Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte: Materialien, Methodik, Fragestellungen 9783110556957, 9783110556940

The textbook provides a basic introduction to constitutional and administrative history through sources, the research li

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German Pages 144 [140] Year 2017

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Table of contents :
Vorwort der Herausgeber
Inhaltsverzeichnis
Teil 1: Einführung
1. Geschichte des Öffentlichen Rechts. Verfassungs- und Verwaltungsrechtsgeschichte, Wissenschaftsgeschichte
2. Fallbeispiele
3. Methodik
Teil 2: Quellen, Editionen, Hilfsmittel
4. Quellen zur Verfassungsgeschichte in Mittelalter, Früher Neuzeit und Neuzeit
Teil 3: Probleme und Perspektiven der Forschung
5. Einführung
6. Verfassungsgeschichte
7. Verwaltungsgeschichte
8. Rechtsgeschichte des Europarechts
9. Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts
Teil 4: Bibliographie und Verzeichnisse
10. Bibliographie
11. Auswahlbibliographie
12. Sachregister
13. Personenregister
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Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte: Materialien, Methodik, Fragestellungen
 9783110556957, 9783110556940

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Michael Stolleis Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte

methodica – Einführungen in die rechtshistorische Forschung

Herausgegeben von Thomas Duve, Caspar Ehlers und Christoph H. F. Meyer

Band 4

Michael Stolleis

Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte

Materialien, Methodik, Fragestellungen

ISBN 978-3-11-055694-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-055695-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-055704-6 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: Johannes Grützke, Der Zug der Volksvertreter, 1987–1990 (Paulskirche, Frankfurt am Main) Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort der Herausgeber Einführungen in die Rechtsgeschichte und ihre Teilbereiche gibt es einige. Sie sind nicht selten mit Blick auf Vorlesungen verfasst und ihre Aufgabe ist, Ergebnisse der Forschung zusammenzufassen. Sie versuchen, ein Gesamtbild zu zeichnen und müssen dazu notwendigerweise auf Vertiefung verzichten. Nur selten können sie praktische Hinweise geben, über Hilfsmittel informieren oder Anleitungen zum Umgang mit konkreten Quellen bieten. Die Reihe »methodica« Einführungen in die rechtshistorische Forschung hat ein anderes Ziel. Sie richtet sich gerade an diejenigen, die auf der Grundlage des Forschungsstandes selbst als Studierende, als Lehrende oder als Forschende weiterarbeiten möchten. Sie versucht deswegen erst gar nicht, das Universum der Rechtsgeschichte vollständig abzubilden. Vielmehr werden Schlaglichter auf unterschiedlich dimensionierte Forschungsfelder geworfen. Einige Bände widmen sich langen Zeiträumen und historischen Großregionen, andere stellen spezifische Themen in den Mittelpunkt oder beschränken sich bewusst auf einen Moment in der Geschichte. Der Zuschnitt folgt der Logik der Forschungspraxis und die Bände sind verfasst von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die in dieser Praxis stehen. Gemeinsam ist allen Bänden das Ziel, in einen bestimmten Bereich einzuführen und grundlegende Informationen über Quellen, Hilfsmittel, Forschungstraditionen und wichtige Literatur zu geben. Diesem Ziel dient auch der einheitliche Aufbau: Auf die Einleitung und einen historiographischen Überblick folgen eine Einführung in Quellen und Hilfsmittel, in Methoden und wichtige Forschungsfragen sowie eine ausführliche Bibliographie. Die Reihe antwortet damit auf ein nach unserem Eindruck steigendes Bedürfnis nach solchen praktischen Anleitungen, denn das Interesse an der Rechtsgeschichte ist in den letzten beiden Jahrzehnten enorm gestiegen. In der allgemeinen Geschichtswissenschaft ist die Bedeutung des Rechts als eines gesellschaftlichen Teilsystems und Sinnproduzenten wieder stärker anerkannt, Sozial- und Kulturwissenschaften sind zunehmend interessiert an unterschiedlichen Formen von Normativität, an Regelungskollektiven und den von diesen produzierten Regelungsregimen. Theologie, Philosophie, Religionswissenschaften und Anthropologie fragen nach der Geschichte normativer Systeme und ihrem Verhältnis zum (staatlichen) Recht. Auch in der Rechtswissenschaft selbst wird eine historische Perspektive als Erkenntnismittel genutzt. Weitab der klassischen Bezugsfelder rechtshistorischer Forschung etwa im Privatrecht integriert heute eine steigende Zahl der kreativsten Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler historische Perspektiven in ihre Analysen. Die grundlegenden Transformationen, denen sich unsere Gesellschaften und ihr Recht mit der Globalisierung und Digitalisierung ausgesetzt sehen, haben sicherlich zu dieser Entwicklung beigetragen. Die Rechtsgeschichte erfährt daher immer mehr Interesse aus unterschiedlichen Fachtraditionen und nicht zuletzt aus Regionen, mit https://doi.org/10.1515/9783110556957-202

VI

Vorwort der Herausgeber

denen die deutsche Rechtsgeschichtswissenschaft bislang nur wenig Austausch hatte: Asien, die islamischen Welten, Nord- und Südamerika. Diese internationale und interdisziplinäre Aufmerksamkeit hat angesichts einer institutionell schwächeren Präsenz der Rechtsgeschichte an den juristischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum aber auch dazu geführt, dass ein großer Bedarf an methodischen Einführungen zur Rechtsgeschichte besteht, der bislang nicht angemessen befriedigt wurde. Wichtige Forschungstraditionen gerade der deutschsprachigen Rechtsgeschichte bleiben häufig unberücksichtigt. In dieser Situation schien uns eine Reihe wie die hier begonnene besonders wichtig. Die Idee zu »methodica« ist im Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte entstanden, viele Bände werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts verfasst. Wir hoffen, dass sie dabei helfen, die faszinierenden Geschichten des Rechts besser zu verstehen und fortzuschreiben. Thomas Duve – Caspar Ehlers – Christoph H.F. Meyer

Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeber

V

Teil 1: Einführung 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Geschichte des Öffentlichen Rechts. Verfassungs- und Verwaltungsrechtsgeschichte, Wissenschaftsgeschichte 3 Gemeinsamkeiten 4 Unterschiede 14 Verfassungsgeschichte 15 Verwaltungs(rechts)geschichte 26 Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts 32

2 2.1 2.2 2.3 2.4

Fallbeispiele 41 Staatsraison 42 Staatsbürger 45 Deutsche Bundesakte 47 Selbstverwaltung 48

3

Methodik

51

Teil 2: Quellen, Editionen, Hilfsmittel 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6

Quellen zur Verfassungsgeschichte in Mittelalter, Früher Neuzeit und Neuzeit 59 Archiv 59 Quellensammlungen 59 Dokumente zur Verfassungsgeschichte 60 Gesetze und Anordnungen 63 Dokumente zur Verwaltungsgeschichte 65 Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts 66

VIII

Inhaltsverzeichnis

Teil 3: Probleme und Perspektiven der Forschung 5

Einführung

79

6

Verfassungsgeschichte

83

7

Verwaltungsgeschichte

103

8

Rechtsgeschichte des Europarechts

9

Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts

107

Teil 4: Bibliographie und Verzeichnisse 10

Bibliographie

117

11 11.1 11.2 11.3

Auswahlbibliographie 123 Verfassungsgeschichte 123 Verwaltungsgeschichte 124 Wissenschaftsgeschichte 125

12

Sachregister

13

Personenregister

127 129

109

Teil 1: Einführung

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts. Verfassungs- und Verwaltungsrechtsgeschichte, Wissenschaftsgeschichte Verfassungsgeschichte, Verwaltungsrechtsgeschichte, die Geschichte des öffentlichen Rechts insgesamt, sind Teildisziplinen der Geschichtswissenschaft. Dasselbe gilt für die Kanonistik und die Geschichte des heutigen Kirchenrechts sowie für die Geschichte des Völkerrechts, die aber beide in diesem Buch nicht behandelt werden. Die genannten Fächer umschließen nicht nur die Ereignisgeschichte, sondern auch die sie begleitenden, vorbereitenden oder nachträglich reflektierenden geistigen Prozesse. Wer auf diesen Feldern arbeitet, tut dies „historisch“, also mit historischen Methoden. Allerdings sind viele Autoren auch ausgebildete Juristen. Die bei ihnen verfügbaren Vorinformationen über das Recht, seine Formen und Funktionen, erleichtern auf der einen Seite das Verständnis der Quellentexte, verführen aber auf der anderen Seite dazu, die bereits bekannten Elemente im unbekannten Material zu entdecken und anachronistisch im Kontext der Gegenwart zu interpretieren. Die genannten Fächer sind institutionell entsprechend verteilt, aber meistens an Juristischen Fakultäten / Fachbereichen verankert. Kirchenrecht und kirchliche Rechtsgeschichte (Kanonistik) finden heute meist an Theologischen Fakultäten ihren Platz, während sie aus den Studienplänen der deutschen Juristischen Fakultäten nahezu verschwunden sind – anders etwa in Österreich. Das von historischen Elementen geprägte Staatskirchenrecht, inzwischen meist „Religionsverfassungsrecht“ genannt, gehört zum geltenden Verfassungsrecht und wird deshalb meistens als Spezialfach des öffentlichen Rechts gepflegt. Die Geschichte des Völkerrechts, in den letzten Jahren wieder intensiver betrieben, gilt einerseits als „Vorspann“ zur Lehre des modernen International Law, ist andererseits aber auch ein eigenes Forschungsfeld geworden, das mit Studien zur kolonialistischen Eroberung der Welt, zu Sklaverei und deren Ächtung, zu Kriegsvölkerrecht und humanitärem Völkerrecht, zur Wissenschaftsgeschichte des Völkerrechts und den Diskussionen um die Universalität oder die kulturelle Modifizierung von Menschenrechten verbunden wird. Schon hieraus lässt sich schließen, dass es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, welche Stellung diese historischen Fähttps://doi.org/10.1515/9783110556957-001

Geschichte und Rechtsgeschichte

Institutionelle Verankerungen

Zuordnung

4

Teil 1 Einführung

cher einnehmen. Die einen sehen in ihnen die historische Einleitung, also das Propädeutikum zum Verständnis des geltenden Rechts. So gehörten die Verfassungsgeschichte zum Staatsrecht, die Verwaltungsrechtsgeschichte zum Verwaltungsrecht, die Privatrechtsgeschichte zum Privatrecht und die Geschichte des Strafrechts zum Strafrecht. Die anderen ordnen diese Fächer den Geschichtswissenschaften zu, von denen sie die gesamte Methodik und eine in gewissem Umfang die für sie notwendige Distanz zur Gegenwart übernehmen. Eine dritte, vermittelnde Gruppe möchte die Forschung ganz historisch ausgerichtet sehen, bringt aber bei der Lehre des geltenden Rechts so viele historische Erkenntnisse unter wie es angebracht erscheint. Diese grob vereinfachende Sicht muss aber weiter differenziert werden; denn wenn es als akzeptiert gilt, dass alle Rechtsgeschichte(n) historische Fächer ist/sind, entsteht innerhalb des historischen Feldes eine neue Unübersichtlichkeit. Die Rechts- und Verfassungsgeschichte, die Verwaltungsrechtsgeschichte und die Geschichte des Völkerrechts bearbeiten mit historischen Fragestellungen und Methoden Gegenstände, die als Subdisziplinen teils zur Politik- und Staatengeschichte, teils aber auch zur Ideen-, Mentalitäts-, Gender-, Sozial- oder zu einer speziellen Literaturgeschichte gelten. Deshalb sei zunächst beschrieben, was die um das „Öffentliche“ kreisenden Subdisziplinen der Rechtsgeschichte verbindet, aber wichtiger noch, was sie unterscheidet.

1.1 Gemeinsamkeiten Ausgangspunkt

Verbindend sind die geschichtliche Fragestellung sowie die Bezogenheit auf öffentlich legitimierte Herrschaft. Letztere umfasst alle Formen königlicher oder fürstlicher, republikanischer oder genossenschaftlicher Herrschaft seit dem Mittelalter, seien es die Lehenbindungen im „Feudalsystem“, seien es Obrigkeiten der Städte oder Landschaften, Fürstentümer oder Königreiche. Sie alle schließen sich in Europa seit dem 17. Jahrhundert unter der alle partikuläre Herrschaft zusammenfassenden Bezeichnung „Staat“ zusammen. Dieser Staat, von dem man in einem präziseren Sinn hierzulande erst seit der Frühen Neuzeit sprechen kann, hat sich vor allem seit dem 19. Jahrhundert zu einer Chiffre mit vermeintlichem Ewigkeitscharakter verdichtet, so als müsste es immer und überall „Staaten“

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts

geben und gegeben haben. Unter historischem Blickwinkel trifft dies offenkundig nicht zu; man beobachtet vielmehr seit dem Übergang des Menschen in die quellenmäßig fassbare Zeit eine Vielfalt menschlicher Organisationsformen, von lockeren Zusammenschlüssen kleinerer Einheiten bis zu zentralistisch und bürokratisch regierten Imperien, lokale, ethnische und religiöse Formationen, periodisch wandernde, aber keineswegs unorganisierte Hirtenvölker, Seefahrer- und Händler-Gemeinschaften mit schwächerer Ortsbindung, bäuerliche Kulturen mit Autonomie und vieles andere. Auch der in der Frühen Neuzeit aufsteigende europäische „Staat“ entwickelte zahlreiche Herrschaftsformen, vor allem weil ältere Institutionen in die neuere Zeit hineinragten und sich den neuen Bedingungen anpassten. Die mittelalterlichen Strukturen in ihrer Vielfalt verschwanden nicht, sondern wurden vom frühmodernen Staat, bildlich gesprochen, eingeschmolzen und umgeformt. Dieser neue „souveräne“ Staat mit seinem Anspruch, sich alle anderen Gewalten zu unterwerfen, setzte sich keineswegs überall durch. Stets gab es Zonen, in die der „Staat“ nicht eingreifen konnte oder wollte, etwa im kirchlichen Leben, im Handwerk, im Fernhandel oder bei der Erfassung des „fahrenden Volks“. Von einem Generalplan absolutistisch gesinnter Herrscher, mit dem der moderne Staat in die europäische Geschichte eingetreten sei, um alles gesellschaftliche Leben zu beherrschen, kann nicht gesprochen werden. Vielmehr verschoben sich seit dem mittleren 15. Jahrhundert die politischen Gewichte Schritt für Schritt, stets begleitet und gefördert von politischen und juristischen Reflexionen. Sie verschoben sich dorthin, wo ordnungspolitische Leerräume entstanden, die nicht mehr überzeugend besetzt waren. So hatte die römische Weltkirche in ihrer Krise des 15. und in den Reformationen des 16. Jahrhunderts gegenüber den weltlichen Instanzen Positionen räumen müssen. Die europaweite Spaltung der Konfessionen seit Luther, Zwingli und Calvin legte den Obrigkeiten die Übernahme neuer Ordnungsaufgaben nahe. Ebenso verloren der Adel und das Lehenwesen ihre ursprüngliche Funktion als „Wehrstand“ durch die Erfindung der Feuerwaffen, durch den Übergang zu Söldnerheeren sowie zu stehenden Armeen seit dem 17. Jahrhundert. Aus dem adeligen Ritter wurde entweder der „Höfling“ (aulicus) oder der dem „Staat“ dienende adelige Offizier des 18. Jahrhunderts. Schließlich gerieten die städtischen Handelszentren Mitteleuropas durch den Fall von Byzanz (1453) und durch die Ver-

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Vom Mittelalter in die Moderne

6

Der „Staat“

Teil 1 Einführung

lagerung der Handelswege in die Neue Welt in ökonomische Krisen, ebenso seit dem 15. Jahrhundert der Städtebund der Hanse in Nord- und Ostsee, während die aufsteigenden neuen Seemächte (Spanien, Portugal, England, Niederlande, Frankreich) die Welt „kolonisierten“ und unter sich aufteilten. Die politisch-juristische Theorie (Machiavelli, Morus, Bodin, Botero, die „Schule von Salamanca“, Althusius, Grotius, Hobbes, Spinoza, Locke, Montesquieu, Rousseau) begleitete diesen Prozess der Neuorientierung mit einer Kette der weltgeschichtlich bedeutendsten Werke des politischen Denkens. Der in diesem Polygonal von politischen Kräften aufsteigende „moderne Staat“ wurde fast überall monarchisch regiert, wobei die „Land und Leute“ vertretenden Stände vom 16. bis zum 18. Jahrhundert in den meisten Territorien an Macht verloren, ohne aber ganz zu verschwinden. Ihr wichtigstes Instrument war das Recht, dem Monarchen die Zustimmung zur Besteuerung der Untertanen zu verweigern. In nichtmonarchischen Regierungsformen gab es entsprechende Spannungen zwischen „oben“ und „unten“. Sie erhielten sich in Deutschland in den Freien Reichsstädten, in Stadtrepubliken wie Venedig, Ragusa (Dubrovnik) oder Genua, in den schweizerischen Kantonen sowie in der faktischen Adelsherrschaft Polens. Eine eigene, teils kooperative, teils antagonistische Form bildete sich in England zwischen König und Parlament aus. Alle diese Regierungsformen, die klassischen absoluten Monarchien wie Frankreich oder Dänemark (seit 1660) ebenso wie die gemischten Formen oder die Aristokratien in den Städten, nahmen am institutionellen Wandel der Frühen Neuzeit teil. Bei aller Unterschiedlichkeit regierten sie „neuzeitlich“ mit einem kontinuierlich wachsenden und gegliederten Verwaltungsapparat. Staatliche Herrschaft über ein Territorium war nur durch Verwaltung möglich. So bildeten sich nun überall spezielle Verwaltungszweige mit entsprechenden Kanzleien (Kammern), etwa die zentrale Finanzverwaltung, parallel zu den erstmals aufgestellten Bilanzen der Einnahmen und Ausgaben des gesamten Herrschaftsgebiets, weiter eine mit der „Verstaatlichung“ der Heere notwendig werdende Heeresverwaltung, eine in festeren Gremien, den „Geheimen Räten“, geführte Außenpolitik, vor allem aber auch die für die Innenpolitik zuständigen Organe der umfassenden „Policey“ – nicht zu verwechseln mit der auf Gefahrenabwehr reduzierten modernen Polizei. Letztere prägte dann im 19. Jahrhundert das Bild der Verwal-

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts

tung des Ancien Régime mit dem polemischen Wort des überall eingreifenden „Polizeistaats“. Es ist ein faszinierender Vorgang der Verfassungs- und Verwaltungsrechtsgeschichte, wie aus diesen Prozessen der institutionellen Spezialisierung samt Vermehrung der ausgebildeten Fachleute die späteren Ministerien entstanden. Ihre Chefs blieben in direkter, „immediater“ Beziehung zum Monarchen. Dieser regierte entweder selbst „autokratisch“ oder überließ die Regierung der faktisch regierenden Person eines „Staatsministers“ oder eines Günstlings. Die Französische Revolution bildete den eigentlichen Bruch mit dem europäischen „Ancien Régime“. Sie folgte zwar der von ferne bewunderten Verselbständigung von Nordamerika, wühlte aber durch ihre Blutopfer und die napoleonischen Kriege den ganzen Kontinent in einzigartiger Weise auf. Als mit dem Wiener Kongress von 1814/15 eine Re-Stabilisierung erreicht war, diskutierte die Öffentlichkeit über Verfassungen. Nun wurde die „Öffentliche Meinung“ zu einer umkämpften, aber auch mitgestaltenden Macht. Bis 1848 verwandelten sich die meisten kleinen und großen Staaten, ausgenommen Preußen und Österreich, in „Verfassungsstaaten“. Das alte Wort „Constitutio(n)“ bedeutete seither im formellen Sinn einen besonders hervorgehobenen Rechtstext, in dem die Grundzüge des Staatslebens, vor allem die Stellung des Staatsoberhaupts und der Volksvertretung festgelegt sein sollten. Dieser Text wurde entweder vom Monarchen „gewährt“ (oktroyiert) oder mit den bisherigen Landständen, die sich zu Parlamenten wandelten, paktiert oder von Honoratiorenversammlungen dem Monarchen zur Zustimmung vorgelegt (Norwegen 1814). In der Sache waren die damals geltenden Verfassungen politische Kompromisse zwischen Bürgertum und Monarchie. Das Bürgertum erhielt begrenzte parlamentarische Mitsprache (Volkshaus, Zweite Kammer, Parlament) und erkämpfte sich schrittweise das Recht der Gesetzesvorlage, das Budgetrecht, die Ministeranklage, während dem Monarchen nicht nur die materielle Macht (Verwaltung, Militär), sondern auch das zentrale Recht verblieb, die Regierung zu bestimmen bzw. zu entlassen. Die in allen größeren Staaten eingerichtete Erste Kammer (Oberhaus, House of Lords) sowie die Institution des Staatsrats (Conseil d’État), beide mit ausgewählten Mitgliedern besetzt, verstärkten das Gewicht der Monarchie. Die Exekutive, eine wesentliche Stütze der Monarchien, geriet in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter das Postulat des „Rechtsstaats“ und, jedenfalls in

„Verfassung“

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8

Teil 1 Einführung

Demokratie und Rechtsstaat

Deutschland, auch unter die Kontrolle der neuen Verwaltungsgerichte. Die Justiz, zunächst noch als Teil der Exekutive verstanden, gewann im Laufe des 19. Jahrhunderts ihre Stellung als „Dritte Gewalt“ mit persönlich und sachlich unabhängigen Richtern. Im 20. Jahrhundert trat an die Stelle der konstitutionellen Monarchien die parlamentarische Demokratie mit allgemeinem und gleichem Wahlrecht sowie mit prozeduralen und materiellrechtlichen Garantien zugunsten der Individuen und der Gesellschaft gegenüber legislativen Eingriffen (Grundrechte). Dieses Modell beruhte auf der Voraussetzung einer schon seit dem 18. Jahrhundert diskutierten Unterscheidbarkeit von Staat und Gesellschaft, auf der Annahme „vorstaatlicher“ Rechte des Einzelnen und auf der Grundidee, dass öffentliche Herrschaft mit Hilfe des öffentlichen Rechts an die von allen gebilligten Regeln und Rechtsnormen gebunden sein solle (Rule of Law, Rechtsstaat), vor allem an das Verfassungsrecht. Von öffentlichem Recht als einem besonderen Gebiet zu sprechen – qualitativ unterschieden von Zivilrecht und Strafrecht – setzt also implizit eine bestimmte Distanz zwischen privatem Leben und öffentlicher Herrschaft voraus. Diese Distanz ist nicht jeder Rechtsordnung eigen. Im englischen und amerikanischen Recht, aber auch in den skandinavischen Staaten ist sie weit weniger ausgeprägt als auf dem Kontinent, auf dem es schärfere Spannungen zwischen Staat und Gesellschaft gab. Die bestimmenden Schichten der Gesellschaft, denen eine gemeinsame Linie fehlte, organisierten sich nun seit 1848 in „Parteien“, zu denen als antagonistisches Element auch die Arbeiterbewegung, der sog. Vierte Stand, hinzutrat. Das öffentliche Recht, im Wesentlichen bestehend aus Staats- und Verwaltungsrecht, stand deshalb einer heterogenen und unruhiger werdenden Gesellschaft gegenüber, die mit der Industrialisierung, der Sozialen Frage und dem speziell für das Bürgertum unentbehrlichen Rechtsstaat beschäftigt war. Ihr liberales Credo lag im Prinzip der Vertragsfreiheit. Privatrechtliche Freiheit und obrigkeitlicher Zwang ergänzten sich allerdings, etwa wenn Schutzzölle den heimischen Markt begünstigten oder wenn hoheitlicher Zwang zur Sozialversicherung den Zweck erfüllen sollte, die Gefahren der Sozialen Frage zu entschärfen. Insgesamt blieb aber die Dichotomie von Privatrecht und öffentlichem Recht – bis hinein in die entsprechende Gabelung der Rechtswege – die rechtswissenschaftliche Grundlage Kontinentaleuropas bis zum Ersten Weltkrieg. In den europäischen Kolonien,

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts

in denen zum Teil ältere Gesellschaftsformen und vormodernes Stammesleben lebendig geblieben waren, entwickelten sich hybride Formen von indigenem Recht und fremdem europäischem Recht, wobei es zu inzwischen völlig inakzeptablen Formen von praktizierter Ungleichheit kam, etwa im Kolonial-Strafrecht. Das war in nuce ein „Rassenrecht“, das eine Vorahnung von kommenden Katastrophen geben konnte.1 Zum Strafrecht bedarf es noch eines speziellen Hinweises, was die Dichotomie von Privatrecht und öffentlichem Recht angeht. Es hat sich früh vom öffentlichen Recht, zu dem es ja eigentlich als schärfste Ausprägung der Staatsgewalt gehörte, abgelöst. Die ursprünglichen Formen von Sühneleistung und Buße zwischen betroffenen Familien oder lokalen Gemeinschaften, die auch in Form einer öffentlichen Klage vor allen Beteiligten verhandelt werden konnten, wurden im Laufe des Mittelalters durch „hoheitliche“ Formen ersetzt. Die Obrigkeiten zogen den Komplex von Straftat, Verurteilung und Strafvollzug Schritt für Schritt an sich, offenbar weil jene Selbstregulierung von Konflikten zu viel an Unruhe, Unwägbarkeiten und Privatkriegen mit sich brachte. Die Guten zu belohnen und die Bösen zu bestrafen, war die genuine Aufgabe von Herrschern und Obrigkeiten aller Art. Dennoch verstand man, als sich die Universitätslehre um 1600 systematisch mit dem Kriminalrecht zu befassen begann, das Strafrecht nicht mehr als Teil des öffentlichen Rechts (ius publicum). Es war ein besonderes gestaffeltes Hoheitsrecht, das von der Niedergerichtsbarkeit aufwärts bis zur Hoch- oder Blutgerichtsbarkeit (ius criminale) reichte. Nachdem das mittelalterliche Lehnrecht – längst funktionslos geworden – ab 1800 zu einem Sondergebiet verkümmert, nachdem auch das Strafrecht (oft verbunden mit dem Naturrecht, der späteren Rechtsphilosophie) selbständig geworden war, blieben nur noch Reste von Privilegien (Mühlenrechte, Braurechte, Wegerechte etc.) und das Sonderrecht hochadeliger Familien seitab stehen, während sich als große Blöcke das Privatrecht der Gesellschaft und das Öffentliche Recht des Staates gegenüberstanden. Jedes Individuum war zugleich „Bürger“ und „Staatsbürger“, bourgeois und citoyen, 1 Naucke, Wolfgang, Deutsches Kolonialstrafrecht 1886–1918. In: Rechtshistorisches Journal 7 (1988), S. 297–315; Trotha, Trutz von, Zur Entstehung von Recht. Deutsche Kolonialherrschaft und Recht im „Schutzgebiet Togo“, 1884–1914. In: Rechtshistorisches Journal 7 (1988), S. 317–346.

Strafrecht

Öffentliches Recht und Privatrecht

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Teil 1 Einführung

Durchdringung der Sphären

borghese und cittadino. Diese Zweiteilung des Rechts, die in Deutschland unter dem Einfluss der idealistischen Philosophie sogar zu einem apriorischen Gegensatz gesteigert wurde, verlor allerdings schon am Ende des 19. Jahrhunderts, vielfach unbemerkt, ihre Unterscheidungskraft. Die rasche Entwicklung der Industrie führte nicht nur zu erhöhtem Kapitalbedarf und neuen Formen des Gesellschaftsrechts, sondern nötigte den Staat auch zu ersten punktuellen Eingriffen in das Privatrecht (Unfallverhütungsmaßnahmen, Arbeitsschutz, Gewerbeaufsicht, Konzessionierungen, Lebensmittelkontrolle). Die erwähnten Schutzzölle und die Sozialversicherung, die in Deutschland 1883–1889 eingeführt wurde, deuten ebenfalls in die Richtung einer Abkehr vom wirtschaftlichen und sozialen Liberalismus. Es entstanden Parteien, Interessenverbände aller Art und Gewerkschaften. Die Großindustrie organisierte sich in immer größeren Einheiten (Kartellen, Trusts) und überschritt schon vor der Wende zum 20. Jahrhundert den nationalen Rahmen. Diese Tendenzen, welche zunehmend die Grenzen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht verwischten, verstärkten sich dann schlagartig mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs. In allen kriegführenden Staaten kooperierte die Industrie mit staatlichen Behörden oder direkt mit den Armeen, und zwar um so intensiver, je mehr sich der Krieg auf die Potentiale der Rohstoffe, Erfindungen und der gelenkten Produktion zuspitzte. Staatliche Rüstungsvorgaben wurden privatwirtschaftlich erfüllt, Rohstoffe wurden staatlicherseits gesammelt und an die Industrie weitergeleitet, die Finanzierung der Kriegsindustrie verlief über Staatsanleihen sowie Kredite mit staatlicher Deckung und direkter Staatsfinanzierung. Die für die Zeit nach dem Krieg beabsichtigte Entflechtung der Sphären und die Rückkehr zu einer sauberen Trennung von Privatrecht und öffentlichem Recht gelang nicht. Allein die vom Krieg angerichteten Schäden konnten, wenn überhaupt, nur durch enge Kooperation von Staat, Kommunen und Wirtschaft ausgeglichen werden. So war der mit Hilfe des öffentlichen Rechts agierende Staat dauerhaft „Interventionsstaat“ geworden. Zu seinen alten Verantwortlichkeiten der inneren und äußeren Sicherheit, der Stabilisierung der Währung, der Bemühungen um eine möglichst florierende Wirtschaft kam nun eine Fülle neuer Aufgaben hinzu. Kriegsfolgen waren zu beheben, Kriegsopfer mussten versorgt werden, neue Industrien sollten gefördert, die Landwirtschaft gestützt werden. Die Nutzung der Elektrizität, der Automobile, Flugzeuge

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts

und des Rundfunks war hoheitlich zu regulieren, Ballungszentren (Groß-Berlin, Groß-Hamburg) waren neu zu organisieren. Die Bereitstellung von Strom, Gas und Wasser sowie die Entsorgung von Abwasser waren dauerhaft öffentliche Aufgaben geworden, ebenso die Finanzierung von Schlachthöfen, Krankenhäusern, Erholungseinrichtungen, Theater- und Opernhäusern. Die schon während des ganzen 19. Jahrhunderts voranschreitende Normierung der Maßeinheiten und Produkte sowie die Tätigkeit der technischen Überwachung von Gefahrenquellen wuchsen nun zu großen Komplexen heran und agierten teils privatrechtlich, etwa als eingetragene Vereine (TÜV), teils in hybriden Formen von „regulierter Selbstregulierung“ (Collin/Bender/Ruppert/Seckelmann/Stolleis Hrsg. 2011; dies. Hrsg. 2012; dies. Hrsg. 2014). In allen politischen Lagern Europas verloren die liberalen Parteien nach dem Ende des Ersten Weltkriegs an Terrain. Der Optimismus des Freihandels war ebenso verschwunden wie das Vertrauen in die freiheitliche Selbststeuerung ganzer Gesellschaften. Überall gab es Erfahrungen mit Spekulationsgewinnen und -verlusten, Besorgnisse vor einer Übermacht der Wirtschaft, Unvertrautheit mit den neuen demokratischen Verfahren, nostalgische Rückblicke auf versinkende alte und „einfache“ Lebensformen, verbunden mit Hoffnung auf neue „Gemeinschaft“. Zugleich entfalteten sich autoritäre, antiparlamentarische und antiindividualistische Gruppen, überall artikulierte sich Sehnsucht nach Einheit und „Führung“. Was sich in der intellektuellen Szenerie des „Fin de Siècle“ schon angedeutet hatte, wurde nun im Nachkriegseuropa Gemeingut: Das Zeitalter der Massen war angebrochen, und die Massen sollten (und wollten?) geführt werden. Illegale Freicorps und Parteiarmeen bildeten sich. Die junge Sowjetunion entfaltete eine enorme geistige Anziehungskraft, Philosophen und Dichter priesen Russland als neue Offenbarung. Anderen erschien das faschistische Italien Mussolinis als nachahmenswertes Modell einer „neuen Ordnung“. Intellektuelle und ihre Zirkel träumten von einer „Konservativen Revolution“2. Die politische Entwicklung Europas zwischen den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts muss an dieser Stelle nicht weiter er-

2 Mohler, Armin, Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932. Ein Handbuch, 6. Aufl. Graz 2005.

Zeitalter der Massen

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12

Teil 1 Einführung

Geeintes Europa

läutert werden. Sie ist mit ihren Innovationen, vor allem aber mit all ihren Schrecken und Millionen Toten nur allzu bekannt. In vielen Ländern setzten sich antidemokratische, diktatorische Regierungsformen durch, beginnend mit Italien, in besonders gravierender Weise aber im deutschen Nationalsozialismus und im „Stalinismus“ der Sowjetunion, der nach 1945 auch Osteuropa erfasste. Alle Diktaturen, gleich welcher ideologischen Grundlage, leugneten prinzipiell die Unterscheidbarkeit von Staat und Gesellschaft, um direkten Zugriff auf die Gesellschaft zu haben, sie im Bewusstsein vermeintlich höheren Wissens zu lenken und jede Abweichung von der Staatsideologie zu bestrafen. Unter dem Primat der „Revolution“ („Führer“, „Bewegung“, „Partei“, „Volk“, „Proletariat“) wurde alles Private öffentlich. Grundrechtlicher Schutz „gegen den Staat“ schien überflüssig, ja schädlich und hemmend; denn der Einzelne ging entweder als Teil in der guten Ordnung auf oder er wurde zum „Feind“. Strafrecht, befreit von den Fesseln des Rechtsstaats, diente als politisches Instrument zur Bekämpfung von Gegnern. Zivilrechtlichen Rechtsschutz gab es typischerweise noch rudimentär, etwa für private Auseinandersetzungen außerhalb des öffentlichen Interesses oder im Familienrecht. Rechtsschutz gegen staatliche Maßnahmen durch Verwaltungsgerichte wurde marginalisiert (NS-Staat) oder ganz beseitigt (DDR). Nach dem Zweiten Weltkrieg, der mit dem nun beherrschenden Ost-West-Gegensatz die Weltlage für Jahrzehnte veränderte, kehrten zugleich mit dem ökonomischen „Wiederaufbau“ schrittweise auch die Grundstrukturen der parlamentarischen Demokratien zurück. Westeuropa schloss sich stufenweise zu einem Wirtschaftsraum zusammen, schuf Institutionen zentraler Planung und Verwaltung, einen Gerichtshof und ein Europa-Parlament, fügte der wirtschaftlichen Union politische Elemente hinzu, debattierte und beschloss schließlich eine gemeinsame Verfassung (Mangold 2011; Schorkopf 2015). Dieser sukzessive Integrationsprozess mit der Übergabe von Souveränitätsrechten an eine nur indirekt demokratisch legitimierte Bürokratie wird von vielen mit Misstrauen betrachtet. Einige Länder wollen ihre eigene Währung nicht aufgeben, andere sind – nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – aufgenommen worden, ohne wirklich demokratisch regierte Rechtsstaaten zu sein, wieder andere Kandidaten wollen beitreten, die noch einen langen Weg der wirtschaftlichen und politischen Normalisierung vor sich haben.

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts

Wie auch immer dieser Prozess der europäischen Einigung in Zukunft verlaufen wird, es zeichnet sich jedenfalls schon heute ab, dass der traditionelle souveräne Nationalstaat – das Ideal des 19. Jahrhunderts – in dieser Weltregion seine Stellung nicht unverändert wird halten können. Während bis zum Ende des 19. Jahrhunderts alle „gesellschaftlichen“ Formationen in staatliche Herrschaft verwandelt oder jedenfalls von ihm anerkannt werden mussten (Gilden, Genossenschaften, Zünfte, Bünde, Vereine, Patrimonialgerichtsbarkeit), scheint sich hundert Jahre später auf breiter Front wiederum ein Prozess der „Entstaatlichung“ zu vollziehen, etwa in der Privatisierung von Verwaltungsaufgaben oder in der Streitschlichtung außerhalb der Justiz, aber auch in der Abgabe von Hoheitsrechten an übergreifende Verbünde wie die Europäische Union oder an transnationale Einrichtungen. Durch die rasant entwickelte Globalisierung der Märkte und Dienstleistungen beobachtet man heute eine Verbreitung von „Normen ohne Staat“, die den Bürger binden, ohne dass er sie wirksam kontrollieren könnte. Die Szenarien der Zukunft sind insofern völlig offen. Aber immerhin wird man sagen können, dass es zum Schutz der Menschen- und Bürgerrechte sowie zur Erfüllung elementarer Verteidigungs-, Versorgungs- und Sicherungsaufgaben auch weiterhin „Staaten“ wird geben müssen, wie auch immer die Bezeichnungen lauten mögen, weil anders die Lebens- und Überlebensvoraussetzungen nicht gesichert werden können. Politisch-juristisches Denken und Handeln sind in diesem Prozess des Übergangs untrennbar verwoben, jedenfalls im europäischen Raum. Der Weg führte von spätmittelalterlichen zu neuzeitlichen Regierungsformen, von der Entstehung des Staates in der Frühen Neuzeit zu dessen konstitutioneller Zähmung und Demokratisierung, und manchmal eilte dabei die Theorie voraus, manchmal beobachtete und reflektierte sie erst im Nachhinein, was sich verändert hatte. Die politisch Handelnden folgten meist dem „Zeitgeist“, so wie umgekehrt dieser „Zeitgeist“ von den politisch Handelnden mitbestimmt wurde. Die öffentliche Meinung oder die im Land herrschende Grundstimmung, ein Phänomen der Neuzeit, bestimmte die Schicksalsfragen von Krieg und Frieden, Wohlstand oder Armut oder das Maß politischer Teilhabe. „Worte sind auch Taten“ (Ludwig Wittgenstein), und Taten verursachen Worte, die gegebenenfalls wieder in Taten münden. Was „öffentliche Herrschaft“ oder „Staat“ genannt wird, ist ein historisch

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Kursverlust des Nationalstaats?

Denken und Handeln

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Teil 1 Einführung

gewachsenes Gebilde, errichtet aus „Ideen“ und „Fakten“. Jede Generation baut daran weiter, und jede schafft aufs Neue nicht nur ihre eigene Deutung der Vergangenheit sondern auch Hoffnungen und Visionen für die Zukunft. Verfassungs- und Verwaltungsrechtsgeschichte sowie die Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts sind nur auf dem Schreibtisch, nicht aber in der Wirklichkeit voneinander zu trennen. Sie stehen historischer Forschung offen, besonders dann, wenn man die traditionellen Schranken von „äußerer“ Rechts-Geschichte (Tatsachen) und „innerer“ Rechtsgeschichte (Dogmengeschichte) überschreitet, die Wechselwirkungen zwischen Denken und Tun anerkennt und zudem die erkenntnistheoretischen Schranken der eigenen Wahrnehmung wahrnimmt. Die Geschichte der Ereignisse und die Geschichte des Denkens sind auf sprachliche Zeugnisse oder sprachlich interpretierte Artefakte angewiesen. Die Wahrnehmung und Deutung der Welt geschieht durch das Lesen von „Zeichen“, mögen sie sprachlicher oder bildlicher Art sein.(ausführlicher hierzu Stolleis, Rechtsgeschichte schreiben. Rekonstruktion, Erzählung, Fiktion?, Basel 2008).

1.2 Unterschiede Verfassungsgeschichte, Verwaltungsrechtsgeschichte und Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts unterscheiden sich durch ihr historisches Material, weisen aber auch in ihrer Entstehung, in ihren Methoden sowie in der akademischen Präsenz deutliche Unterschiede auf. Alle diese Zweige am Baum der historischen Wissenschaften haben ihre Entstehungs-, Wachstums- und Verfallsbedingungen. Auch Prozesse der Ausdifferenzierung und Spezialisierung, die sich mit naturgesetzlicher Notwendigkeit zu vollziehen scheinen, unterliegen politischen und wissenschaftlichen Konjunkturen, oft ohne dass es den Akteuren selbst bewusst wird. Im konkreten Fall laufen zwei Entwicklungen parallel: In der Geschichtswissenschaft entsteht neues Interesse an Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte als Teilgebiet der allgemeinen politischen Geschichte, die sich in Form der Verwaltungsgeschichte der Gesellschafts- oder Sozialgeschichte nähert. In der Jurisprudenz ist die Verfassungsgeschichte überwiegend als historische Voraussetzungswissenschaft für den „Staat“ angesehen worden, so wie die Verwaltungsrechtsgeschichte

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in einem entsprechenden Verhältnis zur Verwaltungslehre und zum Verwaltungsrecht steht.

