUR 2004, 99, 100. K. Westermann, FS H. P. Westermann, 1605, 1614. 41 Kamann, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 2 Rn. 18; zu § 33 GWB 2005 vgl. BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 35. 42 Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 28 f. – ORWI. 43 BeckOK BGB/J. W. Flume, § 249 Rn. 51 f.; ausführlich hierzu Stock, Der Schadensnachweis bei Hardcore-Kartellen, S. 49 ff. 44 Vgl. BeckOK BGB/J. W. Flume, § 249 Rn. 46 ff. (zum Bereicherungsverbot)/Rn. 52 (zur Ersatzfähigkeit des Kartellschadens); Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 48; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 83. 45 Kamann, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 2 Rn. 18. Vgl. ebenda zum Gegenbegriff der Generalprävention. 40
II. Die unterschiedlichen Perspektiven der Abwälzung
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densersatzberechtigten durch eine Erweiterung des Kreises der potenziell Anspruchsberechtigten auf die mittelbaren Abnehmer zuträglich. Wäre hiervon nur der unmittelbare Abnehmer erfasst, so könnte dieser, beispielsweise aus unternehmerischen Erwägungen, davon absehen, seinen weiterhin benötigten Vertragspartner (den Kartellteilnehmer) in Anspruch zu nehmen.46 Reicht der unmittelbare Abnehmer seinerseits den Preisaufschlag tatsächlich an seine eigenen Abnehmer durch, so ist ihm insoweit kein (Preisüberhöhungs-)Schaden verblieben. Dieser Umstand bremst zusätzlich dessen Bereitschaft zur Klageerhebung.47 Hiergegen ließe sich einwenden, dass auch bei den mittelbaren Abnehmern nur ein begrenztes Interesse zur Klageerhebung bestehen könnte.48 Bei Kartellabsprachen treten Streuschäden auf, also Schäden, die eine Vielzahl von Unternehmen/ Verbrauchern betreffen, gleichzeitig aber nur von niedriger Höhe sind (Bagatellschäden).49 Diese Schäden sind so marginal, dass zuvörderst der Verbraucher als möglicher Endabnehmer ein „rationales Desinteresse“ daran haben dürfte, seinen Schaden einzuklagen.50 Der Umstand allein, dass der jeweils Geschädigte kein Interesse daran hat, diesen Schaden auch geltend zu machen, rechtfertigt es aber nicht, ihm den Anspruch abzusprechen. Ebenso wenig genügt allein der Verweis auf Erschwernisse bei der Darlegung bzw. beim Beweis der die Anspruchsvoraussetzungen des Schadensersatzanspruches des mittelbaren Abnehmers ausfüllenden Tatsachen.51 Diese Problematik soll daher rühren, dass die Distanz des mittelbaren Abnehmers zum Kartellant größer ist, was den Einblick in die maßgeblichen Vorgänge, insbesondere zwischen unmittelbarem Abnehmer und Kartellant, beschränkt.52 Die Frage nach dem Vorliegen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen darf jedoch nicht mit der Frage nach der möglichen Anspruchsberechtigung vermengt werden. Diese ist davon abhängig, ob das Schutzgesetz gerade den Schutz des potentiell Geschädigten bezweckt (bei § 823 II BGB i. V. m. Art. 101 AEUV) bzw. ob
46 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 30 f. – ORWI; Kießling, GRUR 2009, 733, 736 m. w. N., insb. auch K. Westermann, FS H. P. Westermann, 1605, 1625; ebenso Bulst, EWS 2004, 62, 63 f. 47 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 32 m. w. N. – ORWI; ebenfalls Bulst, EWS 2004, 62, 64; Fiedler, Class Actions, S. 32; Schütt, WuW 2004, 1124, 1130. 48 Vgl. etwa Brinker/Balssen, FS Bechtold, 69, 78. 49 Vgl. Augenhofer, in: Augenhofer (Hrsg.), Die Europäisierung des Kartell- und Lauterkeitsrechts, 39, 47 Fn. 44; Schaub, JZ 2011, 13. 50 Wagner, AcP 206 (2006), 352, 408; ähnlich auch Augenhofer, in: Augenhofer (Hrsg.), Die Europäisierung des Kartell- und Lauterkeitsrechts, 39, 47; Schaub, JZ 2011, 13, 16. 51 Vgl. nur BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 27 – ORWI m. w. N. 52 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 27 – ORWI; Monopolkommission, Sondergutachten 41/42, S. 41 Rn. 69; Schütt, WuW 2004, 1124, 1130.
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B. Abwälzung von kartellbedingten Preisaufschlägen
der mutmaßlich Geschädigte als „Betroffener“ im Sinne des § 33 III i. V. m. I GWB 2005 zu qualifizieren ist.53 Dem Wortlaut des § 33 GWB 2005 lässt sich dabei nicht entnehmen, dass der mittelbare Abnehmer aus dem Kreis der potentiell Anspruchsberechtigten ausgenommen sein soll. Vielmehr geht aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung hervor, dass Endverbraucher durchaus anspruchsberechtigt sein können und zwar „[…] insbesondere dann, wenn eine Kartellabrede auf der letzten Absatzstufe vorliegt.“54 Diese Wortwahl lässt die Schlussfolgerung zu, dass der Endverbraucher nicht nur anspruchsberechtigt sein soll, sofern er (bei einem Kartell auf der letzten Absatzstufe) als unmittelbarer Abnehmer zu qualifizieren ist, sondern auch dann, wenn die Abrede auf einer weiter entfernten Absatzstufe existiert, der Endverbraucher also mittelbarer Abnehmer ist.55 Von Gegnern der Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer wurde des Weiteren argumentiert, dass der unmittelbare Abnehmer, soweit es ihm gelingt den Preisüberhöhungsschaden auf seine Abnehmer abzuwälzen, nicht gegen das Kartellverbot (beispielsweise im Sinne des § 1 GWB) verstößt. Der unmittelbare Abnehmer handelt also selbst nicht kartellrechtswidrig, sondern zieht vielmehr nur einen Vorteil daraus, dass seine Abnehmer bereit sind, einen höheren Preis zu bezahlen. Die Preiserhöhung beruht damit nicht unmittelbar auf dem Kartell, sondern vielmehr auf den Wettbewerbsverhältnissen des Marktes der mittelbaren Abnehmer. Da der mittelbare Abnehmer damit den „Wettbewerbspreis“ zahle und gerade nicht den „Kartellpreis“, sei er insoweit auch nicht schutzwürdig.56 Diese Ausführungen mögen im Grundsatz zutreffend sein, jedoch kommt es für die Frage nach dem kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch des mittelbaren Abnehmers nicht auf dessen vertraglich ausgestaltetes Verhältnis zum unmittelbaren Abnehmer an, sondern auf die deliktische57 Beziehung zum Kartellteilnehmer. Das eigenverantwortliche und rechtmäßige Eingreifen in den Kausalverlauf durch den unmittelbaren Abnehmer als Dritten ruft zwar den Schaden beim mittelbaren Abnehmer erst hervor. Jedoch kann dies den Zurechnungszusammenhang zum kartellrechtswidrigen Verhalten des Kartellteilnehmers nicht durchbrechen, da dieses Auslöser für die Schadensweiterwälzung durch den unmittelbaren Abnehmer ist und sich somit kausal im Schaden des mittelbaren Abnehmers realisiert.58 53
Vgl. auch BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 27 – ORWI. Zum umstrittenen Kriterium der Betroffenheit vgl. unten S. 44 ff. 54 BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 53. 55 W.-H. Roth, FS Huber, 1133, 1148, 1155. 56 Köhler, GRUR 2004, 99, 101; Dittrich, GRUR 2009, 123, 128. 57 Neben dem Anspruch aus § 823 II BGB sind auch die Ansprüche aus § 33 III 1 GWB 2005/2013 und der (lediglich redaktionell angepasste) § 33a I GWB n. F. deliktsrechtlicher Natur. Zu § 33 III 2005/2013: LMRKM/Rehbinder3, § 33 GWB Rn. 34. 58 Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 48 – ORWI; Kießling, GRUR 2009, 733, 735 f.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 3 X 3 (zur Problematik der Eingriffe Dritter im Allgemeinen).
II. Die unterschiedlichen Perspektiven der Abwälzung
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Neben dieser eher im nationalen Recht verankerten Argumentation begründete der BGH die Anerkennung der Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer mit unionsrechtlichen Erwägungen. Dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz würde es widersprechen, wenn bei Verletzung der Artt. 101, 102 AEUV der ursächlich darauf zurückzuführende Schaden nicht jedermann ersetzt werden würde, dem mittelbaren Abnehmer also die Ausübung seiner, ihm durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich gemacht werden würde.59 Auch der BGH fasste somit die Formulierung „jedermann“ des EuGH wortwörtlich auf. 2. Einwand der Schadensabwälzung (passing-on-defence) a) Grundsätzliche Zulassung des Einwandes Neben der Anspruchsberechtigung des mittelbaren Abnehmers war umstritten, ob der Kartellant den (in erster Linie unmittelbaren)60 Abnehmern den Einwand der Schadensabwälzung entgegenhalten können sollte.61 Dabei wurde die Argumentation zur Zulassung des Einwandes häufig mit der Problematik der Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer verbunden.62 Ließe man eine Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch die mittelbaren Abnehmer zu und versage gleichzeitig den Schadensabwälzungseinwand, so bestünde die Gefahr einer Mehrfachhaftung des Kartellanten.63 Würde man im umgekehrten Fall nur die Zulassung der passing-on-defence bejahen, so bestünde das Risiko, dass der Kartellteilnehmer sich gegen die Inanspruchnahme durch den unmittelbaren Abnehmer erfolgreich mit dem Schadensabwälzungseinwand zur Wehr setzten könnte und sich
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BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 34 f. – ORWI; so auch Bulst, in: Möschel/Bien (Hrsg.), Kartellrechtsdurchsetzung durch private Schadenersatzklagen?, 225, 242; Fuchs, ZWeR 2011, 192, 198; a. A. vgl. nur K. Westermann, FS H. P. Westermann, 1605, 1612 f. m. w. N. 60 Die Problematik des Einwandes der Schadensabwälzung kann bei Schadensersatzansprüchen des unmittelbaren Abnehmers sowie in längeren Vertriebsketten bei Ansprüchen der mittelbaren Abnehmer (z. B. der 1. Stufe) auftreten, sofern diese den Preisaufschlag auf ihre eigenen Abnehmer abgewälzt haben. Die Ausführungen beschränken sich aus Vereinfachungsgründen grundsätzlich auf die Ansprüche des unmittelbaren Abnehmers. Ebenso schon Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 357 Fn. 314. 61 Der Einwand betrifft allein einen etwaigen Preisüberhöhungsschaden und lässt einen entgangenen Gewinn damit (grundsätzlich) unberührt (nunmehr ausdrücklich normiert in § 33c I 3 GWB n. F.). 62 Kießling, GRUR 2009, 733, 734 f.; Lutz, WuW 2005, 718, 728; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 409; ähnlich auch Schütt, WuW 2004, 1124, 1128, der jedoch deshalb die Problematik der Anspruchsberechtigung als „vorrangig zu klären“ ansieht. 63 Herrlinger, WRP 2005, 1136, 1137 f.; Kießling, GRUR 2009, 733, 734; K. Westermann, FS H. P. Westermann, 1605, 1621; a. A. Fuchs, ZWeR 2011, 192, 197; Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 329 ff., der die Mehrfachhaftung nicht als bzw. als „rein akademisches“ Problem ansieht.
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B. Abwälzung von kartellbedingten Preisaufschlägen
somit einer Haftung vollständig entziehen würde.64 Befürworter der Anerkennung der Anspruchsberechtigung der mittelbaren Abnehmer plädierten deshalb regelmäßig dafür, dass auch die Erhebung des Weiterwälzungseinwandes zuzulassen sei.65 Den Entscheidungen Courage und Manfredi lässt sich entnehmen, dass nach der Auffassung des EuGH auch das europäische Recht dem nicht entgegensteht.66 Für eine Berücksichtigung des Einwandes sprach sich daneben die Europäische Kommission in ihrem Weißbuch aus.67 In der Begründung zum Regierungsentwurf des Siebten Gesetzes zur Änderung des GWB hatte die Bundesregierung zwar darauf hingewiesen, dass die überwiegende Literatur die Geltendmachung des Schadensabwälzungseinwandes durch den Kartellanten ablehne, jedoch gleichzeitig „[…] darauf vertraut […], dass dieses Problem durch die Rechtsprechung befriedigend gelöst wird.“68 Der BGH tat dies, indem er den Schadensabwälzungseinwand in der Entscheidung ORWI zuließ.69 Dieser sei im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu beachten.70 Auch diese Einordnung als Aspekt der Vorteilsausgleichung71 war zuvor nicht unumstritten. Abweichend wurde befürwortet, die Weiterwälzung des Schadens bereits unter dem Gesichtspunkt der Schadensentstehung zu berücksichtigen.72 b) Schadensentstehung oder Vorteilsausgleichung Die unterschiedliche dogmatische Einordnung hat dabei insbesondere prozessuale Auswirkungen.73 Würde man die Schadensabwälzung der Schadensentstehung zuordnen, mit der im Fall der Bejahung der Abwälzung bestehenden Konsequenz der Nichtentstehung eines Schadens, so obläge es dem klagenden unmittelbaren Abnehmer im Prozess darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er den Preisaufschlag nicht auf seine eigenen Abnehmer abgewälzt hat.74 Hingegen wäre bei der 64 65
1129.
Kießling, GRUR 2009, 733, 735. Bulst, EWS 2004, 62, 63 f.; Kießling, GRUR 2009, 733, 739; Schütt, WuW 2004, 1124,
66 Röhling, FS Huber, 1117, 1124 ff.; Lübbig, EuZW 2006, 536; vgl. auch EuGH, Urt. v. 20.9.2001 – C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 30 – Courage; EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – C295/04 bis C-298/04, ECLI:EU:C:2006:461, Rn. 94 – Manfredi. 67 Weißbuch, KOM(2008)165 endg., S. 9 Ziff. 2.6. 68 BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 35, mit ähnlichem Wortlaut S. 54. 69 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 55 ff. – ORWI. 70 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 57 – ORWI. 71 So Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 366 f.; W.-H. Roth, FS Huber, 1133, 1157; Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 207. 72 LG Mannheim Urt. v. 11.7.2003 – 7 O 326/02, GRUR 2004, 182, 184 – Vitaminkartell; Beninca, WuW 2004, 604, 606 f.; Lübbig, WRP 2004, 1254, 1257; so wohl auch OLG Karlsruhe Urt. v. 28.1.2004 – 6 U 183/03, NJW 2004, 2243, 2244 – Vitaminkartell. 73 Vgl. hinsichtlich der nachfolgenden Ausführungen auch Röhling, FS Huber, 1117, 1127 f. 74 So LG Mannheim Urt. v. 11.7.2003 – 7 O 326/02, GRUR 2004, 182, 184 – Vitaminkartell.
II. Die unterschiedlichen Perspektiven der Abwälzung
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Einordnung als Aspekt der Vorteilsausgleichung der Schaden zunächst entstanden und es würde sich nunmehr die Frage stellen, ob auf diesem ein bestimmter Vorteil anzurechnen sei. Da eine Bejahung der Anrechnung ein für den beklagten Kartellanten günstiger Umstand wäre, würde dieser die Darlegungs- und Beweislast für die Schadensabwälzung tragen.75 Da das allgemeine Schadensrecht, wie bereits festgestellt, auch beim kartellrechtlichen Schadensersatz Anwendung findet, ist der Ausgangspunkt zur Feststellung des Schadens die Differenzhypothese. Nach dieser ist die tatsächliche Vermögenslage mit derjenigen, die ohne das schädigende Ereignis bestehen würde (hypothetische Vermögenslage), zu vergleichen.76 Vorzunehmen ist also ein Gesamtvermögensvergleich.77 So ließe sich für die Verortung der Problematik der Schadensabwälzung bei der Frage der Schadensentstehung mit dem LG Mannheim in einer Entscheidung zum Vitaminkartell anführen, dass bei erfolgreicher Weiterwälzung des Preisaufschlages der unmittelbare Abnehmer zwar beispielsweise für ein Produkt des Kartellanten einen höheren Kaufpreis zahlen muss, andererseits aber auch die Mehrkosten in Form eines höheren Preises an seinen Abnehmer weitergibt, so dass die Marge im Vergleich zur hypothetischen Situation der Einkaufs- und Verkaufspreise bei fehlender Kartellabsprache gleich bleibt.78 Ihm wäre hiernach also kein Schaden entstanden. Die Differenzhypothese als rein rechnerische Formel trifft jedoch keine Aussage dazu, welcher zugeflossene Vorteil in die Schadensbilanz einzubeziehen ist.79 Eine Beachtung bereits jedwedes vermögensrechtlichen Vorteils bei der mit Hilfe der Differenzhypothese durchgeführten Schadensermittlung führt häufig gerade nicht zu interessengerechten Ergebnissen.80 Dies hätte außerdem zur Folge, dass für eine wertende Betrachtung der Vorteilsanrechnung unter dem Aspekt des Vorteilsausgleichs kein Anwendungsbereich mehr bliebe.81 Vielmehr ist aber gerade anerkannt,
75 So BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Ls. und Rn. 64 – ORWI; LG Dortmund Urt. v. 1.4.2004 – 13 O 55/02, IPRax 2005, 542, 544 f.; Berrisch/Burianski, WuW 2005, 878, 885 f. 76 Vgl. nur BeckOK BGB/J. W. Flume, § 249 Rn. 37. 77 Vgl. nur NK-BGB/Magnus, Vorb. zu §§ 249 – 255 Rn. 20. 78 LG Mannheim Urt. v. 11.7.2003 – 7 O 326/02, GRUR 2004, 182, 184 – Vitaminkartell. Wobei dies eher dafür sprechen würde, den Preisüberhöhungsschaden nicht als positiven Schaden (vgl. nur Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 69), sondern als entgangenen Gewinn zu berücksichtigen. 79 StRspr. BGH, Großer Senat, Beschl. v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212, 217 f.; BGH, Urt. v. 16.7.2013 – VI ZR 442/12, BGHZ 198, 50, Rn. 20. So auch OLG Karlsruhe Urt. v. 28.1.2004 – 6 U 183/03, NJW 2004, 2243, 2244 – Vitaminkartell. 80 Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 363; Wandt, GSV, § 24 Rn. 12. 81 Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 363.
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B. Abwälzung von kartellbedingten Preisaufschlägen
dass neben der Feststellung des natürlichen Schadens durch die Differenzhypothese auch normative Aspekte bei der Schadensberechnung eine Rolle spielen müssen.82 Da exakte Abgrenzungskriterien zur eindeutigen Zuordnung des jeweiligen Vorteils zur Schadensentstehung bzw. zur Vorteilsausgleichung jedoch fehlen, ist hierbei eine Einteilung unter Wertungsgesichtspunkten geboten.83 Andere plädieren demgegenüber für eine mehr natürliche Betrachtung,84 wobei unklar bleibt, ob dies gleichbedeutend mit einer wertenden Betrachtungsweise ist, oder ob vielmehr für eine rein faktische Zuordnung plädiert wird. Dieser Auffassung nach sollen diejenigen Vorteile bereits bei der Schadensentstehung berücksichtigt werden, die „[…] den Schaden als von vornherein nicht oder nur in bestimmter Höhe entstanden erscheinen […] [lassen].“85 Dem würde es entsprechen, lediglich jene Aspekte bei der Schadensentstehung zu berücksichtigen, die in direktem zeitlichen Zusammenhang zum schädigenden Ereignis stehen.86 Zahlt der unmittelbare Abnehmer kartellbedingt einen höheren Preis, als er dies sonst getan hätte, so stellt der Differenzbetrag zwischen diesem Kartellpreis und dem hypothetisch zu zahlenden Wettbewerbspreis eine nachteilige Verringerung des Vermögens des Geschädigten dar.87 Ob dieser Schaden später durch einen, infolge eines unternehmerischen Tätigwerdens des unmittelbaren Abnehmers von dritter Seite zugeflossenen Vorteils ausgeglichen wird, ist erst unter dem Punkt des Vorteilsausgleichs zu diskutieren.88 Hingegen könnte man im Rahmen einer wertenden Betrachtung auch argumentieren, dass der Einkaufspreis bei der Kalkulation des (Weiter-)Verkaufspreises als Kostenfaktor gewissermaßen „durchläuft“ (ein kartellbedingt nachteilig erhöhter Einkaufspreis bedingt den, in gleichem Maße vorteilhaft erhöhten, Verkaufspreis durch Weiterwälzung des Preisaufschlages), also wirtschaftlich betrachtet die (teilweise) Abwälzung des Preisaufschlages der Regelfall sein dürfte, so dass der Schaden regelmäßig als von vorneherein nicht entstanden erscheint.89 Nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechtes wäre somit eine Zuordnung der Schadensabwälzung als Kriterium der Schadensentstehung sowie als Aspekt der Vorteilsausgleichung durchaus möglich. Auch das Berufungsurteil des
82
Vgl. Wandt, GSV, § 24 Rn. 12. BGH, Urt. v. 16.2.1971 – VI ZR 147/69, BGHZ 55, 329, 333. 84 Lange, JuS 1978, 649; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 9 I 1. 85 Lange, JuS 1978, 649. 86 Köhler, GRUR 2004, 99, 102; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 363; W.-H. Roth, FS Huber, 1133, 1156 f. 87 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 56 – ORWI; Köhler, GRUR 2004, 99, 102; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 363. 88 Köhler, GRUR 2004, 99, 102 f.; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 363 f. 89 Lübbig, WRP 2004, 1254, 1257. 83
II. Die unterschiedlichen Perspektiven der Abwälzung
37
OLG Karlsruhe zur Entscheidung des LG Mannheim kann sowohl als Zustimmung für die eine als auch für die andere dogmatische Zuordnung verstanden werden.90 So führt der 6. Zivilsenat einerseits aus, dass, soweit es sich „[…] um korrespondierende Positionen der Schadensbetrachtung [handelt], […] beide bei wertender Betrachtung auch zu einer Rechnungseinheit zu verbinden [sind].“91 Der Ausdruck „Rechnungseinheit“ wird vom BGH wiederholt im Kontext der Vorteilsausgleichung verwendet,92 weshalb die Entscheidung des OLG als Bestätigung dieser dogmatischen Einordnung verstanden werden könnte.93 Andererseits enthält die Berufungsentscheidung auch folgende Formulierung: „Die bei der schadensrechtlichen Beurteilung gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise kann nicht außer Acht lassen, dass der Einkaufspreis im betriebswirtschaftlichen Ablauf von vornherein [Hervorhebung im Original] nur ein Kostenfaktor ist, der prinzipiell im Verkaufspreis eingeht und an die nächste Wirtschaftsstufe oder den Endverbraucher weitergegeben wird. Für gewöhnlich handelt es sich daher insoweit um einen neutralen Rechnungsposten.“94
Diese Ausführungen lassen sich dahingehend verstehen, dass der Schaden regelmäßig als von vorneherein nicht entstanden erscheint, die Abwälzung des Schadens also als Aspekt der Schadensentstehung zu berücksichtigen ist. Demnach entspricht die Auffassung der Berufungsinstanz der Entscheidung des erstinstanzlich zuständigen LG Mannheim.95 Allerdings sei angemerkt, dass sich ebendieser 6. Zivilsenat des OLG Karlsruhe sechs Jahre später als Vorinstanz zum ORWI-Urteil des BGH eindeutig als Befürworter einer Zuordnung der Abwälzung zur Vorteilsausgleichung positionierte.96 Dass der wohl überwiegende Teil der zur dogmatischen Einordnung abgegebenen Stellungnahmen eine Berücksichtigung im Rahmen der Vorteilsausgleichung befürwortet, hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass eine solche Einordnung eine flexiblere Handhabung der Problematik ermöglicht. Denn in diesem Zusammenhang spielen wertende Gesichtspunkte eine ausschlaggebende Rolle. Die Bewertung nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung entspricht dabei auch der dogmatischen Einordnung durch den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, 90
Vgl. hinsichtlich der nachfolgenden Ausführungen schon die dahingehenden Überlegungen bei Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 205 f. 91 OLG Karlsruhe Urt. v. 28.1.2004 – 6 U 183/03, NJW 2004, 2243, 2244 – Vitaminkartell. 92 Vgl. nur BGH, Urt. v. 16.5.1980 – V ZR 91/79, BGHZ 77, 151, 154; BGH, Urt. v. 17.5.1984 – VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206, 210; BGH, Urt. v. 4.4.2014 – V ZR 275/12, NJW 2015, 468, Rn. 20 (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 200, 350). 93 So Berrisch/Burianski, WuW 2005, 878, 885 Fn. 45. Vgl. hierzu die Überlegungen von Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 205 f. 94 OLG Karlsruhe Urt. v. 28.1.2004 – 6 U 183/03, NJW 2004, 2243, 2244 – Vitaminkartell. 95 Beninca, WuW 2004, 604, 605; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BT-Drs. 15/5049, S. 49; Lutz, WuW 2005, 718, 728 Fn. 50. 96 OLG Karlsruhe Urt. v. 11.6.2010 – 6 U 118/05, juris-Rn. 42 (juris).
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B. Abwälzung von kartellbedingten Preisaufschlägen
auf dessen Betreiben § 33 III 2 GWB 2005 in das Gesetz aufgenommen wurde und der, damit verbunden, eine Stellungnahme zur Verortung der passing-on-defence abgab. § 33 III 2 GWB 2005 lautet wie folgt: „Wird eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis bezogen, so ist der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder Dienstleistung weiterveräußert wurde.“ Aus der gewählten Formulierung sollte sich ergeben, dass die Schadensabwälzung nicht bereits bei der Schadensentstehung als schadensausgleichender Vorteil zu berücksichtigen sei, sondern vielmehr den zunächst kartellbedingt entstandenen Schaden unberührt ließe.97 Ausdrücklich äußerte der Ausschuss Bedenken gegenüber den Entscheidungen des LG Mannheim sowie des OLG Karlsruhe zum Vitaminkartell und sprach sich (wie der Gesetzesentwurf der Bundesregierung)98 für eine Einordnung unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung aus.99 Da die überwiegende Ansicht die Schadensabwälzung somit dogmatisch als Aspekt der Vorteilsausgleichung qualifizierte, wurde gleichzeitig die daran anknüpfende Frage aufgeworfen, ob die Geltendmachung des Einwandes durch den Kartellanten im Grundsatz zuzulassen sei. Auch beim kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch müssen dafür die allgemeinen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung erfüllt sein. Da hierbei Fragestellungen aufgeworfen werden, die nach wie vor bei der klageweisen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen von Relevanz sind, soll hierauf im Kontext der Darstellungen hierzu eingegangen werden.100 3. Fazit Die Entscheidung des BGH in der Rechtssache ORWI hat für zwei unter der früheren Rechtslage umstrittene Fragen des Kartellschadensersatzrechtes weitestgehend Klarheit geschaffen. Die mittelbaren Abnehmer sind damit berechtigt, ihre Schäden auch gegenüber dem Schädiger geltend zu machen. Dies scheint schon rechtspolitisch vorzugswürdig. Gleichzeitig entspricht es darüber hinaus der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzanspruches. Auch kartellrechtsspezifische Überlegungen zur Präventionsfunktion rechtfertigen keine andere Bewertung. Als Konsequenz dessen dürfte es regelmäßig eine Vielzahl von Ersatzberechtigten mit in Teilen nur geringfügigen Schäden geben. Gewissermaßen als Ausgleich für eine mögliche Haftung für Schäden mittelbarer Abnehmer, steht dem Kartellanten der Einwand der Schadensabwälzung unter dem Aspekt der Vorteilsausgleichung zu, obwohl diese dogmatische Einordnung kei97
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrs. 15/5049, S. 49. 98 BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 54. 99 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrs. 15/5049, S. 49. 100 Vgl. S. 77 ff.
II. Die unterschiedlichen Perspektiven der Abwälzung
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neswegs zwingend ist. Ebenso wenig zwingt allein die Zulassung der Anspruchsgeltendmachung durch die mittelbaren Abnehmer zur gleichzeitigen Anerkennung des Einwandes der Schadensabwälzung. Allerdings bedingen sie sich insoweit, als die Bejahung einer potentiellen Anspruchsberechtigung impliziert, dass die Möglichkeit einer Abwälzung des Preisaufschlages vom unmittelbaren auf den mittelbaren Abnehmer besteht. Dann aber fehlt unter Umständen ebendieser Preisaufschlag in Gestalt des Preisüberhöhungschadens beim unmittelbaren Abnehmer, weshalb die Schadensabwälzung auch im Rahmen der Ermittlung des Schadensersatzanspruches des unmittelbaren Abnehmers Berücksichtigung finden muss. Den Einwand pauschal aus rechtspolitischen Überlegungen zu verneinen, ist nur schwer vertretbar. Vielmehr ist eine differenzierte, einzelfallbezogene Betrachtung geboten.
C. Die Streitverkündungslösung des BGH vor dem Hintergrund des vor dem Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle in Deutschland geltenden Rechtes Die bereits angesprochene Gefahr einer mehrfachen Haftung des Kartellanten für den (weitergewälzten) Preisaufschlag droht insbesondere auch dann, wenn man mit dem BGH sowohl die Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer, als auch die Möglichkeit der Geltendmachung des Einwandes der Schadensabwälzung bejaht. Klagen unmittelbare und mittelbare Abnehmer zeitlich parallel oder auch zeitlich nacheinander gegen einen Kartellanten, so kann sich im Prozess des unmittelbaren Abnehmers der Kartellant auf den Schadensabwälzungseinwand berufen. Der mittelbare Abnehmer kann daneben mittels Schadensabwälzung die Entstehung seines eigenen Schadens im Verfahren gegen den Kartellanten begründen. In den verschiedenen Prozessen müssen also Entscheidungen zur Abwälzung des (kartellbedingten) Preisaufschlages getroffen werden. Deshalb ist es möglich, dass die Gerichte den Sachverhalt unterschiedlich beurteilen. Dies kann einerseits darauf zurückzuführen sein, dass die Parteien des jeweiligen Prozesses nicht im gleichen Maße substantiiert vortragen oder unterschiedliche Beweismittel beibringen und deshalb die Gerichte nicht über die gleichen Informationen verfügen. Andererseits können sich aufgrund der freien richterlichen Beweiswürdigung verschiedene Überzeugungen vom Vorliegen einer Tatsache bilden. Die jeweiligen Entscheidungen sind damit zwar prozessual zutreffend, können sich aber dennoch inhaltlich widersprechen.1 Um nun eine doppelte bzw. mehrfache Haftung des Kartellanten zu vermeiden, führte der BGH in seiner Entscheidung ORWI die Streitverkündung an.2 Durch die Streitverkündung soll erreicht werden, dass derselbe Sachverhalt von unterschiedlichen Gerichten in verschiedenen Prozessen gleich ausgelegt wird.3 Damit ist die Streitverkündung vorrangig dem Anliegen des Streitverkünders förderlich.4 Denn 1
Vgl. Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33c GWB Rn. 46 im Kontext der Richtlinie. Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 294; vgl. ebenfalls die Ausführungen unten S. 103 f. 2 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 73 – ORWI. 3 Vgl. nur BGH, Urt. v. 18.12.1961 – III ZR 181/60, BGHZ 36, 212, 215. 4 BGH, Urt. v. 26.3.1987 – VII ZR 122/86, BGHZ 100, 257, 262; BGH, Urt. v. 14.11.1991 – I ZR 236/89, BGHZ 116, 95, 100; BGH, Urt. v. 11.2.2009 – XII ZR 114/06, BGHZ 179, 361, Rn. 29. Daneben besteht auch ein öffentliches Interesse an der Verhinderung sich widersprechender Entscheidungen. Vgl. hierzu Ziegert, Interventionswirkung, S. 116 ff. u. S. 36 ff.
C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
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durch die Interventionswirkung im Sinne des § 74 III i. V. m. § 68 ZPO soll verhindert werden, „[…] daß er [der Streitverkünder] wegen der materiell-rechtlichen Verknüpfung der im Vorund Folgeprozeß geltend gemachten bzw. geltend zu machenden Ansprüche mehrere Prozesse führen muß, dabei aber Gefahr läuft, alle zu verlieren, obwohl er zumindest einen gewinnen müßte […].“5
Bedingt durch die Streitverkündung kann bei parallelen Schadensersatzprozessen von unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern der Folgeprozess (beispielsweise der vom mittelbaren Abnehmer geführte Prozess) bis zur Erledigung des anderen Verfahrens gemäß § 148 I ZPO ausgesetzt werden.6 Neben der Anhängigkeit beider Rechtsstreitigkeiten ist für eine Aussetzung erforderlich, dass die eine Entscheidung in der Sache für den anderen auszusetzenden Rechtsstreit präjudizielle Wirkung hat.7 Das (Nicht-)Bestehen des vorgreiflichen Rechtsverhältnisses ist grundsätzlich Gegenstand des fortzusetzenden und Vorfrage des auszusetzenden Rechtsstreites.8 Als Ausnahme hierzu genügt es im Hinblick auf die, durch die Interventionswirkung bedingte, Vorgreiflichkeit (im weiteren Sinne),9 dass es sich um identische Vorfragen handelt.10 Diese Übereinstimmung besteht grundsätzlich hinsichtlich der Frage nach der Weiterwälzung des Preisaufschlages für beide Prozesse.11 Anders als im herkömmlichen Fall der Aussetzung besteht jedoch in dieser Konstellation kein durch „Gegenstand“ und „Vorfrage“ begründetes Verhältnis zwischen den verschiedenen Prozessen, das eindeutig den auszusetzenden Rechtsstreit bestimmt. Ein Grundsatz dahingehend, dass eine Aussetzung des Prozesses des mittelbaren Abnehmers stets zugunsten der Fortführung des Verfahrens des unmittelbaren Abnehmers zu erfolgen hat, kann deshalb nicht gebildet werden.12 5 BGH, Urt. v. 14.11.1991 – I ZR 236/89, BGHZ 116, 95, 100; so auch BGH, Urt. v. 26.3.1987 – VII ZR 122/86, BGHZ 100, 257, 262; BGH, Urt. v. 11.2.2009 – XII ZR 114/06, BGHZ 179, 361, Rn. 29. 6 Überlegungen zur Aussetzung gem. § 148 ZPO a. F. (jetzt § 148 I ZPO) in der kartellrechtlichen Fallkonstellation auch bei Hoffmann, NZKart 2016, 9, 14; Schnelle, BB 2012, 80. 7 Stein/Jonas/H. Roth, § 148 ZPO Rn. 22 f. 8 BGH Beschl. v. 22. 6. 2011 @ I ZB 64/10, NJW-RR 2011, 1343, Rn. 8 ff.; MüKoZPO/ Fritsche, § 148 Rn. 5; Stein/Jonas/H. Roth, § 148 ZPO Rn. 23; Musielak/Voit/Stadler, § 148 ZPO Rn. 5. 9 Prütting/Gehrlein/Dörr, § 148 ZPO Rn. 9; Stein/Jonas/H. Roth, § 148 ZPO Rn. 24. Ausdrücklich für eine entsprechende Anwendung des § 148 (I) ZPO bei Interventionswirkung Otte, Umfassende Streitentscheidung, S. 263. 10 OLG Hamm Beschl. v. 29.10.1993 – 26 W 13/93, NJW-RR 1994, 1343; Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschl. v. 26.11.1997 – 6 W 68/97, OLG-NL 1999, 112; H. Roth, FS Jayme, 747, 755 f.; Stein/Jonas/H. Roth, § 148 ZPO Rn. 23 f. Otte, Umfassende Streitentscheidung, S. 263 ff. plädiert für eine grundsätzliche analoge Anwendung von § 148 (I) ZPO auf Fälle der Vorfragenidentität. 11 Vgl. zu den Einschränkungen S. 131 f. und S. 138. 12 Vgl. die wohl gegenteiligen Überlegungen von Hoffmann, NZKart 2016, 9, 14.
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Voraussetzungen eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruches unter Geltung der Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle. Die Darstellung der Voraussetzungen bildet dabei die Grundlage für die daran anknüpfenden Überlegungen zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess, sowie für die Erfolgsgeeignetheit der Streitverkündungslösung. Auch nach Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle sind die durch die alte Rechtslage an einen Schadensersatzanspruch gemäß § 33 III i. V. m. I GWB in der Fassung vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: GWB 2013) aufgestellten Anforderungen nach wie vor von Bedeutung. Kartelle existieren häufig über einen Zeitraum von mehreren Jahren.13 Gleichzeitig erlangen die potentiell anspruchsberechtigten Abnehmer erst bei Aufdeckung des Kartells Kenntnis davon, dass ihnen unter Umständen in der Vergangenheit hierdurch Schäden entstanden sind, die einen Schadensersatzanspruch begründen könnten. Welche Gesetzesfassung für den fraglichen Schadensersatzanspruch Anwendung findet, richtet sich laut der Entscheidung des BGH in der Rechtssache ORWI nach dem Belieferungszeitraum.14 Damit der Kläger einen Schadensersatzanspruch gemäß § 33a I i. V. m. § 33 I GWB n. F. geltend machen kann, muss der Zeitpunkt der Entstehung des Schadensersatzanspruches dem 26. Dezember 2016 (§ 186 III 1 GWB n. F.) zeitlich nachgelagert sein und das Kartell bereits aufgedeckt, sowie bei Follow-on-Klagen der Verstoß behördlich oder gerichtlich festgestellt worden sein. Bedingt durch die oben genannten Erwägungen liegt deshalb den Entscheidungen der Gerichte regelmäßig das GWB in einer älteren Fassung zugrunde. Darüber hinaus stimmen die Voraussetzungen des § 33 III i. V. m. I GWB 2013 und des § 33a I i. V. m. § 33 I GWB n. F., unter denen ein Schadensersatzanspruch zu bejahen ist, grundsätzlich überein. Insofern wird erst durch die Gegenüberstellung der Anforderungen vor und nach der 9. Novellierung des GWB deutlich, dass schon marginale Änderungen (insbesondere im Hinblick auf die Verteilung der Beweislast) gravierende Auswirkungen haben können. Bei der Erörterung der einzelnen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches wird exemplarisch auf die Person des unmittelbaren Abnehmers abgestellt. Auf etwaige, mit der Person des mittelbaren Abnehmers zusammenhängende Besonderheiten wird grundsätzlich gesondert eingegangen.
13
Vgl. auch Lahme/Ruster, NZKart 2019, 645, 648 Fn. 38. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 13 – ORWI; im Anschluss hieran BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 44 – Schienenkartell („Zeitpunkt der Auftragserteilung“). S. zum Vergleich mit § 186 III 1 GWB n. F. auch unten S. 168. 14
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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I. Der Kartellschadensersatzanspruch: Anspruchsvoraussetzungen und Vorteilsausgleichung Der kartellrechtliche Schadensersatzanspruch gemäß § 33 III i. V. m. I GWB 2013 i. V. m. der jeweils einschlägigen Verbotsnorm kann, wie jeder Schadensersatzanspruch, in einen haftungsbegründenden und einen haftungsausfüllenden Tatbestand unterteilt werden. Für den haftungsbegründenden Tatbestand müssen dabei der schuldhafte Kartellrechtsverstoß, sowie die Aktiv- und Passivlegitimation bejaht werden können.15 Häufig handelt es sich bei Kartellschadensersatzklagen um sogenannte Follow-on-Klagen.16 Die zivilprozessuale Klage folgt hier auf ein behördliches oder gerichtliches Verfahren, in dem der Kartellrechtsverstoß festgestellt worden ist.17 Da zumindest über etwaige Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des kartellrechtlichen Verstoßes, soweit es sich bei dem Beklagten um einen Adressaten einer solchen Entscheidung im Sinne des § 33 IV GWB 2013 (jetzt § 33b GWB n. F.) handelt, deren Feststellungswirkung (Beweisregel im Sinne des § 286 II ZPO)18 hinweghelfen kann,19 soll vertieft nur auf die Frage der Betroffenheit des Anspruchsstellers sowie den haftungsausfüllenden Tatbestand eingegangen werden. Darüber hinaus dürfte für die Frage der Mehrfachhaftung im Hinblick auf den Preisüberhöhungsschaden der haftungsausfüllende Tatbestand die größte Relevanz besitzen. Ferner stellen sich Abgrenzungsprobleme zwischen Schaden und Betroffenheit, auf welche ebenfalls eingegangen werden soll. Die Problematik des Anspruchsaufbaus beim kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch lässt sich dabei in eine grundsätzliche, bei Schadensersatzansprüchen beliebiger Art geführte Diskussion einfügen. Dabei geht es um die Frage, welche Elemente eines Schadensersatzanspruches dem Beweismaß des § 286 ZPO unterliegen und welche dem des § 287 ZPO. Es geht also insbesondere um die Abgrenzung zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität. 15 Die Rechtswidrigkeit wird durch den Kartellrechtsverstoß indiziert (vgl. MüKoWettbR/ Lübbig, § 33 GWB Rn. 15). 16 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 101. 17 BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 35 f.; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 101. 18 Jüntgen, Die prozessuale Durchsetzung privater Ansprüche, S. 138 f.; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 109 f. Als solche hat sie beweisschaffende Wirkung (vgl. hierzu allgemein Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, S. 81 m. w. N.). Nähere Ausführungen zu den Beweisregeln unten S. 191 ff. 19 Raible/Lepper, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 602; Rützel, WuW 2019, 130; vgl. auch BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 54; Inderst/ Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 111 und Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 109 (Feststellungswirkung bezieht sich nur auf „Verstoß“). Ob auch ein festgestelltes Verschulden von der Wirkung umfasst wird, ist aufgrund des Wortlauts der Vorschrift fraglich. Dafür wohl OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), jurisRn. 46 – Feuerwehrfahrzeuge (juris); LG Hannover Urt. v. 18.12.2017 – 18 O 8/17, jurisRn. 103 – LKW-Kartell Göttingen (juris); Kling/Thomas, Kartellrecht1, § 21 Rn. 75.
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
1. Betroffenheit Gemäß § 33 I 3 GWB 2013 ist betroffen, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist. Die Fassung ist wortgleich durch die 9. GWB-Novelle übernommen worden und nun in § 33 III GWB n. F. normiert. Bereits zur früheren Rechtslage wurden Bedenken dahingehend geäußert, ob eine Betroffenheit im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013 für den Schadensersatzanspruch überhaupt zu fordern ist. Diese Zweifel scheinen auch nach der 9. Novellierung des GWB weiterhin zu bestehen.20 a) Einordnung als Voraussetzung des Schadensersatzanspruches Die Überlegungen stützen sich dabei auf die Systematik des Gesetzes. Der den Schadensersatzanspruch normierende § 33 III 1 GWB 2013 verweist wörtlich nur auf den Kartellrechtsverstoß aus § 33 I GWB 2013 („Wer einen Verstoß nach Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“). Die in § 33 I 1 GWB 2013 genannte und in Satz drei definierte Betroffenheit findet hingegen keine Erwähnung. Der gleichlautende § 33a I GWB n. F. verweist nur auf den Kartellrechtsverstoß gemäß § 33 I GWB n. F. („Wer einen Verstoß nach § 33 Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“), nicht aber auf dessen Absatz drei, welcher nunmehr den Begriff des Betroffenen definiert.21 Aus der fehlenden Verweisung auf das Betroffenheitskriterium könnte man deshalb schließen, dass es dessen als Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch gar nicht bedarf.22 Die durch die zahlreichen Novellierungen bedingte Entwicklung des Schadensersatzanspruches im GWB sowie das Gesetzgebungsverfahren zur 7. GWB-Novelle lassen jedoch auch eine andere Schlussfolgerung zu.23 20 Vgl. Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 122 f. Der BGH hat nunmehr zumindest für den Schadensersatzanspruch gem. § 33 III 1 GWB 2005 Position bezogen: BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281 – Schienenkartell II. 21 Vgl. zur neuen Rechtslage darüber hinaus S. 169 f. 22 Die genannte systematische Problematik aufzeigend, aber im Ergebnis wohl offen lassend Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 122 f. Die Betroffenheit i. S. d. GWB als Voraussetzung mit gewichtigen Argumenten verneinend Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 113 (in Bezug auf § 33 III 1 GWB 2005) und W.-H. Roth, FS Schroeder, 709 (in Bezug auf § 33 III 1 GWB 2005/2013 und § 33a I GWB n. F.); FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 2 f. u. 24 (in Bezug auf § 33a I GWB n. F.); W.-H. Roth, FS K. Schmidt, 257 (in Bezug auf § 33 III 1 GWB 2005/2013 und § 33a I GWB n. F.). Ebenso LG Mannheim Urt. v. 24. 4. 2019 @ 14 O 117/18 Kart, NZKart 2019, 389, Rn. 28 – LKW-Kartell (in Bezug auf § 33 III 1 GWB 2005). Nach der Ansicht von Otto, ZWeR 2019, 354, 371 ff. (in Bezug auf § 33a I GWB n. F.) soll die Betroffenheit i. S. d. § 33 III GWB n. F. zumindest keine Voraussetzung der Anspruchsberechtigung sein. 23 Das Gesetzgebungsverfahren zur 7. GWB-Novelle zeichnen ebenfalls Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 183 ff. und Logemann, Der kartellrechtliche Schadenser-
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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1998 wurde durch die 6. GWB-Novelle der Schadensersatzanspruch in § 33 GWB 1998 normiert. Dieser lautete in Satz eins wie folgt: „Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist, sofern die Vorschrift oder die Verfügung den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zur Unterlassung verpflichtet; fällt ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last, ist er auch zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet.“
Die Bestimmung des Anspruchsberechtigten erfolgte durch die parallele Regelung bei einem Schadensersatzanspruch also in derselben Weise wie bei einem Unterlassungsanspruch. Potentiell anspruchsberechtigt war damit nur, wer selbst und dessen Interesse von dem Schutzgesetz bzw. der schützenden Verfügung auch individuell geschützt wurde.24 Durch die 7. GWB-Novelle wurden nun Schadensersatzanspruch und Unterlassungsanspruch in unterschiedlichen Absätzen geregelt. Der letztlich in Kraft getretene § 33 GWB 2005 ist wie folgt formuliert: „(1) 1 Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes, gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. 2 Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht. 3 Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist. (2) […] (3) 1 Wer einen Verstoß nach Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. 2 […].“
Die Einfügung des Kriteriums der Betroffenheit wurde bereits im Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (Referentenentwurf) zur 7. GWBNovelle angestrebt.25 Allerdings wurde in dieser ursprünglichen Formulierung der Betroffene als Anspruchsberechtigter in § 33 III 1 GWB 2005 explizit genannt. „(3) Wer einen Verstoß nach Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist dem Betroffenen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. […].“26
Dass das Kriterium der Betroffenheit nach der vorübergehenden Streichung im Regierungsentwurf erneut aufgenommen wurde, geht zurück auf die Beschlussempfehlung des an der 7. Novellierung des GWB beteiligten Ausschusses für satz, S. 222 f. nach und ziehen es als Argument für die Betroffenheit heran. Nach der Auslegung von Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 113 und Otto, ZWeR 2019, 354, 374 f. spricht dies gerade gegen die Betroffenheit als Kriterium. 24 Bechtold/Bechtold2, § 33 GWB Rn. 4. 25 Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 17. 12. 2003, S. 7 f., abrufbar unter http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_ wp/KartellG/refe.pdf (Stand: 17. 4. 2021). Im Folgenden: RefE v. 17. 12. 2003. 26 RefE v. 17. 12. 2003, S. 8.
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
Wirtschaft und Arbeit, der damit neben der Aufgabe des Erfordernisses der Zielgerichtetheit (§ 1 GWB sollte nur den Schutz desjenigen bezwecken, dessen Beeinträchtigung die kartellrechtswidrige Vereinbarung zum Ziel hatte)27 auch eine grundsätzliche Abkehr vom Schutzgesetzkriterium bezweckte.28 Dabei begründete der Ausschuss seine Abkehr vom Schutzgesetzkriterium, und damit die Einführung des Begriffs der Betroffenheit, unter anderem mit der zum Schadensersatz ergangenen „Jedermann-Rechtsprechung“ des EuGH.29 Folglich wäre es wenig einleuchtend, wenn die Betroffenheit lediglich für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gelten sollte.30 Außerdem spricht für eine grundsätzliche Gleichbehandlung von Schadensersatzund Beseitigungs-/Unterlassungsanspruch, dass in der Begründung zum ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung noch für beide Anspruchsgruppen die Verletzung eines Schutzgesetzes gefordert wurde, diese Voraussetzung gleichwohl aber nur in Absatz eins beim Beseitigungs-/Unterlassungsanspruch normiert wurde und in Absatz drei eine allgemeine Verweisung auf den Verstoß nach Absatz eins erfolgte.31 Somit wurde im Gesetzgebungsverfahren wohl grundsätzlich, unabhängig von der Bejahung oder Verneinung des Schutzgesetzerfordernisses, eine parallele Regelung der verschiedenen Ansprüche angestrebt.32 Dass nun der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit für beide Anspruchsgruppen das Schutzgesetzkriterium fallen lassen und nur den Beseitigungs-/Unterlassungsanspruch über das Kriterium der Betroffenheit einschränken wollte, geht aus dessen Beschlussempfehlung nicht hervor. Vielmehr erscheint es wahrscheinlicher, dass eine Anpassung des Absatzes drei schlicht vergessen wurde.33 Da der Verstoß gegen eine Vorschrift nicht unabhängig von dieser verletzten Norm beurteilt werden kann, fiel das Schutzgesetzkriterium als besondere Beschaffenheit der Verbotsnorm und damit gewissermaßen als Bestandteil des 27
BGH, Urt. v. 25.1.1983 – KZR 12/81, BGHZ 86, 324, Ls. und S. 330 – Familienzeitung; Bechtold/Bechtold6, § 33 GWB Rn. 9. 28 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrs. 15/5049, S. 49. Vgl. schon oben S. 25 f. 29 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrs. 15/5049, S. 49. 30 Ähnlich Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 222; Triantafyllidis, Die Einordnung der Passing-On-Defense, S. 122. 31 BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 10 f. u. S. 53. 32 Vgl. Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 222 f.; W.-H. Roth, FS Huber, 1133, 1154; vgl. auch BegrRefE v. 17. 12. 2003, S. 51, abrufbar unter https://rsw.beck.de/docs/li brariesprovider69/default-document-library/2004/becklink-115888/begruendung_031217.pdf? sfvrsn=c7bdf35c_2 (Stand: 17. 4. 2021): „Maßgebliches Kriterium für die Anspruchsberechtigung ist im Falle der Geltendmachung von Beseitigungs- bzw. Unterlassungsansprüchen eine konkrete, d. h. insbesondere unmittelbare Betroffenheit. Satz 2 [sic] definiert deshalb den Betroffenen als denjenigen, der als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch das kartellrechtswidrige Verhalten beeinträchtigt wird. Entsprechendes gilt für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Absatz 3.“ 33 So schon Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 185; a. A. Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 113.
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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Verstoßes automatisch bei Streichung der entsprechenden Passage in Absatz eins auch in Absatz drei weg, weshalb eine weitergehende Anpassung unter Umständen nicht mehr als nötig erschien.34 Darüber hinaus scheint ein Verweis auf das Kriterium der Betroffenheit aber auch unter einem anderen Aspekt als zwingend. Ohne dieses Kriterium fehlt in § 33 III 1 GWB 2013 (sowie in § 33a I GWB n. F.) der Anspruchsberechtigte. Absatz drei sagt allein, dass bei einem schuldhaften Verstoß nach Absatz eins der entstandene Schaden zu ersetzen ist. Die Vorschrift schweigt aber dazu, wem dieser Schaden ersetzt werden soll.35 Da aber das Gesetz bei Anspruchsgrundlagen für Schadensersatz aus Delikt regelmäßig den Anspruchsberechtigten bezeichnet (vgl. nur § 823 I und II (über den Verweis) BGB; § 826 BGB; § 831 I 1 BGB; § 1 I 1 ProdHaftG; § 7 I StVG), liegt auch insoweit die Annahme nahe, dass auf den Betroffenen im Sinne des Absatzes eins verwiesen werden sollte. Den nachfolgenden Ausführungen liegt somit die Annahme zugrunde, dass das Betroffenheitskriterium als Voraussetzung auch für den Schadensersatzanspruch zu fordern ist,36 so dass die Definierung des Betroffenen in § 33 I 3 GWB 2013 (bzw. § 33 III GWB n. F.) auch für den Schadensersatzanspruch Geltung beansprucht. b) Konkretisierung der Begrifflichkeit Damit der Anspruchssteller als Betroffener qualifiziert werden kann, bedarf es zunächst dessen Einordnung in die Gruppe „Mitbewerber“ oder „sonstiger Marktbeteiligter“.37 Sonstige Marktbeteiligte sind die Angehörigen der direkten Markt34
A. A. wohl Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 185, die den Verweis in Absatz drei des Regierungsentwurfes wohl insoweit als unvollständig ansieht, dass nach dessen Wortlaut auch schon Zweifel an der Bezugnahme des Schutzgesetzkriteriums in Absatz eins hätten bestehen können. 35 Vgl. Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 182; die Problematik sieht auch Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 109 f., zieht hieraus aber andere Konsequenzen. 36 So auch für § 33 III 1 GWB 2005/2013 BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 25 – Schienenkartell II; OLG Düsseldorf Urt. v. 2.7.2014 – VI-U (Kart) 22/13, jurisRn. 48 (juris); Ascheberg, Jura 2016, 1101, 1102; Bechtold/Bechtold6, § 33 GWB Rn. 9; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 60; Kahlenberg/Haellmigk, BB 2005, 1509, 1514; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 222 f.; W.-H. Roth, FS Huber, 1133, 1154 (dieser vertritt nunmehr die Gegenauffassung, vgl. S. 44 Fn. 22); Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 182 ff; wohl auch Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht, S. 352 f. Für § 33a I GWB n. F. vgl. nur Inderst/ Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 122 sowie weiter unten die Ausführungen auf S. 169 f. 37 Ob eine Marktbeteiligung nach der Entscheidung Otis des EuGH (EuGH, Urt. v. 12.12.2019 – C-435/18, ECLI:EU:C:2019:1069 – Otis u. a.) weiterhin gefordert werden kann, erscheint zumindest fraglich. Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 24 – Schienenkartell II; Grothaus/Haas, EWiR 2020, 61, 62; Hauser/Otto, WRP 2020, 970,
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gegenseite, aber auch, nach der Entscheidung des BGH in der Rechtssache ORWI, die mittelbaren Abnehmer.38 Entscheidend ist das Agieren am Markt.39 Der unmittelbare Abnehmer ist daher als sonstiger Marktbeteiligter im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013 (§ 33 III GWB n. F.) zu qualifizieren und als solcher aktivlegitimiert.40 Dies ist er allerdings nur, sofern er „durch den Verstoß beeinträchtigt“ ist. Aus der Verwendung der Präposition durch ergibt sich, dass die Frage nach der Betroffenheit eine Frage nach der Kausalität ist.41 Die Beeinträchtigung des Marktbeteiligten muss also kausal auf den Kartellrechtsverstoß zurückzuführen sein,42 denn nur dann ist dieser auch betroffen. Gleichzeitig dient die Betroffenheit der Ermittlung des Anspruchsberechtigten.43 Feststellungen hierzu sind also untrennbar mit Erwägungen zur Kausalität verknüpft.44 aa) Das Verhältnis zur tatsächlichen Betroffenheit Die Problematik der Betroffenheit stellt sich allerdings nicht nur im Rahmen von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen.45 Vielmehr verlangt der BGH ganz allgemein für die mit dem Vollbeweis gemäß § 286 I 1 ZPO zu führende haftungsbegründende Kausalität, dass „[…] eine Person von einem bestimmten Ereignis, auf das ein Schaden angeblich zurückgeführt wird, rein tatsächlich betroffen ist […].“46
976 f. Nachfolgend soll dennoch mit der Begrifflichkeit gearbeitet werden, da sich hierdurch für die Gruppen der unmittelbaren und mittelbaren Abnehmer wohl kein Unterschied ergeben dürfte. 38 Ulshöfer, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 25 Rn. 16 ff. 39 Immenga/Mestmäcker/Emmerich5, § 33 GWB Rn. 14; W.-H. Roth, FS Huber, 1133, 1141. 40 Ulshöfer, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 25 Rn. 19. 41 Im Allgemeinen zur Anzeige des Kausalitätserfordernis mittels entsprechender Formulierung: Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 3 I. 42 Vgl. auch Fritzsche, WRP 2006, 42, 46. 43 A. A. im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch gem. § 33a I GWB n. F. Otto, ZWeR 2019, 354, 374 ff. 44 Ähnlich Fritzsche, WRP 2006, 42, 46. 45 Vgl. hinsichtlich der folgenden Ausführungen auch die Darstellung bei Schüssel-Kohlhäufl, Struktur des Delikts, S. 17 f. sowie Stock, Der Schadensnachweis bei Hardcore-Kartellen, S. 260 ff. 46 BGH, Urt. v. 13.12.1951 – IV ZR 123/51, BGHZ 4, 192, Ls. Vgl. auch BGH, Urt. v. 28.4.1982 – IV a ZR 8/81, ZIP 1982, 742; BGH, Urt. v. 15.6.1993 – XI ZR 111/92, NJW 1993, 3073, 3076.
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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(1) Funktion der tatsächlichen Betroffenheit Das Erfordernis der „tatsächlichen Betroffenheit“ ist Ausdruck des Versuches, eine Grenze zwischen dem Bereich der haftungsbegründenden und dem der haftungsausfüllenden Kausalität zu ziehen.47 Weitestgehend unproblematisch ist dies beim klassischen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch des § 823 I BGB.48 Hierbei wird der Kausalzusammenhang zwischen dem haftungsrelevanten Verhalten des Schädigers und der primären Rechts-/Rechtsgutsverletzung nach § 286 I ZPO beurteilt (haftungsbegründende Kausalität), wohingegen für den Zusammenhang zwischen Rechts-/Rechtsgutsverletzung und weiterem Schaden das reduzierte Beweismaß des § 287 ZPO gilt (haftungsausfüllende Kausalität).49 Problematisch sind diejenigen Schadensersatzansprüche, bei denen es an einer primären Rechts-/Rechtsgutsverletzung wie der des § 823 I BGB fehlt.50 Um einen solchen Schadensersatzanspruch handelt es sich bei § 33 III 1 i. V. m. I GWB 2013.51 Dennoch muss gleichermaßen bei dieser Art von Anspruchsgrundlagen im Allgemeinen und bei kartellrechtlichen Normen im Speziellen eine gewisse Einschränkung der Haftung bereits beim Haftungsgrund erfolgen.52 Bei einem weitgehend voraussetzungslosen Haftungsgrund würde die Haftung des Schädigers ansonsten auf einem lediglich überwiegend wahrscheinlichen (§ 287 I ZPO) Kausalverlauf gründen.53 Um eine Haftung des Schädigers zu rechtfertigen, muss aber zumindest ein Teil der Voraussetzungen, nämlich der Haftungsgrund, zur vollen richterlichen Überzeugung im Sinne des § 286 I ZPO feststehen.54 Dies gewinnt im Kartellrecht insbesondere vor dem Hintergrund an Relevanz, dass, in Bezug auf das ansonsten selektierend wirkende Kriterium des Schadens, durch die 9. GWB-Novelle Beweiserleichterungen eingeführt wurden. Auch bei § 33 III 1 i. V. m. I GWB 2013 wäre unter Anwendung der BGHRechtsprechung demzufolge abzugrenzen, zwischen der Frage, ob der mutmaßlich Ersatzberechtigte, also der unmittelbare Abnehmer, durch ein bestimmtes Ereignis, den Kartellrechtsverstoß, betroffen ist (haftungsbegründende Kausalität) und der Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Haftungsgrund und dem Schaden
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Vgl. MüKoZPO/Prütting, § 287 Rn. 9 f. Stein/Jonas/Thole, § 287 ZPO Rn. 14. 49 Vgl. nur Katzenmeier, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 3, § 823 I BGB Rn. 51. 50 Stein/Jonas/Thole, § 287 ZPO Rn. 15. 51 Vgl. Ohlhoff, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 119; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 85 (in Bezug auf § 33a I GWB n. F.). A. A. Otto, ZWeR 2019, 354, 357 u. 372 (in Bezug auf § 33a I GWB n. F.). 52 Zum Kartellrecht: Ohlhoff, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 119. Im Allgemeinen: Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 115 Rn. 13 f. 53 Vgl. auch BGH, Urt. v. 4.11.2003 – VI ZR 28/03, NJW 2004, 777, 779. 54 Vgl. BGH, Urt. v. 4.11.2003 – VI ZR 28/03, NJW 2004, 777, 778 f. 48
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
(haftungsausfüllende Kausalität).55 Hieraus ergibt sich als Folgeproblematik für den kartellrechtlichen Bereich, neben der näheren Bestimmung der „tatsächlichen Betroffenheit“, die Frage, ob diese Betroffenheit mit der „Kartellbetroffenheit“56 im Sinne des GWB gleichzusetzen ist. (2) Die Entscheidung des BGH in der Rechtssache Schienenkartell II Aufschlussreich ist insoweit die Entscheidung des BGH vom 28. Januar 2020 in der Rechtssache Schienenkartell II.57 Der BGH formulierte wie folgt: „Vor diesem Hintergrund kommt dem Merkmal der Betroffenheit im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 GWB 2005 bei der Prüfung des haftungsbegründenden Tatbestands eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs – ähnlich wie bei sonstigen Schadensersatzansprüchen, die eine Rechtsgutsverletzung nicht voraussetzen (vgl. zu Amtspflichtverletzungen BGH, Urteil vom 7. März 1996 – IX ZR 169/95, NJW-RR 1996, 781; zu Vertragspflichtverletzungen BGH, Urteil vom 15. Juni 1993 – XI ZR 111/92, NJW 1993, 3073, 3076 m. w. N.) – Bedeutung nur für die Frage zu, ob dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das – vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise – geeignet ist, einen Schaden des Anspruchstellers mittelbar oder unmittelbar zu begründen (in diesem Sinn BGHZ 211, 146 Rn. 47 – Lottoblock II; […]). Für die Feststellung dieser Voraussetzungen gilt der Maßstab des § 286 ZPO.“58
Der BGH sieht seine Entscheidung als Bestätigung seiner bereits in der Rechtssache Lottoblock II geäußerten Rechtsauffassung. Der Senat verweist auf die Randnummer 47 des Urteils. In dieser Randnummer führt der BGH aus: „Allerdings ist nach § 286 ZPO festzustellen, ob der Anspruchsteller durch den Kartellrechtsverstoß betroffen ist.“59 Aus der Entscheidung Lottoblock II allein ließ sich jedoch nicht entnehmen, dass diese Formulierung auf das Kriterium der Betroffenheit im Sinne des GWB abzielte. Allerdings ergab sich bereits aus dieser Entscheidung, und insoweit bestätigt die Entscheidung Schienenkartell II in gewisser Weise die bisherige Rechtsprechung des BGH, dass dieser eine „tatsächliche Betroffenheit“ auch bei kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen fordert. Der Senat verweist in der Entscheidung Lottoblock II, zwar nicht für die Frage der Betroffenheit, wohl aber für die hiermit aufgrund von Abgrenzungsschwierigkeiten in Zusammenhang stehende Frage nach dem Beweismaß für das „Ob“ des Schadens, auf ein Urteil des OLG Düsseldorf zum intertemporalen Verjährungsrecht.60 Dieser 55
Ähnlich Stock, Der Schadensnachweis bei Hardcore-Kartellen, S. 272. Der Begriff dient in diesem Kontext der Abgrenzung zur „tatsächlichen Betroffenheit“. Gemeint ist hiermit stets die Betroffenheit i. S. d. § 33 I 3 GWB 2005/2013. 57 Vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281 – Schienenkartell II. 58 BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 25 – Schienenkartell II. 59 BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 25/14, BGHZ 211, 146, Rn. 47 – Lottoblock II. 60 BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 25/14, BGHZ 211, 146, Rn. 43 – Lottoblock II. Der Verweis des BGH beinhaltet auch die Randnummern des OLG Düsseldorf zur „tatsächlichen Betroffenheit“. 56
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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Entscheidung des OLG Düsseldorf lag allerdings kein Anspruch aus § 33 III 1 i. V. m. I GWB 2005/2013 zugrunde, sondern vielmehr ein solcher aus § 823 II BGB i. V. m. Art. 82 EG,61 für welchen das Betroffenheitskriterium des GWB nicht galt. Durch die Formulierungen des OLG Düsseldorf sowie durch die Bezugnahme auf eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1993 zur Abgrenzung zwischen § 286 ZPO und § 287 ZPO ergibt sich, dass das OLG Düsseldorf die „tatsächliche Betroffenheit“ auch für den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch postuliert.62 Aus dieser Verweisungskette lässt sich für die Lottoblock II-Entscheidung ableiten, dass der BGH ebendiese Betroffenheit auch für den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch aus § 33 III 1 i. V. m. I GWB 2005/2013 fordert, wenn er von „betroffen sein“ spricht („Allerdings ist nach § 286 ZPO festzustellen, ob der Anspruchsteller durch den Kartellrechtsverstoß betroffen ist.“)63.64 Da der BGH weder das Merkmal des „Marktbeteiligten“ nennt, noch das der „Beeinträchtigung“ oder gar § 33 I 1 GWB 2005/2013 in diesem Kontext zitiert, blieb fraglich, ob damit auch gleichzeitig Aussagen zur Betroffenheit im Sinne des GWB 2005/2013 getroffen werden.65 Der BGH stellte einen ihm in der Entscheidung Lottoblock II durchaus möglichen Bezug zwischen der grundsätzlich von ihm geforderten „tatsächlichen Betroffenheit“ und der in § 33 GWB 2005/2013 normierten „Kartellbetroffenheit“ nicht her. Dies holt der BGH nun in der Entscheidung Schienenkartell II nach. Die von dem Senat pauschal festgestellte „Ähnlichkeit“ zwischen den Betroffenheitsprüfungen soll im Folgenden näher beleuchtet werden.66 (3) Ähnlichkeit der Betroffenheitsprüfungen? Eine Annäherung an den Begriff der „tatsächlichen Betroffenheit“ bietet eine Entscheidung des BGH zur Abgrenzung von § 286 ZPO und § 287 ZPO. Diese betraf einen vertraglichen Schadensersatzanspruch, beansprucht aber augenscheinlich allgemeine Geltung.67 Insoweit heißt es: „Der Bereich des Haftungsgrundes, der nach § 286 ZPO zu beweisen ist, erstreckt sich demgemäß bei einem Schadensersatzanspruch wegen einer Vertragsverletzung bis zu der
61 OLG Düsseldorf Urt. v. 29.1.2014 – VI-U (Kart) 7/13, juris-Rn. 38 ff. – Intertemporales Verjährungsrecht (juris). 62 OLG Düsseldorf Urt. v. 29.1.2014 – VI-U (Kart) 7/13, juris-Rn. 78 ff. – Intertemporales Verjährungsrecht (juris). 63 BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 25/14, BGHZ 211, 146, Rn. 47 – Lottoblock II. 64 Diese Schlussfolgerung so im Ergebnis wohl auch ziehend LG Mannheim Urt. v. 24. 4. 2019 @ 14 O 117/18 Kart, NZKart 2019, 389, Rn. 28 – LKW-Kartell; Ohlhoff, in: Kamann/ Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 120 u. Fn. 358 f.; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 87 ff.; Stein/Jonas/Thole, § 287 ZPO Rn. 13 u. Fn. 25. 65 Dies wohl annehmend: Schüssel-Kohlhäufl, Struktur des Delikts, S. 18 (im Kontext des § 33a GWB n. F.). 66 Vgl. hierzu auch die entsprechende Untersuchung von Otto, WuW 2020, 519, 520 ff. 67 Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.1982 – IV a ZR 8/81, ZIP 1982, 742.
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle Feststellung, der Vertragspartner sei von dem Verstoß so betroffen worden, daß nachteilige Folgen für ihn eintreten können.“68
Betroffenheit im Sinne der BGH-Rechtsprechung setzt also voraus, dass die Möglichkeit des Eintritts nachteiliger Auswirkungen (also eines Schadens)69 besteht.70 Dies darf aber nicht im Sinne einer bloßen Gefährdung verstanden werden, sondern vielmehr ist erforderlich, dass das dem Schutz des konkreten Vertrages oder der jeweiligen Norm unterliegende Interesse des Anspruchsstellers verletzt worden ist.71 Bei Ansprüchen, die den Ersatz reiner Vermögensschäden bezwecken, kann mit diesem Interesse aber nicht das geschützte Vermögen als Ganzes gemeint sein, da andernfalls die Verletzung des Vermögens augenscheinlich nicht nur die Möglichkeit eines Schadens begründen würde, sondern dessen Eintritt, so dass die Grenze zwischen Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung erneut verschwimmen würde.72 Es empfiehlt sich deshalb auf den konkreten Vertragsschluss bzw. die jeweils einschlägigen Normen abzustellen.73 Beim kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch ergibt sich dieses Interesse aus der Verbotsnorm, gegen welche gemäß § 33 III 1 i. V. m. I GWB 2013 verstoßen worden sein muss. Exemplarisch ist hierzu auf § 1 GWB 2013 (wortgleich mit § 1 GWB n. F.) abzustellen: „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.“ Geschützt werden soll der Wettbewerb als solcher, aber auch die spezifische (wettbewerbliche) Handlungsfreiheit des Einzelnen.74 Identifiziert man diese als geschütztes Interesse, so besteht bei Verletzung der Handlungsfreiheit des Anspruchsstellers die Möglichkeit eines Schadens. Mithin wäre die „tatsächliche Betroffenheit“ zu bejahen. Es fragt sich nun, was unter der „Kartellbetroffenheit“ im Sinne des GWB zu verstehen ist. Der BGH formuliert in der Entscheidung Schienenkartell II ohne auf die Definition des § 33 I 3 GWB 2005/2013 einzugehen, dass „[…] ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten […] – vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise – geeignet […] [sein muss], einen Schaden des Anspruchstellers mittelbar oder unmittelbar zu begründen […].“75 68
BGH, Urt. v. 28.4.1982 – IV a ZR 8/81, ZIP 1982, 742, 743. Diesen meint der BGH mit nachteiligen Folgen. Vgl. BGH, Urt. v. 28.4.1982 – IVa ZR 8/ 81, ZIP 1982, 742, 743. 70 FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 89. 71 BGH, Urt. v. 28.4.1982 – IV a ZR 8/81, ZIP 1982, 742, 743; Stoll, AcP 176 (1976), 145, 185 f. u. 188 f.; Stein/Jonas/Thole, § 287 ZPO Rn. 15. Wohl auch Otto, ZWeR 2019, 354, 381. 72 Vgl. auch Stoll, AcP 176 (1976), 145, 188 f. 73 So Stoll, AcP 176 (1976), 145, 189. 74 Vgl. nur LMRKM/Grave/Nyberg, Vorb. §§ 1 bis 3 GWB Rn. 25 f.; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, § 1 GWB Rn. 12. 75 BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 25 – Schienenkartell II. 69
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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Ein ähnliches Ergebnis lässt sich über die Definition des § 33 I 3 GWB 2005/2013 erzielen. So kann der unmittelbare Abnehmer zwar als sonstiger Marktbeteiligter identifiziert werden, jedoch erscheint das Merkmal der durch den Verstoß verursachten Beeinträchtigung unklar. Welche Voraussetzungen im Einzelnen vorliegen müssen, damit eine solche Beeinträchtigung vorliegt, der Anspruchssteller also im Ergebnis „betroffen“ ist, wird unterschiedlich beurteilt. Zum Teil wird die Betroffenheit im Sinne einer sogenannten Personenbetroffenheit aufgefasst.76 Die Kartellbefangenheit des infrage stehenden Erwerbsvorgangs sei hingegen erst unter dem Gesichtspunkt der haftungsausfüllenden Kausalität zu problematisieren.77 Andere Stimmen verlangen gerade für die Betroffenheit, dass auch das konkrete Rechtsgeschäft kartellbefangen ist.78 Nach teilweise vertretener Ansicht soll hingegen die Betroffenheit unproblematisch zu bejahen sein, sofern nur ein (kausaler) Schaden vorliegt.79 Geboten ist eine differenzierte Betrachtung. Im Ausgangspunkt ist der erstgenannten Ansicht zuzustimmen, dass die Frage nach der Betroffenheit im Sinne des GWB eine Frage nach der Anspruchsberechtigung ist.80 Die Identifizierung der berechtigten Person steht also mit im Vordergrund. In den Dokumenten des Gesetzgebungsverfahrens zu § 33 I 3 GWB 2005 finden sich keine näheren Erläuterungen zur Beeinträchtigung.81 Geht man vom allgemeinen Sprachgebrauch aus, so dürfte eine Beeinträchtigung einen bereits fühlbaren Nachteil für den Abnehmer voraussetzen.82 Darüber hinaus trägt zum Erfassen der Norm in systematischer Hinsicht die bereits festgestellte Parallelität zu den Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen bei.83 Für diesen Unterlassungsanspruch hat die Rechtsprechung in Anlehnung an Stimmen in der Literatur entschieden, dass „[…] jeder betroffen [ist], für den vorstellbar ist, dass er einen auf den Kartellverstoß zurückzuführenden Schaden erleiden könnte […].“84 Da bei einem Schadensersatzanspruch in erster 76
Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 198 ff. Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 198. 78 Vgl. nur LG Dortmund Urt. v. 27.6.2018 – 8 O 13/17 (Kart), juris-Rn. 40 ff. – LKWKartell (juris); Fritzsche/Klöppner/M. Schmidt, NZKart 2016, 412, 416 f.; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 62; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 54 (zum GWB n. F.). 79 So wohl Görner, Die Anspruchsberechtigung der Marktbeteiligten nach § 33 GWB, S. 183 ff.; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 123; Berg/Mäsch/ Mäsch, § 33a GWB Rn. 23. 80 Siehe schon S. 31 f. 81 So auch Fritzsche, WRP 2006, 42, 46. 82 Vgl. allgemein zur Anwendung der Auslegungsmethoden hinsichtlich der Betroffenheit i. S. d. GWB schon Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 200 f. 83 Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 201; vgl. schon oben S. 45 ff. 84 OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 26.1.2010 – 11 U 12/07 (Kart) – juris-Rn. 23 – Entega (juris). Vgl. auch OLG Düsseldorf Urt. v. 26.2.2014 – VI-U (Kart) 7/12 – juris-Rn. 22 – Presse-Grosso II (juris); Bechtold/Bechtold5, § 33 GWB Rn. 9; ähnliche Überlegungen W.-H. Roth, FS Huber, 1133, 1141 f.; a. A. Otto, ZWeR 2019, 354, 360 ff. 77
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Linie der bereits erlittene Schaden von Bedeutung ist, müsste die Formulierung auf diesen angepasst lauten, dass er „[…] einen auf den Kartellverstoß zurückzuführenden Schaden erlitten hat.“85 Beeinträchtigung meint daher auch hier die Möglichkeit eines Schadens.86 Darüber hinaus werden auch bei der Betroffenheit im Sinne des GWB Überlegungen angestellt, wonach sich die Beeinträchtigung richtet, das heißt in welchem Interesse der Marktbeteiligte beeinträchtigt sein muss.87 Gleichermaßen wird die jeweilige Verbotsnorm herangezogen.88 So weist der BGH in seiner Schienenkartell II-Entscheidung darauf hin, dass bei einem Verstoß gegen Art. 101 AEUV das Unionsrecht zu beachten ist und die Auslegung des Kriteriums der Betroffenheit vor diesem Hintergrund erfolgt.89 Dieser Gleichlauf der Erwägungen könnte dafür sprechen, dass sich die beiden Betroffenheitsprüfungen nicht nur ähneln, sondern mit der „Kartellbetroffenheit“ im Sinne des GWB eine Normierung des „tatsächlichen Betroffenseins“ erfolgt ist. Hierfür ließe sich darüber hinaus der Sinn und Zweck der Kartellbetroffenheit anführen. Zwar liegt § 33 I 3 GWB 2005 insbesondere die Intention einer Abkehr vom Schutzgesetzerfordernis und damit einer möglichen Erweiterung des Kreises der potentiell Anspruchsberechtigten zugrunde.90 Die Rechtsprechung des BGH zum „tatsächlichen Betroffensein“ erstrebt hingegen eine Einengung des Kreises der Anspruchsberechtigten.91 Allerdings macht der Austausch des Schutzgesetzkriteriums gegen die Betroffenheit auch deutlich, dass eine Selektion von Anspruchsstellern über das Betroffenheitskriterium vom Gesetzgeber weiterhin erstrebt war.92 Mit Hilfe beider Terminologien „[…] sollen so auf [der] Ebene der Haftungsbegründung offensichtlich unbegründete Ansprüche ausgeschieden werden.“93 In beide
85 Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 201; vgl. auch Ulshöfer, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 25 Rn. 16. 86 Auch nach Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 55 soll „die konkrete Möglichkeit eines Schadenseintritts“ für die Kartellbetroffenheit ausreichen. Allerdings beziehen diese sich insoweit auf zwei gerichtliche Entscheidungen, die die „tatsächliche Betroffenheit“ i. S. d. BGH-Rechtsprechung thematisieren. Vgl. auch Galle, NZKart 2016, 214, 216 („theoretische Möglichkeit“). 87 Zum Beseitigungsanspruch Fritzsche, WRP 2006, 42, 48; in Anknüpfung daran zum Schadensersatzanspruch Meeßen, Anspruch auf Schadensersatz, S. 177. Vgl. auch Otto, ZWeR 2019, 354, 363. 88 Vgl. Fritzsche, WRP 2006, 42, 48 ff.; Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 200; Meeßen, Anspruch auf Schadensersatz, S. 177 ff.; Otto, ZWeR 2019, 354, 363 ff. 89 BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 22 ff. – Schienenkartell II. 90 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BTDrs. 15/5049, S. 49; vgl. auch Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 225. 91 Ohlhoff, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 120. 92 Ähnlich Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 225. 93 Otto, ZWeR 2019, 354, 381.
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Begrifflichkeiten fließen zudem Aspekte der Anspruchsberechtigung und der Kausalität mit ein.94 Es gibt jedoch auch dogmatische Überlegungen, die gegen eine Übereinstimmung sprechen. Der BGH verlangt hinsichtlich der „tatsächlichen Betroffenheit“ einen Kausalzusammenhang zwischen dem mutmaßlich schädigenden Ereignis und ebendiesem Betroffensein, wohingegen Betroffenheit im Sinne des GWB einen Zusammenhang zwischen Verstoß und Beeinträchtigung verlangt und gerade diese kausale Verknüpfung dann als Betroffenheit bezeichnet. Diese dogmatische Feinheit kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass faktisch zwischen den beiden Betroffenheitsprüfungen beim kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch kaum ein Unterschied besteht. Für diesen Fall sollte deshalb keine zusätzliche Prüfung der „tatsächlichen Betroffenheit“ erfolgen, sondern vielmehr geht dieses Kriterium in der Kartellbetroffenheit auf.95 Indes darf dies nicht dazu führen, dass die Anforderungen an die Kartellbetroffenheit überstrapaziert werden. Die Frage nach der Möglichkeit eines Schadens birgt erneut die Gefahr einer Vermischung von Betroffenheit und Schaden. Soll aber die Betroffenheit einen eigenständigen Anwendungsbereich haben, so muss zwischen der Möglichkeit des Schadens im Rahmen der Betroffenheit und dem eigentlichen Schadenseintritt im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestandes getrennt werden.96 Deshalb sollte der Schwerpunkt einer Prüfung auf der Verletzung des geschützten Interesses liegen.97 Mit dem Erfordernis einer Verletzung der Handlungsfreiheit wird zwar in gewisser Weise eine Primärschädigung geschaffen, wo eigentlich keine besteht.98 Die Rechtsprechung des BGH zur „tatsächlichen Betroffenheit“ ist deshalb durchaus kritisch zu sehen. Für den kartellrechtlichen 94 Vgl. auch zum GWB Fritzsche, WRP 2006, 42, 46; im Kontext der Entscheidungen zur „tatsächlichen Betroffenheit“ Gollan/Thiede, NZKart 2018, 338, 339. 95 So im Ergebnis wohl auch Fritzsche/Klöppner/M. Schmidt, NZKart 2016, 412, 415; Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 201; Stancke, NZKart 2017, 636, 637 f.; a. A. FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 24 u. 89 Fn. 5; W.-H. Roth, FS K. Schmidt, 257, 259 Fn. 19; anders wohl auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 60 ff. u. S. 121 ff. und Ulshöfer, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 25 Rn. 9 ff., Ohlhoff, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 119 ff., die Betroffenheit i. S. d. GWB und der BGH-Rechtsprechung nicht miteinander in Bezug setzen, sondern in unterschiedlichen Abschnitten problematisieren. 96 Anders Görner, Die Anspruchsberechtigung der Marktbeteiligten nach § 33 GWB, S. 183 ff.; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 123. 97 So wohl auch Otto, WuW 2020, 519, 521. 98 Darauf weist auch Otto, ZWeR 2019, 354, 381 hin. Dieser sieht in § 33a I GWB n. F. einen „echten“ zweistufigen Deliktstatbestand. Hiernach soll der Primärschaden mit der Beeinträchtigung in § 33 III GWB n. F. beschrieben werden (S. 378 f.). Diejenige Person, die als „Betroffener“ den Primärschaden erleidet und diejenige, bei der der sekundäre Vermögensschaden eintritt, können auseinander fallen (S. 379 f.). Nach der Rspr. des BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 25/14, BGHZ 211, 146, Rn. 42 f. – Lottoblock II u. Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 25 u. 29 – Schienenkartell II, bedarf es einer primären Rechtsgutsverletzung ausdrücklich nicht.
