Vereinsstrafen als Vertragsstrafen: Ein Beitrag zum inneren Vereinsrecht [1 ed.] 9783428467891, 9783428067893


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Vereinsstrafen als Vertragsstrafen: Ein Beitrag zum inneren Vereinsrecht [1 ed.]
 9783428467891, 9783428067893

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FRANK VAN LOOK

Vereinsstrafen als Vertragsstrafen

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 125

Vereinsstrafen als Vertragsstrafen Ein Beitrag zum inneren Vereinsrecht

Von Frank van Look

Duncker & Humblot * Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Look, Frank van: Vereinsstrafen als Vertragsstrafen: ein Beitrag zum inneren Vereinsrecht / von Frank van Look. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 125) Zugl.: Mainz, Univ., Diss.: 1988/89 ISBN 3-428-06789-4 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-06789-4

Es ist mit Meinungen, die man wagt, wie mit Steinen, die man voran im Brette bewegt; sie können geschlagen werden, aber sie haben ein Spiel eingeleitet, das gewonnen wird. J. W. v. Goethe, aus: Maximen und Reflexionen*

Vorwort Die Untersuchung ist i m Wintersemester 1988/89 durch den Fachbereich Rechts- u n d Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität M a i n z als Dissertation angenommen worden. F ü r die Drucklegung sind Rechtsprechung u n d Schrifttum bis z u m A p r i l 1989 eingearbeitet worden; bis z u m September 1989 veröffentlichte Rechtsprechung konnte teilweise noch i n den Fußnoten berücksichtigt werden. D a n k sagen möchte ich vor allem meinem verehrten Lehrer, H e r r n Universitätsprofessor D r . Walther Hadding. Er hat das Thema angeregt, m i c h während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter i n vielfaltiger Weise gefördert u n d m i r den Freiraum zu wissenschaftlicher A r b e i t gewährt. Z u danken habe ich auch H e r r n Universitätsprofessor D r . Alfons K r a f t für das Zweitgutachten u n d H e r r n D r . Franz Häuser für zahlreiche förderliche Gespräche. N i c h t zuletzt danke ich meinen Eltern, die m i r das Studium ermöglicht haben. Wiesbaden, i m Dezember 1989

Frank van Look

* Zit. nach: Goethe, Werkausgabe, Bd. 6, Frankfurt a.M. 1981, S. 501 Nr. 50.

Inhaltsverzeichnis § 1: Einleitung

15

I. Problemstellung

15

1. Bedeutung der Vereinsstrafe

15

2. Rechtliche Beurteilung

17

II. Gang der Untersuchung

20

L Teil

Geltungsgrund und rechtliche Einordnung der Vereinsstrafe

22

A. Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum

22

§ 2: Rechtsprechung

22

I. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs II. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts III. Die „Vereinsautonomie" als Begründungselement der Rechtsprechung .

22 25 31

1. Auswirkungen der Vereinsautonomie

31

2. Parallelen zum öffentlichen Recht

34

3. Anknüpfungspunkte für „Vereinsautonomie"

35

§ 3: Schrifttum I. Die Begründung der herrschenden Lehre aus der „Vereinsgewalt" (korporationsrechtlicher Ansatz) 1. Der Einfluß Otto von Gierkes

40 40 40

a) Die Auffassung v. Gierkes

40

b) Wirkungsgeschichte und weitere Entwicklung

44

aa) Rechtsprechung

44

bb) Gesetzgebung

44

cc) Schrifttum

45

2. Die Ansicht Meyer-Cordings

51

3. Die Auffassung Reuters

54

II. Rechtsgeschäftlicher Ansatz

55

1. Die Kritik Flumes

55

2. Die Begründung Böttichers

56

4

Inhaltsverzeichnis

B. Stellungnahme

58

§ 4: Vereinsstrafe und Vereinsautonomie

58

I. Zusammenhang zwischen der jeweiligen rechtlichen Einordnung der Vereinsautonomie, der Satzung und der Vereinsstrafe

58

II. Einordnung der Vereinsautonomie

60

1. Bedeutung von „Autonomie"

60

2. Autonomie im öffentlichen Recht

60

3. Autonomie im Zivilrecht

62

4. Vereinsautonomie und Vereinigungsfreiheit i. S. des Art. 9 Abs. 1 GG

65

a) Gründungs- und Beendigungsfreiheit

65

b) Externe Betätigung

66

c) Interne Selbstbestimmung

67

§ 5: Einordnung der Vereinssatzung als Grundlage der Vereinsstrafe

72

I. Die Einordnung der Vereinssatzung als Frage der Rechtsquellenlehre

72

II. Zur Einordnung der Vereinssatzung als Rechtsnorm

75

1. Die Vereinssatzung als Rechtsnorm i. S. des Art. 2 EGBGB?

75

2. Die Vereinssatzung als Rechtsnorm sui generis?

77

a) Abstrakt-generelle Fassung

77

b) Geltungsgrund

78

aa) Rechtsetzungsbefiignis als Geltungsgrund?

79

bb) Einverständnis als Geltungsgrund

85

III. Die Vereinssatzung als soziale Norm IV. Die Einordnung der Vereinssatzung als rechtsgeschäftliche Regelung 1. Bedeutung und Arten rechtsgeschäftlichen Handelns 2. Form der Entstehung der Satzungsregeln

86 ..

89 89 91

a) Gründungsvertrag

91

b) Satzungsänderungsbeschluß

93

3. Inhalt der Satzungsregeln

95

a) Bedeutung als Vereinsverfassung

95

b) Schuldrechtliche Leistungspflichten

96

c) Organisationsrechtliche Regelungen aa) Tragweite bb) Folgerungen (1) Aus rechtsgeschäftlicher Sicht (2) Aus Sicht der sog. modifizierten Norm(en)theorie d) Inhaltliche Gestaltungsfreiheit

98 98 99 99 100 101

Inhaltsverzeichnis 4. Geltungsgrund und Wirkung für Mitglieder und Organe a) Entstehung der Mitgliedschaft durch Vertrag aa) Ausgangspunkt

102 102 102

bb) Schuldrechtliche und organisationsrechtliche Elemente der Mitgliedschaft 104 b) Begründung der Organstellung durch Vertrag § 6: Einordnung der Vereinsstrafe als Vertragsstrafe

105 107

I. Grundlage und Festsetzung der Vereinsstrafe als rechtsgeschäftliche Regelungen 107 1. Vertragliche Grundlage 2. Leistungsbestimmungsrechte des Vereins a) Ausgangspunkt

107 108 108

b) Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts als „Unterwerfung"? 109 3. Rechtsgeschäftliche Durchführung der Vereinssatzung im Verhältnis zwischen Verein und Mitglied 111 a) Tragweite

111

b) Strukturelle Besonderheiten

113

II. Regelungsgehalt und Aufgabe der Vereinsstrafe 1. Erscheinungsformen

115 115

a) Tatbestandsseite

115

b) Rechtsfolgenseite

117

2. Rechtliche Würdigung

119

a) Tatbestandsseite

119

b) Rechtsfolgenseite aa) Schuldrechtlicher Regelungsgehalt

122 122

bb) Spezial- und generalpräventive Erfullungssicherung

124

cc) Disziplinarische Funktion

125

dd) Vereinsstrafe als Ehrenstrafe?

127

ee) Besondere Aufgabe der Ausschließung

131

III. Die Vereinsstrafe als Vertragsstrafe i. S. der §§339 — 345 BGB 1. Voraussetzungen

134 134

a) Strafversprechen

134

b) Gesicherte (Haupt-)Pflicht

135

c) Verfallvoraussetzungen

138

2. Rechtsfolgen

141

a) Festsetzung der Strafe

141

b) Strafarten

144

6

Inhaltsverzeichnis 2. Teil

Überprüfung der Vereinsstrafe durch das Zivilgericht

148

A. Fragen der Zulässigkeit

148

§ 7: Zuständigkeit und Rechtsschutzform

148

I. Zuständiges Gericht

148

II. Klageart

150

§ 8: Überprüfung durch ein Schiedsgericht (Einrede des Schiedsvertrags)

154

I. Beurteilung der Schiedsklausel in der Vereinssatzung

154

1. Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum

154

2. Stellungnahme

155

a) Schiedsabrede im Gründungs- oder Eintrittsvertrag

155

b) Einsetzung eines Schiedsgerichts durch Satzungsänderung

156

c) Erforderliche Form (§1027 ZPO)

158

II. Inhalt des Schiedsvertrags

160

1. Objektive Schiedsfahigkeit der Vereinsstrafen

160

2. Erforderliche Bestimmtheit des Schiedsvertrags

161

3. Einsetzung als Schiedsgericht (insbes. zur Frage der Unabhängigkeit)

163

§ 9: Beschränkungen des Rechtswegs zu den Zivilgerichten

168

I. Gänzlicher Ausschluß des Rechtswegs

168

II. Zeitliche Beschränkung des Rechtswegs (satzungsmäßige „Klagefristen")

170

III. Sachliche Beschränkung des Rechtswegs: Erschöpfung eines vereinsinternen „Instanzenzugs" 172

B. Materiellrechtliche Überprüfung § 10: Die Strafregelung in der Vereinssatzung und ihre inhaltliche Überprüfung I. Erfordernis einer Grundlage in der Vereinssatzung II. Inhaltskontrolle der Strafregelung

177 ...

177 177 179

1. Zulässigkeit und Maßstab einer Inhaltskontrolle

179

2. Verfallvoraussetzungen

184

a) Tatbestand

184

b) Verschulden

186

3. Rechtsfolge

188

a) Strafarten

188

b) Erfordernis einer Obergrenze

189

c) Ermessensmaßstab

190

Inhaltsverzeichnis 4. Verhältnis zwischen Verfallvoraussetzungen und Rechtsfolge

191

a) Angemessenheitsprüfung

191

b) Rechtsfolge fehlender Angemessenheit der Strafregelung

193

5. Regelung des Verfahrens

194

a) Straffestsetzung als Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts

194

b) Zuständigkeit eines besonderen Organs aa) Grundlage in der Vereinssatzung bb) Straffestsetzung durch ein Organ eines Vereinsverbands

196 196 197

c) Verfahren im engeren Sinn aa) Anhörungspflicht bb) Vertretung durch Bevollmächtigte cc) Pflicht zur Begründung der Straffestsetzung

199 200 201 202

§11: Wirkungsbereich der Strafregelung I. Personeller Wirkungsbereich

205 205

1. Mitglieder, Organpersonen, Verhalten von Organen und Erfüllungsgehilfen 205 2. Mitglieder verbandsangehöriger Anschlußvereine

206

3. Dritte (Nichtmitglieder)

208

II. Sachlicher Wirkungsbereich III. Zeitlicher Wirkungsbereich §12: Ausübungskontrolle der Straffestsetzung I.Maßstab II. Vorliegen der Verfallvoraussetzungen

210 212 214 214 217

1. Tatsachenfeststellung

217

2. Subsumtion

217

3. Rechtswidrigkeit und Verschulden

219

III. Überprüfung der Leistungsbestimmung

220

1. Gesetz- und Satzungsmäßigkeit der Bestimmung

220

2. Ermessenskontrolle

221

a) Entschließungsermessen

221

b) Auswahlermessen

223

IV. Zustandekommen der Leistungsbestimmung (Verfahren)

224

1. Einhaltung der Verfahrensregeln

224

2. Willensbildung über die Straffestsetzung

225

3. Willenserklärung gegenüber dem Betroffenen

226

8

Inhaltsverzeichnis V. Die Entscheidung des Gerichts

227

1. Für die Rechtmäßigkeitskontrolle maßgebende Gesichtspunkte

227

2. Ermessensüberprüfung

228

§13: Zusammenfassung und Ergebnis

230

Schrifttumsverzeichnis

233

Abkürzungen anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend / e / r Absatz abweichend/e/r Archiv für die civilistische Praxis (Band [Jahr], Seite) Allgemeiner Deutscher Automobil Club am Ende Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Aktiengesetz allgemein / e / r anderer Meinung Anhang Anmerkung Archiv für öffentliches Recht (Band [Jahr], Seite) Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts, herausgegeben von Hueck, Nipperdey und Dietz. Arbeitsrechtliche Praxis (§ .. Gesetz — Stichwort Nummer) ArchBürgR Archiv für bürgerliches Recht (Band [Jahr], Seite) ArchRWiPhil Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie (Band [Jahr], Seite) Art. Artikel Auflage Aufl. Arbeit und Recht (Jahr, Seite) AuR Bundesarbeitsgericht BAG BAGE Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Band, Seite) BauR Baurecht (Jahr, Seite) BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BayObLGZ Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen (Jahr, Seite) BayVBl Bayerische Verwaltungsblätter (Jahr, Seite) BB Betriebs-Berater (Jahr, Seite) Bundesbeamtengesetz BBG Berufsbildungsgesetz BBiG Bd. Band BDH Bundesdisziplinarhof Bundesdisziplinarordnung BDO Beilage Beil. Betriebsverfassungsgesetz BetrVG BGB Bürgerliches Gesetzbuch a.A. a.a.O. abl. Abs. abw. AcP ADAC a.E. AG AGB AGB-Ges. AktG allg. a.M. Anh. Anm. AöR AP

10 BGB1.I BGE BGH BGHZ BRAO BRRG Buchst. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BWaldG bzw. DB ders. DFB d.h. dies. Diss. DJZ DNotZ DÖV DR DVB1 EG eG evtl. EWiR f. Festg. Festschr. ff. Fn. GBO GbR GenG GesRZ GewArch GG ggf. GmbH GmbHG Gruchot GRUR GS GVG

Abkürzungen Bundesgesetzblatt Teil I (Jahr, Seite) Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts (Band, Halbband, Seite) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesrechtsanwaltsordnung Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Beamtenrechtsrahmengesetz) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Band, Seite) Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft beziehungsweise Der Betrieb (Jahr, Seite) derselbe Deutscher Fußball-Bund das heißt dieselbe/n Dissertation Deutsche Juristen-Zeitung (Jahr, Spalte) Deutsche Notar-Zeitschrift (Jahr, Seite) Die Öffentliche Verwaltung (Jahr, Seite) Deutsches Recht (Jahr, Seite) Deutsches Verwaltungsblatt (Jahr, Seite) Einführungsgesetz eingetragene Genossenschaft eventuell Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (§ .. Gesetz Nummer) folgende/r Festgabe für Festschrift für fortfolgende/r Fußnote Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Der Gesellschafter (Jahr, Seite) Gewerbearchiv (Jahr, Seite) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begründet von Gruchot (Band [Jahr], Seite) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahr, Seite) Großer Senat Gerichtsverfassungsgesetz

Abkürzungen GWB HGB h.L. h.M. HRR Hrsg. Hs. i.d.R. i.e. i.Erg. IherJb

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung (Jahr Nummer) Herausgeber Halbsatz in der Regel im einzelnen im Ergebnis Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen Rechts und deutschen Privatrechts; ab 1897: Iherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Band [Jahr], Seite) insbes. insbesondere i. S. im Sinne i.ü. im übrigen i.V.m. in Verbindung mit JA Juristische Arbeitsblätter (Jahr, Seite) JB1 Juristische Blätter (Jahr, Seite) JMB1.NRW Justizministerialblatt Nordrhein-Westfalen (Jahr, Seite) JR Juristische Rundschau (Jahr, Seite) Jura Juristische Ausbildung (Jahr, Seite) JuS Juristische Schulung (Jahr, Seite) JustBl Die Justiz. Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg (Jahr, Seite) JW Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) JZ Juristen Zeitung (Jahr, Seite) KartRdschau Kartell-Rundschau (Jahr, Seite) KG Kommanditgesellschaft oder Kammergericht KO Konkursordnung krit. kritisch/e/r KTS Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen (Jahr, Seite) LAG Landesarbeitsgericht LG Landgericht LM Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, Leitsätze und Entscheidungen mit Anmerkungen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring (§.. Gesetz Nummer) LZ Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (Jahr, Spalte) m. mit MDR Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr, Seite) m.weit. Nachw. mit weiteren Nachweisen Nachw. Nachweis/e/n NJW Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift — Rechtsprechungsreport Zivilrecht (Jahr, Seite) Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht (Jahr, Seite) NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Jahr, Seite)

12

Abkürzungen

NZA 0. österr. OGHZ

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr, Seite) oben österreichisch/e/s Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Zivilsachen (Band, Seite) offene Handelsgesellschaft oHG Oberlandesgericht OLG OLGE Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts (Band [Jahr], Seite) OLGZ Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Jahr, Seite) Oberverwaltungsgericht OVG Gesetz über Ordnungswidrigkeiten OWiG Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz) PartG p.F.V. positive Forderungsverletzung RdA Recht der Arbeit (Jahr, Seite) RdL Recht der Landwirtschaft (Jahr, Seite) RdW Recht der Wirtschaft (Jahr, Seite) Das Recht (Jahr Nummer) Recht RG Reichsgericht RGB1.I Reichsgesetzblatt Teil I (Jahr, Seite) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band, Seite) RGZ Rpfleger Der Deutsche Rechtspfleger (Jahr, Seite) Reichsversicherungsordnung RVO Rz. RandzifTer S. Seite oder Satz Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Jahr, Seite) SAE Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt (Jahr, Seite) SächsArch sc. scilicet SchlHA Schleswig-Holsteinische Anzeigen (Jahr, Seite) SchmollersJb Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, herausgegeben von Schmoller (Band [Jahr], Seite) SchweizJZ Schweizerische Juristenzeitung (Jahr, Seite) SeuffA Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten (Band [Jahr] Nummer) SJZ Süddeutsche Juristen-Zeitung (Jahr, Seite) siehe oben s.o. SoergelRspr. Soergels Rechtsprechung zum gesamten Zivil-, Handels- und Prozeßrecht (Jahr §.. Gesetz Nummer) sog. sogenannte/r Spalte Sp. StGB Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung StPO Stw. Stichwort Tarifvertragsgesetz TVG unter anderem oder und andere u.a. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG unter Umständen u.U. v.

von

Abkürzungen VAG Verf. VersR VerwA vgl. Vorbem. VVG VwGO VwVfG WarnR WM WRP WRV WuB WuW ZAkDR z.B. ZBJV ZfA ZfgG ZGR ZHR ZIP zit. ZPO ZRP z.T. zust. ZVG ZZP z. Zt.

Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen Verfasser Versicherungsrecht (Jahr, Seite) Verwaltungsarchiv (Band [Jahr], Seite) vergleiche Vorbemerkung / en Gesetz über den Versicherungsvertrag Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Rechtsprechung des Reichsgerichts, herausgegeben von Warneyer (Jahr Nummer) Wertpapier-Mitteilungen Teil IV, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (Jahr, Seite) Wettbewerb in Recht und Praxis (Jahr, Seite) Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung) Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht (Teilziffer § .. Gesetz Nummer) Wirtschaft und Wettbewerb (Jahr, Seite) Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (Jahr, Seite) zum Beispiel Zeitschrift des Bernischen Juristen Vereins (Band [Jahr], Seite) Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen (Band [Jahr], Seite) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Jahr, Seite) Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Band [Jahr], Seite) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Jahr, Seite) zitiert Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahr, Seite) zum Teil zustimmend/e/r Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Zeitschrift für Zivilprozeß (Band [Jahr], Seite) zur Zeit

§ 1: Einleitung I. Problemstellung 1. Bedeutung der Vereinsstrafe

Es ist mittlerweile schon fast zur Tradition geworden 1, mit Robert Fischer , dem langjährigen Vorsitzenden des für Vereinsrecht zuständigen II. Zivilsenats und späteren Präsidenten des Bundesgerichtshofs, zu beklagen, das Vereinsrecht habe „ i m rechtswissenschaftlichen Schrifttum eine etwas stiefmütterliche gefunden" 2 .

Behandlung

Dies gilt jedoch nicht für den Bereich der Vereinsstrafe, die seit jeher das Augenmerk des rechtswissenschaftlichen Schrifttums auf sich gezogen hat. Begnügte sich Otto von Gierke , dessen Genossenschaftstheorie Rechtsprechung und Schrifttum zu dem hier behandelten Fragenkreis nachhaltig beeinflußt hat, im Jahr 1887 noch mit der Feststellung, daß es innerhalb einer körperschaftlich organisierten Personenvereinigung „möglicherweise auch ein Strafrecht" gebe3, so konnte Alexander Leist — gelegentlich als einer der „Väter des Vereinsrechts" bezeichnet 4 —im Jahr 1902 umfangreiches rechtstatsächliches Material über die nach seiner Auffassung weitgehend unbeschränkte „Strafgewalt moderner Vereine" 5 vorlegen und ihre Einschränkung durch den Gesetzgeber fordern 6 . Schon 1853 hatte der damalige Bundestagsgesandte Otto von Bismarck auf die „Gerichtsbarkeit" berufsständischer Vereinigungen des Zivilrechts (hier der Gesellen des Hutmachergewerbes) hingewiesen, deren Mitglieder aufgrund des Ausspruchs des „Gesellengerichts" sogar „nachhaltige körperliche Züchtigun-

1 Vgl. zuerst Hadding , Festschr. R. Fischer, S. 165; auch Nicklisch , Inhaltskontrolle, S. 8; van Look , W M 1987, 92; Reuter , ZHR 151 (1987), 355, 356. 2 R. Fischer , Anmerkung bei L M § 25 BGB Nr. 8; ebenso ders., in: Reden anläßlich der Übergabe der Festschrift für Robert Fischer, S. 11. 3 v. Gierke , Genossenschaftstheorie, S. 165 im Widerspruch zu a.a.O., S. 718f., Fn. 3, wo er meint, es gebe „keinen Verein, der nicht... Vereinsstrafen verhängte"; vgl. auch ders., Privatrecht I, S. 513: „Strafgewalt" als Ausprägung der „Körperschaftsgewalt"; ebenso ders, IherJb 35 (1896), 169, 199f. 4 Reuter , ZGR 1987, 475, 478 bei Fn. 19. 5 So der Titel seines Beitrags in SchmollersJb 26 (1902), 67. 6 Leist , a.a.O. (Fn. 5), S.'94f., 106ff.; ebenso schon ders., Vereinsherrschaft, S. 53f.: Verein als „Ausbeutungsmaschine"; vgl. auch ders., Vereinsrecht, S. 199ff.: Bestand des Staates gefährdende Vereinsherrschaft durch privatrechtliche Zwangsmacht.

16

§ 1: Einleitung

gen" freiwillig im Empfang nähmen 7 . Kommen derart drakonische Strafmaßnahmen der Vereine heute wohl nicht mehr vor, so konnte der frühere Präsident des Bundesverwaltungsgerichts Fritz Werner noch im Jahr 1967 feststellen, die Strafregelungen der Sportverbände erweckten fast den Eindruck, „als lese man in einer alten Disziplinarordnung für Beamte" 8 . Bedeutung und Häufigkeit der Vereinsstrafen sind seit Inkrafttreten des BGB stetig angewachsen. Im Jahr 1913 lagen schon zahlreiche veröffentlichte Entscheidungen der Gerichte vor 9 , die Karl Heinsheimer zu seiner kritischen Untersuchung „Mitgliedschaft und Ausschließung in der Praxis des Reichsgerichts" herausforderten 10. Ulrich Meyer-Cording behandelte „Die Vereinsstrafe" im Jahr 1957 monographisch, wobei er (rechts-)soziologische Erkenntnisse einbezog und hieraus eine Parallele zum staatlichen Disziplinar- und Strafrecht herleitete 11 . In das Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit rückte die Bedeutung der Vereinsstrafe in jüngerer Zeit durch den sog. Bundesliga-Skandal im Berufsfußball Anfang der 70er Jahre. Die durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) verhängten Strafen gegen Lizenzspieler, -trainer und verbandsangehörige Vereine sowie ihre Organe waren Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, die sich mit den Erscheinungsformen einer „Verbandsstrafgewalt" und ihrem Verhältnis zum „allgemeinen Recht" (Harm Peter Westermann 12) und Rechtsfragen der „Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit" ( Peter Schlosser) auseinandersetzten 13. Auch die neuere Rechtsprechung hatte sich häufig mit der Überprüfung einer Vereinsstrafe zu beschäftigen; allein die Bände 1-100 der Amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen enthalten elf Urteile, die Vereinsstrafen behandeln 14 . Für das Jahr 1970 schätzt Schlosser 15, daß allein die bundesdeutschen Fußball verbände rund 150.000 Strafen verhängt haben; diese Zahl dürfte sich im Jahr 1987 verdreifacht haben 16 . 7

Zitiert bei Leist , a.a.O. (Fn. 5), S. 103f. Fn. 3. F. Werner , Sport und Recht, S. 14. 9 Vgl. die Nachweise zur Ausschließung bei Heinsheimer , Mitgliedschaft, S. 2 Fn. 1. 10 Vgl. außerdem für den Zeitraum bis 1945 die Dissertationen von Auerbacher, Barthel, Biebricher, Daeniker, Gasser, Grüters, Hasenstein, Jensen, Joppich, Kalthäuser, Krekels, Mahrenholtz, Melier, Morgenroth, Pawlik, Pochhammer, Rottmann, Staberow, Sunderdiek, Teutsch, Tröger, Volpert, Wetzel und Wurst, die sich überwiegend mit der Ausschließung beschäftigen. 8

11

Vgl. Meyer-Cording , Vereinsstrafe, S. 1 ff. „Die Verbandsstrafgewalt und das allgemeine Recht". 13 Vgl. ferner die Dissertationen von Baumann, Baecker, M. Becker, Ernst, Füllgraf, Horschitz, Lohbeck, Osthoff, Preis, Samstag, Schweighard, Sommer, Vollmer und Weiland. 14 Vgl. die zusammenfassende Würdigung dieser Rechtsprechung durch Reuter , ZHR 151 (1987), 355, 386-389; auch Hadding/van Look , ZGR 1988, 270ff., zur Entwicklung der Rechtsprechung des RG und des BGH zur Ausschließung. 15 Vereinsgerichtsbarkeit, S. 20 m.Fn. 15. 12

I. Problemstellung

17

2. Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung der Vereinsstrafe ist nach wie vor umstritten. Die wohl h.M. einschließlich der Rechtsprechung, die maßgeblich durch O. v.Gierkes Vorstellung einer personenrechtlichen „Körperschaftsgewalt" des Vereins über seine Mitglieder beeinflußt ist 1 7 , sieht sie als eigenständiges Institut des Vereinsrechts an 1 8 , als „besondere, von eigenen Rechtsregeln beherrschte Äußerungsform der Vereinsautonomie" 19 . Kraft der Vereinsautonomie, zu deren Begründung meist an § 25 BGB oder Art. 9 Abs. 1 GG angeknüpft wird, soll der Verein in der Lage sein, gegenüber seinen Mitgliedern durch die Vereinssatzung einseitig Rechtsnormen zu setzen und diese durch Selbstverwaltung eigenverantwortlich zu vollziehen 20 . Teilbereich dieser Selbstverwaltung soll eine aufgrund der Satzung bestehende Strafgewalt des Vereins sein, der sich die Mitglieder durch Beteiligung an der Vereinsgründung oder späteren Eintritt unterwerfen 21 . Die Regeln für die rechtliche Behandlung der Vereinsstrafe werden dabei unmittelbar aus der Vereinsautonomie hergeleitet. Denn das Vereinsrecht des BGB (§§ 21 - 79), das sich angeblich am Leitbild eines geselligen „Honoratiorenvereins" 22 orientiert oder — drastischer formuliert — am Recht der „Skat-, Kegel-, Sauf- und Rauch vereine" 23 , enthält keine positiv-rechtlichen Anknüpfungspunkte für die Lösung auftretender Rechtsfragen. So wird auch versucht, auf das Disziplinarrecht innerhalb sog. besonderer Gewalt verhältnisse (Sonderstatusverhältnisse) des öffentlichen Rechts zurückzugreifen 24. Durch die Vereinsautonomie soll weiter der Maßstab einer gerichtlichen Überprüfung der Vereinsstrafe darauf beschränkt sein, ob die Maßnahme eine Grundlage im Gesetz oder in der Satzung hat, ob das satzungsmäßige Verfahren eingehalten oder sonst gegen die Satzung verstoßen worden ist und ob die Maßnahme nicht (grob) unbillig oder willkürlich ist 2 5 . Da der Geltungsgrund der Vereinsstrafe

16

Vgl. H. Kauffmann, in: Verbandsrechtsprechung, S. 6, 18. Vgl. z. B. Reuter, ZHR 1987 (151), 355, 386, nach dem die ältere Rechtsprechung des BGH den Geltungsgrund einer Vereinsstrafe als „Emanation einer ursprünglichen Herrschaftsmacht" ansieht. 18 Vgl. Röhricht, in: Verbandsrechtsprechung, S. 75, 83: „Gewachsene Erscheinungen sollte das Recht... akzeptieren"; ders., AcP 189 (1989), 386, 390f.; ähnlich schon Larenz, Gedächtnisschr. Dietz, S. 45, 49: gewohnheitsrechtliche Zulassung. 19 So Reuter, a.a.O. (Fn. 17). 20 Vgl. z.B. BGHZ 49, 396, 398. 21 Vgl. z.B. BGHZ 13, 5, 11; 21, 370, 373; 87, 337, 344. 22 So Popp, Gewerkschaften, S. 166; vgl. auch Leßmann, Wirtschaftsverbände, S. 5; Teubner, Organisationsdemokratie, S. 24; Säcker, Repräsentation, S. 2; U. Schmidt, S. 1 ff. 23 So der sozialdemokratische Abgeordnete Stadthagen in der zweiten Beratung des BGB im Plenum des Reichstags (vgl. Mugdan I, S. 995). 24 Vgl. insbes. Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 70ff.; ansatzweise auch Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 49 f.; H. P. Westermann, Verbandsstrafgewalt, S. 41 ff.; MünchKomm-Reuter, BGB, § 25 Rz. 31; Reichert/Dannecker/Kühr, Rz. 1111 ff., 1132. 17

2 van Look

18

§ 1: Einleitung

sowie die Einschränkung ihrer gerichtlichen Überprüfung aus den Besonderheiten des Innenverhältnisses eines eingetragenen oder nicht eingetragenen Vereins i. S. der §§ 21,54 BGB als Körperschaft hergeleitet werden, hat Walther Hadding diese — von ihm abgelehnte — Auffassung treffend als „korporationsrechtlich " gekennzeichnet26. Dem korporationsrechtlichen Ansatz steht gegenüber die ausschließlich rechtsgeschäftliche Deutung des Verhältnisses zwischen Verein und Mitglied, die im Schrifttum nachhaltig vertreten wird 2 7 . Sie stellt — entsprechend der Rechtslage bei anderen Gesellschaftsformen — auf den rechtsgeschäftlichen Charakter der Vereinssatzung und ihren vertraglichen Geltungsgrund für das einzelne Mitglied ab. Dementsprechend sollen in der Vereinssatzung vorgesehene Strafen als Vertragsstrafen zu qualifizieren sein, für deren rechtliche Behandlung das Gesetz in §§ 339 ff. BGB Regeln aufstellt. Soweit die Vereinsstrafe im einzelnen Fall durch ein Organ des Vereins festgesetzt wird, soll dies als Ausübung eines Rechts zur Leistungsbestimmung i.S. des § 315 BGB anzusehen sein. Angesichts neuerer Entwicklungen im Vertrags- und Gesellschaftsrecht, insbes. der rechtsfortbildenden Inhaltskontrolle der Gesellschaftsverträge körperschaftlicher Personenvereinigungen 28 und der (Ausübungs-)Kontrolle von Maßnahmen der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Treu- oder Rücksichtspflicht gegenüber dem einzelnen Mitglied 2 9 , liegt es nahe, mit der Vereinsstrafe das „meistdiskutierte Thema des Vereinsrechts" 30 nochmals aufzugreifen und aus rechtsgeschäftlicher Sicht zu behandeln. Denn während die Vertreter des korporationsrechtlichen Ansatzes die auftretenden Rechtsfragen nach dem unbestimmten „Maßstab" 3 1 der Vereinsautonomie oder aufgrund der Annahme einer kollektivistischen Disziplinarstrafgewalt lösen müssen, kann eine rechtsgeschäftliche Auffassung an die Vorschriften des BGB über Rechtsgeschäfte und schuldrechtliche Rechtsbeziehungen (z.B. die §§ 315f., 25 Vgl. zum aktuellen Stand der Rechtsprechung BGHZ 102,265, 276 f. = NJW 1988, 552 = W M 1987, 1422, 1425; dazu Hadding/van Look , ZGR 1988, 270ff. 26 Hadding , Festschr. R. Fischer, S. 165 ff. 27 Vgl. z.B. Flume , Festschr. Bötticher, S. 101, 108ff.; Bötticher , ZfA 1970, 3, 45ff.; Coing , Festschr. Flume I, S. 429, 436ff.; Hadding , a.a.O. (Fn. 26); Soergel / Hadding, BGB, §25 Rz. 17, 38. 28 Zur Rechtsfortbildung im Gesellschaftsrecht vgl. Ulmer , Festschr. Univ. Heidelberg, S. 389ff.; zur Inhaltskontrolle vereinsinterner Regelungen neuerdings BGH W M 1989, 184 = ZIP 1989,14ff.; zu den bei der Inhaltskontrolle maßgebenden Gesichtspunkten des Minderheiten- und des Individualschutzes Wiedemann, GesR I, S. 357ff., 404ff.; K. Schmidt , GesR, S. 350ff. 29 Vgl. Wiedemann , ZGR 1980,147ff.; ders., GesR I, S. 173; Lutter , AcP 180 (1980), 84, 122f.; K. Schmidt , GesR, S. 435ff. 30 So Reuter , ZHR 151 (1987), 355, 386. 31 Zur Bedeutung und Kritik unbestimmter „Maßstäbe" als Begründungselement gerichtlicher Entscheidungen im Gesellschaftsrecht vgl. Häuser , Unbestimmte „Maßstäbe", S. 17 ff.

I. Problemstellung

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339ff. BGB) sowie die Grundsätze des „allgemeinen" Gesellschaftsrechts (z.B. über die Inhaltskontrolle) anknüpfen. Mit den nachfolgenden Überlegungen soll daher versucht werden, das Institut der Vereinsstrafe nach seinem Geltungsgrund und seinen rechtstatsächlichen Erscheinungsformen auf allgemeine Regelungen des Zivilrechts zurückzuführen und als Vertragsstrafe i.S. der §§ 339-345 BGB zu erklären. Dabei wird zu zeigen sein, daß gerade die rechtsgeschäftliche Deutung der Vereinsstrafe tragfähige Begründungen für die bislang von Rechtsprechung und h.L. auf korporationsrechtlicher Grundlage gefundenen Ergebnisse ermöglicht. Ebenso würde die Einordnung der Vereinsstrafe als Vertragsstrafe der Systematik des Gesellschaftsrechts entsprechen, innerhalb derer der rechtsfähige Verein gem. §§ 21 ff. BGB das Grundmodell körperschaftlich organisierter Personen Vereinigungen, die juristische Person sind, bildet 3 2 ; denn bei den Sonderformen körperschaftlicher Handelsgesellschaften 33 sind in der Satzung (im Gesellschaftsvertrag) vorgesehene Strafen als Vertragsstrafen anzusehen (so ausdrücklich §§ 55 Abs. 2, 63 Abs. 3 AktG; § 8 Abs.l österr. GmbHG) 3 4 . Ein Blick über die Grenzen zeigt, daß in ausländischen Rechtsordnungen Vereinsstrafen häufig rechtsgeschäftlich, insbes. als Vertragsstrafen, erklärt werden 35 . Eine neuere Einzeldarstellung der Vereinsstrafe als Vertragsstrafe fehlt bislang. Die letzte monographische Untersuchung dieses Fragenkreises — beschränkt auf die Ausschließung — aus allein rechtsgeschäftlicher Sicht durch Heinsheimer stammt aus dem Jahr 1913 und konnte daher neuere Rechtsentwicklungen, insbes. im Verfassungsrecht (Art. 9 Abs. 1 GG) und im Gesellschaftsrecht, nicht berücksichtigen. Alle anderen dem Verfasser bekannten Einzeldarstellungen zur Vereinsstrafe folgen — wenigstens im Ausgangspunkt — dem korporationsrechtlichen Ansatz oder lehnen die Einordnung als 32

Vgl. statt aller Soergel / Hadding, BGB, Rz. 15, 44 vor § 21. Vgl. § 6 Abs. 2 HGB, der diese als „Verein" bezeichnet. 34 Vgl. für die GmbH Hachenburg / Ulmer , GmbHG, § 3 Rz. 80; Hachenburg! Goerdeler , §20 Rz. 15ff.; Baumbach/A. Hueck/G. Hueck , GmbHG, §3 Rz. 49; Scholz / Emmerich, GmbHG, § 3 Rz. 51;Scholz/ Winter,§20Rz. 17 ff.; auch BGH W M 1986,771; Wünsch , österr. GmbHG, § 8 Rz. 15. Umstritten ist die Rechtslage dagegen bei der eG, vgl. einerseits (Vertragsstrafe) OLG Stettin OLGE 28, 97; Reuter , ZHR 151 (1987), 355, 389; Michel , S. 159; andererseits (autonome Vereinsstrafe) O L G Schleswig ZfgG 19 (1969), 87 m. Anm. Pleyer ; OLG Düsseldorf ZfgG 29 (1979), 351 m. Anm. Hofmann', OLG Oldenburg NJW-RR 1988, 675; L G Hanau W M 1986, 887 = WuB I I D. § 18 GenG 1.86 m. Anm. Aepfelbach = ZfgG 38 (1988), 132 m.zust.Anm. Hofmann; K. Müller , GenG, § 7 Rz. 25 ff., § 18 Rz. 22; Meyer / Meulenbergh / Beuthien, GenG, § 18 Rz. 19; offen RGZ 75, 158, 159; RG JW 1927, 691, 692 m.Anm. Waldecker. Für Forstbetriebsgemeinschaften vgl. auch § 18 Abs. 1 Nr. 3 c BWaldG: „Ordnungsmittel und Vertragsstrafen" 35 Vgl. zur Rechtslage in Österreich OLG Innsbruck JB1 1987, 391; Rummel , Festschr. Strasser, S. 813, 838ff.; Sprung / König, RdW 1984, 226ff.; in der Schweiz BGE 80 II, 123, 133; Claude Corbat, Les peines statuaires, Diss. Fribourg 1974; Keller , Die Ausschließung aus dem Verein, Diss. Freiburg 1979; Heini , Festschr. Meier-Hayoz, S. 223,226; Bodmer, S. 73 f., 76ff.; ferner den rechtsvergleichenden Überblick bei Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 37 ff. 33

2*

§ 1: Einleitung

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Vertragsstrafe ab 3 6 . Dagegen liegt der Schwerpunkt der materialreichen und verdienstvollen Untersuchung durch Schlosser , an die der Verfasser in vielfacher Hinsicht anknüpfen konnte und die die Vereinsstrafe jedenfalls im Ergebnis als rechtsgeschäftliche Vertragsstrafe qualifiziert 37 , in der Würdigung des rechtstatsächlichen Befunds einer „Vereins- und Verbandsgerichtsbarkeit"; auch Schlosser kann letztlich nicht auf Anleihen beim öffentlichen Recht verzichten (Vereinsstrafe als „belastender Vereinsverwaltungsakt" 38 ). II. Gang der Untersuchung Der erste Teil der Untersuchung behandelt die dogmatische Einordnung der Vereinsautonomie, der Vereinssatzung und der Vereinsstrafe. Zum Geltungsgrund der Vereinsstrafe wird zunächst — entsprechend ihrer Bedeutung für die Rechtspraxis — die Auffassung der Rechtsprechung dargestellt (§ 2 I. und II.). Dabei wird die Vereinsautonomie als Begründungselement der Rechtsprechung näher beleuchtet, dessen Analyse zentrale Probleme des Vereinsrechts anreißt und für den hier behandelten Fragenkreis den Charakter einer Problemskizze gewinnt (§ 2 III.). Die Darstellung der im Schrifttum vertretenen Ansichten hat bei Otto von Gierke anzusetzen (§ 3 I.I.), dessen Genossenschaftstheorie heute noch im korporationsrechtlichen Ansatz — vertreten vor allem durch Ulrich Meyer-Cording (§ 3 1.2.) und Dieter Reuter (§ 3 1.3.) — fortwirkt. Dieser ist aus rechtsgeschäftlicher Sicht des Vereinsrechts vor allem von Werner Flume und Eduard Bötticher kritisiert worden (§ 3 II.). Eine eigene Stellungnahme hat von der Bedeutung der Vereinsautonomie für das Zivilrecht auszugehen, wobei insbes. der verfassungsrechtliche Hintergrund des Art. 9 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist (§ 4). Hieraus ergibt sich das Problem einer näheren Qualifizierung der Vereinssatzung als Grundlage der Vereinsstrafe; dabei ist zu klären, ob ihr Geltungsgrund auf einer Befugnis zur einseitigen Rechtsetzung oder dem rechtsgeschäftlichen Einverständnis der Mitglieder und Organe beruht (§ 5). Hieran schließt die Frage an, ob auch die Durchführung der Vereinssatzung, insbes. die Verhängung einer Vereinsstrafe, sich rechtsgeschäftlich erklären läßt; dabei ist zu untersuchen, ob die gesetzlichen Merkmale der Vertragsstrafe i. S. der §§ 339 - 345 BGB auf die Vereinsstrafe nach ihrem rechtstatsächlichen Erscheinungsbild zutreffen (§ 6). 36

Vgl. die Dissertationen von Baecker (dazu van Look , W M 1987, 92), Baumann, Bessell, Ernst, Fischer, Friedrich, Groscurth, Horschitz, Merkel, Reiß, Rottmann, Schappei, Spieß, Vollmer. 37 Vgl. Schlosser , Vereinsgerichtsbarkeit, S. 142 ff., zur richterlichen Überprüfung; auch H. P. Westermann , Verbandsstrafgewalt, S. 101 ff., der sich jedoch nur auf die Sportstrafen des DFB beschränkt, für die er von einer „Typenvermischung" zwischen korporationsrechtlicher Vereinsstrafe und Vertragsstrafe ausgeht; dagegen begnügt sich Schlosser , a.a.O. S. 44f., zur „richtigen dogmatischen Fundierung" mit der Feststellung, „einseitige belastende Rechtsakte dürften nur insoweit ergehen, als sich die Mitglieder einer derartigen Gestaltungsbefugnis von Vereinsorganen durch Anerkennung der Satzung unterworfen hätten". 38

Schlosser , Vereinsgerichtsbarkeit, S. 49; vgl. dazu unten §6 1.2. b.

II. Gang der Untersuchung

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Im zweiten Teil werden Fragen behandelt, die sich aus der Einordnung der Vereinsstrafe als Vertragsstrafe für die Überprüfung durch das Zivilgericht ergeben. Entsprechend dem Aufbau einer gerichtlichen Prüfung stehen am Anfang Probleme der Zulässigkeit einer Klage, nämlich Zuständigkeit und Klageart (§ 7), die Einrede des Schiedsvertrags bei satzungsmäßigen Schiedsklauseln (§ 8) sowie Beschränkungen des Zugangs zu den Gerichten durch die Satzung (§ 9). Im Rahmen einer materiellrechtlichen Prüfung ist zunächst die erforderliche Grundlage der Vereinsstrafe in der Satzung einer Inhaltskontrolle durch das Gericht zu unterziehen; diese erstreckt sich auf Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Vereinsstrafe sowie das bei ihrer Festsetzung einzuhaltende Verfahren (§ 10). Hiermit hängt die Frage zusammen, wie weit der personelle, sachliche und zeitliche Wirkungsbereich der Strafregelung in der Satzung gezogen werden kann und ob der Betroffene im einzelnen Fall von ihm erfaßt wird (§11). Den Abschluß bildet die Ausübungskontrolle der Straffestsetzung im konkreten Fall, wobei insbes. die Kontrolldichte hinsichtlich eines dem Verein dabei zustehenden Ermessens sowie die Möglichkeit einer Herabsetzung der Vereinsstrafe durch das Gericht zu erörtern ist (§ 12).

1. T e i l

Geltungsgrund und rechtliche Einordnung der Vereinsstrafe A. Meinungsstand in Rechtsprechung und Schrifttum § 2: Rechtsprechung I . Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs I n seiner Leitentscheidung v o m 4. Oktober 1956 — I I Z R 121/55 — 1 zur Vereins(geld)sträfe hat der für das Vereinsrecht zuständige I I . Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ausgeführt: „Vereinsrechtlich vorgesehene Strafen, die die Einhaltung mitgliedschaftlicher Pflichten sichern, sind keine Vertragsstrafen, da sie anders als die Vertragsstrafen nicht auf Vertrag, sondern auf der Unterwerfung der Mitglieder unter die Satzung beruhen. Das gilt gleichviel, ob es sich um einen rechtsfähigen oder um einen nichtrechtsfähigen Verein handelt. Denn sobald der nichtrechtsfähige Verein ins Leben getreten ist, gilt seine Satzung nicht mehr als Vertrag, sondern als seine Verfassung, der sich die Mitglieder unterworfen haben und die für sie kraft Korporationsrechts gilt (vgl RGZ 165, 143/44)." Z u r Abgrenzung v o n der staatlichen Strafgewalt heißt es dann später i n demselben Urteil, das Berufungsgericht verkenne, „daß dem Verein eine selbständige Strafgewalt zukommt, die der Staat gelten läßt und der sich die Mitglieder im Rahmen der Satzung unterwerfen (BGHZ 13,5 [11]; RGZ 151,229 [232]). Ein Verein kann sich also wegen der Verletzung von Mitgliedspflichten eine Strafbefugnis geben und diese nach Maßgabe der Satzung ausüben... Ein Verein übt auch mit reinen Ordnungsstrafen ... eine Strafgewalt aus. Was verhängt wird, ist aber keine diskriminierende Strafe, kein Unwerturteil, sondern ein wirtschaftlicher Nachteil, eine privatrechtliche Sanktion, die bloß im satzungsmäßigen Rahmen und nur deshalb zulässig ist, weil sich die Mitglieder durch ihren Beitritt aus freiem Willen der Strafgewalt des Vereins unterworfen haben." 2 Bereits i m Jahr 1954 ( U r t e i l v o m 27. Februar 1954 — 11 Z R 1 7 / 5 3 — 3 ) hatte der Bundesgerichtshof zur Ausschließung, die die h . M . als „schwerste Vereinsstrafe" ansieht, gesagt: 1 BGHZ 21, 370, 373 = NJW 1956,1793 = W M 1956,1356 = JZ 1957,122 m. Anm. Meyer-Cording = L M § 25 BGB Nr. 1 (Leitsatz) m. Anm. R. Fischer. 2 A.a.O. (Fn. 1), S. 375, 376.

I. Bundesgerichtshof

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„Dem Verein kommt eine selbständige Vereinsgewalt zu, die der Staat gelten läßt. Bei ihm unterwerfen sich die Mitglieder durch den Eintritt in den Verein dieser Vereinsgewalt, die im Bereich der Vereinssphäre Wirksamkeit entfaltet und insoweit grundsätzlich autonom ist (vgl RG JW 1937, 1548). Diese Vereinsgewalt findet nur dort ihre Schranken, wo sie gesetzwidrige, sittenwidrige oder offenbar unbillige Entscheidungen trifft; in diesem Umfang findet sie keine rechtliche Anerkennung, so daß solche Entscheidungen auch keine rechtliche Wirksamkeit haben können." Seine Auffassung z u m Geltungsgrund der Vereinsstrafe hat der Bundesgerichtshof dann i m U r t e i l v o m 26. Februar 1959 — I I Z R 137/57 — 4 weiter präzisiert: „Nach § 25 BGB sind die Vereine berechtigt, ihre Verhältnisse im Rahmen der Gesetze und der bei der Verleihung der Rechtsfähigkeit gesetzten Schranken selbständig zu regeln. Dazu gehört die Regelung der Vereinsgewalt und der Maßnahmen, die die Organe des Vereins zur Aufrechterhaltung der Vereinsordnung und der Vereinsdisziplin treffen können. Der Verein darf kraft des ihm gesetzlich zugestandenen Rechts der Selbstverwaltung auch Vereinsgerichte zur Verhängung von Vereinsstrafen für die Verletzung von Mitgliedspflichten einsetzen." A u f die genannten Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof sich i n den folgenden Jahrzehnten immer dann berufen, wenn es galt, den nur beschränkten U m f a n g richterlicher Überprüfung nachteiliger Maßnahmen des Vereins gegenüber seinen Mitgliedern (insbesondere Geldstrafen oder Ausschließung) zu rechtfertigen 5 . Die richterliche K o n t r o l l e sollte sich nämlich nur darauf erstrecken, „...ob die verhängte Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder der Satzung hat, ob das satzungsmäßig vorgeschriebene Verfahren beachtet, sonst keine Gesetzes- oder Satzungsverstöße vorgekommen sind und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist...". 6 Weiterführende Äußerungen z u m Geltungsgrund der Vereinsstrafe enthält die Rechtsprechung aus dieser Zeit — soweit ersichtlich — nicht. M i t dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof erst wieder i n seinem Grundsatzurteil v o m 30. M a i 1983 — I I Z R 138/82 — 7 beschäftigt, i n dem er — unter teilweiser 3

BGHZ 13, 5, 11 = NJW 1954, 883 = L M § 39 BGB Nr. 1 (Leitsatz) m. Anm. R. Fischer, ähnlich BGHZ 28,131,133: „Die Ausschließungsbefugnis der Vereine beruht auf dem Recht der Selbstverwaltung;...". 4 BGHZ 29, 352, 355 = NJW 1958, 2633 = W M 1959, 636. 5 Vgl. z.B. BGHZ 36,105,109,114 = NJW 1962,247; BGH W M 1961,942,943; NJW 1966,1751 = W M 1966, 772f. (insoweit nicht in BGHZ 45, 314); BGHZ 47,172,174 = NJW 1967,1268; 47, 381, 384 = NJW 1967,1657; auch BGHZ 71,126,128; NJW 1973, 35; NJW 1981,2178 = W M 1981,739 (jeweils zur Ausschließung aus einer Gewerkschaft); 75, 158, 159 (zur Ausschließung aus einer politischen Partei). 6

So die Wiedergabe der bis dahin ständigen Rechtsprechung in BGHZ 87, 337, 343. BGHZ 87, 337, 344f. = NJW 1984, 918 = W M 1983, 1208 = JZ 1984, 186 = DB 1983, 2300 = M D R 1983, 997 = ZIP 1983,1195; dazu Baecker, NJW 1984, 906; Vieweg, 7

24

§ 2: Meinungsstand Rechtsprechung

Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung — die richterliche Nachprüfung (uneingeschränkt) auf die Tatsachenermittlung i m vereinsinternen Disziplinarverfahren erstreckte, jedoch a m beschränkten K o n t r o l l u m f a n g hinsichtlich der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den „Vereinsstraftatbestand" festhielt: „Die vom Reichsgericht entwickelte und vom Bundesgerichtshof übernommene Auffassung von der rechtlichen Bedeutung der autonomen Vereinsgewalt fußt in ihrem Ausgangspunkt auf der Erwägung, daß sich die Mitglieder durch den Eintritt in den Verein freiwillig der Vereinsgewalt unterwerfen und daß es angesichts dieser freiwilligen Unterwerfung auch gerechtfertigt ist, daß die Vereinsgewalt in der Vereinssphäre eine autonome Wirksamkeit entfaltet (...). Die freiwillige Unterwerfung unter die Vereinsstrafgewalt kann jedoch nicht dahin ausgelegt werden, die Mitglieder seien bei ihrem Eintritt damit einverstanden, für Taten verantwortlich gemacht zu werden, die sie nicht begangen haben... Was den Vereinen genommen wird, ist die Möglichkeit, ihren Disziplinarmaßnahmen Sachverhalte zugrunde zu legen, die sich bei objektiver, an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteter Tatsachenermittlung nicht feststellen lassen. Auf diese „Mißbrauchs"-Möglichkeit besteht aber auch im Rahmen der Vereinsautonomie kein Anspruch. Für diese ist vielmehr wesentlich, daß die Subsumtion des festgestellten Sachverhalts zu den Maßnahmen gehört, die ein Verein in Ausübung seiner Vereinsgewalt eigenverantwortlich zu treffen hat und die gerichtlich nur in engen Grenzen nachgeprüft werden kann (...)." Diese Rechtsprechung ist auch durch das Bundesverfassungsgericht gebilligt worden8. Neuerdings hat der Bundesgerichtshof 9 — ohne näher auf den Geltungsgrund der Vereinsstrafe einzugehen — die Ausschließung als „vereinsrechtliche Disziplinarmaßnahme" gekennzeichnet, bei der „der Vereinigung in Anerkennung ihrer Autonomie zur Wert- und Zielsetzung ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen" sei. Die Ausschließung aus Monopolverbänden sowie Vereinen m i t überragender Machtstellung i m wirtschaftlichen oder sozialen Bereich, die deshalb einer Aufnahmepflicht unterliegen, müsse aber „durch sachliche Gründe gerechtfertigt, darf also nicht unbillig sein". Vereinigungen, die i n der Entscheidung über ihren Mitgliederbestand frei sind, soll dagegen das Recht verbleiben, einzelne Mitglieder nach freiem JZ 1984,167; Herschel, AuR 1984, 160; Leipold, ZGR 1985,113; H. P. Westermann und Grunsky, in: Verbandsrechtsprechung, S. 41, 46 f. und S. 63, 66 ff. 8 Nichtannahmebeschluß vom 13. Juni 1986 — BvR 1705/84 — (unveröffentlicht). 9 BGHZ 102, 265, 277 = NJW 1988, 552, 555 = W M 1987,1422,1425 = WuB I I L. § 25 BGB 1.88 m. Anm. H. P. Westermann = ZIP 1987,1536m.Anm. Reuter, EWiR§ 25 BGB 1/88; dazu Hadding/van Look, ZGR 1988, 270ff.