1.3 Verfassungsgeschichte Die heutige Verfassungsgeschichte ist aus der seit dem 17. Jahrhundert gepflegten Reichsgeschichte hervorgegangen. Die Reichsgeschichte bildete das Fundament des Reichsrechts (ius publicum imperii) (Hartung 1956, 4 f.). Besonders in Halle und (seit Mitte des 18. Jahrhunderts) in Göttingen wurde „Reichshistorie“ als eigene Disziplin gepflegt. Ihr Stoff war das „Reichs-System“», das nur historisch zu erklärende, verwinkelte Gebäude der Reichsverfassung, das man im späten 18. Jahrhundert als «gothische Ruine» zu bezeichnen pflegte. Johann Stephan Pütters «Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs» (1786, 3 Bde., 3. Aufl. 1798) ist ein später Klassiker dieser Richtung. Neben den Systematiker Pütter trat der die gesamte Stoffmasse präsentierende Johann Jacob Moser, Autor von 53 Bänden „Teutsches Staatsrecht“ (1737–1754), gefolgt von 43 weiteren Bänden „Neues Teutsches Staatsrecht“ (1766–1782). Aufgabe der Reichspublizistik war es, das historisch ermittelte positive Reichsverfassungsrecht, das (gewohnheitsrechtliche) Reichsherkommen, gelegentlich auch das partikulare Staatsrecht sowie zahllose Privilegien und Verträge zu lehren und zu ordnen. In einem weiteren Sinn gehörten auch das Völkerrecht (ius gentium) und das Lehnrecht (Benefizialrecht, féodalité) sowie das öffentliche Kirchenrecht (ius publicum ecclesiasticum) dazu. Da diese Rechtsmasse historisch entstanden war, war sie auch nur mit Mitteln der „Reichshistorie“ aufzuschließen und zu nutzen. Die Reichshistorie, wie sie vor 1806 praktiziert wurde, war deshalb eine Hilfsdisziplin des Jus Publicum Romano-Germanicum, der Reichspublizistik (Hammerstein 1972). Sie diente vor allem als Arsenal für Begründungen, die man in Streitfällen benötigte. Jede Inanspruchnahme von Territorien musste mit Rechtsgründen „aus Urkunden“ (Verträge, Testamente, Hausgesetze) legitimiert werden, etwa die Eroberung Schlesiens durch Friedrich II. von Preußen (1740–1742), ebenso die rechtmäßige Innehabung von Titeln, die darin steckende Rangstellung in der Reichshierarchie, etwa der Anspruch des Hauses Hannover auf die Kurwürde, eine Aufgabe, der sich Gottfried Wilhelm Leibniz widmete. Noch in den Verhandlun-

Reichshistorie



Reichspublizistik

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Staatengeschichte

Verfassungsgeschichte

gen, die zum letzten Reichsgesetz, dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803, führten, spielten historische Argumente eine bedeutende Rolle. Als sich das Reich im Jahre 1806 auflöste, entfiel mit der Reichspublizistik auch die „Reichshistorie“. Sie wurde von nun an im Wesentlichen geschichtliches Fach und wanderte in die großen historischen Darstellungen des 19. Jahrhunderts (vorzügliche Übersicht bei Boldt 1984, 119–217). In den Territorien selbst wurde verstärkt Dynastie- und Staatengeschichte betrieben, die aber auch als Teilstücke einer vom nationalen Band zusammengehaltenen Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte galten, etwa bei Karl Friedrich Eichhorn (Eichhorn 1843–1844; hierzu Böckenförde 2016, 9–41). In der Sache war Eichhorns Werk von 1808–1823 die erste umfassende „historische“ Darstellung, die auch die Verfassungsgeschichte einschloss. Je mehr sich diese Territorien nach dem Ende der napoleonischen Kriege eigene Verfassungen gaben, desto eher konnte man von territorialer Verfassungsgeschichte im engeren Sinn sprechen. Der Historiker Georg Waitz setzte 1844 ausdrücklich mit „Deutsche[r] Verfassungsgeschichte“ ein, begann aber mit der „Verfassung des deutschen Volkes in ältester Zeit“, also bei den Germanen und deren durch Tacitus übermittelter „Verfassung“. Bald war Verfassungsgeschichte eine bei Historikern gängige Gattung3, und es erschien 1867 sogar ein Band einer Zeitschrift für Deutsches Staatsrecht und Deutsche Verfassungsgeschichte, herausgegeben von Ludwig Karl Aegidi.Historiker verstanden unter Verfassungsgeschichte durchweg politische Geschichte in einem breiten Sinn, unterlegten also nicht den modernen revolutionären Verfassungsbegriff. Juristen integrierten zunächst die formal untergegangene Reichshistorie in die allgemeine Rechts- und Staatsgeschichte. Je mehr das Jahrhundert aber voranschritt, desto mehr

3 Arnold, Wilhelm Christoph Friedrich, Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte im Anschluß an die Verfassungsgeschichte der Stadt Worms. Hamburg 1854, 2 Bde.; Sickel, Wilhelm, Geschichte der Deutschen Staatsverfassung bis zur Begründung des Constitutionellen Staats. Halle 1879 (Neudr. 2010); Gneist, Rudolf von, Englische Verfassungsgeschichte. Berlin 1882; Heusler, Andreas, Deutsche Verfassungsgeschichte. Leipzig 1905; Meister, Aloys, Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 14. Jahrhundert. Leipzig 1913; Hartung, Fritz, Deutsche Verfassungsgeschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 9. Aufl. Paderborn 1969.

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gewann die Geschichte des positiven Verfassungsrechts an Gewicht, desto mehr verengte sich der Verfassungsbegriff auf den positivrechtlichen Verfassungstext. Erneut diente die Verfassungsgeschichte als Propädeutikum des geltenden Verfassungsrechts. Im Zuge der Festigung des Rechtspositivismus als methodischer Hauptrichtung wurde sie dann aber immer mehr als ein für Juristen entbehrlicher Teil der allgemeinen Geschichtswissenschaft angesehen. Soweit die Verfassungsgeschichte als Teil der allgemeinen Rechtsgeschichte verstanden wurde, verlegte man im 19. Jahrhundert die Geschichte des Staates bzw. seiner Verfassung samt der Geschichte der Rechtsquellen in die „äußere Rechtsgeschichte“, also auf die Seite der sogenannten Tatsachen. Dagegen nannte man die Geschichte der Rechtsentwicklung in ihren Instituten und dogmatischen Formen „innere Rechtsgeschichte“. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurden beide Seiten noch zusammen behandelt, etwa, wie gesagt, bei Karl Friedrich Eichhorn (1781–1854) oder Heinrich Zoepfl (1807–1877) mit «Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte» (1834– 1836, 4. Aufl. 1871). Später lockerte sich der Zusammenhang. Äußere und innere Rechtsgeschichte trennten sich wieder. Die äußere Geschichte des Staates und seiner Institutionen, kurz: seiner Verfassung, wurde zur Domäne des öffentlichen Rechts. Die innere Rechtsgeschichte wurde entweder zur Dogmengeschichte eines „Deutschen Privatrechts“, parallel zu derjenigen des römischen (Zivil-) Rechts bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Coing 1985; ders. 1989), oder sie lieferte die ersten Bausteine für eine Dogmatik des öffentlichen Rechts, etwa zur Geschichte des Bundesstaats, der Gewaltenteilung, der Grundrechte oder des Genossenschaftsgedankens im Staatsrecht (Beispielhaft Gierke 1880). Die erste Generation der „Germanisten“ (Karl Friedrich Eichhorn, Jacob und Wilhelm Grimm, August Ludwig Reyscher, Georg Beseler und K. J. A. Mittermaier) und die ihr folgende (Karl v. Amira, Konrad Maurer, Heinrich Brunner, Richard Schröder, Eberhard v. Künßberg, Otto v. Gierke) engagierten sich auf sehr unterschiedlichen Feldern.4 Die einen

4 Erler, Adalbert, Germanisten. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1: Aachen – Haussuchung, hrsg. von Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann. Berlin 1971, Sp. 1582–1584; Schäfer, Frank L., Germanistik. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 2: Geistliche Gerichtsbarkeit – Konfiskation, 2. Aufl., hrsg. von Albrecht Cordes, Heiner Lück und Dieter Werkmüller. Berlin 2012, S. 255–259.

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Domäne der „Germanisten“

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Teil 1 Einführung

„Politik“ und Allgemeine Staatslehre

Trennung von Rechts- und Verfassungsgeschichte

wandten sich der germanischen Altertumskunde, der isländischen, skandinavischen und angelsächsischen Rechtsgeschichte (Konrad Maurer, Karl v. Amira, Felix Liebermann, Andreas Heusler), der Edition altfriesischer Rechtsquellen (Karl Freiherr v. Richthofen), den Germanenrechten (Leges barbarorum), dem Sachsenspiegel (Gustav Homeyer) und Schwabenspiegel, den Stadtrechten, den dörflichen Weistümern oder der rechtlichen Volkskunde (Rechtsarchäologie, Rechtsethnologie) zu (Amira 1876). Die anderen suchten die älteren Wurzeln der nun wichtigen Rechtsgebiete des Handels-, Scheck- und Wechselrechts, des Wertpapierrechts, des Genossenschaftsrechts und vieler anderer Sondergebiete, die unabhängig vom gemeinen (römischen) Recht geblieben waren. Wieder andere arbeiteten über die Staats- oder Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts, die für die politisch aktiven und meist liberalen Germanisten des 19. Jahrhunderts besonders anziehend war. Dass sie dabei „zeitgebundenen Fragestellungen und Leitbildern“ folgten, ist eine wichtige und für alle Wissenschaft gültige Einsicht der Wissenschaftsgeschichte (Böckenförde 1995). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die „Deutsche Verfassungsgeschichte“ der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihre erste Wurzel in der „Reichshistorie“ von 1806 hatte und durchweg als einleitende Hinführung zum geltenden Staatsrecht sowie als Arsenal für historische Argumente der Dogmatik verstanden wurde. Eine zweite Wurzel führt auf die ältere aristotelische und später naturrechtliche Staatstheorie zurück, verkörpert etwa 1721 in „Deutsche Politik“ von Christian Wolff (Wolff 2004) oder, rund ein Jahrhundert später, in Friedrich Christoph Dahlmanns „Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt“ (Dahlmann 1997). Im Zeichen geschichtlichen Denkens des 19. Jahrhunderts konnte Verfassungsgeschichte zeigen, wie sich menschliche Vergesellschaftung und Staatsbildung „im steten Entwickelungskampfe“ vollzogen (Waitz). Verfassungsgeschichte ersetzte gewissermaßen durch historische Theoriebildung die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fast verstummte, ehemals naturrechtliche Allgemeine Staatslehre. Wenn sie überhaupt noch eine Rolle spielte, dann angekoppelt an die Allgemeine Staatslehre. Die Lehrbücher „Deutsche Rechtsgeschichte“ vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in das 20. Jahrhundert (Heinrich Brunner, Richard Schröder, Hans Fehr, Heinrich Mitteis, Claudius v. Schwerin, Hermann Conrad) behandelten unter diesem Titel regelmäßig

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auch Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, ja sogar die Verwaltungsgeschichte einzelner Territorien (H. Conrad). Dennoch löste sich die Verfassungsgeschichte immer häufiger von der Rechtsgeschichte und fand zu separaten Darstellungen (Hintze 1902; ders. 1941, 24–41; Hartung 1969; Schulte 1933; Bornhak 1979, Erstausg. 1903; ders. 1968, Erstausg. 1934). Dabei gingen die stärksten Wirkungen von dem Historiker Otto Hintze (1861–1940) aus. Mit ihm, so Ewald Grothe in seiner umfassenden Darstellung, begann „eine neue Epoche der Verfassungsgeschichtsschreibung in Deutschland“ (Grothe 2005, 55. Dort Anm. 1 auch Nachweise zur biographischen Literatur). Auf der Basis jahrelanger Studien zur preußischen Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte weitete sich sein vergleichender, zugleich empirischer wie analytischer Blick auf eine vergleichende europäische Struktur- und Sozialgeschichte. Im letzten Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg belebte und europäisierte sich die Verfassungsgeschichte. Der schmerzliche Abschied vom Staatsbild der Reichsgründungszeit begann. Das etatistische und nationalistische Werk „Der deutsche Staat des Mittelalters. Eine Grundlegung der deutschen Verfassungsgeschichte“ von Georg von Below (1858–1927) markiert die eine Seite, der neue evolutionäre sozialgeschichtliche Ansatz Karl Lamprechts die andere. Wie im Bürgerlichen Recht seit 1900, das durch die Kodifikation den historischen Blick freigab, so entstand auch hier die Frage, ob man sich von der Fixierung auf den Staat und die staatsrechtliche Begrifflichkeit nicht lösen müsse, um die Verfassungsgeschichte über eine Abfolge von „Staatsaktionen“ hinauszuführen. Johannes Liebrecht hat dies insbesondere in einer Analyse des Werks von Fritz Kern materialreich und treffsicher entfaltet (Liebrecht 2016, 41 ff., insbes. 47 ff.). Die „juristischen“ Verfassungsgeschichten dienten, wie gesagt, als historische Grundierungen der „Allgemeinen Staatslehre“. Das führte zu einer Konzentration auf die historisch wechselnden Regierungsformen, etwa bei Conrad Bornhak, Hermann Rehm, Richard Schmidt, aber auch bei dem herausragenden Georg Jellinek (Bornhak 1968; ders. 1979; Rehm 1899; Schmidt 1969; Jellinek 1914), wenn sie auch – wie bei Richard Schmidt – europäisch vergleichend angelegt waren, etwa in den großen Darstellungen um 1900 zu den Verfassungsgeschichten Englands, Frankreichs und Italiens (Mayer 1899; ders. 1909; Hatschek 1978). Mit dem Übergang in die Weimarer Republik und mit deren Verfassung wurde „Verfassungsgeschichte“ stärker als zuvor wieder  



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Juristische und historische Ansätze

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Teil 1 Einführung

Debatten um „Verfassung“

Verschiebungen in der Rechtsgeschichte

Teil der Juristenausbildung. Dazu trugen vor allem drei Faktoren bei, nämlich die langsame Abwendung vom Gesetzespositivismus der Vorkriegszeit, die neue zur historischen Kommentierung anregende und auf 1848 zurückweisende Verfassungslage, schließlich die zahlreichen Anregungen, die von der seit 1900 sich entfaltenden Politikwissenschaft (Duve 1998; Bleek 2001) und der gleichzeitig ihre Gründungsphase erlebenden Soziologie (Ferdinand Tönnies, Werner Sombart, Georg Simmel, Max Weber) ausgingen. Entsprechend vielfältig spaltete sich nun auch die Verwendung des Wortes „Verfassung“ auf. Sprachen die einen vom konkret geltenden Text der Weimarer Verfassung (Anschütz), unterschieden Rechtstheoretiker zwischen diesem und einem Normkomplex an der Spitze der Pyramide der Rechtsgeltung (Kelsen). Antipositivistische Staatsrechtler spielten den geltenden Verfassungstext und den „Geist“ der (eigentlichen, höheren, substanziellen) Verfassung gegeneinander aus (Schmitt, Smend, Kaufmann). Historiker und Politikwissenschaftler schließlich verstanden häufig unter „Verfassung“ die gesamten das Verfassungsleben prägenden Bedingungen des politischen Lebens der Nation (Heller). Diese Varianten mögen sich überlagert und manche Missverständnisse verursacht haben, aber der insgesamt breitere Verfassungsbegriff und das Postulat, die „Verfassung“ der gesamten Gesellschaft einzubeziehen, führten doch zu einer Annäherung der einstmals „Staatswissenschaften“ genannten Disziplinen, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts voneinander entfernt hatten. Sowohl Rechts- als auch Verfassungsgeschichte gewannen dadurch Impulse, sich aus dem begrifflichen Korsett der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts zu befreien. Wie sich die eng geführte Geschichte des klassischen römischen Rechts seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf die Rechtsgeschichte des Vorderen Orients, Ägyptens und Griechenlands erweiterte – und zwar in engem Anschluss an die historischen Altertumswissenschaften –, gewann die germanistische Seite der Rechtsgeschichte neue Impulse aus Rechtsarchäologie, rechtlicher Volkskunde und Ethnologie, entdeckte aber auf ihrem eigenen Feld, dass sie germanische und mittelalterliche Herrschaftsformen im Bann der Sichtweise des 19. Jahrhunderts anachronistisch interpretiert hatte. Mit der wachsenden Distanz zum 19. Jahrhundert war allerdings keineswegs eine ebenso wachsende Hinwendung zu Demokratie, Parlamentarismus und offener Gesellschaft verbunden. Vielmehr wurde nun der Rück-

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griff hinter die Ideen von 1789 wieder möglich. Das bedeutete – zusammen mit der deprimierenden politischen Lage nach dem Weltkrieg – auch eine Hinwendung zu „Gemeinschaft“ und „Führertum“. Die Sehnsucht nach einer heilen Welt verdichtete sich zum Wunschbild einer autoritären Verfassung der „Volksgemeinschaft“. Der zu Beginn der NS-Herrschaft vor allem von dem germanistischen Rechtshistoriker Karl August Eckhardt (1901–1979) entwickelte Studienplan der Juristenausbildung von 1935 enthielt eine wichtige und folgenreiche Neuerung. Er stellte neben die „Privatrechtsgeschichte der Neuzeit“ die „Verfassungsgeschichte der Neuzeit“. Das vom Nationalsozialismus schon im Parteiprogramm von 1920 diskriminierte römische Recht verbarg sich nun unter dem unverdächtigen Etikett „Privatrechtsgeschichte“. Gleichzeitig wurde die Verfassungsgeschichte zur Domäne des öffentlichen Rechts. Ihr Ziel war eine neue Verfassungsgeschichte, welche die juristische und historische Sicht vereinen und perspektivisch auf den NSStaat zulaufen sollte (Schmitt 1936; ders. 1940, 229–234). Bei den weiteren modifizierenden Planungen, die bis in den Krieg hineinreichten, spielten vor allem die Öffentlichrechtler Ernst Rudolf Huber, Ernst Forsthoff, Hans Gerber, Arnold Köttgen, Ulrich Scheuner und Werner Weber eine Rolle. Die nächste neue Studienordnung trat zum 1. Oktober 1944 in Kraft. Was an verfassungsgeschichtlichen Publikationen unter den schlagartig veränderten Bedingungen des NS-Regimes ans Licht kam, ist in zwei Sammelbänden, in der Studie von Anna Lübbe und in der umfassenden Arbeit von Ewald Grothe beschrieben worden (Lübbe 1989; Grothe 2005). Deshalb kann die Charakterisierung hier kurz ausfallen. Es handelte sich zum einen um unzeitgemäß gewordene Lehrbücher erklärter Monarchisten (Bornhak 1968; Helfritz 1944), wobei Helfritz allerdings insoweit den pädagogischen Bedarf abdeckte, als er Verfassungsgeschichte und Allgemeine Staatslehre kombinierte. Zum anderen breitete sich in „Grundrissen“ die NSPropaganda aus, nach deren Kernthesen man offenbar im Examen gefragt wurde. Daneben musste eine knappe und schon in der Emigration geschriebene „Europäische Verfassungsgeschichte der Neuzeit“ ohne Resonanz bleiben.5

5 Cunz, Dieter, Europäische Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Leipzig 1936. Der Autor (1910–1969), ein in Frankfurt promovierter Historiker, der sowohl

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Privatrechtsgeschichte der Neuzeit und Verfassungsgeschichte

Lehrbücher 1933–1945

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Ernst Rudolf Huber

Teil 1 Einführung

Die „Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit“ des Zivilrechtlers, Rechts- und Kirchenrechtshistorikers Hans Erich Feine (1890–1965)6 war in ihrer vom Nationalsozialismus geprägten Sicht gewiss nicht ohne Einfluss in der Lehre, was die drei Auflagen nahelegen. Dagegen gehört die Studie des germanistischen Rechtshistorikers Herbert Meyer (1875–1941) zu „Das Wesen des Führertums in der germanischen Verfassungsgeschichte“ (Wien 1938) wohl eher zu den Curiosa der Verblendung. Blickt man nochmals auf den Studienplan von 1935, so war es dessen klare Absicht, der Verfassungsgeschichte die mittelalterliche Dimension für den Unterricht zu nehmen und das Fach insgesamt zum politisierten Propädeutikum des „Verfassungsrechts“ umzuformen. Ein solches Verfassungsrecht gab es allerdings während des Nationalsozialismus nicht mehr oder nur in einem höchst unsicheren Aggregatzustand, so dass die verfassungsgeschichtlich vermittelte historische Bildung (wenn sie denn vermittelt wurde) gewissermaßen in der Luft hing. Vermutlich ist dies der Grund – von der Kürze der NS-Zeit abgesehen –, dass es nicht zu wirklich bleibenden Werken der Verfassungsgeschichte aus und zu dieser Zeit gekommen ist. Das erwähnte kleine Buch von Dieter Cunz brach mit einem frostigen letzten Satz zum Jahr 1933 ab. Ernst Forsthoffs konservativ und etatistisch angelegte „Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit“ endete in der ersten Auflage von 1940 gar mit der Reichsgründung von 1871. Hans Helfritz hatte an seinem alten Text von 1924 nur Unwesentliches geändert, den Nationalsozialismus „typologisch erörtert“ und sich als Monarchist, der er geblieben war, mit Bewertungen zurückgehalten. Der einzige bedeutende Autor, der sich professionell dem NS-Verfassungsrecht und der Ver-

historische Werke als auch Kriminalromane schrieb, emigrierte 1935 mit zwei jüdischen Freunden in die Schweiz und 1938 in die USA, wo er als Professor an der Ohio State University mit Studien zur deutschen Einwanderung in die USA sowie als Didaktiker und Sprachvermittler berühmt wurde. 6 Feine, Hans Erich, Tausend Jahre deutscher Reichssehnsucht und Reichswirklichkeit. Köln 1935 (4. Aufl. unter dem Titel „Tausend Jahre Deutsches Reich“, 1943); ders., Das Werden des Deutschen Staates seit dem Ausgang des Heiligen Römischen Reiches 1800 bis 1933. Stuttgart 1936 (2. Aufl. 1944); ders., Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Tübingen 1937 (2. Aufl. 1940, 3. Aufl. 1943). Zu ihm Heckel, Martin, Hans Erich Feine, 1890–1965. In: Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät, hrsg. von Ferdinand Elsener. Tübingen 1977, S. 189–213.

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fassungsgeschichte zuwandte, war Ernst Rudolf Huber (1903– 1990). Neben dem Lehrbuch zum Verfassungsrecht (1935, 1939) begann er ab etwa 1935 mit zahlreichen intensiven Studien zur Verfassungsgeschichte, insbesondere in Auseinandersetzung mit der Geschichte des 19. Jahrhunderts. Diese Serie setzte er nach 1945 fort und ließ sie zunächst in ein zweibändiges Quellenwerk, dann aber in die „Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789“ in 7 Bänden samt Registerband von 1957–1991 münden. Insofern spannte er, ungeachtet des tiefen Bruchs seiner Karriere zwischen 1945 und 1958, die Brücke seiner Verfassungsgeschichte über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren (Grothe, 2005, 55). Selbstverständlich blieben seine Prägungen trotz aller Wandlungen mehr oder weniger deutlich erhalten. Dazu gehörten die von Hegel grundierte grundsätzliche Zustimmung zur Staatsform der konstitutionellen Monarchie, das idealistische Element der Jugendbewegung sowie die Hoffnung auf eine Überwindung aller Gegensätze der Klassengesellschaft und der liberalen Dichotomie von Staat und Gesellschaft in der „Volksgemeinschaft“. Ebenso hoffte er, die moderne Arbeitsteilung aller auf den Staat bezogenen Disziplinen in einer neuen Staatswissenschaft wieder „aufzuheben“. In dieser Form lief die Verfassungsgeschichte auf eine Verwerfung des liberalen Verfassungsmodells, auf Überwindung der „Trennungen“ und Unterstützung der in der „Totalität“ angeblich erreichten inneren Einheit hinaus. Das war für die antiliberal und antidemokratisch denkende Generation, die sich vom Nationalsozialismus eben diese Totalität erhoffte, eine verführerische Botschaft. Aber es öffnete auch neue Perspektiven auf eine Distanzierung von Denkmodellen des 19. Jahrhunderts, sogar im römischen Recht. Für die mittelalterliche und frühneuzeitliche Verfassungsgeschichte ergab sich mit dem Abschied vom Etatismus des 19. Jahrhunderts die Chance einer Neubewertung. Hierzu hat wesentlich der Neuansatz von Otto Brunner beigetragen, der in „Land und Herrschaft“ (1939) ein vertieftes Verständnis des Übergangs von mittelalterlichen zu frühneuzeitlichen Zuständen entwickelte. Auch das über den Verfassungstext hinausführende breitere Verständnis von „Verfassung“ öffnete Möglichkeiten für die Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte. So hat Ernst Rudolf Huber den staatswissenschaftlich angelegten Grundgedanken von der „Verfasstheit“ des Staates in seiner „Deutsche(n) Verfassungsgeschichte seit 1789“ entfaltet. Nun war auch anderwärts von „Arbeitsverfassung“, „Kulturverfassung“,

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Abschied von alten Leitbildern

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Teil 1 Einführung

Staats- und Rechtsgeschichte in der DDR

Verfassungsgeschichte in der BRD

„Wehrverfassung“, „Medienverfassung“ und umfassender „Gesellschaftsverfassung“ die Rede, zu denen jeweils eigene sektorale Verfassungsgeschichten gehörten. Der Antagonismus des 19. Jahrhunderts von Staats- und Gesellschaftsverfassung löste sich in diesem Pluralismus von Teilverfassungen auf. Die Kennzeichnung der Strukturen ganzer Rechtsgebiete als „Verfassung“ führte allerdings zur oberflächlichen Etikettierung inkonsistenter normativer Gruppen, die auf verfassungsrechtlichen Grundlagen beruhten. Die engere Konzentration auf die Geschichte der geschriebenen Verfassungen tauchte erst in den didaktisch orientierten Lehrbüchern der Verfassungsgeschichte seit den 1970er Jahren wieder auf (Ch. F. Menger, W. Frotscher- B. Pieroth, R. Zippelius, O. Kimminich). Auch diese Konzentration hatte freilich wiederum den Nachteil, dass die Einbeziehung von Sozial- und Verwaltungsgeschichte erneut verloren zu gehen drohte. In der DDR verschwand eine unter freiheitlichen Bedingungen geschriebene Rechts- und Verfassungsgeschichte entweder gänzlich, oder sie zog sich in Nischen älterer Rechtsgeschichte zurück. Das Standard-Lehrbuch „Allgemeine Staats- und Rechtsgeschichte. Von der Entstehung des Staates bis zum Kapitalismus“ von Zinovij M. Černilovskij, wissenschaftlich bearbeitet von Horst Schröder (1980), blieb innerhalb der Bahnen der orthodox marxistischen Geschichtsauffassung7, bot aber eine faktenreiche Weltgeschichte des Rechts, die mit den „wichtigsten Institute(n) des bürgerlichen Rechts“ ausklang. Dass die Entwicklungen in den sozialistischen Ländern nach 1917 nicht mehr behandelt wurden, lag vermutlich an einer politischen Vermeidungsstrategie. Ganz auf die Zeit nach 1945 bezogen war dann der Grundriss „Staats- und Rechtsgeschichte der DDR, Berlin 1983, „kollektiv ausgearbeitet und mehrfach beraten“ (Ingetraut Melzer, Vorwort). An den westdeutschen Universitäten der Nachkriegszeit hielt sich die Verfassungsgeschichte der Neuzeit als spezielle Vorlesung. Angeboten wurde sie entweder von den Germanisten unter den Rechtshistorikern, die damit eine Tradition des 19. Jahrhunderts

7 Černilovskij, Zinovij M., Allgemeine Staats- und Rechtsgeschichte. Von der Entstehung des Staates bis zum Kapitalismus. Lehrbuch, hrsg. von Horst Schröder. Berlin 1980.

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts

fortführten, aber auch von Vertretern des Öffentlichen Rechts. In beiden Fällen gab und gibt es Anzeichen für eine Marginalisierung. In den Händen der überwiegend privatrechtsgeschichtlich orientierten Rechtshistoriker verkümmerte sie häufig zu einem Nebengebiet, weil die von Eichhorn noch zusammengehaltene Einheit von „Staats- und Rechtsgeschichte“ nicht mehr existierte und Verfassungsfragen der zivilistisch orientierten Rechtsgeschichte eher fernlagen. In den Händen des öffentlichen Rechts drohte die Verfassungsgeschichte umgekehrt in den Vorbereitungsraum des geltenden Verfassungsrechts zu geraten. Das legte es auch nahe, erst mit der Entstehung des modernen Verfassungsdenkens im ausgehenden 18. Jahrhundert einzusetzen (Huber, Fenske, Botzenhart, Grimm, Kröger, Brandt, Frotscher-Pieroth). Gegen diese Ausrichtung auf das geltende Verfassungsrecht war und ist aus pädagogischer Sicht zwar nichts einzuwenden, aber sie wirkte sich langfristig insofern fatal aus, als sie die Vorstellung verfestigte, die geschichtlichen Räume des Mittelalters und der Frühen Neuzeit vor 1806 seien im Grunde für Forschung und Lehre entbehrlich. Damit wurde aber faktisch ein Gebiet des kollektiven Gedächtnisses geräumt, aus dem heraus die Moderne entstanden ist: Alle zentralen Begriffe des heutigen Staats- und Völkerrechts sind in der Frühen Neuzeit entwickelt worden, ja einige sind weitaus älter, etwa der mittelalterliche, basisdemokratisch klingende Satz, „was alle angeht, muss von allen entschieden werden“ (quod omnes tangit ab omnibus approbari debetur). Die ebenfalls mittelalterlichen Anfänge des Souveränitätsprinzips, ja der Volkssouveränität, der Bindung des Herrschers an das von ihm selbst gesetzte Recht, des Gedankens der die Abfolge der Herrscher überdauernden „Grundgesetze“ (leges fundamentales), der unverlierbaren und unveräußerlichen Menschenrechte, der Lehre von den Staatsformen, der Trennung von Staat und Kirche, der bindenden Wirkung der Abstimmung nach Mehrheiten sind in der Antike artikuliert, im Diskurs des Mittelalters und der Frühen Neuzeit geklärt und verfestigt worden, haben die Politik beeinflusst, und sind ihrerseits den Konjunkturen der Politik gefolgt. Für ein vertieftes „genetisches“ Verständnis dessen, was uns heute bewegt, ist die Beschränkung auf die Zeit nach 1789 oder 1806 also sinnwidrig. Sie kann an den Hochschulen nur pragmatisch mit Hinweis auf die begrenzte Stundenzahl bei den Pflichtstunden begründet werden. In allen Vertiefungsveranstaltungen gilt sie nicht.

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Zur Wahrnehmung der Zeit vor 1806

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Teil 1 Einführung

Auch wenn man die genannten Begrenzungen berücksichtigt, ist festzustellen, dass sich seit den 1980er Jahren Studienmodelle nach vorne geschoben haben, die spezielle Vorlesungen zur Verfassungsgeschichte zwar verbal „integrierten“, teils in die Rechtsgeschichte, teils in die Prolegomena des Verfassungsrechts, sie aber faktisch fallenließen. Selbst in Ausbildungsgängen, die auf „Grundlagenorientierung“ Wert legen, schwindet die Befürwortung einer separat angebotenen Verfassungsgeschichte (Willoweit 2013b, VII; Stolleis 2017). Paradoxerweise ist aber das Angebot an Lehrmaterial unverändert reich.

1.4 Verwaltungs(rechts)geschichte Verwaltung und Verwaltungsrecht

Kirche

Frühe Staatsbildung

Die Geschichte des Staatshandelns auf der Ebene der Exekutive widmet sich dem Handeln der Behörden und Ämter auf allen Hierarchiestufen, den Verflechtungen der Administrationen in der Vertikale zur politischen Führung, in der Horizontale zu allen gesellschaftlichen Kräften. Dass dieses Handeln, nicht anders als bei der Verfassungsgeschichte, aus einem Ineinander von Denken und Tun, leitenden Ideen und Realisierung bestand, darf hier vorausgesetzt werden. Was großräumige „Verwaltung“ angeht, ging die römische Kirche des Mittelalters voraus. Sie schuf (idealiter) einen durch Zölibat, Vermögenslosigkeit und Gehorsamspflicht von Privatinteressen getrennten, also jederzeit versetzbaren Klerus zur Administration der römischen Weltkirche. Insofern ist sie gewissermaßen das Ursprungsgebiet rationaler, textgeleiteter und zentralisierter „Verwaltung“. Nahezu zeitgleich werden aber auch schon weltliche Strukturen dieser Art sichtbar, etwa im normannischstaufischen Sizilien, bald auch in Kastilien, Frankreich und England. Ein Indiz für die Gleichzeitigkeit der Tendenzen ist die europaweite Verbreitung des aus aristotelischer Wurzel stammenden Neologismus „policey“ als Synonym für (gute) Verwaltung (Simon 2004). Mit dem Aufstieg der Territorialstaaten, die schrittweise eigene Finanz-, Militär- und Hofverwaltungen aufbauten, entstand typischerweise eine in sich zusammenhängende Administration, deren Spitzen auf den Monarchen ausgerichtet waren. Verwaltungsgeschichte ist damit von vornherein kein national begrenztes Forschungsfeld. Der Prozess der Rationalisierung und Bürokratisierung, der hierarchische Aufbau von Strukturen mit politischer Spit-

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ze, aber einer schrittweise nach unten durchgesetzten normtextgebundenen Versachlichung, findet sich in den west- und mitteleuropäischen Ländern gleichermaßen.8 Selbstverständlich gibt es verschiedene historische Ausformungen. Aber die Tendenz zur Ausbildung von „legaler Herrschaft mit bureaukratischem Verwaltungsstab“ (M. Weber) ist als primäres Merkmal in ganz Europa vom 16. bis zum 18. Jahrhundert feststellbar. Als jener „well-ordered police-state“ (Raeff 1983) mit der Französischen Revolution und mit dem Beginn des Wirtschaftsliberalismus an sein Ende kam, erklärte man programmatisch, der Staat solle sich auf Gewährleistung von Frieden und innerer Sicherheit beschränken (Wilhelm von Humboldt). Aber dieses Programm ließ sich nicht erfüllen. Denn auf „Verwaltung“ ließ sich nun erst recht nicht verzichten. Vielmehr entfaltete sich Verwaltung – jetzt auch schon ironisch „Bureaucratie“ genannt (Wunder 1986; ders. 1987; Cancik 2017) – in kräftigen Schüben. Der kritische Akzent gegen die als neu empfundene Herrschaft des „Bureaus“ lag darin, dass neben die bekannten drei Staatsformen (Monarchie, Aristokratie, Demokratie) eine vierte gesetzt wurde, ähnlich wie in der Bundesrepublik die Kennzeichnung des Fernsehens als vierte Staatsgewalt (Telekratie). Dass die Verwaltungsapparate der konstitutionellen Monarchien sich vergrößerten und perfektionierten, lässt sich erklären. Die neuen Verfassungen unterschieden typischerweise Legislative und Exekutive einschließlich der Justiz, weil sich Volkswille und monarchisches Prinzip gegenüberstanden. Die Verwaltungen wurden erstmals nach dem Ressortprinzip organisiert (Innen-, Außen-, Kultus-, Kriegs- und Innenministerium), was die ohnehin schon begonnene Herausbildung separater Substrukturen begünstigte. Hinter diesen Neuerungen stand der Problemdruck der neuen inhaltlichen Aufgaben. In ganz Europa setzte mit Bergbau, Schwer-

8 Siehe etwa: Paravicini, Werner und Werner, Karl Ferdinand (Hrsg.), Histoire comparée de l’administration (IVe–XVIIIe siècles). Actes du XIVe colloque historique franco-allemand, Tours, 27 mars–ler avril 1977. München 1980; Istituto per la scienza dell’amministrazione pubblica (Hrsg.), L’Amministrazione nella Storia Moderna. Mailand 1985, 2 Bde.; Dübeck, Inger und Tamm, Ditlev, The History of Danish Administration: Actual Problems and New Tendencies. In: Jahrbuch für Europäische Verwaltungsgeschichte, Bd. 3: Beamtensyndikalismus in Frankreich, Deutschland und Italien?, hrsg. von Erk Volkmar Heyen. BadenBaden 1991, S. 311–325.

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Begrenzung der Staatstätigkeit

Neue Aufgaben der Verwaltung

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Teil 1 Einführung

Verwaltung heute

Interaktion öffentlicher und privater Verwaltung

industrie, maschineller Textilherstellung, neuen Transportmitteln (Eisenbahn, Dampfschiffe) und neuer Kommunikation (Telegraf) die Industrielle Revolution ein. Die Massenwanderung von Arbeitskräften in die Industriegebiete schuf neue Probleme des Wohnungsbaus und der Stadtplanung, der Armenfürsorge und des für die Industrialisierung zentralen Schul- und Hochschulwesens (Realschulen, Technische Hochschulen, Land- und forstwirtschaftliche Schulen, Bergakademien). Ab 1800 begann mit den Statistischen Büros auch die systematische Erfassung der Bevölkerung und der staatlichen Ressourcen. Bald rückte die „Soziale Frage“ ins Zentrum. Die staatlichen Verwaltungen konnten nicht nur nicht untätig bleiben, sie mussten sich ausbreiten und erstmals das „Juristenmonopol“ zugunsten von Ingenieuren, Agrarwissenschaftlern oder Finanzwissenschaftlern lockern (Bleek 1972; Henning 1984; Schminnes 1994). Dadurch änderten sich die Verwaltungsstrukturen grundlegend. Der Übergang zum Industriezeitalter brachte ganz neue Verwaltungsformen hervor, teils wegen der neuen Aufgaben, teils durch Verlagerung auf privatrechtliche, aber hoheitlich kontrollierte Formen (regulierte Selbstregulierung). So reicht der Bogen der Verwaltungsgeschichte bis zur Gegenwart. Stets geht es um Entstehung und Arbeit von „Bürokratien“, um ihre Interaktion mit privatrechtlich organisierten Akteuren und damit auch um die Grenzziehung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht. Unterschiedliche Lagen der Gesellschaft lassen Rufe entweder nach „mehr Staat“ oder nach „weniger Staat“ ertönen. Jede Gesellschaft formt ihre eigene Verwaltung, bildet Beamte oder andere Träger öffentlicher Gewalt aus, finanziert sie, wahrt ihre Rechte durch Gerichte oder gibt sie preis, um dafür (vermeintlich) Sicherheit zu gewinnen. Nicht nur der Staat als Ganzes ist das, was die Bürger aus ihm machen, auch die ihn tragende Verwaltung ist ein getreues Abbild der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. In einem weiteren Sinn könnte Verwaltungsgeschichte auch alle Formen privatrechtlicher „Verwaltung“ in Großbetrieben, Konzernen und weltumspannenden Netzwerken umfassen; doch haben sich ein pragmatischer Forschungskonsens und der Wortgebrauch darauf verständigt, Verwaltungsgeschichte auf die öffentliche Verwaltung zu begrenzen. Je mehr allerdings die praktische und theoretische Verzahnung von Privatrecht und öffentlichem Recht voranschreitet, desto mehr wird man eine solche Begrenzung überdenken müssen. Gerade die Interaktionen von „öffentlich“ und „privat“ sind derzeit die Zonen,

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts

in denen sich Neues ausbildet. Das Kürzel PPP (Public-Private-Partnership) signalisiert dies. Staatliche Leistungen wurden „privatisiert“, aber nicht aus öffentlicher Aufsicht entlassen, während sich umgekehrt die idealtypisch „freie“ Gesellschaft, die sich im privatrechtlichen Vertrag zu organisieren pflegt, von einem Netz staatlicher Kontrollen des „Schutzes“ oder der „Gefahrenabwehr“ (Mieter, Kinder, Behinderte, Verbraucher, Denkmäler, Umwelt usw.) überzogen sieht. Wo der Staat handeln, aber nicht haften will, zieht er private Akteure heran, verspricht ihnen angemessene Rendite, bürdet ihnen aber auch die Last der „Grundversorgung“ und der Beachtung der Grundrechte auf. Wo der Staat nicht handeln will oder kann, bedient er sich des „Outsourcing“, holt also Private herein, die dort einspringen, wo man hofft, dass es sich „rechnet“ (Nahverkehr, Post, Energieversorgung). Rechnet es sich nicht, werden durchweg und zwar mit Blick auf Wahlen so diskret wie möglich, Steuermittel eingesetzt. Wo Großprojekte geplant werden (Flughäfen, Rennstrecken, Automobilwerke, Bahnknotenpunkte, Opernund Konzerthäuser, Altstadtsanierungen, Renaturierung von Industriebrachen), bilden sich regelmäßig auch Konglomerate von öffentlich-privaten Vertragswerken, allein deshalb, weil auch die öffentlichen und privaten Interessen entsprechend verflochten sind. Seit etwa drei Jahrzehnten werden neue Verwaltungsformen diskutiert und eingeführt („From Governing to Governance“).9 Die Konsequenz für die künftige Verwaltungs(rechts)geschichte wird deshalb sein, die Scheuklappe der traditionellen Trennung von öffentlich und privat abzunehmen, um das „Funktionieren“ moderner öffentlicher Verwaltung besser zu verstehen. Die historische Forschung hat sich der Verwaltung auf unterschiedliche Weise genähert, stets abhängig von Kritik oder Zustimmung, wie sie die Zeitgenossen ihrer jeweiligen Verwaltung entgegenbrachten. Da Verwaltung stets als der „Staat vor Ort“ wahrgenommen wurde, betreffen Akzeptanz oder Ablehnung der Verwaltung immer auch den Staat insgesamt.