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Schadensersatzanspruch, der das Erfordernis der Betroffenheit ausdrücklich normiert, macht sie dieses Kriterium aber fassbarer. Darüber hinaus kann sie dazu beitragen, der fragwürdigen Tendenz zur Vermischung von Schaden und Betroffenheit entgegenzuwirken. Ist der Marktbeteiligte durch den Kartellrechtsverstoß in seiner wettbewerblichen bzw. wirtschaftlichen Handlungsfreiheit verletzt und damit beeinträchtigt, so ist er als Betroffener zu qualifizieren. Insoweit scheiden über das Kriterium der Betroffenheit nur erkennbar unbegründete Ansprüche aus („[…] haftungsbegrenzende Restfunktion […]“99).100 bb) Das Verhältnis zur Kartellbefangenheit Es stellt sich damit abschließend die Frage, ob die Kartellbefangenheit des konkreten Rechtsgeschäftes für die Bejahung der Betroffenheit erforderlich ist. Auch die Kartellbefangenheit wird häufig als Kartellbetroffenheit (des Beschaffungsvorganges) bezeichnet.101 Fordert man diese bereits als Voraussetzung zur Bejahung der Betroffenheit im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013, so erscheint eine exakte Differenzierung nicht zwingend. Zu Gunsten der Unterscheidbarkeit von der Betroffenheit des potentiell Anspruchsberechtigten empfiehlt sich dennoch die Bezeichnung der Kartellbefangenheit für den bzw. des konkreten Erwerbsvorgang(-es).102 Die Beantwortung der Frage wird dadurch erschwert, dass kein einheitliches Verständnis der Kartellbefangenheit des Beschaffungsvorganges existiert. Muss das Kartell den Beschaffungsvorgang nur beeinflusst haben oder bedarf es einer abgestimmten Umsetzung der (Grund-)Absprache im konkreten Einzelfall? An dieser Stelle soll die Kartellbefangenheit so aufgefasst werden, dass es für diese genügt, dass der konkrete Beschaffungsvorgang unter dem Einfluss der Kartellabrede stand. Denn bedarf es für die Bejahung der Betroffenheit im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013 nicht der Einflussnahme auf den konkreten Beschaffungsvorgang, so bedarf es erst recht keiner Umsetzung. Auf Einzelheiten zur Kartellbefangenheit soll an späterer Stelle eingegangenen werden.103 Zum Merkmal der Kartellbefangenheit hat der BGH in der Entscheidung Schienenkartell II ebenfalls Stellung genommen:
99
Schüssel-Kohlhäufl, Struktur des Delikts, S. 18. Eine solch weite Auslegung des Merkmals dürfte damit auch bei einem Verstoß gegen Art. 101 bzw. Art 102 AEUV wohl nicht zu einer Beeinträchtigung der wirksamen Anwendung dieser Artikel führen und damit in Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben zu bringen sein. Vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 23 f. – Schienenkartell II; Petzold/Steinle, NZKart 2020, 176, 177; weitergehend wohl Otto, ZWeR 2019, 354, 372 ff.; Weitbrecht, NZKart 2020, 106. 101 Vgl. nur BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 59 ff. – Schienenkartell, der Kartellbefangenheit und Kartellbetroffenheit synonym verwendet. 102 Dworschak/Jopen, NZKart 2019, 126, 127. 103 Vgl. S. 64 ff. 100
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„Zur Ermittlung der haftungsbegründenden Kausalität muss hingegen nicht festgestellt werden, ob sich die Kartellabsprache auf den in Rede stehenden Beschaffungsvorgang, auf den der Anspruchsteller sein Schadensersatzbegehren stützt, tatsächlich ausgewirkt hat und das Geschäft damit in diesem Sinn ›kartellbefangen‹ [sic] war […]. Auf eine solche ,Kartellbefangenheit‘[sic] des Erwerbsvorgangs kommt es im Rahmen der Prüfung des haftungsbegründenden Tatbestands eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs damit nicht an.“104
Die grundsätzliche Bedeutung der Kartellbefangenheit soll im Folgenden näher beleuchtet werden. Das Kriterium ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz.105 Ein Rechtsgeschäft zur grundsätzlichen Voraussetzung für den Anspruch aus § 33 III 1 i. V. m. I GWB 2013 zu machen, wäre wenig überzeugend, handelt es sich bei diesem doch um einen deliktischen Schadensersatzanspruch, welcher gerade unabhängig vom Abschluss eines Vertrages besteht. Beim kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch des unmittelbaren Abnehmers liegt der Fall nun aber so, dass dieser als solcher gerade nur qualifiziert werden kann, sofern er vom Kartellanten Waren oder Dienstleistungen bezogen, also mit diesem kontrahiert hat.106 Darüber hinaus setzt zumindest die Entstehung eines Preisüberhöhungsschadens einen Bezugsvorgang des Abnehmers bzw. einen Vertragsschluss voraus.107 Vertragliche Elemente spielen beim Schadensersatzanspruch aus § 33 III 1 i. V. m. I GWB 2013 damit durchaus eine Rolle. Gleichzeitig gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass durch das Kriterium der Betroffenheit der Anspruchsberechtigte sowie die haftungsbegründende Kausalität ermittelt werden sollen. Der Prüfung der Kartellbefangenheit des konkreten Rechtsgeschäfts im Rahmen der Betroffenheit bedarf es also nur, sofern diese auch der Ermittlung des Aktivlegitimierten bzw. der Ursächlichkeit im Sinne der haftungsbegründenden Kausalität dient.108 Für die Qualifizierung des Klägers als Marktbeteiligter im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013 ist dessen Einordnung als unmittelbarer Abnehmer und damit der Nachweis erforderlich, dass dieser „[…] Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht waren, unmittelbar vom Rechtsverletzter erworben hat […]“109. Dies kann dem unmittelbaren Abnehmer durch den Nachweis des konkreten Vertragsschlusses gelingen. Welche Waren oder Dienstleistungen Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, ergibt sich grundsätzlich 104
BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 26 – Schienenkartell II. Vgl. auch Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 198. 106 Ähnlich Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 72 zum GWB n. F., die allerdings Aktivlegitimation und Kartellbefangenheit getrennt voneinander prüfen. 107 Vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 26 – Schienenkartell II; Otto, ZWeR 2019, 354, 368 (zu § 33a I GWB n. F.); Thole, NZKart 2020, 227, 228. 108 Anders, wenn man (so wohl Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 72 f. zum GWB n. F.) die Kartellbefangenheit als von der Aktivlegitimation losgelöste Voraussetzung des Haftungsgrundes auffasst. 109 Art. 2 Nr. 23 der Richtlinie. 105
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bereits im Kontext der Ermittlung des Kartellverstoßes.110 Es ist hierfür aber nicht erforderlich, dass der unmittelbare Abnehmer nachweist, dass das konkrete Rechtsgeschäft in dem Sinne kartellbefangen war, dass die Kartellgrundabsprache sich auch auf das konkrete Rechtsgeschäft ausgewirkt hat.111 Des Weiteren ist erforderlich, dass der unmittelbare Abnehmer durch den Verstoß beeinträchtigt ist. Diese geforderte Beeinträchtigung bezieht sich explizit auf die Person des Aktivlegitimierten, meint also nicht zwangsläufig den bereits erfolgten Eintritt nachteiliger Wirkungen durch den konkreten Beschaffungsvorgang. Eine Beeinträchtigung des unmittelbaren Abnehmers liegt schon dann vor, wenn durch den Verstoß für ihn nachteilige Folgen eintreten konnten, er also bereits in seiner Handlungsfreiheit verletzt ist. Für diese Möglichkeit eines Schadens der unmittelbaren Abnehmer genügt, dass die „[…] Personen […] unmittelbar mit einem Kartellbeteiligten kontrahiert haben, und zwar (1) während der Dauer eines Kartells auf dem (2) räumlich und (3) sachlich relevanten Markt des Kartells.“112 Hat der unmittelbare Abnehmer im räumlichen Bezugs- und Zeitraum der Kartellabsprache Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, nachgewiesenermaßen bezogen, so kann dieses Rechtsgeschäft auch von den Wirkungen der Kartellabrede erfasst sein, mithin besteht bereits die konkrete Möglichkeit eines Schadens.113 Denn insoweit ist bereits die Entschlussfreiheit des Abnehmers verletzt, da schon das Kartell als solches ein für den Abschluss des Vertrages relevanter Umstand ist.114 Auch für die Beeinträchtigung ist also nicht erforderlich, dass der unmittelbare Abnehmer den Beweis führt, dass das konkrete Rechtsgeschäft auch kartellbefangen war. Ob die Kartellabsprache auf den konkreten Bezugsvorgang tatsächlich Einfluss genommen hat, der Abnehmer also einen erhöhten (Kartell-)Preis für den Gegenstand tatsächlich zahlte und diese Preiserhöhung auch ursächlich auf den Verstoß zurückzuführen ist, ist eine Frage des haftungsausfüllenden Tatbestandes.115 110 Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 109 (Bindungswirkung über § 33 IV GWB 2013). 111 Vgl. auch BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 26 – Schienenkartell II. Der BGH arbeitet jedoch nicht mit der Definition des § 33 I 3 GWB 2005/2013. 112 Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 199. 113 Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 74. 114 Vgl. Dreher, FS Canenbley, 167, 171 (allerdings in einem anderen Zusammenhang). Vgl. auch Stancke, NZKart 2017, 636, 638, der für den unmittelbaren Abnehmer etwa eine Beeinträchtigung der Auswahlfreiheit annimmt. Auf die Auswahlfreiheit stellen auch Otto, ZWeR 2019, 354, 366 und W.-H. Roth, FS Schroeder, 709, 710 für den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch bei einem Verstoß gegen § 1 GWB oder Art. 101 AEUV ab. 115 Ähnlich BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 26 f. – Schienenkartell II; Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2019, 363, 367; Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196; Otto, ZWeR 2019, 354, 368; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 89; Stock, Der Schadensnachweis bei Hardcore-Kartellen, S. 265 f. A. A. noch BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 59 ff. – Schienenkartell, allerdings unter Bezugnahme auf die „Lottoblock II“-Entscheidung, welche nicht die Kartellbefangenheit der Beschaffungsvorgänge,
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c) Fazit Betroffen im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013 GWB ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist. Dieses Betroffenheitskriterium ist auch als Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch aus § 33 III 1 GWB 2013 zu fordern. Das Merkmal vereint die Ermittlung des Anspruchsberechtigten mit Elementen der Kausalität. Die vom BGH zur Abgrenzung des Bereichs des § 286 ZPO von dem des § 287 ZPO entwickelte Betroffenheitsprüfung geht beim kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch in ebendiesem Merkmal der Kartellbetroffenheit auf. Für die Konstellation der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches durch einen unmittelbaren Abnehmer ergeben sich folgende Voraussetzungen: Für die Qualifizierung des Klägers als Marktbeteiligter im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013 ist dessen Einordnung als unmittelbarer Abnehmer und damit der Nachweis erforderlich, dass dieser potentiell kartellbefangene Waren oder Dienstleistungen direkt von einem Kartellanten erworben hat. Damit ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob diese auch im konkreten Einzelfall zum Kartellpreis veräußert wurden. Für die ursächlich auf den Verstoß zurückzuführende Beeinträchtigung bedarf es der Feststellung, dass durch diese Zuwiderhandlung für den unmittelbaren Abnehmer nachteilige Folgen in Form eines Schadens eintreten können. Diese Möglichkeit des Schadens besteht bei Verletzung der wettbewerblichen bzw. wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des konkreten Abnehmers. Dies ist beim unmittelbaren Abnehmer dann der Fall, wenn er im zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich des Kartells Waren oder Dienstleistungen bezogen hat, die Gegenstand der Kartellgrundabsprache waren. Für die Betroffenheit bedarf es allerdings nicht bereits des Nachweises, dass die Kartellabsprache, verstanden als Grundabsprache, bei dem konkreten Vertragsschluss auch umgesetzt wurde bzw. auf diesen Einfluss genommen hat. Die in diesem Sinne verstandene Kartellbefangenheit des Rechtsgeschäftes ist damit kein Merkmal des Haftungsgrundes, sondern erlangt erst im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestandes Bedeutung. Ein solches Verständnis entbindet den Abnehmer damit im Rahmen des haftungsbegründenden Tatbestandes von dem, aufgrund des Beweismaßes des § 286 ZPO schwierig zu führenden, Nachweis des Zusammenhanges zwischen der Kartellabrede und dem einzelnen, nachteiligen Beschaffungsvorgang.
sondern die Betroffenheit der Person betraf. Hierauf weisen schon Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 197 hin. Der BGH hält hieran nach neuerer Rspr. ausdrücklich nicht fest („Schienenkartell II“, Rn. 26 a. E.). A. A. auch Fuchs, in: Fuchs/Weitbrecht, PrivKartellRDurchs.-HdB, § 4 Rn. 29 ff.; ebenso wohl Stancke, NZKart 2017, 636, 638; Thole, NZKart 2020, 227, 231. A. A. wohl auch Schüssel-Kohlhäufl, Struktur des Delikts, S. 23 (Kartellbefangenheit als Synonym für die Kartellbetroffenheit).
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2. Haftungsausfüllender Tatbestand Auch für den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch gemäß § 33 III i. V. m. I GWB 2013 i. V. m. der jeweils einschlägigen Verbotsnorm richtet sich die Haftungsausfüllung nach den §§ 249 ff. BGB.116 Dabei gilt es zunächst zwischen den verschiedenen Arten von Schäden zu differenzieren. a) Positiver Schaden und entgangener Gewinn Eine solche Differenzierung erfolgt im Kartellrecht oftmals durch die Einteilung in positiven Schaden (damnum emergens) und entgangenen Gewinn (lucrum cessans).117 Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine exakte Abgrenzung zwischen den Positionen im Allgemeinen nicht möglich ist.118 Zum positiven Schaden soll dabei insbesondere der Preisüberhöhungsschaden zählen, das heißt diejenige Vermögenseinbuße, die der Abnehmer dadurch erleidet, dass er für die kartellbetroffene Ware bzw. Dienstleistung mehr zahlen muss als bei Marktverhältnissen ohne den entsprechenden Kartellverstoß.119 „Der […] für das Kartell ermittelte Preisaufschlag pro Produkt, multipliziert mit der Anzahl der erworbenen Produkte[…]“120 entspricht dabei dem Preisüberhöhungsschaden des unmittelbaren Abnehmers.121 Beim mittelbaren Abnehmer hingegen entsteht der Preisüberhöhungsschaden erst durch die Weiterwälzung des Preisaufschlages ausgehend vom unmittelbaren Abnehmer. Der individuelle Preisüberhöhungsschaden des Erstgenannten hängt davon ab, ob Letztgenannter die unmittelbar durch den Kartellverstoß bewirkte Preiserhöhung ganz oder nur teilweise weitergeben hat.122 Genau genommen ist damit der Begriff der „Schadensabwälzung“ ungenau, da nicht der individuelle Schaden vom unmittelbaren auf den mittelbaren Abnehmer abgewälzt wird, sondern der Preisaufschlag.123 In jedem Fall gilt es aber, für die Ermittlung des Preisüberhöhungsschadens die kartellbedingte Preiserhöhung festzustellen. In Abgrenzung hierzu ist als entgangener Gewinn dagegen derjenige Schaden zu qualifizieren, den der Abnehmer dadurch erleidet, dass er seine eigenen Preise kartellbedingt erhöht, was wiederum dazu führt, dass die Nachfrage auf dem 116
Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 83. So bspw. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 83 f.; Schwalbe, NZKart 2017, 157. 118 Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 2 II; Staudinger/Schiemann, § 252 BGB Rn. 6. 119 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 83; Kling/Thomas, Kartellrecht, § 23 Rn. 44. 120 Gotting, Voluntary Redress Schemes, S. 130 f. 121 Vgl. Gotting, Voluntary Redress Schemes, S. 130 f.; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 420. 122 Vgl. auch Gotting, Voluntary Redress Schemes, S. 131. 123 Vgl. insoweit auch Triantafyllidis, Die Einordnung der Passing-On-Defense, S. 270: „[…] ein Schaden [entsteht] immer subjektbezogen […].“ 117
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nachfolgenden Absatzmarkt zurückgeht.124 Daneben kann eine Reduzierung des Absatzes ohne abnehmerbedingte Preiserhöhung eintreten, indem der Abnehmer selbst weniger Produkte vom Kartellanten aufgrund der gestiegenen Preise erwirbt und dadurch wiederum weniger absetzen kann.125 Mit jeder nicht abgesetzten Produkteinheit büßt der Abnehmer auch seine Marge ein, verliert mithin erwarteten Gewinn.126 Die Annahme eines entgangenen Gewinns setzt somit einerseits eine Einbuße von Absatzmenge und anderseits eine im kartellfreien Zeitraum erzielte positive Marge voraus.127 Beim unmittelbaren Abnehmer gilt es zusätzlich die Besonderheiten zu berücksichtigen, die daraus resultieren, dass dieser einen Vertrag mit einem Kartellteilnehmer abgeschlossen hat. Streng genommen liegt hier der Schaden in dem Abschluss eines unliebsamen Vertrages, da der unmittelbare Abnehmer bei Kenntnis der Beteiligung seines Vertragspartners an einem Kartell den Vertrag wohl nicht oder jedenfalls nicht zu den getroffenen Konditionen abgeschlossen hätte.128 So könnte man sich fragen, ob über § 33 III i. V. m. I GWB 2013 i. V. m. der Verbotsnorm auch eine Aufhebung des nachteiligen Vertrages erreicht werden kann.129 Regelmäßig wird der unmittelbare Abnehmer jedoch nicht durch den Kartellverstoß zum Abschluss des Vertrages veranlasst, sondern es dürfte anzunehmen sein, dass er den Vertrag, wenn schon zum Kartellpreis, erst Recht zum Wettbewerbspreis abgeschlossen hätte.130 Dem Interesse des unmittelbaren Abnehmers entspricht deshalb
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BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 29 – ORWI; Kling/Thomas, Kartellrecht, § 23 Rn. 45. 125 Topel, in: Wiedemann, HdB KartellR3, § 50 Rn. 92; vgl. auch Bulst, NJW 2004, 2201, 2202; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 338. Die reduzierte Nachfrage durch den unmittelbaren Abnehmer kann selbstverständlich auch erst als Konsequenz der durch ihn erfolgten Erhöhung der Preise (und den dadurch bedingten Nachfragerückgang beim mittelbaren Abnehmer) eintreten. 126 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 36. 127 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 36 f. u. 441. 128 Ähnliche Überlegungen, allerdings im Kontext einer denkbaren Anfechtung der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung Dreher, FS Canenbley, 167, 173. 129 Vgl. auch Mailänder, Privatrechtliche Folgen unerlaubter Kartellpraxis, S. 184 (zu § 35 GWB 1957). Zur (alternativen) Möglichkeit der Anfechtung der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung vgl. Dreher, FS Canenbley, 167; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 582 ff.; Kahle, Die Leistungskondiktion als Alternative zum Kartellschadensersatzanspruch, S. 94 ff. 130 Ähnlich Kahle, Die Leistungskondiktion als Alternative zum Kartellschadensersatzanspruch, S. 17. Anderes ist z. B. im Falle einer Kundenschutzabsprache denkbar, bei der der Stammlieferant nur aufgrund des fehlenden Wettbewerbs unter den Bewerbern den Auftrag bekommt. Vgl. hierzu bspw. die Darstellung einer Absprachepraxis durch das OLG München Urt. v. 8.3.2018 – U 3497/16 Kart, juris-Rn. 54 – Schienenkartell (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen) (juris).
62
C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
im Regelfall die Herstellung des Zustandes bei Wettbewerb und nicht die Beseitigung des nachteiligen Vertrages.131 b) Schadenseintritt Hinsichtlich des Schadens gilt es zwischen dem „Ob“, also dem Eintritt des Schadens, und dessen Höhe zu differenzieren. Auch hier fällt eine strikte Abgrenzung schwer. Beispielsweise dient die den Ausgangspunkt einer Schadensermittlung im Sinne des § 249 I BGB bildende Differenzhypothese durch den Vergleich der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage ohne das schädigende Ereignis nicht nur der Beantwortung der Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, sondern gleichzeitig auch der Ermittlung einer bestimmten Schadenshöhe.132 Eine exakte Differenzierung verliert allerdings vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH in der Sache Lottoblock II insofern an Bedeutung, als nach Ansicht des Senats § 287 I ZPO sowohl für die Schadenshöhe als auch den Schadenseintritts gilt.133 Dies war zuvor nicht unumstritten, da in Teilen der Literatur und der instanzgerichtlichen Rechtsprechung für eine Anwendung des § 286 ZPO hinsichtlich des „Ob“ des Schadens plädiert wurde.134 Diese unterschiedliche Beurteilung hängt abermals mit der bereits unter dem Gesichtspunkt der Betroffenheit diskutierten und grundsätzlich schwierig zu beantwortenden Frage zusammen, welche Elemente eines Schadensersatzanspruches der haftungsbegründenden und welche der haftungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen sind, sofern es sich um reine Vermögensschäden handelt, die nicht durch eine primäre Rechts(guts-)verletzung wie zum Beispiel bei § 823 I BGB vermittelt werden.135 Die Annahme des reduzierten Beweismaßes des § 287 I ZPO beim kartellrechtlichen Schaden dürfte dabei dem grundsätzlichen Bestreben entsprechen, dem Abnehmer die Geltendmachung seines Schadensersatzanspruches zu erleichtern.136 131 Vgl. auch Kahle, Die Leistungskondiktion als Alternative zum Kartellschadensersatzanspruch, S. 17; Mailänder, Privatrechtliche Folgen unerlaubter Kartellpraxis, S. 184. Diese Schlussfolgerung lässt auch die regelmäßig beantragte Zahlung eines Ersatzes für einen Preisüberhöhungsschaden zu. Vgl. nur KG Berlin Urt. v. 1.10.2009 – 2 U 17/03 Kart, jurisRn. 4 – Transportbeton (juris); OLG München Urt. v. 8.3.2018 – U 3497/16 Kart, jurisRn. 7 ff. – Schienenkartell (juris); LG München I Urt. v. 27.7.2016 – 37 O 24526/14, jurisRn. 4 – Schienenkartell (juris). 132 MüKoBGB/Oetker, § 249 Rn. 18; vgl. auch die Ausführungen bei Stock, Der Schadensnachweis bei Hardcore-Kartellen, S. 262 m. w. N. 133 BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 25/14, BGHZ 211, 146, Ls. u. Rn. 41 ff. – Lottoblock II. 134 So LG Düsseldorf Urt. v. 19.11.2015 – 14d O 4/14, juris-Rn. 212 ff. – Autoglaskartell (juris); Galle, NZKart 2016, 214, 215 f.; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 121 ff. (anders die 2. Aufl.: Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 142); Ohlhoff, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 121 ff. 135 Vgl. nur MüKoZPO/Prütting, § 287 Rn. 9 ff.; Stein/Jonas/Thole, § 287 ZPO Rn. 14 ff. Siehe schon oben S. 49 f. 136 So wohl BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 25/14, BGHZ 211, 146, Rn. 45 – Lottoblock II.
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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Zwar erscheint diese Intention nicht unproblematisch, jedoch ist die gezogene Schlussfolgerung (die Annahme des § 287 I ZPO) folgerichtig, wenn man sich die bereits angesprochenen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Eintritt und Höhe des Schadens vergegenwärtigt. Würde man hier ein unterschiedliches Beweismaß annehmen, so würde dies zu einer Aufspaltung hinsichtlich einzelner Feststellungen in Bezug auf den Schaden zwingen, die in der Praxis schwerlich durchführbar ist und die ohnehin schwierige und komplexe Beweiserhebung im kartellrechtlichen Schadensersatzprozess weiter verschärfen dürfte.137 Darüber hinaus wird diese Einordnung gewissermaßen dadurch vorgezeichnet, dass der BGH auch beim kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch eine Abgrenzung des Bereichs des § 286 ZPO vom § 287 ZPO in der Lottoblock II-Entscheidung mithilfe des Kriteriums der „tatsächlichen Betroffenheit“ sowie in der Schienenkartell II-Entscheidung ähnlich dieser „tatsächlichen Betroffenheitsprüfung“ vollzieht.138 Der Bereich des § 286 ZPO reicht, wie bereits ausgeführt, nur bis zu dem Nachweis, dass der Anspruchssteller durch den (Kartell-)Verstoß so beeinträchtigt worden ist, dass nachteilige Folgen in Form eines Schadens entstehen konnten.139 „Danach beginnt der Bereich des § 287 ZPO. Ob und welche nachteiligen Folgen durch diesen Verstoß entstanden sind, unterliegt der nach dieser Bestimmung erleichterten Beweisführung.“140 Lässt man mit der hier vertretenen Ansicht diese Rechtsprechung im Merkmal der Kartellbetroffenheit im Sinne des GWB aufgehen, so kann die Frage nach dem Eintritt des Schadens somit nur in den Geltungsbereich des § 287 I ZPO fallen. Dabei kann es im Kartellschadensersatzprozess für die Partei, insbesondere den Kläger, schwierig sein, das geforderte Beweismaß mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen. Rechtsprechung und Literatur arbeiten deshalb beim kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch mit Anscheinsbeweisen bzw. tatsächlichen Vermutungen, die im Rahmen der Beweiswürdigung zu beachten sind.141 Hierbei offenbart sich erneut die Schwierigkeit, den Kausalzusammenhang im Rahmen eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruches nachzuweisen.
137
Vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 29.1.2014 – VI-U (Kart) 7/13, juris-Rn. 80 – Intertemporales Verjährungsrecht (juris). 138 Vgl. BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 25/14, BGHZ 211, 146, Rn. 43 – Lottoblock II u. BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 25 – Schienenkartell II. Vgl. zum Ganzen schon oben S. 48 ff. 139 Vgl. S. 48 ff. 140 BGH, Urt. v. 28.4.1982 – IV a ZR 8/81, ZIP 1982, 742, 743. 141 Ob der Anscheinsbeweis bei der richterlichen Beweiswürdigung zu verorten ist, ist umstritten. Vgl. hierzu nur MüKoZPO/Prütting § 286 Rn. 53 ff. Zur tatsächlichen Vermutung: OLG Düsseldorf Beschl. v. 3.7.2009 – I-24 U 34/09, NJW-RR 2009, 1645, 1648.
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
aa) Kartellbefangenheit des Beschaffungsvorganges Geht man mit der hier vertretenen Ansicht davon aus, dass die Kartellbefangenheit des Beschaffungsvorganges für den Haftungsgrund nicht vorliegen muss, so kann diese dennoch für den Kausalzusammenhang zwischen Haftungsgrund und Schaden relevant werden. Denn ein Schadensersatzanspruch besteht nur, wenn der gesamte Kausalzusammenhang ausgehend vom Kartellverstoß bis hin zum Schaden des konkreten unmittelbaren Abnehmers nachgewiesen werden kann. Der Begriff der Kartellbefangenheit beschreibt dabei die Frage, „[…] ob sich die Kartellabsprache auf den in Rede stehenden Beschaffungsvorgang, auf den der Anspruchsteller sein Schadensersatzbegehren stützt, tatsächlich ausgewirkt hat […].“142 Allerdings besteht kein einheitliches Verständnis darüber, welche Anforderungen an diese „Auswirkung“ zu stellen sind. Der BGH in der Entscheidung Schienenkartell (I) und mit ihm Teile der Rechtsprechung verlangen für die Kartellbefangenheit, dass die Kartellabrede beim Abschluss des konkreten Rechtsgeschäftes umgesetzt wurde.143 Das Erfordernis der Umsetzung ist so zu verstehen, dass eine abstrakte (Grund-)Absprache im konkreten Fall verwirklicht worden ist.144 Es ist jedoch nicht zwingend, dass das infrage stehende Rechtsgeschäft Gegenstand einer expliziten (Kartell-)Absprache war.145 Dennoch erscheint ein derartiges, generelles Verständnis der Kartellbefangenheit problematisch. Die grundsätzliche Schwierigkeit liegt dabei im Nachweis der Umsetzung.146 Es handelt sich hierbei um Vorgänge aus dem „inneren Bereich“ des Beklagten bzw. der Beklagten, die dem Kläger nicht bzw. nicht ohne weiteres zugänglich sind.147 Hierbei werden Überlegungen relevant, die schon zur Abkehr vom Zielgerichtetheitserfordernis geführt haben. Schon damals wurde es als unbillig angesehen, dass über diese Anforderung umfangreiche Kartellabsprachen gegenüber solchen Absprachen, die gezielt bestimmte Marktteilnehmer beeinträchtigen sollten, gewissermaßen privilegiert wurden, weil im erstgenannten Fall das Nichtvorliegen der Zielgerichtetheit
142 BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 26 – Schienenkartell II. So wohl auch Otto, ZWeR 2019, 354, 387. 143 BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 62 – Schienenkartell; OLG Düsseldorf Urt. v. 23.1.2019 – VI-U (Kart) 18/17, NZKart 2019, 157, 162 f. – Schienenkartell; LG Berlin Urt. v. 6.8.2013 – 16 O 193/11 Kart, juris-Rn. 50 – Fahrtreppen (juris). 144 Vgl. LG Berlin Urt. v. 6.8.2013 – 16 O 193/11 Kart, juris-Rn. 50 – Fahrtreppen (juris). Vgl. auch Stock, Der Schadensnachweis bei Hardcore-Kartellen, S. 266. 145 Vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 75 – Schienenkartell. So auch OLG Karlsruhe Urt. v. 9.11.2016 – 6 U 204/15 Kart (2), juris-Rn. 64 – Grauzementkartell (juris); Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 72. 146 Vgl. auch Wagner, JZ 2019, 470, 471. 147 Vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 23.1.2019 – VI-U (Kart) 18/17, NZKart 2019, 157, 162 f. – Schienenkartell; Wagner, JZ 2019, 470, 471.
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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zu einer Verneinung des Anspruches des Abnehmers führte.148 Auch die Kartellbefangenheit des konkreten Beschaffungsvorganges wirft nun erneut die Problematik auf, dass bei weitreichenden Kartellabsprachen, also solchen, die eigentlich besonders sanktionsbedürftig sind, der Nachweis der Umsetzung dieser Absprache in dem einzelnen, mit dem Abnehmer geschlossenen Rechtsgeschäft dem Kläger besonders schwer fallen dürfte. Darüber hinaus bedarf es des Nachweises der Kartellbefangenheit, verstanden als Umsetzung der Kartellabrede beim Abschluss des konkreten Rechtsgeschäftes, auch gar nicht, um den Kausalzusammenhang festzustellen. Denn nur in den Fällen, in denen die Kartellanten ausdrücklich eine Preisabsprache treffen (zum Beispiel eine Preissteigerung um einen festgelegten Prozentsatz hinsichtlich eines bestimmten Produktes)149, führt die Umsetzung der Kartellabsprache im konkreten Rechtsgeschäft auch unmittelbar zu einer Preiserhöhung.150 Bei anderen Kartellformen erfolgt diese Preiserhöhung erst mittelbar, beispielsweise hat der Kartellteilnehmer bei erfolgter Marktaufteilung in Form eines Quotenkartells „[…] (1.) einen geringeren Anreiz zur Senkung seiner Preise, weil er sich durch die Preissenkung ohnehin keine zusätzlichen Marktanteile erschließen kann, und (2.) größere Möglichkeit, seine Preise zu erhöhen, weil er nicht Gefahr läuft, durch die Preiserhöhung Marktanteile an seine Wettbewerber zu verlieren […]“151,
so dass die Aufteilung regelmäßig eine Erhöhung der Preise nach sich zieht.152 Entscheidendes Kriterium ist also nicht die Umsetzung der Kartellabsprache, sondern, dass die bei dem bezogenen Produkt festgestellte Preiserhöhung auch auf das Kartell zurückzuführen, das Rechtsgeschäft also dergestalt kartellbefangen ist, dass die Kartellabsprache Einfluss auf die Preisbildung des konkreten Beschaffungsvorganges genommen hat.153 Dies deckt sich mit Überlegungen zu Schadensersatzansprüchen bei Kunden von Kartellaußenseitern. Bei diesen kann die Kartellabrede aufgrund der mangelnden Beteiligung des Kartellaußenseiters am Kartell im konkreten Rechtsgeschäft nicht 148 BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 53; Ulshöfer, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 25 Rn. 5. 149 Vgl. z. B. OLG Karlsruhe Urt. v. 10.4.2019 – 6 U 126/17 Kart, juris-Rn. 8 ff. – Maschinengeschirrspülmittelkartell (juris). 150 Vgl. Richter, NZKart 2019, 90, 91; allgemein (ohne Bezug zur Umsetzung im konkreten Rechtsgeschäft) Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 17 ff. 151 KG Berlin Urt. v. 1.10.2009 – 2 U 17/03 Kart, juris-Rn. 58 – Transportbeton (juris); LG Stuttgart Urt. v. 19. 7. 2018 @ 30 O 33/17, juris-Rn. 77 – LKW-Kartell (juris). Vgl. auch OLG München Urt. v. 8.3.2018 – U 3497/16 Kart, juris-Rn. 74 f. – Schienenkartell (juris). 152 Zum Ganzen Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 19 f. 153 So im Ergebnis wohl auch OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), jurisRn. 53 – Feuerwehrfahrzeuge (juris); LG Hannover, Urt. v. 31.5.2016 – 18 O 418/14, BeckRS 2016, 12506 unter I. 3. b) – Spanplattenkartell; LG Dortmund Urt. v. 21.12.2016 – 8 O 90/14 (Kart), juris-Rn. 113 ff. (insb. auch Rn. 126) – Schienenkartell (juris); Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 124 (i. R. d. Kartellbetroffenheit).
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
umgesetzt worden sein. Trotzdem kann das Kartell durch die Anhebung des allgemeinen Preisniveaus (infolge eines Preisschirmeffektes) Einfluss auf den vom Kunden zu zahlenden Preis und damit auf das Rechtsgeschäft haben.154 Setzt der Kartellant ausnahmsweise bei einem Rechtsgeschäft die Kartellabsprache nicht um, so kann der vom Abnehmer gezahlte Preis gleichwohl, wie bei einem Kunden des Kartellaußenseiters, durch das kartellbedingt höhere Preisniveau von dem Kartell beeinflusst und das Rechtsgeschäft damit in diesem Sinne dennoch kartellbefangen sein. Auch für diese verursachten Schäden muss der Kartellschädiger gleichwohl haften, da sie kausal auf dem Kartell beruhen.155 Dieses weite Verständnis der Kartellbefangenheit entspricht wohl auch der (unter dem Eindruck der Rechtsprechung des EuGH geänderten)156 Rechtsauffassung des BGH. „Die Frage nach der […] Kartellbefangenheit einzelner Erwerbsvorgänge ist gleichbedeutend mit der für den unionsrechtlich determinierten Schadensersatz maßgeblichen Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Kartellabsprache und dem Vorliegen eines individuellen Schadens. Erweist sich, dass dem Anspruchsteller ein der Kartellabsprache zurechenbarer Schaden entstanden ist, steht zugleich fest, dass sich die verbotene Absprache nachteilig auf das Geschäft, insbesondere auf den gezahlten Preis, ausgewirkt hat. Diese Gesichtspunkte sind im Rahmen der Schadensfeststellung Gegenstand der haftungsausfüllenden Kausalität […].“157
Anderes ist jedoch denkbar, sofern wie in der Entscheidung des BGH zum Schienenkartell (I) eine Schadenspauschalierungsklausel zur Anwendung gelangen soll. Im konkreten Fall lautete diese wie folgt: „,Wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt, hat er 15 v. H. der Abrechnungssumme [ab 2006: der Auftragssumme] [Einschub im Original] an den Auftraggeber zu zahlen, es sei denn, dass ein Schaden in anderer Höhe nachgewiesen wird. […].‘“158
Die Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung einer solchen vertraglichen Schadenspauschalierungsklausel muss dabei von der Frage nach dem Vorliegen der Voraussetzungen des gesetzlichen Schadensersatzanspru-
154
Vgl. LG Dortmund Urt. v. 21. 12. 2016 @ 8 O 90/14 (Kart), juris-Rn. 113 ff. – Schienenkartell (juris); Thiede, NZKart 2017, 68, 70; ausführlich zu den Schäden der Kunden von Kartellaußenseitern Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 401 ff. 155 Vgl. OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), juris-Rn. 56 ff. – Feuerwehrfahrzeuge (juris); LG Dortmund Urt. v. 21. 12. 2016 @ 8 O 90/14 (Kart), juris-Rn. 117 – Schienenkartell (juris); Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 127 ff. 156 Vgl. Petzold/Steinle, NZKart 2020, 176; vgl. auch EuGH, Urt. v. 12.12.2019 – C-435/18, ECLI:EU:C:2019:1069 – Otis u. a. 157 BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 27 – Schienenkartell II. 158 BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Tatbestand – Schienenkartell.
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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ches getrennt werden.159 Die Schadenspauschalierungsklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung bedarf einer objektiven Auslegung, also einer solchen unter Berücksichtigung der Interessen durchschnittlicher Vertragsparteien.160 Der Anwendungsbereich der Klausel würde zum Nachteil des Schädigers überdehnt, sofern er mit der Kartellbefangenheit (entsprechend dem hiesigen Verständnis) als Voraussetzung für den gesetzlichen Schadensersatzanspruch gleichgesetzt würde. Denn die Formulierung „[…] aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen […]“ macht deutlich, dass ein allgemein kartellbedingt erhöhtes Preisniveau nicht genügt. Vielmehr ist der Wortlaut objektiv dahingehend zu verstehen, dass sich der Auftragnehmer bei dem konkreten Auftrag kartellrechtswidrig verhalten haben muss, mithin die bestehende (Grund-)Absprache bei der Abgabe von Angeboten für die Vergabe auch umgesetzt wurde.161 Die Anforderungen für die Anwendung einer solchen Klausel können also höher sein als die gesetzlichen Anforderungen an die Kartellbefangenheit. Dieses Spezifikum bedeutet für den Geschädigten keine unzulässige Einschränkung. Denn kann er nicht nachweisen, dass der zur Entscheidung stehende Sachverhalt die erhöhten Anforderungen der (wirksamen) Klausel erfüllt, so führt dies lediglich zur Nichtanwendung der Klausel, so dass der Geschädigte die Schadenshöhe entsprechend den gesetzlichen Vorgaben nachzuweisen hat. Zudem ist es ihm als Verwender einer solchen Klausel unbenommen, eine offenere Formulierung zu wählen. Es genügt also grundsätzlich, dass der unmittelbare Abnehmer nachweist, dass er für das von ihm erworbene Produkt einen erhöhten Preis gezahlt hat und dass diese Preiserhöhung auf das Kartell zurückzuführen ist, mithin der konkrete Beschaffungsvorgang unter dem Einfluss der Kartellabrede stand.162 Daneben gilt es stets, wie die Schadenspauschalierungsklausel zeigt, die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen.
159 Vgl. nur BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 53 – Schienenkartell II; Thüringer OLG Urt. v. 22.2.2017 – 2 U 583/15 Kart, juris-Rn. 49 f. u. 80 f. – Schienenkartell (juris). 160 StRspr., vgl. allgemein nur BGH, Urt. v. 20.7.2017 – VII ZR 259/16, NJW 2017, 2762, Rn. 19; Franck, ZHR 181 (2017), 955, 963 u. Fn. 42 m. w. N. 161 So wohl auch das Verständnis des BGH in der Entscheidung Schienenkartell (Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 59 ff.). Den Wortlaut solcher Schadenspauschalierungsklauseln (generell) weiter auslegend Thüringer OLG Urt. v. 22.2.2017 – 2 U 583/15 Kart, juris-Rn. 80 f. – Schienenkartell (juris); Franck, ZHR 181 (2017), 955, 963 f.; Immenga/ Mestmäcker/Franck, § 33a GWB Rn. 117. 162 Vgl. auch BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 27 – Schienenkartell II; OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), juris-Rn. 53 – Feuerwehrfahrzeuge (juris); LG Hannover Urt. v. 31.5.2016 – 18 O 418/14, BeckRS 2016, 12506 unter I. 3. b) – Spanplattenkartell; LG Dortmund Urt. v. 21.12.2016 – 8 O 90/14 (Kart), jurisRn. 113 ff. (insb. auch Rn. 126) – Schienenkartell (juris).
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Der Nachweis dessen bleibt indes schwierig. Diese Beweisnot des unmittelbaren Abnehmers ist auch von den Befürwortern des Beweismaßes des § 286 ZPO für die Kartellbefangenheit erkannt worden, weshalb vermehrt mit Anscheinsbeweisen gearbeitet wird bzw. wurde. Da die Statuierung eines Anscheinsbeweises bzw. die Aufstellung einer tatsächlichen Vermutung im Rahmen des § 287 I ZPO gleichermaßen wie im Rahmen des § 286 ZPO erfolgt, lassen sich die im Kontext des § 286 ZPO entwickelten Anscheinsbeweise bzw. tatsächlichen Vermutungen auf § 287 I ZPO grundsätzlich übertragen.163 bb) Anscheinsbeweis und tatsächliche Vermutung: Die Berücksichtigung von Erfahrungssätzen Zumindest bis zur Entscheidung des BGH zum Schienenkartell (I) bestand insbesondere in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vielfach die Auffassung, dass die Grundsätze des Anscheinsbeweises beim kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch im Sinne des GWB zur Anwendung kommen.164 Allerdings existierten bereits zu diesem Zeitpunkt Unterschiede dahingehend, welche Tatsachen überhaupt mittels prima-facie-Beweis nachgewiesen werden sollen.165 (1) Kombination zweier Anscheinsbeweise Häufig wird mit zwei Anscheinsbeweisen („doppelter Anscheinsbeweis“)166 gearbeitet.167 Hiernach soll ein erster Anscheinsbeweis dafür streiten, dass das im konkreten Fall gebildete Kartell „[…] sich allgemein preissteigernd ausgewirkt hat.“168 Bei einem Anscheinsbeweis wird aus dem Feststehen einer Tatsache das Bestehen einer anderen, streitigen Tatsache gefolgert, weil diese im Rahmen eines typischen Geschehensablaufs in Zusammenhang stehen.169 Unter einem typischen Gesche163
Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 142. Vgl. nur die Zusammenfassung der Rspr. zum Anscheinsbeweis bei Thiede/Träbing, NZKart 2016, 422, 424 ff. 165 Vgl. zum Ganzen Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 142 ff., insb. S. 146 ff. 166 Vgl. nur Fritzsche/Klöppner/M. Schmidt, NZKart 2016, 412, 416; Weiss/Sobeck, IR 2019, 140, 141. 167 Vgl. nur OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), juris-Rn. 54 ff. – Feuerwehrfahrzeuge (juris); OLG Karlsruhe Urt. v. 9.11.2016 – 6 U 204/15 Kart (2), jurisRn. 62 ff. – Grauzementkartell (juris); Thüringer OLG Urt. v. 22.2.2017 – 2 U 583/15 Kart, juris-Rn. 64 ff. – Schienenkartell (juris); hierzu auch Thiede/Träbing, NZKart 2016, 422, 424 ff. 168 OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), juris-Rn. 54 – Feuerwehrfahrzeuge (Quotenkartell) (juris); vgl. auch OLG Karlsruhe Urt. v. 9.11.2016 – 6 U 204/15 Kart (2), jurisRn. 63 – Grauzementkartell (Quotenkartell) (juris); Thüringer OLG Urt. v. 22.2.2017 – 2 U 583/ 15 Kart, juris-Rn. 64 – Schienenkartell (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen) (juris). 169 BGH, Urt. v. 11. 12. 2018 @ KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 50 – Schienenkartell; MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 50; Pohlmann, ZPR, Rn. 379. 164
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hensablauf wird „[…] ein sich aus der Lebenserfahrung bestätigender gleichförmiger Vorgang [verstanden], durch dessen Typizität es sich erübrigt, die tatsächlichen Einzelumstände eines bestimmten historischen Geschehens nachzuweisen.“170 Das Bestehen des Kartells ist also ein feststehender Umstand aus dem gefolgert wird, dass dieses sich allgemein preissteigernd auswirkt (streitige Tatsache), weil dies den typischen Effekt eines Kartells darstellt. Teilweise hieran anknüpfend,171 teilweise anscheinend losgelöst von ersterem stehend,172 soll ein zweiter Anscheinsbeweis dafür bestehen, dass auch der einzelne Beschaffungsvorgang kartellbefangen war, soweit das Rechtsgeschäft zwischen Abnehmer und Kartellteilnehmer dem zeitlichen (Kartellzeitraum), sachlichen (kartellierte Waren/Dienstleistungen) und räumlichen (zum Beispiel bundesweite Praktizierung) Anwendungsbereich der Kartellabsprache unterliegt.173 Ob die Anwendung dieses zweiten Anscheinsbeweises erforderlich oder vielmehr entbehrlich ist,174 hängt davon ab, welche Tatsache aus dem ersten Anscheinsbeweis gefolgert wird,175 und welches Verständnis der Kartellbefangenheit dem zweiten Anscheinsbeweis zugrunde liegt. Nimmt man mit der oben aufgeführten Ansicht einen allgemein preissteigernden Effekt an, so lässt sich dies als Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus am Markt verstehen, so dass unabhängig davon, ob der Vertragspartner Kartellant oder Kartellaußenseiter ist, für das Produkt ein höherer Preis zu zahlen war.176 Dann aber ist der zweite Anscheinsbeweis entbehrlich. 170
MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 50. In diese Richtung tendiert wohl das OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), juris-Rn. 53 ff. – Feuerwehrfahrzeuge (Quotenkartell) (juris). Die Entscheidung des OLG ebenso interpretierend LG Dortmund Urt. v. 27.6.2018 – 8 O 13/17 (Kart), juris-Rn. 78 – LKWKartell (juris); Galle, NZKart 2016, 214, 216; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 147; Thiede/Träbing, NZKart 2016, 422, 426; a. A. insoweit LG Dortmund Urt. v. 21.12.2016 – 8 O 90/14 (Kart), juris-Rn. 122 – Schienenkartell (juris). 172 So wohl OLG Karlsruhe Urt. v. 9.11.2016 – 6 U 204/15 Kart (2), juris-Rn. 62 ff. – Grauzementkartell (Quotenkartell) (juris); Thüringer OLG Urt. v. 22.2.2017 – 2 U 583/15 Kart, juris-Rn. 63 ff. – Schienenkartell (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen) (juris). Andere Interpretation der Entscheidungen: LG Dortmund Urt. v. 27.6.2018 – 8 O 13/17 (Kart), juris-Rn. 78 – LKW-Kartell (juris). 173 OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), juris-Rn. 56 ff. – Feuerwehrfahrzeuge (Quotenkartell) (juris); OLG Karlsruhe Urt. v. 9.11.2016 – 6 U 204/15 Kart (2), jurisRn. 64 – Grauzementkartell (Quotenkartell) (juris); Thüringer OLG Urt. v. 22.2.2017 – 2 U 583/ 15 Kart, juris-Rn. 68 f. – Schienenkartell (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen) (juris). 174 So LG Dortmund Urt. v. 21.12.2016 – 8 O 90/14 (Kart), juris-Rn. 114 u. 121 – Schienenkartell (juris); LG Dortmund Urt. v. 27.6.2018 – 8 O 13/17 (Kart), juris-Rn. 77 f. – LKWKartell (juris). 175 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 146. 176 Vgl. hierzu OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), juris-Rn. 57 – Feuerwehrfahrzeuge (Quotenkartell) (juris); Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 146 f. S. auch Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2019, 363, 371. 171
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Sofern man die Kartellbefangenheit als Umsetzung der Kartellabrede begreift, so bedarf es des zweiten Anscheinsbeweises nicht, da es entsprechend dem ersten Anscheinsbeweis unerheblich ist, ob der vom Abnehmer zu zahlende erhöhte Preis unmittelbar auf die Umsetzung der Kartellabrede zurückzuführen ist oder mittelbar auf dem Preisschirmeffekt beruht. Versteht man die Kartellbefangenheit weiter, so dass also die Kartellabrede lediglich Einfluss auf die Preisbildung des konkreten Rechtsgeschäftes genommen haben muss, so ist auch dies mit Hilfe des ersten Anscheinsbeweises nachgewiesen. In dieser Konstellation erscheint also nur die Annahme eines Alternativverhältnisses hinsichtlich der beiden Anscheinsbeweise sinnvoll.177 Aber auch wenn aus dem ersten Anscheinsbeweis nur gefolgert wird, dass sich das Kartell lediglich in Bezug auf die vom Kartellanten über das kartellierte Produkt abgeschlossenen Rechtsgeschäfte preissteigernd auswirkt,178 ist der zweite Anscheinsbeweis verzichtbar, da hiermit der Kausalzusammenhang zwischen Kartell und Preiserhöhung jedenfalls beim unmittelbaren Abnehmer des Kartellteilnehmers ausreichend nachgewiesen worden ist.179 Erst wenn der erste Anscheinsbeweis dahingehend lautet, dass das Kartell nur eine preissteigernde Wirkung hinsichtlich derjenigen Geschäfte hat, bei denen die Abrede umgesetzt wurde, bedarf es des zweiten Anscheinsbeweises dahingehend, dass alle Geschäfte, die in den zeitlichen, sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Abrede fallen, von dieser Abrede auch umfasst sind.180 Will sich der Abnehmer in diesem Fall zusätzlich auf die Auswirkungen des Preisschirmeffektes stützen, so dass es irrelevant wäre, ob die Kartellabsprache in Bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft tatsächlich umgesetzt wurde, so müsste er dies zusätzlich darlegen und gegebenenfalls beweisen. Auch für diesen Preisschirmeffekt kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Anscheinsbeweis streiten.181 Der erste Anscheinsbeweis bzw. die Kombination aus den zwei Anscheinsbeweisen leidet bei einer Statuierung zur Erleichterung des Nachweises der Kartellbefangenheit im Rahmen des Haftungsgrundes erkennbar an der Schwäche, dass bereits im Rahmen des haftungsbegründenden Tatbestandes die Preiserhöhung relevant wird. Diese Aufblähung des Haftungsgrundes sowie die dadurch bedingte Verkürzung des haftungsausfüllenden Tatbestandes (insbesondere der Prüfung des
177 Vgl. LG Dortmund Urt. v. 21.12.2016 – 8 O 90/14 (Kart), juris-Rn. 113 ff. – Schienenkartell (juris); auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 146 f. sehen diese Problematik, ziehen hieraus aber die Konsequenz, dass ein Anscheinsbeweis bezogen auf den Gesamtmarkt von der Rspr. nicht gemeint sein kann. S. auch Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2019, 363, 371. 178 Vgl. die Darstellungen bei Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 147. 179 Ähnlich Galle, NZKart 2016, 214, 216. 180 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 147 f. 181 Ausführlich Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 431 ff.
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Schadenseintritts) spiegeln sich in den entsprechenden Entscheidungen der Gerichte wider.182 Womöglich wird auch deshalb vertreten, dass der Anscheinsbeweis der Preiserhöhung am Markt erst innerhalb des haftungsausfüllenden Tatbestandes zu problematisieren sei und lediglich derjenige der Kartellbefangenheit in den Anwendungsbereich des § 286 ZPO falle.183 (2) Die tatsächliche Vermutung Diesen Standpunkt schien im Grundsatz auch der BGH zu vertreten, allerdings soll nach dessen Entscheidung in der Sache Schienenkartell (I), sowie nach teilweise in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vertretener Ansicht, hierfür kein Anscheinsbeweis streiten, sondern vielmehr könne eine tatsächliche Vermutung in Betracht gezogen werden.184 Allerdings bleibt auch hier der Umfang der im Rahmen des Schadenseintritts anzuwendenden tatsächlichen Vermutung unscharf.185 Zudem trägt die Ersetzung des Anscheinsbeweises durch eine tatsächliche Vermutung nicht zur Klärung der bestehenden Unstimmigkeiten bei, da aufgrund der in Teilen synonymen Verwendung186 der Begrifflichkeiten schon fraglich ist, in welchem Verhältnis die Rechtsfiguren zueinanderstehen.187
182
Vgl. nur OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), juris-Rn. 71 ff. – Feuerwehrfahrzeuge (juris); LG Dortmund Urt. v. 21.12.2016 – 8 O 90/14 (Kart), juris-Rn. 126 – Schienenkartell (juris). Aus denselben Gründen ist die Problematisierung der Kartellbefangenheit i. R. d. Haftungsgrundes grundsätzlich problematisch. Hierzu Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 197 f. 183 So OLG München Urt. v. 8.3.2018 – U 3497/16 Kart, juris-Rn. 59 ff. u. 71 ff. – Schienenkartell (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen) (juris); KG Urt. v. 28.6.2018 – 2 U 13/14 Kart, juris-Rn. 51 ff. u. 76 ff. – Schienenkartell (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen) (juris); LG München I Urt. v. 27.7.2016 – 37 O 24526/14, juris-Rn. 67 ff. u. 89 ff. – Schienenkartell (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen) (juris); LG Stuttgart Urt. v. 19.7.2018 – 30 O 33/17, juris-Rn. 63 ff. u. 73 ff. – LKW-Kartell (Informationsaustausch über Bruttolistenpreise) (juris); Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 74. 184 BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 55 u. 61 – Schienenkartell (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen); hinsichtlich der Kartellbefangenheit LG Berlin Urt. v. 6.8.2013 – 16 O 193/11 Kart, juris-Rn. 50 – Fahrtreppen (Quoten- und Kundenschutzabsprachen) (juris). Zum Schadenseintritt jetzt auch OLG Stuttgart Urt. v. 4.4.2019 – 2 U 101/18, juris-Rn. 154 ff. – LKW-Kartell (Informationsaustausch über Bruttolistenpreise) (juris). 185 BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 53 ff. u. 75 – Schienenkartell (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen); OLG Stuttgart Urt. v. 4.4.2019 – 2 U 101/18, juris-Rn. 154 ff. – LKW-Kartell (Informationsaustausch über Bruttolistenpreise) (juris). 186 So z. B. BGH, Urt. v. 23.5.1952 – I ZR 163/51, NJW 1952, 1137; BGH, Urt. v. 9.7.1992 – IX ZR 209/91, NJW 1992, 3237, 3241. Zum Kartellschadensersatz: OLG Düsseldorf Urt. v. 23. 1. 2019 @ VI-U (Kart) 18/17, NZKart 2019, 157 – Schienenkartell. 187 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 424. Zur Abgrenzung vgl. auch die Darstellung bei Zwade/ Konrad, NJW 2020, 807, 808 f.
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
Ähnlich wie bei einem Anscheinsbeweis188 wird auch bei einer tatsächlichen Vermutung im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung aus der Lebenserfahrung auf das Vorliegen einer bestimmten Tatsache geschlossen.189 Auch hierbei handelt es sich also um Erfahrungssätze, die aber eine gewisse Qualität aufweisen müssen, um der Begründung eines Anscheinsbeweises zu genügen.190 Besteht also nicht wie beim Anscheinsbeweis eine sehr große Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Hergang, sondern eine geringere Wahrscheinlichkeit, so können diese Erfahrungssätze regelmäßig nur innerhalb der richterlichen Beweiswürdigung als Indiz Berücksichtigung finden.191 Die bestehenden Widersprüchlichkeiten lösen sich durch die Entscheidung des BGH in der Rechtssache Schienenkartell II weitestgehend auf. Der BGH ordnet nun die Kartellbefangenheit der haftungsausfüllenden Kausalität und damit dem Bereich des § 287 I ZPO zu.192 Dabei hält der Senat daran fest, dass der Erfahrungssatz für die Annahme eines Anscheinsbeweises nicht genügt.193 Aufrechterhalten wird allerdings nur die tatsächliche Vermutung im Hinblick auf die Preiserhöhung am Markt.194 Welches Verständnis diesem Erfahrungssatz zugrunde liegt, verdeutlichen folgenden Ausführungen des BGH: „Daraus folgt zugleich, dass der Unterscheidung zwischen der Frage, ob ein konkretes Umsatzgeschäft ›kartellbefangen‹ [sic] war, und der Frage, ob einem Abnehmer ein Schaden entstanden ist, für die Ermittlung des Schadens nicht notwendigerweise Bedeutung zukommt. Gelangt der Tatrichter zu der Überzeugung, dass auf dem betroffenen Markt nicht nur einzelne Umsatzgeschäfte zu höheren Preisen abgeschlossen wurden, als dies ohne die Kartellabsprache der Fall gewesen wäre, sondern sich die Kartellabsprache allgemein auf die von den beteiligten Unternehmen durchsetzbaren Preise ausgewirkt hat, bedarf es grundsätzlich keiner weiteren Feststellungen zur ›Kartellbefangenheit‹ [sic] eines bestimmten Auftrags.“195
188 189
Rn. 7.
Vgl. schon die Ausführungen auf S. 68 f. BGH, Urt. v. 24.1.1951 – II ZR 23/50, NJW 1951, 397; Stein/Jonas/Thole, § 292 ZPO
190 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 19 Rn. 44; Stein/Jonas/Thole, § 292 ZPO Rn. 7 u. § 286 ZPO Rn. 224. 191 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 19 Rn. 57; MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 60 ff. (Differenzierung zwischen Erfahrungsgrundsätzen und einfachen Erfahrungssätzen); Stein/Jonas/Thole, § 292 ZPO Rn. 7. 192 Vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 27 – Schienenkartell II (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen). Vgl. schon oben S. 56 ff. 193 Vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 40 ff. – Schienenkartell II (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen). Vgl. auch Petzold/Steinle, NZKart 2020, 176, 178. 194 Vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 40 – Schienenkartell II (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen). 195 BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 44 – Schienenkartell II (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen).
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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Danach besteht nach Ansicht des BGH wohl ein Erfahrungssatz dahingehend, dass sich das Kartell auf sämtliche Rechtsgeschäfte der Kartellteilnehmer preissteigernd auswirkt.196 Es bedarf insoweit folgerichtig nicht zusätzlich der tatsächlichen Vermutung im Hinblick auf die Kartellbefangenheit. Der BGH begründet seine Absage an den Anscheinsbeweis damit, dass es an der Typizität des Geschehensablaufs fehle.197 Dabei scheint die Intention des BGH in der Entscheidung Schienenkartell (I) insbesondere darin bestanden zu haben, die Gerichte dazu anzuhalten eine „[…] umfassende Würdigung aller Umstände […]“198 zu beherzigen.199 Aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises darf bezweifelt werden, wenn man sich vergegenwärtigt, dass hierfür „[…] nur Ereignisse in Betracht [kommen], die in übergroßer Zahl auf gleichförmige Weise bzw. unter gleichen Bedingungen zu geschehen pflegen.“200 Bedenkt man die Vielfältigkeit kartellrechtlicher Sachverhalte, so kann durchaus infrage gestellt werden, ob diese Voraussetzungen gegeben sind. Dann aber müssen die vom BGH zu (Preis-,) Quoten- und Kundenschutzabsprachen aufgestellten Überlegungen bzw. Bedenken auch grundsätzliche Bedeutung für sämtliche Kartellarten (wie zum Beispiel reine Preiskartelle) haben.201 In diese Richtung weist auch die Entscheidung des BGH in der Rechtssache LKW-Kartell, in der der Senat für Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen ebenfalls einen entsprechenden Anscheinsbeweis verneint.202
196 Zumindest gilt dies wohl bei Quoten- und Kundenschutzkartellen. Vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 42 ff. – Schienenkartell II (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen). Weitergehend wohl (marktweite Überhöhung des Preisniveaus) Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2020, 180, 181. 197 BGH, Urt. v. 11. 12. 2018 @ KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 57 u. 60 ff. – Schienenkartell (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen). Bestätigt durch BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 31 – Schienenkartell II (Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen). 198 BGH, Urt. v. 11. 12. 2018 @ KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 58 – Schienenkartell. 199 Vgl. Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 197; Richter, NZKart 2019, 90, 92; Weiss/Sobeck IR 2019, 140, 141. 200 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 757. 201 So auch Bellinghausen/Grothaus, EWiR 2019, 253, 254; Dworschak/Jopen, NZKart 2019, 126, 129 (auch zur Übertragbarkeit der Überlegungen, sofern es an einem HardcoreKartell fehlt z. B. bei einem „bloßen“ Informationsaustausch); Kersting, WuW 2019, 173, 175; Ritz/Marx, WuW 2019, 97 f.; Rützel, WuW 2019, 130, 132 (auf S. 131 Fn. 30 ebenfalls zum Informationsaustausch); Zwade/Konrad, NJW 2020, 807, 809 f. A. A. Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 73 u. 76 f.; Richter, NZKart 2019, 90, 91; wohl auch Petrasincu, BB 2019, 399. Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2020, 180, 181 f. sehen in der „Schienenkartell II“-Entscheidung einen Hinweis darauf, dass der Anscheinsbeweis nicht für jede Fallgestaltung ausgeschlossen sein soll. 202 S. BGH, Urt. v. 23.9.2020 – KZR 35/19, juris-Rn. 38 ff. – LKW-Kartell (Absprache über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen) (juris); vgl. auch Beutelmann/Scherzinger, NZKart 2021, 153, 155.
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
Die Rechtsprechung des BGH hat zur Konsequenz, dass bei Annahme der tatsächlichen Vermutung als Indiz weitere Umstände hinzukommen müssen, damit die Schadensentstehung zur richterlichen Überzeugung feststeht, wohingegen hierzu beim Anscheinsbeweis der für diesen ursächliche Erfahrungssatz genügt.203 Beim Anscheinsbeweis muss der Abnehmer nur diejenige Tatsache beweisen, „[…] an die der Erfahrungssatz anknüpft […]“204 und die hieraus gefolgerte Tatsache behaupten.205 Folgert das Gericht aus ersterer mithilfe des Erfahrungssatzes letztere, so obläge es dem Beklagten den Gegenbeweis zu führen (ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs).206 Die Auswirkungen der Abkehr vom Anscheinsbeweis werden somit insbesondere im Zusammenspiel mit §§ 286, 287 I ZPO deutlich.207 Nimmt man mit der noch in der Entscheidung Schienenkartell (I) vertretenen Auffassung des BGH für den Beweis der Kartellbefangenheit das Beweismaß des § 286 ZPO und zusätzlich nur eine tatsächliche Vermutung an, so führt dies im Ergebnis dazu, dass die Anforderungen für den Nachweis des Schadensersatzanspruches des Abnehmers verschärft werden.208 Damit aber wird den grundsätzlichen Wertungen der 9. Novellierung des GWB entgegengetreten, wonach dem potentiell geschädigten Abnehmer die Durchsetzung seines Anspruches gerade erleichtert werden soll.209 Mit dieser Bestrebung steht die geänderte Rechtsprechung des BGH nunmehr im Einklang. cc) Fazit Für die Kartellbefangenheit des konkreten Beschaffungsvorganges ist entscheidend, dass die bei dem bezogenen Produkt festgestellte Preiserhöhung auch auf das Kartell zurückzuführen ist, das Geschäft also dergestalt kartellbefangen ist, dass die Kartellabsprache Einfluss auf die Preisbildung des konkreten Beschaffungsvorganges genommen hat. Bei einem solchen Verständnis der Kartellbefangenheit ist diese zu bejahen, sofern der unmittelbare Abnehmer nachweist, dass die Kartellabrede beim Abschluss des Rechtsgeschäfts umgesetzt wurde. Zwingend ist dies nach obigem Verständnis aber nicht, da der Kausalzusammenhang auch auf andere Weise nachgewiesen werden kann. Hier gilt es die Besonderheiten des zur Ent203 Vgl. Rützel, WuW 2019, 130, 132; Kersting, WuW 2019, 173, 176; vgl. allgemein BGH, Urt. v. 17.6.1997 – X ZR 119/94, NJW 1998, 79, 80 f. (zum Anscheinsbeweis); Stein/Jonas/ Thole, § 286 ZPO Rn. 224. 204 BGH, Urt. v. 11. 12. 2018 @ KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 50 – Schienenkartell. 205 BGH, Urt. v. 9.10.2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363, Rn. 11 ff.; Pohlmann, ZPR, Rn. 380. 206 BGH, Urt. v. 11. 12. 2018 @ KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 50 – Schienenkartell; Pohlmann, ZPR, Rn. 381. 207 Vgl. hierzu auch Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 77 f. 208 Vgl. Petrasincu, BB 2019, 399; Rützel, WuW 2019, 130, 133. 209 BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 37 f.; vgl. auch Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 200 f.
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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scheidung gestellten Sachverhaltes, insbesondere die konkrete Kartellabrede, zu berücksichtigen.210 Da eine Kartellabsprache aber nur dann auf die Preisbildung am Markt Einfluss nehmen kann, wenn es zwischen den Kartellteilnehmern nicht nur zu einer intellektuellen Übereinkunft gekommen ist, sondern diese auch irgendwie geartete Konsequenzen für das nach außen tretende Verhalten hatte, ist es erforderlich, dass die Abrede in zumindest einem Anwendungsfall umgesetzt wurde.211 Eine generelle Umsetzung ist also notwendig, um einen ersatzfähigen Schaden zu begründen. Sie muss aber nicht im streitigen Einzelfall erfolgt sein. Das dargestellte Verständnis der Kartellbefangenheit erfasst als Merkmal die Preiserhöhung und damit ein Element des Schadens. Dies ist aber nur folgerichtig, sofern man die Kartellbefangenheit als Teil der haftungsausfüllenden Kausalität auffasst. Darüber hinaus ermöglicht diese Einordnung eine flexiblere Handhabung der denkbaren Ausprägungen des Anscheinsbeweises bzw. der tatsächlichen Vermutung. Eine, durch das unterschiedliche Beweismaß erzwungene, Aufspaltung zwischen Elementen, die für die Kartellbefangenheit unter Anwendung des § 286 I 1 ZPO relevant werden und solchen, die erst im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestandes zum Tragen kommen, wird so vermieden, zumal die Entscheidung des BGH in der Rechtssache Schienenkartell (I) zeigt, dass diese Aufteilung nur schwerlich eingehalten werden kann.212 Die Entscheidung des BGH zum Schienenkartell (I) wurde für ihre Absage an den Anscheinsbeweis kritisiert.213 Bei genauerer Betrachtung erscheint jedoch vielmehr problematisch, dass keine einheitliche Rechtsprechung dahingehend existiert, wie der dem Anscheinsbeweis bzw. der tatsächlichen Vermutung zugrundeliegende Erfahrungssatz lautet. Die Entscheidung Schienenkartell II des BGH hat insoweit zur Klärung der Unstimmigkeiten beigetragen. Der BGH hält jedoch weiter an seiner Absage in Bezug auf den Anscheinsbeweis fest.214 Die richterliche Überzeugungsbildung vollzieht sich bei Anscheinsbeweis und tatsächlicher Vermutung gleichermaßen. Beim Anscheinsbeweis muss das Vorhandensein eines entsprechenden Erfahrungssatzes ermittelt werden, dieser muss auf 210 Vgl. insofern Richter, NZKart 2019, 90, 91. Zu den Besonderheiten bei einer Schadenspauschalierungsklausel s. S. 66 f. 211 Im Ausgangspunkt ähnliche Überlegungen zur Umsetzung bei Stock, Der Schadensnachweis bei Hardcore-Kartellen, S. 265 ff. 212 So prüft der BGH zunächst die Schadensentstehung unter der Geltung des § 287 ZPO, um sich anschließend der Haftungsbegründung (und damit der Kartellbefangenheit) zuzuwenden. Auf diesen eigenartigen Aufbau weisen auch Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 197 f.; Wagner, JZ 2019, 470, 472 hin. 213 Vgl. nur OLG Düsseldorf Urt. v. 23. 1. 2019 @ VI-U (Kart) 18/17, NZKart 2019, 157 – Schienenkartell; Wagner, JZ 2019, 470. 214 Erneut bestätigt durch BGH, Urt. v. 19.5.2020 – KZR 70/17, juris-Rn. 26 – Schienenkartell III (juris); BGH, Urt. v. 19.5.2020 – KZR 8/18, juris-Rn. 27 ff. – Schienenkartell IV (juris); BGH, Urt. v. 23.9.2020 – KZR 35/19, juris-Rn. 38 ff. – LKW-Kartell (juris).
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt Anwendung finden und dieser Erfahrungssatz muss ausreichen, um das geforderte Beweismaß zu erfüllen.215 Nicht anders verhält es sich bei einer tatsächlichen Vermutung, bei der das geforderte Beweismaß nicht erreicht wird, so dass ihr bei der richterlichen Beweiswürdigung lediglich indizielle Bedeutung zukommt.216 Da es sich nach dem BGH aber „[…] regelmäßig [um] eine starke indizielle Bedeutung […]“217 handelt, dürften große Unterschiede zur bisherigen instanzgerichtlichen Entscheidungspraxis nicht zu erwarten sein.218 c) Schadenshöhe Die Ermittlung der jeweiligen Schadenshöhe ist nicht minder problematisch als diejenige des Schadenseintritts. Auch hier gilt das Beweismaß des § 287 I 1 ZPO. Es darf also eine gerichtliche Schätzung der Schadenshöhe erfolgen, wobei die für die Schätzung erforderliche Grundlage vom Kläger dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden muss.219 Für die Ermittlung der Schadenshöhe beim unmittelbaren Abnehmer besteht die Besonderheit, dass diese der Höhe des kartellbedingten Preisaufschlages entspricht. Es bedarf also einer Gegenüberstellung des hypothetischen Preises bei Wettbewerb (Wettbewerbspreis) sowie des kartellierten tatsächlichen Preises (Kartellpreis).220 Für die Ermittlung des hypothetischen Wettbewerbspreises bedarf es der Heranziehung ökonomischer Methoden.221 Die Erstellung eines Sachverständigengutachtens erscheint hier unumgänglich.222 Die bestehenden Erschwernisse bei der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruches sind auch vom Gesetzgeber gesehen worden. Mit der Einführung des
215
Jäckel, Beweisrecht, Rn. 757 f. Stein/Jonas/Thole, § 292 Rn. 7. 217 BGH, Urt. v. 11. 12. 2018 @ KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 56 – Schienenkartell. Bestätigt durch BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 42 – Schienenkartell II. 218 So auch Petrasincu, BB 2019, 399; Richter, NZKart 2019, 90, 92; Schnelle, GRUR-Prax 2019, 73; hierfür sprechen exemplarisch auch die nach dem „Schienenkartell (I)“-Urteil des BGH ergangenen Entscheidungen des OLG Stuttgart Urt. v. 4.4.2019 – 2 U 101/18, jurisRn. 157 ff. – LKW-Kartell (juris) sowie des LG Stuttgart Urt. v. 11.2.2019 – 45 O 4/17, jurisRn. 58 ff. – LKW-Kartell (juris). 219 Galle, NZKart 2016, 214, 219; Zöller/Greger, § 287 ZPO Rn. 2 u. 5; Jäckel, Beweisrecht, Rn. 803. 220 Rauh/Zuchandke/Reddemann, WRP 2012, 173, 175; vgl. auch KG Berlin Urt. v. 1.10.2009 – 2 U 17/03 Kart, juris-Rn. 48 – Transportbeton (juris). 221 Vgl. die ausführlichen Darstellungen der verschiedenen Methoden bei Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 163 ff.; Rauh/Zuchandke/Reddemann, WRP 2012, 173, 175 ff. 222 A. A. wohl LG Dortmund Urt. v. 30.9.2020 – 8 O 115/14 (Kart), juris-Rn. 105 – Schienenkartell (juris). Vgl. hierzu auch Thole, NZKart 2021, 5. 216
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§ 33 III 3 GWB 2005223 wurde durch die Berücksichtigung des anteiligen Gewinns des Kartellteilnehmers eine Verbesserung der Position des Geschädigten erstrebt.224 Allerding dürfte die Abgrenzung dieses „durch den Verstoß erlangten“ Gewinnes vom Gewinn des Unternehmens insgesamt, ebenso schwerlich zu ermitteln sein wie der hypothetische Wettbewerbspreis.225 Zudem kann aus dem so ermittelten Gewinn des Unternehmens nicht eindeutig eine bestimmte Höhe eines etwaigen Preisüberhöhungsschaden des einzelnen Abnehmers gefolgert werden.226 Ein Anscheinsbeweis hinsichtlich der Entstehung einer bestimmten Schadenshöhe kommt schon deshalb nicht in Betracht, da angesichts der Vielgestaltigkeit der kartellrechtlichen Sachverhalte kein Erfahrungssatz dahingehend besteht, dass ein Schaden typischerweise in einer bestimmten Höhe bei dem einzelnen Geschädigten eintritt.227 Statistisch ermittelte Wahrscheinlichkeiten allein genügen nicht, um diesen zu begründen.228 Zudem erscheint bereits die grundsätzliche Möglichkeit der Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises hinsichtlich der Ermittlung eines Schadensumfangs zweifelhaft.229 Um der bestehenden Problematik in gewisser Weise vorzubeugen, besteht für die Vertragsparteien die Möglichkeit, Schadenspauschalierungsklauseln in die jeweiligen Verträge aufzunehmen.230 d) Vorteilsausgleichung Bei einem schädigenden Ereignis können neben der Entstehung finanzieller Einbußen dem Geschädigten auch Vorteile zufließen. Es bedarf deshalb von Amts wegen der Berücksichtigung der, als Einwendung ausgestalteten, Vorteilsausglei-
223 „Bei der Entscheidung über den Umfang des Schadens nach § 287 der Zivilprozessordnung kann insbesondere der anteilige Gewinn, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangt hat, berücksichtigt werden.“ 224 BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 54. 225 Rauh/Zuchandke/Reddemann, WRP 2012, 173, 180; zur Problematik des § 33 III 3 GWB 2005 vgl. auch Immenga/Mestmäcker/Emmerich5, § 33 GWB Rn. 68 ff. 226 Rauh/Zuchandke/Reddemann, WRP 2012, 173, 180. 227 Bechtold/Bechtold5, § 33 GWB Rn. 28; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 264; MüKoWettbR/Lübbig, § 33a GWB Rn. 40; Rauh/Zuchandke/Reddemann, WRP 2012, 173, 183. A. A. wohl Dreher/Hoffmann/Kling, Kartell- und Wettbewerbsrecht der Versicherungsunternehmen, § 21 Rn. 71. Auch besteht kein typischer Preisaufschlag: LG Düsseldorf Urt. v. 19.11.2015 – 14d O 4/14, juris-Rn. 206 – Autoglaskartell (juris). 228 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 13; Rauh/Zuchandke/Reddemann, WRP 2012, 173, 183. 229 Galle, NZKart 2016, 214, 219. 230 Vgl. Fritzsche/Klöppner/M. Schmidt, NZKart 2016, 412, 419. So z. B. vertraglich vereinbart zwischen den späteren Parteien der Entscheidung BGH, Urt. v. 11. 12. 2018 @ KZR 26/ 17, JZ 2019, 464 – Schienenkartell.
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chung.231 Als möglicher, dem unmittelbaren, aber auch gegebenenfalls einem mittelbaren Abnehmer, zufließender Vorteil kommt dabei der bei einem Weiterverkauf des kartellbefangenen Produkts erzielte Erlös in Betracht.232 Denn der Abnehmer erhöht gegebenenfalls kartellbedingt seine Verkaufspreise und gibt so den ursprünglich von ihm zu zahlenden Preisaufschlag an seine eigenen Abnehmer weiter.233 Da es sich bei der Anrechnung dieser Positionen um einen für den schädigenden Kartellteilnehmer günstigen Umstand handelt, trägt dieser für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung die (abstrakte) Behauptungs- und Beweislast.234 Es gilt insoweit § 287 I 1 ZPO.235 Dass dieser schadensmindernde Aspekt erst im Rahmen der Vorteilsausgleichung Bedeutung erlangt, macht (eine Auslegung des) § 33 III 2 GWB 2005/2013 („Wird eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis bezogen, so ist der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder Dienstleistung weiterveräußert wurde.“), nahezu wortgleich mit § 33c I 1 GWB n. F., deutlich.236 Weitergehende Neuerungen in Bezug auf den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch hat dieses Institut durch die Einführung ebendieses § 33c I GWB n. F. erfahren. Diese werden an späterer Stelle näher erläutert. aa) Feststellung des Vorteils Zuvorderst bedarf es der Feststellung, dass überhaupt beim Geschädigten ein Vorteil eingetreten ist. Als solcher kann zunächst der durch die Weiterveräußerung der kartellbefangenen Ware oder Dienstleistung an einen Abnehmer der nachfolgenden Marktstufe erzielte Erlös qualifiziert werden.237 Dieser stellt zunächst einen Zuwachs im Vermögen des unmittelbaren Abnehmers dar. Von Relevanz ist in einem ersten Schritt also nur, dass de facto ein Vorteil realisiert wurde.238 Welche Bestandteile dieses Erlöses abzugsfähig sind, wird erst durch die weitere Prüfung innerhalb der Vorteilsausgleichung bestimmt. Letztendlich wird dabei der Preisauf231
BGH, Urt. v. 15.1.2009 – III ZR 28/08, NJW-RR 2009, 603, 604; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 274; im Kontext des Art. 13 der RL: Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 355. 232 Zur Diskussion um die Bestimmung des Vorteils vgl. die nachfolgenden Ausführungen S. 78 f. 233 Vgl. Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 211. 234 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Ls. und Rn. 64 – ORWI. Allgemein: Luckey, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 2, § 249 BGB Rn. 27. 235 BGH, Urt. v. 15.2.2005 – VI ZR 74/04, NJW 2005, 1041, Ls. u. S. 1043; Inderst/Thomas, NZKart 2018, 158, 160. 236 Vgl. zum Meinungsstreit hinsichtlich der Einordnung als Aspekt der Schadensentstehung bzw. Vorteilsausgleichung S. 34 ff. 237 Vgl. hinsichtlich der nachfolgenden Ausführungen insgesamt die Überlegungen bei Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 214 ff. 238 BGH, Urt. v. 12.6.1979 – VI ZR 212/77, NJW 1979, 2033, 2034; BGH, Urt. v. 31.3.2006 – V ZR 51/05, BGHZ 167, 108, Rn. 10; MüKoBGB/Oetker, § 249 Rn. 229.
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schlag als möglicherweise anrechenbarer Vorteil übrig bleiben. Dass dies so ist, ist aber erst eine Frage des zu prüfenden Kausalzusammenhanges bzw. der zu prüfenden Kongruenz. Dies deckt sich mit Überlegungen zur, im Hinblick auf die Vorteilsausgleichung entwickelten, Fallgruppe der Deckungsgeschäfte, bei denen der durch die Nichtabnahme eingetretene Schaden unter Umständen durch den mittels Deckungsverkauf erlangten Verkaufspreis gemindert wird bzw. bei der Nichtlieferung gegebenenfalls die Ausgaben für den Deckungskauf durch den nicht an den ursprünglichen Verkäufer zu zahlenden Kaufpreis gemindert werden.239 Auch hier wird zunächst der erlangte Erlös in seiner Gesamtheit betrachtet, um anschließend zum Beispiel hinsichtlich Verkehrswert und erzieltem Gewinn zu differenzieren.240 Jedoch erscheint daneben auch das Abstellen auf eine „[…] Erhöhung der Weiterverkaufspreise […]“241 nicht gänzlich unproblematisch. Denn um festzustellen, dass es sich um einen vom unmittelbaren Abnehmer erzielten höheren Verkaufspreis handelt, bedarf es einer Bezugsgröße, gegenüber der der Preis erhöht sein kann. Die Erhöhung des Preises mag wohl ein Indiz für eine erfolgte Abwälzung sein. Der auf dem Anschlussmarkt zu zahlende Preis kann aber ebenso gleich hoch geblieben sein und dennoch ist es zu einer Abwälzung des Preisaufschlages gekommen, da der unmittelbare Abnehmer bei einer Situation bei Wettbewerb seine Preise auf dem Absatzmarkt verringert hätte.242 Da sich dies aber nur ermitteln lässt, wenn man den tatsächlich erzielten Weiterverkaufspreis insgesamt betrachtet, ist dieser Ausgangspunkt einer genaueren Prüfung im Rahmen der Vorteilsausgleichung.243 bb) Kausalzusammenhang zwischen Vorteil und schädigendem Ereignis Zwischen dem Vorteil und dem schädigenden Ereignis muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Es stellt sich nach der Feststellung des Vorteils deshalb ebenso die Frage, welcher Umstand als schädigendes Ereignis zu qualifizieren ist. Die Formulierungen des BGH in der Entscheidung ORWI bleiben in dieser Hinsicht unscharf. So wird zunächst auf den „[…] Kausalzusammenhang mit dem kartell-
239
Vgl. insb. Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 147; daneben NK-BGB/Magnus, Vorb. zu §§ 249 – 255 Rn. 134. 240 Vgl. MüKoBGB/Oetker, § 249 Rn. 274; Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 147; vgl. auch die Ausführungen des BGH, Urt. v. 16.5.1980 – V ZR 91/79, BGHZ 77, 151, 155 ff. hinsichtlich der Wertentwicklung eines Grundstückes. 241 Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 216. Ähnlich auch BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 59 – ORWI (höhere Erlöse); Morell, WuW 2013, 959, 960. 242 Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 125. 243 So wohl auch (allerdings ohne dies zu problematisieren) Franck, WRP 2011, 843; a. A. Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 125, der von vornherein nur den weitergewälzten Preisaufschlag als Vorteil auffasst.
