Verfassungs- und Verwaltungsreformen in den sozialistischen Staaten [1 ed.] 9783428440320, 9783428040322


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German Pages 382 Year 1978

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Verfassungs- und Verwaltungsreformen in den sozialistischen Staaten [1 ed.]
 9783428440320, 9783428040322

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FRIEDRICH·CHRISTIAN SCHROEDER / BORIS MEISSNER

Verfassungs· und Verwaltungsreformen in den sozialistischen Staaten

Verfassungs- und Verwaltungsreformen in den sozialistischen Staaten

Herausgegeben von

Friedrich-Christian Schroeder und

Boris Meissner im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, Berlin

DUNCKER

&

HUMBLOT

BERLIN

Das Erscheinen des vorliegenden Bandes wurde durch einen Druckkostenzuschuß des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, ermöglicht

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1978 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlln 61 Prlnted ln Germany

© 1978 Duncker

ISBN 3 428 04032 5

In memoriam Reinhart Maurach

* 23.4.1902 t 11. 6. 1976

Vorwort Der vorliegende Band enthält die Referate, die auf der Tagung 1976 der Fachgruppe Recht der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde gehalten worden sind. Diese Tagung wurde in Verbindung mit den Instituten für Ostrecht in Köln und München Pfingsten 1976 in Travemünde veranstaltet. Während die bisherigen Tagungen der Fachgruppe Recht der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde teils das ~nternationale Recht behandelten (Tagung 1965: Völkerrecht in Ost und West, veröffentlicht 1967; Tagung 1974: Integration und Kooperation im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, Veröffentlichung 1976), teils die Rechtsentwicklung in der Sowjetunion (Tagung 1968: Fünfzig Jahre Sowjetrecht, veröffentlicht 1969; Tagung 1970: Sowjetstaat und Sowjetrecht nach Chruschtschow, veröffentlicht 1971; Tagung 1972: Bundesstaat und Nationalitätenrecht in der Sowjetunion, veröffentlicht 1974), war der Tagung 1976 erstmals ein die gesamten sozialistischen Staaten übergreifendes Thema gestellt. Dies war möglich, weil in den letzten Jahren in fast allen sozialistischen Staaten mehr oder weniger umfangreiche Verfassungs- und Verwaltungsreformen ergangen sind (vgl. den Überblick bei Brunner, S.ll ff.). In der Sowjetunion war die seit langem angekündigte Reform zwar auch auf dem XXV. Parteitag der KPdSU 1976 noch einmal aufgeschoben worden; doch hatte sich die Reformdiskussion bereits soweit verdichtet, daß eine Bilanz dringend erwünscht erschien. Inzwischen wurde im Oktober 1977 der endgültige Wortlaut der neuen Verfassung veröffentlicht. Er konnte in den einschlägigen Beitrag noch aufgenommen werden, so daß der neueste Stand berücksichtigt ist. Mit der Einbeziehung der meisten sozialistischen Staaten in die Untersuchung stellten sich das Problem der innersozialistischen Rechtsvergleichung und die umstrittene Frage nach der Existenz eines sozialistischen "Rechtskreises". Um das reichhaltige Material richtig einordnen zu können, dabei aber Wiederholungen zu vermeiden, erschien es geboten, in einem einleitenden, übergreifenden Beitrag die Funktionen der Verfassung in den sozialistischen Staaten darzulegen und dabei besonders die neueste Entwicklung zu berücksichtigen. Die Frage wurde auch in der abschließenden Gesamtdiskussion der Tagung wieder aufgenommen, .die in diesem Band leider nicht wiedergegeben werden kann.

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Vorwort

Bei den einzelnen sozialistischen Staaten konnten nicht nur die seit langem von der Ostrechtsforschung beobachteten osteuropäischen Staaten dargestellt werden, sondern auch das bisher kaum erforschte Albanien sowie die Republik Kuba. Dagegen konnten die ostasiatischen sozialistischen Staaten nur in Form eines knappen Überblicks einbezogen werden (s. die Darstellung bei Brunner, S.15 f.). Bei den beiden Staaten, in denen die gegenwärtige Verfassungsdiskussion am lebhaftesb:m ist, nämlich der Sowjetunion und Pol-en, wurde ·die Grundrechtsdiskussion in besonderen Beiträgen behandelt. Während der Tagung erreichte die Veranstalter eine Postkarte aus Italien, auf welcher Professor Dr. Reinhart Maurach seine geplante Teilnahme an der Tagung wegen einer plötzlichen Erkrankung absagen mußte. Die Abwesenheit Reinhart Maurachs wurde nicht nur wegen seiner langjährigen Mitleitung der Fachgruppe Recht der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, sondern vor allem wegen seiner großen, durch das "Handbuch der Sowjetverfassung" von 1955 gekrönten, Kompetenz auf dem Gebiet des Themas der Tagung allgemein bedauert. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch keiner der Teilnehmer ahnen, wie schwer die Erkrankung war. Reinhart Maurach ist von dieser Reise nicht mehr zurückgekehrt und •a m 16. 6. 1976 in Gardone/Italien gestorben. Die Fachgruppe Recht der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde sieht keine bessere Möglichkeit, ihre Dankbarkeit und Verehrung für Reinhart Maurach zum Ausdruck zu bringen, als ihm dieses Buch zu widmen. Für die redaktionelle Betreuung des Bandes danken wir Herrn Dr. Bernd Schultze-Willebrand, wiss. Ass. an der Universität Regensburg. Regensburg-Köln, im Oktober 1977 Die Herausgeber

Inhaltsverzeichnis Die Funktionen der Verfassung in den sozialistischen Staaten im Spiegel der neueren Verfassunggebung Von Georg Brunner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Die neue Bundesverfassung der UdSSR und die sowjetische Verwaltungsreform von 1973 Von Boris Meissner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Grundrechte in zweierlei Sicht. Die Grundrechtsdiskussion zwischen Staatsrechtlern und Dissidenten in der Sowjetunion Von F. J. M. Feldbrugge . . ..................... .. ............. . .. . .... 101 Die neuere Verfassungsentwicklung und die Verwaltungsreformen in Polen Von Siegfried Lammich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Der Stellenwert der Grundredlte im polnischen Verfassungsrecht nach der Verfassungsnovelle von 1976 Von Erhardt Gralla .......................... . .. ... ............. . . .... 127 Die neuere Verfassungsentwicklung in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik Von Helmut Slapnicka ........ .. .......................... ... ......... 149 Die neuere Verfassungsentwicklung in Rumänien Von Peter Leonhardt .. . . .... . . ..... .............. ........... . ..... ... . 179 Die neuere Verfassungsentwicklung in Ungarn Von Läszl6 Revesz ......... . ....................................... .. . 199 Dieneuere Verfassungsentwicklung in Bulgarien Von Christa Jessel .............................. ... . . .............. ... 221 Dieneuere Verfassungsentwicklung in Jugoslawien Von Herwig Roggemann ..... . ................................ . ..... . • 257

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Inhaltsverzeichnis

Die neue Verfassung der sozialistischen Volksrepublik Albanien Von Theodor Schweisfurth ..... . ...................................... 321 Die Verfassung der Republik Kuba Von Christine Höcker-Weyand ................... .. ........... .... .... 335 Zum Vergleich- Die Verfassungsreform in der DDR Von Siegfried Mampel ................................................ 353 Zur Person der Herausgeber und Mitarbeiter .......................... 381

Die Funktionen der Verfassung in den sozialistischen Staaten im Spiegel der neueren Verfassunggebung Von Georg Brunner

Seit Anfag der 60er Jahre hat in den "sozialistischen" Staaten eine rege Verfassunggebung eingesetzt1• Für sie ist ganz allgemein eine zunehmende Differenzierung nach nationalen Besonderheiten kennzeichnend, nachdem die Stalinsche Verfassung von 1936 ihren allgemein verbindlichen Vorbildcharakter eingebüßt hat. Im folgenden Beitrag soll diese neuere Verfassungsentwicklung unter zwei Aspekten analysiert werden: erstens sollen - nach einer eher lexikalischen Bestandsaufnahme- die charakteristischen Merkmale der neueren "sozialistischen" V·erfassung.gebung •im allgemeinen aufgezeigt werden (die Einzelheiten werden in den nachfolgenden Länderreferaten behandelt); zweitens soll der Fvage nachgegangen werden, welche Funktionen eine "sozialistische" Verfassung überhaupt erfüllt.