9 Tiihonen, Seppo (Hrsg.), Institutions and Bureaucrats. Institutions and Bureaucrats in the History of Administration. Helsinki 1989; ders., From Governing to Governance. A process of change. Tampere 2004.

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Teil 1 Einführung

Anfänge der Verwaltungsgeschichte

Geschichte der Nationalökonomie

Je nach Interessen- und Quellenlage widmeten sich seit dem späten 18. Jahrhundert die Historiker der Verwaltung von der Seite der „Verfassungen“ ihrer Staaten, von einzelnen prägenden Institutionen („Geheimer Rat“) über den Weg vom „Fürstendiener“ zum „Beamten“, aber auch von der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, speziell mit Blick auf die Lage der Finanzen, der Schuldenverwaltung oder des entstehenden modernen Steuerstaats. Als eine der ersten Verfassungs- und Verwaltungsgeschichten, die auch die Wirtschaftsgeschichte einschloss, gilt traditionell Justus Mösers „Osnabrückische Geschichte“ (1768, 1780). Die dynastie- oder länderbezogenen Darstellungen des Staatsrechts widmeten sich meist dem Aufbau des Staatswesens und dessen Institutionen (innere Gliederung, Rechte und Pflichten der Stände, Beamtenwesen, Kirchenwesen). Auf der Reichsebene gab es dazu nur Ansätze, etwa in Ausführungen zu Reichskammergericht und Reichshofrat, Reichskreisen und Reichsfiskal, zur Reichshofkanzlei, Reichspost und vor allem zum Immerwährenden Reichstag in Regensburg, der Ständeversammlung des Reichs. Mit dem Ende des Reichs 1806 endete äußerlich auch dessen ohnehin begrenzte Verwaltungsgeschichte, setzte sich aber gewissermaßen als Unterabteilung der umfassenden „Staats- und Rechtsgeschichten“ (Eichhorn, Zöpfl) fort. Gleichzeitig schilderten die während des Deutschen Bundes (1815–1866) entstehenden Staatsrechte der Länder auch die jeweiligen zentralen Institutionen der Verwaltung (Ministerien, Verwaltungszweige, Ämter und Beamte aller Art). Dabei blieb der Zusammenhang von allgemeiner Rechtsgeschichte, Verfassungs- und Verwaltungs (rechts)geschichte noch erhalten. Aber die Tendenzen der Spezialisierung waren stärker. Nach 1865 trennten sich Staatsrecht und Verwaltungsrecht (C. F. v. Gerber), das Verwaltungsrecht gewann langsam seine Eigenständigkeit und wurde kurz vor der Jahrhundertwende allgemeines und vom Staatsrecht getrenntes Lehrfach. In den dadurch entstandenen Teildisziplinen entstand dann der interne Wunsch, etwas zu deren Geschichte beizutragen, und zwar im Einklang mit einer alle damaligen Geisteswissenschaften erfassenden Strömung des „Historismus“ (Meinecke 1936). Vergleicht man allerdings die Beiträge der Juristen des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit den großen Werken der Geschichtsschreibung (Ranke, Dahlmann, Waitz, Droysen, Sybel, Treitschke), die sich alle auf jeweils eigene Weise bemühen, nicht nur die Hauptund Staatsaktionen, sondern auch die administrative, soziale und

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ökonomische Binnenstruktur der Staaten zu erfassen, dann spielen die seit der Reichsgründung von 1871 auf das positive Recht fixierten Juristen kaum eine Rolle. Die wichtigsten Anstöße kamen vielmehr von der älteren und jüngeren historischen Schule der Nationalökonomie (Karl Knies, Wilhelm Roscher, Gustav Schmoller). Indem sie die Wirtschaftsformen der Frühen Neuzeit erschlossen (Kameralismus, Merkantilismus, Physiokratie), war es für sie unumgänglich, auch die Rolle der staatlichen Verwaltung als Steuerungszentrum des Ganzen einzubeziehen. Allein schon die Finanzierung des frühmodernen Staates war dabei eine der Kernfragen. In der Konsequenz dessen kamen auch die wichtigsten Anstöße für die Verwaltungsgeschichte aus der Geschichtswissenschaft, die ihrerseits von der neu entstehenden Soziologie und Rechtssoziologie (Eugen Ehrlich) und der seit 1900 international aufblühenden Rechtsvergleichung (Ernst Rabel) Anregungen zu einer vergleichenden Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte erhielt. Die Basis bestand freilich aus einer Menge archivalischer Quellen, wie sie nun erstmals erschlossen worden waren, und zwar von dem viel gescholtenen „Historismus“ und seiner Editionsarbeit, von der wir bis heute zehren. Die bedeutendsten Beiträge in dieser Richtung stammen von Otto Hintze (1861–1940), der eine allgemeine vergleichende Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der neueren Staatenwelt anstrebte, aber nicht mehr vollenden konnte. Seine bis heute anregenden Aufsätze sind in drei Bänden während des 2. Weltkriegs (Leipzig 1941–1943) und nochmals 1962–1967 von Gerhard Oestreich veröffentlicht worden. Auf Oestreichs Einleitung zum dritten Band „Otto Hintze und die Verwaltungsgeschichte“ sei ebenso hingewiesen wie auf die eindringliche Würdigung der Leistungen Hintzes durch Ewald Grothe (Grothe 2005, 55–80). Demgegenüber erschienen die historisch-verfassungsgeschichtlichen Schriften von juristischer Seite durchweg als historische Grundierungen der „Allgemeinen Staatslehre“. Das führte zu einer Konzentration auf die historisch wechselnden Regierungsformen, etwa bei Conrad Bornhak, Hermann Rehm, Richard Schmidt oder bei dem herausragenden Georg Jellinek, auch wenn sie – wie bei Richard Schmidt – europäisch vergleichend angelegt waren oder sich ausnahmsweise ganz dem Verwaltungsrecht widmeten (Bornhak 1884– 1886). Auch die großen Darstellungen um 1900 zu den Verfassungsgeschichten Englands, Frankreichs und Italiens kamen ohne Ein-

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Vergleichende Verfassungsund Verwaltungsgeschichte

Vergleichende Verfassungsgeschichte

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Teil 1 Einführung

Deutsche Verwaltungsgeschichte

beziehung des institutionellen Unterbaus der jeweiligen monarchischen oder aristokratischen Herrschaft nicht aus. Doch wurde die Verwaltungsgeschichte kein festes Element universitärer Curricula, weder in den Geschichtswissenschaften noch in der Rechtswissenschaft. Sie findet sich zumeist in den einleitenden Passagen zur Darstellung von Institutionen, in länderspezifischen Übersichten über den Behördenaufbau sowie in Einzelstudien auf der Basis von Archivalien. Ihr Gegenstand ist die staatliche Ebene unterhalb der Verfassungen, also des Behördenaufbaus von der kommunalen Ebene über die Mittelstufe zur Regierungsebene und der Tätigkeit dieser Behörden. Daneben sind zahlreiche historische Studien zu speziellen Zweigen der Verwaltung entstanden. Im traditionellen deutschen Föderalismus war die Verwaltungsgeschichte meist Teil der Ländergeschichte, während die Geschichte der Reichsministerien und der Reichsverwaltung eher zurückstand. Je mehr am Ende des 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts die Bedeutung der Verwaltung für die Entstehung des frühmodernen Staates erkannt wurde, desto mehr entwickelte sich auch die Geschichte der Verwaltung, zum einen die aus der Historischen Schule der Nationalökonomie hervorgehende Richtung, die sich für die Steuerung der Wirtschaft interessierte (Wilhelm Roscher, Gustav von Schmoller), zum anderen die auf staatliche Strukturbildung ausgerichtete Schule (Otto Hintze, Fritz Hartung, Gerhard Oestreich). Aus den Juristischen Fakultäten kamen hierzu kaum Impulse. Weder bei den (durchweg privatrechtsgeschichtlich orientierten) Rechtshistorikern noch bei den Staats- und Verwaltungsrechtlern gab es Interesse, eine eigene Lehrveranstaltung zur Verwaltungs(rechts) geschichte zu entwickeln. Erst in den Jahren 1983 bis 1988 ist eine zusammenfassende Gemeinschaftsarbeit „Deutsche Verwaltungsgeschichte“ (5 Bände und Registerband) entstanden (Jeserich/Pohl/ Unruh Hrsg. 1983–1988).

1.5 Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts Ideen-, Faktenund Dogmengeschichte

Eine Geschichte der Rechtswissenschaft als separate wissenschaftliche Disziplin gibt es in Deutschland nicht. Vielmehr sind die „Juristische Ideengeschichte“, die „Dogmengeschichte“ und die

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts

Geschichte der juristischen Hermeneutik, der Methodiken und anderer Aspekte stets als Teil der allgemeinen Rechtsgeschichte verstanden worden. Die Einbettung der Rechtswissenschaft sowohl in die Geschichte der Rechtsphilosophie und Rechtstheorie einerseits, in die juristische Praxis der Gerichte und Verwaltungen andererseits – zusammengefasst in einer umfassenden Geschichte der „Rechtskultur“ – ist gerade wegen der Interdependenzen der genannten Elemente eine stete, wenn auch vielleicht als Ganzes unlösbare, Aufgabe der Rechtsgeschichte. Die noch immer unentbehrliche „Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft“ stammt von Roderich v. Stintzing und Ernst Landsberg (1880, 1884, 1898, 1910). Sie ist tatsächlich die eine „bis heute alle Bereiche umfassende deutsche juristische Wissenschaftsgeschichte“ (Dilcher 1982; Siebels 2011). Auf die Wissenschaftsgeschichte des Privatrechts konzentriert ist die berühmte Geschichte von Wieacker, maßgebend in ihrer zweiten Auflage von 1967. Das Buch wird heute in Details kritisiert – weil es (natürlich) Spuren des philosophischen und politischen Denkens vor und nach 1945 zeigt (Winkler 2014). Aber es ist ein (auch sprachlicher) Klassiker, der seine Klassizität gerade dadurch beweist, dass es unvermeidlich scheint, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Inzwischen sind die wissenschaftsgeschichtlichen Forschungen zur Wissenschaftsgeschichte der Jurisprudenz des Humanismus, des Usus Modernus, der Historischen Rechtsschule, des Rechtspositivismus und des gesamten 20. Jahrhunderts so ausgedehnt worden, dass sie nur noch in Bibliographien oder in eigenen Buchreihen (etwa „Savigniana“, hrsg. von Joachim Rückert) zu kanalisieren sind. Verglichen damit ist es zu einer parallelen „Ideengeschichte des Strafrechts“ nicht gekommen, schon weil die Zahl der professionellen Rechtshistoriker mit Neigung zum Strafrecht viel geringer ist. Ein kleiner „Grundriss der Strafrechtsgeschichte“ (Rüping – Jerouschek) gibt insoweit nur erste Orientierung. Dennoch hat es auch hier wesentliche Neuerungen gegeben, vor allem seit den 1980er Jahren durch die breit angelegte und vor allem von der Sozialgeschichte getragene historische Kriminalitätsforschung (Härter 2017). Dort wiederum spielt die Rechtsgeschichte devianten Verhaltens, und nochmals eingeengt auf deren Wissenschaftsgeschichte, nur eine Nebenrolle. Der umfangreichste Versuch, die „Anfänge“ des öffentlichen Strafrechts im Mittelalter zu bestimmen, ist aus der Zusammenarbeit der Historiker Klaus Schreiner

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Geschichte der Rechtswissenschaft

Strafrechtsgeschichte

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Teil 1 Einführung

Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts

und Rolf Sprandel, des Rechtshistorikers Dietmar Willoweit und des Strafrechtlers Klaus Lüderssen unter dem Obertitel „Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas“ entstanden (1996–2006). Die dort niedergelegten Erkenntnisse lassen den langen Weg zu einem vom modernen Staat monopolisierten Strafsystem viel differenzierter als bisher erkennen, da sich „alte“ und „neue“ Formen gesellschaftlicher Sanktionen abweichenden Verhaltens überschneiden und nebeneinander bestehen. Innovativ ist auch die Einbeziehung des Kirchenrechts und der städtischen Strafpraxis. Dass die Ergebnisse des Projekts schon in eine kanonisierte Strafrechtsgeschichte eingegangen seien, soweit eine solche überhaupt besteht, wird man noch nicht behaupten können. Im Vergleich hierzu ist die Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts sowohl ein sehr alter als auch sehr junger Zweig der Rechtsgeschichte. Die Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts unterscheidet sich von den Geschichten der Verfassung und Verwaltung dadurch, dass sie sich – je nach Vorverständnis ihrer Vertreter – als Ideen-, Geistes-, Mentalitäts- oder Literaturgeschichte (intellectual history) versteht. Es geht um die Geschichte des Denkens über die öffentlichen Angelegenheiten. Wer soll herrschen, wie soll geherrscht werden? Soll Mehrheit über Minderheit herrschen oder Minderheit über Mehrheit? Welche Rechtsregeln sollen dabei gelten, und wer legt sie fest? Dies alles wird in historisch wechselnden Gesellschaften diskutiert, in Kleinstaaten und Imperien, unter den Bedingungen von Reichtum und Armut, in Krieg und Frieden. Das Denken über die „öffentlichen“ Angelegenheiten hängt von diesen fundamentalen äußeren Bedingungen ab, aber es gestaltet sie auch mit. Es kann nicht ohne ständige Einbeziehung des politischen Kontextes verstanden werden, wie umgekehrt der Kontext nicht ohne das Denken in und unter ihm zu begreifen ist. Es gehört also zu den Selbstverständlichkeiten, dass das Denken über die öffentlichen Angelegenheiten nicht von der jeweiligen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte (einschließlich der vormodernen Kirchengeschichte) abgelöst werden kann. Will man es „historisch“ verstehen, muss die Historie selbst den Ursprungsort des Denkens als auch das Medium der Interpretation bilden. Wenn dagegen Philosophen, Politikwissenschaftler, Soziologen und Juristen die Argumente der „Ideengeschichte“ aus ihrem historischen Kontext lösen und sie – unabhängig von ihrer Ent-

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts

stehung und Wirkung – auf logische Kohärenz prüfen, handelt es sich um eine andere Perspektive. Sie einzunehmen ist ohne weiteres möglich und keineswegs illegitim, aber sie verschiebt die Argumente auf eine andere Ebene, sozusagen in ein Labor. Es gehört zu den elementaren Regeln wissenschaftlicher Redlichkeit, diese Verschiebung von der historischen auf die nichthistorische Ebene deutlich zu kennzeichnen. In diesem (historischen) Sinn sind Gegenstand der Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts die Schriften, die sich seit Antike und Mittelalter, vor allem aber seit der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart der Reflexion über öffentliche Herrschaft widmen. Ihr Einsetzen kann etwa im Hochmittelalter verortet werden, wo sich „Anfänge des öffentlichen Rechts“ zeigen (Dilcher/Quaglioni Hrsg. 2009–2011). In diesem Fall beschäftigt sie sich mit den Traktaten zum mittelalterlichen Kaisertum, mit den „Fürstenspiegeln“ als Anleitung für die Herrschertugenden, mit den Quellen zur Beratung von Herrschern durch gelehrte Juristen. Dabei muss man sich freilich bewusst bleiben, dass mit dem Wort „Anfänge“ ein in die Moderne gerichtetes, teleologisches Moment hereinkommt und dass das ius publicum jener Zeit nicht mit dem heutigen „öffentlichen Recht“ gleichgesetzt werden kann. Anders ist es, wenn man sich an der systematischen Erörterung des ius publicum an den Universitäten der Frühen Neuzeit orientiert; denn dort– in den letzten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts – gewann das Wortpaar ius publicum disziplinär unterscheidende Kraft und grenzte sich vom ius privatum ab. Von da an entstand langsam eine „Disziplin“. Sie bildet sich um 1600 aus den ersten Vorlesungen über ius publicum und das Recht der Reichsverfassung an den Universitäten Altdorf, Straßburg, Jena, Gießen und Marburg. Diese Anfänge waren geprägt von der schwierigen Lage des deutschen Protestantismus, der in der Defensive erklärte, an die Stelle des römischen Rechts müsse man sich nun auf die Reichsgrundgesetze (leges fundamentales) beziehen und sie durch dogmatische Arbeit zu einem stimmigen Gebäude der Reichsverfassung zusammenfügen. Deshalb erlangte der Augsburger Religionsfriede von 1555 zentrale Bedeutung. Die von nun an aus Vorlesungen, Lehrbüchern und Quellensammlungen hervorgehende „Reichspublizistik“ reichte bis 1806 und fand ihre bedeutendsten Vertreter im späten 18. Jahrhundert. In seinem Materialreichtum unübertroffen war Johann Jakob Moser (1701–1785), ebenso in der

Gegenstände

Universitätslehre

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Teil 1 Einführung

Abgrenzung zur Verfassungsgeschichte

methodischen Durchdringung und Gliederung dieses Materials Johann Stephan Pütter (1725–1807), der über Wort und Schrift mehr als zwei Generationen geprägt hat. Über die Schwelle von 1806 hinaus setzte sie sich aber mit ihren methodischen Prämissen im Kontext des Länderstaatsrechts während des Deutschen Bundes, im Allgemeinen Deutschen Staatsrecht, in der entstehenden neuen Richtung des Verwaltungsrechts sowie im Völkerrecht nach dem Wiener Kongress von 1814/15 fort. Über die Gründung des Norddeutschen Bundes und die Reichsgründung von 1871 hinweg führte dann der Weg zur staats- und verwaltungsrechtlichen Debatte der Weimarer Republik, über die auch wissenschaftsgeschichtlich verderblichen und belastenden Jahre des Nationalsozialismus bis in den Aufbau zweier deutscher Staaten westlich und östlich des „Eisernen Vorhangs“. Am Ende stehen dann der Zusammenbruch der von der Sozialistischen Einheitspartei (SED) beherrschten Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und die Wiedervereinigung (1989/90) samt der Entwicklung der ihr folgenden Jahrzehnte. Die in dieser Aufzählung steckende Chronologie sollte nicht zu der Annahme verleiten, es handle sich um eine geisteswissenschaftlich akzentuierte Verfassungsgeschichte. Primärer Gegenstand dieser Teildisziplin ist vielmehr die Analyse des „Diskurses“ über den Staat, seine Verfassung und Verwaltung im weitesten Sinn. Dass diese Analyse sich den biographischen Umständen der Verfasser des Diskurses ebenso zuwenden muss wie dem politischen und ideologischen Kontext, ist selbstverständlich. Zu eng wäre es allerdings, sie als „Begriffsgeschichte“ in dem Sinn zu verstehen, dass sie sich (nur) der Entfaltung historisch prägender Leitbegriffe (des öffentlichen Rechts) widmete, wie dies programmatisch von Reinhart Koselleck vorgeführt wurde. Nicht alles Geschehen lässt sich Leitbegriffen zuordnen, zumal Willkür bei ihrer Auswahl unvermeidlich ist. Viele Wortprägungen sind nicht zu großen Leitbegriffen aufgestiegen, haben aber nachhaltig gewirkt. Schließlich liegt die Gefahr auf der Hand, in Begriffen das philosophisch Festumrissene zu sehen, was für Historiker gerade dies nicht sein soll. Dennoch ist eine umsichtige Analyse von Wortfeldern – unabhängig davon, ob die untersuchten Wortverwendungen „Begriffe“ genannt werden – das zentrale Arbeitsinstrument einer Wissenschaftsgeschichte auf diesem Feld. Insofern deckt sich diese Sicht mit der in Cambridge von Quentin Skinner und John G. A. Pocock gepflegten Historisierung des politischen Sprachgebrauchs

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts

unter Einschluss auch derjenigen Autoren, die unterhalb der üblichen Gipfelwanderungen vom einem Meisterautor zum anderen liegen.10 Seit sich das Öffentliche Recht (ius publicum) an den mitteleuropäischen Universitäten als Lehrfach etablierte, also seit den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts, gab es auch Rückblicke von Zeitgenossen, die der Frage galten, wer „eigentlich“ das Fach in Gang gesetzt oder das „Eis gebrochen“ habe. Genannt wurden stets Dominicus Arumäus, Johannes Limnaeus, Dietrich Reinkingk und andere, die sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts als erste mit Fragen von Kaiser und Reich, Reichsständen und Reichsinstitutionen als Materie beschäftigten, die nicht mehr auf der Basis des Gemeinen Rechts gelöst werden konnten, speziell mit dem Kernproblem, dass das „Heilige“ Römische Reich nun zwei (Katholiken, Lutheraner), ja drei Konfessionen (Reformierte) durch ein neues Verfassungsrecht zu überbrücken hatte. Aber erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts finden sich Bibliographien zum ius publicum, Enzyklopädien, Gelehrtenlexika, Johann Jacob Mosers „Bibliotheca iuris publici“ (3 Bde. Stuttgart 1730–1734) sowie die überragende Darstellung von Johann Stephan Pütter „Litteratur des Teutschen Staatsrechts“ (Teil 1–3 Göttingen 1776–1783, Teil 4 bearb.von J. L.Klüber Göttingen 1791). Letztere bot erstmals eine solche Wissenschaftsgeschichte mit Werklisten und biographischen Angaben zu den Autoren. Im 19. Jahrhundert setzte dann Robert von Mohl diese historisierende Linie in eindrucksvoller Weise fort (Mohl 1855–1858). Eine eigene Tradition, die Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts bibliographisch zu registrieren und analytisch zu beobachten, bildete sich jedoch nicht. Vielmehr wurde im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts dieses relativ kleine Feld in die gesamte „Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft“ eingeordnet. Verfasser waren, wie gesagt, Roderich von Stintzing und Ernst Landsberg. Besonders Landsberg stellte, das Werk seines Lehrers Stintzing vollendend, in großen Überblicken die Entwicklung des Natur- und Völkerrechts, Staats- und

10 Pagden, Anthony (Hrsg.), The Languages of Political Theory in Early-Modern Europe. Cambridge 1987; Mulsow, Martin und Mahler, Andreas (Hrsg.), Die Cambridge School der politischen Ideengeschichte. Berlin/Frankfurt am Main 2010.

Gründer

Blüte des ius publicum

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Teil 1 Einführung

Stationen der Wissenschaftsgeschichte

Kirchenrechts des 17. und 18. Jahrhunderts dar, einschließlich der Beiträge von Johann Jakob Moser und Johann Stephan Pütter samt deren Nachfolgern vor 1806. Landsberg führte sein Werk dann über das 19. Jahrhundert hinweg bis in seine Zeit um 1910 fort. Natürlich überwog nun die Entwicklungsgeschichte des Privatrechts von den Anfängen der „Historischen Schule“ zum Wissenschafts- und Gesetzespositivismus, aber er gab auch dem öffentlichen Recht vom Rheinbund und Deutschen Bund bis zur Reichsverfassung von 1871, dem Natur und Völkerrecht, am Ende sogar dem Verwaltungsrecht entsprechenden Raum. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erwachte das Interesse an der Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts neu. Die in Erik Wolfs „Große Rechtsdenker der Deutschen Geistesgeschichte“ (1939, 1943, 1951, 1963) behandelten Figuren bildeten Kristallisationspunkte für zahlreiche Einzelstudien, auch wenn man heute dem sprachlichen Duktus Erik Wolfs und seiner Feier „großer“ Individuen nicht mehr folgen mag. 1973 wurden die bis damals vorliegenden Studien in einer detaillierten, zweibändigen, aber durch die elektronische Revolution bald wieder überholten Bibliographie erfasst (Scupin/Scheuner Hrsg. 1973). Ihr Bearbeiter, Dieter Wyduckel, trat mit zwei auf ein Gesamtbild zielenden Monographien hervor (Wyduckel 1979; ders. 1984). Der Historiker Notker Hammerstein lieferte in zwei Studien zu evangelischen und katholischen Universitäten eine Wissenschaftsgeschichte der frühneuzeitlichen „Reichshistorie“ (1972, 1977). Er beteiligte sich auch an einem Sammelband „Staatsdenker in der Frühen Neuzeit“ (Stolleis Hrsg. 1995) und gab einen kommentierten Textband zur Staatslehre der Frühen Neuzeit heraus (Hammerstein Hrsg. 1995). Der historisch arbeitende Göttinger Politikwissenschaftler Manfred Friedrich (1933–2005) schloss eine lange geplante „Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft“ ab, die vom 16. Jahrhundert bis zum Nationalsozialismus reichte, wobei sie Letzteren nur noch streifte (Friedrich 1997). Sie ist besonders für das 19. Jahrhundert und die Zeit der Weimarer Republik unentbehrlich. Ihr Abschluss wurde beschleunigt, wie Friedrich berichtet, durch die Publikation der ersten beiden Bände der „Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland“ ; zwei weitere Bände folgten (Stolleis 1988–2012), so dass nun der Zeitraum von 1600 bis 1990 überschaubarer geworden ist. Ein die Gesamtdarstellung in pädagogischer Absicht zusammenfassendes kleines Buch folgte (Stolleis 2014). Etwa gleichzeitig

1 Geschichte des Öffentlichen Rechts

legte der Züricher Staatsrechtler Andreas Kley eine „Geschichte des öffentlichen Rechts der Schweiz“ vor. Sie setzt im 19. Jahrhundert ein und erreicht ihre besondere Breite und Intensität im 20. Jahrhundert (Kley 2011). Zur Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts in Österreich gibt es zwar keine Gesamtdarstellung – sie könnte als separate Geschichte schon mit der Zeit von Maria Theresia und Joseph II. einsetzen –, wohl aber eine große Zahl von Studien zur Universitätsgeschichte der Donaumonarchie, der Republik und des Ständestaats sowie für die Jahre des österreichischen Nationalsozialismus. Herausragend ist das Interesse an der Wissenschaftsgeschichte, die mit der rechtstheoretischen „Weltfigur“ Hans Kelsen (1881–1973) verbunden ist. Diese Geschichte umfasst die Grundprägungen in der Spätphase der Donaumonarchie, die unerhört produktive Geniezeit zwischen etwa 1880 und 1930, das Nebeneinander wissenschaftlicher und künstlerischer Schulen, die Wien neben Paris zu einem der Geburtsorte der Moderne machen (Hanisch 1994; Stadler Hrsg. 1997; Janik/Toulmin 1973). Zur Geschichte des Verwaltungsrechts, wie es seit dem Ende des 18. Jahrhunderts fassbar wird, gibt es nur wenige Darstellungen. Hans Maier untersuchte in seinem klassisch gewordenen Werk zwar „Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre“ (Maier 2009), vollzog aber am Ende seines Buchs noch den Übergang zum späteren Administrativ- oder Verwaltungsrecht. Die Entwicklungen nach etwa 1850, also die neuere Wissenschaftsgeschichte des Verwaltungsrechts, gerieten erst nach 1945 wieder in den Blick (Dennewitz 1948; Badura 1967; Feist 1968). Allmählich erfasste man die literarischen Zeugnisse des frühen Verwaltungsrechts als Teil des Ringens um den „Rechtsstaat“, als Versuch also, die staatliche Exekutive auf Rechtsregeln festzulegen und eine gerichtliche Überprüfung von Regelverletzungen möglich zu machen. Dahinter standen die Wünsche des Bürgertums nach Zügelung der „Behördenwillkür“ sowie nach ökonomischer Kalkulierbarkeit. Dass die monarchisch gelenkte Exekutive ihr Terrain nicht gerne preisgab, liegt auf der Hand. Die Geschichte des Verwaltungsrechts und die sie begleitende Wissenschaftsgeschichte illustriert deshalb die Auseinandersetzungen um die Aufnahme von Grundrechten in die Verfassungen von der Seite ihrer Realisierung im Alltag der Verwaltung, zugleich aber auch die Abstoßung der älteren staatswissenschaftlichen Tradition der „Policey“ und die Konzentration auf das positive Recht. So verstanden, ordnen sich die Geschichte des Verwaltungsrechts und deren Wis-

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Von der Policeywissenschaft zur Verwaltungsrechtslehre

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Teil 1 Einführung

senschaftsgeschichte organisch in die Verfassungsgeschichte ein. Neuere Gesamtdarstellungen zeigen dies (Stolleis 1992; ders. 2012; Cancik 2011; Schindler 2016).

2 Fallbeispiele Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte sowie Geschichte des öffentlichen Rechts sind, wie gesagt, historische Fächer. Ihr Ziel ist die Erschließung vergangenen Rechts aus den „Quellen“ verschiedener Gesellschaften und Zeitstufen. Sie arbeiten mit historischen Methoden an den überlieferten Texten, um sie zu verstehen und zu deuten. Ebenso wie Texte müssen Realien der Archäologie, Kunstund Kulturgeschichte „gedeutet“, also in Sprache übersetzt werden. Die schöne Metapher „Quellen“ verbindet alles, was zu interpretieren ist. Sie ist jedoch irreführend, wenn mit ihr assoziativ „Reinheit“ oder „Ursprünglichkeit“ verbunden wird und man sich „unverfälschte“ Erkenntnisse erhofft. Die Quellen menschlicher Geschichte sind allesamt von Menschen gemacht, stecken voller Absichten und Zeitbedingtheiten, sind also auf jeden Fall kritisch zu interpretieren.11 Soweit es, wie meistens, um Texte geht, ist zu fragen, wie bestimmte wichtige Worte („Schlüsselworte“) zu verstehen sind, wie sie ohne Bedeutungsverlust in die heutige Sprache übersetzt werden können, wie der rechtlich relevante Vorgang, der zu erschließen ist, im gesamten kulturellen Kontext „funktionierte“. Handelte es sich um praktiziertes Recht oder enthielt der Text schon zu seiner Zeit abgesunkenes Kulturgut, dessen Formeln weiter tradiert wurden? Was bedeutete die Aussage praktisch für die streitenden Parteien oder den Delinquenten? Welche politische Tendenz wohnte der Wortverwendung inne? Lässt sich vom Text auf eine unausgesprochene, aber praktizierte normative Ordnung schließen? Entsprechend verfahren Historiker mit der Interpretation historischer Realien, wenn sie versuchen, Schlüsse über gesellschaftliche Rangstufen, religiöses oder nichtreligiöses Zeremoniell oder Zeichen öffentlicher Herrschaft zu ziehen, wenn sie eine unbekannte Kultstätte entdecken, einen Bestattungsplatz ausgraben und Grabbeigaben zu deuten haben. Kunsthistoriker müssen ein Bild genau beschreiben und versuchen, mit hermeneutischen Mitteln in die „Bildwelt“ des (oft noch zu identifizierenden) Malers einzudrin-

11 Arnold, Klaus, Der wissenschaftliche Umgang mit den Quellen. In: Geschichte. Ein Grundkurs, 3. Aufl., hrsg. von Hans-Jürgen Goertz. Reinbek 2007, S. 48– 65. https://doi.org/10.1515/9783110556957-002

Quellen

Wortverwendungen

Realien

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Teil 1 Einführung

Normative Texte

gen, das Umfeld zu verstehen, die Auftraggeber und den gesamten gesellschaftlichen Kontext. Aber mit dem gemeinsamen Hintergrund der historischen Methodik ist noch nichts Spezifisches zu den genannten Zweigen der Rechtsgeschichte gesagt. Quellen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte sind unweigerlich Träger von „Politik“ in allen ihren Erscheinungsformen. Sie sind kaum jemals rein beschreibend (deskriptiv), sondern zielen auf einen gewollten, gesollten, normativ zu gestaltenden Zustand. Dieser normative Anspruch kann sich ausnahmsweise mit der gesollten Wirklichkeit decken, aber in der Regel stehen normativer Anspruch und Realität in charakteristischer Distanz. Entweder soll die Realität dem normativen Ziel angenähert werden, oder die normativen Vorgaben fügen sich explizit oder implizit der Realität. Entsprechend bemühen sich die jeweils Herrschenden um Adaption der Normen oder der Realität. Perfekt erreichen werden sie dies nie. Andere normative Aussagen zielen gar nicht auf eine Veränderung der Realität der „Fakten“, sondern haben ihr Ziel erreicht, wenn sie die Öffentlichkeit erreichen und deren Wahrnehmung beeinflussen. Damit sind dann auch „Fakten“ geschaffen, allerdings in einem subtileren Sinn. Um zu zeigen, wo die Besonderheiten liegen, sollen einige Beispiele genannt werden, bei denen sich Verfassungsgeschichte und Wissenschaftsgeschichte verschränken.

2.1 Staatsraison Staatsräson

Die im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts in Florenz und Venedig auftauchende Formel ragion di stato (franz. raison d’état, span. razon de estado, lat. ratio status, engl. reason of state, dt. Staatsraison) hatte zunächst den Sinn der Berechnung eigener Kräfte des Gemeinwesens (Land und Leute, Einnahmen und Ausgaben), nahm aber bald die normative Bedeutung des von Religion und Moral distanzierten staatlichen Handelns an. Der „Staatsraison“ zu folgen hieß tendenziell, politisch kalkulierte Interessen durchzusetzen, notfalls gegen Verträge und geltendes Recht, ja gegen Naturrecht. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert wurde in ganz Europa diskutiert, ob und wie weit es sich mit dem Tugendkatalog guter Herrschaft vereinbaren lasse, nach Staatsräson zu handeln. Diesen Diskussionen lag der in den Religionskriegen sichtbar werdende Riss

2 Fallbeispiele

zwischen religiöser und säkularer Weltsicht zugrunde, zugleich aber auch die ambivalente Haltung derer, die ein Handeln nach Staatsräson im Grundsatz verwarfen, es aber gegenüber anderen Konfessionen erlaubten. Das führte letztlich zur Frage, ob das Recht eine von Religion und Moral separate, staatlich gesetzte innerweltliche Ordnung sei und seine Ordnungsfunktion gerade durch seine Distanz von anderen Normordnungen gewinne oder ob Recht seine innere Legitimation nur durch Ableitung von ungeschriebenem höherem Recht („Naturrecht“) und dem aus religiöser Offenbarung abgeleiteten Willen Gottes erlangen könne. Gerade in Ländern, die unter den Schrecken der Religionskriege zu leiden hatten, etablierte sich weltliche Herrschaft „über“ streitenden Religionsparteien, setzte sich ein auf staatliche Autorität gegründeter Gesetzesbegriff durch, wurden die „Religionsgesellschaften“ staatlicher Ordnung unterstellt, allerdings bei gleichzeitiger Anerkennung ihrer Autonomie in ihren inneren, den Glauben betreffenden Angelegenheiten (heute Art. 4 Abs. 1, 2, 140 GG i.Vb.m. Art. 137 Abs. 3 WRV). Was das Handeln des Staates nach Staatsräson anging, so bildeten sich seit dem 17. Jahrhundert immer festere Begrenzungen heraus, einerseits im Prozess der Verrechtlichung des Völkerrechts, andererseits in der immer weiter vorangetriebenen Bindung der Staatsgewalt an die „Staatsgrundgesetze“, später an die eigene Verfassung. Dieser Prozess der Konstitutionalisierung allen Staatshandelns mündete in den Satz, der Rechts- und Verfassungsstaat kenne „keine andere Raison als seine Verfassung“ (Arndt 1961). In Staaten mit einer durchgreifend wirksamen Verfassungsgerichtsbarkeit gilt heute in der Tat staatliches Handeln extra legem (extra constitutionem) als illegal. „Justizfreie Hoheitsakte“ soll es dann konsequenterweise nicht mehr geben. Die Gegner dieser Auffassung argumentieren, der Staat sei nicht nur historisch älter, sondern müsse auch denknotwendig „vor“ der ihn begrenzenden Rechts- und Verfassungsordnung handlungsfähig sein; es müsse ihm deshalb in Notlagen erlaubt sein, seine eigene Existenz durch Handeln außerhalb des Rechts zu sichern. Mit anderen Worten: Die zentralen Fragen der Rechtsphilosophie und des modernen säkularen Staates werden hier sichtbar, die Trennung von Staat und Religionsgesellschaften, die Autonomie des positiven Rechts gegenüber Religion und Moral (Offenbarungsrecht, Naturrecht, Ethik), die Bindungswirkung des Völkerrechts und die Bindung des staatlichen Handelns an die Verfassung samt der justizförmigen Kontrolle dieser Bindung.

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Teil 1 Einführung

Säkularisation und rationale Herrschaft

Will man diese Fragen zunächst aus der Perspektive der Verfassungsgeschichte behandeln, dann stellt sich als eine der Hauptfragen der Frühen Neuzeit, warum die Monarchien so dominant wurden. Dazu muss man über den Niedergang des Adels und neue Kriegstechniken, über die Kirchenspaltung, über die Finanzprobleme der Städte, nicht zuletzt über Veränderung des Klimas in der „Kleinen Eiszeit“ sprechen. Parallel hierzu läuft die Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts, die untrennbar mit religiösen, ethischen, staatstheoretischen und politikwissenschaftlichen Schriften bzw. Argumenten verwoben ist. Welche Pflichten hat ein christlicher Herrscher? Hört er auf, legitimer Herrscher zu sein, wenn er den Pflichtenkanon verletzt? Darf ein Herrscher, der gegenüber seinen Untertanen Glaubenszwang ausübt, getötet werden? Muss nicht politische Herrschaft von Glaubensfragen strikt getrennt werden? Soll sich der Herrscher allein nach der Staatsraison richten? Wie weit darf er dabei gehen, muss er wenigstens Treu und Glauben, die Fundamentalgesetze seines Landes und die allgemeinen Sätze des Völkerrechts beachten? Diese Fragen werden vom 16. bis zum 18. Jahrhundert in ganz Europa diskutiert. Nach der Französischen Revolution verschwanden die Fragen zwar nicht, wandelten aber ihr semantisches Gewand; sie heießen nun positives Recht versus Naturrecht, Einheit oder Trennung von Recht und Moral, Verfassungsbindung der Staatsgewalt, Verfassung und Notstandsrecht, Widerstandsrecht, Trennung von Staat und Kirche, vorstaatliches und außerstaatliches Recht. Man kann den Vorgang, bedauernd oder zustimmend, vielfach benennen, etwa als Abkehr vom frommen Mittelalter und heillose Entzweiung, als „Säkularisation“ des politischen Handelns und Denkens durch Emanzipation von der Religion, als voranschreitende Verrechtlichung von Politik, als Übergang vom Ständestaat zum modernen absolutistischen Staat, als politischen Ausdruck des Frühkapitalismus mit seiner doppelten Buchführung (ragione). Wie auch immer, Verfassungsgeschichte und Mentalitätsgeschichte oder intellectual history durchdringen sich hier so, dass nur noch analytisch, nicht mehr faktisch zwischen dem politischen Geschehen und seiner Deutung unterschieden werden kann. Zugang zu dem gesamten Komplex bieten die üblichen Hilfsmittel der Verfassungsgeschichte, aber auch der Geschichte der politischen Ideen und der Wissenschaftsgeschichte (Personal- und Sachlexika, Werkanalysen oder Gesamtdarstellungen wie etwa

2 Fallbeispiele

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Friedrich Meineckes „Die Idee der Staatsräson“ von 192412, Spezialbibliographien zur Tacitus-Rezeption der Neuzeit (Stackelberg 1960; Etter 1966; Schellhase 1976; Skinner 1978), zu Machiavelli samt den verschiedenen Erscheinungsformen von Machiavellismus und Antimachiavellismus in europäischen Ländern13.