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bedingten Preisaufschlag […]“244 abgestellt, um anschließend die „[…] Kausalität des Kartells für den Vorteil […]“245 zu nennen. Richtigerweise kommen insoweit wohl nur der Kartellverstoß als solcher246 oder der diesem nachgelagerte Bezug der Ware oder Dienstleistung durch den unmittelbaren Abnehmer zu einem überhöhten Preis247 als schädigendes Ereignis in Betracht. Für letzteres könnte die Formulierung des § 33 III 2 GWB 2013 sprechen, der ausdrücklich den Bezug der Ware oder Dienstleistung normiert.248 In Gang gesetzt wird der zur Schädigung führende Kausalverlauf allerdings bereits durch den Kartellverstoß als solchen. Dieser ist Ausgangspunkt des weiteren Geschehensablaufs. Auch der Bezug der Waren oder Dienstleistungen zu kartellbedingt überhöhten Preisen entsteht erst als Konsequenz des Kartellverstoßes.249 Nicht der Abschluss eines Vertrages mit dem Kartellteilnehmer oder der Bezug von Waren als solchen schädigen den Abnehmer, sondern erst deren kartellbedingte nachteilige Veränderung. Als schädigendes Ereignis ist damit der Kartellverstoß als solcher zu qualifizieren.250 Der durch den unmittelbaren Abnehmer erzielte Weiterverkaufspreis ist also nur anzurechnen, sofern dieser kausal auf den Kartellverstoß zurückzuführen ist. Herrscht noch Einigkeit dahingehend, dass eine grundsätzliche kausale Verknüpfung (im Sinne der Äquivalenztheorie) erforderlich ist,251 so wird der, in ständiger Rechtsprechung geforderte,252 adäquate Kausalzusammenhang von Teilen der Literatur abgelehnt.253 Da aber auch nach der Rechtsprechung die Adäquanz nicht ausschließliches Kriterium sein soll, sondern gleichermaßen von dieser (weitere) 244
BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 59 – ORWI. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 59 – ORWI. 246 So Linder, Privatklage und Schadensersatz im Kartellrecht, S. 127; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 374 f.; Meeßen, Anspruch auf Schadensersatz, S. 462. 247 So Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 125; Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 214. 248 Vgl. Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 125; Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 214. 249 Dies wurde auch bei der Einfügung von § 33 III 2 GWB 2005 gesehen: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, BT-Drs. 15/5049, S. 49. 250 Vgl. zum Ganzen auch Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 375. 251 Vgl. nur RG Urt. v. 4.1.1935 – V 173/34, RGZ 146, 275, 278; Cantzler, AcP 156 (1957), 29, 41 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 9 III 1; NK-BGB/Magnus, Vorb. zu §§ 249 – 255 Rn. 121. 252 StRspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 17.5.1984 – VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206, 209; BGH, Urt. v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, BGHZ 136, 52, 54; BGH, Urt. v. 28.6.2007 – VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83, Rn. 18; BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 59 – ORWI; BGH, Urt. v. 15.1.2013 – II ZR 90/11, NJW 2013, 1958, Rn. 26; BGH, Urt. v. 17.7.2014 – III ZR 218/13, NJW 2014, 3436, Rn. 23; BGH, Urt. v. 30.9.2014 – X ZR 126/13, NJW 2015, 553, Rn. 14. 253 So bspw. Cantzler, AcP 156 (1957), 29, 43 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 9 III 2; Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 139. 245
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wertende Gesichtspunkte berücksichtigt werden,254 dürften die Unterschiede zwischen den divergierenden Ansichten marginal sein.255 Häufig kann zwischen Aspekten der Adäquanz und weitergehenden Kriterien auch gar nicht trennscharf unterschieden werden.256 Am Erfordernis der Adäquanz ist deshalb im Grundsatz festzuhalten. Der Kartellverstoß muss also im Sinne der Äquivalenztheorie ursächlich für den später durch den unmittelbaren Abnehmer realisierten Weiterverkaufspreis geworden sein und es darf außerdem nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit liegen, dass der Kartellverstoß diesen Vorteil herbeiführt.257 Bei einem „Hinwegdenken“ des Kartellverstoßes entfällt aber nicht automatisch der gesamte Weiterverkaufspreis. Vielmehr ist der Vertragsschluss zwischen unmittelbarem und mittelbarem Annehmer vom Kartellverstoß grundsätzlich unabhängig. Allerdings wäre unter Umständen für die erhaltene Ware ein anderer Preis gezahlt worden. Bei dem sich aus vielen unterschiedlichen Faktoren zusammensetzenden Weiterverkaufspreis ist der Kartellverstoß dabei nur ursächlich hinsichtlich des Preisaufschlages. Dieser kann entweder darin bestehen, dass eine Preiserhöhung eingetreten ist oder, dass eine Preissenkung unterlassen wurde. Auch handelt es sich hierbei nicht um eine unwahrscheinliche Folge eines Kartellverstoßes. Es muss insoweit differenziert werden: Ist es dem unmittelbaren Abnehmer gelungen, die kartellbedingte Preiserhöhung an seine eigenen Abnehmer weiterzugeben, so kann dies zum einen darauf zurückzuführen sein, dass es infolge des vom Kartell hervorgerufenen, erhöhten Preisniveaus auf dem Absatzmarkt des unmittelbaren Abnehmers möglich ist, seine (um den Preisaufschlag) gestiegenen Preise durchzusetzen, wozu er ansonsten nicht in der Lage gewesen wäre.258 Zum anderen kann dies ebenso bedeuten, dass die Weitergabe aufgrund eines, vom Kartell losgelösten, Preissetzungsspielraums durchführbar war.259 Dann aber dürfte es schon an dem erforderlichen Kausalzusammenhang fehlen, sofern der Kartellverstoß insoweit hinweggedacht werden kann, ohne dass die Preiserhöhung durch den unmittelbaren Abnehmer als solche entfiele. Dies dürfte jedoch gerade nicht der Fall sein, wenn die kartellbedingt erhöhten Einkaufspreise Anlass für die Ausnutzung eines grund254
Vgl. nur BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 61 ff. – ORWI. S. auch MüKoBGB/Oetker, § 249 Rn. 237. 256 So thematisiert der BGH in der Entscheidung ORWI (Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145) die eigenen Maßnahmen des Geschädigten einerseits bereits i. Kontext d. adäquaten Kausalzusammenhanges (Rn. 60), andererseits aber anschließend als anscheinend eigenständige Fallgruppe (Rn. 65). 257 Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 216 f. 258 Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 60 – ORWI; MüKoBGB/Oetker, § 249 Rn. 274; K. Westermann, FS H. P. Westermann, 1605, 1624 f. 259 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 60 – ORWI; Langen/Bunte/ Bornkamm11, § 33 GWB Rn. 118 (Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 18); Fuchs, in: Remien (Hrsg.), Schadensersatz im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht, 55, 71 f.; MüKoBGB/Oetker, § 249 Rn. 274. 255
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sätzlich unabhängig vom Kartell gegebenen Preissetzungsspielraums waren.260 Allerdings kann die Anrechnung in dieser Konstellation unter wertenden Gesichtspunkten zu verneinen sein.261 Die im Rahmen der Vorteilsausgleichung zur Kausalität anzustellenden Überlegungen verlaufen grundsätzlich parallel zu denjenigen, die hinsichtlich der Abwälzung des Preisaufschlages zur Anspruchsbegründung eines mittelbaren Abnehmers angestellt werden müssen.262 Um zu ermitteln, ob eine solche kartellbedingte Abwälzung des Preisaufschlages stattgefunden hat, bedarf es der Heranziehung ökonomischer Methoden. Zu berücksichtigen sind nach Ansicht des BGH dabei „[…] die Preiselastizität von Angebot und Nachfrage, die Dauer des Verstoßes sowie die Intensität des Wettbewerbs auf dieser Stufe […].“263 cc) Versagung der Vorteilsausgleichung aufgrund wertender Überlegungen? Diskussionswürdig ist, ob die Durchsetzung (erhöhter) Weiterverkaufspreise durch den unmittelbaren Abnehmer nicht auf dessen besonderen (kaufmännischen) Einsatzes beruht, so dass eine Versagung der Vorteilsausgleichung interessengerecht sein könnte. Teilweise wird vertreten, dass dieser Umstand sich schon auf den adäquaten Kausalzusammenhang auswirke.264 In die Diskussion fließen allerdings gleichzeitig auch teleologische Überlegungen ein, so dass es sich letztlich unabhängig von der dogmatischen Einordnung um wertende Gesichtspunkte handelt.265 Schadensmindernd anzurechnen sind nur solche Vorteile, „[…] deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d. h. dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet […].“266
260 Im Ergebnis wohl ähnlich Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 218 f., allerdings hergeleitet unter dem Gedanken der „konkurrierenden Kausalität oder Doppelkausalität“. 261 Vgl. hierzu die Ausführungen auf den nachfolgenden Seiten. 262 Topel, in: Wiedemann, HdB KartellR2, § 50 Rn. 134 (Topel, in: Wiedemann, HdB KartellR, § 50 Rn. 88); dem zustimmend BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 59 – ORWI. 263 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 47 (u. Rn. 69) – ORWI. Vgl. auch Langen/Bunte/Bornkamm11, § 33 GWB Rn. 124; Haucap/Stühmeier, WuW 2008, 413, 421. 264 So bspw. die Einordnung bei Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 360; wohl auch Keßler, BB 2005, 1125, 1127. Vgl. auch die nicht eindeutige Einordnung des BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 58 – ORWI. 265 Für eine Berücksichtigung auf der Wertungsebene auch Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 375 f. 266 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 58 – ORWI; so oder ähnlich auch BGH, Urt. v. 17.5.1984 – VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206, 210; BGH, Urt. v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, BGHZ 136, 52, 54; BGH, Urt. v. 28.6.2007 – VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83, Rn. 18; BGH, Urt. v. 15.1.2013 – II ZR 90/11, NJW 2013, 1958, Rn. 26; BGH, Urt. v. 17.7.2014 – III ZR
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Zwischen Rechtsprechung und Literatur scheint damit mittlerweile ein Konsens dahingehend zu bestehen, dass die Anrechnung sich zuvorderst nach einer Würdigung der Gesamtumstände richtet.267 Diese wird in der Regel unter Berücksichtigung der zur Vorteilsausgleichung gebildeten Fallgruppen vollzogen.268 (1) Fallgruppen der Vorteilsausgleichung In Betracht käme, die infolge der Weiterwälzung zugeflossenen Vorteile als auf einer eigenen Handlung des Abnehmers beruhend zu qualifizieren.269 Im Rahmen dieser Fallgruppe der Vorteilsausgleichung (eigene Leistung/Handlung des Geschädigten) wird danach differenziert, ob es sich um ein Tätigwerden handelt, mit dem lediglich die Anforderungen des § 254 II 1 BGB erfüllt werden oder ob es sich um eine darüberhinausgehende sogenannte überobligatorische Anstrengung handelt.270 § 254 BGB regelt den Fall des Mitverschuldens und damit ein Verschulden gegen sich selbst. § 254 II 1 BGB normiert dabei die Schadensabwendungs- bzw. Schadensminderungsobliegenheit des Geschädigten.271 Erfasst werden nach dem Wortlaut der Vorschrift die Fälle, in denen der Geschädigte diesen gerade nicht nachgekommen ist, also etwas „unterlassen“ hat. Bezogen auf die kartellrechtliche Fallgestaltung wären dies also die Fälle, in denen der Abnehmer gerade keinen Weiterverkaufserlös realisiert hat, sich also die Frage stellen würde, ob er zum Abschluss eines solchen Rechtsgeschäftes „verpflichtet“ war.272 Ebenso, wie „[…] der Geschädigte verpflichtet ist, den Schaden niedrig zu halten, ist er [allerdings] auch verpflichtet, sich um Vorteile zu bemühen.“273 Der in § 254 II 1 BGB normierte Rechtsgedanke ist demgemäß auch auf Fälle der Vorteilsausgleichung zu übertragen.274 Oblag dem Geschädigten also gemäß § 254 II 1 BGB die Vornahme der ausgeführten Handlung, so mindern die hieraus resultierenden Vorteile den eingetretenen Schaden.275 218/13, NJW 2014, 3436, Rn. 23; BGH, Urt. v. 30.9.2014 – X ZR 126/13, NJW 2015, 553, Rn. 14. 267 Vgl. für die Literatur nur Palandt/Grüneberg, Vorb. v. § 249 BGB Rn. 70; Lange/ Schiemann, Schadensersatz, § 9 III 3; NK-BGB/Magnus, Vorb. zu §§ 249 – 255 Rn. 124. 268 S. nur Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 140. 269 Den Vergleich zu dieser Fallgruppe der Vorteilsausgleichung ziehen (u. a.) bereits Logemann (Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 371 ff.) und Schürmann (Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 222 ff.). Hinsichtlich der weiteren Ausführungen vgl. deshalb insb. die dortigen Überlegungen. 270 MüKoBGB/Oetker, § 249 Rn. 273. 271 MüKoBGB/Oetker, § 254 Rn. 68 u. 75. 272 Weitergehende Überlegungen hierzu bei Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 223 ff. 273 Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 9 V 2. 274 Vgl. nur Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 9 V 2; Thiele, AcP 167 (1967), 193, 236. 275 MüKoBGB/Oetker, § 249 Rn. 273.
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Bei der Qualifizierung der Maßnahme als überobligatorische Anstrengung wird allgemein angenommen, dass es den Schädiger unangemessen entlastet, die hieraus hervorgegangenen Vorteile schadensmindernd anzurechnen.276 In Betracht käme eine Parallele zwischen der kartellrechtlichen Fallgestaltung und dem, als Vorteil aufgrund einer eigenen Leistung des Geschädigten zu qualifizierenden, Abschluss eines vorteilhaften Rechtsgeschäftes zu ziehen. Zu denken wäre an den Abschluss eines vorteilhaften Deckungsgeschäftes.277 Beim vorteilhaften Deckungskauf deckt sich der Käufer mit der nicht erhaltenen Ware an anderer Stelle ein und verkauft diese anschließend gewinnbringend weiter, ebenso beim Deckungsverkauf, bei dem der Verkäufer die Ware mangels Abnahme gewinnbringend an einen anderen Käufer veräußert.278 Dabei sollen die Vorzüge, die der Geschädigte aus einem vorteilhaften Rechtsgeschäft mit einem Dritten erlangt, regelmäßig nicht dessen Schaden nachteilig reduzieren.279 Zwar liegt auch der Weiterwälzung des Preisaufschlages der Abschluss eines vorteilhaften Vertrages zugrunde, jedoch unterscheidet sich die diesem zugrundeliegende Fallgestaltung von derjenigen eines Deckungsgeschäftes. Anders als beim Deckungsgeschäft weiß der Geschädigte in der kartellrechtlichen Fallgestaltung im Zeitpunkt der Schadensentstehung (beim unmittelbaren Abnehmer mit Abschluss des Vertrages mit dem Kartellanten)280 gar nicht, dass ihm ein solcher Schaden entstanden ist. Er kann sich somit nicht bewusst um diesen mindernde Vorteile bemühen. Der unmittelbare Abnehmer (als Zwischenhändler) kommt also keiner etwaigen „Obliegenheit“ nach, indem er mit dem mittelbaren Abnehmer ein für ihn günstiges Rechtsgeschäft abschließt, sondern er reagiert (kaufmännisch) auf die sich kartellbedingt verändernden Einkaufspreise, wie er dies bei anderweitig bedingten Veränderungen des Marktes auch getan hätte. Dieser kaufmännische Einsatz kann deshalb auch nicht als „besonders“ im Sinne einer überobligatorischen Anstrengung qualifiziert werden.281 Anders verhält es sich nur, sofern es darüber hinausgehender, außergewöhnlicher Anstrengungen durch den unmittelbaren Abnehmer bedarf, um 276 Vgl. nur BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 65 – ORWI; MüKoBGB/Oetker, § 249 Rn. 273. 277 So auch Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 371 ff.; Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 226 ff. 278 Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 147. 279 MüKoBGB/Oetker, § 249 Rn. 274. Noch enger insoweit Müller-Laube, JZ 1991, 162, 165 ff. 280 Köhler, GRUR 2004, 99, 102; Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 204; wohl auch OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), juris-Rn. 43 – Feuerwehrfahrzeuge (juris). A. A. Berrisch/Burianski, WuW 2005, 878, 885 (Zeitpunkt der Zahlung). 281 So auch BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 65 – ORWI; wohl auch K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 200. Vgl. auch BGH, Urt. v. 29.6.1994 – VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305, 308. A. A. Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 224 (Einordnung als „überpflichtmäßige Maßnahme“, ohne dass daraus jedoch zwingend eine Verneinung der Anrechnung resultieren soll).
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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das kartellierte Produkt überhaupt absetzen zu können.282 Die Überlegungen zum Deckungskauf bzw. -verkauf können im Ergebnis deshalb nur bedingt für den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch herangezogen werden. Vergleichbar scheint allerdings die Situation bei der Weiterveräußerung einer mangelhaften Sache, insbesondere der Fall des arglistig verschwiegenen Mangels.283 Hierbei veräußert der arglistig täuschende Verkäufer die mangelhafte Sache an einen Käufer, der diese ohne Kenntnis der Mangelhaftigkeit an einen Zweiterwerber weiterveräußert.284 Der erlangte Erlös soll in diesen Fällen der Geltendmachung des positiven Interesses nicht anzurechnen sein, da der Verkäufer sonst unbillig entlastet würde.285 Dabei wurde der vertragliche Schadensersatzanspruch vom Zweiterwerber aus abgetretenem Recht geltend gemacht, anderweitige eigene Ansprüche (unter anderem aufgrund eines mit dem Ersterwerber vereinbarten Gewährleistungsausschlusses) fehlten.286 Würde in diesen Fällen eine Vorteilsausgleichung zugelassen, so würden dem Zweiterwerber als eigentlich Geschädigtem jegliche Ansprüche genommen. Die Gerichte scheinen bei ihren Entscheidungen deshalb insbesondere die Schutzwürdigkeit des Zweiterwerbers (gegenüber dem arglistigen Verkäufer) berücksichtigt zu haben. Darüber hinaus ist eine Anrechnung wenig interessengerecht, sofern man bedenkt, dass der Ersterwerber bei fehlendem Gewährleistungsausschluss verschuldensunabhängigen Gewährleistungsansprüchen bzw. -rechten des Zweiterwerbers ausgesetzt sein kann.287 Demgegenüber stehen dem mittelbaren Abnehmer bei der Weiterwälzung des Preisaufschlages Ansprüche aus eigenem Recht gegen den Kartellteilnehmer zu. Ihm ist es unbenommen, seine Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Auch ist die Interessenlage im Verhältnis zwischen unmittelbarem und mittelbarem Abnehmer eine andere, da insofern typischerweise gerade keine Ansprüche des mittelbaren Abnehmers gegen den unmittelbaren Abnehmer bestehen. Eine mit der vollständigen Entlastung des Verkäufers vergleichbare Entlastung des Kartellteilnehmers steht deshalb nicht in Rede.288 282 Z. B. stärker betriebene Werbemaßnahmen, vermehrte Vertreterbesuche etc. (Langen/ Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 18, die als Konsequenz dessen wohl bereits den adäquaten Kausalzusammenhang verneinen möchten). 283 Vgl. Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 372; Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 227 ff. So auch schon Staudinger/Schiemann1998, § 249 BGB Rn. 147 sowie FK/W.-H. Roth, § 35 GWB a. F. Rn. 165 u. Rn. 165 Fn. 4, zit. nach Staudinger/ Schiemann1998, § 249 BGB Rn. 147 u. Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 227 Fn. 779. 284 So der zugrundeliegende Sachverhalt in OLG Hamm Urt. v. 27.3.1974 – 20 U 281/73, NJW 1974, 2091; OLG München Beschl. v. 20.3.1980 – 27 W 22/80, NJW 1980, 1581. 285 OLG München Beschl. v. 20.3.1980 – 27 W 22/80, NJW 1980, 1581, 1582. 286 OLG Hamm Urt. v. 27.3.1974 – 20 U 281/73, NJW 1974, 2091; OLG München Beschl. v. 20.3.1980 – 27 W 22/80, NJW 1980, 1581. 287 OLG Hamm Urt. v. 27.3.1974 – 20 U 281/73, NJW 1974, 2091, 2092; Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 228. 288 Ähnlich Triantafyllidis, Die Einordnung der Passing-On-Defense, S. 190 f.
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(2) Besonderheiten des kartellrechtlichen Schadensersatzanspruches Unabhängig von der Zuordnung zu einer bestimmten Fallgruppe könnten spezifische kartellrechtliche Überlegungen im Hinblick auf den Zweck des Ersatzanspruches dagegen sprechen, eine Vorteilsausgleichung zuzulassen.289 Gesetztes Ziel des kartellrechtlichen Schadensersatzanspruches ist neben der kompensatorischen Funktion auch das der Prävention.290 Aus ökonomischer Perspektive steht nämlich nicht der Ausgleich des dem einzelnen Abnehmer entstandenen Schadens im Vordergrund, sondern durch die Sanktionierung des Verhaltens mittels Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche sollen zukünftige Verstöße verhindert werden.291 Erstrebt wird also auch ein verhaltenssteuernder Effekt.292 Diesem könnte es zuwiderlaufen, dass sich der Kartellant auf die Vorteilsausgleichung berufen und sich so seiner Schadensersatzpflicht gegenüber dem unmittelbaren Abnehmer entziehen könnte.293 Zwar verbliebe dann gleichwohl der mittelbare Abnehmer als Geschädigter und damit die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüche durch diesen. Allerdings wird dieser aufgrund des unter Umständen nur geringen Schadens und den erheblichen Erschwernissen bei dessen Nachweis als „weniger geeigneter“ potentieller Kläger angesehen.294 Versucht der mittelbare Abnehmer in einem Großteil der Fälle deshalb erst gar nicht, seine Ansprüche (klageweise) durchzusetzen, so könnte man insofern von einer unbilligen Entlastung des Kartellteilnehmers sprechen, was in der Konsequenz eine Versagung der Vorteilsausgleichung des Kartellteilnehmers im Prozess gegen den unmittelbaren Abnehmer rechtfertigen würde.295 Dabei ist zunächst die Berücksichtigungsfähigkeit von möglichen eigenen Ansprüchen des mittelbaren Abnehmers im Rahmen der Vorteilsausgleichung des un289 Auch Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 374 sieht den Zweck der Haftungsnorm als vorrangig gegenüber der Zuordnung zu einer bestimmten Fallgruppe. 290 Kamann, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 2 Rn. 18; zu § 33 III GWB 2005 vgl. BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 35. 291 Haucap/Stühmeier, WuW 2008, 413, 414. 292 Kamann, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 2 Rn. 18. 293 So Köhler, GRUR 2004, 99, 103. Für eine (grundsätzliche) Versagung der Vorteilsausgleichung aufgrund des Präventionszwecks auch Fuchs, ZWeR 2011, 192, 202 ff.; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 379 ff. 294 Vgl. Fuchs, ZWeR 2011, 192, 203; Gollan/Thiede, NZKart 2018, 338, 341. 295 Fuchs, ZWeR 2011, 192, 203; ähnlich OLG Schleswig Urt. v. 17.2.2020 – 16 U 43/19 Kart, juris-Rn. 130 – LKW-Kartell (juris); LG Dortmund Urt. v. 27.6.2018 – 8 O 13/17 (Kart), juris-Rn. 123 f. – LKW-Kartell (juris); Gollan/Thiede, NZKart 2018, 338, 341. Offengelassen noch von BGH, Urt. v. 19.5.2020 – KZR 8/18, juris-Rn. 62 – Schienenkartell IV (juris). Nunmehr auch BGH, Urt. v. 23.9.2020 – KZR 4/19, Ls. u. juris-Rn. 51 – Schienenkartell V (juris). Dieser Umstand ist auch nach neuer Rechtslage weiterhin umstritten. Vgl. hierzu Fritzsche, NZKart 2017, 630, 635; Petrasincu, WuW 2016, 330, 331 f.; Seegers, WuW 2017, 236, 238.
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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mittelbaren Abnehmers zweifelhaft. Bei der Frage, ob die Zahlung eines Dritten an den Geschädigten angerechnet wird, sind die diesem Verhältnis zugrunde liegenden Vorstellungen und Bestrebungen der Parteien zu berücksichtigen;296 in der kartellrechtlichen Fallgestaltung also die Besonderheiten des Weiterverkaufs vom unmittelbaren an den mittelbaren Abnehmer. Ob der mittelbare Abnehmer in dessen nachgelagerten Verlauf den Kartellteilnehmer auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, wirkt sich auf dieses Verhältnis und damit den beim unmittelbaren Abnehmer eingetretenen Vorteil nicht aus. Es stellt sich dann jedoch die Frage, warum das gegebenenfalls bestehende Desinteresse des mittelbaren Abnehmers an einer solchen Geltendmachung dem unmittelbaren Abnehmer zum Vorteil gereichen sollte. Das Ziel eine „unbillige Entlastung des Schädigers“ durch die Vorteilsausgleichung zu vermeiden, bezieht sich auf das Rechtsverhältnis zwischen unmittelbarem Abnehmer als Geschädigtem (dem die Anrechnung des Vorteils zumutbar sein muss) und dem Kartellteilnehmer als Schädiger. Diese Voraussetzung der Vorteilsausgleichung ist aber nicht derart weit zu verstehen, dass diese zu versagen wäre, sofern zwar nicht der Schädiger im Verhältnis zum Geschädigten unangemessen entlastet wird, aber eine darüber hinausgehende generelle Entlastung des Schädigers in Rede steht, verstanden als frei sein von jeglicher Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz, die als unbillig empfunden würde. Darüber hinaus müsste es schon ausreichen, dass ein Freisein von jeglicher Schadensersatzverpflichtung droht, da im Zeitpunkt des Prozesses des unmittelbaren Abnehmers nicht mit Bestimmtheit feststeht, dass mittelbare Abnehmer den Kartellteilnehmer nicht in Anspruch nehmen werden.297 Berücksichtigt man, obgleich der Bedenken, die Position des mittelbaren Abnehmers, so wird durch die Zulassung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch diesen dem Präventionszweck ausreichend Rechnung getragen. Auch diese Ersatzansprüche können abschreckend gegenüber dem Kartellteilnehmer wirken. Zwar wird die Höhe des geltend gemachten Schadens häufig niedriger sein, jedoch sieht sich der Kartellant gleichzeitig einer Vielzahl von Anspruchsstellern gegenüber. Darüber hinaus dürfte der Präventionsfunktion ein mangelndes Interesse des unmittelbaren Abnehmers an der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches bei Abwälzung des Preisaufschlages und weiterbestehender vertraglicher Bindung an den Kartellanten abträglich sein.298 Überdies scheint der Zweck der Prävention beim kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch teilweise überbetont zu werden. In der Begründung zum Regierungsentwurf zur 7. GWB-Novelle heißt es hierzu: „Der Schadensersatzanspruch nach § 33 Abs. 3 wird gegenüber dem geltenden Recht aufgewertet, um einen wirksamen Ausgleich für den Geschädigten sicherzustellen und zugleich den ab296
Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 147. So beruht die Versagung der Vorteilsausgleichung in der Entscheidung BGH, Urt. v. 23.9.2020 – KZR 4/19 – Schienenkartell V (juris) auf der Prognose, dass „[…] die mittelbaren Abnehmer […] den ihnen […] entstehenden Schaden […] voraussichtlich gegenüber den Kartellbeteiligten nicht geltend machen […]“ (juris-Rn. 51). 298 Bulst, EWS 2004, 62, 63 f.; K. Westermann, FS H. P. Westermann, 1605, 1625. 297
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schreckenden Effekt zu verstärken.“299 Mit der Verbesserung der Anspruchsdurchsetzung und damit der Kompensation wird also gleichsam der Prävention Rechnung getragen. Dieser Umstand ist aber jeder Schadensersatzpflicht immanent; das Wissen darum, dass im Falle einer Schädigung der Schädiger dem Geschädigten den entstandenen Schaden auszugleichen hat, hält den potentiellen Schädiger dazu an, dies zu unterlassen.300 Daneben steht auch das schadensrechtliche Bereicherungsverbot nicht nur einer Ablehnung der Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer entgegen, sondern auch einer grundsätzlichen Verneinung des Vorteilsausgleichs.301 Das Bereicherungsverbot komplettiert das, auch beim Kartellschadensersatz maßgebliche, Kompensations- oder Ausgleichsprinzip des Schadensrechts.302 Es untersagt den unmittelbaren Abnehmer besser zu stellen, als er ohne das kartellrechtswidrige Verhalten des Kartellanten stünde.303 Deshalb darf ihm für einen Schaden, den er durch Weitergabe an seine eigenen Abnehmer ausgeglichen hat, jedenfalls sofern diese wiederum allein auf dem Umstand beruht, dass sich der nachfolgende Markt kartellbedingt zu seinen Gunsten verändert hat, kein Ersatz zugesprochen werden.304 Würde dem unmittelbaren Abnehmer Ersatz für einen Schaden zugesprochen, der tatsächlich gar nicht dauerhaft sein Vermögen geschmälert hat, so bestünde zumindest die Tendenz weg von einem reinen Ersatzanspruch hin zu einem Strafschadensersatz,305 also einem solchen, der über eine etwaige kompensatorische Funktion hinausgeht und lediglich der Sanktionierung des Verhaltens des Schädigers dient.306 Dieser ist im deutschen Schadensrecht nicht vorgesehen.307 Diese grundsätzlichen Prinzipien aufzugeben, nur um vermeintlich eine bessere Durchsetzung des Kartellverbots zu erreichen, erscheint nicht angebracht.308 Gesteht man neben der Versagung der Vorteilsausgleichung den mittelbaren Abnehmern die Geltendma-
299
BegrRegE, BT-Drs. 15/3640, S. 35. Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 16. 301 Vgl. insoweit schon die Ausführungen auf S. 29 ff. 302 Lange/Schiemann, Schadensersatz, Einleitung III 2 (zum Bereicherungsverbot im Allgemeinen). 303 OLG Karlsruhe Urt. v. 28.1.2004 – 6 U 183/03, NJW 2004, 2243, 2245 – Vitaminkartell. 304 Ohne Einschränkung insoweit auf das schadensrechtliche Bereicherungsverbot abstellend: OLG Karlsruhe Urt. v. 28.1.2004 – 6 U 183/03, NJW 2004, 2243, 2244 f. – Vitaminkartell. 305 Vgl. K. Westermann, FS H. P. Westermann, 1605, 1625 f.; dem zustimmend BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 62 – ORWI. 306 So bei den sog. „exemplary and punitive damages“ nach US-amerikanischem Recht. Vgl. BGH, Urt. v. 4.6.1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312, 334 f. 307 BGH, Urt. v. 4.6.1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312, 343 f.; BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 62 – ORWI; K. Westermann, FS H. P. Westermann, 1605, 1625. 308 Ähnlich K. Westermann, FS H. P. Westermann, 1605, 1626. 300
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chung von Schadensersatzansprüchen zu, so birgt dies zudem die Gefahr einer doppelten bzw. mehrmaligen Inanspruchnahme des Kartellanten.309 Als Zwischenergebnis kann damit festgehalten werden, dass auch wertende Überlegungen die Vorteilsausgleichung nicht grundsätzlich auszuschließen vermögen. Es bleibt jedoch stets eine einzelfallbezogene Betrachtung dahingehend geboten, auf welche konkreten Umstände der Preissetzungsspielraum des unmittelbaren Abnehmers zurückzuführen ist. dd) Die Problematik des Nachfragerückgangs in der Entscheidung ORWI und das Erfordernis der Kongruenz Der im Einzelfall nun festgestellte „[…] Vorteil [kann] nicht undifferenziert dem Gesamtschaden gegenübergestellt werden.“310 Es ist nach wohl herrschender Meinung, und insbesondere auch nach Ansicht des BGH, für die Vorteilsausgleichung somit erforderlich, dass zwischen dem festgestellten Vorteil und der einzelnen Schadensposition Kongruenz besteht.311 Der Vorteil ist „[…] nur mit dem Schadensposten zu verrechnen, dem der Vorteil seiner Art nach entspricht […].“312 Zwischen beiden muss ein innerer Zusammenhang bestehen, so dass sie als Rechnungseinheit verstanden werden können.313 Ob dies der Fall ist, beantwortet sich über eine wertende Betrachtung der einzelnen Vor- und Nachteile.314 Insofern werden innerhalb der auf einen Gesamtvermögensvergleich ausgerichteten Differenzhypothese einzelne Positionen einander gegenübergestellt.315 Dieses Erfordernis der Kongruenz steht allerdings im Widerspruch zu den vom BGH in der Entscheidung ORWI aufgestellten Anforderungen an die Vorteilsausgleichung.316 Hiernach ist vom beklagten Kartellanten „[…] darzutun und gegebenenfalls nachzuweisen, dass der Weiterwälzung keine Nachteile des Abnehmers 309 Bulst, EWS 2004, 62, 63; W.-H. Roth, FS Huber, 1133, 1163 f.; Schütt, WuW 2004, 1124, 1129; K. Westermann, FS H. P. Westermann, 1605, 1626. 310 Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 144. 311 BGH, Urt. v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, BGHZ 136, 52, 54 f.; BGH, Urt. v. 30.6.2017 – V ZR 134/16, BGHZ 215, 157, Rn. 15; Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 9 III 12; MüKoBGB/ Oetker, § 249 Rn. 277; Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 144; Thiele, AcP 167 (1967), 193, 202 f.; kritisch insoweit Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 439 ff.; Soergel/ Ekkenga/Kuntz, Vor § 249 Rn. 297. 312 Lange/Schiemann, Schadensersatz, § 9 III 12. Vgl. auch BGH, Urt. v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, BGHZ 136, 52, 54; BGH, Urt. v. 30.6.2017 – V ZR 134/16, BGHZ 215, 157, Rn. 15. 313 Thiele, AcP 167 (1967), 193, 202; vgl. auch BGH, Urt. v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, BGHZ 136, 52, 54 f. 314 Thiele, AcP 167 (1967), 193, 202; vgl. auch BGH, Urt. v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, BGHZ 136, 52, 55. 315 Thüsing, Wertende Schadensberechnung, S. 55. 316 Ähnliche Überlegungen wohl bei Fuchs, in: Remien (Hrsg.), Schadensersatz im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht, 55, 72 ff., der die „Gesamtsaldierung“ des BGH kritisiert, allerdings das Kriterium der Kongruenz nicht ausdrücklich benennt.
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gegenüberstehen, insbesondere kein Nachfragerückgang, durch den die Preiserhöhung (ganz oder teilweise) kompensiert worden ist.“317 Aber auch über das Kriterium der Kongruenz hinaus erweist sich diese Rechtsprechung des Senats als problematisch. (1) Diskrepanz zwischen der Entscheidung ORWI und dem Erfordernis der Kongruenz Zunächst überrascht die Formulierung des BGH insoweit, dass der Weiterwälzung (des Preisaufschlages), verstanden als zugeflossener Vorteil, stets Nachteile des Abnehmers in Gestalt des geltend gemachten Schadens gegenüberstehen. Wäre dies nicht der Fall, so würde sich die Frage nach der Vorteilsausgleichung erst gar nicht stellen. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Formulierung des BGH so verstanden werden soll, dass der Weiterwälzung explizit keine Nachteile in Form des Nachfragerückgangs bzw. verursacht durch den Nachfragerückgang gegenüberstehen sollen, durch die die Preiserhöhung kompensiert worden ist.318 Wie bereits ausgeführt kann, neben dem Preisüberhöhungsschaden, beim Abnehmer ein durch den Nachfragerückgang verursachter Schaden in Form des entgangenen Gewinns eintreten. Dieser entsteht dadurch, dass der Abnehmer aufgrund des bestehenden Kartells seine eigenen Preise kartellbedingt erhöhen muss. Dies bedingt einen Rückgang der Nachfrage auf dem nachfolgenden Absatzmarkt. Der Nachfragerückgang führt allerdings nur zu einer Schädigung des Abnehmers in Form eines entgangenen Gewinns, wenn gleichzeitig auch eine positive Marge im kartellfreien Zeitraum bestand. Denn hat der Abnehmer nie einen Gewinn erzielt, so kann ihm bei einem Absatzverlust auch keiner entgehen.319 Die Formulierung des BGH lässt deshalb eine Auslegung dahingehend zu, dass der Vorteil auf den Preisüberhöhungsschaden nicht anzurechnen ist, sofern der Vorteil bereits vollständig durch die Anrechnung des entgangenen Gewinns aufgezehrt wurde. Zunächst würde also der Vorteil dem entgangenen Gewinn gegenübergestellt und es würde nur dann zu einer Anrechnung auf den Preisüberhöhungsschaden kommen, sofern ein Überschuss verbliebe. Dieses Vorgehen gilt es zu überdenken.320
317 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 69 – ORWI. Ähnlich schon Bornkamm, GRUR 2010, 501, 503; Langen/Bunte/Bornkamm11, § 33 GWB Rn. 123 f., der den Nachfragerückgang i. R. d. Kausalzusammenhanges zwischen Vorteil und schädigendem Ereignis problematisieren will. 318 Insoweit treffend die Bezeichnung bei Morell, WuW 2013, 959, 960 („Beweis des fehlenden anderweitigen Nachteils“). 319 Vgl. schon die Ausführungen auf den S. 60 f. mit den entsprechenden Nachweisen. 320 Zur Auslegung der BGH-Rspr. (ORWI) und zur kritischen Auseinandersetzung mit dieser vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 361 ff.; Morell, WuW 2013, 959, 963 ff.
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Die Auffassung des BGH würde dazu führen, dass dem klagenden Abnehmer zwar der Nachweis des Preisüberhöhungsschadens obläge, der beklagte Kartellteilnehmer jedoch im Rahmen der Vorteilsausgleichung die Beweislast für den Nichteintritt eines entgangenen Gewinns bei ebendiesem Abnehmer trüge. Dabei ist es Aufgabe des Klägers, den Eintritt und den Umfang dieser Schadensposition darzulegen und unter den Erleichterungen des § 252 S. 2 BGB und des § 287 ZPO zu beweisen.321 In der Gegenüberstellung von Preisüberhöhungsschaden als Nachteil und abgewälztem Preisaufschlag als Vorteil würde damit gleichsam die Schadensposition des entgangenen Gewinns relevant. Entsprechend dem Erfordernis der Kongruenz kann der Vorteil aber nicht einem aus Preisüberhöhungsschaden und entgangenem Gewinn gebildeten Gesamtschaden gegenübergestellt werden, sondern vielmehr erfolgt eine einzelne Betrachtung von Vor- und Nachteilen.322 Nach den vom BGH aufgestellten Anforderungen findet aber faktisch zunächst eine Gegenüberstellung von entgangenem Gewinn und Vorteil statt, an die sich gegebenenfalls eine Prüfung anschließt, ob der aus dieser Verrechnung verbleibende überschüssige Vorteil den Preisüberhöhungsschaden kompensiert.323 So aber werden die einzelnen Schadenspositionen mit einander vermischt. Im Ausgangspunkt ist der Ansicht des BGH dabei beizupflichten, dass die vom unmittelbaren Abnehmer vorgenommene Preiserhöhung und der Nachfragerückgang auf dem Absatzmarkt des unmittelbaren Abnehmers, verstanden als Pass-onund Mengeneffekt, durchaus in Bezug zueinander stehen.324 So entscheidet der unmittelbare Abnehmer, ob er den kartellbedingten Preisaufschlag weitergibt und damit das Risiko einer Verringerung der Absatzmenge eingeht oder ob er den Ausgangspreis beibehält, dadurch zwar keinen kartellbedingten Absatzrückgang
321 Vgl. Ackermann/Franck, GRUR 2012, 298, 299 f.; Franck, WRP 2011, 843, 848; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 361 f. 322 Anders insoweit wohl Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 361 f. 323 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 362; Morell, WuW 2013, 959, 963. Ebenso Bulst, ZWeR 2012, 70, 82. Dieser sieht diese, vom BGH aufgestellte, Anforderung in der Rechtsprechung des EuGH begründet. S. 82: „Die Übereinstimmungen mit der […] Erstattungsrechtsprechung des EuGH sind dabei so augenfällig, dass die Vermutung naheliegt, dass das Schadensfreiheitserfordernis das Ergebnis einer Rezeption dieser Rechtsprechung durch den BGH ist.“ Die insb. zitierte EuGH-Entscheidung (EuGH, Urt. v. 2.10.2003 – C-147/ 01, ECLI:EU:C:2003:533, Rn. 93 ff. – Weber’s Wine World) bezog sich allerdings auf einen verwaltungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch, so dass die Möglichkeit einer Übertragung dieser Überlegungen auf einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch zumindest zweifelhaft erscheint. Bulst hält diese für unproblematisch (S. 79). 324 Vgl. insoweit auch die Darstellung der unterschiedlichen Effekte bei Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 36 f.
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erleidet, gleichzeitig aber eine geringere Marge pro verkaufter Produkteinheit generiert.325 Dieses Verhältnis zwischen Nachfrage und Preis wird als Preiselastizität der Nachfrage bezeichnet. Sie „[…] gibt an, um wie viel Prozent sich die verkaufte Menge eines Produktes auf einem gegebenen Markt ändert, wenn sich der Preis um 1 % ändert.“326 Es kann aber keine allgemein gültige Aussage dahingehend getroffen werden, wie sich Pass-on- und Mengeneffekt (bei dem neben dem Nachfragerückgang die entgangene Marge Berücksichtigung findet) zueinander verhalten, ob der eine also stets größer ist als der andere.327 Bei einer wertenden Zuordnung der einzelnen Vor- und Nachteile besteht aber stets ein, von den Besonderheiten der Marktverhältnisse im Einzelfall unabhängiger, Zusammenhang zwischen ursprünglich eingetretenem Preisüberhöhungsschaden und Weitergabe des kartellbedingten Preisaufschlages. Erwirbt der unmittelbare Abnehmer die Produkteinheit zum überhöhten Kartellpreis, dann ist der Preisüberhöhungsschaden zunächst in Höhe dieser Preiserhöhung eingetreten.328 Veräußert der unmittelbare Abnehmer diese Einheit nun ebenfalls zu einem (kartellbedingt) erhöhten Preis weiter, so kann er mit dem zugeflossenen Preisaufschlag einen Vorteil realisieren. Bezogen auf die konkrete Produkteinheit wird damit ein Preisanstieg beim Einkauf durch einen solchen beim Verkauf (ganz oder teilweise) ausgeglichen. Der unmittelbare Abnehmer neutralisiert damit in erster Linie seine gestiegenen Kosten. (2) Weitergehende Bedenken gegen eine zusätzliche Anforderung an die Vorteilsausgleichung Die Überlegungen des BGH scheinen von der Intention getragen, dem Abnehmer seine gerichtliche Durchsetzung des Schadensersatzanspruches zu erleichtern.329 Der Nachweis des entgangenen Gewinns fällt anerkanntermaßen bereits demjenigen nicht leicht, dem er entgangen sein soll.330 Aber auch aus anderen Gründen kann der Abnehmer nur ein geringes Interesse daran haben, diese Schadensposition geltend zu machen. Trägt der Abnehmer einen Nachfragerückgang auf seinem Absatzmarkt vor,
325 Vgl. OLG Karlsruhe Urt. v. 10.4.2019 – 6 U 126/17 Kart, juris-Rn. 66 – Maschinengeschirrspülmittelkartell (juris); Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 441 ff. 326 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 32 Fn. 112. 327 Kalmus, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 377. 328 Köhler, GRUR 2004, 99, 102; so auch Bornkamm, GRUR 2010, 501, 502 f.; Schwalbe, NZKart 2017, 157, 159. 329 Vgl. Morell, WuW 2013, 959, 963. 330 Vgl. nur Kling/Thomas, Kartellrecht, § 23 Rn. 45; Morell, WuW 2013, 959, 963.
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so lässt dies den Schluss zu, dass die eigenen Preise erhöht wurden, mithin eine Weitergabe des Preisaufschlages vorliegt.331 Indem der BGH dem beklagten Kartellanten die Beweislast hinsichtlich des Nichteintritts des entgangenen Gewinns im Rahmen der Vorteilsausgleichung aufbürdet, stellt er diesen vor erhebliche Nachweisprobleme.332 Zum einen handelt es sich bei dem Nichteintritt eines Nachteils um eine negative Tatsache, bei der die Beweisführung an sich schon schwierig ist.333 Erschwerend kommen die Einschränkungen des BGH bei der sekundären Darlegungslast hinzu.334 Auch die Streitverkündung nützt dem Kartellanten nicht beim Nehmen dieser Hürde.335 Denn der als Streitverkündungsgegner fungierende mittelbare Abnehmer verfügt insoweit über keinen besseren Informationszugang als der Kartellant.336 Darüber hinaus ist diese Schadensposition für den mittelbaren Abnehmer ohne Bedeutung, da etwaige gerichtliche Feststellungen hierzu keine Auswirkungen auf den von ihm zu führenden Folgeprozess über seinen eigenen Preisüberhöhungsschaden haben.337 Zum anderen dürfte eine Preiserhöhung regelmäßig zu einem entgangenen Gewinn führen, es sei denn, die Nachfrage ist gänzlich preisunelastisch.338 Es ist ebenfalls möglich, dass der Abnehmer auch ohne das Kartell keine positive Marge erzielt hat, so dass ihm bei einem Absatzrückgang auch kein Gewinn entgehen kann.339 Nur in diesen seltenen Fallkonstellationen wäre es dem Kartellteilnehmer also theoretisch möglich nachzuweisen, dass die Preiserhöhung nicht durch einen entgangenen Gewinn kompensiert worden ist. Nimmt man des Weiteren an, dass die in Ansatz zu bringende Preiserhöhung durch den unmittelbaren Abnehmer maximal so groß sein kann wie der ursprünglich auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers durch das Kartell verursachte Preisaufschlag so führt dies dazu, dass der Preisüberhöhungsschaden des unmittelbaren 331 Kalmus, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 379. 332 Bulst, ZWeR 2012, 70, 85; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 362; Morell, WuW 2013, 959, 964. 333 Vgl. Fuchs, in: Remien (Hrsg.), Schadensersatz im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht, 55, 73 sowie hierzu allgemein Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 20 Rn. 11 ff. 334 Vgl. Ackermann/Franck, GRUR 2012, 298, 300. Vgl. zur sekundären Darlegungslast auch die Ausführungen unten S. 120 ff. 335 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 362 f.; Morell, WuW 2013, 959, 965 ff. Näher zur Streitverkündung unten S. 103 ff. 336 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 363. 337 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 363; Morell, WuW 2013, 959, 967. 338 LG Stuttgart Urt. v. 14.12.2018 – 30 O 26/17, BB 2019, 147, 148; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 442 f.; Morell, WuW 2013, 959, 964. 339 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 363 u. S. 442 f.; Kalmus, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 377.
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Abnehmers faktisch nie ganz durch den zugeflossenen Vorteil ausgeglichen werden kann. Denn ist der Preisüberhöhungsschaden des unmittelbaren Abnehmers gleich dem bzw. größer als der durch diesen weitergegebene Preisaufschlag und ist von diesem Preisaufschlag im Regelfall ein entgangener Gewinn abzuziehen, der diesen reduziert, so verbleibt letztendlich ein Vorteil, der in seiner Höhe nicht an den Preisüberhöhungsschaden des unmittelbaren Abnehmers heranreichen kann.340 Darüber hinaus wirft die Rechtsprechung des BGH die Frage auf, wie mit einem Abnehmer verfahren werden soll, der seinen Schadensersatzanspruch anstelle des Preisüberhöhungsschadens auf den entgangenen Gewinn stützt. Kann diesem dann im Rahmen einer Vorteilsausgleichung auch die Abwälzung des Preisaufschlages entgegengehalten werden? Und müsste der Kartellteilnehmer dann beweisen, dass dieser Preiserhöhung keine Nachteile in Form des Preisüberhöhungsschadens gegenüberstehen? Durch die vom BGH aufgestellten Anforderungen gelangt der Abnehmer in eine komfortable Situation. Er muss nicht abwägen, ob er seinen entgangenen Gewinn in den Prozess einführt, sondern es genügt, dass er sich auf seinen Preisüberhöhungsschaden beruft. Hingegen muss der Kartellteilnehmer den Nichteintritt eines entgangenen Gewinns nachweisen. Bleibt der Kartellteilnehmer insoweit beweispflichtig, so scheidet eine Vorteilsausgleichung aus.341 Dies kann zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass, trotz nachgewiesener Abwälzung des Preisaufschlages, der unmittelbare Abnehmer vollständigen Ersatz für seinen Preisüberhöhungsschaden erhält, der inhaltlich aber einen nicht nachgewiesenen und daher nur mutmaßlich entstandenen entgangenen Gewinn ausgleicht.342 Die vom BGH an die Vorteilsausgleichung aufgestellte zusätzliche Anforderung ist daher im Ergebnis für die zur Entscheidung gestellten Sachverhalte unter Anwendung des vor der 9. GWB-Novelle geltenden Rechtes abzulehnen.343 Auch der BGH selbst scheint an seiner Rechtsprechung nicht zwingend festhalten zu wollen. Ausdrücklich wird diese zusätzliche Anforderung an die Vorteilsaus-
340 Den Ausführungen liegt zur Vereinfachung der rechtlichen Problematik die theoretische Annahme zugrunde, dass der kartellbedingte Preisaufschlag pro bezogener Produkteinheit auf allen Absatzstufen maximal so groß ist, wie auf der Stufe der unmittelbaren Abnehmer. Dieser „Gesamtpreisaufschlag“ würde also durch die Abwälzung über die einzelnen Abnehmerstufen verteilt. Ähnliche Überlegungen insoweit bei Hartmann-Rüppel/Ludewig, ZWeR 2012, 90, 101 (a. E.) f.; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 396 f. Dies entspricht wohl auch dem Verständnis des BGH, Urt. v. 19.5.2020 – KZR 8/18, juris-Rn. 49 – Schienenkartell IV (juris). Aus ökonomischer Perspektive mag sich die Abwälzung anders darstellen. Vgl. hierzu nur Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 293 f. 341 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 362; Morell, WuW 2013, 959, 967. 342 Ähnlich Morell, WuW 2013, 959, 967. 343 Zur Rechtslage nach der 9. GWB-Novelle vgl. insb. S. 161 f.
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gleichung in der Entscheidung des BGH in der Rechtssache Schienenkartell V zumindest nicht genannt, obwohl die Entscheidung hierzu Anlass geboten hätte.344 ee) Anscheinsbeweis Lehnt man das zusätzliche Erfordernis des Nichteintritts eines entgangenen Gewinns ab, so gestaltet sich der Nachweis der übrigen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung dennoch insgesamt schwierig, insbesondere der Nachweis, dass eine vom unmittelbaren Abnehmer vorgenommene Preiserhöhung auch tatsächlich kartellbedingt ist. Als problematisch erweist sich somit (erneut) der Kausalzusammenhang.345 Nunmehr steht allerdings nicht die Frage nach dem „Ob“ des Schadens, sondern die Frage nach dem „Ob“ des Vorteils im Raum.346 Wie schon für den Eintritt und den Umfang des Schadens, so gilt auch für die Vorteilsausgleichung das Beweismaß des § 287 I ZPO.347 Für die Überzeugungsbildung des Gerichts genügt damit die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Bestehens des Kausalzusammenhanges zwischen Preiserhöhung und Kartellverstoß. Zusätzlich gilt es zu berücksichtigen, dass die Kausalitätserwägungen bei der Vorteilsausgleichung und bei der Schadensbegründung des mittelbaren Abnehmers grundsätzlich parallel verlaufen.348 Bei der Bewältigung der aufgezeigten Problematik könnte erneut die Annahme eines Anscheinsbeweises helfen. Die Bildung eines solchen Erfahrungssatzes hat das Kammergericht Berlin unter Einschränkungen erwogen.349 So soll ein solcher hinsichtlich der Weitergabe bestehen, sofern ausnahmslos für alle Wettbewerber auf dem nachfolgenden Absatzmarkt nur noch ein Bezug des fraglichen Produktes zum Kartellpreis möglich ist, da diese insofern bei einer Preiserhöhung dann keinen Wettbewerbsnachteil zu fürchten hätten.350 Ähnliche Überlegungen, allerdings ohne einen Anscheinsbeweis zu statuieren, finden sich im Hauptgutachten der Monopolkommission aus dem Jahre 2018. Hiernach muss hinzukommen, dass es sich um 344
Der BGH setzt sich in seinem Urt. v. 23.9.2020 – KZR 4/19, juris-Rn. 32 ff. – Schienenkartell V (juris) intensiv mit der Vorteilsausgleichung auseinander. Weitbrecht, WuW 2021, 86, 88 sieht in der Entscheidung insoweit die Aufgabe der ORWI-Rechtsprechung. 345 Vgl. auch Topel, in: Wiedemann, HdB KartellR2, § 50 Rn. 134. 346 Ähnliche Formulierung bei Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 334 ff., die zwischen dem „Ob“ der Weiterwälzung und dessen Umfang i. R. d. Schadensersatzanspruches des mittelbaren Abnehmers differenzieren. 347 BGH, Urt. v. 31.1.1991 – VII ZR 63/90, NJW-RR 1991, 789; Laumen/Prütting, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 13 Rn. 18. 348 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 59 – ORWI unter Bezugnahme auf Topel, in: Wiedemann, HdB KartellR2, § 50 Rn. 134. Vgl. zu den Unterschieden die Ausführungen unten auf den S. 101 f. u. 123. 349 KG Berlin Urt. v. 1.10.2009 – 2 U 17/03 Kart, juris-Rn. 142 – Transportbeton (juris); zur Analyse des Urteils vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 358 f. 350 KG Berlin Urt. v. 1.10.2009 – 2 U 17/03 Kart, juris-Rn. 142 – Transportbeton (juris).
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einen wettbewerbsintensiven Folgemarkt handelt.351 „In Märkten, die durch intensiven Wettbewerb gekennzeichnet sind, lassen sich Preisveränderungen […] in aller Regel auf Veränderungen der Inputkosten zurückführen.“352 Auch nach den Ausführungen des BGH in ORWI im Kontext der Schadensbegründung des mittelbaren Abnehmers soll bei Vorliegen dieser Voraussetzungen „[…] eine Kostenwälzung grundsätzlich jedenfalls dann als kartellbedingt angesehen werden […].“353 Dies könnte für die Annahme eines entsprechenden Anscheinsbeweises auf Seiten des BGH sprechen.354 Gleichzeitig äußerte sich der BGH in ORWI wenige Randnummern zuvor ablehnend in Bezug auf eine (tatsächliche) Vermutung hinsichtlich des Kausalzusammenhanges ausgehend vom Kartellverstoß bis zur Preiserhöhung auf dem Markt der mittelbaren Abnehmer. „Angesichts der ökonomischen Komplexität der Preisbildung und des unterschiedlichen Wettbewerbsdrucks auf den jeweiligen nachgelagerten Märkten spricht keine Vermutung dafür, dass eine im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kartell auftretende Preiserhöhung auf den Anschlussmärkten ursächlich auf das Kartell zurückzuführen ist.“355
Da aber sowohl einer tatsächlichen Vermutung allgemein, als auch einem Anscheinsbeweis im Speziellen, Erfahrungssätze zugrunde liegen (diese beim Anscheinsbeweis aber eine gewisse Qualität aufweisen müssen)356, dürfte dies ebenfalls als Absage an einen Anscheinsbeweis zu werten sein.357 Hierfür spricht auch, dass der BGH den Nachweis der Kausalität im konkreten Einzelfall verlangt,358 der Anscheinsbeweis den Beweispflichtigen jedoch gerade davon entbindet, „[…] die tatsächlichen Einzelumstände eines bestimmten historischen Geschehens nachzuweisen.“359 Darüber hinaus lassen die Ausführungen des BGH in seiner Entscheidung zum Schienenkartell (I) den Schluss zu, dass der Senat der Annahme eines An-
351
Monopolkommission, Hauptgutachten XXII, Rn. 888. Monopolkommission, Hauptgutachten XXII, Rn. 888. 353 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 47 – ORWI. 354 So von Dietze/Janssen, Kartellrecht in der anwaltlichen Praxis, Rn. 698; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 335 ff.; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 23 Rn. 59; Morell, WuW 2013, 959, 961. 355 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 45 – ORWI. 356 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 19 Rn. 44; Stein/Jonas/Thole, § 292 ZPO Rn. 7 u. § 286 ZPO Rn. 224. 357 Die Entscheidung ebenso auslegend Galle, NZKart 2016, 214, 216 f.; Thiede/Träbing, NZKart 2016, 422, 427; a. A. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 337; Morell, WuW 2013, 959, 961. 358 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 45 – ORWI unter Bezugnahme auf Topel, in: Wiedemann, HdB KartellR2, § 50 Rn. 132; K. Westermann, FS H. P. Westermann, 1605, 1627. 359 MüKoZPO/Prütting, § 286 ZPO Rn. 50. 352
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scheinsbeweises im Rahmen eines kartellrechtlichen Schadensersatzprozesses grundsätzlich zurückhaltend gegenübersteht.360 Bedenkt man die Vielgestaltigkeit kartellrechtlicher Sachverhalte, so ist diese Zurückhaltung des BGH durchaus berechtigt. Die Annahme eines Anscheinsbeweises unter Bildung eines entsprechenden Erfahrungssatzes kommt nur in Betracht, sofern es sich um Vorgänge handelt, „[…] die in übergroßer Zahl auf gleichförmige Weise bzw. unter gleichen Bedingungen zu geschehen pflegen.“361 Die erfolgreiche Weitergabe des Preisaufschlages hängt jedoch von der subjektiven Entscheidung des unmittelbaren Abnehmers ab, seine Preise kartellbedingt zu erhöhen, sowie von der Bereitschaft der mittelbaren Abnehmer, diesen erhöhten Preis zu zahlen.362 Der unmittelbare Abnehmer muss Margenschmälerung und Absatzverlustrisiko gegeneinander abwägen.363 Diese Überlegungen zwingen allerdings nicht, die Typizität zu verneinen. Da es sich bei den unmittelbaren Abnehmern im Regelfall um Wirtschaftsunternehmen handelt, lässt sich hierbei mithilfe ökonomischer Theorien ermitteln, welches Verhalten der Abnehmer wirtschaftlich naheliegt, wie diese also unter bestimmten Bedingungen regelmäßig agieren werden.364 Das im Einzelfall denkbare Absehen von Preiserhöhungen zur Vermeidung eines Absatzrückgangs schließt die Annahme eines Anscheinsbeweises nicht aus.365 So kann bei Bestehen und unter Zugrundelegung entsprechender ökonomischer Theorien durchaus ein Erfahrungssatz gebildet werden, der einen Anscheinsbeweis rechtfertigt.366 Allerdings ist unter den oben genannten engen Voraussetzungen schon fraglich, ob ein derartiger Anscheinsbeweis dem Kartellteilnehmer den Beweis wirklich erleichtert. Als hilfreicher könnte sich insoweit die sekundäre Darlegungslast erweisen. Da die, an die Annahme einer solchen gestellten Anforderungen nach Ansicht des BGH in der Rechtssache ORWI in engem Zusammenhang mit der Möglichkeit einer 360
Vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464 – Schienenkartell. Bestätigt insoweit durch BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281 – Schienenkartell II. 361 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 757. 362 Mit dieser Argumentation wird teilweise bereits der Kausalzusammenhang zwischen Kartellverstoß und Vorteil in Frage gestellt (vgl. nur Keßler, BB 2005, 1125, 1127). Da die Preissetzung des unmittelbaren Abnehmers jedoch nicht völlig losgelöst vom Kartellverstoß erfolgt, verfängt diese Argumentation nicht (vgl. nur die Ausführungen des BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 48 – ORWI zum Kausalzusammenhang zwischen Kartellverstoß und Schaden des mittelbaren Abnehmers). 363 Vgl. insoweit die Darstellungen auf S. 60 f. mit den entsprechenden Nachweisen. 364 Zum Streit, ob ein Anscheinsbeweis bei individuellen menschlichen Willensentschlüssen in Betracht kommt, vgl. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 56 ff. 365 Vgl. allgemein Fleck, VersR 1956, 329, 331: „Denn es gehört gerade zum Wesen des Prima-facie-Beweises, daß […] andere Möglichkeiten an sich denkbar sind; […].“ 366 Für das Bestehen eines Anscheinsbeweises sprechen sich Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 358 ff. u. S. 334 ff.; Morell, WuW 2013, 959, 961 ff.; Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 284 aus; a. A. Jüntgen, Die prozessuale Durchsetzung privater Ansprüche, S. 127; wohl auch Topel, in: Wiedemann, HdB KartellR2, § 50 Rn. 132 (einen Anscheinsbeweis bejahend Topel, in: Wiedemann, HdB KartellR3, § 50 Rn. 103).
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Streitverkündung stehen,367 soll auf die sekundäre Darlegungslast erst im Zusammenspiel mit ebendieser eingegangen werden.368 ff) Höhe des Vorteils Wie auch die Schadenshöhe vollzieht sich die Ermittlung der Höhe bzw. des Umfanges des Vorteils unter dem reduzierten Beweismaß des § 287 ZPO.369 Der Kartellteilnehmer muss insoweit eine (Schätzungs-)Grundlage darlegen und gegebenenfalls beweisen mit Hilfe derer dem Gericht eine Schätzung möglich ist.370 Erschwerend kommt im Hinblick auf die Ermittlung des Umfangs des Vorteils hinzu, dass der Preisaufschlag, insbesondere wenn es sich bei den mittelbaren Abnehmern um Unternehmer handelt, nicht zwingend in der gleichen Höhe auf alle Abnehmer zweiter Absatzstufe abgewälzt worden ist.371 Insoweit erscheint erneut die Einholung sachverständiger Kompetenz unumgänglich, wobei auch die (selbst kompliziert zu bildenden) ökonomischen Modelle einer Einspeisung mit konkreten Daten bedürfen, um eine Schätzung des weitergewälzten Preisaufschlages abgegeben zu können.372 An diesen wird es häufig fehlen, so dass dann nur eine Schätzung anhand vergleichbarer Fallgestaltungen möglich sein wird.373 3. Besonderheiten bei Schadensersatzansprüchen mittelbarer Abnehmer Um dem Grundsatz zu genügen, dass im Ausgangspunkt „jedermann“, der durch einen Kartellverstoß geschädigt wurde, auch die Möglichkeit einer Geltendmachung eines Anspruches auf Ersatz dieses Schadens gegenüber einem schädigenden Kartellteilnehmer haben muss, darf der kartellrechtliche Schadensersatzanspruch eines mittelbaren Abnehmers von keinen anderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden als derjenige des unmittelbaren Abnehmers. Einzig bei der Frage, wann ebendiese Voraussetzungen erfüllt sind, bestehen Abweichungen, sofern der mittelbare Abnehmer einen solchen Schadensersatzanspruch geltend macht. Für die Bejahung des Haftungsgrundes ist insbesondere das Betroffenheitskriterium im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013 von Relevanz. Ähnlich der Konstellation beim unmittelbaren Abnehmer bedarf es für die Qualifizierung des Klägers als 367
BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 72 ff. – ORWI. Vgl. hierzu S. 120 ff. 369 Vgl. Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 74 f. 370 Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 376; vgl. allgemein BGH, Urt. v. 31.1.1991 – VII ZR 63/90, NJW-RR 1991, 789 a. E.; Laumen/Prütting, in: Baumgärtel/ Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 13 Rn. 18. 371 Vgl. hierzu näher S. 123. 372 Vgl. Kalmus, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 376. 373 Kalmus, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 376. 368
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„sonstigen Marktbeteiligten“ dessen Einordnung als mittelbaren Abnehmer.374 Hierfür ist der Nachweis erforderlich, dass der Kläger potentiell kartellbefangene Waren oder Dienstleistungen von einem unmittelbaren Abnehmer eines Kartellanten erworben hat.375 Der mittelbare Abnehmer muss also den „Gang“ des Produktes, ausgehend vom Kartellteilnehmer, nachzeichnen. Für das Merkmal der ursächlich auf den Verstoß zurückzuführenden Beeinträchtigung (im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013) bedarf es der Feststellung, dass durch diese Zuwiderhandlung für den mittelbaren Abnehmer nachteilige Folgen in Form eines Schadens eintreten können. Diese Möglichkeit des Schadens besteht bei Verletzung der wettbewerblichen bzw. wirtschaftlichen Handlungsfreiheit des konkreten Abnehmers.376 Das Bestehen eines Kartells auf einer vorgelagerten Marktstufe ist auch für den Abschluss eines Rechtsgeschäftes zwischen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern ein relevanter Umstand, so dass bereits der Vertragsschluss zwischen diesen auch die Möglichkeit einer Schädigung des mittelbaren Abnehmers birgt.377 Allerdings muss der mittelbare Abnehmer insofern erneut auf den Bezugsvorgang des unmittelbaren Abnehmers zurückgreifen. Dessen Rechtsgeschäft muss in den Bereich der Kartellabsprache fallen, da insoweit die kartellbedingte „Infizierung“ der Ware ihren Ausgangspunkt nimmt. Kann dieses von den Wirkungen der Kartellabrede erfasst sein, so besteht diese Möglichkeit auch für nachgelagerte Rechtsgeschäfte. Die Weiterveräußerung des Produktes an den mittelbaren Abnehmer kann dabei außerhalb des Kartellzeitraums liegen, wenn der unmittelbare Abnehmer beispielsweise das Produkt längere Zeit lagert. Relevant für die Beeinträchtigung ist somit, dass der unmittelbare Abnehmer im zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich des Kartells Waren oder Dienstleistungen bezogen hat, die Gegenstand der Kartellgrundabsprache waren und dass diese später vom mittelbaren Abnehmer erworben wurden. So besteht die Möglichkeit, dass das Rechtsgeschäft zwischen Kartellteilnehmer und unmittelbarem Abnehmer von den Wirkungen der Kartellabrede erfasst war und dieser mithin einen Preisaufschlag zahlen musste, der wiederum an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben werden konnte. Die Möglichkeit eines Schadens beim mittelbaren Abnehmer wäre zu bejahen. Da der Anwendungsbereich der Kartellabsprache sich in der Regel bereits (mit Bindungswirkung bei Follow-on-Klagen) aus der kartellbehördlichen Entscheidung ergibt, dürften auch die insofern unter Geltung des § 286 I 374 Da mittelbare Abnehmer als „sonstige Marktbeteiligte“ zu qualifizieren sind. Vgl. auch Immenga/Mestmäcker/Emmerich5, § 33 GWB Rn. 18. Vgl. hinsichtlich sämtlicher nachfolgender Ausführungen schon die Erörterungen und entsprechenden Nachweise zum unmittelbaren Abnehmer oben S. 43 ff. 375 Vgl. auch die Bestimmung zum Begriff „mittelbarer Abnehmer“ in Art. 2 Nr. 24 RL. 376 Vgl. schon S. 47 ff. 377 Ähnlich Otto, WuW 2020, 519, 522, der allerdings annimmt, dass in dieser Situation nicht der mittelbare, sondern der unmittelbare Abnehmer Betroffener i. S. d. GWB sei.
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ZPO an den Nachweis der Betroffenheit gestellten, höheren Anforderungen dem mittelbaren Abnehmer wenig Probleme bereiten.378 Nicht erforderlich für den Nachweis des Haftungsgrundes ist damit die Weitergabe des Preisaufschlages an den mittelbaren Abnehmer.379 Dies ist im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestandes unter Maßgabe des § 287 I 1 ZPO festzustellen.380 Wäre die Feststellung der Abwälzung hingegen bereits Bestandteil des Haftungsgrundes, so würde damit gleichsam der Eintritt eines Preisüberhöhungsschadens beim mittelbaren Abnehmer feststehen. Das „Ob“ des Schadens bemisst sich jedoch als Teil des haftungsausfüllenden Tatbestandes nach § 287 I 1 ZPO.381 Insoweit darf es keinen Unterschied machen, ob ein Preisaufschlag originär vom Kartellteilnehmer dem unmittelbaren Abnehmer auferlegt wurde, also ein Preisüberhöhungsschaden des unmittelbaren Abnehmers vorliegt, oder ob ein solcher Preisaufschlag an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde, was wiederum einen Preisüberhöhungsschaden in dessen Person bedingt.382 Das substantiierte Behaupten bzw. der Beweis der dem haftungsausfüllenden Tatbestand zugehörigen Tatsachen gestaltet sich hingegen als komplex. Insbesondere der Nachweis des Kausalzusammenhanges erweist sich als schwierig.383 Versteht man dabei die Kartellbefangenheit des Beschaffungsvorganges im bereits aufgeführten Sinne, so ist diese auch für den mittelbaren Abnehmer zu fordern.384 Auch der mittelbare Abnehmer muss also nachweisen, dass er für das von ihm bezogene Produkt einen erhöhten Preis gezahlt hat und dass diese Preiserhöhung auf das Kartell zurückzuführen ist, das Rechtsgeschäft also dergestalt kartellbefangen ist, dass die Kartellabsprache Einfluss auf die Preisbildung des konkreten Beschaffungsvorganges genommen hat.385 Die Kartellabrede nimmt dabei Einfluss auf die Preisbildung des Rechtsgeschäftes zwischen unmittelbarem und mittelbarem Abnehmer, sofern der unmittelbare Abnehmer kartellbedingt seine Verkaufspreise 378
Vgl. auch Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 199. So aber LG Düsseldorf Urt. v. 19.11.2015 – 14d O 4/14, juris-Rn. 212 ff. – Autoglaskartell (juris); Bodenstein/Preuße/Hütt, NZKart 2018, 561, 564 ff.; Fritzsche/Klöppner/M. Schmidt, NZKart 2016, 412, 417. 380 Dies wird auch vom LG Dortmund Urt. v. 27.6.2018 – 8 O 13/17 (Kart), juris-Rn. 83 u. 89 ff. – LKW-Kartell (juris) und Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 325 als Vertreter des Erfordernisses der Kartellbefangenheit i. R. d. Haftungsgrundes bejaht. 381 Vgl. schon S. 62. 382 Vgl. auch LG Dortmund Urt. v. 27.6.2018 – 8 O 13/17 (Kart), juris-Rn. 87 ff. – LKWKartell (juris). 383 Vgl. Kirchhoff, WuW 2017, 487, 488. 384 Vgl. zur Kartellbefangenheit des Beschaffungsvorganges S. 64 ff. Hierauf deuten auch die Ausführungen des BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 26 f. – Schienenkartell II hin. Dies wird wohl ebenfalls verlangt von Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 124, allerdings i. R. d. Kartellbetroffenheit. 385 Vgl. schon die Ausführungen zum unmittelbaren Abnehmer mit den entsprechenden Nachweisen auf S. 67. 379
I. Der Kartellschadensersatzanspruch
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erhöht und damit den Preisaufschlag auf seine eigenen Abnehmer abwälzt. Es bedarf also für die Kartellbefangenheit des Beschaffungsvorganges des Nachweises, dass die Erhöhung der Verkaufspreise kartellbedingt ist. Dies setzt für den Fall der Weitergabe des Preisaufschlages denknotwendig voraus, dass zunächst eine kartellbedingte Preiserhöhung auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers eingetreten ist.386 Es stellen sich insoweit also die gleichen Nachweisanforderungen wie im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestandes bei der Anspruchsgeltendmachung durch den unmittelbaren Abnehmer.387 Zusätzlich gilt es, die Weitergabe des Preisaufschlages nachzuweisen, die grundsätzlich mit den vom Kartellanten hinsichtlich der Vorteilsausgleichung (im Rahmen des Schadensersatzanspruches des unmittelbaren Abnehmers) nachzuweisenden Voraussetzungen übereinstimmt.388 Dies führt zu einer Addition der Nachweisanforderungen in der Person des mittelbaren Abnehmers. Die Überlegungen zur vom Kartellteilnehmer nachzuweisenden Vorteilsausgleichung und der vom mittelbaren Abnehmer nachzuweisenden Weitergabe des Preisaufschlages vom unmittelbaren Abnehmer an ersteren, stimmen grundsätzlich überein, sind aber nicht, wie teilweise wohl angenommen, deckungsgleich.389 Dies liegt darin begründet, dass dem beklagten Kartellanten, sofern er nachweisen will, dass der Preisüberhöhungsschaden des unmittelbaren Abnehmers vollständig ausgeglichen ist, der Beweis obliegt, dass der unmittelbare Abnehmer den Preisaufschlag an sämtliche mittelbaren Abnehmer vollumfänglich weitergegeben hat.390 Sein Ziel ist also die vollständige Abwälzung der vom unmittelbaren Abnehmer zu tragenden Preiserhöhung. Demgegenüber bleibt der Nachweis durch den mittelbaren Abnehmer dem Einzelfall behaftet. Für den Nachweis seines kartellbedingten Preisüberhöhungsschadens genügt es, dass sein Lieferant (unmittelbarer Abnehmer) den Preisaufschlag auf ihn abgewälzt hat. Ob dies stets der Fall war, ist für den Schadensersatzanspruch des einzelnen mittelbaren Abnehmers grundsätzlich irrelevant. Anderes gilt nur, sofern ein entsprechender Anscheinsbeweis gebildet werden kann. Für den mittelbaren Abnehmer würde es dabei genügen, wenn der An386 Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 325; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 49. 387 Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 49. 388 Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 64 f.; Topel, in: Wiedemann, HdB KartellR, § 50 Rn. 88; Vgl. auch die in BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 44 ff. u. 59 ff. – ORWI aufgeführten Voraussetzungen. 389 So aber BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 59 f. – ORWI im Anschluss an Topel, in: Wiedemann, HdB KartellR2, § 50 Rn. 134, wenn man von dem vom BGH geforderten, aber abzulehnenden Erfordernis des Fehlens von Nachteilen absieht. Vgl. hierzu auch Morell, WuW 2013, 959, 965. Die Ausführungen des BGH ähnlich deutend: Mallmann, in: Fuchs/Weitbrecht, PrivKartellRDurchs.-HdB, § 14 Rn. 122; Morell, WuW 2013, 959, 963. 390 Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 76.
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
scheinsbeweis dahingehend lautet, dass sein Lieferant (unmittelbare Abnehmer), der selbst einen kartellbedingten Preisaufschlag zu tragen hat, diesen typischerweise auf seine eigenen Abnehmer abgewälzt hat und deshalb auch im konkreten Fall von einer Weiterwälzung auszugehen ist. Dahingehende Erfahrungssätze werden jedoch regelmäßig fehlen. Es scheint deshalb naheliegender, dass ein Anscheinsbeweis, wenn überhaupt, dahingehend gebildet werden kann, dass unmittelbare Abnehmer, sofern sie selbst einer Preiserhöhung ausgesetzt sind (feststehende Tatsache), typischerweise (kartellbedingte) Preisaufschläge auf ihre (mittelbaren) Abnehmer abwälzen und dass deshalb auch im konkreten Fall von einer solchen Weiterwälzung des unmittelbaren Abnehmers (an alle seine Abnehmer) ausgegangen werden kann.391 Ein solcher Anscheinsbeweis käme insofern auch dem Kartellteilnehmer zugute, da er sämtliche Veräußerungsgeschäfte des unmittelbaren Abnehmers erfassen würde und damit der Ausgleich des Preisüberhöhungsschadens zur Überzeugung des Gerichts als bewiesen anzusehen wäre.392 Nimmt man einen dahingehenden Erfahrungssatz an, so kann es keinen Unterschied machen, ob dieser dem Kartellteilnehmer oder einem mittelbaren Abnehmer zugutekommt. Denn die diesem zugrundeliegenden, tatsächlichen Verhältnisse stellen sich nicht anders dar.393 Lediglich die den Nachweis führende Partei ist eine andere. So kann einen entsprechenden Anscheinsbeweis (oder auch einen Indizienbeweis) zugunsten des mittelbaren Abnehmers nur derjenige annehmen, der diesen auch im Rahmen der Vorteilsausgleichung bejaht.394 Denn der Anscheinsbeweis ergibt sich daraus, dass es sich in tatsächlicher Hinsicht um einen typischen Geschehensablauf handelt, lässt also eine unterschiedliche Beurteilung desselben Sachverhaltes aufgrund rechtlicher bzw. politischer Überlegungen nicht zu.395
391
Einen solchen Anscheinsbeweis wohl annehmend Bulst, Schadensersatz der Marktgegenseite, S. 347; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 334 ff. (bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen); Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 456; a. A. Bodenstein/Preuße/Hütt, NZKart 2018, 561, 565; Buntscheck, WuW 2013, 947, 952. 392 Vgl. zum Anscheinsbeweis i. R. d. Vorteilsausgleichung S. 95 ff. 393 Ähnlich Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 374; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 69. 394 So bspw. Morell, WuW 2013, 959, 963; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 69. 395 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 374; Morell, WuW 2013, 959, 963.
II. Zulässigkeit und Wirkung einer Streitverkündung
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II. Zulässigkeit und Wirkung einer Streitverkündung 1. Die Voraussetzungen der Streitverkündung und ihre Auswirkungen auf den Vorprozess Neben den allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen und der Anhängigkeit des Prozesses ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Streitverkündung, dass die (streitverkündende) Partei annimmt, im Fall ihres Unterliegens einen Anspruch auf Gewährleistung bzw. Schadloshaltung gegen einen Dritten zu haben (§ 72 I Alt. 1 ZPO) oder, dass sie befürchtet in ebendiesem Fall von einem Dritten in Anspruch genommen zu werden (§ 72 I Alt. 2 ZPO).396 Die im Hinblick auf die kartellrechtliche Fallgestaltung einzig in Betracht kommende zweite Alternative erfasst nach ihrem Wortlaut Fallkonstellationen, in denen die Partei gerade bei einem für sie ungünstigen Prozessausgang droht in Anspruch genommen zu werden, wo also erst das Unterliegen der Partei einem Dritten Anlass dazu gibt, diese in Anspruch zu nehmen. Zugeschnitten ist § 72 I Alt. 2 ZPO damit insbesondere auf Konstellationen, in denen der Streitverkünder den (Vor-)Prozess über das Recht eines Dritten führt.397 Eine solche Situation ist in Bezug auf den streitverkündenden Kartellanten erkennbar nicht gegeben. Allerdings ist eine weite Auslegung der Vorschrift geboten.398 Entsprechend sollen unter § 72 I Alt. 2 ZPO auch solche Fälle subsumiert werden, bei denen die Partei sowohl bei ungünstigem als auch bei günstigem Ausgang des Rechtsstreits die Inanspruchnahme durch einen Dritten befürchtet.399 „Für die Zulässigkeit der Streitverkündung reicht es aus, daß die Partei des Vorprozesses in eine Lage geraten kann, in der sie beide Prozesse verliert, obwohl sie einen gewinnen müßte.“400 Unabhängig davon, ob der Kartellant gerichtlich zunächst durch einen unmittelbaren oder einen mittelbaren Abnehmer auf Schadensersatz in Bezug auf einen etwaigen Preisüberhöhungsschaden in Anspruch genommen wird, droht er in einem möglichen Folgeprozess von einem Abnehmer anderer Absatzstufe für denselben Preisaufschlag haftbar gemacht zu werden. Dabei besteht für den Kartellanten die Gefahr, dass das Gericht im Prozess gegen den unmittelbaren Abnehmer die Abwälzung des Preisaufschlages verneint, der mittelbare Abnehmer mit seiner Klage auf Zahlung des Preisüberhöhungsschadens aufgrund weitergewälztem Preisauf396
Prütting/Gehrlein/Gehrlein, § 72 ZPO Rn. 2 u. Rn. 4 f. Zöller/Althammer, § 72 ZPO Rn. 9; Prütting/Gehrlein/Gehrlein, § 72 ZPO Rn. 11; Pohlmann, ZPR, Rn. 792; MüKoZPO/Schultes, § 72 Rn. 14. 398 Pohlmann, ZPR, Rn. 792; im Ergebnis auch BGH, Urt. v. 15.5.1997 – III ZR 46/96, WM 1997, 1755, 1757. 399 BGH, Urt. v. 15.5.1997 – III ZR 46/96, WM 1997, 1755, 1757; BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 73 – ORWI. 400 BGH, Urt. v. 15.5.1997 – III ZR 46/96, WM 1997, 1755, 1757; so auch BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 73 – ORWI. 397
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schlag aber erfolgreich ist. Der Preisüberhöhungsschaden kann jedoch tatsächlich nur bei einem von beiden oder bei beiden in Teilen das Vermögen dauerhaft geschmälert haben. Allerdings vermag die Entscheidung im Vorprozess nicht das Gericht des Folgeprozesses zu binden.401 Hinsichtlich der Auswirkungen der Streitverkündung muss zwischen den Folgen für den Erst- bzw. den Folgeprozess differenziert werden. Die Stellung des Streitverkündungsgegners im Erstprozess hängt davon ab, ob er diesem beitritt. Tritt er auf Seiten des Streitverkünders bei, so gelten gemäß § 74 I ZPO die Grundsätze der Nebenintervention (§§ 66 ff. ZPO). Dies muss, auch wenn vom Wortlaut des § 74 I ZPO nicht umfasst, gleichermaßen für den Beitritt auf Seiten des Prozessgegners gelten.402 Ob ein rechtliches Interesse im Sinne des § 66 I ZPO und die Form des § 70 ZPO vorliegen, wird gerichtlich überprüft, sofern durch den Prozessgegner (oder den Streitverkünder) ein Zurückweisungsantrag im Sinne des § 71 ZPO gestellt wird.403 Tritt der Streitverkündungsgegner hingegen nicht bei, weil er den Beitritt explizit ablehnt oder sich hierzu nicht erklärt, so findet er im fortgesetzten Prozess keine Berücksichtigung (§ 74 II ZPO). 2. Die Interventionswirkung im Folgeprozess Im Folgeprozess muss nunmehr erneut danach differenziert werden, ob der Streitverkündungsgegner dem Erstprozess beigetreten ist. Im Fall des Beitritts auf Seiten des Streitverkünders ergibt sich die Anwendbarkeit des § 68 ZPO bereits daraus, dass der Streitverkündungsgegner gemäß § 74 I ZPO die Stellung eines Nebenintervenienten erlangt, wobei insofern gleichwohl der abweichende Zeitpunkt des § 74 III ZPO zu beachten ist.404 Damit die Interventionswirkung im Sinne des § 74 III i. V. m. § 68 ZPO im Fall des Nichtbeitritts eintritt, muss, anders als grundsätzlich im erstgenannten Fall, die Zulässigkeit der Streitverkündung im Sinne des § 72 ZPO geprüft werden.405 Daneben muss die Form des § 73 ZPO eingehalten worden sein.406 Da § 74 III ZPO auf § 68 ZPO verweist, ist des Weiteren (auch im Fall des Beitritts) erforderlich, dass im Vorprozess eine rechtskräftige Sachentscheidung erlassen worden ist (§ 68 Hs. 1 ZPO).407 Darüber hinaus kann der Streitverkün-
401 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 60 u. Rn. 73 – ORWI; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 387 f. 402 Baumbach/Lauterbach/Bünnigmann, § 74 ZPO Rn. 3; MüKoZPO/Schultes, § 74 Rn. 3. 403 Prütting/Gehrlein/Gehrlein, § 74 ZPO Rn. 2 f. 404 MüKoZPO/Schultes, § 74 Rn. 7. 405 Prütting/Gehrlein/Gehrlein, § 74 ZPO Rn. 5; MüKoZPO/Schultes, § 74 Rn. 7 f. 406 Zöller/Althammer, § 74 ZPO Rn. 6; Prütting/Gehrlein/Gehrlein, § 74 ZPO Rn. 5. 407 Zöller/Althammer, § 74 ZPO Rn. 6; MüKoZPO/Schultes, § 74 Rn. 8.
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dungsgegner sich auf die Einreden im Sinne des § 68 Hs. 2 ZPO berufen.408 Es muss für ihn die Gelegenheit bestanden haben, auf den Ablauf des Erstprozesses einzuwirken.409 Für den Fall des Nichtbeitritts gilt es insoweit auf fiktiver Grundlage zu ermitteln, ob beispielsweise der Streitverkündungsgegner seine Angriffs- oder Verteidigungsmittel auch im Vorprozess hätte geltend machen können, sofern er diesem zu der Zeit beigetreten wäre, zu der für ihn der Beitritt infolge der Streitverkündung gangbar war (§ 74 III ZPO) oder, ob er sich hiermit in Widerspruch zur Hauptpartei gesetzt hätte (§ 68 Hs. 2 Var. 2 ZPO).410 Gleich einem Nichtbeitritt wird im Hinblick auf die Interventionswirkung diejenige Konstellation behandelt, in der der Streitverkündungsgegner nicht dem Streitverkünder, sondern dessen Prozessgegner beitritt.411 Die Interventionswirkung ist eine Entscheidungswirkung eigener Art.412 Sie hat zur Folge, dass das Gericht des zwischen Streitverkünder und Streitverkündungsgegner geführten Folgeprozesses an bestimmte Elemente des im Erstprozess erlassenen Urteils gebunden ist.413 Im Hinblick auf ihren Wirkungsbereich lässt sich die Bindungswirkung dabei in eine subjektive und eine objektive Komponente unterteilen. a) Der subjektive Umfang In subjektiver Hinsicht betrifft die Interventionswirkung nur die Beziehung des Streitverkünders zum Streitverkündungsgegner.414 Darüber hinaus ist umstritten, ob die Interventionswirkung lediglich dem Streitverkündungsgegner zum Nachteil gereichen,415 oder sich auch zu Lasten der streitverkündenden Hauptpartei auswirken
408 Vgl. Bischof, JurBüro 1984, 1141, 1147; Prütting/Gehrlein/Gehrlein, § 68 ZPO Rn. 8; Stein/Jonas/Jacoby, § 68 ZPO Rn. 13; Ziegert, Interventionswirkung, S. 176 f.; a. A. MüKoZPO/Schultes, § 68 Rn. 19 (Berücksichtigung des Einwandes von Amts wegen). 409 BGH, Urt. v. 8.10.1981 – VII ZR 341/80, NJW 1982, 281, 282. 410 Vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1981 – VII ZR 341/80, NJW 1982, 281, 282; MüKoZPO/ Schultes, § 74 Rn. 8. 411 BGH, Urt. v. 9.11.1982 – VI ZR 293/79, BGHZ 85, 252, 255; BGH, Urt. v. 18.3.2004 – IX ZR 255/00, NJW 2004, 1521, 1522; Prütting/Gehrlein/Gehrlein, § 74 ZPO Rn. 4. 412 So die wohl h. M. Vgl. nur MüKoZPO/Schultes, § 68 Rn. 6; BeckOK ZPO/Dressler, § 68 Rn. 1; Musielak/Voit/Weth, § 68 ZPO Rn. 3. 413 BeckOK ZPO/Dressler, § 68 Rn. 1. 414 Vgl. nur BGH, Urt. v. 10.10.1989 – XI ZR 11/89, NJW-RR 1990, 121 f.; Zöller/Althammer, § 68 ZPO Rn. 6. 415 So z. B. BGH, Urt. v. 26.3.1987 – VII ZR 122/86, BGHZ 100, 257, 260 ff.; BGH, Urt. v. 16.01.1997 – I ZR 208/94, NJW 1997, 2385, 2386; BGH, Urt. v. 27.1.2015 – VI ZR 467/13, NJW 2015, 1824, Rn. 7; Zöller/Althammer, § 68 ZPO Rn. 6; Bischof, JurBüro 1984, 1141, 1149; MüKoZPO/Schultes, § 68 Rn. 9 ff.; Musielak/Voit/Weth, § 74 ZPO Rn. 4.
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können soll.416 Gegen die, von den Befürwortern letztgenannter Alternative vorgeschlagene, analoge417 Anwendung des § 68 ZPO spricht schon, dass es insoweit an den hierfür erforderlichen Voraussetzungen fehlen dürfte. Denn gemäß dem Wortlaut des § 74 III ZPO sollen „gegen den Dritten die Vorschriften des § 68“ angewendet werden, also gerade nicht zu dessen Gunsten und damit zu Lasten der Hauptpartei.418 Jedenfalls für den Fall der Interventionswirkung infolge der Streitverkündung liegt insofern der Umkehrschluss nahe, dass aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Interventionswirkung zu Ungunsten des Streitverkündungsgegners, die gegensätzliche vorteilhafte Wirkung gerade nicht normiert werden und damit kein denkbarer Anwendungsbereich des § 68 ZPO sein sollte.419 Auch der Begründung zum Entwurf der Zivilprozessordnung lässt sich keine anderweitige Intention des Gesetzgebers entnehmen.420 Insoweit müsste bereits das Vorliegen einer entsprechenden Regelungslücke verneint werden.421 Hieraus darf jedoch nicht die Konsequenz gezogen werden, dass die für den Streitverkünder vorteilhaften Feststellungen des erstprozessualen Urteils gezielt herausgefiltert werden dürfen.422 Die, von Amts wegen zu berücksichtigende,423 Interventionswirkung ist nicht in dem Sinne teilbar, dass nur einzelne für den Streitverkünder günstige Elemente, unter außer Acht lassen anderweitiger Feststellungen, zu beachten sind.424
416
So Diedrich, Die Interventionswirkung, S. 146 ff.; Stein/Jonas/Jacoby, § 74 ZPO Rn. 10 u. § 68 ZPO Rn. 20; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 68 Rn. 141 f.; Ziegert, Interventionswirkung, S. 182 ff. (mit ausführlicher Begründung). 417 So ausdrücklich z. B. Ziegert, Interventionswirkung, S. 183 ff. 418 BGH, Urt. v. 26.3.1987 – VII ZR 122/86, BGHZ 100, 257, 262; BGH, Urt. v. 16.01.1997 – I ZR 208/94, NJW 1997, 2385, 2386; Zöller/Althammer, § 68 ZPO Rn. 6; vgl. auch (mit Bezug zum Kartellrecht) Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 392 f. 419 Vgl. auch MüKoZPO/Schultes, § 68 Rn. 10 f. unter Nennung von § 72 ZPO. Hierbei handelt es sich wohl um ein Versehen. Richtigerweise müsste es § 74 ZPO heißen. 420 Vgl. den Entwurf von § 65 CPO (jetzt § 68 ZPO) und § 70 CPO (jetzt § 74 ZPO) und die Begründung hierzu bei Hahn/Stegemann, I, S. 11 f. u. S. 178 ff. A. A. wohl Ziegert, Interventionswirkung, S. 183 f. 421 A. A. Ziegert, Interventionswirkung, S. 183. 422 Vgl. auch BeckOK ZPO/Dressler, § 68 Rn. 8. 423 H. M. Vgl. nur BGH, Urt. v. 4.2.1955 – I ZR 105/53, BGHZ 16, 217, 228; MüKoZPO/ Schultes, § 68 ZPO Rn. 23. 424 Wieser, ZZP 79 (1966), 246, 288; vgl. auch (unter dem Anknüpfungspunkt, dass sich die Hauptpartei auf einzelne Feststellungen beruft. Dies ist jedoch nicht erforderlich. Vgl. hierzu Wieser): RG Urt. v. 5.2.1937 – V 223/36, RGZ 153, 271, 274; BGH, Urt. v. 19.1.1989 – IX ZR 83/88, NJW-RR 1989, 766, 767; BGH, Urt. v. 4.4.2019 – III ZR 338/17, NJW 2019, 1748, Rn. 28 f.; Schneider, MDR 1961, 3, 5 f.