I.

esgericht

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Ermessen bis zur Grenze der Willkür oder der groben Unbilligkeit auszuschließen. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Bundesgerichtshof den Geltungsgrund der Vereinsstrafen in der freiwilligen Unterwerfung der Mitglieder unter die Satzung und damit unter die Strafgewalt des Vereins sieht, die sich von der Möglichkeit, eine Vertragsstrafe festzusetzen, unterscheiden soll. Diese „selbständige" Vereinsgewalt, die der Staat „gelten läßt", komme dem Verein aufgrund der ihm gesetzlich (§ 25 BGB) verliehenen Autonomie zu, die innerhalb der Vereinssphäre „Wirksamkeit entfaltet" und den Verein in die Lage versetze, auf der Grundlage der Satzung Vereinsstrafen gegen seine Mitglieder zu verhängen. Mit der Vereinsautonomie und der selbständigen Vereins(straf)gewalt wird vor allem die Beschränkung der richterlichen Kontrollbefugnis hinsichtlich der verhängten Vereinsstrafen gerechtfertigt 10. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte 11 hat diese Begründung im wesentlichen übernommen. Da der Bundesgerichtshof in den angeführten Urteilen zur Begründung seiner Argumentation immer wieder auf die „vom Reichsgericht entwickelte Auffassung" Bezug nimmt und damit den Eindruck einer Kontinuität seiner Rechtsprechung erweckt, ist es angebracht, auch die Auffassung des Reichsgerichts zum Geltungsgrund der Vereinsstrafe darzustellen. II. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts Die erste (veröffentlichte) Entscheidung des Reichsgerichts (Urteil vom 30. Oktober 1901 —IV 218/01 — 1 2 ) , die unter Geltung des BGB erging, betraf einen Fall der Ausschließung, die die h.M. als „schwerste Vereinsstrafe" ansieht. Das Reichsgericht führt aus, das BGB anerkenne — wie sich aus den §§ 32, 40 BGB ergebe — „ein autonomes Recht der Vereine" 13 . Dies entspreche der Rechtslage unter dem gemeinen Recht. Demgegenüber sei ein diese Rechtsstellung beschränkendes Aufsichtsrecht des Staates i.S. des preußischen Allgemeinen Landrechts 14 „nicht vorgesehen". Daher würde die sachliche Überprüfung 10 Zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. auch Reuter, ZHR151 (1987), 355,386ff.; Hadding/van Look, ZGR 1988, 270flf. 11 Vgl. z.B. BayObLG NJW 1960, 292f. (für Wohnungseigentümergemeinschaft); OLG Karlsruhe OLGZ 1970, 300, 302; O L G Frankfurt NJW 1973,2208 f. m. Anm. H. P. Westermann; WRP 1985, 564, 566; OLG Hamm BB 1976,663 und 1191; O L G Düsseldorf DB 1986,793 = WRP 1986,216 = NJW-RR 1987,697; O L G Köln ZIP 1988,19 m. Anm. Häuser/van Look, EWiR § 39 BGB 1 /88 (Revisionsentscheidung: BGH W M 1989,184); OLG Oldenburg NJW-RR 1988, 675; O L G Düsseldorf NJW-RR 1988,1271; OLG Celle NJW-RR 1989, 313; L G Bonn W M 1987,1074,1076 (Vorinstanz zu O L G Köln a.a.O.). 12 RGZ 49,150 = SeuffA 57 Nr. 100; vgl. auch die Vorinstanz OLG Darmstadt OLGE 2, 459. Zur älteren Rechtsprechung vgl. die — allerdings nicht auf Vereinsstrafen beschränkte — Darstellung von Simon, S. 30 ff. 13 A.a.O., S. 155.

26

§ 2: Meinungsstand Rechtsprechung

eines Ausschließungsbeschlusses durch das Gericht „einen unberechtigten Eingriff in die autonome Verfassung der Vereine (§ 25 BGB) enthalten". Da nach Auffassung des Reichsgerichts kein Unterschied zur Rechtslage unter dem gemeinen Recht bestand, konnte der Senat auf eine gemeinrechtliche Entscheidung des Reichsgerichts (Urteil vom 10. April 1900 — 57 /1900 I I I — 1 5 ) Bezug nehmen 16 . Hier hatte das Gericht die Ausschließung aus einem Kriegerverein als „Verwaltungsakt des dazu berufenen Vereinsorgans" gekennzeichnet und eine (sachliche) Nachprüfung als „Eingriff in die autonome Selbständigkeit der Vereine" abgelehnt 17 . Ebenso hat das Reichsgericht in einem Urteil vom 23. Mai 1906 — 564/05 IV — 1 8 eine sachliche Nachprüfung des Ausschlusses aus einer Freimaurerloge „vermöge der Autonomie, die § 25 ... BGB den Vereinen eingeräumt hat" abgelehnt und dies mit der freiwilligen Unterwerfung des Mitglieds unter die Satzung gerechtfertigt. Gleichzeitig hat es jedoch einen „Rechtsschutz gegen Beeinträchtigungen, die der autonomen Grundlage entbehren", bejaht, d.h. gegen Maßnahmen, die in der Satzung nicht vorgesehen sind oder ihr zuwiderlaufen. Da dies auf die Aufhebung des „autonomen Rechtsspruches" des Ehrengerichts durch den Vorstand der übergeordneten Großloge zutraf, hob das Reichsgericht das Urteil des Berufungsgerichts auf. Demgegenüber meinte das Reichsgericht im Urteil vom 23. März 1910 — IV 694/09 — 1 9 , mit der „Autonomie" des Vereins habe die Ausschließung eines Mitglieds „überhaupt nichts zu tun". Vielmehr sei unter (der offenbar mit „Autonomie" gleichgesetzten) „Selbstgesetzgebung" nur das Recht zu verstehen, „sich seine Satzung ... selbst zu geben (§ 25 BGB)". Bei der Ausschließung handle es sich „nicht um einen Akt der Autonomie, sondern der Vereinsverwaltung". Hieraus folgert das Gericht, daß eine „willkürliche" (d.h. nicht auf einen wichtigen Grund gestützte) Ausschließung jedenfalls ohne entsprechende Satzungsregelung unzulässig sei. In einer weiteren Entscheidung des Reichsgerichts 20 dient die Qualifizierung des Ausschlusses als „Verwaltungsmaßregel in einer inneren Angelegenheit des Vereins" als Rechtfertigung dafür, die „sachlichen Gründe solcher Rechtsausübung" nicht nachzuprüfen. 14 Vgl. dessen §§ 43, 44 Abs. 2 S. 6: „Die Korporation ist berechtigt, Mitglieder... auszustoßen"; „Sie kann aber diese Befugnis nur unter der Aufsicht des Staates und den von ihm vorgeschriebenen Gesetzen ausüben". Zur Rechtsprechung nach preußischem Recht vgl. Groscurth, S. 67ff.; Simon, S. 78 ff. 15 RG JW 1900, 417. 16 RGZ 49, 150, 154. 17 Ebenso die gemeinrechtliche Rechtsprechung der Obergerichte, z.B. O L G Dresden SeuffA 47 Nr. 4; BayObLG SeuffA 51 Nr. 168; OLG Celle SeuffA 51 Nr. 169; dazu Groscurth, S. 70ff.; Simon, S. 77. 18 RG JW 1906, 416 f. 19 RGZ 73, 187, 190f.; vgl. auch RGZ 88, 194, 195f.; 129, 45, 48 (für eG). 20 RGZ 80, 189, 191.

I.

esgericht

27

In einem Urteil des Reichsgerichts vom 20. Dezember 1923 — IV 836 / 22 — 2 1 wird dies bereits als ständige Rechtsprechung bezeichnet; jedoch gewinnt hier das Argument der „freiwilligen Unterwerfung unter die Vereinsgewalt" an Gewicht, das schon in früheren Entscheidungen gelegentlich angeklungen war 2 2 . Im zu entscheidenden Fall bietet es nämlich die Rechtfertigung dafür, von der ständigen Rechtsprechung insoweit abzuweichen, als bei der Ausschließung aus einem Verein, bei dem die Mitgliedschaft „geradezu eine Lebensfrage für die Mitglieder bildet" (hier einem Ärzteverein), die sachliche Berechtigung des Ausschlusses auf „offenbare Unbilligkeit" zu prüfen sei 23 ; dies leitet das Reichsgericht daraus her, daß die Vereinszugehörigkeit in diesem Fall „notwendige Voraussetzung für die Gewinnung des Lebensunterhalts" sei und daher der Eintritt „gar nicht auf freier Entschließung beruhte" 24 . Allerdings hat das Reichsgericht 25 die Ausschließung auch — zumindest terminologisch — klar neben die „Bestrafung" gestellt, wenn es feststellt, „daß das Verhältnis zwischen dem Verein und einem Mitglied, das sich vom Verein losgesagt hat und von ihm nur noch zu dem Zweck einer Bestrafung oder Ausschließung zeitweilig festgehalten wird, kaum noch als Mitgliedschaft im eigentlichen Sinn bezeichnet werden kann;...".

In demselben Urteil 2 6 wird die von Delius 27 vertretene „weitgehende Auffassung von einer dem Verein gegen seine Mitglieder oder früheren Mitglieder zustehenden 'Jurisdiktion'" unter Berufung auf Heinsheimer 28 abgelehnt. In späteren Entscheidungen29 hat das Reichsgericht die nur beschränkte richterliche Überprüfung von Vereinsausschlüssen immer wieder damit gerechtfertigt, es handle sich bei der Ausschließung um einen „ A k t der Selbstverwaltung" oder der „Vereinsgewalt" als Ausprägung der Vereinsautonomie, der sich das Mitglied durch seinen Beitritt unterworfen habe. Betrafen die bisher genannten Entscheidungen die Ausschließung von Mitgliedern, so hat das Reichsgericht bereits 1915 (Urteil vom 4. Oktober 1915 — 81 / 1 5 I V — 3 0 ) die bis dahin zur Ausschließung entwickelten Grundsätze auf 21

RGZ 107, 386, 387. Vgl. RG JW 1905, 315 f. (zum nicht eingetragenen Verein) unter Hinweis auf die Entscheidung des Reichsgerichts vom 6. März 1902 — IV 393/01 — (unveröffentlicht); JW 1906, 416, 417; RGZ 73, 187, 192. 23 RGZ 107, 388; vgl. schon RGZ 106,120,127 f.; großzügiger dann RGZ 140, 23, 24; 147, 11, 15; in BGHZ 47, 381, 385 ausgedehnt auf sämtliche Vereine. 24 RGZ 107, 388, 390; ähnlich nunmehr wieder BGHZ 102, 265 = NJW 1988, 552. 25 RGZ 108, 160, 162. 26 A.a.O. (Fn. 25), S. 163. 27 Recht 1913, Sp.23; VerwA 22 (1914), 254. 28 Mitgliedschaft, S. 65 bei Fn. 1. 29 Vgl. z.B. RG JW 1927, 2996 m.Anm. Heinsheimer, JW 1928, 2208 m.Anm. Friedländer, LZ 1929 Sp.324; RGZ 147, 11, 14; RG JW 1937, 1548. 30 RG JW 1915, 1424. 22

§ 2: Meinungsstand Rechtsprechung

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den strafweisen (zeitweiligen) Entzug von Mitgliedsrechten (hier: auf Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen eines Automobilclubs) angewendet. Das Reichsgericht meint, der Verein könne wegen der Bestrafung von Mitgliedern „jedenfalls dann nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn es sich um bloße Ordnungsstrafen handelt, durch die irgendein dem Mitgliede zustehendes Recht gegenüber dem Verein an sich nicht geschmälert wird, und wenn die Vollziehung der Strafe das davon betroffene Mitglied auch nur in seiner Betätigung innerhalb des Vereins, nicht aber auch in seiner Rechtsstellung außerhalb des Vereins berührt" 3 1 .

Beim Ausschluß von allen sportlichen Veranstaltungen des Vereins unter Fortdauer aller mitgliedschaftlichen Verpflichtungen sei dies jedoch nicht der Fall; daher sei eine richterliche Überprüfung in den zur Ausschließung entwickelten Grenzen möglich 32 . Festzuhalten bleibt, daß das Gericht eine gerichtliche Überprüfung bloßer „Ordnungsstrafen", die ein mitgliedschaftliches Recht gegenüber dem Verein nicht berühren und das Mitglied nur in seiner vereinsinternen Betätigung betreffen, grundsätzlich ablehnt. Begründet wird dies damit, daß die Aufrechterhaltung der Ordnung im Verein, insbesondere bei Vereinsveranstaltungen, eine innere Vereinsangelegenheit sei, „mit der die ordentlichen Gerichte nicht befaßt werden dürfen". Vielmehr hätten sich die Mitglieder „ihrer Regelung durch den Verein und seine Organe sowohl im allgemeinen als auch im einzelnen zu unterwerfen". Ebenfalls den strafweisen Entzug von eines Mitgliedschaftsrechts, nämlich den zeitweiligen Ausschluß vom Börsenbesuch durch einen (nicht eingetragenen) Verein der Mitglieder der Wertpapierbörse, betraf ein Urteil des Reichsgerichts vom 6. Dezember 1928 — 5/28 IV — 3 3 . Wieder betont das Gericht, die Verhängung von Vereinsstrafen bilde einen „ A k t der Selbstverwaltung", der sich ein Mitglied durch seinen Eintritt aber „eben nur in den Grenzen" unterwerfe, „die ihr durch die Satzungen gezogen sind". Da im zu entscheidenden Fall die Satzung keine „Suspension" einzelner Mitgliedschaftsrechte vorsah und diese von der Ausschließung, die aus wichtigem Grund auch ohne Grundlage in der Satzung stets zulässig ist, „so wesentlich verschieden ist, daß sie nicht mehr unter den Begriff einer gemilderten Ausschließung oder eines geringeren Strafmaßes gebracht werden kann", stellte das Reichsgericht die Unwirksamkeit der Straffestsetzung fest. M i t dem Geltungsgrund einer (Vereins-)Geldstrafe hatte sich das Reichsgericht in einem Urteil vom 22. September 1927 — IV165 / 27 — 3 4 zu beschäftigen. Der Senat führt aus, von den Vereinsorganen verhängte Geldstrafen hätten 31

A.a.O. (Fn. 30), S. 1425. Ähnlich bereits RG Gruchot 38 (1894), 1123 f. (zum preußischen Allgemeinen Landrecht) für den zeitweisen Ausschluß von Zusammenkünften einer Schützengilde; vgl. auch RG SeuffA 59 (1903) Nr. 118 zum Ausschluß von Regatten eines Seglerverbands. 33 RG JW 1929, 847 m.Anm. Heinsheimer. 34 RG JW 1928, 2208 m.Anm. Friedländer. 32

I.

esgericht

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„nicht die rechtliche Natur von Vertragsstrafen i.S. der §§ 339 ff. BGB", da weder ein akzessorisches noch ein selbständiges (§ 343 Abs. 2 BGB) vertragliches Versprechen gegenüber dem Verein als Gläubiger vorliege. Vielmehr bilde die Verhängung einer Geldstrafe — ebenso wie die strafweise Ausschließung — einen „ A k t der Selbstverwaltung des Vereins, dem sich das Mitglied durch seinen Beitritt unterworfen hat". Daher sei auch nur eine eingeschränkte richterliche Überprüfung möglich, nämlich im Hinblick auf Satzungsmäßigkeit und offenbare Unbilligkeit. Nicht nachzuprüfen sei dagegen ihre sachliche Berechtigung, also „Angemessenheit und Höhe oder im Rahmen der Satzung das Vorliegen ihrer sonstigen sachlichen Voraussetzungen"; auch zu einer Herabsetzung der Strafe sei der Richter „nicht befugt". Zur Begründung verweist der Senat auf eine (unveröffentlichte) Entscheidung vom 13. November 1919 — IV 371/19 —, in der das Gericht die zur Ausschließung entwickelten Grundsätze beschränkter richterlicher Nachprüfung auf die Vereinsgeldstrafe übertragen hatte 35 . Unerwähnt bleibt freilich in den späteren Urteilen eine Entscheidung desselben Senats vom 29. April 1920 — IV 518/19— 3 Ö , in der „schuldrechtliche Verbindlichkeiten ..., z.B. auf Zahlung von Beiträgen, Strafen usw." als „auf einem einseitigen Schuldverhältnis des Mitglieds zum Verein" beruhend beschrieben werden, ohne auf die „Vereinsstrafgewalt" Bezug zu nehmen. In einem Urteil vom 22. März 1928 — 736/27 IV — 3 7 wird die in R G JW 1928,2208 vollzogene Einordnung der Vereinsgeldstrafe als „ A k t der Selbstverwaltung" schon als ständige Rechtsprechung bezeichnet. In späteren Entscheidungen, die ebenfalls die Festsetzung von Geldstrafen betrafen, sieht das Reichsgericht 38 den Geltungsgrund in der auf der Vereinsautonomie beruhenden Strafbefugnis in Ausübung der Selbstverwaltung, der sich die Mitglieder durch den Beitritt in den Grenzen der Satzung unterworfen hätten. Demgegenüber hat das Reichsgericht in einem Urteil vom 9. Juli 1937 — V I I 60/37 — 3 9 die im „Wirtschaftsvertrag" eines Vereins von Rundfunkgeräteherstellern versprochenen (und so bezeichneten) „Vertragsstrafen" als Vertragsstrafen i.S. der §§ 339 ff. BGB gekennzeichnet. Das Gericht grenzt die von den Mitgliedern dem Verein für den Fall des Verstoßes gegen den „Wirtschaftsver35 Vgl. die Wiedergabe der wesentlichen Gründe dieser Entscheidung in RG JW 1927, 691 f. m. Anm. Waldecker = Gruchot 69, 90,92 f., wo das Reichsgericht die Übertragung dieser Grundsätze auf eine von einer Genossenschaft verhängte Geldstrafe offenlassen konnte, weil bereits die Strafbestimmung im Statut sittenwidrig war; offenlassend auch RGZ 75, 158, 159. 36 RGZ 100, 1, 2 f. 37 RG JW 1928, 2209 m.Anm. Heinsheimer. 38 Vgl. RGZ 125, 338, 340; 151, 229, 232, 233 = JW 1936, 2548 m.Anm. Jonas. 39 RGWarnR 1937Nr. 127 = KartRdsch 1938,631 m.Anm.Klinger = Z A k D R 1937, 655 m.Anm. Mezger; vgl. auch die Vorinstanz K G KartRdsch 1938, 630, 631, die den Vertragsstrafencharakter damit erklärt, daß die Strafbestimmung im „Wirtschaftsvertrag" und nicht in der Satzung enthalten sei; im letzteren Fall hätte es sich um einen „ A k t der Selbstverwaltung" gehandelt.

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§ 2: Meinungsstand Rechtsprechung

trag" versprochenen „Vertragsstrafen" von öffentlichen (Kriminal-)Strafen, „Verbandsstrafen" (die sich auf die Selbstverwaltung des Verbands gründen) ab und kommt anhand des Wortlauts des Vertragstextes zu dem Ergebnis, daß es sich um „wirkliche" Vertragsstrafen i.S. der §§ 339 ff. BGB handele. Daß die Strafandrohung von den unter Strafe gestellten Handlungen abschrecken soll, stehe der Einordnung als Vertragsstrafe nicht entgegen, da die Abschreckungsfunktion nicht ausschließlich der öffentlichen Strafe eigen sei. Auch daß nach dem Vertrag Schadenersatzansprüche zwischen den Mitgliedern nicht berührt werden sollten, schließe die Annahme einer Vertragsstrafe nicht aus, da diese auch unabhängig von einem Schadenersatzanspruch (vgl. §§ 340,341 BGB) oder zum Ausgleich eines Nichtvermögensschadens (vgl. § 343 Abs. 1 S. 2 BGB) vereinbart werden könnten. Die Festsetzung der Strafhöhe durch einen Dritten oder ein Schiedsgericht sei gem. §§ 317, 319 BGB zulässig. In einem ähnlichen Fall hat das Reichsgericht 40 die durch ein Schiedsgericht für die Verletzung mitgliedschaftlicher Pflichten festgesetzte Geldstrafe „mindestens als Vertragsstrafe im Sinne des § 343 Abs. 2 BGB" angesehen. Auf die abweichende ständige Rechtsprechung des IV. Zivilsenats nimmt der VII. Zivilsenat in den genannten Urteilen nicht Bezug. . Die geschilderte Entwicklung der Rechtsprechung zeigt, daß das Reichsgericht den Geltungsgrund von Vereinsstrafen, jedenfalls im Bereich der Geldstrafen, nicht einheitlich beurteilte 41 . Die ältere Rechtsprechung des Reichsgerichts sah ihn in der autonomen Vereinsstrafgewalt, der sich das Mitglied durch den Beitritt unterwerfen soll; jüngere Entscheidungen betrachteten die Vereinsgeldstrafe dagegen als Vertragsstrafe i. S. der §§ 339 ff. BGB. Diese Kontroverse hat der Bundesgerichtshof 42 übergangen, indem er 1956 an die „ältere Linie" der Rechtsprechung des Reichsgerichts anknüpfte, ohne die jüngeren Entscheidungen auch nur zu erwähnen. Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß auch die Rechtsprechung der Instanzgerichte keine einheitliche Linie verfolgte. Teils wurde die Festsetzung einer Vereins(geld)strafe 43 als Akt der autonomen Selbstverwaltung 44, teils als Konventionalstrafe 45 , d. h. als Vertragsstrafe i. S. der §§ 339 ff. BGB, angesehen. 40

RG (VII. Zivilsenat) DR 1939,1915,1917; vgl. auch RGZ 153,267,268, wo von der „Festsetzung der im Fall von Pflichtverletzungen der Mitglieder vorgesehenen Vertragsstrafen" die Rede ist. 41 Ebenso Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 56ff.; auch Hadding, Festschr. R. Fischer, S. 165, 182 f. zum Streit um die korporationsrechtliche oder rechtsgeschäftliche Einordnung der Satzung. 42 Vgl. BGHZ 21, 370, 372. 43 Vgl. zur Ausschließung die Nachw. in Fn. 17. 44 Vgl. L G Frankfurt/M. JW 1935, 3493 m.Anm. Kisch; L G Köln JW 1938, 2300 m.Anm. Steffen (dazu Körting, KartRdsch 1939, 77); ebenso die in RG JW 1906, 396 mitgeteilten Entscheidungsgründe des Berufungsurteils des OLG Köln. 45 Vgl. O L G Kassel SeuffA 48 Nr. 174 (für Molkereigenossenschaft); O L G Stettin OLGE 28, 97f.; K G JW 1937, 554 m.Anm. Kisch; DR 1939, 2156 m.Anm. Dörinkel;

III. „Vereinsautonomie" als Begründungselement

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Insgesamt gesehen läßt jedoch die Rechtsprechung des Reichsgerichts—trotz einzelner rechtsgeschäftlicher „Ansätze" — die Tendenz erkennen, den Geltungsgrund von Vereinsstrafen „korporationsrechtlich", d.h. aus der Vereins(straf)gewalt als Ausprägung der Vereinsautonomie, zu erklären; hieran hat auch der Bundesgerichtshof angeknüpft. Da jedoch die begriffliche Bedeutung der „Vereinsautonomie" aus den zitierten Entscheidungen nicht recht deutlich wird, liegt es nahe, die „Vereinsautonomie" als Begründungselement aus Sicht der Rechtsprechung näher zu beleuchten. I I I . Die „Vereinsautonomie" als Begründungselement der Rechtsprechung Die Vereinsautonomie wird von Entscheidung über unterschiedliche versucht werden, den Begriff der hergeleiteten Rechtsfolgen schärfer

der Rechtsprechung zur Begründung der Sachverhalte herangezogen. Zunächst soll Vereinsautonomie anhand der aus ihm zu konturieren.

1. Auswirkungen der Vereinsautonomie

Autonomie wird zunächst vom Reichsgericht 46 — ganz im Wortsinn 47 — als Befugnis des Vereins zur „Selbstgesetzgebung" verstanden, nämlich seine Satzung und damit seine Verfassung, soweit sie nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruht, sich selbst zu geben (vgl. § 25 BGB). Damit ist jedoch noch nicht gesagt, daß der Satzung auch die Qualität einer Rechtsnorm — etwa i. S. des Art. 2 EGBGB 4 8 — zukommt. Vielmehr ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung — wenn man sich nicht an Formulierungen wie „Selbstgesetzgebung"49, „Grundgesetz des Verbandes" 50 , „abstrakt-generelle Norm des Vereinsrechts" 51 oder „Rechtsetzung" 52 klammern will — keine (eindeutige) Stellungnahme im Streit zwischen der sog. Norm(en)theorie und der sog. Vertragstheorie um die rechtliche Qualifizierung der Satzung zu entnehmen, wenn auch die Ergebnisse sich vielfach denen der Norm(en)theorie nähern 53 . Insbes. hat die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, was vom Wortsinn her ferner K G JW 1926, 1600 m. Anm. Kisch, wo die Festsetzung einer Geldbuße durch ein Schiedsgericht nur unter den Gesichtspunkten öffentliche Strafe oder Schadenersatz, nicht aber unter dem Gesichtspunkt Vereins- oder Vertragsstrafe geprüft wird. 46 RGZ 73, 187, 191, 194. 47 Von griechisch „autos" (selbst) und „nomos" (Gesetz). 48 Eindeutig ablehnend RGZ 165, 242, 254 für die Satzung eines nicht eingetragenen Vereins. 49 RGZ 73, 187, 191. 50 RG SeuffA 59 Nr. 118. 51 BGHZ 47, 172, 179; auch BGHZ 71, 126, 128. 52 BGHZ 49, 396, 398. 53 Vgl. aber Schober, S. 38, der die bis zum Jahr 1936 ergangene Rechtsprechung sogar für eine rechtsgeschäftliche Einordnung der Satzung in Anspruch nimmt; zur älteren Rechtsprechung auch Simon, S. 111.

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vielleicht naheläge, nie das Autonomieargument verwendet, um die Normqualität der Satzung zu begründen 54 . Seit RGZ 73, 187 hat das Reichsgericht deutlich zwischen „Selbstgesetzgebung" und „Vereinsverwaltung", d.h. der Durchführung der Satzung im Innenverhältnis des Vereins, unterschieden. Wollte es die Vereinsverwaltung zunächst 55 nicht dem Bereich der — ausschließlich als Selbstgesetzgebung verstandenen — Autonomie zurechnen, so dient das Autonomieargument in späteren Entscheidungen56 dazu, ein Selbstverwaltungsrecht des Vereins zur Regelung der inneren Vereinsangelegenheiten auf der Grundlage der Satzung anzunehmen. Auch der Bundesgerichtshof geht von einer Befugnis zur (autonomen) Selbstverwaltung aus 57 , die er neben die Rechtsetzungsbefugnis stellt 58 . Bemerkenswert ist nun, daß diese Selbstverwaltung gegenüber den Mitgliedern in einem Verhältnis der Subordination, also der Über- und Unterordnung, vollzogen werden soll. Dem Verein soll auf der Grundlage der Satzung eine autonome (Straf-) Gewalt über seine Mitglieder zustehen, der sich das Mitglied durch seine Beteiligung an der Gründung oder seinen Beitritt freiwillig unterwirft 59. Die Vereinsstrafe wird gleichsam als „Verwaltungsakt" 60 im Rahmen einer dem Verein zustehenden „Gerichtsbarkeit" 61 („Jurisdiktion" 6 2 ) verhängt. Aus der Vereinsautonomie wird schließlich auch hergeleitet, daß verhängte Vereinsstrafen durch die staatlichen Gerichte nur in beschränktem Umfang nachprüfbar sein sollen 63 . Insbesondere die Subsumtion des strafwürdigen Sachverhalts unter die Strafbestimmung der Satzung und die Strafzumessung soll in dem Sinn autonom sein, daß der satzungsgemäß gebildete Wille des Vereinsorgans — in gewissen Grenzen — endgültig ist 6 4 . Dies soll nach der neueren Rechtsprechung 65 aber nur für Vereine gelten, die über ihren Mitgliederbestand frei, d.h. eigenverantwortlich („autonom"), 54

So aber z.B. BayObLG SeuffA 51 Nr. 167; anders jedoch BayObLGZ 1977, 6, 9f. RGZ 73, 187, 190; vgl. auch RGZ 80, 189, 191. 56 RGZ 107, 386, 387; 125, 398, 340; 147,11,14; 151, 228, 231; RG JW 1927,2996; JW 1928, 2208; JW 1929, 846, 848. 57 BGHZ 13, 5, 16; 28, 131, 133; 47, 172, 174; 47, 381, 384. 58 BGHZ 49, 396, 398: „..., daß es im Rahmen der geltenden Gesetze Sache eines Vereins ist, seine Angelegenheiten im Wege der Rechtsetzung und Selbstverwaltung eigenständig zu regeln". 59 Vgl. RGZ 107, 386, 388, 390; 125, 338, 340; BGHZ 13, 5, 11; 87, 337, 344. 60 RG JW 1900, 417. 61 Vgl. BGHZ 29, 352, 355; 36, 105, 109. 62 RG JW 1905, 315, 316. 63 Vgl. zum aktuellen Stand der Rechtsprechung BGHZ 87, 337, 343 f.; 102, 265, 276f. = NJW 1988, 552; Hadding/van Look, ZGR 1988, 270 ff. 64 Besonders deutlich schon RG JW 1900, 417. 55

III. „Vereinsautonomie" als Begründungselement

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entscheiden können. Demgegenüber bejaht der Bundesgerichtshof nunmehr eine volle gerichtliche Überprüfung jedenfalls der Ausschließung bei Vereinen, die als Monpolverbände oder Vereinigungen m i t überragender Machtstellung i m wirtschaftlichen oder sozialen Bereich anzusehen sind u n d die deshalb einer Aufnahmepflicht unterliegen. M i t dem Autonomieargument w i r d nämlich auch begründet, daß der Verein „grundsätzlich i n seiner Entscheidung frei (sc. ist), ob er einen Mitgliedschaftsbewerber aufnehmen w i l l " 6 6 . Diese grundsätzliche Aufnahmefreiheit als Ausprägung der Vereinsautonomie w i r d nur bei sozial mächtigen Vereinen eingeschränkt, an deren Mitgliedschaft der Bewerber ein erhebliches Interesse hat; die Aufnahmepflicht begründet der Bundesgerichtshof m i t einer an die Vorschrift des § 826 B G B u n d an die Tatbestandsmerkmale des § 27 G W B angelehnten „ F o r m e l " , nach der „die Ablehnung der Aufnahme nicht zu einer — im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern — sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen darf 467. N a c h Auffassung des Bundesgerichtshofs 6 8 soll danach die vereinsautonome Regelung u n d A u s ü b u n g des Ausschließungsrechts nur dort uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar sein, w o schon die Regelung u n d Willensbildung hinsichtlich der Aufnahme eines Bewerbers einer gerichtlichen Inhalts- u n d Ausübungskontrolle unterliegt. 65 BGHZ 102, 265, 276f. = NJW 1988, 552, 555 = W M 1987, 1422, 1425; krit. dazu Hadding/van Look, ZGR 1988, 270, 277ff.; wie der BGH im Ausgangspunkt MünchKomm-Reuter, BGB, §25 Rz. 23-36, insbes. Rz. 32, 35; ders., ZGR 1980, 101, 113ff.; ders., ZHR 151 (1987), 355, 388; Baecker, Vereinsautonomie, S. 100f. 66 BGHZ 101,193 = NJW 1987,2503 = W M 1987,1392,1394 = WuB I I L. § 38 BGB 1.88 m. Anm. van Look = JZ 1987,1076 m. Anm. Henke; vgl. schon BGH NJW 1969,316, 317 („Marburger Universitätssportclub"): „Der Gesetzgeber hat dem Verein die grundsätzlich freie Befugnis eingeräumt, Zwecke und Aufgabenbereiche selbst festzulegen und zu bestimmen, auf welche Weise und mit welchen Mitgliedern er seine Ziele verfolgen will. Infolgedessen kann diesem in aller Regel kein Vorwurf gemacht werden, wenn er ein Beitrittsgesuch zurückweist, weil die vereinsverfassungsrechtlichen Bestimmungen entgegenstehen"; ähnlich OLG Stuttgart NJW 1972,877,878 (Landespressekonferenz); vgl. aus dem Schrifttum Galperin, DB 1969, 704; Traub, WRP 1985, 591. 67 BGHZ 63, 282, 285 = NJW 1975, 771 = W M 1975, 269 (Radsportverband); vgl. auch BGHZ 93,151,153 f. = NJW 1985,1216 = W M 1985,387 = JZ 1985, 534 m. Anm. Reuter (IG Metall); BGH NJW 1980,186 m. Anm. Redeker und Scharf ebenda S. 1844 = W M 1979, 1114 (Anwaltverein); NJW-RR 1986, 583 = WRP 1986, 204 (AikidoVerband); BGHZ 101,193,200 = NJW 1987, 2503 = W M 1987,1392 = WuB I I L. § 38 BGB 1.88 m. Anm. van Look = JZ 1987, 1076 m. Anm. Henke (politische Partei); O L G Düsseldorf NJW-RR 1987, 503 (Aikido-Verband); auch BVerfG NJW-RR 1989, 636; Teubner, Organisationsdemokratie, S. 274ff.; Sachse, S. 107ff.; Röhricht, in: Verbandsrechtsprechung, S. 75, 79ff.; U. Schmidt, S. 129ff.; zur Aufnahmepflicht nach § 27 GWB Scholz-Hoppe, Festschr. Pfeiffer, S. 785 ff. 68

A.a.O. (Fn. 65); ebenso Röhricht, in: Verbandsrechtsprechung, S. 75, 88.

3 van Look

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§ 2: Meinungsstand Rechtsprechung

Dabei stehen sich bei der Aufnahme Verein und Bewerber als unverbundene Rechtssubjekte gegenüber, die nach ihrem Willen, d. h. privatautonom, über den Beitritt entscheiden; lehnt der Verein die Aufnahme ab, so ist dies nur unter den Voraussetzungen der §§ 826 BGB, 27 GWB (unmittelbar oder analog) nachprüfbar (entsprechend der Abschlußpflicht beim Vertrag 69 ). Bei der Ausschließung wäre dagegen nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen uneingeschränkt zu überprüfen, ob der Verein die für die Mitgliedschaft als Sonderverbindung geltenden Regelungen (gesetzliche Vorschriften und die Vereinssatzung als autonom gesetzte Verfassung [vgl. § 25 BGB]) eingehalten hat; die soziale Bedeutung des Rechtsverhältnisses und das Interesse des Betroffenen an seinem Fortbestand würde hier für den Maßstab einer gerichtlichen Prüfung keine Rolle spielen 70 . 2. Parallelen zum öffentlichen Recht

Betrachtet man die aus der Vereinsautonomie gewonnenen Rechtsfolgen, so fallen — schon terminologisch — deutliche Parallelen zum öffentlichen Recht auf. Dort besteht zwischen dem Bürger und dem Staat typischerweise ein Überund Unterordnungsverhältnis, wenngleich das öffentliche Recht auch Elemente und Handlungsformen der Gleichordnung, z.B. den öffentlich-rechtlichen Vertrag (§ 54 VwVfG), kennt. Zur Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Zivilrecht diente früher die sog. Subordinationstheorie, die auf ein Überund Unterordnungsverhältnis zwischen Bürger und Staat abstellte 71 . Das öffentliche Recht kennt auch auf (freiwilliger) Unterwerfung beruhende besondere Gewalt- oder Sonderstatusverhältnisse (z. B. das Beamtenverhältnis), die durch eine Disziplinargewalt der übergeordneten juristischen Person des öffentlichen Rechts (des Dienstherrn) gekennzeichnet sind 72 . Im Bereich des öffentlichen Rechts gibt es eine gegenüber dem Staat grundgesetzlich gewährleistete Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände (Art. 28 GG). Auch sind dort Bereiche anerkannt, die einer gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglich sind, nämlich Ermessensentscheidungen (vgl. § 114 VwGO) und behördliche Beurteilungsspielräume. Demgegenüber bleiben die Bezüge der aus der Vereinsautonomie hergeleiteten Rechtsfolgen zum Zivilrecht, dem das Verhältnis zwischen Verein und Mitglied nach einhelliger Ansicht zuzuordnen ist, weniger ausgeprägt. Für dieses ist das Handeln auf der Ebene der Gleichordnung und in den Formen des Rechtsgeschäfts (insbes. des Vertrags) typisch. Allerdings ist auch hier nicht 69 Vgl. vor allem Grunewald, AcP 182 (1982), 181,184f.; zustimmend van Look, WuB I I L. §38 BGB 1.88 unter 1.2. 70 Vgl. Hadding/van Look, ZGR 1988,270, 278; auch Vorderwülbecke, S. 96f., der das Abweichen von den Regelungen des Vereinsrechts aufgrund der verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften für gerechtfertigt hält.. 71 Vgl. RGZ 166, 118f., 126; 167, 281 f.; BGHZ 14, 222f., 227; 53, 184, 186 = NJW 1970, 811; zur Bedeutung der Theorien Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rz. 112ff. 72 Vgl. Wolff!Bachof VerwR I, § 32 IV c 3; Erichsen/Martens, Allg. VerwR, § 3 I I 2.

III. „Vereinsautonomie" als Begründungselement

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ausgeschlossen, daß Rechtsfolgen rechtsgeschäftlichen Handelns gegen den Willen des Betroffenen eintreten. Nur bedarf es hierzu der Zulassung im Gesetz (z. B. bei Mehrheitsbeschlüssen gem. § 32 Abs. 1 S. 3 BGB) oder der Einräumung von Gestaltungsrechten (vgl. z.B. §§315 ff. BGB). Auch kennt das Zivilrecht grundsätzlich keine Exklaven gerichtlicher Kontrolle. Jedoch kann die gerichtliche Kontrolldichte — in gewissen Grenzen — durch Schiedsklauseln (§§ 1025 ff. ZPO), vertraglichen Ausschluß der Klagbarkeit oder Reduzierung auf Billigkeitskontrollen (vgl. z. B. §§ 315 Abs. 3 S. 2 Hs.l; 343 BGB) beschränkt sein. Da die Rechtsprechung eine Anknüpfung an die dargestellten (allgemeinen) zivilrechtlichen Kategorien vermissen läßt, liegt der Schluß nahe, daß sie die Vereinsautonomie als eine besondere Institution des Zivilrechts ansieht, die eine von den allgemeinen zivilrechtlichen Gesichtspunkten abweichende Behandlung der Innenbeziehungen zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern rechtfertigt. Jedenfalls dient die Vereinsautonomie meistens als Argument, von allgemeinen zivilrechtlichen Beurteilungskriterien abzuweichen. Hieraus ergibt sich die Frage, aus welchen rechtlichen Sachverhalten die Rechtsprechung die Vereinsautonomie begründet und die aus ihr hergeleiteten Rechtsfolgen gewinnt. 3. Anknüpfungspunkte für „Vereinsautonomie"

Die ältere Rechtsprechung 73 führt zur Begründung der Vereinsautonomie zunächst die Vorschriften der §§ 25, 32, 40 BGB an; § 25 BGB gibt dem Verein das Recht, seine Verfassung durch die Vereinssatzung selbst zu regeln, soweit sie nicht auf zwingendem (vgl. § 40 BGB) Gesetzesrecht beruht. Nach § 32 Abs. 1 S. 1 BGB werden die „Angelegenheiten des Vereins" durch Beschlußfassung der Mitgliederversammlung „geordnet", soweit nicht ein anderes Vereinsorgan zuständig ist. Wortlaut und Sinn dieser Vorschriften deuten jedoch weder auf ein Subordinationsverhältnis zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern oder eine „Strafgewalt" des Vereins noch auf eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte hin. Das Reichsgericht leitet daher aus dem Fehlen eines staatlichen Aufsichtsrechts einen bewußten Gegensatz des BGB zum preußischen Allgemeinen Landrecht, das eine weitgehende Staatsaufsicht vorsah, und eine Parallele zum gemeinen Recht her. Der historische Hintergrund dieser Rechtsprechung ist von Simon 74 eingehend analysiert worden. Insbesondere hat Simon festgestellt, daß das Inkrafttreten des BGB der Rechtsprechung Gelegenheit bot, die im Zuge des politischen Liberalismus seit Anfang des 19. Jahrhunderts erhobene Forderung nach Vereinsfreiheit 75, d.h. Freiheit von 73

RGZ 49, 150, 155; ähnlich noch BGHZ 29, 352, 355. A.a.O., S. 92ff., insbes. S. 108ff. zum Autonomieargument. 75 Zur historischen Entwicklung des Vereinswesens vgl. Simon, S. 4-30; Vormbaum, S. 60ff.; Leßmann, Wirtschaftsverbände, S. 214ff.; Mummenhoff Gründungssysteme, S. 32ff.; zur Gesetzgebungsgeschichte in den Ländern Deutschlands Buchholz, in: Coing 74

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§ 2: Meinungsstand Rechtsprechung

staatlicher Einmischung in innere Vereinsangelegenheiten, in der Weise anzuerkennen, daß sie den Wegfall administrativer, d. h. polizeilicher, Vereinsaufsicht zum Anlaß nahm, die gerichtliche Kontrolle vereinsinterner Entscheidungen mit dem Autonomieargument zu verringern 76 . Daneben mögen noch der gesellschaftliche Standort der Richterschaft 77 , die Betonung der Vertragsfreiheit im BGB 7 8 sowie der eher auf formale Kontrolle gerichtete Charakter des bürgerlichen Rechts 79 eine Rolle gespielt haben. Vor allem wird aber in den von der Rechtsprechung gefundenen Anknüpfungspunkten für die Vereinsautonomie der im 19. Jahrhundert in der Rechtswissenschaft geführte Streit um den Ursprung dieser Autonomie deutlich. Das (herrschende) romanistische System der Pandektistik, das die juristische Person von der Rechtsfolgenseite her als Fiktion erklärte („Fiktionstheorie"), betonte den individualrechtlichen, d. h. rechtsgeschäftlichen, Charakter der Innenbeziehungen zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern und sah somit die Vereinsautonomie nur als besondere Ausprägung der (allgemeinen) Privatautonomie an 8 0 . Demgegenüber sprach die Gegenauffassung der Germanisten, insbes. O.v.Gierke (dazu unten § 3 I.l.a), entsprechend ihrer Lehre von der juristischen Person als realer Verbandsperson, den Körperschaften eine originäre, quasi naturrechtlich vorgegebene Autonomie zu, kraft derer sie dem einzelnen Mitglied übergeordnet und hinsichtlich der Innenbeziehungen der staatlichen Kontrolle weitgehend entzogen seien 81 . Wenn die Rechtsprechung an die gesetzlichen Vorschriften der §§ 25, 32, 40 BGB anknüpft und aus dem Fehlen einer polizeilichen Vereinsaufsicht einen bewußten Gegensatz des BGB zum preußischen Allgemeinen Landrecht herleitet, stellt sich die Frage nach der Auffassung des historischen Gesetzgebers 82. Dieser hatte zunächst in den Motiven zum BGB die Problematik der Vereinsautonomie zwar gesehen, sich einer Stellungnahme aber bewußt enthalten: „Die Ansichten gehen besonders darüber auseinander, ob die betr. Satzungen die Eigenschaft von Rechtshandlungen bz. Rechtsgeschäften oder von Rechtssätzen haben, ob ihre Schaffung nur Bethätigung einer der Körperschaft für den Kreis ihrer Angelegenheiten zustehenden sog. Privatautonomie oder ob sie ein rechtserzeugender (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. I I I / 2 , S. 1757ff. 76 Vgl. Simon, S. 114ff.; auch Baecker, Vereinsautonomie, S. 23 ff. 77 So Simon, S. 93 ff., insbes. S. 103. 78 So Simon, S. 124 ff. 79 So Simon, S. 126 ff. 80 Vgl. Gerber, AcP 37 (1854), 35, 59ff.; Simon, S. 144ff.; Vormbaum, S. 4ff. 81 Vgl. Simon, S. 151 ff. 82 Zur Gesetzgebungsgeschichte des BGB auf dem Gebiet des Vereinsrechts vgl. Vormbaum, S. 125 ff.; Hadding, in: Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz, S. 263, 285 ff.; Mummenhoff Gründungssysteme, S. 44ff.

III. „Vereinsautonomie" als Begründungselement

37

Akt und als solcher Ausfluß wahrer, der Körperschaft begriffsmäßig zukommender Autonomie sei. Die Meinungsverschiedenheit hat ihren Grund zum Theile in dem Widerstreite der Vorstellungen über das Wesen der jur. Person, zum Theile in einer Verschiedenheit der Ansichten über die Abgrenzung der Norm des Rechtssatzes von der Norm des Rechtsgeschäftes. Für den Entwurf liegt kein Anlaß vor, Stellung zu der Frage zu nehmen." 83

Dagegen hatte die 1. Kommission nicht mehr deutlich zwischen Privatautonomie und „wahrer" Autonomie unterschieden. Sie wollte durch eine dem späteren § 25 BGB entsprechende Regelung (nämlich § 5 des Teilentwurfs über die juristische Person) zum Ausdruck bringen, „daß die Verfassung einer Körperschaft, soweit dieselbe nicht durch das Gesetz oder durch eine auf Gesetz beruhende Anordnung geregelt ist, auf Autonomie beruhe, die sich sowohl bei ihrer Gründung in den Errichtungsverträgen als auch später vorbehaltlich des staatlichen Aufsichts- und Bestätigungsrechts in den die ursprüngliche Verfassung innerhalb gewisser Grenzen ändernden Beschlüssen geltend mache" 84 .

Auch zur Begründung des § 2 der Redaktorvorlage, der dem späteren § 25 BGB entsprach, wurde „besonderer Werth" auf die Feststellung gelegt, „daß der § 2 das Prinzip der Autonomie sanktionirt" 85 . Gleichzeitig wird aber klargestellt, daß den „Gründungsverträgen" einer Körperschaft „der Charakter objektiver, gegen Dritte wirkender Rechtsnormen fehlt" 8 6 .

Ein bewußter Gegensatz zum Allgemeinen Landrecht und ein Verzicht auf staatliche oder richterliche Kontrolle vereinsinterner Maßnahmen läßt sich den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers nicht entnehmen 87 . Offen bleibt aber auch in der Rechtsprechung, ob sie die Vereinsautonomie als originäre oder durch das Gesetz verliehene „echte" Autonomie oder als Ausprägung der (allgemeinen) Privatautonomie begreift. Zwar finden sich Formulierungen, die auf eine originäre Vereinsautonomie hindeuten, z.B. das Gesetz „anerkenne" 88 ein autonomes Recht der Vereine oder der Staat „lasse" die selbständige Strafgewalt der Vereine „gelten" 8 9 . Andererseits wird zur Begründung der Vereinsautonomie auf gesetzliche Vorschriften (§§ 25 ff. BGB) Bezug genommen 90 , die sich allenfalls als (konstitutive) Delegation des Gesetz83

Motive Bd. I, S. 93 f. = Mugdan I, S. 403. Jakobs ¡Schubert, Beratung, AllgT 1. Teilbd., S. 159. 85 Jakobs/Schubert, Beratung, AllgT 1. Teilbd., S. 202. 86 Jakobs ¡Schubert, a.a.O. (Fn. 85). 87 Zum Einfluß v. Gierkes vgl. unten § 3 I.l.b.bb; zur Autonomie als Rechtsquelle in der Vorstellung des historischen Gesetzgebers unten § 4 II.3. und § 5 I. 88 RGZ 49, 150, 155. 89 BGHZ 13, 5, 11; 21, 370, 375; vgl. auch OLG Frankfurt WRP 1985, 500, 503, das zwischen Vereins- und Verbandsautonomie einerseits und Privatautonomie andererseits unterscheidet. 84

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§ 2: Meinungsstand Rechtsprechung

gebers an den Verein, seine Innenbeziehungen im Rahmen der Gesetze zu regeln, verstehen lassen, schwerlich jedoch als lediglich deklaratorische Anerkennung einer vorgegebenen Autonomie 91 . Wenn dagegen die jüngere Rechtsprechung auf die freiwillige Unterwerfung des Mitglieds unter die Vereinsgewalt abstellt und das Ausmaß richterlicher Kontrolle nach dem Grad der Freiwilligkeit durch Auslegung der „Unterwerfungserklärung" bemißt 92 , wird an rechtsgeschäftliche und damit in Betätigung der Privatautonomie geregelte Sachverhalte (Beitrittsvertrag 93 , Gründungsvertrag 94 ) angeknüpft; dies deutet eher auf eine Einordnung der Vereinsautonomie als Ausprägung der (allgemeinen) Privatautonomie hin. Eine (eindeutige) Stellungnahme zur Quelle der Vereinsautonomie ist daher der Rechtsprechung — ebenso wie zum Streit um die rechtliche Qualifizierung der Satzung (oben 1.) — nicht zu entnehmen 95 . Dies erklärt sich auch daraus, daß die Rechtsprechung diese Fragen wohl als rein theoretische ansieht und deshalb unentschieden läßt. Wenn aber die Rechtsprechung Sachverhalte im Bereich des Zivilrechts unter Berufung auf eine tatbestandlich nicht näher bestimmte „Vereinsautonomie" abweichend von allgemeinen zivilrechtlichen Kategorien beurteilt, so liegt der Vorwurf mangelnder Begründungsrationalität nahe. Die Vereinsautonomie wird damit als Begründungselement zum generalklauselartigen unbestimmten „Maßstab" 9 6 , der der Konkretisierung bedarf. Unverkennbar ist allerdings, daß mit der Annahme eines Subordinationsverhältnisses, einer Vereinsstrafgewalt und der Einschränkung richterlicher Kontrolle Elemente eines „traditionellen", d.h. originären, Autonomiebegriffs i.S. einer „statutarischen Willkür" — zumindest unterschwellig — fortwirken 97 ,

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Vgl. RGZ 49, 150, 155; 73, 187, 194; BGHZ 29, 352, 355. So auch Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 35 bei Fn. 17. 92 So schon RGZ 107, 386, 388, 390 (zum Hintergrund dieses „Umschwungs" in der Rechtsprechung, der hauptsächlich auf den Wandel von der Begriffs- zur lnteressenjurisprudenz zurückgehen dürfte, vgl. Simon, S. 132 ff., 172); besonders deutlich auf Auslegung abstellend nunmehr BGHZ 87,337,344; kritisch dazu Reuter, ZHR151 (1987), 355, 386f., der eine Rückkehr zum Ausgangspunkt des Reichsgerichts fordert. 91

93 Vgl. BGHZ 101, 193, 196 = NJW 1987, 2503 = W M 1987 1392 = WuB I I L. § 38 BGB 1.87 m. Anm. van Look = JZ 1987, 1076 m. Anm. Henke; auch BVerwG NJW-RR 1987, 474 zum (rechtsgeschäftlichen) Abschluß eines Versicherungsgeschäfts durch Beitritt zu einem Verein, der Versicherungsgeschäfte i. S. des VAG betreibt. 94 Vgl. BGHZ 47, 172, 179. 95 Ebenso Oertmann, ArchRWiPhil 7 (1913/14), 128; Scheyhing, JZ 1958, 344; Simon, S. 112; anders Schober, S. 27ff., der die (bis 1936 ergangene) Rechtsprechung für eine rechtsgeschäftliche Auffassung in Anspruch nimmt; demgegenüber interpretiert Baecker, NJW 1984,906,907; ders., Vereinsautonomie, S. 19,23 ff., die Rechtsprechung i. S. einer originären Autonomie. 96 97

Vgl. dazu Häuser, Unbestimmte „Maßstäbe", S. 17, 55 ff. Vgl. Simon, S. 109, 113.

III. „Vereinsautonomie" als Begründungselement

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dessen dogmatische Grundlage sich i n der Genossenschaftstheorie bei O.v.Gierke findet 98. D i e Darstellung dieser Lehre leitet über zu den i m Schrifttum zum Geltungsgrund der Vereinsstrafe vertretenen Auffassungen.

98 So mit Recht Flume, Festschr. Bötticher, S. 101, 112f.; Larenz, Gedächstnisschr. Dietz, S. 45,47f.; Coing, Festschr. Flume I, S. 429,430; Hadding, Festschr. R. Fischer, S. 165, 184ff.; Reuter, ZGR 1980, 101 f.; Nicklisch,, Inhaltskontrolle, S. 23; H. P. Westermann, in: Verbandsrechtsprechung, S. 41,44; a. A. Simon, S. 161 f., der jedoch den Zusammenhang zwischen der Auffassung O.v.Gierkes und dem „traditionellen" Autonomiebegriff (a.a.O., S. 109, 113) nicht erkennt.

§ 3: Schrifttum I. Die Begründung der herrschenden Lehre aus der „Vereinsgewalt" (korporationsrechtlicher Ansatz) 1. Der Einfluß Otto von Gierkes

a) Die Auffassung v. Gierkes Ausgangspunkt der Auffassung Otto von Gierkes ist seine — im Anschluß an seinen Lehrer Georg Beseier 1 entwickelte — Lehre von der realen Verbandspersönlichkeit als Erklärungsmodell der juristischen Person. Gegenstand dieser Arbeit ist es nicht, den Theorienstreit des 19. Jahrhunderts über die juristische Person zu untersuchen 2. Im hier interessierenden Zusammenhang genügt die Feststellung, daß v. Gierke im Rahmen seiner germanistischen Genossenschaftstheorie 3 eine Gegenposition zu der von den Romanisten (insbes. F. C. v. Savigny) vertretenen sog. Fiktionstheorie aufbaute, die die Rechtsfolgen der Anerkennung eines Verbands als juristische Person rechtstechnisch mit der Figur der Fiktion, d. h. einer „künstlichen" Gleichsetzung mit der natürlichen Person, erklärte 4 . Demgegenüber sieht v. Gierke 5 in der juristischen Person eine „wirkliche, nicht blos erdichtete Person", die im Unterschied zur Einzelperson jedoch eine „zusammengesetzte Person" ist; in einem „menschlichen Verband" sieht er eine „reale, leiblich-geistige Einheit" 6 , in der Körperschaft „das von den verbundenen Einzelpersonen getragene und ihnen zugehörige Gemeinwesen"7.,

1 Volksrecht und Juristenrecht, S. 158 ff.; ders., System des gemeinen deutschen Privatrechts, Allg.Teil, §§ 66ff.; dagegen schon Schmid, AcP 36 (1853), 147ff.; zu Beselers Genossenschaftsheorie Kern, JuS 1988, 598, 601. 2 Vgl. dazu etwa H. J. Wolff Organschaft I, S. 1-87; Wieacker, Festschr. E. R. Huber, S. 339ff.; Simon, S. 144-162; Vormbaum, S. 5ff.; Schikorski, passim, insbes. S. 207ff.; v. Lübtow, Festschr. Ernst Wolf, S. 421 ff.; zur Bedeutung aus heutiger Sicht z. B. Ott, Unternehmenskorporation, S. 43 ff.; Wiedemann, GesR I, § 4 I 1; Reinhardt/Schultz, GesR, Rz. 46; Flume, Juristische Person, § 1 II; K. Schmidt, GesR, § 8 II. 3 Unter „Genossenschaft" versteht v. Gierke jede Körperschaft des öffentlichen und privaten Rechts, nicht etwa nur die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften i. S. des § 1 Abs. 1 GenG (vgl. v. Gierke, Privatrecht I, S. 624 ff.). 4 Vgl. v. Savigny, System II, S. 235 ff.; dazu Flume, Festschr. Wieacker, S. 340ff.; ders., Festschr. Kegel, S. 147,152 ff., der daraufhinweist, daß die Bezeichnung „Fiktionstheorie" für die Lehre v. Savignys auf einem Mißverständnis beruht. 5 Privatrecht I, S. 470, 473. 6 v. Gierke, Wesen, S. 24. 7 v. Gierke, Privatrecht I, S. 479.