I. Bestandsaufnahme 1. In den osteuropäischen Ländern kann der Prozeß der neueren Verfassunggebung als im wesentlichen abgeschlossen angesehen werden. In der zeitlichen Reihenfolge der Ver.abschiedung der gegenwärtig g·eltenden Verfassungen stellt sich die Lage im einzelnen folgendermaßen dar:

- Tschechoslowakei2 : Die verfassungsrechtliche Lage ist unübersichtlich. Zwar hat die Tschecheslowakei am 11. Juli 1960 als erstes Land im sowjetischen Hegemonialbereich eine "moderne" Verfassung verabschiedet (Sbirka Zäkonü Nr. 100/1960), die die stalinistische Verfassung 1 . Für einen Überblick vgl. Lammich, S., Neue Elemente des sozialistischen Konstitutionalismus, Recht in Ost und West 1973, S. 262 ff.; Brunner, G., Neuere Tendenzen in der verfassungsrechtlichen Entwicklung osteuropäischer Staaten, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1974 (NF Bd. 23), S. 209 ff. 2 Schrüttum: Rabl, K., Die verfassungsrechtliche Entwicklung der Tschechoslowakei seit 1944- 1945, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1959 (NF Bd. 8), S. 293 ff.; ders., Die tschechoslowakische Verfassungsurkunde vom 11. Juli 1960 in Theorie und Praxis, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1963 (NF Bd.l2), S. 353 ff.; Pdka, P., Zur gegenwärtigen Verfassungsentwicklung in der Tsche-

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von 1948 ablöste, aber diese Verfassung gilt heute nur noch in einzelnen Teilen. Zu ihnen zählen im wesentlichen die Kapitel über die Gesellschaftsordnung, die Grundrechte, die Nationalausschüsse und die Rechtspflege. Seit der Okkupation der Tschechoslowakei im August 1968 sind insgesamt zwölf Verfassungsgesetze ergangen, die die Vorstellungen der Prager Reformer zunächst teilweise in das Verfassungsrecht umsetzten und dann wieder weitgehend rückgängig machten. Von ihnen kommt dem Verfassungsrecht vom 27. Oktober 1968 "über die tschechoslowakische Föderation" (Sb. Nr.143/1968) die größte Bedeutung zu, das in der Hauptsache das geltende Staatsorganisationsrecht enthält. Von den übrigen elf Verfassungsgesetzen beinhalteten drei ÜbergangsregeJungen und sind heute nicht mehr von Interesse. Fünf Verfassungsgesetze haben den Text der beiden "Grundgesetze" ausdrücklich geändert: Sb Nr. 57/1969, Nr. 155/1969, Nr. 125/1970, Nr. 43/1971 und Nr.14/1975. Drei Verfassungsgesetze betreffen wichtige Neuregelungen außerhalb der beiden "Grundgesetze" und treten selbständig neben diese: Sb Nr. 144/1968, Nr. 10/1969 und Nr. 126/1970.

- Rumänien3 : Nach den Verfassungen von 1948 und 1952 wurde am 20. August 1965 die dritte und geltende Verfassung verabschiedet, die nach einigen Änderungen am 8. April1974 neugefaßt worden ist (Buletinul Ofkial1974, Teil I, Nr. 56). Seither hat sie durch das Gesetz Nr. 66/ 1974 vom 20. 12. 1974 (Bul. Of. 1974 Teil I, Nr. 161) eine erneute Abänderung erfahren. choslowakei, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1967 (NF Bd.17), S. 295 ff. ; Ko-

sik, K., Reformtendenzen in der tschechoslowakischen Rechtslehre in den Jahren 1968- 1969, Jahrbuch für Ostrecht 1971, Bd. XII/2, S. 145 ff.; Schultz,

L., Die Tschechoslowakische Sozialistische Republik - ein föderativer Staat, Osteuropa-Recht 1969, S. 317 ff.; Poksteft, J ., Die Entwicklung der Rechtslage des Individuums in der CSSR seit dem Jahre 1968, Osteuropa-Recht 1971, S. 245 ff.; Dean, W., Die Aushöhlung der tschechoslowakischen Föderation, Osteuropäische Rundschau 1972, H. 5, S.l3 ff.; Kipke, R., Die Prinzipien und Grundlagen des Föderalismus in der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, Göttingen 1974, Diss. 3 Schrifttum: Schultz, L., Die Verfassungsentwicklung der Volksrepublik Rumänien seit 1944, Jahrbuch für Ostrecht 1962, Bd. III/1, S.141 ff.; ders., Die verfassungsrechtliche Entwicklung der Sozialistischen Republik Rumänien seit dem Zweiten Weltkrieg, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1966 (NF Bd. 15), S. 407 ff.; Oroveanu, M., Les modifications de la Constitution de Ia Republique Socialiste de Raumanie de 1965 et leur importance, Revue du Droit Public et de la Science Politique en France et a l'Etranger 1970 (Bd. 86), S. 1153 ff.; Cismarescu, M., Die verfassungsrechtliche Entwicklung der Sozialistischen Republik Rumänien 1965 - 1975, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1975 (NF Bd. 24), S. 231 ff.; Benediter, I.-Pipernea, E., Die Vervollkommnung des Systems der obersten Organe der Staatsmacht in der Sozialistischen Republik Rumänien, Osteuropa-Recht 1976, S. 17 ff.

Die Funktionen der Verfassung in den sozialistischen Staaten

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- Mitteldeutschland4 : An die Stelle der Verfassung von 1949 ist am 6. April1968 eine neue getreten. Diese ist am 7. Oktober 1974 in weiten Teilen abgeändert und neugefaßt worden (Gesetzblatt 1974, Teil I, s. 432). - Bulgarien5 : Hier ist die "Dimitrovsche" Verfassung von 1947 am 16. Mai 1971 durch eine neue abgelöst worden (Dädaven Vestnik 1971, Nr. 39). -

Ungarn6 : In Abweichung von den bisher behandelten Ländern hat

Ungarn keine neue Verfassung im formellen Sinne verabschiedet, sondern sich mit einer Totalrevision der alten Verfassung von 1949 durch das Gesetz Nr. 1/1972 vom 19. April 1972 begnügt (Magyar Közlöny 1972, Nr. 32). Die neugefaßte Verfassung ist später durch das Gesetz Nr. 1/1975 noch geringfügig geändert worden (M. K. 1975, Nr. 23). -

Jugoslawien7 : Dieses Land kann auf diebewegteste Verfassungs-

entwicklung zurückblicken. Die erste Verfassung von 1946 wurde durch das Verfassungsgesetz von 1953 weitgehend ersetzt. Im Jahre 1963 4 Schrifttum: Mampel, S., Die Entwicklung der Verfassungsordnung in der Sowjetzone Deutschlands von 1945 bis 1963, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1964 (NF Bd. 13), S. 455 ff.; ders., Die neue Verfassungsordnung in Mitteldeutschland, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1969 (NF Bd. 18), S. 333 ff.; ders., Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, Text und Kommentar, Frankfurt a. M. 1972; ders., Zur Ergänzung und Änderung der DDR-Verfassung vom 6. 4. 1968, Recht in Ost und West 1975, S. 137 ff.; Müller-Römer, D., Die Entwicklung des Verfassungsrechts in der DDR seit 1949, Archiv des öffentlichen Rechts 1970 (Bd. 95), S. 528 ff.; ders., Die neue Verfassung der DDR, Köln 1974; Zieger, G., Die Organisation der Staatsgewalt in der Verfassung der DDR von 1968, Archiv des öffentlichen Rechts 1969 (Bd. 94), S. 185 ff.; ders., Die Verfassungsänderung in der DDR vom 7.10.1974, Neue Juristische Wochenschrift 1975, S.143ff.; Roggemann, H., Die Verfassung der DDR, Opladen 1970; ders., Die Staatsordnung der DDR, Berlin 1973; Brunner, G., Einführung in das Recht der DDR, München 1975, s. 49 ff. 5 Schrifttum: Schultz, L., Die Verfassungsentwicklung der Volksrepublik Bulgarien seit 1944, Jahrbuch für Ostrecht 1961, Bd. II/1, S. 139 ff.; ders., Bulgariens neue Verfassung, Osteuropa 1972, S. 280 ff.; ders., Die Verfassung der Volksrepublik Bulgarien vom 18. Mai 1971, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1973 (NF Bd. 22), S. 203 ff.; Neuman-Stinghart, G., L'evolution constitutionnelle de la Bulgarie, Revue des Pays de l'Est 1972, S. 75 ff. 6 Schrifttum: Antalffy, Gy., Le syteme etatique et juridique de la Republique Populaire Hongroise, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1968 (NF Bd. 17), S. 481 ff.; ders., Sur l'amendement de la Constitution de la Republique Populaire Hongroise, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1975 (NF Bd. 24), S. 287 ff.; Die ungarische Verfassungsreform, Osteuropäische Rundschau 1972, H.10, S. 18 ff., H. 11, S. 9 ff., H. 12, S. 21 ff.; Brunner, G., Das System der obersten Staatsorgane in Ungarn nach der Verfassungsreform von 1972, WGO 1973, S.23 ff. 7 Schrifttum: Schultz, L., Die Verfassungsentwicklung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien seit 1945, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1958 (NF Bd. 7), S. 289 ff.; ders., Die jüngste Verfassungsreform der Sozialistischen