II. Zulässigkeit und Wirkung einer Streitverkündung
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b) Der objektive Umfang In objektiver Hinsicht ergibt sich zunächst aus (§ 74 III ZPO i. V. m.) § 68 Hs. 1 ZPO, dass der Streitverkündungsgegner im Folgeprozess mit der Behauptung nicht gehört wird, dass der Rechtsstreit, so wie er dem Richter des Erstprozesses vorgelegen habe, unrichtig entschieden worden sei. Dies hat zur Konsequenz, dass bestimmte Feststellungen des vorprozessualen Urteils bindend sind. Darüber hinaus ist dem Streitverkündungsgegner grundsätzlich die Behauptung verwehrt, dass die Hauptpartei den erstprozessualen Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, es sei denn, dass eine der Varianten des § 68 Hs. 2 ZPO greift. Diese Einreden vermögen somit, die Interventionswirkung zu begrenzen.425 Zu den bindenden Feststellungen zählen, neben der im Tenor des erstprozessualen Urteils ausgesprochenen Rechtsfolge, alle Feststellungen tatsächlicher und Würdigungen rechtlicher Art, sofern sie für die Entscheidung im Vorprozess maßgebend sind, diese also tragen.426 Nicht von der Interventionswirkung erfasst werden daher obiter dicta und sogenannte überschießende Feststellungen.427 Für die Abgrenzung zwischen überschießender und entscheidungserheblicher Feststellung ist dabei entscheidend, „[…] worauf die Entscheidung objektiv nach zutreffender Rechtsauffassung beruht.“428 Darüber hinaus ist von Bedeutung, dass der dem vorprozessualen Urteil zugrundeliegende Sachverhalt und derjenige des Folgeprozesses in Bezug auf den relevanten (Teil-)Aspekt vollkommen übereinstimmen, da selbst marginale Abweichungen in tatsächlicher Hinsicht gravierende Auswirkungen für die rechtliche Beurteilung haben können.429 Die damit bereits erstprozessual mit Bindungswirkung festgestellten Tatsachen sind im Folgeprozess nicht beweisbedürftig.430 Aufgrund der möglichen Beweisschwierigkeiten infolge der Komplexität der Sachverhalte wird die Verteilung der objektiven Beweislast regelmäßig über den Verlust des Kartellschadensersatzprozesses entscheiden.431 Deshalb ist für den Kartellschadensersatzprozess die Interventionswirkung bei non-liquet-Entscheidungen von Relevanz. In Bezug auf die Vermeidung einer Mehrfachhaftung wird sie 425
MüKoZPO/Schultes, § 68 Rn. 19. BGH, Urt. v. 18.12.2014 – VII ZR 102/14, BGHZ 204, 12, Rn. 20; BGH, Urt. v. 4.4.2019 – III ZR 338/17, NJW 2019, 1748, Rn. 27; Zöller/Althammer, § 68 ZPO Rn. 9; BeckOK ZPO/Dressler, § 68 Rn. 9; MüKoZPO/Schultes, § 68 Rn. 15. 427 Zöller/Althammer, § 68 ZPO Rn. 9; Bischof, JurBüro 1984, 1141, 1143 f.; Vollkommer, NJW 1986, 264. 428 Vollkommer, NJW 1986, 264; so auch RG Urt. v. 10.6.1911 – V 554/10, JW 1911, 767, 768; BGH Beschl. v. 27.11.2003 – V ZB 43/03, BGHZ 157, 97, 99. 429 Vgl. Wieczorek/Schütze/Mansel, § 68 ZPO Rn. 133 ff.; Ziegert, Interventionswirkung, S. 144 ff. 430 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 427. 431 Vgl. Bulst, in: Remien (Hrsg.), Schadensersatz im europäischen Privat- und Wirtschaftsrecht, 117, 129; Gotting, Voluntary Redress Schemes, S. 72; KölnKomm/Krohs, § 33 GWB Rn. 235; Röhling, FS Huber, 1117, 1128. 426
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C. Streitverkündungslösung des BGH vor der 9. GWB-Novelle
insbesondere in der Konstellation des Erstprozesses des unmittelbaren Abnehmers und des anschließenden Folgeprozesses des mittelbaren Abnehmers virulent. c) Die Besonderheiten bei einem non-liquet im Vorprozess Hierbei stellt sich die Frage, worauf sich die Interventionswirkung bezieht, wenn eine bestimmte Tatsache unaufklärbar bleibt und deshalb allein aufgrund der im Vorprozess geltenden Verteilung der objektiven Beweislast entschieden werden muss. Denn im Erstprozess muss das Gericht aus der Nichterweislichkeit eines Umstandes, aufgrund seiner Pflicht zur Entscheidung (§ 300 I ZPO) für das zu erlassende Urteil, die Konsequenz ziehen, dass das Bestehen des Umstandes zuungunsten der beweisbelasteten Partei nicht angenommen werden kann und die Rechtsfolge daher verneint werden muss.432 Die gezogene Schlussfolgerung entspricht damit derjenigen, die das Gericht bei voller richterlicher Überzeugung vom Nichtvorliegen der Tatsache treffen würde. Dennoch muss insoweit differenziert werden. Eine Beweislastentscheidung darf nur ergehen, sofern die Unklarheit in Bezug auf eine Tatsache als non-liquet am Prozessende immer noch besteht.433 Damit ist eine Entscheidung aufgrund der Verteilung der objektiven Beweislast ausgeschlossen, sofern das Gericht eine Überzeugung dahingehend gebildet hat, „[…] das Gegenteil dessen sei wahr, was der Beweisführer dargelegt und unter Beweis gestellt hat[…].“434 Denn der Sachverhalt ist insofern aufgeklärt.435 Diese Differenzierung hat erhebliche Auswirkungen auf die Interventionswirkung im Folgeprozess. Weitgehende Einigkeit besteht nämlich in der Hinsicht, dass sich bei einer echten non-liquet-Entscheidung im Vorprozess die Bindungswirkung nur auf die Feststellung der Unerweislichkeit der zu beweisenden Tatsache bezieht436 und gerade nicht auf das Nichtbestehen ebendieses Umstandes.437 Allerdings wird darüber hinaus teilweise angenommen, dass sich die Interventionswirkung zusätzlich auf die aus der Nichterweisbarkeit gezogene Rechtsfolge beziehen würde.438 Da die für den Vorprozess gezogene, konkrete Rechtsfolge (zum Beispiel Verneinung 432
Vgl. Jäckel, Beweisrecht, Rn. 870. Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 14 f. 434 Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 14 m. w. N. zur gegenteiligen Auffassung. A. A. auch Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 2 Rn. 7 a. E. sowie zum Kartellrecht: Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 73; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 62. 435 Vgl. auch Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 15. 436 BGH, Urt. v. 9.11.1982 – VI ZR 293/79, BGHZ 85, 252, 257; Jäckel, Beweisrecht, Rn. 429; Stein/Jonas/Jacoby, § 68 ZPO Rn. 10; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 68 ZPO Rn. 115; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 50 Rn. 58; MüKoZPO/Schultes, § 68 Rn. 16; Ziegert, Interventionswirkung, S. 158; a. A. noch Stein/Jonas/Bork21, § 68 ZPO Rn. 5. 437 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 429; Stein/Jonas/Jacoby, § 68 ZPO Rn. 10. 438 Baumgärtel, JZ 1983, 352, 353; Stein/Jonas/Jacoby, § 68 ZPO Rn. 10. 433
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des klägerischen Anspruches) für den Folgeprozess wohl nur in Ausnahmefällen von Bedeutung sein dürfte,439 müsste diese weitergehende Ansicht in der Regel zu den gleichen Ergebnissen wie die herrschende Meinung gelangen.440
III. Erfolgsgeeignetheit zur Vermeidung einer Mehrfachhaftung: Prozessuale Überlegungen Kritiker der Streitverkündungslösung des BGH stellen deren Eignung schon für die Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle in Frage.441 Ob die Streitverkündung tatsächlich geeignet ist, eine Mehrfachhaftung des Kartellteilnehmers zu vermeiden, lässt sich allerdings nur unter Berücksichtigung der konkreten Verteilung der Beweislast in den jeweiligen Schadensersatzprozessen beurteilen. 1. Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers und Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers Die „klassische“ Fallkonstellation stellt dabei diejenige dar, bei der der unmittelbare Abnehmer im Vorprozess seinen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Kartellanten geltend macht und dieser dem mittelbaren Abnehmer im Rahmen des Prozesses den Streit verkündet. a) Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers Auf die Beweisbedürftigkeit der im Erstprozess des unmittelbaren Abnehmers vorgetragenen Tatsachen kann die Interventionswirkung selbstredend keinen Einfluss haben, da sich diese erst im Folgeprozess entfaltet. Gleichwohl dient die Streitverkündung nach Auffassung des BGH in der Entscheidung ORWI nicht nur als Auslöser für die Interventionswirkung, sondern soll darüber hinaus auch zwecks Informationsbeschaffung eingesetzt werden können.442 Daneben zeigen sich bereits im Vorprozess Probleme rein tatsächlicher Art, die die Erfolgsgeeignetheit der Streitverkündungslösung in Frage stellen könnten.
439
Ziegert, Interventionswirkung, S. 158. A. A. wohl Wieczorek/Schütze/Mansel, § 68 ZPO Rn. 115 a. E. 441 Vgl. bspw. Kersting/Dworschak, JZ 2012, 777, 780; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 60 ff. 442 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 72 ff. – ORWI; vgl. auch Bacher, in: H.-J. Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, Kap. 82 Rn. 34; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 388 f. 440
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aa) Faktische Probleme der Streitverkündung Zunächst besteht die Schwierigkeit, dass der Kartellteilnehmer den mittelbaren Abnehmer unter Umständen gar nicht benennen kann, da er im Regelfall keinerlei Einblick in die Geschäftsvorgänge des unmittelbaren Abnehmers haben wird.443 Möglicherweise wird selbst der unmittelbare Abnehmer nicht wissen, wer seine Vertragspartner auf Abnehmerseite im Einzelnen sind, etwa wenn es sich bei den mittelbaren Abnehmern erster Stufe bereits um Verbraucher handelt.444 Auch wird der unmittelbare Abnehmer kaum Auskunft darüber geben können, wer die Abnehmer seines Vertragspartners sind, also die mittelbaren Abnehmer zweiter und weitergehender Vertriebsstufen.445 Diese Informationen sind für den Kartellteilnehmer relevant, um eine möglichst umfangreiche Bindungswirkung zu erreichen, von der im Idealfall alle Abnehmer sämtlicher Vertriebsstufen betroffen sind.446 Sind dem unmittelbaren Abnehmer zumindest seine Vertragspartner (die mittelbaren Abnehmer erster Stufe) bekannt, so dürfte dieser in der Regel kein Interesse daran haben, diese Information an den Kartellanten weiter zu geben.447 Denn die mittelbaren Abnehmer verfügen eventuell über Informationen, die der Kartellant für den Beweis des Vorteilsausgleiches fruchtbar machen kann.448 Eng damit verbunden ist die Problematik der Vielzahl möglicher Streitverkündungsgegner. Sollten die mittelbaren Abnehmer tatsächlich ermittelbar sein, so kann allein aufgrund deren (unter Umständen potenzierten) Anzahl eine Streitverkündung nicht mehr praktikabel sein.449 Ferner steigert eine Vielzahl von beigetretenen Streitverkündungsgegnern die Komplexität des Prozesses und (damit) dessen Kosten.450 Sowohl das Problem des fehlenden Wissens um die Person des mittelbaren Abnehmers als auch das der Fülle denkbarer Streitverkündungsgegner sind vom BGH in der Entscheidung ORWI gesehen worden.451 Sollte eine Streitverkündung aus den 443
Vgl. nur Bergmann/Fiedler, BB 2012, 206, 209. Ähnliche Überlegungen FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 61. 445 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 391. 446 Vgl. Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 72. 447 Ein hierauf gerichteter Auskunftsanspruch dürfte sich nunmehr aus § 33g II, X GWB n. F. ergeben (Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 391). Überlegungen zu einem entsprechenden Auskunftsanspruch unter vor der 9. GWB-Novelle geltender Rechtslage: Kirchhoff, WuW 2012, 927, 932 (a. E.) f. 448 Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 72 – ORWI; Schütt, WuW 2004, 1124, 1129. 449 Fiedler, Class Actions, S. 34; Bergmann/Fiedler, BB 2012, 206, 209. Im Zusammenhang mit den Vorschlägen des Weißbuches so auch: Ritter, WuW 2008, 762, 771; Weidenbach/ Saller, BB 2008, 1020, 1025. Eingehend zum Weißbuch unten S. 146 ff. 450 Ähnlich Buntscheck, WuW 2013, 947, 955; Ascheberg, Jura 2016, 1101, 1108; Komplexität und Kosten allgemein als Risiko der ORWI-Entscheidung insgesamt ansehend: Morell, WuW 2013, 959, 969. 451 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 74 – ORWI. 444
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oben genannten Gründen nicht möglich sein, so könnte, nach der Auffassung des BGH allerdings nur unter sehr engen Voraussetzungen, eine sekundäre Darlegungslast des unmittelbaren Abnehmers dem Kartellanten über seine Nachweisschwierigkeiten in Bezug auf die Vorteilsausgleichung hinweghelfen.452 Ferner wird auf das mangelnde Interesse des Kartellanten an der Streitverkündung hingewiesen. Verkünde dieser den mittelbaren Abnehmern den Streit, so könnten diese, bis dahin Ahnungslosen, erst durch die Streitverkündung von ihrer etwaigen Anspruchsberechtigung Kenntnis erlangen.453 Scheint dies bei Verbrauchern noch denkbar,454 so kann dies beispielsweise bei unternehmerisch tätigen Zwischenhändlern wohl nicht ohne weiteres angenommen werden. Ihnen dürfte die Aufdeckung eines Kartells kaum verborgen bleiben. Daneben gilt es zu berücksichtigen, dass die Streitverkündung dazu dient, widersprechende Entscheidung im Interesse des Streitverkünders zu vermeiden. Dagegen vermag sie nicht, ihn von jeglicher Haftung zu befreien. Da sie zuvorderst den Interessen des Streitverkünders dient, liegt es auch in seiner Hand, ob er den mittelbaren Abnehmern den Streit verkündet und von der Interventionswirkung möglicherweise profitiert, aber damit gegebenenfalls riskiert „[…] schlafende Hunde [zu] wecken […]“455 oder, ob er von der Streitverkündung Abstand nimmt und damit Gefahr läuft, sich in einem Prozess gegen einen mittelbaren Abnehmer nicht auf die Bindungswirkung berufen zu können. Diese Risikobewertung obliegt dem individuellen Kartellteilnehmer und vermag deshalb nicht die Erfolgsgeeignetheit der Streitverkündung grundsätzlich in Frage zu stellen.456 bb) Allgemeine beweisrechtliche Überlegungen Der Umstand, dass es sich bei einem kartellrechtlichen Schadensersatzprozess um einen Zivilprozess handelt, bringt es mit sich, dass im Allgemeinen die Grundsätze des zivilprozessualen Beweisrechts zur Anwendung gelangen.457 Abweichend von dem, häufig geäußerten und lediglich pauschalem Abstellen auf die „Darlegungsund Beweislast“, ist eine differenzierte Betrachtung geboten. Den Ausgangspunkt bildet die abstrakte Behauptungslast (Darlegungslast).458 Hiernach muss die jeweilige Partei diejenigen Umstände vor Gericht behaupten, die 452 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 76 – ORWI. Vgl. hierzu unten S. 120 ff. 453 Bergmann/Fiedler, BB 2012, 206, 209; Hartmann-Rüppel/Ludewig, ZWeR 2012, 90, 103; Weitbrecht, NZKart 2018, 106, 111 (im Kontext des neuen Rechtes). 454 Vgl. CEPS/EUR/LUISS, Impact study, S. 299 f.; Fiedler, Class Actions, S. 44. 455 Hartmann-Rüppel/Ludewig, ZWeR 2012, 90, 103. 456 Ähnliche Überlegungen bei Kersting/Dworschak, JZ 2012, 777, 780. 457 Raible/Lepper, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 531. 458 Die Verwendung des Begriffes der Darlegungslast ist uneinheitlich. In Teilen (so z. B. Jäckel, Beweisrecht, Rn. 28) wird diese mit der konkreten Behauptungslast gleichgesetzt,
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für sie günstig sind.459 Der abstrakten Behauptungslast ist genüge getan, wenn die für die Schlüssigkeit des Klägervorbringens und die Erheblichkeit des Beklagtenvortrags erforderlichen Tatsachen in den Prozess eingebracht worden sind.460 Die konkrete Behauptungslast, auch Substantiierungslast genannt, bezeichnet die sich aus der jeweiligen Prozesssituation ergebenen Anforderungen an die Konkretisierung der Begründung des eigenen und, bei Veränderung der Situation, des gegnerischen Vortrages (vgl. auch § 138 I, II ZPO).461 Abweichungen ergeben sich bei der Annahme einer sekundären Darlegungslast/Behauptungslast.462 Insofern besteht die Besonderheit, dass einfaches Bestreiten des nicht beweisbelasteten Prozessgegners nicht genügt.463 Die sekundäre Darlegungslast macht vielmehr detaillierte Angaben erforderlich.464 Gewissermaßen als Ergebnis des wechselseitigen Vortrags bleiben diejenigen Tatsachen übrig, die bestritten werden und deshalb beweisbedürftig sind.465 Die Beweislast wiederum lässt sich in zwei unterschiedliche Aspekte gliedern. Zum einen unterteilt sie sich in die subjektive oder auch formelle Beweislast, die während des laufenden Prozesses die Frage beantwortet, welche Partei vorrangig den (Haupt-)Beweis führen, also die erforderlichen Beweisanträge stellen muss.466 Zum anderen existiert die objektive oder auch materielle Beweislast.467 Diese betrifft den Ausgang des Prozesses und befasst sich mit dem Risiko, dass der Richter die, entsprechend dem jeweiligen Beweismaß, erforderliche Überzeugung nicht bilden konnte.468 Sie bestimmt, zu wessen Nachteil diese Unaufklärbarkeit (non-liquet) gereicht.469
andere verwenden diese als Synonym für die Behauptungslast allgemein (so wohl Hk-ZPO/ Saenger, § 286 Rn. 84; Stein/Jonas/Thole, § 286 ZPO Rn. 98 u. Rn. 101). Den folgenden Ausführungen liegt das letztgenannte Verständnis zugrunde. 459 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 19. 460 Hk-ZPO/Saenger, § 286 Rn. 85. 461 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 28; MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 139. 462 Hk-ZPO/Saenger, § 286 Rn. 90 u. 93. 463 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 36; Hk-ZPO/Saenger, § 286 Rn. 93. 464 BGH, Urt. v. 14.6.2005 – VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209, 214; Jäckel, Beweisrecht, Rn. 36. 465 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 375. 466 MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 101; Stein/Jonas/Thole, § 286 ZPO Rn. 99. 467 MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 103. 468 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 870; MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 100 u. 103; Stein/Jonas/ Thole, § 286 ZPO Rn. 93. 469 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 870; Stein/Jonas/Thole, § 286 ZPO Rn. 93.
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cc) Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Vorprozess unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Beteiligungsmöglichkeiten des mittelbaren Abnehmers Der Vermeidung jener Unaufklärbarkeit des Sachverhalts im Erstprozess kann die Streitverkündung, genauer die Stellung des mittelbaren Abnehmers als Nebenintervenient im Prozess, dienlich sein. Neben dem Hauptzweck der Streitverkündung, der Herbeiführung der Interventionswirkung gemäß §§ 74 III, 68 ZPO, und der dadurch bedingten Verhinderung widersprüchlicher Einschätzungen desselben Sachverhalts,470 fördern der Beitritt des Streitverkündungsgegners und die dadurch erlangte Stellung als Nebenintervenient im Idealfall die Klärung des Sachverhalts.471 Gleichzeitig bietet sie dem Beigetretenen die Möglichkeit des Protegierens seiner Hauptpartei.472 Die Hauptpartei wiederum wird durch die auf diesem Wege eingebrachten Informationen begünstigt.473 Die Streitverkündung kann damit rein faktisch einen Zugewinn an Informationen im Prozess bedeuten. Ausgeklammert werden soll an dieser Stelle, ob die Informationsbeschaffung darüber hinaus auch einen Zweck der Streitverkündung darstellt.474 Da die Streitverkündung als Mittel zur Vermeidung einer Mehrfachhaftung des Kartellteilnehmers eingesetzt werden soll, ist von einer Streitverkündung durch diesen auszugehen. Tritt der Streitverkündungsgegner dem Prozess nicht bei, so wirkt sich die Streitverkündung auf den Erstprozess nicht aus.475 Tritt der Streitverkündungsgegner dem streitverkündenden Kartellanten bei, so erlangt er gemäß § 74 I ZPO die Position eines Nebenintervenienten im Sinne des § 67 ZPO. Tritt er hingegen dem klagenden unmittelbaren Abnehmer bei, so erlangt er im Verhältnis zu diesem die Stellung eines Nebenintervenienten, wobei diese Stellung insoweit eigenständig (losgelöst von der Streitverkündung) über § 66 I ZPO hergeleitet werden muss.476 Ein solches rechtliches Interesse im Sinne des § 66 I ZPO lässt sich wohl auf Überlegungen zur alternativen Gläubigerschaft stützen.477 Welche Partei von et470
BGH, Urt. v. 14.11.1991 – I ZR 236/89, BGHZ 116, 95, 100. Vgl. Lammenett, Nebenintervention, Streitverkündung und Beiladung, S. 6 f.; MüKoZPO/Schultes, § 72 Rn. 1 u. § 66 ZPO Rn. 1. 472 BGH, Urt. v. 14.11.1991 – I ZR 236/89, BGHZ 116, 95, 100; Lammenett, Nebenintervention, Streitverkündung und Beiladung, S. 7 f.; MüKoZPO/Schultes, § 66 ZPO Rn. 1. 473 Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 72 f. – ORWI; Inderst/ Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 388 f. 474 Vgl. hierzu S. 123 ff. 475 Vgl. § 74 II ZPO und MüKoZPO/Schultes, § 74 ZPO Rn. 5. 476 Vgl. OLG München Beschl. v. 28.4.2016 – 23 U 1774/15, NJOZ 2017, 114, Rn. 24 ff.; Zöller/Althammer, § 74 ZPO Rn. 1 u. 5; Pohlmann, ZPR, Rn. 795; MüKoZPO/Schultes, § 74 ZPO Rn. 3. 477 So Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 269 unter Verweis auf Stein/Jonas/Jacoby, § 66 ZPO Rn. 30. A. A. OLG Karlsruhe Urt. v. 9.11.2016 – 6 U 204/15 Kart (2), juris-Rn. 87 ff. – Grauzementkartell (juris); H.-J. Ahrens, FS Prütting, 181, 191. 471
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waigen Informationen des mittelbaren Abnehmers profitiert, hängt also von deren Beitrittsentscheidung ab. Ausgangspunkt für die Verteilung der Beweislast im Kartellschadensersatzprozess ist, wie stets im Zivilprozess, dass jede Partei die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen materiell-rechtlichen Normen trägt.478 Da (abstrakte) Behauptungslast und objektive Beweislast allgemein Parallelität aufweisen,479 hat der klagende unmittelbare Abnehmer die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen.480 Es müssen also Tatsachen behauptet und gegebenenfalls bewiesen werden, die ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal ausfüllen481 bzw. aus denen sich das Tatbestandsmerkmal unmittelbar oder mittelbar ergibt.482 (1) Betreffend den Haftungsgrund Bei einem kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch gemäß § 33 III i. V. m. I GWB 2013 i. V. m. der jeweils einschlägigen Verbotsnorm sind zunächst diejenigen Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die den Kartellrechtsverstoß, die Aktiv- und Passivlegitimation und das Verschulden ausfüllen, sowie der Schaden und die jeweiligen Kausalzusammenhänge in Form der haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität. Über etwaige Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des kartellrechtlichen Verstoßes kann, soweit es sich bei dem Beklagten um einen Adressaten einer Entscheidung im Sinne des § 33 IV GWB 2013 (jetzt § 33b GWB n. F.) handelt, die Feststellungswirkung bei sogenannten Follow-on-Klagen hinweghelfen.483 Handelt es sich bei dem Beklagten um einen Adressaten der Entscheidung, steht somit ebenfalls dessen Begehung des Verstoßes und mithin die Passivlegitimation fest.484 Neben der Passivlegitimation des Beklagten bedarf es auch der Aktivlegitimation des unmittelbaren Abnehmers. Bei der Bestimmung des (potentiell) Aktivlegitimierten ist dabei das Kriterium der Betroffenheit im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013 zu berücksichtigen. Gleichzeitig erfolgt in diesem Kontext die Ermittlung der haftungsbegründenden Kausalität. Für die Betroffenheit bedarf es zunächst der Ein478
Vgl. allgemein nur BGH, Urt. v. 17.2.1970 – III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 250 – Anastasia. 479 Stein/Jonas/Thole, § 286 ZPO Rn. 98. 480 Vgl. Raible/Lepper, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 593. 481 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 112 Rn. 2. 482 Vgl. allgemein nur Pohlmann, ZPR, Rn. 365; Rosenberg, Die Beweislast, S. 44. 483 Vgl. schon die Ausführungen auf der S. 43 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 19. 484 Vgl. § 33 III 1 GWB 2013: „Wer einen Verstoß nach Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, […].“; vgl. auch Raible/Lepper, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 602.
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ordnung des Klägers als „sonstiger Marktbeteiligter“. Hierfür ist die Feststellung erforderlich, dass es sich bei diesem um einen unmittelbaren Abnehmer des Kartellteilnehmers handelt. Als unmittelbarer Abnehmer ist zu qualifizieren, wer Waren oder Dienstleistungen unmittelbar vom Kartellbeteiligten erworben hat. Der Marktbeteiligte muss darüber hinaus durch den Verstoß beeinträchtigt sein. Beeinträchtigt ist der unmittelbare Abnehmer, wenn bei diesem durch den Kartellverstoß nachteilige Folgen in Form eines Schadens eintreten können. Diese Möglichkeit des Schadenseintritts besteht, sofern der unmittelbare Abnehmer im Zeitraum und räumlichen Anwendungsbereich der Kartellabsprache Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand der Grundabsprache waren, bezogen hat. Es gilt insoweit das Beweismaß des § 286 I ZPO.485 Tritt der mittelbare Abnehmer dem Rechtsstreit auf Seiten des unmittelbaren Abnehmers bei, so sind von diesem keinerlei Informationen zur Betroffenheit des unmittelbaren Abnehmers zu erwarten. Denn hinsichtlich der inneren Vorgänge zwischen unmittelbarem Abnehmer und Kartellteilnehmer dürfte dieser über keinerlei Informationen verfügen. Jedoch dürfte die diesbezügliche Unterstützung durch den mittelbaren Abnehmer regemäßig entbehrlich sein. Der Nachweis des konkreten Vertragsschlusses wird dem unmittelbaren Abnehmer, sofern es sich bei diesem um ein Wirtschaftsunternehmen handelt, nicht schwerfallen, da hierzu in der Regel Unterlagen existieren dürften. Welche Grundabsprache dem Kartell zugrunde lag, also insbesondere der zeitliche, räumliche und sachliche Anwendungsbereich dessen, ergibt sich grundsätzlich schon im Kontext der Ermittlung des Kartellverstoßes und gilt deshalb, je nach Inhalt der Entscheidung, mit Bindungswirkung auch für die Follow-on-Klage.486 Zwar mag es fraglich sein, ob auch eine bereits über das Verschulden getroffene behördliche oder gerichtliche Entscheidung an der Feststellungswirkung teilnimmt.487 Allerdings erweist sich der Nachweis der das Verschuldensmerkmal ausfüllenden Tatsachen selten als problematisch. Zum einen bezieht sich das Verschulden ausweislich des § 33 III 1 GWB 2013 lediglich auf den Verstoß.488 Zum anderen dürfte bei Hardcore-Kartellverstößen an einem Verschulden hinsichtlich ebendieses Verstoßes selten Zweifel bestehen.489 Die an den nach § 286 ZPO zu beweisenden Haftungsgrund gestellten Anforderungen sind damit gering.
485
Vgl. zum Ganzen schon S. 44 ff. Vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 23. 1. 2019 @ VI-U (Kart) 18/17, NZKart 2019, 157, 158 f. – Schienenkartell. A. A. wohl Fritzsche/Klöppner/M. Schmidt, NZKart 2016, 412, 416. 487 Vgl. schon S. 43 Fn. 19. 488 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 133. 489 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 133; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 23 Rn. 40. 486
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(2) Betreffend den Eintritt und den Umfang des Schadens Größere Schwierigkeiten bereitet insoweit der haftungsausfüllende Tatbestand. Es gilt das Beweismaß des § 287 I ZPO. § 287 I ZPO bedeutet gegenüber § 286 I 1 ZPO (Regelbeweismaß) in erster Linie ein Herabsenken des Beweismaßes.490 Der BGH fordert bei § 286 I 1 ZPO für die vom Richter zu bildende Überzeugung einen „[…] für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißheit […], der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.“491 Hingegen soll bei § 287 I 1 ZPO lediglich „[…] eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit […]“492 erforderlich sein.493 Der unmittelbare Abnehmer muss für die Begründung seines Preisüberhöhungsschadens zunächst darlegen, dass er für das von ihm erworbene Produkt einen erhöhten Preis gezahlt hat und dass diese Preiserhöhung auf das Kartell zurückzuführen ist, mithin der konkrete Beschaffungsvorgang unter dem Einfluss der Kartellabrede stand.494 Wird dies vom beklagten Kartellteilnehmer bestritten, so obliegt es dem unmittelbaren Abnehmer den Beweis zu führen. Ein dem unmittelbaren Abnehmer die Beweisführung erleichternder und gegebenenfalls anzunehmender Anscheinsbeweis könnte dahingehend lauten, dass das im konkreten Fall gebildete Kartell „[…] sich allgemein preissteigernd ausgewirkt hat.“495 Bei einem solchen Anscheinsbeweis müsste der unmittelbare Abnehmer die Anknüpfungstatsache beweisen, insoweit also die tatsächliche Voraussetzung für das Bestehen eines Kartells. Dies wurde bereits im Kontext des Haftungsgrundes festgestellt. Entsprechend dem abgesenkten Beweismaß muss eine Anhebung des allgemeinen Preisniveaus durch das Kartell nur (deutlich) überwiegend wahrscheinlich sein. Nimmt man alternativ einen weniger umfassenden Anscheinsbeweis dahingehend an, dass sich das Kartell nur hinsichtlich der vom Kartellant über das kartellierte Produkt abgeschlossenen Rechtsgeschäfte preissteigernd ausgewirkt hat, so würden diese unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der mittels Anscheinsbeweises zu folgernden Tatsache in Bezug auf den unmittelbaren Abnehmer zu 490
BGH, Urt. v. 2.7.1992 – IX ZR 256/91, NJW 1992, 2694, 2695 a. E.; Jäckel, Beweisrecht, Rn. 813; MüKoZPO/Prütting, § 287 Rn. 17. 491 BGH, Urt. v. 17.2.1970 – III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 256 – Anastasia; stRspr. vgl. auch BGH, Urt. v. 6.5.2015 – VIII ZR 161/14, NJW 2015, 2111 Rn. 11; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, NJW 2018, 150, Rn. 14. 492 BGH, Urt. v. 2.7.1992 – IX ZR 256/91, NJW 1992, 2694, 2695 a. E.; stRspr., allerdings wird in neueren Entscheidungen zumindest teilweise nur noch eine überwiegende und nicht mehr eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit gefordert. Vgl. auch BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/01, NJW-RR 2006, 923, Rn. 25; BGH Beschl. v. 14.1.2014 – VI ZR 340/ 13, NJW-RR 2014, 1147, Rn. 5; OLG Düsseldorf Urt. v. 29.1.2014 – VI-U (Kart) 7/13, jurisRn. 76 – Intertemporales Verjährungsrecht (juris). 493 Vgl. zum Ganzen (Differenzierung Beweismaß § 286/§ 287 ZPO) Jäckel, Beweisrecht, Rn. 813, 734 ff.; MüKoZPO/Prütting, § 287 Rn. 17. 494 Vgl. schon die Ausführungen auf S. 67 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 162. 495 OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), juris-Rn. 54 – Feuerwehrfahrzeuge (juris). S. zu den folgenden Ausführungen auch oben S. 68 ff.
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keiner unterschiedlichen Beurteilung führen. Der Nachweis einer kartellbedingten Preiserhöhung beim unmittelbaren Abnehmer wäre damit erbracht. Dem Kartellteilnehmer würde es sodann obliegen, den Gegenbeweis regelmäßig dahingehend zu führen, dass die ernsthafte Möglichkeit einer nicht kartellbedingten Preiserhöhung (eines atypischen Geschehensablaufs) besteht.496 Gelingt dem Beklagten dies, so muss der kausale Preisüberhöhungsschaden vom Kläger nach allgemeinen Grundsätzen bewiesen werden.497 Der BGH nimmt hingegen lediglich „[…] eine tatsächliche Vermutung dafür [an], dass die im Rahmen eines Kartells erzielten Preise im Schnitt über denen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache bildeten […]“498
und misst diesem Erfahrungssatz nur eine „[…] starke indizielle Bedeutung […]“499 bei. Dies bedingt für den unmittelbaren Abnehmer einen höheren Begründungsaufwand (Benennung von Beweismitteln)500 und führt für das zur Entscheidung berufene Gericht dazu, dass sich die Beweiswürdigung des Gegenbeweises hin zu einer Würdigung der gesamten Umstände verschiebt.501 Auf die Verteilung der objektiven Beweislast hat die unterschiedliche „Einordnung“ des Erfahrungssatzes indes keinen Einfluss.502 Dem Interesse des mittelbaren Abnehmers entspricht es, dass zunächst eine Preisüberhöhung beim unmittelbaren Abnehmer festgestellt wird. Andernfalls ließe sich sein eigener Preisüberhöhungsschaden nicht begründen. Tritt er auf Seiten des Kartellanten bei, so kann er aufgrund seiner Stellung als Nebenintervenient gemäß §§ 74 I, 67 ZPO jedoch nicht zur Begründung eines Schadens des unmittelbaren Abnehmers vortragen, da er sich insoweit in Widerspruch zu seiner Hauptpartei setzen würde. Unabhängig von der Frage, welcher Partei der mittelbare Abnehmer beitritt, dürfte er aus eigener Hand insoweit über keinerlei Informationen zur Sachverhaltsaufklärung verfügen.503
496 Vgl. LG Hannover Urt. 18.12.2017 – 18 O 8/17, juris-Rn. 82 – LKW-Kartell Göttingen (juris); Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 76; zum Gegenbeweis im Allgemeinen Pohlmann, ZPR, Rn. 381. 497 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 148 f. u. 154. 498 BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 55 – Schienenkartell; vgl. schon oben S. 68 ff. 499 BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 56 – Schienenkartell. 500 Vgl. Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2019, 363, 370 f. 501 Vgl. Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2019, 363, 370 f.; Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 76; allgemein Zöller/Greger, Vor § 284 ZPO Rn. 29; Jäckel, Beweisrecht, Rn. 755. 502 Vgl. nur Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 33 u. 5 ff.: Nach h. M. wirkt sich der Anscheinsbeweis auf die Verteilung der objektiven Beweislast nicht aus. 503 Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 300 f.
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Dasselbe gilt in Bezug auf die Schadenshöhe.504 Hier müssen die für eine gegebenenfalls vorzunehmende gerichtliche Schätzung erforderlichen Anknüpfungstatsachen bewiesen werden. Es bedarf einer Gegenüberstellung des hypothetischen Wettbewerbspreises und des tatsächlichen Kartellpreises. Die Einbringung ökonomischen Sachverstandes scheint unumgänglich. Der mittelbare Abnehmer wird ein Interesse daran haben, dass ein möglichst hoher Preisaufschlag beim unmittelbaren Abnehmer festgestellt wird.505 Denn der an den mittelbaren Abnehmer weitergegebene kartellbedingte Preisaufschlag pro bezogener Produkteinheit kann nur gleich bzw. kleiner als derjenige sein, der ursprünglich auf den unmittelbaren Abnehmer abgewälzt wurde.506 Doch auch insoweit dürfte eine Aufklärung des Sachverhalts von Seiten des mittelbaren Abnehmers nicht zu erwarten sein,507 wobei ihm ein entsprechender Vortrag bei Beitritt auf Seiten des Kartellteilnehmers ohnehin verwehrt ist.508 (3) Betreffend die Vorteilsausgleichung Gleichzeitig stimmen die Interessen des mittelbaren Abnehmers dahingehend mit denjenigen des Kartellteilnehmers überein, dass sich für beide die Abwälzung des Preisaufschlages auf Ersteren als vorteilhaft erweist.509 Der mittelbare Abnehmer wird sich dann auch bei Abwägung seiner widerstreitenden Interessen regelmäßig für einen Beitritt auf Seiten des Kartellteilnehmers entscheiden.510 Denn dieser trägt die (abstrakte) Behauptungs- und (objektive) Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der als Einwendung zu qualifizierende Vorteilsausgleichung.511 Diese Beitrittsentscheidung ist weniger darin begründet, dass der mittelbare Abnehmer zur Vorteilsausgleichung unter Umständen inhaltlich mehr wird beitragen können, als zum Schaden des unmittelbaren Abnehmers bzw. die Preiserhöhung als mutmaßlich leichter nachzuweisender Umstand geringerer Unterstützung bedarf.512 Vielmehr droht, sofern der Beweis der die Vorteilsausgleichung ausfüllenden Tatsachen gescheitert ist, die diesbezügliche Interventionswirkung im Folgeprozess, wohingegen der mittelbare Abnehmer zur Preiserhöhung im Folgeprozess vortragen kann, weil
504
S. zu den folgenden Ausführungen schon S. 76 f. So auch Hoffmann, NZKart 2016, 9, 12 f.; Lübbig/Mallmann, WRP 2012, 166, 171. 506 Vgl. schon die Ausführungen auf S. 93 f. und in Fn. 340. 507 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 301. 508 Vgl. Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 270. 509 Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 300; Lübbig/Mallmann, WRP 2012, 166, 171. 510 So auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 301 f.; a. A. (wohl aber unter Verkennung der Gesetzeslage) Lübbig/Mallmann, WRP 2012, 166, 171 f. Hierauf weisen schon Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 300 hin. 511 Vgl. schon die Ausführungen auf S. 78 sowie die Nachweise in Fn. 234. 512 Entsprechende Überlegungen bei Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 301. 505
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dieser aufgrund seiner Stellung als Nebenintervenient gemäß § 67 ZPO daran im Erstprozess gehindert war.513 Für die Vorteilsausgleichung muss der Kartellant zunächst darlegen und im Fall des Bestreitens beweisen, dass der unmittelbare Abnehmer einen Weiterverkaufspreis erzielt hat, der mittelbare Abnehmer einen solchen also bereits gezahlt hat oder jedenfalls eine dementsprechende Zahlungsverpflichtung besteht, von der er sich nicht mehr lösen kann. Des Weiteren muss ein Kausalzusammenhang ausgehend vom Kartellverstoß hin zum Eintritt des Vorteils bejaht werden können. Der Verstoß wird nur ursächlich für den Preisaufschlag, nicht für den gesamten Weiterverkaufspreis. Es muss unter Heranziehung ökonomischer Methoden ermittelt werden, ob der unmittelbare Abnehmer gerade aufgrund des Kartells zur Durchsetzung höherer Preise in der Lage war. Auch insoweit kann bei Bestehen und unter Zugrundelegung entsprechender ökonomischer Theorien unter Umständen ein Erfahrungssatz gebildet werden, der für die Annahme eines Anscheinsbeweises genügt.514 Der auf Seiten des Kartellteilnehmers beigetretene mittelbare Abnehmer kann nun zur Vorteilsausgleichung vortragen.515 Dabei sieht der BGH gewissermaßen eine Wechselwirkung zwischen der (möglichen) Informationserlangung von Seiten der mittelbaren Abnehmer und der Annahme einer sekundären Darlegungslast des klagenden unmittelbaren Abnehmers im Hinblick auf die Vorteilsausgleichung.516 Der Senat führt hierzu in der Entscheidung ORWI aus: „In der Regel wird es bereits an der Erforderlichkeit einer Erleichterung der Darlegungslast fehlen, wenn Marktteilnehmer der nachfolgenden Absatzstufe ihrerseits Ansprüche gegenüber dem beklagten Kartellteilnehmer geltend machen. Denn diese weiteren Abnehmer tragen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kartellbedingte Preiserhöhungen auf sie abgewälzt worden sind. Nur wenn und soweit ihnen der Nachweis eines bei ihnen eingetretenen Kartellschadens gelingt, können sie den Kartellteilnehmer mit Erfolg auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Die Informationen, die erforderlich sind, um eine Vorteilsausgleichung gegenüber seinem unmittelbaren Kunden geltend zu machen, erhält der Kartellteilnehmer in diesem Fall von den indirekten Abnehmern der nachfolgenden Absatzstufe.“517
Und weiter in der darauffolgenden Randnummer:
513 Ähnlich Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 270; im Ergebnis wohl auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 302. Vgl. ausführlich unten S. 127 ff. 514 Vgl. schon S. 77 ff. 515 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 300. 516 So schon die Auslegung von Lübbig/Mallmann, WRP 2012, 166, 170 f. unter dem Stichwort „Wechselspiel/Wechselwirkung“. 517 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 72 – ORWI.
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„Soweit dem Kartellteilnehmer eine Streitverkündung möglich ist oder war, wird für eine sekundäre Darlegungslast seines Prozessgegners im Zusammenhang mit dem Weiterwälzungseinwand regelmäßig kein Raum sein.“518
dd) Sekundäre Darlegungslast des klagenden unmittelbaren Abnehmers Die sekundäre Darlegungslast trägt in gewissem Maße dem Umstand Rechnung, dass diejenige Partei, die für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen einer bestimmten Tatsache die Darlegungs- und Beweislast trägt und diejenige, die über den besseren Zugang zu den für die Substantiierung der Behauptung bzw. Erbringung des Beweises erforderlichen Informationen verfügt, auseinanderfallen können.519 Eine sekundäre Darlegungslast der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei kommt nur dann in Betracht, sofern der darlegungs- und beweisbelasteten Partei lediglich ein bloßes Behaupten der zu beweisenden Tatsache möglich ist, nicht jedoch ein näheres Substantiieren nach einem lediglich einfachem Bestreiten durch den Prozessgegner.520 Von Letzterem wird deshalb ein substantiiertes Bestreiten des Vortrags verlangt,521 „[…] wenn die beweisbelastete und primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind […].“522
Der BGH fasst in der Entscheidung ORWI diese Formel prägnant zusammen, indem er als maßgebliche Kriterien für die Bejahung einer sekundären Behauptungsbzw. Darlegungslast die Erforderlichkeit sowie die Zumutbarkeit qualifiziert.523 (1) Erforderlichkeit einer sekundären Darlegungslast Die Erforderlichkeit einer sekundären Darlegungslast richtet sich nach der Person des primär darlegungs- und beweisbelasteten Kartellanten.524 Dieser wird als Dritter regelmäßig nicht in die Vertragsverhandlung bzw. -gestaltung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Abnehmer eingebunden und erst recht nicht an der individuellen Preiskalkulation des unmittelbaren Abnehmers beteiligt gewesen sein.525 Er 518
BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 73 – ORWI. Ähnlich Freudenthal, Die sekundäre Behauptungslast, S. 15 f. 520 Vgl. Thole, ZWeR 2017, 339, 354. 521 Vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1986 – IV b ZR 78/85, NJW 1987, 1201; BGH, Urt. v. 14.6.2005 – VI ZR 179/04, NJW 2005, 2614, 2615 a. E. 522 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 71 – ORWI; stRspr. vgl. nur BGH, Urt. v. 15.10.1986 – IV b ZR 78/85, NJW 1987, 1201; BGH, Urt. v. 13.6.2002 – VII ZR 30/01, NJW-RR 2002, 1309, 1310. 523 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Ls. u. Rn. 71 ff. – ORWI. 524 Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 72 ff. – ORWI; vgl. auch Freudenthal, Die sekundäre Behauptungslast, S. 19 a. E. 525 Vgl. auch Seifert, NZKart 2020, 350. 519
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steht damit außerhalb des für die Vorteilsausgleichung maßgeblichen Geschehensablaufs. Diskussionswürdiger ist hingegen die Frage nach der Unkenntnis der Partei. Ist der Kartellteilnehmer am Geschehen nicht beteiligt, so hat er aus erster Hand auch keinen Einblick in dieses. Allerdings muss die primär darlegungs- und beweisbelastete Partei sich die erforderlichen Informationen dann gegebenenfalls anderweitig beschaffen.526 Der BGH verweist den beklagten Kartellanten dabei auf die Option, sich die erforderlichen Informationen vom mittelbaren Abnehmer zu verschaffen.527 Hat der mittelbare Abnehmer den Kartellteilnehmer bereits erfolgreich in Anspruch genommen, so müsse er bereits den Nachweis der Weiterwälzung des Preisaufschlages erbracht haben, woraus der Kartellteilnehmer Früchte ziehen könnte.528 „Solange nicht feststeht, in welchem Umfang die kartellbedingten Preiserhöhungen auf nachfolgende Marktstufen weitergegeben worden sind, […]“529 soll der Kartellteilnehmer auf eine Streitverkündung gegenüber dem mittelbaren Abnehmer zu verweisen sein, um neben der reinen Informationsbeschaffung gleichzeitig auch die Interventionswirkung zu erzielen.530 Die Zumutbarkeitsgrenze für die Informationsbeschaffung mittels Streitverkündung soll jedoch erreicht sein, sofern die Streitverkündungsgegner „[…] nicht bekannt sind oder es sich dabei – wie insbesondere bei (privaten) Endabnehmern – um einen unüberschaubar großen Personenkreis handelt.“531 (a) Kenntniserlangung mittels Streitverkündung Bereits hier stellt sich die Frage, ob nicht die sekundäre Darlegungslast gerade probates Mittel ist, um dem Kartellteilnehmer über eine fehlende Kenntnis von der Person des mittelbaren Abnehmers hinwegzuhelfen.532 Der unmittelbare Abnehmer
526 BGH, Urt. v. 8.1.2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76, Rn. 17 – BearShare; BGH, Urt. v. 3.5.2016 – II ZR 311/14, NJW 2017, 886, Rn. 19; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 110 Rn. 17. 527 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 72 ff. – ORWI. 528 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 72 – ORWI. Vgl. insoweit auch die Auslegung der Entscheidung durch Bacher, in: H.-J. Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, Kap. 82 Rn. 34; Ulshöfer, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 25 Rn. 105. 529 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 73 – ORWI. 530 Vgl. zur Auslegung der Entscheidung insoweit auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 388 f. 531 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 74 – ORWI. Auch auf Seiten der primär darlegungs- und beweisbelasteten Partei wird hinsichtlich der Informationsbeschaffung allgemein eine Zumutbarkeitsgrenze gezogen. Vgl. nur BGH, Urt. v. 3.5.2016 – II ZR 311/14, NJW 2017, 886, Rn. 19; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 110 Rn. 17. 532 Dahingehende anfängliche Überlegungen schon bei Kirchhoff, WuW 2012, 927, 932 f.
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dürfte grundsätzlich in der Lage sein, diese Information beizubringen.533 Hier wäre lediglich die Zumutbarkeit für den unmittelbaren Abnehmer zu problematisieren. Aber auch wenn man annimmt, dass dem Kartellanten der mittelbare Abnehmer bekannt ist, könnte man einwenden, dass die Kenntnis des Streitverkündungsgegners nicht per se als Kenntnis des Streitverkünders angesehen werden kann. Denn trägt der mittelbare Abnehmer die für die Vorteilsausgleichung maßgeblichen Tatsachen im Prozess vor, so besteht streng genommen (zunächst) keine Kenntnis der Partei, sondern lediglich des Nebenintervenienten (und zwar in seiner Stellung als am Prozess beteiligten Dritten)534. Da aber dessen Prozesshandlungen und Erklärungen grundsätzlich Wirkung für die Partei entfalten,535 sollte insoweit auch dem Erfordernis der Kenntnis genüge getan sein, zumal der beklagte Kartellant über den Vortrag des mittelbaren Abnehmers im Prozess letztlich auch selbst Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen erlangt. Allerdings bestehen Zweifel, ob der mittelbare Abnehmer überhaupt Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen hat. Handelt es sich bei diesem um einen Unternehmer, so ist anzunehmen, dass er über Unterlagen verfügt, aus denen der an den unmittelbaren Abnehmer gezahlte Preis hervorgeht. Er wird also insbesondere über Informationen verfügen, aus denen sich ergibt, wie hoch der Preis war und, bei längerer Geschäftsbeziehung, ob dieser sich im Vergleich zum Zeitraum vor Bestehen des Kartells erhöht hat.536 Zwar wird der mittelbare Abnehmer keinen Einblick in die konkrete Preisbildung beim unmittelbaren Abnehmer haben,537 es erscheint jedoch möglich, dass der unmittelbare Abnehmer seinem Geschäftspartner bei Vertragsschluss mitgeteilt hat, warum er selbst seine Preise erhöht (zum Beispiel aufgrund eigener erhöhter Einkaufskosten), so dass eine solche Begründung vom mittelbaren Abnehmer vorgetragen werden könnte.538 So kann der mittelbare Abnehmer gegebenenfalls dazu beitragen, aufzuklären, ob die Preiserhöhung kartellbedingt ist. Handelt es sich hingegen um einen Verbraucher, so können bestenfalls Informationen zum gezahlten Preis erwartet werden. Dieser verfügt also regelmäßig über 533
9, 12. 534
132. 535
Entsprechende Überlegungen, allerdings in anderem Kontext Hoffmann, NZKart 2016, Vgl. allgemein zur Stellung des Nebenintervenienten im Prozess Kittner, JuS 1986, 131,
Kittner, JuS 1986, 131, 132 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 50 Rn. 32 ff. Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 301. 537 Lübbig/Mallmann, WRP 2012, 166, 171 f. 538 Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 43 – ORWI: „Zudem habe die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, R. habe ihre Preiserhöhungen gegenüber ORWI regelmäßig mit gestiegenen Einkaufspreisen begründet und dies durch Beifügung der Preiserhöhungsmitteilungen der Beklagten belegt.“ S. auch die Darstellung des der Entscheidung ORWI zugrundeliegenden Sachverhalts bei Kirchhoff, WuW 2012, 927, 928: „Denn Reacto hatte seine Preiserhöhungen gegenüber ORWI mit den Preiserhöhungsmitteilungen begründet, die Reacto von der Beklagten erhalten hatte.“ 536
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weniger, zur Aufklärung des Sachverhalts beitragende, Informationen als ein Unternehmer. Mag dies nachteilig sein, so erweist sich die Eigenschaft als Verbraucher gleichzeitig auch als ein günstiger Umstand. Denn der unmittelbare Abnehmer wird grundsätzlich seinen gesamten Preisüberhöhungsschaden geltend machen. Um diesen Schaden vollständig auszugleichen, genügt es demzufolge nicht, dass der Preisaufschlag auf einen mittelbaren Abnehmer abgewälzt worden ist (es sei denn, dieser hat sämtliche kartellbefangenen Produkte abgenommen).539 Handelt es sich bei den Abnehmern der zweiten Absatzstufe durchgängig um Verbraucher, so ist davon auszugehen, dass diese den gleichen oder zumindest einen vergleichbar hohen Preis für das kartellbefangene Produkt gezahlt haben. Bilden die mittelbaren Abnehmer also eine relativ homogene Gruppe, so dürfte dies die, mithilfe ökonomischer Theorien zu treffende Feststellung dahingehend erleichtern, dass der unmittelbare Abnehmer den Preisaufschlag grundsätzlich in einer bestimmten Höhe auf seine eigenen Abnehmer abgewälzt hat.540 Anders verhält es sich, sofern die mittelbaren Abnehmer als Unternehmer zu qualifizieren sind. Denn bei diesen ist regelmäßig von einer individuellen Absprache des zu zahlenden Preises auszugehen.541 Hat der unmittelbare Abnehmer als Zwischenhändler also beispielsweise drei Abnehmer (A, B, C), so musste Abnehmer A etwa eine Preiserhöhung um 10 % hinnehmen, bei Abnehmer B kann eine Preissteigerung um nur 5 % eingetreten und der von Abnehmer C zu zahlende Preis gleichgeblieben sein.542 Insoweit bedarf es nicht nur einer weitreichenden und möglichst erschöpfenden Streitverkündung um eine umfassende Interventionswirkung zu erreichen,543 sondern diese wäre gleichsam für einen umfassenden Informationsgewinn erforderlich. Denn „[…] dem Richter [kann unter Geltung des § 287 ZPO] aufgrund des Nachweises einer Abwälzung gegenüber verschiedenartigen Kunden der Schluss erlaubt sein, dass generell eine Abwälzung des Preisaufschlags stattgefunden hat […].“544 (b) Informationsbeschaffung als Zweck der Streitverkündung? Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Streitverkündung kein sicheres Mittel ist, um dem beklagten Kartellanten Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen 539
Vgl. auch Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 76. Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 312 f. 541 Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 312 f.; weitergehende Überlegungen hierzu auch bei Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 76. 542 Ähnlich die Darstellung von Mallmann/Erne, NZKart 2019, 77, 80, allerdings für die Konstellation Kartellant – unmittelbarer Abnehmer sowie unmittelbarer Abnehmer – mittelbarer Abnehmer unter der Annahme, dass die unmittelbaren Abnehmer ihre Preise für ihre jeweiligen Abnehmer einheitlich erhöhen. 543 Vgl. schon S. 109 ff. 544 Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 76. 540
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zu verschaffen. Dennoch soll die bloße Möglichkeit der Streitverkündung nach Ansicht des BGH die sekundäre Darlegungslast des klagenden Abnehmers grundsätzlich ausschließen.545 Damit nimmt der BGH nicht nur eine tatsächliche Verknüpfung von sekundärer Darlegungslast und Streitverkündung dergestalt an, dass bei einem faktischen Informationsfluss von Seiten des Streitverkündungsgegners die sekundäre Darlegungslast verneint wird. Vielmehr geht die Auffassung des BGH darüber hinaus, indem der Senat wohl zwischen Streitverkündung und sekundärer Darlegungslast einen rechtlichen Zusammenhang im Sinne eines Vorranges der Streitverkündung sieht. Dies scheint jedoch nur denkbar, wenn beiden, Streitverkündung und sekundärer Darlegungslast, eine ähnliche Zweckrichtung zugrunde liegt.546 Die sekundäre Darlegungslast verfolgt das Ziel des Ausgleichs von Informationsdefiziten mittels Erlangung von Informationen durch die gegnerische Prozesspartei.547 Die durch die Streitverkündung bedingte Mitwirkung eines Dritten im Prozess kann zwar ebenfalls zu einer Klärung des streitigen Sachverhaltes beitragen.548 Allerdings stellt dies keinen Zweck der Streitverkündung dar.549 Vielmehr tritt dieser Effekt550 lediglich als ein bloßer Reflex der drohenden551 Interventionswirkung im Folgeprozess ein. Die sekundäre Darlegungslast wird dem Prozessgegner auferlegt, weil er die erforderliche Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen hat. Die Streitverkündung hat hingegen nicht zur Voraussetzung, dass der Streitverkündungsgegner relevante Informationen besitzt. Vielmehr tritt das Ziel der Streitverkündung, die Interventionswirkung, auch und gerade dann ein, wenn der Sachverhalt trotz Beitritt des Streitverkündungsgegners und dessen vollständiger informativer Unterstützung der Hauptpartei unaufklärbar bleibt. Die Informationsbeschaffung mittels Streitverkündung ist damit mehr eine rein tatsächliche Folge der drohenden Interventionswirkung im Folgeprozess denn ein normativer Zweck der §§ 72 ff. ZPO.552
545
Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 73 a. E. – ORWI. Vergleichbare Überlegungen zum Verhältnis der sekundären Darlegungslast und den neuen Offenlegungsmöglichkeiten S. 201 ff. 547 Vgl. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 15 Rn. 23, sowie die Ausführungen oben auf S. 120 u. unten S. 202. 548 Vgl. schon S. 113 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 471. 549 Lammenett, Nebenintervention, Streitverkündung und Beiladung, S. 6 f. sieht die Aufklärung des Sachverhaltes als Zweck der Nebenintervention, wobei unklar bleibt, ob dies auch für die Streitverkündung gelten soll. 550 MüKoZPO/Schultes, § 72 Rn. 1 u. § 66 Rn. 1. 551 Vgl. Lammenett, Nebenintervention, Streitverkündung und Beiladung, S. 9: „Die Partei kann mit Hilfe des ,Druckmittels‘ [sic] der Interventionswirkung den Dritten zu der von ihr gewünschten Unterstützung veranlassen.“ 552 In diese Richtung wohl auch Wieczorek/Schütze/Mansel, § 72 ZPO Rn. 4, der die Streitverkündung als „Informationsakt“ bezeichnet. 546
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Die bloße Möglichkeit einer zumutbaren Streitverkündung kann damit die sekundäre Darlegungslast des klagenden Abnehmers nicht grundsätzlich ausschließen. Anderes kann im Einzelfall gelten, sofern der mittelbare Abnehmer nach seinem Beitritt auf Seiten des Kartellanten als Nebenintervenient die für die Vorteilsausgleichung maßgeblichen Tatsachen tatsächlich im Prozess vorträgt. Hierdurch wäre das Informationsdefizit des beklagten Kartellanten faktisch behoben, so dass für die sekundäre Darlegungslast kein Raum mehr verbliebe. (c) Fazit Der mittelbare Abnehmer als Streitverkündungsgegner nützt als Informationsquelle dem Kartellanten nur, sofern eine sehr homogene Abnehmergruppe zu verzeichnen ist oder es sich um eingliedrige Absatzketten handelt, also jeweils nur ein Abnehmer (bzw. eine überschaubare Abnehmeranzahl pro Absatzstufe) vorhanden ist, der als Streitverkündungsgegner in den Prozess einbezogen werden kann. Gleichzeitig muss dieser dem Prozess beitreten553 und zwar auf Seiten des Kartellteilnehmers. Der Zugewinn an Informationen mittels einer Streitverkündung ist also gering und auf spezielle Fallkonstellationen beschränkt. Die Möglichkeit einer zumutbaren Streitverkündung vermag damit weder generell noch grundsätzlich, die sekundäre Darlegungslast des unmittelbaren Abnehmers auszuschließen, da sie regelmäßig gerade nicht die erforderliche Kenntnis zu liefern vermag.554 Zudem ist die Streitverkündung schon kein Rechtsinstitut, dessen Zweck im Bereich der Informationsgewinnung liegt. (2) Zumutbarkeit einer sekundären Darlegungslast Steht der beklagte Kartellant außerhalb des Geschehensablaufs und befindet er sich (trotz Beitritt des mittelbaren Abnehmers) in Unkenntnis von den maßgebenden Tatsachen, so gilt es demnach für die Annahme einer sekundären Darlegungslast des klagenden unmittelbaren Abnehmers auszuloten, ob diese ihm zumutbar ist.555 Daneben muss auch der unmittelbare Abnehmer überhaupt die maßgebenden Kenntnisse haben oder zumindest beibringen können.556 Der unmittelbare Abnehmer 553 Bergmann/Fiedler, BB 2012, 206, 209: „[…] [Sonst] kann sie [die Streitverkündung] dann nicht zum Ausschluss der sekundären Darlegungslast des Klägers führen.“ 554 Ähnlich im Ergebnis auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 283; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 73, die eine sekundäre Darlegungslast trotz der Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Streitverkündung in Betracht ziehen wollen für die Darlegung des Fehlens anderweitiger Nachteile beim unmittelbaren Abnehmer, die der BGH für eine erfolgreiche Vorteilsausgleichung verlangt. Nach hier vertretender Ansicht ist dies keine Voraussetzung für die Vorteilsausgleichung. Vgl. schon oben S. 89 ff. 555 Zum Zumutbarkeitserfordernis vgl. auch BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 71 u. 75 ff. – ORWI; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 371 ff. 556 Vgl. allgemein Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 22 Rn. 33.
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kann sich dabei nicht einer etwaig bestehenden sekundären Darlegungslast mit dem Argument entziehen, dass er die erforderlichen Informationen nicht (mehr) habe, sofern er zur Aufbewahrung entsprechender Unterlagen gesetzlich verpflichtet war.557 Entscheidendes Kriterium bleibt letztlich die Zumutbarkeit der sekundären Darlegungslast für den klagenden Abnehmer. Da die sekundäre Darlegungslast aus § 138 ZPO558 bzw. der aus § 242 BGB geschlussfolgerten Pflicht zur redlichen Prozessführung559 hergleitet wird, sind insoweit auch Wertungsgesichtspunkte maßgeblich. Allerdings genügt es nicht, die sekundäre Darlegungslast pauschal mit dem Verweis auf ein berechtigtes Interesse des unmittelbaren Abnehmers an der Geheimhaltung der Informationen zu verneinen. Vielmehr ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen.560 „Je höher die vom Kartellteilnehmer darzulegende Wahrscheinlichkeit der Weiterwälzung des Schadens und je größer seine Beweisnot ist, desto eher kann dem Geschädigten eine gewisse Mitwirkung an der Aufklärung der insoweit maßgeblichen tatsächlichen Umstände zugemutet werden.“561
So kann bei Vorgängen, die bereits mehrere Jahre zurückliegende und bereits abgeschlossene Geschäftsbeziehungen des unmittelbaren Abnehmers betreffen, dessen Interesse an einer Geheimhaltung weniger stark zu gewichten sein.562 Dabei scheint die Angst vorzuherrschen, der unmittelbare Abnehmer müsste interne Unterlagen offenlegen.563 Dem ist jedoch nicht so.564 Es besteht keine, durch eine sekundäre Darlegungslast begründete, Pflicht, Einsicht in Dokumente zu gewähren.565 Da der gegnerischen Partei nur in gewissem Maße die nähere Darlegung einzelner 557
Vgl. LG Stuttgart Urt. v. 14.12.2018 – 30 O 26/17, BB 2019, 147. Teils aus § 138 I ZPO (so RG Urt. v. 10.3.1941 – II 87/40, RGZ 166, 240, 242), teils aus § 138 II ZPO (vgl. nur BGH, Urt. v. 10.2.2015 – VI ZR 343/13, NJW-RR 2015, 1279, Rn. 11; Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 22 Rn. 29). 559 So bspw. BGH, Urt. v. 20.1.1961 – I ZR 79/59, NJW 1961, 826, 828; BGH, Urt. v. 16.5.2006 – X ZR 169/04, BGHZ 167, 374, Rn. 26 – Kunststoffbügel. 560 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 76 – ORWI. 561 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 76 – ORWI. Vgl. darüber hinaus zur Darlegung einer bestimmten Wahrscheinlichkeit: Arens, ZZP 96 (1983), 1, 4; Beckhaus, Die Bewältigung von Informationsdefiziten, S. 140 ff.; Laumen, in: Baumgärtel/ Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 22 Rn. 31 m. w. N. 562 Vgl. auch BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 77 a. E. – ORWI. 563 So wohl BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 75 a. E. – ORWI; OLG Stuttgart Urt. v. 4.4.2019 – 2 U 101/18, juris-Rn. 191 – LKW-Kartell (juris). 564 Anders verhält es sich ggf. bei einem Anspruch gem. § 33g GWB n. F. Vgl. hierzu S. 201 ff. 565 BGH, Urt. v. 26.6.2007 – XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23, Rn. 16; BGH, Urt. v. 17.1.2008 – III ZR 239/06, NJW 2008, 982, Rn. 18; BGH, Urt. v. 22.7.2014 – KZR 27/13, NJW 2014, 3089, Rn. 19; Zöller/Greger, Vor § 284 ZPO Rn. 34; Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/ Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 22 Rn. 4 u. Rn. 33; Thole, ZWeR 2017, 339, 354 f. 558
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Umstände (und gerade nicht die diesbezügliche Beweislast)566 aufgebürdet wird, muss lediglich der nicht substantiierte (Tatsachen-)Vortrag der beweisbelasteten Partei durch den gegnerischen Vortrag konkretisiert werden.567 So könnte man die sekundäre Darlegungslast des unmittelbaren Abnehmers zunächst darauf beschränken, dass dieser mitzuteilen hat, wer im Einzelnen seine eigenen Abnehmer sind. Ist dem Kartellteilnehmer infolgedessen eine Streitverkündung möglich, so liegt es zunächst an diesem von dieser Möglichkeit auch Gebrauch zu machen.568 Erhält der Kartellteilnehmer von dieser Seite, aus den oben bereits aufgeführten Gründen, keinerlei Informationen, so sind für eine weitergehende sekundäre Darlegungslast des klagenden unmittelbaren Abnehmers im Rahmen einer einzelfallbezogenen Zumutbarkeitsprüfung die wechselseitigen Interessen der Prozessparteien einander gegenüberzustellen.569 Kein dabei berücksichtigungsfähiger Umstand ist deshalb die Möglichkeit, dass der Kartellteilnehmer von jeglicher Haftung frei werden könnte, da auf der Stufe der mittelbaren Abnehmer nur geringfügige Streuschäden zu verzeichnen sind, die keine diesbezügliche Inanspruchnahme des Kartelllanten erwarten lassen.570 Denn insoweit handelt es sich um kein Interesse einer am Prozess beteiligten Partei, sondern vielmehr um die subjektiven Interessen Dritter (mittelbarer Abnehmer) sowie Interessen der Allgemeinheit an einer Sanktionierung des Verhaltens des Kartellanten bzw. einer präventiv abschreckenden Wirkung.571 Der Umstand muss an dieser Stelle im Rahmen des Zweiparteienprozesses unberücksichtigt bleiben. b) Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers Erweist sich die Streitverkündung des Kartellanten unter dem Gesichtspunkt der Informationsbeschaffung für diesen als nur bedingt vorteilhaft, so könnte dieser 566
Eine sekundäre Beweislast existiert, trotz häufiger Verwendung dieser Begrifflichkeit, gerade nicht. Vgl. nur Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 22 Rn. 4; Thole, ZWeR 2017, 339, 354. 567 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 22 Rn. 33. 568 S. schon S. 121 f. 569 Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 71 u. Rn. 75 ff. – ORWI; allgemein Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 22 Rn. 34; Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 64. 570 A. A. (allerdings im Kontext der Erforderlichkeit der sekundären Darlegungslast) Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 72 f.; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 370; in Ansätzen so wohl auch BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 74 f. – ORWI; nunmehr ausdrücklich BGH, Urt. v. 19.5.2020 – KZR 8/18, Ls. und jurisRn. 62 – Schienenkartell IV (juris). 571 Letztere Interessen verfolgt der unmittelbare Abnehmer zwar u. U. auch mit seiner Klage. Diese Interessen durch Klagen der mittelbaren Abnehmer durchgesetzt zu wissen, dürfte für ihn jedoch von untergeordnetem Belang sein.
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zumindest von der durch die Streitverkündung ausgelösten Interventionswirkung im Folgeprozess gegen den mittelbaren Abnehmer profitieren. Auch im Folgeprozess muss erneut danach differenziert werden, ob der mittelbare Abnehmer dem Prozess beigetreten ist und, sofern dies zu bejahen ist, auf welcher Seite der Beitritt erfolgte. Der Beitritt auf Seiten des unmittelbaren Abnehmers wird dabei im Hinblick auf die Interventionswirkung wie ein Nichtbeitritt behandelt.572 Hinsichtlich der nachträglichen Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln im Sinne des § 68 Hs. 2 ZPO durch den mittelbaren Abnehmer ist insoweit auf die fiktive Situation bei einem Beitritt im Zeitpunkt des § 74 III ZPO abzustellen.573 Entsprechend den obigen Ausführungen wird ein planvoll agierender mittelbarer Abnehmer einen Beitritt auf Seiten des Kartellanten vorziehen.574 Die Interventionswirkung entfaltet sich in subjektiver Hinsicht nur zwischen Kartellteilnehmer und mittelbarem Abnehmer. Sie soll nach der vorzugwürdigen herrschenden Meinung lediglich dem streitverkündenden Kartellanten zum Vorteil gereichen.575 In Bezug auf die objektive Komponente der Interventionswirkung offenbart sich, dass auch diese nur in bestimmten Fallkonstellationen im Ergebnis durchgreift. aa) Feststellungen im Ersturteil zum Schadenseintritt beim unmittelbaren Abnehmer Wird die Klage des unmittelbaren Abnehmers (Vorprozess) mangels bewiesenen Schadens abgewiesen, so ist die Feststellung (kein Eintritt eines Schadens beim unmittelbaren Abnehmer bzw. der Schadenseintritt ist unaufklärbar) zunächst für den Folgeprozess bindend, da es sich insoweit um einen für die streitverkündende Hauptpartei günstigen Umstand handelt.576 Zwar ist für den Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers nicht der Schaden des unmittelbaren Abnehmers als solcher relevant, sondern vielmehr der, bei den vom unmittelbaren Abnehmer bezogenen Produkten zu verzeichnende kartellbedingte Preisaufschlag. Regelmäßig werden auch hierzu Feststellungen im erstprozessualen Urteil getroffen. Andernfalls steht aber mit der Feststellung, dass ein Preisüberhöhungsschaden nicht eingetreten ist bzw. nicht nachgewiesen werden konnte, implizit fest, dass ein kartellbedingter Preisaufschlag ebenfalls nicht eingetreten ist bzw. nicht nachzuweisen war, da andernfalls zumindest zunächst ein Preisüberhöhungsschaden beim unmittelbaren Abnehmer entstanden wäre. 572
Vgl. schon S. 105 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 411. Vgl. schon S. 105 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 410. 574 Vgl. schon S. 118; den Beitritt allgemein empfehlend: Lahme, in: Stancke/Weidenbach/ Lahme, Kartellrechtliche Schadensersatzklagen, Kap. E Rn. 157. 575 Vgl. schon S. 105 f. 576 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 394. 573
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Allerdings kann sich in dieser Konstellation der mittelbare Abnehmer auf die Einrede des § 68 Hs. 2 Var. 2 ZPO berufen. Denn dieser war im Erstprozess auf die Unterstützung seiner Hauptpartei, also des Kartellteilnehmers, beschränkt und konnte somit nicht (schadensbegründend) zum Preisüberhöhungsschaden des unmittelbaren Abnehmers vortragen, da er sich insoweit in Widerspruch zu seiner Hauptpartei gesetzt hätte (§ 67 Hs. 2 ZPO).577 Der mittelbare Abnehmer kann dementsprechend im Folgeprozess seinen eigenen Preisüberhöhungsschaden über den vom unmittelbaren Abnehmer weitergewälzten Preisaufschlag begründen. Dieser Wegfall der Bindungswirkung erweist sich als vorteilhaft für die Vermeidung einer möglichen Nichthaftung des Kartellanten. Zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidung trägt die Interventionswirkung insoweit jedoch nicht bei. bb) Feststellungen im Ersturteil zur Weiterwälzung des Preisaufschlages Die vom BGH mittels der, durch die Streitverkündung bewirkten, Interventionswirkung zu lösen angedachte Konstellation ist denn auch eine andere. Sie bezieht sich allein auf die Frage der Weiterwälzung des Preisaufschlages.578 Diese wird im Erstprozess gegen den unmittelbaren Abnehmer im Rahmen der Vorteilsausgleichung und im Folgeprozess im Rahmen der Schadensbegründung durch den mittelbaren Abnehmer relevant.579 Insoweit bestehen drei denkbare Konstellationen. Erstens kann dem Kartellteilnehmer der Beweis der tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung gelingen. Dann greift hinsichtlich der Feststellung, dass eine Weiterwälzung erfolgt ist, jedoch im Folgeprozess nicht die Bindungswirkung, sofern man mit der herrschenden Meinung annimmt, dass diese in subjektiver Hinsicht lediglich dem Streitverkünder zum Vorteil gereichen soll. Für den Kartellteilnehmer wäre es nachteilig, sofern die Weitergabe des Preisaufschlages (an alle mittelbaren Abnehmer) für den von einem mittelbaren Abnehmer geführten Folgeprozess bereits bindend feststehen würde.580 Zweitens kann der Beweis der Vorteilsausgleichung misslingen, weil zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der kartellbedingte Preisaufschlag nicht abgewälzt wurde.581 Dies dürfte wohl in den seltensten Fällen als Resultat aus der Be-
577
Vgl. allgemein hierzu Bischof, JurBüro 1984, 1141, 1147 f.; MüKoZPO/Schultes, § 68 Rn. 21. 578 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 73 – ORWI. 579 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 396. 580 Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 393. 581 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 394; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 76.
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weiswürdigung im Erstprozess hervorgehen.582 Vielmehr wird (regelmäßig in Fallkonstellationen, die keine „klassische“ Weiterveräußerung betreffen) häufig schon die Zulässigkeit einer Vorteilsausgleichung an sich583 bzw. das Vorliegen eines tauglichen Anschlussmarktes584 verneint. Beide Argumentationswege erscheinen schon grundsätzlich fragwürdig.585 Da sie sich allerdings regelmäßig darauf stützen, dass der abwälzungsbedingten Einbuße des Anspruches des zunächst Geschädigten gerade keine grundsätzliche Anspruchsberechtigung seiner Vertragspartner gegenübersteht,586 dürfte diese Argumentation für diejenigen Fallkonstellationen ausgeschlossen sein, in denen mit der Person des Streitverkündungsgegners ein mittelbarer Abnehmer als potentiell Anspruchsberechtigter in Erscheinung getreten ist. Schließlich kann drittens das Gericht des Erstprozesses (als wahrscheinlichere Konstellation)587 im Rahmen der Beweiswürdigung zu dem Schluss gelangt sein, dass der Umstand der Weiterwälzung des kartellbedingten Preisaufschlages unaufklärbar ist und deshalb nach der Verteilung der objektiven Beweislast entschieden werden muss.588 Hierbei ist umstritten, welcher Umstand bei einem Urteil infolge eines non-liquet an der Interventionswirkung teilnimmt.589 Nach überzeugender Ansicht soll sich diese lediglich auf die Feststellung der Unklärbarkeit der zu beweisenden Tatsache beziehen. Welche Wirkung dies für den Folgeprozess hat, hängt von der Verteilung der Beweislast in ebendiesem ab.590
582 Unzutreffend wäre es allerdings, stattdessen nach der Verteilung der objektiven Beweislast zu entscheiden. So aber Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 73; FK/ W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 62. Vgl. schon oben S. 108. 583 Vgl. nur LG Dortmund Urt. v. 27.6.2018 – 8 O 13/17, juris-Rn. 122 ff. – LKW-Kartell (juris). 584 LG Dortmund Urt. v. 21.12.2016 – 8 O 90/14 (Kart), juris-Rn. 132 ff. – Schienenkartell (juris); LG Dortmund Urt. v. 28.6.2017 – 8 O 25/16, juris-Rn. 96 ff. – Schienenkartell (juris); LG Hannover Urt. v. 18.12.2017 – 18 O 8/17, juris-Rn. 99 ff. – LKW-Kartell Göttingen (juris); LG Dortmund Urt. v. 27.6.2018 – 8 O 13/17, juris-Rn. 111 ff. – LKW-Kartell (juris). 585 Zur Versagung der Vorteilsausgleichung vgl. schon S. 82 ff.; zur Kritik an den Voraussetzungen (Wettbewerb und Kongruenz bzw. Stoffgleichheit), die für eine Bejahung der Tauglichkeit des Anschlussmarktes teilweise als erforderlich erachtet werden, Maier-Rigaud/ Heller/Hanspach, WuW 2019, 561, 567 f.; vgl. zur Kritik an dem Erfordernis des durch Wettbewerb gekennzeichneten Anschlussmarktes auch Monopolkommission, Hauptgutachten XXII, Rn. 885 ff. 586 So bspw. LG Dortmund Urt. v. 27.6.2018 – 8 O 13/17, juris-Rn. 121 u. 126 – LKWKartell (juris). 587 Hierauf deuten bspw. die Entscheidungen des OLG Karlsruhe Urt. v. 9.11.2016 – 6 U 204/15 Kart (2), juris-Rn. 70 f. – Grauzementkartell (juris); LG Hannover Urt. v. 5.7.2016 – 18 O 405/14, juris-Rn. 81 f. – Schienenkartell (juris) hin. 588 Vgl. zur nachfolgenden Argumentation in Teilen bereits die Ausführungen bei Inderst/ Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 394 ff. 589 Vgl. hierzu schon S. 108 f. 590 BGH, Urt. v. 9.11.1982 – VI ZR 293/79, BGHZ 85, 252, 257; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 395; Ziegert, Interventionswirkung, S. 159.
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So könnte man geneigt sein, im Folgeprozess schon bei der Betroffenheit des mittelbaren Abnehmers im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013 im haftungsbegründenden Tatbestand anzuknüpfen. Insoweit trägt der mittelbare Abnehmer die Beweislast für die das Tatbestandsmerkmal ausfüllenden Tatsachen. Bei einer Unaufklärbarkeit der Weiterwälzung des Preisaufschlages ist jedoch nicht die für die Bejahung der Betroffenheit erforderliche Möglichkeit eines Schadens des mittelbaren Abnehmers per se ausgeschlossen. Zum einen kann auch bei einer Nichtbeweisbarkeit die Möglichkeit eines Preisüberhöhungsschadens bestehen. Denn es wird gerade nicht dessen Nichtvorliegen angenommen. Man kann also annehmen, dass insoweit auch weiterhin das Bestehen eines Preisüberhöhungsschadens möglich ist, was zur Bejahung der Betroffenheit im Rahmen des haftungsbegründenden Tatbestandes genügen würde. Zum anderen schließt, sollte man die Möglichkeit eines Preisüberhöhungsschadens für unzutreffend erachten, dies nicht aus, dass die Möglichkeit eines anderweitigen Schadens besteht. So kann ein mittelbarer Abnehmer sich beispielsweise darauf berufen, dass er beim unmittelbaren Abnehmer nicht die gewünschte Menge an Ware beziehen konnte, weil dieser aufgrund der gestiegenen Preise dem Kartellanten nur weniger Ware abgenommen habe. Dadurch sei ihm ein Gewinn durch den nicht erfolgten Weiterverkauf dieser nicht gelieferten Produkte entgangen. Bei dem vom mittelbaren Abnehmer geführten Kartellschadensersatzprozess wird somit erst unter dem Gesichtspunkt der Schadensentstehung im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestandes die Unaufklärbarkeit der Abwälzung des Preisaufschlages tatsächlich relevant.591 Die Beweislast für die Abwälzung des kartellbedingten Preisaufschlages liegt insoweit beim mittelbaren Abnehmer.592 „Ist er [der Streitverkündungsgegner] im Folgeprozeß beweispflichtig, dann ist es nicht unbillig, ihm entgegenzuhalten, daß er den Beweis schon im Ausgangsverfahren als Streithelfer hätte führen können, sofern er nicht ausnahmsweise durch die Verfahrenslage oder die Entscheidung der Hauptpartei daran gehindert war.“593
Die Unaufklärbarkeit der kartellbedingten Weitergabe der Preiserhöhung steht damit bindend zu Lasten des mittelbaren Abnehmers fest.594 Insoweit könnte man allerdings die Frage aufwerfen, ob es in dieser Konstellation nicht bereits an einem, dem Erst- und Folgeprozess zugrundeliegenden, identischen Sachverhalt (die Interventionswirkung ist auf solche beschränkt)595 fehlt. Denn im Rahmen der Vorteilsausgleichung im Vorprozess wird die Frage aufgeworfen, ob ein 591 So im Ergebnis auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 396, allerdings ohne diese Einordnung zu problematisieren. 592 Vgl. schon S. 100 f. 593 BGH, Urt. v. 9.11.1982 – VI ZR 293/79, BGHZ 85, 252, 257. Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 395 f. 594 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 396. 595 Diedrich, Die Interventionswirkung, S. 129 f.; MüKoZPO/Schultes, § 68 Rn. 15; Ziegert, Interventionswirkung, S. 143 ff.; a. A. Martens, ZZP 85 (1972), 77, 92 ff.
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beim unmittelbaren Abnehmer eingetretener Vorteil daher rührt, dass er den kartellbedingten Preisaufschlag auf seine eigenen (mittelbaren) Abnehmer abgewälzt hat. Es werden also sämtliche Weiterveräußerungsgeschäfte des unmittelbaren Abnehmers in den Blick genommen.596 Im Rahmen der Schadensermittlung im Folgeprozess des einzelnen mittelbaren Abnehmers hingegen wird die Sicht auf die einzelne Weiterveräußerungskette gelenkt. Dies stellt somit nur einen Ausschnitt desjenigen Sachverhalts dar, der für den Erstprozess von Relevanz ist. Indes darf das Kriterium des „identischen“ Sachverhaltes in dieser konkreten Konstellation nicht überstrapaziert werden. Der Sachverhalt ist insoweit übereinstimmend, als das Ergebnis des Vorprozesses (Nichtbeweisbarkeit der Weitergabe des kartellbedingten Preisaufschlages vom unmittelbaren Abnehmer an seine eigenen Abnehmer) impliziert, dass wennschon die Abwälzung generell für sämtliche Weiterveräußerungsvorgänge nicht festgestellt werden kann, eine solche Unaufklärbarkeit auch für den einzelnen hiervon umfassten Bezugsvorgang des konkreten mittelbaren Abnehmers vorliegt. Denn andernfalls hätte das Gericht des Erstprozesses auch nur eine teilweise Weiterwälzung bejahen können. Wird also eine entsprechende Aussage zur Abwälzung im rechtskräftigen Urteil597 des Vorprozesses getroffen, so ist dies grundsätzlich für den Folgeprozess bindend und verhindert insoweit eine Mehrfachhaftung des Kartellanten. 2. Vorprozess des mittelbaren Abnehmers und Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers Abweichend zur Erstgenannten kommt ebenfalls die umgekehrte Fallkonstellation in Betracht, in der der mittelbare Abnehmer zunächst klageweise seinen etwaigen Schadensersatzanspruch verfolgt. Im Prozess verkündet der beklagte Kartellteilnehmer nunmehr dem unmittelbaren Abnehmer den Streit. Auch in dieser Situation soll die Streitverkündung nach Ansicht des BGH den Kartellanten vor einer etwaigen doppelten Inanspruchnahme bewahren.598 a) Vorprozess des mittelbaren Abnehmers Will der beklagte Kartellteilnehmer nicht dem mittelbaren Abnehmer, sondern seinen eigenen (unmittelbaren) Abnehmern den Streit verkünden, so dürfte dies 596
Vgl. schon S. 123. Ein grundsätzlich für die Interventionswirkung ausreichendes Grundurteil (vgl. nur RG Urt. v. 4.1.1929 – VII 296/28, RGZ 123, 95, 97; Zöller/Althammer, § 68 ZPO Rn. 4) genügt in derartigen Fallkonstellationen nicht, sofern die Entscheidung über die Vorteilsausgleichung dem Betragsverfahren vorbehalten geblieben ist (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 22.8.2018 – VI-U (Kart) 1/17, juris-Rn. 138 – Schienenkartell (juris) hinsichtlich der Zuordnung zum Verfahren bis zum Erlass des Zwischenurteils bzw. zum Betragsverfahren). 598 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 73 – ORWI. 597
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regelmäßig nicht daran scheitern, dass dieser keine Kenntnis von der Person des unmittelbaren Abnehmers hat. Denn seine eigenen Vertragspartner wird der Kartellteilnehmer gewöhnlich kennen, zumal es sich bei diesen nicht um (End-)Verbraucher handeln dürfte, wenn mit dem Kläger ein mittelbarer Abnehmer in Erscheinung tritt.599 Allerdings kann insoweit eine Vielzahl unmittelbarer Abnehmer existieren, was wiederum eine gleichgelagerte Problematik wie bei der Streitverkündung gegenüber den mittelbaren Abnehmern hervorrufen kann. Vor dem Hintergrund, dass es sich in einer solchen Konstellation nicht um Verbraucher handeln dürfte, erscheint es, ebenso wie in der umgekehrten Situation, unwahrscheinlich, dass potentielle Kläger erst durch die Streitverkündung Kenntnis von ihrer potentiellen Anspruchsberechtigung erlangen.600 Von Relevanz für den zu führenden Erstprozess ist im Kontext der Streitverkündung, neben den hierdurch aufgeworfenen faktischen Problemen, die Informationsbeschaffung von Seiten des Streitverkündungsgegners. Anders als bei dem vom unmittelbaren Abnehmer geführten Prozess ist im Verfahren des mittelbaren Abnehmers ein Zusammenspiel zwischen einer Informationserlangung von Seiten des Streitverkündungsgegners und einer etwaigen sekundären Darlegungslast des klagenden Abnehmers nicht denkbar.601 Denn insoweit liegt für die Weitergabe des kartellbedingten Preisaufschlages vom unmittelbaren an den mittelbaren Abnehmer bei letzterem die primäre (konkrete) Behauptungslast und damit nicht beim streitverkündenden Kartellanten.602 Abweichendes kann nur gelten, sofern der beklagte Kartellant geltend macht, dass der mittelbare Abnehmer den kartellbedingten Preisaufschlag auf seine eigenen Abnehmer abgewälzt hat, sich also auch in dieser Konstellation auf die Vorteilsausgleichung beruft. Entsprechend müsste er dann den Abnehmern der mittelbaren Abnehmer erster Stufe (mittelbare Abnehmer der zweiten Stufe) den Streit verkünden. Insofern dürften ähnlichen Überlegungen wie beim Prozess des unmittelbaren Abnehmers anzustellen sein.603
599
Vgl. Kirchhoff, WuW 2012, 927, 932; Oesterreich, BB 2017, 1865, 1872 und die Überlegungen zur Streitverkündung gegenüber dem mittelbaren Abnehmer oben auf S. 109 ff. Vgl. darüber hinaus Hoffmann, NZKart 2016, 9, 12: „Unproblematisch ist insoweit nur die Streitverkündung an die Zwischenabnehmer bei der Klage eines mittelbaren Abnehmers, da dieser schon zum Nachweis seiner Anspruchsberechtigung in der Regel die Lieferkette offenlegen muss.“ 600 Vgl. schon die Ausführungen auf S. 111. 601 Vgl. insoweit schon S. 120 ff. 602 Ähnlich Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 53. 603 Vgl. insoweit auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 350 Fn. 1324; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 152 (jeweils zum neuen Recht).