I. Korporationsrechtlicher Ansatz

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Die Gründung beruhe auf „bewußter Willensthat" der „sich als Einheit setzenden Gesammtheit", die als „sozialrechtlicher Konstitutivakt" oder „schöpferischer Gesammtakt" von einem Rechtsgeschäft, insbes. vom Vertrag, scharf zu unterscheiden sei8. Rechtsfähigkeit erlange die Körperschaft aber erst durch staatliche Anerkennung des (bereits bestehenden) Verbands; diese könne sich aus einer gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Grundlage ergeben 9. Ihre Organisation (Verfassung im engeren Sinn) und die mitgliedschaftlichen (d. h. körperschaftlichen) Verhältnisse zwischen Gesamtperson und Gliedpersonen regle die Verbandsperson durch objektives Recht, nämlich die Satzung 10 und Gewohnheitsrecht (Observanz) 11 . Der Körperschaft stehe nämlich im Rahmen des staatlichen Rechts eine (autonome) Befugnis zur Rechtsetzung zu; dabei wird Autonomie verstanden als Befugnis eines nichtstaatlichen Verbands, sich selbst objektives Recht zu setzen12. Dieses selbstgesetzte Recht bezeichnet v. Gierke als „autonomische Satzung". Die Befugnis zur Selbstgesetzgebung leitet er aus dem gemeinen Recht und der historischen Entwicklung des deutschen Genossenschaftsrechts her, die eine Autonomie privater Verbände (neben derer des öffentlichen Rechts) immer - wenn auch in unterschiedlichem Umfang — anerkannt hätten 13 . Das so geschaffene, im Innenbereich des Verbands geltende objektive Recht bezeichnet v. Gierke als „Sozialrecht" 14 , das — j e nach dem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Entstehungsgrund der Verbandsperson — dem Bereich des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts zuzuordnen sei 15 . Der privatrechtliche Bereich des „Sozialrechts" soll sich vom sog. Individualrecht, das der Koordination privater Rechtsverhältnisse auf der Ebene der Gleichordnung dient, scharf unterscheiden. Entsprechend dem 8 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 127ff.; ders., Privatrecht I, S. 485f.; ders., IherJb 35 (1896), 169, 181. 9 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 15ff., 609; ders., Privatrecht I, S. 487ff. 10 Etymologisch bedeutet Satzung „gesetztes", d.h. geschriebenes, Recht im Unterschied zum (ungeschriebenen) Gewohnheitsrecht. 11 Vgl. v. Gierke, Privatrecht I, S. 142f., 150f., 496ff., 534ff.; ebenso M. Weber, Rechtssoziologie, S. 168. 12 v. Gierke, Privatrecht I, S. 142f. 13 Zum gemeinen Recht vgl. v. Gierke, Privatrecht I, S. 43 ff. Zur historischen Entwicklung des Genossenschaftswesens vgl. v. Gierkes vierbändiges Werk „Das deutsche Genossenschaftsrecht", insbes. Bd. I, §§ 26f., 34-39, 41 f., 51-53; Bd. II, S. 466ff., 735, 889; Bd. III, S. 215, 381 ff., 456 ff; Überblick in: Privatrecht I, S. 144ff., insbes. S. 150f.; auch M. Weber, Rechtssoziologie, S. 190ff. 14

Um Verwechslungen mit dem heutigen Gebiet des Sozialrechts (zum Begriff vgl. etwa Bley, Sozialrecht, 6. Aufl. 1986, A . I . l . a ) , mit dem kein Zusammenhang besteht, zu vermeiden, wird Sozialrecht im folgenden in Anführungszeichen gesetzt. Ein Relikt dieser Terminologie findet sich allerdings noch heute im Gesellschaftsrecht, wo üblicherweise — aber systematisch wertlos — zwischen „sozialrechtlichen" und „individualrechtlichen" Rechten und Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis unterschieden wird (vgl. Soergel/ Hadding, BGB, § 705 Rz. 46). 15

v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 10, 155ff.; ders., Privatrecht I, S. 151.

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§ : Meinungsstand

chru

mitgliedschaftlichen Verhältnis zwischen Gesamtperson und Gliedpersonen soll das „Sozialrecht" ein „Rechtssystem höherer Ordnung" darstellen, das — für den Bereich der zivilrechtlichen Körperschaften — „am Schluss" des Privatrechts anzusiedeln sei 16 . Kraft des autonom gesetzten „Sozialrechts" stehe der Verbandsperson eine „rechtlich anerkannte Herrschaft eines sozialen Ganzen über seine Glieder und Organe" zu 1 7 . Diese „Körperschaftsgewalt" entfalte sich „je nach dem Bereiche der körperschaftlichen Autonomie, Selbstgerichtsbarkeit und Selbstverwaltung in Satzung, Rechtsprechung und Regierung; sie enthält in mancherlei Abstufungen eine Befehls-, Zwangs-, Straf- und Aufsichtsgewalt; sie gewährt Macht über die Person (...) und über das Vermögen" 18 .

Die „ungleiche Ordnung" zwischen Gesamtperson und Gliedpersonen trete nach innen „vor Allem in Verhältnissen von Über- und Unterordnung hervor, welche in der Unterwerfung aller gliedmäßigen Sphären unter die gemeinheitliche Sphäre gipfeln. Ja zuletzt stehen die Rechte der Glieder und Organe als solcher, da sie nur um des Ganzen willen da sind, zur freien Verfügung des das Ganze durchherrschenden einheitlichen Willens" 1 9 .

Dennoch handle es sich nicht um staatliche Hoheitsrechte, sondern um eine „eigenthümliche Privatgewalt" 20 . Kraft ihres aus der Autonomie sich ergebenden „Wesens" 21 könne die Körperschaft über die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten der Verbandsangehörigen „auch ohne besondere gesetzliche oder statutarische Ermächtigung verfügen..." 22 . Solche inneren Körperschaftshandlungen in Erfüllung der positiven Lebensaufgabe eines Verbandes seien von „Individualaktionen" scharf zu unterscheidende Handlungen eines Gemeinwesens an seinen Gliedern. Die Gesamtperson trete den Gliedpersonen „nicht als koordinierte Einheit, sondern als das sie umschließende höhere Ganze entgegen" 23 . Das Gemeinwesen setze „sociale Verbindlichkeiten zu einem Thun oder Unterlassen, es heischt und überwacht deren Erfüllung, es empfängt die zu leistenden persönlichen Dienste und sachlichen Beiträge, es sucht durch Zwang und durch Strafe ein normgemäßes Verhalten zu sichern" 24 . 16 v. Gierke , Genossenschaftstheorie, S. 9 f., 165; vgl. auch ders., Privatrecht I, S. 26, 262 Fn. 16. 17 v. Gierke , Privatrecht I, S. 513. 18 v. Gierke , Privatrecht I, S. 513; ähnlich ders., Genossenschaftstheorie, S. 720. 19 v. Gierke , Genossenschaftsheorie, S. 183; ähnlich ders., Privatrecht I, S. 26 20 v. Gierke , Genossenschaftstheorie, S. 164. 21 Zum Wesensargument als Kryptoargument vgl. Scheuerle, AcP 163 (1964), 429 ff. 22 ü. Gierke , IherJb 35 (1896), 169, 197. 23 v. Gierke , Genossenschaftstheorie, S. 718

I. Korporationsrechtlicher Ansatz

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Hierzu merkt v. Gierke an: „Der ungeheure Unterschied, welcher dabei hinsichtlich der Art und der Stärke der dem Verbände zu Gebote stehenden Machtmittel waltet, schließt eine innere Verwandtschaft zwischen den Herrschaftsakten des Staates und irgend eines freien Vereines keineswegs aus. Insbesondere giebt es keinen Verein, der nicht einen Vereinszwang übte und Vereinsstrafen verhängte. Mag auch der Zwang nur ein indirekter sein und die Strafe in dem Ausschluss gipfeln, so tritt doch dabei stets ein Ganzes seinem Gliede autoritativ gegenüber" 25 .

Die „innere Verwandtschaft" zwischen Vereins- und Staatsgewalt erklärt sich daraus, daß v. Gierke den Staat als „höchste Steigerung des Körperschaftsbegriffes" und das Staatsrecht als „Gipfel" des „Sozialrechts" ansieht 26 . Noch deutlicher wird die Parallele in seiner Berliner Rektoratsrede 27 , wenn er meint, es gebe „Rechte der Verbandspersonen an ihren Glied- oder Organpersonen, die in der Staatsgewalt als dem höchsten Rechte auf Erden gipfeln und mannigfach abgestuft in jeder Verbandsgewalt bis hinab zur privaten Vereinsgewalt enthalten sind".

Als Folge dieser völligen Abnabelung des „Sozialrechts" von der Ebene des Individualrechts und der Durchdringung mit öffentlich-rechtlichen Elementen lehnt v. Gierke auch jede rechtsgeschäftliche Deutung des Ein- und Austritts von Mitgliedern und der Beschlußfassung ab, die er als „eigentümliche sozialrechtliche Akte" und „Darstellung eines Gemein willens" ansieht 28 . Ebenso wird eine Einordnung der Vereinsstrafe als Konventionalstrafe abgelehnt 29 . Eine richterliche Überprüfung von Eingriffen der Verbandsperson in mitgliedschaftliche Rechte und Pflichten der Gliedpersonen hält v. Gierke nur dann für zulässig, wenn die körperschaftsinternen „Mittel der Abhilfe" erschöpft sind und sich in der Maßnahme nicht „lediglich die verfassungsmäßige Herrschaft des Verbandsganzen über seine Glieder in verfassungsmäßiger Form bethätigt hat" 3 0 .

Im Ergebnis wird damit die gerichtliche Nachprüfung auf die formale Kontrolle der Satzungsmäßigkeit beschränkt und eine sachliche Nachprüfung 24

v. Gierke , Genossenschaftstheorie, S. 718. v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 718 f. Fn. 3; ähnlich Leist, Vereinsherrschaft, S. 1 ff.; Auerbacher, S. 39. 26 v. Gierke, Privatrecht I, S. 475; ders., Genossenschaftstheorie, S. 10. 27 v. Gierke, Wesen, S. 30; ähnlich ders., Genossenschaftstheorie, S. 339. 28 v. Gierke, Privatrecht I, S. 494, 501; vgl. auch ders., Genossenschaftstheorie, S. 164 Fn. 1: Beitritt als „'Unterwerfung'...unter die statutarische Korporationsgewalt"; zustimmend Daeniker, S. 121 f.; ähnlich Ruth, ZHR 88 (1926), 454, 487: „körperschaftlicher Gesamtwillensakt". 29 v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 165 Fn. 1; ders., IherJb 35 (1896), 169, 200. 30 v. Gierke, Privatrecht I, S. 535; ähnlich ders., Genossenschaftstheorie, S. 183 ff. 25

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§ : Meinungsstand

chru

ausgeschlossen. Auch einen satzungsmäßigen Ausschluß des Rechtswegs hält v. Gierke für zulässig 31 . b) Wirkungsgeschichte

und weitere Entwicklung

Wie bereits erwähnt, entwickelte v. Gierke seine Lehre von der realen Verbandsperson aus dem germanistischen Genossenschaftsrecht in bewußtem Gegensatz zum damals herrschenden Privatrechtssystem der (romanistischen) Pandektistik, in dessen Mittelpunkt die individualrechtlichen, d.h. rechtsgeschäftlichen, Beziehungen in Form subjektiver Rechte zwischen den einzelnen (Privat-)Rechtssubjekten standen. aa) Rechtsprechung Die Praxis hat v. Gierkes Theorien zwar nie im ganzen übernommen; jedoch werden in der Verwendung des Autonomiearguments zur Begründung eines Subordinationsverhältnisses, einer Vereinsstrafgewalt und der Einschränkung richterlicher Kontrolle von Maßnahmen der Vereinsverwaltung (oben § 2 III.) deutliche Bezüge zu v. Gierkes Auffassung erkennbar 32 . Allerdings hat die Rechtsprechung die durch v. Gierke propagierte Trennung zwischen „Sozialrecht" und Individualrecht nicht vollzogen, sondern innerkörperschaftliche Vorgänge vielfach individualrechtlich, d.h. rechtsgeschäftlich, gedeutet (z.B. den Gründungsvertrag und den Beitritt). Zwar dürfte v. Gierke selbst zu weit gehen, wenn er 1896 im Hinblick auf die Rechtsprechung feststellt, daß „die Anschauungen, die aus der Durchdringung des geltenden Körperschafts- und Gemeinschaftsrechts mit deutschen Rechtsgedanken hervorgehen müssen, im Ganzen mehr und mehr zum Durchbruch gelangt" seien, „ohne daß es freilich auch an bedenklichen Erfolgen entgegengesetzter Strömungen fehlte" 33 .

Er konnte jedoch auf eine Reihe von Entscheidungen verweisen 34, die im Ergebnis und z.T. auch in der Begründung aus der Vereinsautonomie mit seiner Auffassung übereinstimmten. Diese Begründungselemente haben sich bis heute — wenn auch modifiziert — in der Rechtsprechung erhalten (vgl. oben § 2 III.). bb) Gesetzgebung Der Gesetzgeber des BGB hat—wie bereits ausgeführt (oben § 2 III.3.) — den Streit um den originären oder aus der Privatautonomie abgeleiteten Charakter 31 v. Gierke, IherJb 35 (1896), 169,198; insoweit abl. jedoch RG JW1906,396 (für nicht eingetragenen Verein). 32 Ausdrücklich auf v. Gierke beziehen sich z. B. OLG Dresden SeuffA 47 Nr. 4; BayObLG SeuffA 51 Nr. 168; OLG Celle SeuffA 51 Nr. 169. 33 v. Gierke, IherJb 35 (1896), 169; vgl. auch ders., Privatrecht I, S. 468. 34 Zum hier interessierenden Problemkreis der mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnisse vgl. IherJb 35 (1896), 197 ff.

I. Korporationsrechtlicher Ansatz

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der Vereinsautonomie bewußt nicht entscheiden wollen. Zwar hat er in § 43 des I. Entwurfs, der dem späteren § 25 BGB entsprach, vom „Gründungsvertrag", auf dem die „Verfassung eines mit juristischer Persönlichkeit versehenen Personenvereines (Körperschaft)" beruhe, gesprochen, dem (so die Begründung zu § 2 der Redaktorvorlage) der „Charakter objektiver, gegen Dritte wirkender Rechtsnormen fehlt" 3 5 . Den I. Entwurf hat v. Gierke — nicht zuletzt wegen dieser Formulierung — scharf kritisiert. Er sah hierin eine Parteinahme für die von ihm bekämpfte Fiktionstheorie und bemängelte, daß der Entwurf „kein Gemeinwesen, keinen Gemeinwillen und kein Gemeinleben", sondern „nur Einzelwesen, Einzel willen und Einzelleben" kenne 36 . Der Kommission warf er allgemein vor, die soziale Aufgabe des Privatrechts außer acht zu lassen37. Wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck dieser Kritik beschloß die Zweite Kommission, in § 24 des II. Entwurfs „Gründungsvertrag" durch „Vereinssatzungen (Statut)" und „Personenverein" durch „Verein" zu ersetzen 38. Sie kehrte damit zu schon früher vorgesehenen Fassungen der Vorschrift zurück 39 . In der Sache hatte sich freilich v. Gierkes korporative Konzeption nicht durchsetzen können 40 . cc) Schrifttum Für den Bereich der rechtswissenschaftlichen Literatur hat bereits Schober 41 im Jahr 1936 festgestellt, daß die Ideen v. Gierkes „in ihrer Gesamtheit... sonst in der Wissenschaft kaum vertreten" werden. Seine Lehre von der realen Verbandspersönlichkeit hat schon Haß 42 einer eingehenden Kritik aus rechts- und verbandssoziologischer Sicht unterzogen und als „dichterische Übertreibung", „schief wirkendes Bild" sowie als „mystischen Begriff gekennzeichnet. Die — hier nicht weiterzuverfolgende — wissenschaftliche Diskussion um eine Theorie der juristischen Person, die durch v. Gierkes Lehre maßgeblich beeinflußt wurde, dauert nach wie vor an 4 3 . Nicht durchzusetzen vermochte sich die von ihm propagierte strikte Unterscheidung zwischen „Sozial-" und Individualrecht 44 . 35

Vgl. Jakobs ¡Schubert, Beratung, AllgT 1. Teilbd., S. 202f. v. Gierke, Personengemeinschaften, S. 22f.; vgl. auch ders., Entwurf, S. 148ff.; ders., Privatrecht I, S. 468 Fn. 40; zur Kritik am I. Entwurf Vormbaum, S. 142ff. 37 Vgl. v. Gierke, Soziale Aufgabe, S. 12, 15; ders., Entwurf, S. 23, 575f. 38 Vgl. Protokolle, Mugdan I, S. 607; Jakobs/Schubert, Beratung, AllgT 1. Teilbd., S. 320, auch S. 332 zu § 22 des II. revidierten Entwurfs. 39 Zur Redaktorvorlage und den unterschiedlichen Fassungen und Änderungsanträgen vgl. Jakobs ¡Schubert, Beratung, AllgT 1. Teilbd., S. 159, 186f., 202f., 222, 244, 261, 270, 306, 314, 320, 332. 40 Vgl. Teubner, Organisationsdemokatie, S. 25. 41 A.a.O., S. 41. 42 Jahrbuch für Soziologie 2 (1926), S. 277, 279, 288, 297. 43 Vgl. aus jüngerer Zeit etwa die Ansätze von Rittner, Juristische Person, S. 229 (dazu John, Rechtstheorie 1974,234; Teichmann, JZ 1975,294; Ulmer, ZHR 140 [1976], 61); Ott, Unternehmenskorporation, S. 85 ff.; John, Rechtsperson, S. 72ff.; Flume, Juristische Person, § 1 , 2 (dazu John, AcP 185 [1985], 209; Mertens, ZHR 150 [1986], 706); ders., 36

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Demgegenüber wurden v. Gierkes aus der Vereinsautonomie gewonnenen Erkenntnisse von anderen Autoren übernommen. Anhänger fand vor allem seine Einordnung der Satzung als objektives Recht (Rechtsnorm) und der Mitgliedschaft als Subordinationsverhältnis 45 . Der Gründungsvorgang wurde jedoch überwiegend — z.T. von denselben Autoren, die das Produkt dieses Vorgangs (die Satzung) als Rechtsnorm ansehen — rechtsgeschäftlich und damit — im Gegensatz zu v. Gierke — als Ausprägung der (allgemeinen) Privatautonomie gedeutet 46 . M i t dem rechtstatsächlichen Befund der „Zwangsmacht" von Körperschaften hat sich im Jahr 1904 Alexander Leist beschäftigt. Er setzt dabei — ohne nähere Begründung — eine Autonomie der Vereine des Inhalts voraus, „daß ihre Statuten und Beschlüsse für die Mitglieder soweit verbindlich sind, als nicht unzweideutige Gesetzesvorschriften entgegenstehen"47.

Diese grenzt er — wie v. Gierke — deutlich von der (allgemeinen) Privatautonomie i.S. einer etwaigen „Befugnis zu rechtsgeschäftlicher Regelung der Vereinsangelegenheiten" ab 4 8 . Auch könne die Autonomie als Legitimation für die Verhängung von (Geld-) Strafen dienen, womit der Anwendung der §§ 339 ff. BGB der Boden entzogen sei 49 . Im Ergebnis wendet sich Leist freilich scharf gegen die von ihm vorgefundene private „Zwangsmacht" der Vereine, die mit dem — von ihm wohl als herrschend empfundenen — Autonomieargument gerechtfertigt wird 5 0 . Er stellt sogar die Frage, ob der Gesetzgeber angesichts des Festschr. Kegel, S. 147 ff.; zur Bedeutung des Theorienstreits K Schmidt, Verbandszweck, S. 2ff.; Mummenhoff,\ JB1 1987, 273 ff.; Jabornegg, GesRZ 1988,179ff.; Klippel, JZ 1988, 625, 629f.; Staudinger / Coing, BGB, Einl. §§21-89, Rz. 3-18; MünchKomm-Reuter, BGB, vor § 21, Rz. 1-8; Soergel/ Hadding, BGB, Rz. 7 ff. vor § 21. 44 Vgl. etwaDaeniker, S. 48ff;aberauchMerto«,S. 8ff., 46ff.; Höffler, S. 14ffSpieß, S. 48 ff. 45 Vgl. Lauber, passim, m. weit. Nachw. S. 2; Grüters, S. 13 f.; Hedemann, ArchBürgR 38 (1913), 132; Oertmann, ArchRWiPhil 7, (1913/14), 138 ff; Daeniker, S. 30ff., 85ff., der jedoch (a.a.O. S. 103 ff, 112) die Vorschriften über die Konventionalstrafe auf Geldstrafen entsprechend anwenden will; Auerbacher, S. 17ff., der den Geltungsgrund der Vereinsstrafen zwar nicht in einer Autonomie, aber im personenrechtlichen Element der Mitgliedschaft sieht und damit in der Sache mit v. Gierke übereinstimmt; ferner Rottmann, S. 19 ff., 37 ff. 46 Vgl. z.B. Delius, VerwA 22 (1914), 200, 226; Daeniker, S. 21 f.: rechtsgeschäftlicher Gesamtakt; Rottmann, S. 16ff.; a.A. Lauber, S. 17; zum Meinungsstand im älteren Schrifttum vgl. Schober, S. 42ff., der selbst (a.a.O., S. 50ff.) für eine (ausschließlich) rechtsgeschäftliche Beurteilung des Verhältnisses zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern eintritt. 47

Leist, Vereinsrecht, S. 1; ähnlich bereits ders., SchmollersJb 26 (1902), 94f. Leist, Vereinsrecht, S. 46; ähnlich bereits ders., Vereinsherrschaft, S. 29ff. 49 Leist, Vereinsrecht, S. 58; offen zur Haltung des BGB gegenüber Vereinsstrafen ders., Vereinsherrschaft, S. 30f. 50 Leist, Vereinsrecht, S. 177ff., insbes. S. 194, 199f., 201 f.; ähnlich bereits ders., Vereinsherrschaft, S. 53f.; ders., SchmollersJb 26 (1902), 106ff. 48

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vorausgesetzten Autonomiebegriffs, den Leist aber nicht für zwingend hält 5 1 , überhaupt noch die Macht habe, diese „Zwangsmacht" einzuschränken 52. U m den „Kampf der Verbände untereinander zu mildern" und die „Entwicklung einer den Bestand des Staates gefährdenden Vereinsherrschaft zu hindern", befürwortet er eine „Revision der Bestimmungen und Dogmen des Vereinsprivatrechts" 53. Es fallt nicht schwer, hierin eine herbe Kritik der rechtstatsächlichen Erscheinungen einer „Zwangsmacht" der Vereine einerseits, andererseits aber auch des von ihm als herrschend vorausgesetzten Autonomiebegriffs zu sehen. Eine bewußte Gegenposition zu v. Gierke nahm im Jahr 1910 Andreas v. Tuhr ein. Er erklärte den Gründungsvorgang eines Vereins in Anknüpfung an die ältere Doktrin 5 4 ausschließlich rechtsgeschäftlich, sogar als Vertrag, wobei er auf den Unterschied zum obligatorischen (d.h. Austausch-)Vertrag hinwies 55 . Auch das Produkt des Gründungsvorgangs, die Satzung, sieht er im Gegensatz zu v. Gierke als „eine für den Verein und dessen Mitglieder maßgebliche Vorschrift, die auf Rechtsgeschäften eigener Art beruht" 5 6 . Eine autonome, „quasigesetzgeberische Gewalt" des Vereins lehnt er ab und verweist auf die rechtsgeschäftliche Unterwerfung des Mitglieds (durch Gründungsbeteiligung oder Beitritt) unter gesetzliche (vgl. § 32 BGB) oder satzungsmäßig vorgesehene, einseitige Entscheidungsbefugnisse der Vereinsorgane 57. Für eine „im Statut festgesetzte Strafe für Nichterfüllung von Mitgliedschaftspflichten" befürwortet er eine entsprechende Anwendung des § 343 BGB, da es sich um eine Strafe handele, „zu welcher sich das Mitglied vielleicht nicht durch Vertrag, aber jedenfalls durch eine Willenserklärung verpflichtet hat", so daß die ratio des § 343 BGB auf diesen Fall zutreffe 58 . Diese rechtsgeschäftliche Sicht des Geltungsgrunds von Vereinsstrafen wurde von Karl Heinsheimer aufgegriffen und monographisch behandelt. Ausgangspunkt ist auch hier die (ausschließlich) rechtsgeschäftliche Einordnung der Satzung sowie des Erwerbs und des Verlusts der Mitgliedschaft. Autonomie wird als „Satzungsfreiheit" neben die Vertragsfreiheit und die Testierfreiheit gestellt 59 . Die Mitgliedschaft wird als Privatrechtsverhältnis auf der Ebene der 51

Leist, Vereinsrecht, S. 200 Fn. 2. Leist, Vereinsrecht, S. 199 f. 53 Leist, Vereinsrecht, S. 201; ähnlich bereits ders., SchmollersJb 26 (1902), 106ff. 54 Z. B. Gerber, AcP 37 (1854), 35, 59ff. 55 v. Tuhr, AllgTeil I, S. 476ff., insbes. S. 479; ebenso Planck/Knoke, BGB, § 25 Anm.l; Enneccerus/ Nipper dey, AllgTeil I, S. 636. 56 v. Tuhr, AllgTeil I, S. 505. 57 v. Tuhr, AllgTeil I, S. 503 ff. 58 v. Tuhr, AllgTeil I, S. 505; ebenso Planck/Knoke, BGB, § 25 Anm.l; Heck, SchuldR, S. 151; Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 324f.; Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 75f.; Enneccerus/Nipperdey, AllgTeil I, S. 677 Fn. 28; abl. — auch aus rechtsgeschäftlicher Sicht der Satzung — Schober, S. 69 Fn. 17 im Hinblick auf § 348 BGB. 52

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Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 31 Fn. 1; ähnlich L. Raiser, Recht der AGB, S. 69,76.

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Gleichordnung gedeutet, dessen Begründung und Beendigung sich nach den Regeln über Rechtsgeschäfte bestimmt 60 . Eine Unterwerfung unter die Vereinsgewalt lehnt Heinsheimer ab; der Verein habe, „wie jede andere Person, Gewalt über seine Angelegenheiten, nicht über seine Mitglieder" 6 1 .

Soweit die Satzung ein bestimmtes persönliches Verhalten, Tun oder Unterlassen fordert, handele es sich entweder um rechtsgeschäftliche Verpflichtungen oder aber um — rechtlich unverbindliche — „zweckerfüllende" oder „persönliche" Mitgliederpflichten, deren Nichtbefolgung aber gleichwohl eine Ausschließung oder eine Bestrafung nach sich ziehen könne 62 . Die Ausschließung sieht er als rechtsgeschäftliche „Lösung des Mitgliedschaftsverhältnisses" durch Ausübung eines Gestaltungsrechts (Kündigung) an 6 3 . Ohne Grundlage in der Satzung soll sie jedenfalls aus wichtigem Grund zulässig sein; allerdings könne die Satzung auch bestimmte Ausschließungsgründe oder ein — u.U. durch Auslegung zu ermittelndes — „freies" Ausschließungsrecht vorsehen 64 . Geldstrafen sieht Heinsheimer als selbständige Vertragsstrafeversprechen i.S. des § 343 Abs. 2 BGB an, deren Herabsetzung sich nach § 343 Abs. 1 BGB — der gegenüber §315 Abs. 1 BGB spezielleren Vorschrift — richte 65 . Für den zeitweiligen strafweisen Entzug von Mitgliedsrechten sollen im wesentlichen die für die Ausschließung entwickelten Grundsätze gelten 66 . Allen Vereinsstrafen sei gemeinsam, daß durch ihre Verhängung die Ehre des Mitglieds — mangels Disponibilität — rechtlich nicht beeinträchtigt werden könne, wenngleich nachteilige Wirkungen für das soziale Ansehen, die bürgerliche Ehre, nicht ausgeschlossen seien 67 . Aus dieser durch v. Tuhr und K. Heinsheimer begründeten Gegenposition zu v. Gierke erwuchs der — bis heute andauernde — Streit um die rechtliche Einordnung der Satzung zwischen der sog. Norm(en)theorie und der sog. Vertragstheorie, der sich in der Beurteilung des Geltungsgrunds der Vereinsstrafe (Verbandsgewalt oder Vertragsstrafeversprechen) fortsetzt. An die durch v. Gierke entwickelte Überhöhung der Gemeinschaft über den Einzelnen knüpfte auch die nationalsozialistische Rechtsideologie an („Zurück zu Gierke") 68 . Vor allem die Herleitung einer originären Autonomie aus dem 60

Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 16ff., 24. Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 22; abschwächend meint Heinsheimer jedoch später (JW 1928, 2210), daß „im Zuge einer fortschreitenden Entwicklung unseres Vereinsrechts eine Unterwerfung der Mitglieder unter eine Art 'Strafgewalt' als zulässig angesehen werden muß". 62 Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 22 f. 63 Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 24. 64 Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 25 ff., 41. 65 Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 52ff., 55 Fn. 2. 66 Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 57. 67 Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 58ff., insbes. S. 60f., 62. 61

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„germanischen Rechtsdenken" kam dem nationalsozialistischen Gedankengut entgegen69. Allerdings erkannten vom Nationalsozialismus beeinflußte Autoren auch das liberale und pluralistische Gedankengut in v. Gierkes Lehren und lehnten deshalb, obwohl sie seinen historischen Ausgangspunkt teilten, die von ihm gewonnenen Erkenntnisse ab 7 0 . Ganz im Sinne v. Gierkes wurde jedoch das Mitgliedschaftsverhältnis als (privatrechtliches) Gewaltverhältnis gesehen und in Parallele zum (öffentlich-rechtlichen) besonderen Gewaltverhältnis gesetzt71. Die Vereinsstrafen werden als „ A k t herrschaftlicher Selbstverwaltung" 72 oder „autonome Disziplinarstrafen" beurteilt, durch die der Verein eine „wirkliche Zuchtgewalt" ausübe; das Vereinsstrafrecht diene der „Reinhaltung der Gemeinschaft und ist auf Besserung der Mitglieder gerichtet" 73 . Durch die „Gleichschaltung" privater Verbände und ihrer Beleihung mit öffentlichen Aufgaben 74 ergab sich das Problem einer Abgrenzung zur Kriminalstrafe und zur staatlichen Ordnungsstrafe 75. Allerdings wird in jener Zeit die Tendenz der Rechtsprechung erkennbar, von (Zwangs-)Kartellen 76 und Wirtschaftsverbänden, derer sich der nationalsozialistische Staat zunehmend zur Wirtschaftslenkung bediente, verhängte Geldstrafen als Vertragsstrafen i. S. der §§ 339 ff. BGB zu erklären (oben § 2 I I . ) 7 7 . Im Gegenzug wurde im Schrifttum 78 68

Nachw. bei Höhn, Staatslehre, S. 9-14; Ernst Wolf,\ Arbeitsverhältnis, S. 57 ff; vgl. auch die Würdigung v. Gierkes bei Erik Wolf,\ Rechtsdenker, 2. Aufl. 1944, S. 637, 672, 676 mit der 3. Aufl. 1951 desselben Werks, a.a.O., S. 663, 700, 703. 69 Vgl. Höffler, S. 14-19; Sunderdiek, S. 19 Fn. 11, die sich ausdrücklich auf v. Gierke berufen; auch Merton, S. 8 ff., 31. 70 Z. B. C. Schmitt, Drei Arten, S. 49; Forsthoff DJZ1934, Sp. 310; Maunz, DVB11936, 1 ff.; Höhn, Rechtsgemeinschaft, S. 22, 26, 43f., 72ff.; ders., DJZ 1935, Sp.65, 70; ders., Staatsbegriff, S. 144ff., 226ff; ders., Staatslehre, passim, insbes. S. 149ff.; Siebert, Arbeitsverhältnis, S. 19; ders., DJZ 1935, Sp.713, 716f., 720f. 71 Sunderdiek, S. 20ff.; ebenso (allerdings 1957) Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 71 f.; vgl. auch Höffler, S. 16: Satzung als „Ausdruck eines höheren über dem des Einzelnen stehenden Willens der Gemeinschaft"; ähnlich RG JW 1937,1548; anders jedoch Schober, S. 55ff, der trotz vordergründiger Konzessionen an v. Gierke (a.a.O., S. 83) und den Zeitgeist (a.a.O., S. 59 Fn. 7; S. 65 Fn. 10: Gleichsetzung von Kirche und NSDAP!) eine originäre Autonomie der Vereine ablehnt und das Verhältnis zwischen Mitgliedern und Verein rechtsgeschäftlich erklärt; ebenso Wurst, S. 27 ff. 72 Höffler, S. 51. 73 Sunderdiek, S. 23; den Erziehungszweck der „neuen Strafarten" in den „nationalsozialistischen Gliederungen im organischen Aufbau der deutschen Wirtschaft" betont auch Kalsbach, JW 1937, 1753. 74 Zum Sportvereinswesen vgl. Sunderdiek, S. 9ff., 15-17. 75 Vgl. Sunderdiek, S. 26; Werneburg, KartRdsch 1936, 254ff.; Körting, KartRdsch 1936, 388 ff.; Kalsbach, Verbandsstrafrecht, S. 41 ff; Mezger, Z A k D R 1937, 656. 76 Vgl. das Gesetz über die Errichtung von Zwangskartellen vom 15. Juli 1933, RGB1.I, S. 488; dazu Feldenkirchen, in: Kartelle und Kartellgesetzgebung, S. 145 ff. 77 Zustimmend etwa Kurt Zweigert, KartRdsch 1938, 537ff; Mezger, Z A k D R 1937, 656; W. Steffen, JW 1938, 2301; Dörinkel, D R 1939, 2157; dagegen hält Kisch, JW 1935, 3496, und JW 1937, 556, ein Wahlrecht des Vereins zwischen Vereins- und Vertragsstrafe für möglich; Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 55 bei Fn. 2, meint dazu, der Kartelljurist pflege i.d.R. keine systematischen Untersuchungen zur Vereinsstrafe vorzunehmen. 4 van Look

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auf den quasi-hoheitlichen Charakter der Verbandsstrafgewalt als Rechtsquelle eigener Art hingewiesen, deren Verwandtschaft mit der staatlichen Strafgewalt sogar die analoge Anwendung des allgemeinen Teils des staatlichen materiellen Strafrechts (RStGB) rechtfertigen sollte 79 . Heute wird in dem hier behandelten Zusammenhang das Verdienst v. Gierkes vor allem darin gesehen, die soziale Realität der Verbände erkannt und für die Rechtsfindung fruchtbar gemacht zu haben, wenngleich das ihm vorschwebende Idealbild einer „freien Genossenschaft" nicht immer mit der politischen und wirtschaftlichen Realität der Körperschaften in der modernen Industriegesellschaft übereinstimmte 80 . Dagegen erscheinen die aus dem tatsächlichen Erscheinungsbild und der historischen Entwicklung der Verbände gewonnenen Rechtsfolgen (reale Verbandspersönlichkeit, originäre Autonomie, „Sozialrecht") nur vor dem rechtspolitischen Hintergrund des 19. Jahrhunderts (Streben nach Vereinsfreiheit) verständlich und rechtswissenschaftlich als — methodisch unzulässiger — Schluß vom Sein auf das Sollen eher problematisch 81 . M i t Coing 82 kann man daher festeilen, daß v. Gierkes Theorie nie zur herrschenden Lehre geworden ist. Allerdings wirken im hier behandelten Fragenkreis der Vereinsstrafe — bewußt oder unbewußt — Vorstellungen nach, die sich (nur) mit der v. Gierke'sehen Auffassung von einer Autonomie der privaten Körperschaften erklären lassen. I m folgenden ist daher auf die im jüngeren Schrifttum vertretenen Lösungsansätze zum Geltungsgrund der Vereinsstrafe einzugehen. 78

Kalsbach, JW 1937, 1757f.; ders., Verbandsstrafrecht, S. 15, 38-43; Körting, KartRdsch 1934, 243 ff.; ders., KartRdsch 1936, 388ff.; ders., KartRdsch 1937, 325, 333; vgl. auch Jonas, JW 1936, 2551. 79 So Kalsbach, Verbandsstrafrecht, S. 16, 20ff.; differenzierend Sunderdiek, S. 39ff.; dagegen allerdings Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 71 bei Fn. 7. 80 Krit. schon Haff, Jb. f. Soz. 2 (1926), S. 277,287ff.; vgl. aus heutiger Sicht vor allem K Schmidt, Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, passim, insbes. S. 20ff., 31 ff.; auch Meyer-Cording, JZ 1959, 649; Wieacker, Festschr. E. R.Huber, S. 339, 366; Ott, Unternehmenskorporation, S. 58 f.; Wiedemann, GesR I, S. 70; Flume, Festschr. Wieacker, S. 355; ders., Juristische Person, S. 18; ders., Festschr. Kegel, S. 147,148,154; Teubner, Organisationsdemokratie, S. 20f.; Eichler, S. 45ff., insbes. S. 49; K Schmidt, GesR, S. 59 f., 146 f. 81 Vgl. — mit im einzelnen unterschiedlichen Akzentsetzungen — die in Fn. 80 Genannten sowie Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 50; MünchKomm-itewter, BGB, § 25 Rz. 23; Larenz, Gedächtnisschr. Dietz, S. 45, 47f.; Lukes, Festschr. H. Westermann, S. 325, 326; Reemann, S. 91 f. U m eine Wiederbelebung des „Sozialrechts" bemüht sich Paschke, AcP 187 (1987), 60, 65, 71 ff., für die Bereiche der Personalgesellschaft, der Bruchteilsgemeinschaft, des Arbeitsverhältnisses, der Wohnungseigentümergemeinschaft und des Nachbarrechtsverhältnisses; soweit er sich auf v. Gierke beruft (a.a.O., S. 65), übersieht er jedoch, daß dieser „Sozialrecht" nur für die Innenbeziehungen von Körperschaften annahm (vgl. v. Gierke, Privatrecht I, S. 262, 525 f.); eher anachronistisch auch Spieß, S. 48ff., der (a.a.O., S. 50) die „Überwucherung" des Gierke'schen „Sozialrechts" beklagt. 82 Festschr. Flume I, S. 430; ebenso Teubner, Organisationsdemokratie, S. 25; Nicklisch, Inhaltskontrolle, S. 23; Flume, Juristische Person, S. 266 Fn. 33a; H. P. Westermann, in: Verbandsrechtsprechung, S. 41, 44.

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2. Die Ansicht Meyer-Cordings

Meyer-Cording hat sich zuerst im Jahr 1957 mit dem Problemkreis der Vereinsstrafe monographisch beschäftigt. Da Vereinsstrafen nur auf der Grundlage der Satzung verhängt werden können, erkennt er den notwendigen Zusammenhang zwischen der rechtlichen Qualifizierung der Satzung und dem Geltungsgrund der Vereinsstrafe. Angesichts des Meinungsstreits zwischen der sog. Norm(en)theorie und der sog. Vertragstheorie findet er sich „an den Grenzen der Dogmatik" und plädiert dafür, „diejenige Theorie zu erwählen, die die zugrunde liegenden Erscheinungen des sozialen Lebens am besten zu erklären vermag" 1 .

In der Satzung findet er „gewisse Charakteristika" einer Rechtsnorm: ihre abstrakt-generelle Fassung, den wechselnden Adressatenkreis (Mitglieder), Dauer und Bestand, Herkunft des Inhalts aus der „Rechtsüberzeugung einer Gruppe", den Kreationsakt als „Feststellung einer Gruppenrecht" 2 .

Gruppenüberzeugung

und

deren

Sanktionierung

durch

Aufgrund dieses Befunds entscheidet er sich im Meinungsstreit für die Norm(en)theorie. Dies wird damit gerechtfertigt, daß sich die rechtliche Dogmatik der rechtssoziologischen Struktur der Lebensverhältnisse nicht verschließen dürfe 3 . Später hat Meyer-Cording 4 die Satzung als — von der staatlichen Zwangsnorm zu unterscheidende — institutionelle Wahlnorm gekennzeichnet, der sich das Mitglied durch Statusvertrag (Gründungsbeteiligung oder Beitritt) unterwerfen soll. Entsprechendes soll für AGB und Allgemeine Arbeitsbedingungen des Arbeitsverhältnisses gelten 5 . Hinsichtlich der Mitgliedschaft erkennt Meyer-Cording an, daß der Verein und das Mitglied sich im Privatrecht als rechtlich gleichgeordnete Rechtssubjekte gegenüberstehen6. Gleichzeitig leitet er jedoch aus dem Rechtscharakter der 1

Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 37; später (NJW 1966, 225) meinte Meyer-Cording hierzu: „Der richtige Zugang zu dem soziologischen Phänomen der Vereins- und Betriebsjustiz wird leider oft durch die dogmatische Behandlung verbaut". 2 Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 46ff.; vgl. auch ders., JZ 1959, 649ff., wonach der „Gruppengeist" seinen Niederschlag in Verbandsbräuchen, Verbandssitten und Rechtsnormen (Satzung) finden soll, zwischen denen ein Stufenverhältnis bestehe; demgegenüber schon Haff Jb.f. Soz. 2 (1926), S. 277, 297: „Das Wesen der menschlichen Verbände... kann mit den mystischen Begriffen des ,Verbandsorganismus 4, des ,Gemeinwillens4, und des ,Volksgeistes4 nicht geklärt werden". 3

Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 47. Rechtsnormen, S. 74ff., 83 ff., 90ff., 97ff.; dazu — für das Vereinsrecht zustimmend — M. Wolf JZ 1973, 229, 231. 5 Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 84ff., 86ff., 92ff.; ebenso Heinze, Festschr. Fechner, S. 75, 108 ff., für wettbewerbsbeschränkende Verträge. 6 Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 48. 4

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Satzung, der die Mitglieder sich untergeordnet haben, ein Verhältnis der Subordination her, das allerdings „soziologischer Natur" sein soll. Hieraus soll der Verein die Legitimation entnehmen, „die seiner Vereinsgewalt unterworfenen Mitglieder durch Vereinsstrafen zum Gehorsam gegenüber seiner Rechtsordnung anzuhalten" 7 .

Die Rechtfertigung für den Normcharakter der Satzung und die Vereinsgewalt sieht Meyer-Cording damit in der soziologischen Substruktur, die auf die dogmatische Ebene durchschlagen und aufgrund des zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern bestehenden Machtgefalles dazu nötigen soll, das Verhältnis anders als rechtsgeschäftlich zu erklären 8 . Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist dabei eine „echte", vom Staat delegierte Rechtsetzungsbefugnis, die dem Verein zwar nicht „originär" (i.S. v. Gierkes) zustehen soll, sich andererseits vom Begriff der Privatautonomie (i.S. einer Vertragsfreiheit), den er als „reichlich vage" ablehnt, unterscheiden soll 9 . Dementsprechend sieht Meyer-Cording in der Vereinsstrafe eine „personenrechtliche Disziplinarstrafe", durch die der übergeordnete Verband auf Verstöße gegen seine Sozialethik reagiert 10 . In der Strafverhängung liege ein „sozialethisches Unwerturteil", das vorwiegend der Spezialprävention, aber auch der Generalprävention, der Vergeltung oder Sühne dienen solle 11 . Die Einordnung als Vertragsstrafe, die lediglich der Erfüllungssicherung und Schadenspauschalierung auf der Ebene der Gleichordnung dienen solle, wird als Verkennung des soziologischen Zusammenhangs abgelehnt 12 . Die Parallele sieht er vielmehr im öffentlich-rechtlichen Disziplinarrecht (insbes. des Beamtenverhältnisses) 13. Für die Ausschließung sei das „ehrenmindernde und brandmarkende Verdikt" 1 4 wesentlich. Sie wird verglichen mit der „Ausstoßung eines Täters, die in der Gesellschaft früherer Zeiten durch Friedloslegung oder Ächtung vollzogen wurde" 1 5 . 7

Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 49; ähnlich Bessell, S. 72 ff. Vgl. Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 41. 9 Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 43ff., 49ff.; ders., NJW 1966, 225, 226. 10 Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 70; ders., JZ 1959, 649, 650; ders., NJW 1966, 227ff., 230. 11 Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 72ff.; ders., JZ 1959, 650ff.; ders., NJW 1966,227; noch deutlicher Reiß, S. 20: Vereinsstrafe als „Ausdruck des in jeder Gruppe liegenden Vergeltungstriebes". 12 Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 60-63; in NJW 1966, 226 stigmatisiert er die Gegenansicht mit dem psychologischen Vorgang der „'Verdrängung 4 durch Umdeutung"; vgl. auch ders., RdA 1982, 13, 14f. 13 Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 71 ff.; auch Reiß, S. 24; Jötten, S. 284ff. (trotz rechtsgeschäftlichen Ausgangspunkts); Baecker, Vereinsautonomie, S. 52ff.; ähnlich Ernst, S. 58 ff., der die Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Anstaltsrechts anwenden will. 14 Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 69. 15 Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 65; vgl. auch Zippelius, JuS 1988, 755, 757. 8

I. Korporationsrechtlicher Ansatz

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Die W i r k u n g des Ausschlusses entspreche damit der einer Todesstrafe, die „ h e u t e " 1 6 die staatliche Gemeinschaft anwende, u m sich v o n einem gefährlichen Rechtsbrecher zu befreien 1 7 . Daher handele es sich u m die schwerste Vereinsstrafe. Z u r richterlichen Überprüfung v o n Vereinsstrafen meint Meyer-Cording, uneingeschränkt zu kontrollieren seien die (materielle u n d formelle) Satzungsmäßigkeit, die Übereinstimmung m i t höherrangigem Recht — z. B. den §§ 138, 826 B G B — sowie die korrekte Tatsachenfeststellung; dagegen stehe dem Verein bei der Subsumtion unter unbestimmte Rechtsbegriffe ein Beurteilungsspielraum, bei der Entscheidung über das O b u n d W i e der Strafverhängung ein Ermessen zu, das nur unter dem Gesichtspunkt der offenbaren U n b i l l i g k e i t zu überprüfen sei 1 8 . Dies ergebe sich aus einem — nicht näher begründeten — „Subsidiaritätsprinzip" 19. I m Ergebnis entspricht diese Auffassung damit dem heutigen Stand der Rechtsprechung, die sich auch gelegentlich ausdrücklich a u f Meyer-Cording bezieht 2 0 . A u c h der w o h l überwiegende Teil des Schrifttums hat sich — m i t i m einzelnen unterschiedlichen Akzentsetzungen — dieser Auffassung angeschlossen 2 1 . 16 Die Untersuchung Meyer-Cordings entstand im Jahr 1957; zur Zulässigkeit der Todesstrafe vgl. i.ü. den seit dem 24. Mai 1949 geltenden Art. 102 GG. 17 Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 65. 18 Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 114-121; ders., JZ 1959, 652ff.; ders., NJW 1966, 228ff.; insoweit ablehnend Bessell, S. 44ff., 63ff. 19 Meyer-Cording, NJW 1966, 228, 230ff.; ähnlich H. Kauffmann, in: Verbandsrechtsprechung, S. 6,18; zuvor hatte Meyer-Cording (Vereinsstrafe, S. 105ff.; JZ 1959, 652ff.) noch auf die „Selbstverwaltung" abgestellt, um die Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung zu rechtfertigen. 20 Vgl. z.B. BGHZ 29, 352, 355 u.ö.; 87, 337, 343; BayObLG NJW 1960, 292ff. 21 Vgl. aus der monographischen Literatur Groscurth, S. 64ff.; Spieß, S. 29 ff., 80 ff.; Bessell, S. 19ff.; Reiß, S. 19ff.; Ernst, S. lOff., 22ff., 38ff.; Horschitz, Vereinsstrafe, S. 38ff. (unklar ders., NJW 1973, 1958 ff.); Vollmer, Schiedsklauseln, S. 20ff., 26ff.; Baumann, S. 28 ff.; Sommer, S. 87ff., 104ff.; Prior, S. 253; Schweighard, S. 20ff., 52ff.; Merkel, S. 23 ff; Schappei, S. 24; Zöllner, Gewerkschaftsausschluß, S. 30 ff; Baecker, Vereinsautonomie, S. 29 ff, 83 ff; Bodmer, S. 76 ff.; ansatzweise auch H. P. Westermann, Verbandsstrafgewalt, S. 38-43; Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 43-52; Friedrich, S. 85 ff; Leßmann, Wirtschaftsverbände; S. 270f.; aus dem Bereich der Lehrbücher Hübner, AllgTeil, Rz. 21, 149 ff; Brox, AllgTeil, Rz. 716ff.; Hopt/Hehl, GesR, Rz. 107; Larenz, AllgTeil, § 10 IV; Stern, StaatsR II, § 43 III.3.b; Kübler, GesR, § 33 IV 2c; aus def Kommentarliteratur RGRK-Steffen, BGB, vor §21 Rz. 32, §25 Rz. 12-14; Soergel/Schultze-von Lasaulx, BGB, 11. Aufl.,§ 25 Rz. 23; Erman/H. Westermann, BGB, § 25 Rz. 4; Palandt/ Heinrichs, BGB, § 25 Anm. 4 a; wohl auch AK-BGB-Ott, § 25 Rz. 27; aus der Handbuchliteratur Stöber, Rz. 245; Reichert I Dannecker I Kühr, Rz. 1111 ff, 1132; SauterI Schweyer, Rz. 350; sowie die Beiträge von Schopp, RPfleger 1959,335,338 ff; Beuthien, BB1968, Beil.12, S. 6; Pleyer, ZfgG 19 (1969), 89; ders., ZfgG 38 (1988), 227, 228; Preis, DB 1971, 1570, 1573; Stern, in: Sport und Recht, S. 142,151; Habscheid, in: Sport und Recht, S. 158,161; H. P. Westermann, JZ 1972, 537, 541; Larenz, Gedächtnisschr. Dietz, S. 45, 49 (Gewohnheits-

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§ : Meinungsstand

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3. Die Auffassung Reuters

Reuter vertritt zum Geltungsgrund der Vereinsstrafe eine differenzierende Auffassung. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die besondere Bedeutung des „ideellen", d.h. auf nichtwirtschaftliche Ziele gerichteten, Vereinszwecks (vgl. §§21, 22 BGB) 2 2 ; die gruppenspezifische, durch den ideellen Zweck bestimmte Sozialmoral innerhalb des Vereins verlange nach der Möglichkeit, abweichendes Verhalten durch Sanktionen zu ahnden 23 . Indem der Gesetzgeber die Bildung, den Bestand und die Betätigung von Vereinigungen — auch mit ideeller Zielsetzung — garantiere (vgl. Art. 9 Abs. 1 GG), müsse der Staat auch die selbständige Durchsetzung der Gruppenmoral respektieren 24. Der Individualschutz des Einzelnen gegenüber Maßnahmen des Vereins sei differenziert nach der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft zu verwirklichen 25 . Demgemäß unterscheidet Reuter zwischen Vereinen, die über ihren Mitgliederbestand frei entscheiden können (Vereine mit Aufnahmefreiheit) und solchen, die — etwa aufgrund einer Monopolstellung (vgl. §§26 Abs. 2, 27 Abs. 1 GWB) — zur Aufnahme bestimmter Mitglieder verpflichtet sind (Vereine ohne Aufnahmefreiheit) 26 . Dem von Zugangskontrollen befreiten Verein (mit Kommunikationsfunktion) spricht er eine nur durch den ordre-public-Vorbehalt (vgl. Art. 6 EGBGB, § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) beschränkte, von gerichtlicher Kontrolle weitgehend freigestellte Strafgewalt zur Verhängung sozialethischer Unwerturteile zu 2 7 . Demge-

recht); Bruder, M D R 1973, 897ff.; Luhes, Festschr. H. Westermann, S. 325, 329; Burmeister, DÖV1978,1 ff., 4,8; Popp, JuS 1980,798,803; Teubner, in: Sozialwissenschaften, S. 232, 234ff.; Vieweg, JuS 1983, 825, 827ff.; ders., JZ 1984,167,170; Baecker, NJW 1984, 906ff.; Elten, SchlHA 1985, 33; Leipold, ZGR 1985,113,116; H. Kauffmann, Kühl, H. P. Westermann und Röhricht, in: Verbandsrechtsprechung, S. 6, 8; 22ff.; 44ff. und 75, 83; Hofmann, ZfgG 38 (1988), 134,136; Röhricht, AcP 189 (1989), 386, 390f.; ansatzweise auch Schlosser, M D R 1967, 884, 885. 22 Vgl. hierzu auch K Schmidt, Verbandszweck, S. 29 ff. (dazu Reuter, ZHR151 [1987], 237,239 ff.); ders., BB 1987, 556 ff.; Häuser ¡van Look, ZIP 1986,749,751 ff., 754 f; Reuter, ZGR 1987, 475, 479 ff. 23 Reuter, ZGR 1980, 101, 103, 107; MünchKomm-Reuter, BGB, § 25 Rz. 18 ff. 24 Reuter, ZGR 1980,101,108 ff.; ders., NJW 1987,2401,2403; ähnlich schon Vollmer, Schiedsklauseln, S. 25. 25 Reuter, ZGR 1980,101,111 ff.; MünchKomm-Reuter, BGB, § 25 Rz. 20; ders., AcP 188 (1988), 649, 652. 26 MünchKomm-itewter, BGB, § 25 Rz. 23ff.; allg. auch a.a.O., vor § 21 Rz. 104ff.; ders., ZHR 151 (1987), 355,387 ff.; im Ausgangspunkt ebenso BGHZ102,265,276 f. (krit. dazu Hadding/van Look, ZGR 1988, 270, 277 f.); Baecker, Vereinsautonomie, S. 97 ff. (dazu van Look, W M 1987, 92); Reemann, S. 206ff.; U. Schmidt, S. 22ff., 104ff.; ähnlich Jauernig, BGB, § 25 Anm. 2 c, der jedoch bei Vereinen ohne Aufnahmefreiheit keine Disziplinarstrafen, sondern nur Vertragsstrafen i.S. der §§ 339 ff. BGB für zulässig hält; auch Vorderwülbecke, S. 95 ff. Weniger scharf noch Reuter, ZGR 1980, 101, 113ff.; MünchKomm-itewter, BGB, 1. Aufl., vor § 21 Rz. 125 ff., wo er zwischen den „Typenbegriffen" der Vereine mit Kommunikationsfunktion oder Repräsentationsfunktion unterscheidet; bei der Ausschließung scheint Reuter, NJW 1987, 2401, 2404ff., jedoch auf die Differenzierung zu verzichten.

II. Rechtsgeschäftlicher Ansatz

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genüber soll dem Verein ohne Aufnahmefreiheit (mit Repräsentationsfunktion) lediglich eine — gerichtlich vollständig überprüfbare — Disziplinargewalt zukommen 28 . Diese Lehre erscheint bereits in ihrem Ausgangspunkt problematisch, da sich weder im GG noch im BGB Anhaltspunkte für eine „Sonderbehandlung" der Vereine ohne Aufnahmefreiheit finden lassen. Abgesehen von dem — nicht nur praktischen — Abgrenzungsproblem zwischen Vereinen mit und ohne Aufnahmefreiheit, das bei jedem Rechtsstreit als Vorfrage zu klären wäre, ist fragwürdig, ob das Kriterium der Aufnahmefreiheit den qualitativen Unterschied zwischen „echter" Strafgewalt und bloßer Disziplinargewalt zu rechtfertigen vermag 29 . Deutlich zeigt sich dies bei einem Verein, dessen anfangliche Monopolstellung später wegfallt; hier würde die ursprünglich vorhandene Disziplinargewalt zu einer — gerichtlich weitgehend unüberprüfbaren — Strafgewalt erstarken; eine pure Unterstellung wäre es nun, diesen Machtzuwachs als von der — vor dem Wegfall der Monopolstellung abgegebenen — Beitrittserklärung eines Mitglieds umfaßt anzusehen. Die — auch nach Reuter ausschließlich rechtsgeschäftliche 30 — Beitrittserklärung ließe sich — entsprechend dem Charakter des Vereins z.Zt. des Beitritts — nur als „Unterwerfung" unter eine — gerichtlich voll überprüfbare — Disziplinargewalt deuten. Hierin für den Fall des Wegfalls der Monopolstellung auch eine (potentielle) „Unterwerfung" unter eine qualitativ andersartige, von gerichtlicher Kontrolle weitgehend freigestellte, „Strafgewalt" zu sehen, wäre mit den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB nicht mehr zu vereinbaren. Die Differenzierung zwischen Vereinen mit und ohne Aufnahmefreiheit ist daher, unabhängig von der Beantwortung der Frage nach dem Bestehen und dem Geltungsgrund einer Straf- oder Disziplinargewalt der Vereine, abzulehnen. II. Rechtsgeschäftlicher Ansatz 1. Die Kritik Flumes

Eine Vereinsstrafgewalt hält vor allem Flume für unzulässig, da die Rechtsordnung keine Unterwerfung unter private Strafgewalt kenne. Vielmehr handele es sich bei dem durch die — von ihm ausschließlich rechtsgeschäftlich

27

Reuter, ZGR 1980, 101, 116ff.; ders., in: MünchKomm BGB, § 25 Rz. 25ff.; ders., ZHR 151 (1987), 355, 388. 28 Reuter, ZGR 1980, 101, 118ff.; ders., in: MünchKomm BGB, §25 Rz. 31 ff.; fehlinterpretiert von Staudinger/ Coing, BGB, § 35 Rz. 35. 29 Ähnliche Kritik bei Flume, Juristische Person, S. 339 Fn. 97; L. Fischer, S. 78 ff.; AK-BGB-Ott, § 25 Rz. 48; vgl. auch Staudinger/ Coing, BGB, Vorbem. §§21-54 Rz. 42 a. E.; ReichertIDanneckerIKühr, Rz. 1114; Zöllner, Gewerkschaftsausschluß, S. 38ff.; Grunewald, Ausschluß, S. 41. 30 MünchKomm-itewter, BGB, § 25 Rz. 23.