2.2 Staatsbürger Drei Jahrhunderte später als als die Staatsraison taucht in mehreren staatsrechtlichen Werken um 1800 das Wort „Staatsbürger“ auf, ein im Deutschen bis dahin fast unbekanntes Komposit-Substantiv. Zwar war es erstmals beiläufig 1681 für diejenigen verwendet worden, „so an der Regierung mit Theil haben“, aber es verbreitete sich noch nicht. Mit der Französischen Revolution aber bedurfte es eines Wortes, das weder „Untertan“ (subditus) noch „Bürger“ (wegen Verwechslungsgefahr mit dem Stadtbürger) sein und zugleich im Sinne des französischen citoyen aktive politische Mitwirkung am Staat signalisieren sollte. Dies leistete die Neubildung „Staatsbürger“. Kant prägte den Sprachgebrauch, indem er Staatsbürger den ökonomisch selbständigen (1), erwachsenen (2) Mann (3) mit Stimmrecht (4) nannte: „Die zur Gesetzgebung vereinigten Glieder einer solchen Gesellschaft (societas civilis), d. h. eines Staats, heißen Staatsbürger (cives)…Nur die Fähigkeit zur Stimmgebung macht die Qualifikation zum Staatsbürger aus“ (Metaphysik der Sitten, Rechts 

12 Kritisch und ergänzend M. Stolleis, Friedrich Meineckes „Die Idee der Staatsräson“ und die neuere Forschung, in: ders., Staat und Staatsräson in der frühen Neuzeit. Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts. Frankfurt am Main 1990, S. 134–166. 13 Università degli studi di Perugia (Hrsg.), Machiavellismo e antimachiavellici nel Cinquecento. Atti del Convegno di Perugia, 30 IX – 1 X 1969. Florenz 1970. Inzwischen sind zahlreiche Studien zu Giovanni Botero, Traiano Boccalini, Scipione Ammirato u. a. hinzugekommen. Siehe etwa Baldini, Enzo und Battista, Anna Maria, Tacitismus, Machiavellismus, Utopie. In: Die Philosophie des 17. Jahrhunderts, Bd. 1: Allgemeine Themen. Iberische Halbinsel. Italien, hrsg. von Jean-Pierre Schobinger. Basel 1998, S. 545–568; Zwierlein, Cornel und Meyer, Annette (Hrsg.), Machiavellismus in Deutschland. Chiffre von Kontingenz, Herrschaft und Empirismus in der Neuzeit. Tagung in der Evangelischen Akademie Tutzing, 25.–28. September 2007. München 2010, dort insbesondere Zwierlein, S. 23–59.  

Untertan, Bürger, Staatsbürger

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Citoyen

Teil 1 Einführung

lehre, § 46). Erste Stimmen, die sich für die politische Gleichstellung von Frauen einsetzten (Joh. Adam Bergk, 1797), blieben erfolglos. Auch die Frage, was ökonomische Selbständigkeit genau bedeutete, blieb umstritten. So konnte der Perückenmacher als selbständiger Handwerker, der Friseur dagegen als unselbständiger „Bedienter“ gelten. Vermögenslose Akademiker waren ökonomisch „unselbständig“, obwohl als Citoyens bestens qualifiziert. Klopstock kritisierte das Wort sprachlich als Pleonasmus wie „Wasserfisch“, hielt aber wie Kant die Verbindung mit dem Gedanken der politischen Partizipation für das wichtigste Kriterium. Die Interpretation von Texten, in denen um 1800 „Staatsbürger“ verwendet wird, muss also Bedingungen beachten, die ein bisher kaum gebrauchtes Wort in einem neuen politischen Kontext plötzlich erfolgreich machen. Zu diesen Bedingungen gehören hier die Französische Revolution und der Aufstieg der Worte citoyen/ citoyenne, bei denen nun die antike, allen Vollbürgern zur Mitbestimmung offene Polis mitschwang. Die Ikonographie der Revolution („Schwur im Ballhaus“) die antikisierende Mode, die offene Haartracht anstelle der Perücke, die Umbenennung der Institutionen nach römischen Mustern (Konsulat, Senat, Marsfeld etc.) indizierten den Wandel. Die Verwendung von „Staatsbürger“ enthielt nicht nur dessen implizite Billigung, sondern durchweg auch den normativen Ton, aus Untertanen echte, im Staat mitbestimmende Bürger zu machen. Die Zeitgenossen haben dies sehr wohl verstanden. Noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verwendeten Öffentlichrechtler (C. F. v. Gerber, O. Mayer) pointiert das Wort „Untertan“, um zu signalisieren, dass der Staatsbürger dem Staat zu gehorchen habe, etwa dessen befehlenden Verwaltungsakten. Wortverwendungskontrollen, die heute auf elektronischem Wege leicht möglich sind, könnten demnach für die Zeit zwischen 1750 und 1900 deutliche Konjunkturen zeigen, und zwar in der Weise, dass sich in politischen Krisen und Revolutionen eine ansteigende, in konservativen oder konterrevolutionären Phasen eine absteigende Tendenz der Verwendung von „Staatsbürger“ zeigt. Dem Wort „Staatsbürger“ war durchweg ein normatives Element in Richtung „Demokratie“ beigemischt, sei es hoffnungsvoll, sei es abwehrend.

2 Fallbeispiele

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2.3 Deutsche Bundesakte Die Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815 beginnt mit der Anrufung „Im Nahmen der allerheiligsten und untheilbaren Dreieinigkeit“. Um zu verstehen, worum es sich bei dieser „Invocatio“ handelt und warum man sie über ein weltliches Dokument setzte, dessen Zweck beim Abschluss des Wiener Kongresses es war, Deutschlands Staaten zu einem „beständigen Bunde“ zu vereinigen, muss man sich mit der Tradition der „Invocatio“ in völkerrechtlichen Verträgen beschäftigen. Die Bundesakte wurde einem der ältesten christlichen Glaubenssätze unterstellt, durchgesetzt auf dem ersten Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) und befestigt durch den Codex Theodosianus (438 n. Chr.) und den Codex Justinianus (534 n. Chr.). Er verband die römisch-katholischen, protestantischen und russisch-orthodoxen Mächte im Zeichen der am 26. September 1815 geschlossenen „Heiligen Allianz“. Frankreich trat ihr am 15. November 1818 bei. Ausgeschlossen war damit das Osmanische Reich, aber auch der Vatikan und England schlossen sich aus unterschiedlichen Motiven nicht an. Wer also die Deutsche Bundesakte interpretiert, muss diesen größeren Rahmen mit seinen politisch-religiösen Implikationen kennen (Anerkennung des Gottesgnadentums, des „monarchischen Prinzips“, des Christentums als Fundament des Bündnisses und des Völkerrechts). In einem erweiterten Sinn steht die Bundesakte im Zusammenhang der europäischen Revolutionserfahrungen nach 1789, in der Abkehr von den Überzeugungen des „aufgeklärten Absolutismus“ und in der Hinwendung zu einem konservativen, „bewahrenden“ Denken. Indem sie mit der Anrufung der Trinität beginnt, beschwört sie die christlichen Fundamente des Bündnisses, gegen Revolution und Aufklärung. Sie bildet so auch die Leitlinie der Politik Metternichs ab, die den Deutschen Bund bis 1848 bestimmen sollte. Mit anderen Worten: Das anscheinend unwesentliche Detail der sogenannten Invocatio der Deutschen Bundesakte ermöglicht einen Blick auf die politische Szene des Jahres 1815 und der folgenden Jahre und Jahrzehnte. Ein verfassungsgeschichtliches Dokument muss deshalb regelmäßig nach den Akteuren, deren politischen Überzeugungen und Absichten ebenso fragen wie nach der politischen Lage. Die Trinitätslehre bot eine Brücke zwischen den christlichen Konfessionen, die auch für die russisch-orthodoxe Kirche betretbar war, während die römisch-katholische Kirche ein

Völkerrecht und Trinität

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Teil 1 Einführung

christliches Bündnis unter Einschluss der Orthodoxie für nicht akzeptabel hielt. So ermöglicht die Invocatio auch noch einen Blick auf die Differenzen zwischen der katholischen Macht Habsburg, deren Staatsraison für die Heilige Allianz sprach, und dem Vatikan, der aus kirchenpolitisch-theologischen Gründen ein die Konfessionen übergreifendes Bündnis für bedenklich hielt.

2.4 Selbstverwaltung Selbstverwaltung

Das heute geläufige Wort Selbstverwaltung wird meist auf den kommunalen Bereich bezogen (Art. 28 Abs. 2 GG): Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung…“, ist aber in der Sache auch den Religionsgesellschaften garantiert (Art. 140 GG i. Vb. m. Art. 137 Abs. 3 WRV), ebenso den Organen der Sozialversicherung, während den Universitäten mit einer Bedeutungsnuance „Autonomie“ zugesagt wird, soweit sie nicht selbstverantwortliche „Stiftungsuniversitäten“ sind. Der gesamte Komplex, getragen von der Absicht, die Regulierung „eigener“ Angelegenheiten kleineren sozialen Einheiten zu übertragen, ohne die Letztverantwortung des Staates als Gesetzgeber und Kontrolleur aufzugeben, wird heute oft unter der paradox erscheinenden Formel „Regulierte Selbstregulierung“ abgehandelt. In allen diesen Erscheinungsformen wird Selbstverwaltung als Prinzip des gewaltenteilenden, demokratischen Verfassungsstaats angesehen, das menschliche Grundbedürfnisse nach Identifikation und Mitbestimmung gleichermaßen befriedigen kann. Zentralistisch durchregulierte Staaten und vor allem Diktaturen stehen der Selbstverwaltung durchweg ablehnend gegenüber. Nähert man sich der „Selbstverwaltung“ historisch von der Verfassungsgeschichte oder der Ideengeschichte des öffentlichen Rechts, dann stößt man auf die Beobachtung, dass es zwar vielfältige mittelalterliche und frühneuzeitliche Formen der Selbstregulierung gab (Orden, Zünfte, Gilden, Genossenschaften aller Art, ganze Stadtregimente), dass aber das Wort erst am Ende des 18. Jahrhun 

Selbstregulierung



2 Fallbeispiele

derts als Gegenwort zur Staatsverwaltung auftaucht. Zunächst ist es nur die Abgrenzung der Selbstverwaltung des Kronguts, dann aber breitet sich das Wort auf alle dem absolutistischen Staat zu entziehenden Formen bürgerlicher Verwaltung aus. Nun erkennt man den Städten einen abgegrenzten pouvoir municipal zu, in der preußischen Städteordnung von 1808 wird Selbstverwaltung das Hoffnungswort für die Wiederaufrichtung des Staates nach 1806. Bald sprach man von einem Grundrecht der Selbstverwaltung, das schließlich auch in der Reichsverfassung der Paulskirche verankert wurde (§ 184). Mit anderen Worten: Selbstverwaltung entsteht als Gegenwort zum hochgradig intervenierenden, beschützenden und kontrollierenden Staat des „Aufgeklärten Absolutismus“ sowie zum „System Metternich“ im Vormärz. Dabei nimmt es alle Strömungen einer sich selbst organisierenden Bürgergesellschaft auf, die auf „Selbstbestimmung“ größten Wert legt und sie deshalb sogar zum Grundrecht stilisiert. Auch das im 19. Jahrhundert in der Mitte der Gesellschaft sich ausbreitende Vereins- oder Assoziationswesen samt den entstehenden Parteien und Verbänden ist eine Spielart jenes „selbst“. Studien über die kommunale, kirchliche, universitäre oder die zwischen 1883 und 1889 eingerichtete soziale Selbstverwaltung müssen also in die sehr differenzierte Szenerie des deutschen Liberalismus eingebettet werden, müssen aber auch das Gegenbild der Staatsverwaltung (Finanzen, Militär, Polizei, Justiz) sowie die vom Staat ausgebildeten Mischformen hoheitlicher Kontrolle privatrechtlichen Handelns vor Augen haben, Letzteres etwa bei den Technischen Überwachungs-Vereinen, die ein typisches Beispiel der „regulierten Selbstregulierung“ darstellen (hierzu in dieser Reihe Bd. 2: P. Collin, Privat-Staatliche Regelungsstrukturen im frühen Industrie- und Sozialstaat, 2016).

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3 Methodik Die Fragen der Methodik hängen unlösbar mit der Fragestellung und den Besonderheiten des zu untersuchenden Gegenstandes zusammen. Zu den möglichen Fragestellungen kann allgemein gesagt werden: Allen Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte sowie zur Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts ist eine besondere Nähe zum modernen Staat eigen, wie er sich in einem langsamen Prozess der Zentralisierung der Herrschaft in den europäischen Territorien herausgebildet hat. Von zahllosen kleinen Einheiten (Städten, Abteien, Grafschaften, Herzogtümern) aufsteigend zu den für Deutschland typischen mittleren Flächenstaaten (Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg), von da zu den großen Reichen (Spanien und Portugal, Frankreich, Schweden, Russland, Osmanisches Reich, Deutsches Reich) und Seeimperien (England, Venedig, Genua), zeigen sich charakteristische Merkmale: Geherrscht wurde zunehmend über Schriftverkehr (Briefe, Erlasse, Reskripte, Rechtsweisungen) und ein Netzwerk von Bevollmächtigten vor Ort (Botschaftern). Das Urkundenwesen auf Pergament trat seit dem späten Mittelalter zugunsten der modernen Aktenführung auf Papier zurück. Akten enthalten Zweitschriften und erlauben turnusmäßige Kontrollen über die Ausführung (Vismann 2000). Mit der Erfindung des Buchdrucks im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts trat neben die einzelne Weisung oder Entscheidung das für alle Verwaltungen reproduzierte Gesetz-Buch. Dem für das Mittelalter prägenden Bild des gerechten Herrschers als „Richter“ folgte nun der Herrscher als „Gesetzgeber“, gestützt auf den zentralen neuzeitlichen Titel der „Souveränität“. Die um den Herrscher entstehenden Institutionen (Hof und Residenz, [Geheimer] Rat, Kanzlei, Kammern, Kollegien und Kommissionen) beschäftigten eine wachsende Zahl rechtskundiger Räte, meist bürgerlicher Herkunft, während Außenpolitik und Militär Domänen des Adels blieben. Auf diese Weise wurde die Herrschaftsausübung zentralisiert, rationalisiert und juridifiziert. Wo es möglich war, wurden die Herrschaftsgebiete durch Kauf, Tausch, Erbfolge oder Eroberung arrondiert. Neue Waffentechniken und eine unter Rückgriff auf antike Vorbilder modernisierte Taktik veränderten das Heerwesen. Die Feuerwaffen führten zum Ende der herkömmlichen Ritterheere, deren Aufgabe ab dem 15./ 16. Jahrhundert die Söldnerheere übernahmen. Diese steigerten den Geldbedarf ebenso wie die immer größer werdenden Residenzen, so https://doi.org/10.1515/9783110556957-003

Zentralisierung und Versachlichung

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Teil 1 Einführung

Reichtum der Literatur

dass nun der moderne Steuerstaat mit Finanzverwaltung, Münzmonopol und entsprechender Geldpolitik auf den Plan trat. Der Staat musste deshalb auch entsprechende Anstrengungen zur Erfassung der menschlichen und natürlichen Ressourcen des Landes machen; es entstand die neuzeitliche Statistik als Teil der frühneuzeitlichen „Staatswissenschaften“. Diese umfassten im Inneren die „gute Policey“ als Summe aller ordnenden und kontrollierenden Tätigkeiten zum Wohl des Landes, nach außen die Abwehr von Gefahren aller Art, nicht nur militärischer Bedrohungen , sondern auch die Vertreibung „landschädlicher Leute“, die Regulierung des Imports und Exports im Interesse einer positiven ökonomischen „Bilanz“, wie sie im Laufe des 17. Jahrhunderts von den „Kameralisten“ erstellt wurde. Die hier stichwortartig genannten, mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten über drei Jahrhunderte verlaufenden Prozesse wurden – speziell in Deutschland – von einem kaum überschaubaren Schrifttum begleitet, kommentiert und vorangebracht. Alle größeren Territorien gründeten Universitäten, um geeignetes Personal für die Landeskirchen, Landesverwaltungen, Regierungen und Diplomatie heranzuziehen. Die für das Mittelalter typischen Wanderbewegungen der „Scholaren“ nach Italien und Frankreich hörten nach und nach auf. Den „Landeskindern“ wurde befohlen, an der jeweiligen Landesuniversität zu studieren oder jedenfalls die Studien dort abzuschließen. Für den landsässigen Adel und dessen Aufgaben in Verwaltung, Diplomatie und Heerwesen entstanden „Ritterakademien“ mit speziellen Studienplänen (Conrads 1982). Das von diesen Unterrichtsstätten ausgehende Schrifttum war immens. Es umfasste nicht nur Druckausgaben der Reichsabschiede, Landesordnungen, Hof- und Kanzleiordnungen, Kirchenordnungen und die Fülle der „Policeyordnungen“, sondern auch die ersten Kommentarwerke zu Reichs-Grundgesetzen (Ewiger Landfriede, Augsburger Religionsfriede, Wahlkapitulationen, Reichskammergerichtsordnung, Reichspoliceyordnungen, Westfälischer Friede, Jüngster Reichsabschied). Daneben entstanden seit dem 17. Jahrhundert große und kleine Lehrwerke des öffentlichen Rechts sowie tausende von Qualifikationsarbeiten (Dissertationen, Disputationen). In dieser akademischen Literatur, die noch keine strenge Trennung von theologischen, politologischen, ökonomischen, historischen und juristischen Argumenten kennt, „entstand“ der moderne Staat, er wurde vorgedacht und reflektiert und so auch reali-

3 Methodik

siert. Die Autoren machen permanent Verbesserungsvorschläge, rechtfertigen und kritisieren, versuchen bestimmte Erscheinungen dogmatisch-begrifflich zu fassen und bilden auf diese Weise – nicht anders als im zivilrechtlichen ius commune, im „gemeinen Strafrecht“ oder im „gemeinen Prozess“ – ein gedankliches Gewebe, aus dem im Verlauf des 18. Jahrhunderts das jeweilige territoriale Staatsrecht, „Policey-Recht“ und Völkerrecht herauswuchsen. Mit und nach der Französischen Revolution bürgerten sich dann die Bezeichnungen Constitutionsrecht/Verfassungsrecht und Administrativrecht/Verwaltungsrecht ein. Dieser bedeutsamen semantischen Verschiebung folgten die historischen Zweige der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte samt der Geschichte der beide Felder behandelnden Literatur. Letztere übergab ihre nichtjuristischen Elemente an andere Disziplinen, etwa an die Staatswissenschaften (Merkantilismus, Kameralismus, später Nationalökonomie/ Volkswirtschaft, Finanzwissenschaft), so dass am Ende eine Literatur des ius publicum oder des öffentlichen Rechts mit eigenen Subdisziplinen übrig blieb. Die methodischen Konsequenzen aus alledem können nicht in Form memorierbarer Empfehlungen gezogen werden. Vielmehr muss jeder Autor sich schon bei der Annäherung an ein ins Auge gefasstes Thema darüber klarwerden, welcher Zeit und welchem Material, vor allem aber mit welcher Fragestellung er oder sie sich dem Thema zuwenden will. Das kann nur in einem Prozess wechselseitiger Erhellung von Lektüre und „Ausprobieren“ möglicher Hypothesen geschehen. Dabei ist oft schon hilfreich, sich darüber klar zu werden, was man nicht wissen will; denn von vornherein ist klar, dass Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitskraft und Zeit irgendwo ihre Grenzen haben und dass Forschung nicht „alles“ gleichzeitig erfassen kann. Dies gilt auch, wenn man mit zunehmender Vertrautheit mit dem Stoff spürt, dass „alles mit allem zusammenhängt“. Ungeachtet der notwendigen Begrenzungen, die erfahrungsgemäß immer nötiger werden, je tiefer man in den Stoff eindringt, gilt aber weiterhin: Die Entstehung des frühmodernen Staates und die ihn begleitende Literatur kann nur in einem komplexen Zusammenspiel von Veränderungen der Weltsicht (Neue Welt, Kopernikanische Wende), neuen Formen der Ökonomie, der Technik und der Kommunikation (Kriegstechnik, Buchdruck) sowie der oft noch religiös grundierten wissenschaftlichen Zielvorstellungen begriffen

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Den modernen Staat „denken“

Wandlungen des Weltbildes

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Sogenannte Fakten

Kausalitäten

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werden. Materielle und immaterielle Faktoren, Aktion und Reflexion griffen ineinander. Rationalisierung und Formalisierung schritten voran, ohne dass etwa spiegelbildlich die Welten des Informellen (Brauch, Sitte, Aberglaube, Ritual, Zeremoniell) an Bedeutung verloren hätten. Ob man den Akzent eher auf die öffentliche Rhetorik und ihre Wirkungen auf das politische Handeln legt, ob man hinter wandelbaren „Begriffen“ die sich wandelnde Realität ganzer Gesellschaften aufspürt, ob veränderte Semantiken auch ein verändertes Verständnis von Recht und Gericht, Staat und Verwaltung, Herrscher und Untertan, Autokratie und Demokratie, kurz von „Verfassung“, signalisieren, muss der persönlichen Themenwahl überlassen bleiben. Wohin sich das „Schwarmverhalten“ der historischen Wissenschaften wendet, inwieweit es von Generationserfahrungen, Landeskulturen, Sprachen und internalisierten politischen Vorgaben abhängt und künftig abhängen wird, ist eine Frage der Wissenschaftsgeschichte, die hier nicht weiter verfolgt werden kann.14 Solange sich die Fragestellung auf zu ermittelnde „Fakten“ richtet, kann die Empfehlung nur lauten, alle erreichbaren (ungedruckten und gedruckten, textlichen und materiellen) Quellen auszuschöpfen und auf deren Relationen zu achten, insbesondere sich bewusst zu halten, dass tendenziell jede Quellengattung politische Elemente enthält, dass alle Quellen in bestimmter Absicht niedergeschrieben wurden und auch insoweit kritisch geprüft werden müssen. Am Ende setzt sich die plausibelste Interpretation durch, jene also, die unter Kundigen die höchste Chance hat, akzeptiert zu werden. Schwieriger wird es, wenn es um die Interpretation von Entscheidungen bestimmter Personen geht, wenn der intellektuelle Hintergrund dieser Personen ausgeleuchtet, nach „Einflüssen“ gefragt werden soll usw. Gewiss verschwinden die „rohen Fakten“ (facta bruta) weder durch das Denken noch werden sie vom Denken real geschaffen, aber die Wahrnehmung und die Kommunikation über Wahrnehmungen erzeugen Bilder, die handlungsleitend werden und so wieder zu neuen Fakten führen. Diese „Bilder“ fanden 14 Siehe insbesondere Müller, Ernst und Schmieder, Falko, Begriffsgeschichte und historische Semantik. Ein kritisches Kompendium. Berlin 2016, speziell S. 392 ff.; Poser, Hans, Wissenschaftstheorie. Eine philosophische Einführung, 2. Aufl. Stuttgart 2012.  

3 Methodik

auch Eingang in die Politische Ikonographie, die gerade in der Frühen Neuzeit enorme Bedeutung gewann.15 Jede Interpretation von Texten muss diesem Wechselspiel Rechnung tragen. Die in der Verfassungsgeschichte als zentrale Akteure wahrgenommenen Monarchen und ihre Ratgeber, die leitenden „Bürokraten“ der Verwaltungsgeschichte, die Politiker der Moderne in allen ihren Rangstufen ließen sich von den Bildern leiten, die sie sich von der Welt gemacht hatten oder die ihnen vermittelt wurden. Sie entschieden nicht auf der Grundlage von Fakten, sondern auf der Grundlage von Meinungen über Fakten. Insofern ist die Sphäre der Vermittlung von Meinungen ein Raum, in dem Aktion und Reflexion nicht getrennt werden können. Nur die behutsame Analyse ex post erlaubt es, analytisch zu unterscheiden, wie Denk- und Handlungsstrategien miteinander verflochten sind, aber auch, was in das große Arsenal „faktisch“ irrelevanter Gedanken, Spekulationen oder zum schlichten Unsinn gehört, etwa weil der Autor nicht die rechte Form gefunden hat. Auch wenn sein Manuskript unentdeckt blieb oder sonstige Gründe seine Wahrnehmung verhindert haben, gelangt es nicht in den für Zeitgenossen letztlich entscheidenden Kommunikationszusammenhang. Ganz textimmanent schließlich bewegt man sich, wenn man zur Interpretation eines bestimmten Werks der Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts nur jenen Text heranzieht, der entweder gedruckt das Licht der Öffentlichkeit erreichte oder, wie bei Briefen früher häufig, einen bestimmten Adressatenkreis. Hier kann sich der Interpret scheinbar auf die begrenzte Aufgabe einstellen, herauszufinden, was der Autor „meinte“, wie er Worte verwendete, wie sich der Text zu seinem übrigen Oeuvre verhält. Aber mehr als eine scheinbare Begrenzung ist dies nicht. Denn jeder Text eines Autors ist Wort „in der Zeit“. Um ihn angemessen zu verstehen, müssen Biographie, Umfeld, „Absichten“ und „Einflüsse“ rekonstruiert werden, so dass am Ende von einer Begrenzung auf den puren Text nicht mehr die Rede sein kann. Die hier skizzierten methodischen Prämissen sind nicht gebunden an die Frühe Neuzeit. Sie können ohne weiteres auf das 19. und 15 Fleckner, Uwe/Warnke, Martin/Ziegler, Hendrik (Hrsg.), Handbuch der politischen Ikonographie. München 2011, 2 Bde.; Henkel, Arthur und Schöne, Albrecht (Hrsg.), Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart 1967 (Sonderausg. Stuttgart 2013).

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Textimmanenz

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Sprachform

Teil 1 Einführung

20. Jahrhundert übertragen werden, sie gelten für die Nationalgeschichte so gut wie etwa für den europäischen Integrationsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg. Stets folgen die Akteure den Leitbildern, die sie mit sich tragen, und stets werden diese Leitbilder sowohl von den Ereignissen selbst, genauer: durch die von den Ereignissen entworfenen subjektiven und kollektiven „Meinungen“ umgeformt. Wer diese Prozesse verstehen und beschreiben will, muss sich also nicht nur mit den „Fakten“ beschäftigen, sondern beachten, dass die Informationen über diese Fakten bereits viele subjektive Filter durchlaufen haben, so dass von „Tatsachen“ nur in dem pragmatisch feststellbaren Raum des Unbestrittenen die Rede sein kann16. Wenn die sprachlichen Mittel der Darstellung der Komplexität der Materie Rechnung tragen sollen, müssen sie entsprechend differenziert sein. Dazu lässt die elaborierte „Normalsprache“ genügend Raum. Sie kann den Wechsel von direkter und indirekter Rede ebenso nutzen wie die Verwendung verschiedener Vergangenheitsformen. Sie kann auch durch stilistische Mittel verfremdender Distanzierung deutlich machen, wo der Betrachter steht. Fremde und eigene Meinung müssen deutlich getrennt werden. Zitate sollen da eingesetzt werden, wo es auf den Wortlaut ankommt. Literatur wird nachgewiesen, wo sie wirklich verwendet wurde und etwas zum Thema beiträgt. Das gilt auch für Texte aus dem Internet. Die sog. Fußnotenfriedhöfe sind zu vermeiden. Schließlich sei daran erinnert, dass wissenschaftliche Texte der Verständigung über Forschungsergebnisse dienen. Ihnen liegt ein Ethos der Ehrlichkeit zugrunde. Sie sind nicht dazu da, Eindruck zu machen oder gar in die Irre zu führen. Was zu sagen ist, soll nicht im (Wissenschafts-) Jargon ersticken. Gemeinverständlichkeit ist der sicherste Maßstab um zu prüfen, ob der Autor sich selbst verstanden hat und ob es ihm gelingt, seine Botschaft den geneigten Leserinnen und Lesern zu vermitteln.

16 Cerutti, Simona und Pomata, Gianna (Hrsg.), Fatti: storie dell’evidenza empirica. Bologna 2001, dort insbes. Daston, Lorraine, Perché I fatti sono brevi?, S. 745–770.

Teil 2: Quellen, Editionen, Hilfsmittel

4 Quellen zur Verfassungsgeschichte in Mittelalter, Früher Neuzeit und Neuzeit „Die Quellen zur deutschen Verfassungsgeschichte“, so Dietmar Willoweit, „sind angesichts der Fülle dessen, was für die Verfassungsgeschichtsschreibung zu berücksichtigen ist, nicht in einem einzigen Sammelwerk unterzubringen. Für die mittelalterliche Verfassungsgeschichte ist die Bedeutung der Urkunden, für die Neuzeit die der Akten und Denkschriften, vor allem aber der juristischen und politischen Literatur zu betonen. Erst vor diesem Hintergrund lassen sich die ‚prominenten‘ Quellen, die bekanntesten Privilegien, die Reichsgrundgesetze und Verfassungen richtig würdigen“ (Willoweit 2013a, 16).

4.1 Archiv In der Tat ist die im Archiv verwahrte Urkunde der Ausgangspunkt. Je nach Material (Stein, Bronze, Papyrus, Pergament, Papier, elektronische Datei) ist unterschiedlich vorzugehen. In der Verfassungsund Verwaltungsgeschichte handelt es sich durchweg um Schriftstücke von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, von denen viele entweder im Druck publiziert oder digitalisiert sind, so dass keine prinzipiellen Zugangsprobleme entstehen. In den Archiven (Bund, Länder, Kommunen, Kirchen, Parteien und Gewerkschaften, Stiftungen, Zeitungen und andere Institutionen) weisen handschriftliche, maschinenschriftliche, gedruckte oder elektronische Findbücher den Weg. Die Archivgesetze regeln vor allem Zugangsfristen und den Schutz der Privatsphäre. Hierzu sei auf die einführende Literatur verwiesen (Burkhardt 2006; Reimann Hrsg. 2014).

Archiv

4.2 Quellensammenlungen Für die mittelalterliche Verfassungsgeschichte dienen als Einstieg die seit Generationen bewährten Quellensammlungen, die in allen historischen und rechtshistorischen Seminarbibliotheken zu benutzen sind, etwa Wilhelm Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter (zwei Bände 1866, 1887, u. ö.), Wilhelm Altmann  

https://doi.org/10.1515/9783110556957-004

Quellen

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Teil 2 Quellen, Editionen, Hilfsmittel

und Ernst Bernheim (Hrsg.), „Ausgewählte Urkunden zur Erläuterung der Verfassungsgeschichte Deutschlands im Mittelalter“, 5. Aufl., Berlin 1920 sowie der Klassiker Karl Zeumer, „Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit“, Tübingen 1913. Weitaus umfangreicher sind die in vielen Bänden vorliegenden Quelleneditionen „Deutsche Texte des Mittelalters“, hrsg. von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, etwa von Lorenz Weinrich (Hrsg.), „Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis 1250“, Darmstadt 1977 und Lorenz Weinrich (Hrsg.), „Quellen zur Verfassungsgeschichte des Römisch-Deutschen Reiches im Spätmittelalter (1250–1500)“, Darmstadt 1983. Im Hintergrund aller dieser in bestimmter Weise zugeschnittenen und begrenzten Sammlungen stehen die Reihen der Monumenta Germaniae Historica (MGH), der seit 1819 bestehenden größten Institution zur Edition von Quellen zur deutschen Geschichte. Seit 1963 sind die MGH eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in München. Die Editionen erscheinen in 5 Abteilungen (I. Scriptores, II. Leges, III. Diplomata, IV. Epistolae, V. Antiquitates). Alle diese Abteilungen können für die Quellensuche relevant sein, aber besonderes Interesse verdient für die Verfassungsgeschichte die Abteilung „Leges“. Dort findet sich zum Beispiel in der Sektion IV (Constitutiones et acta publica imperatorum et regum) in Bd. XI, Weimar 1988 der zentrale Text der alten Reichsverfassung, Die Goldene Bulle vom 10. Januar und 25. Dezember 1356, lateinisch und frühneuhochdeutsch, bearb. von W. D. Fritz.

4.3 Dokumente zur Verfassunggeschichte Dokumente zur Verfassungsgeschichte

Um an die verfassungsgeschichtlich relevanten Dokumente zu kommen, benutzt man heute nicht mehr das von dem Göttinger Professor Johann Jakob Schmauß (1690–1757) in Form eines Gesetzbuchs zusammengestellte „Corpus Iuris Publici S(acri). R(omani). Imperii Academicum, enthaltend des Heil. Röm. Reichs deutscher Nation Grund-Gesetze, nebst einem Auszuge der Reichs-Abschiede, anderer Reichs-Schlüsse und Vergleiche, Neue…Auflage durch H. G. Franke und G. Schumann, Leipzig 1774“, sondern moderne Sammlungen. Von ihnen seien neben den bereits erwähnten Sammlungen (Altmann-Bernheim, Zeumer, Weinrich) genannt:

4 Quellen zur Verfassungsgeschichte in Mittelalter, Früher Neuzeit und Neuzeit

Hanns Hubert Hofmann (Hrsg.), „Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1495–1815)“, Darmstadt 1976; Heinz Duchhardt (Hrsg.), „Quellen zur Verfassungsentwicklung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation (1495–1806)“, Darmstadt 1983; Arno Buschmann, „Kaiser und Reich. Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806 in Dokumenten“, Teile 1–2, 2. Aufl., Baden-Baden 1994. Für die Zeit nach der Französischen Revolution schwillt die Masse der Quellen weiter an, zumal jetzt auch eine lebhaft interessierte „Öffentlichkeit“ alle politischen Vorgänge kommentierte (Hölscher 2004). Alle wesentlichen Dokumente werden gedruckt und in Sammlungen präsentiert, die gelegentlich sogar europäisch vergleichend angelegt sind. Heute gibt es dank der Sammel- und Kommentierungstätigkeit der beiden letzten Generationen kaum noch einen verborgenen Entwurf zu einem Verfassungstext. Entdeckungen können allenfalls noch bei den Materialien, in Parteiarchiven und Privatnachlässen gemacht werden. An der Spitze stehen die Dokumentenbände, mit denen Ernst Rudolf Huber seine große Verfassungsgeschichte begleitet hat, ergänzt durch fünf Dokumentenbände zum Verhältnis von Staat und Kirche: – Ernst Rudolf Huber (Hrsg.), „Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte“, Stuttgart Bd. 1–2, 3. Aufl. 1978, 1986; Bd. 3, 3. Aufl. 1990; Bd. 4, 3. Aufl. 1992; Bd. 5 (Register) 1997 – Ernst Rudolf Huber und Wolfgang Huber, „Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts“, Berlin 1973–1995, 5 Bde. Verschiedene kleinere Sammlungen schließen sich an. Auswahl und Kommentierungen sind unterschiedlich, je nachdem ob sie den Akzent eher auf das „politische Denken“ oder auf Normgeschichte der Verfassungen legen, ob sie breit dokumentieren oder für den Unterricht das Wichtigste auswählen. Zu nennen sind hier: – Hans Boldt (Hrsg.), Reich und Länder. Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, München 1987 – Hartwig Brandt (Hrsg.), Restauration und Frühliberalismus. 1814–1840 (Quellen zum politischen Denken der Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert 3), Darmstadt 1979

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Teil 2 Quellen, Editionen, Hilfsmittel





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Hans Fenske (Hrsg.), Vormärz und Revolution. 1840–1849 (Quellen zum politischen Denken der Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert 4), Darmstadt 1976 Hans Fenske (Hrsg.), Der Weg zur Reichsgründung. 1850–1870 (Quellen zum politischen Denken der Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert 5), Darmstadt 1977 Günter Dürig und Walter Rudolf (Hrsg.), Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 3. Aufl., München 1996 Michael Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806–1918. Eine Dokumentensammlung nebst Einführungen“, Berlin/Heidelberg 2006–2016, 4 Bde. Michael Kotulla, Das konstitutionelle Verfassungswerk Preußens (1848–1918). Eine Quellensammlung mit historischer Einführung, Berlin 2003 Michael Kotulla, Thüringische Verfassungsurkunden. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis heute, Heidelberg 2015 Fabian Wittreck (Hrsg.), Weimarer Landesverfassungen. Die Verfassungsurkunden der deutschen Freistaaten 1918–1933, Tübingen 2004 Hans-Peter Schneider und Jutta Kramer (Hrsg.), Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung, Berlin 1995 ff., bisher erschienen Bde. 9, 10, 17, 18/1, 18/2, 21, 23/1, 23/2, 25, 26  

Besonders aufschlussreich sind die vergleichenden Sammlungen, zumal wenn sie auch Übersetzungen ausländischer Verfassungen bieten. Es sind dies: – Dietmar Willoweit und Ulrike Seif (Hrsg.), Europäische Verfassungsgeschichte, München 2003 – Dieter Gosewinkel und Johannes Masing (Hrsg.), Die Verfassungen in Europa 1789–1949. Eine wissenschaftliche Textedition, München 2006 – Horst Dippel (Hrsg.), Constitutions of the World from the late 18th Century to the Middle of the 19th Century. Sources on the Rise of Modern Constitutionalism, Berlin 2005 ff.; ders. (Hrsg.), Constitutions of the World 1850 to the Present, Mikrofiche-Edition, München 2002–2014  

4 Quellen zur Verfassungsgeschichte in Mittelalter, Früher Neuzeit und Neuzeit

4.4 Gesetze und Anordnungen Die Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Reichs und seiner Einzelstaaten sowie aller anderen Staaten ist wesentlich an der Gesetz- und Verordnungsgebung interessiert. Alle relevanten Rechtsakte – völkerrechtliche Geheimverträge ausgenommen – finden sich dort. Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts werden diese Rechtsakte aller modernen Staaten unter amtlicher Kontrolle publiziert und stehen mit fortlaufender Nummerierung in den offiziellen Gesetzund Verordnungsblättern, etwa in der Gesetzessammlung für die Preußischen Staaten (PrGS). In der Zeit vor 1800 gibt es solche Amtlichen Sammlungen kaum, wohl aber amtlich anerkannte private Sammelwerke, die aber meist nur das aufnahmen, was für die damalige Praxis relevant war. Deshalb muss bei den deutschen Einzelstaaten und den Freien Reichsstädten auf die dortigen speziellen Sammlungen verwiesen werden. Diese beginnen schon im ausgehenden 18. Jahrhundert zu erscheinen. Hier entstehen Probleme des direkten Zugriffs. Die Landesordnungen, Ordnungen für spezielle Materien und einzelnen Mandate (kurz: Policey-Gesetze) wurden in den Territorien an die Beamten verteilt, in Archiven und Ratsbibliotheken gesammelt, oft auch erneuert und „eingeschärft“. Der von Anfang an wachsenden Unübersichtlichkeit dieses Materials wirkten bald spezielle private oder offiziöse Sammlungen entgegen, die allerdings nur aufnahmen, was noch als geltend angesehen wurde. In der Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts galt der gesamte frühmoderne Komplex als undurchdringlich. Das war abschreckend genug. Die Rechtsgeschichte machte aber auch deshalb keine besonderen Anstrengungen der Erschließung, weil sie in ihren Blütezeiten stark am Mittelalter interessiert war und zugleich bei der Forschung zum Gemeinen Recht oder zur Deutschen Privatrechtsgeschichte die „gute Policey“ als Vorform des modernen Verwaltungsrechts meinte vernachlässigen zu dürfen. Dass die intensive obrigkeitliche Regulierung des gesamten Lebens bei weitgehendem Fehlen einer Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre von größter Bedeutung für die „gesamte“ Rechtsgeschichte ist, wurde erst spät erkannt, als etwa Franz Beyerle, Wolfgang Kunkel und Hans Thieme als Teil eines Quellenwerks „zur Neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands“ (!) auch „Polizei- und Landesordnungen“ aufnahmen (Schmelzeisen 1968, 1969).