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Hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bestehen im Vergleich zum Prozess des unmittelbaren Abnehmers grundsätzlichen keine Abweichungen.604 Wie diesem obliegt es dem mittelbaren Abnehmer, die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen. Hierzu zählen im Rahmen des haftungsbegründenden Tatbestandes insbesondere die die Betroffenheit im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013 ausfüllenden Tatsachen.605 Insoweit ist der Nachweis erforderlich, dass es sich bei dem Kläger um einen mittelbaren Abnehmer handelt. Dieser muss Waren oder Dienstleistungen (die Gegenstand der Kartellgrundabsprachen waren) von einem unmittelbaren Abnehmer bezogen haben, der diese seinerseits im zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich des Kartells erworben hat. Es gilt das Beweismaß des § 286 I ZPO. Schwieriger als der Nachweis der Betroffenheit dürfte sich für den mittelbaren Abnehmer der Beweis bzw. auch schon das substantiierte Behaupten der Elemente des haftungsausfüllenden Tatbestandes erweisen. Zwar gilt insoweit nur der abgesenkte Beweismaßstab des § 287 I 1 ZPO. Allerdings summieren sich im haftungsausfüllenden Tatbestand die vom mittelbaren Abnehmer zu erbringenden Nachweise. So muss er einerseits eine kartellbedingte Preiserhöhung auf der Stufe seines Lieferanten (unmittelbarer Abnehmer des Kartellteilnehmers) nachweisen und andererseits den Beweis für die Abwälzung ebendieses Preisaufschlages führen.606 Im Unterschied zum Schadensersatzprozess des unmittelbaren Abnehmers ist die Weiterwälzung als Element der Schadensentstehung bereits Teil der anspruchsbegründenden Tatsachen.607 Dem beklagten Kartellteilnehmer obliegt es somit nur, den Gegenbeweis zu führen.608 Sofern dem Kläger aufgrund der Komplexität des Sachverhaltes nicht einmal ein substantiiertes Behaupten der Abwälzung möglich ist, könnte sich gegebenenfalls eine sekundäre Behauptungslast des Kartellanten, angelehnt an Überlegungen zu einer solchen des klagenden unmittelbaren Abnehmers in dem von diesem geführten Schadensersatzprozess, als nützlich erweisen. Derartige Gedankengänge müssen jedoch daran scheitern, dass für die Annahme einer solchen sekundären Darlegungslast die nicht primär darlegungspflichtige Partei die erforderlichen Kenntnisse haben muss. Im Hinblick auf eine etwaige Weitergabe des kartellbedingten Preisaufschlages durch den unmittelbaren Abnehmer hat der Kartellteilnehmer jedoch
604
Vgl. zum Folgenden schon S. 113 ff. Vgl. zu den Einzelheiten der Betroffenheit des mittelbaren Abnehmers S. 98 ff. 606 Vgl. hierzu sowie zu einer denkbaren Beweiserleichterung in Form eines Anscheinsbeweises S. 100 ff. 607 Vgl. auch LG Dortmund Urt. v. 27.6.2018 – 8 O 13/17 (Kart), juris-Rn. 89 f. – LKWKartell (juris); Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 325; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 52. 608 Vgl. allgemein zum Gegenbeweis nur Jäckel, Beweisrecht, Rn. 199. 605
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keinen besseren Informationszugang vorzuweisen als der mittelbare Abnehmer. Eine derartige Auskunft dürfte allein dem unmittelbaren Abnehmer möglich sein.609 Was der unmittelbare Abnehmer im Prozess vortragen darf (sofern er denn die Informationen hat), hängt davon ab, welcher Partei er beitritt (vgl. § 67 Hs. 2 ZPO).610 Tritt der unmittelbare Abnehmer nach erfolgter Streitverkündung durch den Kartellanten nicht diesem, sondern auf Seiten des mittelbaren Abnehmers dem Rechtsstreit bei, so kann er den mittelbaren Abnehmer hinsichtlich der Darlegung und des Beweises der tatsächlichen Voraussetzungen der Betroffenheit unterstützen. Denn der unmittelbare Abnehmer verfügt insoweit (zumindest in Teilen) über die hierfür relevanten Informationen aus seiner eigenen Verbindung zum Kartellanten. Auch in Bezug auf den haftungsausfüllenden Tatbestand würde sich ein solcher Beitritt als für den klagenden mittelbaren Abnehmer hilfreich erweisen, handelt es sich doch bei dem unmittelbaren Abnehmer gerade um denjenigen, der über die Weitergabe eines (bewiesenen) kartellbedingten Preisaufschlages Auskunft geben könnte. Allerdings decken sich insoweit nicht die Interessen des klagenden mittelbaren und des beigetretenen unmittelbaren Abnehmers. Würde er dahingehend seine Hauptpartei unterstützen, so bedeutete dies, dass dieser abgewälzte Preisaufschlag(-steil) zumindest nicht bei ihm selbst als Preisüberhöhungsschaden verblieben sein kann.611 Die Interessen von unmittelbarem und mittelbarem Abnehmer sind nur insofern gleichgerichtet, als beide einen Nachweis der kartellbedingten Preiserhöhung auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers anstreben. Bejaht das Gericht diese, so ist dies für den Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers jedoch grundsätzlich nicht bindend.612 Da ein Beitritt des unmittelbaren auf Seiten des mittelbaren Abnehmers für Erstgenannten somit wenig vorteilhaft ist, ist eine derartige Beitrittsentscheidung wohl nicht zu erwarten. Aber auch bei einem Beitritt auf Seiten des Kartellanten ist ein Gleichklang der Interessen nicht gerade augenfällig. Der Beklagte wird versuchen, den Beweis des mittelbaren Abnehmers zu entkräften bzw. „[…] die Überzeugung des Gerichts […] zu erschüttern […].“613 Denkbarer Anknüpfungspunkt erscheint, aufgrund der schwierigen Beweisführung für den mittelbaren Abnehmer, der Schaden. So könnte der Kartellant Zweifel dahingehend säen, dass schon kein kartellbedingter Preisaufschlag auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers zu verzeichnen sei. Oder er kann vortragen, dass dieser Preisaufschlag, sollte er denn entstanden sein, nicht 609 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 332 ff.; Kersting, WuW 2014, 564, 569; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 53. 610 Als Nebenintervenient darf er nur dasjenige vortragen, was auch für die Hauptpartei günstig ist. Vgl. nur Kittner, JuS 1986, 131, 134; MüKoZPO/Schultes, § 67 Rn. 13. 611 Ähnlich Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 53 f. 612 Vgl. zur Ausnahme hiervon die Ausführungen zum Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers S. 139. 613 BGH, Urt. v. 14.4.1978 – V ZR 10/77, MDR 78, 914.
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weitergewälzt wurde. Nur diesbezüglich besteht ein Berührungspunkt zum unmittelbaren Abnehmer.614 Da sich die Unterstützung des unmittelbaren Abnehmers also regelmäßig darauf beschränken wird, Zweifel an vom Kläger hinsichtlich der Weitergabe des kartellbedingten Preisaufschlages vorgebrachten Tatsachen hervorzurufen, könnte die Streitverkündung ausschließlich der Intention des Kartellanten entsprechen, für den Folgeprozess die Bindungswirkung auszulösen. b) Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers Aber auch insoweit kann die Streitverkündungslösung nicht vollständig überzeugen. In einem denkbaren Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers ist erneut die Interventionswirkung zu berücksichtigen. Relevant sind in objektiver Hinsicht alle Feststellungen tatsächlicher und Würdigungen rechtlicher Art im erstprozessualen Urteil, sofern sie für die getroffene Entscheidung tragend sind.615 Darüber hinaus müssen sie auch für die Entscheidung im Folgeprozess von Bedeutung sein.616 Anders als beim Schadensersatzanspruch des unmittelbaren Abnehmers, bei dem lediglich die Frage der Vorteilsausgleichung Berührungspunkte zu einem etwaigen Anspruch des mittelbaren Abnehmers aufweist, finden sich im umgekehrten Fall zahlreiche Bezugspunkte des Schadensersatzanspruches des mittelbaren Abnehmers zur vom Kartell direkt betroffenen Vertriebsstufe des unmittelbaren Abnehmers (namentlich im Rahmen der Betroffenheit sowie der Schadensentstehung). Diese Umstände müssen, in Bezug auf den erst anschließend geltend gemachten Schadensersatzanspruch des unmittelbaren Abnehmers vorgreifend, schon für den Anspruch des mittelbaren Abnehmers aufgeklärt werden. Insoweit könnten die tragenden Feststellungen des erstprozessualen Urteils unter verschiedenen Gesichtspunkten Auswirkung auf den im Folgeprozess vom unmittelbaren Abnehmer geltend gemachten Schadensersatzanspruch haben. Relevant sind in erster Linie indes diejenigen Feststellungen, die die Frage der Weitergabe des kartellbedingten Preisaufschlages betreffen.617 Insofern bestehen abermals drei denkbare Konstellationen.618 Es kann zunächst nicht nur dem Beklagten gelungen sein, die Überzeugung des Gerichts dahingehend zu erschüttern, dass eine Abwälzung des kartellbedingten Preisaufschlages erfolgt ist, sondern darüber hinaus kann das Gericht die Über-
614 Vgl. auch Hoffmann, NZKart 2016, 9, 13 allerdings im Kontext der Kartellschadensersatzrichtlinie. 615 Vgl. schon S. 107 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 426. 616 Vgl. nur BeckOK ZPO/Dressler, § 68 Rn. 9. 617 Vgl. auch BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 73 – ORWI. 618 Vgl. schon zum Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers S. 129 f.
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zeugung gebildet haben, dass eine solche Abwälzung gerade nicht stattgefunden hat.619 Allerdings reicht es für den vom Kartellteilnehmer zu führenden Gegenbeweis grundsätzlich schon aus, dass Zweifel an der Weiterwälzung hervorgerufen werden, so dass bei Unaufklärbarkeit des Umstandes nach der Verteilung der objektiven Beweislast entschieden werden muss.620 Diese trägt im Vorprozess der mittelbare Abnehmer,621 so dass, in der zweiten denkbaren Konstellation, ein non-liquet zu seinen Lasten geht. Damit steht die Unaufklärbarkeit der Weiterwälzung fest. In beiden Fällen würde also der Kartellant im Erstprozess obsiegen. Dennoch wäre das Bestehen einer Interventionswirkung im Folgeprozess (von Amts wegen)622 zu prüfen.623 Es stellt sich lediglich die Frage, ob das Gericht des Folgeprozesses an diese Feststellungen auch (kraft Gesetzes)624 gebunden ist, denn die Feststellungen der Erstentscheidung würden sich für den Streitverkünder im Folgeprozess als nachteilig erweisen, da ihn im Rahmen der Vorteilsausgleichung die Beweislast für die Abwälzung des Preisaufschlages durch den unmittelbaren Abnehmer treffen würde.625 Da die Interventionswirkung aber grundsätzlich nicht zuungunsten des Streitverkünders wirken soll, kann das Gericht des Folgeprozesses eine inhaltlich divergierende Feststellung treffen.626 Relevant für den Folgeprozess kann damit nur diejenige Entscheidung sein, die, für den Kartellteilnehmer im Vorprozess nachteilig, eine Abwälzung des Preisaufschlages bejaht. Dieser Umstand erweist sich für den Folgeprozess gegen den unmittelbaren Abnehmer als für den Kartellant vorteilhaft. Denn der klagende unmittelbare Abnehmer wird im Folgeprozess nicht mit der Behauptung gehört, der Vorprozess sei unrichtig entschieden worden, er habe also den kartellbedingten, von ihm selbst zunächst zu tragenden Preisaufschlag nicht auf seinen eigenen Abnehmer
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Zur entsprechenden Konstellation bei der Entscheidung zum Schadensersatzanspruch des unmittelbaren Abnehmers vgl. S. 129 f. 620 Vgl. nur allgemein Jäckel, Beweisrecht, Rn. 199. 621 S. S. 134. 622 H. M. Vgl. nur BGH, Urt. v. 4.2.1955 – I ZR 105/53, BGHZ 16, 217, 228; MüKoZPO/ Schultes, § 68 ZPO Rn. 23. 623 Vgl. BGH, Urt. v. 18.12.1961 – III ZR 181/60, BGHZ 36, 212, 215 ff.; Bischof, JurBüro 1984, 1141, 1145; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 394; Wieczorek/ Schütze/Mansel, § 68 ZPO Rn. 64. A. A. Eibner, Möglichkeiten und Grenzen der Streitverkündung, S. 69 f.; Stein/Jonas/Jacoby, § 68 ZPO Rn. 11. 624 BGH, Urt. v. 27.1.2015 – VI ZR 467/13, NJW 2015, 1824, Rn. 7. 625 Zur Interventionswirkung allgemein in der Konstellation, dass eine Feststellung für die Hauptpartei im Erstprozess günstig und im Folgeprozess ungünstig ist: Wieser, ZZP 79 (1966), 246, 288 f. Zur Verteilung der objektiven Beweislast vgl. schon oben S. 78. 626 Vgl. BGH, Urt. v. 27.1.2015 – VI ZR 467/13, NJW 2015, 1824, Rn. 7 f.; Wieser, ZZP 79 (1966), 246, 289.
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abgewälzt.627 Das Gericht des Folgeprozesses wäre an die entsprechende erstprozessuale Feststellung gebunden. Allerdings erweist sich die Interventionswirkung für den beklagten Kartellteilnehmer nicht als diejenige durchgreifende Lösung, die sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Im Erstprozess gegen den mittelbaren Abnehmer wird lediglich festgestellt, dass der Preisaufschlag auf diesen konkreten mittelbaren Abnehmer weitergewälzt worden ist. Dies bedeutet für den Folgeprozess aber nicht, dass der unmittelbare Abnehmer gehindert wäre, einen Preisüberhöhungsschaden geltend zu machen.628 Denn „[…] dem direkten Abnehmer […] [bleibt es] unbenommen vorzutragen, dass es ihm nur gelungen sei, den Preisaufschlag in diesem einen Fall abzuwälzen, während im Verhältnis zu allen anderen indirekten Abnehmern keine Abwälzung stattgefunden habe.“629 Die Abwälzung auf den zunächst klagenden mittelbaren Abnehmer stellt also nur einen Ausschnitt der im Rahmen der Vorteilsausgleichung aufkommenden Frage nach der Weiterwälzung des kartellbedingten Preisaufschlages durch den unmittelbaren Abnehmer an alle seine mittelbaren Abnehmer dar.630 Eine Übereinstimmung wäre dagegen gegeben, sofern (ausnahmsweise) nur ein mittelbarer Abnehmer existierte. Jedoch könnte der Kartellteilnehmer gegebenenfalls davon profitieren, sofern das Gericht des Erstprozesses zu der Überzeugung von einer Weiterwälzung des Preisaufschlages mithilfe der Bildung eines Anscheinsbeweises gelangt ist. Dieser könnte, wie bereits ausgeführt, dahingehend lauten, dass unmittelbare Abnehmer, sofern sie selbst einer Preiserhöhung ausgesetzt sind, typischerweise (unter bestimmten Voraussetzungen) (kartellbedingte) Preisaufschläge auf ihre Abnehmer abwälzen und dass deshalb auch im konkreten Fall von einer solchen Weiterwälzung des unmittelbaren Abnehmers (an alle seine Abnehmer) ausgegangen werden kann.631 Man könnte deshalb annehmen, dass dieser vom Erstgericht gebildete Erfahrungssatz an der Interventionswirkung teilnimmt, das Gericht des Folgeprozesses also an diesen zugunsten der Hauptpartei gebunden ist. Indes kann eine solche Bindung durch die Interventionswirkung nur bestehen, sofern es sich um die rechtliche Beurteilung eines identischen Sachverhalts handelt.632 Um einen solchen Anscheinsbeweis zu bilden, muss das zur Entscheidung berufene Gericht des Vorprozesses zunächst ergründen, ob ein solcher Erfahrungs627 Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 74; ähnlich Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 394. 628 Dies wohl fälschlicherweise annehmend Kirchhoff, WuW 2012, 927, 931. 629 Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 74. 630 Vgl. schon die Überlegungen zur umgekehrten Konstellation S. 131 f. und S. 123. 631 Vgl. schon S. 101 f. 632 Vgl. Wieczorek/Schütze/Mansel, § 68 ZPO Rn. 134; Ziegert, Interventionswirkung, S. 143 f.
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satz gebildet werden kann.633 „Für den konkreten vorgebrachten Sachverhalt muss das Gericht zunächst von sich aus erwägen [kursive Hervorhebung im Original fett hervorgehoben], ob ein Erfahrungssatz besteht, der diesen Sachvortrag erfasst (Beobachtungsgrundlage).“634 Ausgangspunkt der Überlegungen ist damit der konkrete, zur Entscheidung stehende Sachverhalt des Erstprozesses. Ausgehend hiervon muss das Gericht eruieren, ob ein Erfahrungssatz besteht, der diese Sachverhaltskonstellation erfasst.635 Der Blick wird also auf den konkreten Bezugsvorgang des einzelnen mittelbaren Abnehmers gelenkt. Für die Vorteilsausgleichung müssen jedoch sämtliche Weiterveräußerungsgeschäfte des unmittelbaren Abnehmers untersucht werden. Erneut zeigt sich, dass der Erstprozess nur einen Teil dessen abbildet. Der Sachverhalt ist insofern nicht identisch.636 Der beklagte Kartellteilnehmer kann nicht erreichen, dass eine Feststellung im erstprozessualen Urteil dahingehend, dass der unmittelbare Abnehmer den Preisaufschlag auf seine sämtlichen Abnehmer abgewälzt hat, für den Folgeprozess bindend ist. Denn zum einen wird das Gericht eine solche Feststellung (ausgenommen der gegebenenfalls erfolgenden Ausführungen zum Anscheinsbeweis) nicht treffen, da sie für den Schadensersatzanspruch des mittelbaren Abnehmers irrelevant wäre. Würde eine solche Feststellung dennoch erfolgen, so wäre sie zum anderen jedenfalls überschießend, damit nicht tragend und würde schon aus diesem Grund an der Interventionswirkung im Folgeprozess nicht teilnehmen.637 Die Interventionswirkung erweist sich damit für den streitverkündenden Kartellteilnehmer nicht in jedem Fall als zweckdienlich. Hinzu kommt folgender Umstand: In der Konstellation, in der dem mittelbaren Abnehmer der Beweis gelingt, dass der Preisaufschlag auf ihn abgewälzt wurde, setzt dies denknotwenig die Feststellung voraus, dass der kartellbedingte Preisaufschlag ursprünglich beim unmittelbaren Abnehmer vorlag, sonst hätte er diesen nicht abwälzen können.638 Diese Erwägung ist auch tragend.639 Obwohl es sich hierbei um eine Feststellung zuungunsten der streitverkündenden Hauptpartei handelt, steht dieser Umstand dennoch grundsätzlich für 633
Vgl. Jäckel, Beweisrecht, Rn. 757. Jäckel, Beweisrecht, Rn. 757. 635 Vgl. hierzu die beispielhafte Darstellung bei Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 11 f. 636 Hingegen handelt es sich um den identischen Sachverhalt bei demjenigen, der dem Erstprozess des klagenden mittelbaren Abnehmers zugrunde liegt und demjenigen, des i. R. d. Vorteilsausgleichung zu betrachtenden einzelnen Bezugsvorgangs dieses konkreten mittelbaren Abnehmers. 637 Vgl. allgemein BGH, Urt. v. 18.12.2014 – VII ZR 102/14, BGHZ 204, 12, Rn. 20; Musielak/Voit/Weth, § 68 ZPO Rn. 4; Ziegert, Interventionswirkung, S. 148 ff. 638 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 325; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 49. 639 Vgl. allgemein zur Qualifizierung als tragende Feststellung ausführlich Wieczorek/ Schütze/Mansel, § 68 ZPO Rn. 96 ff.; Ziegert, Interventionswirkung, S. 147 ff. 634
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den Folgeprozess bindend fest. Die Interventionswirkung ist nicht in dem Sinne teilbar, dass nur einzelne für die Hauptpartei günstige Feststellungen unter außer Acht lassen sämtlicher anderen Umstände, von Amts wegen zu beachten wären.640 Zusätzlich hat gerade der unmittelbare Abnehmer die Möglichkeit sich auf die Einrede des § 68 Hs. 2 Var. 2 ZPO zu berufen.641 Denn im Erstprozess war er aufgrund seines Beitritts auf Seiten des streitverkündenden Kartellteilnehmers darauf reduziert, diesen zu unterstützen,642 konnte also nichts zu der von ihm (zunächst) selbst zu tragenden kartellbedingten Preiserhöhung bei den für den Erstprozess maßgeblichen Bezügen vom Kartellanten positiv vortragen, weil er sich sonst in Widerspruch zu seiner Hauptpartei gesetzt hätte. Dem unmittelbaren Abnehmer ist es also unbenommen, im Folgeprozess zu erklären, dass der von ihm zu tragende Preisaufschlag höher war als derjenige Teil, den er auf den konkreten mittelbaren Abnehmer abgewälzt hat. 3. Fazit Ob die Streitverkündung im Ergebnis geeignet ist, sowohl zu einem faktischen Informationsgewinn im Vorprozess zu führen als auch dem Zweck der Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen durch die Interventionswirkung im Folgeprozess zu genügen, hängt von der konkreten Fallkonstellation ab. Informationen kann der Kartellant vom Streitverkündungsgegner nur erhalten, sofern er dem Prozess auf der Seite des beklagten Kartellteilnehmers beitritt. Für den Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers gilt folgendes: Handelt es sich bei dem mittelbaren Abnehmer um einen Verbraucher, so dürfte dieser zwar über weniger, zur Aufklärung des Sachverhalts beitragende, Informationen verfügen als ein unternehmerisch agierender mittelbarer Abnehmer. Jedoch werden diese regelmäßig die zu zahlenden Preise mit dem unmittelbaren Abnehmer individuell ausgehandelt haben. Es handelt sich also um eine heterogene Abnehmergruppe, was sich für den vom Kartellteilnehmer im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu erbringenden Nachweis, dass der unmittelbare Abnehmer den Preisaufschlag an sämtliche mittelbaren Abnehmer weitergegeben hat, als nachteilig erweist. In Bezug auf die Informationserlangung von Seiten des mittelbaren Abnehmers als Streitverkündungsgegner besteht ein wechselseitiger Zusammenhang zur sekundären Darlegungslast des klagenden unmittelbaren Abnehmers im Hinblick auf die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung. Es empfiehlt sich ein zweistufiges Vorgehen. In einem ersten Schritt ist die sekundäre Darlegungslast darauf zu beschränken, dass der Kläger, sofern es dem Kartellteilnehmer schon an der Kenntnis seiner potentiellen Streitverkündungsgegner mangelt, seine eigenen Ab640
Vgl. schon S. 106 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 424. Vgl. schon S. 104 f. mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 408. 642 Vgl. nur Bischof, JurBüro 1984, 1141, 1147 f.; Wieczorek/Schütze/Mansel, § 68 ZPO Rn. 152. 641
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nehmer nennt. Sofern nach erfolgter Streitverkündung der Kartellteilnehmer vom mittelbaren Abnehmer keine Informationen erhält, so müssen in einem zweiten Schritt in einer einzelfallbezogenen Zumutbarkeitsprüfung die wechselseitigen Interessen von unmittelbarem Abnehmer und Kartellanten einander gegenübergestellt werden. Im Folgeprozess des ursprünglich als Streitverkündungsgegner eingebundenen mittelbaren Abnehmers bindet die Interventionswirkung hinsichtlich der Feststellungen zur Weiterwälzung des kartellbedingten Preisaufschlages und zwar zum einen für diejenige Konstellation, in der aufgrund eines non-liquet nach der Verteilung der objektiven Beweislast entschieden werden muss. Insoweit steht die Unaufklärbarkeit der Abwälzung für den Folgeprozess zuungunsten des mittelbaren Abnehmers bindend fest. Zum anderen werden widersprüchliche Entscheidungen auch dann vermieden, sofern in der Erstentscheidung festgestellt wurde, dass keine Abwälzung des Preisaufschlages erfolgt ist.643 In der umgekehrten Fallkonstellation des Vorprozesses des mittelbaren Abnehmers besteht aufgrund der anders gelagerten Verteilung der (primären) Behauptungslast kein Zusammenspiel von Informationserlangung und sekundärer Darlegungslast. Eine denkbare Unterstützung, die der Kartellteilnehmer durch den ihm beigetretenen unmittelbaren Abnehmer (Streitverkündungsgegner) erfährt, ist auf das Hervorrufen von Zweifeln an den Behauptungen des mittelbaren Abnehmers beschränkt. Für den Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers besteht eine Bindungswirkung, sofern das Gericht des Erstprozesses die Weiterwälzung des Preisaufschlages bejaht. Diese Feststellung betrifft allerdings nur die Abwälzung auf den erstprozessual klagenden konkreten mittelbaren Abnehmer. Dem unmittelbaren Abnehmer ist es unbenommen, seinen „übrigen“ Preisüberhöhungsschaden klageweise geltend zu machen, da keine (bindende) Feststellung erfolgt, dass der Preisaufschlag durch den nunmehr Klagenden an seine sämtlichen mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde. Darüber hinaus ist der unmittelbare Abnehmer nicht gehindert vorzutragen, dass der von ihm zunächst kartellbedingt zu tragende Preisaufschlag in Bezug auf die später an den konkreten (erstprozessualen) Abnehmer weiterveräußerten Produkte höher war als derjenige Teil, den er laut dem vom mittelbaren Abnehmer erstrittenen Urteil an diesen weitergewälzt hat. Am aussichtsreichsten ist die Streitverkündungslösung des BGH damit im Hinblick auf beide denkbaren Fallkonstellationen in eingliedrigen Absatzketten. Und auch insoweit ist ihr Nutzen an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen geknüpft, auf die der beklagte Kartellant in Teilen keinen Einfluss hat (zum Beispiel die Beitrittsentscheidung des Streitverkündungsgegners). Darüber hinaus dürfte es sich 643 Da die Interventionswirkung nicht teilbar ist, steht daneben auch bindend fest, dass der kartellbedingte Preisaufschlag als Preisüberhöhungsschaden zunächst beim unmittelbaren Abnehmer entstanden ist. Dies hilft dem mittelbaren Abnehmer in den geschilderten Konstellationen jedoch nicht weiter.
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bei eingliedrigen Absatzketten in der wirtschaftlichen Praxis um einen Ausnahmefall handeln. Außerhalb dieses Anwendungsbereichs trägt die Streitverkündungslösung nur bedingt zu einer Verhinderung der Mehrfachhaftung des Kartellteilnehmers bei. Eine denkbare, und vielfach für die Tauglichkeit der Streitverkündungslösung im konkreten Fall auch zwingend erforderliche, Vielzahl von Streitverkündungsgegnern erschwert darüber hinaus die praktische Durchführung des Prozesses.644 Aufgrund der geringen „Erfolgswahrscheinlichkeit“ ist die Streitverkündungslösung damit bereits für Prozesse, die unter Zugrundelegung der Gesetzeslage vor der 9. GWB-Novelle entschieden werden, nur eingeschränkt geeignet, den angestrebten Zweck der Vermeidung einer Mehrfachhaftung des Kartellanten zu erfüllen.
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Dieser Nachteil kann auch nicht durch die Möglichkeit einer sekundären Darlegungslast des Klägers ausgeräumt werden (so aber BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 74 – ORWI), da es in einem solchen Fall an der Interventionswirkung fehlen würde (vgl. auch Lübbig/Mallmann, WRP 2012, 166, 171). Eine Mehrfachhaftung würde so nicht effektiv vermieden.
D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle in Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie Anlass für eine erneute und nunmehr neunte Novellierung des GWB bot die Kartellschadensersatzrichtlinie vom 26. November 2014.1 Diese war durch den deutschen Gesetzgeber bis zum 27. Dezember 2016 in nationales Recht umzusetzen.2 Art. 288 III AEUV bestimmt insoweit: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“ Zwar ist der einzelne Mitgliedstaat damit nicht verpflichtet, die Richtlinie wortwörtlich umzusetzen.3 Dennoch besteht bei detaillierten Richtlinien (wie, zumindest in Teilen, die Kartellschadensersatzrichtlinie)4 hinsichtlich der Formulierung der Norm kaum die Möglichkeit, tatsächlichen Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung zu nehmen.5 Für das Verständnis des nationalen Gesetzgebungsprozesses (insbesondere hinsichtlich des für eine denkbare Mehrfachhaftung verantwortlichen § 33c GWB n. F.) ist deshalb auch dessen unionsrechtlicher Hintergrund zu beleuchten.6
I. Unionsrechtlich aufgestellte Vorgaben durch die Kartellschadensersatzrichtlinie Ausgangspunkt für die Untersuchung der Vorgaben des Unionsrechts bilden dabei die zum Kartellschadensersatz ergangenen Entscheidungen des EuGH. Diese haben wesentlichen Einfluss auf den Entstehungsprozess der Kartellschadensersatzrichtlinie genommen. Insbesondere die Entscheidung Courage nahm die Europäische Kommission zum Anlass, um Überlegungen hinsichtlich einer besseren Ausge1
Vgl. RegE, BR-Drs. 606/16, S. 1. Vgl. Art. 21 I RL; RegE, BR-Drs. 606/16, S. 1. 3 EuGH, Urt. v. 20.5.1992 – C-190/90, ECLI:EU:C:1992:225, Rn. 17 – Kommission/ Niederlande; Streinz/W. Schroeder, Art. 288 AEUV Rn. 74. 4 Vgl. Müller-Graff, ZHR 179 (2015), 691 sowie die Ausführungen unten S. 155 f. und S. 158. 5 Streinz/W. Schroeder, Art. 288 AEUV Rn. 74. 6 Vgl. hinsichtlich der nachfolgenden Ausführungen auch die Darstellung der Entstehungsgeschichte der Kartellschadensersatzrichtlinie bei Kamann, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 24 Rn. 33. 2
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
staltung von Schadensersatzklagen wegen Verletzung des europäischen Wettbewerbs- bzw. Kartellrechtes anzustellen. Da diese somit Impuls für nachfolgende Veränderungen auf europäischer, wie auch auf nationaler7 Ebene waren, soll im Folgenden auf die wesentlichen Erkenntnisse aus den grundlegenden Entscheidungen des EuGH in der Rechtssache Courage sowie in der Rechtssache Manfredi eingegangen werden.8 Beide Entscheidungen betrafen die Auslegung des Primärrechtes.
1. Entscheidungen des EuGH zum kartellrechtlichen Schadensersatz: Courage und Manfredi In der Rechtssache Courage Ltd./Bernard Crehan entschied der EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG (jetzt Art. 267 AEUV) mit Urteil vom 20. September 2001 unter anderem über die Frage, ob eine der Vertragsparteien eines, gegen Art. 85 EGV (jetzt Art. 101 AEUV) verstoßenden, Vertrages berechtigt sein soll, von der anderen Partei Ersatz des aufgrund dieses Verstoßes erlittenen Schadens zu fordern und, ob somit eine dies versagende innerstaatliche Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei.9 Der EuGH entschied dazu wie folgt: „Die volle Wirksamkeit des Artikels 85 EG-Vertrag und insbesondere die praktische Wirksamkeit des in Artikel 85 Absatz 1 ausgesprochenen Verbots wären beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist. Ein solcher Schadensersatzanspruch erhöht nämlich die Durchsetzungskraft der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln […].“10
Die Ausgestaltung des (Zivil-)Verfahrens obliegt aufgrund fehlender unionsrechtlicher Regelungen den jeweiligen Mitgliedstaaten, wobei die innerstaatlichen Vorschriften dem Äquivalenz- sowie dem Effektivitätsgrundsatz genügen müssen.11 In der verbundenen Rechtssache Vincenzo Manfredi u. a./Lloyd Adriatico Assicurazioni SpA u. a., ebenfalls ein Vorabentscheidungsverfahren aus dem Jahre 2006, befasste sich der EuGH, anders als in Courage, nicht mit dem Schadensersatzanspruch der gegnerischen Vertragspartei, sondern vielmehr mit der Frage, ob Art. 81 EG (vormals Art. 85 EGV, jetzt Art. 101 AEUV) auch Dritte ermächtigt, Schadensersatz zu fordern.12 Zunächst bekräftigte der EuGH die bereits in der 7
Vgl. schon zum Einfluss auf die 7. GWB-Novelle S. 26. Vgl. im Hinblick auf die nachfolgenden Erläuterungen auch die Darstellung bei Drexl, FS Canaris, 1019, 1029 ff. 9 EuGH, Urt. v. 20.9.2001 – C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 16 f. – Courage. 10 EuGH, Urt. v. 20.9.2001 – C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 26 u. 27 – Courage. 11 EuGH, Urt. v. 20.9.2001 – C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 29 – Courage. 12 EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – C-295/04 bis C-298/04, ECLI:EU:C:2006:461, Rn. 20 (Frage 2), 21 (Frage 3) – Manfredi. 8
I. Unionsrechtlich aufgestellte Vorgaben durch die Kartellschadensersatzrichtlinie 145
Entscheidung Courage getroffenen Aussagen, darunter die „jedermann“-Rechtsprechung.13 Darüber hinaus bejahte der Gerichtshof als Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch wegen eines Verstoßes gegen Art. 81 EG das Erfordernis eines Kausalzusammenhanges zwischen ebendiesem Verstoß und dem beim Anspruchsteller entstandenen Schaden.14 Des Weiteren äußerte er sich zum Schadensumfang. Obwohl der EuGH grundsätzlich „[…] die Bestimmung der Kriterien für die Ermittlung des Umfangs des Schadensersatzes in Ermangelung einschlägiger Gemeinschaftsvorschriften [als] Aufgabe des innerstaatlichen Rechts des einzelnen Mitgliedstaats [ansieht], wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu beachten sind […]“15,
leitet der Gerichtshof „[a]us dem Effektivitätsgrundsatz und dem Recht einer jeden Person auf Ersatz des Schadens, der ihr durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder ein entsprechendes Verhalten entstanden ist [her], […] dass ein Geschädigter nicht nur Ersatz des Vermögensschadens (damnum emergens), sondern auch des entgangenen Gewinns (lucrum cessans) sowie die Zahlung von Zinsen verlangen können muss.“16
Obgleich der EuGH die Ermittlung des Umfanges des Schadensersatzes zunächst den Mitgliedstaaten aufgegeben hat, bestimmt er dessen wesentliche (Eck-)Punkte dennoch unionsrechtlich.17 Auch die Gewährung von Strafschadensersatz, welcher ebenfalls den Schadensumfang beeinflusst, widerspricht nach Auffassung des EuGH grundsätzlich nicht dem Gemeinschaftsrecht.18 Beiden Entscheidungen lassen sich damit wesentliche Anhaltspunkte dafür entnehmen, an welche Voraussetzungen der Schadensersatzanspruch bei Verletzung des unionsrechtlichen Wettbewerbsverbots aus Art. 101 AEUV nach Ansicht des EuGH zu knüpfen ist. Nicht entnehmen lässt sich den Urteilen jedoch – entgegen teilweise vertretener Ansicht –19 eine eigene unionsrechtliche (Anspruchs-)Grundlage für einen Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Wett13 EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – C-295/04 bis C-298/04, ECLI:EU:C:2006:461, Rn. 60 u. 62 – Manfredi. 14 EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – C-295/04 bis C-298/04, ECLI:EU:C:2006:461, Rn. 61 – Manfredi. 15 EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – C-295/04 bis C-298/04, ECLI:EU:C:2006:461, Rn. 92 – Manfredi. 16 EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – C-295/04 bis C-298/04, ECLI:EU:C:2006:461, Rn. 95 – Manfredi. 17 Kamann, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 24 Rn. 13 a. E. 18 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.7.2006 – C-295/04 bis C-298/04, ECLI:EU:C:2006:461, Rn. 92 ff. – Manfredi. 19 Mäsch EuR 2003, 825, 841 f.; Nowak, EuZW 2001, 717, 718; i. E. auch Keßler, WRP 2006, 1061, 1065.
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bewerbsverbot.20 Diese muss sich also weiterhin aus dem jeweiligen Recht der Mitgliedstaaten ergeben. Speziell zu der umstrittenen Frage, wer vom Kreis der potentiell Anspruchsberechtigten erfasst sein soll, nimmt der EuGH Stellung. In Courage begehrte die Partei eines wettbewerbswidrigen Vertrages Schadensersatz, wogegen in Manfredi sich der EuGH mit Ansprüchen von Kartellabnehmern/Dritten (im Ausgangsrechtsstreit klagten Versicherungsnehmer gegen an einem Kartell beteiligte Haftpflichtversicherer) zu befassen hatte. Der EuGH wählte dennoch die gleiche „jedermann“Formel und macht damit deutlich, dass diese wörtlich zu verstehen ist.21 Der EuGH fasst somit den Kreis der bei einem Verstoß gegen Art. 101 AEUV potentiell Anspruchsberechtigten bewusst weit.22 Mit den sich aus den Entscheidungsgründen ergebenden Vorstellungen des EuGH zur Ausgestaltung bzw. Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche setzte sich die Kommission in ihrem Grünbuch23 und dem sich daran anschließenden Weißbuch24 zur Thematik der „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EUWettbewerbsrechts“ auseinander. 2. Vorschläge der Kommission im Grün- und Weißbuch Das aus dem Jahre 2005 stammende Grünbuch der Kommission und das zugehörige Arbeitspapier der Kommissionsdienststelle25 legen die Umstände dar, welche die erfolgreiche Erhebung von Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EUWettbewerbsrechts hemmen und stellen verschiedene Lösungsansätze zur Diskussion. Angeregt wurde das Tätigwerden der Kommission auch durch die, von dieser selbst in Auftrag gegebene, Ashurst-Studie. Diese bescheinigte den Mitgliedstaaten eine nicht ausreichende Entwicklung ihrer Rechtssysteme auf diesem Gebiet.26 Die Frage nach der Klagebefugnis mittelbarer Abnehmer, sowie die der Zulassung der passing-on-defence der Kartellteilnehmer wurden von der Kommission als zusammengehörig betrachtet und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt, die beide Aspekte
20
So auch Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 207 ff.; Bulst, ZEuP 2008, 178, 185 f.; Lettl, ZHR 167 (2003), 473, 475 (a. E.) ff.; Lübbig, EuZW 2006, 536. 21 Vgl. Bulst, ZEuP 2008, 178, 185, 187. 22 Vgl. zur Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer ausführlich S. 28 ff. u. S. 98 ff. 23 Grünbuch der Europäischen Kommission „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ v. 19. 12. 2005, KOM(2005)672 endg., im Folgenden: Grünbuch, KOM(2005)672 endg. 24 Weißbuch, KOM(2008)165 endg. 25 Commission staff working paper, annex to the Green Paper „Damages actions for breach of the EC antitrust rules“ from 19. 12. 2005, SEC(2005)1732. 26 Ashurst, Study on the conditions of claims for damages in case of infringement of EC competition rules, S. 1.
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zu berücksichtigen versuchen.27 Schon zu diesem Zeitpunkt wurde das Problem einer möglichen Mehrfachhaftung erkannt, allerdings nur vor dem Hintergrund einer etwaigen Zulassung der Klagebefugnis mittelbarer Abnehmer, bei gleichzeitiger Versagung des Weiterwälzungseinwandes durch den Kartellanten.28 Der überwiegende Teil der aus deutscher Politik, Wirtschaft und Wissenschaft stammenden Akteure, die von der Möglichkeit Gebrauch machten, zum Grünbuch Stellung zu nehmen, sprach sich jedoch nicht für diese Option, sondern vielmehr für die Anerkennung der passing-on-defence, sowie der Klagebefugnis mittelbarer Abnehmer aus.29 Erst im sich anschließenden Weißbuch aus dem Jahre 2008 wurden die im Grünbuch zur Diskussion gestellten Vorschläge näher konkretisiert. Die Kommission bezog Stellung, welche der eingebrachten Lösungsansätze sie präferiert und führte diese inhaltlich weiter aus. So befürwortete sie die Klagebefugnis mittelbarer Abnehmer unter Bezugnahme auf die „jedermann“-Formulierung („any individual“) des EuGH in der Entscheidung Courage, sowie deren Bestätigung in dem erst nach Veröffentlichung des Grünbuchs verkündeten Manfredi-Urteil.30 Des Weiteren sprach sich die Kommission dafür aus, dem Kartellanten die Möglichkeit einzuräumen, sich auf den Einwand der Schadensweiterwälzung zu berufen.31 Daneben äußerte sich die Kommission in Bezug auf Beweiserleichterungen zugunsten mittelbarer Abnehmer, deren Beweisschwierigkeiten im Hinblick auf die Abwälzung des Preisaufschlages die Kommission mit Hilfe einer widerleglichen Vermutung abzuhelfen gedachte.32 Der Vorschlag lautete dahingehend, dass sich „[i]ndirekte Abnehmer […] auf die widerlegliche Vermutung berufen können [sollten], dass der rechtswidrige Preisaufschlag in vollem Umfang auf sie abgewälzt wurde.“33 Das Problem der sich in Bezug auf die Abwälzung des Preisaufschlages gegebenenfalls widersprechenden Entscheidungen, sofern unmittelbare und mittelbare 27 Grünbuch, KOM(2005)672 endg., S. 8 f.; Commission staff working paper, annex to the Green Paper „Damages actions for breach of the EC antitrust rules“ from 19. 12. 2005, SEC(2005)1732, Rn. 156 ff. 28 Grünbuch, KOM(2005)672 endg., S. 9 (Frage G, Option 23). 29 So etwa Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., Stellungnahme zum Grünbuch, S. 12 f.; Deutscher Industrie- und Handelskammertag, Stellungnahme zum Grünbuch, S. 5; Gesamtverband Textil + Mode, Stellungnahme zum Grünbuch, S. 4 f.; Verband der Chemischen Industrie e. V., Stellungnahme zum Grünbuch, S. 12 f.; Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V., Stellungnahme zum Grünbuch, S. 7 f. 30 Weißbuch, KOM(2008)165 endg., S. 4; Commission staff working paper accompanying the White Paper on „Damages actions for breach of the EC antitrust rules“ from 2. 4. 2008, SEC(2008) 404, Rn. 33 ff. 31 Weißbuch, KOM(2008)165 endg., S. 9. 32 Weißbuch, KOM(2008)165 endg., S. 9. 33 Weißbuch, KOM(2008)165 endg., S. 9. Insoweit äußert bereits Bulst, in: Behrens/ Hartmann-Rüppel/Herrlinger (Hrsg.), Schadensersatzklagen gegen Kartellmitglieder, 11, 25 die Überlegung, alternativ hierzu eine Regelung zu schaffen, die einen Anscheinsbeweis mit einer Beweislastumkehr verbindet.
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Abnehmer parallel oder nacheinander klagen, wurde bereits als solches identifiziert.34 Lösungsmöglichkeiten für verschiedene Konstellationen wurden im Arbeitspapier zum Weißbuch zwar diskutiert.35 Konkrete Vorgaben wurden allerdings nicht formuliert. 3. Ordentliches Gesetzgebungsverfahren zur Kartellschadensersatzrichtlinie Ausgangspunkt für das ordentliche Gesetzgebungsverfahren36 bildete der Richtlinienvorschlag37 (RL-V) der Kommission vom 11. Juni 2013, der bereits konkrete Formulierungen für einzelne Artikel enthielt. Die Kommission entschied sich für die grundsätzliche Möglichkeit des Kartellanten, sich auf den Einwand der Schadensabwälzung zu berufen (Art. 12 RL-V), die Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer (Art. 13 RL-V), sowie die Berücksichtigung von Schadensersatzklagen bzw. Urteilen durch die nationalen Gerichte bei mehreren Klägern verschiedener Vertriebsstufen (Art. 15 RL-V). Sowohl zum Einwand der Schadensabwälzung als auch zur Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer weist der Richtlinienvorschlag Besonderheiten auf. So bestimmt Art. 12 II RL-V: „Ist der Preisaufschlag an Personen auf der nächsten Vertriebsstufe weitergegeben worden, für die es rechtlich unmöglich ist, Ersatz des ihnen entstandenen Schadens zu verlangen, so kann der Beklagte den im vorstehenden Absatz genannten Einwand nicht geltend machen.“ Diese Gefahr der rechtlichen Unmöglichkeit soll in den mitgliedstaatlichen Vorschriften zur Kausalität angelegt sein.38 Zur Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer enthält der Vorschlag darüber hinaus bereits folgende Regelung (Art. 13 II RL-V): „Im Falle des Absatzes 1 [Beweislast für die Schadensabwälzung liegt beim Kläger] wird davon ausgegangen, dass der mittelbare Abnehmer den Beweis dafür, dass eine Abwälzung auf ihn stattgefunden hat, erbracht hat, wenn er nachgewiesen hat, dass a) der Beklagte eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht begangen hat, 34
S. Weißbuch, KOM(2008)165 endg., S. 9 f. Commission staff working paper accompanying the White Paper on „Damages actions for breach of the EC antitrust rules“ from 2. 4. 2008, SEC(2008) 404, Rn. 221 ff. 36 Verfahren 2013/0185/COD. Der nachfolgenden Wiedergabe des Verfahrensablaufes liegt die Darstellung des Verfahrens auf der offiziellen Website der Europäischen Union zugrunde, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/HIS/?uri=CELEX%3A32014L0104 (Stand: 17. 4. 2021). 37 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union v. 11. 6. 2013, KOM(2013)404 final. Im Folgenden: RL-V, KOM(2013)404 final. 38 Begr. RL-V, KOM(2013)404 final, S. 20. 35
I. Unionsrechtlich aufgestellte Vorgaben durch die Kartellschadensersatzrichtlinie 149 b) die Zuwiderhandlung einen Preisaufschlag für den unmittelbaren Abnehmer des Beklagten zur Folge hatte und c) er Waren oder Dienstleistungen erworben hat, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren oder die aus den Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, hervorgegangen waren oder sie enthielten. […] Dieser Absatz berührt nicht das Recht des Rechtsverletzers, den Nachweis zu erbringen, dass der Preisaufschlag nicht oder nicht vollständig an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde.“
Nach teilweisen Abänderungen des Vorschlages durch das Europäische Parlament,39 Annahme dieses Standpunktes des Europäischen Parlamentes durch den Europäischen Rat und Billigung der erfolgten Änderungen durch die Kommission wurde die Kartellschadensersatzrichtlinie am 26. November 2014 unterzeichnet. Die Veröffentlichung erfolgte am 5. Dezember 2014.40 Am 25. Dezember 2014 trat die Kartellschadensersatzrichtlinie schließlich in Kraft.41 4. Wesentliche Aspekte und inhaltliche Zielvorgaben der Richtlinie für das Recht der Mitgliedstaaten Die letztendlich in Kraft getretene Formulierung der Kartellschadensersatzrichtlinie ist damit das Ergebnis aus dem Vorschlag der Kommission und den erfolgten Abänderungen durch das Europäische Parlament. Die mit der Richtlinie verfolgten Ziele werden bereits in Art. 1 RL sichtbar. Neben der Möglichkeit für jedermann, den durch ein wettbewerbswidriges Verhalten erlittenen Schaden in jedem Mitgliedstaat („[…] gleichwertiger Schutz […]“)42 geltend zu machen, soll hierdurch der innereuropäische Wettbewerb gestärkt werden (Art. 1 I RL). Darüber hinaus sollen behördliche Maßnahmen und gerichtliche Verfahren besser aufeinander abgestimmt werden (Art. 1 II RL).43 Die für die Vermeidung einer Mehrfachhaftung maßgebenden Vorschriften finden sich insbesondere im vierten Kapitel der Richtlinie. Bei der Auslegung dieser sekundärrechtlichen Vorschriften müssen dabei stets die Besonderheiten des Unionsrechtes Berücksichtigung finden. So stimmen insbesondere die verwendeten
39 Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 17. 4. 2014, EPPE_TC1-COD(2013)0185, abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/ TC1-COD-2013-0185_DE.pdf (Stand: 17. 4. 2021). 40 ABl. 2014 L 349, 1. 41 Art. 23 RL. 42 Art. 1 I 2 RL. 43 Vgl. zur Auslegung von Art. 1 RL auch Kamann, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 24 Rn. 34 f.
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Begriffe nicht zwingend mit dem deutschen Begriffsverständnis überein.44 Aufgrund der erstrebten Rechtsangleichung sind diese vielmehr im Ausgangspunkt autonom auszulegen.45 a) Art. 13 RL: Einwendung der Abwälzung des Preisaufschlags „Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass der Beklagte in einem Verfahren über Schadensersatzklagen als Einwendung gegen einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann, dass der Kläger den sich aus der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht ergebenden Preisaufschlag ganz oder teilweise weitergegeben hat. Die Beweislast für die Weitergabe des Preisaufschlags trägt der Beklagte, der in angemessener Weise Offenlegungen von dem Kläger oder von Dritten verlangen kann.“
Ausweislich des deutschsprachigen Wortlauts des Art. 13 RL soll der Einwand des Beklagten als Einwendung ausgestaltet sein. Auch aus den anderen sprachlichen Fassungen der Richtlinie ergibt sich, dass der Beklagte sich mittels dieses Vorbringens gegen einen Anspruch verteidigen können soll. Diese Qualifizierung stimmt mit der bereits durch den BGH in ORWI vorgenommenen Einordnung des Einwandes unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung überein.46 Für die Auslegung des sekundärrechtlich verwendeten Begriffes der „Beweislast“ können insofern Art. 2 der VO (EG) Nr. 1/200347 sowie Erwägungsgrund 5 dieser VO herangezogen werden.48 Art. 2 VO (EG) Nr. 1/2003 bestimmt: „In allen einzelstaatlichen und gemeinschaftlichen Verfahren zur Anwendung der Artikel 81 und 82 des Vertrags obliegt die Beweislast für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 oder Artikel 82 des Vertrags der Partei oder der Behörde, die diesen Vorwurf erhebt. Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des Artikels 81 Absatz 3 des Vertrags vorliegen, obliegt den Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, die sich auf diese Bestimmung berufen.“ 44 Vgl. EuGH, Urt. v. 6.10.1982 – 283/81, ECLI:EU:C:1982:335, Rn. 19 – CILFIT; Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3013 Fn. 41; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 4 Rn. 49; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 4 ff. 45 Vgl. Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3013 Fn. 41; Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 6; Calliess/Ruffert/Wegener, Art. 19 EUV Rn. 13 m. w. N. zur diesbezüglichen EuGH-Rspr. 46 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 292; Kersting, WuW 2014, 564, 569. Vgl. zur Vorteilsausgleichung nach der BGH-Rechtsprechung schon oben S. 33 ff. u. S. 77 ff. 47 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1, 1. Im Folgenden: VO (EG) Nr. 1/2003. 48 Auch wenn Art. 2 VO (EG) Nr. 1/2003 nur für den Kartellverstoß (Artt. 101 u. 102 AEUV) im Kartellschadensersatzprozess gilt. Vgl. insoweit Immenga/Mestmäcker/Emmerich5, § 33 GWB Rn. 82; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 147 f. A. A. wohl Gotting, Voluntary Redress Schemes, S. 38, die Art. 2 S. 1 VO (EG) Nr. 1/2003 auf sämtliche Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches bezieht.
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Danach trägt jede Partei die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der ihr günstigen Normen.49 Dem entspricht die grundsätzliche Verteilung der (subjektiven und objektiven) Beweislast im deutschen Recht.50 Auch scheint die sekundärrechtliche Vorschrift wohl zwischen Darlegungs- und Beweislast zu trennen.51 Da die Kartellschadensersatzrichtlinie an mehreren Stellen ausdrücklich auf die VO (EG) Nr. 1/2003 Bezug nimmt, ist davon auszugehen, dass dieses grundsätzliche52 Verständnis von der „Beweislast“ auch der Richtlinie zugrunde liegt. Auch nach nationalem Recht trägt der beklagte Kartellant die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung. Allerdings überschreitet die Vorgabe der Offenlegung die, nach deutscher Rechtslage, mögliche sekundäre Darlegungslast des klagenden Abnehmers, sofern damit auf eine Offenlegung von Dokumenten abgezielt wird.53 Dieses Verständnis als Einblick in Dokumente ist allein unter Berücksichtigung des Wortlauts des Art. 13 RL nicht zwingend. Ebenso könnte der Begriff mit einer vom Kläger oder einem Dritten abzugebenden Erklärung gleichzusetzen sein. Allerdings ergibt sich mit Blick auf Art. 5 RL und die Erwägungsgründe 14 bis (insbesondere) 18, dass mit „Offenlegung“ wohl eine Einsichtnahme gemeint ist. Darüber hinaus statuiert die Richtlinie wohl eine Offenlegungspflicht des Klägers bzw. eines Dritten,54 die mit einem solchen Anspruch des Beklagten korrespondiert („[…] verlangen kann […]“)55.56 Dieser wäre als materiell-rechtlicher Anspruch grundsätzlich einklagbar.57 Die sekundäre Darlegungslast hingegen bewirkt ledig49 Vgl. Erwägungsgrund 5 des Vorschlages für eine Verordnung des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1017/68, (EWG) Nr. 2988/74, (EWG) Nr. 4056/86 und (EWG) Nr. 3975/87 („Durchführungsverordnung zu den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag“) v. 28. 9. 2000, KOM(2000)582 endg.; MüKoWettbR/Bardong/Mühle, Art. 2 VO Nr. 1/2003 Rn. 17; Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, Art. 2 VO 1/2003 Rn. 9. 50 MüKoWettbR/Bardong/Mühle, Art. 2 VO Nr. 1/2003 Rn. 17; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 148 m. w. N.; Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, Art. 2 VO 1/ 2003 Rn. 9. 51 Hierauf deuten zumindest die Formulierungen („Vorwurf erhebt“, „auf die Bestimmung berufen“) hin. Für die Darlegungslast ist auf das nationale Recht abzustellen, wobei deren Verteilung grundsätzlich derjenigen der objektiven Beweislast entspricht (vgl. Völcker, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 12 Rn. 6). 52 Vgl. Völcker, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 12 Rn. 2: „[…] Art. 2 [enthält] […] einige grundlegende Aussagen zur materiellen Beweislast […].“ 53 So auch Kersting, WuW 2014, 564, 569; Stomper, WuW 2016, 410, 412; a. A. Inderst/ Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 292. Ausführlich zur Offenlegung Kirchhoff, WuW 2015, 952 ff.; zur sekundären Darlegungslast vgl. schon oben S. 120 ff. 54 Kersting, WuW 2014, 564, 569. 55 Art. 13 S. 2 RL. 56 Kirchhoff, WuW 2015, 952, 954. 57 Vgl. auch Kirchhoff, WuW 2015, 952, 954; allgemein Pohlmann, ZPR, Rn. 265.
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lich, dass der Vortrag des primär Darlegungsbelasteten zu Lasten der nicht primär darlegungsbelasteten Partei als zugestanden gilt (§ 138 III ZPO), sofern diese nicht ausreichend substantiiert bestreitet und damit ihren „[…] Erklärungsobliegenheiten im Prozeß[…]“58 nicht nachkommt.59 Der noch im Richtlinienvorschlag vorgesehene Ausschluss der Einwendung der Abwälzung des Preisaufschlages ist in die endgültige Richtlinienfassung nicht aufgenommen worden.60 b) Art. 14 RL: Mittelbare Abnehmer „(1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass, wenn in einem Verfahren über Schadensersatzklagen das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs oder die Höhe des zuzuerkennenden Schadensersatzes davon abhängt, ob – oder inwieweit – ein Preisaufschlag an den Kläger weitergegeben wurde, unter Berücksichtigung der Geschäftspraxis, Preissteigerungen auf nachgelagerte Vertriebsstufen abzuwälzen, die Beweislast für das Vorliegen und den Umfang einer solchen Schadensabwälzung beim Kläger liegt, der in angemessener Weise Offenlegungen von dem Beklagten oder von Dritten verlangen kann. (2) In Situationen nach Absatz 1 wird davon ausgegangen, dass der mittelbare Abnehmer den Beweis dafür, dass eine Abwälzung auf den mittelbaren Abnehmer stattgefunden hat, erbracht hat, wenn der mittelbare Abnehmer nachgewiesen hat, dass a) der Beklagte eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht begangen hat, b) die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht einen Preisaufschlag für den unmittelbaren Abnehmer des Beklagten zur Folge hatte und c) der mittelbare Abnehmer Waren oder Dienstleistungen erworben hat, die Gegenstand der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht waren oder Waren oder Dienstleistungen erworben hat, die aus solchen hervorgingen oder sie enthielten. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn der Beklagte gegenüber dem Gericht glaubhaft machen kann, dass der Preisaufschlag nicht oder nicht vollständig an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde.“
Die Formulierung des Art. 14 RL entspricht größtenteils derjenigen des Art. 13 RL-V. Die Regelungen des ersten Absatzes stimmen mit der ORWI-Rechtsprechung dahingehend überein, dass der klagende mittelbare Abnehmer die Beweislast für die Weiterwälzung des Preisaufschlages trägt.61 Auch insoweit soll eine Offenlegung vom Beklagten bzw. einem Dritten verlangt werden können. Die bereits zu Art. 13 58
BGH, Urt. v. 9.11.1995 – III ZR 226/94, NJW 1996, 315, 317 (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 131, 163). 59 BGH, Urt. v. 9.11.1995 – III ZR 226/94, NJW 1996, 315, 316 f. (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 131, 163); Jäckel, Beweisrecht, Rn. 36; Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/ Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 22 Rn. 36. 60 Im Kontext des RL-V wohl noch für eine Erweiterung dieser Ausnahmeregelung argumentierend Fiedler, BB 2013, 2179, 2185. 61 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 267; Kersting, WuW 2014, 564, 569. Vgl. schon oben S. 100 ff.
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S. 2 RL aufgestellten Überlegungen lassen sich hierauf übertragen, sofern man eine sekundäre Behauptungslast des Kartellanten denn in Erwägung zieht. Entsprechend den Überlegungen zum Prozess des mittelbaren Abnehmers unter Geltung der Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle wird der beklagte Kartellteilnehmer insoweit über keine Informationen verfügen. Lediglich der unmittelbare Abnehmer dürfte über die Abwälzung des Preisaufschlages Auskunft geben können.62 Nebulöser ist die mit Absatz zwei verfolgte Intention des europäischen Gesetzgebers. Dieser könnte als gesetzliche Vermutung im Sinne des § 292 ZPO umgesetzt werden.63 Ebenso finden sich in der Richtlinie Anhaltspunkte, die auf einen Anscheinsbeweis schließen lassen.64 Zunächst ausgeklammert werden soll dabei die Problematik, ob die Normierung eines solchen im deutschen Recht überhaupt denkbar ist.65 Auch wenn in Erwägungsgrund 41 der Richtlinie die Begrifflichkeiten Anscheinsbeweis und widerlegbare Vermutung synonym gebraucht werden,66 können Anscheinsbeweis und widerlegbare gesetzliche Vermutung im deutschen Recht nicht gleichgesetzt werden.67 Während der Anscheinsbeweis die Verteilung der objektiven Beweislast nicht zu ändern vermag,68 führt die gesetzliche Vermutung zu einer Beweislastumkehr.69 Durch den Anscheinsbeweis soll die Situation der Unaufklärbarkeit eines Umstandes gerade vermieden werden, indem beispielsweise eine kausale Verknüpfung angenommen wird, weil dies den typischen Geschehensablauf darstellt.70 Die nicht beweisbelastete Partei muss den Gegenbeweis dahingehend führen, dass in dieser bestimmten Fallkonstellation die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs besteht.71 Bei einer gesetzlichen Vermutung hingegen wird „[…] ein nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehendes Tatbestandsmerkmal als im Prozeß feststehend [fin-
62
Vgl. S. 134 f. mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 609. So die Auslegung von Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 267 f.; Kersting, WuW 2014, 564, 570; Stauber/Schaper, NZKart 2014, 346, 352; wohl auch Makatsch/Mir, EuZW 2015, 7, 12. 64 In diese Richtung geht wohl die Auslegung von Lettl, WRP 2015, 537, 543; Schweitzer, NZKart 2014, 335, 338 f. Vgl. auch zu beiden Umsetzungsmöglichkeiten Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3013; Stomper, WuW 2016, 410, 412. 65 Vgl. hierzu S. 191 ff. 66 Vgl. auch Stomper, WuW 2016, 410, 412. 67 Vgl. zum Verhältnis von Anscheinsbeweis und tatsächlicher Vermutung schon S. 68 ff. 68 H. M. Vgl. nur Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 6 u. 33. 69 MüKoZPO/Prütting, § 292 Rn. 28. 70 Vgl. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 35 u. 6; MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 53. 71 Pohlmann, ZPR, Rn. 381; MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 67. 63
154
D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
giert].“72 Insoweit kann im deutschen Recht zwischen Tatsachen- und Rechtsvermutungen differenziert werden,73 wobei viele Vermutungen einen wertenden Bestandteil aufweisen, der eine exakte Einteilung erschwert.74 Jedoch verliert eine solche Differenzierung vor dem Hintergrund der grundsätzlich gleichen Konstruktion und Wirkungsweise von Tatsachen- und Rechtsvermutungen an Gewicht.75 Die Partei, der die gesetzliche Vermutung zum Vorteil gereicht, muss nur deren Voraussetzungen darlegen und gegebenenfalls beweisen (Vermutungsbasis).76 Die andere Partei hat dann die Möglichkeit entweder den Gegenbeweis in Bezug auf die Vermutungsbasis zu führen oder den Beweis des Gegenteils hinsichtlich der Vermutungsfolge (widerlegbare Vermutung).77 Mag im Hinblick auf Art. 14 II RL dessen Umsetzung ins deutsche Recht als widerlegbare gesetzliche Vermutung auch naheliegen (da der deutsche Gesetzgeber sich dieser regelmäßig bedient, um normativ einer bestimmten Partei den Beweis zu erleichtern)78, so scheint dies dennoch nicht zwingend. Denn die Formulierung der Richtlinie lässt auch eine andere juristische Konstruktion bei der Umsetzung zu. Nach dem Wortlaut des ersten Unterabsatzes wird davon ausgegangen, dass der mittelbare Abnehmer bei einem erfolgreichen Nachweis der Voraussetzungen lit. a bis c den Beweis für eine Abwälzung des Preisaufschlages erbracht hat. Bei einer gesetzlichen Vermutung verhält es sich jedoch gerade so, „[…] dass die vermutete Tatsache oder das vermutete Recht für das Gericht nunmehr feststeht und keines Beweises bedarf.“79 Es besteht also eine Situation, in der gerade nicht angenommen wird, dass der mittelbare Abnehmer den Beweis erbracht hat.80 Der Richter muss nicht davon überzeugt sein, dass die vermutete Tatsache tatsächlich besteht.81 Der Anscheinsbeweis passt hingegen zu dieser Formulierung, da insoweit die kraft Anscheins angenommene Tatsache als bewiesen gilt,82 sofern nicht der Gegner einen entsprechenden Gegenbeweis führt.
72
Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 50. Vgl. allgemein nur MüKoZPO/Prütting, § 292 Rn. 5. 74 Vgl. Pohlmann, ZHR 164 (2000), 589, 606 für den konkreten Fall des § 19 III GWB 1998. 75 Vgl. Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, S. 93 ff.; Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß, S. 82; MüKoZPO/Prütting, § 292 Rn. 5. 76 MüKoZPO/Prütting, § 292 Rn. 22. 77 MüKoZPO/Prütting, § 292 Rn. 22 u. 25 f. 78 Vgl. nur Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 12 Rn. 5 ff. 79 MüKoZPO/Prütting, § 292 Rn. 24. 80 A. A. Stomper, WuW 2016, 410, 412. Der Wortlaut von Art. 14 II RL soll gerade eine Vermutung nahelegen. 81 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 19 Rn. 34. 82 Vgl. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 9. 73
I. Unionsrechtlich aufgestellte Vorgaben durch die Kartellschadensersatzrichtlinie 155
Zieht man die Erwägungsgründe zur Auslegung der Norm heran, so zeigt sich indes, dass Art. 14 II RL keine exakte Beobachtung dahingehend zugrunde liegt, dass ein solcher Geschehensablauf der Abwälzung typischerweise auftritt.83 Erwägungsgrund 41 führt insoweit aus: „Je nach den Bedingungen, unter denen die Unternehmen tätig sind, kann es gängige Geschäftspraxis sein, Preissteigerungen auf nachgelagerte Vertriebsstufen abzuwälzen.“ Jedoch enthält weder der Erwägungsgrund, noch Art. 14 II RL konkrete Vorgaben, welche Bedingungen dies sein sollen.84 Vielmehr scheint die Vorschrift zumindest auch von der rechtspolitischen Überlegung getragen, dass sich für den mittelbaren Abnehmer der Nachweis seines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruches „[…] als besonders schwierig erweisen kann […].“85 Dem würde durch eine Umsetzung dieses ersten Unterabsatzes als gesetzliche Vermutung eher entsprochen. Mit dem zweiten Unterabsatz bringt der europäische Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Beklagte sich gegen den ersten Unterabsatz verteidigen können muss. Eine gesetzliche Vermutung müsste demnach widerlegbar ausgestaltet sein.86 Die Richtlinie verfolgt das „[…] Ideal einer exakten Zuordnung des Preishöhenschadens […].“87 Ersatz des Schadens soll deshalb allein derjenige erhalten, der tatsächlich geschädigt ist.88 Vor diesem Hintergrund ist auch die Aufwertung der Position der mittelbaren Abnehmer zu sehen. Diese in der Praxis oftmals tatsächlich Geschädigten sollen in die Lage versetzt werden, ihren Anspruch erfolgreich (prozessual) geltend machen zu können.89 Hierfür bedarf es aber nicht zwingend der durch eine gesetzliche Vermutung bedingten Umkehr der objektiven Beweislast.90 Vielmehr bestimmt Art. 14 I RL, dass die Beweislast für das Vorliegen und den Umfang der Abwälzung des Preisaufschlages beim klagenden mittelbaren Abnehmer liegen soll, der insoweit Offenlegung verlangen kann. Eine sich in das deutsche Recht einfügende Umsetzung wird zudem durch die Detailliertheit der Regelung erschwert. Sie lässt so kaum Spielraum für eine (andersartige) Gestaltung mitgliedstaatlicher Regelungen.
83
Wobei ein Erfahrungssatz wohl keine zwingende Voraussetzung für die Bildung eines gesetzlich normierten Anscheinsbeweises sein soll. So jedenfalls zu § 292a ZPO (jetzt § 371a I 2 ZPO) die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/4987, S. 44. Vgl. zu § 33c II GWB n. F. auch Fritzsche, NZKart 2017, 630, 632 f. sowie die Ausführungen unten auf S. 191 ff. 84 Dies kritisierend Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen1, S. 268 f. 85 Erwägungsgrund 41. Vgl. auch Schweitzer, NZKart 2014, 335, 339. 86 Vgl. Kersting, WuW 2014, 564, 570. 87 Woeste, ZWeR 2018, 392, 393; vgl. auch Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33c GWB Rn. 44. 88 Fritzsche, NZKart 2017, 581, 584. 89 Vgl. auch Schweitzer, NZKart 2014, 335, 339. 90 Vgl. Thole, ZWeR 2017, 339, 352. A. A. Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, § 23 Rn. 38; wohl auch Zwade/Konrad, WuW 2020, 114, 119.
156
D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
c) Vorgaben zur Vermeidung einer Mehrfachhaftung des Kartellteilnehmers Neben diesen sehr konkreten Vorgaben finden sich in der Richtlinie an mehreren Stellen auch Ausführungen allgemeinerer Natur. Diese legen als Ziel fest, dass neben einer Unter- auch eine Überkompensation vermieden werden soll. Von Relevanz zur Verhinderung einer Überkompensation sind im Wesentlichen Art. 3 III RL, Art. 12 I, II RL und Art. 15 RL.91 Art. 3 III RL: „Der vollständige Ersatz im Rahmen dieser Richtlinie darf nicht zu Überkompensation führen, unabhängig davon, ob es sich dabei um Strafschadensersatz, Mehrfachentschädigung oder andere Arten von Schadensersatz handelt.“
Absatz drei verdeutlicht, dass bei dem Ersatz von Schäden der Kompensationsgedanke im Vordergrund steht. Dies deckt sich mit der grundsätzlichen Zweckrichtung des deutschen Schadensrechts.92 Art. 12 I, II RL: „(1) Damit das Recht auf vollständigen Schadensersatz nach Artikel 3 uneingeschränkt geltend gemacht werden kann, gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass gemäß den Vorschriften dieses Kapitels jeder Geschädigte unabhängig davon, ob er unmittelbarer oder mittelbarer Abnehmer eines Rechtsverletzers ist, Schadensersatz verlangen kann, und dass sowohl ein Schadensersatz, der den dem Kläger durch die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht entstandenen Schaden übersteigt, als auch eine Nichthaftung des Rechtsverletzers verhindert werden. (2) Zur Verhinderung von Überkompensation legen die Mitgliedstaaten Verfahrensvorschriften fest, die geeignet sind zu gewährleisten, dass der Ersatz der eingetretenen Vermögenseinbuße auf keiner Vertriebsstufe den dort erlittenen Schaden in Form des Preisaufschlags übersteigt.“
Absatz eins wiederholt erneut den Gesichtspunkt, dass sowohl unmittelbare als auch mittelbare Abnehmer anspruchsberechtigt sind, unter dem Aspekt der klageweisen Geltendmachung.93 Überkompensation und Nichthaftung gilt es zu verhindern. Absatz zwei bezieht sich auf den Preisüberhöhungsschaden als einen Teilaspekt des unter Umständen eingetretenen Gesamtschadens.94 Es wird lediglich als Ziel festlegt, dass die Mitgliedstaaten „[…] prozessuale Regeln […]“95 bereits haben oder schaffen, die verhindern, dass mehr als die tatsächlich eingetretene Vermögenseinbuße ersetzt wird. Diese Vorschriften müssen lediglich zur Erreichung dieses Ziels geeignet sein. 91
Vgl. Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 262 f. Vgl. Keßler, VuR 2015, 83 sowie die Ausführungen oben auf S. 30 u. S. 86 ff. 93 Vgl. auch Erwägungsgrund 44. 94 In Abgrenzung zum entgangenen Gewinn (Art. 12 III RL). Vgl. auch Kersting, WuW 2014, 564, 571. 95 Kersting, WuW 2014, 564, 571. 92
I. Unionsrechtlich aufgestellte Vorgaben durch die Kartellschadensersatzrichtlinie 157
Absatz zwei verdeutlicht, dass die einzelnen Vertriebsstufen bei der Frage nach einer Überkompensation autonom zu betrachten sind. Das bedeutet, dass die Vorteilsausgleichung auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers nicht mit dem Argument versagt werden kann, auf der Stufe des mittelbaren Abnehmers seien nur Bagatellschäden eingetreten, die aufgrund rationalen Desinteresses nicht geltend gemacht würden. Denn dieser Umstand vermag nichts daran zu ändern, dass es dann auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers zu einer Überkompensation kommen würde, wenn tatsächlich eine Abwälzung des Preisaufschlages stattgefunden hat.96 Art. 15 RL: „(1) Um zu verhindern, dass Schadensersatzklagen von Klägern verschiedener Vertriebsstufen zu einer mehrfachen Haftung oder fehlenden Haftung des Rechtsverletzers führen, gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die mit einer Schadensersatzklage befassten nationalen Gerichte bei der Prüfung, ob die sich aus der Anwendung der Artikel 13 und 14 ergebende Beweislastverteilung beachtet ist, mit nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht zur Verfügung stehenden Mitteln Folgendes gebührend berücksichtigen können: a) Schadensersatzklagen, die dieselbe Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht betreffen, aber von Klägern auf anderen Vertriebsstufen erhoben wurden; b) Urteile, mit denen über Schadensersatzklagen nach Buchstabe a entschieden wird; c) relevante Informationen, die infolge der öffentlichen Durchsetzung von Wettbewerbsrecht öffentlich zugänglich sind. (2) Dieser Artikel lässt die Rechte und Pflichten der nationalen Gerichte nach Artikel 30 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 unberührt.“
Die Vorschrift sieht Ausgestaltungen dahingehend vor, dass die Gerichte prozessfremde Informationen berücksichtigen können sollen.97 Nach dem Wortlaut ist das Gericht an diese nicht gebunden, sondern es muss lediglich die Möglichkeit zur Berücksichtigung durch das Gericht bestehen.98 Ob diese Informationen tatsächlich berücksichtigt werden, wäre demnach nicht relevant.99 Dem könnte die nach deutschem Recht bereits gangbare Einführung der in den Varianten des Art. 15 I RL genannten Informationen in den Prozess mittels Urkundenbeweis (regelmäßig gemäß § 432 I ZPO) genügen.100 Eine lediglich fakultative Berücksichtigung durch die Gerichte stünde jedoch in eklatantem Widerspruch zu dem, von der Richtlinie hochgehaltenen, Ziel der effektiven Vermeidung einer Mehrfachhaftung. Dementsprechend ergibt sich durch die Konkretisierung in Erwägungsgrund 44 der Richtlinie, dass 96 Diese Argumentation war allerdings schon nach früherer Rechtslage nicht durchgreifend. Vgl. schon S. 86 ff. 97 Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 263. 98 Vgl. Kersting, WuW 2014, 564, 570 f.; Stomper, WuW 2016, 410, 413. 99 Vgl. Hoffmann, NZKart 2016, 9, 10. 100 Hoffmann, NZKart 2016, 9, 10.
158
D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
„[…] eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten gemeint ist, den Beteiligten prozessuale Wege zu eröffnen, um widersprechende Entscheidungen durch Herbeiführung verbindlicher Wirkungen zwischen den Klagen zu vermeiden. Das bedeutet, dass es für die ,gebührende‘ Berücksichtigung nicht genügt, die Klagen bzw. Urteile im Rahmen der Beweiswürdigung einzubeziehen, vielmehr muss das nationale Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit eröffnen, durch Ausübung ihrer prozessualen Rechte dafür zu sorgen, dass die Gerichte einheitliche Entscheidungen treffen.“101
Als geeignete Verfahrensmittel schlägt Erwägungsgrund 44 denn auch die Verbindung von Klagen vor. Eine solche ist in § 147 ZPO bereits normiert.102 Absatz zwei des Art. 15 RL verweist insoweit auf die Möglichkeit einer konzentrierten Zuständigkeit eines Gerichts bei Verfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten.103 Darüber hinaus kämen als schon vorhandene und zumindest bedingt geeignete Verfahrensvorschriften diejenigen der Streitverkündung in Betracht.104 Ob die Vorschriften der ZPO nach den durch die Richtlinie vorgesehenen Änderungen der deutschen Gesetzeslage geeignet sind, eine Überkompensation zu vermeiden, soll im Kontext der Änderungen durch die 9. GWB-Novelle erläutert werden. Die verschiedenen Regelungen enthalten insgesamt wenig detaillierte Vorgaben, so dass es den Mitgliedstaaten obliegt, die geeigneten Mittel zu ergreifen.105 Es muss also in Bezug auf die letztlich zur Umsetzung in Kraft getretenen deutschen Normen eine (Ergebnis-)Kontrolle erfolgen, ob diese den Vorgaben der Richtlinie gerecht werden.
II. Deutsches Gesetzgebungsverfahren zur 9. GWB-Novelle: Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben in deutsches Recht Richtlinien entfalten grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung in den einzelnen Mitgliedstaaten.106 Vielmehr bedarf es ihrer Umsetzung in nationales Recht, um auch gegenüber dem Einzelnen Geltung zu beanspruchen.107 Von der Kartellschadensersatzrichtlinie angestrebt war eine solche Umsetzung bis zum 27. Dezember 2016 101
Hoffmann, NZKart 2016, 9, 11. Vgl. auch Kersting, WuW 2014, 564, 571. Nähere Überlegungen zu § 147 ZPO: Langen/ Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 68; Hoffmann, NZKart 2016, 9, 11; Kirchhoff, WuW 2012, 927, 934; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 957 f.; Monopolkommission, Hauptgutachten XXI, Rn. 138 f. sowie die Ausführungen unten auf S. 214 ff. 103 Ausführlich zur Konzentrierung der Zuständigkeit Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 263 ff. 104 Vgl. Kersting, WuW 2014, 564, 571; Lettl, WRP 2015, 537, 544. 105 In Bezug auf Art. 15 I RL Stomper, WuW 2016, 410, 413. 106 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 19.1.1982 – 8/81, ECLI:EU:C:1982:7, Rn. 21 ff. – Becker; Streinz/W. Schroeder, Art. 288 AEUV Rn. 86. 107 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 19.1.1982 – 8/81, ECLI:EU:C:1982:7, Rn. 19 – Becker; Streinz/ W. Schroeder, Art. 288 AEUV Rn. 86. 102
II. Deutsches Gesetzgebungsverfahren zur 9. GWB-Novelle
159
(Art. 21 I RL). Das 9. Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wurde jedoch erst mit „leichter“ Verspätung am 1. Juni 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet.108 Einzelne Vorschriften sind deshalb zur Wahrung der Umsetzungsfrist rückwirkend in Kraft getreten.109 Ein Umsetzungsbedarf existiert bzw. existierte nur in denjenigen Bereichen, in denen das deutsche Recht hinter den Vorgaben der Richtlinie zurückbleibt.110 Im Folgenden soll nur auf einzelne Besonderheiten im deutschen Gesetzgebungsverfahren eingegangen werden, die die Frage einer Mehrfachhaftung berühren. Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich der neu geschaffene § 33c GWB n. F. als besonders brisant. Dem Gesetzgebungsverfahren im engeren Sinne vorgelagert (und dennoch gewissermaßen den Impuls hierfür gebend)111 war der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erarbeitete Referentenentwurf vom 1. Juli 2016112. 1. Referentenentwurf Das Bundesministerium formulierte § 33c RefE GWB unter der Überschrift „Einwand der Schadensabwälzung“ wie folgt: „(1) Wird eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis bezogen (Preisaufschlag), so ist der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder Dienstleistung weiterveräußert wurde. Dem Abnehmer ist kein Schaden entstanden, soweit er einen Preisaufschlag, der durch einen Verstoß nach § 33a Absatz 1 verursacht worden ist, an seine Abnehmer (mittelbare Abnehmer) weitergegeben hat (Schadensabwälzung). Davon unberührt bleibt der Anspruch des Geschädigten auf Ersatz seines entgangenen Gewinns nach § 252 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, soweit der entgangene Gewinn durch die Weitergabe des Preisaufschlags verursacht worden ist. (2) Dem Grunde nach wird zugunsten eines mittelbaren Abnehmers vermutet, dass der Preisaufschlag auf ihn abgewälzt wurde, wenn 1. der Rechtsverletzer einen Verstoß gegen die §§ 1 oder 19 oder Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union begangen hat,
108
Neuntes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 1. 6. 2017, BGBl. I 1416. 109 Vgl. Art. 8 der 9. GWB-Novelle (BGBl. I 1416) sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, BT-Drs. 18/11446, S. 32. 110 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Nettesheim, 48. Lfg. 8.2012, Art. 288 AEUV Rn. 119; Stauber/Schaper, NZKart 2014, 346. 111 Ascheberg, Jura 2016, 1101. 112 Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (9. GWBÄndG) v. 1. 7. 2016, abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/neun te-gwb-novelle.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Stand: 17. 4. 2021). Im Folgenden: Referentenentwurf oder RefE v. 1. 7. 2016.
160
D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
2. der Verstoß einen Preisaufschlag für den unmittelbaren Abnehmer des Rechtsverletzers zur Folge hatte und 3. der mittelbare Abnehmer Waren oder Dienstleistungen erworben hat, die a) Gegenstand des Verstoßes waren, b) aus Waren oder Dienstleistungen hervorgegangen sind, die Gegenstand des Verstoßes waren, oder c) Waren oder Dienstleistungen enthalten haben, die Gegenstand des Verstoßes waren. (3) Die Vermutung einer Schadensabwälzung nach Absatz 2 kann widerlegt werden, indem Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die eine vollständige oder teilweise Schadensabwälzung auf den mittelbaren Abnehmer in diesem Fall ausschließen. (4) Die Absätze 1 bis 3 finden entsprechende Anwendung für den Fall, dass der Verstoß gegen die §§ 1 oder 19 oder Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Belieferung des Rechtsverletzers betrifft. (5) Bei der Entscheidung über den Umfang der Schadensabwälzung findet § 287 der Zivilprozessordnung entsprechende Anwendung.“
Abweichend von der in der Richtlinie vorgenommenen Differenzierung zwischen der Einwendung des Kartellanten und der Anspruchsentstehung beim mittelbaren Abnehmer fließen in § 33c RefE GWB beide Betrachtungsweisen der Abwälzung des Preisaufschlages ein.113 Ausweislich der Begründung zum Referentenentwurf soll dabei Absatz eins der Umsetzung von Art. 13 und Art. 12 I und IV RL dienen.114 Absatz eins Satz eins entspricht dabei der (bereits nach alter Rechtslage misslichen)115 Formulierung des § 33 III 2 GWB 2013.116 Diese soll verdeutlichen, dass es sich bei dem Einwand der Weiterwälzung um eine Frage der Vorteilsausgleichung und nicht der Schadensentstehung handelt.117 Teile der Formulierung werden durch den in Klammern vorgenommen Einschub „Preisaufschlag“ zu einer Legaldefinition. Der Wortlaut ist insofern ebenfalls unglücklich gewählt, da der Preisaufschlag allgemein, sowie explizit von Art. 2 Nr. 20 RL, als Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Preis und dem hypothetischen Preis ohne Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht definiert wird.118 Als Preisaufschlag wird also nicht der
113
Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3012 (zum RegE, der aber insoweit mit dem RefE übereinstimmt). 114 BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 56. 115 So wurde die Vorschrift teilweise auch als Ausschluss der Einwendung der Abwälzung des Preisaufschlages interpretiert. So etwa Fuchs, WRP 2005, 1384, 1392. Vgl. darüber hinaus (auch zur neuen Rechtslage) FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 22. 116 BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 56. 117 Vgl. schon S. 34 ff. 118 Vgl. auch (allerdings zur identischen endgültigen Gesetzesfassung) Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 152 f.; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 23.