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§ : Meinungsstand

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qualifizierte 31 — Satzung geregelten Verhältnis zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern um ein Rechts-, nicht aber um ein Gewaltverhältnis 32 . Vereinsautonomie sieht Flume als privatautonome Satzungshoheit und Befugnis zur Selbstverwaltung an; letztere soll sich aber nur auf die „Eigenangelegenheiten" des Vereins, nicht aber auf das Verhältnis zu den Mitgliedern beziehen33. Unzulässig sei daher vor allem die Verhängung sozialethischer Unwerturteile in Form von Ehrenstrafen, weil sich das Mitglied „betreffs seiner Ehre" nicht einer Vereinsgewalt unterwerfen könne 34 . Die Vereinsstrafen in ihren tatsächlichen Erscheinungsformen hält Flume deshalb für rechtswidrig. Dem Verein stehe darum statt des strafweisen Ausschlusses nur das Institut der Kündigung des Mitgliedschaftsverhältnisses aus wichtigem Grund zur Verfügung 35 . Unbedenklich seien jedoch „Bußen" (etwa in Form geringfügiger Geldstrafen) zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung des Vereins, die weder mit einem für den Betroffenen relevanten Vermögensnachteil noch mit einem Unwerturteil verbunden sind und daher auch keiner richterlichen Überprüfung bedürften 36 . Geldstrafen könnten sonst nur in Form der Vertragsstrafe (§§ 339 ff. BGB) vereinbart werden, deren richterliche Überprüfung sich dann nach den §§315, 343 BGB richte 37 . Der Ansicht Flumes hat sich ein Teil des Schrifttums angeschlossen38. 2. Die Begründung Böttichers

Gegen die Annahme einer autonomen Vereinsstrafgewalt hat sich vor allem Bötticher gewandt, der an v. Tuhr und Heinsheimer (oben 1.1 .b.cc.), aber auch an Flume (oben 1.), anknüpft. Ausgangspunkt seiner Auffassung ist die auschließlich rechtsgeschäftliche Einordnung der Satzung, der sich das Mitglied durch die Beteiligung an der Gründung oder den Beitritt „unterwirft" 3 9 . Diese Unterwerfung erklärt er als rechtsgeschäftliche Begründung eines Gestaltungsrechts mit der Folge, daß das Rechtsverhältnis zum Mitglied der einseitigen rechtlichen Gestaltung durch den Verein unterliege. Realisiert und im einzelnen Fall ausgeübt werde dieses „Muttergestaltungsrecht" durch einseitige Rechtsgeschäfte der Vereinsorgane, z. B. Mehrheitsbeschlüsse der Mitgliederversamm31

Flume, Juristische Person, S. 315 ff. Flume, Juristische Person, S. 328 ff; so schon Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 18. 33 Flume, Juristische Person, S. 189ff., 328ff., insbes. S. 331. 34 Flume, Festschr.Bötticher, S. 101, 123 ff. 35 Flume, Festschr.Bötticher, S. 101, 116ff. 36 Flume, Festschr.Bötticher, S. 101, 122ff. 37 Flume, Festschr.Bötticher, S. 101, 126ff. 38 Staudinger/ Coing, BGB, Vorbem. §§21-54 Rz. 35 ff., insbes.Rz. 39 ff.; § 35 Rz. 34; ders., Festschr.Flume I, S. 429, 436ff.; Ernst Wolf,; Schuldrecht II, § 17 G.9., S. 307ff.; Eichler, S. 53 ff. mit Fn. 10; Grunewald, Ausschluß, S. 41; ansatzweise auch Teubner, Organisationsdemokratie, S. 321 Fn. 304; K. Schmidt, GesR, S. 541 ff. 39 Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 28ff.; ders., ZfA 1970, 3, 44ff. 32

II. Rechtsgeschäftlicher Ansatz

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lung gem. § 32 Abs. 1 BGB oder Willenserklärungen anderer Vereinsorgane, für die § 317 BGB — wenn auch modifiziert — gelten soll 4 0 . Entsprechend der rechtsgeschäftlichen Begründung der Strafbefugnis sieht er die Vereinsstrafe als — wenn auch atypische — Vertragsstrafe i. S. der §§ 339 f f , 343 Abs. 2 BGB an mit dem (Haupt-) Zweck der Aufrechterhaltung der Gruppendisziplin 41 ; auch die Verhängung sozialer Unwerturteile und eine strafweise Ausschließung hält Bötticher im Rahmen der §§ 339ff. BGB für zulässig 42 . Hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfung befürwortet er — abgesehen von der Kontrolle der Satzungsmäßigkeit — die Anwendung des (gegenüber § 315 BGB spezielleren) § 343 BGB unter dem Maßstab der offenbaren Unbilligkeit, was im Ergebnis weithin mit der Auffassung der Rechtsprechung übereinstimmt (oben § 2 I.) 4 3 . Darüber hinaus hält er — bei entsprechender Satzungsbestimmung oder -auslegung — auch die Einräumung eines freien, d. h. gerichtlich nur bis zur Grenze der Willkür überprüfbaren, Beurteilungsermessens (z.B. bei Ausübung eines freien Ausschließungsrechts) für zulässig 44 . Der Auffassung Böttichers haben sich weite Teile des Schrifttums im Ausgangspunkt, nämlich der rechtsgeschäftlichen Erklärung der Vereinsstrafe als Vertragsstrafe, angeschlossen, wenn auch die einzelnen Folgerungen aus diesem Ansatz im Detail vielfach von der Lösung Böttichers abweichen 45 .

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Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 28, 30ff.; anders offenbar ders., ZfA 1970, 3, 54, zur Vereinsstrafe, wo er im Ausgangspunkt § 315 BGB für anwendbar hält. 41 Bötticher, ZfA 1970, 3, 47. 42 Bötticher, ZfA 1970, 3, 48ff., 51. 43 Bötticher, ZfA 1970, 3, 53 ff. 44 Bötticher, ZfA 1970, 3, 54-61; ebenso schon Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 33ff. 45 Vgl. die Einzeldarstellungen von Dütz, Gerichtsschutz, S. 273 ff.; Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 39 ff., 43 ff., der jedoch die Qualifizierung der Satzung offen läßt (a.a.O., S. 43) und von „Vereinsverwaltungsakten" spricht (so bereits ders., M D R 1967, 884ff.; ebenso Samstag, S. 26ff., 37ff.); H. P. Westermann, Verbandsstrafgewalt, S. 38ff.: Typenvermischung; Friedrich, S. 80ff., der die Einordnung als Vertragsstrafe ablehnt (a.a.O., S. 85), aber die §§ 315ff. BGB anwendet; Jötten, S. 85ff.; Nicklisch, Inhaltskontrolle, S. 30ff.; aus der Lehrbuch- und Kommentarliteratur Wiedemann, GesR I, S. 185; Reinhardt/Schultz, GesR, Rz. 344ff.; Hüffer, GesR, S. 25ff.; Esser¡E. Schmidt, SchuldR I, §16 I I I 2, S. 238f.; Schlegelherger/Hefermehl, HGB, § 348 Rz. 18; StudKommHadding, BGB, §25 Anm. 2 a; Staudinger/ Kaduk, BGB, Vorbem. §§ 339 ff. Rz. 51; Soergel/Hadding, BGB, §25 Rz. 38; im Ergebnis auch K. Schmidt, GesR, S. 542ff.; Medicus, AllgTeil, Rz. 1120ff.; sowie die Beiträge von Adomeit, Festschr. Kelsen, S. 9, 16ff.: Regelungsunterwerfung; Weitnauer, Festschr. Reinhardt, S. 179,185ff.; Hadding, Festschr. R. Fischer, S. 165,194; SäckerIRancke, AuR 1981, 1, 5; Rummel, Festschr. Strasser, S. 813, 840.

B. Stellungnahme § 4: Vereinsstrafe und Vereinsautonomie I. Zusammenhang zwischen der jeweiligen rechtlichen Einordnung der Vereinsautonomie, der Satzung und der Vereinsstrafe Einigkeit besteht darüber, daß eine Vereinsstrafe — abgesehen von der Ausschließung aus wichtigem Grund, die die h.M. auch ohne satzungsmäßige Grundlage zuläßt — nur „auf der Grundlage" der Satzung verhängt werden kann 1 . Die Satzung, die — neben der Organisation — das Verhältnis zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern regelt, bildet damit den primären Geltungsgrund der Vereinsstrafe 2. M i t dieser Feststellung könnte man sich aber nur begnügen, solange sich aus der Satzung selbst oder aus dem für den Verein geltenden Gesetzesrecht (§§ 21-54 BGB) Regeln zur Lösung aller im Zusammenhang mit Vereinsstrafen auftretenden Rechtsfragen gewinnen lassen. Gibt jedoch die Verfassung eines Vereins (vgl. § 25 BGB) keine Auskunft über die Behandlung eines auftretenden Rechtsproblems, so stellt sich die Frage nach der Anwendung oder Entwicklung anderer Rechtsregeln. Die rechtliche Qualifizierung der Satzung als Grundlage der Vereinsstrafe bildet damit den Ausgangspunkt für die Gewinnung von Regeln zur Behandlung der auftretenden Rechtsfragen. Je nach der Einordnung der Satzung und des aus ihr sich ergebenden Rechtsverhältnisses zwischen Verein und Mitglied gelangt man zur unmittelbaren, rechts- oder gesetzesanalogen Anwendung positiven Rechts (z. B. der Vorschriften über Rechtsgeschäfte [§§ 104ff. BGB], Schuldverhältnisse [§§ 241 ff. BGB], Verträge [§§ 305 ff. BGB] oder der beamtenrechtlichen Disziplinarvorschriften [§§ 45 ff. BRRG; 77 BBG; 1 ff. BDO] 3 ) oder zur Entwicklung ungeschriebener Regeln aus dem Personenrecht (des BGB) 4 oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen 5. Hieraus folgt, daß dem Streit um die rechtliche Einordnung der Satzung durchaus nicht (nur) der Rang eines praxisfernen Theorienstreits zukommt 6 . So hat die Rechtsprechung die nur beschränkte 1

Vgl. statt aller RGZ 125, 338, 340; BGHZ 87, 337, 343; ReichertIDanneckerI Kühr, Rz. 1133; K Schmidt, GesR, S. 542; a. A. nur v. Gierke, IherJb 35 (1896), 169,197 (s. o. § 3 I. l . a bei Fn. 22); dagegen Flume, Juristische Person, § 8 I, S. 266 Fn. 33a. 2 Mit dieser (von ihm selbst als banal bezeichneten) Feststellung begnügt sich z. B. Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 43 f., als „richtige dogmatische Fundierung". 3 In diese Richtung etwa Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 71 ff. 4 Vgl. v. Gierke, Privatrecht I, S. 226; Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 54. 5 Vgl. etwa BGH NJW 1967,1657,1658 (insoweit nicht in BGHZ 47,381); NJW 1981, 744 zum Verbot des Richtens in eigener Sache.

I. Vereinsautonomie - Vereinssatzung - Vereinsstrafe

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richterliche Überprüfung einer Vereinsstrafe 7 oder der Ausschließung8 gerade mit der besonderen Qualität der Satzung als Vereinsverfassung gerechtfertigt; aus diesem Grund sollen auch für die Satzung besondere Auslegungsgrundsätze gelten und § 139 BGB nicht anwendbar sein 9 . Darüber hinaus wirft der Meinungsstreit um die Qualifizierung der Satzung die „Fundamentalfrage privater Organisationen" 10 nach der Legitimation der Vereine für quasihoheitliches Auftreten gegenüber den Mitgliedern und damit einer „Überformung herkömmlichen Zivilrechts durch öffentlich-rechtliche Elemente obrigkeitlicher A r t " 1 1 auf. Gerade für den hier behandelten Problemkreis der Vereinsstrafe erscheint somit die Qualifizierung der Satzung und damit des Verhältnisses des Vereins zu seinen Mitgliedern als notwendige Vorfrage zur rechtlichen Einordnung und Behandlung der aufgrund der Satzung verhängten Strafen 12 . U m Klarheit über den Charakter der Vereinsstrafen zu gewinnen, ist es aber auch notwendig, auf die Vereinsautonomie einzugehen. Wie die Analyse der Rechtsprechung (oben § 2 III.) ergeben hat, verwendet die h.M. das Autonomieargument, um den besonderen Charakter der Satzung als Vereinsverfassung und der Mitgliedschaft als Subordinationsverhältnis zu rechtfertigen. Die Argumentationskette führt von der Vereinsautonomie über den Normcharakter der Satzung, die Selbstverwaltung, die Vereins(straf)gewalt, das mitgliedschaftliche Subordinationsverhältnis bis zu Einschränkung der gerichtlichen Überprüfung von Maßnahmen des Vereins gegen seine Mitglieder 13 . Gelingt es, die Vereinsautonomie, die am Ausgangspunkt dieser Argumentation steht, schärfer zu konturieren, sind hieraus auch Erkenntnisse für die aus ihr hergeleiteten, umstrittenen Rechtsfolgen zu erwarten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es sich bei dem hier zu behandelnden Bereich der Vereinsstrafe nur um einen Ausschnitt aus dem wesentlich weiter zu ziehenden Problemkreis des Spannungsverhältnisses zwischen Individuum, Verband und Staat handelt (Stichwort „Macht der Verbände"), der nicht nur aus dem Blickwinkel des Zivilrechts, sondern auch vor dem Hintergrund des Verfassungsrechts, zu betrachten ist. Darüber hinaus gilt 6

Ebenso Hadding, Festschr. R. Fischer, S. 165, 176. BGHZ 21, 370, 372. 8 BGHZ 13, 5, 10f. 9 BGHZ 47, 172, 179 f. 10 Teubner, Organisationsdemokratie, S. 320. 11 Hadding, Festschr. R. Fischer, S. 165, 177. 12 So auch Meyer- Cording, Vereinsstrafe, S. 31; Schopp, Rpfleger 1959, 335, 338f.; Bötticher, ZfA 1970, 3, 45; Weitnauer, Festschr. Reinhardt, S. 179, 185f.; Ernst, S. 4; Baecker, Vereinsautonomie, S. 84, 118; Reemann, S. 4; ebenso für den Problemkreis der Schiedsklauseln Schütte, S. 48-96; a. A. jedoch RGRK-Steffen, BGB, § 25 Rz. 6; Schlosser, M D R 1967, 961, 963 f.; ders., Vereinsgerichtsbarkeit, S. 43. 7

13

Vgl. Rottmann, S. 37ff.; Höffler, S. 52; Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 43 ff.; Weitnauer, Festschr. Reinhardt, S. 179. 185 f.; krit. zu dieser „Gleichung" Teubner, Organisationsdemokatie, S. 320.

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§ 4: Vereinsstrafe und Vereinsautonomie

es, (rechts-)soziologische Erkenntnisse zu berücksichtigen und zu fragen, inwieweit sie die Beurteilung der auftretenden Rechtsfragen beeinflussen können. Ausgangspunkt einer rechtlichen Qualifizierung der Vereinsstrafe ist damit die Klärung der Vereinsautonomie. II. Einordnung der Vereinsautonomie 1. Bedeutung von „Autonomie"

Dem Wortlaut nach (von griechisch „autos" = selbst und „nomos" = Gesetz) bedeutet Autonomie im rechtlichen Bereich die Befugnis eines Rechtssubjekts, verbindliche Rechtsregeln aufstellen zu können 14 . Damit ist jedoch noch nichts über die rechtliche Qualifizierung dieser Regeln gesagt; diese richtet sich vielmehr nach Form und Inhalt der Regelung sowie der Zuordnung des Regelungsgebers, darüber hinaus nach der Herkunft, d.h. dem Geltungsgrund, der Regelungsbefugnis. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Autonomie im Bereich des öffentlichen Rechts und im Bereich des Zivilrechts, sofern man nicht — wie vor allem v. Gierke — eine originäre ( „Sozial"-) Autonomie sämtlicher (öffentlich-rechtlicher wie zivilrechtlicher) Körperschaften annimmt 1 5 . Vor dem Hintergrund der heutigen Rechtsordnung läßt sich diese Auffassung jeoch nicht halten. Für den Bereich öffentlich-rechtlicher (Satzungs-)Autonomie folgt dies schon daraus, daß der Vorbehalt des Gesetzes (Art. 2 Abs. 1 GG) für (autonome) Rechtsetzung eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fordert 16 . Aber auch im Bereich des Zivilrechts zeigen die Vorschriften der §§ 25, 32, 40 BGB, daß der Staat grundsätzlich die Rechtsverhältnisse der Vereine regelt und sich deren Befugnisse auf eine staatliche Regelung stützen müssen17. Deshalb kann heute nur noch die Frage dahin gehen, ob es sich bei der Vereinsautonomie um eine „echte", wenn auch vom Staat delegierte, Rechtsetzungsbefugnis oder um eine Ausprägung der (allgemeinen) Privatautonomie handelt. Dies ist anhand eines Vergleichs mit anderen Erscheinungsformen öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Autonomie zu klären. 2. Autonomie im öffentlichen Recht

Im öffentlich-rechtlichen Bereich wird Autonomie verstanden als die Fähigkeit einer dem Staat eingegliederten, aber rechtlich selbständigen Verwaltungseinheit, zur Regelung ihrer Angelegenheiten Sätze objektiven Rechts zu 14 Vgl. Oberreuter, in: Staatslexikon, Stw. Autonomie, Bd. 1, Sp.490ff.; dort auch zur philosophischen, politischen, psychologischen und soziologischen Bedeutung. 15 Vgl. v. Gierke, Privatrecht I, S. 148ff. (dazu oben § 3 I.l.a); unklar Merton, S. 13ff., 29,32; ansatzweise auch BGHZ 13, 5,11; 21,370, 375 (dazu oben § 2 III.3.); Scheyhing, JZ 1958, 343, 345. 16 Vgl. z.B. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Rz. 50, Art. 80 Rz. 47; Wolff/Bachofl Stober, VerwR II, § 86 Rz. 80; Forsthoff, VerwR, § 25 c, S. 480. 17 Oertmann, ArchRWiPhil 7 (1913/14), 127,132, 141; Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 50; Kirchhof, Rechtsetzung, S. 158 f.; vgl. auch M. Weber, Rechtssoziologie, S. 163, 167 f.

II. Einordnung der Vereinsautonomie

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schaffen 18. Autonomie wird hier regelmäßig im Wortsinn einer Satzungs-(d. h. Recht-Setzungs-) Autonomie als Rechtsetzungsbefugnis erklärt. Grundgesetzlich verbürgt ist z. B. das Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln" (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG; vgl. auch S. 2: „Recht der Selbstverwaltung"). Es enthält u. a. die Befugnis zur eigenverantwortlichen Rechtsetzung (Satzungsautonomie)19. Die Satzung als Produkt dieser Rechtsetzung, für die grundsätzlich das Repräsentativorgan der Gemeinde zuständig ist, ist Gesetz im materiellen Sinn mit allgemeinverbindlicher Wirkung und Geltung 20 . Daneben enthält des Recht der Selbstverwaltung auch die Befugnis zum eigenverantwortlichen Vollzug aller die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betreffenden Vorschriften und zur Wahrnehmung der entsprechenden nicht normgebundenen Aufgaben 21 . Neben dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden gewährleistet das GG noch die — inhaltlich weitgehend vergleichbare — Autonomie der Religionsgesellschaften (Art. 140 GG i. V. m. Art 137 Abs. 3 S. 1 W R V ) 2 2 . Weiter kennt das öffentliche Recht zahlreiche Arten einer durch einfaches Gesetz (im formellen Sinn) verliehenen Satzungsautonomie, z.B. der Berufs verbände (Rechtsanwalt- 2 3 , Notar-, Ärzte-, Handwerkskammern [§ 55 HandwO], kassenärztliche Vereinigungen 24), der Hochschulen (§ 58 HRG), der Rundfunkanstalten (etwa § 1 Abs. 2 ZDF-Staatsvertrag) oder der Zweck verbände. Bei den dargestellten Arten von (Satzungs-)Autonomie handelt es sich i.d.R. um Formen der mittelbaren Staatsverwaltung durch Träger öffentlicher Aufgaben. Diese müssen nicht notwendig als juristische Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere Körperschaften, organisiert sein; denkbar ist vielmehr 18 Vgl. BVerfGE 33,125,156 = NJW1972,1504,1506; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 80 Rz. 47 ff.; Ossenbühl, in: Erichsen/ Martens, AllgVerwR, § 7 V I 1. 19 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Rz. 44; Badura, DÖV 1963, 561 ff.; H. Schneider, Festschr. Möhring, S. 521 ff.; Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, §86 Rz. 79; Schmidt-Jortzig, NJW 1983, 967, 968 m.weit.Nachw. in Fn. 2; auch BVerfGE 12, 319, 185: Autonomie als wesentliches Element der Selbstverwaltung; abw. Forsthoff, VerwR, S. 480, der eine besondere Verleihung verlangt. 20 Vgl. statt aller Ossenbühl, in: Erichsen/ Martens, AllgVerwR, § 7 V I 2; Merten, Jura 1981, 236, 238. 21 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Rz. 44. 22 Vgl. z. B. BVerfGE 57,220 = NJW 1981,1829 zur Kollision mit der Tarifautonomie. 23 Zur fehlenden Normqualität der Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts gem. § 177 Abs. 2 Nr. 2 BRAO vgl. BVerfG NJW 1988,191,192 = JZ 1988, 242; dazu KleineCosack, NJW 1988, 164; Zuck, ebenda, S. 175; Tettinger, JZ 1988, 228. 24 Vgl. BGHZ 81, 21, 26, wo die Festsetzung des Honorarverteilungsmaßstabs durch die kassenärztliche Vereinigung im Rahmen ihrer „hoheitlichen Verbandsgewalt" (a. a. O., S. 25) gekennzeichnet wird als „ A k t autonomer Rechtsetzung der öffentlichen Körperschaft...als einer dem Staat eingeordneten juristischen Person des öffentlichen Rechts (§ 368 k Absatz 3 Satz 1 RVO) im Rahmen der ihr durch das Gesetz verliehenen Autonomie...".

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auch die Verleihung einer Rechtsetzungsbefugnis an unselbständige Anstalten, nicht aber an Privatrechtssubjekte im Rahmen einer Beleihung (vgl. unten § 5 II.2.b.aa) 25 . Auch bedarf es einer ausdrücklichen Ermächtigung (Delegation), die mit einer Übertragung öffentlicher Aufgaben einhergeht 26 . 3. Autonomie im Zivilrecht

Im Vergleich zum öffentlichen Recht ist der Begriff der Autonomie im Zivilrecht weniger fest konturiert. Hier spricht man von Privatautonomie als dem „Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den einzelnen und nach seinem Willen" 2 7 .

Den einzelnen Rechtssubjekten des Zivilrechts steht die Befugnis zu, „innerhalb des dispositiven Rechtes die privaten Angelegenheiten im Wege des Rechtsgeschäftes zu regeln" 28 .

Als Rechtsfigur zur privatautonomen Regelung der Rechtsverhältnisse dient das Rechtsgeschäft, insbesondere das mehrseitige in Form des Vertrags 29 . Daher wird auch Privatautonomie häufig — verkürzend — mit Vertragsfreiheit gleichgesetzt, obwohl die Rechtsordnung auch einseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Testament, Auslobung, Ausübung von Gestaltungsrechten wie Kündigung oder Rücktritt) oder mehrseitige Rechtsgeschäfte eigener Art (z. B. den Beschluß) kennt. Dabei können die Privatrechtssubjekte „autonom", d.h. nach ihrem Willen, darüber entscheiden, ob sie ein Rechtsgeschäft vornehmen (Abschlußfreiheit beim Vertrag), welchen Inhalt sie ihm geben (Inhalts- oder Gestaltungsfreiheit) sowie ob und wie sie es ändern oder aufheben (Lösungsfreiheit) 30 . Das BGB als Grundlage der Privatrechtsordnung regelt die Privatautonomie nicht ausdrücklich (vgl. aber § 305 BGB bei Verträgen). Indem es den Privatrechtssubjekten die Formen rechtsgeschäftlichen Handelns zur Verfügung 25

Vgl. Wolffl Bachofl Stober, VerwR II, §104 Rz. 2; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 82ff.; Sachs, VerwA 74 (1983), 25, 47. 26 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 80 Rz. 47,51,56; Sachs, VerwA 74 (1983), 25, 45 f. 27 Flume, Rechtsgeschäft, §1,1.; ähnlich ders., Festschr. DJT, S. 135,141 ; Pflug, Recht der AGB, S. 63 ff.; Medicus, AllgTeil, Rz. 174; Zöllner, JuS 1988, 329; vgl. auch v. Tuhr, AllgTeil I, S. 25, AllgTeil II, S. 143 Fn. 1; abl. gegenüber dem Begriff der Privatautonomie jedoch Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 44. 28 Motive I, S. 10 = Mugdan I, S. 21. 29 Vgl. Hadding, in: HdWW, Stichwort Vertragsfreiheit, S. 340ff.; L. Raiser, JZ 1958,1; Adomeit, Rechtsquellenfragen, S. 89: Vertragsfreiheit als wichtigster Unterfall privater Autonomie; krit. zur (inhaltlichen) Vertragsfreiheit de lege ferenda J. Schmidt, Vertragsfreiheit und Schuldrechtsreform, passim, insbes. S. 239; dagegen Picker, JZ 1988, 339ff.; zur historischen Entwicklung M. Weber, Rechtssoziologie, S. 129 ff. 30 Vgl. StudKomm-Hadding, BGB, § 305 Anm.II.l. zur Vertragsfreiheit.

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stellt 31 , setzt das BGB die Privatautonomie in dem beschriebenen Umfang voraus und erkennt sie an 3 2 . Darüber hinaus ist die Privatautonomie durch das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) im Rahmen der Privatrechtsordnung verfassungsrechtlich garantiert 33 . Auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts äußert sich die Privatautonomie als gesellschaftsrechtliche Vertragsfreiheit. Bei der Gesellschaft entscheiden die Mitglieder eigenverantwortlich im Rahmen des geltenden Rechts über Gründung, Beitritt, Austritt und Auflösung (Abschluß- und Lösungsfreiheit). Auch die Gesellschaftsform und der Inhalt des Gesellschaftsvertrags, insbesondere der Gesellschaftszweck, können durch die Gesellschafter im Rahmen der gesetzlichen Typenordnung und des zwingenden Gesetzesrechts frei bestimmt werden 34 . Verfassungsrechtlich geschützt wird die gesellschaftsrechtliche Vertragsfreiheit durch das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), das Gründung, Bestand sowie interne und externe Betätigung der Vereine und Gesellschaften im Rahmen der Privatrechtsordnung garantiert (zur vereinsrechtlichen Bedeutung der Vereinigungsfreiheit vgl. unten 4.) 3 5 . Insoweit wird das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) durch das speziellere Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit verdrängt 36 . Ebenfalls dem Bereich des Zivilrechts, nämlich dem (kollektiven) Arbeitsrecht, ist die Tarif autonomie zuzuordnen, die im Rahmen der Koalitionsfreiheit durch Art. 9 Abs.3 GG gewährleistet wird 3 7 . Sie umfaßt das Recht der Arbeitgeber und Organisationen der Arbeitnehmer (Tarifparteien), den Inhalt, Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen durch Tarifvertrag zu regeln (vgl. § 1 Abs. 1 T V G ) 3 8 . Kraft ausdrücklicher Anordnung in § 4 Abs. 1 T V G gelten Teile 31

Z. B. in den Vorschriften über Rechtsgeschäfte (§§ 104-185 BGB), Verträge (§§ 305361 BGB), den einzelnen Schuldvertragstypen (§§ 433 ff. BGB), aber auch den Ehevertrag (§§ 1408ff.BGB) und die Verfügung von Todes wegen (§§ 1937ff., 2064ff. BGB). 32

Vgl. z.B. Hübner, AllgTeil, Rz. 339. Vgl. BVerfGE 12, 341, 347; 60, 329, 339; 65, 196, 210; 70, 115, 123; 72, 155, 170; BVerfG JZ 1987, 873 m.Anm. Adomeit/Spinti; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rz. 53-65; L. Raiser, JZ 1958, 1 ff.; Canaris, JZ 1987, 993, 994f. (dazu Ramm, JZ 1988, 489; Wieser, ebenda S. 493; Schlußwort Canaris, ebenda S. 494); ders., JuS 1989. 161 ff. 34 Vgl. vor allem Teichmann, Gestaltungsfreiheit, passim, insbes. S. 1-15, 43 ff.; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, passim, insbes. S. 21-55, 112ff.; Nitschke, Personengesellschaft, passim, insbes. S. 1-9 (dazu Schultze-v.Lasaulx, ZfgG 1971 [21], 325); zusammenfassend K. Schmidt, GesR, S. 73ff., 86ff., 95f.; auch Soergel/Hadding, BGB, Rz. 26 vor § 705 zur GbR; Loritz, JZ 1986, 1073. 35 Vgl. BVerfGE 50, 290, 354 = NJW 1979, 699, 706; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rz. 78-86; Wiedemann, GesR I, § 12 I 3, S. 673 ff. 36 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rz. 111; Canaris, JZ 1987, 993, 994. 37 Zusammenfassend BVerfGE 50, 290, 369 ff. = NJW 1979, 699, 708 ff. 38 Zur Satzungsautonomie der Gewerkschaften vgl. BAG DB 1986, 1235; Säcker, Repräsentation, S. 33 ff.; auch Vorderwülbecke, S. S. 74ff., 100f., der aus der verfassungs33

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des Tarifvertrags als zwingende (§4 Abs. 3 TVG) „Rechtsnorm" für die Tarifgebundenen (§ 3 TVG) im Geltungsbereich des Tarifvertrags 39 . Bei den „Rechtsnormen" des Tarifvertrags handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um „Rechtsregeln ('normative Bestandteile des Tarifvertrages') kraft Anerkennung durch die staatliche Gewalt" 4 0 , um „Gesetzgebung im materiellen Sinne, die Normen im rechtstechnischen Sinne erzeugt" 41 .

Ein gemäß § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag enthält nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechtsregeln eigener Art, „die sich in das herkömmliche System der Rechtsquellen nicht einordnen lassen, weil sie weder dem Begriff des formellen Gesetzes noch dem der Rechtsverordnung noch dem der autonomen Satzung entsprechen" 42 .

Die Legitimation zur Normsetzung als Ausprägung der Tarifautonomie wird dabei entweder aus der ausdrücklichen Ermächtigung im TVG (sog. Delegationstheorie) oder unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG (sog. Integrationstheorie) hergeleitet 43. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei einerseits betont, daß es sich bei der Tarifautonomie um eine besondere, nämlich kollektive, Form der Privatautonomie handele 44 ; andererseits soll der besondere Status der Koalitionen aufgrund der ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG verliehenen „öffentlichen Aufgabe" über den der in Art. 9 Abs. 1 GG genannten Vereinigungen insoweit hinausgehen, als nur ihnen eine Normsetzungsbefugnis zusteht (dazu unten § 5 II.2.b.aa) 45 . Fraglich ist, ob es neben der Privatautonomie im Zivilrecht — abgesehen vom Sonderfall der Tarifautonomie — eine Form der Regelung gibt, die „in der gewillkürten Setzung seitens Einzelner ihren Grund hat (Autonomie)" 4 6

rechtlichen Stellung der Gewerkschaften herleiten will, daß es sich nicht um bürgerlichrechtliche Vereine, sondern um „Körperschaften sui generis" handele. 39 Zur Gesetzgebungsgeschichte vgl. Herschel, BB 1984, 987. 40 BVerfGE 34, 307, 317 = NJW 1973, 1320, 1322 (Hervorhebung im Original). 41 BVerfGE 44,322,341 = NJW 1977,2255,2256; ebenso BAG NJW 1985,1238,1239; DB 1987, 693, 694 (ständige Rechtsprechung). 42 BVerfGE 44, 322 = NJW 1977, 2255, 2257. 43 Vgl. BVerfGE 34, 307, 319f.; 44, 322 = NJW 1977, 2255, 2257; Zöllner, Tarifnormen, S. 14ff.; Richardis Kollektivgewalt, S. 127ff., 167 ff.; Säcker, Gruppenautonomie, S. 265 m. weit. Nachw. in Fn. 72; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 79 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rz. 301 m. weit.Nachw. 44 BVerfGE 34, 307 = NJW 1973, 1320,1322; ebenso Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rz. 165, 301. 45 BVerfGE 28, 295 = NJW 1970, 1635. 46 Motive I, S. 10 = Mugdan I, S. 21.

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und sich damit von der Privatautonomie grundlegend unterscheidet. Für den Bereich des bürgerlich-rechtlichen Vereins ist dies anhand eines Vergleichs der Betätigungsformen der Vereinsautonomie mit den Formen der Privatautonomie zu klären, und zwar vor dem — bisher ausgeklammerten — verfassungsrechtlichen Hintergrund der Verein(igung)sfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG. 4. Vereinsautonomie und Vereinigungsfreiheit i.S. des Art. 9 Abs. 1 GG

a) Gründungs- und Beendigungsfreiheit Betrachtet man als Ausprägung der Vereinsautonomie zunächst das Recht der einzelnen Rechtssubjekte des Zivilrechts, sich zu einem Verein zusammenzuschließen (Gründungsfreiheit), so fällt die Verwandtschaft zur Abschlußfreiheit beim Vertrag (oben 3.) im Rahmen der Privatautonomie auf. Wie beim Abschluß eines (Austausch-)Vertrags entscheiden hier die Privatrechtssubjekte „autonom", d.h. nach ihrem Willen, ob sie einen Verein gründen. Entsprechendes gilt für die Entscheidung darüber, ob sie einem bestehenden Verein beitreten (.Beitrittsfreiheit) oder die Mitgliedschaft beenden; der zuletzt genannten Austrittsfreiheit (vgl. § 39 BGB) entspricht beim Vertrag die Lösungsfreiheit (oben 3.) 4 7 . Auf Seiten des Vereins entspricht der Beitrittsfreiheit die Aufnahmefreiheit** und der Austrittsfreiheit die Ausschließungsfreiheit 49, aufgrund derer die Vereinigung nach ihrem durch ein Organ gebildeten Willen über Begründung und Beendigung der Mitgliedschaft einer Person entscheidet. Schließlich kann auch der Verein selbst über seinen Fortbestand entscheiden und sich durch Beschluß der Mitgliederversammlung auflösen (Auflösungsfreiheit). Während das BGB die Austritts- und Auflösungsfreiheit in den §§ 39, 41 ausdrücklich regelt, setzt es die Gründungs- und Beitrittsfreiheit in §§ 21 ff., 55 ff. stillschweigend voraus, indem es die Voraussetzungen bestimmt, unter denen ein Verein die Eigenschaft als juristische Person erlangen kann 5 0 . Ausdrücklich gewährleistet wird die Gründungsfreiheit jedoch durch Art. 9 Abs. 1 GG als Individualgrundrecht i.S. eines Prinzips freier Assoziation 51 . Die Vorschrift garantiert allen Deutschen das Grundrecht, im Rahmen der Gesetze, insbes. der vorgegebenen Typenordnung (vgl. oben 3. bei Fn. 34), selbständig 47 A. A. Reemann, S. 164, nach dem die Kündigung eines Vertragsverhältnisses im Gegensatz zum Austritt aus einem Verein stets einen Kündigungsgrund voraussetze; dies trifft für unbefristete vertraglich begründete Rechtsverhältnisse, zu denen auch die Mitgliedschaft in einem Verein zählt, nicht zu (vgl. z. B. §§ 565, 609, 621 f., 671,723 Abs. 1 S. 1, 724 BGB; §§ 132, 134, 234 HGB). 48

Zur möglichen Begrenzung durch eine Aufnahmepflicht vgl. oben § 2 III. 1. Zur Qualifizierung und gerichtlichen Überprüfung der Ausschließung vgl. unten § 6 II. 2.b.ee. und III. 2.b. sowie § 12 I. 50 Zu den verschiedenen „Gründungssystemen" vgl. Mummenhoff Gründungssysteme, S. 14ff. (dazu K. Schmidt, ZHR 147 [1983], 43, 49ff.); K. Schmidt, Verbandszweck, S. 58 ff.; Jahornegg, GesRZ 1988, 179, 184f. 49

51 Vgl. BVerfGE 10,89,102 = NJW1959,1675; 50,290 = NJW1979,699,706; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rz. 42, 78.

5 van Look

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über Gründung und Bestand eines Vereins sowie über Erwerb oder Beendigung der Mitgliedschaft zu entscheiden. Die individualrechtliche Komponente der Gründungs- und Beendigungsfreiheit sowie die Ähnlichkeit zur Abschluß- und Lösungsfreiheit beim Vertrag legen es nahe, die Vereinsautonomie insoweit als besondere Ausprägung der (allgemeinen) Privatautonomie anzusehen. Umgekehrt muß dies auch für die kollektive Entscheidung des Vereins als juristische Person (vgl. Art. 19 Abs. 3 GG) darüber gelten, ob eine Mitgliedschaft begründet oder beendet wird oder ob die Vereinigung selbst aufgelöst wird. Denn es handelt sich jeweils um denselben rechtlichen Vorgang, der sowohl auf Seiten des einzelnen Mitglieds als auch auf Seiten des Vereins als rechtlich gleichgeartete Betätigung eines Freiheitsgrundrechts anzusehen ist. Diese kann nicht als Ausübung einer qualitativ andersgearteten „Autonomie" qualifiziert werden, je nachdem ob man sie aus dem Blickwinkel des einzelnen Mitglieds oder der Vereinigung betrachtet. Auf der Grundrechtsebene verdrängt Art. 9 Abs. 1 GG als speziellere Regelung das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), das u. a. die Privatautonomie gewährleistet (oben 3.) 5 2 . Für den Bereich der Gründungs- und Beendigungsfreiheit ist damit die Vereinsautonomie — ebenso wie z.B. die Vertragsfreiheit oder die Testierfreiheit — als Sonderfall der (allgemeinen) Privatautonomie anzusehen. b) Externe Betätigung Neben der Gründungs- und Beendigungsfreiheit gewährleistet Art. 9 Abs. 1 GG, daß eine Personenvereinigung als Rechtssubjekt des Zivilrechts am Rechtsverkehr teilnehmen kann. Diese externe Vereinigungsfreiheit betrifft die Betätigung des Vereins nach außen53. So ermöglicht es die Rechtsfigur der juristischen Person einer Personenvereinigung, gleich einer natürlichen Person (vgl. § 1 BGB) Träger von Rechten und Pflichten sein zu können (vgl. auch § 124 HGB [i. V.m. § 161 Abs. 2 HGB] für die oHG und die KG). Dabei ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen eine Vereinigung Rechtssubjekt ist, aus dem einfachen Gesetzesrecht (vgl. für den Verein §§21-23, 55 ff. BGB). Hat eine Vereinigung die Eigenschaft als Rechtssubjekt nach den gesetzlichen Vorschriften erlangt, so kann sie wie eine natürliche Person am Rechtsverkehr teilnehmen, insbes. Rechte und Pflichten erwerben, soweit diese ihrem Sinn und Zweck nach nicht ausschließlich natürlichen Personen vorbehalten sind. Auf der Grundrechtsebene folgt aus der Rechtssubjektivität von Vereinigungen, daß Träger der Vereinigungsfreiheit neben den einzelnen Mitgliedern auch die Vereinigung selbst ist (vgl. Art. 19 Abs. 3 G G ) 5 4 . Art. 9 GG ist damit als 52

Ebenso Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rz. 111. Vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rz. 86. 54 Vgl. statt aller BVerfGE 50, 290 = NJW 1979, 699, 706, das mit der h.M. die kollektive Vereinigungsfreiheit unmittelbar aus Art. 9 GG herleitet; demgegenüber ergibt 53

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Doppelgrundrecht anzusehen, das neben der individuellen auch die kollektive Vereinigungsfreiheit umfaßt. Soweit die Vereinigung in Ausübung ihrer kollektiven Betätigungsfreiheit nach außen handelt, ist sie dabei denselben Schranken unterworfen wie natürliche Personen im Rahmen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 G G 5 5 . Handelt sie dabei im Bereich des Zivilrechts, stellt sich dies als durch Art. 9 Abs.l (i.V.m. Art. 19 Abs. 3) GG garantierte kollektive Ausübung des Grundrechts auf (externe) Vereinigungsfreiheit dar, und zwar regelmäßig in den Formen des Rechtsgeschäfts und im Rahmen der Privatautonomie. Besondere Rechte als Personen Vereinigung56 kann sie nur wahrnehmen, wenn die Rechtsordnung dies ausdrücklich bestimmt. Auch die externe Vereinigungsfreiheit ist damit, soweit sich der Verein auf der Ebene des Zivilrechts betätigt, dem Bereich der allgemeinen Privatautonomie zuzurechnen. c) Interne Selbstbestimmung Entscheidend für den hier behandelten Problemkreis der Vereinsstrafe ist die rechtliche Einordnung der internen Vereinsautonomie, aufgrund derer die Vereine und Gesellschaften ihre inneren Angelegenheiten eigenverantwortlich regeln können. Als denkbare Regelungsgegenstände nennt das BGB beim Verein die Verfassung (§25), die Bestellung der Organe (vgl. §§27 Abs.l, 30), die Geschäftsführung (vgl. § 27 Abs. 3) sowie sonstige „Angelegenheiten des Vereins" (§ 32 Abs. 1 S. 1). Dabei umfaßt die Verfassung i. S. des § 25 BGB alle Grundlagenentscheidungen des Vereinslebens, insbes. der Organisation und des Verhältnisses zwischen dem Verein und den Mitgliedern (vgl. unten § 5 IV.3.a.). Als besondere Regelungsformen vereinsinterner Angelegenheiten stellt das BGB in § 25 für die Verfassung die Satzung, in den §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1, 32 Abs. 1 S. 1, 33 Abs. 1 S. 1 für die Willensbildung des Vorstands und der Mitgliederversammlung den Beschluß zur Verfügung. Daneben sind jedoch noch weitere vereinsinterne Regelungs- und Handlungsformen denkbar, z.B. sog. Nebenoder Vereinsordnungen (abstrakt-generelle Regelungen, die keine Grundlagenentscheidungen i. S. des § 25 BGB enthalten) 57 , Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte i.S. der §§ 104 ff., 116ff. BGB, Schuldverhältnisse und Verträge i.S. der §§ 145 ff., 241 ff., 305 ff., 433 ff. BGB sowie Realakte.

sich nach Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rz. 25, die kollektive Komponente erst aus Art. 19 Abs. 3 GG. Vgl. zur Koalitionsfreiheit Vorderwülbecke, S. 110f. 55 Vgl. BVerfGE 30, 227 = NJW 1971,1123,1124m.Anm. Rupp, ebenda S. 1403, der mit Recht daraufhinweist, daß dieses Ergebnis nicht über Art. 9 Abs. 2 GG, sondern nur über Art. 19 Abs. 3 GG zu erreichen ist. 56 Z. B. die Verbandsklagebefugnis gem. §§ 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AGB-Ges., 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG, 35 Abs. 3 GWB (vgl. dazu z. B. Hadding, JZ 1970, 305, 307; M. Wolf BB 1971, 1293). 57 Dazu vgl. Lohbeck, M D R 1972, 381; Lukes, NJW 1972, 121; Kirberger, Nebenordnungen, S. 197 ff.; Soergel/Hadding, BGB, § 25 Rz. 6-8. 5*

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Autonomie kann nun in diesem Zusammenhang nur so verstanden werden, daß der Verein selbst, d.h. durch seine Organe, in den Grenzen der Rechtsordnung über den Inhalt interner Regelungen entscheidet und diese auch selbst durchführt. Autonomie bedeutet damit inhaltliche Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der vereinsinternen Regelungsgegenstände, insbes. der Organisation und des Verhältnisses zu den Mitgliedern 58 . Dagegen ist der Kreis der Regelungsformen von der Rechtsordnung vorgegeben und kann durch den Verein nicht durch Schöpfung neuer Regelungsformen erweitert werden. Allenfalls hat der Verein die Wahl zwischen mehreren zur Verfügung stehenden Regelungsformen, z. B. Satzung oder Nebenordnung 59 . Über die rechtliche Einordnung vereinsinterner Regelungen und Handlungen entscheidet nicht der Verein selbst, sondern die Rechtsordnung, insbes. die Rechtsquellenlehre. Auch die interne Gestaltungsfreiheit ist durch das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit aus Art.9 Abs. 1 GG geschützt. Dessen Schutzbereich umfaßt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „sowohl für die Mitglieder als auch für die Vereinigungen die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte. Denn ohne solche Selbstbestimmung könnte von einem freien Vereinigungswesen keine Rede sein; Fremdbestimmung würde dem Schutzzweck des Art. 9 I GG zuwiderlaufen. " 6 0

Interne Vereinsfreiheit oder -autonomie ist damit in erster Linie als Freiheit von Fremdbestimmung (Heteronomie) zu verstehen. Die Fremdbestimmung kann dabei entweder vom Staat 61 , aber auch von einem nicht dem Verein angehörenden Dritten ausgehen, dem z. B. die Zuständigkeit zur Satzungsänderung, Vorstandsbestellung oder Auflösung übertragen wird 6 2 . Gegen staatliche Fremdbestimmung ist der Verein durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützt (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG), gegen Fremdbestimmung durch Rechtssubjekte des Zivilrechts nach § 138 Abs. 1 BGB, der eine Selbstentmündigung verbietet. Allerdings ist die

58 Ebenso schon Biebricher, S. 77; Wurst, S. 30; auch Leßmann, Wirtschaftsverbände, S. 208; anders Reemann, S. 115, nach dem die Vereinsautonomie nur die Bindung des Vereins selbst an seine durch die Organe erfolgende Willensbildung legitimiert. 59 Grenzen der Formwahl ergeben sich in diesem Fall aus dem Erfordernis, daß alle Grundlagenentscheidungen des Vereinslebens in der Satzung geregelt sein müssen (vgl. dazu unten § 5 IV. 3. a. und § 10 I.). 60 BVerfGE 50, 290, 354 = NJW 1979, 699, 706. 61 In diese Richtung ging die historische Entwicklung der Vereinsfreiheit (vgl. oben § 2 III.3.). Vgl. in diesem Zusammenhang noch BGHZ 87, 337, 345, wonach die beschränkte richterliche Überprüfung von Vereinsstrafen gewährleisten solle, „daß die interne Gestaltung des Vereinslebens und die Vereins-Politik nicht auf staatliche Wertvorstellungen festgelegt werden". 62 Zum Diskussionstand vgl. Dütz, Festschr. Herschel, S. 55, 60ff.; Flume, Festschr. Coing II, S. 97ff.; AK-BGB-Ott, § 25 Rz. 17ff.; Soergel/Hadding, BGB, Rz. 79 vor § 21; § 27 Rz. 7; § 33 Rz. 7; § 41 Rz. 3.

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vereinsinterne Selbstbestimmung durch Art. 9 Abs. 1 GG nicht unbeschränkt gewährleistet. Vielmehr ist die Vereinigungsfreiheit „auf Regelungen angewiesen, welche die freien Zusammenschlüsse und ihr Leben in die Rechtsordnung einfügen, die Sicherheit des Rechtsverkehrs gewährleisten, Rechte der Mitglieder sichern und den schutzbedürftigen Belangen Dritter oder auch öffentlichen Interessen Rechnung tragen." 63

Dabei versteht das Bundesverfassungsgericht die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Selbstbestimmungsrechts nicht als Schranke der Vereinigungsfreiheit i.S. des Art. 9 Abs. 2 GG, sondern als Bestimmung des Inhalts und immanenter Schranken im Rahmen des Art. 9 Abs. 1 GG. Im Ergebnis führt dies dazu, daß auch die interne Selbstbestimmung — ebenso wie die Gründungsfreiheit (oben a) und die externe Betätigung (oben b) — nur im Rahmen der (einfachen) Gesetze gewährleistet ist, die sich wiederum hinsichtlich ihrer Verfassungsmäßigkeit an Art. 9 Abs. 1 GG messen lassen müssen. Für den Verein zeigt dies § 25 BGB, der eine Gestaltungsfreiheit durch die Satzung nur einräumt, soweit die Verfassung nicht durch die §§ 26 ff. BGB bestimmt wird. Dabei ist zu beachten, daß einzelne dieser Vorschriften gem. § 40 BGB durch die Satzung abbedungen werden können, während andere — nämlich die in § 40 BGB nicht genannten — zwingendes Recht enthalten (Umkehrschluß aus § 40 BGB) 6 4 . Was die Gestaltungsfreiheit des Verhältnisses zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern angeht, ist zu fragen, ob die durch Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistete freie interne Selbstbestimmung dem Verein — wie es die h.M. annimmt — besondere, quasi hoheitliche Rechte („Vereinsgewalt") gegenüber seinen Mitgliedern ermöglicht, die sich von rechtsgeschäftlich im Rahmen der (allgemeinen) Privatautonomie begründeten Rechten und Pflichten qualitativ unterscheiden. Gegen die Herleitung solcher Rechte aus Art. 9 Abs. 1 GG spricht zunächst, daß die Grundrechte sich in erster Linie als Abwehrrechte gegen den Staat richten (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG) und sich auf die Rechtsverhältnisse des Zivilrechts nur mittelbar, insbes. über die Generalklauseln, auswirken 65 . Ein Verein kann sich daher gegenüber seinen Mitgliedern nicht auf eine kollektive 63

BVerfG a.a.O. (Fn. 60). Zu den Grenzen der Abdingbarkeit vgl. BGHZ 99, 119, 123 = W M 1987, 373 = WuB I I L. § 32 BGB 1.87 m. Anm. van Look, wo die Möglichkeit einer Abdingung des § 32 Abs. 1 S. 2 BGB durch Zulassung sog. Dringlichkeitsanträge eingeschränkt wird durch den Gedanken des Mitgliederschutzes. 64

65 So die h.M. im Verfassungsrecht, vgl. etwa BVerfGE 7, 198, 206; 25, 256, 263; 42, 143, 148; BVerfG JZ 1987, 873 m.Anm. Adomeit/Spinti; aber auch Canaris, AcP 184 (1984), 201 ff.; ders., JZ 1988,494f.; ders., JuS 1989,161 ff.; für unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Zivilrecht dagegen vor allem Nipperdey, z.B. in Enneccerus/ Nipperdey, AllgTeil I, S. 91 ff; zum Meinungsstand im Zusammenhang mit dem hier behandelten Problemkreis vgl. Steiner, in: Das Recht des Fußballspielers, S. 7, 11 ff.; Stern, in: Sport und Recht, S. 142, 148 ff., Burmeister, DÖV 1978, 1, 7ff.; Jötten, S. 211261; Baecker, Vereinsautonomie, S. 39-46; Reemann, S. 194 ff.