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wurde eine dritte Verfassung erlassen, die in den Jahren 1967, 1968 und 1971 durch die Hinzufügung von insgesamt 42 Zusatzartikeln einer grundlegenden Umgestaltung unterzogen wurde. Schließlich ist am 21. Februar 1974 die geltende vierte Verfassung ergangen (Sluzbeni list 1974, Nr. 9). - Polen8 : Hier ist am 16. Februar 1976 ein ähnlicher Weg beschritten worden wie in Ungarn. Die alte Verfassung von 1952, die seinerseits an die Stelle der "Kleinen Verfassung" von 1947 getreten war, ist im Wege ,einer Totalrevision neugefaßt worden (Dzliennik Ustaw 1976, Nr. 7, Pos. 36). - Albanien9 : Am 28. Dezember 1976 ist hier die jüngste aller sozialistischen Verfassungen ergangen (Gazeta Zyrtare 1976, Nr. 5). Sie löst die 1950 stark veränderte Verfassung von 1946 ab.

2, In der Sowjetunion gilt zwar noch die vielfach geänderte Verfassung vom 5. Dezember 193610 , doch ihre Ablösung durch eine neue steht Föderativen Republik Jugoslawien, Jahrbuch für Ostrecht 1972, Bd. XIII/1, S. 7 ff.; ders., Die neue Verfassung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien vom 21. Februar 1974, Jahrbuch für Ostrecht 1974, Bd. XV, S. 13 ff.; Krbek, I., Die Verfassung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien vom 7. 4. 1963, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1964 (NF Bd. 13), S. 243 ff.; Petrovic, B., Die .Änderungen der Verfassung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, Osteuropa-Recht 1970, S. 191 ff.; Kristan, I., Dritte Verfassungsrevision in Jugoslawien, Die Verwaltung 1972, S. 446 ff.; Die neue jugoslawische Verfassung, Wissenschaftlicher Dienst Südosteuropa 1973, S. 125 ff.; Reichel, H.-Chr., Die neue jugoslawische Bundesverfassung, Osteuropa-Hecht 1974, S.165 ff.; Jovicic, M., La nouvelle Constitution yougoslave de 1974, Revue Internationale de Droit Compare 1974, S. 787 ff.; Furtak, R. K., Jugoslawien, Harnburg 1975, S. 80 ff.; Weygand, Chr., Das Delegiertensystem in der SFR Jugoslawien, Osteuropa-Recht 1976, S. 29 ff. 8 Schrifttum: Schultz, L., Die Verfassungsentwicklung Polens seit 1944, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1954 (NF Bd. 3), S. 367 ff.; ders., Die neue Verfassung der Volksrepublik Polen vom 10. Februar 1976, Jahrbuch für Ostrecht 1975, Bd. XVI/2, S. 9 ff.; Sobolewski, M ., Die verfassungspolitische Entwicklung in Polen seit 1952, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1959 (NF Bd. 8), S. 267 ff.; Lammich, S., Die verfassungsrechtliche Organisation und Funktion der Exekutive in Polen, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1975 (NF Bd. 24), S. 193 ff.; ders., Organisation und Funktion der Vertretungsorgane in Polen, Jahrbuch für Ostrecht 1975, Bd. XVI/1, S. 147 ff.; ders., Regierung und Verwaltung in Polen, Köln 1975; ders., Organisation und Funktion der territorialen Verwaltung in Polen nach der Reform von 1975, Die Verwaltung 1976, S. 242 ff.; Zakrzewski, W ., Die verfassungsrechtliche Entwicklung der Volksrepublik Polen 1958- 1974, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1975 (NF Bd. 24), s. 89 ff. 9 Schrifttum: Schwanke, R., Fünfzig Jahre Verfassungs- und Verwaltungsleben in Albanien, Osteuropa-Recht 1963, S. 1 ff.; Bartl, P., Albaniens neue Verfassung, Wissenschaftlicher Dienst Südosteuropa 1976, S . 26 ff. Siehe auch: Schwanke, R., Die neuere Rechtsentwicklung in Albanien, OsteuropaHecht 1977, S. 113 ff. 10 Schrifttum: Meissner, B., Die sowjetische Verfassung, in: B. Dennewitz, Die Verfassungen der modernen Staaten, Bd. I, Harnburg 1947; ders., Wandlungen im Regierungs- und Verwaltungssystem der Sowjetunion, in: R. Maurach-B. Meissner (Hrsg.), Sowjetstaat und Sowjetrecht nach Chru-

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unmittelbar bevor.. Zu diesem Zwecke wurde bereits 1962 eine Verfassungskommission eingesetzt, aber von ihrer Tätigkeit war nur wenig zu hören, und auch der XXV. Parteikongreß der KPdSU im Februar 1976 vermittelte keine wesentlichen Aufschlüsse über den Stand der Dinge. Um so überraschender kam dann die Nachricht, daß das Zentralkomitee der KPdSU am 24. Mai 1977 im Zusammenhang mit der Ausbootung des Staatsoberhaupts Podgornyj den Entwurf einerneuen Verfassung zustimmend zur Kenntnis genommen hat. Der Entwurf wurde alsbald in der Tagespresse veröffentlicht11 und soll im Oktober 1977 verabschiedet werden. 3. Die außereuropäischen "sozialistischen" Länder haben sich der Verfassungsbewegung ebenfalls angeschlossen. Im einzelnen gelten folgende Verfassungen:

- Vietnam12 : Nach der erfolgreichen Annexion des Südens durch den Norden im Jahre 1975 ist die formelle Vereinigung der beiden Landesteile im Juni 1976 vollzogen worden. Die Nationalversammlung hat einen Verfassungsausschß eingesetzt, der eine Verfassung ausarbeiten soll. Bis dahin gilt die nordvietnamesische Verfassung vom 31. Dezember 1959 (englische Übersetzung: Osteuropa-Recht 1960, S. 222 ff.; J, Triska/Hrsg., Constitutions of the Communist Party-States, Stanford 1968, s. 198 ff.).

- Mongolei13 : Es gilt die Verfassung vom 6. Juli 1960, die diejenige von 1940 ablöste (russische Übersetzung: Osteuropa-Recht 1960, S. 250 ff.; englische Übersetzung: Triska, a. a. 0., S. 315 ff.). - Nord-Korea14 : An die Stelle der Verfassung von 1948 ist am 27. Dezember 1972 eine neue Verfassung getreten (deutsche Übersetzung: WGO 1973, S. 47 ff.). schtschow, Stuttgart 1971, S. 9 ff.; ders., Die Verfassungsentwicklung der Sowjetunion seit dem Tode Stalins, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1973 (NF Bd. 22), S. 101 ff.; Maurach, R., Handbuch der Sowjetverfassung, München 1955; Fainsod, M., Wie Rußland regiert wird, Köln 1965; Westen, K., Die Kommunistische Partei der Sowjetunion und der Sowjetstaat, Köln 1968; Roggemann, H ., Die Staatsordnung der Sowjetunion, 2. Aufl., Berlin 1972i Brunner, G., Politische Soziologie der UdSSR, 2 Bd., Wiesbaden 1977. 11 Pravda vom 4. 6. 1977. 12 Schrifttum: Fall. B., Die Rechtslage in der Demokratischen Republik Viet-Nam, Osteuropa-Recht 1957/58, S.189 ff.; ders., Die neue Verfassung der Demokratischen Republik Vietnam, Osteuropa-Recht 1960, S. 145 ff. 13 Schrifttum: Schultz, L., Die neue Verfassung der Mongolischen Volksrepublik, Osteuropa-Recht 1962, S. 45 ff. 14 Schrifttum: Youn-Soo Kim, Die Verfassung der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik, Osteuropa-Recht 1971, S. 13 ff.; ders., Grundzüge der Verfassung der Demokratischen Volksrepublik Korea von 1972, WGO 1973, s. 39 ff.