II. Deutsches Gesetzgebungsverfahren zur 9. GWB-Novelle
161
überteuerte Preis insgesamt, sondern lediglich die Differenz aus diesen beiden Preisen bezeichnet.119 Absatz eins Satz zwei soll der Klarstellung dienen, dass die Einwendung der Abwälzung des Preisaufschlages im deutschen Recht zulässig ist.120 Allein unter diesem Gesichtspunkt wäre eine solche Umsetzung jedoch gar nicht erforderlich, da dies durch die ORWI-Entscheidung des BGH grundsätzlich für das deutsche Recht bereits geklärt war.121 Allerdings weicht der Referentenentwurf, ob bewusst oder unbewusst122, in einem ganz wesentlichen Punkt von der ORWI-Rechtsprechung ab. Nach dieser muss der Kartellant für eine erfolgreiche Vorteilsausgleichung „[…] dar[zu]tun und gegebenenfalls nach[zu]weisen, dass der Weiterwälzung keine Nachteile des Abnehmers gegenüberstehen, insbesondere kein Nachfragerückgang, durch den die Preiserhöhung (ganz oder teilweise) kompensiert worden ist.“123 Für eine intendierte Abweichung spricht der Zusammenhang mit Absatz eins Satz drei, der vorgibt, dass der Ausgleich des Preisüberhöhungsschadens durch die Abwälzung des Preisaufschlages den durch die Weiterwälzung entstandenen entgangenen Gewinn unberührt lässt.124 Denn hätte der Kartellant im Rahmen der Vorteilsausgleichung weiterhin zu beweisen, dass kein entgangener Gewinn entstanden ist, dann würde diese Einwendung des Kartellteilnehmers stets die Frage nach dem entgangenen Gewinn des Abnehmers berühren.125 Will man diese Aspekte, wie Absatz eins, voneinander trennen,126 so kann dies nur durch eine Nichtberücksichtigung des Nachfragerückgangs im Rahmen der Vorteilsausgleichung erfolgen.
119
Vgl. auch (zur endgültigen Gesetzesfassung) Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 152 f.; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 23. 120 BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 56. 121 Hierauf bezieht sich auch die BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 56. 122 Für ein eigentlich beabsichtigtes Festhalten an der ORWI-Rechtsprechung könnte der einschränkungslose Verweis auf diese in der BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 56 sprechen. So Ascheberg, Jura 2016, 1101, 1108; Petrasincu, WuW 2016, 330, 331 Fn. 15. 123 BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 69 – ORWI. Vgl. schon zur Problematik nach alter Rechtslage oben S. 89 ff. 124 Vgl. Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 151(zur endgültigen Gesetzesfassung); Stomper, WuW 2016, 410, 412. Unberücksichtigt bleibt insofern, dass ein entgangener Gewinn beim unmittelbaren Abnehmer auch dadurch verursacht werden kann, dass dieser ein Produkt vom Kartellteilnehmer aufgrund des erhöhten Preises erst gar nicht bezieht und es somit auch nicht an seine eigenen Abnehmer veräußern kann (vgl. auch oben S. 61). Diese Situation kann aus der Weitergabe des Preisaufschlages durch den unmittelbaren Abnehmer resultieren (vgl. oben S. 61 Fn. 125). Aber auch wenn dies nicht stets der Fall sein wird, zwingt dies nicht zu einer anderweitigen Auslegung des § 33c I 2 und 3 RefE GWB. 125 Vgl. (zur endgültigen Gesetzesfassung) Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 365; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 151. 126 Vgl. (zur endgültigen Gesetzesfassung) Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 365.
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
Unabhängig hiervon deckt sich nur eine solche Auslegung des Referentenentwurfs mit der Zielsetzung der Richtlinie.127 Diese bestimmt in Art. 12 III RL, dass der Ersatz für den entgangenen Gewinn infolge der Weiterwälzung von den Bestimmungen des vierten Kapitels der Richtlinie (Abwälzung des Preisaufschlags) nicht berührt wird.128 „Dann kann das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Mengenschadens nach der Richtlinie jedoch keinen Einfluss darauf haben, ob der Einwand der Schadensabwälzung greift.“129 Des Weiteren sieht Art. 13 RL keine besonderen Voraussetzungen für die Geltendmachung dieser Einwendung vor.130 Über die aufgezeigte Problematik hinaus ist auch die wörtliche Fassung des Absatzes eins Satz zwei unglücklich.131 Denn streng nach dessen Wortlaut würde die Abwälzung des Preisaufschlages entgegen der noch Satz eins zugrundeliegenden Intention des Gesetzgebers bereits die Entstehung des Schadens ausschließen und wäre nicht erst unter dem Aspekt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen.132 Die darüber hinaus vorgenommene Legaldefinition der Schadensabwälzung entspricht zwar dem juristischen Sprachgebrauch, ist aber dennoch ungenau, da nicht der Schaden an sich, sondern vielmehr nur der Preisaufschlag weitergegeben wird.133 Mit Absatz zwei hat sich das Bundesministerium wohl für eine Umsetzung von Art. 14 II RL als gesetzliche Vermutung entschieden.134 Einen solchen Schluss lässt bereits die Verwendung des Wortes „vermutet“ zu.135 Die Voraussetzungen (Vermutungsbasis) unter denen die Vermutung greifen soll, entsprechen unter leichter Modifikation denjenigen des Art. 14 II RL. Absatz zwei soll nur eine Vermutung dem Grunde nach normieren, den Umfang des abgewälzten Preisaufschlages also unberücksichtigt lassen.136 127
Vgl. Ascheberg, Jura 2016, 1101, 1108; Stomper, WuW 2016, 410, 412; zur endgültigen Gesetzesfassung Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 365; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 151; zur Richtlinie Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 38 ff.; Schweitzer, NZKart 2014, 335, 338; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 67 ff. 128 Art. 12 III RL ebenfalls als Argument heranziehend: Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 39; Schweitzer, NZKart 2014, 335, 338; Stomper, WuW 2016, 410, 412. 129 Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 39. 130 Schweitzer, NZKart 2014, 335, 338. 131 So auch Kersting/Preuß, WuW 2016, 394, 397, allerdings mit einer, von der hiesigen Argumentation, abweichenden Begründung. Mit ähnlicher Begründung Seegers, WuW 2017, 236. 132 Vgl. auch Seegers, WuW 2017, 236 sowie die Diskussion um die dogmatische Einordnung der Schadensabwälzung oben S. 34 ff. 133 Vgl. hierzu schon S. 60. 134 BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 56 f. Vgl. auch Petrasincu, WuW 2016, 330, 331; Stomper, WuW 2016, 410, 413. 135 Zur hierdurch bedingten Kennzeichnung einer gesetzlichen Vermutung vgl. allgemein Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 113 Rn. 32. 136 So ausdrücklich BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 56.
II. Deutsches Gesetzgebungsverfahren zur 9. GWB-Novelle
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In der Literatur wurde angezweifelt, ob eine solche Einschränkung mit der Richtlinie vereinbar ist.137 Die Richtlinie lässt insoweit eine eindeutige Auslegung nicht zu.138 So könnte insbesondere der Wortlaut von Art. 14 II RL (der bestimmt, dass für eine Nichtanwendung ebendieser Vorschrift eine Glaubhaftmachung dahingehend genügt, dass der Preisaufschlag nicht vollständig abgewälzt worden ist) dafür sprechen, dass zunächst die Vermutung einer vollständigen Abwälzung bestehen soll.139 Dagegen lässt sich jedoch Erwägungsgrund 41 der Richtlinie anführen, der ausdrücklich im Kontext der Vermutung/des Anscheinsbeweises bestimmt, dass der Umfang der Weiterwälzung des Preisaufschlages durch die Gerichte geschätzt werden können soll.140 Insofern ist die Umsetzung im Sinne des § 33c II RefE GWB als richtlinienkonform anzusehen. Der Umsetzung von Art. 14 II RL dient zudem Absatz drei des Referentenentwurfes.141 Nach dessen Wortlaut und der Begründung zum Referentenentwurf soll die Vermutung widerlegbar ausgestaltet sein.142 Entsprechend der Formulierung der Vorschrift soll die Vermutung einer Schadensabwälzung nach Absatz zwei widerlegt werden können, also gerade das vermutete Tatbestandsmerkmal selbst.143 Damit ist Absatz drei eigentlich als Hinweis auf die Möglichkeit des Beweises des Gegenteils zu verstehen.144 Deshalb irritiert die Begründung des Referentenentwurfs, wonach der Beweis des Gegenteils nicht erforderlich sein soll.145 Diese Unstimmigkeit lässt sich wohl auf die Übernahme des Begriffs der Glaubhaftmachung aus der Richtlinie zurückführen. Da die Verwendung dieser Begrifflichkeit einige Probleme bereithält, soll hierauf gesondert eingegangen werden.146 Absatz vier erklärt die Absätze eins bis drei in Umsetzung des Art. 12 IV RL im Fall der Schädigung des Lieferanten für entsprechend anwendbar.147 137 So zur gleichlautenden endgültigen Gesetzesfassung Kersting, VersR 2017, 581, 587; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, 115, 161 f.; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 48 ff. Ausführlich zum Meinungsstreit Thole, ZWeR 2017, 339, 345 (a. E.) ff. 138 Schweitzer, NZKart 2014, 335, 338. 139 So Kersting, VersR 2017, 581, 587; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, 115, 161; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 49. 140 So auch Galle, NZKart 2016, 214, 220; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 341 Fn. 1292; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 62; a. A. FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 49. Vgl. darüber hinaus auch Calisti/Haasbeek/Kubik, NZKart 2014, 466, 468. 141 BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 57. 142 Vgl. BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 57. 143 Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3013. 144 Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3013. 145 Vgl. BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 57. 146 Vgl. S. 186 ff. 147 BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 57.
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
Absatz fünf dient der Umsetzung von Art. 12 V RL.148 Der Umfang der Abwälzung des Preisaufschlages unterfällt dem Anwendungsbereich des § 287 ZPO. Allerdings verwundert auch diese Vorschrift. So soll § 287 ZPO nur entsprechende Anwendung finden. Dieser findet jedoch bereits nach geltender Rechtslage direkte Anwendung, da die Frage nach der Abwälzung des Preisaufschlages sowohl als Einwendung als auch als Teil der Anspruchsentstehung § 287 ZPO unterfällt.149 Die Formulierung des § 33c RefE GWB durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist insgesamt missglückt. Zwar ließ die Detailliertheit der Richtlinie an manchen Stellen wenig Spielraum für eigenständige Ausgestaltungen der Vorschrift. Aber auch an denjenigen Stellen, an denen der Referentenentwurf losgelöst von der Richtlinie formuliert, ist der Wortlaut unpräzise. Die Vorschrift ist nicht aus sich heraus verständlich, was eine Auslegung bzw. Anwendung erschwert. 2. Regierungsentwurf Die vom Bundeskabinett letztlich beschlossene und anschließend als Regierungsentwurf dem Bundesrat am 14. Oktober 2016 zugeleitete Fassung150 des § 33c GWB-E stimmt größtenteils mit § 33c RefE GWB überein. In Teilen wurden jedoch Unstimmigkeiten des Referentenentwurfes beseitigt. So trägt die Vorschrift nunmehr die Überschrift „Schadensabwälzung“. So wird deutlich, dass die Norm nicht nur Bezug auf die Einwendung des Kartellanten (so noch die Überschrift des Referentenentwurfes), sondern auch auf die Situation des mittelbaren Abnehmers nimmt.151 Des Weiteren wurde Absatz eins Satz zwei in folgende Formulierung geändert: „Der Schaden des Abnehmers ist ausgeglichen, soweit der Abnehmer einen Preisaufschlag, der durch einen Verstoß nach § 33a Absatz 1 verursacht worden ist, an seine Abnehmer (mittelbare Abnehmer) weitergegeben hat (Schadensabwälzung).“ Es stimmen nun Satz eins und Satz zwei des ersten Absatzes dahingehend überein, dass die Abwälzung des Preisaufschlages nicht bereits die Entstehung des Schadens hindert, sondern erst unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung (späterer Ausgleich des entstandenen Schadens) zu berücksichtigen ist.152 Außerdem wurde der Wortlaut des Absatzes drei neu gefasst. Dieser lautet nun: „Die Vermutung einer Schadensabwälzung nach Absatz 2 findet keine Anwendung, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Preisaufschlag nicht oder nicht vollständig an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde.“ 148
BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 57. So auch (zur gleichlautenden endgültigen Gesetzeslage) Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 346 u. 375 f. Vgl. hierzu schon oben S. 78 (Vorteilsausgleichung) und S. 100 (Anspruchsentstehung). 150 RegE, BR-Drs. 606/16. 151 Vgl. Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3012 Fn. 28. 152 Vgl. BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 58 f. sowie (im Kontext der identischen endgültigen Gesetzesfassung) Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 154 f. 149
II. Deutsches Gesetzgebungsverfahren zur 9. GWB-Novelle
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Die Abfassung ist weiterhin aufgrund der Glaubhaftmachung problematisch.153 Sie entspricht nunmehr weitestgehend dem Wortlaut des Art. 14 II RL.154 Der Wortlaut des § 33c III GWB-E zielt nach dem Verständnis des ersten Teils des Absatzes („Die Vermutung […] findet keine Anwendung, […].“) nicht mehr auf die Widerlegung der Vermutung, sondern auf die Vermutungsbasis ab, betrifft daher den Gegenbeweis.155 Anders verhält sich jedoch der zweite Teil des Absatzes. Hiernach muss glaubhaft gemacht werden, dass der Preisaufschlag nicht oder nicht vollständig weitergegeben wurde. Dies betrifft also das nach Absatz zwei vermutete Tatbestandsmerkmal der Abwälzung des Preisaufschlages und würde damit erneut auf den Beweis des Gegenteils hindeuten.156 Aufgrund der Änderung der Formulierung ist nun nicht mehr ausdrücklich normiert, dass die Vermutung widerlegbar ausgestaltet ist.157 Hier hilft jedoch § 292 S. 1 ZPO, wonach von der Widerlegbarkeit einer gesetzlichen Vermutung auszugehen ist, sofern das Gesetz nichts anderes vorschreibt.158 Festzuhalten bleibt, dass die Neuformulierung des Absatzes drei im Regierungsentwurf damit nicht zur Klärung der Problematik beigetragen hat. 3. Endgültige Gesetzesfassung und ausgebliebene Änderungen Trotz kontroversem Gesetzgebungsverfahren159 wurden an § 33c GWB-E keine Änderungen vorgenommen. Der Wortlaut des in Kraft getretenen § 33c GWB n. F. entspricht damit demjenigen des Regierungsentwurfes. Die Richtlinie und damit auch der diese umsetzende § 33c GWB n. F. intendieren eine Aufwertung der Rechte des mittelbaren Abnehmers.160 Dies wurde vielfach
153
Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3013; zur Glaubhaftmachung siehe unten S. 186 ff. Vgl. auch (zur identischen endgültigen Gesetzesfassung) Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 343 Fn. 1297. 155 So das Verständnis von Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3013, allerdings ohne die nachfolgende Problematik aufzuzeigen. 156 Weitergehend zum Problem der Einordnung des § 33c III 1 GWB n. F. S. 185 ff. 157 Vgl. auch (zur identischen endgültigen Gesetzesfassung) Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 343. 158 OVG Münster Urt. v. 14.9.1988 – 14 A 1053/85, NVwZ-RR 1989, 500; BeckOK ZPO/ Bacher, § 292 Rn. 1 u. 4. 159 Vgl. zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/ WP18/772/77250.html (Stand: 17. 4. 2021). 160 Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 151; im Kontext des RegE: Seeliger/de Crozals, ZRP 2017, 37, 38; im Kontext des RefE: Stomper, WuW 2016, 410, 413; zur RL: Bues/Fritzsche, DB 2014, 2881, 2882; Makatsch/Mir, EuZW 2015, 7, 12. 154
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
kritisiert, würde sich doch gleichzeitig die Stellung des unmittelbaren Abnehmers verschlechtern.161 Gleichzeitig gingen schon im Gesetzgebungsverfahren die Regelungen zugunsten des (mittelbaren) Abnehmers vielen nicht weit genug. Bereits in seiner Stellungnahme zum Regierungsvorschlag äußerte der Bundesrat Bedenken, ob die Regelungen ausreichen würden, um insbesondere Verbrauchern den Ersatz ihrer (Streu-) Schäden zu ermöglichen.162 Gefordert wurde deshalb die Einführung kollektiver Rechtschutzmechanismen.163 Dahingehend appellierte der Bundesrat an die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für eine Musterfeststellungsklage zu unterbreiten.164 Bestrebungen zum kollektiven Rechtsschutz hatte es bereits auf europäischer Ebene gegeben.165 Die Bundesregierung teilte zwar in ihrer Gegenäußerung die Bestrebung, dass auch Verbraucher ihre Schadensersatzansprüche klageweise geltend machen können müssten, lehnte aber eine spezielle Musterfeststellungsklage für die Geltendmachung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche ab.166 Daneben ist es ein primäres Ziel der Richtlinie, neben einer Unterkompensation auch eine Überkompensation der Abnehmer und somit eine Mehrfachhaftung des Kartellanten zu verhindern.167 Der insofern relevante Art. 15 RL hat im deutschen Recht dennoch keine ausdrückliche Umsetzung erfahren.168 Es kann nur gemutmaßt werden, dass der deutsche Gesetzgeber insofern annahm, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen genügen würden.169 Lediglich an einer Stelle in der Begründung zum Referentenentwurf, übernommen in den Regierungsentwurf170, wird, 161 So Kersting, VersR 2017, 581, 586; im Kontext des RegE: Seeliger/de Crozals, ZRP 2017, 37, 38; im Kontext des RefE: Stomper, WuW 2016, 410, 413; zur RL: Bues/Fritzsche, DB 2014, 2881, 2882; Makatsch/Mir, EuZW 2015, 7, 12. 162 Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 606/16 (Beschluss), S. 6 f. 163 Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 606/16 (Beschluss), S. 7. 164 Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 606/16 (Beschluss), S. 7. 165 Und zwar in Gestalt der Empfehlung der Kommission v. 11. 6. 2013, Gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren in den Mitgliedstaaten bei Verletzung von durch Unionsrecht garantierten Rechten, ABl. 2013 L 201, 60 und der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, „Auf dem Weg zu einem allgemeinen europäischen Rahmen für den kollektiven Rechtsschutz“, KOM(2013)401 final. Vgl. auch Makatsch/Mir, EuZW 2015, 7, 12 f. 166 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 18/10650, S. 7. 167 Vgl. schon S. 156 ff. 168 Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB, Rn. 67; Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633 a. E.; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 167; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 58. 169 Vgl. Gotting, Voluntary Redress Schemes, S. 82 Fn. 326; Oesterreich, BB 2017, 1865, 1872. Auf das Schweigen der Gesetzesbegründung weisen insofern Langen/Bunte/Bornkamm/ Tolkmitt, § 33c GWB, Rn. 67 und FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 58 hin. 170 BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 112.
III. Punktuelle Neuerung durch das GWB-Digitalisierungsgesetz
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im Kontext der Begrenzung des Kostenrisikos bei einer Nebenintervention, erwähnt, dass eine „[…] Streitverkündung gegenüber kartellgeschädigten Abnehmern nachfolgender Marktstufen in Betracht [kommt], um sich vor dem Risiko mehrfacher Inanspruchnahme zu schützen.“171 Der deutsche Gesetzgeber scheint damit auf die, schon nach alter Rechtslage nur bedingt taugliche, Streitverkündungslösung vertraut zu haben.172
III. Punktuelle Neuerung durch das GWB-Digitalisierungsgesetz (10. GWB-Novelle) Durch das (größtenteils) am 19. Januar 2021 in Kraft getretene173 GWB-Digitalisierungsgesetz ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen erneut novelliert worden. Anders als die neunte führt die nunmehr 10. GWB-Novelle jedoch nicht zu umfassenden Änderungen im Bereich des Kartellschadensersatzrechtes. Die in § 33a II 4 GWB n. F. neu eingefügte gesetzliche Vermutung für die Kartellbefangenheit ist als Antwort des Gesetzgebers auf die Entscheidung des BGH in der Rechtssache Schienenkartell (I) zu verstehen.174 Der Gesetzgeber sieht in der (durch den BGH nunmehr mehrfach bestätigten) Absage an einen Anscheinsbeweis die Gefahr, dass den Geschädigten so die Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche erschwert wird.175 Insoweit soll mit der Einfügung der gesetzlichen Vermutung für die Kartellbefangenheit gegengesteuert werden. Die Vermutung soll über den neu angefügten Verweis in § 33c III 2 GWB n. F. auch für den mittelbaren Abnehmer gelten. Bedingt dadurch wird der durch die 9. GWB-Novelle eingefügte § 33c III GWB n. F. zu § 33c III 1 GWB n. F. Welche Konsequenzen sich aus der, insbesondere durch die 9. GWB-Novelle, geänderten Gesetzeslage für die Geltendmachung eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruches des einzelnen Abnehmers sowie für die Streitverkündungslösung ergeben, soll nachfolgend erörtert werden.
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BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 103. Vgl. auch Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWBNovelle, Kap. 7, S. 167. 172 Vgl. auch Fuchs, in: Fuchs/Weitbrecht, PrivKartellRDurchs.-HdB, § 6 Rn. 135; Kersting, VersR 2017, 581, 587; Oesterreich, BB 2017, 1865, 1872. 173 Vgl. Art. 13 III des GWB-Digitalisierungsgesetzes (BGBl. I 2). Zum GWB-Digitalisierungsgesetz vgl. schon oben S. 19 f. 174 S. die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen (GWBDigitalisierungsgesetz), BT-Drs. 19/23492, S. 88 f. Im Folgenden: RegE, BT-Drs. 19/23492. 175 BegrRegE, BT-Drs. 19/23492, S. 88 f. Zur Diskussion um die Absage an den Anscheinsbeweis vgl. schon oben S. 71 ff.
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
IV. Die Modifizierung der Gesetzeslage: Inhaltliche Ausgestaltung des Kartellschadensersatzanspruches Die (insbesondere) durch die 9. Novellierung des GWB vorgenommenen Änderungen beschränken sich nicht auf die Einfügung des § 33c GWB n. F. Vielmehr hat der Schadensersatzanspruch nach dem GWB insgesamt eine Neugestaltung erfahren. Dies erfolgte materiell-rechtlich durch die §§ 33 – 33h GWB n. F., die durch die zivilprozessualen Bestimmungen in den §§ 89a – 89e GWB n. F. komplettiert werden.176 Ausweislich § 186 III 1 GWB n. F. finden §§ 33a – 33f GWB n. F. (ausgenommen ist § 33c V GWB n. F.; für diesen gilt Absatz vier) erst auf Schadensersatzansprüche Anwendung, die nach dem 26. Dezember 2016 (Ende der Umsetzungsfrist der Richtlinie) entstanden sind. „Grundsätzlich entstehen Schadensersatzansprüche, wenn der haftungsbegründende Tatbestand erfüllt und ein Schaden eingetreten ist.“177 Damit weicht § 186 GWB n. F. von der Rechtsprechung des BGH ab, wonach für einen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch dasjenige Recht Anwendung findet, das zum Zeitpunkt der „Belieferung“178 bzw. der „Auftragserteilung“179 galt.180 Da der (Preisüberhöhungs-)Schaden bereits mit Abschluss des Vertrages entstanden ist,181 dürften sich hieraus regelmäßig keine Unterschiede im Hinblick auf das anwendbare Recht ergeben. Die Anspruchsgrundlage für den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch findet sich nun in § 33a I i. V. m. § 33 I GWB n. F. i. V. m. der jeweils einschlägigen Verbotsnorm. Der Schadensersatzanspruch wurde somit aus § 33 GWB n. F. herausgelöst. Durch den Verweis (in § 33a I GWB n. F.) ist dieser Paragraph dennoch weiter zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen, unter denen Schadensersatz gewährt wird, sind gegenüber der alten Rechtslage grundsätzlich unverändert geblieben.182 Auch nach der 9. GWBNovelle ist weiterhin, angezeigt durch den Verweis des § 33a I GWB n. F. auf § 33 I GWB n. F., ein Kartellrechtsverstoß erforderlich. Bei dessen Nachweis kann weiterhin, sofern der Schadensersatzanspruch mittels Follow-on-Klage geltend gemacht 176
Klumpe/Thiede, NZKart 2017, 332. Scherzinger, NZKart 2017, 307 f.; vgl. auch Ollerdißen, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 11, S. 295. 178 So BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 13 – ORWI. 179 So BGH, Urt. v. 11.12.2018 – KZR 26/17, JZ 2019, 464, Rn. 44 – Schienenkartell, allerdings unter Bezugnahme auf die Entscheidung ORWI. 180 Vgl. auch Scherzinger, NZKart 2017, 307, 308. 181 So auch Köhler, GRUR 2004, 99, 102; Schürmann, Die Weitergabe des Kartellschadens, S. 204; wohl auch OLG Karlsruhe Urt. v. 31.7.2013 – 6 U 51/12 (Kart), juris-Rn. 43 – Feuerwehrfahrzeuge (juris). A. A. Berrisch/Burianski, WuW 2005, 878, 885 (Zeitpunkt der Zahlung). 182 Bechtold/Bosch/Bechtold/Bosch, § 33a GWB Rn. 3; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 121. 177
IV. Inhaltliche Ausgestaltung des Kartellschadensersatzanspruches
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wird, die Bindungswirkung einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung helfen, wenn es sich bei dem Beklagten um einen Adressaten der Entscheidung handelt.183 Dies ist in § 33b GWB n. F. (§ 33 IV GWB 2013) geregelt. Die Voraussetzung des Verschuldens ergibt sich aus § 33a I GWB n. F. Nach wie vor umstritten ist das Erfordernis der Betroffenheit. 1. Betroffenheit Das Merkmal der Betroffenheit wird nunmehr, wortgleich mit § 33 I 3 GWB 2013, in § 33 III GWB n. F. definiert. Da der Schadensersatzanspruch in § 33a GWB n. F. gesondert normiert worden ist, gilt § 33 GWB n. F. ausweislich seiner amtlichen Überschrift in direkter Anwendung nur noch für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche. Diese Umstrukturierung sehen manche Stimmen in der Literatur wohl mit als Beleg dafür, dass es einer Prüfung dieses Merkmals für den Schadensersatzanspruch nicht bedarf.184 Es wurde bereits aufgezeigt, dass das Kriterium Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch gemäß § 33 III 1 GWB 2005/2013 (und grundsätzlich auch für § 33a I GWB n. F.) ist.185 Auch der BGH hat sich insoweit eindeutig positioniert.186 Es soll an dieser Stelle damit lediglich der Frage nachgegangen werden, ob durch die 9. GWB-Novelle bzw. die den Anlass hierfür gebende Richtlinie eine diesbezügliche Änderung erstrebt war. Da der Wortlaut der insoweit relevanten Normen (weitestgehend)187 gleich geblieben ist, ließe sich eine Verneinung des Erfordernisses der Betroffenheit gegebenenfalls auf die (geänderte) Systematik des Gesetzes stützen. § 33a I GWB n. F. verweist nur auf § 33 I GWB n. F., der zwar zur Beseitigung bzw. Unterlassung gegenüber dem „Betroffenen“ verpflichtet, anders als noch § 33 I GWB 2013 die Definition des Betroffenen aber nicht mehr enthält (nun in § 33 III GWB n. F.).188
183 Vgl. nur Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 100 ff. und bereits die Ausführungen oben auf S. 43 mit den entsprechenden Nachweisen. 184 So wohl Otto, ZWeR 2019, 354, 375. Hierauf hinweisend, aber im Ergebnis wohl offen lassend Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 122 f. Ablehnend auch W.-H. Roth, FS Schroeder, 709; W.-H. Roth, FS K. Schmidt, 257; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 2 f. u. 24 sowie § 33 GWB Rn. 53 ff. Sich der Auffassung von Otto und W.-H. Roth anschließend Pohlmann, WRP 2020, 1242, 1245. 185 Vgl. S. 44 ff. 186 BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 25 – Schienenkartell II. 187 § 33 I 1 GWB 2013 verlangt einen Verstoß gegen eine Vorschrift dieses „Gesetzes“, § 33 I GWB n. F. einen Verstoß gegen eine Vorschrift dieses „Teils“. 188 Vgl. Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 122 f.; Otto, ZWeR 2019, 354, 357. Nach FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 2 u. § 33 GWB Rn. 55 soll § 33a I GWB n. F. nur auf die Tatbestandseite des § 33 I GWB n. F. und damit nicht auf den Betroffenen verweisen.
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
Neben dem Umstand, dass ein „[…] Verweis auf eine Definitionsnorm in demselben Gesetz […] generell nicht erforderlich […]“189 ist, können diese Bedenken mit Blick auf die Gesetzgebungsmaterialien nicht überzeugen. So handelt es sich ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung lediglich um redaktionelle Anpassungen des Gesetzes.190 Eine inhaltliche Veränderung der bestehenden Rechtslage scheint gerade nicht erstrebt worden zu sein.191 Dies war vor dem Hintergrund der Richtlinie auch nicht erforderlich. Die Richtlinie gibt in Bezug auf die Anspruchsberechtigung lediglich die „jedermann“-Rechtsprechung des EuGH wieder.192 Diese hat bereits Berücksichtigung bei der 7. Novellierung des GWB gefunden.193 Darüber hinaus behalten die zu § 33 GWB 2013 aufgestellten (teleologischen) Überlegungen weiterhin Gültigkeit. Die Betroffenheit (im Sinne des § 33 I und III GWB n. F.) ist damit weiterhin als Merkmal, das Aspekte der Anspruchsberechtigung sowie der haftungsbegründenden Kausalität vereint, Voraussetzung für den kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch.194 2. Haftungsausfüllender Tatbestand Die Voraussetzungen, die für einen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch erfüllt sein müssen, sind auch nach der 9. GWB-Novelle unabhängig von dem Umstand, ob der potentiell geschädigte Abnehmer unmittelbar oder nur mittelbar das Produkt von einem Kartellteilnehmer bezogen hat. Allerdings sind durch die Novelle Erleichterungen hinsichtlich der Darlegung und des Beweises des haftungsausfüllenden Tatbestandes eingeführt worden, die nicht für beide Abnehmergruppen gleichermaßen gelten. a) Unmittelbarer Abnehmer Dem unmittelbaren Abnehmer könnte insofern die Regelung des § 33a II 1 GWB n. F. zugutekommen. Hiernach „[…] wird widerleglich vermutet, dass ein Kartell einen Schaden verursacht.“ Die Vorschrift geht zurück auf Art. 17 II RL.195 § 33a II 2 189
Fuchs, in: Fuchs/Weitbrecht, PrivKartellRDurchs.-HdB, § 4 Rn. 8 a. E. BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 57. 191 Vgl. BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 57 („§ 33a Absatz 1 entspricht in seinem Regelungsgehalt dem bisherigen § 33 Absatz 3 Satz 1.“). 192 Vgl. Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33a GWB Rn. 18. 193 Vgl. schon S. 25 f. 194 So die wohl h. M.; vgl. nur Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33a GWB Rn. 6; Fuchs, in: Fuchs/Weitbrecht, PrivKartellRDurchs.-HdB, § 4 Rn. 8 f.; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 122; Stancke, in: Stancke/Weidenbach/Lahme, Kartellrechtliche Schadensersatzklagen1, Rn. 469 f. (a. A. nun wohl Stancke, in: Stancke/Weidenbach/ Lahme, Kartellrechtliche Schadensersatzklagen, Kap. H Rn. 29 ff.). 195 BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 57. 190
IV. Inhaltliche Ausgestaltung des Kartellschadensersatzanspruches
171
GWB n. F. definiert hieran anknüpfend den Begriff „Kartell“. Satz drei verdeutlicht die Definition durch die Nennung einiger Beispiele. Diese Regelungen finden ihre unionsrechtliche Vorlage in Art. 2 Nr. 14 RL.196 Rechtstechnisch ist § 33a II 1 GWB n. F. als widerlegbare gesetzliche Vermutung im Sinne des § 292 ZPO zu qualifizieren.197 Gemäß ihrem Wortlaut müssen Tatsachen behauptet und gegebenenfalls nachgewiesen werden, aus denen sich die Vermutungsbasis also das Vorliegen eines Kartells ergibt.198 Als Rechtsfolge wird sodann vermutet, dass dieses Kartell einen Schaden verursacht. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es hierzu: „Die Vermutung erstreckt sich auf das Bestehen eines Schadens und dessen Verursachung durch den Verstoß. Die Höhe des verursachten Schadens bleibt hingegen von der Vermutung unberührt (Erwägungsgrund 47 der Richtlinie).“199 Die Vermutung ist abstrakt formuliert.200 Es fehlt nicht nur die Nennung desjenigen, dem der Schaden entstanden sein soll, sondern darüber hinaus, welche einzelnen Schadenspositionen von der Vermutung umfasst sind.201 Es gilt damit zu klären, unter welchen Voraussetzungen die Vermutung greift und welches Tatbestandsmerkmal letztendlich vermutet wird. Die gesetzliche Vermutung bedingt, dass anstelle der Vermutungsfolge die Vermutungsbasis, das heißt das Vorliegen eines Kartells, bewiesen werden muss.202 Der bereits für die Haftungsbegründung erforderliche Kartellrechtsverstoß muss daher unter den Kartellbegriff im Sinne des § 33a II 2 GWB n. F. subsumiert werden können.203 Erleichtert wird der Nachweis (es gilt insoweit das Beweismaß des § 286 I 1 ZPO)204 dieser Voraussetzung bei Follow-on-Klagen durch die Bindungswirkung im Sinne des § 33b GWB n. F. der behördlichen bzw. gerichtlichen Entscheidung.205 196
BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 57. So die Auslegung der h. M.; vgl. nur Fritzsche, NZKart 2017, 581, 583; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 140; Ollerdißen, in: Wiedemann, HdB KartellR, § 62 Rn. 22; Thole, ZWeR 2017, 339, 343; ausführliche Diskussion bei Inderst/ Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 155 ff. Dies entspricht wohl der Intention des Gesetzgebers (vgl. nur BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 57). Einen Anscheinsbeweis annehmend Stancke, NZKart 2017, 636, 637. 198 Fritzsche, NZKart 2017, 581, 582; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 157. Vgl. allgemein MüKoZPO/Prütting, § 292 Rn. 22. 199 BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 57. 200 Otto, ZWeR 2019, 354, 389. 201 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 154 f. 202 Vgl. allgemein Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 19 Rn. 34. 203 Zu den dadurch bedingten Grenzen der Vermutung vgl. nur Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 157 f. 204 Otto, ZWeR 2019, 354, 395 f.; vgl. auch Stein/Jonas/Thole, § 292 ZPO Rn. 18. 205 Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 136; Otto, ZWeR 2019, 354, 396; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 94. 197
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
Konturloser als die Voraussetzung ist die Rechtsfolge der Vermutung. Dabei muss im Hinblick auf die subjektive Komponente der Vorschrift zwischen zwei Aspekten differenziert werden.206 Zunächst ist derjenige zu ermitteln, zu dessen Gunsten die Vermutung wirkt.207 Da der Wortlaut des § 33a II 1 GWB n. F., im Unterschied zu § 33c II GWB n. F., keinerlei Einschränkungen vorsieht, „[…] wirkt die Vermutung […] zugunsten aller (potentiell) Geschädigten und ist nicht auf bestimmte Personenkreise beschränkt.“208 Eine Einschränkung erfolgt jedoch faktisch über die bereits für den Haftungsgrund erforderliche Betroffenheit des potentiell Geschädigten, so dass nur der Betroffene von der Vermutungswirkung profitieren kann.209 Der unmittelbare Abnehmer ist hiervon unzweifelhaft erfasst. Davon zu trennen ist die Frage nach demjenigen, dem der Schaden entstanden sein soll, also die Zuordnung zu einem individuellen Vermögen.210 Die auf den ersten Blick weite Formulierung des § 33a II 1 GWB n. F. erfährt durch die Auslegung der Vorschrift eine Reduzierung ihres Anwendungsbereiches. Im Hinblick auf die Art des vermuteten Schadens deutet die Begründung zum Regierungsentwurf zur 9. GWB-Novelle darauf hin, dass nur der Eintritt eines Preisüberhöhungsschadens vermutet werden soll.211 In diese Richtung deutet auch § 33c I GWB n. F., der als Schaden lediglich diejenige Position bezeichnet, die durch die Weitergabe des Preisaufschlages ausgeglichen wird (Preisüberhöhungsschaden) und hiervon den entgangenen Gewinn (sprachlich) abgrenzt.212 Parallel zu den bereits angestellten Überlegungen zu den von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Anscheinsbeweisen, sowie der vom BGH 206
Grundlegend zur Differenzierung Otto, ZWeR 2019, 354, 389 ff. Otto, ZWeR 2019, 354, 389; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 95. 208 Otto, ZWeR 2019, 354, 389. Vgl. auch Fritzsche, NZKart 2017, 630, 632. 209 Ähnlich Fritzsche, NZKart 2017, 581, 582 u. FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 95. Allerdings lehnt W.-H. Roth für § 33a GWB die Betroffenheit i. S. d. § 33 III GWB n. F. ab und verlangt lediglich die „tatsächliche Betroffenheit“ des Anspruchsstellers. Die Ausführungen von Fritzsche beziehen sich wohl eher auf die Kartellbefangenheit. Vgl. schon oben S. 44 ff. 210 Otto, ZWeR 2019, 354, 389 ff. 211 Die BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 57 verweist für die Widerlegung der Vermutung auf die Weitergabe des Preisaufschlages. Diese Abwälzung lässt jedoch den einmal entstandenen, entgangenen Gewinn unberührt. Vgl. auch Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 135 Fn. 80. Zur Abgrenzung des Preisüberhöhungsschadens von dem entgangenen Gewinn vgl. oben S. 60 ff. 212 So im Ergebnis wohl auch Thole, ZWeR 2017, 339, 343. Für eine Erfassung weiterer Schadenspositionen sprechen sich Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 154 f.; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 135; Otto, ZWeR 2019, 354, 389; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 103 aus. Bei einem solch weitem Verständnis stellt sich jedoch anschließend die Frage, ob für eine Widerlegung der Vermutung der Nachweis erforderlich ist, dass keine der Schadensarten eingetreten ist (so etwa Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 140 f.; a. A. Fritzsche, NZKart 2017, 581, 584). Dies würde die Widerlegung wesentlich erschweren. 207
IV. Inhaltliche Ausgestaltung des Kartellschadensersatzanspruches
173
postulierten tatsächlichen Vermutung,213 stellt sich nunmehr die Frage nach der Reichweite des kausalen Elementes der gesetzlichen Vermutung des § 33a II 1 GWB n. F. Ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf zur 9. GWB-Novelle soll die Vermutung den bisherigen Anscheinsbeweis der Rechtsprechung zur preissteigernden Wirkung eines Kartells ausdrücklich „ersetzen“. Hiervon soll jedoch die Kartellbefangenheit zu trennen sein.214 Insofern wäre es treffender gewesen, wenn auch in § 33a II 1 GWB n. F. eine Preiserhöhung bzw. Verhinderung einer Preissenkung vermutet werden würde.215 Eine inhaltliche Differenzierung ist mit der unterschiedlichen Begriffsverwendung allerdings nicht verbunden.216 Die angestrebte Trennung von Preiserhöhung und Kartellbefangenheit lässt nur eine enge Auslegung der Vermutung des § 33a II 1 GWB n. F. dahingehend zu, dass vermutet wird, dass ein Kartell nur eine preissteigernde Wirkung hinsichtlich derjenigen Geschäfte hat, bei denen die Abrede umgesetzt wurde. Bei jeder anderen Auslegungsvariante würde die Kartellbefangenheit (zumindest des Bezugsvorganges des unmittelbaren Abnehmers) implizit vermutet.217 In diese Richtung deuten auch der Referentenentwurf218 sowie der Regierungsentwurf219 zur 10. GWB-Novelle. Dem Regierungsentwurf entsprechend ist mit § 33a II 4 (für den mittelbaren Abnehmer in Verbindung mit § 33c III 2) GWB n. F. 213
Vgl. schon S. 68 ff. Vgl. BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 57. Dem Regierungsentwurf liegt wohl die Auffassung zu Grunde, dass die Kartellbefangenheit (nach hiesigem Verständnis) für die Betroffenheit des Anspruchsstellers erforderlich ist. Damit wäre die Kartellbefangenheit Element des Haftungsgrundes. So wohl ebenfalls die Regierungsbegründung auslegend Stancke, NZKart 2017, 636, 638 f. 215 Damit wäre das Problem der „[…] Liquidation [nur] individuell zuzuordnender Schäden […]“ (Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 154) des § 33a II 1 GWB n. F. obsolet. 216 Hierauf deutet sowohl die Verwendung der Begrifflichkeiten in der BegrRegE, 606/16, S. 57 als auch in Erwägungsgrund 47 der RL hin. Vgl. insoweit auch Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 77. 217 S. schon oben S. 69 f. Überlegungen zur Reichweite im Kontext der RL schon bei Galle, NZKart 2016, 214, 219. 218 Vgl. § 33a V und § 33c III 2 Ref-E GWB sowie die Begründung zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 (GWB-Digitalisierungsgesetz) v. 24. 1. 2020, S. 92 ff., abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/G/gwb-digitalisierungsgesetz-referenten entwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=10 (Stand: 17. 4. 2021). Im Folgenden: Referentenentwurf bzw. RefE zur 10 GWB-Novelle v. 24. 1. 2020. Otto, ZWeR 2019, 354, 392 sieht hierin die gesetzliche Festschreibung der von ihm vertretenen impliziten Vermutung. Vgl. dazu S. 175 Fn. 229. 219 Vgl. § 33a II 4 und § 33c III 2 GWB-E sowie BegrRegE, BT-Drs. 19/23492, S. 88 ff. 214
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
am 19. Januar 2021 eine weitere widerlegbare gesetzliche Vermutung für die Kartellbefangenheit in Kraft getreten.220 Die Einfügung dieser neuen Vermutung wäre sinnlos, sofern bereits die Vermutung des § 33a II 1 GWB n. F. die Kartellbefangenheit umfasste.221 aa) Anderweitige Auslegungsmöglichkeit des § 33a II 1 GWB n. F.? Unter der dargestellten Auslegung des § 33a II 1 GWB n. F. läuft die Vermutung weitestgehend leer. Denn die Schwierigkeit für den Abnehmer, einen Zusammenhang zwischen dem abstrakten Kartellverstoß und dem konkreten, zwischen den Parteien geschlossen Rechtsgeschäft herzustellen und damit die tatsächliche Auswirkung des Kartells auf den konkreten Beschaffungsvorgang nachzuweisen, bleibt bestehen.222 Insofern wäre der Abnehmer weiterhin auf den Anscheinsbeweis bzw. die tatsächliche Vermutung der Kartellbefangenheit angewiesen.223 (1) Anwendungsbereich des § 33a II 4 GWB n. F. Nunmehr ist mit der 10. GWB-Novelle § 33a II 4 GWB n. F. (und § 33c III 2 GWB n. F.) eingefügt worden. Dieser normiert eine weitere widerlegbare gesetzliche Vermutung im Sinne des § 292 S. 1 ZPO. Zwar spricht die Begründung zum Regierungsentwurf an mehreren Stellen von der „Betroffenheit“ bzw. „Kartellbetroffenheit“.224 Gemeint ist aber eine Vermutung der Kartellbefangenheit eines Rechtsgeschäftes.225 Vom Gesetzgeber angedacht ist wohl eine Kombination der beiden Vermutungen des § 33a II GWB n. F., angelehnt an die Rechtsprechung zum doppelten Anscheinsbeweis.226 Demnach würde zunächst gemäß § 33a II 1 GWB n. F. vermutet, dass ein Kartell nur eine preissteigernde Wirkung hinsichtlich derjenigen Geschäfte hat, bei denen die Kartellabrede umgesetzt wurde. Sodann würde gemäß § 33a II 4 GWB n. F. vermutet, dass alle Rechtsgeschäfte mit den kartellbeteiligten Unternehmen, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich des Kartells fallen, von diesem erfasst waren. Allerdings besteht zwischen § 33a II 1 GWB n. F. und § 33a II 4 GWB n. F. eine gewisse Diskrepanz hinsichtlich ihres zeitlichen Anwendungsbereiches, so dass es zu Kartellschadensersatzprozessen kommen wird, in denen der klagende Abnehmer 220
Vgl. schon S. 19 f. u. S. 167. Ähnlich wohl Graef, ZJS 2020, 303, 312. 222 Vgl. auch Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3012 u. Fn. 23. 223 Vgl. Fritzsche, NZKart 2017, 581, 582; Fuchs, in: Fuchs/Weitbrecht, PrivKartellRDurchs.-HdB, § 4 Rn. 52 u. 43 ff.; Zwade/Konrad, NJW 2020, 807, 811. 224 S. BegrRegE, BT-Drs. 19/23492, S. 88 f. 225 Vgl. auch Nagel/Hillmer, DB 2021, 494, 496. 226 Graef, ZJS 2020, 303. Vgl. auch BegrRegE, BT-Drs. 19/23492, S. 88 sowie die Ausführungen oben S. 68 ff. 221
IV. Inhaltliche Ausgestaltung des Kartellschadensersatzanspruches
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durch § 33a II 1 GWB n. F. begünstigt wird, § 33a II 4 GWB n. F. aber (noch) nicht zur Anwendung gelangt. Die gesetzliche Vermutung für die Kartellbefangenheit ist erst mit Wirkung zum 19. Januar 2021 in Kraft getreten. Bereits zu diesem Zeitpunkt bestand mit § 186 III 1 GWB n. F. eine Übergangsbestimmung für § 33a und § 33c GWB n. F. Dieser § 186 III 1 GWB n. F. bestimmt, dass die §§ 33a bis 33f GWB n. F. nur auf Schadensersatzansprüche anwendbar sind, die nach dem 26. Dezember 2016 entstanden sind. Damit werden die neusten Regelungen (§ 33a II 4 und § 33c III 2 GWB n. F.) vom Wortlaut der Übergangsbestimmung umfasst. Dagegen soll ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf zur 10. GWBNovelle die Vermutung der Kartellbefangenheit erst für Schadensersatzansprüche gelten, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens (19. Januar 2021) des GWB-Digitalisierungsgesetzes entstanden sind.227 Zu § 186 III 1 GWB n. F. schweigt die Begründung zum Regierungsentwurf. Ein rückwirkendes Inkrafttreten der gesetzlichen Vermutung der Kartellbefangenheit ist damit vom Gesetzgeber wohl nicht intendiert. Die Übergangsvorschrift ist insofern hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches teleologisch zu reduzieren. Daher findet für Schadensersatzansprüche, die nach dem 26. Dezember 2016, aber vor dem 19. Januar 2021 entstanden sind, § 33a II 1 GWB n. F. aber nicht § 33a II 4 GWB n. F. Anwendung. Nachfolgend soll indes gezeigt werden, dass durch eine entsprechende Auslegung des § 33a II 1 GWB n. F. die Nachweisschwierigkeiten des Abnehmers bereits vollständig überwunden werden können, so dass es einer Einfügung von § 33a II 4 GWB n. F. schon gar nicht bedurft hätte. (2) Erfordernis einer gesonderten gesetzlichen Vermutung für die Kartellbefangenheit? Zum Teil wurde (vor allem vor dem Hintergrund des § 33c GWB n. F.)228 angenommen, dass die gesetzliche Vermutung des § 33a II 1 GWB n. F. bzw. des § 33c II GWB n. F. implizit eine Vermutung der Kartellbefangenheit des konkreten Bezugsvorgangs des unmittelbaren Abnehmers enthalte.229 Gewissermaßen als zusätzliche Voraussetzung (Vermutungsbasis) sollte der Abnehmer nachweisen, dass
227 Vgl. BegrRegE, BT-Drs. 19/23492, S. 89: „Als Regelung zum materiell-rechtlichen Gehalt von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung des Kartellrechts tritt die widerlegliche Vermutung zur Betroffenheit nach den allgemeinen Regeln wie das gesamte Gesetz in Kraft und gilt damit nur für Schadensersatzansprüche, die nach diesem Zeitpunkt entstehen.“ 228 Zu diesem sogleich. Vgl. S. 181 ff. 229 Für eine Berücksichtigung unter § 33a II 1 GWB n. F. (unter dem Begriff der „Kartellbetroffenheit des Erwerbsvorgangs“) Kersting, WuW 2019, 173, 179. Für § 33c II GWB n. F. plädiert hingegen Otto, ZWeR 2019, 354, 390 ff.
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sich der Beschaffungsvorgang räumlich, sachlich und zeitlich in den Anwendungsbereich des Kartells integrieren lässt.230 Eine solche zusätzliche Vermutung der Kartellbefangenheit war und ist weiterhin jedoch gar nicht erforderlich, sofern das kraft § 33a II 1 GWB n. F. vermutete Tatbestandsmerkmal weiter gezogen wird. Die Vorschrift kann dahingehend ausgelegt werden, dass bei Vorliegen eines Kartells im Sinne des § 33a II 2 GWB n. F. vermutet wird, dass sich dieses Kartell allgemein auf die von einem Kartellanten abgeschlossenen Geschäfte preissteigernd ausgewirkt hat. Einer separaten Vermutung der Kartellbefangenheit bedürfte es nach diesem Verständnis für den Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen der Preiserhöhung im Einzelfall und dem Kartellverstoß nicht mehr, da feststünde, dass jedes Rechtsgeschäft des Kartellanten, dass in den abstrakten Anwendungsbereich des Kartells fällt, von dessen preissteigernden Wirkungen auch umfasst war. Der Nachweis, dass das konkrete Rechtsgeschäft in den Bereich der Grundabsprache des Kartells (sachlich, räumlich und zeitlicher Anwendungsbereich) fällt, ist nach hiesigem Verständnis bereits für den Haftungsgrund erforderlich.231 Dies deckt sich mit der geänderten Rechtsprechung des BGH zur Kartellbefangenheit: „Gelangt der Tatrichter zu der Überzeugung, dass auf dem betroffenen Markt nicht nur einzelne Umsatzgeschäfte zu höheren Preisen abgeschlossen wurden, als dies ohne die Kartellabsprache der Fall gewesen wäre, sondern sich die Kartellabsprache allgemein auf die von den beteiligten Unternehmen durchsetzbaren Preise ausgewirkt hat, bedarf es grundsätzlich keiner weiteren Feststellungen zur ›Kartellbefangenheit‹ [sic] eines bestimmten Auftrags.“232
Auch die Monopolkommission äußert in ihrem Hauptgutachten aus dem Jahre 2020 vor dem Hintergrund der Entscheidung Schienenkartell II des BGH bereits Zweifel an der Notwendigkeit der Einfügung der im Referentenentwurf zur 10. GWB-Novelle vorgeschlagenen gesetzlichen Vermutung für die Kartellbefangenheit eines Rechtsgeschäftes.233 Eine solche Nutzung des durch den Wortlaut des § 33a II 1 GWB n. F. eingeräumten Auslegungsspielraums ist unter Beachtung des Erfordernisses der richtli-
230
Vgl. Kersting, WuW 2019, 173, 179; Otto, ZWeR 2019, 354, 391 f. Vgl. nur S. 59. Im Ansatz hierzu wohl schon Überlegungen zur RL bei Galle, NZKart 2016, 214, 219. Ansatzweise ähnliche Überlegungen wohl ebenfalls bei Lahme/Ruster, NZKart 2019, 196, 200 f. 232 BGH, Urt. v. 28.1.2020 – KZR 24/17, BGHZ 224, 281, Rn. 44 – Schienenkartell II. 233 Monopolkommission, Hauptgutachten XXIII, Rn. 368. Infolge der Entscheidung Schienenkartell II die gesetzliche Vermutung im RefE ebenfalls für überflüssig haltend: Bunte, EWiR 2020, 219, 220; Graef, ZJS 2020, 303, 314; Petzold/Steinle, NZKart 2020, 176, 177. Die Vermutung ist mit Wirkung vom 19. 1. 2021 in § 33a II 4 GWB n. F. normiert worden. 231
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nienkonformen Interpretation des nationalen Umsetzungsrechts auch möglich.234 Ausweislich der Richtlinie soll die Schadensvermutung über eine Informationsasymmetrie zwischen potentiell Geschädigtem und Kartellteilnehmer hinweghelfen.235 Dieser Intention wäre es aber wenig dienlich, die Vermutung so eng auszulegen, dass weiterhin eine Informationsasymmetrie hinsichtlich der Kartellbefangenheit bestehen würde. Diese Bestrebung der Richtlinie hat bei der Begründung der nationalen Umsetzung des Art. 17 II RL durch § 33a II 1 GWB n. F. nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden.236 Ob die preissteigernde Wirkung von Kartellen den typischen Geschehensablauf darstellt, wird vom europäischen Gesetzgeber für die Begründung der Schadensvermutung nicht erörtert, sondern vielmehr angeführt, dass die „[…] widerlegbare Vermutung auf Kartelle zu beschränken [ist], da diese durch ihren geheimen Charakter die Informationsasymmetrie verstärken und es dem Kläger erschweren, die für den Nachweis des Schadens erforderlichen Beweise zu beschaffen.“237 Der deutsche Gesetzgeber hingegen, der in der gesetzlichen Vermutung des § 33a II 1 GWB n. F. eine Ersetzung des Anscheinsbeweises der Rechtsprechung sieht, verkennt diese Ausrichtung der Richtlinie. Darüber hinaus ist das diesbezügliche gesetzgeberische Verständnis von einer gesetzlichen Vermutung (in Abgrenzung zu einem Anscheinsbeweis) nicht unproblematisch. Zwar lassen der Anscheinsbeweis und die widerlegbare gesetzliche Vermutung durchaus Gemeinsamkeiten erkennen.238 Anders als bei einem Anscheinsbeweis muss einer gesetzlichen Vermutung aber nicht ein Erfahrungssatz zugrunde liegen, wonach eine sehr große Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Geschehensablauf spricht. Vielmehr kann es sich um eine rechtspolitische Entscheidung handeln, die der grundsätzlich beweisbelasteten Partei bei einer (insofern typischen) Situation der Unaufklärbarkeit über ebendiese hinweghelfen will, indem sie dieses Risiko der gegnerischen Partei auferlegt.239
234 Vgl. allgemein Grabitz/Hilf/Nettesheim/Nettesheim, 48. Lfg. 8.2012, Art. 288 AEUV Rn. 133 ff. 235 Erwägungsgrund 47 der RL. 236 Das Problem der Informationsasymmetrie wird nunmehr in der BegrRefE zur 10. GWBNovelle v. 24. 1. 2020, S. 93 bzw. BegrRegE, BT-Drs. 19/23492, S. 89 aufgegriffen und zur Begründung der gesetzlichen Vermutung der Kartellbefangenheit angeführt. 237 Erwägungsgrund 47 der RL. Vgl. auch (zur Auslegung von Art. 17 II RL) Buschfeld/ Egner, WRP 2019, 857, 861. 238 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 3. Vgl. die weitergehenden Ausführungen unten auf S. 192. 239 Vgl. auch Buschfeld/Egner, WRP 2019, 857, 861 für den konkreten Fall des § 33a II 1 GWB n. F. Vgl. darüber hinaus Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß, S. 366 f.; Pohlmann, ZHR 164 (2000), 589, 608 f; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 257 ff.
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
Dies steht freilich nicht in Widerspruch dazu, dass der Gesetzgeber regelmäßig anstreben wird, dass das vermutete Tatbestandsmerkmal die Realität abbildet.240 In der Situation der gesetzlichen Vermutung „[…] weist das Gesetz den Richter an, ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal als gegeben zu behandeln, obwohl die diesem Merkmal zugrunde liegenden Tatsachen gerade nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen sind […]“241, wohingegen beim Anscheinsbeweis eine „[…] Entscheidung aufgrund eines festgestellten Sachverhalts […]“242 erfolgt und mithin das Tatbestandsmerkmal zur vollen richterlichen Überzeugung besteht.243 Insbesondere ist es damit grundsätzlich möglich, das Kausalitätselement des § 33a II 1 GWB n. F. im obigen Sinne weit auszulegen, ohne dass hierfür eine tatsächliche Beobachtung in der Praxis sprechen müsste. Würde eine Beschränkung auf eine preissteigernde Wirkung von Kartellen bei Umsatzgeschäften die Vermutung zu sehr einschränken, so würde es auf der anderen Seite zu weit gehen, den Preisschirmeffekt als von der Vermutung umfasst anzusehen.244 In der Richtlinie finden sich keine Anhaltspunkte, die zwingend gegen eine solche „einengende“ Auslegung sprechen würden.245 Für eine Erstreckung auf den Preisschirmeffekt besteht auch unter Beachtung der durch den EuGH geprägten primärrechtlichen Vorgaben keine Notwendigkeit.246 Denn diesen Geschädigten wird die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches nicht verweigert bzw. erschwert, sondern nur nicht zusätzlich erleichtert.247 (3) Fazit Bei einem unmittelbaren Abnehmer genügt es somit, dass dieser Tatsachen behauptet und gegebenenfalls nachweist, aus denen sich das Vorliegen eines Kartells im Sinne des § 33a II 2 GWB n. F. ergibt. Sodann wird kraft Gesetzes vermutet, dass bei 240
Vgl. Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 50. Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 50. 242 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 35. 243 Vgl. Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 107 u. 110; MüKoZPO/Prütting § 286 Rn. 52. Vgl. schon oben S. 154. 244 Gegen eine Einbeziehung des Preisschirmeffektes auch Langen/Bunte/Bornkamm/ Tolkmitt, § 33a GWB Rn. 28; Otto, ZWeR 2019, 354, 394 f.; wohl auch Fritzsche, NZKart 2017, 581, 582 f. a. A. Fuchs, in: Fuchs/Weitbrecht, PrivKartellRDurchs.-HdB, § 4 Rn. 57; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 134. Die neue gesetzliche Vermutung der Kartellbefangenheit klammert Preisschirmeffekte ebenfalls aus. Vgl. BegrRefE zur 10. GWB-Novelle v. 24. 1. 2020, S. 93 bzw. der BegrRegE, BT-Drs. 19/23492, S. 89. 245 Vgl. Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33a GWB Rn. 87; Fritzsche, NZKart 2017, 581, 583. 246 Vgl. auch Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33a GWB Rn. 87 f.; Fritzsche, NZKart 2017, 581, 583 sowie die Entscheidungen EuGH, Urt. v. 5.6.2014 – C-557/12, ECLI:EU:C: 2014:1317 – Kone u. a. und EuGH, Urt. v. 12.12.2019 – C-435/18, ECLI:EU:C:2019:1069 – Otis u. a. 247 Vgl. auch Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33a GWB Rn. 87 f. 241
IV. Inhaltliche Ausgestaltung des Kartellschadensersatzanspruches
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diesem unmittelbaren Abnehmer ein kausaler (Preisüberhöhungs-)Schaden (größer Null)248 eingetreten ist. Eine solche Auslegung der Vorschrift macht § 33a II 4 und § 33c III 2 GWB n. F. überflüssig. Bei den nachfolgenden Überlegungen soll die durch die 10. GWB-Novelle eingefügte Vermutung der Kartellbefangenheit deshalb keine weitere Berücksichtigung erfahren. bb) Verbleibender Anwendungsbereich des Anscheinsbeweises bzw. der tatsächlichen Vermutung Die auf der Bildung von Erfahrungssätzen fußenden Rechtsfiguren sind, wie gezeigt, von der gesetzlichen Vermutung zu unterscheiden. Gleichwohl können sie zu dem gleichen Ergebnis führen:249 Das Vorliegen eines bestimmten Tatbestandsmerkmals wird bejaht. Es stellt sich deshalb die Frage, wie sich die Beweiserleichterungen bei der Geltendmachung eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruches zueinander verhalten.250 So könnte es angebracht sein, bei einer Nichtanwendung oder einer Widerlegung der Vermutung des § 33a II 1 GWB n. F. weiterhin auf die von der instanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Anscheinsbeweise bzw. die vom BGH postulierte tatsächliche Vermutung zurückzugreifen. Die gesetzliche Vermutung ist widerleglich ausgestaltet.251 Der Kartellant hat deshalb neben der Möglichkeit des Gegenbeweises (bezüglich der Vermutungsbasis) auch die Option des Beweises des Gegenteils (vgl. § 292 S. 1 ZPO), um die Vermutungsfolge anzugreifen.252 Mittels Gegenbeweis kann die Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen eines Kartells im Sinne des § 33a II 2 GWB n. F. erschüttern werden.253 Dies gilt allerdings nur, sofern die Ausgestaltung des Kartellverstoßes nicht bereits aufgrund einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bindend feststeht (§ 33b GWB n. F.).254 Gelingt dem Kartellanten der Gegenbeweis oder ist der Hauptbeweis vom unmittelbaren Abnehmer schon nicht erbracht worden, so kommt ein Anscheinsbeweis bzw. eine tatsächliche Vermutung durchaus in Betracht.255 Liegt kein Kartell im Sinne des § 33a II 2 GWB n. F. vor, so können trotzdem die tatsächlichen Voraussetzungen für das Eingreifen eines Erfahrungssatzes gegeben sein. Denn insofern hat das Gericht zu ermitteln, ob ein Erfahrungssatz gebildet werden kann, der einen solchen, wie den zur Entscheidung ge248
Gotting, Voluntary Redress Schemes, S. 51; Klumpe/Thiede, NZKart 2017, 332, 334. Vgl. auch Weitbrecht, WuW 2018, 498, 501. 250 Überlegungen zum Verhältnis schon bei Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 77 f. 251 Vgl. schon S. 170. 252 Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 140; vgl. allgemein MüKoZPO/Prütting, § 292 Rn. 22 ff. 253 Fuchs, in: Fuchs/Weitbrecht, PrivKartellRDurchs.-HdB, § 4 Rn. 61. 254 Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 77. Vgl. auch oben S. 171. 255 Zweifelnd Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 77. 249
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
stellten Sachverhalt einbezieht.256 Beispielsweise könnte ein solcher bei vertikalen Kartellabsprachen gebildet werden.257 Wie dieser Anscheinsbeweis bzw. diese tatsächliche Vermutung im Einzelfall ausgestaltet ist, hängt von dem in der Praxis zu ermittelnden Erfahrungssatz ab. Anders verhält es sich, sofern es dem Kartellanten gelingt, den Beweis des Gegenteils zu führen. Die gesetzliche Vermutung führt zu einer Umkehr der Beweislast, so dass dem nunmehr Beweisbelasteten der Hauptbeweis (Beweis des Gegenteils) obliegt.258 Dieser ist erst dann erfolgreich geführt, wenn der Richter davon überzeugt ist, dass das vermutete Tatbestandsmerkmal nicht gegeben ist.259 Der Richter müsste also davon überzeugt sein, dass bei dem unmittelbaren Abnehmer kein kausaler (Preisüberhöhungs-)Schaden eingetreten ist.260 In der Begründung zum Regierungsentwurf zur 9. GWB-Novelle wird insoweit ausgeführt: „Die Vermutung kann beispielsweise durch den Nachweis widerlegt werden, dass die Preiserhöhung an den Abnehmer des kartellbefangenen Produktes oder daraus hervorgegangener Produkte weitergegeben worden ist.“261 Dieses Verständnis von der Widerlegung der Vermutung ist unzutreffend. Ein entsprechender Nachweis würde nicht dazu führen, dass der Eintritt des kausalen Preisüberhöhungsschadens widerlegt wäre, sondern könnte lediglich den einmal entstandenen Schaden wieder entfallen lassen.262 Der Kartellant könnte jedoch beispielsweise nachweisen, dass das Kartell keinen Schaden verursacht hat, weil die abstrakte Absprache zwischen den Beteiligten keine Umsetzung fand.263 Diese erreichte positive richterliche Überzeugung von den nachgewiesenen Umständen des Einzelfalls264 kann dann aber nicht dadurch er256
Vgl. allgemein Jäckel, Beweisrecht, Rn. 757. Diese werden von der Definition des § 33a II 2 GWB n. F. nicht erfasst. Vgl. nur Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 138 m. w. N. 258 Vgl. nur MüKoZPO/Prütting § 292 Rn. 25 u. 28 sowie § 284 Rn. 22. 259 Vgl. nur Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 2 Rn. 8; MüKoZPO/Prütting § 292 Rn. 25 u. § 284 Rn. 22. 260 Vgl. auch Fritzsche, NZKart 2017, 581, 583; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 140; Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 77. Allerdings halten diese den Vollbeweis und damit das Beweismaß des § 286 I 1 ZPO für erforderlich. Zutreffend dürfte wohl die Annahme einer Beweismaßreduktion i. S. d. § 287 I 1 ZPO sein, da insofern keine höheren Anforderungen an den vom Kartellanten zu führenden Beweis des Gegenteils gestellt werden sollten, als für den normalerweise vom Abnehmer zu führenden Nachweis des Schadens. 261 BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 57. 262 So auch Fritzsche, NZKart 2017, 581, 584; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 157; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 141; Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 77. A. A. Fuchs, in: Fuchs/Weitbrecht, PrivKartellRDurchs.HdB, § 4 Rn. 64; wohl auch Lettl, WM 2016, 1961. 263 Schaper/Stauber, NZKart 2017, 279, 280. 264 Vgl. allgemein Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 2 Rn. 8. 257
IV. Inhaltliche Ausgestaltung des Kartellschadensersatzanspruches
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schüttert werden, dass ein solcher Eintritt eines Schadens bei einem Kartell im Sinne des § 33a II 2 GWB n. F. aber dem typischen Geschehensablauf entsprechen würde. Ebenso verhält es sich bei einer tatsächlichen Vermutung, nur dass diesen Erfahrungssätzen eine geringere Wahrscheinlichkeit zugesprochen wird.265 Gelingt dem Kartellteilnehmer damit die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung, so ist der (anschließende) Rückgriff auf einen Anscheinsbeweis bzw. eine tatsächliche Vermutung ausgeschlossen. Denn insoweit hat der Richter durch den Beweis des Gegenteils seine Überzeugung dahingehend gebildet, dass durch das Kartell kein Schaden beim Anspruchssteller eingetreten ist. Die Möglichkeit eines Rückgriffs auf einen Anscheinsbeweis bzw. eine tatsächliche Vermutung besteht damit nur, sofern kein Kartell im Sinne der gesetzlichen Vermutung vorliegt. Der für diese Rechtsfiguren verbleibende Anwendungsbereich ist damit unter Geltung der neuen Rechtslage begrenzt. b) Mittelbarer Abnehmer Im Gegensatz zu der sehr weiten Formulierung des § 33a II 1 GWB n. F. beschränkt der Wortlaut des § 33c II GWB n. F. den Kreis derjenigen, zu deren Gunsten die Vorschrift greift. Dies ist allein der mittelbare Abnehmer. Der Begriff des mittelbaren Abnehmers ist in § 33c I 2 GWB n. F. legaldefiniert: „Der Schaden des Abnehmers ist ausgeglichen, soweit der Abnehmer einen Preisaufschlag, der durch einen Verstoß nach § 33a [seit dem 15. Juli 2021 § 33] Absatz 1 verursacht worden ist, an seine Abnehmer (mittelbare Abnehmer) weitergegeben hat (Schadensabwälzung).“ § 33c I 2 GWB n. F. definiert damit den mittelbaren Abnehmer nicht als Abnehmer des unmittelbaren Abnehmers, sondern allgemeiner als Abnehmer des Abnehmers. Damit werden sämtliche Abnehmer in der Lieferkette, die nicht direkt mit dem Kartellteilnehmer kontrahiert haben, von der Definition erfasst und gehören damit zu denjenigen, zu deren Gunsten die Vermutung des § 33c II GWB n. F. besteht. Dies entspricht dem Verständnis der Richtlinie von dem Begriff des mittelbaren Abnehmers (Art. 2 Nr. 24 RL).266 Ausgeschlossen sind damit nicht nur andere Gruppen von potentiell Geschädigten, sondern insbesondere der schädigende Kartellteilnehmer.267 Diesem soll es verwehrt sein, von der Vorschrift im Hinblick auf die Weitergabe des Preisaufschlages im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu profitieren.268 265
Vgl. schon die Ausführungen auf S. 68 ff. zur Bildung eines Anscheinsbeweises bzw. einer tatsächlichen Vermutung. 266 Vgl. nur Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 158 f. 267 Vgl. BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 59. 268 Vgl. Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 159; zu Art. 14 II RL schon Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 76.
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
Die Art. 14 II RL umsetzende nationale Vorschrift des § 33c GWB n. F. ist vom deutschen Gesetzgeber wohl als widerlegbare gesetzliche Vermutung im Sinne des § 292 ZPO konzipiert worden.269 Vermutet wird, bei behaupteter und gegebenenfalls nachgewiesener Vermutungsbasis, dass der Preisaufschlag dem Grunde nach auf ihn, also den konkreten mittelbaren Abnehmer, abgewälzt wurde. Dies führt zum Eintritt eines Preisüberhöhungsschadens bei dem mittelbaren Abnehmer, ohne dass es weiterer Feststellungen bedürfte.270 aa) Eintritt eines kartellbedingten Preisaufschlages auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers Die Vermutung des § 33c II GWB n. F. hilft dem mittelbaren Abnehmer damit nur teilweise bei der Überwindung der im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestandes bestehenden Nachweisprobleme. Denn die Weitergabe des Preisaufschlages an den mittelbaren Abnehmer setzt denknotwendig voraus, dass zunächst ein solcher bei dem unmittelbaren Abnehmer eingetreten ist. Es bedarf deshalb zunächst des Nachweises, dass ein Preisaufschlag beim unmittelbaren Abnehmer eingetreten ist, der seinerseits auf das Kartell zurückzuführen ist.271 Insoweit greift zugunsten des mittelbaren Abnehmers, gleichsam wie bei dem unmittelbaren Abnehmer, die gesetzliche Vermutung des § 33a II 1 GWB n. F.272 Der mittelbare Abnehmer muss Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ein Kartell im Sinne des § 33a II 2 GWB n. F. ergibt. Sodann wird vermutet, dass sich das Kartell allgemein preissteigernd auf sämtliche, von dem Kartellteilnehmer abgeschlossene Geschäfte ausgewirkt hat, die in den Anwendungsbereich des Kartells fielen.273 Da auch der mittelbare Abnehmer für den Haftungsgrund seines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruches bereits nachweisen musste, dass der Bezugsvorgang des unmittelbaren Abnehmers in den zeitlichen, sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Kartellgrundabsprache fällt,274 hat das Gericht den kartellbedingten Eintritt eines (Preisüberhöhungs-)Schadens 269
Vgl. schon S. 162. Weitere Schadenspositionen werden demnach nicht von der Vermutung umfasst, da sie nicht unmittelbar aus der Abwälzung des Preisaufschlages resultieren. Vgl. auch Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 160; Otto, ZWeR 2019, 354, 389. 271 Vgl. schon oben S. 101 sowie Bechtold/Bosch/Bechtold/Bosch, § 33c GWB Rn. 8; FK/ W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 47. Nach der Ansicht von Kersting, in: Kersting/ Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 160 muss neben dem Eintritt eines Preisaufschlages beim unmittelbaren Abnehmer auch zunächst dessen Höhe nachgewiesen werden. Dies ist jedoch nicht erforderlich, sofern man, anders als Kersting, S. 161 f., annimmt, dass § 33c II GWB n. F. nur die Vermutung beinhaltet, dass es zu einer Weiterwälzung gekommen ist (Eintritt), nicht aber, dass der Preisaufschlag vollständig abgewälzt wurde (Umfang). 272 Vgl. Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 160; FK/W.H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 47; Thole, ZWeR 2017, 339, 343. 273 Vgl. S. 174 ff. 274 Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 99. 270
IV. Inhaltliche Ausgestaltung des Kartellschadensersatzanspruches
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beim unmittelbaren Abnehmer als feststehend anzusehen.275 Dies impliziert einen kartellbedingten Preisaufschlag auf dieser Abnehmerstufe.276 Hinsichtlich der Abwälzung dieses Preisaufschlages greift sodann die Vermutung des § 33c II GWB n. F., sofern der mittelbare Abnehmer die Voraussetzungen der Nummern eins bis drei (kumulativ) darlegt und gegebenenfalls beweist.277 bb) Vermutungsbasis des § 33c II GWB n. F. § 33c II Nr. 1 GWB n. F. verlangt zunächst einen Verstoß des Rechtsverletzers gegen § 1 oder § 19 GWB n. F. oder gegen Art. 101 oder Art. 102 AEUV. Dieser Verstoß steht gegebenenfalls bindend fest (§ 33b GWB n. F.).278 Die zweite Voraussetzung der Vermutung nimmt Bezug auf die erstgenannte und verlangt, dass der zunächst geforderte Verstoß einen Preisaufschlag für den unmittelbaren Abnehmer des Rechtsverletzers zur Folge hatte. Als Vermutungsbasis dient also (erneut)279 ein Merkmal, das ohnehin für den Schadensersatzanspruch des mittelbaren Abnehmers nachgewiesen werden muss.280 Abermals zeigt sich das Zusammenspiel von § 33a II und § 33c II GWB n. F. Deren Anwendungsbereiche überschneiden sich, sofern der Verstoß des § 33c II Nr. 1 GWB n. F. gleichzeitig ein Kartell im Sinne des § 33a II 2 GWB n. F. darstellt.281 Die dritte Voraussetzung erfordert den Nachweis, dass der mittelbare Abnehmer Waren oder Dienstleistungen erworben hat, die Gegenstand des Verstoßes (im Sinne
275
Vgl. allgemein Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 50 zu den Auswirkungen einer gesetzlichen Vermutung auf die gerichtliche Entscheidung. 276 Ähnlich wohl Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 163 (i. R. d. § 33c II Nr. 2 GWB n. F.); Thole, ZWeR 2017, 339, 343. Zur RL vgl. schon Makatsch/ Mir, EuZW 2015, 7, 12 (i. R. d. Art. 14 II RL). Zweifelnd Schaper/Stauber, NZKart 2017, 279, 282 (i. R. d. § 33c II Nr. 2 GWB n. F.). 277 Vgl. Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 160 ff.; Thole, ZWeR 2017, 339, 343 u. 349. 278 Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 162; Otto, ZWeR 2019, 354, 390; Schaper/Stauber, NZKart 2017, 279, 282. 279 Auch der Nachweis eines Verstoßes i. S. d. § 33c II Nr. 1 GWB n. F. muss bereits i. R. d. haftungsbegründenden Tatbestandes erfolgt sein (§ 33a I i. V. m. § 33 I GWB n. F. i. V. m. der jeweils einschlägigen Verbotsnorm). Vgl. zu Art. 14 II RL schon Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 60. Auch § 33 und § 33c GWB n. F. sind allerdings nicht vollständig deckungsgleich. § 33 I GWB n. F. spricht von „Vorschrift dieses Teils“, wohingegen § 33c II Nr. 1 GWB n. F. den Anwendungsbereich auf „§ 1 oder § 19 GWB n. F.“ beschränkt (vgl. auch Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 162). 280 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 342; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 47. 281 Fritzsche, NZKart 2017, 581, 582; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 163; Otto, ZWeR 2019, 354, 390; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 47. Es gelten insoweit die obigen Ausführungen (S. 171).
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
des § 33c II Nr. 1 GWB n. F.) waren, aus Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Verstoßes waren, hervorgegangen sind oder solche enthalten haben. Der mittelbare Abnehmer hat als zweite Voraussetzung der Vermutung bereits nachgewiesen, dass das Kartell einen Preisaufschlag bei dem unmittelbaren Abnehmer verursacht hat. Nunmehr muss ein Zusammenhang hin zum mittelbaren Abnehmer hergestellt werden.282 Der Wortlaut der Vorschrift lässt verschiedene Auslegungen zu. Zum Teil wird die Formulierung „Gegenstand des Verstoßes“ dahingehend verstanden, dass der Bezugsvorgang des unmittelbaren Abnehmers bzw. des mittelbaren Abnehmers vorgelagerter Absatzstufe unter dem Einfluss der Kartellabrede stand, mithin kartellbefangen war.283 Die Formulierung „Gegenstand des Verstoßes“ lässt sich jedoch auch so auslegen, dass sie im Ausgangspunkt losgelöst von einem etwaigen Erwerbsvorgang ist. Denn nicht der Erwerbsvorgang als solcher muss „Gegenstand des Verstoßes“ sein, sondern gemäß dem Wortlaut des § 33c II Nr. 3 GWB n. F. die Waren oder Dienstleistungen.284 Deshalb liegt es näher, hinsichtlich des „Gegenstandes des Verstoßes“ auf den sachlichen Anwendungsbereich der Kartellgrundabsprache abzustellen.285 Dies beinhaltet, dass nur Waren oder Dienstleistungen der Kartellteilnehmer erfasst sind, da nur die Kartellteilnehmer mit ihrer Abrede gegen die Vorschriften verstoßen.286 Waren oder Dienstleistungen der Kartellaußenseiter können damit nicht „Gegenstand des Verstoßes“ sein.287 Insofern steht die Auslegung im Einklang mit der Richtlinie, die den mittelbaren Abnehmer als denjenigen definiert, der mittelbar von einem Rechtsverletzer erworben hat, womit der Abnehmer des Kartellaußenseiters unberücksichtigt bleibt.288 282
Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 163. So Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 342 f. (unter Anknüpfung an den Betroffenenbegriff, der nach der Ansicht von Inderst/Thomas allerdings die Kartellbefangenheit wohl mitumfasst); FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 51. Wohl auch Otto, ZWeR 2019, 354, 391. 284 Dies wohl verkennend Otto, ZWeR 2019, 354, 391, der darauf abstellt, dass der Bezug bzw. der Beschaffungsvorgang Gegenstand des Verstoßes war. 285 Ähnliche Überlegungen bei Fritzsche, NZKart 2017, 630, 634 f., der diese aber im Ergebnis verneint. Ähnlich wohl auch Schaper/Stauber, NZKart 2017, 279, 282 (anhand eines Beispiels). 286 Entsprechende Erwägungen im Kontext des Art. 14 II RL bei Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 60. Dieser spricht sich jedoch im Ergebnis für eine Erfassung der mittelbaren Abnehmer von Kartellaußenseitern aus. 287 So auch Schaper/Stauber, NZKart 2017, 279, 282; a. A. Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 164. 288 Vgl. Fritzsche, NZKart 2017, 630, 634 f.; a. A. (allerdings die Definitionen der RL unberücksichtigt lassend) in Bezug auf Art. 14 II RL Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 60 f. sowie in Bezug auf § 33c II Nr. 3 GWB n. F. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 343; Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 164. Vgl. auch Art. 2 Nr. 23 u. 24 RL. 283
IV. Inhaltliche Ausgestaltung des Kartellschadensersatzanspruches
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So bliebe für den mittelbaren Abnehmer des Rechtsverletzers lediglich der Nachweis des Erwerbs von solchen Waren oder Dienstleistungen, welcher schon im Rahmen der Betroffenheit im Sinne des § 33 I, III GWB n. F. erfolgte.289 Damit stellt der Nachweis der Vermutungsbasis für den mittelbaren Abnehmer keine Hürde dar.290 Greift die Vermutung, so wird kraft Gesetzes vermutet, dass der Preisaufschlag auf den mittelbaren Abnehmer abgewälzt wurde. Vermutete Tatsache ist daher nicht nur, dass ein Preisaufschlag beim mittelbaren Abnehmer eingetreten ist, sondern darüber hinaus die Ursächlichkeit der Abwälzung für diesen Preisaufschlag. cc) Verbleibende Verteidigungsmöglichkeiten des Kartellanten Die Vorschrift des § 33c GWB n. F. ist allerdings nicht nur im Hinblick auf die Vermutungsbasis problematisch formuliert. Vom deutschen Gesetzgeber als widerlegbar gesetzliche Vermutung im Sinne des § 292 ZPO konzipiert,291 hat sie eine Beweislastumkehr zur Folge.292 Sie kann deshalb neben dem Gegenbeweis gegen die Vermutungsbasis mit dem Beweis des Gegenteils gegen die Vermutungsfolge angegriffen werden.293 Es wären daher grundsätzlich mit den zu § 33a II 1 GWB n. F. angestellten Erwägungen vergleichbare Überlegungen anzustellen. Diese relativ eindeutigen Rechtsfolgen einer widerlegbaren gesetzlichen Vermutung werden nunmehr durch die Einfügung von § 33c III GWB n. F. (seit dem 19. Januar 2021 § 33c III 1 GWB n. F.) verkompliziert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der deutsche Gesetzgeber die Formulierung der Richtlinie nahezu wortwörtlich übernommen hat,294 ohne der Systematik des deutschen Rechts ausreichend Rechnung zu tragen. (1) Der Grundsatz: Beweis des Gegenteils und Gegenbeweis Lässt man § 33c III 1 GWB n. F. in einem ersten Schritt unberücksichtigt, so würde grundsätzlich Folgendes gelten: Hat der mittelbare Abnehmer die Vermutungsbasis dargelegt und gegebenenfalls bewiesen, so wird vermutet (und damit als feststehend fingiert)295, dass der Preis289
Ähnlich Gotting, Voluntary Redress Schemes, S. 60. Vgl. schon oben S. 99 u. 169 f. So auch Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 61 (für Art. 14 II RL); zu § 33c II GWB n. F.: Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 51; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 342. 291 Vgl. schon S. 162. 292 Vgl. allgemein Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 3 Rn. 24. 293 Vgl. allgemein Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 3 Rn. 24; MüKoZPO/Prütting, § 292 Rn. 22. 294 Vgl. insbesondere S. 165. 295 Vgl. schon S. 153 f. mit dem entsprechenden Nachweis in Fn. 72. 290
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aufschlag auf ihn abgewälzt wurde. Die Vermutung ist mit einer Umkehr der Beweislast verbunden. Der Kartellant hat deshalb als nun beweisbelastete Partei den Hauptbeweis (als Beweis des Gegenteils) zu führen. Er muss das Gericht daher davon überzeugen, dass keine Abwälzung des Preisaufschlages eingetreten ist. Dies bedeutet zudem, dass bei letztendlich misslungener Beweisführung, also einer Situation des non-liquet, eine Entscheidung zu Lasten des Kartellanten aufgrund der Verteilung der objektiven Beweislast ergeht und gerade nicht aufgrund eines festgestellten Sachverhalts.296 Da es sich um den Hauptbeweis handelt, ist grundsätzlich für den Beweis des Gegenteils der Vollbeweis erforderlich,297 damit die Nichtabwälzung des Preisaufschlages bewiesen ist. Bedenkt man, dass dem mittelbaren Abnehmer insofern das Beweismaß des § 287 I 1 ZPO zugutekommen würde, wäre es naheliegend, dies nunmehr auch für den umgekehrten Fall ausreichen zu lassen.298 Der Nachweis dieses Negativums fällt zudem ungleich schwerer.299 Neben dem Beweis des Gegenteils hat der Kartellant die Möglichkeit, die Vermutungsbasis mit dem Gegenbeweis anzugreifen, da insofern dem mittelbaren Abnehmer die Beweislast obliegt. Für den Gegenbeweis genügt es, die richterliche Überzeugung zu erschüttern.300 Der Gegenbeweis soll das Gericht dazu veranlassen, die tatsächlichen Behauptungen der beweisbelasteten Partei anzuzweifeln.301 Da der Gegenbeweis gerade nicht darauf abzielt, dass der Richter eine bestimmte Überzeugung bildet, muss hierbei kein Beweismaß erreicht werden.302 (2) Die Besonderheiten des § 33c III 1 GWB n. F. Wie fügt sich § 33c III 1 GWB n. F. in dieses beschriebene System ein? Hiernach findet die Vermutung einer Schadensabwälzung nach Absatz zwei keine Anwen296 Vgl. Kirchhoff, WuW 2015, 952, 955 (zur RL); Thole, ZWeR 2017, 339, 344 f.; vgl. allgemein Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 66. 297 BGH, Urt. v. 18.6.2002 – VI ZR 448/01, NJW 2002, 3027, 3028; Musielak/Voit/Huber, § 292 ZPO Rn. 5; MüKoZPO/Prütting, § 292 Rn. 25. 298 So auch (zumindest für den Umfang des abgewälzten Preisaufschlages über § 33c V GWB n. F. i. V. m. 287 ZPO) Schaper/Stauber, NZKart 2017, 279, 282; im Ergebnis wohl offenlassend Fritzsche, NZKart 2017, 630, 632. 299 Der Beweis des Gegenteils zielt auf „[…] die Klärung der tatsächlichen Voraussetzungen eines Tatbestandsmerkmales, wenn auch in negativer Hinsicht […]“ (Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß, S. 67). Der Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., Stellungnahme zum Weißbuch, S. 17 spricht insofern von einer „negativen Beweislast“. 300 BGH Beschl. v. 28.11.2007 – XII ZB 217/05, NJW 2008, 1531, Rn. 25; MüKoZPO/ Prütting, § 284 Rn. 21 u. § 292 Rn. 22. 301 MüKoZPO/Prütting, § 284 Rn. 21. 302 Vgl. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 2 Rn. 7 u. Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 15 jeweils m. w. N. auch zu dem Umstand, dass der indirekte Gegenbeweis hiervon gewissermaßen eine „Ausnahme“ bildet. Dazu s. unten S. 189. Vgl. auch im Kontext des § 33a II GWB n. F. Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 78.