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§ 4: Vereinsstrafe und Vereinsautonomie

Grundrechtsposition, insbes. die Freiheit der internen Selbstbestimmung, berufen 66 . Auch die Institutsgarantie einer „Vereinsgewalt" über die Mitglieder läßt sich Art. 9 Abs.l GG nicht entnehmen. Indem Art. 19 Abs. 3 GG die Geltung der Grundrechte auf Personenvereinigungen, insbes. juristische Personen, erstreckt, sollte ihnen nicht eine besondere Rechtsstellung gegenüber ihren Mitgliedern verliehen werden. Das GG wollte vielmehr die qualitative Steigerung und Effektivität kollektiver Rechtsausübung nach außen anerkennen, die sich daraus ergibt, daß einzelne Individuen gemeinsam „im Verband" einen Zweck verfolgen 67 . Das GG geht in Art. 1 Abs.l, 2 Abs.l von einem Menschenbild der gemeinschaftsgebundenen und gemeinschaftsbezogenen Person aus, die zu ihrer Entfaltung zwischenmenschlicher Bezüge, insbes. durch die Mitgliedschaft in Vereinigungen i. S. des Art. 9 Abs. 1 GG, bedarf 68 . Auch eine kollektive Grundrechtsausübung unter dem Schutz des Art. 19 Abs. 3 GG ist Ausdruck der freien Entfaltung derjenigen natürlichen Personen, die als Mitglieder hinter der Vereinigung stehen 69 . Es hieße, die Wertentscheidung und Wertordnung.des GG, das den Freiheitsbereich des Einzelnen durch die Zulassung kollektiver Rechtsausübung erweitern wollte, in ihr Gegenteil verkehren, wollte man hieraus eine Form der Autonomie herleiten, kraft derer die einzelnen Mitglieder nunmehr einer Fremdbestimmung durch das übergeordnete Kollektiv unterworfen wären 70 . Auf der Ebene des Verfassungsrechts erweist sich damit die Vereinsautonomie auch hinsichtlich des internen Selbstbestimmungsrechts als Unterfall der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie 71 und zwar in Parallele zur 66 A. A. Baecker, Vereinsautonomie, S. 58ff., der mit dieser Konstruktion einen unmittelbaren Grundrechtsschutz der Mitglieder gegenüber dem Verein ablehnt; für eine Grundrechtsabwägung, die „im Regelfall... zugunsten des Vereins ausfallen" werde, Reemann, S. 205; vgl. auch Vollmer, Schiedsklauseln, S. 43 f.; Merkel, S. 105; Stober, NJW 1979, 2001, 2004. 67 Vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rz. 1, 3. 68 BVerfGE 50, 290 = NJW 1979, 699, 706. 69 Das Bundesverfassungsgericht spricht in BVerfGE 21, 362, 369, zu Art. 19 Abs. 3 GG von einem „Durchgriff auf die hinter der juristischen Person stehenden Menschen; ähnlich Leßmann, Wirtschaftsverbände, S. 171, 207; W. Schmidt, ZRP 1977, 255, 258: „Grundrechtsverwirklichung durch Organisation". 70 Ebenso Hadding, Festschr. R. Fischer, S. 165, 194; zustimmend Lutter, AcP 180 (1980), 84, 97; AK-BGB-0/í, § 25 Rz. 28; Th. Raiser, ZHR 153 (1989), 1, 14; dagegen MünchKomm-Ztewter, BGB, § 25 Rz. 20, der die Austrittsfreiheit als notwendiges Korrektiv ansieht, damit jedoch eine Beschränkung der Individualfreiheit für die Dauer der (freiwilligen) Mitgliedschaft in Kauf nimmt; widersprüchlich Wiedemann, GesR I, vgl. S. 185 einerseits (organisationsrechtliche Über- und Unterordnung), S. 667 f. andererseits (individualistische Wertordnung als oberster Richtwert jeder Grundrechtsinterpretation). 71

So auch BayObLGZ 1977, 6, 9; Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 61; Vollmer, Schiedsklauseln, S. 25; Schlosser, M D R 1967, 884, 887; ders., Vereinsgerichtsbarkeit, S. 41, Leßmann, Wirtschaftsverbände, S. 207; Kirberger, Nebenordnungen, S. 21; Zöllner, Gewerkschaftsausschluß, S. 35; Baecker, Vereinsautonomie, S. 25 m. weit. Nachw. in Fn. 36; Eichler, S. 52; Noack, S. 105; Pleyer, ZfgG 38 (1988), 227, 228; Beuthien, ZGR

II. Einordnung der Vereinsautonomie

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inhaltlichen Gestaltungsfreiheit beim Vertrag. Dies wird bestätigt durch die rechtssystematische Überlegung, daß die gesellschaftsrechtliche Vertragsfreiheit (oben 3.) durch Art. 9 Abs. 1 GG („Vereine und Gesellschaften") in gleicher Weise wie die Vereinsautonomie gewährleistet wird und daß der (wirtschaftliche) Verein (i.S. des §22 BGB) das Grundmodell der nach dem Gesetz körperschaftlich organisierten (Handels-)Gesellschaften (z. B. AG, eG, GmbH) bildet (vgl. § 6 Abs. 2 HGB, der von „Vereinen des Handelsrechts" spricht). Dem Grundmodell der Körperschaften können nun durch dieselbe Vorschrift (Art. 9 Abs. 1 GG) nicht qualitativ andersartige Befugnisse gegenüber seinen Mitgliedern zugestanden werden als den speziellen Erscheinungsformen, deren interne Selbstbestimmung nach einhelliger Ansicht dem Bereich gesellschaftsrechtlicher Vertragsfreiheit und damit der Privatautonomie zuzurechnen ist und die sich auf der Ebene der Gleichordnung zwischen Gesellschaft und Mitgliedern vollzieht. Dagegen zeigt der Vergleich mit den Formen öffentlich-rechtlicher Autonomie (oben 2.), daß eine „echte" Autonomie i.S. einer Normsetzungsbefugnis stets einer ausdrücklichen staatlichen Ermächtigung unter Übertragung öffentlicher Aufgaben bedarf, die sich Art. 9 Abs. 1 GG nicht entnehmen läßt 7 2 . Soweit den Tarifpartnern aufgrund Art. 9 Abs. 3 GG und den Vorschriften des TVG eine sachlich beschränkte autonome Rechtsetzungsbefugnis zusteht, handelt es sich um eine Sonderregelung, die durch die öffentliche Aufgabe der Tarifvertragsparteien gerechtfertigt ist und sich nicht auf die Vereinigungen i. S. des Art. 9 Abs. 1 GG übertragen läßt 7 3 . Auch politischen Parteien, denen zwar nach Art. 21 GG eine besondere verfassungsrechtliche Stellung zukommt, die aber regelmäßig als bürgerlich-rechtliche Vereine organisiert sind, üben im Verhältnis zu ihren Mitgliedern keine „öffentliche Gewalt" aus 74 . Als Rechtssubjekt des Zivilrechts hat sich jeder Verein vielmehr gegenüber seinen Mitgliedern der von der (Zivil-) Rechtsordnung vorgegebenen Formen rechtsgeschäftlicher Gestaltung auf der Ebene der Gleichordnung zu bedienen, soweit sich nicht aus den §§ 25 ff. BGB etwas anderes ergibt (dazu unten § 5). Hat sich jedoch die interne Vereinsautonomie auf der Ebene des Verfassungsrechts als besondere Ausprägung der Privatautonomie i.S. einer Rechtsgestaltung durch Koordination erwiesen, so ist dies zumindest ein Anzeichen dafür, daß auch die vereinsinternen Regelungsformen (Satzung, Beschluß) als besondere Erscheinungsformen rechtsgeschäftlichen Handelns anzusehen sind. 1989, 255, 257; K. Schmidt, GesR, S. 536, 542; AK-BGB -Ott, §25 Rz. 13, 15; SoergellHadding, BGB, Rz. 79 vor §21; widersprüchlich Reemann, S. 112ff., der einerseits die Vereinsautonomie als „Ausfluß" der Privatautonomie ansieht, andererseits aber einen „tragenden Unterschied" darin erblickt, daß nur der Verein Träger dieser Autonomie sein soll, deren „Treuhänder" die Mitglieder seien. 72 Zur Frage einer einfachgesetzlichen Rechtsetzungsbefugnis aus § 25 BGB vgl. unten §5 II. 2.b.aa. 73 Vgl. oben 3. a.E. und unten § 5 II. 2.b.aa. 74 Vgl. BVerfG NJW 1988, 3260, zur Unzulässigkeit einer unmittelbaren Verfassungsbeschwerde gegen Disziplinarmaßnahmen einer politischen Partei.

§ 5: Einordnung der Vereinssatzung als Grundlage der Vereinsstrafe I. Die Einordnung der Vereinssatzung als Frage der Rechtsquellenlehre Über die rechtliche Qualifizierung der Vereinssatzung, die als Produkt der Vereinsautonomie und damit als Ausprägung der (allgemeinen) Privatautonomie gekennzeichnet wurde (oben § 4 II.4.c), entscheidet die Rechtsquellenlehre. Es kann nicht Aufgabe dieser Untersuchung sein, so vielschichtige Begriffe wie „Rechtsquelle", „Rechtsnorm", „Rechtssatz", „Rechtsordnung" oder „Rechtsbegriff ' in ihrer rechtsphilosophischen und rechtssoziologischen Tiefe auszuloten. Vielmehr gilt es, im Hinblick auf die rechtliche Einordnung der Vereinsstrafen, deren Grundlage die Satzung bildet, kennzeichnende Merkmale zu gewinnen, die eine rechtliche Qualifizierung der Vereinssatzung ermöglichen. Dabei ist zu fragen, ob der Satzung als privatautonom gesetzter Verfassung des Vereins die Eigenschaft einer (Rechts-)Norm oder einer rechtsgeschäftlichen Regelung zukommt. Zwischen einer normativen und einer rechtsgeschäftlichen Regelung besteht ein grundsätzlicher Unterschied 1 . Rechtsnormen werden mit dem Anspruch erlassen, mit dem durch sie geforderten Verhalten die Rechtsidee zu verwirklichen 2 . Diese wird bestimmt durch die Regelungstendenzen Gerechtigkeit (i.S. einer relativen Gleichbehandlung), Rechtssicherheit und Zweckmäßigkeit (i. S. einer grundsätzlichen Zweckgerichtetheit jedes das Sein regelnden Sollens)3. Demgegenüber bezweckt die rechtsgeschäftliche Regelung eine Koordination der Interessen zwischen einzelnen Rechtssubjekten, für deren Inhalt allenfalls eine Richtigkeitsgewähr besteht4. Dies erklärt sich daraus, daß die rechtsge1 So schon Motive I, S. 10 = Mugdan I, S. 21, zum Unterschied zwischen der (als Rechtsetzungsbefugnis verstandenen) Autonomie und der Privatautonomie: „Die Autonomie ist gleich dem Gesetze ein Faktor bewußter Rechtsüberzeugung, eine kleineren Kreisen fließende Rechtsquelle, — grundverschieden von der sog. Privatautonomie...". 2 Mit dieser Aussage soll allerdings — für den Bereich des Zivilrechts — kein Bekenntnis zu einem überpositiven Naturrecht verbunden sein (vgl. etwa Radbruch , SJZ 1946,105; auch Dreier , NJW 1986, 890, 891 f., 895 [krit. dazu Hoerster , NJW 1986,2480]; Spendet , JZ1987,581,587); dagegen steht es einem positivistischen Ansatz nicht entgegen, (ungeschriebene) Rechtsgrundsätze als Bestandteil der Rechtsordnung anzunehmen (vgl. PenskU JZ 1989, 105, 112ff.). 3

Vgl. Langer , Rechtstheorie 17 (1986), 220, 226; Brugger , JZ 1989, 1 ff., 61 ff.; F. Bydlinski , Methodenlehre, S. 312, 315, 325ff., 330ff., 335ff. 4 Vgl. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130ff.; auch M. Wolf Entscheidungsfreiheit, S. 73f., 81 f.: „Richtigkeitschance"; krit. Limbach , JuS 1985, 10, 12f.; Pflug , Recht der AGB, S. 132ff., 164ff.; J. Schmidt , Vertragsfreiheit und Schuldrechtsreform, S. 51 ff., 148 ff., 244ff.; dagegen verkennt Reemann, S. 138, daß die „Richtigkeitsgewähr" einer

I. Rechtsquellenlehre

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schäftliche Regelung nur m i t W i l l e n des durch sie Betroffenen i n Geltung gesetzt werden kann. A u f g r u n d der p r i v a t a u t o n o m 5 gesetzten Regelung entstehen subjektive Rechte u n d Pflichten, die nur für die a m Zustandekommen der Regelung (i.S. eines Einverständnisses) Beteiligten gelten, soweit das Gesetz nichts abweichendes b e s t i m m t 6 . Subjektive Rechte u n d Pflichten sind demnach dadurch gekennzeichnet, daß sie nur zwischen einzelnen Personen u n d Personengruppen, nicht aber gegenüber allen Rechtsgenossen w i r k e n 7 . Demgegenüber sind Rechtsquelle 8, d.h. Erkenntnisgrund für etwas als positives Recht, nur die Sätze objektiven Rechts 9 (Rechtsnormen 1 0 ), die i n ihrer Gesamtheit die Rechtsordnung b i l d e n 1 1 . Der Gegensatz zwischen dem Bereich subjektiver Rechte u n d Pflichten folgt aus der Entstehung u n d Wirkung der Rechtsnormen: Sie entstehen durch einseitigen Rechtsetzungsakt durch einen hierfür besonders legitimierten Norm-(Gesetz-)Geber i n einem besonderen formalisierten Verfahren 1 2 . Rechtsnormen gelten „allgemein" — d. h. gleichmävertraglichen Regelung als minus zur Regelungstendenz einer Rechtsnorm anzusehen ist, wenn er auch einer Rechtsnorm aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine „Richtigkeitsgewähr" zuspricht. 5

Vgl. zur Privatautonomie oben § 4 II.3. Z. B. in den Vorschriften über gesetzliche Schuldverhältnisse. 7 Dies gilt auch für sog. absolute subjektive Rechte des Sachenrechts, da ein Rechtsverhältnis zwischen Person und Sache nicht denkbar ist (vgl. Hadding, JZ1986,926, 927 f.; Erwiderung Niehues, JZ 1987, 453; Schlußwort Hadding, ebenda S. 454). 8 Grundlegend in jüngerer Zeit Ross, S. 290 ff.; Geiger, Rechtssoziologie, S. 169 ff.; vgl. auch Liver, ZBJV 91 bis (1955), 1 ff.; Dreier, Festschr. H. J. Wolff, S. 3 ff.; Merten, Jura 1981, 169ff., 236ff. 9 Vgl. F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 213 ff.; gegen die Lehre vom objektiven Recht Ernst Wolf, AllgTeil, § 1 C., S. 74ff. 10 Die Begriffe „Rechtsregei", „Rechtsvorschrift", „Rechtssatz", „Rechtsnorm" werden hier — wie in der traditionellen Jurisprudenz üblich (vgl. F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 196 Fn. 30) — synonym verwendet; zur Unterscheidung zwischen (ungeschriebenen) Rechtsgrundsätzen und Rechtsnormen vgl. Penski, JZ 1989, 105 ff. 11 Anders aber die Vertreter der normlogischen Theorie, die zwischen Rechtssatz ( = objektives Recht) und Individualnorm (subjektives Recht als Normsetzungstatbestand) unterscheiden und beide unter dem Oberbegriff Rechtsnorm zusammenfassen (insbes. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 261 ff.; ders., Festschr. Nipperdey I, S. 57 ff.; Ross, S. 285 ff.; Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, 1965, passim; Adomeit, Festschr. Kelsen, S. 9, 12, 18; i.Erg. auch Krawietz, Regelsystem, S. 51 ff.); dagegen mit Recht die traditionelle Rechtsquellenlehre (schon v. Savigny, System I, S. 6ff., 12), z.B. Merten, Jura 1981, 170, 244; Säcker, Gruppenautonomie, S. 270fT., insbes. S. 281 f., der auf die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Setzung und Wirkung subjektiven und objektiven Rechts hinweist, die der einheitlichen Beurteilung durch die normlogische Theorie entgegenstehen; vgl. für den Verein auch Reemann, S. 134. 6

12 Dies gilt allerdings nicht für die Entstehung von Gewohnheitsrecht, das — wie das geschriebene Recht — gesetzesgleiche Rechtsnormen enthält (vgl. Art. 2 EGBGB); zur Einordnung des Gewohnheitsrechts in das System der Rechtsquellenlehre vgl. Geiger, Rechtssoziologie, S. 177ff.; Merten, Jura 1981, 242f.; F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 214ff.; Kirchhof,\ Rechtsetzung, S. 54ff.; zur heutigen Bedeutung des Gewohnheitsrechts Pflug, Recht der AGB, S. 254ff.

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§ 5: Vereinssatzung und Vereinsstrafe

ßig — u n d heteronom, d . h . unabhängig v o m W i l l e n des jeweils Betroffenen 1 3 . Objektives Recht w i r k t nicht nur i n einer — z. B. durch das Einverständnis der Betroffenen oder die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung — abgegrenzten Rechtssphäre, sondern unmittelbar nach a u ß e n 1 4 . Das schließt freilich nicht aus, daß der Tatbestand eines Rechtssatzes nur auf einen u . U . eng begrenzten Personenkreis zutrifft. Daher muß eine Vorschrift des objektiven Rechts nicht notwendig abstrakt-generell gefaßt s e i n 1 5 , auch wenn dies rechtstatsächlich meist der F a l l ist; das zeigt z u m einen die Zulässigkeit konkret-individueller Einzelfall- oder Maßnahmegesetze 1 6 ; z u m anderen können auch rechtsgeschäftliche Tatbestände durch abstrakt-generelle Formulierungen geregelt sein, z.B. bei Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (vgl. dazu unten II.2.a.). Die (normative) Geltung eines Rechtssatzes, d . h . seine allgemeine Akzeptanz u n d Wirksamkeit, erklärt sich daraus, daß seine Verletzung einen staatlich organisierten äußeren (Rechts-)Zwang auslöst (sog. Zwangstheorie) 1 7 . Daneben übt allerdings schon die bloße A n d r o h u n g staatlichen Zwangs eine Steuerungsfunktion i n Richtung der Befolgung des Rechtssatzes a u s 1 8 . D u r c h 13 Vgl. Liver , ZBJV 91 bis (1955), 14; Enneccerus/ Nipperdey, AllgTeil I, § 32 III, S. 210; Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 7; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 54ff.; Merten, Jura 1981, 171; Staudinger/Merten/KirchhofEGBGB, Art. 2 Rz. 12; auch Ryffel, Rechtssoziologie, S. 144, unter Bezugnahme auf den soziologischen Rollenbegriff; ebenso Bahr dt, Schlüsselbegriffe, S. 53 f., allg. für soziale Normen. 14

Vgl. auch Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rz. 93 ff., der im Zusammenhang mit der rechtlichen Einordnung der Verwaltungsvorschriften zwischen Rechtsnormen im weiteren Sinn (abstrakten und innerhalb einer bestimmten Rechtssphäre verbindlichen Regeln) und Rechtsnormen in engeren Sinn (mit unmittelbarer Wirkung nach außen) unterscheidet. 15

A. A. Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 25, 28. Vgl. dazu BVerfGE 10,234; 13,225; 25,371,396; BVerfG JZ 1987,614,619 m. Anm. Papier. 17 So der —jedenfalls im Zivilrecht herrschende — positivistische Ansatz, der auf der „Reinen Rechtslehre" Kelsens und der „analytischen Rechtstheorie" Harts aufbaut (Kernsätze bei Hoerster, Recht und Moral, S. 20ff., 50ff.); vgl. dazu F. Bydlinksi, Methodenlehre, S. 186ff.; Hoerster, JuS 1987,181,184; Kirchhof Rechtsetzung, S. 46ff.; Lippold, Rechtstheorie 19 (1988), 463ff.; Penski, JZ 1989,105, llOff.; aus rechtssoziologischer Sicht auch M. Weber, Rechtssoziologie, S. 71 f.; L. Raiser, Recht der AGB, S. 65 ff.; Geiger, Rechtssoziologie, S. 149ff., 389ff.; Röhl, Rechtssoziologie, S. 212ff.; krit. allerdings Dreier, NJW 1986,890 ff. (dagegen Hoerster, NJW1986,2480 ff). Dagegen sehen die Vertreter der — vor allem im strafrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Bereich vertretenen — unterschiedlichen Naturrechtslehren (z.B. Radbruch, A. Kaufmann, Welzel, Henkel) den Geltungsgrund des Rechts in seiner moralisch /ethischen Richtigkeit (vgl. etwa Langer, Rechtstheorie 17 [1986], 220,232f. m. weit. Nachw. in Fn. 68-71). Zum „nachpositivistischen Rechtsrealismus" vgl. Krawietz, Regelsystem, S. 185 ff., S. 150: Recht als „selbstsubstitutive Ordnung"; ders., Gedächtnisschr. Schelsky, S. 114, 121 f. 16

18 Vgl. Geiger, Rechtssoziologie, S. 122,, 214ff.; Röhl, Rechtssoziologie, S. 248 ff.; Kirchhof, Rechtsetzung, S. 36f. Gegen eine Überbetonung des Zwangsmoments auch F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 191 ff.; ähnlich Ryffel, Rechtssoziologie, S. 131 f., der die Rechtsnormen plastisch als „wirklich-maßgebliche Normen" kennzeichnet.

II. Vereinssatzung als

sorm

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die staatliche Sanktionierung unterscheiden sich Rechtsnormen von den allgemeinen sozialen Normen (z. B. Sitte, Moral, Konvention), deren obersten Bereich die Rechtsnormen bilden; denn nicht jede in der Gesellschaft allgemein geltende, d.h. akzeptierte und wirksame, Regel ist auch als Rechtsnorm zu qualifizieren. Im Gegensatz zur Verletzung einer Rechtsnorm löst der Verstoß gegen eine allgemeine soziale Norm aber keinen staatlichen Zwang, sondern eine gesellschaftliche Sanktion (Ächtung, Mißbilligung, Nichtbeachtung, Lachen) aus 19 . II. Zur Einordnung der Vereinssatzung als Rechtsnorm 1. Die Vereinssatzung als Rechtsnorm i.S. des Art. 2 EGBGB?

Will man den Begriff der Rechtsnorm für die Rechtsanwendung im Zivilrecht fruchtbar machen, so ist von Art. 2 EGBGB auszugehen. Die Vorschrift bestimmt, daß „Gesetz" i. S. des EGBGB und des BGB „jede Rechtsnorm" ist 2 0 . Hieraus ergibt sich, daß das (staatliche) Gesetz als typische Erscheinungsform einer Rechtsnorm anzusehen ist. Dabei sind Gesetze nicht nur die in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren (vgl. für die Gesetzgebung des Bundes Art. 70 ff. G G 2 1 ) zustande gekommenen Rechtssätze (sog. Gesetze im formellen und materiellen Sinn 22 ). Gesetze im (nur) materiellen Sinn sind vielmehr auch die aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung durch die Exekutive erlassenen Rechtsverordnungen (vgl. Art. 80 GG) und die aufgrund gesetzlich verliehener Autonomie erlassenen Satzungen öffentlich-rechtlicher Rechtsträger (vgl. oben § 4 II.2.) 2 3 . Rechtsnormen i.S. des Art. 2 EGBGB enthält auch das Gewohnheitsrecht, das sich durch andauernde Übung aufgrund allgemeiner Rechtsüberzeugung herausbildet 24 . Dieses Gewohnheitsrecht dem geschriebenen Recht — wohl im Wege der Fiktion — gleichzustellen, ist der wesentliche Inhalt des Art. 2 EGBGB 2 5 . Keine Rechtsnormen i. S. des Art. 2 EGBGB enthalten Verwaltungsvorschriften 26 und innerhalb sog. besonderer Gewaltverhältnisse (Sonderstatusverhält19

Vgl. König, in: Rechtssoziologie, S. 36f., 48f.; Bahrdt, Schlüsselbegriffe, S. 57; Röhl, Rechtssoziologie, S. 204ff.; Kirchhof Rechtsetzung, S. 47f.; zur Abgrenzung Recht — Konvention — Sitte auch M. Weber, Rechtssoziologie, S. 80 ff. 20 Ebenso §§ 12 EGZPO, 2 EGKO, 7 EGStPO; vgl. auch §§ 185 Abs. 2 FGG, 116 Abs. 2 GBO, 1 Abs. 2 EGZVG, die auf Art. 2 EGBGB verweisen. 21 Zum Verhältnis zwischen Bundes- und Landesrecht vgl. Art. 31 GG. 22 Zur heutigen Bedeutung dieser — auf Laband zurückgehenden — Unterscheidung vgl. Merten, Jura 1981, 176ff.; Ossenbühl, in: Erichsen/Martens, AllgVerwR, § 7 II; krit. Ernst Wolf Festg. v.Lübtow, S. 109f. 23 Zum Unterschied zwischen Rechtsverordnung und autonomer Satzung vgl. H. Schneider, Festschr. Möhring, S. 521 ff. 24 Vgl. Staudingerl Merten I Kirchhof EGBGB, Art. 2 Rz. 90ff.; Soergel / Hartmann, EGBGB, Art. 2 Rz. 6. 25 Vgl. Ernst Wolf, Festg. v.Lübtow, S. 109, llOf.; Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 24.

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§ 5: Vereinssatzung und Vereinsstrafe

nisse des öffentlichen Rechts) geltende Sonderverordnungen 27. Beide Regelungsformen sind als „Innenrecht" der Exekutive nur für nachgeordnete Behörden und die verwaltungsinterne Sphäre der Sonderstatusinhaber („Betriebsverhältnis") verbindlich. Dagegen wirken sie nicht unmittelbar nach außen auf die Rechtsstellung der einzelnen Staatsbürger (bzw. das „Grundverhältnis" der Sonderstatusinhaber) und binden auch die Gerichte nicht 2 8 . Ebenso wie die Verwaltungsvorschriften wirkt auch die Vereinssatzung nur in einem abgegrenzten Rechtskreis. Sie ist nur für die Mitglieder und Organe des Vereins verbindlich. Ihr fehlt damit das für Rechtssätze kennzeichnende Merkmal der allgemeinen Verbindlichkeit nach außen 29 . Daher ist unstreitig, daß die Vereinssatzung nicht als Rechtsnorm i.S. des Art. 2 EGBGB anzusehen ist 3 0 . Dennoch wird behauptet, die Vereinssatzung sei als Rechtsnorm und damit als Bestandteil der objektiven Rechtsordnung anzusehen (sog. Norm[en]theorie) 31 . Dies wird vor allem mit ihrer abstrakt-generellen Formulierung und ihrer Funktion als vereinsinternes „Gesetz" begründet 32 . Dagegen ist zunächst vorzubringen, daß der Begriff der „Rechtsnorm" durch Art. 2 EGBGB insoweit „besetzt" ist, als durch ihn nur solche Regelungen erfaßt werden, die dem staatlichen Gesetz gleichgestellt werden können. Da dies bei der Vereinssatzung — selbst nach Ansicht der Vertreter der Norm(en)theorie — nicht der Fall ist, führt es zur terminologischen Verwirrung, außerhalb des durch Art. 2 EGBGB für das Zivilrecht abschließend geregelten Bereichs noch andere, nicht gesetzesgleiche, Rechtsnormen anzunehmen 33 . Das Gesetz kennt keine

26 Zur Typologie vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 250ff.; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rz. 98-103; zur historischen Entwicklung Rupp, JuS 1975, 609 ff. 27 Vgl. dazu Brohm, DÖV 1964, 238ff.; Böckenförde j Grawert, AöR 95 (1970), Iff.; Erichsen, Festschr. H. J.Wolff, S. 219 ff. 28 Vgl. zuletzt BVerfG W M 1989,464,467; zum Diskussionsstand Rupp, Grundfragen, S. 34ff.; ders., JuS 1975, 612ff.; Merten, Jura 1981, 239ff; Ossenbühl, in: Erichsen/ Martens, AllgVerwR, § 7 IV und V; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rz. 95ff. 29 So schon die Begründung zu § 2 der Redaktorvorlage (der dem späteren § 25 BGB entsprach), vgl. Jakobs jSchubert, Beratung, AllgT 1. Teilbd., S. 202 (dazu oben § 2 III.3. und § 3 I.l.b.bb). 30 Vgl. SoergelI Hartmann, EGBGB, Art. 2 Rz. 8; Staudinger/ Merten / Kirchhof\ EGBGB, Art. 2 Rz. 89; Palandt/Heinrichs, EGBGB, Art. 2 Anm.l; auch RGZ 135, 242, 245 (für nicht eingetragenen Verein). 31 Z. B. Lauber, S. 13; Oertmann, ArchRWiPhil 7 (1913/14), 127ff; Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 46f.; ders., Rechtsnormen, S. 83f.; Spieß, S. 32f.; Reiß, S. 14ff.; Vollmer, Schiedsklauseln, S. 24; Horschitz, Vereinsstrafe, S. 34; Ernst, S. 15 ff; Merkel, S. 17 f.; Baecker, Vereinsautonomie, S. 32; Reemann, S. 134ff; Reichert/Dannecker/Kühr, Rz. 192; MünchKomm-Reuter, BGB, § 25 Rz. 7; Ebenroth, JZ 1987, 265, 267. 32 Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 25; Kirchhof, Rechtsetzung, S. 78 ff, 265 ff. (dazu Reuter, AcP 188 [1988], 649ff.); Reemann, S. 134ff.; auch Vollmer, Schiedsklauseln, S. 24. 33 Vgl. Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 24, der Rechtsnormen als „die in einer Institution oder Gruppe geltenden allgemeinen rechtlichen Regeln für das soziale

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Unterscheidung zwischen „Zwangs-" und „Wahlnormen" (.Meyer-Cording 34), wohl aber zwischen Gesetz und Rechtsgeschäft. Dennoch soll hier der Frage nach der „Normqualität" der Vereinssatzung nachgegangen werden, und zwar im Hinblick darauf, ob sie sich von einer rechtsgeschäftlichen Regelung so grundlegend unterscheidet, daß sie nicht mehr dem Bereich derjenigen Tatbestände zugerechnet werden kann, die subjektive Rechte und Pflichten erzeugen. Als Rechtsnorm sui generis müßte sie in eine (neu zu bestimmende) Kategorie zivilrechtlicher Regelungsformen eingeordnet werden, die unterhalb der Rechtsnormen i. S. des Art. 2 EGBGB, aber oberhalb rechtsgeschäftlicher Regelungen anzusiedeln wäre 35 . 2. Die Vereinssatzung als Rechtsnorm sui generis?

a) Abstrakt-generelle

Fassung

M i t der vom einzelnen Fall abstrahierenden Fassung der Satzungsregeln und der Ausrichtung auf einen Kreis wechselner Adressaten kann ein Normcharakter der Vereinssatzung nicht begründet werden 36 . Denn als Rechtsnorm ist auch das einen einzelnen Fall regelnde staatliche Gesetz anzusehen (vgl. schon oben I.). Ebenso können auch rechtsgeschäftliche Regelungen für eine Vielzahl von Anwendungsfallen formuliert sein. Die bloße einseitige Aufstellung abstraktgenereller Regeln kann im Bereich des Zivilrechts jedoch nicht als Rechtsetzung qualifiziert werden, da sie allenfalls den Aufstellenden selbst bindet — nämlich wenn es sich um ein einseitig verpflichtendes Rechtsgeschäft handelt. Soweit die Regelung aber auch für andere gelten soll, müssen sich diese im einzelnen Fall mit deren Geltung einverstanden erklären, so daß die Verbindlichkeit der Regelung auf das (rechtsgeschäftliche) Einverständnis des Betroffenen zurückzuführen ist 3 7 . Dies gilt insbes. für AGB sowie für Betriebsordnungen oder Allgemeine Arbeitsbedingungen, die erst durch rechtsgeschäftliche Einbeziehung in den individuellen (Arbeits-)Vertrag für den Adressaten verbindlich werden. Hierdurch werden sie Vertragsbestandteil, ohne daß ein qualitativer

Verhalten in der Gemeinschaft" versteht; ähnlich aus soziologischer Sicht Sorokin, in: Rechtssoziologie, S. 87, 90. 34 Rechtsnormen, S. 101 f.; auch Leßmann, Wirtschaftsverbände, S. 325; Reemann, S. 131; ähnlich Reuter, AcP 188 (1988), 649, 652f., nach dem private Rechtsetzung gegenüber den Adressaten durch deren Einverständnis legitimiert sein müsse; die Form zivilrechtlicher „Legitimation" ist aber das Rechtsgeschäft. 35 So Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 35: „objektives Recht minderen Ranges"; ders., Rechtsnormen, S. 46: „graue Zone der Übergänge und Zwischenformen"; Reemann, S. 131, 134ff.: „genossenschaftstheoretischer Rechtsnormbegriff'. 36 So aber Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 28; auch Reiß, S. 15; Reuter, ZGR 1987, 475,477; Reemann, S. 96 ff., 134 ff.; Kirchhof, Rechtsetzung, S. 78 ff., 269, der aber nur das Merkmal der Generalität anerkennen will (a.a.O., S. 60ff.). 37 Ebenso Oertmann, ArchRWiPhil 7(1913/14), 127,134, der sich jedoch i.Erg. für eine Einordnung der Vereinssatzung als objektives Recht entscheidet.

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Unterschied zur individuell ausgehandelten Regelung besteht 3 8 . Schon Gerber 39 hat festgestellt, daß das Statut einer Körperschaft eine „gewisse Aehnlichkeit m i t Gesetzen" zu haben scheine, „ d a es ebenfalls i n imperativischer F o r m abgefaßt ist". Er fährt fort: „Bei genauerer Betrachtung verschwindet aber dieser Schein, und die gesetzesähnliche Gesammturkunde stellt sich lediglich als eine systematische Composition einer Menge unter einander sehr verschiedenartiger juristischer Erklärungen über ein complicirtes Rechtsverhältniß heraus. Ohne diese Analyse und bei einem bloßen Beharren auf der oberflächlichen Betrachtung der imperativischen Form des Ganzen, kann man leicht dahin kommen, die Befugniß ,Statuten zu machen4 zu einem eigenen Begriffe zu erheben, die äußere Form mit dem Inhalt verwechselnd". Später hat Gerber

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dies dahingehend verdeutlicht, daß

„die Statuten solcher Gesellschaften... nur dem Auge des Laien als ein aus einem Gusse geschaffenes Ganze" erscheinen; „dem prüfenden Juristen stellt sich sofort die äußere Einheit als eine nur scheinbare und formelle dar, vor seinem Blicke löst sich das Ganze in eine Summe einzelner vertragsmäßiger Bestimmungen von ganz verschiedenem Charakter auf 4 . Allerdings hat sich Gerbers Hoffnung, daß nach einer gesetzlichen Regelung „jeder Schein" der gegenteiligen Auffassung verschwinden werde, nicht erfüllt. N o c h 90 Jahre später hat Th. Geiger 41 aus rechtssoziologischer Sicht darauf hingewiesen, daß die bloße „ N a c h a h m u n g der staatlichen Gesetzgebung" durch den Verein die Eigenschaft einer Rechtsnorm nicht begründen könne. b)

Geltungsgrund

Was die W i r k u n g der Vereinssatzung betrifft, besteht Einigkeit, daß sie nur die Mitglieder u n d Organe des Vereins b i n d e t 4 2 . Entsprechendes gilt aber auch für die rechtsgeschäftliche Regelung, die für die Beteiligten wie ein Gesetz verbindlich ist („lex c o n t r a c t u s " ) 4 3 . Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist, 38

Vgl. für AGB BGHZ 17,1 ff.; StaudingerIMerten!Kirchhof, EGBGB, Art. 2 Rz. 87; Kirchhof Rechtsetzung, S. 331 f.; schon L. Raiser, Recht der AGB, S. 81 f., 147ff.; für Allgemeine Arbeitsbedingungen Säcker, Gruppenautonomie, S. 101 f.; Kirchhof \ a.a.O., S. 231 ff.; a. M. Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 84ff.; Pflug, Recht der AGB, S. 248 ff. 39 AcP 37 (1854), 35, 60f. 40 IherJb 3 (1859), 411, 412. 41 Rechtssoziologie, S. 121. 42 A. A. wohl Kirchhof \ Rechtsetzung, S. 80, der davon ausgeht, daß die Satzung als Produkt privater Rechtsetzung kraft staatlicher Anerkennung für jedermann gilt, ihre Rechtsfolgen jedoch nur eintreten, wenn das Tatbestandsmerkmal der Mitgliedschaft erfüllt ist; dazu Reuter, AcP 188 (1988), 649, 650. 43 Vgl. auch Art. 1134 des französischen code civil, der bestimmt, daß der Vertrag für die an seinem Zustandekommen Beteiligten die Wirkung eines Gesetzes hat. Dementsprechend sehen die Vertreter der normlogischen Theorie (oben Fn. 11) die vertragliche Regelung als „Individualnorm" an.

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ob die Geltung der Vereinssatzung auf dem (rechtsgeschäftlichen) Einverständnis der Betroffenen oder — unabhängig hiervon — auf einer Befugnis zur einseitigen Rechtsetzung durch den Verein beruht. aa) Rechtsetzungsbefugnis als Geltungsgrund? Die Befugnis zur Setzung objektiven Rechts bedarf einer besonderen Legitimation, da durch seine heteronome, d.h. vom Willen des Betroffenen unabhängige, Geltung (oben I.) in dessen Willensfreiheit eingegriffen wird. Dieser wird durch die Androhung einer staatlichen Sanktion zur Befolgung einer Regelung angehalten, an deren Zustandekommen er nicht beteiligt war. Versteht man die Rechtsordnung als Stufenbau, innerhalb dessen sich jede Regelungsbefugnis von einer ranghöheren Vorschrift ableiten lassen muß 4 4 , so bedarf es für eine Rechtsetzungsbefugnis des Vereins einer Grundlage in einem staatlichen Gesetz. Dies erklärt sich daraus, daß dem Staat —jedenfalls seit dem Beginn der Neuzeit und dem damit verbundenen Verschwinden der mittelalterlichen Statusordnungen (z. B. des Zunftwesens) 45 — kraft seiner Souveränität die oberste Rechtsetzungsbefugnis zusteht445. Diese beruht auf einer (gedachten) „obersten Ermächtigungsnorm" (Hart) oder „hypothetischen Grundnorm" (Kelsen), die Geltung erlangt durch ihre allgemeine Akzeptanz und Wirksamkeit 4 7 . Nur der Staat als Gesamtheit aller Rechtsgenossen kann durch einseitigen Akt für diese verbindliches Recht schaffen. Dem Staat steht damit das Monopol zur Setzung objektiven Rechts zu (sog. staatliche Rechtstheorie) 48 . Dies bestätigt auch der Zusammenhang zwischen Rechtsetzung und Rechts¿/«rc/isetzung: Nur dem Staat als Inhaber des Gewaltmonopols kommt es zu, 44 Die Stufenbaulehre geht in ihrer heutigen Ausprägung zurück auf Kelsen (Reine Rechtslehre, S. 228 ff.; Kernsätze bei Hoerster, Recht und Moral, S. 20ff.); sie klingt jedoch schon Ende des 19. Jahrhunderts an in der Normenlehre Bindings (Die Normen und ihre Übertretung, 1872 ff.) und der Imperativentheorie Thons (Rechtsnorm und subjectives Recht, 1878); krit. dazu Ernst Wolf, Festg. v.Lübtow, S. 112ff., 124ff.; Krawietz, Regelsystem, S. 133 ff. 45 Zur historischen Entwicklung vgl. M. Weber, Rechtssoziologie, S. 162 ff. 46 Vgl. schon Gerber, AcP 37 (1854), 35, 58; zusammenfassend Karpen, JZ 1987, 431, 437ff., zur Legitimation der Verfassung; auch Krawietz, Regelsystem, S. 10. 47 Vgl. aus heutiger Sicht F. Bydlinski, Methodenlehre, S. 199 ff.; Krawietz, Regelsystem, S. 185; Hoerster, JuS 1987, 182f.; Kirchhof, Rechtsetzung, S. 41 ff.; Lippold, Rechtstheorie 19 (1988), 463 ff., der zwischen Geltung, Wirksamkeit und Verbindlichkeit einer Rechtsnorm unterscheidet. 48 So die h.M., vgl. Enneccerus/Nipperdey, AllgTeil I, § 32 I I 1.; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 55 m. weit. Nachw. in Fn. 23; Merten, Jura 1981, 171; Kirchhof, Rechtsetzung, S. 49ff.; aus rechtsphilosophischer und -soziologischer Sicht auch L. Raiser, Recht der AGB, S. 71 ff.; Geiger, Rechtssoziologie, S. 126-168; M. Rehbinder, in: Rechtssoziologie, S. 197, 207 f.; Ryffel, Rechts- und Staatsphilosophie, S. 429; ders., Rechtssoziologie, S. 134ff.; W. Hirsch, Das Recht und die sozialen Gruppen, S. 7f., der eine „monopolistische Rechtsnorm" als Kennzeichen jedes geschlossenen Normensystems (Staat, Kirche) ansieht; Röhl, Rechtssoziologie, S. 219: „etatistischer Rechtsbegriff"; a.A. MeyerCording, Rechtsnormen, S. 39 f.; Reemann, S. 130f.

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§ 5: Vereinssatzung und Vereinsstrafe

eine rechtliche Regelung notfalls mit physischem Zwang gegen den Willen des Betroffenen durchzusetzen 49; dann muß aber auch schon die Regelung selbst auf den Staat zurückzuführen sein, zumindest auf die staatliche Einräumung oder Anerkennung einer Regelungsbefugnis 50. Damit ist im Grundsatz anerkannt, daß der Staat seine (oberste) Rechtsetzungsbefugnis auf nichtstaatliche Rechtsträger übertragen kann, mag man dies als Anerkennung, Ermächtigung, Delegation oder Verleihung bezeichnen51. Dies trifft z.B. auf öffentlichrechtliche Rechtsträger zu, die im Rahmen gesetzlich verliehener Autonomie (oben § 4 II.2.) Sätze objektiven Rechts (Gesetze im materiellen Sinn [oben 1.]) schaffen können. Soweit der Staat Rechtssubjekten des Zivilrechts eine Rechtsetzungsbefugnis überträgt, handelt es sich rechtstechnisch um eine Beleihung mit hoheitlichen Befugnissen, nämlich der Gesetzgebung (im weiteren Sinn). Dabei macht es keinen Unterschied, ob man dies als (privative) Übertragung oder (deklaratorische) Anerkennung 52 kennzeichnet. Dementsprechend wird gelegentlich in § 25 BGB eine solche Ermächtigung gesehen, aufgrund derer der Verein berechtigt sein soll, für die seiner „Vereinsgewalt" unterworfenen Mitglieder verbindliches Recht zu setzen53. Daß privatautonom gesetzten Regelungen die Wirkung von Rechtsnormen zukommen kann, zeigen die §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. Danach wirken bestimmte Teile eines Tarifvertrags für die Tarifgebundenen als Rechtsnormen. Sie stehen damit gem. Art. 2 EGBGB dem staatlichen Gesetz (im materiellen Sinn) gleich, auch wenn sie innerhalb des Stufenbaus der Rechtsordnung unterhalb der staatlichen Rechtssätze anzusiedeln sind 5 4 . Die Beleihung der Tarifpartner mit einer vom Staat abgeleiteten Rechtsetzungsbefugnis durch das 49 Vgl. L. Raiser , Recht der AGB, S. 73 f.; Geiger, Rechtssoziologie, S. 152ff.; Merten, Jura 1981,171 f.; Kirchhof Rechtsetzung, S. 119ff.; auch Langer, Rechtstheorie 17 (1986), 220, 228 f.; ferner M. Weber, Rechtssoziologie, S. 75 ff., der den Gewaltbegriff jedoch weiter faßt, insbes. auch mittelbaren (psychischen) Zwang als Gewalt ansieht (zu Webers Herrschaftstheorie vgl. Röhl, Rechtssoziologie, S. 176ff.). 50

In sich widersprüchlich Meyer-Cording, der für eine institutionelle Normsetzung einerseits Anerkennung durch den Staat (Rechtsnormen, S. 25), andererseits durch den „Gemeingeist" (a.a.O. S. 57f.) fordert und damit in gefahrliche Nähe zum „gesunden Volksempfinden" der NS-Zeit gerät (vgl. Pflug, Recht der AGB, S. 232f.); für staatliche Delegation der Vereinsautonomie allerdings Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 49 f. 51 Zu den verschiedenen Lehren der „Befugnisübertragung" vgl. Kirchhof Rechtsetzung, S. 159 ff. 52 So Kirchhof Rechtsetzung, S. 53, 138 ff.: „staatliche Anerkennung"; zustimmend Reuter, AcP 188 (1988), 649, 651. 53 So z. B. Lauber, S. 10;Grüters,S. 15; Oertmann, ArchRWiPhil 7 (1913/14), 127,132, 137; Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 49 f.; Horschitz, Vereinsstrafe, S. 34ff.; Kirchhof Rechtsetzung, S. 272f.; Reemann, S. 203; wohl auch RGZ 49,150ff.; BGHZ 29, 352, 355; BayObLGZ 1987, 161, 170f.; a.A. z.B. Wurst, S. 29; Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 61. 54 Vgl. BVerfGE 34, 307, 317 = NJW 1973, 1320; 44, 322, 341 = NJW 1977, 2255f.; BAG NJW 1985,1238,1239; DB 1987, 693, 694; StaudingerIMertenIKirchhof EGBGB, Art. 2 Rz. 77; Kirchhof Rechtsetzung, S. 181 ff.

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TVG ist auf verfassungsrechtlicher Ebene durch die in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie legitimiert (oben §4 II.3.); hierin liegt eine Zuweisung öffentlicher Aufgaben an die Tarifpartner 55 . Dagegen ergibt sich die allgemeine Geltung eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags (§ 5 Abs. 4 TVG) aus der Allgemeinverbindlicherklärung des staatlichen Gesetz(oder Verordnungs-)Gebers, der sich die tarifvertragliche Regelung zu eigen macht 56 . Ob es sich bei der normativen Wirkung der Betriebs Vereinbarung (vgl. § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG) um die Folge einer delegierten Rechtsetzungsbefugnis 57 oder eines besonderen „privatheteronomen" Rechtsgeschäfts 58 handelt, kann hier offen bleiben, da sie auf ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung beruht 59 . Zweifelhaft ist dagegen, ob man angesichts des Wortlauts und der systematischen Stellung der Vorschrift in § 25 BGB eine Befugnis zu (privat-) heteronomer Gestaltung sehen kann. Im Gegensatz zu den Vorschriften des TVG sagt das Gesetz nicht, daß die Vereinssatzung Rechtsnormen enthält 60 . Damit fehlt es schon an der aus verfassungsrechtlichen Gründen (vgl. Art. 80 GG) erforderlichen Bestimmtheit einer etwaigen Ermächtigungsgrundlage 61. Allein die Tatsache, daß die Regelungen der Vereinssatzung gem. § 40 BGB anstelle des dispositiven Gesetzesrechts treten können, stellt diese nicht dem Gesetz gleich 62 ; denn ebenso können die Beteiligten eines Vertrags das dispositive Gesetzesrecht durch eine rechtsgeschäftliche Regelung abdingen. Der Gesetzgeber hat die Frage der Rechtsetzungsbefugnis bewußt offen gelassen, in § 43 des ersten Entwurfs sogar von einem Gründungsvertrag gesprochen (oben § 2 III.3. und § 3 I.l.b.bb.) 6 3 . 55 Vgl. auch Kreutz, Betriebsautonomie, S. 80 f., der darauf hinweist, daß Grundrechtsausübung nicht gleichzeitig hoheitliches Handeln sein könne und deshalb den Rechtsnormcharakter der Tarifvertragsnormen anzweifelt; anders aber die h.M., z. B. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rz. 301. 56 Vgl. Staudinger/Merten/Kirchhof, EGBGB, Art. 2 Rz. 78; Kirchhof Rechtsetzung, S. 208 ff.; auch BVerfGE 44, 322, 348 = NJW 1977, 2255; 64, 208 = NJW 1984, 1225 f.; BVerwG NJW 1989, 1495. 57 So die h.M., vgl. Staudinger/Merten/Kirchhof EGBGB, Art. 2 Rz. 83; Kirchhof Rechtsetzung, S. 212ff.; zum Meinungsstand Kreutz, Betriebsautonomie, S. 76ff. m.weit.Nachw.; auch Thiele, in: Gemeinschaftskomm-BetrVG, § 77 Rz. 31 ff. 58 So vor allem Kreutz, Betriebsautonomie, S. 99 ff. 59 Zur Wirkung der Betriebsvereinbarung und Geltung des Günstigkeitsprinzips im Verhältnis zur arbeitsvertraglichen Regelung vgl. BAG (GS) BB 1987, 265, 268. 60 Dies verkennt z.B. Reuter, ZGR 1987, 475, 477. 61 Vgl. BVerfG NJW 1988, 191, 192 = JZ 1988, 242, das den Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts (nach § 177 Abs. 2 Nr. 2 BRAO) mangels hinreichend bestimmter Ermächtigungsgrundlage nicht nur die Rechtsnormqualität, sondern jegliche „rechtserhebliche Bedeutung" abspricht; zustimmend Kleine-Cosack, NJW 1988, 164, 167 ff. 62 So aber Oertmann, ArchRWiPhil 7 (1913/14), 127, 137; Rottmann, S. 22; dagegen Enneccerus/Nipperdey, AllgTeil I, § 108 II; Nitschke, Personengesellschaft, S. 159. 63 Vgl. Motive I, S. 10, 93 f. = Mugdan I, S. 21, 403 f.

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§ 5: Vereinssatzung und Vereinsstrafe

Auch und gerade unter der Geltung des GG läßt sich § 25 BGB nicht als Delegation einer Rechtsetzungsbefugnis deuten. Vor dem Hintergrund des Art. 9 Abs. 1 GG erscheint die Vereinsautonomie, aufgrund derer der Satzungsinhalt frei bestimmt werden kann, als Sonderfall der (allgemeinen) Privatautonomie. Selbst wenn Art. 9 Abs. 1 GG neben der individuellen auch unmittelbar (und nicht erst in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG) eine kollektive Vereinigungsfreiheit und damit die interne Selbstbestimmung gewährleisten soll, werden dem Verein hierdurch jedoch keine quasi-hoheitlichen Befugnisse (etwa der Gesetzgebung) gegenüber seinen Mitgliedern verliehen (oben § 4 II.4.). Eine Rechtsetzungsbefugnis bedürfte der Legitimation durch öffentliche, d. h. staatliche, Aufgaben, die bürgerlich-rechtliche Vereine i.d.R nicht wahrnehmen 64 . Das Bundesverfassungsgericht 65 hat zur Tarifautonomie mit Recht auf den Zusammenhang zwischen Erfüllung öffentlicher Aufgaben und Rechtsetzungsbefugnis hingewiesen: „Den Koalitionen ist durch Art. 9 Abs. 3 GG die Aufgabe zugewiesen und in einem Kernbereich gewährleistet, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme zu gestalten. Sie erfüllen dabei eine öffentliche Aufgabe. Sie haben von Verfassungs wegen einen Status, der über den der in Art. 9 Abs. 1 genannten Vereinigungen hinausgeht: nur ihnen steht es insbesondere zu, in Tarifverträgen durch Rechtsnormen Inhalt, Abschluß und Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen zu ordnen (§ 1 Abs. 1 TVG). Die Rechtsnormen der Tarifverträge binden jedoch im allgemeinen nur die Mitglieder der Koalitionen (§ 3 TVG)."

Danach steht eine Rechtsetzungsbefugnis nur den Koalitionen, nicht aber den durch Art. 9 Abs. 1 GG erfaßten Vereinen zu. Zugleich wird klargestellt, daß die normative Wirkung des Tarifvertrags außer durch die ausdrücklich vom Gesetzgeber übertragene Rechtsetzungsbefugnis zusätzlich durch das privatautonome Einverständnis der Tarifgebundenen mit der Mitgliedschaft in der Koalition legitimiert ist. Zur Unzulässigkeit einer (ausdrücklichen) dynamischen Verweisung in einem Gesetz auf eine tarifvertragliche Regelung hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber „seine Normsetzungsbefugnis nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stellen überlassen" dürfe, „soll der Bürger nicht schrankenlos einer normsetzenden Gewalt nichtstaatlicher Einrichtungen ausgeliefert werden" 66 .

Gegenüber nicht Tarifgebundenen seien nämlich die Tarifvertragsparteien weder mitgliedschaftlich noch „staatlich-demokratisch" legitimiert. Eine uneingeschränkte dynamische Verweisung in einem Gesetz auf tarifvertragliche Regelungen 64

Zu den öffentlichen Aufgaben zivilrechtlich organisierter Wirtschaftsverbände vgl. vor allem Leßmann, Wirtschaftsverbände, passim, insbes. S. 45ff.; ders., NJW 1978, 1545 ff. 65 BVerfGE 28, 295 = NJW 1970, 1635 (Hervorhebung vom Verf.). 66 BVerfGE 64, 208, 215 = NJW 1984, 1225.

II. Vereinssatzung als Rechtsnorm?

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„widerspräche sowohl dem Rechtsstaatsprinzip, wonach Einschränkungen der Freiheit des Bürgers...nur durch oder aufgrund staatlicher Gesetze erfolgen dürfen, als auch dem Demokratieprinzip, wonach die Ordnung eines nach dem Grundgesetz staatlicher Regelung offenstehenden Lebensbereichs durch Sätze objektiven Rechts auf eine Willensentscheidung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muß" 6 7 .

Aus dieser Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite der Tarifautonomie sind grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Beleihung von Rechtssubjekten des Zivilrechts mit Rechtsetzungsbefugnissen herzuleiten. Zwar enthält das GG keine abschließende Regelung der Zuständigkeiten und Formen der Rechtsetzung. Es gestattet vielmehr — wie z. B. die Art. 28 Abs. 2,80 GG zeigen — die Verlagerung der Rechtsetzungsbefugnis von dem besonderen Gesetzgebungsorgan auf die Exekutive und autonome öffentlichrechtliche Rechtsträger. Zur Frage der Übertragung auf Privatrechtssubjekte enthält das GG jedoch keine Aussage. Dennoch wird eine Beleihung mit Rechtsetzungsbefugnissen allgemein für unzulässig gehalten 68 . Schon 1954 hat der Bundesgerichtshof 69 es als „fundamentalen staatsrechtlichen Grundsatz" bezeichnet, „daß die Befugnis, Recht zu setzen, nur staatlichen Stellen und nicht privaten Vereinigungen erteilt werden kann".

Der Grund hierfür liegt vor allem in dem durch Art. 20 Abs. 3 GG — unabänderlich (vgl. Art. 79 Abs. 3 GG) — festgelegten Rechtsstaatsprinzip. Die Ordnung des GG geht von einem grundsätzlichen Unterschied zwischen Staat und Gesellschaft aus, d. h. einer Trennung des staatlichen vom gesellschaftlichen Bereich 70 . Dies zeigt sich z. B. darin, daß die Grundrechte des Bürgers sich gegen den Staat richten (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG), was bei einer Einheit zwischen Staat und Gesellschaft nicht denkbar wäre. Diese grundsätzliche Trennung wird zwar durch vielfaltige Wechselwirkungen durchbrochen, aber nicht aufgehoben. Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit fordert nun, diese Trennung zwischen Staat und Gesellschaft aufrechtzuerhalten und nicht durch Übertragung fundamenta67 BVerfG a.a.O. (Fn. 66); zur Zulässigkeit einer dynamischen Verweisung in einem Sozialplan auf tarifvertragliche Regelungen vgl. BVerfG JZ 1987, 873, 874 m. Sondervotum des Richters Niebier und abl.Anm. Adomeit/ Spinti. 68 Vgl. Wolff I Bachof! Stober> VerwR II, § 104 Rz. 2, S. 413; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 82 ff.; Sachs, VerwA 74 (1983), 25, 47 m. weit. Nachw. in Fn. 151, 152; a. A. E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 538; Kirchhof Rechtsetzung, S. 107ff., 138 ff, der — ohne sich mit der restriktiven Auffassung des BVerfG auseinanderzusetzen — von einer staatlichen Anerkennung privater Rechtsetzung durch Bildung einer Rechtssatzform und einer Organisationsform für den Rechtsetzer ausgeht. 69 BB 1954,1043, 1044; vgl. auch BVerwGE 61, 222, 228 ff. = NJW 1981, 2482 (dazu Steiner, NJW 1981, 2452), das die Möglichkeit der Rechtsetzung durch eine private Züchtervereinigung erst gar nicht in Betracht zieht. 70 Vgl. Kreutz, Betriebsautonomie, S. 93 ff. m. weit. Nachw.; Karpen, JZ 1987, 431 ff.; allg. auch Geiger, Rechtssoziologie, S. 157 ff.

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§ 5: Vereinssatzung und Vereinsstrafe

ler staatlicher Funktionen in die Gesellschaft, insbes. an Rechtssubjekte des Zivilrechts, zu verwischen. Die Rechtsetzung ist nach dem GG allein staatliche Aufgabe, die durch besondere, unmittelbar demokratisch legitimierte Gesetzgebungsorgane ausgeübt wird (vgl. Art. 20 Abs. 2 GG). Ebenso fordert das Rechtsstaatsprinzip für Einschränkungen der Freiheit des Bürgers gegen seinen Willen eine Grundlage in einem staatlichen Gesetz 71 . Daher verbietet sich — abgesehen von dem durch Art. 9 Abs. 3 GG legitimierten Sonderfall der Tarifautonomie—eine Rückverlagerung staatlicher Entscheidungsgewalt in die Gesellschaft durch Beleihung von Rechtssubjekten des Zivilrechts mit Befugnissen der Rechtsetzung72. Anderes gilt freilich für die Übertragung von Verwaltungsaufgaben an Private, die als Beleihung aufgrund einer besonderen Ermächtigung allgemein zulässig ist 7 3 . Bedenken gegen eine Beleihung mit Rechtsetzungsbefugnissen ergeben sich auch aus dem Demokratieprinzip und dem Grundsatz der Gewaltentrennung (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG), nach denen die Setzung objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volk gewählten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muß 7 4 . Weiter ist fraglich, ob Privatrechtssubjekte bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben denselben Bindungen (z.B. an die Grundrechte) unterliegen wie öffentlichrechtliche Rechtsträger 75. Erst recht würde es gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verstoßen, auf eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage zur Rechtsetzung zu verzichten und die Befugnis von so unbestimmten Kriterien wie Funktionsfahigkeit und Vertrauenswürdigkeit (Unentbehrlichkeit) einer privatrechtlichen Institution abhängig zu machen 76 . Aus denselben Gründen scheidet auch eine gewohnheitsrechtliche Ermächtigung zur Rechtsetzung aus 77 .

