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German Pages 344 [345] Year 1978
GERD WOTJAK
Untersuchungen zur S t r u k t u r der Bedeutung
SAMMLUNG AKADEMIE-VERLAG 10
SPRACHE
GERD WOTJAK
UNTERSUCHUNGEN ZUR STRUKTUR DER BEDEUTUNG Ein Beitrag zu Gegenstand und Methode der modernen Bedeutungsforschung unter besonderer Berücksichtigung der semantischen Konstituentenanalyse Mit zahlreichen Skizzen, Tabellen und Schemata im Text und einer Falttabelle als Beilage 2., ergänzte Auflage
AKADEMIE-VERLAG • B E R L I N 1977
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1971, Bearbeitung 1977 Lizenznummer: 202 • 100/200/77 Herstellung: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 Gräfenhainichen • 4918 Bestellnummer: 753 3365 (7510) • LSV 0805 Printed in GDR DDR 25,-
Vorwort zur zweiten Auflage
Seit der Fertigstellung des Druckmanuskripts und der Veröffentlichung der vorliegenden Arbeit im J a h r e 1971 sind bereits einige J a h r e vergangen, die angesichts der stürmischen Entwicklung gerade im Bereich der Bedeutungsforschung doppelt ins Gewicht fallen. Dennoch haben die Darlegungen nicht nur wissenschaftsgeschichtlichen Wert, werden darin doch viele grundlegende Probleme angeschnitten, die durchaus auch heute noch f ü r eine semantische Strukturbeschreibung von Bedeutung sind. I n jedem Fall aber mußten sich daraus Konsequenzen für die vorliegende Textfassung ergeben, denn es haben sich manche zum damaligen Zeitpunkt nur angedeutete Tendenzen weiter verfestigt und stark hypothetische Postulate bereits bestätigt, und nicht wenige Passagen hätten aus heutiger Sicht klarer und bestimmter formuliert werden können. Wir standen vor der Wahl, den vorliegenden Text in beträchtlichem Maße zu überarbeiten oder aber im wesentlichen unverändert zu belassen. Wir haben uns f ü r das zweite Verfahren entschieden, nicht zuletzt auch deswegen, weil die dort geäußerten Vermutungen im großen und ganzen auch heute noch Gültigkeit haben und die Arbeit als Ganzes einen kleinen Baustein f ü r das Gebäude der modernen Bedeutungsforschung darstellt, der nicht aus seinem historischen Entstehungszusammenhang und der Erkenntnissituation gerissen werden sollte und konnte. I m Interesse einer Aktualisierung haben wir in einem gedrängten Nachwort in großen Zügen die weitere Entwicklung der Konstituentenanalyse bis 1975 skizziert und dafür auch eine ausgewählte Bibliographie mit neueren Veröffentlichungen zusammengestellt. Leipzig, im Herbst 1975 Gerd W o t j a k
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage
I n den letzten zehn Jahren ist das Interesse an einer exakten Beschreibung semantischer Fragen beträchtlich gestiegen, was sich nicht zuletzt in einer Reihe bedeutsamer semantischer Strukturanalysen dokumentiert und zweifellos in nicht unerheblichem Maße auf die spezifischen Erfordernisse solcher angewandten Disziplinen wie der Daten- u n d Informationsverarbeitung oder auch der Maschinenübersetzung zurückgeführt werden kann. . . . Bei der Behandlung vorliegender Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung wie auch bei eigenen Versuchen einer semantischen Strukturanalyse wurde — dem spezifischen Interesse des Autors an Fragen der Übersetzung und Lexikologie entsprechend — der Erforschung der Struktur der lexikalischen Bedeutung besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Vieles konnte dabei nur angedeutet werden, manches — so u. a. die relativ streng paradigmatische Betrachtungsweise — sollte möglichst umgehend im Interesse einer vertieften allseitigen Beschreibung in einer verstärkt syntagmatischen Gesichtspunkten Rechnung tragenden Analyse aufgehoben werden. . . . Sollte die vorliegende Arbeit zur Verbreitung moderner Einsichten der semantischen Strukturforschung beitragen und zu einem fruchtbaren Meinungsaustausch über die Struktur des Untersuchungsgegenstandes unter Vertretern der strukturellen und der „traditionellen" Semantik sowie Linguisten und Erkenntnistheoretikern, Psychologen etc. Anlaß geben können, so wäre ihr Hauptanliegen erfüllt.
Inhalt
Einleitung 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.6.1 1.6.2 2. 2.1 2.1.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.3.1
3. 3.0 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2
Z u m Untersuchungsgegenstand der strukturellen S e m a n t i k . . . Zur semantischen Zeichenrelation als Grundlage f ü r die semantische Strukturforschung D a s Semem als Beschreibungseinheit der I n h a l t s e b e n e u n d Gegens t a n d der makrolinguistischen Bedeutungsanalyse Zur Beziehnung von F o r m a t i v u n d Semem Zu den K o n s t i t u e n t e n des Semems Zum Verhältnis v o n Semem, Abbild u n d Begriff Zur S t r u k t u r des TJntersuchungsgegenstandes Die Lexik als offenes System Zu den semantischen Mikro- u n d M a k r o s t r u k t u r e n Zur E r m i t t l u n g u n d Beschreibung der semantischen S t r u k t u r e n . Zu einigen allgemein-methodologischen P r o b l e m e n Die Analogie zur Phonologie als Forschungshypothese Zur mikrolinguistischen Bedeutungsforschung Zur Isomorphierelation als Grundlage der mikrolinguistischen Bedeutungsforschung Zur Distribution u n d B e d e u t u n g des K o n t e x t e s f ü r die mikrolinguistische Bedeutungsforschung Z u m Kollokationstest v o n M. J o o s Zu den Distributionsanalysen J u . D. Apresjans als Beispiel f ü r eine mikrolinguistische Bedeutungsforschung Zur makrolinguistischen Bedeutungsforschung Die Gebrauchsbedingungen E . Leisis als erste Ansätze einer m a k r o linguistischen K o n s t i t u e n t e n b e t r a c h t u n g Zur modernen semantischen K o n s t i t u e n t e n b e t r a c h t u n g . . . . Zu einigen Vorläufern der modernen semantischen K o n s t i t u e n t e n betrachtung Zu den Ansichten J . J . K a t z ' u n d J . A. F o d o r s Zu den Ansichten U. Weinreichs u n d E . A. N i d a s Z u D. Bolingers Ansichten ü b e r die S t r u k t u r der B e d e u t u n g . . . Zu den semantischen K o n s t i t u e n t e n B. P o t t i e r s
9 20 23 29 34 38 43 47 49 52 54 55 60 66 70 72 81 84 88 93
97 97 102 110 115 120 7
3.3 3.4 3.5 3.6 3.6.1 3.6.2
Zur N o e m a t i k G. F . Meiere Zu A. J . Greimas' Untersuchungen zur S t r u k t u r der B e d e u t u n g . . M. Bierwischs Beitrag zur semantischen K o n s t i t u e n t e n a n a l y s e . . Z u r E r m i t t l u n g der semantischen K o n s t i t u e n t e n Zur semantischen K o n t e x t a n a l y s e Z u r Einbeziehung semantischer M a k r o s t r u k t u r e n in die semantische Konstituentenanalyse Z u m Substitutionstest Z u r interlingual-kontrastiven Analyse Z u m Leerstellentest Zur Definitionsanalyse
3.6.3 3.6.4 3.6.5 3.6.6 4. 4.1 4.1.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.5.1 4.5.2
Z u r B e d e u t u n g der semantischen Merkmalanalyse Die semantische K o n s t i t u e n t e n a n a l y s e als methodisches Hilfsmittel zur Beschreibung der semantischen M a k r o s t r u k t u r e n Die semantische K o n s t i t u e n t e n a n a l y s e als Voraussetzung f ü r die Beschreibung der semantischen Mikrostrukturen Die semantische K o n s t i t u e n t e n b e t r a c h t u n g als Grundlage f ü r eine syntagmatische Semantik Zur B e d e u t u n g der semantischen K o n s t i t u e n t e n a n a l y s e f ü r die Übersetzungstheorie u n d -praxis Zu einigen offenen F r a g e n u n d Problemen der semantischen S t r u k turbeschreibung Zusammenfassung u n d Ausblick Zur S t a n d o r t b e s t i m m u n g der semantischen S t r u k t u r a n a l y s e n . . Zu einer Typologie der Seme
Anmerkungen Einleitung 226 - K a p i t e l 1 260 - Kapitel 4 269
124 129 133 138 143 150 152 153 154 155 158 161 178 188 196 200 206 215 219 226
232 - K a p i t e l 2
248 - K a p i t e l 3
Literaturverzeichnis
229
Register
304
E r g ä n z u n g zur zweiten Auflage Nachbemerkungen Anmerkungen Literaturnachweis
307 309 329 331
Falttabelle
Beilage
Einleitung
Die in den letzten zwei Jahrzehnten erschienene sprachwissenschaftliche Literatur läßt eine verstärkte Beschäftigung mit der Bedeutungsproblematik erkennen. In zunehmendem Maße werden breit angelegte Arbeiten oder auch Spezialabhandlungen einer detaillierten Untersuchung semantischer Fragen gewidmet. Dabei bleibt das Interesse an Bedeutungsfragen durchaus nicht auf linguistische Betrachtungen beschränkt, sondern erfaßt auch angrenzende Disziplinen wie die Semiotik, Psychologie, Erkenntnistheorie sowie angewandte Wissenschaften. 1 Historisch später entstanden und zunächst weniger beachtet als die anderen Disziplinen der Sprachwissenschaft 2 , erlebte die Semantik insbesondere seit Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre einen bemerkenswerten Aufschwung. Bis in die fünfziger Jahre hinein überwogen in der Bedeutungsforschung neben logisch-philosophischen Untersuchungen die vor allem auf die Erforschung der Bedeutungsentwicklung von Einzelwörtern orientierten semasiologischen Untersuchungen und die onomasiologischen Betrachtungen der traditionellen Semantik. Die wenigen, meist unbekannt und unbeachtet gebliebenen Versuche einer semantischen Strukturforschung konnten zu diesem Zeitpunkt gegenüber den traditionell orientierten linguistischen Arbeiten zahlen- und bedeutungsmäßig kaum ins Gewicht fallen, so daß von einer strukturellen Semantik in den fünfziger Jahren noch nicht die Rede sein kann. Inzwischen hat sich dieses Verhältnis zwar weiter zugunsten der semantischen Strukturanalysen verschoben und machen sich auch in der traditionellen Bedeutungsforschung verstärkt Ansätze einer Strukturbetrachtung bemerkbar, doch stehen die Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung zahlenmäßig noch immer hinter den traditionellen Betrachtungen zurück. 3 Für diesen unbefriedigenden Zustand sind gewiß mehrere Umstände, darunter wohl nicht zuletzt die Tatsache verantwortlich zu machen, daß in der gegenüber der Syntax und Phonetik vergleichsweise jungen Disziplin der Semantik eine intensive systematische Beschäftigung mit den Bedeutungsstrukturen in der strukturellen Linguistik allgemein, vor allem aber in der amerikanischen deskriptiven Linguistik, bis in die sechziger Jahre hinein auf besondere Zurückhaltung stieß. In der Tat haben insbesondere amerikanische Linguisten mit der Behauptung, daß semantische Analysen nichts 9
mit der Linguistik zu tun hätten, da die semantischen Erscheinungen so eng mit dem Gebrauch der Sprache, also mit dem extralinguistischen Kontext verknüpft seien, daß sie einer systematischen Erforschung im Rahmen eines linguistischen Strukturgebäudes nicht zugängig gemacht werden könnten, mehr als dreißig Jahre lang versucht, theoretisch und praktisch ohne Einbeziehung der Bedeutung zu arbeiten. Diese bedeutungsfeindliche bzw. -indifferente Einstellung der amerikanischen Linguistik der vierziger-fünfziger Jahre, die mit ihren exakten sprachwissenschaftlichen Analysen auch auf die europäische Sprachwissenschaft einen nicht zu unterschätzenden Einfluß ausübte, ist besonders deshalb so bedauerlich, weil dadurch die Untersuchung der Bedeutung aus einer Richtung der modernen Linguistik verbannt wurde, die entsprechend ihrer theoretischen Grundkonzeption in besonderem Maße an einer Strukturfindung und -beschreibung interessiert sein mußte, und extralinguistischen Bereichen, wie z. B. der Psychologie und Erkenntnistheorie, überlassen blieb. Bestärkt glaubte sich die antimentalistische Richtung dabei durch die von einem Nestor der modernen amerikanischen Linguistik, von L. Bloomfield 4 , entwickelte sehr weite Bedeutungsauffassung, derzufolge eine Beschreibung der Bedeutung eine Beschreibung der Erfahrungen und des gesamten Wissens 5 der Sprachgemeinschaft involvieren würde. Da ein solches Vorhaben, wenn überhaupt, so doch nicht mit den Mitteln der Linguistik zu bewältigen wäre und sich die deskriptive Linguistik zudem auch durch die unzureichenden und widersprüchlichen Aussagen der traditionellen Linguistik 6 , die den ohnehin nur schwer faßbaren Gegenstand der Semantik noch vager erscheinen lassen mußten, nicht zu einer „bedeutungsfreundlicheren" Haltung bewogen fühlen konnte, darf es nicht wundernehmen, daß in den fünfziger Jahren in den einzelnen Schulen der strukturellen Linguistik 7 eindeutig phonologische, morphologische und syntaktische Untersuchungen dominierten. Semantische Betrachtungen wurden dagegen nicht nur unterlassen, sondern in nicht wenigen Fällen 8 sogar als mit dem Anliegen einer strukturellen Sprachanalyse unvereinbar aus der Linguistik ausgeschlossen. Hinzu kommt noch, daß sich die strukturelle Linguistik verständlicherweise zunächst bevorzugt den sprachlichen Erscheinungen zuwandte, in denen die zu beschreibende Struktur offener zutage trat und einer exakten Untersuchung leichter zugängig gemacht werden konnte als in der Sphäre der Bedeutungen. Angesichts dieser Situation ist es nur zu verständlich, wenn von einem „Unbehagen in und um die Semantik" 9 gesprochen wurde, das den Wunsch nach einer exakten, auf neuen Grundsätzen und Methoden aufbauenden Bedeutungsforschung, einer strukturellen Semantik, immer stärker werden ließ. Bereits 1954 war von Ch. C.Fries 1 0 auf die Notwendigkeit einer exakten linguistischen Bedeutungsforschung verwiesen und eine Abkehr von dem Ausschließlichkeitsanspruch der syntaktischen, morphologischen und phonologischen LTntersuchungen angedeutet worden, allerdings lange Zeit ohne nennenswerte Resonanz.