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dung, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Preisaufschlag nicht oder nicht vollständig an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde. Wie bereits erwähnt, scheint sich der erste Teil des Absatzes auf den Gegenbeweis zu beziehen, der zweite Teil hingegen auf den Beweis des Gegenteils.303 Es soll gezeigt werden, dass in beiden Fällen Unstimmigkeiten bestehen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Begriff der „Glaubhaftmachung“ aufgrund seines unionsrechtlichen Ursprungs umstritten ist. Der Begriff der Glaubhaftmachung findet sich im deutschen Recht in § 294 ZPO. Ist eine solche Glaubhaftmachung im Gesetz vorgesehen, so hat dies unter anderem eine Reduzierung des Beweismaßes zur Konsequenz.304 Der Streit in der Literatur rankt sich nun darum, ob der Begriff in § 33c III 1 GWB n. F. im Sinne des § 294 ZPO verstanden werden kann oder, ob es einer autonomen unionsrechtlichen Auslegung bedarf.305 Grundsätzlich müssen unionsrechtliche Begrifflichkeiten autonom ausgelegt werden, um die Einheitlichkeit in den Mitgliedstaaten sicherzustellen.306 Der Rückgriff auf § 294 ZPO scheint vor diesem Hintergrund jedoch nur verwehrt, sofern das Unionsrecht zu einer anderweitigen Auslegung zwingt.307 Dabei muss insbesondere berücksichtigt werden, dass die entsprechende Passage in den durch das Europäische Parlament angenommenen Abänderungen noch „glaubhaft nachweisen“ lautete,308 was insofern beispielsweise mit der englischsprachigen Fassung der Änderungen sowie der entsprechenden endgültigen Fassung der Richtlinie übereinstimmt.309 Dies verdeutlicht, in Abgrenzung zum einfachen „Nachweis“ des mittelbaren Abnehmers in Art. 14 II RL, dass der europäische Gesetzgeber mit der Regelung wohl auf eine Erleichterung des Nachweises für den „Beklagten“ abzielte.310 Gemeint ist eine Erleichterung in der Beweisstärke, so dass das reduzierte Beweismaß des § 294 ZPO dem durchaus entspricht.311
303
Vgl. schon zum gleichlautenden RegE S. 165. Vgl. nur Musielak/Voit/Huber, § 294 ZPO Rn. 3; MüKoZPO/Prütting, § 294 Rn. 24. 305 Für eine Orientierung an § 294 ZPO Ascheberg, Jura 2016, 1101, 1106 (zum RefE); Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 165; Schaper/Stauber, NZKart 2017, 279, 282; Thole, ZWeR 2017, 339, 349 f.; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 58 f. (zur RL); für eine autonome Auslegung hingegen Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633; Galle, NZKart 2016, 214, 220 (zur RL); Klumpe/Thiede, NZKart 2017, 332, 334 Fn. 41; Lettl, WRP 2015, 537, 543 (zur RL); Stomper, WuW 2016, 410, 412 (zum RefE). 306 Vgl. schon S. 150 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 45. 307 Vgl. auch Thole, ZWeR 2017, 339, 349 f. 308 Vgl. Änderungsantrag 2 v. 9. 4. 2014, A7-0089/2014, S. 58. Hierauf weißt auch Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 59 hin. 309 „This paragraph shall not apply where the defendant can demonstrate credibly to the satisfaction of the court that the overcharge was not, or was not entirely, passed on to the indirect purchaser.“ 310 Vgl. Ascheberg, Jura 2016, 1101, 1106; Fritzsche, NZKart 2017, 630, 632; Stomper, WuW 2016, 410, 412. 304
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Nimmt man nun zunächst an, es handele sich bei § 33c III 1 GWB n. F. um eine Modifikation des Beweises des Gegenteils,312 so scheint auf den ersten Blick zumindest die Glaubhaftmachung stimmig. Denn diese wäre insofern als eine Reduzierung des Beweismaßes (grundsätzlich Vollbeweis) für den Beweis des Gegenteils anzusehen, so dass es genügen würde, dass die Nichtabwälzung überwiegend wahrscheinlich wäre.313 Dies würde jedoch dazu führen, sofern diese Glaubhaftmachung denn gelänge, dass die Vermutung widerlegt wäre, das heißt dem Urteil würde die Feststellung zugrunde liegen, dass nicht abgewälzt wurde.314 Damit wäre für eine „Rückkehr“ zur grundsätzlichen bzw. normalen Beweislastverteilung (die Beweislast im Hinblick auf die Abwälzung liegt nun beim mittelbaren Abnehmer), worauf die Formulierung „keine Anwendung“ wohl abzielt, kein Raum mehr.315 Denn ist der Beweis des Gegenteils als Hauptbeweis erfolgreich geführt worden, dann besteht nicht nur eine vorläufige richterliche Überzeugung, sondern die Nichtabwälzung ist zur Überzeugung des Gerichts bewiesen.316 Diese Konsequenz ist umso gravierender, da es für einen erfolgreichen Beweis des Gegenteils bereits genügen würde, wenn es überwiegend wahrscheinlich wäre, dass der Preisaufschlag nicht vollständig an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde. Dann aber käme eine Abwälzung in Bezug auf den verbleibenden Teil gerade 311 Vgl. FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 52; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 59; Thole, ZWeR 2017, 339, 349 f. Die Reduzierung auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit stimmt mit der autonomen Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung an anderer Stelle überein (vgl. BAG Urt. v. 5.2.2004 – 8 AZR 112/03, BAGE 109, 265, 273 f.; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 336). Da nur die Reduzierung des Beweismaßes entscheidend ist, findet § 294 II ZPO keine Anwendung (Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 336; zum Kartellrecht Bechtold/Bosch/Bechtold/Bosch, § 33c GWB Rn. 9; Thole, ZWeR 2017, 339, 350 Fn. 46). Ebenso erscheint eine Erweiterung hin zum Freibeweis nicht sachgerecht. A. A. wohl FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 52. Zur Kritik hieran vgl. auch Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3013; Klumpe/Thiede, NZKart 2017, 332, 334. 312 So wohl Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 63 ff.; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 52 f.; Schaper/Stauber, NZKart 2017, 279, 282; entsprechende Überlegungen zur RL: Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 62 f. 313 Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 63 ff. (allerdings kann § 33c III 1 GWB n. F. nicht als Ausnahme i. S. d. Einschränkung „sofern nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt“ des § 292 S. 1 ZPO angesehen werden, da diese Formulierung lediglich auf die Möglichkeit der Anordnung einer Unwiderlegbarkeit einer Vermutung hinweist). Vgl. auch Berg/Mäsch/Mäsch, § 33c GWB Rn. 14; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 52 f. 314 Vgl. allgemein zum gelungenen Beweis des Gegenteils Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 2 Rn. 10. 315 So aber Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 343 f.; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 63 (im Kontext der RL), die dem mittelbaren Abnehmer die Möglichkeit eröffnen wollen, den Nachweis der Abwälzung, nach erfolgreicher Glaubhaftmachung, mithilfe des Anscheinsbeweises zu erbringen. Diese Auffassung wird von LMRKM/Kersting, § 33c GWB Rn. 68 ebenfalls in Zweifel gezogen. 316 So wohl auch LMRKM/Kersting, § 33c GWB Rn. 68.
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in Betracht. Dennoch könnte der mittelbare Abnehmer hierzu nichts mehr vortragen.317 Dies könnte dazu verleiten, Absatz drei Satz eins doch als Hinweis auf den Gegenbeweis gegen die Vermutungsbasis zu betrachten.318 Wäre dieser erfolgreich geführt, so fände die Vermutung in der Tat keine Anwendung, so dass dem beweisbelasteten mittelbaren Abnehmer also der Hauptbeweis für die Abwälzung obliegen würde.319 Dieses Verständnis wiederum erweist sich als unstimmig, wenn man den zweiten Teil des Absatzes in den Blick nimmt. Der Gegenbeweis muss nur die Überzeugung des Gerichts erschüttern, mithin Zweifel säen. Eine Glaubhaftmachung, verstanden als reduziertes Beweismaß, ist insoweit widersinnig, würde sie doch auf die Herbeiführung einer bestimmten Überzeugung des Gerichts abzielen. Die Glaubhaftmachung ließe sich in dieses System jedoch unter Umständen integrieren, sofern diese als Hinweis auf den indirekten Gegenbeweis verstanden wird. Abweichend von der grundsätzlichen Führung des (direkten) Gegenbeweises müssen die Indizien, aus denen sich die Erschütterung der durch den Hauptbeweis gebildeten Überzeugung ergeben soll, zur vollen richterlichen Überzeugung nachgewiesen werden.320 Insofern würde gemäß § 33c III 1 GWB n. F. die überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen. Allerdings muss nach dem Wortlaut des § 33c III 1 GWB n. F. der Kartellant die Nichtabwälzung bzw. die nicht vollständige Abwälzung glaubhaft machen. Die Nichtabwälzung bzw. die nicht vollständige Abwälzung wären damit Indizien, aus denen der Richter ableiten soll, dass eine der Tatsachen der Vermutungsbasis des § 33c II GWB n. F. doch nicht vorliegt. Die Abwälzung, verstanden als Indiz, berührt jedoch keine der Vermutungsvoraussetzungen des § 33c II GWB n. F., weil diese als gleichzeitig vorgelagerte Tatbestandsvoraussetzungen des Schadensersatzanspruches völlig unabhängig von einer späteren Abwälzung des Preisaufschlages bestehen. Ein solcher indirekter Gegenbeweis wäre daher generell nicht geeignet, die Tatsachen der Vermutungsbasis in Zweifel zu ziehen. (3) Abweichende Auslegungsmöglichkeiten des § 33c III 1 GWB n. F. und deren Konsequenzen für § 33c II GWB n. F. (a) § 33c III 1 GWB n. F. als dritte Verteidigungsmöglichkeit Es wird deshalb vorgeschlagen, § 33c III GWB n. F. (jetzt § 33c III 1 GWB n. F.) als eine dritte Verteidigungsmöglichkeit im Hinblick auf die Vermutung anzusehen. 317 Deshalb will Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 62 f. wohl gerade eine Rückkehr zur Ausgangssituation ermöglichen. Dies ist aus den gerade gezeigten Gründen aber nicht möglich. 318 So Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3013 (zum gleichlautenden RegE). 319 Vgl. allgemein Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 3 Rn. 24. 320 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 2 Rn. 7; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 15.
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Hiernach soll die Glaubhaftmachung dazu führen, dass die Vermutungswirkung in Zweifel gezogen wird und die Vermutung deshalb insgesamt nicht zur Anwendung gelangt. Sie soll deshalb zwischen Gegenbeweis und Beweis des Gegenteils anzusiedeln sein.321 Damit wird allerdings eine Rechtsfolge geschaffen, die so bei einer widerlegbaren gesetzlichen Vermutung nicht existiert.322 Darüber hinaus bleibt unklar, wie das Gericht in der Praxis zwischen dieser Glaubhaftmachung und dem daneben möglichen Beweis des Gegenteils unterscheiden soll, insbesondere, wenn für den Beweis des Gegenteils dann unter Umständen das reduzierte Beweismaß des § 287 I 1 ZPO greifen könnte, also ebenfalls nur eine (deutlich) überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich wäre. (b) § 33c III 1 GWB n. F. als Tatbestandsausnahme In Abgrenzung hierzu wird daher vertreten, dass § 33c III 1 GWB n. F. „[…] richtigerweise nicht die Rechtsfolgen, sondern den Tatbestand [betrifft]. Danach findet schon die Vermutung keine Anwendung und damit die Vermutungsbasis, soweit vom Kartellanten glaubhaft gemacht wird, dass der Preisaufschlag nicht oder nicht vollständig an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde […].“323
Hiernach müsste somit der Kartellant beweisen, dass die Nichtabwälzung bzw. die nicht vollständige Abwälzung überwiegend wahrscheinlich ist, da es sich um eine Tatbestandsausnahme handelt und insofern dieser die Beweislast trägt. Erst wenn dies scheitert bzw. keine Glaubhaftmachung erfolgt, fände die Vermutung des § 33c II GWB n. F. überhaupt Anwendung.324 Ähnliche Tatbestandsausnahmen325 finden sich beispielsweise in § 477 BGB326 und § 1006 I 2 BGB327. § 477 und § 1006 I BGB sind ebenfalls als widerlegbare gesetzliche Vermutungen zu qualifizieren.328 Eine solche Auslegung hätte den großen Vorteil, dass die Systematik des § 292 ZPO erhalten und damit Gegenbeweis und Beweis des Gegenteils durch § 33c III 1 GWB n. F. unangetastet blieben. 321 So Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 165 f. Sich mit der Ansicht von Kersting ebenfalls auseinandersetzend Thole, ZWeR 2017, 339, 349. 322 Thole, ZWeR 2017, 339, 349. 323 Thole, ZWeR 2017, 339, 349 (zu § 33c III GWB n. F.). 324 So Thole, ZWeR 2017, 339, 349. 325 Vgl. bspw. Palandt/Weidenkaff, § 477 BGB Rn. 9 („Ausnahmeregel“). 326 „[…] es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.“ 327 „Dies gilt jedoch nicht einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist […].“ 328 Vgl. nur Palandt/Weidenkaff, § 477 BGB Rn. 8a und Palandt/Herrler, § 1006 BGB Rn. 6.
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Allerdings stellt sich dann die Frage, inwieweit dem mittelbaren Abnehmer bei erfolgreicher Glaubhaftmachung der Beweis der Abwälzung nachfolgend noch gelingen kann. Denn anders als bei § 477 und § 1006 I 2 BGB beschreibt § 33c III 1 GWB n. F. nicht einen der eigentlichen Vermutung fremden Umstand (die Unvereinbarkeit mit der Art der Sache oder des Mangels bzw. Abhandenkommen der Sache), sondern die Tatbestandsausnahme (nicht oder nicht vollständige Abwälzung des Preisaufschlages) wäre das Gegenteil des vermuteten Tatbestandsmerkmales (Abwälzung des Preisaufschlages). Insofern müsste das Gericht für die Nichtanwendung der Vermutung des § 33c II GWB n. F. bereits die Nichtabwälzung für überwiegend wahrscheinlich gehalten haben. Wie aber soll es dem mittelbaren Abnehmer dann gelingen, das Gericht anschließend davon zu überzeugen, dass die Abwälzung doch (deutlich) überwiegend wahrscheinlich (§ 287 I 1 ZPO) ist, wenn der Abnehmer schon nicht in der Lage war, die vorläufige gerichtliche Überzeugung im Hinblick auf die glaubhaft gemachte Tatbestandsausnahme zu erschüttern (Gegenbeweis)? Dies könnte wohl nur gelingen, sofern lediglich die Glaubhaftmachung einer nicht vollständigen Abwälzung erfolgte. (c) § 33c II GWB n. F. als gesetzlicher Anscheinsbeweis Ferner wäre es denkbar, § 33c II GWB n. F. als gesetzlich normierten Anscheinsbeweis auszulegen, so dass § 33c III 1 GWB n. F. den entsprechenden Gegenbeweis des Kartellanten regeln würde.329 Geführt wurde die Diskussion um die Normierung eines Anscheinsbeweises bisher wohl nur im Zusammenhang mit § 371a I 2 ZPO.330 Dieser wird zum Teil als gesetzlicher Anscheinsbeweis qualifiziert.331 Andere Stimmen sehen hierin eine Beweisregel.332 (aa) Gesetzliche Festschreibung eines Anscheinsbeweises? Die Auslegung einer Vorschrift als (gesetzlicher) Anscheinsbeweis mutet auf den ersten Blick merkwürdig an.333 Der Anscheinsbeweis ist normalerweise der rich-
329 So schon Fritzsche, NZKart 2017, 630, 632 f.; dies ebenfalls diskutierend, aber i. E. wohl offenlassend Fuchs, in: Fuchs/Weitbrecht, PrivKartellRDurchs.-HdB, § 6 Rn. 132. 330 Eine Parallele zu § 371a ZPO ziehen schon Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3013. 331 So etwa Zöller/Greger, § 286 ZPO Rn. 3; Klumpe/Thiede, BB 2016, 3011, 3013; Prütting/Gehrlein/Trautwein, § 371a ZPO Rn. 4; MüKoZPO/Zimmermann, § 371a Rn. 4. 332 So Stein/Jonas/C. Berger, § 371a ZPO Rn. 15; Prütting/Gehrlein/Laumen, § 286 ZPO Rn. 28; Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 4 Rn. 16 f.; Stein/Jonas/Thole, § 286 ZPO Rn. 86. 333 Vgl. zur Frage, ob ein Anscheinsbeweis überhaupt einer gesetzlichen Regelung zugänglich ist schon Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 58 Fn. 54. Zu § 292a ZPO (jetzt § 371a I 2 ZPO) vgl. neben den Nachweisen oben in Fn. 331 u. 332 (S. 191) die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/4987, S. 37 u. die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/ 4987, S. 44.
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terlichen Beweiswürdigung zugehörig.334 Er verlangt die Ermittlung eines Erfahrungssatzes, der auf den konkreten Sachverhalt Anwendung findet und den erforderlichen Beweiswert besitzt.335 Dies steht in gewisser Weise im Widerspruch zu einer gesetzlichen Normierung.336 Andererseits besteht zumindest eine strukturelle Ähnlichkeit zur gesetzlichen Tatsachenvermutung,337 denn auch beim Anscheinsbeweis wird gewissermaßen eine Tatsache vermutet.338 Ähnlich der gesetzlichen Vermutung muss nicht die streitige Tatsache bewiesen werden, sondern das Beweisthema wird hin zu denjenigen Tatsachen verschoben, die im Rahmen eines typischen Geschehensablaufs den Rückschluss auf die streitige Tatsache zulassen.339 Normalerweise beruht der Anscheinsbeweis auf einem Erfahrungssatz, der sich aus der Lebenserfahrung speist.340 Von dem Bestehen eines solchen scheint der europäische Gesetzgeber unter bestimmten (nicht näher genannten) Bedingungen sogar auszugehen.341 Doch selbst, wenn man bezweifelt, dass ein solcher besteht,342 so ist dies vor dem Hintergrund der gesetzlichen Normierung nicht zwingend erforderlich, da die gesetzliche Festschreibung den faktischen Erfahrungssatz insofern ersetzt.343 Die Ermittlung eines Erfahrungssatzes sowie dessen Beweiswert (Grad der Wahrscheinlichkeit) sind damit der richterlichen Beweiswürdigung entzogen.344 Insoweit besteht eine Nähe zu den Beweisregeln. Diese „[…] führen zur Feststellung der Wahrheit oder der Unwahrheit einer Behauptung ohne Rücksicht auf die richterliche Überzeugung, sofern nur die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen das Gesetz die Feststellungswirkung abhängig gemacht hat.“345 334 H. M.; vgl. nur Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 9 m. w. N. 335 Jäckel, Beweisrecht, Rn. 757 f. 336 Vgl. Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 58 Fn. 54 sowie die Stellungnahme des Bundesrates zu § 292a ZPO (jetzt § 371a I 2 ZPO), BT-Drs. 14/4987, S. 37. 337 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 3; Thole, ZWeR 2017, 339, 351. 338 Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 3 Rn. 26. 339 Vgl. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 32; Pohlmann, ZPR, Rn. 380. 340 Vgl. nur die Stellungnahme des Bundesrates zu § 292a ZPO (jetzt § 371a I 2 ZPO), BTDrs. 14/4987, S. 37; Jäckel, Beweisrecht, Rn. 757; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 58 Fn. 54. 341 Vgl. oben S. 155; Fritzsche, NZKart 2017, 630, 632. 342 So etwa Schweitzer, NZKart 2014, 335, 339 im Kontext der RL. Vgl. auch oben S. 101 f. sowie S. 95 ff. 343 So auch Fritzsche, NZKart 2017, 630, 632 f.; vgl. auch die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/4987, S. 44 sowie Stadler, ZZP 111 (2002), 413, 432 Fn. 85 zu § 292a ZPO (jetzt § 371a I 2 ZPO). 344 Vgl. auch Schemmann, ZZP 118 (2005), 161, 179. 345 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 114 Rn. 7.
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Damit verkürzt ein gesetzlicher Anscheinsbeweis den Bereich der freien richterlichen Beweiswürdigung.346 Dies scheint jedoch auch vor dem Hintergrund des § 286 II ZPO vertretbar, da eine Normierung (in einem Bundesgesetz) erfolgt.347 Zudem verbleibt wie bei einem Anscheinsbeweis generell die Beweiswürdigung im Hinblick auf den angetretenen Gegenbeweis.348 Ein gesetzlicher Anscheinsbeweis stellt damit zwar eine Neuheit im deutschen Recht dar. Durch die umfangreiche Auseinandersetzung in Rechtsprechung und Literatur mit dem nicht kodifizierten Anscheinsbeweis, sowie dem Rückgriff auf die Grundsätze über die Wirkungsweise der gesetzlichen Beweisregeln, erhält er aber ausreichend Kontur für eine mögliche Handhabung. (bb) Übertragung der Überlegungen auf § 33c GWB n. F. Dies wirft allerdings die Frage auf, ob § 33c II und III 1 GWB n. F. einer solchen Auslegung als gesetzlicher Anscheinsbeweis überhaupt zugänglich sind. Der deutsche Gesetzgeber hat die Wörter „vermutet“ und „Vermutung“ in die Absätze eingefügt, was im Allgemeinen erfolgt, um die Einordnung als gesetzliche Vermutung anzuzeigen.349 Womöglich war diese Einordnung aber gar nicht in einer solchen Eindeutigkeit für § 33c II GWB n. F. erstrebt. Hierauf deuten jedenfalls die am Referentenentwurf vorgenommenen Änderungen hin. Der Absatz in der Begründung zum Referentenentwurf, wonach der (volle) Beweis des Gegenteils für die Widerlegung der Vermutung nicht erforderlich sein soll, ist im Regierungsentwurf verschwunden.350 Der deutsche Gesetzgeber will damit wohl verhindern, eine Regelung zu formulieren, die der Richtlinie widerspricht. Aufgrund dieses (grundsätzlichen) Bestrebens des deutschen Gesetzgebers nationale Vorschriften zu schaffen, die der Zielsetzung der Richtlinie entsprechen,351 scheint eine Lesart des § 33c II GWB n. F. als gesetzlicher Anscheinsbeweis vom Willen des Gesetzgebers umfasst.352 346
Schemmann, ZZP 118 (2005), 161, 179. § 286 II ZPO will nur landesrechtliche Beweisregeln ausklammern. Vgl. auch MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 24 ff. 348 Vgl. Jäckel, Beweisrecht, Rn. 755; Zöller/Greger, Vor § 284 ZPO Rn. 29 f. 349 Vgl. S. 162 sowie Fn. 135 auf S. 162. 350 Fritzsche, NZKart 2017, 630, 632; vgl. auch BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 57 u. BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 58 f. 351 Der EuGH nimmt eine solche Absicht des Staates wohl grundsätzlich an (vgl. EuGH, Urt. v. 16.12.1993 – C-334/92, ECLI:EU:C:1993:945, Rn. 20 – Wagner Miret; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5.10.2004 – C-397/01 bis C-403/01, ECLI:EU:C:2004:584, Rn. 112 – Pfeiffer u. a.). Zur damit verbundenen Problematik sowie allgemein zum Willen des deutschen Gesetzgebers: W.H. Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 40 u. 27 ff. 352 Zur Berücksichtigung des Willens des deutschen Gesetzgebers bei der richtlinienkonformen Auslegung vgl. allgemein BGH, Urt. v. 17.10.2012 – VIII ZR 226/11, BGHZ 195, 135, Rn. 22; BGH, Urt. v. 28.10.2015 – VIII ZR 158/11, BGHZ 207, 209, Ls. u. Rn. 43; BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224, Rn. 38. 347
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
Der mittelbare Abnehmer müsste damit weiterhin die Voraussetzungen des § 33c II Nr. 1 – 3 GWB n. F. darlegen und gegebenenfalls beweisen. In Abgrenzung zur gesetzlichen Vermutung müsste dieser allerdings die Abwälzung des Preisaufschlages auf sich selbst behaupten.353 Da insofern die schlichte Behauptung genügt,354 dürfte dies für den mittelbaren Abnehmer jedoch kein wirkliches Hindernis darstellen. Hat der mittelbare Abnehmer die Voraussetzungen des § 33c II GWB n. F. nachgewiesen, so wird die Abwälzung dem Grunde nach vermutet. Entsprechend den Grundsätzen des Anscheinsbeweises verbleibt die objektive Beweislast aber beim mittelbaren Abnehmer.355 Wie eine gesetzliche Beweisregel hat § 33c II GWB n. F. damit beweisschaffende Wirkung.356 Der Hauptbeweis wäre damit zunächst geführt.357 Lediglich die Beweisführungslast geht auf den Kartellanten über.358 Dieser muss nun den Gegenbeweis führen. Die nicht beweisbelastete Partei muss Tatsachen darlegen und beweisen, die in dieser bestimmten Fallkonstellation den Schluss auf die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufes zulassen.359 Es muss insoweit allerdings die ernsthafte Möglichkeit eines nicht von dem nach der Lebenserfahrung typischen, sondern von dem normierten Geschehensablauf abweichenden Vorgangs bestehen.360 Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Wortlaut des § 33c 1 III GWB n. F. Gelingt der nicht beweisbelasteten Partei der Gegenbeweis, so findet der Anscheinsbeweis generell, entsprechend der Formulierung des § 33c III 1 GWB n. F., keine Anwendung, so dass der beweisbelasteten Partei nur die Möglichkeit verbleibt, die aufgestellte Behauptung mittels normalen Beweisantrittes zu beweisen.361 Die Glaubhaftmachung fügt sich insofern in dieses System ein,362 da „[…] die Tatsachen, 353 Vgl. allgemein zum Anscheinsbeweis: BGH, Urt. v. 2.6.2005 – III ZR 358/04, NJW 2005, 2454; Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 31; Pohlmann, ZPR, Rn. 380; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 110. Zur gesetzlichen Beweisregel: Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, S. 87. 354 Die Substantiierungspflicht ist insoweit reduziert. Vgl. nur Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 110. 355 Vgl. allgemein nur Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 33 m. w. N. 356 Vgl. zur Beweisregel Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, S. 81 m. w. N. 357 Vgl. insoweit die parallelen Überlegungen zu § 371a ZPO bei Schemmann, ZZP 118 (2005), 161, 179. 358 Vgl. allgemein nur Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 33 m. w. N. 359 MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 67. Vgl. auch Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633. 360 Vgl. auch Fritzsche, NZKart 2017, 630, 632 f. 361 Vgl. Zöller/Greger, Vor § 284 ZPO Rn. 29. 362 A. A. wohl Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633, der offenbar annimmt, dass sich Glaubhaftmachung und Erschütterung des Anscheinsbeweises ausschließen und der deshalb wohl für eine Auslegung der „Glaubhaftmachung“ als „Erschüttern“ plädiert. In diese Richtung
IV. Inhaltliche Ausgestaltung des Kartellschadensersatzanspruches
195
aus denen der Richter die Erschütterung eines Anscheinsbeweises erschließen soll […]“363, bewiesen werden müssen.364 Die Glaubhaftmachung des § 33c III GWB n. F. bezieht sich damit auf Tatsachen, aus denen geschlossen werden kann, dass der Preisaufschlag nicht oder nicht vollständig an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde und daher ein von § 33c II GWB n. F. abweichender Geschehensablauf vorliegt.365 Im Unterschied zum ansonsten notwendigen Vollbeweis genügt hierfür deren überwiegende Wahrscheinlichkeit. Auch nach dem hiesigen Verständnis bleibt der Widerspruch zwischen der nicht vollständigen Abwälzung des § 33c III 1 GWB n. F. und der vermuteten Abwälzung dem Grunde nach im Sinne des § 33c II GWB n. F. bestehen. Dies zwingt jedoch nicht zu einer erweiternden Auslegung des zweiten Absatzes, sondern könnte ebenso eine einschränkende Auslegung des dritten Absatzes nahelegen.366 Da dieser den Wortlaut der Richtlinie wiedergibt, liegt der Fehler wohl weniger in der deutschen Umsetzung, denn in der Formulierung der Richtlinie.367 Teilweise wird vertreten, dass die nicht vollständige Abwälzung bei der Abänderung des Richtlinienvorschlages schlicht vergessen wurde, es sich also lediglich um ein redaktionelles Versehen handele.368 Dies ist jedoch ebenso wenig eindeutig aus der Richtlinie ersichtlich, wie umgekehrt das Erfordernis der Ausdehnung des § 33c II GWB n. F. auf eine vollständige Abwälzung des Preisaufschlages.369 Es muss deshalb in beiden Fällen bei dem klaren Wortlaut des § 33c GWB n. F. sein Bewenden haben.370 Vor diesem Hintergrund lässt der gesetzliche Anscheinsbeweis zumindest eine flexiblere Handhabung der Vorschrift zu als die gesetzliche Vermutung. Denn auch bei der Nichtanwendung des § 33c II GWB n. F. hat der mittelbare Abnehmer weiterhin die Möglichkeit, den Beweis der Abwälzung zu führen, wobei er sich bei einem erfolgreichen Gegenbeweis aufgrund nicht vollständiger Abwälzung, im Hinblick auf das „Ob“ der Abwälzung gegebenenfalls „[…] den Vortrag des Beklagten, aus dem sich eine nur teilweise Abwälzung ergibt, zu Eigen machen [kann].“371 wohl auch Kersting, WuW 2014, 564, 570 (im Kontext der RL); Oesterreich, BB 2017, 1865, 1870. 363 Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 98. 364 Die h. M. verlangt hierfür den vollen Beweis. Vgl. nur BGH, Urt. v. 18.12.1952 – VI ZR 54/52, BGHZ 8, 239, 240; Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 38 m. w. N. 365 Vgl. insoweit die ursprüngliche Formulierung von Absatz drei in § 33c III RefE GWB (S. 160). 366 Vgl. Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33c GWB Rn. 35 sowie schon oben S. 162 f. 367 Vgl. Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33c GWB Rn. 39. 368 So Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33c GWB Rn. 35 ff. 369 Vgl. schon S. 162 f. 370 So im Ergebnis wohl auch Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 65. 371 Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633.
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
Eine weitere Option könnte zudem darin bestehen, in einem solchen Fall einen Anscheinsbeweis aufleben zu lassen, dessen zugrunde liegender Erfahrungssatz sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt.372 Vorausgesetzt ein solcher existiert, so würde dieser wohl an weitergehende Voraussetzungen als diejenigen des § 33c II GWB n. F. geknüpft; beispielsweise müsste darüber hinaus auf dem Markt der unmittelbaren Abnehmer intensiver Wettbewerb herrschen.373 Ob eine solche Möglichkeit besteht, hängt daneben entscheidend davon ab, welche Tatsachen der Kartellant im konkreten Fall für den Schluss auf einen abweichenden Geschehensablauf bereits glaubhaft gemacht hat (§ 33c III 1 GWB n. F.). Denkbar erscheint damit der Rückgriff auf den herkömmlichen Anscheinsbeweis insbesondere im Fall der Nichtanwendung des § 33c II GWB n. F. aufgrund nicht vollständiger Abwälzung.374 (cc) Vereinbarkeit der Auslegung mit Art. 14 RL Diese Lesart des § 33c GWB n. F. steht im Einklang mit der Richtlinie. Auch bei einer vom Problem der Mehrfachhaftung losgelösten Betrachtung des Art. 14 RL lässt dieser sich mit einer Auslegung des § 33c II GWB n. F. als widerlegbare gesetzliche Vermutung nur schwer vereinbaren. Schon der Wortlaut des Art. 14 II RL, welcher überwiegend in § 33c II und III 1 GWB n. F übernommen wurde, legt eine Umsetzung als Anscheinsbeweis nahe.375 Die Übertragung der Grundsätze des Anscheinsbeweises auf eine gesetzliche Regelung ermöglicht es zudem, die teleologischen Vorgaben der Richtlinie zu berücksichtigen. Entsprechend Art. 14 I RL verbleibt die (objektive) Beweislast beim mittelbaren Abnehmer. Gleichzeitig hat § 33c II GWB n. F. bei einer Auslegung als gesetzlicher Anscheinsbeweis eine beweisschaffende Wirkung. Diese Art der Beweiserleichterung stimmt mit Art. 14 II RL überein, wonach „[…]davon ausgegangen [wird], dass der mittelbare Abnehmer den Beweis dafür, dass eine Abwälzung auf den mittelbaren Abnehmer stattgefunden hat, erbracht hat […].“ Einer gesetzlichen Vermutung wäre hingegen als Beweislastregel immanent, dass die Weiterwälzung nicht bewiesen worden und damit unaufklärbar geblieben ist.376 Für eine intendierte besondere Behandlung der Abwälzung des Preisaufschlages spricht zudem der Vergleich zu Art. 17 II RL und dessen wortlautnaher Umsetzung in
372 Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633. So auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 343 f.; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 63 (im Kontext der RL), die dem mittelbaren Abnehmer diese Möglichkeit (insoweit unzutreffend) bei erfolgreicher Widerlegung der gesetzlichen Vermutung eröffnen wollen. 373 Vgl. schon S. 95 ff. 374 So wohl auch Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 63 (im Kontext der RL). 375 Vgl. schon die Ausführungen zur Auslegung des Art. 14 RL S. 152 ff. 376 Vgl. allgemein Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, S. 80 ff.
V. Konsequenzen der geänderten Verteilung der Darlegungs- und Beweislast
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§ 33a II 1 GWB n. F., die deutlich eine Vermutung und deren Widerlegung bestimmen.377 (4) Fazit Die Ausführungen zeigen, dass § 33c III 1 GWB n. F. eine Einordnung als herkömmliche Verteidigungsmöglichkeit des Prozessgegners, Gegenbeweis oder Beweis des Gegenteils, gegen den als widerlegbare gesetzliche Vermutung zu qualifizierenden § 33c II GWB n. F. nicht zulässt. Will man dennoch an der Einordnung des § 33c II GWB n. F. als gesetzliche Vermutung festhalten, so ist dies, wenn auch nicht ohne Kritik, denkbar, sofern man § 33c III 1 GWB n. F. als „dritte“ Verteidigungsmöglichkeit des Kartellanten bzw. als eine vom Kartellanten zu beweisende Tatbestandsausnahme auffasst. Vorzugswürdig ist demgegenüber die Auslegung als gesetzlich normierter Anscheinsbeweis (§ 33c II GWB n. F.) und dessen Erschütterung durch den Gegenbeweis (§ 33c III 1 GWB n. F.). Eine unangemessene Benachteiligung des mittelbaren Abnehmers ist hiermit nicht verbunden. Ihm bleibt im Fall der Nichtanwendung dieses ihn privilegierenden Anscheinsbeweises die Möglichkeit, die Abwälzung des Preisaufschlages unabhängig von § 33c II GWB n. F. zu beweisen (beispielsweise unter Rückgriff auf die neu geschaffenen Offenlegungsansprüche).378 Das hiesige Verständnis führt zu einem gerechten Ausgleich zwischen den Interessen beider Parteien. Darüber hinaus soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob eine solche Auslegung daneben zwingend ist, um einen Zustand herzustellen, der dem Ziel der Richtlinie, eine Mehrfachhaftung des Kartellanten zu vermeiden, entspricht.
V. Konsequenzen der geänderten Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Kartellschadensersatzprozess für die Streitverkündungslösung des BGH Die durch die 9. GWB-Novelle eingeführten Änderungen im Hinblick auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess sind vor dem Hintergrund der bereits aufgezeigten Beweisschwierigkeiten der Geschädigten bei der Geltendmachung ihrer kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche erklärlich. Allerdings werfen die Vorschriften neue Problematiken auf bzw. verschärfen die bereits bestehenden. Im Folgenden soll deshalb der Frage nachgegangen werden, welche Auswirkungen sie auf die Streitverkündungslösung des BGH haben.
377 378
Vgl. auch Fritzsche, NZKart 2017, 630, 632. Vgl. auch Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633.
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D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
1. Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers und Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers Parallel zu den bereits angestellten prozessualen Überlegungen zur Situation vor der 9. GWB-Novelle soll zunächst auf diejenige Konstellation eingegangen werden, in der ein unmittelbarer Abnehmer im Vorprozess seinen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Kartellanten geltend macht und dieser dem mittelbaren Abnehmer im Rahmen des Prozesses den Streit verkündet. a) Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers Neben dem Hervorrufen der Interventionswirkung für den Folgeprozess soll die Streitverkündung nach der Intention des BGH in der Entscheidung ORWI im Erstprozess der Beschaffung von Informationen dienen.379 Die rein faktischen Probleme, wie die Vielzahl möglicher Streitverkündungsgegner und die vorgelagerte Ermittlung dieser, bleiben grundsätzlich bestehen.380 Zwar existiert nunmehr der Herausgabe- und Auskunftsanspruch des § 33g II 1 bzw. X i. V. m. II 1 GWB n. F.381 Jedoch nützt dieser dem Kartellanten nur, sofern der unmittelbare Abnehmer bzw. ein Dritter die erforderlichen Informationen besitzt.382 Daher dürfte, insbesondere wenn es sich bei den mittelbaren Abnehmern um Verbraucher handelt, dieser Anspruch die Ermittlungsproblematik kaum lösen.383 aa) Beweisrechtliche Überlegungen Auch nach der 9. GWB-Novelle beanspruchen die allgemeinen Grundsätze des zivilprozessualen Beweisrechts weiterhin Geltung.384 Der klagende unmittelbare Abnehmer muss für eine erfolgreiche Geltendmachung seines Schadensersatzanspruches gemäß § 33a I i. V. m. § 33 I GWB n. F. i. V. m. der jeweils einschlägigen Verbotsnorm zunächst Tatsachen nachweisen, aus denen sich der Verstoß gegen die Norm durch den Beklagten ergibt. Es gilt insoweit das Beweismaß des § 286 I ZPO.385 Häufig wird es sich bei der Klage des unmittelbaren Abnehmers um eine Follow-on-Klage handeln, so dass, sofern der Beklagte Adressat der Ent-
379
BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 72 f.; vgl. auch Inderst/ Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 388 f. Zur Kritik an dieser Rspr. vgl. schon oben S. 123 ff. 380 Vgl. schon S. 110 f. 381 Vgl. auch Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 391. 382 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 391. 383 Ähnlich Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 391. 384 Vgl. auch LMRKM/Kersting, § 33a GWB Rn. 89 u. die Ausführungen oben auf den S. 111 f. 385 LMRKM/Kersting, § 33a GWB Rn. 89.
V. Konsequenzen der geänderten Verteilung der Darlegungs- und Beweislast
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scheidung im Sinne des § 33b GWB n. F. ist, die Begehung des Kartellverstoßes durch diesen bindend für den Schadensersatzprozess feststeht.386 Für den haftungsbegründenden Tatbestand ist daneben weiterhin die Betroffenheit im Sinne des § 33 I, III GWB n. F. sowie das Verschulden, erforderlich. Für beide gilt das Beweismaß des § 286 I ZPO. Es ergeben sich im Hinblick auf die prozessuale Situation keinerlei Unterschiede zur alten Rechtslage.387 Neuerungen bestehen hingegen hinsichtlich des haftungsausfüllenden Tatbestandes. Zugunsten des unmittelbaren Abnehmers greift die widerlegbare gesetzliche Vermutung des § 33a II 1 GWB n. F. Dies bedingt, dass der unmittelbare Abnehmer lediglich die Vermutungsbasis des § 33a II 1 GWB n. F. behaupten und gegebenenfalls zur vollen richterlichen Überzeugung beweisen muss. Häufig wird ihm der Nachweis des Vorliegens eines Kartells im Sinne des § 33a II 2 GWB n. F. durch die Bindungswirkung des § 33b GWB n. F. erleichtert werden, sofern der insoweit festgestellte Verstoß sich unter die Definition des § 33a II 2 GWB n. F. subsumieren lässt.388 Als Rechtsfolge wird sodann kraft Gesetzes vermutet, dass bei dem klagenden unmittelbaren Abnehmer ein kausaler Preisüberhöhungsschaden eingetreten ist („Ob“ des Schadens). Die Kartellbefangenheit ist nach dem hiesigen Verständnis von der Vermutung umfasst, weil die Vermutung dahingehend auszulegen ist, dass jedes Rechtsgeschäft des beklagten Kartellanten, das in den abstrakten Anwendungsbereich des Kartells fällt, von dessen preissteigernden Wirkungen erfasst wurde.389 Da häufig das Vorliegen eines Kartells (Vermutungsbasis) kraft Bindungswirkung feststehen wird, bleibt dem Kartellanten nur die Möglichkeit, den Beweis des Gegenteils zu führen.390 Hat der Beklagte dem mittelbaren Abnehmer den Streit verkündet und ist dieser zudem auf Seiten des Kartellanten beigetreten, so ist von dessen Seite jedoch keine Unterstützung in Bezug auf die Widerlegung der Vermutung zu erwarten. Denn insofern sind die Interessen von Kartellteilnehmer und mittelbarem Abnehmer schon nicht gleichgerichtet, da letzterer für seinen eigenen Anspruch auf Ersatz seines Preisüberhöhungsschadens gerade der Bejahung eines kartellbedingten Preisaufschlages auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers bedarf.391 Zwar kommt gegebenenfalls ein Anspruch auf Herausgabe bzw. Auskunft gemäß § 33g II 1 (i. V. m. X) GWB n. F. gegen den mittelbaren Abnehmer als Dritten in Betracht.392 Allerdings wäre hierfür Voraussetzung, dass der mittelbare Abnehmer über derartige 386
Vgl. schon S. 168 f., 114 und 43 mit den entsprechenden Nachweisen. Vgl. schon S. 114 f. u. 168 ff. 388 Vgl. schon S. 171. 389 Vgl. (auch zum Zusammenspiel mit § 33a II 4 GWB n. F.) S. 173 ff. 390 Vgl. Oppolzer/Seifert, WuW 2019, 71, 77. 391 Vgl. schon S. 117. 392 Zur RL vgl. auch Kirchhoff, WuW 2015, 952 f.; auf § 33g II GWB n. F. für die Widerlegung der Vermutung allgemein hinweisend Fritzsche, NZKart 2017, 581, 583. 387
200
D. Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWB-Novelle
Informationen überhaupt verfügt. Auf dessen Seite besteht jedoch gerade ein Informationsdefizit, über das unter anderem § 33a II 1 GWB n. F. hinweghelfen soll.393 Vermutet wird lediglich der kartellbedingte Eintritt des Schadens, so dass der unmittelbare Abnehmer weiterhin die Schadenshöhe nachweisen muss.394 Insoweit bestimmt § 33a III 1 GWB n. F. die Anwendung des § 287 ZPO. Dieser würde allerdings auch ohne einen entsprechenden Verweis zur Anwendung gelangen.395 Der unmittelbare Abnehmer muss Anknüpfungstatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, um so eine gerichtliche Schätzung zu ermöglichen.396 Der Kartellant hat sodann die Möglichkeit, sich auf den Einwand der Schadensabwälzung zu berufen. Der Wortlaut des § 33c I 2 GWB n. F. bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass es sich um eine Frage der Vorteilsausgleichung handelt, wonach der zunächst entstandene Schaden des Abnehmers später ausgeglichen wird.397 Der Kartellant trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der kartellbedingt eingetretene Preisaufschlag auf den mittelbaren Abnehmer abgewälzt wurde. Ihm selbst kommt § 33c II GWB n. F. nicht zugute, da dieser ausdrücklich nur zugunsten eines mittelbaren Abnehmers greift.398 Jedoch findet sich in der Begründung zum Regierungsentwurf zur 9. Novellierung des GWB in den Ausführungen zu § 33c III GWB n. F. folgende Passage: „Die Vermutung nach Absatz 2 kann sich je nach Konstellation zum Nachteil des Schädigers oder der aus Sicht des mittelbaren Abnehmers, zu dessen Gunsten die Vermutung wirkt, jeweils vorgelagerten Marktstufe auswirken.“399 Überlegenswert wäre, ob der Gesetzgeber hierbei nicht derartige Fallkonstellationen vor Augen hatte, in denen der mittelbare Abnehmer auf Seiten des Kartellteilnehmers als Streitverkündungsgegner dem Prozess beitritt. Denn die Regelung des § 33c II GWB n. F. vermag sich ansonsten nicht zu Lasten der vorgelagerten Marktstufe auszuwirken, da der mittelbare Abnehmer regelmäßig keinen Anspruch gegenüber dem vorgelagerten Abnehmer hat, sondern lediglich gegenüber dem Kartellanten.400 393
Vgl. schon die entsprechenden Überlegungen zum unmittelbaren Abnehmer S. 176 f. Vgl. nur Erwägungsgrund 47 der RL; BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 57; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 155. 395 Vgl. auch Oesterreich, BB 2017, 1865, 1868. 396 Vgl., insbesondere auch zu der Frage, ob § 33a II GWB n. F. hieran etwas ändert, Inderst/ Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 278 sowie schon die Ausführungen oben S. 76 f. 397 Vgl. schon S. 164 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 152. 398 Vgl. schon S. 181. 399 BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 59. 400 Denkbar wäre ein solcher Nachteil für den vorgelagerten Abnehmer daneben i. R. d. sog. Hinterlegungslösung zur Vermeidung einer Mehrfachhaftung (vgl. Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 274; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 956 f.; Zwade/Konrad, WuW 2020, 114, 116 f.). Dass hierauf die Begründung zum Regierungsentwurf, wie schon 394
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§ 33c II GWB n F. könnte also in einer solchen Streitverkündungskonstellation Anwendung finden, weil derartige bindende Feststellungen dem mittelbaren Abnehmer im Folgeprozess zugutekommen würden. Allerdings würde bei einer solchen Anwendung der Kartellant von der Vorschrift profitieren, was der Intention des Gesetzgebers zuwiderliefe, der dies (in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Richtlinie)401 ausdrücklich ablehnt.402 Der Kartellant muss damit darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der unmittelbare Abnehmer einen Weiterverkaufspreis tatsächlich erzielt hat. Darüber hinaus muss ein Kausalzusammenhang vom Kartellverstoß hin zum Eintritt des Vorteils bestehen. Nach hiesigem Verständnis ist bereits unter Geltung der Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle kein Vortrag des Kartellanten zum Nichteintritt eines etwaigen entgangenen Gewinns des unmittelbaren Abnehmers erforderlich.403 Dies ergibt sich nunmehr ebenfalls aus § 33c I GWB n. F.404 Ist der mittelbare Abnehmer auf Seiten des Kartellteilnehmers beigetreten, so kann er zu dessen Behauptungen vortragen. Allerdings stellt sich hieran anknüpfend die Frage, ob weiterhin die bereits zum Verhältnis der Informationserlangung von Seiten des mittelbaren Abnehmers und der Annahme einer sekundären Darlegungslast des unmittelbaren Abnehmers angestellten Überlegungen gelten oder ob die sekundäre Darlegungslast von den neu geschaffenen Offenlegungsvorschriften abgelöst wurde.405 bb) Das Verhältnis von sekundärer Darlegungslast und neuen Offenlegungsmöglichkeiten Der neue materiell-rechtliche Offenlegungsanspruch sowie die dazugehörigen prozessualen Vorschriften werfen eine ganze Reihe von Fragen auf. Umstritten ist nicht nur der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschriften,406 sondern ungeklärt ist die BegrRefE v. 1. 7. 2016, S. 57 abzielte, erscheint jedoch fernliegend. Ähnliche Überlegungen schon bei Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 159 f. 401 Art. 14 II RL bezieht sich nur auf Art. 14 I RL, nicht jedoch auf Art. 13 RL, der die Einwendung der Abwälzung des Preisaufschlages regelt. Vgl. auch Kersting, in: Kersting/ Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 159. 402 Vgl. S. 181. 403 Vgl. S. 89 ff. 404 Vgl. S. 161 f. 405 Vgl. allgemein schon die Ausführungen zur Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle S. 120 ff. 406 Vgl. nur die Entscheidungen des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 3.4.2018 – VI-W (Kart) 2/ 18, NZKart 2018, 228 – Herausgabe von Beweismitteln; Beschl. v. 7.5.2018 – VI-W (Kart) 2/ 18, NZKart 2018, 275 – Herausgabe von Beweismitteln II) sowie Lahme/Ruster, NZKart 2019, 645. In § 186 IV GWB n. F. wird nun mit dem, mit Wirkung vom 19. 1. 2021 eingefügten, Einschub „unabhängig vom Zeitpunkt der Entstehung der Schadensersatzansprüche“ eindeutig Position bezogen.
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auch das Zusammenspiel von materiellen und prozessualen Komponenten.407 Auf all dies soll nicht vertieft eingegangen werden. Es wird lediglich der Frage nachgegangen, ob aufgrund der neuen gesetzlichen Regelungen für die sekundäre Darlegungslast des unmittelbaren Abnehmers kein Anwendungsbereich mehr verbleibt. Sekundäre Darlegungslast und materiell-rechtlicher408 Offenlegungsanspruch409 dienen vordergründig beide dem Ziel der Erlangung von Informationen durch die gegnerische Partei. Während die sekundäre Darlegungslast jedoch lediglich auf ein substantiiertes Bestreiten durch den Prozessgegner abzielt, ist der materiell-rechtliche Anspruch hierauf nicht beschränkt, sondern verlangt vielmehr die Herausgabe von Beweismitteln bzw. die Erteilung von Auskünften.410 Die Problematik des Zusammenspiels von sekundärer Darlegungslast und materiell-rechtlichen Ansprüchen auf Offenlegung ist keine Besonderheit des Kartellrechtes. Sie besteht stets, wenn diese aufeinandertreffen.411 So wird teilweise dem materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch der Vorrang eingeräumt, weil die sekundäre Darlegungslast erst greife, sofern die beweisbelastete und primär darlegungspflichtige Partei alles Erforderliche getan habe, um selbst Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen zu erlangen. Hierzu zähle eben auch die Geltendmachung von materiell-rechtlichen Auskunftsansprüchen gegenüber dem Prozessgegner.412 Umgekehrt wird ebenfalls vertreten, dass primär auf die sekundäre Darlegungslast abzustellen sei (sofern sich der Auskunftsanspruch lediglich aus Treu und Glauben ergebe), da sie weniger in die Rechte des Prozessgegners eingreife als ein eigenständig einklagbarer Anspruch.413
407
Vgl. hierzu Lahme/Ruster, NZKart 2019, 645, 648 ff.; Seifert, NZKart 2020, 350, 351 f. § 33g II GWB n. F. normiert wohl einen materiell-rechtlichen Anspruch (vgl. nur BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 65 f.; Preuß, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 10, S. 259), hat aber gleichwohl auch eine prozessuale Färbung (vgl. Immenga/Mestmäcker/Bach, § 33g GWB Rn. 2). 409 Die Bezeichnung dient als Oberbegriff für den Anspruch auf die Herausgabe von Beweismitteln und denjenigen auf die Erteilung von Auskünften (vgl. nur Bach/Wolf, NZKart 2017, 285, 286 unter Verweis auf Artt. 5 u. 6 RL). Dabei liegt dem Begriff „Offenlegung“ eigentlich ein engeres Verständnis zugrunde. Vgl. hierzu Kern, Urkundenvorlage bei Kartellschadensklagen, S. 133 sowie schon die Ausführungen oben auf S. 151. 410 Vgl. Thole, ZWeR 2017, 339, 354. Vgl. darüber hinaus die Ausführungen zur sekundären Darlegungslast oben auf den S. 120 ff. 411 Streng genommen kann daher bereits das Verhältnis von sekundärer Darlegungslast und einem Auskunftsanspruch aus § 242 BGB für die Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle diskutiert werden. Dies setzt allerdings voraus, dass ein solcher in der konkreten Situation besteht. Vgl. zum materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB: Lahme, Die Eignung des Zivilverfahrens, S. 229 ff. 412 So Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 22 Rn. 30. 413 So Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 66. 408
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Allerdings liegt diesen divergierenden Ansichten vorrangig die Frage nach dem Verhältnis von vorprozessualem Auskunftsanspruch des Klägers und sekundärer Darlegungslast des Beklagten zugrunde.414 Für die kartellrechtliche Fallgestaltung besteht insofern die Besonderheit, dass der relevante Offenlegungsanspruch des Kartellanten gemäß § 33g II 1 (i. V. m. X) GWB n. F. die Rechtshängigkeit eines Rechtsstreits (über einen Offenlegungsanspruch nach § 33g I GWB n. F. bzw.) über einen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch zur Voraussetzung hat. Es handelt sich also um einen Anspruch des Beklagten, der zudem gerade nicht vorprozessual zur Vorbereitung einer Verteidigung gegen eine Schadensersatzklage erhoben werden kann, wenn diese bereits rechtshängig ist.415 Im Gegensatz zur sekundären Darlegungslast, die auf die innerprozessuale Situation beschränkt ist, kann der materiell-rechtliche Offenlegungsanspruch des Kartellanten, auch wenn er die Rechtshängigkeit eines Rechtsstreits voraussetzt, außerprozessual geltend gemacht werden.416 Ist die Schadensersatzklage des unmittelbaren Abnehmers bereits rechtshängig, so erscheint demgegenüber die Erhebung einer Widerklage vorzugswürdig.417 Daneben kann das Gericht im Rahmen des Schadensersatzprozesses gemäß § 89b I, II GWB n. F. i. V. m. § 142 ZPO i. V. m. § 33g GWB n. F. die Offenlegung anordnen.418 Auch für die gerichtliche Anordnung bedarf es allerdings des Vorliegens der Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Anspruches im Sinne des § 33g GWB n. F.419 Dieser hat neben der Rechtshängigkeit die Erforderlichkeit zur Voraussetzung.420 „Zur Verteidigung erforderlich ist das Beweismittel, wenn es hierzu geeignet ist und der Anspruchsteller den Beweis nicht auf andere Weise führen kann […].“421 Besteht für den Kartellanten eine einfachere und gleichsam zumutbare Möglichkeit das Beweismittel bzw. die Auskunft zu erhalten, so ist er auf diese zu verweisen.422 Die sekundäre Darlegungslast könnte sich insoweit als die vermeintlich einfachere Lösung darstellen. Andererseits wird auch die sekundäre Darlegungslast der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei nicht voraussetzungslos auferlegt. Vielmehr muss die se414 Vgl. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 22 Rn. 30; Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch, S. 65 f. 415 Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33g GWB Rn. 15. 416 Vgl. auch Preuß, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 10, S. 259; Seifert, NZKart 2020, 350, 352; a. A. Immenga/Mestmäcker/Bach, § 33g GWB Rn. 68; Kern, Urkundenvorlage bei Kartellschadensklagen, S. 128 f. 417 Vgl. auch LMRKM/Preuß, § 33g GWB Rn. 74. 418 Vgl. BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 113; Seifert, NZKart 2020, 350, 351. 419 Lahme/Ruster, NZKart 2019, 645, 648; Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, § 89b GWB Rn. 3 u. Rn. 8. 420 Vgl. nur LMRKM/Preuß, § 33g GWB Rn. 73 ff. 421 Preuß, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 10, S. 259. 422 Preuß, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 10, S. 254 f.
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kundäre Darlegung erforderlich und zumutbar sein. Die Erforderlichkeit verlangt die fehlende eigene Kenntnis der primär darlegungs- und beweisbelasteten Partei. Diese muss grundsätzlich alle Möglichkeiten ausschöpfen, um selbst an die relevanten Informationen zu gelangen. Der BGH stellte in der Entscheidung ORWI hierbei die Informationserlangung von Seiten des mittelbaren Abnehmers in den Vordergrund.423 Es könnte deshalb ebenso argumentiert werden, dass nunmehr ebenfalls vorrangig auf den materiell-rechtlichen Offenlegungsanspruch gegenüber dem mittelbaren sowie dem unmittelbaren Abnehmer abzustellen ist.424 Vorzugswürdig erscheint jedoch eine Handhabung, bei der beide Vorgehensweisen ineinander greifen.425 Befindet sich der Kartellant in einer prozessualen Situation, in der er die Abwälzung des Preisaufschlages an den/die mittelbaren Abnehmer nur behaupten, aber nicht substantiiert hierzu vortragen kann,426 so wird er kaum die Beweismittel so genau bezeichnen können, wie dies § 33g II 1 GWB n. F. verlangt.427 § 33g GWB n. F. entbindet ihn nicht von jeglicher Substantiierung seines Vortrages.428 Insofern hilft ihm die sekundäre Darlegungslast des unmittelbaren Abnehmers, die sich vorerst darin erschöpft, dem Kartellanten mitzuteilen, wer seine eigenen Abnehmer (die mittelbaren Abnehmer) sind.429 Dass von Letzteren als auf Seiten des Kartellanten beigetretenen Streitverkündungsgegnern nur wenige Informationen generiert werden können und dies auch nur in bestimmten Fallgestaltungen, wurde bereits für die Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle erläutert.430 Die Ausführungen behalten weiterhin Gültigkeit. Der Kartellant hat daneben gegebenenfalls einen Offenlegungsanspruch gemäß § 33g II 1 (i. V. m. X) GWB n. F. gegen den mittelbaren Abnehmer.431 Verfügt dieser jedoch über keine Informationen, so geht auch der materiell-rechtliche Anspruch ins Leere. In einem zweiten Schritt ist deshalb auf ein Vorgehen gemäß den neuen Vorschriften des GWB gegen den unmittelbaren Abnehmer abzustellen. Bei dem un423
Vgl. bereits die Ausführungen auf den S. 120 ff. So wohl Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 373. 425 Auch nach Auffassung von LMRKM/Kersting, § 33c GWB Rn. 27 u. Thole, ZWeR 2017, 339, 355 sperren die neu geschaffenen Ansprüche nicht die sekundäre Darlegungslast. So wohl auch FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 34 f. 426 Vgl. auch Thole, ZWeR 2017, 339, 354. 427 Selbst wenn man insoweit die Anforderungen an die Bezeichnung von Beweismitteln entsprechend den Vorschlägen von Bach/Wolf, NZKart 2017, 285, 288 f. sehr niedrig ansetzt. Kritisch hierzu Ruster, in: Stancke/Weidenbach/Lahme, Kartellrechtliche Schadensersatzklagen, Kap. G Rn. 69 f. Auch für die gerichtliche Anordnung der Offenlegung ist es erforderlich, dass die Partei auf das Beweismittel Bezug nimmt (Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, § 89b GWB Rn. 3). 428 Vgl. LG Stuttgart Urt. v. 12.12.2019 – 30 O 27/17, juris-Rn. 121 – LKW-Kartell (juris). 429 Vgl. schon S. 127. 430 Vgl. S. 113 ff. 431 Vgl. schon S. 198. 424
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mittelbaren Abnehmer handelt es sich gerade um diejenige Person, die über die für eine erfolgreiche Vorteilsausgleichung relevanten Informationen verfügt. Das Merkmal der Erforderlichkeit im Sinne des § 33g II 1 GWB n. F. dürfte dabei erfüllt sein, wenn der Kartellant anderweitig keinerlei relevante Informationen erlangt.432 Über die Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 33g III GWB n. F. können im Hinblick auf den Offenlegungsanspruch die berechtigen Interessen des unmittelbaren Abnehmers im Einzelfall gewahrt bleiben. Anders als bei der Prüfung der Zumutbarkeit der sekundären Darlegungslast für den unmittelbaren Abnehmer als Prozessgegner sind hierbei die Interessen aller Beteiligten, also neben denjenigen der Prozessparteien wohl auch die Interessen Dritter, zu berücksichtigen.433 Für eine erneute Rückkehr zur sekundären Darlegungslast verbleiben im Wesentlichen diejenigen Konstellationen, in denen der Offenlegungsanspruch, beispielsweise wegen Unmöglichkeit, ausgeschlossen ist.434 Vereitelt der unmittelbare Abnehmer die Herausgabe bzw. die Auskunft vorsätzlich oder grob fahrlässig, so steht dem Kartellanten zwar gemäß § 33g VIII GWB n. F. ein Schadensersatzanspruch zu. Dies hilft dem Kartellanten jedoch nicht über den Nachweis der Vorteilsausgleichung hinweg.435 Unter Umständen kann ein solches Verhalten im Rahmen der Beweiswürdigung Berücksichtigung finden.436 Dies gilt allerdings nicht, sofern der Anspruch in einem gesonderten Verfahren geltend gemacht worden ist.437 Kommt der Prozessgegner hingegen der sekundären Darlegungslast nicht nach (insoweit wird substantiiertes Bestreiten verlangt), obwohl er die relevanten Informationen hat bzw. haben müsste, so gilt das Vorbringen der primär darlegungs- und beweisbelasteten Partei als zugestanden.438 Lagen die Voraussetzungen eines Offenlegungsanspruches vor und ist keiner der Ausschlusstatbestände des § 33g GWB n. F. einschlägig, so dürften zudem an der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der sekundären Darlegungslast keine Zweifel bestehen.439 Behauptet der Beklagte eine
432
Vgl. S. 203. Vgl. Immenga/Mestmäcker/Bach, § 33g GWB Rn. 75 sowie Art. 5 III RL, der ausdrücklich die berechtigten Interessen der betroffenen Dritten nennt. Vgl. auch die Ausführungen oben S. 127. 434 Vgl. auch LG Stuttgart Urt. v. 14.12.2018 – 30 O 26/17, BB 2019, 147 f. 435 Vgl. Galle/Popot-Müller, NZKart 2019, 317, 318 zum parallelen Problem des Geschädigten, wenn dessen Anspruch gem. § 33g I GWB n. F. vereitelt wird. 436 Vgl. zu den hiermit verbundenen Nachteilen Kern, Urkundenvorlage bei Kartellschadensklagen, S. 91 f. u. S. 158 ff. 437 Vgl. auch Lahme, Die Eignung des Zivilverfahrens, S. 242. 438 Vgl. schon S. 152 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 58 u. 59. Der unmittelbare Abnehmer muss eine fehlende Abwälzung hingegen nicht de facto beweisen. So aber Zwade/ Konrad, WuW 2020, 114, 116. 439 Nach FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 35 a. E. sind sowohl der materiell-rechtliche Anspruch als auch die sekundäre Darlegungslast durch die Erforderlichkeit und die Interessenabwägung geprägt. 433
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vollständige Abwälzung des Preisaufschlages, so ist sie als zugestanden anzusehen, § 138 III ZPO.440 Die neuen gesetzlichen Regelungen vermögen damit die sekundäre Darlegungslast nicht abzulösen. Vielmehr ergänzen sich beide. Durch den neu geschaffenen Offenlegungsanspruch tritt das Bestreben in den Vordergrund, demjenigen den Schaden zu ersetzen, bei dem er letztendlich tatsächlich verblieben ist.441 Dies wirkt sich potentiell zu Lasten des Geheimnisschutzes des unmittelbaren Abnehmers aus und kann deshalb als Reflex eine abschreckende Wirkung im Hinblick auf die Klageerhebung durch diesen haben.442 Diese Interessenverschiebung gegenüber der ORWI-Rechtsprechung443 ist jedoch von der Richtlinie bzw. durch den diese umsetzenden § 33g GWB n. F. intendiert und zugunsten einer Zuordnung des Schadens zum tatsächlich Geschädigten hinzunehmen.444 b) Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers Im Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers wird nunmehr das Zusammenspiel von Interventionswirkung und § 33c GWB n. F. virulent. Wie schon unter geltender Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle beschränkt sich die Problematik auf die Abwälzung des Preisaufschlages, die im Erstprozess unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung als Einwendung des Kartellanten und im Folgeprozess für die Schadensbegründung des mittelbaren Abnehmers Bedeutung erlangt.445 aa) Auslegung des § 33c II GWB n. F. als widerlegbare gesetzliche Vermutung Versteht man § 33c II GWB n. F. als widerlegbare gesetzliche Vermutung, so führt dies nicht nur zu Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit § 33c III 1 GWB n. F.446 Daneben hat ein solches Verständnis gravierende Auswirkungen für den Kartell-
440 Vgl. LG Stuttgart Urt. v. 14.12.2018 – 30 O 26/17, BB 2019, 147; Galle/Popot-Müller, NZKart 2019, 317, 319. 441 Vgl. allgemein zu diesem Ziel der RL Schweitzer, NZKart 2014, 335, 339; Bues/ Fritzsche, DB 2014, 2881, 2882; Woeste, ZWeR 2018, 392, 393 sowie Art. 12 II RL. 442 Vgl. im Kontext der RL: Makatsch/Mir, EuZW 2015, 7, 12; Kühne/Woitz, DB 2015, 1028, 1030; Ohlhoff, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, § 26 Rn. 227. 443 Annahme einer sekundären Darlegungslast nur in Ausnahmefällen unter Inkaufnahme der Ersetzung eines Preisüberhöhungsschadens des unmittelbaren Abnehmers, der tatsächlich den Preisaufschlag an seine eigenen Abnehmer weitergegeben hat. Vgl. schon S. 127. 444 Vgl. auch Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633. 445 Vgl. schon S. 129. 446 Vgl. S. 185 ff.
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teilnehmer, sofern er von Abnehmern verschiedener Absatzstufen in Anspruch genommen wird.447 (1) Die Problematik der Mehrfachhaftung Relevant für eine potentielle Mehrfachhaftung des Kartellanten sind dabei zwei Fallgestaltungen.448 Zum einen kann zur Überzeugung des Gerichts des Erstprozesses feststehen, dass der kartellbedingte Preisaufschlag nicht an die mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde.449 Eine Nichtabwälzung kommt beispielsweise in Betracht bei einer „[…] nur kurze[n] Dauer des Kartells zusammen mit Rigiditäten bei der Preisanpassung der betroffenen Unternehmen, wie sie sich aus langfristigen Verträgen ergeben können.“450 Mag es sich hierbei auch um eine Entscheidung handeln, die das Gericht regelmäßig so nicht treffen wird,451 so sind dennoch die Konsequenzen dessen für den Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers zu klären. Zum anderen kann die Vorteilsausgleichung versagt werden, weil nicht geklärt werden konnte, ob der Preisaufschlag weitergewälzt wurde (non-liquet) und deshalb nach der Verteilung der objektiven Beweislast entschieden werden muss. Diese trägt im Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers der Kartellant im Hinblick auf die Abwälzung des kartellbedingten Preisaufschlages.452 Die Interventionswirkung führt nun dazu, dass der mittelbare Abnehmer im Folgeprozess mit einem Vorbringen dahingehend ausgeschlossen ist, dass der Erstprozess unrichtig entschieden worden sei (§ 74 III i. V. m. § 68 Hs. 1 ZPO) sowie grundsätzlich, dass die Hauptpartei den Erstprozess mangelhaft geführt habe (§ 74
447
Hinsichtlich der nachfolgenden Ausführungen vgl. auch die Darstellung der Problematik bei Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 394 ff.; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 956 (im Kontext der RL); Thole, ZWeR 2017, 339, 348 ff.; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 75 ff. (im Kontext der RL). 448 Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 394; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 76 sowie bereits oben S. 129 f. 449 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 394 f.; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 76. 450 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 315. 451 So Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 73; FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 62, die annehmen, dass in einem solchen Fall das Gericht eine Entscheidung aufgrund der Verteilung der objektiven Beweislast (Beweisfälligkeit des Beklagten) treffen wird. Eine solche Entscheidung sollte jedoch nur im Fall eines non-liquet getroffen werden, da es einen Unterschied macht, ob das Gericht vom Gegenteil überzeugt ist oder keine Überzeugung bilden konnte (vgl. Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 14 f.; a. A. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 2 Rn. 3 u. 6). Nach FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 62 soll nunmehr aufgrund von Art. 15 I RL ein Urteil auch eine Aussage zum Gegenteil enthalten. 452 Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 73; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 394 f.; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 954 f.; Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 76.
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III i. V. m. § 68 Hs. 2 ZPO).453 Die Feststellung, dass der Preisaufschlag nicht abgewälzt wurde bzw. dass diese Tatsache unaufklärbar ist, ist für den Folgeprozess bindend, da dies für die streitverkündende Hauptpartei günstig ist.454 Dem mittelbaren Abnehmer ist damit grundsätzlich die Behauptung verwehrt, der Preisaufschlag sei auf ihn abgewälzt worden. Jedoch ist der neu eingefügte § 33c II GWB n. F. zu berücksichtigen. Versteht man diesen als widerlegbare gesetzliche Vermutung, so hat der mittelbare Abnehmer lediglich die Vermutungsbasis (die Voraussetzungen der Nummern eins bis drei) darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.455 Denn die gesetzliche Vermutung bedingt eine Verschiebung des Beweisthemas.456 Diese Voraussetzungen des § 33c II GWB n. F. berühren die Abwälzung des Preisaufschlages nicht. Der mittelbare Abnehmer behauptet insoweit weder, der Erstprozess sei unrichtig entschieden worden, noch die Hauptpartei habe diesen mangelhaft geführt. Einzig in Bezug auf die dritte Voraussetzung des § 33c II GWB n. F. kann etwas anderes gelten, sofern im Erstprozess bereits festgestellt wurde, dass der unmittelbare Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen nicht weiterveräußert hat. Liegen die Voraussetzungen vor, so wird vermutet, dass der Preisaufschlag dem Grunde nach auf den mittelbaren Abnehmer abgewälzt wurde. Diese Rechtsfolge tritt kraft Gesetzes ein. Der mittelbare Abnehmer muss noch nicht einmal die Abwälzung behaupten.457 Die Interventionswirkung kann damit nicht verhindern, dass die Vermutung Anwendung findet.458 In demjenigen Fall, in dem das Gericht des Erstprozesses davon überzeugt war, dass der Preisaufschlag nicht abgewälzt wurde, dürften dem Kartellanten jedoch die Informationen aus dem Erstprozess dabei helfen, die Vermutung zu widerlegen.459 Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass der mittelbare Abnehmer aufgrund der Interventionswirkung wohl insoweit mit jeglichem Vorbringen ausgeschlossen ist, da er schon durch einfaches Bestreiten der Nichtabwälzung inzident behaupten würde, dass der Erstprozess unrichtig entschieden worden sei. Da damit für die Widerlegung der Vermutung die bloße und insoweit nicht bestreitbare Behauptung des Kartellanten, der Preisaufschlag sei nicht oder nicht vollständig an den mittelbaren Ab453
Vgl. schon S. 107. Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 393. 455 Vgl. S. 183 ff. 456 BGH, Urt. v. 24.1.1951 – II ZR 23/50, NJW 1951, 397, 398; Wieczorek/Schütze/Assmann, § 292 ZPO Rn. 29; Guggenbühl, Die gesetzlichen Vermutungen, S. 72 f.; Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 27 Rn. 4. 457 Die vermutete Tatsache muss nach wohl h. M. nicht behauptet werden. Vgl. nur MüKoZPO/Prütting, § 292 Rn. 23; Stein/Jonas/Thole, § 292 ZPO Rn. 20. 458 A. A. im Kontext des Art. 14 II RL wohl Drixler, Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen, S. 279 f. 459 Vgl. zu den Verteidigungsmöglichkeiten des Kartellanten S. 185 ff. 454
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nehmer weitergegeben worden genügen müsste, ist die Gefahr einer Mehrfachhaftung in diesem Fall wohl eher theoretischer Natur. Zwar bliebe dem Kartellteilnehmer auch im Fall des non-liquet im Erstprozess die Möglichkeit der Verteidigung.460 Der Versuch, die Vermutungsbasis mit dem Gegenbeweis anzugreifen, ist aber regelmäßig nicht erfolgsversprechend, da der Kartellverstoß vielfach mit Bindungswirkung feststeht (§ 33c II Nr. 1 GWB n. F.), für den kartellbedingten Preisaufschlag auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers die gesetzliche Vermutung des § 33a II 1 GWB n. F. streitet (§ 33c II Nr. 2 GWB n. F.) und der Erwerb von Waren oder Dienstleistungen im Sinne des § 33c II Nr. 3 GWB n. F. für den mittelbaren Abnehmer leicht nachweisbar ist.461 Erneut bliebe es für den Beklagten beim Beweis des Gegenteils. Konnte der Kartellteilnehmer jedoch im Erstprozess die Abwälzung schon nicht nachweisen und der Richter insoweit keine Überzeugung bilden, so ist nicht ersichtlich, warum es dem Kartellanten nunmehr im Folgeprozess gelingen sollte, den Richter vom Gegenteil der vermuteten Tatsache zu überzeugen.462 Der Kartellant würde somit beide Prozesse aufgrund einer Beweislastenscheidung verlieren und dies, obwohl der kartellbedingte Preisaufschlag letztendlich nicht bei beiden Klägern vollständig als Preisüberhöhungsschaden verblieben sein kann.463 Die „[…] Urteile [würden sich] nur wirtschaftlich, aber nicht prozessrechtlich widersprechen […].“464 Diese Situation spitzt sich für den Kartellanten weiter zu, sofern mittelbare Abnehmer entfernterer Absatzstufen ebenfalls ihren Preisüberhöhungsschaden geltend machen.465 Denn auch zu ihren Gunsten greift die Vermutung des § 33c II GWB n. F.466 Die aufgezeigte Problematik wurzelt in der Richtlinie.467 Diese privilegiert den mittelbaren Abnehmer, anders als den Kartellanten, in dem sie lediglich Ersterem den Beweis im Hinblick auf die Abwälzung des Preisaufschlages erleichtert (Art. 14
460 § 33c III 1 GWB n. F. soll erneut, aufgrund der bereits aufgezeigten Problematik, in einem ersten Schritt unberücksichtigt bleiben. 461 Vgl. schon die Ausführungen auf den S. 183 ff. 462 Vgl. auch die Darstellung der Situation des doppelten non-liquet bei Kirchhoff, WuW 2015, 952, 954 f. 463 Kirchhoff, WuW 2015, 952, 955; vgl. auch Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWBNovelle, Kap. 7, S. 167; Berg/Mäsch/Mäsch, § 33c GWB Rn. 4; Stomper, WuW 2016, 410, 413 (im Kontext des RefE); Zwade/Konrad, WuW 2020, 114, 115. 464 Mallmann, in: Fuchs/Weitbrecht, PrivKartellRDurchs.-HdB, § 14 Rn. 136 unter Verweis auf Bornkamm, GRUR 2010, 501, 505 (dieser mit entsprechenden Überlegungen schon zum Weißbuch). 465 Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 69. 466 Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 69. Entsprechende Überlegungen schon zum Weißbuch: Bornkamm, GRUR 2010, 501, 504 f. 467 Vgl. nur Zwade/Konrad, WuW 2020, 114, 119.
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II RL).468 Es muss deshalb der Frage nachgegangen werden, ob die Richtlinie den oben dargestellten Zustand toleriert oder, ob dieser im Widerspruch zur Richtlinie steht und welche Konsequenzen das jeweilige gefundene Ergebnis nach sich ziehen würde. (2) Berücksichtigung der Zielsetzung der Richtlinie: Vermeidung einer Mehrfachhaftung des Kartellanten Die Gefahr einer Mehrfachhaftung des Kartellanten ist vom europäischen Gesetzgeber unzweifelhaft gesehen worden. Gleich an mehreren Stellen in der Richtlinie wird darauf eingegangen, dass es Mehrfachentschädigung (Art. 3 III RL), Überkompensation (Art. 12 II RL) und mehrfache Haftung (Art. 15 I RL) zu verhindern gilt.469 Dennoch strebt der europäische Gesetzgeber mit Art. 14 II RL gleichzeitig nur eine Beweiserleichterung für den mittelbaren Abnehmer an.470 Daher wäre in Betracht zu ziehen, dass die Richtlinie zwar grundsätzlich darauf abzielt, eine Mehrfachhaftung des Kartellanten zu vermeiden, gleichzeitig jedoch in Kauf nimmt, dass eine solche als Folge der durch den nationalen Gesetzgeber geänderten Verteilung der Beweislast im Einzelfall eintritt.471 In diese Richtung scheint eine im Schrifttum vertretene Ansicht zu tendieren, die eine mehrfache Haftung bei einem doppelten non-liquet für mit der Richtlinie vereinbar hält, da das Verbot der Mehrfachhaftung „[…] so auszulegen [sei], dass es sich nicht auf den einzelnen Schadensposten bezieht, sondern auf den durch den Kartellanten verursachten Gesamtschaden.“472 Als Gesamtschaden wird dabei der insgesamt in allen vertikalen Absatzketten von dem Kartellanten verursachte Schaden bezeichnet.473 Übersteige der Haftungsumfang des Kartellanten diesen Gesamtschaden, so könne sich der Kartellant auf eine anspruchsausschließende Einrede der Mehrfachhaftung berufen.474 Neben grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich einer entsprechenden Einrede475 ist eine solche Auslegung mit der Zielsetzung der Richtlinie erkennbar nicht in Einklang zu bringen. 468 Vgl. Zwade/Konrad, WuW 2020, 114, 119 sowie schon die Ausführungen oben auf S. 152 ff. 469 Vgl. schon S. 156 ff. 470 Vgl. S. 152 ff. 471 Im Ansatz ähnliche Überlegungen bereits bei Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 386 f., allerdings im Hinblick auf die Duldung dieses Risikos unter Geltung der 7. GWB-Novelle. 472 Zwade/Konrad, WuW 2020, 114, 119. 473 So Zwade/Konrad, WuW 2020, 114, 119. Vgl. auch Bulst, Schadensersatzansprüche der Marktgegenseite, S. 329 ff. Zur Kritik an einer solchen Berücksichtigung des Gesamtschadens vgl. schon (im Kontext der 7. GWB-Novelle) Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 389. 474 So Zwade/Konrad, WuW 2020, 114, 119. 475 Ließe man diese Einrede zu, so wäre der Anspruch eines tatsächlich Geschädigten dann ggf. ausgeschlossen, weil der Kartellteilnehmer bereits Schadensersatz an Abnehmer geleistet
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Die Richtlinie verfolgt das „[…] Ideal einer exakten Zuordnung des Preishöhenschadens […].“476 Damit steht die Kompensation des Schadens allein des tatsächlich Geschädigten im Vordergrund.477 Allgemein gilt: Je stärker die Tendenz einer Rechtsordnung den mittelbaren Abnehmern die (prozessuale) Geltendmachung ihrer Ansprüche zu erleichtern, umso eher überwiegt das Streben nach Kompensation den Präventionsaspekt.478 Die Situation des doppelten non-liquet führt nun dazu, dass entweder der unmittelbare oder aber der mittelbare Abnehmer einen Preisüberhöhungsschaden ersetzt bekommt, der tatsächlich ausgeglichen wurde bzw. den er tatsächlich gar nicht erlitten hat.479 Eine solche Konstellation der Überkompensation gilt es nach der Richtlinie jedoch gerade zu vermeiden. Anders als noch in der Entscheidung ORWI des BGH wird dem Interesse an der Verhinderung einer Nichthaftung des Kartellanten kein Vorrang vor der richtigen Zuordnung des Schadens zum tatsächlich Geschädigten gewährt.480 Daneben tritt das durch Art. 15 RL gesetzte und die genannten Bestrebungen in prozessualer Hinsicht ergänzende Ziel, sich widersprechende gerichtliche Entscheidungen effektiv zu verhindern.481 Nur diejenige nationale Umsetzung ist vor diesem Hintergrund richtlinienkonform, die diesen Zielsetzungen andere Belange unterordnet. Dem würde es widersprechen, einen Rechtszustand zu dulden, der dem beklagten Kartellanten mit der Streitverkündung ein ohnehin nur bedingt geeignetes und in Fällen des doppelten non-liquet (im Ausgangspunkt) untaugliches Mittel an die Hand gibt und damit eine Mehrfachhaftung nicht wirksam unterbindet. Will man dennoch die Streitverkündungslösung nicht aufgeben, so stellt sich die Frage, ob nicht unter geltender Rechtslage durch eine differenzierte Betrachtung der prozessualen Situation sowie des § 33c GWB n. F. ein richtlinienkonformer Zustand hergestellt werden kann.
hat, deren Schaden durch die Abwälzung des Preisaufschlages ausgeglichen wurde bzw. die tatsächlich gar nicht geschädigt wurden. Der tatsächlich Geschädigte ginge damit allein deshalb leer aus, weil er seine Ansprüche zeitlich nachgelagert geltend machen würde. Zwade/Konrad, WuW 2020, 114, 119 Fn. 62 halten dieses Prioritätsprinzip ausdrücklich für sachgerecht und verkennen damit die dargestellte Problematik. 476 Woeste, ZWeR 2018, 392, 393; vgl. auch Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33c GWB Rn. 44 sowie schon dasselbe direkte Zitat auf S. 155. 477 Vgl. auch Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633 sowie oben S. 155. 478 Bulst, in: Behrens/Hartmann-Rüppel/Herrlinger (Hrsg.), Schadensersatzklagen gegen Kartellmitglieder, 11, 20. 479 Vgl. nur Kirchhoff, WuW 2015, 952, 954 ff. 480 Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633. Dies zeigt sich bspw. anhand der nur unter Einschränkungen angenommenen sekundären Darlegungslast des unmittelbaren Abnehmers. Vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2011 – KZR 75/10, BGHZ 190, 145, Rn. 70 ff. – ORWI; Fritzsche, NZKart 2017, 630, 633. 481 Vgl. Hoffmann, NZKart 2016, 9, 10.
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(3) Überlegungen de lege lata unter Beibehaltung der Streitverkündungslösung Zunächst könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass die Problematik der doppelten Beweislastentscheidung zulasten des Kartellanten gar nicht auftritt, sofern der Kläger neben dem „Ob“ der Abwälzung des Preisaufschlages, das wegen § 33c II GWB n. F. nicht beweisbedürftig ist, den Umfang der Abwälzung darlegen und gegebenenfalls beweisen muss (§ 33c V GWB n. F.).482 Insoweit könnte der Kartellant bei einem non-liquet in Bezug auf die Abwälzung im Vorprozess von der Interventionswirkung im Folgeprozess trotz der gesetzlichen Vermutung des § 33c II GWB n. F. profitieren.483 Denn das non-liquet im Vorprozess soll sich auch auf den Umfang der Abwälzung erstrecken, so dass die Unaufklärbarkeit des Umfanges damit für den Folgeprozess bindend feststünde.484 Bei einem solchen Lösungsansatz muss jedoch berücksichtigt werden, worauf genau sich das non-liquet im Erstprozess bezog. Häufig wird der Nachweis der Vorteilsausgleichung im Vorprozess nicht daran gescheitert sein, dass eine Preiserhöhung auf der Stufe des mittelbaren Abnehmers nicht festgestellt werden konnte. Vielmehr bleibt regelmäßig offen, auf welchen Effekt dieser erhöhte Weiterverkaufspreis zurückzuführen ist, ob also der unmittelbare Abnehmer eben aufgrund des Kartells zur Durchsetzung höherer Preise in der Lage war.485 Wird nunmehr im Folgeprozess kraft Gesetzes vermutet, dass der kartellbedingte Preisaufschlag abgewälzt wurde und trägt der mittelbare Abnehmer daher nur vor, dass eine Preiserhöhung in einer bestimmten Höhe eingetreten ist, so steht sein Vorbringen streng genommen nicht in Widerspruch zur erstprozessualen Entscheidung.486 Denn er behauptet damit nicht, dass diese Erhöhung auf die Abwälzung und mithin auf das Kartell zurückzuführen ist. Dass er bei einem aus anderen Gründen als dem Kartellverstoß (zum Beispiel eine gestiegene Nachfrage nach dem Produkt oder gestiegenen Fixkosten bei dem unmittelbaren Abnehmer)487 eingetretenen Preisaufschlag keinen Schadensersatzanspruch gegen den Kartellanten hätte, steht dazu freilich in Widerspruch. Ungeachtet dessen begegnet dieser Lösungsansatz aufgrund der hierdurch bedingten Entwertung sowohl der gesetzlichen Vermutung des § 33c II GWB n. F. als auch allgemein der Position des mittelbaren Abnehmers Bedenken.488 482 Thole, ZWeR 2017, 339, 350 (der im Ergebnis allerdings für eine differenzierende Lösung plädiert); Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 400. 483 Vgl. auch Thole, ZWeR 2017, 339, 350; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 400. 484 Thole, ZWeR 2017, 339, 350; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 400. 485 Vgl. schon oben S. 119 u. 77 ff. sowie Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 360; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 954 f. 486 Vgl. auch die Ausführungen bei Kirchhoff, WuW 2015, 952, 955. 487 Kirchhoff, WuW 2015, 952, 955. 488 Vgl. auch Thole, ZWeR 2017, 339, 350.