71

BVerfG a.a.O (Fn. 66). Ebenso Kreutz, Betriebsautonomie, S. 97 m.weit.Nachw. in Fn. 135. 73 Vgl. die Übersicht bei Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rz. 95. 74 Vgl. BVerfG a.a.O. (Fn. 66); Kreutz, Betriebsautonomie, S. 88ff. (im Ergebnis allerdings ablehnend); Sachs, VerwA 74 (1983), 25, 47 (jeweils m.weit.Nachw.). 75 Bejahend für den Verein Reemann, S. 203 ff.; allg. ablehnend z. B. Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen, S. 27. 76 So aber Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 58 f., 99f.; Reemann, S. 135 f.; ähnlich auch Kirchhof, Rechtsetzung, S. 143 f.; dagegen Kreutz, Betriebsautonomie, S. 56, 61 ff.; Pflug, Recht der AGB, S. 225 ff. Zur institutionellen Begründung der „Disziplinargewalt" von Vereinigungen in der französischen Rechtslehre durch Legal/ Brethe de la Gressaye (Le pouvoir disciplinaire dans les institutions privées, Paris 1936) vgl. Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 41 f. 77 Vgl. Pflug, Recht der AGB, S. 278 ff.; für gewohnheitsrechtliche Zulassung der „Vereinsgewalt" aber Larenz, Gedächtnisschr. Dietz, S. 45, 49; krit. dazu H. P. Westermann, in: Verbandsrechtsprechung, S. 41, 45, der mit Recht daraufhinweist, daß hier Gewohnheitsrecht nicht durch allgemeine Richtigkeitsüberzeugung, sondern durch satzungsmäßige Einräumung durch den Verein selbst entstehen würde; nach Kirchhof, Rechtsetzung, S. 273 ff., soll sich die Normqualität der Satzung eines nicht eingetragenen Vereins aus Gewohnheitsrecht ergeben. 72

II. Vereinssatzung als

sorm

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Die fehlende Legitimation des Vereins als Rechtssubjekt des Zivilrechts zur Setzung objektiven Rechts schließt es damit aus, die Vereinssatzung als objektives Recht, Rechtsnorm, Rechtssatz oder Bestandteil der Rechtsordnung anzusehen. Ihr Geltungsgrund ist vielmehr im mitgliedschaftlichen oder organschaftlichen Rechtsverhältnis zu suchen, das grundsätzlich nur mit Einverständnis des Betroffenen begründet werden kann. bb) Einverständnis als Geltungsgrund Fehlt dem Verein als Rechtssubjekt des Zivilrechts die besondere Legitimation, objektives Recht setzen zu können, so muß sich die Geltung der Satzung — wie jede Regelung auf zivilrechtlicher Ebene — auf das Einverständnis des Betroffenen gründen, soweit das Gesetz nichts abweichendes bestimmt. Die Legitimation für die Entstehung subjektiver Rechte und Pflichten ist das (privatautonome) Einverständnis des Betroffenen damit, daß diese Regelung für ihn gelten soll. Auch für das Verhältnis zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern und Organen, das durch die Satzung bestimmt wird, ist eine solche privatautonome Legitimation auszumachen. Denn das mitgliedschaftliche oder organschaftliche Verhältnis zum Verein, auf dem die Geltung der Satzung beruht, kann nur mit Willen des Betroffenen begründet werden. Dieser muß bei der Gründung, dem späteren Beitritt oder der Bestellung zum Organ damit einverstanden sein, daß die Satzung für ihn gilt 7 8 . Das für Rechtsnormen kennzeichnende Merkmal der vom Willen des Betroffenen unabhängigen Geltung trifft damit auf die Vereinssatzung nicht zu. Allerdings ist bei einer Satzungsänderung durch Mehrheitsbeschluß (§33 Abs. 1 S. 1 BGB) denkbar, daß eine für den Betroffenen verbindliche Regelung auch ohne seine Zustimmung oder gegen seinen Willen zustande kommt. Dies kann dann der Fall sein, wenn Mitglieder oder Organe an der Beschlußfassung nicht mitwirken können, wollen oder dürfen (vgl. z. B. § 34 BGB zum Stimmverbot wegen Interessenkollision) oder als Angehörige einer Minderheit überstimmt werden. Auch hier läßt sich jedoch die Geltung der Regelung auf das Einverständnis des Betroffenen zurückführen, der sich bei der Begründung der Mitgliedschaft oder der Organstellung mit der Geltung des Mehrheitsprinzips einverstanden erklärt hat. Der Mehrheitsgrundsatz gilt für die vereinsinterne Sphäre kraft gesetzlicher Anordnung in den §§ 32 Abs. 1 S. 3,33 Abs. 1 S. 1 BGB; aus § 35 BGB folgt, daß nur der Entzug oder die Beeinträchtigung mitgliedschaftlicher Sonderrechte — ebenso wie die Begründung oder Erweiterung von Sonderpflichten — der Zustimmung des Betroffenen bedarf. Im Umkehrschluß ergibt sich hieraus, daß die Beeinträchtigung allgemeiner mitgliedschaftlicher Rechte durch Mehrheitsbeschluß zulässig ist. Soweit durch den Mehrheitsbeschluß schuldrechtliche 78 So schon Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 31 Fn. 1; Bauernfeind, S. 61; auch Wiedemann, GesR I, S. 162 f.

Mitgliedschaft,

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Rechte und Pflichten begründet, geändert oder aufgehoben werden, handelt es sich um einen Fall, in dem das Gesetz „ein anderes vorschreibt" (§ 305 BGB a.E.). Eine Rechtsetzungsbefugnis kann hierin wegen des Einverständnisses mit der Geltung des Mehrheitsgrundsatzes und der Mitwirkung(-smöglichkeit) an der Beschlußfassung nicht gesehen werden 79 . Geltungsgrund für die Bindung der Mitglieder und Organe an die Vereinssatzung ist damit das privatautonome Einverständnis mit den in der Satzung enthaltenen Regelungen und dem gesetzlich bestimmten Mehrheitsgrundsatz 80 . III. Die Vereinssatzung als soziale Norm Auch wenn man als Geltungsgrund der Vereinssatzung (nur) das privatautonome Einverständnis der Betroffenen ansieht, soll damit aber nicht verkannt werden, daß zwischen dem Verein als rechtlich und organisatorisch verselbständigter Gruppe und dem einzelnen Mitglied oder Organ typischerweise — wenn auch nicht notwendig 81 — ein faktisches, d. h. soziales, Ungleichgewicht oder „Machtgefalle" besteht. Zwischen dem Individuum und der Organisation, die als soziales Teilsystem einen besonderen Zweck verfolgt und über eine formalisierte Binnenstruktur verfügt, besteht aus soziologischer Sicht ein struktureller Unterschied; die Organisation ist im Gegensatz zum Einzelnen durch Spezialisierung, innere Arbeitsteilung, rationelles und instrumentelles Handeln, Vertrautheit mit dem Recht, Unpersönlichkeit und Ansammlung materieller Ressourcen gekennzeichnet82. Bei Gesellschaften, für deren innere Willensbildung der Mehrheitsgrundsatz gilt, kommt hinzu, daß die Organisation hier auch Regelungen gegen den Willen einzelner Mitglieder setzen und durchsetzen kann. Dies ändert jedoch nichts daran, daß sich Verein und Mitglied oder Organ in rechtlicher Hinsicht als Rechtssubjekte des Zivilrechts auf der Ebene der Gleichordnung gegenüberstehen. Schon Gerber 83 hatte erkannt, daß „in der schimmernden Vorstellung eines 'Herrschaftsverhältnisses' der Corporation zu ihren Mitgliedern... nur... eine Schilderung hie und da wahrnehmbarer faktischer

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Anders z.B. M. Weber, Rechtssoziologie, S. 168, der von einem grundsätzlichen Unterschied zwischen Vertrag und Beschluß ausgeht. 80 So schon Gerber, AcP 37 (1854), 35, 60; ebenso Planck/Knoke, BGB, § 25 Anm.l; Wiedemann , GesR I, S. 162; ders., Festschr. H. Westermann, S. 585 (für das Recht der Personalgesellschaften); a.A. Oertmann, ArchRWiPhil 7 (1913/14), 127,\34ff.; Kirchhof Rechtsetzung, S. 78 ff., 267, 282ff. 81 Man denke z.B. an die faktische Stellung eines Marktführers als Mitglied eines Interessenverbands. 82 Vgl. eingehend Röhl, Festschr. Stiefel, S. 573, 577ff.; ebenso nunmehr ansatzweise BGH W M 1989,184 = ZIP 1989,15,18, der die geringe Bedeutung der Mitwirkungsrechte der Mitglieder bei Großvereinen „wegen der Größe der Massenorganisation und ihrer Bürokratisierung" zum Anlaß für eine Inhaltskontrolle vereinsinferner Regelungen nimmt. 83 IherJb 3 (1859), 411, 447 Fn. 22.

III. Vereinssatzung als soziale Norm

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Erscheinungen, welche in ganz anderen rechtlichen Ausgangspunkten ihre Erklärung finden", liegt.

Es läuft den Gedanken des Individualschutzes und des Minderheitenschutzes zuwider, wenn man dieses soziale Übergewicht auf rechtlicher Ebene dadurch anerkennt, daß man dem Verein eine „autonome" Rechtsetzungs- und Selbstverwaltungsbefugnis zuerkennt, kraft derer er dem einzelnen Mitglied übergeordnet sein soll. Methodisch unzulässig wird damit vom Sein auf das Sollen geschlossen84. Vom deskriptiven Befund (faktisches Ungleichgewicht) führt kein logischer Übergang zu der normativen Behauptung, der Verein sei dem einzelnen Mitglied rechtlich übergeordnet und ihm gegenüber zur Rechtsetzung befugt. Geradezu absurd mutet unter diesem Blickwinkel die weitere Schlußfolgerung an, daß Maßnahmen eines faktisch und angeblich auch rechtlich übergeordneten Rechtssubjekts des Zivilrechts gegenüber dem seiner „Vereinsgewalt" „Unterworfenen" gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sein sollen (vgl. zu dieser Rechtsprechung oben §2 I I I . l . ) 8 5 . Das Unbehagen an dieser Entwicklung zeigt sich darin, daß im Schrifttum versucht wird, den Individualschutz mit öffentlich-rechtlichen Instituten, die gegenüber dem Staat als Hoheitsträger gelten, zu verwirklichen, z.B. durch unmittelbare Grundrechtsgeltung gegenüber dem Verein 86 , Übertragung der Grundsätze des Anstaltsrechts 87 oder der Forderung nach vereinsinterner Demokratie („innere Vereinsfreiheit") 88 . Alle diese Ansätze gehen jedoch davon aus, daß dem Verein nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich eine übergeordnete Stellung im Verhältnis zu Mitgliedern und Organen zukommt, die eine Befugnis zur einseitigen Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung einschließt. Systemgerecht wäre es dagegen, das Vereinsrecht von seinen öffentlich-rechtlichen Überwucherungen zu befreien und auf seine zivilrechtlichen Grundlagen, nämlich das

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Ebenso L. Raiser, Recht der AGB, S. 76, der die „Verbandssatzung" als rechtsgeschäftliche Regelung qualifiziert und ihre Einordnung als Rechtsquelle als unzulässige Vermengung der rechtssoziologischen mit der rechtsdogmatischen Betrachtungsweise kennzeichnet. Vgl. allg. zur Unterscheidung zwischen Sein und Sollen Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 5f.; Dreier, JZ 1972, 329; F. Bydlinksi, Methodenlehre, S. 44ff.; Röhl, Rechtssoziologie, S. 79; dagegen Krawietz, Regelsystem, S. 125 ff. 85 In diesem Sinn auch Stern, in: Sport und Recht, S. 142, 147f.; Teubner, Organisationsdemokratie, S. 320f.; Burmeister, DÖV 1978, 1, 4. 86 Stern, in: Sport und Recht, S. 142, 148ff.; Jötten, S. 279ff., 362ff.; Teubner, Organisationsdemokratie, S. 295ff.; Reemann, S. 203 ff.; MünchKomm-itewter, BGB, Rz. 104ff. vor § 21.; ders., AcP 188 (1988), 649,653 (für Vereine, die eine Aufnahmepflicht trifft); a.A. Merkel, S. 101 ff; Baecker, Vereinsautonomie, S. 58 ff.; Kirchhof, Rechtsetzung, S. 517ff.; Röhricht, in: Verbandsrechtsprechung, S. 75, 78. 87

Ernst, S. 58 ff. Vgl. Schmitz, S. 343 ff.; Leßmann, Wirtschaftsverbände, S. 244ff., 262; ders., NJW 1978, 1545, 1549; W. Schmidt, ZRP 1977, 255, 258; Teubner, Organisationsdemokratie, S. 285ff., 297ff.; U. Schmidt, S. 155ff.; AK-BGB-Ott, Rz. 31 vor § 21, § 25 Rz. 16; auch Rupp, AöR 101 (1976), 161, 187ff.; abl. Kirchhof, Rechtsetzung, S. 293ff.; Röhricht, in: Verbandsrechtsprechung, S. 75, 78. 88

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privatautonome Einverständnis der Mitglieder und Organe mit der Geltung der Vereinssatzung, zurückzuführen. Fraglich kann nur die Reichweite der Legitimationswirkung dieses Einverständnisses sein 89 . Ein faktisches Ungleichgewicht ist dann — wie in anderen Bereichen (AGB, Gesellschaftsrecht) üblich — mit den Instituten des Zivilrechts, insbesondere einer erweiterten Inhaltskontrolle des Rechtsverhältnisses zwischen Mitglied und Verein, zu korrigieren (vgl. dazu unten § 10 IIA.) 90. Aufgrund ihrer faktischen Wirkung kann deshalb in der Vereinssatzung zwar keine Rechtsnorm, wohl aber eine soziale Norm gesehen werden, die innerhalb der Gruppe der Vereinsmitglieder wirksam ist 9 1 . Normsetzende Instanz ist die organisierte Gruppe als soziale Institution 9 2 . Ihre Verletzung löst eine vereinsinterne Sanktion aus, u.U. auch den Rechtsnachteil einer Vereinsstrafe. Zur Durchsetzung der Vereinsstrafe gegen den Willen des Betroffenen muß der Verein aber — wie jedes andere Rechtssubjekt des Zivilrechts — staatliche Hilfe (gerichtliche Durchsetzung und Vollstreckung) in Anspruch nehmen. Der Vereinssatzung fehlt damit das für eine Rechtsnorm kennzeichnende Zwangsmoment (vgl. oben I.). Dies erklärt sich daraus, daß dem Staat kraft seines Gewaltmonopols auch das Rechtsdurchsetzungsmonopol zusteht. Soweit sich durch gesellschaftliche Prozesse Verhaltensregeln herausbilden, handelt es sich erst dann um Rechtsnormen, wenn der Staat ihnen durch Anerkennung und Sanktionierung Wirksamkeit verleiht 93 . Im Falle einer Kollision setzt sich die (staatliche) Rechtsordnung gegen die sozialen Normen gesellschaftlicher Institutionen durch 94 . Dies gilt auch für die Vereinssatzung, deren Inhalt nicht gegen

89 Vgl. für den Bereich der Personalgesellschaften Wiedemann, Festschr. H. Westermann, S. 585 ff. 90 So nunmehr auch BGH W M 1989, 184 = ZIP 1989, 14, 18; vgl. allg. zur Inhaltskontrolle als Instrument zur Bewältigung von Ungleichgewichtslagen Lieb, AcP 178 (1978), 196ff.; Hörn, JZ 1983,677,685; Heid, S. 229ff.; H. Roth, BB 1987,977,980f.; Roussos, JZ 1988, 997ff.; Zöllner, JuS 1988, 329, 334f.; zur Forderung nach einem Sonderprivatrecht für Ungleichgewichtslagen H. P. Westermann, AcP 178 (1978), 150 ff.; Mertens, ebenda S. 228ff.; Hadding, Gutachten 53. DJT, S. 23ff.; zur Erweiterung von Aufklärungspflichten Röhl, Festschr. Stiefel, S. 573, 596 ff. 91 Ebenso Geiger, Rechtssoziologie, S. 43,58. Zur Bedeutung sozialer Gruppennormen vgl. Bahrdt, Schlüsselbegriffe, S. 92ff.; Röhl, Rechtssoziologie, S. 201 ff., 329 f., 421 ff.; aus rechtlicher Sicht Helm, JuS 1965,121 ff. (für AGB); Säcker, Gruppenautonomie, S. 96ff. (für Allgemeine Arbeitsbedingungen), die Regelungen dieser Art den Charakter einer (sozialen) Norm, nicht aber die Eigenschaft einer Rechtsnorm zusprechen; a. A. MeyerCording, Rechtsnormen, S. 84ff.; für den Bereich der AGB auch Pßug, Recht der AGB, S. 47; zustimmend E. Schmidt, JuS 1987, 929, 931; ders., ZIP 1987, 1505 ff. 92

Vgl. aus soziologischer Sicht Sorokin, in: Rechtssoziologie, S. 87 ff., der jedoch jede Verhaltensnorm, die einer Partei ein bestimmtes Recht und einer anderen Partei eine bestimmte Pflicht auferlegt, als Rechtsnorm ansieht (a. a. O. S. 90) und damit die Frage der Rechtsetzungsbefugnis ignoriert. Zusammenfassend zur (rechts-) soziologischen Institutionentheorie Krawietz, Gedächtnisschr. Schelsky, S. 114, 117 ff. 93 Dies gilt insbesondere für den Bereich des Gewohnheitsrechts.

IV. Vereinssatzung als rechtsgeschäftliche Regelung

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zwingende gesetzliche Vorschriften verstoßen darf und deren Verletzung keine unmittelbare staatliche Sanktion auslöst 95 . Beruht die Geltung der Vereinssatzung als soziale (Gruppen-)Norm auf dem privatautonomen Einverständnis der durch die Regelung betroffenen Mitglieder und Organe des Vereins, so ist zu fragen, ob sich dieses Einverständnis — wie für den Bereich des Zivilrechts typisch — als Rechtsgeschäft oder Vertrag deuten läßt. Denn auch wenn man das Einverständnis der Betroffenen als Geltungsgrund der Vereinssatzung erkennt, so ist damit noch nicht gesagt, daß dies auch als Rechtsgeschäft i. S. der §§ 105 ff. BGB anzusehen ist. Falls die Merkmale des Rechtsgeschäfts auf den Geltungsgrund der Vereinssatzung nicht zutreffen, müßte dieser als besonderer Tatbestand des Gesellschafts- oder Körperschaftsrechts eingeordnet werden. Damit ist die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit die Vereinssatzung hinsichtlich ihrer Entstehung, ihres Inhalts und ihrer Wirkung als Rechtsgeschäft oder Vertrag erklärt werden kann 9 6 . IV. Die Einordnung der Vereinssatzung als rechtsgeschäftliche Regelung 1. Bedeutung und Arten rechtsgeschäftlichen Handelns

Subjektive Rechte und Pflichten werden, soweit das Gesetz nichts abweichendes vorschreibt 1 , durch Rechtsgeschäft begründet, geändert und aufgehoben. Der Begriff des Rechtsgeschäfts wird im BGB nicht bestimmt 2 . Das Gesetz regelt vielmehr nur die Voraussetzungen, den möglichen Inhalt und die Rechtsfolgen von Rechtsgeschäften. Aus einer Gesamtbetrachtung der gesetzlichen Regelungen läßt sich das Rechtsgeschäft kennzeichnen als „Abstraktion aller in der Rechtsordnung formierten Aktstypen, die nach ihrem Inhalt, so wie ihn die Rechtsordnung festgesetzt hat, auf die Begründung, Änderung oder 94

Hoerster, JuS 1987, 181, 184, betrachtet dies geradezu als Kennzeichen der Rechtsordnung; ebenso L. Raiser, Recht der AGB, S. 71 ff.; Kirchhof Rechtsetzung, S. 45ff.; Lippold, Rechtstheorie 19 (1988), 463, 477f. 95 In diesem Sinn hat schon Geiger, Rechtssoziologie, S. 43, es für „zumindest ungewöhnlich" gehalten, „gewisse Ordnungserscheinungen wie etwa die Satzung eines Vereins...als Recht zu bezeichnen"; ebenso Röhl, Rechtssoziologie, S. 200, der als Beispiel für nichtstaatliche Ordnungen, die aus dem Rechtsbegriff „herausfallen", die „Sportverbände mit ihren Sportgerichten" nennt. 96 Vgl. aber schon Ehrlich, Rechtssoziologie, S. 84: „Die Satzung des Körperschaftsrechts ist ursprünglich eine Zusammenfassung der bisherigen Übung oder eine Abart des Vertrages..."; ebenso ders., ebenda S. 40. 1 Z. B. in den Vorschriften über gesetzliche Schuld Verhältnisse (Geschäftsführung ohne Auftrag [§§677 ff. BGB], ungerechtfertigte Bereicherung [§§812 ff. BGB], unerlaubte Handlungen [§§ 823 ff. BGB]). 2 Vgl. aber Motive Mugdan I, 421: „Das Wesen des Rechtsgeschäftes wird darin gefunden, daß ein auf die Hervorbringung rechtlicher Wirkungen gerichteter Wille sich betätigt und daß der Spruch der Rechtsordnung in Anerkennung dieses Willens die gewollte rechtliche Gestaltung in der Rechtswelt verwirklicht".

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§ 5: Vereinssatzung und Vereinsstrafe

Aufhebung eines Rechtsverhältnisses in Selbstbestimmung des einzelnen, d.h. in Verwirklichung des Grundsatzes der Privatautonomie, durch das Setzen einer Regelung gerichtet sind" 3 .

Das Gesetz kennt — j e nach der Anzahl der zur Herbeiführung der erstrebten Rechtsfolgen erforderlichen Willenserklärungen — einseitige und mehrseitige Rechtsgeschäfte. Den „Prototyp" bildet das zweiseitige Rechtsgeschäft in Form des Vertrags, der eine Willensübereinstimmung zwischen zwei Personen (Angebot und Annahme, vgl. §§ 145 ff. BGB) voraussetzt 4. Verträge können einseitig verpflichtend wirken (z. B. das Schenkungsversprechen i. S. der §§ 516ff. BGB), aber auch auf einen beiderseitigen Leistungsaustausch gerichtet sein (gegenseitige Verträge i.S. der §§ 320ff. BGB). Nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts kann man unterscheiden zwischen Rechtsgeschäften des Schuldrechts (vgl. §§ 305 ff. BGB zum schuldrechtlichen Vertrag), des Sachenrechts (vgl. z. B. §§ 929 ff. BGB zur Eigentumsübertragung), des Familienrechts und des Erbrechts. Das Rechtsgeschäft ist der Entstehungstatbestand für das Rechtsverhältnis, das — beim mehrseitigen Rechtsgeschäft — als Sonderverbindung zwischen den Beteiligten zustande kommt. Das Rechtsgeschäft enthält — kraft autonomer Bestimmung oder Anknüpfung des Gesetzes an den rechtsgeschäftlichen Tatbestand — die Regeln, nach denen das Rechtsverhältnis zu beurteilen ist 5 . Das aufgrund des Rechtsgeschäfts entstandene Rechtsverhältnis kann von unterschiedlicher Intensität und Dauer sein. Entsprechend ihrer rechtstatsächlichen Häufigkeit stehen bei der Betrachtung vielfach die gegenseitigen Verträge des Schuldrechts im Vordergrund, die sich in einem einmaligen Leistungsaustausch erschöpfen (z.B. Kauf, Werkvertrag). Schon der Bereich der Dauerschuldverhältnisse (z. B. Miete, Dienst- und Arbeitsverhältnis) zeigt jedoch, daß es (Austausch-)Verträge gibt, die auf eine langfristige Bindung der Beteiligten angelegt sind. Die mögliche Intensität rechtsgeschäftlicher Bindungen zeigt sich am deutlichsten in den Wirkungen der „Bürgerlichen Ehe" (§§ 1353 ff. BGB). Dagegen ist ein Rechtsgeschäft nicht dadurch gekennzeichnet, daß es lediglich eine auf den einzelnen Fall bezogene, d.h. konkret-individuelle, Regelung enthält. Als rechtsgeschäftliche Regelung sind vielmehr auch die „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen" (so die Legaldefinition der AGB in § 1 Abs. 1 S. 2 AGB-Ges.), d. h. abstrakt-generell formulierte Vertragsbestandteile, anzusehen. Ihr rechtsgeschäftlicher Charakter erklärt sich daraus, daß für ihre Einbeziehung als Vertragsbestandteil u. a. das Einverständnis der anderen Vertragspartei erforderlich ist (§ 2 Abs. 1 AGBGes.) 6 . 3 Flume, Rechtsgeschäft, §2, 1.; ähnlich schon v. Tuhr, AllgTeil I I / l , S. 143ff.; zur Bedeutung des Rechtsgeschäfts als Mittel zur Verwirklichung der Privatautonomie vgl. oben § 4 II.3. 4 5

Vgl. Flume, Rechtsgeschäft, § 33, 2. Vgl. Flume, Rechtsgeschäft, §1,3.

IV. Vereinssatzung als rechtsgeschäftliche Regelung

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Ein Rechtsgeschäft, insbes. ein (Austausch-)Vertrag, dient häufig dem Umsatz von Gütern und Dienstleistungen. Er kann aber auch Entstehungstatbestand und Rechtsgrundlage einer zivilrechtlichen Personenvereinigung sein7. Jedenfalls für den Bereich der Personalgesellschaften (GbR, oHG, KG) besteht Einigkeit, daß diese auf rechtsgeschäftlicher Grundlage, nämlich dem Gesellschaftsvertrag, beruhen (vgl. §§ 705 BGB; §§ 109,163 HGB; auch § 2 AktG; § 3 GmbHG) 8 . Der Gesellschaftsvertrag enthält nicht nur schuldrechtliche Leistungspflichten i.S. der §§241, 305 BGB (z.B. Förderpflichten, insbes. zur Beitragsleistung, oder Gewinnansprüche). Vielmehr bildet er auch die Grundlage der Entstehung der rechtlich verselbständigten Wirkungseinheit, insbes. des Gesellschaftsvermögens, sowie der Einrichtung und des Verfahrens der Gesellschaftsorgane. Der Gesellschaftsvertrag ist damit nicht nur schuldrechtlicher Vertrag (vgl. die systematische Stellung der §§ 705 ff. im zweiten Buch des BGB), sondern auch und vor allem Organisationsvertrag, nämlich hinsichtlich der Errichtung und der organisatorischen Struktur („Verfassung") der Gesellschaft. Es fragt sich nun, ob sich auch die Vereinssatzung nach ihrer Entstehung (unten 2.) sowie ihrem Inhalt und ihrer Wirkung (unten 3. und 4.) als schuld- und organisationsrechtliches Rechtsgeschäft kennzeichnen läßt. 2. Form der Entstehung der Satzungsregeln

a) Gründungsvertrag Über die Gründung eines Vereins, dessen Verfassung gem. § 25 BGB durch die Satzung bestimmt wird, enthält das BGB keine Vorschriften. Es setzt vielmehr in den §§ 21 ff. einen bereits gegründeten Verein voraus. Dies folgt für den eingetragenen Verein daraus, daß für die Eintragung die Errichtung der Satzung (vgl. § 57 Abs. 3 BGB), die Bestellung des Vorstands (vgl. § 59 Abs. 2 Nr. 2 BGB) und sieben Mitglieder (§ 56 BGB) erforderlich sind. Der Gründungsvorgang kann nur so erklärt werden, daß sich die Gründer über den Inhalt der Satzung einigen (Errichtung) und erklären, Mitglieder des Vereins sein zu wollen 9 . Dies 6 Heute ganz h. M., vgl. BGHZ17,1,2; Helm, JuS 1965,121,124; Emmerich, JuS 1972, 361, 363; Palandt/Heinrichs, BGB, § 1 AGB-Ges. Anm.l; schon L. Raiser , Recht der AGB, S. 81 ff., 147ff.; anders (institutionelle Wahlnormen) Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 84ff., 92ff. (abl. dazu M. Wolf, JZ 1973, 229, 231 f.); für Rechtsnormcharakter auch unter Geltung des AGB-Ges. heute noch Pflug, Recht der AGB, passim, insbes. S. 248 ff., der Vertragsfreiheit jedoch als zweiseitig zu betätigende Selbstbestimmung ansieht (a.a.O. S. 65) und damit den Vertragsbegriff auf die wechselseitig ausgehandelte Regelung verengt; zustimmend E. Schmidt, JuS 1987, 929, 931 f.; ders., ZIP 1987, 1505f. 7 Vgl. vor allem L. Raiser, JZ 1958, Iff.; ders., Festschr. DJT, S. 101, 109f.; in diese Richtung schon Gerber, AcP 37 (1854), 35,59 f.; zur Qualifizierung eines gesellschaftlichen Unternehmensvertrags über Beherrschung und Gewinnabführung als Organisationsvertrag vgl. BGHZ 104, 1, 4f. = W M 1988, 1819, 1821 = NJW 1989, 258. 8 Vgl. z. B. BGH W M 1961,303,304: „Individualvertrag"; Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 29; Nitschke, Personengesellschaft, S. 160; Wiedemann, GesR I, § 3 I I 1 b) bb); Soergel!H adding, BGB, § 705 Rz. 43; GroßkommHGB-Ulmer, § 105 Rz. 138ff.

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geschieht rechtstechnisch in Form von Willenserklärungen (i.S. der §§ 116-144 BGB), mit denen die Gründer ihren privatautonom gebildeten Willen zum Ausdruck bringen, daß der Inhalt der Satzung für sie gelten soll 1 0 . Der Gründungsvorgang ist damit als Rechtsgeschäft zu qualifizieren, da mit wechselseitigem Zugang der Willenserklärungen der Verein als (nicht eingetragener) Vorverein i.S. des § 54 BGB entsteht 11 . Es gelten die Vorschriften des dritten Abschnitts des ersten Buchs des BGB, z.B. über Geschäftsfähigkeit (§§104 ff.), Bedingung und Zeitbestimmung (§§ 158 ff.), Stellvertretung (§§ 164ff.), Einwilligung und Genehmigung (§§ 182ff.). Der Gründungsvorgang kann aber auch als Vertrag i.S. der §§ 145ff. BGB angesehen werden, da die Geltung der Satzung auf dem übereinstimmenden Willen aller an der Gründung Beteiligten beruht. Mehrheitsbeschlüsse (vgl. § 32 Abs. 1 S. 3 BGB), die eine etwa überstimmte Minderheit an die Satzung binden würden, sind bei der Gründung nicht zulässig 12 . Wird der Vertrag nach den §§145 ff. BGB durch die formale Willensübereinstimmung der Beteiligten gekennzeichnet, so trifft dieses Merkmal auch auf die Gründung des Vereins zu 1 3 . Begrifflich folgt dies schon daraus, daß der Verein zunächst als nicht eingetragener (Vor-)Verein entsteht, für den gem. § 54 S. 1 BGB die §§ 705 ff. BGB gelten; § 705 BGB spricht nun vom „Gesellschaftsvertrag". Freilich handelt es sich bei der Gründungsvereinbarung nicht um den Abschluß eines gegenseitigen Austausch Vertrags (durch Angebot und Annahme), sondern um eine „Bündelung" inhaltlich gleichgerichteteter Willenserklärungen 14 . Die 9 Vgl. für die A G §§ 2, 28 AktG, die von Feststellung des Gesellschaftsvertrags (Satzung) durch die Gründer sprechen; im Gegensatz zum Verein ist die A G jedoch erst mit Übernahme aller Aktien durch die Gründer errichtet (§ 29 AktG). 10 Vgl. statt aller Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 34 Fn. 13; Schopp, Rpfleger 1959, 335, 337; MünchKomm-itewter, BGB, §25 Rz. 10; a.A. nur v. Gierke, Privatrecht I, S. 486ff.; ders., Genossenschaftstheorie, S. 133 f.; dagegen Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 181. Zur Vereinsgründung durch schlüssiges Verhalten vgl. BGH W M 1978, 115 f. 11 Vgl. Soergel/Hadding, BGB, Rz. 63 ff. vor §21; Stoltenberg, S. 116ff., 153 ff.; zumindest terminologisch irrig Reemann, S. 95, der den Vorverein als Vorgründungsgesellschaft i.S. der §§705ff. BGB ansieht, die einer Vereinsgründung jedoch nicht notwendigerweise vorausgehen muß (vgl. Soergel! Hadding, BGB, Rz. 41, 61 f. vor § 21). 12 Nach BayObLGZ 1972, 29; MünchKomm-Reuter, BGB, §§ 21, 22 Rz. 72, soll dies sogar für den gesamten Zeitraum bis zur Eintragung gelten; dagegen mit Recht Soergel / Hadding, BGB, Rz. 66 vor § 21, der daraufhinweist, daß der Mehrheitsgrundsatz aufgrund der Satzung auch für den Vorverein als nicht eingetragenen Verein gilt. 13 So auch BGHZ 47,172,179: „Sie (sc. die Vereinssatzung) ist zwar zunächst ein von den Gründern geschlossener Vertrag..."; ebenso schon RGZ 165, 140, 143; v. Tuhr, AllgTeil I, S. 476ff.; Biebricher, S. 17; Rottmann, S. 18; Wurst, S. 25f.; ferner Schütte, S. 69; Rogier, S. 119f.; Kraft!Kreutz, GesR, S. 6 Fn. 4, S. 23; für die A G Kölner KommAktG-Kraft, §2 Rz. 6, §23 Rz. 16ff.; anders Reichert!Dannecker/Kühr, Rz. 7: „Rechtsgeschäft besonderer Art"; vgl. auch Reemann, S. 94f., 108 ff., der eine vertragliche Grundlage nur für die Vorgründungsgesellschaft als GbR annehmen will, deren Wirkung mit der Entstehung eines nicht eingetragenen Vereins, der später zur juristischen Person wird, gem. § 726 BGB enden soll.

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Gründungsbeteiligten versprechen einander, daß der Inhalt der Satzung für sie gelten soll. Nach Entstehung des Vereins bestimmt der Inhalt der Vereinbarung seine Organisation und das Verhältnis zwischen ihm und seinen Mitgliedern. Selbst wenn man den Vertragsbegriff auf die wechselseitig ausgehandelte Regelung verengt 15 , wird sich gerade im (Vor-)Gründungsstadium häufig feststellen lassen, daß die einzelnen Gründer ihre individuellen Vorstellungen in die Gründungsverhandlungen einbringen und bei der Festlegung des Satzungsinhalts durchzusetzen versuchen. b) Satzungsänderungsbeschluß Beim bereits bestehenden Verein kann Satzungsrecht entstehen, indem die Mitgliederversammlung durch Beschluß die Satzung ändert oder ergänzt. Dieser Beschluß bedarf nach der abdingbaren (vgl. § 40 BGB) Vorschrift des § 33 Abs. 1 S. 1 BGB der Zustimmung von 3 /4 der in der Mitgliederversammlung zu diesem Beschlußgegenstand abgegebenen Stimmen 16 . Die Stimmabgabe ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung des einzelnen Mitglieds, die auf die Rechtsfolge der Willensbildung im Verein durch Beschlußfassung gerichtet ist 1 7 . Da diese Rechtsfolge erst mit Abgabe sämtlicher Stimmen eintritt, handelt es sich nicht um ein (einseitiges) Rechtsgeschäft 18. Aus den einzelnen Stimmabgaben setzt sich der Beschluß zusammen. Haben alle Mitglieder, die sich an der Beschlußfassung beteiligen, ihre Stimmen abgegeben, tritt die Rechtsfolge ein, daß der Wille des Vereins gebildet ist. Damit ist der Beschluß als Rechtsgeschäft anzusehen19. Dabei handelt es sich um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, da der Beschluß sich i.d.R. aus mehreren Willenserklärungen zusammensetzt20. 14

Vgl. OLG Stettin OLGE 28, 97. So MünchKomm-Reuter, BGB, § 25 Rz. 7; auch Pflug, Recht der AGB, S. 63 ff. 16 Zur Berechnung der Mehrheit vgl. BGHZ 83,35 ff. = NJW 1982,1585 (dazu Trouet, NJW 1983, 2865); BGH W M 1987, 651 = JZ 1987, 527; Soergel/Hadding, BGB, § 33 Rz. 5. 15

17 Vgl. BGHZ 14, 264,267; 48,163,173 (für GmbH); Bartholomeyczik, Stimmabgabe, S. 24, 29; Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 64; Baltzer, S. 142 f.; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 10 m. weit. Nachw. in Fn. 29; Winnefeld, DB 1972, 1053, 1054; Renkl, Gesellschafterbeschluß, S. 34; Reichert)DanneckerIKühr, Rz. 716; Stöber, Rz. 194a; MünchKomm-Reuter, BGB, § 32 Rz. 23; Soergel/Hadding, BGB, § 32 Rz. 25; zurückhaltend StaudingerI Coing, BGB, §32 Rz. 30; zur Anfechtung der Stimmabgabe vgl. Bartholomeyczik, AcP 144 (1938), 287 ff.; zum Widerruf Messer, Festschr. Fleck (ZGRSonderheft 7), S. 221 ff. 18

Bartholomeyczik, Stimmabgabe, S. 35ff.; a.M. Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 64. Vgl. Bartholomeyczik, ZHR 105 (1938), 293, 300; Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 10 m. weit. Nachw. in Fn. 30; Baltzer, Beschluß, S. 177f.; Wiedemann, GesR I, § 3 I I I 1 b), S. 179; Renkl, Gesellschafterbeschluß, S. 76; differenzierend Winnefeld, DB 1972, 1053, 1055; abl. noch RGZ122,367,369 (für GmbH); anders RGRK-Steffen, BGB, § 32 Rz. 13: „organschaftliche Willenserklärung". 19

20 Vgl. v. Tuhr, AllgT I, S. 514ff., AllgT I I / l , S. 232; Baltzer, Beschluß, S. 178; Flume, Juristische Person, §7 VII. 1., S. 249; K. Schmidt, GesR, §15 I 2, S. 325; anders Staudinger/ Coing, BGB, § 32 Rz. 37: zusammengesetztes einseitiges Rechtsgeschäft.

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Der Beschluß ist kein Vertrag i.S. der §§ 145ff. BGB, da er nicht durch Willensübereinstimmung aller Beteiligten zustande kommt 2 1 . Er bindet vielmehr auch diejenigen Mitglieder, die gegen den Beschlußgegenstand gestimmt oder sich der Teilnahme an der Mitgliederversammlung, an der Abstimmung oder der Stimme enthalten haben, ebenso die grundsätzlich nicht stimmberechtigten Fremdorgane des Vereins (zum Mehrheitsgrundsatz vgl. schon oben II.2.b.bb). Auch findet nicht — wie beim Vertrag — ein Austausch gegenläufiger, sondern eine „Bündelung" (teilweise) gleichgerichteter Willenserklärungen in Richtung des Vereins, der Erklärungsgegner ist, statt. Der Beschluß ist damit als mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art anzusehen, gerichtet auf Gesamtwillensbildung durch das innerhalb einer rechtlich selbständigen Personenvereinigung hierfür zuständige Organ 22 . Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen (Mehrheits-) Beschluß innerhalb einer Personalgesellschaft oder einer Körperschaft, insbes. eines Vereins, handelt. Da die Merkmale des Rechtsgeschäfts auf den Beschluß zutreffen, führt es für die Rechtsanwendung nicht weiter, wenn der Bundesgerichtshof 23 — um § 181 BGB nicht anzuwenden24 — den Beschluß innerhalb einer Körperschaft als „Gesamtakt" und „Sozialakt der körperschaftlichen Willensbildung" gekennzeichnet hat. Auch hier handelt es sich um eine — wohl unbewußte — Nachwirkung der v. Gierke 'sehen Theorie einer vom Rechtgeschäft zu unterscheidenden „Gesammtaktion" 25 . Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber die Einordnung als Rechtsgeschäft nicht ausdrücklich abgelehnt, sondern den Begriff des Gesamt- oder Sozialakts verwendet, um zu begründen, daß es sich beim Beschluß der Mitglieder einer Körperschaft nicht „um einen Vertragsabschluß oder ein sonstiges Rechtsgeschäft der Gesellschafter untereinander" handele 26 . Dem ist auch vom hier vertretenen Standpunkt aus zuzustimmen, da die Stimmabgabe nicht gegenüber den anderen Mitgliedern, sondern gegenüber der Körperschaft erfolgt und deren Willen bildet. 21 A . A . Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 153; MünchKomm-Reuter, BGB, §32 Rz. 14 für „Vertrags-GmbH". 22 Ebenso Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 64; Hadding, Festschr. R. Fischer, S. 165, 190; Noack, S. 15ff.; K Schmidt, GesR, S. 325; Soergel/Hadding, BGB, § 32 Rz. 21; Kraft!Kreutz, GesR, S. 38f.;unklar/teemawi,S. 99ff., 142ff.: Beschluß als „Willensäußerung des Vereins", über die die Mitglieder „nicht höchstpersönlich, sondern in einer austauschbaren Funktion als Organwalter" beschließen. 23 BGHZ 52, 316, 318 (für GmbH); auch BGHZ 33, 189, 191; 48, 163, 167; ebenso MünchKomm-Reuter, BGB, §32 Rz. 14; Reichert/Dannecker/Kühr, Rz. 775; Sauter/ Schweyer, Rz. 203. 24 Im Ergebnis zutreffend, da die Stimmabgabe durch körperschaftsangehörige Vertreter kein Rechtsgeschäft „mit sich im eigenen Namen" (§181 BGB) ist, sondern gegenüber der Körperschaft erfolgt (vgl. BGH W M 1989, 301, 303). 25 v. Gierke, Privatrecht I, S. 501; vgl. auch a.a.O. S. 283 Fn. 2 zur Unterscheidung vom Rechtsgeschäft; abl. z.B. KraftIKreutz, GesR, S. 25 Fn. 4. 26 BGHZ 52, 316, 318 (Hervorhebung vom Verf.); ähnlich Rummel, Festschr. Strasser, S. 813, 815, 824; i.Erg. auch Renkl, Gesellschafterbeschluß, S. 63.

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Läßt sich der formale Entstehungsvorgang der in der Vereinssatzung enthaltenen Regelungen durch Gründungvertrag und Beschluß als Rechtsgeschäft deuten, so stellt sich die weitere Frage, ob auch ihr typischer Inhalt den Gegenstand eines Rechtsgeschäfts bilden kann. 3. Inhalt der Satzungsregeln

a) Bedeutung als Vereinsverfassung Die Vereinssatzung enthält gem. § 25 BGB die Verfassung des Vereins, soweit diese nicht durch — im Rahmen des § 40 BGB abdingbare — gesetzliche Vorschriften bestimmt wird. Als Verfassung sind die „das Vereinsleben bestimmenden Grundentscheidungen" 27 anzusehen. Die Satzung enthält die Grundmerkmale der Vereinigung, aus denen sich die rechtliche Einordnung als Verein ergibt (Personenvereinigung, gemeinsamer Zweck, Name, Sitz, körperschaftliche Struktur; zu den registerrechtlich zwingenden Satzungsbestandteilen beim eingetragenen Verein vgl. § 57 Abs. 1 BGB). Weiter regelt die Satzung die Grundlagen des Verhältnisses zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern (Mitgliedschaft) 28, z. B. den Ein- und Austritt und die Beitragspflicht (vgl. § 58 Nr. 1 und 2 BGB). Die Satzung bestimmt aber auch die innere Struktur der Körperschaft, d.h. deren Organisation, insbes. die Bildung, das Verfahren und die Zuständigkeit der Organe, durch die der Verein handelt (vgl. § 58 Nr. 3 und 4 BGB zur Bildung des Vorstands und zum Verfahren der Mitgliederversammlung) 29 . Die Satzung als Grundordnung des Vereins ist abzugrenzen von anderen vereinsinternen Regelungs- und Handlungsformen; hierzu zählen z.B. sog. Vereins- oder Nebenordnungen, die abstrakt-generelle Regelungen ohne „Verfassungsrang" enthalten 30 ; ebenso Beschlüsse der Mitgliederversammlung in „Angelegenheiten des Vereins" gem. § 32 Abs. 1 BGB, die die Satzung nicht ändern 31 ; ferner Geschäftsführungsmaßnahmen der Vereinsorgane, insbes. des Vorstands, zur Verfolgung des Vereinszwecks sowie andere Rechtsgeschäfte zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern oder Organen. Kennzeichnend für die integrative Funktion der Satzung als Vereinsverfassung ist, daß sie alle für das Vereinsleben grundlegenden Entscheidungen enthalten muß, z.B. die Einrichtung einer Delegierten Versammlung 32, die Einführung der Listen27

BGHZ 47, 172, 177 = NJW 1967, 1268 = W M 1967, 606. Vgl. allg. Lutter, AcP 180 (1980), 84ff.; zum Verein Reuter, ZHR 145 (1981), 273 ff.; ders., ZHR 148 (1984), 523, 534ff.; Grunewald, ZHR 152 (1988), 242, 250. 29 Vgl. Grunewald, a.a.O. (Fn. 28); den organisationsrechtlichen Charakter der Satzung betont auch Eichler, S. 53. 30 Vgl. Lohbeck, M D R 1972,381; Lukes, NJW 1972,121; Kirberger, Nebenordnungen, S. 207ff., zu den einzelnen Arten ebenda, S. 47 ff; Reemann, S. 209ff. 31 Zum Problem der sog. Satzungsdurchbrechung durch (im einzelnen Fall) bewußt satzungswidrige Beschlüsse vgl. Priester, ZHR 151 (1987), 40ff. 28

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anstelle der Mehrheitswahl 33 , die Besetzung eines Schiedsgerichts bei Vereinbarung einer Schiedsklausel für Streitigkeiten zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern 34 , das Zuchtprogramm eines Pferdezuchtvereins 35 , Beschränkungen der Teilnahmemöglichkeit an Vereins Veranstaltungen36 oder die Einrichtung eines Sicherungssystems bei einem Spitzenverband des Kreditgewerbes 37. Auch und gerade die hier behandelten Vereinsstrafen bedürfen einer Grundlage in der Satzung 38 . b) Schuldrechtliche

Leistungspflichten

Soweit sich aus der Satzung die Berechtigung ergibt, „eine Leistung zu fordern", die auch in einem Unterlassen bestehen kann, besteht zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten ein Schuldverhältnis (§ 241 BGB). Aus der Satzung berechtigt oder verpflichtet können der Verein, seine Mitglieder und seine Organe sein. Soweit in der Satzung ein Recht begründet wird, aufgrund dessen von dem Verein, seinen Mitgliedern oder Organen ein Tun oder Unterlassen verlangt werden kann (Anspruch i.S. des §194 Abs. 1 BGB), handelt es sich um eine schuldrechtliche Leistungspflicht; zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten besteht ein Schuldverhältnis mitgliedschaftlicher oder organschaftlicher A r t 3 9 . Die Verletzung mitgliedschaftlicher oder organschaftlicher Rechtspflichten kann zu einem (schuldrechtlichen) Schadenersatzanspruch aus p. F. V. im Verhältnis zwischen Verein und Mitglied oder Organ führen 40 . Allerdings können in der Satzung auch sog. Drittgläubi32

OLG Frankfurt W M 1985, 1466, 1468 (für nicht eingetragenen Verein [IG BauSteine-Erden]; dazu Reuter, ZHR 148 (1984), 523 ff.; Säcker, Repräsentation, S. 25ff.; Vorderwülbecke, S. 150ff.; Reemann, S. 213 ff. 33 BGH W M 1989, 366, 368; vgl. auch BGH NJW 1974,183; O L G Frankfurt Rpfleger 1984, 360. 34 BGHZ 88, 314, 316. 35 BGH L M §25 BGB Nr. 22 = RdL 1983, 317; W M 1984, 552; dazu Reemann, S. 239 ff.; vgl. auch BVerwGE 61, 222 = NJW 1981, 2482. 36 OLG Celle W M 1988,495 m. Anm. Grunewald = WuB I I L. § 38 BGB 2.88 m. Anm. van Look. 37 BGH W M 1989, 184 = ZIP 1989, 14, 17. 38 Vgl. statt aller BGHZ 47, 172, 177f.; Palandt/Heinrichs, BGB, § 25 Anm.4 b) aa), sowie unten § 10 I. 39 Ebenso RGZ 100, 1, 2 f.; anders Beuthien, Festschr. 25 Jahre BAG, S. lff, der zwischen gesellschaftsrechtlichen und schuldrechtlichen Dienstleistungspflichten unterscheidet; ähnlich BGH NJW 1960,1858,1859, der auf genossenschaftliche Sonderpflichten zur Entgeltzahlung die Vorschriften des Schuldrechts nur entsprechend anwenden will; ferner BGHZ 103,219,221 f. = W M 1988,707,708 = WuB II. D § 18 GenG 1.88 m. Anm. van Look und Beuthien / Michel, EWiR § 18 GenG 1.88, der hinsichtlich der Förderleistungen zwischen „korporationsrechtlichen" und „rein schuldrechtlichen" Bindungen zwischen eG und Genossen unterscheiden will; krit. dazu van Look, a. a. O. 40

Vgl. BGHZ 90,92,95 zum Schadenersatzanspruch des Mitglieds wegen unberechtigter Ausschließung; BGH W M 1977, 1166, 1168 zum Schadenersatzanspruch des Vereins

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geransprüche vereinbart werden, die nicht im Zusammenhang mit dem mitgliedschaftlichen oder organschaftlichen Rechtsverhältnis stehen 41 . In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß schuldrechtliche Leistungspflichten weder Vermögenswert haben noch durch ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers gedeckt sein müssen 42 . Gegenstand der Leistungspflicht kann vielmehr jedes Verhalten des Schuldners, insbes. auch ein Dulden, sein (vgl. auch §§ 890 Abs. 1 Fall 1, 892 ZPO) 4 3 . Die meist nicht ausdrücklich in der Vereinssatzung geregelte schuldrechtliche Hauptpflicht der Mitglieder und Organe gegenüber dem Verein ist es, den Vereinszweck zu fördern (vgl. für die GbR § 705 BGB). Sämtliche mitgliedschaftlichen und organschaftlichen Rechtspflichten (z.B. auf Beitragsleistung) lassen sich als besondere Ausprägungen dieser allgemeinen Förderpflicht verstehen. Auch die sog. (gesellschaftsrechtliche) Treupflicht der Mitglieder und Organe kann auf die allgemeine Förderpflicht zurückgeführt werden, unabhängig davon, ob sie im einzelnen Fall ein bestimmtes Tun oder ein Unterlassen verlangt 44 . Ihren Geltungsgrund finden die in der Satzung enthaltenen Leistungspflichten in der vertraglichen Einigung der Beteiligten (unten 4.). Allerdings sind auch durch die Mitgliedschaft geforderte Verhaltensweisen denkbar, die nicht die Intensität einer Rechtspflicht erreichen (vgl. dazu unten § 6 II.2.a).

wegen Verletzung der Treupflicht; BGH W M 1988, 531 ff. = NJW-RR 1988, 745 zur Schadenersatzpflicht wegen Verletzung von Vorstandspflichten; OLG München NJW 1988, 1030 f. zum Schadenersatzanspruch des Mitglieds wegen fehlerhafter Beratung durch einen Lohnsteuerhilfeverein. 41 Vgl. Soergel / Hadding, BGB, § 25 Rz. 23; für den Bereich der Kapitalgesellschaften auch Priester, DB 1979, 681 ff. 42 Eingehend Leonhard, SchuldR I, § 31, S. 79ff.; Staudinger/ J. Schmidt, BGB, § 241 Rz. 35 ff.; zur Vorstellung des historischen Gesetzgebers vgl. v. Kübel, Entwurf, I /1 /§ 1, S. 11 ff. = Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht 1, S. 13 ff., der allerdings ein schutzwürdiges Interesse verlangt. 43 So schon v. Kübel, Entwurf, 1/1 /§ 1, S. 18 = Schubert, Vorentwürfe, Schuldrecht 1, S. 20; vgl. auch Leonhardt, SchuldR I, § 31, S. 79 ff.; Staudinger/ J. Schmidt, BGB, § 241 Rz. 56; MünchKomm-Kramer, BGB, § 241 Rz. 6 ff. 44

Vgl. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102ff.; Reemann, S. 146f.; Reichert/Dannecker ¡Kühr, Rz. 489ff.; GroßkommHGB-Ulmer, § 105 Rz. 232ff.; auch Zöllner, Gewerkschaftsausschluß, S. 35ff., sowie Häuser, Unbestimmte „Maßstäbe", S. 176ff., der die Grundlage für Ausübungsschranken von Gesellschafterrechten, d. h. Unterlassungspflichten, jedoch in §242 BGB sieht (a.a.O. S. 182); ebenso M. Winter, S. 67ff. (Tür GmbH). Gegen eine mitgliedschaftliche Förderpflicht (aber wohl nur der Mitglieder untereinander) Lenz, S. 21 Off.; hierbei wird jedoch übersehen, daß der Vereinszweck sowohl die Zielsetzung des Vereins als juristische Person als auch „das alle Mitglieder verbindende Interesse" bildet (so BGHZ 96, 245, 252 im Anschluß an Stöber, Rz. 228); gegen die Berücksichtigung der Mitgliederinteressen bei der Bestimmung des Vereinszwecks Reuter, ZHR 148 (1984), 523, 527; ders., ZGR 1987, 475, 483; dabei ergibt sich schon aus § 45 Abs. 3 BGB, daß ein Verein den Interessen seiner Mitglieder dienen kann. 7 van Look

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c) Organisationsrechtliche

Regelungen

aa) Tragweite Soweit die in der Satzung getroffenen Bestimmungen die Beteiligten nicht zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, handelt es sich um organisationsrechtliche Regelungen. Dies gilt z.B. für den im Gründungsvertrag enthaltenen Entstehungstatbestand der Körperschaft, der sich nicht als schuldrechtliche Leistung deuten läßt. Zum organisationsrechtlichen Inhalt der Satzung rechnen auch die Festlegung des Vereinszwecks, die Wahl der Rechtsform sowie die Bestimmungen über Bildung, Verfahren der Willensbildung (Einberufung, Beschlußfassung) und Zuständigkeit der Organe. Der organisationsrechtliche Gehalt der Gründungsvereinbarung liegt in der Entstehung einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfaßten Gruppe von Personen, die durch Organe handelt und nach außen als Einheit, d. h. als selbständiges Rechtssubjekt, auftritt. Der z.T. organisationsrechtliche Inhalt der Vereinssatzung ändert jedoch nichts daran, daß Entstehungstatbestand, Geltungsgrund und Wirkung dieser Regelung rechtsgeschäftlich (als Vertrag oder Beschluß; vgl. oben 2.) zu qualifizieren sind 45 . In dem organisatorischen Regelungsgehalt ihrer Rechtsgrundlage liegt die Besonderheit privatautonom begründeter Personenvereinigungen; dies trifft sowohl auf den Gesellschaftsvertrag der Personalgesellschaften (vgl. § 705 BGB), deren Grundmodell die GbR bildet (vgl. § 105 Abs. 2 HGB für die oHG, § 105 Abs. 2 i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB für die KG), als auch auf die Satzung des bürgerlich-rechtlichen Vereins i. S. der §§ 21 ff. BGB zu, der wiederum als Grundform der nach dem gesetzlichen Leitbild körperschaftlich strukturierten Gesellschaften (AG, KGaA, eG, GmbH, VVaG) anzusehen ist (vgl. § 6 Abs. 2 HGB). Die unterschiedlichen Bezeichnungen der die Grundlagen der Gesellschaften (im weiteren Sinn) enthaltenden Regelungen sind nur terminologischer Art (vgl. für die A G § 2 AktG: „Gesellschaftsvertrag [Satzung]"; für die Genossenschaft § 5 GenG: „Statut"; für die GmbH § 2 GmbHG: „Gesellschaftsvertrag"). In allen Fällen handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, die sowohl schuldrechtliche als auch organisationsrechtliche Elemente enthält 46 . Der Unterschied liegt allein in der Struktur der Organisation, deren 45

So schon Gerber, AcP 37 (1854), 35, 59f.; ders., IherJb 3 (1859), 411,447 Fn. 22, der den organisationsrechtlichen Inhalt der Statuten plastisch kennzeichnet als „Erzeugung eines Rechtssubjekts und die Modellierung seiner juristischen Physiognomie"; in der Sache ebenso Eichler, S. 52f.; KraftIKreutz, GesR, S. 6 Fn. 4 und S. 23; Reinhardt I Schultz, GesR, Rz. 316. 46 Vgl. Wiedemann, GesR I, § 3 I I 1, S. 159 ff.; Rogier, S. 134; Reinhardt/ Schultz, GesR, Rz. 53; K Schmidt, GesR, § 5 I, S. 59ff.; KraftIKreutz, GesR, S. 27f.; auch Würdinger, Aktienrecht, § 10 I 1 b, S. 39; Ulmer, Festschr. W. Werner, S. 911 f. (für GmbH); Baumbach/A. Hueck/G. Hueck, GmbHG, § 2 Rz. 5f.; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 2 Rz. 5, 7; KölnerKommAktG-tfra//, § 23 Rz. 16ff.; Wünsch, österr. GmbHG, § 3 Rz. 4; GroßkommHGB-Ulmer, § 105 Rz. 139-142 (für oHG).