Gesetzessammlungen

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Kirchenordnungen

Policeyordnungen

Teil 2 Quellen, Editionen, Hilfsmittel

Die Publikation der in den protestantischen Territorien seit dem 16. Jahrhundert entstandenen Kirchenordnungen, in denen sich die obrigkeitliche Verantwortung für das „landesherrliche Kirchenregiment“ niederschlug, erfolgt in einer separaten Reihe.17 Diese Ordnungen, deren Regelungen nach dem Verständnis des 16. und 17. Jahrhunderts auch bestimmte Aspekte der öffentlichen Ordnung umfassten und letztlich vom Landesherrn oder dem Rat der Reichsstädte verantwortet wurden, gehören zur „öffentlichen Herrschaft“. Der normative Zustand eines protestantischen Territoriums erschließt sich also nur in einer Zusammenschau des weltlichen und des kirchlichen Regiments. Trotz dieser reichen Publikation von Quellen ließ die Erforschung der frühmodernen hoheitlichen Regulierung des öffentlichen und privaten Lebens zu wünschen übrig. Allein die Auffindung der Normen in Archiven und oft lückenhaften Sammlungen war ein Problem. Abhilfe schuf nun das seit 1992 wesentlich von Karl Härter im Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte (Frankfurt) geführte Projekt eines „Repertoriums der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit“.18 Es benennt für die wichtigsten Territorien und Städte des Alten Reichs, ebenso für die wichtigsten schweizerischen Städte sowie für Dänemark und Schweden chronologisch das Dokument, den Inhalt in Stichworten und die Fundorte. Jeder Band ist durch Sachregister erschlossen. Inzwischen gibt es auch eine Edition der Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577 (Weber 2002). Ein ergänzender Übersichtsband erschließt das europäische Material (Stolleis Hrsg. 1996; Härter Hrsg. 2000). Orientierung über die europäische Gesetzgebung bietet heute auch die große Arbeit von Armin Wolf, „Gesetzgebung in Europa 1100–1500. Zur Entstehung der Territorialstaaten“, München 1996. Es handelt sich dabei um die zweite überarbeitete und erweiterte Auflage des

17 Die Reihe wurde begründet von Emil Sehling (1860–1928), dann vom Institut für evangelisches Kirchenrecht der EKD (Göttingen) fortgeführt. Heute hat die Arbeitsstelle ihren Sitz an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. XXIV Bände (ohne Zählung von Doppelbänden) sind erschienen. Diese Reihe beginnt 1902/1904 (Sachsen und Thüringen) und endet bisher mit dem 2012 erschienenen Band XXIV (Siebenbürgen). Die Bände XXII und XXIII (Nordrhein-Westfalen II) und Schleswig-Holstein werden für 2017 erwartet. 18 Härter, Karl und Stolleis, Michael (Hrsg.), Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit 1996–2017, 12 Bde.

4 Quellen zur Verfassungsgeschichte in Mittelalter, Früher Neuzeit und Neuzeit

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Beitrags, den Wolf für das „Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte“, Erster Band: Mittelalter (1100–1500), hrsg. von Helmut Coing, München 1973, geschrieben hat. Es ist selbst ein Handbuch, das vor allem die bedeutende Gesetzgebung der Länder erschließt, nicht jedoch die hier genannte kleinformatige Policeygesetzgebung, die eher zur Sozialund Verwaltungsgeschichte gehört. Auf diese Weise sind nun zahlreiche neue Studien möglich, die zuvor wegen der erdrückenden Stoffmassen kaum realisierbar erschienen. Man kann so das spezielle Thema vertikal nach Zeitstufen ebenso verfolgen wie horizontal auf der Fläche der Territorien, kann Frühformen des Verwaltungsrechts und des polizeilichen Nebenstrafrechts studieren, Rezeptionsvorgänge zwischen den Territorien klären, Unterschiede von Stadt und Land sowie konfessionelle Differenzen feststellen. Gleichzeitig bieten diese Normen unausschöpfbaren Stoff für die Historische Volkskunde mit Sittenund Brauchtumsgeschichte bzw. Europäischer Ethnologie, für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Geschichte von Architektur, Straßen- und Kanalbau, Projekte des Merkantilismus sowie insgesamt für alle Frühformen dessen, was heute Daseinsvorsorge genannt wird. Eine Schriftenreihe steht für solche Forschungen zur Verfügung (hierzu die Studien zu Policey, Kriminalitätsgeschichte und Konfliktregulierung, hrsg. v. M. Stolleis und K. Härter, 1999–2017)

4.5 Dokumente zur Verwaltungsgeschichte Eine Verwaltungsgeschichte in Deutschland zu schreiben, ist nicht möglich ohne eine umfassende Heranziehung von Aktenbeständen zur gesamten Verwaltungstätigkeit. Dies kann nur durch Archivarbeit geschehen. Eine umfassende Sammlung der in Akten niedergelegten Verwaltungstätigkeit aller deutschen oder gar der europäischen Länder in elektronischer oder gedruckter Form anzustreben, wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die überall bestehenden Staats-, Landes- und Stadtarchive erschließen ihre Bestände ohnehin und bieten zunehmend elektronische Findbücher. Die Hilfsbereitschaft des Personals der Archive ist durchweg groß. Gleichwohl hat es auf dem Höhepunkt des Historismus gedruckte Sammlungen von Dokumenten zur Verwaltungsgeschichte

Dokumente zur Verwaltungsgeschichte

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Teil 2 Quellen, Editionen, Hilfsmittel

gegeben. Sie sind sogar bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts fortgeführt worden. Prominentestes Beispiel sind die Acta Borussica: – Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Acta Borussica. Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert, Berlin 1892–1982, 42 Bde. – Acta Borussica, Neue Folge, Protokolle des Preußischen Staatsministeriums (1817–1934/38), 12 Bde., 1994–2003 (Regesten). Daneben sei hingewiesen auf eine im Internet präsente und auf Privatinitiative beruhende Sammlung: Kai Riedel, Chemnitz, dokumentarchiv.de, Dokument- und Quellensammlung zur deutschen Geschichte ab 1800 (mit Quellen u. a. zu Baden, Bayern, Hannover, Hessen, Holstein, Kurhessen, Preußen, Sachsen, Württemberg).  

4.6 Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts

Zur Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts gibt es Reichtum an Quellen und Mängel zugleich. Der Reichtum liegt in den großen Bibliotheken. Unter ihnen ragen hervor die Deutsche Nationalbibliothek (Leipzig, Frankfurt a. M.), die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und die Bayerische Staatsbibliothek München. Ungeachtet der Stellung dieser singulären Sammlungen gibt es zahlreiche weitere Universitäts- und juristische Fachbibliotheken, etwa die Bibliothek des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe. Letztere enthält auch rechtshistorisch relevante ältere Elemente aus der Bibliothek des Reichsgerichts. Unter den auf rechtshistorische Bestände spezialisierten Bibliotheken – meistens Sondersammlungen der Institute für Rechtsgeschichte an den Juristischen Fakultäten/ Fachbereichen – ist wohl die größte diejenige des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt a. M. Für das Völkerrecht gilt dies für die Bibliothek des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg. Alle diese Bibliotheken verfügen jetzt über elektronische Kataloge und sind über das Internet zugänglich. Eine auf Vollständigkeit angelegte Übersicht über alle gedruckten juristischen Bücher seit 1600 liefern die Kataloge von Douglas Osler, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für  



4 Quellen zur Verfassungsgeschichte in Mittelalter, Früher Neuzeit und Neuzeit

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europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt a. M. Bisher sind erschienen: – Catalogue of Books Printed on the Continent of Europe from the Beginning of Printing to 1600 in the Library of the Max-PlanckInstitut für Europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt am Main, compiled by Douglas J. Osler. (Bibliographica Iuridica 1), 2000. – Catalogue of Books Printed in Spain, Portugal and the Southern and Northern Netherlands from the Beginning of Printing to 1800 in the Library of the Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt am Main, compiled by Douglas J. Osler. (Bibliographica Iuridica 2 = Ius Commune Sonderhefte 131), 2000. – Edoardo Volterra (1904–1984). A Catalogue of the Early Printed Books in his Library, now in the École Française de Rome, compiled by Douglas J. Osler. (Bibliographica Iuridica 3), 2006. – Catalogue of Books Printed before 1601 in the Legal Historical Section of the Biblioteca di Scienze Sociali dell’Università degli Studi di Firenze, compiled by Douglas J. Osler, 2005 (Ndr. 2015). – Jurisprudence of the Baroque. A Census of Seventeenth Century Italian Legal Imprints, compiled by Douglas J. Osler. (Bibliographica Iuridica 4–6). (3 volumes), 2009. – Catalogue of Books Printed before 1801 in the Legal Historical Section of the Biblioteca di Scienze Sociali dell’Università degli Studi di Firenze, compiled by Douglas J. Osler. II. 1601–1700, 2014. – Biography of Jurists of the Northern Netherlands Active outside the Dutch Universities to the year 1811, compiled by Robert Feenstra and Douglas J. Osler, 2017.  

Besonders erwähnenswert ist die Sammlung juristischer Dissertationen des 16. bis 18. Jahrhunderts, ebenfalls im Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt a. M. Sie umfasst rund 90.000 Stück, die meist in zeitgenössischen Einbänden zusammengefasst sind. Auch diese Sammlung ist durch einen elektronischen Katalog erschlossen, der über die Website des Instituts erreichbar ist. Diese durchweg lateinisch geschriebenen Dissertationen (oder Disputationen) der Frühen Neuzeit enthalten eine Fülle von Arbeiten über öffentliches Recht, etwa über die Reichsverfassung, über Territorialstaatsrechte, Lehenrecht, Policey-Recht,  

Frühneuzeitliche Dissertationen

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Lehrbücher

Biographica

Teil 2 Quellen, Editionen, Hilfsmittel

Stadtrechte usw. Dieser Bestand ist ein heute noch weitgehend ungehobener Schatz. Von Mängeln kann man allerdings dort sprechen, wo man nach Übersetzungen und Kommentierungen lateinischer Traktate zum ius publicum zwischen 1600 und 1800 sucht. Tatsächlich ist die Masse der Bücher und Abhandlungen (Dissertationen) zum öffentlichen Recht der Frühen Neuzeit nur denen zugänglich, die Latein lesen können. Um den Umfang zu ermessen, kann man sich etwa an Johann Stephan Pütter (1776–1783) oder an der von Scupin und Scheuner herausgegebenen und von Wyduckel erarbeiteten Althusius-Bibliographie (1973) orientieren. Nicht umsonst wird öfter vom barocken Bücherberg gesprochen. Um bislang die nur von Spezialisten gelesenen Hauptwerke deutschen politisch-juristischen Denkens bekannter zu machen, gab es eine Initiative von Hans Maier und Michael Stolleis, ein gutes Dutzend übersetzen zu lassen und mit Einführungen zu versehen. Der materielle Erfolg dieser Reihe war allerdings so gering, dass sie wieder eingestellt wurde (Maier/ Stolleis Hrsg. der Reihe 1994–2001). Weitere wichtige Texte finden sich in einem von Notker Hammerstein herausgegebenen Band (Hammerstein Hrsg. 1995). Geht man schließlich in die Biographien einzelner Juristen des öffentlichen Rechts, dann müssen die Quellen von Fall zu Fall ermittelt werden. Den ersten Umriss solcher Biographien findet man zunächst in den allgemeinen (meist national begrenzten) Personenlexika, die zum Teil auch schon elektronisch frei abrufbar sind, so für Deutschland die ADB: Allgemeine Deutsche Biographie, die NDB: Neue Deutsche Biographie und die DBE: Deutsche Biographische Enzyklopädie. Ergänzt wird deren Angebot durch die regionalen Personenlexika, etwa F. W. Strieder, Grundlage zu einer Hessischen Gelehrten- und Schriftsteller-Geschichte seit der Reformation bis auf gegenwärtige Zeiten, 21 Bde., Kassel 1781–1868 (fortgesetzt); entsprechend bayerische, pfälzische, sächsische u. a. „Lebensbilder“, die alle auch Juristenbiographien enthalten. Schließlich gibt es in allen europäischen Ländern, meist verantwortet von den Akademien der Wissenschaften, Lexika zu national wichtigen Persönlichkeiten, so etwa in Italien, Frankreich, England, Schweden und in den Niederlanden. Um diese generellen Angaben zu den Biographien zu finden oder zu überprüfen, sollte man die Möglichkeiten des Internet nutzen, insbesondere auch eine Recherche bei Wikipedia nicht verschmähen. Deren Angaben sind für den Ein 

4 Quellen zur Verfassungsgeschichte in Mittelalter, Früher Neuzeit und Neuzeit

stieg in Recherchen unverzichtbar, zumal sie inzwischen zu Lebensgang, Werken und Sekundärliteratur relativ verlässlich geworden sind. Der spezielleren rechtshistorischen Suche dienen sodann die Gelehrtenlexika und, noch spezieller, die Juristen-Lexika. Von den älteren seien genannt: – Christian Gottlieb Jöcher, Allgemeines Gelehrten-Lexicon, m. Nachträgen (Jöcher-Adelung), Leipzig 1750–1751, 4 Bde., Nachdr. Hildesheim 1960/1961/1981 – Johann Friedrich Jugler, Beyträge zur juristischen Biographie, Leipzig 1773–1780 – Georg Christoph Hamberger, Das gelehrte Teutschland oder Lexicon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller, Lemgo 1767– 1770, fortgeführt von J. G. Meusel, 5. Aufl. 1796–1834 – Christoph Weidlich, Biographische Nachrichten von den jetztlebenden Rechts-Gelehrten in Teutschland, Halle 1781–1785, 4 Th. Neuere Sammlungen von Juristenbiographien in lexikalischer Kürze sind etwa: – Gerd Kleinheyer und Jan Schröder (Hrsg.), Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Eine biographische Einführung in die Geschichte der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., Heidelberg 2017 – Michael Stolleis (Hrsg.), Juristen. Ein biographisches Lexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, 2. Aufl. 2001 – Rafael Domingo (Hrsg.), Juristas universales, Madrid/Barcelona 2004, 4 Bde. – Leonie Breunung und Manfred Walther, Die Emigration deutschsprachiger Rechtswissenschaftler ab 1933. Ein bio-bibliographisches Handbuch, Bd. 1: Westeuropäische Staaten, Türkei, Palästina/Israel, lateinamerikanische Staaten, Südafrikanische Union, Berlin/Boston 2012 – Eckhard Hansen und Florian Tennstedt (Hrsg.), Biographisches Lexikon zur Geschichte der Deutschen Sozialpolitik 1871 bis 1945, Bd. 1: Sozialpolitiker im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1918, Kassel 2010 – Patrick Arabeyre/Jean-Louis Halpérin/Jacques Krynen (Hrsg.), Dictionnaire historique des juristes français, XIIe–XXe siècle, Paris 2007

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Juristenlexika

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Teil 2 Quellen, Editionen, Hilfsmittel



Archive

Briefwechsel

Handbücher

Italo Birocchi/Ennio Cortese/Antonello Mattone/Marco Nicola Miletti (Hrsg.), Dizionario biografico dei giuristi italiani (XII– XX secolo), Bologna 2013, 2 Bde.

Geht man von den lexikalischen Angaben eingehender in das Studium von Leben und Werken der einzelnen Autoren, dann kommen auf der nächsten Stufe, jedenfalls bei Juristen, die im 19. und 20. Jahrhundert tätig waren, in erster Linie die Universitätsarchive in Frage. Sie enthalten in aller Regel die Personalakten. Sie können in der Regel über das Internet gefunden werden. Dennoch ist als Zugang zu den Universitätsgeschichten immer noch sehr nützlich: Laetitia Boehm und Rainer A. Müller (Hrsg.), Universitäten und Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Düsseldorf 1983, 1995. Neben den Universitätsarchiven sind häufig auch Partei-, Verbands- oder Familienarchive einschlägig. Relativ selten wurden Briefwechsel veröffentlicht, wobei auch hier das Frankfurter Max-Planck-Institut eine Ausnahme macht.19 In den letzten Jahren sind allerdings sukzessive die Tagebücher und Korrespondenzen von Carl Schmitt veröffentlicht worden, etwa mit Ernst Forsthoff, Ernst Jünger, Franz Blei, Rudolf Smend und Ernst Rudolf Huber. Autobiographien von Staats- und Verwaltungsrechtlern sind weiterhin rar, aus dem 18. Jahrhundert ist etwa diejenige von Johann Jakob Moser zu nennen, aus dem 19. Jahrhundert die von Robert von Mohl, aus dem 20. Jahrhundert von Gerhard Anschütz und Willibalt Apelt. Rechtshistorisches Arbeiten – verfassungsgeschichtlich, verwaltungs- oder wissenschaftsgeschichtlich oder beides zusammen – muss notwendig den Blick zwischen den Details und dem Überblick über die gesamte Geschichtsperiode hin und her wandern lassen. Ein

19 In einem von Barbara Dölemeyer und Aldo Mazzacane † betreuten Projekt „Juristische Briefwechsel des 19. Jahrhunderts“ wurden Korrespondenzen rund um die Zentralfigur Karl Josef Anton Mittermaier erschlossen, etwa seine Briefe mit Germanisten aus Deutschland und der Schweiz, Briefe an ihn aus der badischen Gesetzgebungskommission, seine Briefwechsel mit europäischen Strafvollzugsexperten, Briefe deutscher Strafrechtler, die Briefwechsel mit Hermann Fitting, Rudolf von Gneist und Robert von Mohl, jeweils Briefe von H. Th. Goltdammer und von Leopold August Warnkönig an Mittermaier, aber auch Briefe von G. F. Puchta an G. Hugo, W. Arnold und A. Heusler, Raymond Saleilles an Eugen Huber, Victor Ehrenberg und Georg Jellinek.

4 Quellen zur Verfassungsgeschichte in Mittelalter, Früher Neuzeit und Neuzeit

Problem der Verfassungsgeschichte, eine handelnde Figur oder ein reflektierender Autor sind nur verständlich, wenn sie in ihre persönliche Lebenswelt, ihre soziale und politische Epoche „eingebettet“ erscheinen. Dazu dienen für den Beginn die vielen „Einführungen“ oder „Übersichten“ über ganze Epochen. Unter ihnen ragt das „Handbuch der deutschen Geschichte“ von Bruno Gebhardt hervor, das 1891 erstmals erschien und dessen 10. Auflage, die seit 2001 erscheint, nun nahezu vollendet ist. Die Bände des „Gebhardt“ geben breite Übersichten über die politischen Ereignisse, das Wirtschaftsleben, die Kultur, aber auch über die verfassungsgeschichtlich bedeutsamen Ereignisse, Texte und Strukturen. Die Feingliederung der Bände und ihre Übertragung an die jeweiligen Fachleute garantieren Solidität der Information, meist in chronologisch erzählender Form, aber da, wo es sich anbietet, auch stärker auf analytische und strukturell orientierte Aussagen orientiert. Seit längerem ist eine Reihe historischer Informationswerke neben den „Gebhardt“ getreten. So etwa die Bände des „Oldenbourg Grundrisses der Geschichte“. Sie weisen eine feste Dreigliederung auf, indem sie zunächst den Forschungsgegenstand und den dazu vorliegenden Stand der Forschung darstellen, dann Grundprobleme und Tendenzen der Forschung benennen und schließlich ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis bieten. Da die Neuauflagen relativ rasch erscheinen, sind die Bände, die heute weit über Europa ausgreifend auch weltgeschichtliche Themen angehen, auf dem jeweils neuesten Stand. Parallel hierzu ist seit 1988 eine „Enzyklopädie deutscher Geschichte“ entstanden, die etwa 110 Bände umfassen soll. Sie ist weitgehend vollendet. Auch hier werden der neueste Forschungsstand, spezifische Probleme der einzelnen Perioden und ein umfassendes Verzeichnis der Quellen und Literatur geboten. Trotz des vergleichbaren Titels „Enzyklopädie“ ist die Enzyklopädie der Neuzeit ein lexikalisches Nachschlagewerk. Sie ist von 2005 bis 2012 in 16 Bänden erschienen und umfasst 4000 Stichworte zur europäischen Neuzeit. Nun ist sie auch online verfügbar. Sie behandelt im weitesten Sinn alle Themen der Neuzeit – darunter der Bereich „Recht und Verfassung“ (hrsg. von Wilhelm Brauneder, Sibylle Hofer und Diethelm Klippel) und sollte daher vom Verfassungs- und Rechtshistoriker auf Relevantes durchgemustert werden. Von den Lexika sei vorweg das „Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte“ (HRG), 2. Aufl. hrsg. v. A. Cordes, H. Lück,

Lexika

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Teil 2 Quellen, Editionen, Hilfsmittel

D. Werkmüller, 2008 ff. genannt. Bis die 2. Auflage fertiggestellt ist, muss für die fehlenden Buchstaben auf die erste Auflage zurückgegriffen werden. Diese erste Auflage, die auf einem älteren Konzept beruhte, war noch betont „germanistisch“ und schloss deshalb das gemeine (römisch-italienische) Recht ebenso aus wie die europäischen Vergleichsmöglichkeiten. Zudem war sie auf die Privatrechtsgeschichte ausgerichtet, öffnete sich aber gegen Ende langsam auch Stichwörtern aus dem Bereich der Verfassungs-, Verwaltungs- und Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts. Schließlich fand auch die Juristische Zeitgeschichte Eingang. Während das HRG die Artikel zu einzelnen Stichworten von Spezialisten bearbeiten lässt, versucht der Innsbrucker Rechtshistoriker Gerhard Köbler mit seinem „Zielwörterbuch europäischer Rechtsgeschichte“, 5. Aufl. Gießen 2009, als Einzelner „fast 5000 Jahre rechtlichen Werdens, Wesens und Wirkens im Umriss“ zu erfassen, und zwar in über 6000 kleinsten und größeren Artikeln auf 1128 Seiten. Dieser riesige Zettelkasten in Buchform ist inzwischen als elektronische Datei verfügbar. Für jeden Historiker des Mittelalters ist unverzichtbar das „Lexikon des Mittelalters“, Bd. I–IX, 1980–1998. Für den Zeitraum von 1750 bis 1850 ist, speziell für Ideen- und Wissenschaftsgeschichte, unentbehrlich Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Stuttgart 1972–1997, 8 Bde., (Studienausgabe mit Korrigenda, 2004), ebenso von Joachim Ritter und Karlfried Gründer (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Darmstadt 1971–2007, 12 Bde. u. Registerband. Die Althusius-Bibliographie. Bibliographie zur politischen Ideengeschichte und Staatslehre, zum Staatsrecht und zur Verfassungsgeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts, hrsg. von Hans Ulrich Scupin und Ulrich Scheuner, bearb. von Dieter Wyduckel, Berlin 1973, 2 Bde., die in thematischer Gliederung Buch- und Zeitschriftentitel nachweist, ist zwar nach mehr als vier Jahrzehnten veraltet, aber hilfreich für die Zeit vor 1973. Hilfreich ist ferner Thomas Olechowski und Richard Gamauf (Hrsg.), Rechtsgeschichte – Römisches Recht. Studienwörterbuch, 3. Aufl., Wien 2014. Das „Dictionnaire des grandes oeuvres juridiques, sous la direction de O. Cayla – J.-L. Halpérin“, Paris 2008, erfasst die wichtigsten (französischen) Werke. Ein international angelegtes Werk be 

Weitere Hilfsmittel

4 Quellen zur Verfassungsgeschichte in Mittelalter, Früher Neuzeit und Neuzeit

handelt die 150 wichtigsten europäischen Rechtsbücher in der Zeit des Buchdrucks: Serge Dauchy/Georges Martyn/Anthony Musson/ Heikki Pihlajamäki/Alain Wijffels (Hrsg.), The Formation and Transmission of Western Legal Culture, Cham 2016. Schließlich seien insbesondere für die Verfassungsgeschichte die großen Lexika und Handbücher erwähnt, die in allen größeren Bibliotheken stehen und durchweg von Autoren geschrieben sind, die auch offen sind für die historische Genese der behandelten Thematiken. Die beiden ersten Lexika folgen bei der Setzung der Stichworte konfessionell vorgezeichneten Grundlinien, sind aber keineswegs voneinander abgeschirmt, weder durch Autorenschaften noch durch enge Perspektiven. Es empfiehlt sich, beide nebeneinander zu benutzen.– – Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon. Recht – Wirtschaft – Gesellschaft, 7. Aufl., Freiburg 1985–1995, 7 Bde., (8. Aufl. ab 2017). – Roman Herzog/Hermann Kunst/Klaus Schlaich/Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.), Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl. 1987, 2 Bde. Die „Max Planck Encyclopedia of Public International Law, (onlineRessource), eine moderne Nachfolgerin des dreibändigen „Wörterbuchs des Völkerrechts“ (1960, 1961, 1962, hrsg. von Hans-Jürgen Schlochauer), ist unverzichtbares Hilfsmittel zur Informationsgewinnung über den Diskussionsstand im Internationalen Recht (Völkerrecht). Sie enthält nicht nur einen zentralen Artikel zur Geschichte des Völkerrechts, sondern auch in nahezu allen Artikeln Hinweise auf den historischen Hintergrund. Soweit die Fragestellung in die Geschichte der Bundesrepublik hineinreicht, ist die Benutzung der Kommentare zum Grundgesetz selbstverständlich. Von den zahlreichen Kommentaren ist der von Horst Dreier herausgegebene derjenige, der jeden Artikel mit „Ideen- und verfassungsgeschichtlichen Aspekten“ einleitet, die Entstehung und Veränderung der Norm nachzeichnet und dann rechtsvergleichend Europa und außereuropäische Staaten einbezieht. – Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. 1: Präambel, Artikel 1–19, 3. Aufl., Tübingen 2013. – Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. 2: Artikel 20– 82, 3. Aufl., Tübingen 2015.

Kommentare zum Grundgesetz

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Teil 2 Quellen, Editionen, Hilfsmittel



Handbuch des Staatsrechts

Zeitschriften

Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Bd. 3: Artikel 83–146, 2. Aufl., Tübingen 2008.

Die umfassende Gesamtdarstellung des Staatsrechts ist der „Isensee-Kirchhof“, ein nun in dritter und erheblich erweiterter Auflage vorliegendes Monumentalwerk. Es enthält in Band I eine historische Grundlegung sowie in den meisten Artikeln, je nach Materie, historische Bemerkungen: Josef Isensee und Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Heidelberg 2003–2014, 12 Bde. Registerband 2015. Von einem einzelnen Autor und im Anspruch ebenso umfassend ist das fünfbändige Werk des Kölner Emeritus Klaus Stern. Es wurde 1999 mit einem fünften Band „Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Staatsrechts“ abgeschlossen, um der Gesamtarchitektur des Werks einen historischen Boden zu geben: Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, München 1978–1999, 5 Bde. Welche der weltweit bestehenden wissenschaftlichen Zeitschriften für die Rechtsgeschichte relevant sind, hängt von der jeweils verfolgten Fragestellung ab. Prinzipiell können alle Zeitschriften, die aktuellen ebenso wie die irgendwann eingestellten und historisch gewordenen, relevantes Material enthalten. Die Fragestellung – hier solche der Verfassungsgeschichte, Verwaltungs- und Verwaltungsrechtsgeschichte sowie der Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts – leitet zunächst zu den allgemeinen Kriterien der Orientierung an Räumen, Zeiten oder Gegenständen, wobei diese Hauptkriterien vielfach miteinander kombiniert werden. Orientieren sie sich an Räumen, reicht die Bandbreite von Städten, Landschaften, Regionen bis zu Staaten oder transnationalen Staatenverbindungen, Handelswegen oder Einflusszonen. Die Staatenverbindungen können lose sein, Staatenbünden oder Bundesstaaten ähneln, wie das Beispiel Europa zeigt, können aber auch geographisch-kulturelle Räume im weitesten Sinn umfassen. Wenn sich die Zeitschriften bestimmten Zeiten oder Perioden widmen, folgen sie meist den gängigen Zäsuren (Antike, Mittelalter, Frühe Neuzeit, Neuere Rechtsgeschichte, Juristische Zeitgeschichte). Das hat zwar den Vorteil der Übersichtlichkeit, impliziert aber auch die Gefahr, dass Querverbindungen übersehen werden und epochenübergreifende Längsschnitte schwerer erfasst werden können. Stehen Gegenstände oder Sachgebiete im Mittelpunkt, dann

4 Quellen zur Verfassungsgeschichte in Mittelalter, Früher Neuzeit und Neuzeit

mag der Eindruck entstehen, außerhalb sei nichts Relevantes mehr zu finden. Darauf sollte sich, wer Informationen sucht, keineswegs verlassen. „Sachgebiete“ sind oft den akademischen Lehrformen nachgebildet und sagen wenig darüber aus, wie die Rechtsfragen in der Praxis von Vergangenheit und Gegenwart verstanden wurden oder werden. Durchweg geben die Untertitel der Zeitschriften Hinweise, etwa wenn „histoire des idées politiques“, „storia del pensiero giuridico moderno“, „Staatslehre und Verfassungsgeschichte“, „Storia Costituzionale“, „Verfassungs- und Rechtsentwicklung der Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas“ oder „Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaften“ angekündigt werden. Andere Zeitschriften halten sich inhaltlich offen und begrenzen räumlich, etwa „European History of Law“, „Rechtskultur: Zeitschrift für europäische Rechtsgeschichte“ oder zeitlich wie „Neuere Rechtsgeschichte“ oder „Juristische Zeitgeschichte“. Andere halten sich noch offener, wie etwa „Tijdschrift voor rechtsgeschiedenis“ oder „Rechtsgeschichte“. Für Anfänger empfiehlt sich, um es zu wiederholen, die Konzentration auf die eigene Fragestellung. Die Suche nach Informationen ist prinzipiell unbegrenzt. Sich in diesem Meer der Möglichkeiten zu verlieren, droht dann als Gefahr, wenn man nicht genau weiß, was man sucht. Gewiss kann die Fragestellung erst präzisiert werden, wenn die speziellen Forschungen der Vorgänger gefunden und verarbeitet sind, aber sie sollte doch den „Suchscheinwerfer“ bilden und aufreibende, letztlich vergebliche Sucharbeit vermeiden helfen. Wohl die allermeisten der rechtshistorisch relevanten Zeitschriften (Printversionen und online-Zeitschriften) finden sich in der Bibliothek und im Katalog des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt (www.rg.mpg.de). Bezogen werden dort gegenwärtig rund 400 laufende Zeitschriften. Ebenso wichtig sind aber die reichen Bestände der Zeitschriften, vor allem des 18. und 19. Jahrhunderts, die heute nicht mehr existieren. Letztere wurden in großem Umfang digitalisiert und können ohne Zugangsschranke genutzt werden.

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Teil 3: Probleme und Perspektiven der Forschung

5 Einführung Probleme und Perspektiven auf bestimmten Forschungsfeldern zu benennen, ist eine Aufgabe, die in hohem Maße von der persönlichen Sicht bestimmt wird. In sie gehen allgemeine Erfahrungen über die Stellung der Rechtsgeschichte an den Juristischen Fakultäten oder Fachbereichen ebenso ein wie spezielle Verengungen des Blicks, die sich im Laufe der eigenen Arbeit eingestellt haben. Das Fach Rechtsgeschichte wird an deutschen Universitäten traditionell von je einem „romanistischen“ und einem „germanistischen“ Lehrstuhl vertreten. Beide Professuren gehören ebenso traditionell dem Zivilrecht an. Die „Romanisten“ sehen sich der Geschichte des römischen Rechts von seinen Ursprüngen bis zur Pandektistik des 19. Jahrhunderts verpflichtet, meist aber auch dem Transfer ihrer historischen Erkenntnisse in die Dogmatik des geltenden Zivilrechts (so die Grundidee des Historisch-Kritischen Kommentars zum BGB: Schmoeckel/Rückert/Zimmermann Hrsg. 2003; dies. Hrsg. 2007a; dies. Hrsg. 2007b; dies. Hrsg. 2013a; dies. Hrsg. 2013b). Im Universitätsunterricht werden wohl vor allem die rechtshistorischen Einführungsveranstaltungen dazu genutzt, aber auch Vertiefungsveranstaltungen in der zweiten Hälfte des Studiums oder Doktorandenseminare. Die germanistische Seite verhält sich ähnlich, indem sie bei den „Germanen“ oder im Mittelalter einsetzt und die Entwicklung des einheimischen Rechts bis 1900 verfolgt. Anders als im römischen Recht gibt es allerdings keine kanonisierte Textmasse, sondern ein kaum überschaubares Feld „nichtrömischen“ Rechts, auf dem der Sachsenspiegel, das magdeburgische und lübische Recht ebenso Platz finden wie die zahllosen „Dorfrechte“, die Rechtsprechung der Schöppenstühle, des Reichskammergerichts und Reichshofrats, die Landrechte, Policeyordnungen und Kirchenordnungen – aber eben auch die Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte (Kroeschell 1999; ders. 2007; ders. 2001). Es liegt auf der Hand, dass sich dieser Flickenteppich nicht zu einem einheitlichen „deutschen“ Bild ordnen ließ, ungeachtet aller Anstrengungen des 19. Jahrhunderts, wenigstens ein „Deutsches Privatrecht“ zu formen (als letzter Ausläufer kann gelten Mitteis 1981). Aber es ist festzuhalten, dass alle Gesamtdarstellungen der „Deutschen Rechtsgeschichte“, die mit Karl Friedrich Eichhorns „Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte“ (4 Bde., 1808–1823; 3. Aufl. 1843–44) einsetzen, auch Reichsverfassung, Landesverfassungen https://doi.org/10.1515/9783110556957-005

Romanisten und Germanisten

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

Auflösung der Zweiteilung

Verfassungsgeschichte

und Stadtverfassungen behandelt haben. Auf diese Weise hat sich seit dem frühen 19. Jahrhundert die Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte im Hauptstrom der Lehrbücher einen festen Platz bewahren können. Wie die „Romanisten“ suchen auch die „Germanisten“ im heutigen Studienbetrieb, der den „Grundlagen“ ungünstig ist, die Rechtsgeschichte dadurch zu stützen, dass sie auf deren Bedeutung für das Verständnis des geltenden Zivilrechts hinweisen. Entsprechendes äußern die Verfassungshistoriker im Rahmen des öffentlichen Rechts. Es gehört zu den klassischen Streitfragen der Rechtsgeschichte, ob eine solche Einstellung geeignet ist, die Rechtsgeschichte innerhalb der Juristenausbildung zu stützen oder sie im Gegenteil durch Reduzierung auf eine Dienstleistungsfunktion zu gefährden. Die traditionelle Aufgabenteilung der Rechtshistoriker in „Romanisten“ und „Germanisten“ ist heute kaum mehr unverändert vorzufinden. Es gibt Juristenausbildungsgänge, die ganz auf Rechtsgeschichte verzichten. Andere überantworten die Rechtsgeschichte einer einzigen Person, die zudem nur etwa die Hälfte ihres Lehrdeputats auf die geschichtliche Seite verwenden kann. Aber wie auch immer diese Lehrveranstaltungen aussehen mögen, sie geben unwillkürlich der rechtshistorischen Forschung eine „zivilrechtliche Schlagseite“, weil die in Deutschland übliche Koppelung der Rechtsgeschichte an die zivilrechtlichen Lehrstühle auch auf die Forschungsinteressen abzufärben pflegt. Historische Perspektiven auf das öffentliche Recht kommen auf diese Weise kontinuierlich zu kurz, auch wenn es Beispiele für eine strikte Trennung von breiter rechtshistorischer Forschung und Lehre des Zivilrechts gibt. Wegen der traditionellen Anbindung der Rechtsgeschichte an das Zivilrecht kommt übrigens auch die bedeutsame Geschichte des Strafrechts strukturell zu kurz. Zur Verfassungsgeschichte der Neuzeit ist zu sagen, dass sie wesentlich von Lehrstühlen des öffentlichen Rechts vertreten wird. Auch dort ist sie ein Nebenfach, das aufgrund sich wandelnder Interessen und Belastungen mit geltendem Recht sich immer weniger halten kann. An vielen Fakultäten oder Fachbereichen wird „Verfassungsgeschichte“ nicht mehr angeboten, nach überschlägigen Feststellungen in mehr als der Hälfte der Fälle, im Übrigen nur noch gelegentlich, wohl teils verpackt in Deutsche oder Europäische Rechtsgeschichte. Ein dauerhaftes und ernsthaftes Angebot von Verfassungsgeschichte gibt es nur an fünf bis maximal zehn Uni-

5 Einführung

versitätsorten von insgesamt neununddreißig (Nachweise bei Stolleis 2017). Nimmt man diesen Befund als Ausgangspunkt, dann kann man zunächst feststellen, dass die Geschichte des öffentlichen Rechts (unterteilt in Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts) heute personell auf schwachen Füßen steht. Ihr Schwerpunkt ist die Verfassungsgeschichte, während Verwaltungs- und Wissenschaftsgeschichte nur punktuell vertretene Nebengebiete darstellen. So ist der gesamte Komplex, ebenso wie die hier nicht behandelte Geschichte des Völkerrechts, auf das Engagement Einzelner angewiesen. Alle Zufälle der individuellen Umorientierung, der Ablenkung oder des Desinteresses wirken deshalb umso stärker.