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China15 : Die Verfassung von 1954 ist am 17. Januar 1975 durch eine neue ersetzt worden (deutsche Übersetrung: Peking Rundschau 1975, Nr. 4, S. 12 ff.; WGO 1974, S. 254 ff.). - Kuba: Die neue Verfassung, die das Grundgesetz aus dem Jahre 1959 ablöst, ist am 15. Februar 1976 durch Volksentscheid angenommen worden (Gaceta Oficial vom 24. 2. 1976). Sie ist im Dezember 1976 voll in Kraft getreten, als sich die tn ihr vorgesehenen Verfassungsorgane konstituiert haben. II. Merkmale der neueren Verfassungsentwicklung Bei der Analyse der neueren Verfassungsgebung schälen sich fünf Sachbereiche heraus, in denen bemerkenswerte Abweichungen vom stalinistischen Verfassungstypus zu registrieren sind: 1. ideologischpolitische Grundaussagen, 2. Aussagen über das politische System, 3. Organisation der Staatsgewalt, 4. Rechtsstellung des Einzelnen, 5. Schutz der Verfassung. 1. Ideologisch-politische Grundaussagen

Während die stalinistischen Verfassungen mit ideologisch-politischen Grundaussagen relativ sparsam umgingen, sind die neueren Verfassungen in stär~erem Maße um eine Klärung ·der ideologisch-politischen Grundpositionen bemüht, ohne allerdings alle sich aufdrängenden Fragen befriedigend zu beantworten. a) Da der offiziellen Systemideologie des Marxismus-Leninismus der Glaube zugrunde liegt, es gebe objektive Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung, nach denen der Sozialismus/Kommunismus den Kapitalismus abzulösen habe, und sich das Herrschaftssystem in teleologischer Hinsicht mit der sozialistisch-kommunistischen Zukunftsvision legitimiert, besteht ein permanenter ideologischer Zwang zur Standortbeu Schrifttum: Schultz, L., Die neue Verfassung der Volksrepublik China, Osteuropa-Recht 1955/56, S. 43 ff.; ders., Die Verfassungsentwicklung der Volksrepublik China seit 1949, Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1956 (NF Bd. 5), S. 329 ff.; Tomson, E.--Jyun-hsyong Sv., Regierung und Verwaltung der Volksrepublik China, Köln 1972; Tomson, E., Die Verfassungsentwicklung in China seit dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, Osteuropa-Recht 1974, S. 114 ff.; Münzel, F., Eine Verfassung der proletarischen Diktatur, WGO 1974, S. 243 ff.; Weggel, 0., Die neue Verfassung der Volksrepublik China, Verfassung und Recht in Übersee 1975, S. 23 ff.; Heu.ser, R., Die chinesische Verfassungsrevision vom 17. Januar 1975, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1975, S. 502 ff.; Schweisfu.rth, Th., Der Standort der chinesischen Verfassung vom 17. Januar 1975 in der Entwicklung sozialistischer Verfassungsordnungen, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1975, S. 534 ff.

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stimmung in der gesellschaftlichen Entwicklung. So wird denn auch die Verabschiedung einer neuen Verfassung gemeinhin mit der Feststellung begründet, man habe eine neue Etappe in der gesellschaftlichen Entwicklung erreicht. Diese Etappe ist ein fortgeschrittenes Stadium des sozialistischen Aufbaus, das wegen der recht häufigen Änderungen in der Periodisierung in den einzelnen Verfassungen unterschiedlich benannt wird - gegenwärtig bevorzugt man den Ausdruck "entwickelte sozialistische Gesellschaft" 18• Trotz der Abweichungen in den ideologischen Feinheiten stimmen alle neueren Verfassungen darin überein, daß sie die sozialistische Gesellschaft als Gegenwart oder zumindest als Nahziel ansprechen, Darüber hinaus wird meistens auch der Kommunismus als Fernziel genannt. Von den neueren Verfassungen verzichten bemerkenswerterweise nur die ungarische, die polnische und die chinesische auf die Angabe dieses Fernziels. Im Falle Ungarns und Polens ist diese Zurückhaltung mit einer allgemein realpolitischeren Grundeinstellung und einer daraus folgenden Skepsis gegenüber utopischen Zukunftsvorstellungen zu erklären. Aus diesem Grunde haben auch beide Länder bewußt von einer gänzlich neuen Verfassung Abstand genommen und sich mit einer Verfassungsrevision begnügt17, Andere Motive waren in China ausschlaggebend, wo die Ideologie einen besonders hohen Stellenwert genießt. Hier liegt das Denken in großen Zeiträumen in den Eigentümlichkeiten der Ideologie selbst begründet. Die chinesische Verfassung entrückt den Kommunismus absichtlich in die ferne Zukunft, indem sie in ihrer Präambel die "sozialistische Gesellschaft" als eine "ziemlich lange geschichtliche Periode" bezeichnet. b) In der Frage der Staatsform besteht eine dahingehende Einmütigkeit, daß es sich um "sozialistische Staaten" handele. Allerdings haben nur die drei osteuropädschen Länder, die sich in der ersten Hälfte der 60er Jahre eine neue Verfassung gaben, aus dieser Feststellung die Konsequenz gezogen, 'in ihre offizielle Sta:atsbezoeichnung das Adjektiv "sozialistisch" aufzunehmen: Tschechoslowakische Sozialistische Republik (1960), Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (1963), Sozialistische Republik Rumänien (1965). Diesem Beispiel ist nunmehr Albanien als "Sozialistische Volksrepublik" ·gefolgt (1976). Weniger eindeutig sind die Einlassungen zu der Frage, welchen Typus des sozialistischen Staates die betreffenden Länder verkörpern. Theoretisch kämen die "Diktatur des Proletariats" oder der "allge18 Vgl. hierzu SchuZtz, L., Die entwickelte sozialistische Gesellschaft als neue Phase in der Entwicklung der sozialistischen Staaten, Recht in Ost und West 1975, S. 150 ff. 17 Dieses Verfahren wurde in Ungarn damit begründet, daß der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft noch nicht abgeschlossen sei. Vgl. Kadar, J., in: Nepszabadsag vom 24. 11. 1970; Biszku, B., in: Nepszabadsag vom 26. 3. 1972; Kallai, Gy., in: Nepszabadsag vom 20. 4. 1972.