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Darüber hinaus wird vorgeschlagen, „[…] im Wege der systematischen Auslegung des Richtlinienrechts davon […] [auszugehen], dass das Fehlen einer vollständigen Weiterwälzung i. S. v. § 33c Abs. 3 GWB im Prozess des indirekten Abnehmers jedenfalls dann als ,glaubhaft‘ gemacht gilt, wenn dem indirekten Abnehmer aus dem Prozess des direkten Kunden der Streit verkündet worden ist und eine Weiterwälzung dort nicht einmal zu einem gewissen Teil erwiesen wurde.“489
Ein solches Verständnis hätte zur Konsequenz, dass die durch § 33c II GWB n. F. bezweckte Privilegierung des mittelbaren Abnehmers in diesen Fällen leer liefe. Es bliebe auch kein Rückgriff auf einen etwaigen Anscheinsbeweis,490 da wie gezeigt, bei einer erfolgreichen Widerlegung einer Vermutung grundsätzlich das Gegenteil, also die Nichtabwälzung bzw. die nicht vollständige Abwälzung, bewiesen ist.491 Der Kartellant könnte sich so zwar wirksam gegen eine drohende Mehrfachhaftung wehren. Gleichzeitig würde jedoch die durch die Richtlinie angestrebte Stärkung der Position des mittelbaren Abnehmers untergraben. Zudem sind folgende Überlegungen zu berücksichtigen:492 Im Vorprozess mit dem unmittelbaren Abnehmer wurde bei einer non-liquet Situation die Vorteilsausgleichung versagt, weil nicht geklärt werden konnte, ob der Preisaufschlag weitergereicht wurde. Maßstab war insoweit die (deutlich) überwiegende Wahrscheinlichkeit. Im Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers verlangt § 33c III 1 GWB n. F. umgekehrt, dass die Nichtabwälzung überwiegend wahrscheinlich (Glaubhaftmachung) ist. Es muss „[…] also etwas mehr für […] [eine Tatsachenbehauptung] als gegen sie [sprechen] […].“493 Ist die Abwälzung im Erstprozess nicht überwiegend wahrscheinlich, so lässt dies nicht den Rückschluss zu, dass die Nichtabwälzung im Folgeprozess überwiegend wahrscheinlich ist. Ebenso kann eine Entscheidung aufgrund der Verteilung der objektiven Beweislast im Erstprozess ergehen, weil beide Szenarien, Nichtabwälzung und Abwälzung, gleich wahrscheinlich sind.494 Als zwischen dem Leerlauf der Interventionswirkung und demjenigen des § 33c II GWB n. F. vermittelnde Auffassung wird daher vertreten, dass bei einer Streitver489 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 400 unter Verweis auf Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 78 (vor der nationalen Umsetzung) und Kirchhoff, WuW 2015, 952, 958 (allerdings im Kontext des § 147 ZPO und nicht der Streitverkündung). 490 Diese Möglichkeit wollen dem mittelbaren Abnehmer Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 343 f. und Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 63 u. 78 f. wohl eröffnen. Vgl. auch Thole, ZWeR 2017, 339, 351. 491 Vgl. schon S. 188. 492 Angelehnt an Thole, ZWeR 2017, 339, 351, der allerdings wohl annimmt, dass im Hinblick auf die Vorteilsausgleichung im Erstprozess das Beweismaß des § 286 I 1 ZPO gilt. 493 Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 74. 494 Vgl. allgemein zum „50:50 Fall“ die Ausführungen bei Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 69 ff.
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kündung im Vorprozess im Folgeprozess „[…] die Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Nichtabwälzung i. R. d. § 33c Abs. 3 GWB […] als reduziert anzusehen [sind].“495 Das fehlende Vorbringen bzw. der unsubstantiierte Vortrag des Streitverkündungsgegners im Erstprozess soll dabei ein Indiz für die Nichtabwälzung sein.496 Die Anwendung des § 33c III 1 GWB n. F. wäre damit kein Automatismus.497 Dies vermag insoweit zu überzeugen, dass auf den ersten Blick sowohl den Interessen des mittelbaren Abnehmers als auch des Kartellanten Rechnung getragen wird. Genügt die erstprozessuale Situation als alleiniges Indiz nicht, um die Nichtabwälzung zu beweisen (ansonsten bestünde faktisch kein Unterschied zum zuvor genannten Lösungsvorschlag), so müssen hierfür weitere Indizien hinzukommen.498 War der Umstand der Abwälzung bereits im Vorprozess unaufklärbar, so ist indes nicht erkennbar, woraus sich diese weiteren, für eine Nichtabwälzung sprechenden Indizien ergeben sollen. Eine erneute Entscheidung aufgrund eines nonliquet zum Nachteil des beklagten Kartellanten wird so nicht wirksam unterbunden. Die Streitverkündungslösung kann somit bei einer Auslegung des § 33c II GWB n. F. als widerlegbare gesetzliche Vermutung auch unter Berücksichtigung der diskutierten Lösungsansätze eine Mehrfachhaftung des Kartellanten nicht effektiv verhindern. (4) Anderweitige geeignete Verfahrensmittel Die aufgezeigte Problematik wird zwar durch den neu eingefügten § 33c II GWB n. F. und gerade nicht durch die Streitverkündung hervorgerufen. Dennoch kann die Auslegung des Erstgenannten als widerlegbare gesetzliche Vermutung richtlinienkonform sein, sofern andere prozessuale Mittel gleichsam geeignet sind, eine Mehrfachhaftung zu vermeiden.499 (a) § 147 ZPO Erwägungsgrund 44 der Richtlinie ist insoweit der Vorschlag der Verbindung von Klagen zu entnehmen. Diese ist im deutschen Recht in § 147 ZPO normiert.500 Sie eröffnet die Möglichkeit eines einheitlichen Urteiles.501 Dies kann allerdings nur 495
Thole, ZWeR 2017, 339, 352. Thole, ZWeR 2017, 339, 352. 497 Thole, ZWeR 2017, 339, 352. 498 So wohl auch Thole, ZWeR 2017, 339, 352. Vgl. allgemein zur erforderlichen Gesamtschau aller Indizien nur Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 18 Rn. 30. 499 Vgl. hinsichtlich der folgenden Überlegungen auch die Ausführungen auf der S. 158. 500 Nähere Überlegungen zu § 147 ZPO schon bei Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 68; Hoffmann, NZKart 2016, 9, 11; Kirchhoff, WuW 2012, 927, 934; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 957 f.; Monopolkommission, Hauptgutachten XXI, Rn. 138 f. 501 MüKoZPO/Fritsche, § 147 Rn. 10. 496
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erreicht werden, sofern die Klagen von Abnehmern verschiedener Absatzstufen bei demselben Gericht anhängig sind. Neben einer Konzentration der Zuständigkeit bei einem Gericht müssten demnach die Klageschriften schon bei Gericht eingereicht worden sein. Sieht man den nach § 147 ZPO erforderlichen rechtlichen Zusammenhang als gegeben an,502 so ließe sich auch die Zuständigkeit desselben Gerichts unter Umständen noch durch Verweisung erreichen.503 Allerdings würde dies die Kenntnis der Gerichte von den weiteren Verfahren voraussetzen.504 Allerdings bestehen für den Abnehmer gleich mehrere Möglichkeiten, eine solche Prozessverbindung zu verhindern. Ändert sich durch die Prozessverbindung der gesetzliche Richter, so kann der klagende Abnehmer die erforderliche Zustimmung hierzu verweigern.505 Darüber hinaus könnte ein planvoll agierender (beispielsweise) mittelbarer Abnehmer die Einreichung der Klageschrift so lange hinauszögern bis das Verfahren des unmittelbaren Abnehmers abgeschlossen ist bzw. die Klage bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurücknehmen, da es hierfür dann nicht der Einwilligung des beklagten Kartellanten bedürfte (§ 269 I ZPO). Darüber hinaus kann die Prozessverbindung nach derzeit geltendem Recht die bestehende Problematik nicht lösen. Trotz Prozessverbindung bestehen getrennte Prozessrechtsverhältnisse.506 Die jeweilige Beweislastverteilung bleibt unberührt,507 lediglich Beweisaufnahme und Beweiswürdigung werden zusammengefasst.508 Ist die Abwälzung des Preisaufschlages nun unaufklärbar, so werden sich widersprechende tatsächliche Feststellungen, die durch die Verbindung gerade verhindert werden sollen, jedoch gar nicht getroffen.509 Denn die Entscheidung zu Lasten des Kartellanten ergeht allein aufgrund der Verteilung der objektiven Beweislast.510 Auch bei einer solchen Prozessverbindung kann daneben aus den bereits genannten Gründen von der Unaufklärbarkeit der Abwälzung unter dem Gesichtspunkt der 502
So Kirchhoff, WuW 2012, 927, 934; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 957. Vgl. auch Monopolkommission, Hauptgutachten XXI, Rn. 138. 504 Vgl. auch Monopolkommission, Hauptgutachten XXI, Rn. 138. Zum Problem der „Zersplitterung der gerichtlichen Zuständigkeiten“ vgl. auch Weitbrecht, NJW 2017, 1574, 1576 f.; Gotting, Voluntary Redress Schemes, S. 83. 505 Für das Erfordernis der Zustimmung der Parteien plädierend: BAG Urt. v. 22.3.2001 – 8 AZR 565/00, NZA 2002, 1349, 1352; Stein/Jonas/Althammer, § 147 ZPO Rn. 15; Musielak/ Voit/Stadler, § 147 ZPO Rn. 2; a. A. BAG Beschl. v. 21.9.2016 – 10 AZN 67/16, NZA 2016, 1352, Rn. 21. 506 Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 68 sowie allgemein MüKoZPO/ Becker-Eberhard, § 260 Rn. 7. 507 Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 68. 508 Pohlmann, ZPR, Rn. 751; Musielak/Voit/Stadler, § 147 ZPO Rn. 4. 509 Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 68 sowie allgemein Pohlmann, ZPR, Rn. 751 f. 510 Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 68. 503
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Vorteilsausgleichung nicht auf die Glaubhaftmachung der Nichtabwälzung im Sinne des § 33c III 1 GWB n. F. geschlossen werden.511 (b) § 75 ZPO Neben § 147 ZPO wird teilweise eine Lösung der Problematik der Mehrfachhaftung über § 75 ZPO gesucht.512 Der darin normierte Gläubigerprätendentenstreit soll für den Kartellanten im Anschluss an die Streitverkündung und den Beitritt des Streitverkündungsgegners die Möglichkeit bieten, den Betrag der kartellrechtlichen Schadensersatzforderung zu hinterlegen und sodann aus dem Prozess auszuscheiden.513 Mittelbarer und unmittelbarer Abnehmer müssten sodann um den Betrag prozessieren.514 Neben den Problematiken der denkbaren Vielzahl der Streitverkündungsgegner und der mangelnden Kenntnis des Kartellanten von der Person des mittelbaren Abnehmers (und damit des potentiellen Streitverkündungsgegners),515 bestehen gegen diesen Lösungsvorschlag weitere praktische Bedenken. Zum einen setzt dies den Willen des beklagten Kartellanten zur Zahlung eines kartellrechtlichen Schadensersatzes voraus.516 Denn für den Gläubigerprätendentenstreit ist charakteristisch, dass der Schuldner zur Erfüllung der Forderung grundsätzlich bereit ist.517 Er will sich lediglich einer mehrfachen Inanspruchnahme entziehen.518 Hieran dürfte es in der Praxis häufig scheitern. Zum anderen muss der mittelbare Abnehmer, anders als für die Interventionswirkung, in den Rechtsstreit tatsächlich eintreten. Unter geltender Rechtslage ist jedoch nicht ersichtlich, warum der mittelbare Abnehmer (Streitverkündungsgegner) dieses Risiko eingehen sollte. Zwar besteht bei einem Nichtbeitritt dann die Möglichkeit, dass der Kartellant die Abwälzung des Preisaufschlages im Prozess mit dem unmittelbaren Abnehmer nicht nachweisen kann. Die Interventionswirkung in einem eigenen Schadensersatzprozess des mittelbaren Abnehmers kann jedoch nicht ver-
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So aber wohl Kirchhoff, WuW 2015, 952, 958. S. schon oben S. 213. So Kirchhoff, WuW 2012, 927, 933 f.; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 956 f.; Monopolkommission, Hauptgutachten XXI, Rn. 136 f.; angedacht auch schon von Soyez, EuZW 2012, 100, 102. 513 Kirchhoff, WuW 2012, 927, 934; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 956. 514 Kirchhoff, WuW 2012, 927, 934; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 956. 515 Vgl. schon oben S. 110 f. sowie Kirchhoff, WuW 2012, 927, 934; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 956; Monopolkommission, Hauptgutachten XXI, Rn. 137. 516 Vgl. Kirchhoff, WuW 2012, 927, 934; Kirchhoff, WuW 2015, 952, 956; KölnKomm/ Krohs, § 33 GWB Rn. 249. 517 Vgl. nur Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 52 Rn. 4. 518 Pohlmann, ZPR, Rn. 811. 512
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hindern, dass diesem dennoch die gesetzliche Vermutung des § 33c II GWB n. F. zugute kommt.519 Darüber hinaus erscheint unklar, wie der eigentliche Forderungsprätendentenstreit zwischen mittelbarem und unmittelbarem Abnehmer ausgestaltet sein soll. „Für die sich aus […] [§ 812 I 1 Alt. 2 BGB] ergebende Freigabeverpflichtung [des jeweiligen Prätendenten] ist entscheidend, wer im Verhältnis zum hinterlegenden Schuldner Inhaber der Forderung ist, zu deren Erfüllung der hinterlegte Betrag bestimmt ist.“520 Im Verhältnis zum Kartellteilnehmer sind jedoch bei einem non-liquet im Hinblick auf die Abwälzung des Preisaufschlages beide Abnehmer Inhaber einer auf Zahlung des Preisüberhöhungsschadens gerichteten Forderung.521 Dieser Konflikt könnte unter Umständen zwar durch eine hälftige Teilung des hinterlegten Betrags gelöst werden.522 Allerdings stände dieses Lösungskonzept in eklatantem Widerspruch zu dem Zweck, den Preisüberhöhungsschaden nur dem tatsächlich Geschädigten zu ersetzen. (c) Zwischenergebnis Der Impuls, Prozesse von Abnehmern (verschiedener Absatzstufen) zusammenzufassen, erscheint generell richtig. Dennoch sind die insofern nach deutschem Recht de lege lata denkbaren Lösungsansätze nicht geeignet, einen Rechtszustand herzustellen, der mit der Zielsetzung der Richtlinie in Einklang steht. (5) Fazit Legt man § 33c II GWB n. F. als widerlegbare gesetzliche Vermutung aus, so vermögen weder die Streitverkündung, noch anderweitige Verfahrensmittel, die Mehrfachhaftung des beklagten Kartellteilnehmers bei einer doppelten Beweislastentscheidung zu verhüten. Dieser für den Kartellteilnehmer drohende Schaden wäre vom deutschen Gesetzgeber bei der Umsetzung des Art. 14 II RL zwingend zu beachten gewesen, zumal die Richtlinie hierauf ausdrücklich hinweist und den nationalen Gesetzgeber 519 Vgl. auch Monopolkommission, Hauptgutachten XXI, Rn. 137 (noch im Kontext der Richtlinie). 520 Musielak/Voit/Weth, § 75 ZPO Rn. 5. Ob es eines materiell-rechtlichen Anspruches auf Zustimmung bedarf (so auch für die Hinterlegung gem. § 372 BGB: BGH, Urt. v. 15.5.1961 – VII ZR 181/59, BGHZ 35, 165, 170) oder ob § 75 ZPO als prozessuale Lösung genügt (so MüKoZPO/Schultes, § 75 Rn. 14) ist umstritten. 521 Ähnlich Überlegungen bei Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 77 f.: „Ferner müssten wohl auch im Rahmen der Auseinandersetzung der einzelnen Gläubiger unterschiedlicher Stufen innerhalb dieses Modells die Wertungen und Beweislastregeln der Richtlinie beachtet werden, so dass sich die daraus ergebenden Probleme möglicherweise kaum entschärfen ließen.“ Ebenso Zwade/Konrad, WuW 2020, 114, 117. 522 Vgl. Peters, NJW 1996, 1246, 1249.
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zur Vermeidung ebendieser Problematik auffordert. Ist die Gefahr einer Mehrfachhaftung unter Geltung der Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle durch die Streitverkündungslösung des BGH zumindest für Teile der denkbaren Fallkonstellationen gebannt, so hat der deutsche Gesetzgeber durch das nationale Umsetzungsrecht dieses Risiko (wohl unbewusst)523 für nach neuem Recht zu beurteilende Fallgestaltungen wieder verschärft. Die vom deutschen Gesetzgeber intendierte Konzeption als widerlegbare gesetzliche Vermutung kann dabei – vorsichtig – als inhaltliche Übererfüllung der Richtlinie bezeichnet werden.524 Der durch sie bedingten Umkehr der Beweislast hätte es zur Privilegierung des mittelbaren Abnehmers nicht zwingend bedurft.525 Gleichzeitig kann von einem Umsetzungsdefizit im Hinblick auf Art. 15 RL gesprochen werden,526 weil insofern eine Umsetzung, wohl im fälschlichen Vertrauen auf die Streitverkündungslösung, gänzlich unterblieben ist.527 Die dadurch hervorgebrachte Problematik der Mehrfachhaftung ist damit das Resultat des Zusammenspiels einer in mehrfacher Hinsicht misslichen Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber. Beließe man es bei diesem Ergebnis, so wäre gegebenenfalls ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch des Kartellanten in Betracht zu ziehen.528 Ein solcher kommt allerdings nur in Betracht, „[…] soweit eine Beseitigung von Umsetzungsdefiziten im Wege der richtlinienkonformen Auslegung nicht möglich ist[…]“529. Der hierfür erforderliche Auslegungsspielraum der nationalen Vorschrift wird durch § 33c II GWB n. F. eröffnet. Dieser kann als gesetzlicher Anscheinsbeweis interpretiert werden. Bereits an anderer Stelle ist ausgeführt worden, dass eine solche Auslegung im Einklang mit Art. 14 RL steht.530 Daneben wurde dargelegt, dass insbesondere der widersprüchliche Wortlaut des § 33c III 1 GWB n. F. durch eine solche Auslegung weitestgehend bereinigt werden kann.531 Übrig bleibt damit die Frage, ob die Lesart des § 33c II GWB n. F. als gesetzlich normierter Anscheins523 Vgl. auch Thole, ZWeR 2017, 339, 351 f. sowie bereits oben S. 166 f. A. A. wohl Seifert, NZKart 2020, 350, 355. 524 Weitergehende Ausführungen zur inhaltlichen Übererfüllung (insb. zur Unterscheidung von der überschießenden Umsetzung): Habersack/Mayer, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 14 Rn. 11 f. m. w. N. 525 Vgl. schon die Ausführungen auf der S. 155 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 90. 526 Fritzsche, NZKart 2017, 630, 634. 527 Vgl. schon S. 167. 528 Vgl. auch Fritzsche, NZKart 2017, 630, 634 unter Verweis auf die Entscheidung EuGH, Urt. v. 19.11.1991 – C-6/90 u. C-9/90, ECLI:EU:C:1991:428 – Francovich u. a. sowie Berg/ Mäsch/Mäsch, § 33c GWB Rn. 5 unter Verweis auf Calliess/Ruffert/Ruffert, Art. 340 AEUV Rn. 63 f. 529 Habersack/Mayer, JZ 1999, 913, 914. 530 Vgl. S. 152 ff. u. 196 f. 531 Vgl. S. 193 ff.
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beweis darüber hinaus geeignet ist, die Problematik der doppelten Beweislastentscheidung zulasten des Kartellanten unter gleichzeitiger Beibehaltung der Streitverkündungslösung zu beheben und mithin die Ziele der Richtlinie, insbesondere diejenigen des Art. 15 RL, vollständig durchzusetzen. bb) Auslegung des § 33c II GWB n. F. als gesetzlich normierter Anscheinsbeweis Legt man § 33c II GWB n. F. in diesem Sinne aus, so muss der mittelbare Abnehmer die Voraussetzungen der Nummern eins bis drei darlegen und beweisen. Anders als bei einer gesetzlichen Vermutung ist die vermutete Tatsache aber beweisbedürftig. Der mittelbare Abnehmer bleibt insoweit beweisbelastet.532 Er muss die kraft Anscheins angenommene Abwälzung des Preisaufschlages auf ihn selbst behaupten. Gerade dieses Vorbringen wird ihm nun durch die Interventionswirkung bei einer Erstentscheidung aufgrund eines non-liquet verwehrt. Denn das Gericht des Vorprozesses hat insoweit entschieden, dass die Tatsache der Abwälzung des Preisaufschlages durch den unmittelbaren Abnehmer auf seine (sämtlichen) eigenen Abnehmer unaufklärbar ist, also nicht bewiesen werden kann.533 Indem der mittelbare Abnehmer nunmehr im Folgeprozess darlegt, dass der Preisaufschlag auf ihn abgewälzt wurde, behauptet er, dass ebendiese Aussage des Gerichts des Vorprozesses unrichtig sei.534 Mit dieser Behauptung wird er gemäß § 74 III ZPO i. V. m. § 68 Hs. 1 ZPO jedoch nicht gehört. Die Gefahr der Mehrfachhaftung des Kartellanten bei Schadensersatzklagen von Klägern verschiedener Vertriebsstufen wäre damit wieder durch die, mittels Streitverkündung im Erstprozess ausgelöste, Interventionswirkung gebannt. Kritisch könnte man anmerken, dass die Erreichung dieses Ziels durch eine Schlechterstellung des mittelbaren Abnehmers (im Vergleich zur gesetzlichen Vermutung) erkauft wird. Denn der mittelbare Abnehmer verfügt als Streitverkündungsgegner kaum über Informationen, die er in den Vorprozess einbringen kann, um so ein non-liquet und damit eine Entscheidung aufgrund der Verteilung der objektiven Beweislast zu verhindern.535 Wird über den Anspruch des unmittelbaren Abnehmers zuerst prozessual entschieden, so steigt für den mittelbaren Abnehmer das Risiko, selbst leer auszugehen. Damit würde (erneut) ein Rennen um das frühste Urteil befeuert. Gleichzeitig darf jedoch nicht verkannt werden, dass zumindest unter (nach der 9. GWB-Novelle) geltender Rechtslage eine gänzlich unangreifbare Lösung nicht 532 533 534 535
Vgl. auch Thole, ZWeR 2017, 339, 351. Vgl. zum Inhalt der gerichtlichen Entscheidung schon S. 212. Vgl. Ziegert, Die Interventionswirkung, S. 160. Vgl. schon S. 121 ff.
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gefunden werden kann. Ziel muss es deshalb sein, den widerstreitenden Interessen größtmögliche Geltung zu verschaffen und sie gleichzeitig zu einem gerechten Ausgleich zu bringen.536 Da der mittelbare Abnehmer letztendlich nur in bestimmten Fallkonstellationen aufgrund der Interventionswirkung im Prozess unterliegt,537 zudem die Möglichkeit besteht, dass über den Anspruch des mittelbaren Abnehmers erstprozessual entschieden wird und daneben der Kartellant nicht zwingend jedem mittelbaren Abnehmer den Streit überhaupt verkünden wird, verbleiben eine Vielzahl von Konstellationen in denen der mittelbare Abnehmer von dem gesetzlichen Anscheinsbeweis profitieren kann. Darüber hinaus besteht durch die neu eingefügten Offenlegungsansprüche und deren Zusammenspiel mit der sekundären Darlegungslast eine gegenüber der alten Rechtslage erhöhte Chance, dass der Sachverhalt aufgeklärt werden kann und im Idealfall für den mittelbaren Abnehmer eine Vorteilsausgleichung bejaht wird. Zugleich darf an die Lösung der Problematik der Mehrfachhaftung keine überzogene Anforderung dergestalt gestellt werden, dass sie sicher jegliche Fälle einer solchen Haftung auszuschließen vermag.538 „Denn aus Sicht der Richtlinie ist entscheidend, dass den Parteien ein solches Instrument grundsätzlich an die Hand gegeben ist.“539 Nimmt der Schädiger zu seinem eigenen Schutz die Möglichkeit der Streitverkündung nicht war, so ist dies prinzipiell unschädlich.540 Das nationale Umsetzungsrecht steht damit nur im Einklang mit der Richtlinie, wenn beiden Zielsetzungen auf diese Weise gleichsam Rechnung getragen wird. c) Folgeproblem: Rückwirkende Geltung des gesetzlichen Anscheinsbeweises? Die Auslegung des § 33c II GWB n. F. als gesetzlicher Anscheinsbeweis aktualisiert jedoch die Frage nach der zeitlichen Anwendbarkeit der Norm. Denn bereits 536
Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S. 389 schon im Kontext der 7. GWBNovelle: „Die [Hervorhebung im Original] Regelung des Passing-on-Problems, der man nicht auch gewisse Defizite zuschreiben könnte, wird sich nicht finden lassen. Sollte das gefundene System daher Defizite aufweisen, muss man sich immer noch die Frage stellen, ob es nicht trotzdem insgesamt die sinnvollste Lösung darstellt.“ 537 Vgl. S. 127 ff. u. S. 206 ff. sowie die Möglichkeit des mittelbaren Abnehmers sich auf § 74 III ZPO i. V. m. § 68 Hs. 2 ZPO zu berufen. Hierauf ebenfalls hinweisend: Thole, ZWeR 2017, 339, 352. 538 Vgl. auch Immenga/Mestmäcker/Franck, § 33c GWB Rn. 49; Kersting, WuW 2014, 564, 571. 539 Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 267 unter Verweis auf Kersting/Dworschak, JZ 2012, 777, 780 f. (allerdings zur Entscheidung ORWI); Kersting, WuW 2014, 564, 571; Lettl, WRP 2015, 537, 544. 540 Vgl. Hoffmann, NZKart 2016, 9, 12; Kersting/Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 267.
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unter Auslegung des § 33c II GWB n. F. als gesetzliche Vermutung ist umstritten, ob diese Vorschrift (entsprechend dem ursprünglichen Regierungsentwurf)541 als prozessrechtliche Regelung einzuordnen ist und mithin schon auf Prozesse angewendet werden müsste, bei denen nach dem 26. Dezember 2016 Klage erhoben wurde.542 Diese Problematik wird durch die Auslegung der Norm als gesetzlicher Anscheinsbeweis verschärft. Denn zum einen gerät durch die nun fehlende Beweislastverschiebung die materiell-rechtliche Prägung der Norm weiter in den Hintergrund.543 Zum anderen wird der Anscheinsbeweis normalerweise der richterlichen Beweiswürdigung zugeordnet und hat deshalb prozessualen Charakter.544 Ist eine neue gesetzliche Vorschrift als prozessrechtliche Bestimmung zu qualifizieren, so findet diese grundsätzlich auch auf ein bereits laufendes Verfahren Anwendung.545 Dies gilt allerdings nur, sofern der Gesetzgeber keine anderweitige Übergangsbestimmung getroffen hat.546 Eine solche wird jedoch für § 33c II GWB n. F. durch § 186 III 1 GWB n. F. getroffen, der die Anwendung erst für Schadensersatzansprüche vorsieht, die nach dem 26. Dezember 2016 entstanden sind. Da § 186 GWB n. F. der Umsetzung der Richtlinie dient, müsste die Norm aber richtlinienkonform sein.547 Die Richtlinie regelt die zeitliche Geltung der nationalen Umsetzungsvorschriften in Art. 22 RL. Nach Absatz eins soll sichergestellt werden, dass die Vorschriften, die materiell-rechtliche Regelungen der Richtlinie umsetzen, nicht rückwirkend gelten. Prozessrechtliche Regelungen sollen hingegen nicht für Schadensersatzklagen gelten, die vor dem 26. Dezember 2014 erhoben wurden.548 Art. 22 RL scheint damit in erster Linie von der Intention getragen, dass die (rückwirkende) Anwendung der Vorschriften, zumindest für einen bestimmten Zeitraum, untersagt ist, lässt aber im Umkehrschluss nicht die zwingende Vorgabe des europäischen Gesetzgebers erkennen, dass außerhalb dieser Einschränkungen
541
RegE sowie BegrRegE, BR-Drs. 606/16, S. 33 u. 121; vgl. auch Petrasincu/Schaper, WuW 2017, 306, 308. 542 So Petrasincu/Schaper, WuW 2017, 306, 307 ff. Die Gerichte sehen von einer solchen Anwendung hingegen (bislang) ab. Vgl. nur OLG Düsseldorf Urt. v. 8.5.2019 – VI-U (Kart) 11/ 18, juris-Rn. 153 – Schienenkartell III (juris); LG Hannover Urt. v. 4.2.2019 – 18 O 26/17, jurisRn. 35 – LKW-Kartell (juris). 543 Auf den materiell-rechtlichen Charakter der Vermutung weisen ausdrücklich Kersting/ Preuß, Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie, Rn. 51 und Scherzinger, NZKart 2016, 513, 516 hin. 544 Vgl. MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 52; Stein/Jonas/Thole, § 286 ZPO Rn. 222. 545 BGH, Urt. v. 28.2.1991 – III ZR 53/90, BGHZ 114, 1, 3 f.; Musielak/Voit/Musielak, Einl. Rn. 13; Petrasincu/Schaper, WuW 2017, 306, 307. 546 BGH, Urt. v. 28.2.1991 – III ZR 53/90, BGHZ 114, 1, 3; Musielak/Voit/Musielak, Einl. Rn. 13. 547 Vgl. Petrasincu/Schaper, WuW 2017, 306 ff. 548 Vgl. auch Petrasincu/Schaper, WuW 2017, 306, 307.
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die Vorschriften früher als der in § 186 III 1 GWB n. F. getroffene Zeitpunkt Anwendung finden müssen.549 Daher ist unerheblich, dass das europäische Recht nicht eindeutig erkennen lässt, ob der durch § 33c II GWB n. F. umgesetzte Art. 14 II RL als materiell-rechtliche oder prozessuale Vorschrift zu qualifizieren ist, denn die getroffene Regelung des deutschen Gesetzgebers ist in beiden Fällen richtlinienkonform.550 Es muss deshalb bei dem von § 186 III 1 GWB n. F. vorgesehenen zeitlichen Anwendungsbereich der Norm bleiben. d) Ergebnis Der gesetzliche Anscheinsbeweis ist diejenige Auslegungsalternative, die die verschiedenen Zielsetzungen der Richtlinie in Einklang bringt und in Kombination mit der Streitverkündung de lege lata am besten geeignet ist, inhaltlich widersprüchlichen Entscheidungen vorzubeugen und so eine mehrfache Haftung des Kartellanten effektiv zu verhindern.551 2. Vorprozess des mittelbaren Abnehmers und Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers Weiterhin kommt auch nach Änderung der Gesetzeslage durch die 9. GWBNovelle diejenige Fallkonstellation in Betracht, bei der im Vorprozess über den Schadensersatzanspruch des mittelbaren Abnehmers entschieden wird. Der beklagte Kartellant verkündet demzufolge dem unmittelbaren Abnehmer den Streit. Erscheint eine „gespaltene“ Auslegung des § 33c II GWB n. F. zum einen als gesetzlicher Anscheinsbeweis, zum anderen als widerlegbare gesetzliche Vermutung auch wenig sinnvoll, so soll dennoch untersucht werden, welche konkreten Auswirkungen eine solche gesetzliche Vermutung auf diese Fallkonstellation hat. a) Vorprozess des mittelbaren Abnehmers Im Ausgangspunkt behalten die Ausführungen zur Rechtslage vor der 9. GWBNovelle weiterhin Gültigkeit.552 Daneben gelten die Überlegungen zum Erstprozess des unmittelbaren Abnehmers im Hinblick auf die Voraussetzungen eines Scha-
549 So auch Fritzsche, NZKart 2017, 581, 584 (zu § 33a II 1 GWB n. F.); Scherzinger, NZKart 2017, 307, 308; a. A. Petrasincu/Schaper, WuW 2017, 306, 307 f. 550 Ähnlich Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 170. 551 Vgl. allgemein zur Berücksichtigung der richtlinienkonformen Auslegung als interpretatorische Vorrangregel W.-H. Roth/Jopen, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 13 Rn. 42 ff. sowie Canaris, FS Bydlinski, 47, 68 ff.; Leenen, Jura 2012, 753, 756. 552 Vgl. S. 132 ff.
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densersatzanspruches unter Geltung der neuen Rechtslage grundsätzlich auch für den mittelbaren Abnehmer.553 Im Übrigen gilt Folgendes: Für einen Anspruch des mittelbaren Abnehmers auf Ersatz seines Preisüberhöhungsschadens ist erforderlich, dass zunächst auf der Stufe seines Lieferanten, also des unmittelbaren Abnehmers, ein kartellbedingter Preisaufschlag eingetreten ist. Insoweit besteht nunmehr die gesetzliche Vermutung des § 33a II 1 GWB n. F. Der mittelbare Abnehmer muss also Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ein Kartell im Sinne des § 33a II 2 GWB n. F. ergibt. Häufig wird er insofern von der Feststellungswirkung einer Entscheidung im Sinne des § 33b GWB n. F. profitieren. Ist die Vermutungsbasis nachgewiesen, so wird implizit kraft Gesetzes vermutet, dass auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers ein kartellbedingter Preisaufschlag eingetreten ist.554 Ebenso wie im Prozess des unmittelbaren Abnehmers wird sich die Verteidigungsmöglichkeit des Kartellanten regelmäßig auf den Beweis des Gegenteils beschränken.555 Ob er Unterstützung von dem unmittelbaren Abnehmer erwarten kann, sofern dieser auf Seiten des Kartellanten dem Rechtsstreit beigetreten ist, erscheint zweifelhaft. Zum einen hat der unmittelbare Abnehmer keinerlei Interesse an der Widerlegung der Vermutung. Denn diese würde ihm in einem eigenen Schadensersatzprozess ebenfalls zugutekommen.556 Zum anderen lässt der europarechtliche Hintergrund der Vermutung erkennen, dass gerade von einem Informationsdefizit zulasten der potentiell geschädigten Abnehmer ausgegangen wird.557 Am ehesten wird damit der Kartellant über die relevanten Informationen verfügen, um den Beweis des Gegenteils erfolgreich zu führen. Legt man § 33c II GWB n. F. als gesetzliche Vermutung aus, so wird, sofern der mittelbare Abnehmer die Vermutungsbasis behauptet und gegebenenfalls nachgewiesen hat, kraft Gesetzes vermutet, dass der kartellbedingte Preisaufschlag an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde.558 Die gegen eine gesetzliche Vermutung bestehenden Verteidigungsmöglichkeiten des Prozessgegners haben durch den neu eingefügten § 33c III GWB n. F. (jetzt § 33c III 1 GWB n. F.) ihre augenfällige Einordnung eingebüßt. Auf die bestehenden Besonderheiten soll an dieser Stelle nicht erneut eingegangen werden.559 Es besteht die Möglichkeit, dass der Kartellant durch die Unterstützung des unmittelbaren Abnehmers Informationen erhält, die ihm bei einer wirksamen Ver553 554 555 556 557 558 559
Vgl. S. 198 ff. Vgl. S. 182 f. Vgl. S. 199. Vgl. S. 170 ff. Vgl. Erwägungsgrund 47 der RL sowie die Ausführungen oben auf S. 176 f. Vgl. S. 183 ff. Vgl. zu den Unstimmigkeiten im Hinblick auf § 33c III 1 GWB n. F. S. 185 ff.
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teidigung helfen. Denn bei dem unmittelbaren Abnehmer handelt es sich um denjenigen, der zur Abwälzung des Preisaufschlages Auskunft geben kann. Grundsätzlich hat der unmittelbare Abnehmer aufgrund der Interventionswirkung im Folgeprozess auch ein Interesse daran, dass im erstprozessualen Urteil keine Aussage dahingehend getroffen wird, dass es zu einer Abwälzung des Preisaufschlages gekommen ist.560 Eine solche, den Streitverkündungsgegner zur Unterstützung der Hauptpartei anhaltende, Gefahr besteht für den Erstgenannten jedoch nicht mehr, sofern man § 33c II GWB n. F. als gesetzliche Vermutung auslegt.561 Hinsichtlich der Höhe des kartellbedingten Preisaufschlages sowie der Höhe der Abwälzung bleibt der klagende mittelbare Abnehmer allerdings weiterhin beweisbelastet. § 33a III 1 und § 33c V GWB n. F. verweisen jeweils auf § 287 ZPO.562 b) Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers Für den Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers ist die Frage der Abwälzung des kartellbedingten Preisaufschlages von Relevanz für die Vorteilsausgleichung. Insofern ist der Kartellant darlegungs- und beweisbelastet.563 Um eine doppelte Haftung des Kartellanten für den Preisaufschlag zu vermeiden, wäre damit eine Feststellung im, vom mittelbaren Abnehmer erstrittenen, Urteil vorteilhaft, wonach der unmittelbare Abnehmer den Preisaufschlag auf den konkreten mittelbaren Abnehmer abgewälzt hat.564 Eine solche wird in der Entscheidung jedoch regelmäßig nicht getroffen. Die Wirkungen einer widerlegbaren gesetzlichen Vermutung als Beweislastregel kommen erst vollständig zum Tragen, wenn bis zum Ende des Prozesses die vermutete Tatsache unaufklärbar bleibt, mithin diesbezüglich ein non-liquet besteht.565 Entscheidet der Richter nun aufgrund der Verteilung der objektiven Beweislast, so wird das „Ob“ der Abwälzung als Tatsache nicht festgestellt,566 sondern vielmehr wird der Eintritt der Abwälzung fingiert.567
560
Vgl. schon S. 137 f. Anders wohl Hoffmann, NZKart 2016, 9, 13, der annimmt, der unmittelbare Abnehmer habe ein Interesse an der Glaubhaftmachung der Nichtabwälzung. Vgl. auch die nachfolgenden Ausführungen zum Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers. 562 Vgl. Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 160 f.; Thole, ZWeR 2017, 339, 344 f. 563 Vgl. schon S. 78. 564 Vgl. oben S. 137 f. sowie Thole, ZWeR 2017, 339, 344. 565 Vgl. Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 49 f. 566 Vgl. auch FK/W.-H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33c GWB Rn. 63 (welcher allerdings als Konsequenz die Interventionswirkung gänzlich verneint). Allgemein werden vermutete Tatsachen nicht festgestellt. Vgl. Pohle, MDR 1956, 414, 415; Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, S. 82 (ff.). 567 S. S. 185 f. 561
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Eine widerlegbare gesetzliche Vermutung ordnet an, dass die Entscheidung des Richters auf dem Tatbestandsmerkmal (zum Beispiel der Abwälzung des Preisaufschlages) gründen soll, ohne dass die entsprechende Tatsache bewiesen worden ist.568 Kann die Vermutung nicht widerlegt werden (und wird zudem die vermutete Tatsache nicht positiv festgestellt)569, so ist die Unaufklärbarkeit der Entscheidung immanent.570 Damit ist die Unaufklärbarkeit des „Ob“ der Abwälzung bzw. genauer der Nichtabwälzung des Preisaufschlages von der Interventionswirkung umfasst. Im Folgeprozess wird ein Vorbringen des klagenden unmittelbaren Abnehmers dahingehend, dass er den Preisaufschlag auf diesen konkreten mittelbaren Abnehmer nicht abgewälzt habe, deshalb durchaus nicht gehört.571 Denn damit würde er behaupten, die Nichtabwälzung sei beweisbar, der Rechtsstreit mithin unrichtig entschieden worden. Dies hilft dem Kartellanten allerdings wenig, da der unmittelbare Abnehmer nicht gehindert ist, vorzutragen, dass die Tatsache der Abwälzung unaufklärbar ist. Gleichzeitig gilt es zu berücksichtigen, dass die Vermutung nur das „Ob“ der Abwälzung betrifft und der mittelbare Abnehmer für den Umfang der Abwälzung weiterhin darlegungs- und beweisbelastet ist.572 Finden sich hierzu Ausführungen in der Erstentscheidung, so gründen sie auf einem zur richterlichen Überzeugung festgestellten Sachverhalt.573 Von Stimmen in der Literatur wird nun vorgeschlagen, sich diese Feststellung zwecks Vermeidung einer Mehrfachhaftung zunutze zu machen. Denn „[…] jede Feststellung zur Höhe einer Weiterwälzung im Erstprozess [enthalte] denknotwendig auch eine Feststellung dahingehend, dass (in dieser Höhe) eine Weiterwälzung stattgefunden hat.“574
568
Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, S. 86; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 50. Vgl. auch Stomper, WuW 2016, 410, 414. 569 Sofern man annimmt, dass der Richter bei „normaler“ Beweislastverteilung auch seine Überzeugung dahingehend bilden kann, dass das Gegenteil der vom Beweisführer unter Beweis gestellten Behauptung zutrifft (negative Feststellung), so muss dies in der durch eine widerlegbare gesetzliche Vermutung umgekehrten Situation ebenfalls gelten (positive Feststellung). Vgl. hierzu Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, S. 92; Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß, S. 67 sowie schon die Ausführungen oben S. 108 mit den entsprechenden Nachweisen in Fn. 434. Regelmäßig wird das Gericht jedoch eine Beweislastentscheidung treffen. 570 Vgl. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 12 Rn. 5 u. Rn. 16; zur kartellrechtlichen Fallgestaltung: Kirchhoff, WuW 2015, 952, 955; Thole, ZWeR 2017, 339, 347. 571 A. A. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt, § 33c GWB Rn. 75. 572 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 398; Thole, ZWeR 2017, 339, 345. Vgl. zur Diskussion, ob die Vermutung auch den Umfang der Abwälzung umfassen sollte schon oben S. 162 f. 573 Vgl. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 398; Thole, ZWeR 2017, 339, 345. 574 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 398.
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Da eine Feststellung zur Höhe damit erst durch eine solche der „Weiterwälzung an sich“ ermöglicht würde, sollte mit der Feststellung zur Höhe inzident auch die Feststellung eines „Ob“ der Abwälzung von der Interventionswirkung umfasst sein und dem unmittelbaren Abnehmer so im Folgeprozess in Bezug auf die Vorteilsausgleichung zum Nachteil gereichen.575 Von den Befürwortern dieses Lösungsvorschlages wird insofern selbst kritisch angemerkt, dass diese inzidente Feststellung unter Umständen als überschießend eingeordnet werden könnte.576 Als Konsequenz dessen würde sie von der Interventionswirkung nicht erfasst.577 Es stellt sich somit zunächst die Frage, ob eine Feststellung zur Höhe eine solche inzidente Feststellung zur Abwälzung überhaupt zwingend enthält. Bedingt durch die gesetzliche Vermutung ist nicht klar, ob eine Abwälzung des Preisaufschlages dem Grunde nach tatsächlich stattgefunden hat. Dennoch hat der Richter dieses vermutete Tatbestandsmerkmal seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Die Feststellung zur Höhe kann also nicht mehr lauten, der Umfang der Weiterwälzung sei gleich Null.578 Denn aufgrund der Vermutung wird bereits fingiert, dass es zu einer Abwälzung gekommen ist, also mehr als nichts (größer Null) abgewälzt wurde.579 Dies genügt, um darauf aufbauend anhand der vom mittelbaren Abnehmer dargelegten und gegebenenfalls bewiesenen Anknüpfungspunkte eine Höhe gerichtlich zu schätzen.580 Einer inzidenten Feststellung des „Ob“ bedarf es daher nicht. Doch selbst wenn man annähme, dass eine solche inzidente Feststellung in der Feststellung zur Höhe enthalten sei, könnte diese als überschießend zu qualifizieren sein.581 „Gemeint sind […] [insofern] Feststellungen, die im Erstprozeß nicht erheblich sind, mithin bei korrektem Verfahren im Erstprozeß gar nicht geklärt werden […].“582 Nimmt man nun an, dass jeder Feststellung zur Höhe denknotwendig eine solche zum „Ob“ immanent ist,583 so kann diese nicht als überflüssig bzw. inkorrekt
575
So Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 398. Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 398. Vgl. auch Thole, ZWeR 2017, 339, 345 ff. 577 Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 398. Vgl. schon oben S. 107. 578 A. A. wohl Thole, ZWeR 2017, 339, 347 Fn. 33. 579 Vgl. Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 142 zur parallelen Problematik bei § 33a III 1 GWB n. F. Hierzu auch Hoffmann, NZKart 2018, 175, 178; FK/W.H. Roth, 92. Lfg. 11.2018, § 33a GWB Rn. 114. 580 Ähnlich (zu § 33a III GWB n. F.) Kersting, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kap. 7, S. 142. 581 So Thole, ZWeR 2017, 339, 347. 582 Eibner, Möglichkeiten und Grenzen der Streitverkündung, S. 99. Vgl. auch Wieczorek/ Schütze/Mansel, § 68 ZPO Rn. 108. 583 So Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 398; wohl auch Thole, ZWeR 2017, 339, 347. 576
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bewertet werden, sofern ein solches Vorgehen trotz einer für das „Ob“ streitenden Vermutung erforderlich war.584 Bejaht man somit neben der Existenz einer solchen inzidenten Feststellung zudem deren Einordnung als entscheidungserheblich, so gelangt man mittels dieses Lösungsansatzes dennoch nicht zur Vermeidung einer Mehrfachhaftung. Vermutet wird gemäß § 33c II GWB n. F., dass ein Preisaufschlag beim mittelbaren Abnehmer eingetreten ist sowie die Ursächlichkeit der Abwälzung für diesen Preisaufschlag.585 Damit bleibt im Erstprozess insbesondere ungeklärt, ob eine Preiserhöhung beim mittelbaren Abnehmer tatsächlich auf das Kartell zurückzuführen ist oder ob sie auf einer anderen, hiervon unabhängigen, Ursache (zum Beispiel gestiegene Fixkosten bei dem unmittelbaren Abnehmer) beruht.586 Zwar mag der Umstand, dass ein Preisaufschlag beim mittelbaren Abnehmer eingetreten ist unter Umständen denknotwendige Voraussetzung für die Feststellung der Höhe sein. Die Rückführung dieses Schadens auf die Abwälzung eines kartellbedingten Preisaufschlages durch den unmittelbaren Abnehmer ist es aber keineswegs. Nähme man demnach an, dass die Feststellung des Eintrittes einer Preiserhöhung in der Feststellung zu deren Höhe enthalten ist und deshalb von der Interventionswirkung umfasst wird, so stünden dennoch im Folgeprozess nicht sämtliche, für eine erfolgreiche Vorteilsausgleichung erforderliche Tatsachen bindend fest. Denn in Bezug auf das Merkmal der Ursächlichkeit des Kartells für diesen Vorteil würde weiterhin nur die Unaufklärbarkeit an der Interventionswirkung teilnehmen. Der Kartellant müsste diesen Kausalzusammenhang somit weiterhin beweisen. Die vorgeschlagene Möglichkeit zur Lösung der Problematik der Mehrfachhaftung greift damit zu kurz. Akzeptiert man hingegen, dass von der Interventionswirkung lediglich die Feststellungen zur Höhe umfasst sind, so könnte zur Überwindung der Problematik im Folgeprozess für das „Ob“ der Abwälzung des Preisaufschlages auf einen entsprechenden Anscheinsbeweis abgestellt werden.587 Ein solcher Anscheinsbeweis ist dabei nicht schon deshalb grundsätzlich ausgeschlossen, weil nunmehr § 33c II GWB n. F. existiert, der ausdrücklich nur zugunsten eines mittelbaren Abnehmers greift.588 Unabhängig von der Einordnung des § 33c II GWB n. F. vermag dieser nicht, die Anwendung eines sich aus der Lebenserfahrung speisenden Erfahrungssatzes zugunsten des Kartellanten auszuschließen und damit per se die freie rich-
584
Ähnlich Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S. 398. Vgl. S. 185. 586 Vgl. Kirchhoff, WuW 2015, 952, 955. 587 Vgl. Thole, ZWeR 2017, 339, 348; einen ähnlichen Ansatz verfolgt wohl schon Thomas, ZHR 180 (2016), 45, 78 f. 588 So aber wohl Gotting, Voluntary Redress Schemes, S. 77 f. 585
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terliche Beweiswürdigung in Prozessen einzuschränken, in denen die Vorschrift gar nicht einschlägig ist.589 Dabei erleichtert ein Anscheinsbeweis zwar grundsätzlich die Beweisführung.590 Der Anscheinsbeweis beugt damit gewissermaßen einer Entscheidung aufgrund der Verteilung der objektiven Beweislast vor.591 Allerdings ist er Teil der freien richterlichen Beweiswürdigung, so dass das konkrete Gericht zunächst davon überzeugt sein muss, dass ein entsprechender Erfahrungssatz überhaupt besteht.592 Bisher ist keine Tendenz dahingehend erkennbar, dass die Gerichte regelmäßig einen derartigen Erfahrungssatz bejahen würden.593 Zu hoffen, dass zukünftig eine andere gerichtliche Bewertung erfolgt, stellt deshalb kein sicheres Mittel dar, um eine Mehrfachhaftung des Kartellanten zu vermeiden. c) Ergebnis Erneut kann bei einer Auslegung des § 33c II GWB n. F. als widerlegbare gesetzliche Vermutung unter gleichzeitiger Beibehaltung der Streitverkündungslösung eine Mehrfachhaftung des Kartellanten nicht verhindert werden. Die Streitverkündungslösung des BGH aufzugeben und auf anderweitige Verfahrensmittel abzustellen (zu denken ist an § 147 und § 75 ZPO), muss an den bereits zur umgekehrten Fallkonstellation geäußerten Bedenken scheitern. Legt man § 33c II GWB n. F. hingegen als gesetzlichen Anscheinsbeweis aus, so ist der mittelbare Abnehmer für das „Ob“ der Abwälzung des Preisaufschlages primär darlegungs- und beweisbelastet. Gelingt es ihm mithilfe dieser Beweiserleichterung die Abwälzung zu beweisen, so beruht die Erstentscheidung insoweit auf einem festgestellten Sachverhalt.594 Die Unklarheit, über die der Anscheinsbeweis hinweghilft, ist eben gerade kein non-liquet.595 Damit nimmt die Feststellung der Abwälzung als entscheidungserhebliche, festgestellte Tatsache an der Interventionswirkung teil. Für das dann noch mögliche Vorbringen des unmittelbaren Abnehmers im Folgeprozess gelten die entsprechenden Ausführungen zur Rechtslage vor der 9. GWB-Novelle.596 Eine doppelte Beweislastentscheidung zum Nachteil des Kartellanten wird so vermieden.
589
Ähnlich Thole, ZWeR 2017, 339, 348. Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 12 Rn. 23. 591 Vgl. auch Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 35; Prütting/Gehrlein/Laumen, § 286 ZPO Rn. 29. 592 Vgl. Jäckel, Beweisrecht, Rn. 757; MüKoZPO/Prütting, § 286 Rn. 51. 593 Vgl. S. 95 ff. 594 Vgl. allgemein Laumen, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Beweislast-HdB, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 6; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 97. 595 Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 15 u. 97 f. 596 Vgl. S. 137 ff. 590
E. Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse 1. Die Betroffenheit im Sinne des § 33 I 3 GWB 2013 bzw. § 33 III GWB n. F. ist Voraussetzung für den Haftungsgrund des kartellrechtlichen Schadensersatzanspruches. Das Tatbestandsmerkmal vereint Anspruchsberechtigung und haftungsbegründende Kausalität. Die Rechtsprechung des BGH zur „tatsächlichen Betroffenheit“ geht in diesem Kriterium auf. Die Kartellbefangenheit des Beschaffungsvorganges ist hingegen der haftungsausfüllenden Kausalität zugehörig. Sie verlangt, dass die Kartellabsprache auf die Preisbildung des konkreten Beschaffungsvorganges Einfluss genommen hat. 2. Die Vorteilsausgleichung ist sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage zulässig und sollte, entgegen der zu beobachtenden Tendenz der Gerichte, nicht grundsätzlich aufgrund wertender Überlegungen verneint werden. Vielmehr ist bei dieser Einwendung eine einzelfallbezogene Betrachtung geboten. Der beklagte Kartellant muss des Weiteren auch unter Geltung der Rechtslage vor der 9. GWBNovelle im Prozess des unmittelbaren Abnehmers nicht nachweisen, dass der Abwälzung des Preisaufschlages kein, diesen Vorteil kompensierender, Nachfragerückgang gegenübersteht. 3. Im Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers sind von dem nach einer Streitverkündung auf Seiten des Kartellanten beigetretenen mittelbaren Abnehmer nur in bestimmten Fallkonstellationen und auch dann nur wenige, für den Kartellanten relevante, Informationen zu erwarten. Da die Streitverkündung damit regelmäßig nicht die erforderlichen Kenntnisse zu liefern vermag und zudem schon kein Rechtsinstitut ist, dass eine solche Informationsgewinnung bezweckt, schließt die Möglichkeit einer zumutbaren Streitverkündung weder generell noch grundsätzlich die sekundäre Darlegungslast des klagenden unmittelbaren Abnehmers aus. Die sekundäre Darlegungslast des klagenden unmittelbaren Abnehmers hängt maßgeblich von der Zumutbarkeit für ebendiesen ab. Auch insoweit verbietet sich eine pauschale Verneinung, namentlich aufgrund eines Geheimhaltungsinteresses des Klägers. Darüber hinaus muss der Umstand, dass von Seiten der mittelbaren Abnehmer (voraussichtlich) keine Inanspruchnahme droht und der Kartellant somit von jeglicher Haftung frei werden könnte, bei der Prüfung der Zumutbarkeit für den klagenden unmittelbaren Abnehmer unberücksichtigt bleiben. Im Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers bindet die Interventionswirkung sowohl hinsichtlich einer Feststellung der Nichtabwälzung des kartellbedingten Preisaufschlages als auch hinsichtlich einer Feststellung der Unaufklärbarkeit der
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E. Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse
Abwälzung im Vorprozess und verhindert so in diesen beiden Konstellationen unter Zugrundelegung der Gesetzeslage vor der 9. GWB-Novelle widersprüchliche Entscheidungen der Gerichte. 4. In der umgekehrten Fallkonstellation des Vorprozesses des mittelbaren Abnehmers kommt dem unmittelbaren Abnehmer als auf Seiten des Kartellanten beigetretenem Streitverkündungsgegner aufgrund der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht die gleiche Bedeutung zu, wie der entsprechenden Beteiligung des mittelbaren Abnehmers. Für den Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers ist die Feststellung bindend, dass er den kartellbedingten Preisaufschlag auf den erstprozessual klagenden mittelbaren Abnehmer abgewälzt hat. Dies hindert den unmittelbaren Abnehmer allerdings nicht daran, seine Klage auf die Behauptungen zu stützen, dass er einerseits nur einen Teil des ursprünglich kartellbedingten Preisaufschlages auf diesen einen Abnehmer abgewälzt habe, der ursprüngliche Preisaufschlag also viel höher gewesen sei, sowie andererseits, dass er den Preisaufschlag an seine sonstigen Abnehmer nicht weitergegeben habe, diesbezüglich bei ihm also ein Preisüberhöhungsschaden verblieben sei. 5. Die Streitverkündungslösung des BGH ist nur eingeschränkt geeignet, den angestrebten Zweck der Verhinderung einer Mehrfachhaftung des Kartellanten zu erfüllen. Die größten Erfolgsaussichten hat die Streitverkündungslösung in eingliedrigen Absatzketten, die in der wirtschaftlichen Praxis eher die Ausnahme als den Regelfall darstellen dürften. 6. Bei einer isolierten Betrachtung von Art. 14 RL enthält dieser sowohl Vorgaben, die für eine Umsetzung des Absatzes zwei als widerlegbare (gesetzliche) Vermutung sprechen, als auch Anhaltspunkte, die auf einen Anscheinsbeweis hindeuten. 7. Die gesetzliche Vermutung im Sinne des § 33a II 1 GWB n. F. kommt dem betroffenen (im Sinne des § 33 III GWB n. F.) unmittelbaren Abnehmer zugute. Die Vermutung ist dahingehend auszulegen, dass bei Vorliegen eines Kartells im Sinne des § 33a II 2 GWB n. F. vermutet wird, dass sich dieses Kartell allgemein preissteigernd auf sämtliche, von dem Kartellteilnehmer abgeschlossenen und in den abstrakten Anwendungsbereich der Kartellgrundabsprache fallenden, Rechtsgeschäfte ausgewirkt hat. Für den dergestalt vermuteten Kausalzusammenhang bedarf es weder einer impliziten Vermutung der Kartellbefangenheit noch der expliziten Normierung einer gesetzlichen Vermutung der Kartellbefangenheit im GWB, wie nunmehr in § 33a II 4 GWB n. F. geschehen. Klagt ein unmittelbarer Abnehmer, so wird damit der Eintritt eines kausalen Preisüberhöhungsschadens bei diesem Abnehmer vermutet.
E. Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse
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Daneben profitiert auch der mittelbare Abnehmer von dieser gesetzlichen Vermutung, da eine solche Auslegung der Vermutungsfolge den Eintritt eines kartellbedingten Preisaufschlages auf der Stufe des unmittelbaren Abnehmers impliziert. 8. Der Anwendungsbereich eines Anscheinsbeweises bzw. einer tatsächlichen Vermutung für eine kartellbedingte Preiserhöhung ist auf diejenigen Fallkonstellationen begrenzt, in denen die Vermutung des § 33a II 1 GWB n. F. nicht greift, weil schon die Vermutungsbasis nicht dargelegt und bewiesen worden ist. Ein Rückgriff auf entsprechende Erfahrungssätze ist damit insbesondere bei vertikalen Kartellabsprachen denkbar. 9. Die Formulierung „Gegenstand des Verstoßes“ in § 33c II Nr. 3 GWB n. F. bezieht sich auf den sachlichen Anwendungsbereich der Kartellgrundabsprache, so dass nur Waren oder Dienstleistungen der Kartellteilnehmer „Gegenstand des Verstoßes“ sein können. 10. § 33c III 1 GWB n. F. kann weder als Gegenbeweis gegen die Vermutungsbasis noch als Beweis des Gegenteils in Bezug auf die Vermutungsfolge eingeordnet werden. Bei einer Auslegung des § 33c II GWB n. F. als widerlegbar gesetzliche Vermutung kann § 33c III 1 GWB n. F. (wenn auch nicht in Gänze überzeugend) als dritte Verteidigungsmöglichkeit des Kartellanten im Sinne eines Inzweifelziehens der Vermutungswirkung bzw. als eine vom Kartellanten zu beweisende Tatbestandsausnahme aufgefasst werden. Wird im Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers die Vorteilsausgleichung verneint, da nicht geklärt werden konnte, dass der Preisaufschlag vom unmittelbaren Abnehmer abgewälzt wurde (non-liquet) und deshalb nach der Verteilung der objektiven Beweislast entschieden werden muss, so kann der Kartellant trotz Interventionswirkung auch den Folgeprozess gegen den mittelbaren Abnehmer aufgrund der Verteilung der objektiven Beweislast verlieren, weil er bei einer Anwendung des § 33c II GWB n. F. und dessen Auslegung als (widerlegbare) gesetzliche Vermutung für die Nichtabwälzung bzw. die nicht vollständige Abwälzung die Beweislast trägt. Dieser Rechtszustand widerspricht der Zielsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie. De lege lata existieren auch keine geeigneten Verfahrensmittel, die alternativ zur Streitverkündung geeignet wären, eine Mehrfachhaftung des Kartellanten zu verhindern. 11. Wird im Vorprozess des mittelbaren Abnehmers eine Abwälzung dem Grunde nach aufgrund der gesetzlichen Vermutung in § 33c II GWB n. F. fingiert und auf der Grundlage dessen entschieden, so ergeht erneut eine Entscheidung aufgrund eines non-liquet. Damit ist die Unaufklärbarkeit des „Ob“ der Nichtabwälzung des Preisaufschlages von der Interventionswirkung umfasst. Es kann deshalb bei einer Auslegung des § 33c II GWB n. F. als gesetzliche Vermutung de lege lata nicht verhindert werden, dass im Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers erneut eine Beweislastentscheidung zu Lasten des Kartellanten ergeht, da dieser im Rahmen der
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E. Zusammenfassung der wichtigsten Untersuchungsergebnisse
Vorteilsausgleichung für die Abwälzung des Preisaufschlages die objektive Beweislast trägt. 12. In Bezug auf Art. 14 II RL kann das nationale Umsetzungsrecht (die vom deutschen Gesetzgeber intendierte Konzeption des § 33c II GWB n. F als widerlegbare gesetzliche Vermutung) – vorsichtig – als inhaltliche Überfüllung der Richtlinie bezeichnet werden, wohingegen in Bezug auf Art. 15 RL ein Umsetzungsdefizit besteht. Die Problematik der Mehrfachhaftung ist Resultat dieses Zusammenwirkens. 13. Der Auslegung des § 33c II GWB n. F. als widerlegbare gesetzliche Vermutung vorzuziehen, ist eine Auslegung als gesetzlicher Anscheinsbeweis und dementsprechend eine Auslegung des § 33c III 1 GWB n. F. als mögliche Erschütterung des Anscheinsbeweises durch den Gegenbeweis. Damit ist die Abwälzung des Preisaufschlages beweisbedürftig. Der mittelbare Abnehmer bleibt insoweit beweisbelastet. Bei einer Unaufklärbarkeit der Abwälzung im Vorprozess des unmittelbaren Abnehmers hat dies für den Folgeprozess des mittelbaren Abnehmers zur Konsequenz, dass dieser aufgrund der Interventionswirkung mit der Behauptung nicht gehört wird, dass der Preisaufschlag auf ihn abgewälzt worden sei. Für den umgekehrten Fall bedeutet dies, dass eine Entscheidung im Vorprozess des mittelbaren Abnehmers, die sich auf die Beweiserleichterung im Sinne des § 33c II GWB n. F. stützt, eine Entscheidung aufgrund eines festgestellten Sachverhaltes ist. Für den Folgeprozess des unmittelbaren Abnehmers ist dann die Feststellung bindend, dass der unmittelbare Abnehmer den kartellbedingten Preisaufschlag auf den erstprozessual klagenden mittelbaren Abnehmer abgewälzt hat. Eine doppelte Beweislastentscheidung zum Nachteil des beklagten Kartellteilnehmers und mithin eine Mehrfachhaftung für denselben Preisaufschlag wird so de lege lata unter Beibehaltung der Streitverkündungslösung vermieden. Die Auslegung des § 33c II GWB n. F. als gesetzlicher Anscheinsbeweis schafft damit einen richtlinienkonformen Zustand und greift gleichzeitig einer umfassenden Gesetzesänderung in diesem Bereich, vor dem Hintergrund kollektiver Rechtsschutzmöglichkeiten, nicht vor. 14. Die sekundäre Darlegungslast des unmittelbaren Abnehmers wird durch die neu geschaffenen Offenlegungsansprüche in § 33g GWB n. F. nicht verdrängt, sondern behält daneben einen eigenständigen Anwendungsbereich.
Anhang Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union Artikel 3 Recht auf vollständigen Schadensersatz (1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass jede natürliche oder juristische Person, die einen durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden erlitten hat, den vollständigen Ersatz dieses Schadens verlangen und erwirken kann. (2) Der vollständige Ersatz versetzt eine Person, die einen Schaden erlitten hat, in die Lage, in der sie sich befunden hätte, wenn die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht nicht begangen worden wäre. Er erfasst daher das Recht auf Ersatz der eingetretenen Vermögenseinbuße und des entgangenen Gewinns, zuzüglich der Zahlung von Zinsen. (3) Der vollständige Ersatz im Rahmen dieser Richtlinie darf nicht zu Überkompensation führen, unabhängig davon, ob es sich dabei um Strafschadensersatz, Mehrfachentschädigung oder andere Arten von Schadensersatz handelt. Kapitel IV Abwälzung des Preisaufschlags Artikel 12 Abwälzung des Preisaufschlags und Recht auf vollständigen Schadensersatz (1) Damit das Recht auf vollständigen Schadensersatz nach Artikel 3 uneingeschränkt geltend gemacht werden kann, gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass gemäß den Vorschriften dieses Kapitels jeder Geschädigte unabhängig davon, ob er unmittelbarer oder mittelbarer Abnehmer eines Rechtsverletzers ist, Schadensersatz verlangen kann, und dass sowohl ein Schadensersatz, der den dem Kläger durch die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht entstandenen Schaden übersteigt, als auch eine Nichthaftung des Rechtsverletzers verhindert werden. (2) Zur Verhinderung von Überkompensation legen die Mitgliedstaaten Verfahrensvorschriften fest, die geeignet sind zu gewährleisten, dass der Ersatz der eingetretenen Vermögenseinbuße auf keiner Vertriebsstufe den dort erlittenen Schaden in Form des Preisaufschlags übersteigt. (3) Dieses Kapitel lässt das Recht des Geschädigten unberührt, Ersatz für den entgangenen Gewinn infolge einer vollständigen oder teilweisen Abwälzung des Preisaufschlags zu verlangen und zu erwirken.
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(4) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Vorschriften dieses Kapitels entsprechend gelten für den Fall, dass die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht die Belieferung des Rechtsverletzers betrifft. (5) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass nationale Gerichte gemäß den nationalen Verfahren befugt sind zu schätzen, welcher Teil eines Preisaufschlags weitergegeben wurde. Artikel 13 Einwendung der Abwälzung des Preisaufschlags Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass der Beklagte in einem Verfahren über Schadensersatzklagen als Einwendung gegen einen Schadensersatzanspruch geltend machen kann, dass der Kläger den sich aus der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht ergebenden Preisaufschlag ganz oder teilweise weitergegeben hat. Die Beweislast für die Weitergabe des Preisaufschlags trägt der Beklagte, der in angemessener Weise Offenlegungen von dem Kläger oder von Dritten verlangen kann. Artikel 14 Mittelbare Abnehmer (1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass, wenn in einem Verfahren über Schadensersatzklagen das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs oder die Höhe des zuzuerkennenden Schadensersatzes davon abhängt, ob – oder inwieweit – ein Preisaufschlag an den Kläger weitergegeben wurde, unter Berücksichtigung der Geschäftspraxis, Preissteigerungen auf nachgelagerte Vertriebsstufen abzuwälzen, die Beweislast für das Vorliegen und den Umfang einer solchen Schadensabwälzung beim Kläger liegt, der in angemessener Weise Offenlegungen von dem Beklagten oder von Dritten verlangen kann. (2) In Situationen nach Absatz 1 wird davon ausgegangen, dass der mittelbare Abnehmer den Beweis dafür, dass eine Abwälzung auf den mittelbaren Abnehmer stattgefunden hat, erbracht hat, wenn der mittelbare Abnehmer nachgewiesen hat, dass a) der Beklagte eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht begangen hat, b) die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht einen Preisaufschlag für den unmittelbaren Abnehmer des Beklagten zur Folge hatte und c) der mittelbare Abnehmer Waren oder Dienstleistungen erworben hat, die Gegenstand der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht waren oder Waren oder Dienstleistungen erworben hat, die aus solchen hervorgingen oder sie enthielten. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn der Beklagte gegenüber dem Gericht glaubhaft machen kann, dass der Preisaufschlag nicht oder nicht vollständig an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde. Artikel 15 Schadensersatzklagen von Klägern verschiedener Vertriebsstufen (1) Um zu verhindern, dass Schadensersatzklagen von Klägern verschiedener Vertriebsstufen zu einer mehrfachen Haftung oder fehlenden Haftung des Rechtsverletzers führen, gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die mit einer Schadensersatzklage befassten nationalen Gerichte bei der Prüfung, ob die sich aus der Anwendung der Artikel 13 und 14 ergebende Beweislastverteilung beachtet ist, mit nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht zur Verfügung stehenden Mitteln Folgendes gebührend berücksichtigen können:
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a) Schadensersatzklagen, die dieselbe Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht betreffen, aber von Klägern auf anderen Vertriebsstufen erhoben wurden; b) Urteile, mit denen über Schadensersatzklagen nach Buchstabe a entschieden wird; c) relevante Informationen, die infolge der öffentlichen Durchsetzung von Wettbewerbsrecht öffentlich zugänglich sind. (2) Dieser Artikel lässt die Rechte und Pflichten der nationalen Gerichte nach Artikel 30 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 unberührt.
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) In der Fassung vom 26. Juni 2013 § 33 Unterlassungsanspruch, Schadensersatzpflicht (1) 1 Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes, gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. 2 Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht. 3 Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist. (2) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von 1. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn ihnen eine erhebliche Zahl von betroffenen Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 angehört und sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen; 2. Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in a) die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder b) das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1. 5. 2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung. (3) 1 Wer einen Verstoß nach Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. 2 Wird eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis bezogen, so ist der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder Dienstleistung weiterveräußert wurde. 3 Bei der Entscheidung über den Umfang des Schadens nach § 287 der Zivilprozessordnung kann insbesondere der anteilige Gewinn, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangt hat, berücksichtigt werden. 4 Geldschulden nach Satz 1 hat das Unternehmen ab Eintritt des Schadens zu verzinsen. 5 Die §§ 288 und 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. (4) 1 Wird wegen eines Verstoßes gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union Schadensersatz gefordert, ist das Gericht an die Feststellung des Verstoßes gebunden, wie sie in einer bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde, der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde oder des als solche handelnden Gerichts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union getroffen wurde. 2 Das Gleiche gilt für entsprechende Feststellungen in rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen, die infolge der Anfechtung von Entscheidungen nach Satz 1 ergangen sind. 3 Entsprechend Artikel 16 Absatz 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/
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2003 gilt diese Verpflichtung unbeschadet der Rechte und Pflichten nach Artikel 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. (5) 1 Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs nach Absatz 3 wird gehemmt, wenn ein Verfahren eingeleitet wird 1. von der Kartellbehörde wegen eines Verstoßes im Sinne des Absatzes 1 oder 2. von der Europäischen Kommission oder der Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union wegen eines Verstoßes gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. 2
§ 204 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
In der Fassung vom 1. Juni 2017 § 33 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch (1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. (2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht. (3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist. (4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von 1. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn a) ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und b) sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen; 2. Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in a) die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder b) das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1. 5. 2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung. § 33a Schadensersatzpflicht (1) Wer einen Verstoß nach § 33 Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) 1 Es wird widerleglich vermutet, dass ein Kartell einen Schaden verursacht. 2 Ein Kartell im Sinne dieses Abschnitts ist eine Absprache oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen zwei oder mehr Wettbewerbern zwecks Abstimmung ihres Wettbewerbsverhaltens auf dem Markt oder Beeinflussung der relevanten Wettbewerbsparameter. 3 Zu solchen Absprachen oder Verhaltensweisen gehören unter anderem 1. die Festsetzung oder Koordinierung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen,
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2. die Aufteilung von Produktions- oder Absatzquoten, 3. die Aufteilung von Märkten und Kunden einschließlich Angebotsabsprachen, Einfuhrund Ausfuhrbeschränkungen oder 4. gegen andere Wettbewerber gerichtete wettbewerbsschädigende Maßnahmen. [Angef. durch G. v. 18. Januar 2021: 4 Es wird widerleglich vermutet, dass Rechtsgeschäfte über Waren oder Dienstleistungen mit kartellbeteiligten Unternehmen, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich eines Kartells fallen, von diesem Kartell erfasst waren.] (3) 1 Für die Bemessung des Schadens gilt § 287 der Zivilprozessordnung. 2 Dabei kann insbesondere der anteilige Gewinn, den der Rechtsverletzer durch den Verstoß gegen Absatz 1 erlangt hat, berücksichtigt werden. (4) 1 Geldschulden nach Absatz 1 hat der Schuldner ab Eintritt des Schadens zu verzinsen. 2 Die §§ 288 und 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung. § 33c Schadensabwälzung (1) 1 Wird eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis bezogen (Preisaufschlag), so ist der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder Dienstleistung weiterveräußert wurde. 2 Der Schaden des Abnehmers ist ausgeglichen, soweit der Abnehmer einen Preisaufschlag, der durch einen Verstoß nach § 33a [geänd. durch G. v. 9. Juli 2021: § 33] Absatz 1 verursacht worden ist, an seine Abnehmer (mittelbare Abnehmer) weitergegeben hat (Schadensabwälzung). 3 Davon unberührt bleibt der Anspruch des Geschädigten auf Ersatz seines entgangenen Gewinns nach § 252 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, soweit der entgangene Gewinn durch die Weitergabe des Preisaufschlags verursacht worden ist. (2) Dem Grunde nach wird zugunsten eines mittelbaren Abnehmers vermutet, dass der Preisaufschlag auf ihn abgewälzt wurde, wenn 1. der Rechtsverletzer einen Verstoß gegen § 1oder 19 oder Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union begangen hat, 2. der Verstoß einen Preisaufschlag für den unmittelbaren Abnehmer des Rechtsverletzers zur Folge hatte und 3. der mittelbare Abnehmer Waren oder Dienstleistungen erworben hat, die a) Gegenstand des Verstoßes waren, b) aus Waren oder Dienstleistungen hervorgegangen sind, die Gegenstand des Verstoßes waren, oder c) Waren oder Dienstleistungen enthalten haben, die Gegenstand des Verstoßes waren. (3) [1] Die Vermutung einer Schadensabwälzung nach Absatz 2 findet keine Anwendung, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Preisaufschlag nicht oder nicht vollständig an den mittelbaren Abnehmer weitergegeben wurde. [Angef. durch G. v. 18. Januar 2021: 2 Für mittelbare Abnehmer gilt § 33a Absatz 2 Satz 4 in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 entsprechend.] (4) Die Absätze 1 bis 3 finden entsprechende Anwendung für den Fall, dass der Verstoß gegen § 1 oder 19 oder Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union die Belieferung des Rechtsverletzers betrifft. (5) Bei der Entscheidung über den Umfang der Schadensabwälzung findet § 287 der Zivilprozessordnung entsprechende Anwendung.
Literaturverzeichnis Ackermann, Thomas/Franck, Jens-Uwe, Anmerkung zur Entscheidung des BGH, Urteil vom 28.6.2018 – KZR 75/10 – ORWI, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2012, S. 298 – 300 (zit.: Ackermann/Franck, GRUR 2012, 298, S.). Ahrens, Hans-Jürgen (Hrsg.), Der Wettbewerbsprozess, 8. Aufl., Köln 2017 (zit.: Bearbeiter, in: H.-J. Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, Kap. Rn.). Ahrens, Hans-Jürgen, Streitverkündung und Nebenintervention im Kartellschadensersatzprozess. Kostenwirkungen als Justizhemmnis, in: Dogmatik im Dienst von Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung. Festschrift für Hanns Prütting zum 70. Geburtstag, Köln 2018, S. 181 – 194 (zit.: H.-J. Ahrens, FS Prütting, 181, S.). Alexander, Christian, Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht. Privatrechtliche Sanktionsinstrumente zum Schutz individueller und überindividueller Interessen im Wettbewerb, Tübingen 2010 (zugl. Habil. München 2009) (zit.: Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht, S.). Arens, Peter, Zur Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei im Zivilprozeß, Zeitschrift für Zivilprozeß 96 (1983), S. 1 – 24 (zit.: Arens, ZZP 96 (1983), 1, S.). Ascheberg, Leonie, Kartellrechtliche Schadensersatzrichtlinie 2014/104/EU – Neuerungen und Schwierigkeiten bei der Umsetzung in deutsches Recht, Juristische Ausbildung 2016, S. 1101 – 1114 (zit.: Ascheberg, Jura 2016, 1101, S.). Ashurst, Study on the conditions of claims for damages in case of infringement of EC competition rules. Comparative Report, 2004, http://ec.europa.eu/competition/antitrust/actionsda mages/comparative_report_clean_en.pdf (Stand: 17. 4. 2021) (zit.: Ashurst, Study on the conditions of claims for damages in case of infringement of EC competition rules, S.). Augenhofer, Susanne, Private enforcement: Anforderungen an die österreichische und deutsche Rechtsordnung, in: dies. (Hrsg.), Die Europäisierung des Kartell- und Lauterkeitsrechts, Tübingen 2009, S. 39 – 61 (zit.: Augenhofer, in: Augenhofer (Hrsg.), Die Europäisierung des Kartell- und Lauterkeitsrechts, 39, S.). Bach, Albrecht/Wolf, Christoph, Neue Instrumente im Kartellschadensersatzrecht – Zu den Regeln über Offenlegung, Verjährung und Bindungswirkung, Neue Zeitschrift für Kartellrecht 2017, S. 285 – 294 (zit.: Bach/Wolf, NZKart 2017, 285, S.). Basedow, Jürgen, Perspektiven des Kartelldeliktsrechts, Zeitschrift für Wettbewerbsrecht 2006, S. 294 – 305 (zit.: Basedow, ZWeR 2006, 294, S.). Baumbach/Lauterbach, Kommentar zur Zivilprozessordnung mit GVG und anderen Nebengesetzen, von der 31.–77. Aufl. u. a. bearb. v. Hartmann, Peter, ab der 78. Aufl. hrsg. v. Anders, Monika/Gehle, Burkhard, 79. Aufl., München 2021 (zit.: Baumbach/Lauterbach/ Bearbeiter, § Rn.).
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Stichwortverzeichnis Anknüpfungstatsachen 116 ff., 200, 226 Anscheinsbeweis 68 ff., 95 ff., 116, 119, 138 f., 153 f., 172 ff., 213, 219 ff., 227 ff. – gesetzlicher 191 ff., 218 ff., 232 – Kombination 68 ff. Anspruchsberechtigung 28 ff., 53 ff., 148, 170, 229 Äquivalenzgrundsatz 144 f. Ausgleichsfunktion 38
Effektivitätsgrundsatz 33, 144 f. Entgangener Gewinn 60 f., 90 ff., 145, 161 f. Erfahrungssatz 68 ff., 95 ff., 102, 117 ff., 138 f., 179 ff., 192, 196, 227 f., 231
Bagatellschaden 31, 157 Bereicherungsverbot 88 Beseitigungsanspruch 45 f., 53, 61 f., 169 Betroffenheit 44 ff., 62 f., 98 ff., 114 f., 131, 134, 169 f., 174, 229 – Kartellbetroffenheit 50 ff., 174 – tatsächliche 48 ff., 229 Beweis des Gegenteils 154, 163, 165, 180 f., 185 ff., 209, 223, 231 Beweisbedürftigkeit 107, 109, 112, 212, 219, 232 Beweislast 111 f., 150 f., 200 – objektiv 108, 112, 117, 130, 137, 141, 153, 186, 194, 196, 207, 213, 219, 228, 231 f. – subjektiv 112 – Umkehr der 153 ff., 180, 185 f., 218 – Verteilung der 108 f., 113 ff., 130, 134, 137, 141, 197 ff., 210, 230 Beweismaß 43, 49 ff., 59, 62 f., 68, 74 ff., 95, 98, 112, 115 f., 134, 171, 186 ff., 198 f. Beweisregel 43, 191 ff. Beweiswert 192 Beweiswürdigung 40, 63, 72, 76, 117, 130, 158, 191 ff., 205, 215, 221, 227 f.
Gegenbeweis 74, 117, 134, 137, 153 f., 165, 179, 185 ff., 209, 231 f. Gesetzliche Vermutung 153 ff., 162, 167, 171, 173, 175 ff., 190, 196 f., 206 ff., 222 ff., 230 ff. – Vermutungsbasis 154, 162, 165, 171, 175 f., 179, 182 ff., 208 f., 223, 231 – Vermutungsfolge 154, 171, 179, 185, 231 Glaubhaftmachung 152, 160, 163 ff., 186 ff., 194 ff., 213 f. Gläubigerprätendentenstreit 216 f. Grünbuch 146 ff. GWB, Entwicklung des 24 ff. GWB-Digitalisierungsgesetz siehe GWBNovelle, 10. GWB-Novelle, 9. 143 ff. – Referentenentwurf 159 ff., 193 – Regierungsentwurf 164 f., 171 ff., 193, 200, 219 f. GWB-Novelle, 10. 19 f., 23, 167, 173 ff.
Courage-Entscheidung 143 ff. Differenzhypothese
26, 28 f., 34,
35 f., 62, 89
Feststellungswirkung 43, 114 f., 223 Follow-on-Klage 26 f., 43, 99, 114 f., 168 f., 171, 198 f.
Hardcore-Kartell
20, 115
Indizien 76, 102, 117, 189, 214 Informationsgewinnung 121, 123 ff., 140, 229 Interventionswirkung 40 f., 104 ff., 206 ff. – Einreden 104 f., 107, 129, 140
Stichwortverzeichnis – non-liquet 108, 130 ff., 137, 141, 207 ff., 231 – objektiv 107 f., 136 – subjektiv 105 f., 128 f. Kartellbefangenheit 56 ff., 64 ff., 100 ff., 167, 173 ff., 199, 229 f. Kartellschadensersatzrichtlinie 143, 148 ff., 196 f., 209 ff., 231 – Art. 3 156, 210 – Art. 12 156 f., 162 ff., 210 – Art. 13 150 ff., 160 ff. – Art. 14 152 ff., 162 ff., 182, 187, 196 f., 209 ff., 217 f., 222, 230, 232 – Art. 15 156 ff., 166 f., 210 f., 218 f., 232 – Art. 22 221 f. – Umsetzung siehe GWB-Novelle, 9. Kongruenz 89 ff. Lieferkette 17, 20, 181 LKW-Kartell-Entscheidung Lottoblock II-Entscheidung
73 50 f., 62 f.
Manfredi-Entscheidung 28 f., 34, 144 ff. Mehrfachhaftung 18 ff., 33 f., 43, 107 ff., 147 ff., 156 ff., 166 f., 207 ff. Musterfeststellungsklage 166 Nachfragerückgang 89 ff., 161, 229 Nebenintervention 104, 113, 117 ff., 122, 125 Offenlegungsanspruch 150 ff., 201 ff., 220, 232 ORWI-Entscheidung 18, 27 ff., 79 ff., 109 ff., 119 ff., 150 ff., 161, 198, 204, 206, 211 passing-on-defence siehe Schadensabwälzungseinwand Positiver Schaden 60 ff. Prävention 30 f., 38, 86 ff., 127, 211 Preisaufschlag 17 ff., 30 f., 34 ff., 60, 76 ff., 118 ff., 128 ff., 147 ff., 172, 181 ff., 204 ff., 223 ff. – Abwälzung 17 ff., 26 ff., 79, 82, 94, 101, 118, 123, 130 ff., 147 ff., 185 ff., 206 ff.
259
Preisschirmeffekt 66, 70, 178 Preisüberhöhungsschaden 57, 60, 77, 90 ff., 100 ff., 116 f., 123, 128 ff., 156, 161, 172, 180 ff., 199, 209 ff., 217, 223, 230 Prozessverbindung 214 ff. Rechtsschutz, kollektiver 19, 23, 166, 232 Rückwirkung 158 f., 175, 220 ff. Schadensabwälzungseinwand 17 f., 21, 26 ff., 33 ff., 147 ff., 159 ff., 200 Schadenseintritt 55, 62 ff., 70 f., 115, 128 Schadenshöhe 62, 67, 76 f., 118, 200 – Schätzung 76, 118, 200 Schadenspauschalierungsklausel 66 f., 77 Schadensschätzung 76, 118, 200 Schienenkartell-Entscheidung 64 ff., 96 f., 167 Schienenkartell II-Entscheidung 50 ff., 72 f., 176 Schienenkartell V-Entscheidung 94 f. Schutzgesetz 25 f., 31 f., 45 ff., 54 Sekundäre Darlegungslast 112, 119 ff., 133 f., 140 f., 151, 201 ff., 229, 232 – Erforderlichkeit 119 ff., 204 f. – substantiiertes Bestreiten 112, 120, 151 f., 202, 205 – Zumutbarkeit 121 f., 125 ff., 205, 229 Streitverkündung 40 ff., 93, 103 ff., 198 ff., 212 ff. – faktische Probleme 110 f. – Streitverkündungslösung 109 ff., 167, 197 ff., 211 ff., 230, 232 – Voraussetzungen 103 f. – Wirkung siehe Interventionswirkung Streuschaden 31, 127, 166 Tatbestandsausnahme 190 f., 197, 231 Tatsächliche Vermutung 63, 68, 71 ff., 96, 117, 172 ff., 179 ff., 231 Überkompensation 20, 30, 156 ff., 166, 210 f. Unterkompensation 166 Unterlassungsanspruch 45 f., 53, 169
260
Stichwortverzeichnis
Unternehmer 20, 31, 52, 77, 97 f., 111, 115, 122 f., 140, 150 Verbraucher 20, 31 f., 37, 110 f., 122 f., 133, 140, 166, 198 Vermutung siehe Gesetzliche Vermutung/ Tatsächliche Vermutung Vitaminkartell-Entscheidung 35, 38 Vorteilsausgleichung 26, 34 ff., 77 ff., 110 f., 118 ff., 129 ff., 150 f., 157, 160 ff.,
– – – – –
181, 200, 204 ff., 212 ff., 220, 224, 226 f., 229, 231 f. Anscheinsbeweis 95 ff. Fallgruppen 79, 83 ff. Höhe des Vorteils 98 Kausalzusammenhang 79 ff. schädigendes Ereignis 79 f.
Weißbuch
29, 34, 146 ff.