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Nur sehr langsam und dabei in den einzelnen Schulen der strukturellen Lingui stik unterschiedlich intensiv und nachhaltig begann sieh unter dem Eindruck der erkannten Unzulänglichkeit und Grenzen einer rein „formalen" 1 1 Analyse auch in der strukturellen Linguistik die Überzeugung von der Notwendigkeit einer strukturellen Bedeutungsforschung unter mehr oder weniger ausdrücklich eingeräumter maßgeblicher Beteiligung der Linguistik durchzusetzen 12, so daß wir uns noch um die Mitte der fünfziger J a h r e der im ersten Moment möglicherweise kurios anmutenden Situation gegenübersehen, daß Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung in der traditionellen Bedeutungsforschung — nicht zufällig insbesondere in der Feldforschung — durchgeführt werden, in der strukturellen Linguistik dagegen im allgemeinen nicht. 1 3 I n der Tat sind gerade zu Beginn der fünfziger J a h r e nicht nur Vertreter der traditionellen Bedeutungsforschung 1 4 in einer Reihe umfangreicher Synthesen gewissermaßen als die eigentlichen Sachwalter einer Beschreibung der Bedeutung aufgetreten, sondern darüber hinaus in der traditionellen Bedeutungsforschung und Lexikologie verstärkt Bemühungen nachweisbar, die übliche atomistische Betrachtungsweise zugunsten einer Untersuchung größerer Zusammenhänge aufzugeben 1 5 . Der Grundstein f ü r eine umfangreichere und systematische semantische Strukturforschung wurde allerdings erst auf dem V I I I . Linguistenkongreß 1957 in Oslo gelegt, auf dem erstmals vor einem großen Forum die Möglichkeiten und Probleme einer strukturellen Bedeutungs- und Wortschatzforschung erörtert und nachhaltige Diskussionen ausgelöst wurden. I n zunehmendem Maße verschaffen sich nunmehr die Stimmen Gehör 16 , die die Notwendigkeit einer allseitigen Betrachtung semantischer Fragen unterstrichen. Allmählich beginnt sich bei immer mehr Linguisten neben dem Interesse an der Bedeutungsproblematik auch die Überzeugung durchzusetzen, d a ß die Bedeutung in einer exakten Sprachanalyse ermittelt und beschrieben und damit auch die Semantik in eine allumfassende Grammatikbzw. Sprachtheorie einbezogen werden könnte. Angesichts der im Gefolge 'des V I I I . Linguistenkongresses einsetzenden u n d bis in die unmittelbare Gegenwart nachweislichen allgemeinen Belebung der semantischen Analysen kann wohl nicht zu Unrecht mit Leroy 1 7 von einem „renouveau de la sémantique", einem allgemeinen Wiedererstehen der Bedeutungsforschung, auch im linguistischen Bereich, gesprochen werden. Nicht unerheblich gefördert wurde diese Aufwertung der Semantik in der Linguistik durch die von der Kommunikationswissenschaft, Daten- und Informationsverarbeitung sowie der Maschinenübersetzung aufgewiesene Notwendigkeit einer umfassenderen Einbeziehung der Bedeutungen sprachlicher Zeichen in die Modellierung des Kommunikationsprozesses und die Wissensspeicherung. Dabei wurden neue spezifische Anforderungen an die Untersuchung der semantischen Erscheinungen gestellt und zugleich neue 11
Betrachtungsweisen und Aspekte sowie exakte mathematisch-logische Analyseverfahren erschlossen. Viele der von der traditionellen Bedeutungsforschung vorgelegten Erkenntnisse und Methoden erwiesen sich angesichts dieser besonderen Erfordernisse als unzulänglich; verbesserte Analyseprozeduren sowie exaktere Einsichten in den Untersuchungsgegenstand18 wurden erforderlich. So ist es gewiß kein Zufall, daß gerade die Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung in den letzten Jahren besonders zugenommen haben und in ihnen in nicht wenigen Fällen mehr oder weniger ausdrücklich auf die Bedürfnisse extralinguistischer angewandter Disziplinen eingegangen wird.19 Nicht immer wird dabei allerdings die Beziehung der modernen semantischen Strukturuntersuchungen zu extralinguistischen Bereichen eindeutig nachzuweisen sein, ebensowenig wie eine direkte Beeinflussung der jeweiligen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung durch eine bestimmte Schule der strukturellen Linguistik immer zweifelsfrei feststellbar erscheint. Genau so wenig wie die Einstellung der einzelnen Vertreter der strukturellen Semantik der strukturellen Linguistik insgesamt bzw. einer Richtung gegenüber einheitlich ist, genau so differenziert ist das Verhältnis der strukturellen Linguisten den Möglichkeiten und Aufgaben einer strukturellen Semantik gegenüber. Noch immer spielt dabei die Frage nach dem linguistischen bzw. extralinguistischen Charakter der untersuchten semantischen Erscheinung eine besondere Rolle. Es ist ein fundamentaler Zug der strukturellen Linguistik, daß sie ausdrücklich auf der Selbständigkeit der linguistischen Strukturen besteht und ihre Unabhängigkeit von nichtlinguistischen Realitäten mit allen Mitteln zu beweisen sucht 20 . Nicht zufällig ist daher in den grundlegenden Referaten L. Hjelmslevs 21 und R . Wells' 22 über die Möglichkeit einer semantischen Strukturbetrachtung 23 sowie in den Diskussionen auf dem V I I I . Linguistenkongreß in Oslo der Frage, ob die Bedeutung und Lexik noch sprachliche oder ausschließlich extralinguistische Strukturen aufweise, besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden. Eine Betrachtung der in den letzten Jahren erschienenen Untersuchungen zur Bedeutung macht die Aktualität dieser Fragestellung besonders deutlich. In der modernen Bedeutungsforschung läßt sich eine beträchtliche Anzahl von Arbeiten nachweisen, die mit psychologischen und/oder logischen Methoden an die Beschreibung der Bedeutungsstrukturen herangehen. Wie eine Analyse zeigt und u. a. von R . Wells 24 und B. Pottier 25 besonders betont wurde, wird es in zunehmendem Maße schwieriger, psychologische und logisch-begriffliche, d. h. letztlich extralinguistische und linguistische Betrachtungen streng voneinander zu trennen bzw. eine semantische Strukturforschung zu betreiben, ohne dabei auf extralinguistische Strukturen zu stoßen. Nicht zufällig sollten daher in der Folgezeit besonders hartnäckige und, wie sich zeigen wird, durchaus nicht unberechtigte Auseinandersetzungen dar12
über aufflammen, ob die nunmehr wohl bereits allgemein als notwendig erachtete Erforschung der Strukturen der Bedeutung überhaupt Anliegen der Linguistik sein könne. Eine solche Entscheidung ebenso wie auch die Annahme einer Strukturiertheit der Bedeutung aber setzen naturgemäß eine eingehende Analyse des Untersuchungsgegenstandes voraus. Gerade angesichts der für die Fixierung des Untersuchungsbereiches der strukturellen linguistischen Semantik so wichtigen Bestimmung der Bedeutung 2 6 muß es befremdend wirken, daß sich in modernen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung in der Regel kein ausdrücklicher Hinweis auf den Charakter der untersuchten semantischen Erscheinungen 2 7 oder gar der Versuch einer detaillierteren Darlegung einer Bedeutungskonzeption findet. Welche Gründe dafür im einzelnen auch immer maßgebend gewesen sein dürften, so bleibt doch die Tatsache zu verzeichnen, daß in nicht wenigen Fällen bewußt oder unbewußt über die einer linguistischen Betrachtung aus dem möglicherweise primär extralinguistischen Charakter des Untersuchungsgegenstandes entstehenden Probleme hinweggegangen wurde und sich eine entsprechende semantische Strukturanalyse besonders auf dem Boden einer Theorie wie der Generativen Grammatik zu entfalten begann, die in besonderem Maße der Logik verpflichtet ist. 28 Angesichts dieser Situation und des verstärkten Interesses an der Klärung der Bedeutungsproblematik wird eine Standortbestimmung und Selbstverständigung besonders dringlich, aber auch besonders kompliziert. Es darf daher auch nicht verwundern, daß zur Erforschung des nachweislich komplexen Charakters der Bedeutung in einem ausdrücklich als Grenzdisziplin der Linguistik bezeichneten Bereich unterschiedliche Methoden angewandt und die Grenzen einer streng linguistischen Untersuchung in einigen Fällen überschritten wurden. Noch besteht dabei vor allem hinsichtlich der Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes in der strukturellen Semantik keine einheitliche Meinung, bzw. sind die sich aus einigen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung ergebenden Konsequenzen nicht so eingehend behandelt, wie sie es verdienen würden. Nachdem bereits die ersten Ergebnisse der modernen semantischen Strukturforschung vorliegen, erscheint es nicht mehr nur notwendig, sondern bereits auch möglich, die Frage nach einer exakten Standortbestimmung erneut aufzuwerfen und als wesentliche Voraussetzung dafür in der Arbeit eine Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes anzustreben, die den Erkenntnissen der modernen sprachphilosophischen, erkenntnistheoretischen und linguistischen Untersuchungen weitestgehend Rechnung trägt. Dabei kann die im Rahmen dieser Arbeit angestrebte Bestandsaufnahme modernster struktureller Untersuchungen auf eine Reihe vorangegangener mehr oder weniger detaillierter zusammenfassender Betrachtungen zu Stand und Anliegen der modernen Bedeutungsforschung zurückverweisen, unter de13
Ben insbesondere die Darlegungen von G. Mounin29, Ju. D. Apresjan 30 und T. Todorov 3 1 herausgehoben zu werden verdienen. Gegenwärtig ist man, wie u. a. A. Neubert 32 sehr zu Recht feststellte, aus der Erkenntnis heraus, daß eine linguistische Theorie ohne eine entsprechende Semantik weder vollständig noch gänzlich abgesichert ist, überall dabei, Straßen durch das allen Bemühungen zum Trotz noch immer unwegsame Gelände der sprachlichen Bedeutungen zu bahnen, so daß gegenwärtig die Wissenschaft von den Bedeutungen nicht nur einen gleichberechtigten Platz neben anderen Disziplinen errungen hat, sondern sich sogar in einigen Ländern zu einer „sciencepilote" unter den Gesellschaftswissenschaften entwickelt. 33 Es leuchtet ein und unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit einer exakten Standortbestimmung und Bestandsaufnahme, daß die moderne Semantikforschung kein in sich geschlossenes Ganzes, sondern vielmehr eine Mischung ziemlich heterogener Bestrebungen darstellt, unter denen neben linguistischen und logischen34 Untersuchungen moderne funktionelle und strukturelle sowie traditionelle semasiologische und onomasiologische Untersuchungen zu finden sind. Da mit der Bezeichnung „Semantik" in der Gegenwart sehr leichtfertig umgegangen wird 35 und sich beispielsweise hinter der Benennung „Allgemeine Semantik" 36 eine Disziplin verbirgt, die vorrangig pragmatische Analysen vornimmt, daneben aber auch inhaltlich mehr oder weniger übereinstimmende noematische37, sememische38 und semiologische39 Untersuchungen auftreten, fällt es nicht leicht, sich in den inhaltlichen und terminologischen Unterschieden zurechtzufinden und scheint nicht zuletzt auf Grund dieser besonderen Umstände eine genaue Festlegung des Untersuchungsbereiches besonders dringend erforderlich. Ein Blick auf die im zurückliegenden Jahrzehnt erschienene sprachwissenschaftliche Literatur zum Bedeutungsproblem macht dabei deutlich, daß sich neben einer relativ eng mit der strukturellen Linguistik vor allem amerikanischer Prägung verbundenen und von uns als „mikrolinguistisch" bezeichneten Richtung 40 in verstärktem Maße Untersuchungen nachweisen lassen, die über den linguistischen Bereich im engeren Sinne hinaus in mehr oder weniger eindeutig als extralinguistisch bzw. noch als „makrolinguistisch" bestimmte Gebiete 41 vordringen. Fällt, wie eine eingehendere Betrachtung der modernen Analysen deutlich machen wird, die Abgrenzung zwischen makrolinguistischen und extralinguistischen Untersuchungen schwer, so ist eine Unterscheidung zwischen makrolinguistischen und mikrolinguistischen Analysen relativ leicht vorzunehmen, wenn auch in diesem Fall die Übergänge fließend sein können. Werden in mikrolinguistischen Untersuchungen, unter denen die Arbeiten von M. Joos 42 und Apresjan 43 besondere Beachtung verdienen und im Rahmen unserer Arbeit auch erfahren sollen, die Bemühungen der Forscher deutlich, den in den makrolinguistischen Untersuchungen eindeutig dominierenden Abbildbezug bei der Ermittlung und Beschreibung der semantischen Strukturen weitestgehend auszuschalten, 14
so lassen sich in den makrolinguistischen Untersuchungen vor allem Bestrebungen nachweisen, den letztlich nur über die Intuition zugänglichen Inhalt der sprachlichen Zeichen in kleinere Einheiten aufzugliedern. Wie die in den Kapiteln II, I I I und IV versuchte Charakteristik zeigen wird, muß eine Untergliederung der in beiden Fällen von den betreffenden Autoren unterschiedslos zur linguistischen Semantik gerechneten Untersuchungen in mikrolinguistische Analysen bzw. eine „inside semantics" im Sinne M. Joos' 44 und in makrolinguistische Untersuchungen bzw. in eine „outside semantics" angesichts der nachweislichen bedeutsamen Unterschiede zwischen beiden Richtungen als durchaus fruchtbar betrachtet werden. Einer eingehenden Analyse der vorliegenden Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung wird dabei nicht entgehen können, daß die beispielsweise von J. D. Apresjan 45 als strukturelle Lexikologie und Vorstufe einer strukturellen Semantik bezeichneten mikrolinguistischen Betrachtungen gegenüber den makrolinguistischen Analysen in den vergangenen fünf Jahren immer mehr an Bedeutung einbüßen mußten. Selbst auf die Gefahr hin, den Bereich einer linguistischen Untersuchung im engeren Sinne überschreiten zu müssen, werden in den weiteren Ausführungen vor allem die zur makrolinguistischen Bedeutungsforschung zählenden Versuche im Mittelpunkt stehen, die den Inhalt bzw. die Bedeutung der sprachlichen Zeichen durch eine Reihe kleinerer Inhaltselemente konstituiert betrachten und daher im folgenden unter dem provisorischen Sammelbegriff „semantische Konstituentenanalyse" zusammengefaßt werden sollen 46 , während demgegenüber die mikrolinguistischen Untersuchungen nur vergleichsweise knapp skizziert werden. Wir halten eine solche Beschränkung angesichts der zunehmenden Zahl der Arbeiten der semantischen Konstituentenanalyse sowie der durch sie eröffneten neuen Dimensionen für durchaus angebracht. Die moderne makrolinguistische Bedeutungsforschung hat gegenwärtig einen Stand erreicht, der auch hier eine vergleichende Zusammenstellung erforderlich werden läßt. Seit der von G. Mounin in dem erwähnten kurzen, aber nichtsdestoweniger äußerst informativen Artikel versuchten Resümierung der semantischen Untersuchungen und der bedeutsamen Synthese über die Methoden der modernen Semantik durch Apresjan ist eine Reihe neuer aufschlußreicher Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung erschienen und hat insbesondere die von beiden Forschern als interessant hervorgehobene semantische Komponentenanalyse ihren Einfluß gestärkt und ihr Profil weiter verändert. Diese semantische Komponenten- bzw. Konstituentenanalyse besitzt für die moderne Semantik große Bedeutung. Wenn auch die bisher erzielten Ergebnisse noch nicht in allen Punkten befriedigen können und über wesentliche Fragen noch Unklarheit besteht, so kann doch nicht übersehen werden, daß in ihr interessante und aufschlußreiche Hypothesen angelegt sind, die,
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wie wir in der Arbeit nachzuweisen hoffen, nicht nur einer präziseren Beschreibung der Inhaltsebene der Sprache, sondern u. a. auch der Übersetzungswissenschaft und anderen angewandten Disziplinen neue Perspektiven eröffnen. Ein besonders auffälliges Charakteristikum der semantischen Konstituentenanalyse, ihre stark hypothetisch-deduktive Ausrichtung, verdient bereits in diesem Zusammenhang besonders hervorgehoben zu werden. Diese gegenwärtig unter den makrolinguistischen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung allgemein verbreitete Orientierung, die sicher wenig geeignet erscheinen mag, um die noch immer zwischen der modernen semantischen Strukturforschung und der traditionellen, vorwiegend empirischen Bedeutungsforschung bestehenden Mißverständnisse und Spannungen zu beseitigen, muß dabei durchaus als legitime Reaktion der modernen Forschung auf die vorherrschend atomistische Betrachtungsweise der traditionellen Semantik verstanden werden. Zur Überwindung der traditionell üblichen reinen Faktensammlung sowie zur Klassifikation bzw. gar Interpretation der vielschichtigen und einer direkten Beobachtung nicht zugängigen semantischen Erscheinungen wurden relativ abstrakte theoretische Betrachtungen erforderlich. Obgleich sich die semantische Konstituentenanalyse demnach mit ihrer theoretischen Ausrichtung durchaus in Übereinstimmung mit einer in der strukturellen Linguistik gegenwärtig weit verbreitet feststellbaren Tendenz zur Modellierung und theoretisch verallgemeinernden Betrachtung 47 befindet, wird sie dadurch natürlich keineswegs der Notwendigkeit enthoben, die allgemeinen theoretischen Einsichten in die Struktur der Bedeutung nicht nur an einigen wenigen, besonders geschickt ausgewählten, sondern generell an allen überhaupt möglichen Beispielen zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren und zu präzisieren. In dem Maße, wie die bei der Untersuchung der Struktur der Bedeutung und Lexik gewonnenen Erkenntnisse durch praktische Analysen bestätigt werden, wird sich der Einfluß dieser Forschungen auch auf die traditionelle Bedeutungsforschung weiter verstärken und die Voraussetzung für eine höhere Einheit und Geschlossenheit der linguistischen Semantik geschaffen werden, die ihrerseits optimale Bedingungen für eine schnelle und exakte Klärung der vielfältigen Probleme einer semantischen Strukturbeschreibung zu gewährleisten vermag. Dabei kann bereits nicht mehr übersehen werden, daß die strukturelle Semantik in dem zurückliegenden Jahrzehnt ihre Positionen nicht unbedeutend gestärkt hat und sich selbst in der traditionellen Bedeutungsforschung immer mehr Anzeichen für eine synchronisch-strukturell orientierte Betrachtungsweise bemerkbar machen. 48 Noch immer sieht sich die strukturelle Semantik allerdings sowohl in der traditionellen als auch in der streng strukturell orientierten Linguistik nicht selten einer übertriebenen Skepsis gegen16
über. Nicht selten behindert auch fehlende oder mangelhafte Information über die vorliegenden Untersuchungen zur Bedeutungsstruktur sowie unangebrachte wechselseitige Voreingenommenheit eine für die schnelle Weiterentwicklung der Bedeutungsforschung so bedeutsame Zusammenarbeit von struktureller und traditioneller Linguistik sowie linguistischen und extralinguistischen Disziplinen. Durch eine sorgfältige Erfassung der modernen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung 49 zu einer Selbst Verständigung und Standortbestimmung sowie zur Gewinnung neuer Erkenntnisse über die Struktur der einer exakten Beschreibung bislang hartnäckig widerstehenden semantischen Phänomena beizutragen, ist demnach ein durchaus notwendiges und legitimes Unterfangen. Bei der in den nachstehenden Kapiteln versuchten zusammenfassenden Darstellung einer Reihe in sich ziemlich uneinheitlicher Bestrebungen, bei der der Akzent sowohl auf die Darstellung der vorhandenen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung als auch auf die Beschreibung der Strukturen selbst gelegt werden sollte, ergaben sich insofern Schwierigkeiten, als bei der Beschreibung jeweils immer nur bestimmte Aspekte der komplexen Erscheinung betrachtet und dann an anderen Stellen wiederholt auf die bereits gemachten Ausführungen verwiesen bzw. auf nur angedeutete Probleme in einem anderen Zusammenhang ausführlicher eingegangen werden mußte. 50 Angesichts der zahlreichen linguistischen und extralinguistischen Untersuchungen, die bei konsequentem Vorgehen eigentlich durchweg zu Bedeutungsstrukturen hätten vordringen müssen, wurde eine Beschränkung sowohl hinsichtlich der Auswahl der in der Arbeit eingehender zu analysierenden semantischen Strukturbetrachtungen als auch hinsichtlich der Untersuchung von nur einem, allerdings besonders bedeutsamen Aspekt der Bedeutung erforderlich. Wir haben uns daher bereits bei der Auswahl aus den vorliegenden Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung in zweifacher Weise beschränkt, d. h. nur mehr oder weniger eindeutig als linguistisch charakterisierbare oder bezeichnete Arbeiten herangezogen sowie uns innerhalb dieser noch im wesentlichen auf die Untersuchungen zur lexikalischen Bedeutung 51 konzentriert und diese auch in den eigenen Untersuchungen in den Mittelpunkt gestellt. Dabei konnten wir davon ausgehen, daß sowohl „inside" als auch „outside semantics" als mögliche Untergliederungen der Semantik mit dieser zugleich Bestandteil einer umfassenden Zeichentheorie, der Semiotik, sind und in den Rahmen dieser Theorie eingeordnet werden müssen. Wird im Anschluß an G. Klaus' „Semiotik und Erkenntnistheorie" der Bestimmung der lexikalischen Bedeutung die semantische Dimension des Zeichens, d. h. also die Relation des sprachlichen Zeichens bzw. Formativs 52 zum Abbild zugrunde gelegt und diese von der syntaktischen Zeichendimension, der Relation R(Z, Z) sowie der pragmatischen Dimension, der Rela2 Wotjak, Bedeutung
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tion R(Z, M), unterschieden, so leuchtet es ein, daß eine entsprechende Auswahl besonders dadurch erschwert werden kann, daß im konkreten sprachlichen Kontext die aufgeführten Zeichenrelationen stets in inniger Verquickung auftreten. Dabei bereitet nicht nur eine exakte Scheidung von lexikalischer und syntaktischer Bedeutung, sondern insbesondere auch die Bestimmung des Verhältnisses von Semantik und Pragmatik 5 3 gegenwärtig noch Schwierigkeiten, da weder die semantische noch die kaum begonnene pragmatische Analyse 5 4 der natürlichen Sprache bereits über ausreichend gesicherte Erkenntnisse verfügt. Am besten ist von den drei Dimensionen des sprachlichen Zeichens die syntaktische beschrieben; semantische und pragmatische Untersuchungen fallen demgegenüber nicht unerheblich ab, wozu vor allem der Umstand beigetragen haben dürfte, daß die Relationen R (Z, A) und R (Z, M) einer direkten Beobachtung und exakten Messung große Schwierigkeiten entgegensetzen. Es leuchtet ein, daß auch unter diesem Gesichtspunkt einer genauen Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes besondere Bedeutung zukommt, da von ihr nicht zuletzt auch vertiefte Einsichten in das Verhältnis von Syntax und Semantik, d. h. von „unterer" und „oberer" Grenze 55 einer semantischen Theorie, erwartet werden können. I n den nachstehenden Kapiteln sollen sowohl fremde als auch einige eigene Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung angeführt werden, wobei der Darstellung und Kommentierung der vorgefundenen Analysen als wesentlicher Voraussetzung f ü r die Schaffung eines annähernd gesicherten Fundaments für die semantische Strukturanalyse besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Vorangestellt wurden den Erörterungen über unterschiedliche Bestrebungen einer semantischen Strukturbetrachtung verhältnismäßig eingehende Darlegungen zum Untersuchungsgegenstand der Semantik allgemein und der makrolinguistischen Untersuchungen im besonderen, in denen sich, wie bereits erwähnt, mit ganz wenigen Ausnahmen keine expliziten Hinweise auf den Charakter der untersuchten Erscheinungen finden. I n diesem ersten Kapitel mußte es vor allem darum gehen, eine geeignete Ausgangsbasis für die Einordnung der in den nachfolgenden Kapiteln eingehend dargestellten Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung zu schaffen. Uns scheint, daß sich die hier aus der Betrachtung besonders charakteristischer Bedeutungsdefinitionen und Erkenntnisse der modernen semantischen Strukturforschung heraus konzipierte Bedeutungsauffassung zu einer u. E. mit großer Wahrscheinlichkeit akzeptablen und verschiedensten Aspekten gerecht werdenden Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes der modernen semantischen Strukturforschung ausbauen läßt. Aus dieser speziellen Aufgabenstellung erklärt es sich auch, daß nicht wenige der im ersten Kapitel notwendigerweise noch ziemlich allgemein gehaltenen Feststellungen und Formulierungen im folgenden dann in entsprechender Weise ergänzt und präzisiert werden. 56 18
Das zweite und das dritte Kapitel sind vor allem einer sorgfältigen Bestandsaufnahme der dem Verfasser zugänglich gewordenen und für eine semantische Strukturbeschreibung bedeutsam erscheinenden Untersuchungen gewidmet. Dabei wurden im zweiten Kapitel neben einigen allgemeineren methodologischen Bemerkungen vor allem mikrolinguistische Analysen und Untersuchungen der sogenannten funktionellen Semantik in ihren Hauptgedanken skizziert und nach Möglichkeit mehr oder weniger eingehend auf den zu einer semantischen Strukturanalyse geleisteten Beitrag hin eingeschätzt, während im dritten Kapitel makrolinguistische Untersuchungen und dabei insbesondere die semantische Konstituentenanalyse sowie eine erforderlich scheinende zusammenfassende Darstellung ihres Methodenapparates im Mittelpunkt stehen werden. Das abschließende vierte Kapitel sucht aufbauend auf den besonders aus den makrolinguistischen Untersuchungen gewonnenen Einsichten in die Struktur der Bedeutung eine erste zusammenfassende Wertung zu geben, den Nachweis der praktischen und theoretischen Bedeutung der semantischen Konstituentenanalyse 57 als eines wesentlichen Bestandteils der modernen semantischen Strukturforschung zu erbringen und durch einen vorläufigen Katalog besonders bedeutsamer ungelöster oder umstrittener Fragen ebenso wie durch eine an praktischen Beispielen demonstrierte Konstituentenanalyse und Strukturbeschreibung bei aller damit verbundenen Problematik noch eine intensivere Beschäftigung mit der Ermittlung und Beschreibung semantischer Strukturen anzuregen. Die ausführlich vorgenommene Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes sowie die eingehende Analyse der vorliegenden Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung schaffen dazu die notwendige Voraussetzung.