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meine Volksstaat" chruschtschowscher Proven!ienz lin Betracht18• In den Verfassungen des sowjetischen Hegemonialbereichs bleibt ili.e Typenfrage offen. Die Erklärung ist in den einschlägigen ideologischen Umsicherheiten zu suchen, die nach Chruschtschows Sturz entstanden sind und eine verfassungsrechtliche Festlegung inopportun erscheinen lassen. In der Staatslehre ist es allerdings seit den tschechoslowakischen Ereignissen des Jahres 1968 wieder allgemein anerkannt, daß die soziali5tischen Staaten Osteuropas Diktaturen des Proletariats seien. Andererseits wird diese Erkenntnis mit sehr unterschiedlicher Lautstärke verbreitet. Während .in Rumänien auch in der ersten Hälfte der 60er Jahre, als die Konzeption der Diktatur des Proletariats sich in einem allgemeinen ideologischen Tief befand, kein Zweifel an der Richtigkeit dieser Lehre bestand und die DDR seit der berühmten Rede W. Ulbrichts vom 12. Oktober 196819 bei jeder Gelegenheit stolz auf ihre diktatorische Natur hinweist, hält man sich dn Urngarn und Polen Lieber an das Prinzip "qui tacet consentire videtur". Die Sowjetunion ist in den 70er Jahren zur chruschtschowschen Formel zurückgekehrt und betrachtet sich heute als einen "allgemeinen Volksstaat", Demgeg·e nüber bekennen sich die Verfassungen lim Einflußbereich der chinesischen Ideologie unmißv-erständlich zur Diktatur des Proletariats (Art, 10 n.kor.Verf., Präambel u. Art. 2 Abs. 1 alb.Verf.). Das nachdrück1ichste Bekenntnis legt die chinesische Verfassung selbst ab, die die Diktatur des Proletariats in der Präambel gleich fünfmal und im Haupttext dreimal (Art. 1, 12, 13) erwähnt. Eine Unorthodoxie ganz anderer Art hat Jugoslawien in .das "chinesische Lager" geführt. In dem ·Entwurf der Verfassung von 1974 war von einer Diktatur des Proletariats ursprünglich genausowenig die Rede wie lin allen vorangegangenen Verfassungen. Überraschend und sicherlich nicht unsymptomatisch für die politische Atmosphäre ist dann lin Abschnitt IV der Einleitung ein Passus eingefügt worden, wonach Jugoslawien eine "sozialistische Selbstverwaltungsdemokr.atie als besondere Form der Diktatur des Proletariats" sei. c) Eine auffallende Neuerung im Vergleich zum stallinistischen Verfassungsmodell ist die Aufnahme außenpolitischer Grundaussagen :in die Verfassung. Sie betreffen im einzelnen die Beziehungen zu den soz.ialistischen Ländern, die Beziehungern zu den sonstigen Ländern und allgemeine völkerrechtliche Prinzipien. 18 Vgl. hierzu Schultz, L., Die Diktatur des Proletariats und das Verfassungsrecht der europäischen Volksdemokratien, Recht in Ost und West 1965, S. 229 ff.; ders., Die Lehre von den Staatsformen im Verfassungsrecht der sozialistischen Staaten, Recht in Ost und West 1973, S. 133 ff. 18 UZbricht, W., Die Rolle des sozialistischen Staates bei der Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus, Staat und Recht

1968, s. 1735 ff. (1739).

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Die Beziehungen zu den sozialistischen Ländern werd€n tim allgemeinen als solche der Freundschaft, Zusammenarbeit, Brüd€rlichkeit und des Bündnisses beschrieben. Das umfassendere Prinzip des sozialistisch-proletarischen Internationalismus wird nicht durchweg genannt. Im Falle einer Nennung gibt es unterschiedliche Präferenzen. In Osteuropa wird der Grundsatz des sozialistischen Internationalismus bevorzugt, der nach dem Zweiten Weltkri€g für die zwischen.staatlichen Be2liehungen der kommunistisch regierten Länder entwickelt worden ist (Art.14 Abs.1 rum. Verf., Art. 6 Abs. 2 DDR-Verf., Art. 5 bulg. Verf., Abschn. VII Einl. jug. Verf.). Die Mongolei (Präamb.), Nord-Korea (Art.16 Abs. 3), China (Präamb.) und Albanien (Art.15 Abs.1) verpflichten sich hingegen auf den älteren Grundsatz des proletarischen Internationalismus, der die Beziehungen zwischen den kommunistischen Parteien beherrschen soll. Die kuhanisehe Vedassung tut beides (Präamb., Art. 12). Mit der Ausnahme von Rumänien und Polen haben die Staaten des sowjetischen Hegemonialbereichs einen besonderen Hinweis auf jhre Zugehöi"igkeit zu -diesem in jhre Verfassungen aufgenommen. Die W·endungen weichen voneinand€r ab und z€igen ·e inen unterschiedlichen Bindungswillen an. Ungarn bezeichnet sich als "Teil" (§ 5 Abs. 2), die Tschechoslowakei als "festes Glied" (Präamb., Art. 1 Abs. 3) des "sozialistischen Weltsystems"; Bulgarien (Art.12) und Kuba (Art.ll) betrachten ihre Zugehörigkeit zur "sozialistischen Weltgemeinschaft" als "Voraussetzung der Unabhängigkeit und vielseitigen Entwicklung"; am weitesten geht die DDR, die sich seit der Verfassungsänderung von 1974 als "untrennbaren Bestandteil der sozialistischen Staatengemeinschaft" versteht (Art. 6 Abs. 2). Interessante Unterschiede sind bei der Behandlung der Sowjetunion zu beobachten. Die meisten Verfassungen der Gefolgsstaaten lassen es bei einer rein nominellen Hervorhebung der Führungsmacht bewenden. Eine echte Sonderstellung ist der Sowjetunion von der DDR im Zuge der Verfassungsänderung von 1974 ·eingeräumt worden: als Zeichen einer Unterwürfigkeit ohne Parallele spricht Art. 6 Abs. 2 von einem "dmmerwährenden, unwiderrufl.ichen, €ngen und brüderlichen Bündnis". Eine Sonderbehandlung ganz anderer Art ist der Sowjetunion in der chinesischen Verfassung zuteil geworden. Ohne sie ausdrücklich beim Namen zu nennen, werden die Sowjets mit den Amerikanern auf eine Stufe gestellt, indem die Präambel den Kampf gegen "die Aggressions- und Kriegspolitik des Imperialismus und des Sozialimperialismus und den Hegemonismus der Supermächte" proklamiert. Weniger Aufmerksamkeit wird den Beziehungen zu den sonstigen Ländern gewidmet, für die die Zusammenarbeit, der Friede und gelegentlich auch die Fr€undschaft charakterutisch sein sollen. Das für das Verhältnis zwischen Staaten mit unterschiedlicher Gesellschafts-

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ordnung geltende allgemeine Prinzip der friedlichen Koexistenz findet in der mongolischen (Präamb.), mitteldeutschen (Art. 6 Abs. 3), polnischen (Art. 6 Abs. 3), jugoslawischen (Abschn. VII Ei:nl.) und chinesischen (Präamb.) Verfassung ausdrückliche Erwähnung. Eine Besonderheit der mitteldeutschen (Art. 6 Abs. 3), kubanischen (Art.12 lit. c) und albanischen (Art.15 Abs.l) Verfassung besteht darin, daß den nationalen Befreiungsbewegungen Unterstützung zugesagt wird. Einzelne völkerrechtliche Prinzipien werden in den Verfassungen der Staaten genannt, d!ie - mit einem Blick auf die Sowjetunion - auf ihre nationale Selbständigkeit gesteigerten Wert legen: Rumänien (Art.14 Abs. 2), Jugoslawien (Abschn. VII Einl.), Nord-Korea (Art.16 Abs. 2), China (Präamb.) und Albanien (Art.15 des Abs 2). Üblicherweise werden die Souveränität, die Gleichheit, die Nichteinmischung in inner·e Angelegenheiten, der Nichtangrliff und der gegenseitige Vorteil erwähnt, die gemeinhin als die fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz •angesehen werden. Das Besondere an ihrer Erwähnung ist der Umstand, daß sie als generelle Grundlagen der Außenpolitik formuliert werden, und dies bedeutet, daß für sie auch hinsichtlich .der sozialistischen Länder Geltung beansprucht wird. 2. Aussagen über das politische System

Es ist ein gemeinsamer Zug aller neueren Verfassungen, daß sie nicht nur die staatliche Organisation regeln, sondern ein Grundgesetz der gesamten .gesellschaftltich-politischen Ordnung sein wollen. Demzufolge enthalten sie im Gegensatz zum stal>inistischen Verfassungsmodell in .größerem Umfange Aussagen über das politische System. Besonders augenfällig tritt dieses Merkmal in der jugoslaw.ischen Verfassung hervor, in deren Mittelpunkt das gesellschaftlich-politische Gesamtsystem steht und die den Anschein erweckt, als sollte die marxistische These vom "Absterben des Staates" ernst genommen werden.