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6 Verfassungsgeschichte Probleme und Perspektiven der historischen Forschung zum Staatsund Verwaltungsrecht, einschließlich der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, lassen sich nur summarisch benennen. Beschränkt man beispielsweise den Blick auf das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) seit dem 15. Jahrhundert, dann zeigt schon ein Länderlexikon (Köbler 2007), das man durch Übersichten der jeweils regierenden Dynastien ergänzen kann (Feldkamp 2002), welche Fülle weltlicher und geistlicher Herrschaften hier allein im deutschsprachigen Raum zu erwarten ist. Das gilt erst recht, wenn man bei dem Merkmal „deutschsprachig“ darauf achtet, dass es hierzu keine klaren Grenzen gibt. Die Übergänge nach Burgund und „Reichsitalien“ sowie in die spanischen, niederländischen und südosteuropäischen Herrschaften der Habsburger sind ebenso fließend wie in die damals noch von dem Städtebund der Hanse beherrschten Gebiete an Nordund Ostsee, von Bergen in Norwegen bis ins russische Binnenland nach Nowgorod. Rechnet man noch die große Zahl der unmittelbar zum Reich gehörenden und sich selbst regierenden „Freien Reichsstädte“ hinzu, dann leuchtet sofort ein, dass es keinen zentralen, historisch allein legitimierten Schwerpunkt geben kann. Der hier vage umrissene Raum lässt sich weiter in unterschiedliche „Rechtsräume“ gliedern (Ehlers 2016). Für die Frühe Neuzeit, die insoweit bis zum 20. Jahrhundert reicht, ist charakteristisch, dass jedes Territorium, soweit es dazu aufgrund seiner Größe überhaupt in der Lage war, sein eigenes Recht ausbildete (Landrechte, Stadtrechte, Dorfrechte, Rechtsgewohnheiten, Privilegien), aber alle Territorien überlagert wurden vom „gemeinen Recht“ römischitalienischer Prägung, das sich seit dem 14. Jahrhundert Schritt für Schritt ausbreitete. Um die Lage noch komplexer zu machen, muss auch das bis in das 19. Jahrhundert reichende Lehenrecht erwähnt werden, das sich allerdings seit dem Niedergang des mittelalterlichen Lehenwesens in einen „privatrechtlichen“ Besitz- und Nutzungstitel verwandelt hatte. Mit dem „weltlichen“ Recht vielfach verzahnt, etwa im Ehe- und Kindschaftsrecht, Erbrecht oder Prozessrecht ist seit dem Mittelalter das Recht der römischen Weltkirche. Seit der Kirchenspaltung des 16. Jahrhunderts haben die evangelischen Kirchen eigene Rechtsräume geschaffen (Kirchenordnungen, Kirchenverfassungen), erkennen aber das gemeinsame Rechtserbe als subsidiär fortgeltend an. https://doi.org/10.1515/9783110556957-006

Probleme und Perspektiven

Rechtsräume

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

Verzicht auf Anachronismen

Die Leitfrage

Da es eine prinzipielle Trennung von öffentlichem und privatem Recht vor dem 19. Jahrhundert nicht gab, lassen sich die Rechtsverhältnisse vor diesem Zeitpunkt auch nicht entsprechend sortieren. Eine Verfassungs- oder Verwaltungsgeschichte der Vormoderne, die sich der heutigen Einteilung in öffentliches und privates Recht bediente, müsste sich den Vorwurf gefallen lassen, anachronistisch und unhistorisch zu verfahren. Nur mit aller Vorsicht lassen sich – dem Verständnis der Zeitgenossen folgend – Unterschiede zwischen den Rechtskreisen machen, für die sich die Einzelnen (Hausväter) verantwortlich fühlten, und solchen, welche die Obrigkeit zu regeln hatte. Vieles, was wir heute mit Selbstverständlichkeit als privat ansehen, wurde damals hoheitlich geregelt, etwa Sitte und Anstand (öffentliches Schwören und Fluchen), voreheliche Sexualität, Hochzeiten, Taufen und Begräbnisse, Tanzveranstaltungen, Luxus- und Kleideraufwand, während sich andererseits die Aufteilung ganzer Länder in Fürstentestamenten nach Erbrecht oder der Erwerb neuer Gebiete nach Kaufrecht, Pacht- oder Pfandrecht vollzog. Um diese Fülle zu erfassen und im Detail zu studieren, muss jede Forschung von den territorialen Besonderheiten ausgehen, sich in Landes-, Stadt- oder Universitätsarchiven kundig machen, um zunächst eine materiale Quellenbasis zu schaffen. Diese kann jedoch nicht ohne konkrete Fragestellung gewonnen werden. Beides greift ineinander; denn ohne Fragestellung kann das erdrückende Material nicht sortiert werden. Ebenso kann die Fragestellung nicht formuliert werden, weil die Fragen ohne Kenntnisse des Materials ins Leere gehen. Bei Arbeiten über „deutsche“ Themen stellt sich meist heraus, dass es ungewöhnlich viele Regionalstudien gibt. Das verdanken wir den im 19. Jahrhundert zu Hunderten gegründeten Historischen Vereinen, den Archivaren der Städte und den Autoren, die für die großen Sammelwerke (Allgemeine Deutsche Biographie) oder etwa die regionalen „Lebensbilder“ das Material aufbereitet haben. Insbesondere die Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Territorien profitiert davon, aber auch die Wissenschaftsgeschichte, die auf biographische Grundlagen angewiesen ist. Allerdings: Reiche Materialien garantieren, für sich genommen, noch nichts. Es bedarf einer „Fragestellung“, mit deren Hilfe das Material angeleuchtet und gezielt durchsucht werden kann. Diese Fragestellung kann von außen herangetragen werden, sie

6 Verfassungsgeschichte

kann sich auch während der Sichtung entwickeln; wichtig ist nur, dass sie „versuchsweise“ gehandhabt wird. Sie muss, wenn die Quellen widersprechen oder in andere Richtung deuten, neu durchdacht, umgestellt oder auch aufgegeben werden. Hypothesen setzen die innere Bereitschaft zur Falsifizierung dessen voraus, was man sich anfangs, vielleicht intuitiv, vorgenommen hatte. Es ist hier nicht der Ort, konkrete Vorschläge für künftige Fragestellungen zu machen; was aber möglich ist, sind Vermutungen, die aus der Entwicklung der bisherigen Forschung abgeleitet werden können. Die wichtigste Vermutung geht dahin, dass die „Verfassungsgeschichte“ mit wachsender Entfernung vom konstitutionellen Zeitalter des 19. Jahrhunderts ihren Charakter künftig ändern wird. Denn obwohl es lange Vorgeschichten gibt, sind Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte als historische Fächer im 19. Jahrhundert entstanden. Ihre wissenschaftsgeschichtlichen Antriebskräfte waren die europäische Verfassungsbewegung seit der Französischen Revolution, die innerdeutsche Durchsetzung des Rechtsstaats und die allgemeinen methodischen Überzeugungen des „Historismus“. Ringsum entstanden neue Nationen, oder alte Nationen wie Italien oder Deutschland erreichten ihren Nationalstaat. Alle schufen sich ihre Nationalmythen und Nationalhelden, errichteten Denkmäler und schrieben ihre Nationalgeschichten, also die Geschichte der jeweiligen „Verfassung“. Mit Hilfe von Geschichtsschreibung und Dichtung wurden dabei die Ursprünge meist in vorgeschichtliche Zeiten verlegt. Die nationale „Verfassungsgeschichte“ diente hierzu als fachspezifisches Medium. Sie stand bei Historikern des „Staates“ und bei Juristen im Vordergrund, während die bescheidenere Verwaltungsgeschichte in den kleineren territorialen Einheiten gepflegt wurde, also im Rahmen der alten dynastischen Einheiten, der Provinzen oder Städte. Aber auch dort gab es durchweg eine Orientierung auf die Nationalbewegung. Man kann also für Verfassungsund Verwaltungsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vereinfachend sagen: Das „Nationale“ und der „Staat“ waren ihr Lebensraum, die konstitutionelle Monarchie die mehrheitlich akzeptierte Staatsform. Inzwischen hat sich durch die Schaffung der Europäischen Union und durch die weltweite Vernetzung von Kommunikation und Produktion der Bezugsrahmen verschoben. Die nationale Orientierung ist zwar nicht verschwunden, ja sie erlebt als Gegenbewegung

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Von der nationalen zur europäischen Verfassungsgeschichte

Globale Verfassungsvergleichung

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

gegen die Globalisierung eine eruptive Renaissance zu Beginn des 21. Jahrhunderts, aber gerade dadurch tritt zutage, wie stark die Kräfte sind, die über das Nationale hinausgehen. Das bleibt nicht ohne wissenschaftliche Konsequenzen; denn eine Befreiung von den politischen Prämissen der eigenen Forschung ist weder vollständig möglich noch zu empfehlen. Wissenschaftliche Fächer beziehen ihre Forschungsenergien aus den Fragen, die als jeweils drängend empfunden werden. Die Rechts- und Verfassungsgeschichte macht da keine Ausnahme. Es geht deshalb nicht darum, die Fragen des politischen Umfelds als illegitim zu brandmarken und wegen vermeintlicher Verunreinigung der wissenschaftlichen „Reinheit“ auszuschließen, sondern sie aufzunehmen und kritisch danach zu befragen, ob und wie die von der Aktualität inspirierte Hypothese die eigentliche Arbeit lenkt oder gar verfälscht. Insoweit ist es durchaus möglich, sich bei der Arbeit selbst über die Schulter zu schauen und die Verhexung durch eingeschleppte Vorurteile bei sich selbst zu erkennen. Die heute unstreitig veränderten europäischen und globalen Lebensumstände führen also konsequenterweise zur Überschreitung des traditionellen nationalen Rahmens der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte. Europa wird auf seinem Weg zur Integration der Mitgliedsstaaten der EU und des faktischen Einschlusses anderer Staaten (Norwegen, Schweiz) sowohl ökonomisch als auch geopolitisch als Einheit angesehen. Diese Einheit mag unter manchen Gesichtspunkten als schwach erscheinen oder politisch kritisiert werden, sie hat dennoch mit Parlament, Rat, Kommission und Gericht den Charakter eines Zusammenschlusses besonderer Art. Die Verfassungshistoriker werden schon dadurch, ob sie es wollen oder nicht, über den nationalen Rahmen hinausgeführt. Sie denken „europäischer“ als frühere Generationen, setzen als Selbstverständlichkeit voraus, dass sich Europa seit Jahrhunderten politisch und intellektuell ausgetauscht hat und dass die seit dem 18. Jahrhundert entstandenen Verfassungen ausnahmslos Produkte einer dichten innereuropäischen und amerikanischen Kommunikation waren. Deshalb erscheint es auch selbstverständlich, dass die historischen Darstellungen von Verfassung und Verwaltung einschließlich der Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts auf diese Kommunikationsprozesse eingehen und europäisch argumentieren. Seit den 1950er Jahren lag es nahe, die historische Verfassungsvergleichung zunächst auf Europa zu konzentrieren. Denn allen

6 Verfassungsgeschichte

politischen Akteuren des 19. Jahrhunderts und allen Historikern war trotz der herrschenden „Nationalismen“ bewusst, dass der zu gestaltende und zu erforschende Raum Europa sein müsse. Das galt aus jeder Perspektive, jedenfalls auf dem Kontinent. England dachte damals noch traditionell im Rahmen des Commonwealth, und es hat durch den „Brexit“ des Jahres 2016 deutlich gemacht, dass es mindestens partiell die globale Perspektive der europäischen vorzieht. Dennoch ist gerade die englische Verfassungs- und Ideengeschichte eine der wichtigsten Komponenten des europäischen Denkens der gesamten Neuzeit. Die englische Verfassung wurde als Fortsetzung der „gemischten“ Verfassung des klassischen Rom verstanden und gerühmt (Nippel 1980). Ideengeschichtlich ist also „Europa“ ein vielfarbiger, aber doch auch geschlossener Horizont der politischen Wahrnehmung und der intellektuellen Auseinandersetzung. Mit dem 18. Jahrhundert trat dann Nordamerika hinzu. In diesem Raum des intellektuellen und politischen Austauschs, wie er sich seit dem frühen Mittelalter in immer stärkerem Kontakt mit der Antike herausbildete, war es zu einem vergleichbaren Ausbau der grundlegenden Institutionen (Hof, Rat, Gericht, Ständeversammlung) gekommen (Gudian 1973). Überall bildete sich in der Frühen Neuzeit als herrschender Typus die Monarchie heraus, die ihrerseits zur Formulierung und Bekräftigung von fundamental laws (leges fundamentales) führte, jenen „alteuropäischen Staatsgrundgesetzen“ also, die seit dem 18. Jahrhundert dann den Sammelnamen „Konstitutionen“ oder „Verfassungen“ annahmen. Dass diese Verfassungen mit dem Übergang in die Epoche des Konstitutionalismus ab 1800 nicht nur eine besondere politische Virulenz gewannen, sondern auch in einen neuen theoretischen Kontext eintraten, ist allgemein anerkannt (Mohnhaupt/Grimm 2002). Das 19. Jahrhundert war einerseits die Blütezeit der Nationalismen, in der besonders viele kleine Völker ihre Identitäten fanden und ihre Selbständigkeit anstrebten (etwa Griechenland, Bulgarien, Rumänien, die Kleinstaaten auf dem Balkan, Polen, Ungarn, die baltischen Staaten, Finnland), aber auch der gleichzeitigen „Internationalismen“, der Übersetzung, der Vergleichung, der Wahrnehmung der ganzen Welt. Goethe sprach als erster von „Weltliteratur“, der Dichter und Orientalist Friedrich Rückert verwendete die Worte „Weltgespräch“ und „Weltpoesie“. Die Arbeiterbewegung verstand sich revolutionär und „international“, aus den NationalÖkonomien entstand die „Weltwirtschaft“. In einer Rede auf dem

Strukturvergleiche

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

Nationalismus und Internationalismus

Rückkehr der Nationalismen

Hambacher Fest von 1832 hieß es „Der sinnende Geist errichtet Eisenbahnen und baut Dampfschiffe, das enge Comptoir zum Weltmarkt erweiternd“, wie auch der kantische Ausdruck „Völkerbund“ wieder auftauchte. Die Nationalökonomen erwarteten von der internationalen ökonomischen Verflechtung eine „Weltordnung“, das Wort „Weltkrieg“ wurde häufiger verwendet (Friedrich Engels, Rheinische Zeitung v. 13. Januar 1849, Heinrich B. Oppenheim, System des Völkerrechts, 2. Aufl. 1866). Auf den seit 1851 stattfindenden „Weltausstellungen“ wetteiferten die Nationen um Fortschritt und „Weltgeltung“. Mit anderen Worten: Nationalismus und Internationalismus schlossen einander keineswegs aus, sondern steigerten sich in der Idee des „Wettbewerbs der Nationen“. Parallel hierzu entwickelte sich das europäische Völkerrecht vor allem durch Vertragsrecht zum Weltrecht, das nun humanitäre Maßstäbe für „alle“ Kriege sowie Regeln für die Landkriege festzulegen suchte. Innerhalb der Rechtswissenschaft entstand die neue „Rechtsvergleichung“, die zunächst der Gesetzgebung Hilfsdienste leistete, sich aber von da aus zu einem international betriebenen Grundlagenfach wandelte. Dabei fiel es Privatrecht und Völkerrecht besonders leicht, sich als grenzüberschreitend zu verstehen, während Staats- und Verwaltungsrecht als die jedem Staat eigentümlichen Formen in ihren Kernbereichen national gebunden blieben. Entsprechend begrenzt blieben durchweg auch die Verfassungsgeschichte sowie die Geschichte von Verwaltung und Verwaltungsrecht. Die Tendenzen der Europäisierung und Internationalisierung, des Wettbewerbs und der Vergleichung hätten sich auch im 20. Jahrhundert linear fortsetzen können. Aber der Erste Weltkrieg zerstörte dies. Auf dem Trümmerfeld von 1918/1919 fiel der Übergang von den jeweils nationalen Verfassungsgeschichten zu einer europäisch vergleichenden Perspektive in allen Ländern besonders schwer, die den Weltkrieg durchlitten und die nationale Sicht verinnerlicht hatten, und zwar gleichermaßen bei Siegern und Besiegten. Die Beschäftigung mit der Verfassungsgeschichte eines gegnerischen Landes hatte mit den eigenen Befangenheiten, aber auch mit denen der akademischen Umwelt zu kämpfen. Dies gilt für das besiegte Deutschland, das sich gedemütigt fühlte und dessen wissenschaftliche Kommunikation mit dem Ausland, wie sie bis 1914 bestanden hatte, nicht nur extern beschädigt war, sondern auch intern immer mehr nationalistische, ja „völkische“ Töne annahm.

6 Verfassungsgeschichte

Erst recht gilt es für das international mit berechtigtem Misstrauen betrachtete nationalsozialistische Deutschland nach 1933. Nun herrschten rassistische und megalomane Töne. Es ist symptomatisch, dass eine kleine Generalübersicht über die „Europäische Verfassungsgeschichte der Neuzeit“ von 1936, geschrieben von einem deutschen Emigranten in der Schweiz (Cunz 1936), scharf kritisiert wurde und sofort in Vergessenheit fiel. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Nationalismen des 19. Jahrhunderts erschüttert waren und sich weitsichtige Politiker Westeuropas daran machten, ein dauerhaft friedliches Europa zu schaffen, öffnete sich die Perspektive wieder. Allerdings war es nun ein politisch geteiltes Europa. Der „Kalte Krieg“, der 1945 einsetzte und erst 1989 vorläufig endete, führte zur Entstehung einer doppelten Optik in West und Ost. Eine westliche, politisch rechts stehende Zeitschrift wählte den Titel „Nation Europa“, während sich gleichzeitig in Frankreich und Italien ein „Eurokommunismus“ ausbreitete, der allerdings im geteilten und unter der Teilung leidenden Deutschland keinen Widerhall fand, im Gegenteil, die großen Volksparteien der Christlichen Demokraten und der Sozialdemokraten waren dezidiert antikommunistisch. Im Westen wurde die kommunistische Partei 1956 verboten (BVerfGE 5, 85). Über das östliche Deutschland hatte sich sofort nach 1945 das sowjetische Modell von Praxis und Theorie gelegt. Von einer Europaidee konnte dort keine Rede sein, es sei denn im Rahmen einer künftigen Weltrevolution. In diesem von Widersprüchen geprägten Szenario haben sich die westeuropäische und insbesondere die deutsche rechtshistorische Romanistik, soweit von ihr nach dem Nationalsozialismus noch die Rede sein konnte, mit der Europa-Begeisterung der fünfziger Jahre dem Projekt einer Wiederbelebung des ius commune vom Spätmittelalter bis zum Zeitalter der Kodifikationen gewidmet. Das war vorbereitet worden durch Paul Koschaker, der sich 1938 bemerkenswert freimütig über die „Krise des römischen Rechts“ äußerte und für eine Erhaltung einer europäischen Rechtskultur durch eine „Synthese von Rechtsgeschichte und Dogmatik“ plädierte (Koschaker 1938). Sein Buch „Europa und das Römische Recht“ (1947, 4. Aufl. 1966) entfaltete dies noch einmal ausführlich und leidenschaftlich (Koschaker 1966). Etwa gleichzeitig schrieb Franz Wieacker die erste Fassung seiner „Privatrechtsgeschichte der Neuzeit“ (1952), in der er „Die Ursprünge der europäischen

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The Making of Europe

Ius commune

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Europäische Rechtsgeschichte

Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

Rechtskultur“ (§ 3) entwickelte. Ein europäisches Gemeinschaftsunternehmen „Ius Romanum Medii Aevi“ (IRMAE) begann ab 1961 in Mailand zu erscheinen – es enthält die Summe des damaligen Forschungsstandes zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rezeption des römischen Rechts. In Frankfurt baute Helmut Coing seine Arbeiten zur Rezeption des römischen Rechts aus und beendete sie mit einer umfassenden Darstellung „Europäisches Privatrecht“ von 1500 bis 1914, konzipierte sein vielbändiges Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte und gründete 1964 ein Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte. Die in allen diesen Arbeiten sichtbare Energie galt aber primär dem Privatrecht. In ihm sah man das Kerngebiet des von der Politik vorangetriebenen Aufbaus europäischer Institutionen. Für die Romanisten unter den Rechtshistorikern schien sich eine große Chance zu eröffnen, soweit es ihnen gelang, europäische Rechtsvergleichung und Rechtsgeschichte als Mittel zur Wiederherstellung eines erneuerten europäischen Gemeinrechts (ius commune) plausibel zu machen. Und in der Tat drängten auch Politik und Wirtschaft der EWG auf eine Vereinheitlichung des Privatrechts, das für den freien Austausch von Waren und Dienstleistungen die Basis bot. Der Grundgedanke lautete, man solle sich erinnern, dass die „kontinentale Rechtsfamilie“, bevor sie sich ihre Nationalkodifikationen schuf, schon einmal eine relativ einheitliche Rechtswissenschaft besessen hatte. Diese gelte es nun wiederzugewinnen, und zwar sowohl durch europäische „Privatrechtsgeschichte“ als auch durch Rechtsvergleichung mit ihrer Unterscheidung in einen romanischen, deutschen, anglo-amerikanischen und nordischen „Rechtskreis“ (grundlegend Zweigert/Kötz 1996). Nachdem die europäischen Institutionen sich längst etabliert hatten und die deutsche Wiedervereinigung glücklich vollzogen war, erschienen auch die ersten Versuche, umfassende Darstellungen der Europäischen Rechtsgeschichte vorzulegen (Hattenhauer 1992; Wesel 2010). Beide verstanden ihre Aufgabe umfassend, nicht nur geographisch, sondern vor allem indem sie versuchten, alle Zweige der Rechtsgeschichte unter Einschluss der Verfassungsgeschichte zu berücksichtigen. Beide lieferten enzyklopädische Überblicke, gewissermaßen im Breitwandformat. Manches mag von Spezialisten anders gesehen werden, aber es sind doch Werke geworden, die in zeitlichen Stufen voranschreitend, auf der Basis von

6 Verfassungsgeschichte

Gesellschaft, Ökonomie und Geistesgeschichte die Rechtskulturen als Ganze zu erfassen und zu vergleichen suchen. Eine europäische vergleichende Verfassungsgeschichte blieb hinter diesen Impulsen aber deutlich zurück. Nahezu alle in Deutschland erschienenen Lehrbücher zur Verfassungsgeschichte kennzeichneten wie bisher ihren Gegenstand in einem begrenzenden Sinn als „deutsch“: – Fritz Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 9. Aufl., Paderborn 1969. – Hans Erich Feine, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 3. Aufl., Tübingen 1943. – Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bde. 1–4 in 2. bzw. 3. Aufl., Stuttgart/Berlin/Köln 1957–1991, 7 Bde. u. Register. – Friedrich Walter, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte von 1500–1955, Köln/Wien 1972. – Robert Scheyhing, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit, Köln 1968. – Hans Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des älteren deutschen Reiches 1806, München 1984. – ders., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2: Von 1806 bis zur Gegenwart, 2. Aufl., München 1990. – Christian-Friedrich Menger, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Eine Einführung in ihre Grundlagen, Heidelberg 1986 (8. Aufl. 1993). – Otto Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. Aufl., Baden-Baden 1987. – Ernst Forsthoff, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 4. Aufl., Stuttgart 1972. – Manfred Botzenhart, Deutsche Verfassungsgeschichte 1806– 1949, Stuttgart 1993. – Dieter Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte 1776–1866. Vom Beginn des modernen Verfassungsstaats bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, 3. Aufl., Frankfurt am Main 1995. – Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Staatsrechts, Bd. 5: Die Verfassungsentwicklung vom Alten Deutschen Reich zur wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland, München 2000.

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Europäisch vergleichende Verfassungsgeschichte

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

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Veränderungen

Michael Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Alten Reich bis Weimar (1495 bis 1934), Berlin 2008. Jörn Ipsen, Der Staat der Mitte. Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, München 2009. Reinhold Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte. Vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart, München 1994 (7. Aufl. 2006).

Anders nur hielten es nur Werner Frotscher und Bodo Pieroth, Verfassungsgeschichte, 15. Aufl., München 2016. Das hatte einfache pädagogische Gründe; denn die Lehrbücher richteten sich primär an deutsche Jurastudierende, denen man die wechselnden Schicksale des eigenen Staats und seiner jeweiligen „Verfassung“ nahezubringen hoffte. Man wird aber hinter dieser Begrenzung auch die nationale Langzeitprägung vermuten dürfen, die den eigenen Nationalstaat, und nicht etwa Europa oder gar die Staaten der Welt, als Ausgangs- und Endpunkt nahm. Das gilt freilich, summarisch gesagt, ebenso für die Verfassungsgeschichten aller europäischen Länder. Stets werden die Distanzen vom Zentrum des eigenen Staates vermessen, stets werden andere Staaten nur dann erwähnt, wenn deren Verfassung sich auf die eigene ausgewirkt hatte. Ein Beispiel hierfür ist das monumentale Werk von Ernst Rudolf Huber, das eine „Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789“ enthält. Deutsche Verfassungsgeschichte war damit auf plausible Weise eingebettet in die Epoche, in der das Ancien Régime zu Ende geht. Aber die Perspektive verändert sich seither zugunsten einer europäischen Sicht. Es beginnt mit den Quellensammlungen, die zum europäischen und transatlantischen Vergleich der Verfassungen geradezu auffordern, etwa – Dietmar Willoweit und Ulrike Seif (Hrsg.), Europäische Verfassungsgeschichte, München 2003. – Dieter Gosewinkel und Johannes Masing (Hrsg.), Die Verfassungen in Europa 1789–1949. Eine wissenschaftliche Textedition, München 2006. – Hinnerk Wißmann (Hrsg.), Europäische Verfassungen 1789– 1990. Textsammlung, Tübingen 2015. Dann springt der Gedanke über auf die Darstellungen selbst. Der Impuls der oben erwähnten, wissenschaftsgeschichtlich verscholle-

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nen kleinen Arbeit (Dieter Cunz, Europäische Verfassungsgeschichte der Neuzeit, Leipzig 1936) wird in dem Sinne wieder aufgenommen, dass es nicht nur einen Kulturraum Europa gibt, sondern dass sich in den parallel betrachteten Hauptregionen des Kontinents hinreichend viele faktische Gemeinsamkeiten, Austauschvorgänge und strukturelle Parallelitäten finden, die – jenseits verschiedener „Sonderwege“ – eine wirkliche Vergleichung ermöglichen . Erst ein solch dichtes Netzwerk von „Ähnlichkeiten“ erlaubt es, die Rechtsund Verfassungsgeschichte „europäisch“ zu nennen. So verfahren nicht nur die erwähnten „Europäischen Rechtsgeschichten“ von Uwe Wesel und Hans Hattenhauer, sondern auch zwei herausragende italienische Autoren, nämlich Paolo Grossi in einer für ein größeres Publikum geschriebenen Generalübersicht mit einem gewissen anti-etatistischen Akzent und Betonung des Richterrechts (Grossi 2010) sowie Antonio Padoa Schioppa »Storia del diritto in Europa. Dal medioevo all’età contemporanea« (Padoa Schioppa 2016). Padoa Schioppas magistrales Werk reicht von der Spätantike über die Epoche des klassischen gemeinen Rechts in die Frühe Neuzeit, es behandelt Aufklärung, Revolutions- und Reformzeit, schließt das 19. Jahrhundert ein und endet mit einem Ausblick auf das Recht der Europäischen Union sowie auf ein mögliches »Weltrecht«. Besonders wichtig ist die Weite des Blicks, der nicht nur weltliches und geistliches Recht, sondern auch das Gewohnheitsrecht, die lokalen städtischen und territorialen Rechte sowie die Juristenausbildung umfasst. Beschränkt man sich auf die europäische vergleichende Verfassungsgeschichte, dann ist die Ausbeute schmaler, aber eine Entwicklung in diese Richtung hat eingesetzt, etwa durch einen Vergleich der klassischen Verfassungsgeschichten aus der besonderen Sicht der Schweiz (Kley 2013), durch die erwähnte, ausführlich eingeleitete Textsammlung „Europäische Verfassungsgeschichte“ (Willoweit/Seif Hrsg. 2003) und den Sammelband „Verfassungsgeschichte in Europa“ (Neuhaus Hrsg. 2010). Ideengeschichtlicher Hintergrund aller dieser Werke ist die bis in die Antike zurückreichende Reflexion über Staatsformen und deren „Verfassungen“, die in verdichteter Form von Heinz Mohnhaupt und Dieter Grimm beschrieben worden ist (Verfassung. Zur Geschichte des Begriffs von der Antike bis zur Gegenwart, 2. Aufl. 2002). Verfolgt wird der Wandel der Verwendung des Wortes „Verfassung“ oder seiner Synonyma mit einem Schwergewicht auf Staats- und Politiktheorie.

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Erste Ergebnisse

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

Einen Vergleich der entsprechenden institutionellen Strukturen hat bisher wohl nur der Historiker Wolfgang Reinhard unternommen. Er lieferte mit der ihm eigenen synthetischen Kraft tatsächlich eine „vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart“ (Reinhard 2002). Sie widmet sich dem historischen Phänomen, wie sich in Europa der neuzeitliche Staat herausbildete und konturierte. Diese schlicht erscheinende Fragestellung ist in Wahrheit höchst komplex. Sie umschließt nicht nur die politischen und ökonomischen Vorgänge im Vergleich, sondern auch diejenigen der theoretischen Diskurse, der Zeremonielle und Rituale, der Zentralisierung der Kräfte (samt Gegenkräften beim Adel, in Städten und auf dem Land). Der tendenziell aus einem Punkt, dem Monarchen in einer Hauptstadt, gelenkte europäische Staat wird dann durch die Phasen der Herrschaftsbegrenzung durch Verträge und Grundgesetze bis hin zu modernen demokratischen Verfassungsformen verfolgt, es werden die Gründe für seine Mutationen und Transformationen zu totalitären Formen erörtert und schließlich ein vergleichender Blick auf außereuropäische Adaptionen dieser „europäischen Erfindung“ geworfen. Versteht man diese Bewegung der Historiographie und Verfassungsgeschichte als eine stufenweise Wiedergewinnung des europäischen historischen Bewusstseins, dann ist unübersehbar, wie stark dieses Bewusstsein durch die politische Einigung Europas nach 1945 gefördert worden ist. Es lag sozusagen im Trend, auch diesen Einigungsvorgang historisch und verfassungsgeschichtlich zu begleiten. So entstand eine eigene innereuropäische Berichterstattung und, mit wachsender Verdichtung, eine europäische Zeitgeschichte. Letztere suchte ihre Anknüpfungspunkte in den zahlreichen Vorschlägen einer europäischen Einigung vom Spätmittelalter (Schusterová 2016) bis zur Pan-Europa-Bewegung des Grafen Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi: – Jacques Droz, L’Europe Centrale. Évolution historique de l’idée de „Mitteleuropa“, Paris 1960. – Jean-Baptiste Duroselle, L’idée d’Europe dans l’histoire, Paris 1965. – Hans Hattenhauer, Die Entstehung Europas. Von der Spätantike zum Mittelalter, Stuttgart 1959, 1962, 1965, 2 Bde. – Rolf Hellmuth Foerster (Hrsg.), Die Idee Europa 1300–1946. Quellen zur Geschichte der politischen Einigung, München 1963.

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ders., Europa. Geschichte einer politischen Idee, München 1967. Vanessa Conze, Richard Coudenhove-Kalergi. Umstrittener Visionär Europas, Gleichen 2004. Vanessa Conze, Das Europa der Deutschen. Ideen von Europa in Deutschland zwischen Reichstradition und Westorientierung (1920–1970), München 2005. Heinz Duchhardt/Małgorzata Morawiec/Wolfgang Schmale/ Winfried Schulze (Hrsg.), Europa-Historiker. Ein biographisches Handbuch, Göttingen 2006–2007, 3 Bde.

Daneben waren die Stufen der europäischen Einigungsbewegung zu kommentieren. Jede neue Institution erhielt ihre eigene Geschichte, der Europarat und der Gerichtshof für Menschenrechte, die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC), die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), das Europa-Parlament und alle anderen Institutionen, mit denen Europa nun schrittweise juristische Qualität annahm (Schorkopf 2015). In der Sequenz seiner Verträge von Rom bis Lissabon gewann es eine wirkliche oder jedenfalls eine „Art Verfassung“ und damit auch eine Verfassungsgeschichte. Die Nationalstaaten und die nationalen Verfassungsstrukturen sind nach wie vor vorhanden, aber sie sind, teils gewollt, teils wider Willen, derart in europäische Zusammenhänge hineingewachsen, dass eine Einbeziehung der europäischen Perspektive unabweislich ist. Wie sich die politische Zukunft Europas gestaltet, ist offen. Aber wir sehen, dass die heute von den nationalen Parlamenten beschlossenen Verfassungsänderungen von ganz Europa beobachtet und auf ihre Vereinbarkeit mit den europäischen Verträgen und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000, 2007) geprüft werden. Von der europäischen vergleichenden Verfassungsgeschichte, die noch keineswegs das Stadium eines Fachs erreicht hat, das sich seiner Aufgaben und Methoden sicher sein könnte, führt der Weg aber unweigerlich zu weiterer Expansion. Der schon im frühen 19. Jahrhundert, besonders aber nach 1945 einsetzende weltweite Prozess der Delegitimierung und Beendigung von Kolonialherrschaft führte zu Verwerfungen und Bürgerkriegen, nicht zuletzt wegen sinnwidrig gezogener Grenzen, aber auch zu neuen Staaten, die ihrerseits wieder Verfassungen schufen. Und „Verfassungen“ bedeuten stets auch „Verfassungsgeschichten“.

Die Verfassung Europas

Außereuropäische Verfassungsgeschichte

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

Die Thematik der Verfassungsgeschichte überschreitet deshalb im Zuge der Emanzipation neuer Staaten und Völker von den ehemaligen europäischen Kolonialmächten alle Grenzen. Die heutige Verfassungsgeschichte erkennt dieses weltweite Kopieren und Abwandeln von Verfassungsmustern zunehmend als Forschungsaufgabe. Je weiter sich die Verfassungen von ihren historischen Ausgangspunkten entfernten, desto größer wurden auch die Kreise der Vergleichung. Innereuropäisch genügte es zunächst, das amerikanische Modell, die französischen Verfassungen der Revolutionszeit, die polnische, norwegische, schwedische Verfassung sowie die Verfassungen der Mitglieder des Deutschen Bundes zu vergleichen. Bald kamen die neuen deutschen und italienischen Verfassungen sowie diejenigen der Staaten nach dem Rückzug des osmanischen Reichs hinzu (Stolleis Hrsg. 2015; Simon Hrsg. 2017), dann nach 1918 die Nachfolgestaaten des Habsburgischen Reichs, des russischen Reichs und das Deutsche Reich samt seinen nun republikanisch regierten Ländern (Wittreck 2004). In Südamerika und Mexiko bildeten sich Nachfolgestaaten der spanischen und portugiesischen Kronländer. Japan erhielt 1889/1890 seine Meiji-Verfassung und verband dies mit intensiven Adaptionen europäischer Vorbilder. Ebenso orientierten sich das späte osmanische Reich und die Türkei des 20. Jahrhunderts an den europäischen Vorbildern. Indochina, Indonesien, Indien und die afrikanischen Staaten – gleichviel ob ehemals anglophon oder frankophon, portugiesisch, belgisch oder niederländisch beherrscht – nahmen Elemente der Verfassungen und der Verwaltungen ihrer Kolonialherren in sich auf, am Rande auch die ehemals deutschen Kolonien (Ostafrika, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika). Schließlich brach 1991 die Sowjetunion auseinander und entließ neue „Verfassungsstaaten“, einige von ihnen klare Diktaturen. Alle 193 Mitglieder der Vereinten Nationen sind „Verfassungsstaaten“, auch das Nichtmitglied Taiwan. Sie haben sich aus dem traditionellen Ideenvorrat bedient und ihre innere Ordnung mit mehr oder weniger feierlichen Worten fixiert. Der „Verfassungsstaat“ wurde zum Weltphänomen. Dies sprengt auch den Rahmen der herkömmlichen nationalen Verfassungsgeschichten. Diese werden nicht überflüssig, soweit sich die Fragestellung auf nationale Besonderheiten richtet. Aber jede etwas generellere Frage öffnet sich zur europäischen oder internationalen Vergleichsebene, sei es bei Schaffung oder Implementation der jeweiligen Verfassung, sei es bei ihrer „Ausstrah-

6 Verfassungsgeschichte

lung“ auf andere Verfassungen. Das gleiche gilt für Verfassungsorgane, etwa die Machtposition von Parlamenten, Regierungschefs oder Präsidenten, die Einrichtung von Verfassungsgerichten oder die bedeutsame Frage, ob die Nationalbank politisch geführt oder umgekehrt politisch unabhängig sein soll. Diese Erweiterung der Perspektive bedeutet, dass Material aus vielen Ländern einströmt. Dies muss nicht nur sprachlich bewältigt, sondern auch in einem tieferen Sinn als Zeugnis anderer politischer und rechtlicher Kulturen verstanden werden. Man kann dies einen „kulturalistischen“ Ansatz nennen, um sich von der Tradition abzusetzen, aber es deckt sich im Grunde mit Beobachtungen und methodischen Forderungen, welche die Rechts- und Verfassungsgeschichte seit langem kennt: Verfassungen sind durchweg Ergebnisse komplexer politischer Prozesse; sie sind in der Regel nach mehreren Seiten austariert, um breitere Akzeptanz zu gewinnen, meist auch voller Pathosformeln, um einen Neuanfang des politischen Lebens zu markieren. Das kann nicht anders als „prozesshaft“ und unter Einbeziehung der Kultur eines Landes verstanden werden. Zu dieser Kultur gehören die gesamte Geschichte, die kollektiven Erfahrungen, die Sprache und die in ihr eingeübte politische Symbolik. Welches Beispiel man auch immer wählt, stets ringen die Repräsentanten gesellschaftlicher Kräfte um den Wortlaut, in dem die Staatsform, die Stellung und Abgrenzung einzelner Staatsfunktionen, die Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte, die Rechte und Pflichten der Bürger samt den Einrichtungen zu deren Schutz festgelegt werden sollen. Jede Nuance der Texte ist durchtränkt von Geschichte und dem politischen Willen der jeweiligen Gegenwart. Mit anderen Worten: Die Verfassungsgeschichte sollte den nationalen Rahmen überschreiten und nicht nur punktuell, sondern auf der ganzen Linie zur vergleichenden Verfassungsgeschichte werden. Es würde damit nur nachvollzogen, was sich auch auf der Ebene des geltenden Verfassungsrechts beobachten lässt, nämlich die Hinwendung zur Verfassungsrechtsvergleichung (Häberle 1994; ders. 2016). Mit Letzterer kann sich die vergleichende Verfassungsgeschichte ohne weiteres verbinden, indem sie dazu beiträgt, dem zunächst einmal oberflächlichen Textvergleich die historische und rechtshistorische Tiefendimension zu geben. Die historische Verfassungsvergleichung hat damit in der Horizontale Weltformat angenommen, während sie in der Vertikale bei

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Basisdifferenzen der Rechtskulturen

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

Das Sprachenproblem

Die jeweiligen Landesgeschichten

Historische Zäsuren

den jüngeren Staaten oft nur wenige Jahre oder Jahrzehnte umfasst, bei den älteren und ältesten aber bis in das Mittelalter zurückreicht. Das wirft eine Fülle methodischer Fragen auf, wenn eine solche historische Vergleichung über den oberflächlichen Textvergleich oder die beliebige Zitierung von „Stellen“ hinausgehen soll. Diese Fragen seien hier wenigstens in knapper Form genannt; denn es ist offensichtlich, dass von einem überschaubaren Forschungsstand der Rezeption oder Translation kaum die Rede sein kann (Duve 2016). (a) Gewiss sind alle Verfassungstexte heute in Handbüchern und im Internet verfügbar. Aber sofort stellen sich Sprachprobleme. Die Originaltexte sind überaus sorgfältig formuliert und gewinnen ihre Bedeutung häufig durch Nuancierungen, die dem (sprachlich und historisch) Außenstehenden nur schwer erkennbar sind. Eine Textinterpretation, die sich nur der gängigen englischen Übertragung bedient, ist also von vornherein mit Schwächen behaftet. (b) Die Texte ruhen kausal auf historischen „Fakten“ (Kriegen, Revolutionen, Unabhängigkeitserklärungen, Landesteilungen usw.). Jede neue Verfassung schließt eine Epoche ab und öffnet eine neue, indem sie altes Material verwendet und neues hinzunimmt. Verfassungen sind textliche Konzentrate der jeweiligen Landesgeschichten, sowohl im tatsächlichen, wie auch im literarischen Sinn. Vielfach stehen aber geschriebene verlässliche Landesgeschichten nicht zur Verfügung, meist weil es eine landesspezifische Universitätsdisziplin „Verfassungsgeschichte“ gar nicht gibt. Deshalb füllen Darstellungen der Political Science, Comparative Government Studies oder einfache Einführungen in die Landesgeschichten, Parteiengeschichten oder Biographien der Staatsgründer die Lücke einer Verfassungsgeschichte. (c) Selbstverständlich setzen die Verfassungshistoriker der einzelnen Länder auch unterschiedliche Zäsuren. Einteilungen des Stroms der Geschichte in „Epochen“ sind nicht mehr als Benennungen und Hilfskonstruktionen, aber auch notwendig, um Aussagen über Charakteristika bestimmter Zeiten zu machen. Die Massen des überlieferten Wissens über die Vergangenheit müssen, um irgendwie handhabbar und erlernbar zu bleiben, gegliedert werden. Von den mythischen Modellen (Goldenes, Silbernes, Eisernes Zeitalter), die als Verfalls- oder als Fortschrittsgeschichten erzählt werden konnten, über die nach Herrschern und deren Dynastien benannten Epochen führt der Weg zu den kulturmorphologisch charakterisier-