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1. Zum Untersuchungsgegenstand der strukturellen Semantik
Gegenstand einer jeden Bedeutungsbetrachtung und damit auch der strukturellen Semantik ist die Bedeutung der sprachlichen Zeichen sowohl im Sprachsystem als auch im Sprechakt, deren Beschreibung und Ermittlung besondere Probleme aufwirft. Es gibt in der modernen Linguistik wohl kaum eine Erscheinung, über deren Wesen und Erforschung auch nur annähernd so viel Widersprüchliches geäußert worden wäre wie über die Bedeutung der sprachlichen Zeichen.58 Obwohl seit der Antike immer wieder von Philosophie, Psychologie und Linguistik 59 untersucht, scheint es, als habe sich das Wesen der Bedeutung immer wieder dem Zugriff der Forschung entzogen und auch heute noch keine allgemein anerkannte Interpretation erfahren. Damit aber besteht auch die Feststellung S. Ulimanns „Meaning is one of the most ambiguous and most controversial terms in the theory of language" 60 noch vollauf zu Recht. Dabei hat es, wie eine ganze Reihe Definitionsversuche zeigt, durchaus nicht an Interesse und Bestrebungen gefehlt, Klarheit über das Bedeutungsphänomen zu erhalten. Waren z. B. von L. K . Ogden/I. A. Richards schon 1923 in ihrem bedeutsamen Werk „The Meaning of Meaning" aus der linguistischen und philosophischen Literatur ungefähr zwanzig unterschiedliche Definitionen der Bedeutung angeführt worden, so belief sich diese Zahl bei einer von L. Abraham 61 vorgenommenen Zwischenbilanzierung — die ihrerseits keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit erheben wollte und in der Tat vorwiegend Definitionen aus philosophischer Sicht erfaßte — schon auf mehr als fünfzig. Angesichts des Interesses, das der Bedeutungsproblematik in den letzten Jahren verstärkt auch von Seiten der strukturellen Linguistik und Semiotik entgegengebracht wurde, ist diese Zahl eher noch gestiegen. Wenn trotzdem noch immer keine Verständigung über das Wesen der Bedeutung erzielt wurde, so hegt dies vor allem in der tatsächlichen Komplexität 6 2 der untersuchten Erscheinungen und den noch Weitgehend unerforschten Bereichen begründet, die durch eine eingehende semantische Strukturanalyse erschlossen werden. Die von der strukturellen Semantik untersuchte Inhaltsebene der Sprache gilt auch heute noch zu Recht als eines der kompliziertesten Gebiete der Sprachwissenschaft. Wie E. Oksaar einleitend zu ihrer Dissertation über den Sinnbereich der Schnelligkeit feststellte, liegen 20
dabei die Schwierigkeiten „nicht nur in der abstrakten Art des Gegenstandes selbst, sondern zum größten Teil auch darin, daß man bei dieser Forschungsrichtung sehr leicht tiefer in das Gebiet der Psychologie u n d Philosophie eindringt, als es vom Standpunkt der Sprachwissenschaft aus unbedingt nötig ist." 6 3 Obgleich in der Linguistik in den letzten J a h i e n verstärkte Bemühungen unternommen wurden, u m eine exakte Abgrenzung des linguistischen Untersuchungsbereiches von extralinguistischen Disziplinen 64 zu erreichen, sind gerade diese Beziehungen noch immer nicht geklärt. Daher sollten auch die Ergebnisse der Arbeiten nicht überschätzt werden, die sich u m eine explizite Erörterung des allgemein anerkannten Grenzcharakters der Semantik bemühten. 6 5 I m Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte eine zweifellos aufschlußreiche eingehendere Behandlung der unterschiedlichen Bedeutungsdefinitionen u n d der in ihnen angelegten sprachphilosophischen und erkenntnistheoretischen Problematik nicht angestrebt werden. Eine Betrachtung zum Gegenstand der modernen strukturellen Semantik konnte sich zudem im wesentlichen darauf beschränken, die für die modernen Strukturanalysen charakteristischen Auffassungen herauszustellen, ohne im einzelnen auf die Berührungspunkte mit vorliegenden traditionellen und modernen Bedeutungskonzeptionen zu verweisen. Dabei bereitet übrigens bereits die Bestimmung der Bedeutungskonzeptionen in den Untersuchungen, die im Laufe unserer weiteren Darlegungen besondere Beachtung erfahren sollen, u. U. nicht unerhebliche Schwierigkeiten, da hier in der Regel eine Definition vergeblich gesucht wird. 66 Wie eine Analyse der Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung zeigt und von W. v. Quine 6 7 zu Recht hervorgehoben wurde, ist eine Bedeutungsforschung auch ohne eine festumrissene Bedeutungskonzeption allein durch sorgfältige Untersuchung der in der Objektsprache beobachtbaren semantischen Erscheinungen möglich. Doch wäre es u. E. nicht zuletzt angesichts der besonderen Schwierigkeiten, die sich bei der Einordnung und Einschätzung der Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung aus dem Fehlen einer entsprechenden Definition ergeben können 6 8 , gewiß verfehlt, daraus generell die Berechtigung auf Verzicht auf eine eingehendere Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes ableiten zu wollen. I n der umfangreichen Literatur zum Bedeutungsphänomen sind im einzelnen sehr unterschiedliche Bedeutungskonzeptionen entwickelt worden, aus denen sich jedoch einige allgemeine Tendenzen, wesenhafte Übereinstimmungen u n d typische Konzeptionen herausstellen lassen. So treten neben psychologische Bedeutungskonzeptionen, zu denen so verschiedene Bestrebungen wie die traditionelle Bestimmung der Bedeutung als Vorstellungsgehalt oder Idee, die behavioristischen Konzeptionen L. Bloomfields 69 , C. H j . Borgströms 7 0 gezählt werden können, auch Konzeptionen, die gegenüber der 21
psychologischen Definition vor allem den soziologischen sowie auch den semiotischen Aspekt hervorheben. Als besonders charakteristisch müssen in diesem Zusammenhang die Konzeptionen betrachtet werden, die je nach den sprachphilosophischen und -theoretischen Auffassungen der jeweiligen Forscher die Bedeutung sowohl als einen psychischen Prozeß 7 1 , eine Relation 7 2 , die Fähigkeit, einen Bewußtseinsinhalt auszulösen 73 , als auch als ein „komplexives seelisches Phänomen'" 7 4 , eine Vorstellung 75 , eine Idee bzw. einen Begriff 7 9 bestimmt wissen wollten. Hinzu kommt, daß nicht nur Unterschiedliches als „Bedeutung" (meaning, znaöenie bzw. signification) bezeichnet, sondern auch gleiche Erscheinungen unterschiedlich benannt wurden; so findet sich u . a . z . B . f ü r die im folgenden noch eingehender zu charakterisierende semantische Größe „Semem" neben der Bezeichnung sens 77 , auch Designat, Wortinhalt 7 8 , Bedeutung, Sinn. 79 Eine ausführliche Darlegung des f ü r eine einheitliche Bedeutungsforschung so bedauerlichen terminologischen Wirrwarrs würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, weil, wie z. B. die Untersuchungen von A. W. Read „The Term ,Meaning' in Linguistics" und von A. Bidu/M. Mi$u „Sensul cuvintului in lingvistica contemporanä" zeigen, eine eingehendere Betrachtung neben einer Registrierung der unterschiedlichen Termini unbedingt auch die nicht leicht feststellbaren inhaltlichen Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten beleuchten müßte. 8 0 Nicht selten wird bei der Suche nach einem Ausweg aus diesem terminologischen Durcheinander sowie aus einer Scheu vor der Berücksichtigung extralinguistischer Faktoren und Erscheinungen heraus auch zu Zirkeldefinitionen Zuflucht genommen, die im Grunde das Wesen der untersuchten Erscheinungen nicht zu erklären vermögen, da sie in der Regel eine nicht definierte Bezeichnung durch eine andere ersetzen und die vielleicht dadurch erhoffte Möglichkeit einer linguistischen Beschreibung im allgemeinen nicht befriedigen kann. 8 1 I n Anbetracht dieser unbefriedigenden Situation in der Bedeutungsforschung, die gewiß nicht dazu angetan ist, eine im Interesse der modernen strukturellen Semantik erforderliche Standortbestimmung zu begünstigen, erscheint eine eingehendere Untersuchung der semantischen Erscheinungen geboten 8 2 , die den Untersuchungsgegenstand der modernen semantischen Strukturanalysen bilden. Dabei kann an dieser Stelle weitgehend dahingestellt bleiben, ob die näher zu bestimmenden semantischen Phänomene als Bedeutung bezeichnet wurden oder im Sinne einer eigenen, noch darzulegenden Bedeutungskonzeption als „Bedeutung" (Inhalt) bezeichnet werden sollten oder ob es gerade in Anbetracht der nach wie vor hinsichtlich der Bestimmung der „Bedeutung" bestehenden Meinungsverschiedenheiten und Probleme angebracht sein könnte, auf diese Bezeichnung überhaupt zu verzichten. 83 F ü r die Untersuchung und Definition eines nachweislich so umstrittenen Untersuchungsgegenstandes ist es besonders wichtig, aber auch besonders 22
schwierig, eine gesicherte und geeignete Ausgangsbasis zu finden. Dabei scheint es uns wesentlich, selbst dort, wo die Bedeutungsanalyse neue Aspekte der untersuchten semantischen Erscheinung aufgewiesen und neue Akzente gesetzt hat, eine Standortbestimmung aber beim erreichten Forschungsstand noch Schwierigkeiten bereitet, eine Definition anzustreben, die bereits in größtmöglichem Umfang den absehbaren bzw. vermuteten Charakteristika des Gegenstandes Rechnung trägt. Das aber hieße in unserem Fall nichts anderes, als in der Bedeutungsdefinition die Strukturiertheit der Bedeutung zu berücksichtigen. Es leuchtet ein, daß es insbesondere angesichts der bestehenden Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Bedeutungsstrukturen, des Charakters der Bedeutungskonstituenten 8 4 sowie der eng mit der Bedeutungsproblematik verknüpften Fragen der Zeichendefinition angeraten erscheinen mußte, im folgenden auf eine ausführliche polemische Auseinandersetzung überall dort zu verzichten, wo sie allzu weit vom eigentlichen Anliegen dieses Kapitels, einer vorläufigen, durch die Betrachtung der einzelnen modernen Untersuchungen präzisierten Charakteristik des Untersuchungsgegenstandes, abgeführt hätte. Aus dem gleichen Grund glaubten wir auch, überall dort auf ausführliche Begründungen f ü r angeführte Hypothesen verzichten zu können, wo alle Veranlassung bestand, diese als bereits bewiesen, d. h. als festen Bestandteil der marxistischen Linguistik und Sprachphilosophie 85 , zu betrachten und wo sich eine Argumentation zudem als sehr umfangreich erwiesen hätte, wie z. B. bei der f ü r uns bereits selbstverständlichen Annahme des Primats der kommunikativen Funktion der Sprache. Eine jede Definition der Bedeutung muß als eine Arbeitshypothese betrachtet werden, deren Wert davon bestimmt wird, in welcher Weise sie dem Wesen, den Charakteristika der semantischen Erscheinungen und Prozesse gerecht zu werden vermag. 86 Nicht unerheblich beeinträchtigt wurde dabei ein solches Vorhaben durch unangebrachte Vorurteile gegenüber mentalistischer Betrachtungsweise, durch die Vermischung unterschiedlicher Betrachtungsebenen 8 7 sowie durch das Fehlen gesicherter Erkenntnisse in diesem Grenzgebiet zwischen Linguistik und extralinguistischen Disziplinen. Noch gibt es hier zu viele ungeklärte Fragen, als daß eine in allen Punkten abgestützte Bedeutungsdefinition erwartet werden könnte.
1.1 Zur semantischen Zeichenrelation als Grundlage für die semantische Strukturforschung Die Bedeutungsproblematik ist besonders eng in die mit der Definition des sprachlichen Zeichens verbundene Problematik eingebettet. Eine Definition der Bedeutung wird daher in engster Beziehung zum sprachlichen Zeichen 23
zu erfolgen haben, wobei die Einbeziehung dieses gleichfalls unterschiedlich definierten Terminus 8 8 allerdings das unternommene Vorhaben gewiß nicht um vieles einfacher zu machen verspricht. Gleich einem roten Faden durchzieht die Bedeutungsauffassungen die Frage nach der Funktion der sprachlichen Zeichen sowie nach dem Verhältnis von Zeichen bzw.Zeichenkörper (signifikant) und Bezeichnetem (signifié) 89 bzw. Bedeutung; so vielfältig die Auffassungen über dieses Verhältnis sind, so mannigfaltig sind auch die Vermutungen über den Charakter der Bedeutung. I n der Vergangenheit ist, wie z. B. A. Neubert 89 ® sehr zu Recht betonte, viel aneinander vorbeigeredet worden, weil nicht immer deutlich genug herausgestellt wurde, welche der nachstehend aufgeführten Relationen bzw. welches Element dieser Relationen als Bedeutung angesehen wurde, ob die Relation R (F/A) oder die Relation R (F/F) bzw. R (Z/Z), d. h. die von uns in den weiteren Betrachtungen weitgehend eliminierte syntaktisch-grammatische Bedeutung oder aber das Abbild A allein. Eine Erforschung der Bedeutungsproblematik scheint demnach, wie bereits aus der Notwendigkeit einer Definition des Formativs, des Abbilds und der zwischen ihnen bestehenden Wechselbeziehungen hervorgeht, in der Tat in besonderer Weise die Einbeziehung der Semiotik sowie der an die Linguistik angrenzenden Wissenschaftsbereiche, wie z. B. der Psychologie und Philosophie, zu erfordern. Die lexikalische Bedeutung der sprachlichen Zeichen ist in der Einleitung von uns allgemein als die semantische Zeichenrelation R (F/A) bestimmt worden, wie sie sich im Rahmen einer modernen marxistischen Semiotik ergab. 90 F ü r eine Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes der modernen semantischen Strukturanalyse erweist sich eine Bezugnahme auf die semiotisch bestimmte semantische Zeichenrelation als besonders günstig; vereint die als Relation des Zeichens zum Abbild definierte Semantik des sprachlichen Zeichens doch sowohl die Definition der Bedeutung als einer Relation als auch die Bestimmung der Bedeutung als Bewußtseinsinhalt zu einem harmonischen Ganzen. Hinzu kommt, daß gegenüber den in dem Schema angelegten Beziehungen der Zeichensituation wohl keine grundsätzlichen Einwände mehr angeführt werden können, zumal sich dieses Schema, zwar in mannigfacher Abwandlung, im Grunde aber doch weitgehend übereinstimmend, in Bedeutungsdefinitionen von Linguisten 9 1 ebenso wie von Philosophen und Erkenntnistheoretikern 9 2 wiederfindet.