Die wichtigsten Institutionen des politischen Systems außerhalb der staatlichen Organisation sind die kommunistische Partei, eventuell vorhandene sonstige politische Parteien und die gesellschaftlichen Organisationen. Ihrer wird :in den einzelnen Verfassungen verschiedentlich gedacht. a) Die wichtigste Konsequenz dieses erweiterten Verfassungsverständnisses ist die unmißverständliche Klarstellung des Führungsmonopols der kommunistischen Partei. Die früheren Verfassungen folgten in dieser Hill5icht dem Vorbild der sowjetischen Verfassung, die diesen Fundamentalsatz eines jeden kommunistischen Herrschaftssystems nur

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an zwei unauffälligen Stellen, nämlich bei der Regelung der Vereinigungsfreiheit 'im Grundrechtsteil (Art. 126) und im Kapitel über das Wahlsystem (Art.141 Abs. 2) andeutet. Nunmehr wird die führende Rolle der Partei an die Spitze der Verfassung gestellt. Ihre Formulierung offenbart bemerkenswerte Unterschiede. Im einzelnen lassen sich vier Intensitätsstufen feststellen: - In Jugoslawien, wo die Parteitrotz ihrer unübersehbar verstärkten Aktivitäten in letzter Zeit ihren Führungsanspruch vergleichsweise noch immer mit Zurückhaltung durchsetzt, wird der Bund der Kommunisten Jugoslawiens als "grundlegender Initiator und Träger der politischen Aktivüät" bezeichnet (Abschn. VIII Einl.). Er soll eine "richtungweisende ideelle und pol!itische Arbeit" verrichten, die auf die Weiterentwicklung der sozialistischen Revolution, der gesellschaftlichen Beziehungen und des gesellschaftlichen Bewußtseins abzielt. - In der ungarischen (§ 3) und polnischen (Art. 3 Abs.l) Verfassung wird die Partei als die "führende Kraft der Gesellschaft" bezeichnet. Die Subordination des Staates unter die Partei bleibt •also ausgespart. In Polen war übrigens ursprünglich geplant, die führende Rolle der Partei auch auf den Staat zu erstrecken. Der diesbezügliche Vorschlag der im September 1975 veröffentlichten "Richtlinien" des ZK für den Parteitag stieß aber in intellektuellen Kreisen auf so entschiedene Kritik, daß die Parteiführung auf ihn letztlich verzichtet hat. - In den meisten Verfassungen wird die führende Rolle der Partei in bezug ·auf Staat und Gesellschaft normiert. Expressis verbis ist dies in der tschechoslowakischen (Art. 4), mongolischen (Präamb.), rumänischen (Art. 3, Art. 26 Abs. 2), bulgarischen (Art. 1 Abs. 2 und 3), kubanischen (Art. 5) und albanischen (Art. 3 Abs.1) Verfassung geschehen, während die Verfassungen der DDR (Art.l Abs.1) und Nord-Koreas (Art. 4) den Bezug indirekt herstellen.

- Die äußerste Intensität erreicht das Führungsmonopol der Partei in der chinesischen Verfassung, die dieses in verschiedenen Zusammenhängen an insgesamt elf Stellen hervorhebt (viermal in Präamb., Art. 2 Abs. 1, Art. 13, Art. 15 Abs. 1 und 2, Art. 16 Abs. 1, Art. 17, Art. 26 Abs.1), den Nationalen Volkskongreß, das Parlament, dem Zentralkomitee der Partei unterstellt, den Staatsrat, die Regierung, auf Vorschlag des Zentralkomitees wählen läßt und dem Parteichef das militärische Oberkommando zuspricht. Zutreffend hat Th. Schweisfurth diese verfassungsrechtliche Konstruktion so gedeutet, daß die Organisation des Gesamtstaates in die Organisation der Partei einbezogen wird20 • 20

Schweisfurth, Th. (Anm. 15), S. 557 f .

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b) In den Ländern, in denen es neben der kommunistischen Einheitspartei noch andere Gefolgsparteien gibt (DDR, Polen, Tschechoslowakei, Bulgarien, Vietnam), zeichnet sich neuerdings die Tendenz ab, diesen einen verfassungsrechtl'ichen Status einzuräumen. So werden die politischen Parteien in der DDR-Verfassung im Zusammenhang mit der Nationalen Front (Art. 3 Abs. 2) und der Vereinigungsfreiheit (Art. 29) erwähnt. In Art. 3 Abs. 2 der polnischen Verfassung wird die Zusammenarbeit der Polnischen Vereinigten Arbeiterparteien mit der Vereinigten Volkspartei und der Demokratischen Partei im Rahmen der National~m Einheitsfront verkündet. SchHeß1ich wird in Art. 1 Abs. 3 der bulg·ar·ischen Verfassung gesagt, daß die Bulgarische Kommunistische Partei die so~ialistische Aufbautätigkeit -in enger, brüderlicher Zusammenarbeit mit dem Bulga~ischen Volksbund der Landwirte leite. c) Die umfassenden Massenbewegungen, die in den ·einzelnen Ländern unterschiedliche Bezeichnungen führen (Nationale Front, Patriotische Volksfront usw.), werden meistens recht summarisch als Ausdruck des Klassenbündnisses char.akterisiert. Ihre tatsächlichen Funktionen (politische Integration, Indoktrination und Mobilisierung der Bevölkerung sowie Durchführung der Wahlen zu den Volksvertretungen) werden nur unvollständig beschrieben. Die Status- und Funktionsbeschreibung der gruppenbezogenen gesellschaftlichen Organisationen, von denen die Gewerkschaften besonders hervorgehoben werden, wird in den einzelnen Verfassungen verschieden vorgenommen21 • Normalerweise wird die Funktion, eine bestimmte Bevölkerungsgruppe für politische, wirtschaftliche oder kulturelle Zwecke zu mobilisieren, in einer für ·alle gesellschaftlichen Organisationen geltenden Generalklausel ·angedeutet. Es ist bemerkenswert, daß in den meisten jüngeren Verfassungen den Gewerkschaften (Art. 44 Abs.l DDR-Verf., § 4 Abs. 2 ung.Verf., Art. 85 pol.Verf.) oder gar allen gesellschaftlichen Organlisationen (Art.lO Abs. l bulg.Verf., Art. 7 Abs.l kub.Verf.) odie Aufgabe einer Interessenvertretung zugesprochen wird. Auf der anderen Seite betrachten die rumänische (Art. 27 Abs. 3) und die albanische Verfassung (Art. 13 Abs. 2) die gesellschaftlichen Organisationen noch :in der klassisch stalinistischen Sicht als "Transmissionsriemen". Eine grundlegend andere Konzeption liegt der jugoslawischen Verfassung zugrunde. Nach ihr soll der Staat von der Gesellschaft hervorgebracht werden, und die politi·sche Ordnung beruht auf einer Stufenfolge von gesellschaftlich-politischen Gemeinschaften. 21 Vgl. im einzelnen Art. 10 Abs. 2 n.viet.Verf., Art. 5, 11 Abs. 2, 17 CSSRVerf.; Art. 82 mong.Verf.; Art. 10, 27 rum.Verf.; Art. 3 Abs. 2, 29, 44, 45 46 DDR-Verf.; Art. 3 Abs. 2, 10, 20, 23, 52 bulg.Verf.; §§ 4, 10, 65 ung.Verf.; Art. 3 Abs. 3, 85 pol.Verf.; Art. 6, 7 kub.Verf.; Art. 10, 12, 13 alb.Verf.

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3. Organisation der Staatsgewalt