6 Verfassungsgeschichte

ten Benennungen (Frühzeit, Hochzeit, Spätzeit, Verfall) oder zu Fortschrittsmodellen (von der Wildheit über die Barbarei zur Zivilisation). Jeder moderne Wissenschaftszweig bildet eigentümliche Stufenmodelle aus. Die Geschichte des europäischen Rechts ist seit ihren Anfängen von der Dreiteilung in Antike, Mittelalter und Neuzeit geprägt, von der Überzeugung also, dass das römische Recht den überzeitlichen Maßstab einer einzigartigen Rechtskultur bilde, an dem sich alles Folgende messen lassen müsse. Dem entsprechen dann die äußeren elementaren Zäsuren des Rechts. Die Verfassungsgeschichte Roms hält sich an die Zäsuren von frühem Königtum, Republik, Prinzipat bis zu den weit auseinanderliegenden „Untergängen“ von Westrom und Ostrom. Die wechselnden Herrschaftsformen der europäischen Völker setzen immer neue Anfangs- und Schlusspunkte ihrer „Verfassungen“ – bis zur Gegenwart. Krieg und Frieden, Revolutionen, bedeutende Herrscher, symbolische Anfänge neuer Epochen dienen der Verständigung über die Zuordnung von Zeiträumen, Herrschaftsformen, Texten und Akteuren. Dabei weisen Privatrecht, Strafrecht, Kirchenrecht und Verfassungsrecht keineswegs immer die gleichen Bruchstellen auf. Es gibt unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten dieser Stoffe. Besonders offensichtlich und besonders scharf fallen die Zäsuren der Staats- und Verfassungsgeschichte aus. In Frankreich bilden die Monate Juli und August 1789 eine markante Zäsur, ablesbar bis heute an allen historischen Publikationen. In Russland ist es das Schicksalsjahr 1917. In Deutschland zeigt sich die entsprechende Zäsur 1806 mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches, im Europa nach Napoleon auf dem Wiener Kongress 1814/15. Kein Verfassungsstaat ohne „Geburtsurkunde“, ohne ein „heiliges“ Dokument des Neuanfangs, keine Nation ohne Erfahrungen von Kriegsbeginn und Friedensschluss. Völkerrechtsgeschichte und Verfassungsgeschichte orientieren sich unweigerlich an diesen Landmarken. Da die Übergänge vom einen auf das andere Regime sich erfahrungsgemäß mit gewissen Verzögerungen vollziehen, registrieren die Geschichten der Verwaltung und des Verwaltungsrechts auch meist keine schlagartigen Veränderungen, sondern beschreiben im Gegenteil, wie die schwerfälligeren staatlichen Institutionen und das Beamtenpersonal Kontinuitäten bewahren und unter der neuen Verfassung modifizieren. Deutsche Beispiele hierfür liefern vor allem die Jahre 1919, 1933 und 1945, in denen eingeübte Ver-

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Die europäische Trias: Antike, Mittelalter, Neuzeit

Nationale Zäsuren

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

Von der „Rezeption“ zu den „Translationen“

Konkrete Fragestellungen

haltensmuster, tradierte Loyalitäten und opportunistische Anpassung sich miteinander vermischen, nachdem der neue Staat schon errichtet ist. Dies gilt in gleicher Weise für die Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts, die ganz ähnliche Verzögerungen der staatstheoretischen Erfassung des „Neuen“ verzeichnet, ebenso natürlich alle möglichen Erscheinungsformen des Opportunismus beim Übergang beamteter Professoren in ein neues Regime. (d) Methodisch anspruchsvoller sind Fragen, die in der neueren Transfer- und Translationsforschung gestellt werden (Duve 2012; ders. Hrsg. 2014). Ihre Prämissen liegen in der Abkehr von den entweder eurozentrischen oder paternalistischen Vorbelastungen der älteren Rezeptionsforschung, die in Modellen von Übernahme, Kolonisation oder Verdrängung einheimischen Rechts dachte. Erinnert sei an den Bannstrahl der germanistischen Rechtsgeschichte gegen die Rezeption des römischen Rechts als „Nationalunglück“ (Georg Beseler), während die Ausbreitung des lübischen und magdeburgischen Rechts im Zuge der „Ostkolonisation“ als Erfolgsgeschichte der Zivilisierung verstanden wurde. Erinnert sei auch an die Entlastungsstrategie der Romanisten während der NS-Zeit, der Rezeption des römischen Rechts ihre politisch gefährlich gewordene Seite zu nehmen, indem sie auf „Rationalisierung“ und „Verwissenschaftlichung“ begrenzt wurde (Engelmann, Dahm, Wieacker). Wird also „Rezeption“ von Verfassungen heute als missverständlich angesehen, weil darunter einseitige Übernahme, ja Überwältigung verstanden werden könnte, dann beginnt die Suche nach neuen Formeln, mit denen Vorurteile überwunden und höhere Stufen der Genauigkeit bei der Beschreibung der Vorgänge erreicht werden können. Das Wandern von Verfassungsmodellen und –texten impliziert kulturelle Interaktion. Keine Vorlage wird unverändert installiert. Es handelt sich um kulturelle Durchdringung, um Adaptionen und Verwandlungen. Vergleichende Verfassungsgeschichte, etwa bei der japanischen Meiji-Verfassung oder der kurzlebigen osmanischen Tanzimat-Verfassung (1839–1876; Sürek 2016), ist eine Gemeinschaftsaufgabe nicht nur der Disziplinen Geschichte und Rechtsgeschichte, Politikwissenschaft und Verfassungsrecht, sondern auch der Sozial- und Kulturgeschichte aller Beteiligten. (e) Eine vergleichende Verfassungsgeschichte kann angesichts der unterschiedlichen Ländergeschichten und Nationalkulturen, der unterschiedlichen methodischen Ansätze und Vorverständnisse

6 Verfassungsgeschichte

das Ziel einer fairen und aussagekräftigen Vergleichung nur erreichen, wenn sie sich auf konkrete Fragestellungen einlässt. Andernfalls agiert sie mit unüberprüfbaren Vorannahmen. Solche konkreten Fragestellungen könnten etwa sein: Welchen religiösen und ethischen Bindungen unterlag das politische Führungspersonal in vorkonstitutionellen Zeiten? Wie vollzog sich der Übergang von vasallitischen, personalen Beziehungsnetzen zum Territorialstaat, etwa in Europa und Ostasien? Fungieren städtische Zentren typischerweise als widerständige Zellen von „Sonderrecht“ oder als Schrittmacher einer „Verstaatlichung“? Unter welchen (eventuell unwiederholbaren) Bedingungen war die Verfassungsgebung im 19. und 20. Jahrhundert erfolgreich? Welche Veränderungen wurden am kontinentaleuropäischen Verfassungsmodell vorgenommen, um es für andere politische und kulturelle Milieus akzeptabel zu machen? Welchen Bedingungen unterliegt das traditionelle Verfassungsmodell gegenwärtig im Kontext von Weltwirtschaft und globaler Kommunikation? (f) Zu einem eigenen weltweiten Forschungsgebiet der vergleichenden Verfassungsgeschichte hat sich schließlich die Frage der Realisierung der Menschenrechte in der internationalen Politik entwickelt. Seitdem die Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 die internationale Zusammenarbeit proklamierte, um „die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen“ (Art. 1 Ziff. 3), seit dann die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen wurde (10. Dezember 1948), ist das Thema immer wichtiger geworden. Dabei lässt sich beobachten, dass die Frage der Menschenrechte sich vom Kontext der „Verfassungen“ gelöst hat und zu einem selbständigen politischen und ethischen Projekt geworden ist. Der Einbindung in bestimmte Verfassungen bedarf es nicht mehr, weil es die weltweit anerkannten Dokumente gibt, so dass es wichtiger wird, die Verletzungen von Menschenrechten in Krisen- und Kriegsgebieten, auf bestimmten Handelsrouten oder anhand der Handelsketten einzelner Produkte zu bekämpfen. Mit anderen Worten: Die universell geltenden Dokumente wie die großen Menschenrechtserklärungen, aber auch internationale Pakte, Verbote von Sklaverei, Zwangsarbeit, Folter oder Frauendiskriminierung, Schutz von Kindern oder Menschen mit Behinderungen, kommen zwar historisch aus den

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Menschenrechte international

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

klassischen Verfassungen des 18. und 19. Jahrhunderts, haben diese Herkunft aber abgestreift. Sie bilden gewissermaßen im Vorgriff auf eine Weltverfassung diejenigen Elemente, auf die sich viele Staaten wenigstens verbal einigen konnten. Ihre Durchsetzung, die bekanntlich mangelhaft ist, liegt in den Händen der Vereinten Nationen, vor allem aber in einem Geflecht von Staaten und NichtRegierungs-Organisationen (NGOs). Eine historische Summe dieser weltweiten Anstrengungen um die Verwirklichung der Menschenrechte bietet die monumentale Studie von Jan Eckel (Eckel 2015). Um „Verfassungsgeschichte“ handelt es sich dabei nicht mehr, sondern um ein Mischgebiet von internationalem Recht, Politikwissenschaft, Ethnologie und Soziologie. Eine der wichtigsten Streitfragen lautet dabei, ob die Normen der Achtung von Menschenrechten universellen Charakter haben oder nach „Kulturkreisen“ differenziert werden müssen, um Akzeptanz zu erreichen. Wenn Letzteres bejaht wird, geht es um die speziellere Problematik, wie groß die Abweichungen vom universellen Standard sein dürfen.

7 Verwaltungsgeschichte Die wesentlich von Historikern betriebene Verwaltungsgeschichte, die sich für die Interaktion zwischen dem absolutistischen Staat und der Ökonomie ebenso interessierte wie für das institutionelle Werden des frühmodernen Staates (Wilhelm Roscher, Gustav von Schmoller, Otto Hintze, Fritz Hartung, Gerhard Oestreich), verlor ihre Bedeutung während des Nationalsozialismus, auch wenn die dort propagierte „Verwaltungslehre“ zur Belebung hätte beitragen können. Bis eine eigene „Deutsche Verwaltungsgeschichte“ als Gemeinschaftswerk von Historikern, Rechtshistorikern und Juristen erschien, dauerte es bis zu den Jahren 1983 bis 1988. In Europa ist die Lage kaum anders. Verwaltungsgeschichte ist in den letzten Jahrzehnten vor allem in Frankreich geschrieben worden, oft als Histoire du droit public (= histoire des institutions),20 in Finnland ist eine Verwaltungsgeschichte entstanden,21 Italien hat viele Einzelstudien, aber noch keine wirklich zusammenfassende Darstellung (die wegen der Zersplitterung der Territorien vielleicht auch nicht zu leisten ist).22 Doch geht die Tendenz überall zur europäisch vergleichenden Darstellung, etwa in dem Pionierwerk des „Jahrbuch für europäische Verwaltungsgeschichte“, das Erk Volkmar Heyen über Jahre (1989–2008) hinweg geführt hat. Es hat eine gewisse Vernetzung der europäischen Verwaltungsgeschichte herbeigeführt, auf der nun ein noch größeres Unternehmen aufbauen kann, nämlich das

20 Legohérel, Henri, Histoire du droit public français. Des origines à 1789. Paris 1986 (Que sais-je? 755); Legendre, Pierre, Trésor historique de l’Etat en France. L’administration classique, nouvelle édition augmentée. Paris 1992; ders., Fantômes de l’État en France. Parcelles d’histoire. Paris 2015; Sueur, Philippe, Histoire du droit public français XVe–XVIIIe siècle. Tome 1: La constitution monarchique. Paris 1993; Tome 2: Affirmation et crise de l’État sous l’Ancien Régime. Paris 1993; Guillot, Olivier/Rigaudière, Albert/Sassier, Yves (Hrsg.), Pouvoirs et institutions dans la France médiévale, 3. Aufl. Paris 2003, 2 Bde. 21 Numminen, Jaakko, Das finnische verwaltungsgeschichtliche Projekt. In: Institutions and Bureaucrats. Institutions and Bureaucrats in the History of Administration, hrsg. von Seppo Tiihonen. Helsinki 1989, S. 45–50. 22 Istituto per la scienza dell’amministrazione pubblica (Hrsg.), L’Amministrazione nella Storia Moderna. Mailand 1985, 2 Bde.; Cianferotti, Giulio, Storia della Letteratura Amministrativistica italiana, Bd. 1: Dall’ Unità alla Fine dell’ Ottocento autonomie locali, amministratzione e costituzione. Mailand 1998. https://doi.org/10.1515/9783110556957-007

Vergleichende Verwaltungsgeschichte(n)

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Europäischer Verwaltungsverbund

Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

von Armin von Bogdandy ins Leben gerufene vielbändige Werk mit dem vielversprechenden Namen „Ius Publicum Europaeum“. Es kombiniert rechtshistorisch inspirierte Länderberichte mit stärker analytisch und vergleichend angelegten Zusammenfassungen, um auf diese Weise die unleugbaren Unterschiede auf einer gemeinsamen Ebene vergleichen und erklären zu können.23 Die herkömmliche Rechtsgeschichte hat auf diesem Feld allerdings kaum etwas geleistet, teils wegen ihrer Orientierung auf zivilrechtliche Fragen, teils weil die heutigen Dynamiken vornehmlich aus dem ihr fremden Europarecht kommen. So wird heute über „Verfassungsprinzipien für den Europäischen Verwaltungsverbund“, über „Informationsbeziehungen innerhalb des Europäischen Verwaltungsverbundes“, den „Verfahrensgedanken im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht“ nachgedacht, wobei keines dieser Themen ohne Einbeziehung der historisch gewachsenen Verwaltungstraditionen der europäischen Staaten behandelt werden kann. Gewiss sind diese Beiträge keine rechtshistorischen Arbeiten, sondern eher Suchbewegungen der Verwaltungsrechtsdogmatik mit historischen Mitteln. Dennoch ist deutlich, dass Verwaltungs- und Verwaltungsrechtsgeschichte sich tendenziell aus der Bindung an den Nationalstaat befreien und eine europäische Perspektive zu gewinnen suchen. Die praktischen Schwierigkeiten solcher Arbeiten sind freilich groß. Oft ist der Zugang zu Archiven schwierig, oft werden außergewöhnliche Sprachkenntnisse verlangt, etwa in Südosteuropa. Das eigentliche Problem liegt jedoch in der Findung einer Vergleichsebene zwischen westlichen Flächenstaaten, die ihre Strukturen seit dem Mittelalter aufgebaut haben, und solchen, die erst im 19. Jahrhundert den Übergang in die Moderne fanden, etwa den Nachfolgestaaten des osmanischen oder des habsburgischen Reichs. Ebenso lassen sich Räume mit hartem Klima und dünner Besiedlung im Norden und Osten nicht ohne weiteres mit engräumigen reichen

23 Bogdandy, Armin von/Cassese, Sabino/Huber, Peter M. (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 1: Grundlagen und Grundzüge staatlichen Verfassungsrechts. Heidelberg 2007; Bd. 2: Offene Staatlichkeit – Wissenschaft vom Verfassungsrecht. Heidelberg 2008; Bd. 3: Verwaltungsrecht in Europa. Grundlagen. Heidelberg 2010; Bd. 4: Verwaltungsrecht in Europa: Wissenschaft. Heidelberg 2011; Bd. 5: Verfassungsgerichtsbarkeit in Europa: Institutionen. Heidelberg 2016.

7 Verwaltungsgeschichte

Stadtlandschaften im sog. urban belt von Italien über Burgund, Frankreich, Niederlande bis Schottland vergleichen. Die Verwaltungsstrukturen richten sich nach den Lebensbedingungen (Wirtschaft, Verkehr, Alphabetisierung). Schließlich spielen für die Frage, ob „starke“ oder „schwache“ Staatlichkeit vorliegt, Nähe oder Distanz zum Zentrum eine Rolle, etwa zum Zaren, zum Sultan, zum Kaiser oder zum Landesherrn. Ungeachtet dieser Schwierigkeiten ist eine Geschichte der Verwaltung und des in ihr verwendeten Rechts ein Gegenstand von hohem Interesse. Weltweit lässt sich beobachten, dass nur ein Teil der von den Regierungen gegebenen Impulse in den Verwaltungen umgesetzt wird. Wo liegen die Reibungsverluste, welche Kräfte der Beharrung oder Obstruktion machen die Verwaltungen teils zu Blockierern von Reformen, teils zu wohltätigen Garanten der Kontinuität? Liegt der Schlüssel für Veränderungen in der Personalpolitik? Welche Kräfte außerhalb der Verwaltung nehmen Einfluss (Arbeitgeber, Gewerkschaften, Wirtschaftslobbyisten aller Art)? Wie verschieben sich die Gewichte der klassischen „distanzierten“ Bürokratie, wenn Public-Private-Partnership, Kosten-Nutzen-Rechnung und moderne Governancestrukturen Einzug halten? Wie wirken sich neue Finanzierungsmodelle auf die Realisierung öffentlicher Aufgaben aus? Muss der Datenschutz gelockert oder verschärft werden? Insgesamt: Können die Steuerungsprobleme mit Hilfe von „Recht“ bewältigt werden – und von welcher Art Recht? Für die Lösung dieser Fragen wird man primär an die Bürokratieforschung denken, aber auch an Erkenntnisse des Marketing, der Personalführung, an Studien zu Besoldung und Mobilität des öffentlichen Dienstes und vieles mehr. Aber letztlich dienen Arbeits- und Beamtenrecht, das allgemeine Vertragsrecht, das Gesellschaftsrecht sowie das Verwaltungsrecht aller Stufen als Treibriemen aller Veränderungen. Ohne solide historische Forschungen wird man die Fehlerquellen der Vergangenheit nicht identifizieren und daraus Schlüsse für die Zukunft ziehen können. Zu den klassischen Mitteln der Geschichte und Rechtsgeschichte treten hier – besonders bei zeitgeschichtlichen Fragenstellungen – die aus der Ethnologie bekannte Netzwerkforschung sowie die direkte Befragung der Akteure (oral history).

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Governance und Marketing

Bürokratiekritik

8 Rechtsgeschichte des Europarechts Europarecht ist seit etwa 1970 ein etabliertes Fach des geltenden Rechts. An Einführungslehrbüchern, Grundrissen und Handbüchern ist kein Mangel. Alle Stufen der europäischen Einigung haben ihre juristischen Kommentatoren gefunden. Spezielle Zeitschriften, Presse- und Online-Dienste liefern das jeweils Neueste aus Brüssel, Luxemburg und Straßburg. Kaum eine dieser Publikationen kommt ohne Hinweise auf die rezente Geschichte des Europarechts nach 1945 aus. Dies liegt schon deshalb nahe, weil die genetische Erklärung des nicht unkomplizierten institutionellen Aufbaus am eingängigsten ist. Man versteht „wie es geworden ist“. Von einer wirklichen Historisierung des Europarechts kann aber noch nicht gesprochen werden. Die aktiven Teilnehmer an Rechtsetzung und Rechtsprechung in Europa sind durchweg keine Historiker. Außerdem ist Europarecht in seiner Massenhaftigkeit und Flexibilität für Historiker und Rechtshistoriker nicht besonders anziehend. So bleibt die „nachdenkende“ Aufbereitung des Europarechts heute überwiegend eine Sache der Europarechtler selbst, der Politikwissenschaft und der Soziologie (Institutionensoziologie, Parteien- und Wahlforschung und anderer Teildisziplinen). Dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass eine Historisierung einsetzt. Die Europäische Union hat ein Archiv in Florenz/Fiesole, bietet also die wichtigste Grundlage für künftige historische Arbeiten. Die offiziellen Dokumente werden fortlaufend im Internet veröffentlicht (http://eur-lex.europa.eu). Wichtige Akteure, etwa Hallstein oder Hans von der Groeben, haben sich rückblickend und autobiographisch geäußert. Im Frankfurter Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte ist ein Forschungsfeld „Rechtsgeschichte der Europäischen Union“ eröffnet worden (Stefan Vogenauer). Schon jetzt finden sich dort Arbeiten zu Institutionen (Europäischer Gerichtshof, Juristischer Dienst der Europäischen Kommission), zur Entstehung der Römischen Verträge, zur Harmonisierung einiger Rechtsfelder. Es liegt auf der Hand, dass diese Arbeiten nicht ohne Austausch mit den (vor allem) französischen und italienischen Rechtshistorikern auf diesem immens großen Feld gedeihen können. Im Übrigen findet sich überall eine Fülle von historischen Ansätzen, vom einfachen europarechtlichen Grundriss bis zu dem vielbändigen Unternehmen des Heidelberger Max-Planck-Instituts https://doi.org/10.1515/9783110556957-008

Europarecht als Disziplin

Historisierung nach 1957

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg (Armin von Bogdandy) mit dem Titel „Ius Publicum Europaeum“. Jede Darstellung des geltenden Europarechts muss Entwicklungsgeschichte einarbeiten, weil anders der aktuelle Zustand nicht verständlich wäre. Umso nützlicher sind dann knappe und souverän geschriebene Überblicke wie von Frank Schorkopf, Der Europäische Weg. Grundlagen der Europäischen Union, Tübingen 2010, 2. Aufl. 2015. Ebenso muss die ausgezeichnete Freiburger Dissertation von Anna Katharina Mangold genannt werden, weil sie systematisch den Berührungsflächen von Rechtsgeschichte und Wissenschaftsgeschichte der Jurisprudenz zum geltenden Europarecht „in historisch-empirischer Sicht“ nachgeht (Mangold 2011). Mit anderen Worten: Hier entsteht etwas Neues – und vor allem Notwendiges; denn wenn Europa, wie in den letzten fünf Jahren, von Krise zu Krise taumelt, muss es sich seiner historischen Grundlagen vergewissern.

9 Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts Wissenschaftsgeschichte, soweit man darunter das Studium des internationalen intellektuellen Austauschs, der Schulenbildung und insgesamt die historische Erschließung von Beiträgen zu den wissenschaftlichen Weltbildern einer Zeit versteht, lebt von der Beobachtung von Kommunikation. Grenzen zeigen sich dabei nur an herkömmlichen Sprachräumen und an den eigenen Befangenheiten derer, die an der Kommunikation teilnehmen. In der europäischen Rechtswissenschaft sind die Sprachräume traditionell durch das Medium des Lateins gekennzeichnet – Ostrom und Byzanz bleiben in Distanz, werden aber seit dem Humanismus des 16. Jahrhunderts historisch erschlossen, etwa durch Johannes Leunclavius (1541–1594). Im Übrigen herrscht lebhaftester Austausch, dessen Schwerpunkte sich von Italien (12. –15. Jahrhundert) nach Frankreich (16. Jahrhundert), in die Niederlande (17.–18. Jahrhundert) und Deutschland (19. Jahrhundert) verlagern. Jedes Jahrhundert bringt bedeutende Juristen hervor, selbstverständlich auch das auf den ersten Blick „nichtrömische“ England. Überall werden das juristische Denken, seine Verbindung mit dem intellektuellen Klima der Zeit, seine Wirkungen und Rezeptionen erforscht. Schon immer konnte man davon ausgehen, dass die Netzwerke der Intellektuellen sich nicht an dynastische oder nationale Grenzen hielten, zumal wenn das Latein als „lingua franca“ diente, ähnlich wie im 18. und 19. Jahrhundert das Französische und heute das Englische. Die Fülle der Untersuchungen ist gar nicht zu überblicken. Bartolus und Baldus, Beccaria und Bentham, Bodin und Bracton, Anders Ørsted und Gerard Noodt, Feuerbach und Savigny, Otto von Gierke und Henry Sumner Maine, Grotius und viele hunderte kleinerer Sterne sind inzwischen mit einer reichen, oft subtilen Literatur überzogen. Es gibt französische, italienische, spanische und deutsche Juristenlexika,24 alle Länder ver-

24 Arabeyre, Patrick/Halpérin, Jean-Louis/Krynen, Jacques (Hrsg.), Dictionnaire historique des juristes français, XIIe–XXe siècle. Paris 2007; Birocchi, Italo/ Cortese, Ennio/Mattone, Antonello/Miletti, Marco Nicola (Hrsg.), Dizionario biografico dei giuristi italiani (XII–XX secolo). Bologna 2013, 2 Bde.; Domingo, Rafael (Hrsg.), Juristas universales. Madrid/Barcelona 2004, 4 Bde.; Kleinheyer, https://doi.org/10.1515/9783110556957-009

Zukunftsaussichten

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

Inner – und außereuropäische Kommunikation

fügen über Sammlungen von regionalen und nationalen Biographien, Verfasserlexika und sonstige Hilfsmittel. Sucht man den Einstieg nicht über einen biographisch identifizierbaren Juristen, sondern über eine bestimmte Fragestellung, dann helfen die zahlreich vorhandenen Sachwörterbücher weiter. Schließlich wird man zu den wissenschaftsgeschichtlichen Darstellungen des Privatrechts, Strafrechts und Öffentlichen Rechts geführt, um von dort wiederum zu Studien der Sozialgeschichte des Rechtsstudiums und zu den juristischen Berufen, zu Studien zur Geschichte der Rechtsschulen und Universitäten vorzustoßen. Ob man sich dabei auf einzelne Personen und ihre Werke, auf Schulzusammenhänge, bestimmte dogmatische Figuren im Kontext einer Zeit konzentriert, hängt von der individuellen Fragestellung ab. Oft werden biographische Angaben, Charakteristiken der Werke und des Schulzusammenhangs miteinander kombiniert. So hält es beispielsweise eine neue große Summe der skandinavischen Geschichte der Rechtswissenschaft in vier Bänden (Björne 1995–2007). Je nach „Leben und Werk“ der untersuchten Juristen breitet sich dann ein Netzwerk von „Beziehungen“ und „Einflüssen“ aus. Dieses Netzwerk umschließt zunehmend auch die außereuropäischen und eng verwandten Rechtskulturen, etwa diejenigen beider Amerika, der ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika, aber auch die durch verschiedene Fäden von „Rezeptionen“ mit Europa verbundenen Rechtskulturen Ostasiens. Doch muss man einräumen, dass die Hemmnisse im Maße der geographischen Entfernung und mit den sprachlichen Schwierigkeiten wachsen. Es sind Glücksfälle, wenn etwa ein juristisch ausgebildeter Japanologe sich mit der Geschichte des Völkerrechts und der dazu gehörenden Wissenschaftsgeschichte beschäftigt (Zachmann 2013). Am ehesten ist wohl die Geschichte des Völkerrechts und der Völkerrechtswissenschaft geeignet, große Räume zu überspannen. Aber das Netz hat, um im Bilde zu bleiben, große Löcher, und es ist auch nicht aus einerlei methodischem Garn gestrickt. Selbst bei

Gerd und Schröder, Jan (Hrsg.), Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Eine biographische Einführung in die Geschichte der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. Heidelberg 2017; Stolleis, Michael (Hrsg.), Juristen. Ein biographisches Lexikon von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, 2. Aufl. München 2001.

9 Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts

grundsätzlicher Bereitschaft zur Grenzüberschreitung gibt es pragmatische Gründe, sich zunächst einmal auf die Bewältigung der Forschungsaufgaben im eigenen Land zu beschränken, so (im Fall des Autors) bei der Erschließung der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit oder bei der Konzeption einer Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts „in Deutschland“ – ungeachtet der auf der Hand liegenden europäischen Vernetzungen. Bleiben wir bei der Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts. Unabhängig von den genannten traditionellen nationalen, sprachlichen und geographischen Begrenzungen der Verfassungsund Verwaltungsgeschichte samt Wissenschaftsgeschichte gibt es eine rechtstheoretische Frage, die auch die Rechtsgeschichte erfasst. Versteht man die genannten Teildisziplinen insgesamt als Geschichte des „öffentlichen“ Rechts, dann reproduziert man eine in Deutschland erst am Ende des 19. Jahrhunderts eingeführte und bald als apriorisch angesehene Dichotomie. Man setzt eine Besonderheit als allgemeingültig voraus, die nur auf dem Hintergrund der kontinentaleuropäischen Entwicklung verständlich gemacht werden kann. Es besteht Einigkeit darüber, dass „schon die alten Römer“ die Unterscheidung von ius privatum und ius publicum gekannt haben (Inst. 1.1.4; Dig. 1.1.2) und dass diese grobe Einteilung der Rechtsmassen auch während des ganzen Mittelalters bekannt war und kommentiert worden ist. Sie gab einen Anhalt, die Sphäre öffentlicher Herrschaft von den Fragen des Privatlebens zu unterscheiden. Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts schlug sich, wie gesagt, die Dichotomie auch in separaten Lehrveranstaltungen zum ius publicum nieder. Das führte jedoch nicht zur Vorstellung, es gebe zwei durch prinzipielle Schranken getrennte Rechtswelten. Eine solche Vorstellung konnte sich sichtlich erst in der politischen Situation des frühen 19. Jahrhunderts verfestigen, als sich dem „noch“ absolutistisch verfassten „Staat“ eine nach Möglichkeiten der wirtschaftlichen und politischen Entfaltung suchende „Gesellschaft“ gegenüberstellte. Von da an sprach man von „Staatswissenschaften“ und „Gesellschaftswissenschaften“, trennte scharf zwischen staatlicher Reglementierung und gesellschaftlicher Entfaltung und schützte Letztere durch Verfassungsgarantien von Freiheiten (Gewerbe- und Eigentumsfreiheit, politische Freiheitsrechte, Garantien des Rechtsstaats usw.). Erst seither sah man öffentliches Recht (unter Einschluss des Strafrechts) und Privatrecht scharf getrennt. Aber schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann man wieder einzusehen,

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Teil 3 Probleme und Perspektiven der Forschung

dass dies nur eine „Idee“ war, die der Rechtswirklichkeit nicht mehr entsprach. Denn der nun wieder entstehende Interventionsstaat, der seinerseits Traditionen des älteren Wohlfahrtsstaats aufnahm, ebnete die Grenzen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht wieder ein. Erinnert sei an die Sozialversicherung, an Arbeitsrecht und Kartellrecht, an das Kriegsverwaltungsrecht des Ersten Weltkriegs, das Krisenmanagement der Weimarer Republik und den Nationalsozialismus, der die Unterscheidung von öffentlich und privat nicht nur propagandistisch, sondern auch in seiner Praxis leugnete. Die Bundesrepublik ist zu keinem Zeitpunkt zu einem Modell sauberer Trennung von Privatrecht und öffentlichem Recht zurückgekehrt, erst recht nicht die Deutsche Demokratische Republik, die programmatisch die Einheit von Staat und Gesellschaft voraussetzte. Heute lassen die Verflechtungen der modernen Industriegesellschaft die Trennungen von öffentlichem Recht und Privatrecht nicht zu. Im Zeichen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben und von Private-Public-Partnership (PPP) findet eine weitgehende Verschränkung der Sphären öffentliche Förderung. Wenn gleichwohl der „Rechtsstaat“ und die „Grundrechte“ als Erbe des 19. Jahrhunderts bewahrt werden, dann wird dies überwiegend als Schutz der Privatheit verstanden, nicht aber als Schutz der Gesellschaft als solcher vor dem Zugriff des demokratischen Gesetzgebers. Dass die genannte Verschränkung der Sphären im Zeitalter des Europarechts und der Globalisierung rasch immer dichter wird, bestätigt, dass die Vorstellung, es gebe ein fest abgrenzbares öffentliches Recht (oder Privatrecht) eher ein Phantom des 19. Jahrhunderts ist. Heute und wohl auch künftig wird diese Unterscheidung wieder auf ihre ehemalige didaktische Funktion reduziert werden. Insofern müssen sich die Disziplinen der „Privatrechtsgeschichte“ und der „Geschichte des öffentlichen Rechts“ selbstkritisch fragen, ob sie nicht zur Unterscheidung ihrer Stoffmassen, leitenden Hypothesen, Forschungsdisziplinen und Lehrstühle immer noch eine solche zeitbedingte Dichotomie zugrunde legen. Wenn sich der historisch gewachsene frühmoderne Staat und der auf ihm aufbauende souveräne Nationalstaat des 19. und 20. Jahrhunderts so sehr verändern, dass sich staats- und völkerrechtlich ganz neue Konturen bilden, während der Staat gleichzeitig – unter welchem Namen auch immer – die Bedürfnisse des Alltags der Menschen zu befriedigen und die ebenso alltäglichen

9 Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts

Gefahren abzuwehren hat (Daseinsvorsorge, Sicherheit), wird auch das ihn konstituierende „öffentliche“ Recht seinen Charakter verändern. Es wird wieder stärker mit Privatrecht, Strafrecht und Völkerrecht verflochten sein, und zwar gleichermaßen in europäischen wie außereuropäischen Rechtsordnungen. Ginge in dieser Weise die im 19. Jahrhundert scheinbar so klar abgrenzbare Rolle des öffentlichen Rechts zu Ende, würde dies zur Reintegration der heute weitgehend separat agierenden Rechtsgeschichten des Privatrechts, Strafrechts und öffentlichen Rechts führen. Das wäre auch sachgerecht; denn die zu erforschenden Lebenssachverhalte haben sich nie an die akademischen Fächergrenzen gehalten. Ein Übergang zu einer Forschungsperspektive, die sich von älteren Unterrichtsformen löst und dazu übergeht, die Funktion von Recht und von Rechtsänderungen im Kontext der gesamten gelebten Rechtsordnung zu untersuchen, wäre deshalb zu fördern. Dann wären Staat und Verfassung, Verwaltung und Verwaltungsrecht wieder selbstverständliche Gegenstände der allgemeinen Rechtsgeschichte. Diese müsste sich schon jetzt, soweit irgend möglich, der Interaktion von Herrschaft und Freiheit, Staat und Gesellschaft widmen. Die Ordnungsleistung des „Staates“ ist nur eine der Determinanten, die das menschliche Leben – von seiner normativen Seite betrachtet – bestimmen. Der größere Rest wird von individuellen Entscheidungen, Gruppen aller Art oder nichtstaatlichen Institutionen erledigt, meist in Formen des Privatrechts. Die Geschichte des Rechts könnte sich in dieser Lage darauf konzentrieren, herauszufinden, wie sich normatives Denken und menschliches Handeln interaktiv zueinander verhalten. Geschichtliche Abläufe, die wir durch Reduktion und Interpretation von Informationen zu erkennen meinen, entstehen aus unzähligen Akten (Handlungen) und Sprechakten. Letztere wiederum sind Teil der Mental- oder Ideengeschichte, die ohne engste Verzahnung mit den historischen (sozialen und ökonomischen) Voraussetzungen dieser Ideen ebenso unvollkommen ist wie eine Beschreibung von Realgeschichte ohne die parallele Denkarbeit der Akteure oder deren Stichwortgeber. Die Idee mag der Gestaltung vorauseilen, aber ebenso häufig ist die Erklärung scheinbar chaotischer Fakten auch erst in rückblickender Betrachtung gewonnen worden.

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Wiedergewinnung der Einheit der Rechtsgeschichte

Teil 4: Bibliographie und Verzeichnisse

10 Bibliographie Amira 1876 = Amira, Karl von, Ueber Zweck und Mittel der germanischen Rechtsgeschichte. Akademische Antrittsrede vom 15.12.1875. München 1876 Arndt 1961 = Arndt, Adolf, Der Rechtsstaat und sein polizeilicher Verfassungsschutz? In: Neue Juristische Wochenschrift 14 (1961), S. 897–902 Badura 1967 = Badura, Peter, Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates. Methodische Überlegungen zur Entstehung des wissenschaftl. Verwaltungsrechts. Göttingen 1967 Björne 1995–2007 = Björne, Lars, Den nordiska rättsvetenskapens historia. Stockholm 1995–2007, 4 Bde. Bleek 1972 = Bleek, Wilhelm, Von der Kameralausbildung zum Juristenprivileg. Studium, Prüfung und Ausbildung der höheren Beamten des allgemeinen Verwaltungsdienstes in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert. Berlin 1972 Bleek 2001 = Bleek, Wilhelm, Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland. München 2001 Böckenförde 1995 = Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert. Zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder, 2. Aufl. Berlin 1995 Böckenförde 2016 = Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte, 6. Aufl. Frankfurt am Main 2016 Boldt 1984 = Boldt, Hans, Einführung in die Verfassungsgeschichte. Zwei Abhandlungen zu ihrer Methodik und Geschichte. Düsseldorf 1984 Bornhak 1884–1886 = Bornhak, Conrad, Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts. Berlin 1884–1886, 3 Bde. Bornhak 1968 = Bornhak, Conrad, Deutsche Verfassungsgeschichte vom westfälischen Frieden an, Neudr. Aalen 1968 Bornhak 1979 = Bornhak, Conrad, Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, Neudr. Köln 1979 Burkhardt 2006 = Burkhardt, Martin, Arbeiten im Archiv. Praktischer Leitfaden für Historiker und andere Nutzer. Paderborn/München/Wien 2006 Cancik 2011 = Cancik, Pascale, Verwaltungsrechtsgeschichte. In: Rechtsgeschichte 19 (2011), S. 30–34 Cancik 2017 = Cancik, Pascale, Zuviel Staat? – Die Institutionalisierung der „Bürokratie“-Kritik im 20. Jahrhundert. In: Der Staat 56 (2017), S. 1–38 Coing 1985 = Coing, Helmut, Europäisches Privatrecht, Bd. 1: Älteres gemeines Recht (1500–1800). München 1985 Coing 1989 = Coing, Helmut, Europäisches Privatrecht, Bd. 2: 19. Jh., Überblick über die Entwicklung des Privatrechts in den ehemals gemeinrechtlichen Ländern. München 1989 Collin/Bender/Ruppert/Seckelmann/Stolleis (Hrsg.) 2011 = Selbstregulierung im 19. Jahrhundert – zwischen Autonomie und staatlichen Steuerungsansprüchen, hrsg. von Peter Collin, Gerd Bender, Stefan Ruppert, Margrit Seckelmann und Michael Stolleis. Frankfurt am Main 2011 Collin/Bender/Ruppert/Seckelmann/Stolleis (Hrsg.) 2012 = Regulierte Selbstregulierung im frühen Interventions- und Sozialstaat, hrsg. von Peter Collin, Gerd Bender, Stefan Ruppert, Margrit Seckelmann und Michael Stolleis. Frankfurt am Main 2012 Collin/Bender/Ruppert/Seckelmann/Stolleis (Hrsg.) 2014 = Regulierte Selbstregulierung in der westlichen Welt des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, hrsg. von Peter Collin, Gerd Bender, Stefan Ruppert, Margrit Seckelmann und Michael Stolleis. Frankfurt am Main 2014 Conrads 1982 = Conrads, Norbert, Ritterakademien der Frühen Neuzeit. Bildung als Standesprivileg im 16. und 17. Jahrhundert. Göttingen 1982

https://doi.org/10.1515/9783110556957-010

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Teil 4 Bibliographie und Verzeichnisse

Cunz 1936 = Cunz, Dieter, Europäische Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Leipzig 1936 Dahlmann 1997 = Dahlmann, Friedrich Christoph, Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt, hrsg. von Wilhelm Bleek. Frankfurt am Main 1997 Dennewitz 1948 = Dennewitz, Bodo, Die Systeme des Verwaltungsrechts. Ein Beitrag zur Geschichte der modernen Verwaltungswissenschaft. Hamburg 1948 Dilcher 1982 = Dilcher, Gerhard, Landsberg, Ernst. In: Neue Deutsche Biographie, Bd. 13: Krell – Laven, hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1982, S. 511–512 Dilcher/Quaglioni (Hrsg.) 2009–2011 = Die Anfänge des öffentlichen Rechts/Gli inizi del diritto pubblico, hrsg. von Gerhard Dilcher und Diego Quaglioni. Berlin/Bologna 2009–2011, 3 Bde. Duve 1998 = Duve, Thomas, Normativität und Empirie im öffentlichen Recht und der Politikwissenschaft um 1900. Historisch-systematische Untersuchung des Lebens und Werks von Richard Schmidt (1862–1944) und der Methodenentwicklung seiner Zeit. Ebelsbach 1998 Duve 2012 = Duve, Thomas, Von der Europäischen Rechtsgeschichte zu einer Rechtsgeschichte Europas in globalhistorischer Perspektive. In: Rechtsgeschichte – Legal History 20 (2012), S. 18–71 Duve (Hrsg.) 2014 = Entanglements in Legal History: Conceptual Approaches, hrsg. von Thomas Duve. Frankfurt am Main 2014 Eckel 2015 = Eckel, Jan, Die Ambivalenz des Guten. Menschenrechte in der internationalen Politik seit den 1940ern, 2. Aufl. Göttingen 2015 Ehlers 2016 = Ehlers, Caspar, Rechtsräume. Ordnungsmuster im Europa des frühen Mittelalters. Berlin 2016 Eichhorn 1843–1844 = Eichhorn, Carl Friedrich, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, 5. Aufl. Göttingen 1843–1844, 4 Bde. Etter 1966 = Etter, Else-Lilly, Tacitus in der Geistesgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts. Basel/ Stuttgart 1966 Feist 1968 = Feist, Hans-Joachim, Die Entstehung des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin. München 1968 Feldkamp 2002 = Feldkamp, Michael F., Regentenlisten und Stammtafeln zur Geschichte Europas. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Stuttgart 2002 Friedrich 1997 = Friedrich, Manfred, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft. Berlin 1997 Gierke 1880 = Gierke, Otto von, Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Rechtssystematik. Breslau 1880 Grossi 2010 = Grossi, Paolo, Das Recht in der europäischen Geschichte. München 2010 Grothe 2005 = Grothe, Ewald, Zwischen Geschichte und Recht. Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900–1970. München 2005 Gudian 1973 = Gudian, Gunter, Die grundlegenden Institutionen der Länder. In: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäische Privatrechtsgeschichte, Bd. 1: Mittelalter (1100–1500). Die gelehrten Rechte und die Gesetzgebung, hrsg. von Helmut Coing. München 1973, S. 401–466 Häberle 1994 = Häberle, Peter, Europäische Rechtskultur. Versuch einer Annäherung in zwölf Schritten. Baden-Baden 1994 Häberle 2016 = Häberle, Peter, Vergleichende Verfassungstheorie und Verfassungspraxis. Letzte Schriften und Gespräche. Berlin 2016 Hammerstein 1972 = Hammerstein, Notker, Jus und Historie. Ein Beitrag zur Geschichte des historischen Denkens an deutschen Universitäten im späten 17. und im 18. Jahrhundert. Göttingen 1972