Betrachten wir das obenstehende Grundschema der semantischen Zeichenrelation, so ersehen wir daraus, daß das jeweilige Formativ nicht unmittelbar f ü r die extralinguistische Realität O, sondern für Bewußtseinsinhalte A 24
steht und damit der Tatsache Rechnung getragen ist, daß das Formativ bzw. das sprachliche Zeichen 93 seiner kommunikativen Funktion nur dank diesem eng mit ihm verknüpften Bewußtseinsinhalt gerechtzuwerden vermag. Es geht uns dabei im folgenden in der Regel um eine Betrachtung der Bedeutung als einer Erscheinung der langue, nicht aber um die jeweilige Konkretisierung im Sprechakt, bei der, wie im Schema ersichtlich ist, neben der Relation R (F, A) auch der Bezug zur Realität 0 eine besondere Rolle spielt. So erscheint es nur logisch, wenn wir in den nachstehenden Überlegungen, wie auch bei der Betrachtung der modernen Bedeutungsstrukturanalysen, die Relation R (A, 0 ) , die, bis zu einem gewissen Grad ohnehin Bestandteil der semantischen Zeichenrelation ist 9 4 , als Gegenstand einer logischen Semantik bzw. einer Theory of Reference 95 als extralinguistisch aus unseren Untersuchungen ausklammern und damit u. a. Fragen nach der Adäquatheit der Widerspiegelung, z. B . eines betreffenden A im Hinblick auf den denotierten Gegenstand, extralinguistischen Bereichen zuweisen. In der Vergangenheit hat eine ungenügend präzise Scheidung zwischen den Zeichen als materiellen Gegenständen, d. h. den Zeichenkörpern bzw. Formativen und den Zeichen als komplexen psychischen Erscheinungen — Einheiten von Zeichenkörpern und Zeicheninhalt —, wie sie sich u. a. selbst bei G. Klaus „Semiotik und Erkenntnistheorie" 96 nachweisen läßt, zu nicht wenigen Kontroversen und Meinungsverschiedenheiten Anlaß gegeben, die bei einer sorgfältigeren Beachtung der zwischen Zeichenkörper-Formativ und dem Zeichen als komplexer Einheit aus Form und Inhalt bestehenden qualitativen Unterschiede u. U. hätten vermieden werden können. Die vom Zeichen nachdrücklich terminologisch und inhaltlich unterschiedenen Formative sind dabei zu verstehen als „Elemente und Kombinationen von Elementen, die als beobachtbare und als phonologisch-morphologischsyntaktisch beschreib- und klassifizierbare Strukturen die materielle Basis des sprachlichen Kodes darstellen. Sie werden vom Sprecher (Schreiber) produziert und vom Hörer (Leser) perzipiert . . . Die Formative bilden die Ausdrucksebene der Sprache". Sie bilden demnach einen Pol der Forminhaltsbeziehung, sie repräsentieren sie jedoch nicht vollständig, „sie bilden gewissermaßen nur ,eine Hälfte'". 97 Dieses Formativ wird erst zum Zeichen kraft der verschiedenen Relationen, die es als Bestandteil des primär kommunikativen Zwecken dienenden Zeichenvorrats der natürlichen Sprachen zum Abbild, zum Sprachbenutzer sowie zu anderen Formativen bzw. Zeichen des Sprachsystems eingegangen ist. Diese verschiedenen Zuordnungsverhältnisse des Formativs bleiben dabei natürlich als Charakteristika des sprachlichen Zeichens auch dann erhalten, wenn die angeführte Trennung zwischen Zeichen und Zeichenkörper unbeachtet bleibt oder gar bewußt abgelehnt wird und hinsichtlich der Benennungen dieser Relationen, beispielsweise als Bedeutungen 98 des sprachlichen Zeichens, Bedenken angemeldet werden sollten. 25
Es scheint, daß sich in der Gegenwart eine rdalicmeUe Bestimmung der Bedeutung sowohl in linguistischen als auch in philosophischen Untersuchungen verstärkt Gehör verschafft, wobei sich ein nicht unbedeutender Teil der entsprechenden Untersuchungen mehr oder weniger bewußt und direkt auf die in der semantischen Zeichenrelation fixierte Relation R (F, A) bezieht und sich dabei u. a. auch durch die Definition der Bedeutung bestätigt findet, die S. Ullmann als „a reciprocal relation between name and sense which enables them to call up one another" bestimmte." Besonders charakteristisch erscheinen in diesem Zusammenhang u. a. auch die Ansichten G. Jägers, der die Bedeutung eindeutig als Relation bzw. als ein Bündel von Relationen definierte, „die das Formativ mit den Bezugsgrößen Abbild, Zeichenbenutzer und. . . System der Formative verbinden und es zum Zeichen machen." 100 Noch aber ist die Definition der Bedeutung als einer Relation, d. h. also z. B . als signification gegenüber der Bestimmung der Bedeutung als Bewußtseinsinhalt bzw. signifié selbst in der modernen Bedeutungsforschung durchaus nicht allgempin verbreitet. 101 Es gilt daher, bei dem Versuch einer Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes der modernen Semantik auch die Definitionen nicht zu vergessen, die unter der Bedeutung nicht eine Relation, sondern vielmehr „ein mehr oder minder komplexives seelisches Phänomen" verstanden, wobei nicht übersehen werden darf, daß, wie bereits in der Einleitung festgestellt, auch gegen diese Bedeutungsauffassung, die insbesondere in der traditionellen psychologisch-mentalistischen Bedeutungsforschung weite Verbreitung fand, aber auch in modernen Analysen nachweisbar ist, Einwände und Bedenken angemeldet wurden. Eine angesichts dieser offensichtlichen Unterschiede in den Bedeutungskonzeptionen notwendig werdende Entscheidung für oder wider eine der beiden Auffassungen fällt nicht leicht und verlangt besondere Sorgfalt, da es nicht so sehr um terminologische Fragen geht, sondern vielmehr wesentliche philosophisch-weltanschauliche Fragestellungen damit verknüpft sind. Gewiß wäre es denkbar, sich zunächst auf die beiden Auffassungen einen festumrissenen Platz einräumende semantische Zeichenrelation R (F, A) zu beziehen und davon ausgehend die u.a. noch in eine „strukturbedingte" Systembedeutung und eine thematisch oder kontextuell bestimmte Sprachaktbedeutung 102 untergliederbare Bedeutung dialektisch sowohl als eine Relation bzw. eine Fähigkeit, ein bestimmtes Abbild auszulösen, als auch als dieses Abbild selbst zu bestimmen. Mit einem so allgemein gehaltenen und damit in jedem Fall erweiterten Bedeutungsbegriff wäre allerdings wohl praktisch kaum etwas gewonnen, wenn man bedenkt, daß in den einzelnen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung die Bezeichnung „Bedeutung" stets entweder für eine Relation etwa im angegebenen Sinne der semantischen Zeichenrelation oder aber für ein Abbild Verwendung findet und ein verschwommener Terminologiegebrauch bei der Bestimmung der jeweiligen Bedeutungskonzeption und der Einordnung der betreffenden Untersuchungen 26
nicht weiterhilft. Unter diesen Umständen stellt wohl auch der Versuch, unter Berufung darauf, daß sich in der semantischen Zeiehenrelation relationelle und substantielle Bedeutungskonzeptionen 103 vereinen lassen, generell von der „Semantik" eines Zeichens zu sprechen, d.h. den „belasteten" Terminus „Bedeutung" überhaupt zu vermeiden, nur eine Scheinlösung dar. Denn auch aus der zur Grundlage der Untersuchung gemachten semantischen Zeichenrelation bietet sich eine relationeile Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes 104 als Ausgangsbasis für die semantischen Analysen gewissermaßen automatisch an, da in sie auch das als sens, signifié usw. bezeichnete Abbild oder vielmehr nur ein bestimmter Teil dieses Abbilds 105 einbezogen wird. Beide Endpole dieser Relation, das Formativ wie auch das Abbild, haben eine gewisse Eigenständigkeit; doch muß jeder Bestandteil immer in Beziehung zu seinem Korrelat gesehen werden. Daher sollte wohl auch bereits hier als gesichert festgehalten werden, daß die semantische Zeichenrelation ohne eine Einbeziehung des linguistischen wie auch des extralinguistischen Korrelats der Beziehung Formativ — Abbild nicht vollständig beschrieben werden kann. Ganz gleich, ob unter Bedeutung die angegebene Zeichenrelation als Ganzes oder aber wie z. B. bei W. Schmidt 106 nur das Abbild als Grundlage jeglicher, d. h. nicht nur linguistischer Untersuchungen der Struktur der Bedeutung, verstanden wird, scheint eine eingehendere Betrachtung dieses in der Regel nicht detaillierter untersuchten Abbilds besonders dringend erforderlich. Da mit Ausnahme der mikrolinguistischen Analysen dieses Abbild in makround extralinguistischen Untersuchungen gleichermaßen verstärkt in den Mittelpunkt des Interesses gerückt und allgemein zum Gegenstand der modernen Strukturbeschreibungen geworden ist, wird eine sorgfältigere Bestimmung auch des Abbildes, zumindest seiner in diesem Zusammenhang besonders interessierenden Bezüge zur Linguistik, unvermeidlich. Eine allgemeine Definition etwa als „Abstraktionen der Sprachbenutzer von der prozeßhaften, sich ständig verändernden, in objektiven Zusammenhängen existierenden Realität" 107 kann hier nicht befriedigen, zumal auch aus der Darstellung in der Zeichenrelation nicht eindeutig hervorgeht, ob es sich um ein individuelles Abbild oder um ein durch Abstraktion aus den notwendig individuellen Abbildern gewonnenes intersubjektives Abbild handelt. Wie eine entsprechende Untersuchung deutlich macht, können die bei einer Bedeutungsanalyse aufgezeigten Strukturen auch dann als semantische Strukturen bezeichnet werden, wenn im Hinblick auf das näher beschriebene Abbild nicht von Bedeutung, sondern von Inhalt, sens, Designat, Abbild oder auch „Semem" die Rede ist. In nachstehender graphischer Darstellung sollen die bereits erwähnten unterschiedlichen Bedeutungskonzeptionen einander noch einmal zusammenfassend gegenübergestellt und zugleich in die semantische Zeichenrelation selbst eingeordnet werden, wobei die gewählte Skizze trotz möglicher Unzu27
länglichkeiten als geeignete Ausgangsbasis auch f ü r eine Bestimmung der relevanten Unterschiede von mikro- und makrolinguistischer Bedeutungsforschung betrachtet werden kann. 1 0 8 I m folgenden Schema ist sowohl F als auch A unspezifiziert geblieben; dabei muß in unserer Abbildung, wie die nachfolgenden Betrachtungen zeigen werden, unter dem Abbild A bereits ein überindividuelles gesellschaftliches Abbild, eine usuelle Bedeutung im Sinne H. Pauls 1 0 9 , verstanden werden, da sonst die angegebene graphische Darstellung beispielsweise der makrolinguistischen Konzeption der Beschreibung der Bedeutung nicht gerecht zu werden vermag. Designat, sens, Semem Bü
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B I — Bedeutung als Relation B I a entspricht dabei der semantischen Zeicheftrelation in ihrer Gesamtheit und kann etwa auch Ausgangsbasis für eine makrolinguistische Bedeutunganalyse sein, wenn auch im allgemeinen die als makrolinguistisch bezeichneten Untersuchungen keinen Zweifel daran lassen, daß sie vor allem den Abbildbereich analysieren. B Ib verdeutlicht die Beschränkung, die sich z. B. die mikrolinguistische Analyse bei der Beschreibung der Bedeutung durch die Eliminierung des Abbilds A auferlegt hat. B I I Bedeutung als Bewußtseinstatsache
(Inhalt, signifie, Semem . . .)
Um dem angedeuteten inhaltlichen Unterschied auch terminologisch gebührend Rechnung zu tragen, wollen wir im folgenden das mit dem Abbild A gleichgesetzte B I I entsprechend der in einigen modernen makrolinguistischen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung mehr und mehr üblichen Terminologieregelung als „Semem" 1 1 0 bezeichnen. Auf einige Charakteristika dieses Semems als in spezifischer Weise bestimmtem Abbild etwas detaillierter einzugehen, erscheint dabei nicht nur angesichts der Tatsache angebracht, daß sich die makrolinguistischen Untersuchungen verstärkt auf die Erforschung dieses Bereiches der semantischen Zeichenrelation orientieren, das Semem also als ihr eigentlicher Forschungsgegenstand bezeichnet werden könnte, sondern ist auch im Hinblick auf eine allseitige Beschreibung der semantischen Zeichenrelation selbst von außerordentlichem theoretischen und praktischen Wert.
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1.2 Das Semem als Beschreibungseinheit der Inhaltsebene und Gegenstand der makrolinguistischen Bedeutungsanalyse Das sprachliche Zeichen, unabhängig davon, ob es als Einheit von Formativ (Lautkomplex) und Wortbedeutung 111 (Semem) oder als Einheit einer Folge von 1 . . . n wahrnehmbaren Reizen (Phonemen) 112 und einer als Relation bestimmten Bedeutung verstanden wird, ist eine soziale Erscheinung und enthält demnach das, „was an dem gegebenen Material sozial ist, also vom Consocium abhängt, nicht vom Individuum." 113 Soll das sprachliche Zeichen seiner kommunikativen Funktion gerecht werden, so müssen in den mit bestimmten Formativen verknüpften individuellen Abbildern innerhalb einer Sprachgemeinschaft gewisse Gemeinsamkeiten nachweisbar sein, die gewissermaßen als kommunikatives Minimum den kommunikativen Effekt garantieren.114 Diese durch die tägliche Kommunikationspraxis bestätigten kommunikativen Invarianten, die von einer ganzen Reihe von Forschern 115 mehr oder weniger ausdrücklich als Bedeutung bezeichneten Sememe in unserem Sinne, die über individuell verschiedene Abbilder eine intersubjektive Verständigung und Information 116 gewährleisten, aufzufinden sowie sie einer exakten Beschreibung und Messung zugängig zu machen, muß als ein Hauptanliegen der modernen Bedeutungsforschung betrachtet werden. In der Tat bietet sich zur Beschreibung der Bedeutung, verstanden als Relation, grundsätzlich nur die Möglichkeit, eine Analyse der eindeutig sprachlichen Bestandteile der semantischen Zeichenrelation — der Formati ve auf ihre morphologische Struktur, darüber hinaus aber wohl vor allem auch der syntaktischen und kontextuellen Beziehungen der Zeichen — und der mehr oder weniger eindeutig als extralinguistisch bestimmten Abbilder zu versuchen. Diese Aufgabe ist in der modernen strukturellen Semantik von verschiedenen Seiten her mit wechselndem Erfolg in Angriff genommen worden. Ihre endgültige Lösung, die nicht unwesentlich von dem theoretischen Ansatzpunkt der durchgeführten semantischen Analysen abhängt, steht indessen noch aus. Wir glauben, daß unter den vorliegenden Versuchen die Untersuchung der Sememe als Beschreibungseinheiten der Inhaltsebene 117 , auch wenn sie über den linguistischen Rahmen im engeren Sinne hinausgeht, besonders wertvolle Ansätze aufweist. Dieses Semem ist als eine überindividuelle gesellschaftlich-kommunikative Norm zu verstehen, die, in der Kommunikation aus den mit den sprachlichen Formativen im Bewußtsein der Sprachbenutzer gekoppelten individuellen Abbildern heraus entstanden, als eine synchronisch weitgehend invariante intersubjektive Größe in sich Abbildfaktoren vereinigt, die den subjektiven Abbildern gemeinsam sind. Besondere Aufmerksamkeit verdient für eine Sememanalyse dabei der Umstand, daß in der modernen Literatur zur Be29
deutung nicht zufällig der überindividuelle Charakter des Semems von den meisten Autoren besonders nachdrücklich herausgestellt wird. Zwei Zitate sollen diesen intersubjektiven Charakter des Semems illustrieren. So führte F. Schmidt auf dem I. Internationalen Symposium „Zeichen und System der Sprache" u. a. aus, daß von verschiedenen Menschen der betreffenden Sprachgemeinschaft in verschiedenen Situationen mit der Wahrnehmung von Zeichen im wesentlichen dieselben — nicht sinnlichen — Vorstellungen usw. verbunden werden. „Nur insofern Sprecher und Hörer mit den normgemäß gegebenen und empfangenen Wahrnehmungen im Kern identische Vorstellungen usw. verbinden (regelmäßig reproduzieren, assoziieren), insofern sie also kointendieren, sind diese Vorstellungen usw. als ,Bedeutungen' von Zeichen anzusprechen. Die Verbindung beruht auf Konvention." «8 Auch G. F. Meier ist unter Hinweis auf den als kommunikativen Effekt zu interpretierenden Inhalt der sprachlichen Zeichen zu der Feststellung gelangt, daß der Terminus Inhalt und damit auch in ganz besonderem Maße das Abbild A in der semantischen Zeichenrelation recht allgemein gefaßt wäre. „Er macht keinen Unterschied zwischen individuellem Effekt und dem zu erwartenden und durchschnittlich erreichten Effekt. Für den durchschnittlichen (Hervorhebung — G. W.) Effekt könnte man auch Bedeutung sagen, die als Invariante den individuellen Varianten 119 gegenüberstehen würde." 120 Aus den wenigen angeführten Betrachtungen zum gesellschaftlichen Charakter des Semems wird bereits sowohl die Notwendigkeit als auch die Möglichkeit einer Präzisierung des Verhältnisses von Semem und Abbild ersichtlich. Es geht nicht mehr an, daß das Abbild in der Zeichenrelation R (F/A) unspezifiziert bleibt. Denn wird A in dieser Relation als individuelles Abbild betrachtet, so wird der außerordentlich bedeutsamen Existenz einer Inhaltsinvarianten, also eines Semems, nicht im erforderlichen Maße Rechnung getragen, der besonders in der traditionellen Bedeutungsforschung verbreiteten Auffassung von der Bedeutung als einer vagen und unfaßbaren Erscheinung gewollt oder ungewollt Vorschub geleistet und einer exakten Bedeutungsforschung ein schlechter Dienst erwiesen. Für eine detaillierte Bedeutungsbetrachtung erweist es sich vielmehr als zweckmäßiger, wenn zunächst auf die einer exakten Forschung am ehesten zugängliche Invariante verwiesen wird und die zwar durchaus vorhandenen, für die Kommunikation aber irrelevanten Unterschiede in den Abbildern weitgehend unbeachtet bleiben. Da aber bei der konkreten Bestimmung und Beschreibung des jeweiligen überindividuellen Semems von den im Sprechakt allein vorgefundenen individuellen Manifestationen ausgegangen werden muß 121 , hat eine makrolinguistische Analyse verständlicherweise besonderes Augenmerk auf die Scheidung von individuellen und intersubjektiven Abbildfaktoren zu richten. In diesem Zusammenhang verdienen u. E. die Ausführungen von Z. Telegdi 30
zum normativen Charakter des Semems besonders hervorgehoben zu werden. Telegdi hat in seinem Diskussionsbeitrag auf dem I. Internationalen Symposium „Zeichen und System der Sprache" in Erfurt statt des überindividuellen den extraindividuellen Charakter des Semems unterstrichen 1 2 2 und damit eine Ansicht vertreten, die sich u. a. z. B. schon in E. Ahlmanns „Das normative Element im Bedeutungsbegriff" nachweisen läßt, von uns aber nicht akzeptiert werden kann. Gewiß ist das Semem als gesellschaftlichinvariante Norm der Kommunikation eine Abstraktion aus den jeweils immer nur individuellen Bewußtseinsinhalten der Sprachbenutzer; doch damit existiert es durchaus nicht außerhalb des Bewußtseins der Sprecher 123 , sondern fungiert vielmehr als eine überindividuelle Größe, die sich in den individuellen Abbildern der Sprachbenutzer in jeweils spezifischer Weise etwa in der Art eines weitgehend invarianten Kerns niedergeschlagen findet. Die Bestandteile dieser Invarianten aus den individuellen Abbildern zu ermitteln, setzt eine sorgfältige Analyse voraus, zu der verschiedene Hilfsmittel zur Stützung der Intuition des Forschers herangezogen werden sollten. Einer weiteren theoretischen Begründung bedarf diese aus der Kommunikationspraxis gerechtfertigte Annahme sicher nicht. Sie kann sich daher auch im weiteren, wenn von der Kommunikation, der Sprache als Norm 1 2 4 , ausgegangen wird, wie u. a. die Definitionen der Bedeutung durch K . Heger und K . Baldinger zeigen, auf eine Analyse der durchschnittlichen Bewußtseinsinhalte, also etwa der usuellen Bedeutung von H. Paul, ohne Bezug auf den individuellen Sprecher, orientieren. Es ist ein besonderes Verdienst K . Hegers, in seinem Aufsatz „Die methodischen Voraussetzungen von Onomasiologie und begrifflicher Gliederung" bedeutsame Präzisierungen der Inhaltsseite der sprachlichen Zeichen vorgenommen und dabei unter Zugrundelegung eines überindividuellen Abbilds eine Bedeutungsauffassung dargelegt zu haben, die als besonders illustratives Beispiel f ü r eine den makrolinguistischen Bedeutungsanalysen weitgehend entgegenkommende Bedeutungskonzeption betrachtet werden kann. I m Anschluß an die bereits von Saussure dargelegte Scheidung von signifiant und signifié kommt K . Heger ganz im Sinne der vorausgehenden Darlegungen zu der Feststellung, daß sowohl der Begriff des signifiant als auch der des signifié einer Präzisierung bedürfen. Während im Falle des signifiant die Frage eigentlich unentscheidbar sei, „ob es sich um eine ausschließlich physische (signifiant-Stimulusquelle),umeine psycho-physische (signifiant = forme phonétique) oder um eine ausschließlich psychische (signifiant = image acoustique) Erscheinung handelt" 1 2 5 , würde zwar im Hinblick auf die Definition des signifié als psychische Erscheinung weitgehende Ubereinstimmung herrschen, doch reiche diese allgemeine Formulierung nicht f ü r eine vollständige Charakterisierung der komplexen semantischen Erscheinungen aus. Heger entscheidet sich in seinen Darlegungen dafür, auf der 31
linken Seite seines Schemas, die weitgehend der Ausdrucksebene gleichgesetzt werden könnte, zwischen einem physischen Lautkontinuum und einem psychischen Wortkörper (name im Sinne S. Ullmanns) zu unterscheiden, die zueinander in einer quantitativen Konsubstantialitätsrelation stehen würden.126 Von der sprachspezifisch an einen bestimmten Wortkörper gebundenen Bedeutung müsse dagegen auf der Inhaltsebene der Begriff als eine von jeglicher zeit- und sprachbedingter Bindung an bestimmte sprachliche Systeme unabhängige und isolierbare Erscheinung 127 sorgfältig unterschieden werden. Mit einem Wortkörper, der von Heger im Anschluß an die Terminologie der Genfer linguistischen Schule als Monem bezeichnet wird, können ein oder mehrere Sememe verknüpft sein, die zusammen den Bedeutungsumfang eines Monems, d. h. den signifié in der Terminologie Saussures konstituieren, der gleichfalls in quantitativer Konsubstantialitätsrelation zum Monem steht. 128 Auf der Inhaltsebene 129 unterscheidet Heger signifié, Semem und Begriff, zwischen denen eine qualitative Konsubstantialität vorliegen würde, was nicht zuletzt dadurch bestätigt scheint, daß sich alle drei unterschiedlichen inhaltlichen Größen unter einer substantiellen Einheit, dem Abbild, subsumieren lassen. Existiert nur ein Semem, so ist es in diesem Fall mit dem Bedeutungsumfang identisch und kann ihn auch in der graphischen Darstellung ersetzen. In allen übrigen Fällen aber, und diese dürften in der Mehrzahl sein, sind einem signifié nach Hegers Auffassung 2 . . . n Sememe zugeordnet, die sich offensichtlich auch untereinander partiell überschneiden können. Ein entsprechend modifiziertes Schema der Zeichensituation müsse demzufolge die inhaltliche Ebene in Ubereinstimmung mit dem gegenwärtigen Erkenntnisstand mindestens dreigeteilt darstellen und damit die von der traditionellen Repräsentation recht beträchtlich abweichende folgende Trapezform annehmen:130 sign/fye
Semem
Begriff
K . Baldinger, der die Ausführungen Hegers in seinem Artikel „Sémantique et structure conceptuelle. Le concept ,se souvenir'" vollinhaltlich unterstützte, hat an obenstehendem Schema noch insofern Veränderungen vorgenommen, als die auch von Heger anerkannte Aufgliederung der Sememe in Seme in der Darstellung selbst berücksichtigt wurde.131 In einer an Baldinger angelehnten Skizze könnte das eindeutig makrolinguistische Zeichenschema damit etwa folgende Form erhalten : 32
signif/e
qoa/itative XonsubstantiaUtöt Semem, ^ Am,
egrifi
Mortem. laufkontinuum
^ Sem3
Semen>2
Sem2
\
Rea/ifät O
Das vorstehende Schema erweist sich dabei unter mehreren Gesichtspunkten als besonders interessante zusammenfassende Darstellung der aus der Diskussion u m die Bedeutungsproblematik in der modernen Semantik gewonnenen Einsichten; erlaubt es doch vor allem neben einer differenzierten, den modernen Erkenntnissen der semantischen Konstituentenanalyse gerecht werdenden Untersuchung der bisher im allgemeinen nicht näher spezifizierten Inhaltsebene, auch eine Bezugnahme auf die auf der linken Seite des Schemas zum Ausdruck gebrachte Formativseite. Die aus der Skizze und der nachdrücklich behaupteten qualitativen Konsubstantialitätsrelation hervorgehende enge Verbindung von Semem und Begriff ist für die in der modernen Semantik vertretene makrolinguistische Konzeption der Beschreibung der Bedeutung dabei ebenso charakteristisch wie die in Baldingers Schema eingearbeitete Annahme einer möglichen weiteren Aufspaltung des Semems in kleinere-begriffliche-Einheiten. 132 I n dieser Auffassung nimmt, wie auch aus den Darlegungen von Heger und Baldinger klar wird, das Semem als sprachspezifisch mit einem bestimmten Monem verknüpfte Einheit der Inhaltsebene eine zentrale Stellung ein. Dieses Semem erweist sich nicht nur als eine unbedingt notwendige, sondern auch als eine besonders geeignete makrolinguistische Beschreibungseinheit der Inhaltsebene der Sprache; umfaßt es doch neben den obligatorischen, intersubjektiv gemeinsamen referentiellen bzw. denotativen Abbildfaktoren auch die innerhalb einer Sprachgemeinschaft üblicherweise mit der betreffenden Bezeichnung ausgelösten emotionalen und ästhetischen Wertungen, vorausgesetzt, daß diese in den linguistisch relevanten Durchschnitt eingegangen sind. Vor einer eingehenderen Betrachtung des Semems und der bereits in den erwähnten Arbeiten und schematischen Darstellungen K . Hegers und K . Baldingers angerissenen komplizierten Problematik der Abgrenzung und Wechselbeziehung von Semem, individuellem Abbild und Begriff sowie vor einer ausführlicheren Würdigung des angedeuteten Konstituentenstrukturcharakters des Semems erscheinen jedoch zunächst einige Bemerkungen zur Beziehung von Formativ und Semem einschließlich der damit verknüpften Fragen nach der Bestimmung der Größe des Semems angebracht.