Im politischen Machtbeziehungssystem der kommunistischen Einparteidiktaturen spielt die Staatsgewalt lim Vergleich zur Parteigewalt eine sekundäre Rolle, ohne Bedeutung ist sie indes in keinster Weise. Ihre verfassungsrechtliche Organisation hat seit Stalins Zeiten einen beachtlichen Differenzierungsprozeß durchgemacht, der durch die realen machtpolitischen Vorgänge in den jeweiligen Ländern bedingt ist. Je nachdem, in welchem Verfassungsorgan die Staatsgewalt schwerpunktmäßig konzentriert ist, haben sich die Idealtypen ·der Ministerrats-, Staatsrats- und Präsidialverfassung herauskristallisiert. ·a) Die Ministerratsverfassung, bei der das Amt des Regierungschefs die größte staatliche Machtfülle vermittelt und die Beherrschung des staatlichen Verwaltungsapparates die reale Machtbasis begründet, ist der klassisch-stalinistische Verfassungstyp. Politisch gesehen weist sie zwei Gestaltungsmöglichkeiten auf. In ihrer tyrannischen Variante, die der Ein-Mann-Diktatur ·angemessen ist, zeichnet sie sich dadurch aus, daß die Ämter der Partei- und Regri:erungschefs Jn Personalunion miteinander verbunden sind. In Zeiten einer "kollektiv·en Führung" sind die beiden Ämter typischerweise personell getrennt und die Ministerratsverfassung nimmt eine oligarchische Gestalt an. Die tyrannische Ministerratsverfassung ist die ursprüngliche Form. Sie hat sich in der Sowjetunion entwickelt, wo Lenin 1917- 1924 und Stalin 1941-1953 zugleich P.artei- und Regierungschef waren22 • Nach der kommunistischen Machtergreifung ·in Osteuropa wurde hier das sowjetische Vorbild kopiert; der Parteichef übernahm zum .geeigneten Zeitpunkt das Amt des Regierungschefs und behielt es bis zum Niedergang der stalinistischen Herrschaftsform. Die Personalunion verkörperten Hoxha in Albanien (1944- 1954), Tito in Jugoslawien (19451953), Cervenkov in Bulgarien (1950- 1954), Räkosi in Ungarn (19521953), Bierut in Polen (1952- 1954) und Gheorghiu-Dej in Rumänien (1952 - 1955). Die Tschechoslowakei und Mitteldeutschland stellten Sonderfälle dar23 • Im außereuropäischen Bereich di•e ser Zeit wurde die tyrannische Ministerratsverfassung in der Mongolei, wo lange Zeit Tschoibasan (1924 -1952) und nach seinem Tode Zedenbal (1952 -1954) beide Ämter bekleidete, und ·in Nord-Korea als die Doppelherrschaft Kim ll-Sungs (1948- 1972) eingeführt. 22 Die 1924- 1941 bestehende Ämtertrennung umfaßte zwei Phasen: unter Rykovs Regierung (1924- 1930) stieg Stalin zur Alleinherrschaft auf; nachdem Stalin die Macht erobert hatte, setzte Stalin Rykov ab und übertrug das Amt des Regierungschefs dem ihm treu ergebenden Molotov (1930 - 1941). 23 In beiden Ländern wurde die Institution des Staatspräsidenten beibehalten. Parteichef Gottwald bekleidete 1948 - 1953 dieses Amt, während sich Ulbricht bis zum Tode des Präsidenten Pieck mit dem Posten eines stellvertretenden Ministerpräsidenten begnügte (1949- 1960).

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Als nach dem Tode Stalins im März 1953 ·in der Sowjetunion der als "kollektive Führung" bezeichnete Kampf um die Nachfolge einsetzte, wurde die Abkehr von der tyrannischen Variante der Ministerratsverfassung auch in den Ländern des sowjetischen Hegemonialbereichs unvermeidlich. Die Diktatoren mußten sich zwischen der Partei- und Staatsspitze entscheiden, und die meisten trafen - ·gleich Chruschtschow - die richtige Entscheidung zugunsten der Parteiführung. Allein der Bulgare Cervenkov beging den Fehler und verZJichtete 1954 auf den Parteivorsitz. Die Folge war, daß er in den Machtkämpfen den kürzeren zog, bereits nach zwei Jahren das Amt des Regierungschefs aufgeben mußte und 1961 alle Funktionen verlor. Der Mongole Zedenbal hatte größeres Glück. Er trat die Parteiführung 1954 •a n Damba ab, doch gelang es ihm 1958, seinen Rivalen auszuschalten und erneut bei..de Ämter dn seiner Person zu vereinigen (bis 1974). Dieser Vorgang wurde durch den zwischenzeitliehen Aufstieg Chruschtschows ermöglicht, der kurz zuvor Bulganin den Vorsitz im Ministerrat entrissen hatte und bis :ru seinem Sturze die Personalunion zw.ischen .Partei- und Staatsführung wiederherstellte (1958- 1964). In Osteuropa wurde dieses Beispiel nur von .Zivkov in Bulgaden nachgeahmt (1962- 1971). In Ungarn hatte die zeitweilige Vereinigung der Partei- und Staatsspitze unter Kädär (1956- 1958, 1961 -1965) spezifische Gründe. Die Ministerratsverfassungen der Gegenwart sind alle oligarchischer Natur. Sie sind in der Sowjetunion, Polen, Ungarn und A'lbanien kontinuierlich erhalten geblieben. Bis 1974 traf diese Feststellung auch auf die Mongolei zu, doch hat Zedenbal in jenem J.ahr den Vorsitz im Ministerrat für den im Präsidium des Großen Volkschurals eingetauscht, was politisch eine Annäherung an die Staatskonstruktion bedeutet. Der gleiche Vorgang hat sich im Juni 1977 in der Sowjetunion wiederholt, als Parteichef Breshnew Podgornyj aus dem Amt des Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets verdrängte. Umgekehrt hat in der DDR seit der Entmachtung Ulbrichts 1971 de facto und seit der Verfassungsänderung von 1974 auch de jure ein Übergang von der Staatsrats- zur Ministerratsverfassung stattgefunden, China, dessen Verfassungsentwicklung manche Besonderheiten aufweist, dürfte heute ebenfalls in diese Gruppe einzuordnen sein. Dies gilt mit Sicherheit für die Zeit seit Inkrafttreten der neuen Verfassung von 1975, die das Amt des Staatspräsidenten formell abgeschafft hat. Politisch gesehen war aber dieses Amt bereits seit der Kulturrevolution nicht mehr vorhanden, Liu Schao-tschi, der 1959 Ma Tse-tung als Staatsoberhaupt gefolgt war, war im Zuge seiner Entmachtung seit 1966 an der Ausübung seiner Machtbefugnisse faktisch gehindert, und nach seiner formellen Absetzung im Jahre 1968 ist das Amt des Staatspräsidenten einfach nicht wieder besetzt worden,

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b) Bei der Staatsratsverfassung befindet sich der Schwerpunkt der Staatsgewalt in dem kollegialen Präsidialorgan der obersten Volksvertretung, dessen Hauptfunktionen - auch im Rahmen einer Ministerratsverfassung - in der ersatzweisen Wahrnehmung der Parlamentsaufgaben und der Ausübung der herkömmlichen Befugnisse eines Staatsoberhaupts bestehen24• Die offizielle Benennung dieses Präsidialorgans als "Staatsrat" wie auch die verfassungsrechtliche Ausgestaltung seiner Kompetenzen sind nur ein Indiz, aber kein Kriterium der Staatsratsverfassung%5• Ob der Staatsrat wirklich das mächtigste Staatsorgan ist, dst eine realpolitische Tatfrage. Anders als der Ministerrat vermag der Staatsrat seine Macht nicht aus dem staatlichen Verwaltungsapparat zu gewinnen, da dieser ihm nicht zur Verfügung steht. Seine Macht wird aus einer spezifischen personellen Quelle gespeist, nämlich aus der Personalunion zwischen P.arteispitze und Staatsratsvorsitz. Nur unter der Voraussetzung, daß der P·a rteichef seine in der Herrschaft über den Parteiappar·at wurzelnde Macht auf den Staatsrat überträgt, ist eine Staatsratsverfassung auf die Dauer funktionsfähig. Die Staatsratsverfassung wurde zuerst in der DDR ·im September 1960 eingeführt, nachdem der Präsident der Republik, Pieck, gestorben war. Dem Ersten Sekretär der SED, UlbrJcht, schien es unter den obwaltenden Umständen !inopportun, die Nachfolge Piecks anzutreten oder Gratewohl aus dem Posten des Regierungschefs zu ver1drärngen. Die Lösung wurde in der Schaffung eines neuen Staatsorgans, des Staatsrats, gefunden. Ihr Vorzug bestand neben der zusätzlichen Absicherung der Machtposition des Parteichefs im staatlichen Bereich in der Möglichkeit, den Staat nach innen und ·a ußen zu repräsentieren, als Staatsmann und Landesvater auftreten zu können, ohne dabei mit der Führung der Staatsgeschäfte über Gebühr belastet zu sein. Wie sehr die Vorrangstellung des Staatsrats von der genannten Personalunion ·abhängt, haben die Ereignisse nach Ulbrichts Entmachtung bewiesen. Im Mai 1971 wurde Ulbricht als Erster Sekretär der SED zum Rücktritt gezwungen. Den Vorsitz im Staatsrat durfte er aus Gründen der Kontinuitätswahrung weiterhin behalten, aber sein Gefolgsmann Gotsche, der ·als Sekretär des Staatsrats die laufenden Geschäfte im Sinne Ulbrichts ·erledigte, wurde alsbald ·a bgelöst, um dem Vorsitzenden die Verbindung zum Apparat des Staatsrats abzuschneiden. In der Folgezeit ließen die Aktivitäten des Staatsrats merklich nach, er trat zugunsten des Ministerrats deutlich in den Hintergrund. 24 Vgl. hierzu Dzialocha, Pusylewitsch, K.-T., Der Rechtscharakter der obersten Präsidialorgane der sozialistischen Staaten vom Standpunkt ihrer rechtlichen Funktionen, Jahrbuch für Ostrecht 1971, Bd. XII/2, S. 9 ff. 25 So heißt das Präsidialorgan in Polen und der DDR "Staatsrat", obwohl beide Länder eine Ministerratsverfassung haben. In China führt die Regierung die Bezeichnung "Staatsrat" und nicht "Ministerrat".