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Bestand und Handlungsfähigkeit bei den Personalgesellschaften — nach dem gesetzlichen Leitbild — eng mit der Person der Gesellschafter verknüpft ist (z. B. durch Auflösung der Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters und den Grundsatz der Selbstorganschaft); dagegen sind Körperschaften, insbes. der Verein, auf wechselnden Mitgliederbestand angelegt und können i. d. R. auch durch körperschaftsfremde Dritte (Fremdorgane) verwaltet werden 47 . bb) Folgerungen (1) Aus rechtsgeschäftlicher Sicht Da durch die vertragliche Verfassung (Gesellschaftsvertrag, Satzung, Statut) einer Personenvereinigung die Organisation eines auf Dauer angelegten selbständigen Rechtssubjekts geregelt wird, bedürfen einzelne Vorschriften des BGB über Rechtsgeschäfte und Verträge einer modifizierten Anwendung. So werden nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft die Nichtigkeitsfolgen bei Gründungsmängeln (insbes. die Wirkung ex tunc) auf ein (ex nunc wirkendes) Kündigungsrecht reduziert 48 . Dies gilt auch für den Verein 49 . Bei objektiver Teilnichtigkeit einzelner Satzungsbestimmungen greift die Vermutung des § 139 BGB i.d.R. nicht ein, da das Interesse der Mitglieder am Fortbestand der Organisation einer Gesamtnichtigkeit der vertraglichen Grundlage entgegensteht50. Für die Auslegung der Satzung ist wegen des wechselnden Mitgliederbestands bei körperschaftlich strukturierten Vereinigungen nicht in erster Linie auf die Vorstellungen der Gründer (vgl. § 133 BGB) abzustellen; vielmehr ist der Gesellschaftsvertrag (Satzung, Statut) bereits nach dem Willen der Gründer, die eine auf wechselnden Mitgliederbestand angelegte Vereinigung gründen, „objektiv" auszulegen, d.h. allein aus ihrem Wortlaut, 47 Dagegen meint Reemann, S. 136f., nur mit einem institutionellen Körperschaftsbegriff und dem „genossenschaftstheoretischen Rechtsnormbegriff 4 könne man „das Handeln des Vereins durch Organe und den Ausschluß der Mitglieder von Willensbildung und Vertretung" (?) sowie das Gebot gleichmäßiger Behandlung aller Mitglieder, das für Personalgesellschaften nicht gelten soll, erklären; vgl. demgegenüber zum derzeitigem Stand des Gesellschaftsrechts z. B. Wiedemann, GesR I, S. 212,427ff.; K. Schmidt, GesR, S. 200f., 346ff.; GroßkommHGB-Ulmer, § 105 Rz. 252ff., § 109 Rz. 46ff. 48

Vgl. Ulmer, Festschr. Flume II, S. 301 ff.; Soergel/Hadding, BGB, § 705 Rz. 70ff; GroßkommHGB- Ulmer, § 105 Rz. 337 f. (jeweils für den Bereich der Personalgesellschaften); zum Verein Reichert/ Dannecker/ Kühr, Rz. 193; allg. K. Schmidt, AcP 186 (1986), 421 ff. 49 Vgl. F. Walter, NJW 1975, 1033; Rummel, Festschr. Strasser, S. 813, 877f.; Mummenhoff, JB1 1987, 273, 281; Reichert/Dannecker/ Kühr, Rz. 193; Soergel / Hadding, BGB, § 25 Rz. 23. 50 Vgl. für den Verein Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 136f.; SoergelIHadding, BGB, §25 Rz. 22; i.Erg. ähnlich BGHZ 47, 172, 180; Kirberger, Nebenordnungen, S. 225f.; für die oHG GroßkommHGB-Ulmer, § 105 Rz. 185; ferner BGH NJW 1989, 834, 835 f. = W M 1989,133, zur geltungserhaltenden Reduktion entspr. § 139 BGB einer (quantitativ) teilnichtigen Regelung im Gesellschaftsvertrag einer KG. T

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§ 5: Vereinssatzung und Vereinsstrafe

Sinn und Zweck unter Berücksichtigung des Gesellschafts-(Vereins-)zwecks und der Interessen der Mitglieder 51 . In Fällen dieser Art ist der Anwendungsbereich derjenigen Vorschriften des BGB, die nach ihrem Zweck ein auf einmaligen Leistungsaustausch gerichtetes Rechtsgeschäft (Austauschvertrag) voraussetzen, teleologisch zu reduzieren, soweit es um den Bestand oder die Auslegung einer Regelung geht, die die Verfassung einer auf Dauer angelegten Personenvereinigung (u.U. mit wechselndem Mitgliederbestand) bildet 5 2 . Der rechtsgeschäftliche oder vertragliche Charakter der Regelung wird hierdurch nicht berührt. (2) Aus Sicht der sog. modifizierten Norm(en)theorie Aus dem organisationsrechtlichen Inhalt zieht die sog. modifizierte Norm(en)theorie den Schluß, daß die Vereinssatzung, die durch Gründungsvertrag entsteht, mit der Entstehung des Vereins oder ihrem Inkrafttreten zu einer „eigenständigen körperschaftlichen Norm des Vereinslebens" 53 wird. Hieraus wird gefolgert, daß einzelne Vorschriften des BGB über Rechtsgeschäfte auf die (in Kraft getretene) Vereinssatzung grundsätzlich nicht anwendbar seien (s.o.[l]). Dabei ist der Gegensatz zur hier vertretenen (rein) rechtsgeschäftlichen Auffassung nicht allein terminologischer Art (hier: Organisationsvertrag; dort: Norm[en]vertrag), da mit der Entstehung ein „Wandel der Rechtslage" vom Vertrag zur „körperschaftlichen Verfassung des Vereins" eintreten soll 5 4 . Diesen qualitativen Unterschied zwischen dem Gründungsvertrag und der Wirkung als (Rechts-)Norm kann die modifizierte Normtheorie nicht erklären 55 . Denn

51

Vgl. Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 132f.; Wiedemann , DNotZ 1977, Sonderh. S. 99ff.; ders., GesR I, S. 168ff.; Coing, ZGR 1978, 659ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 95 f.; Rummel, Festschr. Strasser, S. 813, 819; Hachenburg! Ulmer, GmbHG, § 2 Rz. 121; Häuser/van Look, ZIP 1986, 749, 752f.; Flume , Juristische Person, §9 1, S. 320; KölnerKommAktG-Ä>a/i, §23 Rz. 99ff.; StaudingerI Coing, BGB, §25 Rz. 16; A K BGB-Ott, § 25 Rz. 10; Soergel/Hadding, BGB, § 25 Rz. 25; i.Erg. auch BGHZ 47, 172, 180; 96,245,250, der ein „Verwertungsverbot" hinsichtlich der Vorstellungen der Gründer annimmt (dazu Reuter, ZGR 1987,475,477); BGH W M 1989, 366, 367f.; differenzierend Rogier, S. 179 ff., 201, der die objektive Auslegungsmethode erst ab dem Zeitpunkt des Beitritts des ersten an der Gründung nicht beteiligten Mitglieds anwenden will. 52

Vgl. Wiedemann, GesR I, S. 163. BGHZ 47, 179, 180f. (dazu Wiedemann, JZ 1968, 219); auch RGZ 165, 140, 143; BGHZ 21,370,373 ff.; so schon Rottmann, S. 22; ebenso RGRK-Steffen, BGB, Rz. 32 vor §21, §25 Rz. 5; Stöber, Rz. 21; Reichert/Dannecker/Kühr, Rz. 192; Sauter¡Schleyer, Rz. 36; Schütte, S. 64ff.; Vollmer, Schiedsklauseln, S. 23; Sommer, S. 65; Baecker, Vereinsautonomie, S. 32; Kirchhof, Rechtsetzung, S. 268; i.Erg. auch Reuter, der trotz des verbalen Bekenntnisses zur („strengen") Normtheorie (in MünchKomm BGB, § 25 Rz. 7) von einer „rechtsgeschäftlichen Schöpfung" ausgeht, deren „Ergebnis...gesetzesgleich" sein soll (ZGR 1987, 475, 477). 53

54 BGHZ 47,172,179,180; auch BGHZ 21,370,374f.; Reiß, S. 14, meint, hiermit finde das „unzerstörbare Hegeische Prinzip...von dem Umschlag, dem Sprung der Quantität in eine neue Qualität", Anwendung (?).

IV. Vereinssatzung als rechtsgeschäftliche Regelung

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ebenso wie die Befugnis zur NormSetzung bedürfte auch die rechtliche Wirkung eines Vertrags als Norm einer staatlichen Anerkennung als normsetzende Vereinbarung (wie z.B. in den §§ 1 Abs.l, 4 Abs. 1 T V G ) 5 6 . Eine solche Anerkennung oder Delegation ist für den Bereich der Personenvereinigungen des Zivilrechts, insbes. den bürgerlich-rechtlichen Verein, nicht auszumachen (oben II.2.b.aa). Soweit die Rechtsprechung den angeblichen Normcharakter der Satzung damit rechtfertigt, daß sie als „körperschaftliche Verfassung des Vereins wirkt" und „das rechtliche Wollen des Vereins als der Zusammenfassung seiner Mitglieder" objektiviert 57 , kann dies — methodisch schlüssiger — ebenso aus dem organisationsrechtlichen Inhalt des Gründungsvertrags erklärt werden, ohne daß es eines Paradigmawechsels vom (Organisations-)Vertrag zur innerkörperschaftlichen (Rechts-)Norm bedürfte 58 . Damit sind im Ausgangspunkt allerdings sämtliche Vorschriften des BGB über Rechtsgeschäfte und schuldrechtliche Verträge (bis auf §§ 320-327 BGB) anwendbar, soweit der organisationsrechtliche Charakter der Vereinssatzung nicht eine teleologische Reduktion ihres Anwendungsbereichs fordert (s.o. [1]). d) Inhaltliche Gestaltungsfreiheit Für den Satzungsinhalt besteht im Rahmen des zwingenden Gesetzesrechts Gestaltungsfreiheit. Die Beteiligten sollen ihre rechtlichen Beziehungen nach ihrem Willen frei gestalten können. Der Gesetzgeber zieht allerdings dieser Gestaltungsfreiheit im Interesse der Allgemeinheit (insbes. der Gläubiger der Vereinigung) einen — je nach dem von der Vereinigung typischerweise verfolgten Zweck — unterschiedlich eng begrenzten Rahmen (vgl. für den Verein § 40 BGB; für die A G § 23 Abs. 5 AktG; für die Genossenschaft § 18 GenG; für die GmbH § 45 GmbHG). Soweit der Inhalt des Gesellschaftsvertrags durch die Beteiligten nach ihrem Willen festgelegt wird (inhaltliche Gestaltungsfreiheit als Unterfall gesellschaftsrechtlicher Vertragsfreiheit), handelt es sich um eine Ausprägung der (allgemeinen) Privatautonomie (oben § 4 II.3.). Für den Verein läßt sich diese Gestaltungsfreiheit hinsichtlich des

55

Ebenso schon Wurst, S. 25f.; Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 61 f.; auch Reemann, S. 107 f. Hierzuhat Weitnauer, Festschr. Reinhardt, S. 179,188, treffend darauf hingewiesen, daß bei der angeblichen Regelung der Beziehungen der Mitglieder zum Verein durch „nomothetischen" Akt der überpersönlichen Korporation „etwas wie Mystik am Werk zu sein" scheine; ähnlich Bötticher, ZfA 1970,3,47: „künstliche Zäsur"; auch MünchKommReuter, BGB, § 25 Rz. 9, spricht von einer „Metamorphose", deren Vollzug „rätselhaft" bleibe; genauso rätselhaft ist freilich, wieso ein „Gründungsvertrag" ohne eine den Vorschriften des TVG oder BetrVG entsprechende Ermächtigung „von vornherein Normen" erzeugen soll (so Reuter a.a.O.). 56 Dies übersieht z.B. Reuter, ZGR 1987, 475, 477. Zur Zulässigkeit normsetzender Vereinbarungen im Verwaltungsrecht vgl. Sachs, VerwA 74 (1983), 25, 35ff. 57 BGHZ 47, 172, 179 f. 58 Ähnlich Wiedemann, JZ 1968, 219, 221.

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§ 5: Vereinssatzung und Vereinsstrafe

Satzungsinhalts als Satzungsautonomie kennzeichnen59; ein qualitativer Unterschied zur gesellschaftsrechtlichen Vertragsfreiheit besteht jedoch nicht, da beide auf dem Grundsatz der Privatautonomie beruhen (oben § 4 II.4.c). 4. Geltungsgrund und Wirkung für Mitglieder und Organe

a) Entstehung der Mitgliedschaft

durch Vertrag

aa) Ausgangspunkt Als Geltungsgrund der Vereinssatzung für Mitglieder und Organe wurde bereits oben (II.2.b.bb) das privatautonome Einverständnis der Betroffenen festgestellt. Hier ist zu untersuchen, inwieweit dieses Einverständnis als Rechtsgeschäft oder Vertrag eingeordnet werden kann. Das mitgliedschaftliche Rechtsverhältnis zum Verein kommt durch Beteiligung an der Gründung oder Eintritt in einen bestehenden Verein zustande 60 . Der Gründungsvorgang ist als Vertrag zu kennzeichnen, in dem die Beteiligten erklären, Mitglieder des zu errichtenden Vereins werden zu wollen (oben 2.). M i t der Entstehung der Körperschaft (i.d.R. durch wechselseitigen Zugang der Gründungserklärungen) werden die Gründungsbeteiligten Mitglieder des (Vor-)Vereins. Ihr mitgliedschaftliches Rechtsverhältnis zum Verein ist Entstehungsgrundlage aller aktuellen und potentiellen Rechte und Pflichten gegenüber dem Verein 61 . Diese werden durch §§ 26 ff. BGB und die Vereinssatzung bestimmt, mit deren Inhalt und Geltung sich die (zukünftigen) Mitglieder bei der Gründung einverstanden erklärt haben 62 . Auch der Eintritt in einen bereits bestehenden Verein kommt durch (Aufnahme-)Vertrag zustande: Der Eintrittswillige erklärt, als Mitglied in den Verein aufgenommen werden zu wollen (Beitrittserklärung, Antrag); der Vorstand als organschaftlicher Vertreter des Vereins (§26 Abs. 2 S. 1 BGB) erklärt, daß die Beitrittserklärung angenommen wird (Aufnahmeerklärung) 63 . 59

Vgl. Flume, Festschr. Coing II, S. 97 ff. Denkbar ist allerdings auch, daß die Mitgliedschaft in Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht durch die Satzung übertragbar oder vererblich gestellt wird (vgl. §§ 38, 40 BGB). 61 Zur rechtlichen Einordnung der Mitgliedschaft vgl. Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 30ff., 66ff.; Hadding, Festschr. Reinhardt, S. 249, 261 f.; Soergel/Hadding, BGB, § 38 Rz. 2f.; auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 97ff.; K. Schmidt, GesR, § 19 I 3. 62 A. A. offenbar Reemann, S. 119, nach dem der Gründungsvertrag seine Wirkung mit der Entstehung des Vereins verlieren soll; hierbei wird jedoch übersehen, daß es für die am Abschluß des Gründungsvertrags Beteiligten i.d.R. keines gesonderten Eintrittsvertrags mit dem Verein mehr bedarf; ebenso verkennt Reemann, S. 121 ff., die h.M., die beim Eintritt keine „zusätzliche Unterwerfungserklärung" verlangt; nach der hier vertretenen Auffassung enthält dagegen der Eintrittsvertrag das rechtsgeschäftliche Einverständnis des Mitglieds mit der Vereinsverfassung, das die h.M. als „Unterwerfung" ansieht (vgl. dazu unten § 6 I.2.b.). 60

IV. Vereinssatzung als rechtsgeschäftliche Regelung

103

Mit Wirksamwerden der Annahme tritt die Rechtsfolge ein, daß der Bewerber Mitglied des Vereins ist. Ausgeschlossen ist, daß die Mitgliedschaft einseitig durch den Verein begründet wird, z. B. indem die Satzung bestimmt, daß die Mitgliedschaft auf den „Funktionsnachfolger" eines Mitglieds übergeht 64 , daß eine Spende als Beitrittserklärung aufzufassen ist 6 5 oder daß eine Person kraft ihres Amtes oder ihrer Funktion Mitglied ist 6 6 . Ebenso ist ausgeschlossen, daß Dritte 6 7 oder der Bewerber selbst die Mitgliedschaft einseitig durch Erklärung gegenüber dem Verein (vgl. § 28 Abs. 2 BGB) begründen können, da der Verein privatautonom über seinen Mitgliederbestand entscheiden kann (Aufnahmefreiheit, vgl. § 4II.4.a) 6 8 . Auch wenn die Satzung die einseitige Beitrittserklärung des Bewerbers zur Begründung der Mitgliedschaft ausreichen läßt, bedarf es der Annahmeerklärung durch den Verein, u.U. durch schlüssiges Verhalten (Aushändigung der Mitgliedskarte, Übersendung einer Beitragsrechnung, Zulassung zu Vereinsveranstaltungen) 69. Allerdings kann schon die Satzung einen Antrag i.S. der §§ 145 ff. BGB („ad incertas personas") auf Abschluß eines Aufnahmevertrags enthalten, dessen Annahme der Bewerber nur noch gegenüber dem Verein zu erklären braucht. Auch kann die Satzung einen Anspruch zu Rechten außenstehender Dritter (vgl. § 328 Abs. 1 BGB) auf Abschluß eines Aufnahmevertrags ergeben 70. Ebenso kann die Vereinssatzung bestimmen, daß der Zugang der Annahmeerklärung des Vereins entbehrlich ist; diese Regelung wirkt als Verzicht des Antragenden (§ 151 S. 1 Fall 2 BGB), da sein Angebot auf Abschluß des Aufnahmevertrags das Einverständnis mit dem Gesamtinhalt der Satzung und damit auch der Verzichtsregelung enthält 71 . 63 Vgl. BGHZ 101, 193, 196 = NJW 1987, 2503 = JZ 1987, 1076 m. Anm. Henke = W M 1987,1392 = WuB I I L. § 38 BGB 1.88 m. Anm. van Look = ZIP 1987,1108,1109 m. Anm. Reuter, EWiR § 25 BGB 1 / 87; Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 18 f.; Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 39; Schütte, S. 71 ff.; Rummel, Festschr. Strasser, S. 813,821; Reemann, S. 119 f.; Beuthien, ZGR 1989, 255, 258; Staudinger / Coing, BGB, § 35 Rz. 26; MünchKomm-Reuter, BGB, §38 Rz. 21; Soergel/ Hadding, BGB, §38 Rz. 7; Reichert/ Dannecker /Kühr, Rz. 339f.; auch BGHZ 28,131,134; BayObLGZ 1959, 457, 463; 1972,114 = NJW 1972, 1323; BVerwG NJW-RR 1987, 474 f; zum Beitritt durch schlüssiges Verhalten BGH W M 1989, 184 = ZIP 1989, 14, 16; a.A. Grüters, S. 33; Ruth, Z H R 88 (1926), 454,487ff. („körperschaftlicher Gesamtakt"); Rottmann, S. 23 f.; Schopp, Rpfleger 1959, 335, 337. 64 BGH W M 1980, 1286; dazu Reuter, ZHR 145 (1981), 273, 279fTf. 65 BayObLG NStZ 1982, 387 = BayVBl 1982, 474. 66 BayObLGZ 1973, 303 = DB 1973, 2518: Betriebsratsvorsitzender als „geborenes" Vereinsmitglied. 67

Vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 995, 996 zur Unzulässigkeit der Wahl der Mitglieder durch ein außerhalb des Vereins stehendes Gremium. 68 A . A . Schopp, Rpfleger 1959, 335, 337; wohl auch BayObLGZ 1972, 114 = NJW 1972, 1323. 69 So BGHZ 101, 193, 196= NJW 1987, 2503 = W M 1987, 1392 = WuB I I L. § 38 BGB 1.88 m.zust.Anm. van Look. 70 Vgl. RGZ 106, 120, 126; BGH W M 1980, 1286, 1288 (Eintrittsklausel); W M 1985, 386.

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§ 5: Vereinssatzung und Vereinsstrafe

Beim Eintrittsvertrag muß es sich durchaus nicht um eine „Unterwerfung" des Beitretenden unter eine vorgegebene Ordnung handeln 72 . Vielmehr kann der Beitrittswillige im Hinblick auf seine zukünftige Rechtsstellung im Verein — j e nach dem Grad des Interesses seitens des Vereins an der Mitgliedschaft gerade dieser Person — eine Änderung der Satzung aushandeln 73 . Dies zeigt z. B. § 35 BGB: Sollen dem Beitretenden Sonderrechte gewährt werden, ist eine Satzungsänderung erforderlich 74 . Daß dies rechtstatsächlich i.d.R. nicht zutrifft, ändert nichts an der rechtsgeschäftlichen Qualifizierung des Eintritts, sondern kann nur zu einer erweiterten inhaltlichen Kontrolle derjenigen vereinsinternen Regelungen führen, mit deren Geltung sich das Mitglied im Eintrittsvertrag einverstanden erklärt (vgl. i.e. unten § 6 I.3.b. und § 10 II.l.). bb) Schuldrechtliche und organisationsrechtliche Elemente der Mitgliedschaft Der Gründungs- oder Eintrittsvertrag ist hinsichtlich des schuldrechtlichen Inhalts der Satzung als schuldrechtlicher Vertrag i. S. des § 305 BGB aufzufassen, durch den Leistungspflichten zwischen dem Verein und dem Mitglied begründet werden 75 . Insoweit enthält die Mitgliedschaft Elemente eines Dauerschuldverhältnisses. Die Merkmale des gegenseitigen Vertrags i.S. der §§320ff. BGB treffen allerdings auf den Gründungs- oder Eintrittsvertrag nicht zu, da zwischen den Leistungspflichten des Mitglieds (z. B. zur Beitragszahlung) und denen des Vereins (z. B. zur Gewährung der Benutzung von Vereinseinrichtungen) kein synallagmatisches Austauschverhältnis besteht 76 . Verbindlich wird durch den Gründungs- oder Beitrittsvertrag für das einzelne Mitglied auch der organisationsrechtliche Inhalt der Vereinsverfassung 71

van Look, WuB I I L. §38 BGB 1.88 unter II.; a.A. BGH a.a.O. (Fn. 69); Reichert/ Dannecker/ Kühr, Rz. 346; vgl. auch RGZ 106, 120, 127; Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 91; Erman/H. Westermann, BGB, § 38 Rz. 3. 72 So aber Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 92, der ihn mit dem Eintritt in mittelalterliche Lehens-, Standes- und sonstige Statusordnungen vergleicht; ähnlich auch Spieß, S. 75: „Aufgeben eines Teils der an sich gegebenen Rechtsstellung der freien Rechtsperson"; Vollmer, Schiedsklauseln, S. 23: „Durch den Beitritt begibt sich das Mitglied...in ein rechtlich anerkanntes Subordinationsverhältnis..."; zur Annahme einer rechtsgeschäftlichen Unterwerfung vgl. unten § 6 I.2.b. 73 Dies übersieht z. B. Kirchhof, Rechtsetzung, S. 94, wenn er meint, beim Eintritt könne der Bewerber „keine Modifikationen seines Mitgliedschaftsstatus' oder Exemtionen von Verbandsrechtsregeln aushandeln"; vgl. auch Reemann, S. 121 f. 74 Vgl.den Fall L G Wiesbaden NJW 1975, 1033 m.Anm. F. Walter. 75 A. A. z. B. Auerbacher, S. 7 ff., der die Mitgliedschaft mit einem familienrechtlichen Rechtsverhältnis vergleicht (a.a.O., S. 9f.: Parallele von Ausschließung und Ehescheidung !); auch Rottmann, S. 25ff.: Mitgliedschaft als „Persönlichkeitsrecht". 76 RGZ 100,1,3; OLG Innsbruck JB11987,391; Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 34; Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 32f.; Rummel, Festschr. Strasser, S. 813, 822; anders aber bei der Mitgliedschaft in einem Verein, der Versicherungsgeschäfte i.S. des § 1 Abs. 1 VAG betreibt (vgl. BVerwG NJW-RR 1987, 474; NJW 1987, 1900, 1901).

IV. Vereinssatzung als rechtsgeschäftliche Regelung

105

(oben 3.c.). Diese beruht auf zwingendem oder dispositivem Gesetzesrecht und der Vereinssatzung (vgl. §§ 25, 40 BGB). Das Mitglied ist damit vertraglich an die innerverbandliche Verfassung gebunden, insbes. hinsichtlich der Willensbildung im Verein und der Zuständigkeiten der Vereinsorgane. Dies schließt es ein, daß die Rechtsstellung des einzelnen Mitglieds — soweit nicht ein Fall des § 33 Abs. 1 S. 2 oder des § 35 BGB vorliegt — ohne seine (vertragliche) Zustimmung durch Mehrheitsbeschluß gem. § 32 Abs. 1 S. 2, 33 Abs. 1 S. 1 BGB geändert werden kann, z. B. durch Entzug allgemeiner Mitgliedsrechte (Umkehrschluß aus § 35 BGB) oder durch Auferlegung schuldrechtlicher Leistungspflichten (vgl. oben II.2.b.bb.). In diesem Fall wird das Abweichen vom vertraglichen Konsensprinzip dadurch gerechtfertigt, daß das Gesetz „ein anderes vorschreibt" (§ 305 BGB). Eine vergleichbare Fallgestaltung regeln die §§ 315-319 BGB, nach denen eine schuldrechtliche Leistung durch einen der Vertragschließenden (§315 BGB) oder einen Dritten (§317 BGB) bestimmt werden kann. Zur Begründung des Mehrheitsgrundsatzes braucht allerdings nicht auf die §§ 315 ff. BGB zurückgegriffen werden, da dieser beim Verein als Verfassungsregelung (vgl. § 25 BGB) schon kraft Gesetzes, nicht aber aufgrund vertraglichen Einverständnisses gilt. Allerdings kann auch in der kraft vertraglichen Einverständnisses geltenden Vereinssatzung dem Verein als Gläubiger ein solches Recht zur einseitigen Bestimmung schuldrechtlicher Leistungen i.S. des § 315 BGB eingeräumt werden (vgl. unten § 6 I.2.). b) Begründung der Organstellung durch Vertrag Geltungsgrund und Wirkung der Vereinssatzung für die Organe des Vereins lassen sich ebenfalls rechtsgeschäftlich erklären. Die Bestellung zum Organ bedarf zunächst einer internen Willensbildung der Vereinigung (bei der Vorstandsbestellung im Verein gem. § 27 Abs. 1 BGB eines Beschlusses der Mitgliederversammlung), die dem Betroffenen mitgeteilt werden muß (Bestellungserklärung) 77. Da mit der Organstellung für den Betroffenen Pflichten verbunden sind (z. B. zur Geschäftsführung), darf sie ihm jedoch nicht einseitig aufgedrängt werden. Vielmehr muß der mit der Organstellung Betraute die Bestellung annehmen78. Hierbei handelt es sich um die Annahme eines Vertragsangebots, da die Rechtsfolge (Erlangung der Organstellung) erst mit Annahme des Betroffenen und Übereinstimmung mit dem vereinsintern gebildeten Willen eintritt 7 9 . Aufgrund dieser (vertraglichen) Verpflichtung ist 77

BGHZ 52, 316, 321 = NJW 1970, 33 (für GmbH). Vgl. BGH NJW 1975, 2101; BayObLGZ 1981, 277. 79 Ähnlich Soergel/ Hadding, BGB, §27 Rz. 9; K. Müller, GenG, §24 Rz. 29; Würdinger, Aktienrecht, § 25 I 3 a; vgl. auch BGH W M 1988, 531, 532, wonach eine Verletzung der Vorstandspflichten „nach vertraglichen Grundsätzen schadensersatzpflichtig macht"; z.T. wird die Bestellung dagegen als einseitiges Rechtsgeschäft und die Zustimmung als Rechtsbedingung für dessen Wirksamkeit angesehen, vgl. z. B. Enneccerus/Nipperdey, AllgTeil I, § 109 V I Fn. 35; Staudinger / Coing, BGB, § 27 Rz. 10; MünchKomm-itewter, BGB, § 27 Rz. 2. 78

106

§ 5: Vereinssatzung und Vereinsstrafe

die Vereinssatzung auch für Fremdorgane, die nicht Mitglieder des Vereins sind, bindend 80 . Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die in der Vereinssatzung enthaltenen Regelungen durch Rechtsgeschäft (Gründungsvertrag oder Satzungsänderungsbeschluß) entstehen. Ihrem Inhalt nach sind sie zum Teil als schuldrechtliche, zum Teil als organisationsrechtliche Regelungen einzuordnen. Die Geltung der Vereinssatzung für Mitglieder und Organe beruht auf einem Vertrag, der bei Gründung, Eintritt oder Bestellung zum Organ entweder zwischen den Gründungsbeteiligten oder zwischen dem Verein und dem jeweiligen Mitglied/Organ geschlossen wird. Die Vereinssatzung als Grundlage der Vereinsstrafe kann damit als (ausschließlich) rechtsgeschäftliche Regelung qualifiziert werden. Hieraus sind nun die Schlußfolgerungen für die rechtliche Einordnung der Vereinsstrafe zu ziehen.

80

Zur Abgrenzung zum Anstellungsvertrag, der beim Verein wegen der Verweisung in § 27 Abs. 3 BGB nicht in jedem Fall notwendig ist, vgl. Soergel / Hadding, BGB, § 27 Rz. 12.

§ 6: Einordnung der Vereinsstrafe als Vertragsstrafe I. Grundlage und Festsetzung der Vereinsstrafe als rechtsgeschäftliche Regelungen 1. Vertragliche Grundlage

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß die Vereinsautonomie, kraft derer der Verein seine internen Rechtsverhältnisse eigenverantwortlich regeln kann, als besondere Ausprägung der (allgemeinen) Privatautonomie zu verstehen ist (oben §4 H.4.). Demgemäß beruht auch die Geltung der Vereinssatzung als privatautonom gesetzte Verfassung, die die Grundlagen der Organisation sowie des Rechtsverhältnisses zwischen Verein und Mitgliedern regelt (oben § 5 IV.3.), auf dem rechtsgeschäftlichen Einverständnis der Betroffenen (oben § 5 II.2.b.bb. und IV.4.). Die Vereinssatzung kann nun die Möglichkeit vorsehen, daß unter bestimmten Voraussetzungen durch den Verein Rechtsnachteile für seine Mitglieder und Organpersonen festgesetzt werden 1 . Geltungsgrund einer solchen Regelung ist das vertragliche Einverständnis des einzelnen Mitglieds oder Organs mit der entsprechenden Regelung, das anläßlich der Beteiligung an der Gründung des Vereins, des Eintritts oder der Bestellung zum Organ erklärt worden ist (vgl. oben § 5 IV.4.). Auch soweit eine solche „Strafbestimmung" erst später durch mehrheitlichen Satzungsänderungsbeschluß (vgl. § 33 Abs. 1 S. 1 BGB) eingeführt wird, läßt sich deren Geltung für Mitglieder, die der entsprechenden Satzungsänderung nicht zugestimmt haben, auf ihr vertragliches Einverständnis als Entstehungstatbestand der Mitgliedschaft zurückführen: Dieses umfaßt die Geltung des Mehrheit sgrundsatzes, der für vereinsinterne Angelegenheiten kraft gesetzlicher Anordnung maßgebend ist (vgl. §§ 32 Abs. 1 S. 3, 33 Abs. 1 S. 1, 41 S. 2 BGB) und der es ermöglicht, den Inhalt des zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern und Organen jeweils bestehenden Rechtsverhältnisses auch ohne vertragliches Einverständnis des Betroffenen mit dem konkreten Regelungsinhalt zu ändern (vgl. § 305 BGB). Dies zeigt auch §35 BGB, der den Umkehrschluß zuläßt, daß (allgemeine) Rechte eines Mitglieds ohne dessen Zustimmung durch Beschluß der Mitgliederversammlung beeinträchtigt werden können, soweit es sich eben nicht um Sonderrechte i.S. dieser Vorschrift

1 Da es sich hierbei um eine Grundlagenentscheidung des Vereinslebens mit „Verfassungsqualität" i. S. des § 25 BGB handelt, müssen solche Rechtsnachteile notwendigerweise in der Satzung (und nicht etwa in einer ihr nachrangigen Nebenordnung) geregelt sein (vgl. unten § 10 I.).

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§ : Vereinsst

Versstrafe

handelt 2 . Umgekehrt muß dies auch für die Begründung neuer allgemeiner Mitgliedspflichten, insbes. für die Einführung einer „Strafregelung", gelten. Nur beruht die Zulässigkeit einer solchen einseitigen Änderung des Rechtsverhältnisses zwischen Mitglied/Organ und Verein nicht auf einer — wie auch immer gearteten — „Unterwerfung unter die Vereinsgewalt" (so der wohl herrschende korporationsrechtliche Ansatz; vgl. §§ 2 und 31.) 3 , sondern auf dem Mehrheitsgrundsatz, der kraft gesetzlicher Anordnung für die vereinsinternen Rechtsverhältnisse gilt, sobald die Mitgliedschaft oder Organstellung durch Vertrag begründet worden ist. 2. Leistungsbestimmungsrechte des Vereins

a) Ausgangspunkt Auch daß die Vereinsstrafe im konkreten Fall meist einseitig durch ein Organ des Vereins festgesetzt wird, hindert nicht, ihren Geltungsgrund rechtsgeschäftlich zu erklären. Die §§ 315 f. BGB setzen als zulässigen Inhalt eines Vertrags voraus, daß die Bestimmung einer Leistung durch „einen der Vertragschließenden" (§315 Abs. 1 BGB), ja sogar durch den Gläubiger (vgl. §316 BGB), erfolgen kann. Mitgliedschaftliche Rechte und Rechtspflichten sind — soweit es sich nicht um organisationsrechtliche Regelungen handelt — als schuldrechtliche Leistungen i.S. des § 241 BGB zu qualifizieren (vgl. oben § 5 IV.3.b. sowie unten II.2.b.aa.). In der Vereinssatzung kann nun dem Verein das Recht eingeräumt sein, dort abstrakt-generell dem Grund nach vorgegebene Leistungspflichten im einzelnen Fall zu konkretisieren, d. h. zu bestimmen. Dies gilt insbesondere für dort vorgesehene „Vereinsstrafen", die im konkreten Fall durch ein Vereinsorgan festgesetzt werden (vgl. unten I I . l . ) 4 . Eine Berechtigung zur Leistungsbestimmung kann so ausgestaltet sein, daß der Gläubiger darüber entscheidet, ob er überhaupt die Leistung fordert, welche von mehreren versprochenen Leistungen er verlangt (vgl. auch §§262 ff. BGB zur Wahlschuld 5 ) und in welcher Höhe er eine — quantitativ abstufbare — Leistung beansprucht 6. Rechtsdogmatisch ist die Vereinbarung des Bestimmungsrechts 2

Vgl. BGHZ 55,381,386 = NJW1971,879 zur „Herabstufung" in eine minderberechtigte Mitgliedergruppe des Vereins; MünchKomm-Reuter, BGB, § 38 Rz. 20; Soergel/ Hadding, BGB, § 35 Rz. 6; § 38 Rz. 25; auch BVerwG NJW-RR 1987, 474, 475. 3 Besonders kraß RG JW 1937, 1548: Verein als „dem einzelnen übergeordnetes Gebilde, das Träger einer Gemeinschaftsgewalt" ist; auf diese —jedenfalls terminologisch — deutlich vom Zeitgeist (1937!) geprägte Entscheidung nimmt dann BGHZ 13, 5,11 zur Begründung seiner Auffassung bezug; ebenso Vollmer, Schiedsklauseln, S. 43 f., der dies sogar aus Art. 9 G G herleiten will (dazu oben § 4 II.4.c). 4 Ebenso Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 146; Friedrich, S. 90 ff. 5 Vgl. StaudingerI Mayer-Maly, BGB, § 315 Rz. 25, der zutreffend darauf hinweist, daß eine Wahlschuld mit einem Leistungsbestimmungsrecht kombiniert werden kann. 6 Zur möglichen Reichweite des Rechts zur Leistungsbestimmung vgl. Staudinger/ Mayer-Maly, BGB, § 315 Rz. 18; MünchKomm-Söllner, BGB, § 315 Rz. 8; Soergel/M. Wolf, BGB, § 315 Rz. 13.

I. Rechtsgeschäftliche Grundlage und Regelung

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als vertragliche Einräumung eines Gestaltungsrechts zu qualifizieren, das durch einseitiges Rechtsgeschäft ausgeübt wird 7 . Für die Gründungsbeteiligten entsteht das Recht des Vereins zur Leistungsbestimmung aufgrund des Gründungsvertrags, der insoweit als Vertrag zu Rechten Dritter i.S. der §§ 328 ff. BGB, nämlich zugunsten des Vereins, anzusehen ist; erwirbt der Verein mit seiner Entstehung als Vorverein das Recht, so wird er als Gläubiger der „Vereinsstrafe" Beteiligter des Schuldverhältnisses und ist damit als Vertragschließender i.S. des §315 Abs. 1 BGB anzusehen8. Für später beitretende Mitglieder enthält der Eintrittsvertrag die Einräumung des Leistungsbestimmungsrechts, das in der Satzung enthalten ist. Wird das Recht durch Satzungsänderung eingeführt, so wird das vertragliche Einverständnis derjenigen Mitglieder, die dem Beschluß nicht zugestimmt haben, durch den aufgrund gesetzlicher Bestimmung (§33 Abs. 1 S. 1 BGB) mit qualifizierter Mehrheit gefaßten Beschluß ersetzt (vgl. § 305 a.E. BGB). Maßstab der Leistungsbestimmung ist im Zweifel gem. § 315 Abs. 1 BGB das billige Ermessen des Berechtigten (hier des Vereins). Da das vertragliche Einverständnis des Verpflichteten nur die Zuständigkeit des anderen Teils zur einseitigen Leistungsbestimmung deckt, nicht aber den Inhalt den in Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts getroffenen Regelung selbst, ist dieser einer gerichtlichen Inhaltskontrolle gem. §315 Abs. 3 BGB im Hinblick darauf unterworfen, ob die Bestimmung billigem Ermessen i. S. der Auslegungsregel des § 315 Abs. 1 BGB entspricht 9 . b) Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts „ Unterwerfung "?

als rechtsgeschäftliche

Da die Ausübung des Gestaltungsrechts und die Bestimmung der Leistung hier durch Vertrag ausschließlich in das Ermessen eines Beteiligten gestellt ist, könnte man insofern von einer „Unterwerfung", nämlich unter die Regelungsmacht (hier: des Vereins), sprechen 10. Diese Terminologie impliziert jedoch, daß 7

Vgl. vor allem Bötticher , Gestaltungsrecht, S. 1 ff., 16f.; auch Leonhard , SchuldR I, S. 88; P. BydlinskU S. 263 f.; Staudinger / Mayer-Maly, BGB, § 315 Rz. 16; MünchKommSöllner, BGB, §315 Rz. 18f.; Soergel/M . Wolf BGB, §315 Rz. 31, 33; z.T. a.A. Kornblum , AcP 168 (1968), 450ff., 465. 8 Vgl. allg. Soergel / Hadding, BGB, § 328 Rz. 20,41 f.; auch SchillingI Winter , Festschr. Stiefel, S. 665,667, die § 315 BGB auf die Festsetzung der Abfindung eines ausscheidenden GmbH-Gesellschafters nur entsprechend anwenden wollen, weil die GmbH nicht Partei des Gesellschaftsvertrags ist. 9 Dies verkennt Reemann, S. 119, der die gesetzliche Auslegungsregel in § 315 Abs. 1 BGB übersieht. 10 So — trotz rechtsgeschäftlichen Ausgangspunkts — Bötticher , Gestaltungsrecht, S. 7f., 27ff.; ders., ZfA 1970, 3,46; Dütz , Gerichtsschutz S. 273 ff.; Adomeit , Gestaltungsrechte, S. 35ff.; ders., Festschr. Kelsen, S. 9, 15; Schlosser , M D R 1967, 884f.; ders., Vereinsgerichtsbarkeit, S. 44; Wiedemann , GesR I, S. 185 f.; H. P. Westermann , in: Verbandsrechtsprechung, S. 41, 44f.; krit. Becker , AcP 188 (1988), 24, 28 Fn. 16.

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§ : Vereinsst

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zwischen dem M i t g l i e d als „ U n t e r w o r f e n e m " u n d dem Verein ein Verhältnis der Über- u n d U n t e r o r d n u n g besteht 1 1 , vergleichbar dem Subordinationsverhältnis zwischen Bürger u n d Staat i m öffentlichen R e c h t 1 2 . Dies trifft aber nicht zu, da sich Verein u n d M i t g l i e d als Rechtssubjekte des Zivilrechts auf der Ebene der Gleichordnung gegenüberstehen u n d die Regelungsmacht des Vereins auf der vertraglichen Einräumung eines Gestaltungsrechts b e r u h t 1 3 . M a n sollte daher davon absehen, (sei es auch nur terminologisch) an öffentlich-rechtliche Kategorien anzuknüpfen u n d Ausdrücke wie „ U n t e r w e r f u n g " , „Strafgewalt" oder „(belastender) Vereinsverwaltungsakt" 1 4 zu verwenden, die eine v o m W i l l e n des Betroffenen unabhängige Regelungsbefugnis eines übergeordneten Rechtssubjekts des öffentlichen Rechts voraussetzen 1 5 . Ebensowenig wie den Vereinen eine Befugnis zur Setzung objektiven Rechts zusteht (vgl. oben § 5 I I . 2 . b . a a . ) 1 6 , bildet die Festsetzung einer „Vereinsstrafe" i m einzelnen F a l l eine Maßnahme autonomer Selbstverwaltung oder gar der Gerichtsbarkeit i. S. eines hoheitlichen Handelns der Exekutive oder J u d i k a t i v e 1 7 . Vielmehr handelt es sich u m die rechtsgeschäftliche D u r c h f ü h r u n g des zwischen Verein u n d M i t g l i e d / O r g a n bestehenden Rechtsverhältnisses auf der Grundlage der ver11 Vgl. schon oben § 2 III.2.; zur Begründung dieser Vorstellung durch v. Gierke oben § 3 1.1.a.; zum faktischen Ungleichgewicht oben § 5 III. 12 So Jötten, S. 294 ff., im Widerspruch zu seinem rechtsgeschäftlichen Ausgangspunkt (a.a.O., S. 82ff.). 13 Anders insbes. Schlosser a.a.O. (Fn. 10) und Bötticher a.a.O. (Fn. 10), die aus der vertraglichen Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts eine rechtliche Unterordnung des Betroffenen herleiten wollen. 14 So insbes. Schlosser, M D R 1967, 884ff., 961 ff.; ders., Vereinsgerichtbarkeit, S. 49; auch RG JW 1900, 417; Baumann, S. 63f.; Samstag, S. 37ff.; Horschitz, Vereinsstrafe, S. 45ff.; H. P. Westermann, in: Verbandsrechtsprechung, S. 41, 44; Reemann, S. 181 f.; dagegen Flume, Festschr. Bötticher, S. 101, 113. 15 Ebenso Flume, Festschr. Bötticher, S. 101, 113, ders., Juristische Person, §9 1, S. 319f.; Schmitz, S. 80; Hadding, Festschr. R. Fischer, S. 165, 175f.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 96f.; Rogier, S. 166f.; AK-BGB-Ott, §25 Rz. 13, 30; Noack, S. 105f.; Th. Raiser, ZHR 153 (1989), 1, 13f.; ansatzweise auch Bötticher, ZfA 1970, 3, 46. 16

Aus rechtssoziologischer Sicht weist Röhl, Rechtssoziologie, S. 220, daraufhin, „daß alle nichtstaatlichen Ordnungen, auch wenn sie zu einer justizähnlichen Institutionalisierung gefunden haben, aus dem Rechtsbegriff herausfallen" (Hervorhebung im Original); als Beispiel nennt er die „Sportverbände mit ihren Sportgerichten". 17 Unbegründet sind deshalb alle aus dem staatlichen Rechtsprechungs- oder Strafmonopol (vgl. Art. 92 GG) hergeleiteten Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vereinsstrafen (vgl. BGHZ 29, 352, 358; K G JW 1926, 1600; Baur, JZ 1965, 163, 164; Reichertl Danneckerl Kühr, Rz. 1111; dagegen Zöllner, ZZP 83 [1970], 365, 379ff. zur Betriebsstrafe; Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 50ff.; Leßmann, Wirtschaftsverbände, S. 271 f.; H. P. Westermann, Verbandsstrafgewalt, S. 58 ff.; Merkel, S. 66ff.; Bodmer, S. 80ff.; offen BVerfG, Beschluß vom 13. Juni 1986 — 1 BvR 1705/84 — unveröffentlicht); denn die Ausübung eines Gestaltungsrechts kann niemals Rechtsprechung i. S. des Art. 92 GG sein. Bedenklich dagegen O L G Düsseldorf, NJW-RR 1986, 675; L G Oldenburg JZ 1989, 593, die ein vereinsinternes „Strafverfahren" einem gerichtlichen Verfahren hinsichtlich des Ausschlusses von Unterlassungs- und Widerrufsansprüchen gegenüber dem Vorbringen eines Beteiligten gleichstellen.

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traglich vereinbarten Satzungsregeln. Daß es hierbei nicht um bloße Terminologiefragen ohne rechtliche Auswirkungen geht, wird an den von der Rechtsprechung aus der Annahme einer „autonomen Strafgewalt" gezogenen Folgerungen für die gerichtliche Überprüfung der Straffestsetzung deutlich (vgl. oben § 2 I. und III.). Gleichwohl sind Terminologiefragen stets auch Sachfragen; dies zeigt sich z. B. darin, daß der Gesetzgeber den Begriff der „elterlichen Gewalt" (vgl. §§ 1626ff. BGB a.F.), der als wenig zeitgemäß empfunden wurde 18 , seit dem 1.1.1980 durch die Bezeichnung „elterliche Sorge" ersetzt und damit das einzige „Gewaltverhältnis" des Zivilrechts — jedenfalls terminologisch — beseitigt hat. Begrifflich eher neutral spricht auch das PartG in § 10 Abs. 3 für politische Parteien, die regelmäßig als eingetragener oder nicht eingetragener Verein organisiert sind, von „Ordnungsmaßnahmen", die aufgrund der Satzung gegen Mitglieder angeordnet werden können (ähnlich §18 Abs. 1 Nr. 3 d BWaldG: „Ordnungsmittel und Vertragsstrafen"). Allerdings führt es im hier behandelten Zusammenhang für die Rechtsanwendung nicht weiter, wenn man — wie Reichert / Dannecker / Kühr 19 — einerseits für die „verbale Abkehr" von Begriffen wie „Vereinsstrafe" und „Strafgewalt" und Hinwendung zu Termini wie „Ordnungswidrigkeit", „Ordnungsmittel" oder „Ordnungsgewalt" plädiert, andererseits aber vom „naturgegebenen" Recht des Vereins ausgeht, seine innere Ordnung durch „private Vereinsgerichtsbarkeit" gegenüber den „Gewaltunterworfenen" durchsetzen zu können 20 ; hiermit wird nur der alte Wein überkommener Lehren in die neuen Schläuche zeitgemäßerer Worthülsen gefüllt. Dagegen kann man durchaus von „Vereinsstrafen" sprechen, weil das BGB, insbes. in den §§ 339ff., „Strafen" zwischen Rechtssubjekten des Zivilrechts kennt 2 1 . Nur ist zu betonen, daß diese allein auf rechtsgeschäftlicher Grundlage beruhen, ohne daß eine Gemeinsamkeit mit der Strafgewalt des Staates besteht. Dieser grundlegende Unterschied wird jedoch nicht zuletzt durch die Anlehnung an öffentlich-rechtliche Begriffe verwischt. 3. Rechtsgeschäftliche Durchführung der Vereinssatzung im Verhältnis zwischen Verein und Mitglied

a) Tragweite Die vorstehenden Ausführungen ergeben, daß sowohl der Geltungsgrund der Vereinsstrafe als auch ihre Festsetzung im konkreten Fall als rechtsgeschäftliche Tatbestände des Schuldrechts erklärt werden können. Grundlage ist das vertragliche Einverständnis mit der Begründung der Mitgliedschaft oder 18

Vgl. BGHZ 66, 334, 337. A.a.O., Rz. 1132. 20 Reichert / Dannecker / Kühr, Rz. 1111, 1112. 21 Zum weitergehenden Begriff der „Privatstrafe" vgl. vor allem Großfeld , Die Privatstrafe, passim, insbes. S. 9ff.; Schmidt , Schadensersatz und Strafe, S. 41 ff. 19

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Organstellung i m Zusammenwirken m i t dem kraft Gesetzes geltenden M e h r heitsgrundsatz u n d der Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte i.S. des §315 B G B i n der Satzung. Diese rechtsgeschäftliche D e u t u n g der Durchführung der Satzung i m Verhältnis zwischen dem Verein u n d seinen Mitgliedern u n d Organen gilt jedoch nicht nur für den Bereich der Vereinsstrafen, sondern darüber hinaus für die Begründung, Erweiterung u n d Konkretisierung mitgliedschaftlicher Pflichten 22, den Entzug u n d die Beeinträchtigung mitgliedschaftlicher Rechte 23 sowie für die Gewährung v o n Leistungen 24 des Vereins an seine Mitglieder, soweit auf sie nicht ein konkreter gesetzlicher oder satzungsmäßiger Anspruch i. S. der §§ 194 Abs. 1,241 B G B besteht 2 5 . Sämtliche Fallgestaltungen dieser A r t lassen sich durch den Mehrheitsgrundsatz i n Verbindung m i t satzungsmäßig eingeräumten Gestaltungsrechten zur einseitigen Leistungsbestimmung seitens des Vereins rechtsgeschäftlich d e u t e n 2 6 . Hiergegen k a n n auch nicht eingewandt werden, es handle sich „um eine durch nichts gerechtfertigte Unterstellung oder Fiktion, wenn man bei den Vereinsmitgliedern einen Willen annehmen wolle, sich künftigen nicht übersehbaren Willensäußerungen der Vereinsorgane zu unterwerfen" 27 .

22 Zur Beitragserhöhung vgl. BGH W M 1989, 184 = ZIP 1989, 14ff. sowie die instanzgerichtlichen Entscheidungen in diesem Rechtsstreit: O L G Köln ZIP 1988, 19 m. Anm. HäuserIvan Look, EWiR§ 39 BGB 1/88 = ZfgG 38 (1988), 222 m. Anm. Pleyer; L G Bonn W M 1987,1074,1077; auch Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 173 ff.; Beuthien, BB 1987, 6,10; ferner BGH NJW 1960,1858,1860; NJW 1979,2248 = W M 1979, 275 = DB 1980, 643; W M 1983, 1006, die für die Festsetzung einer nur dem Grund nach im Statut geregelten Vergütung für Leistungen einer eG auf § 315 BGB verweisen. 23 Vgl. O L G Frankfurt W M 1986, 302 (dazu Teichmann / Theis, JuS 1987, 695) zum Entzug des Zeichenbenutzungsrechts durch einen Zeichen verband (DLG) als „Verbandsstrafe"; OLG Celle W M 1988, 495 m. Anm. Grunewald = WuB I I L. § 38 BGB 2.88 m.Anm. van Look, zum Ausschluß eines Mitglieds vom Clubwettbewerb; auch Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 152f.. 24 Vgl. BVerwG NJW 1987, 1900,1901, zur Gewährung einer „Unterstützung" durch einen Sterbeverein; Vorderwülbecke, S. 38 ff, zu den Leistungen der Gewerkschaften an ihre Mitglieder; Schilling/ Winter, Festschr. Stiefel, S. 665 ff., zur Festsetzung der Abfindung eines ausscheidenden GmbH-Gesellschafters; auch OLG Hamburg WRP 1985, 431, 432, wo die Auslegung der Vereinssatzung kein Ermessen, sondern einen Anspruch auf Erteilung einer Renngenehmigung ergab; OLG Düsseldorf, WuW 1981,366 = GewArch 1981, 392, zur Zulassung zu einer Vereinsmesse; LG Lübeck NJW-RR 1988, 122, zur Entscheidung des Vereins über die „Freigabe" eines Amateurfußballspielers; LG Frankfurt ZIP 1989, 599, 602 f., zur Gestattung der Kondomwerbung durch den DFB. 25

Dies gilt allerdings nicht für den Bereich mitgliedschaftlicher Sonderrechte und -pflichten, für die § 35 BGB das vertragliche Konsensprinzip wieder in Kraft setzt. 26 Vgl. Schlosser, M D R 1967, 961, 963 ff.; ders., Vereinsgerichtsbarkeit, S. 38 ff., 71 ff., 137ff., der trotz problematischer Terminologie („belastende" und „begünstigende Vereinsverwaltungsakte") die für schuldrechtliche Verträge geltende Regelung des § 315 BGB anwendet (a.a.O., S. 138ff., 142ff.); auch Friedrich, S. 88ff., 94; H. P. Westermann, in: Verbandsrechtsprechung, S. 41, 51 ff.; ferner Heid, S. 107ff. 27

So Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 36 (referierend) für die Vertreter der Normtheorie; ähnlich Vollmer, Schiedsklauseln, S. 21 f.