3 Wotjak, Bedeutung
33
1.3 Zur Beziehung von Formativ und Semem Die Beschreibung der Wechselbeziehungen der Formative und der mit ihnen verketteten Sememe wirft eine Reihe besonderer Probleme auf, kommt es dabei dochl nicht nur auf eine exakte Bestimmung der Zuordnungsrelation an, die ihrerseits eine weitgehende Kenntnis und qualitative Beschreibung der Inhalts- und Ausdrucksebene voraussetzt 133 , sondern u. a. auch auf eine besondere Schwierigkeiten bereitende Festlegung der Größe der einander jeweils zugeordneten Einheiten. Eine unseres Wissens noch nicht detailliert durchgeführte Untersuchung134 dieser für die linguistische Bedeutungsforschung bedeutsamen Fragen erscheint in besonderem Maße geeignet, Einblick in den Mechanismus der Kommunikation und die Verknüpfung von Sprache und Abbild zu gewähren. Dabei handelt es sich bei den folgenden Betrachtungen vor allem um eine Analyse auf der Ebene der ersten Gliederung im Sinne A. Martinets 135 , d. h. der sprachspezifischen, historisch gewachsenen und konventionellen Kodierung der Erfahrungen und Erkenntnisse. Erste Probleme ergeben sich dabei — recht unerwartet angesichts der Tatsache, daß die Ausdrucksebene in jahrzehntelanger Forschungsarbeit eingehend untersucht worden ist — bereits bei der Bestimmung der Größe der Einheiten der Ausdrucksebene, die im Unterschied zu den Einheiten der Inhaltsebene der Forschung direkt zugänglich sind. Zwischen Ausdrucksund Inhaltsebene bestehen enge Wechselbeziehungen, die nicht zuletzt gerade dadurch unterstrichen werden, daß die Einheiten der Ausdrucksebene im Hinblick auf den durch sie vermittelten Inhalt bestimmt wurden, wie z. B. die Morpheme weitverbreitet als kleinste formal isolierbare bedeutungstragende Einheiten verstanden werden. Bevor auf die Beziehungen zwischen Formativ und Semem im engeren Sinne eingegangen und eine quantitative Bestimmung des Korrelats des Semems auf der Ausdrucksebene vorgenommen werden kann, soll eine kurze qualitative Bestimmung durchgeführt werden. Auch wir halten es dabei kaum für entscheidbar, welches der drei von Heger dargelegten Charakteristika des Formativs das zutreffende ist, erachten aber die aufgezeigte Unterscheidung eines rein physisch definierten Formativs bzw. eines psychophysischen136 sowie eines rein psychisch bestimmten Formativs — dem Monem im Sinne Hegers oder dem image acoustique im Sinne Saussures vergleichbar — für außerordentlich bedeutungsvoll. Noch steht unseres Wissens eine detaillierte Analyse der vorgetragenen Zeichen- und Bedeutungskonzeptionen, die den erwähnten Unterscheidungen konsequent Rechnung getragen hätte, aus, doch dürfen von ihr zweifellos aufschlußreiche Erkenntnisse erwartet werden.137 Zwischen allen drei als Zeichenkörper bestimmten Formen der Ausdrucksebene besteht eine Konsubstantialitätsrelation, wobei, wie eine Analyse des Semems und des Abbilds zeigen wird, das von Heger als psychische Erscheinung charakterisierte und vom signifié unter34
schiedene Monem als Bestandteil F ' des Semems selbst erscheinen könnte. Neben einer sorgfältigen Beachtung der qualitativ unterschiedlichen Erscheinungsformen der Formative muß es einer von der Ausdrucksebene ausgehenden Betrachtung der Zuordnungsbeziehungen von Formativen und Sememen vor allem darum gehen, die Größe der einander jeweils unmittelbar zugeordneten Einheiten zu bestimmen; d. h. es wäre u. a. die Frage zu entscheiden, ob bei einer semantischen Analyse von den durch die morphologische Analyse als formal kleinste bedeutungstragende Einheiten bezeichneten Größen der Ausdrucksebene auszugehen wäre oder ob als Grundlage für eine Analyse vielmehr größere formale und damit auch inhaltliche Einheiten etwa in der Art von Lexemen 138 — oder allgemein Wörtern — zu wählen seien. Eine Präzisierung des allgemeinen Terminus „Formativ" und damit auch seiner inhaltlichen Zuordnungsgröße in dem angegebenen Schema der semantischen Zeichenrelation erscheint schwierig, weil im Sprechakt nicht isolierte Einheiten, sondern allgemein eng miteinander verknüpfte Formativketten 139 auftreten und den Sinn der Äußerung konstituieren. In ähnlicher Weise ist auch der Terminus „Bedeutung" durchaus nicht nur auf die Bedeutung kleinerer formaler Einheiten wie etwa des Lexems beschränkt, das offensichtlich als besonders geeignet in die lexikographische Praxis eingegangen ist, sondern auch auf größere Gebilde, in der Regel bis zu ganzen Sätzen, angewandt worden. Erforderte nicht gerade die praktische Analyse ein Ausgehen von kleineren formalen Einheiten, wobei sich z. B. die Satzbedeutung — besser vielleicht der Satzsinn —, verstanden als ein in sich geschlossener Abbildkomplex, in noch nicht umfassend beschriebener Weise aus kleineren, auch formal isolierbaren rekurrenten Einheiten, den Morphemen, Lexemen und Wortverbindungen usw. zusammensetzt140, so brauchte die Frage nach der Bestimmung der Einheit der Ausdrucksebene, der eine als „Semem" oder wie auch immer bezeichnete Einheit der Inhaltsebene zugeordnet werden soll, möglicherweise trotz unterschiedlicher Bestimmung des Semems beispielsweise durch B. Pottier und A. J . Greimas 141 nicht eingehender behandelt zu werden. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich dabei vor allem dann, wenn eine Entscheidung darüber unausweichlich wird, ob das Semem als inhaltliche Entsprechung für ein Monem oder aber für ein Lexem bestimmt werden soll.142 Dennoch geht es uns im folgenden weniger um eine theoretisch fundierte Entscheidung darüber, ob das Semem einem Monem oder einem Lexem zugeordnet werden sollte oder eventuell auch größeren Einheiten. Uns scheint, daß das bisher allgemein als linguistisch relevanter Abbilddurchschnitt bestimmte Semem bei ausdrücklicher Charakterisierung als Semem im weiteren Sinne beibehalten werden könnte neben einem Semem im engeren Sinne, das einer ganz bestimmten Größe der Ausdrucksebene zugeordnet ist. Wir sind uns dabei durchaus bewußt, daß ein solches Vorgehen 3»
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eigentlich nur ein — zeitweiliges — Zurückstellen der sicher auch für den Bereich der Inhaltsebene erforderlich werdenden terminologischen Unterscheidung verschieden umfangreicher Inhaltseinheiten darstellt und nur aus der Notlage gerechtfertigt werden kann, in der sich ein entsprechendes Bemühen angesichts der noch ungenügenden Kenntnisse über die Struktur der den jeweiligen Einheiten der Ausdrucksebene zugeordneten inhaltlichen Größen befindet. Wenn wir uns bei der konkreten Analyse dennoch einer semantischen Analyse nicht der Morpheme, sondern vielmehr der im Sprechakt 143 und auch im Wörterbuch auftretenden Lexeme zuwenden, so vor allem aus praktischen Erwägungen. Zudem würde eine Analyse der Morpheme angesichts der Untergliederung in „freie" und „gebundene" Morpheme im Sinne L. Bloomfields 144 bereits eingehendere Einsichten in die qualitativen Unterschiede u. a. 145 von lexikalischer und syntaktischer Bedeutung voraussetzen, wie sie beim gegenwärtigen Stand der Inhaltsforschung noch nicht vorliegen. Die sprachlichen Einheiten, die als sinntragende bzw. semantische Information vermittelnde Einheiten fungieren, sind, wie eine genaue Betrachtung zeigt, wesentlich durch die ihnen zuerkannte Funktion in der Kommunikation, d. h. im Hinblick auf den Inhalt bestimmt und damit letztlich auch vom Inhalt her in ihrer Größe abzugrenzen. Eine eingehendere Beschreibung der Inhaltsebene, etwa mit dem Ziel der Ermittlung unterschiedlich großer inhaltlicher, Einheiten, wie z. B . der Sememe, Semanteme 146 u . a . m . , muß unter diesen Umständen nicht nur als eine notwendige Ergänzung der formalen Sprachanalyse und als Kontrolle der formal ermittelten Einheiten, sondern vielmehr auch als eine bedeutsame Bedingung für eine exakte Bestimmung der Größe der ihnen auf der Ausdrucksebene korrespondierenden formalen Einheiten 147 betrachtet werden. Es leuchtet ein, daß eine Analyse der Beziehungen von Formativ und Semem den hier nur kurz angeschnittenen Fragen große Aufmerksamkeit schenken muß, daß sich ihre Aufgabenstellung aber nicht darin erschöpft. In der Tat treten neben die quantitative und qualitative Bestimmung der in bestimmter Zuordnungsrelation zueinander stehenden Einheiten der Ausdrucks- und Inhaltsebene auch Betrachtungen zu den Relationen im eigentlichen Sinne. Die bereits von der traditionellen Bedeutungsforschung und Lexikologie ausführlich und mit unterschiedlichem Erfolg behandelten Probleme der Polysemie 148 , Homonymie etc. bieten dabei besonders gute Ansatzpunkte für eine eingehendere Analyse der Zuordnungsrelation. Als allgemeinste und vereinfachte Darstellung der Polysemie könnte dabei etwa das folgende Schema angesehen werden, das die Zuordnungsverhältnisse bei Mehrdeutigkeit darzustellen versucht: Einem Formativ auf der Ausdrucksebene entsprechen in diesem Fall 1 . . . n Sememe auf der Inhaltsebene. Bei der Untersuchung der Polysemie gilt es, von einem Formativ ausgehend
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nach den ihm zugeordneten Sememen zu suchen. Dabei tauchen u. U. bereits bei der Entscheidung darüber, ob es sich um ein oder um mehrere Formative mit identischer materieller Gestalt, d. h. phonologisch-morphologischer Repräsentation 149 , handelt, erhebliche Schwierigkeiten auf, die sich infolge mangelnder Einsicht in die Struktur der Inhaltsebene gegenwärtig wohl nur durch diachronisch-etymologische Betrachtung überwinden lassen. Ist einmal nachgewiesen, daß es sich bei den einem als polysem bezeichneten Formativ zugeordneten Bewußtseinsinhalten um 2 . . . n unterschiedliche Sememe und nicht um Sememvarianten handelt, so bereitet eine Beschreibung der Zuordnungsrelationen zwischen diesem Formativ und den Sememen etwa in dem von S. M. Lamb 150 angegebenen Sinne einer Neutralisation keine nennenswerten Schwierigkeiten. Während Neutralisationen in der Sprache relativ häufig auftreten, ist der umgekehrte Fall, daß einem völlig unverändert bleibendem Semem mehrere Formative entsprechen, sehr selten 151 , da dann ein Fall von absoluter Synonymie vorläge, wie er in der Sprachpraxis kaum vorkommt. Als einfachste Beziehung zwischen Sememen und Lexemen kann die sogenannte „simple representation" gelten, bei der einem Semem eine Einheit und nur eine Einheit auf der Ausdrucksebene entspricht, also etwa folgende eindeutige Zuordnungsbeziehung besteht:
Dieser Fall, der als besonders geeigneter Ausgangspunkt für eine Sememanalyse erscheinen könnte, weil die Entscheidung darüber, ob die erwähnten Seme Bestandteil des einen oder des anderen bzw. gar beider Sememe eines zweideutigen Lexems sind, entfällt, ist indessen nur ein Spezialfall der im allgemeinen weitaus differenzierteren Wechselbeziehungen zwischen Formativen und Sememen, die durch eine Spezialdisziplin der modernen strukturellen Semantik, von uns als Sememik bezeichnet 152 , einer ausführlichen und sorgfältigen Untersuchung unterzogen werden sollten. 37
Im Rahmen unserer vorwiegend auf die Untersuchung der Struktur der Sememe ausgerichteten Arbeit konnte es nur darum gehen, auf die Problematik einer sememischen Untersuchung zu verweisen und dabei den sprachspezifischen Charakter der Zuordnungsrelation zu unterstreichen, der über die einsprachige Beschreibung hinaus insbesondere für die Darstellung der bei der Übersetzung ablaufenden ¡primär inhaltlichen Vorgänge große Bedeutung erlangt. Als Beweis für die von der Sememik zu beschreibenden Kodierungsunterschiede der einzelnen Sprachen lassen sich u. a. die abweichenden Verwendungsmöglichkeiten, die divergierenden Gebrauchsbedingungstypen153 von französisch manger und deutsch essen anführen. Während die französische Bezeichnung unterschiedslos auf Menschen und Tiere angewandt werden kann, muß im Deutschen entsprechend der in zwei unterschiedlichen Lexemen kodierten außersprachlichen Erfahrung zwischen essen — für Menschen — und fressen — für Tiere — sorgfältig unterschieden werden, um nicht gegen die hochsprachliche Norm zu verstoßen. Soll dagegen die deutsche Bezeichnung Geschwister ins Französische übertragen werden, so muß, da eine entsprechende zu einem Lexem kodierte Einheit nicht vorliegt, die Formulierung — frères et sœurs — als eine Art Paraphrase des im Deutschen in einem einzigen Lexem kodierten Inhalts verwendet Werden. Der durch die Unmotiviertheit der sprachlichen Zeichen gegenüber den Erfahrungen und Widerspiegelungen der objektiven Realität und durch interlinguale Vergleiche anschaulich dokumentierte sprachspezifische Charakter der Zuordnung von bestimmten Einheiten der Ausdrucksebene zu bestimmten Einheiten der Inhaltsebene ist ein besonders nachdrückliches Argument für eine makrolinguistische Bedeutungsforschung, die Vor allem dur ch die semantische Konstituentenanalyse ein wertvolles, dem Wesen der untersuchten Erscheinung adäquates Mittel zur Beschreibung der Sememe und zur Untersuchung der im sprachlichen Kontext ablaufenden semantischen Vorgänge entwickelt hat.