10 Bibliographie

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Hammerstein (Hrsg.) 1995 = Staatslehre der frühen Neuzeit, hrsg. von Notker Hammerstein. Frankfurt am Main 1995 Hanisch 1994 = Hanisch, Ernst, Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Wien 1994 Härter (Hrsg.) 2000 = Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, hrsg. von Karl Härter. Frankfurt am Main 2000 Härter 2017 = Härter, Karl, Strafrechts- und Kriminalitätsgeschichte der Frühen Neuzeit. Berlin 2017 Hartung 1956 = Hartung, Fritz, Zur Entwicklung der Verfassungsgeschichtsschreibung in Deutschland. Berlin 1956 Hartung 1969 = Hartung, Fritz, Deutsche Verfassungsgeschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 9. Aufl. Paderborn 1969 Hatschek 1978 = Hatschek, Julius, Englische Verfassungsgeschichte bis zum Regierungsantritt der Königin Victoria, 2. Aufl., hrsg. von Walther Kienast und Gerhard A. Ritter. Aalen 1978 Hattenhauer 1992 = Hattenhauer, Hans, Europäische Rechtsgeschichte. Heidelberg 1992, 4. Aufl. 2004 Helfritz 1944 = Helfritz, Hans, Volk und Staat. Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Mit einem Abriß der Staatstheorien, 4. Aufl. Berlin 1944 Henning 1984 = Henning, Hansjoachim, Die deutsche Beamtenschaft im 19. Jahrhundert. Zwischen Stand und Beruf. Stuttgart 1984 Hintze 1902 = Hintze, Otto, Staatenbildung und Verfassungsentwicklung. Eine historisch-politische Studie. In: Historische Zeitschrift 88 (1902), S. 1–21 Hintze 1941 = Hintze, Otto, Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Verfassungsgeschichte, Bd. 1: Staat und Verfassung, hrsg. von Fritz Hartung. Leipzig 1941 Hölscher 2004 = Hölscher, Lucian, Öffentlichkeit. In: Geschichtliche Grundbegriffe: Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 4: Mi–Pre, 2. Aufl., hrsg. von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck. Stuttgart 2004, S. 413–467 Janik/Toulmin 1973 = Janik, Allan und Toulmin, Stephen Edelston, Wittgenstein’s Vienna. New York 1973 Jellinek 1914 = Jellinek, Georg, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., hrsg. von Walter Jellinek. Berlin 1914 Jeserich/Pohl/Unruh (Hrsg.) 1983–1988 = Deutsche Verwaltungsgeschichte, hrsg. von Kurt Jeserich, Hans Pohl und Georg-Christoph von Unruh. Stuttgart 1983–1988, 5 Bde. und Registerband Kley 2011 = Kley, Andreas, Geschichte des öffentlichen Rechts der Schweiz. Zürich 2011 Kley 2013 = Kley, Andreas, Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Großbritannien, die USA, Frankreich, Deutschland und die Schweiz, 3. Aufl. Bern 2013 Köbler 2007 = Köbler, Gerhard, Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 7. Aufl. München 2007 Koschaker 1938 = Koschaker, Paul, Die Krise des römischen Rechts und die romanistische Rechtswissenschaft. München/Berlin 1938 Koschaker 1966 = Koschaker, Paul, Europa und das römische Recht, 4. Aufl. München 1966 Kroeschell 1999 = Kroeschell, Karl, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1: Bis 1250, 11. Aufl. Opladen 1999 Kroeschell 2001 = Kroeschell, Karl, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 3: Seit 1650, 3. Aufl. Opladen 2001 Kroeschell 2007 = Kroeschell, Karl, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2: (1250–1650), 9. Aufl. Opladen 2007

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Teil 4 Bibliographie und Verzeichnisse

Liebrecht 2016 = Liebrecht, Johannes, Fritz Kern und das gute alte Recht. Geistesgeschichte als neuer Zugang für die Mediävistik. Frankfurt am Main 2016 Lübbe 1989 = Lübbe, Anna, Die deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Machtergreifung. In: Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Disziplin, hrsg. von Michael Stolleis und Dieter Simon. Tübingen 1989, S. 63–78 Maier 2009 = Maier, Hans, Gesammelte Schriften, Bd. 4: Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft). Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Wissenschaft in Deutschland. München 2009 Maier/Stolleis (Hrsg. der Reihe) 1994–2001 = Bibliothek des deutschen Staatsdenkens, hrsg. von Hans Maier und Michael Stolleis. Frankfurt am Main 1994–2001, 15 Bde. Mangold 2011 = Mangold, Anna Katharina, Gemeinschaftsrecht und deutsches Recht. Die Europäisierung der deutschen Rechtsprechung in historisch-empirischer Sicht. Tübingen 2011 Mayer 1899 = Mayer, Ernst, Mittelalterliche Verfassungsgeschichte. Deutsche und französische Verfassungsgeschichte vom 9. bis zum 14. Jahrhundert. Leipzig 1899, 2 Bde. Mayer 1909 = Mayer, Ernst, Italienische Verfassungsgeschichte von der Gothenzeit bis zur Zunftherrschaft. Leipzig 1909, 2 Bde. Meinecke 1936 = Meinecke, Friedrich, Die Entstehung des Historismus. München/Berlin 1936 Mitteis 1981 = Mitteis, Heinrich, Deutsches Privatrecht, 9. Aufl., hrsg. von Heinz Lieberich. München 1981 Mohl 1855–1858 = Mohl, Robert von, Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften. In Monographien dargestellt. Erlangen 1855–1858, 3 Bde. Mohnhaupt/Grimm 2002 = Mohnhaupt, Heinz und Grimm, Dieter, Verfassung. Zur Geschichte des Begriffs von der Antike bis zur Gegenwart. Zwei Studien, 2. Aufl. Berlin 2002 Neuhaus (Hrsg.) 2010 = Verfassungsgeschichte in Europa. Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar vom 27. bis 29. März 2006, hrsg. von Helmut Neuhaus. Berlin 2010 Nippel 1980 = Nippel, Wilfried, Mischverfassungstheorie und Verfassungsrealität in Antike und früher Neuzeit. Stuttgart 1980 Padoa Schioppa 2016 = Padoa Schioppa, Antonio, Storia del diritto in Europa. Dal medioevo all’età contemporanea, 2. Aufl. Bologna 2016 Raeff 1983 = Raeff, Marc, The Well-Ordered Police State. Social and Institutional Change through Law in the Germanies and Russia, 1600–1800. New Haven 1983 Rehm 1899 = Rehm, Hermann, Allgemeine Staatslehre. Freiburg im Breisgau 1899 Reimann (Hrsg.) 2014 = Praktische Archivkunde. Ein Leitfaden für Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste, 3. Aufl., hrsg. von Norbert Reimann. Münster 2014 Reinhard 2002 = Reinhard, Wolfgang, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, 3. Aufl. München 2002 Schellhase 1976 = Schellhase, Kenneth C., Tacitus in Renaissance Political Thought. Chicago 1976 Schindler 2016 = Schindler, Benjamin, Verwaltungsrechtswissenschaft und Geschichtsschreibung. Narrative über Vergangenes — Versuch einer Typologie. In: Administory 1 (2016), S. 54–77 Schmidt 1969 = Schmidt, Richard, Allgemeine Staatslehre, Bd. 2: Die verschiedenen Formen der Staatsbildung, Bd. 2, Neudr. Aalen 1969 Schminnes 1994 = Schminnes, Bernd, Bildung und Staatsbildung. Theoretische Bildung und hohere Staatsverwaltungstatigkeit. Entwicklungen in Preussen im 18. und fruhen 19. Jahrhundert. Kleve 1994 Schmitt 1936 = Schmitt, Carl, Über die neuen Aufgaben der Verfassungsgeschichte. In: Jahrbuch der Akademie für Deutsches Recht 3 (1936), S. 10–15

10 Bibliographie

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Schmitt 1940 = Schmitt, Carl, Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles, 1923–1939. Hamburg 1940 Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.) 2003 = Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. 1: Allgemeiner Teil, §§ 1–240, hrsg. von Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert und Reinhard Zimmermann. Tübingen 2003 Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.) 2007a = Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. 2: Schuldrecht – Allgemeiner Teil, 1. Teilbd.: §§ 241–432, hrsg. von Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert und Reinhard Zimmermann. Tübingen 2007a Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.) 2007b = Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. 2: Schuldrecht – Allgemeiner Teil, 2. Teilbd.: §§ 305–432, hrsg. von Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert und Reinhard Zimmermann. Tübingen 2007b Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.) 2013a = Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. 3: Schuldrecht – Besonderer Teil, 1. Teilbd.: §§ 433–656, hrsg. von Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert und Reinhard Zimmermann. Tübingen 2013a Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.) 2013b = Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, Bd. 3: Schuldrecht – Besonderer Teil, 2. Teilbd.: §§ 657–853, hrsg. von Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert und Reinhard Zimmermann. Tübingen 2013b Schorkopf 2015 = Schorkopf, Frank, Der europäische Weg. Grundlagen der Europäischen Union, 2. Aufl. Tübingen 2015 Schulte 1933 = Schulte, Aloys, Der deutsche Staat. Verfassung, Macht und Grenzen 919–1914, Neudr. Stuttgart 1933 Schusterová 2016 = Schusterová, Magda, Der Friedensvertrag Georgs von Podiebrad von 1464 vor dem Hintergrund der spätmittelalterlichen Vertragspraxis. Göttingen 2016 Scupin/Scheuner (Hrsg.) 1973 = Althusius-Bibliographie. Bibliographie zur politischen Ideengeschichte und Staatslehre, zum Staatsrecht und zur Verfassungsgeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts, hrsg. von Hans Ulrich Scupin und Ulrich Scheuner. Berlin 1973, 2 Bde. Siebels 2011 = Siebels, Volker, Ernst Landsberg (1860–1927). Ein jüdischer Gelehrter im Kaiserreich. Tübingen 2011 Simon 2004 = Simon, Thomas, »Gute Policey«. Ordnungsleitbilder und Zielvorstellungen politischen Handelns in der frühen Neuzeit. Frankfurt am Main 2004 Simon (Hrsg.) 2017 = Konflikt und Koexistenz. Die Rechtsordnungen Südosteuropas im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 2: Serbien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, hrsg. von Thomas Simon. Frankfurt am Main 2017 Skinner 1978 = Skinner, Quentin, The Foundation of Modern Political Thought. Cambridge 1978 Stackelberg 1960 = Stackelberg, Jürgen von, Tacitus in der Romania. Studien zur literarischen Rezeption des Tacitus in Italien und Frankreich. Tübingen 1960 Stadler (Hrsg.) 1997 = Wissenschaft als Kultur. Österreichs Beitrag zur Moderne, hrsg. von Friedrich Stadler. Wien/New York 1997 Stolleis 1992 = Stolleis, Michael, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft 1800 bis 1914. München 1992 Stolleis (Hrsg.) 1995 = Staatsdenker in der frühen Neuzeit, 3. Aufl., hrsg. von Michael Stolleis. München 1995 Stolleis (Hrsg.) 1996 = Policey im Europa der Frühen Neuzeit, hrsg. von Michael Stolleis. Frankfurt am Main 1996 Stolleis 2012 = Stolleis, Michael, Entwicklungsstufen der Verwaltungsrechtswissenschaft. In: Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1: Methoden, Maßstäbe, Aufgaben, Organisation,

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Teil 4 Bibliographie und Verzeichnisse

2. Aufl., hrsg. von Wolfgang Hoffmann-Riem, Eberhard Schmidt-Aßmann und Andreas Voßkuhle. München 2012, S. 65–121 Stolleis 2014 = Stolleis, Michael, Öffentliches Recht in Deutschland. Eine Einführung in seine Geschichte (16.–21. Jahrhundert). München 2014 Stolleis (Hrsg.) 2015 = Konflikt und Koexistenz. Die Rechtsordnungen Südosteuropas im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1: Rumänien, Bulgarien, Griechenland, hrsg. von Michael Stolleis. Frankfurt am Main 2015 Stolleis 2017 = Stolleis, Michael, Verfassungs(ge)schichten. Mit Kommentaren von Christoph Gusy u. Anna-Bettina Kaiser. Tübingen 2017 Sürek 2016 = Sürek, Tunay, Die Verfassungsbestrebungen der Tanzimât-Periode. Das Kanun-i-Esasî – Die Osmanische Verfassung von 1876. Frankfurt am Main 2016 Vismann 2000 = Vismann, Cornelia, Akten. Medientechnik und Recht. Frankfurt am Main 2000 Weber 2002 = Weber, Matthias, Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577. Frankfurt am Main 2002 Wesel 2010 = Wesel, Uwe, Geschichte des Rechts in Europa. Von den Griechen bis zum Vertrag von Lissabon. München 2010 Willoweit 2013a = Willoweit, Dietmar, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands, 7. Aufl. München Willoweit/Seif (Hrsg.) 2003 = Europäische Verfassungsgeschichte, hrsg. von Dietmar Willoweit und Ulrike Seif. München 2003 Winkler 2014 = Winkler, Viktor, Der Kampf gegen die Rechtswissenschaft. Franz Wieackers „Privatrechtsgeschichte der Neuzeit“ und die deutsche Rechtswissenschaft des 20. Jahrhunderts. Hamburg 2014 Wittreck 2004 = Wittreck, Fabian, Weimarer Landesverfassungen. Die Verfassungsurkunden der deutschen Freistaaten 1918–1933. Tübingen 2004 Wolff 2004 = Wolff, Christian von, Vernünftige Gedanken von dem gesellschaftlichen Leben der Menschen und insonderheit dem gemeinen Wesen. „Deutsche Politik“, hrsg. von Hasso Hofmann. München 2004 Wunder 1986 = Wunder, Bernd, Geschichte der Bürokratie in Deutschland. Frankfurt am Main 1986 Wunder 1987 = Wunder, Bernd, Bürokratie: Die Geschichte eines politischen Schlagwortes. In: Verwaltung und ihre Umwelt. Festschrift für Thomas Ellwein, hrsg. von Arienne WindhoffHéritier. Opladen 1987, S. 277–301 Wyduckel 1979 = Wyduckel, Dieter, Princeps Legibus Solutus. Eine Untersuchung zur frühmodernen Rechts- und Staatslehre. Berlin 1979 Wyduckel 1984 = Wyduckel, Dieter, Ius Publicum. Grundlagen und Entwicklung des öffentlichen Rechts und der deutschen Staatsrechtswissenschaft. Berlin 1984 Zachmann 2013 = Zachmann, Urs Matthias, Völkerrechtsdenken und Außenpolitik in Japan, 1919– 1960. Baden-Baden 2013 Zweigert/Kötz 1996 = Zweigert, Konrad und Kötz, Hein, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl. Tübingen 1996

11 Auswahlbibliographie 11.1 Verfassungsgeschichte Böckenförde, Ernst-Wolfgang (Hrsg.), Moderne Deutsche Verfassungsgeschichte (1815–1918), 2. Aufl. Königstein 1981 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert. Zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder, 2. Aufl. Berlin 1995 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Recht, Staat, Freiheit, Studien zur Rechtsphilosophie, Staatstheorie und Verfassungsgeschichte, 6. Aufl. Frankfurt am Main 2016 Brandt, Hardtwig, Der lange Weg in die demokratische Moderne. Deutsche Verfassungsgeschichte von 1800 bis 1945. Darmstadt 1998 Feist, Hans-Joachim, Die Entstehung des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin. München 1968 Fenske, Hans, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Norddeutschen Bund bis heute, 4. Aufl. Berlin 2006 Fioravanti, Maurizio, Costituzione. Bologna 1999 Forsthoff, Ernst, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 4. Aufl. Stuttgart 1972 Friedrich, Manfred, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft. Berlin 1997 Frotscher, Werner und Pieroth, Bodo, Verfassungsgeschichte, 15. Aufl. München 2016 Grimm, Dieter, Deutsche Verfassungsgeschichte 1776–1866. Vom Beginn des modernen Verfassungsstaats bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, 3. Aufl. Frankfurt am Main 1995 Grothe, Ewald, Zwischen Geschichte und Recht. Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900– 1970. München 2005 Gusy, Christoph, Die Weimarer Reichsverfassung. Tübingen 1997 Hammerstein, Notker, Jus und Historie. Ein Beitrag zur Geschichte des historischen Denkens an deutschen Universitäten im späten 17. und im 18. Jahrhundert. Göttingen 1972 Hammerstein, Notker, Aufklärung und katholisches Reich. Untersuchungen zur Universitätsreform und Politik katholischer Territorien des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation im 18. Jahrhundert. Berlin 1977 Hartung, Fritz, Zur Entwicklung der Verfassungsgeschichtsschreibung in Deutschland. Berlin 1956 Hartung, Fritz, Staatsbildende Kräfte der Neuzeit. Gesammelte Aufsätze. Berlin 1961 Hartung, Fritz, Deutsche Verfassungsgeschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 9. Aufl. Paderborn 1969 Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bde. 1–4 in 2. bzw. 3. Aufl. Stuttgart/Berlin/Köln 1957–1991, 8 Bde. Kirsch, Martin und Schiera, Pierangelo (Hrsg.), Verfassungswandel um 1848 im europäischen Vergleich. Berlin 2001 Kröger, Klaus, Einführung in die jüngere deutsche Verfassungsgeschichte (1806–1933). Ein Grundriss ihrer Entwicklungslinien. München 1988 Lübbe, Anna, Die deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Machtergreifung. In: Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Disziplin, hrsg. von Michael Stolleis und Dieter Simon. Tübingen 1989, S. 63–78 Menger, Christian-Friedrich, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Eine Einführung in ihre Grundlagen, 8. Aufl. Heidelberg 1993 Neuhaus, Helmut (Hrsg.), Verfassungsgeschichte in Europa. Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar vom 27. bis 29. März 2006. Berlin 2010 https://doi.org/10.1515/9783110556957-011

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Teil 4 Bibliographie und Verzeichnisse

Quaritsch, Helmut (Hrsg.), Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichtsschreibung. Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar am 30./31. März 1981. Berlin 1983 Reinhard, Wolfgang, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, 3. Aufl. München 2002 Sante, Georg Wilhelm (Hrsg.), Geschichte der deutschen Länder, Bd. 1: Die Territorien bis zum Ende des alten Reiches. Würzburg 1964 Sante, Georg Wilhelm (Hrsg.), Geschichte der deutschen Länder, Bd. 2: Die deutschen Länder vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart. Würzburg 1971 Scheyhing, Robert, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit. Köln 1968 Schulze, Reiner (Hrsg.), Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte. Ergebnisse und Perspektiven der Forschung. Berlin 1991 Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Staatsrechts, Bd. 5: Die Verfassungsentwicklung vom Alten Deutschen Reich zur wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland. München 2000 Whaley, Joachim, Das Heilige Römische Reich deutscher Nation und seine Territorien (1493–1648), Bd. 1: Von Maximilian I. bis zum Westfälischen Frieden, 1493–1648. Darmstadt 2014a Whaley, Joachim, Das Heilige Römische Reich deutscher Nation und seine Territorien (1493–1648), Bd. 2: Vom Westfälischen Frieden zur Auflösung des Reichs, 1648–1806. Darmstadt 2014b Willoweit, Dietmar, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands, 7. Aufl. München 2013a Willoweit, Dietmar, Reich und Staat. Eine kleine deutsche Verfassungsgeschichte. München 2013b Wyduckel, Dieter, Princeps Legibus Solutus. Eine Untersuchung zur frühmodernen Rechts- und Staatslehre. Berlin 1979

11.2 Verwaltungsgeschichte Bjerkén, Torsten, Administrative History in Sweden. In: Jahrbuch für Europäische Verwaltungsgeschichte, Bd. 10: Naturnutzung und Naturschutz in der europäischen Rechts- und Verwaltungsgeschichte, hrsg. von Erk Volkmar Heyen. Baden-Baden 1999, S. 333–347 Bogdandy, Armin von/Cassese, Sabino/Huber, Peter M. (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 3: Verwaltungsrecht in Europa. Grundlagen. Heidelberg 2010 Cianferotti, Giulio, Storia della Letteratura Amministrativistica italiana, Bd. 1: Dall’ Unità alla Fine dell’ Ottocento autonomie locali, amministrazione e costituzione. Mailand 1998 Heyen, Erk Volkmar, Kultur und Identität in der europäischen Verwaltungsrechtsvergleichung – mit Blick auf Frankreich und Schweden. Vortrag gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 26. Januar 2000, Neudr. Berlin/Boston 2012 Hoeck, Joachim, Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin 2003 Istituto per la scienza dell’amministrazione pubblica (Hrsg.), L’Amministrazione nella Storia Moderna. Mailand 1985, 2 Bde. Jeserich, Kurt/Pohl, Hans/Unruh, Georg-Christoph von (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte. Stuttgart 1983–1988, 5 Bde. und Registerband Krynen, Jacques, L’État de justice. France, XIIIe–XXe siècles, Bd. 1: L’idéologie de la magistrature ancienne. Paris 2009

11 Auswahlbibliographie

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Kumlien, Mats und Modéer, Kjell Åke, Schweden. In: Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. 3: Verwaltungsrecht in Europa. Grundlagen, hrsg. von Armin von Bogdandy, Sabino Cassese und Peter Michael Huber. Heidelberg 2010, S. 273–312 Sandulli, Aldo, Costruire Lo Stato. La Scienza del Diritto Amministrativo in Italia (1800–1945). Mailand 2009 Selovuori, Jorma (Hrsg.), Macht und Bürokratie in Finnland, 1809–1998. Helsinki 1999 Tamm, Ditlev, Neues zur dänischen Verwaltungsgeschichte. In: Jahrbuch für Europäische Verwaltungsgeschichte, Bd. 12: Pensionssysteme im öffentlichen Dienst in Westeuropa (19./20. Jh.), hrsg. von Bernd Wunder. Baden-Baden 2001, S. 319–326 Tiihonen, Seppo (Hrsg.), Institutions and Bureaucrats. Institutions and Bureaucrats in the History of Administration. Helsinki 1989

11.3 Wissenschaftsgeschichte Beyme, Klaus von, Geschichte der politischen Theorien in Deutschland 1300–2000. Wiesbaden 2009 Bleek, Wilhelm, Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland. München 2001 Böckenförde, Ernst-Wolfgang, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert. Zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder, 2. Aufl. Berlin 1995 Cianferotti, Giulio, 1914. Le università italiane e la Germania. Bologna 2016 Fioravanti, Maurizio, Stato e costituzione. Materiali per una storia delle dottrine costituzionali. Turin 1993 Fioravanti, Maurizio, Appunti di storia delle costituzioni moderne. Le libertà fondamentali, 2. Aufl. Turin 1995 Friedrich, Manfred, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft. Berlin 1997 Günther, Frieder, Denken vom Staat her. Die bundesdeutsche Staatsrechtslehre zwischen Dezision und Integration 1949–1970. München 2004 Jouanjan, Olivier, Une histoire de la pensée juridique en Allemagne (1800–1918). Idéalisme et conceptualisme chez les juristes allemands du XIXe siècle. Paris 2005 Jouanjan, Olivier, Justifier l'Injustifiable. L'Ordre du discours juridique Nazi, Paris 2017 Kley, Andreas, Geschichte des öffentlichen Rechts der Schweiz. Zürich 2011 Lepsius, Oliver, Die gegensatzaufhebende Begriffsbildung. Methodenentwicklungen in der Weimarer Republik und ihr Verhältnis zur Ideologisierung der Rechtswissenschaft im Nationalsozialismus. München 1994 Maier, Hans, Gesammelte Schriften, Bd. 4: Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft). Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Wissenschaft in Deutschland. München 2009 Mohl, Robert von, Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften. In Monographien dargestellt. Erlangen 1855–1858, 3 Bde. Mohnhaupt, Heinz (Hrsg.), Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten (1988–1990). Beispiele, Parallelen, Positionen. Frankfurt am Main 1991 Mohnhaupt, Heinz und Grimm, Dieter, Verfassung. Zur Geschichte des Begriffs von der Antike bis zur Gegenwart. Zwei Studien, 2. Aufl. Berlin 2002 Möllers, Christoph, Staat als Argument, 2. Aufl. München 2011 Neumann, Volker, Carl Schmitt als Jurist. Tübingen 2015

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Teil 4 Bibliographie und Verzeichnisse

Pauly, Johann Christian, Die Entstehung des Polizeirechts als wissenschaftliche Disziplin. Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts. Frankfurt am Main 2000 Pauly, Walter, Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus. Ein Beitrag zu Entwicklung und Gestalt der Wissenschaft vom öffentlichen Recht im 19. Jahrhundert. Tübingen 1993 Pütter, Johann Stephan, Litteratur des teutschen Staatsrechts, Neudr. Frankfurt am Main 1965, 4 Bde. (Bd. 4 fortgesetzt u. ergänzt v. Johann L. Klüber) Quaritsch, Helmut, Souveränität. Entstehung und Entwicklung des Begriffs in Frankreich und Deutschland vom 13. Jahrhundert bis 1806. Berlin 1986 Roeck, Bernd, Reichssystem und Reichsherkommen. Die Diskussion über die Staatlichkeit des Reiches in der politischen Publizistik des 17. und 18. Jahrhunderts. Stuttgart 1984 Schulze-Fielitz, Helmuth, Staatsrechtslehre als Mikrokosmos. Bausteine zu einer Soziologie und Theorie der Wissenschaft des Öffentlichen Rechts. Tübingen 2013 Scupin, Hans Ulrich und Scheuner, Ulrich (Hrsg.), Althusius-Bibliographie. Bibliographie zur politischen Ideengeschichte und Staatslehre, zum Staatsrecht und zur Verfassungsgeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts. Berlin 1973, 2 Bde. Sordi, Bernardo, Tra Weimar e Vienna. Amministrazione pubblica e Theoria Giuridica nel primo Dopoguerra. Mailand 1987 Stintzing, Roderich von und Landsberg, Ernst, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 2. Neudr. Aalen 1978, 4 Bde. Stolleis, Michael, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. München 1988–2012, 4 Bde. Stolleis, Michael, Staat und Staatsräson in der frühen Neuzeit. Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts. Frankfurt am Main 1990 Stolleis, Michael (Hrsg.), Staatsdenker in der frühen Neuzeit, 3. Aufl. München 1995 Stolleis, Michael, Konstitution und Intervention. Studien zur Geschichte des öffentlichen Rechts im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2001 Stolleis, Michael, Geschichte des Sozialrechts in Deutschland. Ein Grundriß. Stuttgart 2003 Stolleis, Michael, Recht im Unrecht. Studien zur Rechtsgeschichte des Nationalsozialismus, 2. Aufl. Frankfurt am Main 2006 Stolleis, Michael, Rechtsgeschichte, Verfassungsgeschichte. In: Geschichte. Ein Grundkurs, 3. Aufl., hrsg. von Hans-Jürgen Goertz. Reinbek 2007, S. 391–412 Stolleis, Michael, Sozialistische Gesetzlichkeit. Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in der DDR. München 2009 Stolleis, Michael, Entwicklungsstufen der Verwaltungsrechtswissenschaft. In: Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1: Methoden, Maßstäbe, Aufgaben, Organisation, 2. Aufl., hrsg. von Wolfgang Hoffmann-Riem, Eberhard Schmidt-Aßmann und Andreas Voßkuhle. München 2012, S. 65–121 Stolleis, Michael, Öffentliches Recht in Deutschland. Eine Einführung in seine Geschichte (16.– 21. Jahrhundert). München 2014 Wahl, Rainer, Herausforderungen und Antworten. Das öffentliche Recht der letzten fünf Jahrzehnte. Überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrages, gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 12. Januar 2005. Berlin 2006 Wolf, Erik, Große Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte. Ein Entwicklungsbild unserer Rechtsanschauung, 4. Aufl. Tübingen 1963 Wyduckel, Dieter, Ius Publicum. Grundlagen und Entwicklung des öffentlichen Rechts und der deutschen Staatsrechtswissenschaft. Berlin 1984

12 Sachregister A Absolutismus 6 Allgemeine Staatslehre 18 Archive 59, 70 B Begriffsgeschichte 36 Biographische Sammelwerke 68 ff. Briefwechsel 70 Buchdruck 66 f. Bürokratiekritik 105 D Daseinsvorsorge 11 Deutsche Bundesakte 47 f. Deutsche Verfassungsgeschichte 91 f. Dissertationen 67 f. E Einheit der Rechtsgeschichte 113 Europäische Rechtsgeschichte 90–93 Europäische Union 12, 86, 107 f. Europäische Verfassungsgeschichte 85, 93–96 F Faschismus 11 f. Fundamentalgesetze 35 f. , 52 G Germanistik 17 f., 79 f. Gesetzessammlungen 63 Globalisierung 86 ff. Governance 29, 105 Grundgesetzkommentare 73 f. H Handbücher 70 ff. I Ikonographie, politische 55 Intellectual history 34

https://doi.org/10.1515/9783110556957-012

Interventionsstaat 10 f. Ius publicum Imperii 37 K Kirchenordnungen 64 Konservative Revolution 12 M Menschenrechte 101 f. N Nationalstaat (s.a. Deutsche Verfassungsgeschichte) 13 P Policeyordnungen 52, 64 Policeywissenschaft 39 Privatrechtsgeschichte der Neuzeit 89 f. Public-Private-Partnership 29 Q Quellensammlungen 59–62, 65 f. R Rechtsräume 83 Rechtsstaat 7 f. Reichshistorie 15 f. Rezeption 100 S Selbstverwaltung 48 f. Staat 4 ff., 51 ff. Staatsbürger 45 f. Staats- und Rechtsgeschichte 16 Staatsraison 42–45 Stalinismus 12 Strafrechtsgeschichte 9, 33 f. T Tatsachen, Fakten 54 Translation 100

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Teil 4 Bibliographie und Verzeichnisse

V Verfassungsbegriffe 93 f. Verfassungsbewegung 7 Verfassungsgeschichte 15–26 Verfassungsvergleichung 31, 97 f. Verwaltungs(rechts)geschichte 26–32, 103–105 Verwaltungsaufgaben 27 f. Verwaltungsverbund, europäischer 104 W Wissenschaftsgeschichte des öffentlichen Rechts 109–113 Z Zeitschriften 74 f.

13 Personenregister A Aegidi, L. K. 16 Althusius, J. 6 Altmann, W. 59 Amira, K.v. 18 Anschütz, G. 20, 70 Apelt, W. 70 Arabeyre, P. 69 Arnold, W. 70 Arumaeus, D. 37 B Baldus de Ubaldis 109 Bartolus de Saxoferrato 109 Beccaria, C. 109 Below, G.v. 19 Bentham, J. 109 Bergk, J. A. 46 Bernheim, E. 60 Beseler, G. 17, 100 Beyerle, F. 63 Birocchi, I. 70 Björne, L. 110 Blei, F. 70 Bodin, J. 6, 109 Boehm, L. 70 Bogdandy, A. v. 104, 108 Boldt, H. 61, 91 Bornhak, C. 19, 21, 31 Botero, G. 6 Botzenhart, M. 25, 91 Bracton, H. de 109 Brandt, H. 25, 61 Brauneder, W. 71 Breunung, L. 69 Brunner, H. 17 f. Brunner, O. 23, 72 Buschmann, A. 61 C Calvin, J. 5 Cayla, O. 72 Černilovskij, Z. M. 24 Coing, H. 65, 90 https://doi.org/10.1515/9783110556957-013

Conrad, H. 18 f. Conze, V. 95 Conze, W. 72 Cordes, A. 71 Cortese, E. 70 Coudenhove-Kalergi 94 Cunz, D. 21 f. , 89, 93 D Dahlmann, F. Ch. 18, 30 Dahm, G. 100 Dauchy, S. 73 Dippel, H. 62 Dölemeyer, B. 70 Dreier, H. 73 Droysen, G. 30 Duchhardt, H. 61, 95 Dürig, G. 62 Duroselle, J.-B. 94 E Eckel, J. 102 Eckhardt, K. A. 21 Ehrenberg, V. 70 Ehrlich, E. 31 Eichhorn, K. F. 16 f. , 25, 30, 79 Engelmann, W. A. 100 Engels, F. 88 F Fehr, H. 18 Feine, H. E. 22, 91 Fenske, H. 25, 62 Feuerbach, P. J. A. 109 Fitting, H. 70 Foerster, R. H. 94 Forsthoff, E. 21, 70, 91 Friedrich II. v. Preußen 15 Friedrich, M. 38 Fritz, W. D. 60 Frotscher, W. 24 f. , 92

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Teil 4 Bibliographie und Verzeichnisse

G Gamauf, R. 72 Gebhardt, B. 71 Gerber, C. F. v. 30, 46 Gerber, H. 21 Gierke, O. v. 17, 109 Gneist, R. v. 70 Goethe, J.W. v. 87 Goltdammer, H. Th. 70 Gosewinkel, D. 62, 92 Grimm, D. 25, 91, 93 Grimm, J. 17 Grimm, W. 17 Groeben, H. v. d. 107 Grossi, P. 93 Grothe, E. 19, 21, 31 Grotius, H. 6, 109 Gründer, K. 72 H Häberle, P. 97 Hallstein, W. 107 Halpérin, J. L. 69, 72 Hamberger, G. Chr. 69 Hammerstein, N. 38, 68 Hansen, E. 69 Härter, K. 64 Hartung, F. 32, 91, 103 Hattenhauer, H. 90, 93 f. Hegel, G. W. F. 23 Helfritz, H. 21 f. Heller, H. 20 Herzog, R. 73 Heusler, A. 18, 70 Heyen, E. V. 103 Hintze, O. 19, 31 f. , 103 Hobbes, Th. 6 Hofer, S. 71 Hofmann, H. H. 61 Homeyer, G. 18 Huber, E. 70 Huber, E. R. 21 ff. , 25, 61, 70, 91 f. Huber, W. 61 Hugo, G. 70 Humboldt, W. v. 27

I Ipsen, J. 92 Isensee, J. 74 J Jellinek, G. 19, 31, 70 Jerouschek, G. 33 Jöcher, Chr. G. 69 Joseph II. Ks. 39 Jugler, J. F. 69 Jünger, E. 70 K Kant, I. 45 Kaufmann, E. 20 Kelsen, H. 20, 39 Kern, F. 19 Kimminich, O. 24, 91 Kirchhof, P. 74 Kleinheyer, G. 69 Kley, A. 39 Klippel, D. 71 Klopstock, F. G. 46 Klüber, J. L. 37 Knies, K. 31 Köbler, G. 72 Koschaker, P. 89 Koselleck, R. 36, 72 Köttgen, A. 21 Kotulla, M. 62, 92 Kramer, J. 62 Kröger, K. 25 Krynen, J. 69 Kunkel, W. 63 Künßberg, E. v. 17 Kunst, H. 73 L Lamprecht, K. 19 Landsberg, E. 33, 37 f. Leibniz, G. W. 15 Leunclavius, J. 109 Liebermann, F. 18 Liebrecht, J. 19 Limnaeus, J. 37 Locke, J. 6

Personenregister

Lübbe, A. 21 Lück, H. 71 Lüderssen, K. 34 Luther, M. 5 M Machiavelli, N. 6 Maier, H. 39, 68 Mangold, A. K. 108 Maria-Theresia, Ks. 39 Martyn, G. 73 Masing, J. 62, 92 Mattone, A. 70 Maurer, K. 18 Mayer, O. 46 Mazzacane, A. 70 Meinecke, F. 45 Melzer, I. 24 Menger, Ch. F. 24, 91 Metternich, Cl. v. 47, 49 Meyer, H. 22 Miletti, M. N. 70 Mitteis, H. 18 Mittermaier, K. J. A. 17, 70 Mohl, R. v. 37, 70 Mohnhaupt, H. 93 Montesquieu, Ch. de 6 Morawiec, M. 95 Morus, Th. 6 Möser, J. 30 Moser, J. J. 15, 35, 37 f. , 70 Müller, R. A. 70 Mussolini, B. 11 Musson, A. 73 N Napoleon B. 99 Noodt, G. 109 O Oestreich, G. 31 f. , 103 Olechowski, Th. 72 Oppenheim,. H. B. 88 Ørsted, A. 109 Osler, D. 66 f.

P Padoa Schioppa, A. 93 Pieroth, B. 24 f. , 92 Pihlajamäki, H. 73 Pocock, J. G. A. 36 Puchta, G. F. 70 Pütter, J. St. 15, 36 ff. , 68 R Rabel, E. 31 Ranke, L. v. 30 Rehm, H. 19, 31 Reinhard, W. 94 Reinkingk, D. 37 Reyscher, A. L. 17 Richthofen, K. Frhr. v. 18 Riedel, K. 66 Ritter, J. 72 Roscher, W. 31 f. , 103 Rousseau, J. J. 6 Rückert, F. 87 Rückert, J. 33, 79 Rudolf, W. 62 Rüping, H. 33 S Saleilles, R. 70 Savigny, F. C. v. 109 Scheuner, U. 21, 68, 72 Scheyhing, R. 91 Schlaich, K. 73 Schlochauer, H.-J. 73 Schmale, W. 95 Schmauß, J. J. 60 Schmidt, R. 19, 31 Schmitt, C. 20, 70 Schmoeckel, M. 79 Schmoller, G. v. 31 f. , 103 Schneemelcher, H. 73 Schneider, H. P. 62 Schorkopf F. 95, 108 Schreiner, K. 33 Schröder, H. 24 Schröder, J. 69 Schröder, R. 17 f. Schulze, W. 95

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Teil 4 Bibliographie und Verzeichnisse

Schwerin, Cl. v. 18 Scupin, H. U. 68, 72 Sehling, E. 64 Seif, U. 62, 92 Simmel, G. 20 Skinner, Qu. 36 Smend, R. 20, 70 Sombart, W. 20 Spinoza, B. 6 Sprandel, R. 34 Stern, K. 74, 91 Stintzing, R. v. 33, 37 Stolleis, M. 68 f., Strieder, F. W. 68 Sumner Maine, H. 109 Sürek, T. 100 Sybel, H. v. 30 T Tacitus, P. C. 16, 45 Tennstedt, F. 69 Thieme, H. 63 Tönnies, F. 20 Treitschke, H. v. 30 V Vogenauer, S. 107 Volterra, E. 67 W Waitz, G. 16, 18, 30 Walter, F. 91

Walther, M. 69 Warnkönig, L. A. 70 Wattenbach, W. 59 Weber, M. 20, 27 Weber, W. 21 Weidlich, Chr. 69 Weinrich, L. 60 Werkmüller, D. 72 Wesel, U. 90, 93 Wieacker, F. 33, 89, 100 Wijffels, A. 73 Willoweit, D. 34, 59, 62, 92 Wißmann, H. 92 Wittgenstein, L. 13 Wittreck, F. 62 Wolf, A. 64 f. Wolf, E. 38 Wolff, Chr. 18 Wyduckel, D. 38, 68, 72 Z Zachmann, U. B. 110 Zeumer, K. 60 Zimmermann, R. 79 Zippelius, R. 24, 92 Zoepfl, H. 17, 30 Zwingli, H. 5