I. Rechtsgeschäftliche Grundlage und Regelung

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Vielmehr handelt es sich um schlichte Gesetzesanwendung, nämlich des in den §§ 32 Abs. 1 S. 3, 33 Abs. 1 S. 1,41 S. 2 BGB bestimmten Mehrheitsgrundsatzes sowie des § 315 BGB, der eine Unbestimmtheit des Leistungsinhalts und ein für den anderen Teil verbindliches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gerade voraussetzt 28. Erkennt man die rechtsgeschäftliche Grundlage des vertraglich begründeten Verhältnisses zwischen dem Verein, seinen Mitgliedern und Organen, so kann auch die Durchführung der Satzung nur rechtsgeschäftlich zu deuten sein; insofern bedarf es keiner „Umdeutung" 2 9 oder keines „Umtaufungsakts" 30 der Vereinsstrafen in Vertragsstrafen, sondern nur ihrer zutreffenden Einordnung in die Systematik des BGB (dazu unten II.2. und III.). Demgegenüber erscheint die Annahme einer rechtlichen Subordination der Mitglieder und Organe unter eine „autonome Vereinsgewalt" als — methodisch unzulässiger — Schluß vom Sein (faktisches Ungleichgewicht) auf das Sollen, für den das „Personenrecht des Allgemeinen Teils des B G B " 3 1 keinen Anhaltspunkt bietet. b) Strukturelle

Besonderheiten

Der Grund für den weitergehenden Anwendungsbereich einseitiger Leistungsbestimmungsrechte im Vergleich zu Rechtsverhältnissen, die sich in einem einmaligen Leistungsaustausch erschöpfen, liegt in der körperschaftlichen Struktur des Vereins und im Charakter der Mitgliedschaft als Dauerrechtsverhältnis: Die i.d.R. hohe Mitgliederzahl und die Verselbständigung des Vereinszwecks bei wechselndem Mitgliederbestand sowie die Veränderung äußerer Umstände oder der Vorstellungen der Mitglieder aufgrund Zeitablaufs erfordern es, innere Angelegenheiten des Vereins auch gegen den Willen einzelner Mitglieder in bestimmter Weise zu regeln 32 . Dem trägt das Gesetz durch den Mehrheitsgrundsatz Rechnung, der durch die Einräumung von Leistungsbestimmungsrechten in der Satzung ergänzt werden kann. Allerdings fordert das faktische Ungleichgewicht („Machtgefälle") zwischen dem Verein und dem einzelnen Mitglied oder einer innerhalb eines Vereinsorgans überstimmten Minderheit eine erweiterte gerichtliche Kontrolle des Inhalts der Satzungsbestimmungen und anderer abstrakt-genereller vereinsinterner Regelungen (vgl. schon oben § 5 III.). Für den Bereich der körperschaftlich 28 Vgl. Staudinger / Mayer-Maly, BGB, §315 Rz. 2, lOff., 17ff.; Soergel/M. Wolf BGB, §315 Rz. 10. 29 So Meyer-Cording, NJW 1966, 225 f., der gegen die rechtsgeschäftliche Einordnung der Vereinsstrafen mit dem psychologischen Vorgang der „Verdrängung" polemisiert. 30 So MünchKomm-Ztewter, BGB, § 25 Rz. 30; zustimmend Röhricht, in: Verbandsrechtsprechung, S. 75, 84; ders., AcP 189 (1989), 386, 391. 31 So Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 54 zur angeblichen „Wurzel" der „Vereinsdisziplinarstrafe"; ebenso ders., NJW 1966, 225, 226. 32 Vgl. BGHZ 96, 245, 251, zur Zweckänderung; dazu Häuser /van Look, ZIP 1986, 749, 752; Reuter, ZGR 1987,475 ff.; auch Soergel/H adding, BGB, § 32 Rz. 31, § 33 Rz. 8.

8 van Look

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strukturierten Personalgesellschaften (insbes. die Publikums-KG) ist eine Inhaltskontrolle von Gesellschaftsverträgen und Gesellschafterbeschlüssen unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit oder Billigkeit (§ 242 BGB) anerkannt 33 ; auch für den Verein finden sich Ansätze für eine Inhaltskontrolle der Satzung und ihr nachrangiger Nebenordnungen (vgl. dazu unten § 10 I I . l . ) 3 4 . Einer inhaltlichen Überprüfung in Form einer Ausübungskontrolle müssen aber auch die aufgrund Gesetzes (§§ 32,33 BGB) oder der Satzung durch Mehrheitsbeschluß der Mitgliederversammlung oder eines anderen Vereinsorgans getroffenen Regelungen unterliegen, da der konkrete Inhalt der Bestimmung u.U. nicht durch das Einverständnis des oder der Betroffenen gedeckt ist 3 5 ; hiervon geht auch das Gesetz in § 315 Abs. 3 BGB aus (vgl. schon oben 2.a.). Ist das Einverständnis des Betroffenen mit dem konkreten Regelungsinhalt nicht erforderlich, so entfällt mit der „Richtigkeitsgewähr" (SchmidtRimpler) oder „Richtigkeitschance" (M. Wolf) 26 auch der Grund dafür, die Regelung — wie beim Vertrag — nur auf ihr formales Zustandekommen und schwerwiegende inhaltliche Mängel (vgl. §§ 134, 138 BGB) gerichtlich zu überprüfen 37 ; gefordert ist vielmehr eine weitergehende und wegen des „Machtgefalles" auch zwingende inhaltliche Kontrolle unter den Gesichtspunkten der Billigkeit (vgl. §§ 242, 315 Abs. 1 und 3 BGB) sowie des Minderheiten- und des Individualschutzes (vgl. unten § 10 I I . l . ) 3 8 . Für Mehrheitsbeschlüsse gilt das gesellschaftsrechtliche Verbot des Machtmißbrauchs gegenüber der Minderheit (§§ 138 Abs. 1, 242 BGB) 3 9 ; allgemein, d.h. sowohl für Mehrheitsbeschlüsse als 33 Vgl. etwa BGHZ 102,172,177 f. = NJW 1988, 969 = W M 1988, 23, 25; Hörn, JA 1987, 337 ff. 34 Vgl. z.B. O L G Frankfurt OLGZ 1981, 391; Röhricht, in: Verbandsrechtsprechung, S. 75 ff.; Palandt/Heinrichs, BGB, § 25 Anm. 3c; für offene Inhaltskontrolle nunmehr BGH W M 1989,184 = WuB I I L. § 25 BGB 1.89 m. Anm. Beuthien = ZIP 1989,14,18. 35 Vgl. Wiedemann, GesR I, S. 173; i.Erg. ebenso Reemann, S. 182; für den Bereich der Kapitalgesellschaften BGHZ 70,117,121; 71, 40,44ff.; 80, 69, 74; 83, 319, 322; 103,184, 190f.; für Personalgesellschaften U. H. Schneider, ZGR 1972, 357, 382ff.; ders., ZGR 1978, 1, 8. 36 Vgl. zu dieser Überlegung Kronke, AcP 183 (1983), 113, 132; Schilling/ Winter, Festschr. Stiefel, S. 665, 667; MünchKomm-SöV/wer, BGB, § 315 Rz. 1; zu den „Richtigkeitstheorien" oben § 5 I. 37 Vgl. U. H. Schneider, ZGR 1978, 1, 6ff.; ders., ZHR 142 (1978), 228, 256f.; Wiedemann, GesR I., S. 172f.; ebenso zum vergleichbaren Problem der Inhaltskontrolle von AGB E. Schmidt, JuS 1987, 929, 932 ff. 38 Vgl. Wiedemann, ZGR 1980,147,150ff.; ders., GesR I., S. 173; zum Individual- und Minderheitenschutz als grundlegenden Strukturprinzipien des Gesellschaftsrechts ebenda S. 257ff., 404 ff; K. Schmidt, GesR, S. 350ff., 444ff.; auch U. H. Schneider, ZGR 1978,1, 16 (für Publikums-KG). 39 Vgl. BGH W M 1989,184 = ZIP 1989, 14, 18; auch Hadding, ZGR 1979, 636, 647; Häuser/van Look, ZIP 1986,749,755; MünchKomm-Reuter, BGB, § 33 Rz. 9; ders., ZGR 1987,475, 487 f. (zur Zweckänderung durch Mehrheitsbeschluß); K. Schmidt, GesR, § 16 II.4. und III.; SoergelI Hadding, BGB, § 32 Rz. 36; ferner Beuthien, BB 1987,6,10: Verbot der wesentlichen Pflichtenmehrung; Timm, ZGR 1987,408,408 ff., 421 ff. (für strukturverändernde Entscheidungen bei der AG).

II. Regelungsgehalt und Aufgabe

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auch für die Ausübung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte, gelten die Grundsätze der gleichmäßigen Behandlung aller Mitglieder und der Verhältnismäßigkeit sowie eine aus der Pflicht zur Förderung des Vereinszwecks (die sowohl die Mitglieder als auch den Verein selbst und seine Organe trifft) herzuleitende Rücksichts-(Treu-)pflicht des Vereins gegenüber seinen Mitgliedern. Bei der Ausübung von Leistungsbestimmungsrechten, insbes. der Festsetzung einer Vereinsstrafe, ergeben sich hieraus besondere gesellschaftsrechtliche Grenzen eines eingeräumten Ermessens (vgl. § 315 Abs. 1 BGB), deren Einhaltung durch das Gericht voll nachprüfbar ist. Hierdurch wird dem Individualschutz der Mitglieder in weitaus höherem Maß Rechnung getragen als durch die Annahme einer „autonomen Vereinsstrafgewalt", deren Ausübung nach der Rechtsprechung hinsichtlich der Voraussetzungen des Leistungsbestimmungsrechts, nämlich der Subsumtion des „strafwürdigen" Sachverhalts unter die Strafbestimmung in der Satzung, nur auf offenbare Unbilligkeit gerichtlich überprüft werden kann 4 0 . Wenn die grundsätzliche Befugnis zur Festsetzung von Vereinsstrafen auf die vertragliche Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts i.S. der §§ 315 ff. BGB zurückgeführt wird, ist damit freilich noch nicht gesagt, ob Vereinsstrafen auch als Vertragsstrafen i.S. der §§ 339ff. BGB zu qualifizieren sind. Zwar handelt es sich hierbei um das Institut, welches das BGB zur Sicherung von Leistungspflichten zur Verfügung stellt, so daß die rechtsgeschäftliche Grundlage der Vereinsstrafe gewissermaßen ein Anzeichen für ihre Einordnung als Vertragsstrafe darstellt. U m festzustellen, ob die Merkmale der Vertragsstrafe auf die hier behandelten Vereinsstrafen zutreffen (vgl. unten III.), ist zunächst auf die Aufgabe und den Regelungsgehalt der Vereinsstrafen nach ihrem rechtstatsächlichen Erscheinungsbild einzugehen. II. Regelungsgehalt und Aufgabe der Vereinsstrafe 1. Erscheinungsformen

a) Tatbestandsseite Vereinssatzungen sehen die Festsetzung einer Vereinsstrafe (zu den Arten vgl. unten b.) in Fällen vor, in denen das einzelne Mitglied oder Organ seine mitgliedschaftlichen oder organschaftlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt. Da die Mitgliedspflichten je nach Art und Zweck des konkreten Vereins unterschiedlich ausgestaltet sind, ist eine Vielzahl von Verhaltensweisen denkbar, die im einzelnen Fall die Festsetzung eines Rechtsnachteils in Form einer Vereinsstrafe nach sich ziehen. Aus der Rechtsprechung lassen sich folgende Sachverhalte entnehmen, die im konkreten Fall den Anlaß zur Festsetzung einer Vereinsstrafe bildeten: 40 Vgl. BGHZ 87, 337, 345; einschränkend nunmehr BGHZ 102, 265, 276 f. = NJW 1988, 552 = W M 1987, 1422 (dazu Hadding/van Look, ZGR 1988, 270ff.).

8*

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Versstrafe

— Nichterfüllung der Pflicht zur Beitragszahlung 1; — Beleidigung oder Kritik gegenüber Vereinsorganen 2; — Verstoß gegen Berufs- oder Standespflichten bei berufs- oder standesspezifischen Vereinigungen 3; — Fehlen bei obligatorischen Vereinsveranstaltungen (z.B. Training beim Sportverein) 4 ; — Nichtbeachtung einheitlicher Konditionen für Verträge der Mitglieder mit Dritten bei Kartellen und kartellähnlichen Vereinigungen (z. B. hinsichtlich Verkaufskonditionen, Preisen, Löhnen) 5 ; — Nichterfüllung von Ablieferungs- oder Bezugsverpflichtungen, insbes. bei genossenschaftsähnlichen Vereinigungen 6; — Verstoß gegen allgemeine (Straf-)Gesetze 7 oder Wettbewerbsregeln 8; — Verstoß gegen ungeschriebene, vereinsinterne oder vom übergeordneten Verband aufgestellte Sport- oder Spielregeln 9;

1 Vgl. O L G Bamberg NVwZ 1983,572 (Streichung aus Mitgliederliste einer politischen Partei); zur Ausschließung aus der Sicherungseinrichtung eines Spitzenverbands des Kreditgewerbes BGH W M 1989, 184 = WuB I I L. § 25 BGB 1.89 m. Anm. Beuthien = ZIP 1989,14, sowie die instanzgerichtlichen Entscheidungen in diesem Rechtsstreit: OLG Köln ZIP 1988,19 m. Anm. Häuser Ivan Look, EWiR § 39 BGB 1/88 = ZfgG 38 (1988), 222 m. Anm. Pleyer, L G Bonn W M 1987,1074 f.; auch Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 68; Reichert/Dannecker/Kühr, Rz. 486; ferner RGZ 108,160f. zur Nichterfüllung der Pflicht zur Zahlung der Verfahrenskosten; RG JW 1932, 1010 zur Nichterfüllung der Beitragspflicht bei einer eG. 2

Vgl. RGZ 82, 248, 250; RG JW 1915,1424; BGHZ 102, 265, 278 f.; OLG Hamm BB 1976,1191; O L G Düsseldorf NJW-RR 1986, 675; NJW-RR 1988,1271; O L G Innsbruck JB1 1987, 391. 3 Vgl. RGZ 73, 187; 107, 386; 147,11,16 (jeweils für Ärztevereine); RGZ 125, 338f. (Apothekerverein); BGHZ 29, 352, 355 (Spediteurverein); BGH W M 1961, 942 (Börsenverein des deutschen Buchhandels). 4 Vgl. RG JW 1927, 2996; auch BAG DB 1986, 1979; L A G Hamm ZIP 1984, 1396 f. (Vertragsstrafe für DFB-Lizenzspieler). 5 Vgl. RGZ 151, 229f.; 153, 267f.; RG JW 1906, 396 (für nicht eingetragenen Verein); Z A k D R 1937, 655; DR 1939, 1915; BGHZ 21, 370, 371; K G DR 1939, 2156; L G Frankfurt/M. JW 1935, 3493; L G Köln JW 1938, 2300. 6 Vgl. RGZ 75, 159; RG JW 1927, 691; OLG Stettin OLGE 28, 97; OLG Oldenburg NJW-RR 1988, 675; L G Hanau W M 1986, 887 = ZfgG 38 (1988), 353 m. Anm. Hofmann (jeweils für eG). 7 Vgl. RG JW 1927, 847; HRR 1942 Nr. 779; BGH W M 1961, 942; OLG Frankfurt W M 1986,302. 8 Vgl. BGHZ 36, 105, 111, 115; OLG Düsseldorf DB 1986, 793. 9 Vgl. BGH NJW 1972,1892; OLG Karlsruhe OLGZ 1970, 300, 305; O L G Frankfurt WRP 1985, 564; BAG NJW 1980, 470; A G Brakel NJW-RR 1988, 1246; Kühl, in: Verbandsrechtsprechung, S. 22, 33 ff. (zum Fußballsport).

II. Regelungsgehalt und Aufgabe

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— Unterstützung konkurrierender Gruppen durch Mitglieder politischer Parteien oder Gewerkschaften (z. B. durch Kandidatur auf fremder Liste) 10 ; — sog. Streikbrecherarbeit durch Gewerkschaftsmitglieder 11.

Allen diesen Verhaltensweisen ist gemeinsam, daß sie im konkreten Fall — jedenfalls nach Ansicht der zuständigen Vereinsorgane — als Verstoß gegen die jeweiligen Mitgliedspflichten anzusehen waren. Dabei ist das strafwürdige Verhalten in der Vereinssatzung—u. U. konkretisiert durch eine Nebenordnung — vielfach tatbestandlich nicht fest umrissen (wie z. B. in den Regelwerken für Wettkämpfe in Sportverbänden) 12 ; vielmehr wird die Festsetzung einer Vereinsstrafe häufig auf generalklauselartige Bestimmungen gestützt, z. B. das Verbot „vereinsschädigenden" 13, „unwürdigen" oder „unsportlichen" Verhaltens 14 (zur rechtlichen Würdigung unter dem Gesichtspunkt mangelnder Tatbestandsbestimmtheit vgl. unten 2.a.). b) Rechtsfolgenseite Die Arten vorkommender Vereinsstrafen lassen sich in folgender Weise typisieren 15 : Den mildesten Rechtsnachteil bildet der förmliche Verweis (auch als Rüge, Verwarnung, Abmahnung, Mißbilligung, Beanstandung oder Ermahnung bezeichnet)16. Weiter sehen die Vereinssatzungen häufig die Zahlung einer Geldbuße oder Geldstrafe vor 1 7 . Dabei kann die Höhe der geschuldeten Summe 10 Vgl. BGHZ 45, 314; 71,126; 73, 275; 75,158; 87, 337; 102, 265, 277ff.; BGH NJW 1981,2178 = W M 1981,739; eingehend Zöllner, Gewerkschaftsausschluß, passim, insbes. S. 30 ff. 11 Vgl. BGH NJW 1978,990 = SAE 1980,18 m. Anm. Konzen; OLG Celle NJW 1980, 1004; Vorderwülbecke, S. 165ff. 12 Vgl. etwa RGZ, 75,158 f.; RG JW 1927, 691 (für Bezugs- und Ablieferungspflichten in eG); weiteres Tatsachenmaterial bei Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 53 f.; Kirberger, Nebenordnungen, S. 119 ff. 13 Vgl. BGHZ 36, 105, 113f.: Gebot „sauberen Geschäftsgebarens" und Verbot das Ansehen des Vereins schädigender Handlungen; OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 1271; auch RG JW 1929,847,848: Ausschließung bei „gröblicher" Verletzung der Interessen des Vereins oder des Standes; ähnlich im Fall OLG Köln ZIP 1988,19; L G Bonn W M 1987, 1074 f. 14 So im Fall BGHZ 47,381,384; vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 1986,675; BAG NJW 1980, 470; Kühl, in: Verbandsrechtsprechung, S. 22, 32f. (zu den Sportstrafen des DFB); weitere Beispiele bei Stöber, Rz. 247 a. 15 Vgl. das Tatsachenmaterial bei Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 62 f.; auch Reiß, S. 9f.; Reichert/Dannecker/Kühr, Rz. 1147; Kirberger, Nebenordnungen, S. 165 ff.; Vollkommer, RdA 1982, 16, 19; Stöber, Rz. 249. 16 Vgl. OLG Karlsruhe OLGZ 1970, 300, 301. 17 Vgl. RGZ 75,159 (eG); 125,338; 151,229; 153,267; 165,140 f.; RG JW 1906,396; JW 1927,691 (eG); JW 1928,2208 und 2209; Z A k D R 1937,655; DR 1939,1915,1917; BGHZ 21,370; 36,105,108; O L G Kassel SeuffA 48 Nr. 174 (eG); OLG Stettin OLGE 28,97; K G JW 1926, 1600; JW 1937, 554; DR 1939, 2156; OLG Düsseldorf DB 1986, 793; L G Frankfurt/M. JW 1935, 3493; L G Köln JW 1938, 2300; A G Brakel NJW-RR 1988,1246.

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§ : Vereinsst

Versstrafe

bereits in der Satzung festgelegt sein; häufig wird jedoch der Betrag im einzelnen Fall durch ein Vereinsorgan festgesetzt, wobei die Satzung einen Rahmen vorgibt oder die Höhe der Summe offen läßt. Vielfaltig sind die Erscheinungsformen von Vereinsstrafen, die in einem Entzug oder einer Einschränkung von Mitgliedschaftsrechten bestehen; zu denken ist an den Ausschluß von der Benutzung von Vereinseinrichtungen (z. B. Sportanlagen), von Vereinsveranstaltungen (z. B. der Teilnahme an der Mitgliederversammlung oder Wettbewerben) 18 , an eine Veranstaltungssperre oder Rückstufung für verbandsangehörige (Sport-)Vereine 19, an den Entzug des aktiven oder passiven Wahlrechts für Vereinsämter 20, den Entzug des Stimmrechts, den Verlust einer Organ- oder Ehrenstellung innerhalb des Vereins, den Entzug einer durch den Verein erteilten Lizenz 21 , ebenso an die Aberkennung von Wettkampfleistungen (Punktabzug, Titelverlust) 22 oder den Wegfall der Befugnis zur Führung des Zeichens bei Gütezeichen verbänden 23 . Maßnahmen dieser Art können bis hin zum zeitweiligen Verlust sämtlicher Mitgliedsrechte im Verein gehen (Ruhen der Mitgliedschaft, Suspension)24. Als „schwerste Vereinsstrafe" wird vielfach die Ausschließung gekennzeichnet, d.h. die einseitige endgültige Beendigung der Mitgliedschaft durch den Verein 25 . Als „Nebenfolgen" kann die Satzung die öffentliche oder vereinsinterne Bekanntmachung der Straffestsetzung (z. B. als Eintragung in eine sog. schwarze Liste) 26 vorsehen oder die Pflicht, die Verfahrenskosten zu tragen 27 . Das Verfahren, das zur Festsetzung der Vereinsstrafe führt, kann in der Satzung besonders ausgestaltet sein und einzelne Merkmale eines staatlichen 18

Vgl. RG Gruchot 38,1123; SeuffA 59 Nr. 118; JW1915,1424; BAG NJW 1980,470; auch OLG Celle W M 1988,495 m. Anm. Grunewald = WuB I I L. § 38 BGB 2.88 m. Anm. van Look. 19 Vgl. H. P. Westermann, Verbandsstrafgewalt, S. 47 ff. zur Rückstufung in eine niedrigere Spielklasse des DFB. 20 BGHZ 29, 352 f. 21 Vgl. O L G Frankfurt NJW 1973, 2208 f.; WRP 1985, 500; H. P. Westermann, Verbandsstrafgewalt, S. 47 ff. (DFB). 22 Vgl. O L G Frankfurt WRP 1985, 564 (Motorradsport). 23 Vgl. OLG Frankfurt W M 1986, 302 (DLG); dazu Teichmann / Theis, JuS 1987, 695. 24 Vgl. RG JW 1929, 847; OLG Frankfurt NJW 1974, 189; auch BGHZ 90, 92 (Suspendierung vom Vorstandsamt als vorläufige Maßnahme); BayObLG Rpfleger 1980, 15 (automatisches Ruhen der Mitgliedschaft während Rechtsstreits gegen den Verein). 25 Vgl. RGZ49,150; 73,187; 80,189; 82,248; 107,386; 108,160; 147,11; RG JW 1900, 417; JW 1905,315; JW 1906,416; JW 1927,2996; HRR1942 Nr. 779; BGHZ 13,5; 45,314; 47,172; 47, 381; 71,126; 75,158; 87, 337; 102,265; BayObLG SeuffA 51 Nr. 168 und 169; OLG Hamm BB 1976, 663 und 1191; OLG Frankfurt WRP 1985, 500; OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 1271; OLG Celle NJW-RR 1989, 313; L G Hamburg M D R 1971, 132. 26

Vgl. RGZ 143, 1; BGHZ 47, 172, 178; BGH W M 1961, 942, 943; Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 64 f. 27 Vgl. BGHZ 29, 352f.; 36,105,108; 47, 172,178; ferner RGZ 125, 338 f.: Pflicht zur Sicherheitsleistung für künftiges Wohl verhalten.

II. Regelungsgehalt und Aufgabe

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Strafverfahrens aufweisen („Ankläger", „Gericht", Verfahrensgrundsätze und -garantien, „Urteilsspruch", „Rechtsmittel") 28 . Die Festsetzung selbst kann in mehrfacher Weise in das Ermessen des zuständigen Vereinsorgans gestellt sein: Zum einen kann dem Organ ein Ermessen zustehen, ob überhaupt ein Verfahren zur Verhängung einer Vereinsstrafe eingeleitet und durchgeführt wird (vergleichbar dem Opportunitätsprinzip bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten); fallt das festgestellte Verhalten unter die Strafbestimmung der Satzung, so kann das zuständige Organ nach seinem Ermessen entscheiden, ob überhaupt eine Vereinsstrafe festgesetzt wird (Entschließungsermessen); ist dies der Fall, so obliegt ihm in vielen Fällen auch die Auswahl unter mehreren in der Satzung vorgesehenen Strafarten sowie die Bestimmung der Strafhöhe bei quantitativ abstufbaren Strafen (Auswahlermessen). Dies gilt jedoch nur, soweit nicht schon die Satzung bestimmten Tatbeständen einzelne Strafarten bindend zuweist 29 . Den hier skizzierten denkbaren Rechtsfolgen einer Verletzung mitgliedschaftlicher Pflichten (oben a) ist zunächst gemeinsam, daß sie die Mitglieder und Organe von Verstößen gegen diese Pflichten abhalten sollen. Ist die Sanktion infolge des Verstoßes festgesetzt, so trifft das Mitglied ein Rechtsnachteil, der sich sowohl auf seine Rechtsstellung außerhalb des Vereins (z. B. Vermögensminderung bei Geldstrafen; Verlust vermögenswerter Vorteile aus der Vereinsmitgliedschaft) als auch auf seine mitgliedschaftliche Rechtsstellung im Verein auswirken kann (bis hin zum gänzlichen Verlust der Mitgliedschaft). Welcher Regelungsgehalt und welche Aufgabe mit der Festsetzung der beschriebenen Vereinsstrafen über die genannten unmittelbaren Wirkungen hinaus verfolgt wird, ist jedoch noch näher zu untersuchen. 2. Rechtliche Würdigung

a) Tatbestandsseite Die Festsetzung einer Vereinsstrafe knüpft regelmäßig an die Verletzung einer mitgliedschaftlichen Pflicht an. Für den Bereich der Forstbetriebsgemeinschaften bestimmt § 13 Abs. 1 Nr. 3 d BWaldG ausdrücklich, daß die Satzung Bestimmungen über Ordnungsmittel und Vertragsstrafen bei schuldhaftem Verstoß gegen „wesentliche. Mitgliederpflichten" zu enthalten hat. Die entsprechende Pflicht kann ihrem Inhalt nach als schuldrechtliche Leistungspflicht in 28 Vgl. eingehend Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 151-218; insbes. zur „Sportgerichtsbarkeit" des Deutschen Fußball-Bundes Baumann, S. 63 ff.; Rückert und Kindermann, in: Sport und Recht, S. 175 ff. und 195 ff.; Schweighard, S. 65 ff.; Vollkommer, RdA 1982,16ff.; Baecker, Vereinsautonomie, S. 115ff.; zur „Sportgerichtsbarkeit" des Bayerischen Eissport-Verbands Sommer, S. 13-58; zum Schweizerischen Fußballverband Bödmen S. 18 ff. 29 Zu den hier vorkommenden Kombinationen zwischen Tatbestands- und Rechtsfolgenseite vgl. Reiß, S. 10; Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 53 ff.

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§ : Vereinsst

Versstrafe

der Satzung konkret bestimmt sein wie z.B. die Beitragspflicht (vgl. § 58 Nr. 2 BGB). Andere schuldrechtliche Leistungspflichten müssen u.U. erst aufgrund eines in der Satzung eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts i.S. des § 315 Abs. 1 BGB durch ein Vereinsorgan konkretisiert werden. Auf die Erfüllung aktiver Leistungspflichten dieser Art, die zu einem positiven Tun verpflichten, steht dem Verein ein klagbarer Rechtsanspruch zu 3 0 . Denkbar sind weiter Mitgliedspflichten, die zunächst durch Auslegung der Satzung ermittelt werden müssen, wobei insbes. die allgemeine Pflicht der Vereinsmitglieder und -organe, den Vereinszweck zu fördern, zu berücksichtigen ist (vgl. schon oben § 5 IV.3.b.). Diese allgemeine Förderpflicht („Treupflicht") wirkt sich häufig i.S. einer Loyalitätspflicht dahin aus, daß das Mitglied oder Organ Handlungen zu unterlassen hat, die die effektive Verfolgung des Vereinzwecks beeinträchtigen 31 . Eine solche Unterlassungspflicht kann die Intensität einer schuldrechtlichen Leistungspflicht (vgl. § 241 S. 2 BGB) erreichen; dann steht dem Verein ein klagbarer Erfüllungsanspruch auf Unterlassung des zweckwidrigen Verhaltens zu, wenn eine Zuwiderhandlung droht und der Leistungsinhalt hinreichend bestimmt ist 3 2 . Andererseits kommen auch Mitgliedspflichten vor, die nicht die rechtliche Verbindlichkeit einer Leistungspflicht i.S. des § 241 BGB erreichen, auf deren Einhaltung also auch kein klagbarer Erfüllungsanspruch bestehen kann und deren Verletzung nicht zum Schadenersatz verpflichtet 33 . Dies gilt insbes. für den eingetragenen Verein i.S. des § 21 BGB, bei dem die „ideelle" Zielsetzung ein Verhalten der Mitglieder fordern kann (z.B. bei weltanschaulich geprägten Vereinigungen), das nicht Gegenstand einer Rechtspflicht i.S. des § 241 BGB sein kann (etwa Verzicht auf Fleischgenuß bei religiösen oder Vegetariervereinen; Unterlassen der Kandidatur für konkurrierende politische Partei [vgl. aber Art. 48 Abs. 2 GG 3 4 ]). Auf diese Weise kann der „ideelle" Zweck der Vereinigung in den privaten Lebensbereich der Mitglieder hineinwirken, indem 30

Vgl. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 117f.; auch Soergel/Hadding, BGB, § 38 Rz. 21. Vgl. BGH W M 1977,1166,1168 = DB 1977,2226 = L M Art. 9 GG Nr. 6; aus dem Schrifttum vor allem Lutter, AcP 180 (1980), 84, llOff.; zustimmend MünchKommReuter, BGB, § 38 Rz. 14; Soergel/ Hadding, BGB, § 38 Rz. 23; Zöllner, Gewerkschaftsausschluß, S. 3 5 ff.; ebenso Gr awert, S. 109 ff., zur Pflicht, nicht gegen die „Ordnung der Partei" zu verstoßen (§10 Abs. 4 PartG); gegen eine Förderpflicht der Mitglieder untereinander Lenz, S. 213; Reemann, S. 146; für eine Treupflicht des Mehrheitsaktionärs gegenüber den Minderheitsaktionären aber BGHZ 103, 184, 194 = NJW 1988, 1579 m.Anm. Timm = W M 1988, 315 = JZ 1989, 443 m. Anm. Wiedemann. 32 Vgl. Soergel! Hadding, BGB, § 38 Rz. 24; MünchKomm-itewter, BGB, § 38 Rz. 14; U. Schmidt, S. 206 ff.; einschränkend Lutter, AcP 180 (1980), 84, 118: soweit Kündigung unmöglich oder unzumutbar; a. A. Reemann, S. 147; offen BGH W M 1977,1166,1168 = DB 1977, 2226, 2227; allg. zur Klagbarkeit von Nebenpflichten auf Unterlassung vertragswidrigen Verhaltens OLG Frankfurt, JZ 1985, 337; Stürner, JZ 1976, 384, 386; Soergel! Teichmann, BGB, § 242 Rz. 173-175. 31

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Vgl. Heinsheimer, Mitgliedschaft, S. 22f.: „zweckerfüllende Mitgliederpflichten". Zu den gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen dieser Vorschrift vgl. BGHZ 43, 384 = NJW 1965, 1958; Konzen, AcP 172 (1972), 317. 34

II. Regelungsgehalt und Aufgabe

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nämlich ein bestimmtes Verhalten außerhalb der Vereinssphäre zur mitgliedschaftlichen Pflicht erhoben wird. Daneben sind auch ausschließlich „private" Vorgänge denkbar, die jedoch in der Weise auf die Vereinssphäre zurückwirken, daß die Verfolgung des Vereinszwecks beeinträchtigt wird (z.B. Nachbarstreit unter Mitgliedern oder Straftaten eines Vereinsmitglieds 35). Sofern hierdurch das interne Vereinsleben gestört oder das Ansehen des Vereins in der Öffentlichkeit gemindert wird, kann in dem — zunächst ausschließlich „privaten" — Verhalten mittelbar ein Verstoß gegen die allgemeine mitgliedschaftliche Förderpflicht, vereinschädigendes Verhalten zu unterlassen, liegen. In Fällen dieser Art wird es sich allerdings regelmäßig nicht um klagbare Rechtspflichten handeln 36 . Daß auch unterhalb von Rechtspflichten anzusiedelnde Verhaltenspflichten rechtliche Nachteile auslösen können, zeigt z. B. § 6 VVG, wonach der Versicherungsnehmer seinen Anspruch gegen den Versicherer verlieren kann, wenn er gesetzliche oder im Versicherungsvertrag bestimmte „Obliegenheiten" verletzt 37 . Die Festsetzung einer Vereinsstrafe wird häufig auf ausfüllungsbedürftige generalklauselartige Wendungen und unbestimmte Rechtsbegriffe gestützt; dies begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken aus dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit der Voraussetzungen des Leistungsbestimmungsrechts. Denn es ist anerkannt, daß im Rahmen eines Schuldverhältnisses die bloße Bestimmbarkeit des Leistungsinhalts und damit auch der Voraussetzungen der Leistungspflicht ausreicht 38 . Da eine Vielzahl von Verhaltensweisen denkbar ist, die gegen eine als Ausprägung der allgemeinen mitgliedschaftlichen Förderpflicht verstandene Unterlassungs- oder Loyalitätspflicht verstoßen, wird versucht, diese durch generalklauselartige Wendungen und unbestimmte Rechtsbegriffe zu erfassen, deren Auslegung (zunächst) dem zur Festsetzung der Vereinsstrafe berufenen Organ obliegt 39 . Dieses hat zu ermitteln, ob das Verhalten des Mitglieds im konkreten Fall gegen die Förderpflicht und damit gegen die Strafbestimmung in der Satzung verstößt; dabei sind der Gesamtzusammenhang und -inhalt der Satzung, insbes. der Vereinszweck und die Ausgestaltung der Mitgliedschaft, sowie die Interessen der Mitglieder und eine etwaige vereinsinterne Übung zu berücksichtigen 40. Soweit durch Auslegung 35 Vgl. den Fall RG HRR 1942 Nr. 779: Ausschließung aus Reitsportverein wegen Verdachts des Kaufhausdiebstahls (im Ergebnis freilich zu weitgehend). 36 Zur Frage, ob eine solche Verhaltenspflicht Verfallvoraussetzung einer Vertragsstrafe sein kann, vgl. unten IH.l.b.; zur möglichen sachlichen Reichweite einer Vereinsstrafe unten § 11 II. 37 Zur Ähnlichkeit der Folgen einer Obliegenheitsverletzung mit einer Vertragsstrafe vgl. BGHZ 52, 86, 90; BGH VersR 1977, 272. 38 Vgl. statt aller Staudinger/Mayer-Maly, BGB, §315 Rz. 2, 20f.; MünchKommKramer, BGB, § 241 Rz. 3; insbes. zur Vertragsstrafe OLG Koblenz WRP 1986, 694. 39 Zur gerichtlichen Überprüfung vgl. unten III.2.a. sowie eingehend § 12 II. und III. 40 Vgl. allg. zur Auslegung der Satzung oben § 5 IV.3.c.bb.; zur Abhängigkeit des Inhalts und Umfangs der mitgliedschaftlichen Förderpflicht von der „Realstruktur" der

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§ : Vereinsst

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der entsprechenden Satzungsbestimmung ermittelt werden kann, welches Verhalten im einzelnen Fall das Leistungsbestimmungsrecht auslöst, ist der Tatbestand, der zur Festsetzung der Vereinsstrafe führt, hinreichend bestimmt 4 1 . Dies zeigt auch §10 Abs. 4 PartG, der als Voraussetzung der Ausschließung aus einer politischen Partei u. a. generalklauselartig den „erheblichen Verstoß gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei" nennt 42 . b) Rechtsfolgenseite aa) Schuldrechtlicher Regelungsgehalt Auch die möglichen Rechtsfolgen der Vereinsstrafen lassen sich regelmäßig rechtsgeschäftlich, nämlich als schuldrechtliche Leistungspflichten i. S. des § 241 BGB, erklären. Da schuldrechtliche Leistungen auch in einem Unterlassen bestehen können (§ 241 S. 2 BGB), kann sich das Mitglied zum Dulden ihm vom Verein auferlegter Nachteile verpflichten (vgl. auch §§890 Abs. 1 S. 1, 892 ZPO). Der Gestaltungsfreiheit in der Satzung sind allerdings Grenzen gezogen, insbes. durch §§ 134,138 BGB' sowie die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit (zur Inhaltskontrolle vgl. oben I.3.b. und unten §10 II.l.); dies schließt z.B. Freiheits- oder Körperstrafen aus 43 . Allerdings sind unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit des Leistungsinhalts an die Rechtsfolgenseite der Vereinsstrafen höhere Anforderungen zu stellen als an die Tatbestandsseite (vgl. oben a.): Das einzelne Mitglied muß aus der Satzung ersehen können, mit welchen Maßnahmen es bei Pflichtverletzungen zu rechnen hat. Die einzelnen Strafarten einschließlich etwaiger Nebenfolgen (Kostentragung, Veröffentlichung) müssen daher in der Satzung hinreichend bestimmt bezeichnet werden 44 ; unzulässig sind inhaltlich nicht bestimmbare Begriffe wie „Maßnahmen", „Auflagen" oder „Beschränkungen" 45 . Als schuldrechtliche Leistungen, die Gegenstand einer Vereinsstrafe sein können, lassen sich z. B. erklären die Auferlegung einer Geldstrafe oder die Duldung eines Verweises, der die förmliche Feststellung enthält, daß der Betroffene eine mitgliedschaftliche Pflicht verletzt hat 4 6 . Der Entzug und die jeweiligen Vereinigung Lutter, AcP 180 (1980), 84, 105 ff.; Soergel/Hadding, BGB, § 38 Rz. 23. 41 I. Erg. ebenso Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 58 f. (allerdings unter Berufung auf die beamtenrechtlichen Disziplinartatbestände); Röhricht, in: Verbandsrechtsprechung, S. 75, 85; enger Kühl und H. P. Westermann, ebenda S. 22, 23 f., 32f. und S. 41, 49 ff. 42 Zur Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale vgl. eingehend Grawert, S. 97-116. 43 A. A. Auerbacher, S. 29f., 40, der Körperstrafen für zulässig hält, „soweit diese bei vorhandener Rechtswidrigkeit nur als leichte Körperverletzungen anzusehen wären". 44 So insbes. BGHZ 47, 172, 178; zweifelnd H. Kauffmann, in: Verbandsrechtsprechung, S. 6, 14; vgl. dazu unten § 10 I. 45 Vgl. Schlosser, Vereinsgerichtbarkeit, S. 55.

II. Regelungsgehalt und Aufgabe

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Einschränkung einzelner Mitgliedsrechte sind dagegen den aus anderen Bereichen bekannten Verfall- oder Verwirkungsklauseln (vgl. auch § 360 BGB) verwandt. Die Ausschließung kann als Entziehung der Mitgliedschaft durch den Verein gedeutet werden, zu deren Duldung der Betroffene aufgrund der Satzung verpflichtet ist (zur näheren Qualifizierung der Strafarten vgl. unten III.2.b.). Von den Vereinsstrafen, deren Rechtsfolge in einem Rechtsnachteil besteht, sind Nachteile zu unterscheiden, die wegen der Verletzung von Spielregeln (z. B. bei Vereinsveranstaltungen) eintreten und die nicht über das Ende des Spiels hinaus auf den Rechtskreis des Betroffenen einwirken (z.B. Verhängung eines Strafstoßes beim Fußballsport); z.T. wird hier von Spielstrafen oder persönlichen Strafen (z. B. Platzverweis) gesprochen 47. Soweit sich der Regelungsgehalt einer Maßnahme darin erschöpft, das laufende Spielgeschehen durch einen Nachteil zu beeinflussen, handelt es sich um die Anwendung einer Spielregel, die für den Betroffenen keine rechtliche Regelungswirkung entfaltet 48 . Sie kann daher nicht als schuldrechtliche Leistung i. S. des § 241 BGB gedeutet und als Vereinsstrafe behandelt werden. Soweit die Maßnahme jedoch über das laufende Spielgeschehen hinauswirkt (z.B. Nichtzulassung, Disqualifikation, Wertung von Wettkampfergebnissen, Sperre für zukünftige Spiele), kommt ihr ein rechtlicher Regelungsgehalt zu, aufgrund dessen sie als Vereinsstrafe zu qualifizieren ist 4 9 . Hiervon zu trennen ist die Frage, wann der rechtliche Regelungsgehalt einer Maßnahme als Entscheidung über eine Preisbewerbung i.S. des § 661 Abs. 1 BGB anzusehen ist, die für die Beteiligten „verbindlich" ist (§ 661 Abs. 2 S. 2 BGB) und deshalb durch das Gericht nur in engen Grenzen überprüft werden kann 5 0 . Soweit eine Preisrichterentscheidung einen Rechtsnachteil für einen Mitbewerber enthält, der nicht auf der (einseitigen) Auslobung des Preises, sondern auf dem durch die Satzung vertraglich geregelten mitgliedschaftlichen Verhältnis zwischen Veranstalter (Verein) und Bewerber beruht, liegt eine Vereinsstrafe vor, die nach den hier entwickelten Regeln zu behandeln ist (vgl. unten § 121.) 51 . 46

Ebenso Horschitz, NJW 1973, 1958, 1959, für „atypische" Vertragsstrafen. Zur Abgrenzung vgl. Kühl, in: Verbandsrechtsprechung, S. 22, 25 ff. 48 Vgl. Kummer, Spielregel und Rechtsregei, S. 45 ff.; Wax, in: Einstweiliger Rechtsschutz, S. 7, 30f.; H. P. Westermann und Grunsky in: Verbandsrechtsprechung, S. 41, 57f. und S. 63, 70ff.; auch Richteramt Bern SchweizJZ 1988, 85, 86 m.weit.Nachw. aus der Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts. 49 Vgl. Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 89, der dem Verein die Möglichkeit einräumen will, Spielregeln zu Rechtsregeln aufzuwerten; anders wohl Vieweg, JuS 1983, 825, 828 f., der jede Sportregel auch als Rechtsregei auffaßt. 50 Vgl. BGH L M § 661 BGB Nr. 2, der die Zulassung und Disqualifikation als Preisrichterentscheidung i. S. des § 661 BGB ansehen will; zur gerichtlichen Überprüfung BGHZ 17, 366, 375; BGH NJW 1983, 442 = W M 1982, 1387, 1388: § 1041 ZPO entsprechend. 51 Ähnlich Schlosser, Vereinsgerichtsbarkeit, S. 112, der daraufhinweist, daß §661 BGB auf einmalige Vorgänge, nicht aber auf Dauerrechtsbeziehungen zugeschnitten ist. 47

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§ 6: Vereinsstrafe als Vertragsstrafe

bb) Spezial- und generalpräventive Erfüllungssicherung Die Funktion und der Zweck der Vereinsstrafe liegt zunächst darin, Mitglieder und Organe von Verstößen gegen ihre satzungsmäßigen Pflichten gegenüber dem Verein abzuhalten. Positiv formuliert heißt dies, daß Vereinsstrafen die Erfüllung mitgliedschaftlicher Pflichten sichern. Die (präventive) Erfüllungssicherung ist auch in erster Linie die Aufgabe der Vertragsstrafe i. S. der §§ 339ff. BGB 5 2 . Dies gilt z.B. für die AG, bei der gemäß §§ 55 Abs. 2, 63 Abs. 3 A k t G Vertragsstrafen in der Satzung die Erfüllung der Aktionärspflichten sichern können. Ebenso kann die Einhaltung „wesentlicher Mitgliederpflichten" einer Forstbetriebsgemeinschaft durch „Ordnungsmittel oder Vertragsstrafen" gesichert werden (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 d BWaldG). Ob die Vertragsstrafe neben der Erfüllungssicherung noch den Schadensnachweis erleichtern und die Schadenssumme pauschalieren soll 5 3 , kann hier offenbleiben, da die Vereinsstrafe im einzelnen Fall auch diese Aufgabe erfüllen kann 5 4 , nämlich den Ausgleich materieller (z.B. bei Beschädigung von Vereinseinrichtungen) oder immaterieller Schäden (z. B. bei Beeinträchtigung des Ansehens des Vereins in der Öffentlichkeit) 55 . Schon der historische Gesetzgeber 56 hat auf atypische Fälle der Vertragsstrafe hingewiesen, „in denen die Strafe ... mehr den Charakter der Privatstrafe trage und dem Gläubiger das Mittel gewähre, böswilligem und frivolem Vertragsbruche vorzubeugen oder Genugthuung für derartigen Vertragsbruch zu erlangen ...".

Dabei wirkt schon die in der Satzung angedrohte Strafe vor ihrer Festsetzung präventiv auf die Mitglieder ein, nicht gegen ihre Pflichten zu verstoßen 57. Aber auch die im einzelnen Fall festgesetzte Strafe soll — entsprechend dem 52 So schon v.Kübel, Entwurf I/2/I.2.b,S. 11 = Schubert, Vorentwürfe Schuldrecht 1, S. 333: „Hauptzweck"; ebenso Motive II, S. 275 = Mugdan II, S. 152; auch BVerfGE 20, 323 = NJW 1968, 195, 196; BGHZ 49, 84, 89; 63, 256, 259; 85, 305, 312f.; BGH NJW 1976,1886,1887; W M 1988,1569,1570 = ZIP 1988,1126; O L G Hamm NJW-RR 1989, 489f.; Oertmann, Recht 1913, Sp.187, 188; Planck/Siber, BGB, § 339 Anm.l; Heck, SchuldR, S. 151; Knütel, AcP 175 (1975), 44, 54f.; Esser/E. Schmidt, SchuldR I, § 16 III, S. 236f.; MünchKomm-Söllner, BGB, Rz. 3 vor § 339; ferner Staudinger/Kaduk, BGB, Rz. 5 vor § 339. 53 So die h. M. (vgl. die in Fn. 52 Genannten); a.A. (nur Erfüllungssicherung) Lindacher, Vertragsstrafe', S. 55 ff.; Soergel/Lindacher, BGB, Rz. 5 f. vor § 339. 54 Daß die Sicherung von Schadenersatzansprüchen nur Nebenzweck der Vertragsstrafe sein oder ganz entfallen kann, ist z. B. für strafbewehrte Unterlassungserklärungen im Wettbewerbsrecht anerkannt (vgl. BGH NJW 1983, 941, 942f.; NJW 1987, 3196f.; OLG Düsseldorf WRP 1987,179,180); so schon v. Kübel, a.a.O. (Fn. 52): Erfüllungssicherung könne als ausschließlicher Zweck bei Bestimmung einer Konventionalstrafe verfolgt werden. 55 Zur Schadenersatzpflicht wegen Verletzung von Mitgliedspflichten (hier der Treupflicht) vgl. BGH W M 1977, 1166, 1168; zur Verletzung von Organpflichten (Entgegennahme überhöhter Vorstandsvergütungen) BGH W M 1988, 531, 532. 56 Protokolle II, S. 1575 = Mugdan II, S. 724; vgl. auch Horschitz, NJW 1973,1958 ff. 57 Vgl. Staudinger / Kaduk, BGB, Rz. 8 vor § 339.

II. Regelungsgehalt und Aufgabe

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Charakter der Mitgliedschaft als Dauerrechtsverhältnis — das betroffene Mitglied für die Zukunft davon abhalten, erneut pflichtwidrig zu handeln; insoweit wirkt die (repressiv) festgesetzte Strafe spezialpräventiv auf das einzelne Mitglied ein, indem es damit rechnen muß, auch zukünftig für Pflichtverstöße bestraft zu werden (zur Ausschließung vgl. unten ee.). Daneben kommt der im einzelnen Fall verhängten Vereinsstrafe aber auch eine abschreckende Wirkung auf die übrigen Vereinsmitglieder zu (Generalprävention), weil auch sie in Betracht ziehen müssen, bei ähnlichen Verstößen gegen mitgliedschaftliche Pflichten in gleicher Weise bestraft zu werden. Der erfüllungssichernde Zweck der Vereinsstrafen ist damit ein dreifacher: — spezial- und generalpräventive Erfüllungssicherung durch bloße Androhung; — spezialpräventive Wirkung der Straffestsetzung im einzelnen Fall gegenüber dem betroffenen Mitglied hinsichtlich der zukünftigen Erfüllung der mitgliedschaftlichen Pflichten; — Abschreckungswirkung (Generalprävention) der Straffestsetzung im einzelnen Fall gegenüber den übrigen Mitgliedern (Rechtsbewährungsprinzip).

Nach allen drei Funktionen wirken Vereinsstrafen mittelbar oder unmittelbar erfüllungssichernd auf die Mitglieder ein. Da die Erfüllungssicherung auch für die Vertragsstrafe i. S. der §§ 339ff. BGB kennzeichnend ist, stellt sich die Frage, ob den Vereinsstrafen eine hierüber hinausgehende rechtliche Wirkung disziplinarischer oder sozialethischer Art zukommt, die die Einordnung als Vertragsstrafen ausschließt. cc) Disziplinarische Funktion Vielfach wird als Besonderheit der Vereinsstrafe hervorgehoben, daß sie — anders als die Vertragsstrafe — eine disziplinarische Funktion erfüllt. Die „Vereinsdisziplin", deren Durchsetzung die Vereinsstrafe dient, besteht darin, daß Mitglieder und Organe ihre durch Eintritts- oder Bestellungsvertrag übernommenen Pflichten innerhalb einer Organisation ordnungsgemäß erfüllen (oben a.). Hierauf deuten auch die sondergesetzlich in § 10 Abs. 4 PartG geregelten Voraussetzungen der Ausschließung aus einer politischen Partei hin, die regelmäßig als eingetragener oder nicht eingetragener Verein organisiert ist; denn bei der Pflicht, nicht „vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei" zu verstoßen, handelt es sich um eine mitgliedschaftliche Pflicht der Parteimitglieder 58 . Die Disziplinaraufgabe der Vereinsstrafe ist damit deckungsgleich mit der generalpräventiv erfüllungssichernden Funktion, die in einer Abschreckung der übrigen Mitglieder durch die Strafandrohung und die Straffestsetzung im einzelnen Fall besteht (oben bb.).

58 Vgl. dazu eingehend Gr awert, S. 86-116, insbes. S. 111 ff., der die „Ordnung der Partei" als Summe unerläßlicher Mitgliederpflichten i.S. von Loyalitätspflichten kennzeichnet.

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§ 6: Vereinsstrafe als Vertragsstrafe

In der Disziplinarfunktion der Vereinsstrafe liegt aber kein entscheidender Unterschied zur Vertragsstrafe i.S. der §§ 339ff. BGB 5 9 . Denn auch dort kann man von der Einhaltung der „Vertragsdisziplin" sprechen, die durch die Sanktion gesichert wird, indem die Verletzung von Verhaltenspflichten mit einem Rechtsnachteil geahndet wird. Erkennt man, daß auch die mitgliedschaftlichen Pflichten auf Vertrag beruhen (oben § 5 IV.4,a.), und berücksichtigt man die Besonderheiten der Mitgliedschaft als Dauerrechtsverhältnis und Einordnung einer Vielzahl von Personen in eine Organisation parallellaufender Rechtsverhältnisse (zwischen den Mitgliedern / Organen und dem Verein), so sind auch bei der Vertragsstrafe Fallgestaltungen denkbar, in denen ihr eine disziplinarische Funktion zukommt. Auch die Vertragsstrafe, die aufgrund eines Einzelvertrags, insbes. eines Austauschvertrags, verwirkt wird, kann auf nicht unmittelbar betroffene Vertragspartner abschreckend wirken 6 0 : Man denke z. B. an Vertragsstrafen des Auftraggebers gegenüber einem von mehreren an der Bauausführung beteiligten (Sub-)Unternehmern 61 , des Herstellers gegenüber einem in die Vertriebsorganisation eingegliederten Vertragshändler oder des Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer 62 ; entsprechendes gilt für Vertragsstrafen des Vermieters gegenüber einem von mehreren Mietern oder für die Wirkung einer Vertragsstrafe aufgrund einer strafbewehrten Unterlassungserklärung im Wettbewerbsrecht auf andere (potentielle) Wettbewerbsverletzer 63 , ebenso für Geldzahlungspflichten aufgrund einer Ausschreibung für sog. Submissionsabsprachen, die z.T. als Vertragsstrafen bezeichnet werden 64 . Immer wenn eine Vertragsstrafe gleichartige Pflichten — wenn auch unterschiedlicher Vertragspartner — sichert (zur Zulässigkeit von Vertragsstrafen in AGB vgl. § 11 Nr. 6 AGB-Ges.), wird ihre Verwirkung im einzelnen Fall auch 59 So aber die h.M., vgl. BGHZ 21, 370, 373; OLG Frankfurt WRP 1985, 564, 566; Meyer-Cording, Vereinsstrafe, S. 70ff.; MünchKomm-Reuter, BGB, §25 Rz. 30; Soergel/Lindacher, BGB, Rz. 42 vor § 339; wie hier wohl Horschitz, NJW 1973, 1959f., der bei atypischen Vertragsstrafen die Generalprävention als Strafzweck für zulässig hält. 60 Zur Generalprävention als „objektiver Finalgrund" der als Vertragsstrafe verwirkten Sanktion vgl. auch Lindacher, ,Vertragsstrafe 4, S. 89. 61 Zur Vertragsstrafe im Bauvertrag vgl. Kleine-Möller, BB 1976, 442; Kapellmann I Langen, BB 1987, 560 ff. 62 Zur Zulässigkeit arbeitsvertraglich vereinbarter Vertragsstrafen vgl. BAGE 46,50 = NJW 1985, 91 = W M 1984, 1461, 1462 = AP Nr. 9 zu § 339 BGB m. Anm. Brox; BAG DB 1986, 1979 (für DFB-Lizenzspieler; gegen L A G Hamm ZIP 1984, 1396, 1398); L A G Baden-Württemberg BB 1985, 1793; Schwerdtner, Festschr. Hilger/Stumpf, S. 631 ff. Dagegen sollen sog. Betriebsbußen sich von Vertragsstrafen durch ihren „Strafcharakter", der „begangenes Unrecht sanktionieren" soll, unterscheiden (so BAG DB 1980, 500; DB 1986, 1979; auch BAG AP § 87 BetrVG 1972 — Betriebsbuße Nr. 1 m. Anm. Konzen; kritisch mit Recht z. B. Baur, JZ 1965,163ff.; Zöllner, ZZP 83 [1970] 365, 375ff.; Konzen, a.a.O., unter l.c). 63

Zur wettbewerbsrechtlichen „Unterwerfungserklärung" vgl. Lindacher, GRUR 1975, 413.