1.4 Zu den Konstituenten des Semems Wie die Untersuchungen der modernen strukturellen Semantik u. E. eindeutig beweisen, kann an der Annahme eines sprachspezifisch mit einem bestimmten Formativ verknüpften Semems ebensowenig wie an der Bestimmung dieser Beschreibungseinheit der Bedeutung als Menge kleinerer Inhaltseinheiten gezweifelt werden. Für eine solche Definition sprechen nicht nur die insbesondere von der semantischen Konstituentenanalyse vorgelegten Untersuchungsergebnisse, sondern auch eine in besonderem Maße fruchtbare vergleichende Gegenüberstellung der Untersuchungen und Ergebnisse der im Entstehen begriffenen strukturellen Semantik mit der bereits konsolidierten Phonologie.154 38
Setzt sich zwar auch der Gedanke einer Konstituentenstruktur der Sememe immer mehr durch, so bestehen dessen ungeachtet über den Charakter und die endgültige Formalisierung bzw. Symbolisierung dieser Content figurae155 ebenso wie über ihr Verhältnis untereinander als Bestandteile eines Semems noch viele, angesichts der Komplexität der untersuchten Erscheinungen und des Fehlens einer fundierten Beschreibung der Abbilder 1 5 6 nicht weiter verwunderliche Meinungsverschiedenheiten. An die Stelle gesicherter Aussagen müssen daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch immer Hypothesen treten 1 5 7 , die anhand des erreichten Kenhtnisstandes zu überprüfen sind. Nur in wenigen modernen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung finden sich Hinweise auf den extralinguistischen Charakter dieser Konstituenten, die als Bestandteile des Semems naturgemäß auch die Eigenschaften wesentlich bestimmen, die das Semem als gesellschaftlich-kommunikative Norm charakterisieren. 158 Die von uns unter der bereits von Pottier gebrauchten Bezeichnung Seme159 zusammengefaßten Bestandteile eines Semems können, wie aus der Bestimmung des Semems als Bewußtseinstatsache, vergleichbar etwa der usuellen Bedeutung in der traditionellen psychologischen Bedeutungskonzeption, hervorgeht und von G . F . M e i e r 1 6 0 ausdrücklich herausgestellt wurde, als begriffliche Abstraktionselemente und damit im weiteren Sinne als Abbildfaktoren betrachtet werden. I n ähnliche Richtung weisen u . a . auch der von K . Heger in seiner erwähnten Untersuchung unternommene Vergleich der Konstituenten des Semems mit den differentia specifica der Begriffe sowie die Definition der Seme als begriffliche Elemente durch K . Baldinger. Aus einer Analyse der bisher aufgezeigten semantischen Konstituenten wird dabei ersichtlich, daß es sich bei ihnen nicht nur um terminologisch unterschiedlich bezeichnete 161 , sondern in einigen Fällen auch um qualitativ unterschiedene Einheiten handelt. Die Seme bilden demnach als begrifflich-noetische Abstraktionselemente ((£ A) keine homogene Gruppe, wobei sich die Vermutung aufdrängt, d a ß es sich um Elemente unterschiedlicher Abstraktionsstufen handelt. Bestärkt wird diese Annahme qualitativer Unterschiede der Seme, die sich beispielsweise als höhere Allgemeingültigkeit und Rangordnung innerhalb eines hierarchischen Strukturgefüges charakterisieren ließen, nicht n u r u. a. durch die von B. Pottier 1 6 2 suggerierte Unterscheidung von Semen u n d Klassemen, die von A. J . Greimas konsequent zur Annahme unterschiedlicher Ebenen, des „univers de la signification" ausgebaut wurde 1 6 3 , sondern z. B. auch durch allgemeine sprachtheoretische Überlegungen, wie sie u. a. von J . Popela 1 6 4 vorgelegt wurden. Wir stimmen mit Popela völlig überein, wenn er aus der Feststellung: „More concrete components of the meaning of words are not simply added to the more general components: in fact, every more concrete component includes all the more general components including the most general component (the semantic nucleus) . . . " auf das 39
Vorhandensein einer Reihe von Abstraktionsebenen in den semantischen Strukturen schließt. 165 Über die strukturellen Beziehungen der Seme in den Sememen sind wir zwar nur unvollständig unterrichtet, doch kann u . E . als gesichert gelten, daß, wenn wir die Seme einfach in linearer Abfolge in die am Anfang gegebene schematische Darstellung eintragen würden, wirkein adäquates Bild von der tatsächlichen inneren Struktur des Semems vermittelt erhielten. Neben den Beziehungen der Implikation, Intersektion und Inklusion 1 6 6 muß daher vor allem das Vorhandensein einer gewissen Merkmalhierarchie hervorgehoben werden. Noch liegt für eine detaillierte Betrachtung dieser qualitativen Unterschiede nicht genügend theoretisch und praktisch überprüftes Material vor; doch dürfte ein u. a. auch von B. Pottier 1 6 7 in einem anderen Zusammenhang betontes Aufsteigen von konkreten zu immer abstrakteren Semembestandteilen als weitgehend gesichert angenommen werden können. 168 Die Untersuchungen zum Charakter der Seme leiden in nicht unerheblichem Maße daran, daß seitens der Erkenntnistheorie und Sprachphilosophie über die relativ allgemeine Feststellung, daß es im begrifflichen Bereich neben Gattung und Art auch die in etwa den Semen vergleichbaren diferentia specifica gibt, hinausgehende detaillierte Einsichten in die Struktur der Bewußtseinsinhalte, Erfahrungen und Erkenntnisse unseres Wissens noch nicht vorliegen und auch andere Disziplinen nicht genutzt werden können. Damit aber fehlt es in diesem Bereich an vorgängigen Erkenntnissen, wie sie z. B. der Phonologie in Gestalt exakter phonetischer Untersuchungen zur Verfügung standen. 169 Ungeachtet der nachweislichen Schwierigkeiten und Probleme sollen im folgenden einige detailliertere Ausführungen zum Wesen der Seme und der durch sie konstituierten Sememe angeschlossen werden. Die Seme fungieren als linguistisch relevante intersubjektive Elemente der individuellen Abbilder und sprachspezifisch zu Sememen gruppierte Elemente der Widerspiegelung (£ O' nicht nur als Konstituenten eines bestimmten Semems, sondern sind ähnlich den phonologischen Merkmalen als rekurrente Elemente zu betrachten, wobei hinsichtlich des Grades ihrer Allgemeingültigkeit und ihrer Rekurrenz innerhalb einer Sprache augenfällige Unterschiede nachgewiesen werden können. Nicht zufällig werden bei einer Sememanalyse die allgemeinsten semantisch-distinktiven Merkmale, wie z. B. (Belebt) vs. (Unbelebt), (Abstrakt) vs. (Konkret), (Menschlich) vs. (Tierisch) vs. (Pflanzlich) etc. zuerst ermittelt, die auch im sprachlichen Kontext eine entscheidende Funktion bei der Monosemierung und Herstellung normgerechter Sememkomplexe besitzen. E s war daher nur natürlich, daß ausgehend von den beobachteten Unterschieden in der Rekurrenz und „Bindefähigkeit" der ermittelten Seme auf eine zwischen den semantischen Konstituenten an sich und damit auch zwischen den Konstituenten einer semantischen Mikrostruktur bestehende Hierarchie geschlossen wurde. 40
Die Sememe sind demzufolge als durch eine hierarchisch gestaffelte Abstraktionsreihe von Semen konstituierte Gebilde zu betrachten, in denen die Seme mit geringerer Rekurrenz und speziellerem Charakter an niederer Stelle der vom Besonderen zum Allgemeinen führenden Hierarchie erscheinen als die Seme mit einem höheren Grad an Allgemeingültigkeit, die auf Grund ihrer spezifischen distinktiven Funktion im Kontext u. a. von A. J . Greimas als Kontextseme bzw. Klasseme bezeichnet und damit als eine besondere Kategorie auch terminologisch von den Semen unterschieden wurden. Für die von uns beabsichtigte Präzisierung der Bedeutungskonzeption kann diese Scheidung vorläufig insofern als irrelevant erachtet werden, als die betreffenden semantischen Merkmale, gleich ob sie als Seme oder Klasseme im Sinne Greimas' bezeichnet werden müßten, Konstituenten des linguistisch relevanten Abbilds sind und als solche in einer hierarchischen Abfolge stehen, in der die allgemeinsten Abbildelemente an oberster Stelle rangieren. Das Semem würde demnach ganz allgemein als eine in spezifischer Weise strukturierte Menge von Elementen der Widerspiegelung der extralinguistischen Realität 0 definiert werden können, wobei die Seme ihrerseits qualitativ unterschiedliche Stufen der Widerspiegelung repräsentieren. Wird das sprachspezifisch an ein bestimmtes Formativ geknüpfte Semem entsprechend den modernen Erkenntnissen als ein Bündel in bestimmter Weise geordneter Seme betrachtet, so wird verständlicherweise der Beschreibung der Anzahl, Auswahl und Anordnung der das jeweilige Semem konstituierenden Elemente besondere Aufmerksamkeit zu schenken sein. Dabei kann nicht übersehen werden, daß die vermutlich als kleinste isolierbare begriffliche Elemente der Widerspiegelung nicht mehr sprachspezifischen, sondern weitgehend interlingual170 gleichen Seme in spezifischer Auswahl und Anordnung die Sememe bilden, die ihrerseits als kleinste formal repräsentierte Inhaltseinheiten sprachspezifisch kodiert erscheinen. Das Semem könnte in diesem Sinne als geformter Inhalt bezeichnet und als eine geordnete Menge 9K von 1 . . . n Semen(s) betrachtet werden, so daß sich ergibt: S = 2Ä s 1 . . . n. Gerade hinsichtlich des auch in Analogie zu den phonologischen Merkmalen postulierten universellen Charakters der semantischen Konstituenten bzw. Merkmale könnten Zweifel geäußert werden; doch erscheint angesichts der Annahme syntaktischer Universalien auch die Postulierung gewisser semantischer Universalien beispielsweise in Analogie zur Phonologie und zu der weit verbreiteten Hypothese einer universellen Tiefenstruktur möglich und nicht zuletzt auch aus der Annahme physiologisch-psychologischer Gemeinsamkeiten im menschlichen Denken und Bewußtsein gerechtfertigt. 171 Als Bestandteil der Sememe stellen sich die Seme als von der betreffenden Sprachgemeinschaft ausgewählte relevante Abstraktionseinheiten dar, die 41
bei entsprechender Veränderung der Erkenntnisse und Erfahrungen der betreffenden Sprachgemeinschaft durchaus ausgetauscht und ergänzt werden können, wodurch auch das Semem als geordnete Menge dieser Einheiten verändert wird. Diese potentielle Erweiterung der semantischen Einheiten 172 stellt ein besonderes Charakteristikum der Inhaltsebene und zugleich eine Garantie für die Anpassung der lexikalischen Einheiten an die Erfordernisse der gesellschaftlichen Kommunikation durch die Sprache dar. In diesem Zusammenhang erscheint es angebracht, auf eine, für die immer wieder betonte und offensichtlich für die Gewährleistung der Kommunikation nicht wenig bedeutsame „Unschärfe" 1 7 3 des mit einem bestimmten Formativs ausgelösten linguistisch relevanten Abbilddurchschnittes zu verweisen. Dabei wäre ganz besonders die u. a. durch die Forschungen A. J . Greimas' unterstrichene Möglichkeit hervorzuheben, daß innerhalb des Semems nicht nur hierarchisch unterschiedene, sondern darüber hinaus auch unterschiedlich fest verknüpfte Seme nachgewiesen werden können, von denen zur Gewährleistung der Kommunikation die zu einem sogenannten „noyau semique" 174 vereinigten, möglicherweise besonders stark referentiell und begrifflich bestimmten Konstituenten gegenüber mehr peripher angeordneten und daher auch leichter austauschbaren besondere Bedeutung besitzen. Wie die bisherigen, notwendig unvollständigen Ausführungen zum Charakter und zur Struktur des Semems bereits deutlich machen, werden durch die Seme ungeahnte Möglichkeiten für eine exakte Beschreibung semantischer Erscheinungen, wie beispielsweise der Disambiguierungsvorgänge im Kontext sowie der Erscheinungen der Polysemie 175 , Synonymie usw. erschlossen. Erst durch die Seme wird der Semembetrachtung volle Wirksamkeit verliehen, weil durch sie der sprachspezifisch kodierte Inhalt im wahrsten Sinne des Wortes quantifizierbar (meßbar) und interlingual vergleichbar wird. Durch die Charakterisierung des Semems als geordnete Menge begrifflichnoetischer Abstraktionselemente wird nicht nur der Weg zu einer sprachunabhängigen begrifflichen Analyse frei, sondern zugleich auch die enge Beziehung von Sprache und Begriff und damit auch die seit langem immer wieder erörterte, bisher aber noch nicht befriedigend beantwortete Frage nach dem Verhältnis von Sprache und Denken 1 7 6 aufgeworfen. Das Semem erweist sich als bedeutsame Nahtstelle zwischen makrolinguistischen und extralinguistischen Untersuchungen und unterstreicht nachdrücklich die Auffassung vom Grenzcharakter der Semantik. Eine Betrachtung des Verhältnisses von Semem und Abbild kann daher zu einer wünschenswerten weiteren Präzisierung der allgemein gehaltenen Feststellungen über die „Sprache als materielle Hülle bzw. Existenzform des Gedankens" beitragen. 177 Auch in neuerer Zeit ist gerade diesem P r o b l e m k r e i s v o n
Seiten der marxistischen
Philosophie und Psychologie 178 immer wieder besondere Aufmerksamkeit geschenkt und die enge Verbindung von Sprache und Denken nachdrücklich unterstrichen worden. 42
1.5 Zum Verhältnis von Semem, Abbild und Begriff Ausgehend von der primär kommunikativen Funktion der sprachlichen Zeichen, die nur über das mit dem jeweiligen Formativ verknüpfte Abbild ihrer Zeichenfunktion gerecht werden können, ist das Semem als eine Größe bestimmt worden, die allen durch eine bestimmte sprachliche Einheit evozierten individuellen Abbildern gemeinsam ist und die damit als eine gesellschaftlich-kommunikative Invariante fungiert. Das Semem könnte daher auch als — semantische — Teilkompetenz der fluent and native speakers bestimmt werden.179 Selbst in der einsprachigen Kommunikation ist nie eine hundertprozentige Deckung der im Bewußtsein der Sprachbenutzer mit dem betreffenden Formativ ausgelösten individuellen Abbilder zu erwarten. Die notwendige Verständigung wird über das Semem gewährleistet, das als durch die sprachliche Kommunikation gebildete intersubjektive Norm seinerseits als Regulator und Garant der interpersonellen Verständigung fungiert. Das Semem erweist sich somit in doppelter Weise als linguistisch relevanter und bestimmter Teil des Abbilds: einerseits ist es auf das engste mit den sprachlichen Formativen verknüpft und zum anderen ist es sowohl Resultat als auch Voraussetzung der über die sprachlichen Zeichen garantierten intersubjektiven Kommunikation. Dieser linguistisch relevante Teil der individuellen Abbilder erscheint als eine Abstraktion aus den individuellen Vorstellungsgehalten, geht aber zugleich als Bestandteil in die individuellen Bewußtseinsinhalte ein. Damit aber müßte auch jede Modifikation der Abbildvorstellung, wie sie in der philosophischen Literatur vorgeschlagen wird, automatisch auch im Hinblick auf die Konsequenzen geprüft werden, die sich daraus für das Semem ergeben. In Auseinandersetzung mit der als unzureichend empfundenen Darstellung des Abbildes als pauschales, nicht näher spezifiziertes A in G. Klaus' „Semiotik und Erkenntnistheorie" ist von M. Reschke eine u. E. äußerst bedeutsame modifizierte Darstellung des Abbilds als dialektische Einheit einer Widerspiegelung Z' des Zeichens Z und einer Widerspiegelung 0' der objektiven Realität 0 gegeben worden. Wir glauben, daß diese Aufgliederung des A in (Z' — 0') durch Reschke 180 auch für die Darstellung des Semems besondere Bedeutung besitzt, da das Semem nunmehr als eine dialektische Einheit eines Wortbildes (eines signifiant als psychischer Erscheinung bzw. als image acoustique), in unserer Terminologie als F ' bezeichnet, und einer geordneten Menge von Semen, d. h. Elementen ((£) der Widerspiegelung 0' der objektiven Realität, betrachtet werden könnte. Nach einer diesbezüglichen Korrektur bzw. Präzisierung würde das ursprüngliche Schema der Zeichensituation für den als Spezialfall181 zu bezeichnenden Umstand, daß einem Formativ nur ein Semem zugeordnet ist, bereits folgende komplexe Gestalt annehmen: 43
Semem = gesellschaftliche Norm und kommunikative Invariante F k o-
F' -o^-
(£ 0' g0" ©0"'
Semel Semel Semel
Si-mem
A=individuell
0"" o o o Fk
:] 0""
0""" 0
konkretes Formativ, 2. B./haus/ Seme unterscliiedlicher Abstraktionsstufe, Konstituenten des betreffenden Semems niedrigere Abstraktionsstufe der Widerspiegelung von 0, bereits nicht mehr als relevante Einheiten in das Semem eingegangen, d. h. nichtüberindividuelle Elemente, die im übrigen u. U. — wenn auch sicher selten — auch auf den höheren Abstraktionsebenen angesiedelt werden können.