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Der positiv-rechtliche Nachvollzug der machtpolitischen Veränderungen bahnte sich durch die Verabschiedung des neuen Ministerratsgesetzes vom 11. Oktober 1972 (GBL I, S. 253) an, in dem die Befugnisse des M±nisterrats bedeutend ·erweitert worden sind und der Staatsrat überhaupt nicht erwähnt wird. Die Anpassung der Rechtsverfassung an die Verfassungswirklichkeit erfolgte dann durch die Verfassungsrevision vom Oktober 1974. Wie bedeutungslos der Staatsrat inzwischen geworden war, zeigte sich daran, daß der Vorsitz nach dem Tode Ulbrichts am 1. August 1973 zwei Monate lang vakant bleiben konnte, bis am 3. Oktober Stoph zum Nachfolger bestellt worden ist. Dem mitteldeutschen Beispiel folgte firn März 1961 Rumänien, wo das Präsidium der Großen Nationalv·ersammlung durch einen Staatsrat (Consiliul de Stat) ·ersetzt worden ist. Den Vorsitz in d:hm übernahm sofort Parteichef Gheorghiu-Dej. Nach seinem Tode im März 1965 wurden die beiden Ämter zunächst .getrennt. Als die Machtposition seines Nachfolgers an der Spitze der Bartei, Oeau~escu, runlänglich gefestigt war, löste ·er tim November 1967 Stoioa als Staatsratsvorsitzenden ab. In den folgenden J·a hren baute Ceau~escu seine unumschränkte Führungsposition so erfolgreich aus, daß er im März 1974 das Amt des Präsidenten der Republik für sich schuf und damit eine Reihe von Befugnissen persönlich übernahm, die bislang dem Staatsrat als Kollegium zugestanden hatten. Auf diese W•eise hat Rumänien den W·e g von der Staatsratszur Präsid1alverfassung eingeschlag·en. Schließlich wurde in Bulgarien anläßlich der Verfassunggebung von 1971 anstelle der 'Ministerrats- die Staatsratsverfassung eingeführt. Gleichzeitig tauschte Parteichef 2ivkov sei!nen Vorsitz 'im 'Ministerrat für den im neugeschaffenen Staatsrat (Där~aven Sävet) e±n. Der Grund für die Verfassungsänderung mag in dem Wunsch des damals 60jährigen Diktators nach Arbeitsentlastung und mehr repräsentativem Glanz zu suchen sein. Aus ähnlichen Gründen mochte der 58jährige Erste Sekretär der Mongolischen Volksrevolutionären Partei 1974 das Amt des Regierungschefs an Batmunch abgetreten und selber den Vorsitz im Präsidium des Großen Volkschurals übernommen haben. In der Sowjetunion hat Breschnew zumindest seit Anfang der 70er Jahre Staatsratspläne gehegt26, doch vermochte er sich mit ihnen gegen den Widerstand der anderen Oligarchen zunächst nicht durchzusetzen. Der Durchbruch ist ihm schließlich auf dem ZK-Plenum vom Mai 1977 gelungen, in dessen Folge er das Amt des Staatsoberhauptes übernahm und im Verfassungsentwurf die Kompetenzen des Präsidiums des Obersten Sowjets erweitern ließ. 26 Beljaeva, V. G.-Lejst, 0. E., Soedinenie zakonodatefstvovanija i upravlenija v predstavitefnych organach vlasti Sovetskogo gosudarstva, Sovetskoe Gosudarstvo i Pravo 1973, Nr. 9, S. 17 ff. (21).

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c) Die Präsidialverfassung unterscheidet sich von den beiden behandelten Ver:tassungstypen dadurch, daß in Gestalt des Staatspräs1denten ein monokratisches Staatsoberhaupt vorhanden d:st. Daneben kann auch ·ein kollegiales Präsidialorgan der Volksvertretung bestehen, das a:ber nur als Ersatzparlament fungiert. Die Existenz eines Staatspräsidenten ist allerdings nur ein formelles Unterscheidungskriterium, das nicht notwendig·erweise besagt, daß die Staatsgewalt ·auch tatsächlich in der Person des Staatschefs konzentriert ·i st. Ob dies der Fall ist, hängt von der personellen und machtpolitischen Situation ab. Er liegt sicherlich vor, wenn der Parteichef das Amt des Staatspräsidenten bekleidet. Anderen.fialls besteht zwischen dem Staatschef und dem Regierungschef ein Konkurrenzv·e rhältnis, in dem Machtverschiebungen aus akutem Anlaß jederzeit denkbar sind. Eine Präsidialverfassung dm formellen Sinne hatten die DDR bis 1960 und China bis 1975. Materiell stellte die DDR immer eine Ministerratsverfas.stmg dar. In China lagen die Dinge komplizierter. Solange Mao selbst Staatschef war (1949- 1959), handelte •es sich auch der Sache nach um eine Präsidialver:tassung. In der Folgezeit •entstand ein Spannungsverhältnis zwischen dem Staatspräsidenten Liu Schao-tschi (19591968) und dem Regierungschef Tschu En-lai (1949 -1976), das sich letztlich zugunsten des letzteren und damit im Sinne einer Ministerratsverfassung aufgelöst hat. Die während der Kulturr·e volution einsetzende Entwicklung in Richtung auf eine Militärdiktatur ist mit dem Sturz von Lin Piao im November 1971 gestoppt worden. Präsidialver.flassungen ä.m formellen Sinne haben zur Zeit folgende Länder: Tschechoslowakei (seit 1945), Jugoslawi·en (seit 1953), Rumänien (seit 1974), (Nord)-Vietnam (seit 1946), Nord-Korea (seit 1972) und Kuba (seit 1959). Das staatliche Machtbeziehungssystem in diesen Länd ern dst aber sehr unterschiedlich. In der Tschechoslowakei ·ist der Fortbestand des Präsidentenamtes in der Tradition des Vorkommunistischen Verfassungsrechts begründet. Es wurde überwiegend genutzt, um die Vorl"ang.stellung des Parteichefs im staatlichen Bereich abzusichern (Gottwald 1948-1953, Novotny 1957- 1968, Husäk seit Mai 1975). Während der Ämtertrennung mußten sich die Präsidenten (Zapotocky 1953-1957, Svoboda 1968 -1975) mit einer eher repräsentativen Rolle begnügen. In Jugoslawien ist das Präsidentenamt in bewußter Abkehr vom stalinistischen Modell einer Ministerr.atsverfassung durch das Verfassungsgesetz von 1953 eingeführt und auf die Person des unumstrittenen Führers, Tito, zugeschnitten worden. Der somit entstandene Verfassungstypus kann mit Fug und Recht als der Prototyp einer kommunistischen

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Präsidialverfassung :im matel"iellen Sinne bezeichnet werden. Der Anfang der 70er Jahre eingeleitete Umbau der Staatsspitze legt aber eine Entwicklung nahe, die sich unter Umständen auf eine Staatsratsverfassung besonderer Art zubewegen kann. Durch die Zusatzartikel XXXV und XXXVI zur Verfassung von 1963 wurde im Juni 1971 ein "Präsidium der SFRJ" (Predsj·ednistvo SFRJ) gegründet, das in der Verfassung von 1974 einschneidende strukturelle Änderungen erfahren hat. Nach Art. 321 Verf. setzt sich das Präsidium aus neun Personen zusammen, und zwar ·aus je einem Vertreter der sechs Republiken und zwei autonomen Provinzen, die von deren Versammlungen auf die Dauer von fünf Jahren gewählt werden; außerdem gehört ·i hm der Vornitzende des BdKJ von Amts wegen an. Der Vorsitz im Präsidium soll im Jahresturnus wechseln. Einstweilen besteht das Präsidium neben dem Staatspräsidenten, welches Amt zusammen mit dem Vorsitz im Präsidium Tito auf Lebenszeit übertragen worden ist. Mit dem Ableben Titos soll das Amt des Staatspräsidenten erlöschen und sollen all seine Befugn