Die obenstehende Skizze vermittelt bereits eine annähernde Vorstellung von der tatsächlichen Komplexität der Struktur des Semems. Zwischen 0"' und 0 " " besteht keine festumrissene Grenze, dennoch weist das überindividuell invariante Semem, zu dem in unserer Skizze willkürlich die Elemente 0', 0" und 0"' hinzugezählt wurden, gegenüber den Elementen niederer Abstraktionsstufe eine größere inhärente Koherenz auf. Während die Widern spiegelungselemente der drei hierarchischen Stufen 0' . . . 0"' als linguistisch relevante Abbildfaktoren dem Semem zugerechnet wurden, sind die angegebenen Widerspiegelungselemente niederer Stufe nicht mehr für den mit dem betreffenden Formativ gekoppelten intersubjektiven Abbilddurchschnitt relevant. Sie werden daher den individuellen Abbildern zugeordnet 182 , die ihrerseits neben dem Semem und möglicherweise durchaus isolierbaren diskreten Elementen niederer Abstraktionsstufe bzw. individuellen Abbildfaktoren emotionaler Art auch die sogenannten distinguisher$iS3 umfassen, die nur einmal vorkommen und zu speziell sind, um als semantische Konstituenten in das Arsenal der semantischen Beschreibung einzugehen. Die entsprechend der Anregung von M. Reschke sowie der modernen Erkenntnisse über den Charakter der Seme modifizierte Darstellung der semantischen Zeichenrelation R (E/A) gestattet, die im Semem vorliegende feste Verknüpfung eines möglicherweise nicht voll ausgebildeten Lautbildes (F') 184 mit noetischen Abstraktionselementen deutlicher zu erfassen und Rückschlüsse auf die erkenntnistheoretische Funktion der Sprache zu 44
ziehen. Wird die von M. Reschke vorgeschlagene und in der vorstehenden Darlegung entsprechend unseren Vorstellungen modifizierte Aufgliederung des Abbilds in (Z'—0') als weitgehend gesichert akzeptiert — und dazu geben die modernen Ansichten der Psychologie über das Wesen und Wirken der inneren Sprache durchaus Veranlassung185 —, so ergeben sich konkretere Vorstellungen über den Einfluß der Sprache beim Erkenntnisvorgang und bei der Begriffsbildung. Die Sprache übt, wie die bisherigen Ausführungen zum Charakter des Semems festzustellen erlauben, neben der primär kommunikativen Funktion eine sekundäre, bei der synchronen Sprachanalyse nicht von der kommunikativen Funktion zu trennende Funktion insofern aus, als sie nicht nur als materielles Substrat des Denkens und der mannigfaltigen Abbildungs- und Abstraktionsvorgängen fungiert, sondern zudem auch für das Entstehen sprachspezifisch formal repräsentierter Sememe verantwortlich zeichnet. Nicht zufällig ist weiter oben auf die Herausstellung des linguistischen Charakters des Semems und damit der Zugehörigkeit zur makrolinguistischen Bedeutungsforschung besonderer Wert gelegt worden. Gilt es doch, das Semem als gesellschaftlich-kommunikative Invariante und Menge intersubjektiver Abbildelemente als Teil des semantischen Systems bzw. Universums186 der betreffenden Sprache zu erweisen und dabei zugleich von einem ebenfalls überindividuellen gesellschaftlichen Abbild extralinguistischer Art, dem interlingual gleichen wissenschaftlichen Begriff, zu unterscheiden. Wird in der traditionellen und modernen Literatur zum Bedeutungsproblem von der Bedeutung der sprachlichen Zeichen gesprochen und darunter ein Semem in unserem Sinne verstanden, so finden sich nicht selten Hinweise auf die enge Beziehung, ja selbst auf eine angebliche Identität von Semem und Begriff. 187 Aus den bisherigen Darlegungen wird deutlich, daß die Beziehung von Semem und Begriff im Wesen des Semems selbst begründet und nicht nur etwa dem Wunsche entsprungen ist, das Semem als spezifische Form des Abbilds von einer anderen, gleichfalls spezifischen Form des Abbilds als einer Art genus proximum abzugrenzen. In der Tat geht in das nicht näher differenzierte Abbild 188 neben dem Semem und subjektiven Widerspiegelungselementen auch der Begriff als eine durch ihren gesellschaftlich intersubjektiven Charakter gekennzeichnete Sonderform der Widerspiegelung der extralinguistischen Realität ein. Es kann nicht wundernehmen, daß sich gerade auf Grund dieses intersubjektiven Charakters gewisse Überschneidungen und teilweise Kongruenzen zwischen Begriff und Semem als geordneter Menge linguistisch relevanter intersubjektiver Abbildfaktoren ergeben und eine sorgfältige Analyse der zwischen ihnen bestehenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede erforderlich wird. Während gegen eine Hervorhebung der engen Beziehung von Semem und 45
Begriff als intersubjektive Größen auch beim gegenwärtigen unzureichenden Kenntnisstand wohl keine ernsthaften Einwände mehr erhoben werden können, bestehen gegenüber der Identifizierung von Semem und Begriff je nach Definition des Begriffes mehr oder weniger berechtigte Zweifel. Dabei sind insbesondere gegen die Annahme sogenannter umgangssprachlicher Begriffe, die bei Schaff zu einer Identifizierung von Begriff und Bedeutung geführt hatte, u. a. bereits von G. F. Meier189 Bedenken angemeldet und die Bezeichnung Begriff einzig auf den wissenschaftlichen Begriff eingeschränkt worden. In Zusammenfassung einer entsprechenden Diskussion und in Anlehnung an einen von Galina-Fedoruk für das I. Internationale Symposium „Zeichen und System der Sprache" in Erfurt fertiggestellten Diskussionsbeitrag hat G. F. Meier die wesentlichen Charakteristika dieses wissenschaftlichen Begriffes aufgezählt. Im Anschluß an seine Ausführungen wollen wir, nicht zuletzt im Interesse einer Vermeidung terminologischer Konfusion, vom Begriff nur im Hinblick auf eine durch wissenschaftliche Beschäftigung entstandene spezifische Form der Widerspiegelung der objektiven Realität sprechen. In diesem Sinne ist der Begriff zwar auf das engste mit den Sememen verknüpft, kann aber durchaus beispielsweise durch mehrere Sememe sprachlich realisiert werden. In das Semem gehen dabei ebenso wie in den Begriff — beiden gemeinsame — Seme ein, doch dürften zwischen dem sprachspezifischen Inhalt und dem weitgehend universellen wissenschaftlichen Begriff insofern Unterschiede auftreten, als sich in Zahl, Anordnung und Auswahl der begrifflichen Abstraktionselemente zwischen beiden Abweichungen ergeben. Vom in der Regel sprachspezifisch durch eine bestimmte Zahl, Art und Anordnung von Semen konstituierten Semem kann über die weitgehend universellen Seme eine Beziehung zu dem gleichfalls nicht mehr sprachspezifischen, sondern interlingualen wissenschaftlichen Begriff hergestellt werden, doch sind die Bestandteile beider Abbildformen wohl nur in Ausnahme1 fällen völlig identisch. Sind die begrifflich-noetischen Abstraktionselemente beim wissenschaftlichen Begriff per definitionem in Zahl, Art und Anordnung fixiert und daher auch relativ einfach zu beschreiben, so sind Zahl, Art und Anordnung der das sprachspezifische Semem konstituierenden überindividuellen, durchschnittlichen Abstraktionselemente wesentlich schwerer zu bestimmen. Wird ein eindeutig in Inhalt und Umfang definierter wissenschaftlicher Begriff von der betreffenden Sprachgemeinschaft nicht einheitlich im vorgegebenen Sinne gebraucht, was z. B. besonders häufig bei philosophischen Begriffen, wie u. a. Materialismus, Freiheit etc., der Fall ist, so liegen unterschiedliche „Bedeutungen" vor, wobei die durch das betreffende Formativ evozierten Abbilder von Klasse zu Klasse bzw. von einer bestimmten Menschengruppe (Berufsgruppe) zu bestimmten anderen Gruppen oder auch zur 46
Gesamtheit der nicht ebenso speziell unterwiesenen Sprachgemeinschaft — so bei Fachtermini — abweichen, innerhalb dieser mehr oder minder umfangreichen und bedeutsamen Gruppierungen aber weitgehend übereinstimmen. Es muß noch einer eingehenderen semantischen Analyse vorbehalten bleiben aufzuzeigen, welche ganz speziellen — nichtindividuellen — begrifflich-noetischen Abstraktionselemente sowohl von der durch die wissenschaftliche Definition vorgegebenen Norm als auch von den jeweiligen gruppenspezifischen Abbilddurchschnitten abweichen. Infolge des noch unzureichenden Kenntnisstandes der modernen semantischen Strukturforschung können daher auch noch keine detaillierten Angaben über mögliche qualitative Unterschiede zwischen den Abbildfaktoren eines Semems und eines wissenschaftlichen Begriffes erwartet werden; doch dürfte sich der wissenschaftliche Begriff gegenüber den Sememen und „umgangssprachlichen Begriffen" vor allem durch einen höheren Grad an Abstraktion und Unanschaulichkeit 1 9 0 auszeichnen. I n gleicher Weise dürfte wohl auch gegenwärtig beireits als weitgehend gesichert angenommen werden, daß eine Grenzziehung zwischen den Sememen als geordneten Mengen linguistisch relevanter Abbildelemente und den linguistisch nicht mehr relevanten intersubjektiven begrifflich-noetischen Abstraktionselementen im Falle des umgangssprachlichen Begriffes besonders kompliziert, wenn nicht gar undurchführbar wird. Aus der versuchten möglichst umfassenden Charakterisierung des Semems ergeben sich auch für die eingangs angestellten Betrachtungen zur Definition der Bedeutung einige interessante Schlußfolgerungen. Das Semem als Beschreibungseinheit der Inhaltsebene könnte entsprechend seiner Bestimmung als intersubjektive kommunikative Norm und Kern der individuellen Abbilder in der schematischen Darstellung der semantischen Zeichenrelation gewissermaßen als ein Zwischenglied angesehen werden zwischen dem Formativ einerseits und den individuellen Vorstellungen andererseits, die mit dem betreffenden Formativ im Bewußtsein des jeweiligen Sprechers aktualisiert werden. So betrachtet, stellt das Semem die Relation zwischen Formativ und individuellem Abbild her, ist es also, wenn man so möchte, auch eine Art relationelle Größe.
1.6 Zur S t r u k t u r des Untersuchungsgegenstandes Eine jede Bestimmung der Bedeutung bleibt notgedrungen unvollständig, wenn sie die den semantischen Erscheinungen immanenten Strukturen als wesentliches Charakteristikum unbeachtet läßt. Zwar stehen exakte umfassende Erkenntnisse über die lexikalischen und semantischen Strukturen noch aus, doch kann angesichts der Ergebnisse der modernen Inhaltsforschung und dabei insbesondere der semantischen Konstituentenanalyse, sowie der 47
vorangehenden Darlegungen zum Untersuchungsgegenstand wohl kaum mehr bezweifelt werden, daß das Semem eine in spezifischer Weise strukturierte Menge von Semem darstellt. 191 Obgleich über die Form dieser Strukturen ebenso wie über ihren Charakter ziemlich allgemeine und uneinheitliche Auffassungen vorgetragen wurden, scheint doch immerhin auch die noch von L. Hjelmslev 192 recht breit erörterte Frage, ob die betreffenden Strukturen dem untersuchten Gegenstand immanent sind, nunmehr positiv beantwortet und eine jede Behauptung, daß die Strukturiertheit gewissermaßen durch den Forscher in den Gegenstand hineinprojiziert würde, als hinlänglich entkräftet betrachtet werden zu können. Bei der Aufstellung der Hypothesen — denn um mehr kann es sich angesichts fehlender umfangreicher Materialbearbeitungen noch nicht handeln — über die Struktur des Semems und die Struktur der Inhaltsebene insgesamt waren in der Vergangenheit nicht unerhebliche Schwierigkeiten zu überwinden, die der strukturellen Semantik aus dem speziellen, einer unmittelbaren Beobachtung und exakten Beschreibung nicht zugängigen Charakter 193 der semantischen Erscheinungen erwuchsen. Es leuchtet ein, daß angesichts der aufgezeigten Charakteristika des Semems als Nahtstelle zwischen Linguistik und extralinguistischen Disziplinen, die bereits von L. Hjelmslev 194 und B. Pottier 195 geäußerten Vermutungen über den extralinguistischen Charakter der Strukturen der Lexik 1 9 6 sowie eine makrolinguistische Strukturforschung immer mehr in den Vordergrund traten. Dabei ist es gewiß kein Zufall, daß sich eine semantische Strukturbetrachtung zunächst den Strukturen der Lexik und erst in neuester Zeit auch den immanenten Strukturen der Sememe zuwandte; werden doch zumindest in einigen Teilbereichen der Lexik, wie z.B. den Verwandtschaftsbezeichnungen, die Strukturen offensichtlicher, und bedurfte es doch zur exakten Beschreibung der Strukturen des Semems einer semantischen Konstituentenanalyse, die bis heute noch nicht an umfangreichem empirischen Material durchgeführt ist. Während z. B . R . Hallig/W. v. Wartburg in ihrem „Begriffssystem als Grundlage für die Lexikographie" eine künstliche Ordnung des Wortschatzes anregten, die modernen Vertreter der Feldtheorie dagegen mehr und mehr nach angeblich sprachimmanenten systemhaften Beziehungen des Wortschatzes suchten, wurden u. a. von L. Hjelmslev 197 , L. Prieto 198 , J . Cantineau199 sowie E. Coseriu200 Anstrengungen unternommen, um in Analogie zur Phonologie Oppositionen in der Morphologie sowie im lexikalischen System nachzuweisen. Dabei aber mußten alle diesbezüglichen Bestrebungen einer lexikalischen Strukturbetrachtung auf eine Schwierigkeit stoßen, auf die bereits von L. Hjelmslev 201 und anderen Diskussionsrednern auf dem V I I I . Linguistenkongreß verwiesen worden war und die in der Offenheit des lexikalischen Systems begründet liegt. Tatsächlich erweist sich eine Erforschung des Wortschatzes gerade deshalb als besonders kompliziert, weil die Beziehungen zwischen Sprache und Gesellschaft hier 48
einen besonders deutlichen und unmittelbaren Ausdruck finden und der Wortschatz zu keinem Zeitpunkt völlig in sich abgeschlossen u n d wie kein anderer Teil der Sprache direkten Veränderungen ausgesetzt ist.
1.6.1 Die Lexik als offenes System Diese Besonderheit der Lexik erklärt sich aus ihrer Funktion als Inventarium der lexikalischen Mittel, die zur Gewährleistung der intersubjektiven Kommunikation eingesetzt werden. Der Wortschatz wird in besonderem Maße durch die kommunikativen Bedürfnisse der Sprachbenutzer geprägt. Soll er die Verständigung über neuendeckte bzw. -geschaffene Erscheinungen in Natur und Gesellschaft ermöglichen, so muß er potentiell unendlich sein, d. h. ständig u m neue Wörter, Wortbildungen und Entlehnungen etc. bereichert werden können. Da sich daneben auch im Rahmen des bereits existierenden lexikalischen Materials Umgruppierungen vollziehen und die innere Struktur des Wortschatzes als Gesamtheit einer Vielzahl relativ festumrissener und eindeutig bestimmbarer lexikalischer Subsysteme gleichfalls bestimmten Modifikationen unterliegt, scheint auf den ersten Blick hin in der Lexik, wie z. B. L. Hjelmslev 2 0 2 betonte, geradezu die Negation einer synchronisch stabilen Einheit und damit auch einer Struktur vorzuliegen. Angesichts dieser Spezifik muß ausdrücklich auf die Besonderheiten verwiesen werden, die sich aus dem offenen lexikalischen System gegenüber den geschlossenen Systemen der Morphologie u n d Phonologie ergeben. Dies um so mehr, als bei einer flüchtigen Gegenüberstellung u. U. sogar der Systemcharakter der in weitaus lockerer und unübersichtlicher Weise strukturierten Lexik in Zweifel gezogen werden könnte. Gerade daran aber kann es angesichts einiger bereits in der traditionellen Lexikologie nachgewiesener systemhafter Beziehungen im Wortschatz, wie z. B. Synonym- und Antonymreihen sowie Abstraktionsleitem 2 0 3 , mehr oder minder klar umrissener semantischer Felder, lexikalischer Teil- bzw. Untersysteme und Sachgruppen, k a u m mehr Zweifel geben. In jedem Fall aber erscheint es angebracht, die Lexik als dynamisches System zu betrachten, das in seinem Aufbau wesentlich komplexer 2 0 4 ist als beispielsweise das phonologische oder das morphologische. Eine Strukturanalyse der Lexik wird durch den vielschichtigen Charakter der lexikalischen Strukturen morphologisch-formaler und inhaltlich-semantischer Art sowie durch die ungenügenden Einsichten in die Struktur der Inhaltsebene und den Charakter der Wechselbeziehungen zwischen I n halt und Ausdruck nicht unerheblich beeinträchtigt. I n einigen Bereichen der Lexik werden strukturelle bzw. systemhafte Beziehungen besonders deutlich; in anderen Teilbereichen liegen dagegen Überlagerungen mehrerer Subsysteme vor und sind die lexikalischen Strukturen nicht immer zweifelsfrei nachzuweisen. 4 Wotjak, Bedeutung
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Wird im Sinne P. Hartmanns unter System ein potentielles System verstanden 205 , das gebildet wird durch alles, was durch Verbindbarkeit vereinigt ist, so kann man auch im Hinblick auf die Lexik, die man „durch Überschauen und Registrieren zu einer,Ganzheit' vereinigen" könnte 206 , durchaus von einem System sprechen. System wird dabei im weiteren Sinne als etwa Struktur gebraucht. Die Lexik als potentielles System ist durch Verfügbarkeit gekennzeichnet207 und sollte, wie P. Hartmann an anderer Stelle 208 hervorhebt, von der Struktur als einer Erscheinung des faktisch realisierten Sprechaktes unterschieden werden.209 Es nimmt in Anbetracht des noch unzureichend geklärten Charakters der lexikalischen Beziehungen nicht wunder, daß Hartmann am Vorhandensein von Strukturen im System der Lexik Zweifel geäußert hat und anstelle der exakteren Bezeichnung, „Struktur" für die Gesamtheit aller faktorwertigen, rekurrenten Bestandteile im Hinblick auf die Lexik lieber die weniger eindeutig präzisierte Formulierung „systemhafte Beziehungen" gebraucht wissen möchte. Demgegenüber hält z. B. E. Coseriu210 die Existenz lexikalischer Strukturen für erwiesen und dementsprechend auch eine strukturelle, inhaltsorientierte Lexikologie, von ihm als Lexematik bezeichnet211, für außerordentlich bedeutsam. Unzweifelhaft gibt es in der Lexik Teilbereiche und Elemente, deren wechselseitige Bedingtheit relativ klar hervortritt, wie z. B. die wesenhaften Bedeutungsbeziehungen W. Porzigs sowie die schon erwähnten Antonym- und Synonymreihen, Abstraktionsleitern usw., die sich jedoch von den Strukturen in der Syntax, Morphologie und Phonologie unterscheiden und, falls auch diese Beziehungen der Lexeme bzw. Sememe als Strukturen bezeichnet würden, dann als Strukturen verschiedenen Grades und Charakters betrachtet werden müßten. Dieser Umstand hat jedoch z. B. E. Coseriu durchaus nicht abgehalten, in Analogie zu den phonologischen Strukturen die Existenz lexikalischer Strukturen zu postulieren, die den drei folgenden Charakteristika seiner Strukturkonzeption212 genügen würden. „Si, par ,structure', on entend la délimitation et l'organisation d'une substance moyennant des unités fonctionnelles qui sont différentes dans les langues différentes", so stellt Coseriu, a. a. 0 . , S. 150, fest, „on est, sans doute, autorisé à parler d'une ,structure lexicale', puisque, dans ce sens, l'organisation de l'expérience du réel au moyen des unités lexicales et l'organisation de la substance phonique au moyen des phonèmes sont tout à fait comparables . . . Si, par ,structure', on entend l'existence d'oppositions distinctives, c'est-à-dire le fait que les unités fonctionnelles se présentent comme formant des groupes, dans lesquels elles sont en partie identiques et en partie différentes et fonctionnent, en vertu des traits différentiels comme membres oppositifs de ces groupes, on est autorisé à parler de structures lexicales', puisque, dans ce sens aussi, la situation dans le domaine du lexique est parfaitement analogue à celle du domaine de la phonologie." 213 50
Ebenso wie sich die Auslautverhärtung des ,d' im Deutschen zu ,t' etwa folgendermaßen schematisch darstellen ließe:
S könnten auch lexikalische Beziehungen, wie z. B. bei den französischen Verben dominer, maîtriser und dissiper, gaspiller in einem entsprechenden Schema dargestellt werden : dominer
maîtriser
dissiper
gaspiller
„Si, par structure'", so fährt Coserui, a. a. O., S. 152/53 fort, „on entend le fait que les unités fonctionnelles sont analysables, sans résidu en éléments différentiels (,traits distinctifs'), on peut aussi parler de structures lexicales', puisque, à cet égard, l'analogie qu'on constate entre les unités phonologiques et les lexèmes n'est pas moins évidente." Als Beispiel führt Coseriu auf Seite 153 u. a. an : /b/ : oral-bilabial-occlusif-sonore /d/ : oral-deniaZ-occlusif-sonore mit Unterschied nur in e i n e m trait distinctif und die lateinischen Bezeichnungen : senex — adjectif pour l'âge — des personnes vieux vetulus — adjectif pour l'âge — des animaux et plantes — vieux iuvenis — adjectif pour l'âge — des personnes — non-vieux bzw. straff gegliedert in abgewandelter Form als: sourd sonore vieux: bilabial dental vélaire
P t k
,pour personnes'
b d
,pour animaux et plantes'
g
,pour choses'
senex vetulus vetus
non-vieux iuvenis novellus novus
Wenn wir im folgenden im Anschluß an Coseriu auch von Strukturen des Wortschatzes sprechen, so lassen wir uns dabei vor allem von dem Wunsch leiten, auch die Lexik rein terminologisch bereits in den Untersuchungsbereich der strukturellen Semantik einzubeziehen, wie dies z. B. als strukturelle Lexikologie im Sinne J u . D. Apresjans 214 oder auch als Lexematik im Sinne E. Coserius bereits geschehen ist. Eine möglicherweise damit verbundene Erweiterung des Strukturbegriffes scheint uns dabei kein ernstes Hindernis, weil ohnehin in der Linguistik zum Teil recht unterschiedliche Strukturauffassungen 215 existieren, ohne die Strukturbetrachtung selbst zu beeinträchtigen. Struktur soll also hier als eine generelle Bezeichnung für eine Gesamtheit 4'
51
systemhafter Beziehungen, ungeachtet des unterschiedlichen Grades an Strukturiertheit (Strukturhaftigkeit) sowie der „Strenge" der hierarchischen Anordnung der faktorwertigen Elemente gebraucht werden. Bei der Suche nach den lexikalischen Strukturen im offenen System des Wortschatzes tauchen insofern Schwierigkeiten auf, als nach Möglichkeiten der Reduktion offener Klassen auf geschlossene gesucht werden muß. 2 1 6 Eine besonders geeignete Möglichkeit dazu war bereits auf dem V I I I . Linguistenkongreß von E . Coseriu 217 aufgezeigt worden : die in der modernen semantischen Konstituentenanalyse praktisch und theoretisch weiter fundierte Beschreibung einer potentiell unendlichen Zahl von Sememen in Termini einer endlichen Zahl rekurrenter Seme. Auf die sich aus der aufgezeigten engen Wechselbeziehung lexikalischer und Bedeutungsstrukturen ergebenden Möglichkeiten wurde, da für einige Jahre unter dem Einfluß der strukturellen Linguistik eine mikrolinguistische Betrachtungsweise vorherrschte, nicht in dem zu erwartenden Maße zurückgegriffen. In ihrem Gefolge hat in den letzten Jahren auch die Erforschung der lexikalischen Strukturen und damit die makrolinguistische lexikalische Strukturforschung neue, bisher allerdings durchaus noch nicht voll ausgeschöpfte Anregungen empfangen. Besonders bemerkenswert muß in diesem Zusammenhang auch der Umstand erscheinen, daß durch die semantische Konstituentenanalyse der Weg zu einer Betrachtung der inneren Struktur des Semems im Unterschied zu den lexikalischen Strukturen als Beziehung zwischen mehreren Sememen gewiesen und damit die Existenz von Bedeutungsstrukturen neben und in Verbindung mit lexikalischen Strukturen unterstrichen worden ist. Wir wollen die hier aufgewiesene Unterscheidung zweier Strukturtypen auf der Inhaltsebene der Sprache beibehalten und in unseren Darlegungen die inneren Strukturen der Sememe, d. h. also die Seme und ihre hierarchische Anordnung, als semantische Mikrostrukturen218, die paradigmatisch und syntagmatisch zwischen den Sememen bestehenden Beziehungen hingegen, die letztlich ja auf den semantischen Mikrostrukturen beruhen, als semantische Makrostrukturen bezeichnen und beide Strukturen der Inhaltsebene dem Untersuchungsbereich einer strukturellen Semantik zuweisen.
1.6.2 Zu den semantischen Mikro- und Makrostrukturen Die vorgenommene terminologische Scheidung muß ihre Berechtigung in der konkreten Analyse noch erweisen, doch schien uns der durch sie gebotene Vorteil eines sorgfältig differenzierenden Vorgehens bei der Beschreibung der mehrschichtigen semantischen Erscheinungen so verlockend, daß demgegenüber mögliche Bedenken gegen eine vorschnelle Trennung inhaltlich eng zusammengehöriger Erscheinungen zurücktreten mußten. Noch sind weder die semantischen Makro- noch die semantischen Mikro52
strukturen ausreichend beschrieben und noch ist die unseres Wissens nur bei K . Baldinger angedeutete Unterscheidung in der modernen strukturellen Semantik nicht verbreitet. Doch glauben wir, gerade durch die vorgenommene Scheidung einigen wesentlichen, im Gegenstand selbst angelegten Unterschieden gerecht geworden zu sein. Zwischen semantischen Mikro- und Makrostrukturen — im folgenden vor allem paradigmatischer Art — bestehen enge Beziehungen 219 , die zur Ermittlung und.Beschreibung der Strukturen bestmöglich ausgenutzt werden sollten. Während eine Beschreibung der semantischen Mikrostruktur ihr Hauptaugenmerk auf eine Untersuchung der internen Beziehungen der Sememkonstituenten im „Verband e i n e s Semems" richtet, ist die Untersuchung der lexikalischen Strukturen, d. h. der semantischen Makrostrukturen, auf eine Darlegung der externen paradigmatischen und syntagmatischen Beziehungen der Sememe orientiert, damit allerdings auch auf die extrasememischen Beziehungen der Seme. Bei den nachfolgenden Betrachtungen zu modernen semantischen Strukturanalysen werden vor allem makrolinguistische Untersuchungen der semantischen Mikrostrukturen im Vordergrund stehen, während z. B . in der traditionellen Bedeutungsforschung und Lexikologie, sofern überhaupt Strukturbeschreibungen versucht wurden, keineswegs zufällig Untersuchungen zu den paradigmatischen semantischen Makrostrukturen dominierten, die einer Beschreibung im allgemeinen weniger Schwierigkeiten als die Mikrostrukturanalyse bereiten. Eine semantische Strukturforschüng aber muß über die Beobachtung und Registrierung der semantischen Makrostrukturen hinaus bis zu den semantischen Mikrostrukturen vordringen, nicht nur, weil sie anderenfalls unvollständig bliebe, sondern weil sie sich sonst eines wertvollen Mittels zur Beschreibung der semantischen Makrostrukturen berauben würde. In dem Maße, wie die tatsächlichen Strukturen der Lexik und auch der Bedeutung erhellt werden, wachsen die Möglichkeiten einer noch adäquateren Beschreibung. Die strukturelle Semantik und insbesondere die semantische Konstituentenanalyse haben, so scheint es, gegenwärtig einen Punkt erreicht, an dem ein sorgfältig abwägender Vergleich der aufgezeigten Strukturelemente und Strukturen sowie eine praktische Nachprüfung an umfangreichem empirischen Material besonders wertvoll wird. Zwar nährt sich die Annahme von semantischen Strukturen gegenwärtig schon nicht mehr allein aus der Behauptung einer grundsätzlichen Strukturiertheit aller Erscheinungen und sind bereits einige Strukturen in der Lexik und Bedeutung aufgezeigt, doch bedarf die strukturelle Semantik deshalb nicht weniger der Untersuchungen, die semantische Konstituenten in einem umfangreichen Korpus ermitteln und auf ihre Strukturbeziehungen hin analysieren. Dabei tauchen bei der Ermittlung und Beschreibung dieser Strukturelemente und ihrer spezifischen Anordnung eine Reihe "noch ungeklärter Probleme auf, die es mit Hilfe geeigneter Methoden zu lösen gilt. 53
2. Zur Ermittlung und Beschreibung der semantischen Strukturen
Die im ersten Kapitel vorgenommene Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes macht nicht nur die Grenzen linguistischer Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung deutlich, sondern läßt auch bereits einige besonders problematische Fragestellungen der modernen semantischen Strukturanalyse erkennen. Dabei sollte in keinem Augenblick übersehen werden, daß die Ausführungen zum Charakter der Sememe und der semantischen Mikro-und Makrostrukturen als noch nicht überzeugend belegte Forschungshypothesen in besonderem Maße der Bestätigung durch eingehendere praktische und theoretische Analysen bedürfen. Noch wird eine Ermittlung und Beschreibung der Strukturen der Bedeutung, ganz gleich ob es um eine Beschreibung der Zuordnungsbeziehungen von Formativen und Sememen oder um eine Analyse der semantischen Mikrostrukturen geht, vor allem dadurch erschwert, daß die Sememe und die sie konstituierenden Seme als Bewußtseinstatsachen einer exakten Beobachtung und Beschreibung nicht unmittelbar zugänglich sind, also dem in der strukturellen Linguistik der vierziger und fünfziger Jahre vorherrschenden positivistischen Postulat nicht gerecht zu werden vermögen, demzufolge eine wissenschaftliche exakte Beschreibung auf „publicly observable facts" 220 basieren müsse. Bereits aus der versuchten Charakteristik der Seme als begrifflichnoetische Abstraktionselemente heraus aber wird verständlich, daß zur Ermittlung der Seme und zur Beschreibung der semantischen Mikrostrukturen als Grundlage für die Beschreibung semantischer Makrostrukturen neue und im einzelnen recht unterschiedliche Wege beschritten und dabei neben direkten Methoden, die auf eine direkte Ermittlung und Beschreibung der Sememe und ihrer Konstituenten abzielen, auch indirekte Verfahren in Anwendung gebracht werden sollten. Letztere legten ihrerseits vermeintliche oder tatsächliche „publicly observable facts", wie z. B. kontextuelle Vorkommen und Verhaltensweisen, der Ermittlung und Beschreibung zugrunde, wobei sie die linguistische Bedeutungsanalyse sogar in einigen Fällen — und darin sehen wir eine unangebrachte Verallgemeinerung — a l l e i n auf die mikrolinguistische, formale Analyse zu reduzieren suchten. Es leuchtet ein, daß bei dieser Einstellung nicht nur eine „reine Abbildanalyse", 54
wie sie etwa durch die Erkenntnistheorie und Psychologie vorgenommen werden könnte, sondern eine jede semantische Analyse überhaupt, die sich um die Einbeziehung inhaltlicher Elemente und Kriterien bemühte, als denkbar ungeeignet und „wissenschaftlich unvertretbar" betrachtet werden mußte, weil mit einer inhaltsorientierten Semembeschreibung nachweislich Bereiche in die Untersuchung einbezogen wurden, die sich nach Ansicht nicht weniger struktureller Linguisten mit der Hjelmslevschen Forderung nach sprachimmanenter Betrachtungsweise nicht vereinbaren lassen. So ist denn auch die Haltung der als mikrolinguistisch bezeichneten Richtung in der modernen Bedeutungsforschung, bei der beabsichtigten Ermittlung und Beschreibung der Bedeutungen bewußt von einer Einbeziehung des Semems und Abbilds in die Untersuchung abzusehen, sowohl aus theoretischen und wissenschaftsmethodischen als auch aus unmittelbar praktischen Erwägungen heraus entstanden. Bevor jedoch auf diese mikrolinguistischen Versuche der Ermittlung und Beschreibung der Bedeutung näher eingegangen werden kann, erscheinen einige allgemeinere Betrachtungen zu aktuellen methodologischen Fragestellungen der modernen semantischen Strukturbetrachtung angebracht. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang der Hinweis, daß ähnlich wie bei den Bedeutungskonzeptionen auch hinsichtlich der Auffassungen über Mittel und Wege der Ermittlung und Beschreibung semantischer Strukturen nicht unerhebliche Meinungsverschiedenheiten auftreten können. Unter den in der Anlage sowie in der Zielstellung häufig stark voneinander abweichenden Untersuchungen sollen neben den mikrolinguistischen Analysen vor allem die makrolinguistischen bzw. extralinguistischen Betrachtungen in den nachstehenden Untersuchungen herausgestellt werden. 2.1 Zu einigen allgemein-methodologischen Problemen In der modernen semantischen Strukturforschung haben, wie bereits erwähnt, neben den mikrolinguistischen Analysen vor allem die makrolinguistischen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung beträchtlich zugenommen. Dabei aber genügen mikro- und makrolinguistische Betrachtungen gleichermaßen der u. a. von L. Hjelmslev auf dem VIII. Linguistenkongreß im Hinblick auf die Möglichkeit einer strukturellen Semantik erhobenen Forderung, daß jede wissenschaftliche Beschreibung voraussetzen müsse, „que l'objet de la description soit conçu comme une structure (donc, analysé selon une méthode structurale qui permet de reconnaître des rapports entre les parties qui le constituent) ou comme faisant partie d'une structure (donc, synthétisé avec d'autres objets avec lesquels il contracte des rapports qui rendent possible d'établir et de reconnaître un objet plus étendu) dont ces objets avec l'objet considéré, sont des parties." 221 55
Der von der jeweiligen konkreten Untersuchung geleistete Beitrag zur strukturellen Semantik ist naturgemäß unterschiedlich und wird nicht unerheblich von der Wahl einer besonders geeigneten Methode wie auch von der Zielstellung der betreffenden Untersuchung bestimmt. 222 Die zur Ermittlung und Beschreibung der semantischen Strukturen anzuwendenden Methoden haben die Abhängigkeiten und Funktionen zu registrieren, die zwischen den Strukturelementen bestehen, und zu einer exhaustiven Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes innerhalb des abgesteckten Forschungsrahmens beizutragen. Eine Methode, die zur E r m i t t l u n g u n d B e s c h r e i b u n g bestimmter semantischer Erscheinungen noch ausreichen mag, muß in dem Augenblick als unzulänglich betrachtet werden, in dem höhere Anforderungen an die beabsichtigte Strukturanalyse gestellt werden; so z.B.wenn eine E r k l ä r u n g für die untersuchten Phänomene gefordert wird. Wie bereits N. Chomsky 223 hervorgehoben hat, bestehen im Rahmen einer linguistischen Analyse gewisse qualitativ unterschiedliche Ebenen, die von ihm jeweils als Beobachtungs-, Beschreibungs- und Erklärungsadäquatheit bezeichnet wurden. Die niedrigste Stufe, die der Beobachtungsadäquatheit, dürfte im Bereich der Semantik durch Prozeduren erreicht werden, die allein Feststellungen über die Anzahl der mit einer betreffenden lexikalischen Einheit verbundenen Sememe sowie über die Zugehörigkeit zu bestimmten Makrostrukturen zulassen. Sie schaffen damit eine notwendige Voraussetzung für die Erreichung der nächsthöheren Stufen der Adäquatheit, gehen also gewissermaßen in eine vollständige Beschreibung der semantischen Erscheinungen als unabdingbarer Bestandteil mit ein, ebenso wie ohne eine ausführliche und exakte Beschreibung der semantischen Strukturen eine fundierte Erklärung der „interpretative ability" des „native Speaker" 224 nicht möglich erscheint. Wenn die semantischen Strukturen gegenwärtig noch nicht in dem erwünschten Maße eindeutig ermittelt und beschrieben sind, so ist der Grund dafür u. E. zu fast gleichen Teilen in der Spezifik des Untersuchungsgegenstandes und in der erst spät einsetzenden semantischen Strukturbetrachtung, in geringerem Maße aber wohl auch in nichtadäquaten Forschungsmethoden zu suchen. Die Komplexität der Bedeutung und die mit der Ermittlung und Beschreibung der semantischen Mikro- und Makrostrukturen verknüpften Schwierigkeiten sind sowohl von der traditionellen als auch von der modernen Bedeutungsforschung mehrfach unterstrichen worden. Es nimmt daher nicht wunder, daß die vielfältigen Aspekte des Untersuchungsgegenstandes auch zu einer Vielfalt in den Methoden Anlaß gegeben haben. 225 Bei der beabsichtigten Ermittlung und Beschreibung eines trotz vielfältiger Bemühungen noch immer weitgehend unerforschten Gegenstandes sieht sich die moderne semantische Strukturanalyse notwendigerweise mit einer Reihe von Problemen und Schwierigkeiten konfrontiert, zu deren Lösung bzw. Überwindung sie nicht zuletzt infolge unzureichender exakter Analyseverfahren 56
und theoretischer Einsichten in die zu untersuchenden, vielschichtigen Erscheinungen gegenwärtig noch nicht imstande ist. Dabei müßte es nach Auffassung G. Mounins 226 als ein Hauptmangel nicht weniger moderner Arbeiten zur Struktur der Bedeutung betrachtet werden, daß sie einigen, im folgenden kurz darzulegenden unterschiedlichen Ebenen der Analyse nicht in erforderlichem Maße Rechnung getragen haben. So ließen sich entsprechend den unterschiedliehen Ausgangspunkten in der modernen Bedeutungsforschung u. a. als besonders charakteristische Tendenzen anführen: 1. Eine auf der morphologischen Ebene nach formal repräsentierten semantischen Strukturen und dabei vor allem nach Oppositionen und Kontrasten suchende Forschungsrichtung, die u. a. durch Untersuchungen von R . J a k o b son 227, J . Cantineau 228 und L. Prieto 229 charakterisiert ist. Diese Untersuchungen, die vor allem syntaktische Bedeutungen aufzeigen helfen, die auf der Ausdrucksebene in gebundenen Morphemen repräsentiert werden, sind f ü r unsere Betrachtungen zur lexikalisch-semantischen Bedeutung weniger unmittelbar von Interesse. Sie gewinnen nur dort, wo bei dieser Analyse auf die Existenz sogenannter isolierter Oppositionen näher eingegangen wird, deren morphologische Beschaffenheit nichts darüber aussagt, ob die erwähnten Einheiten inhaltlich irgendwie zusammengehören, f ü r uns an Bedeutung, und dies selbst dann, wenn die Inhaltsanalyse noch in den ersten Anfängen steckt. Der hier vorgezeigte Weg ist von der makrolinguistisch orientierten semantischen Konstituentenanalyse konsequent weiter beschritten worden. 2. Eine mikrolinguistische Analyse der kontextuellen Verhaltensweisen und Eigenschaften der sprachlichen Zeichen mit dem Ziel, durch formale Ermittlungsprozeduren, wie Distributions- und Transformationsanalysen, Kollokationstests u. a. m. semantische Klassen aufzustellen sowie semantische Unterschiede, Polysemie etc. aufzuzeigen. 3. Erste Ansätze einer makrolinguistischen semantischen Strukturanalyse, wie sie insbesondere in der semantischen Konstituentenanalyse ihren Ausdruck fanden. Bei diesen Analysen erfährt zwar der sprachliche Kontext beispielsweise in Form von Substitutionsproben und Kompatibilitätstests 2 3 0 durchaus Beachtung, dabei aber steht nicht mehr die mikrolinguistische Betrachtungsweise, sondern ausdrücklich eine makrolinguistische Strukturbetrachtung im Vordergrund, durch die die formalen Methoden eine qualitative Ergänzung erfahren. Wie aus dem Bedeutungsschema und der Sememkonzeption hervorgeht und durch die tatsächlich vorgefundenen Untersuchungen bestätigt wird, ist eine Bedeutungsforschung erst durch eine makrolinguistische Untersuchung vollständig, wobei die entsprechenden Analysen zur semantischen Mikro- und Makrostruktur sich auf mikrolinguistische Analysen, insbesondere auf eine Untersuchung der Beziehungen der Zeichen auf der syntagmatischen Ebene stützen sollten. Wie die Aufstellung zeigt, können und müssen bei der semantischen Analyse mehrere Analyseebenen unterschieden werden, sind aber wohl auch n u r 57
mehrere sich ergänzende Methoden in der Lage, eine einwandfreie und vollständige Beschreibung der semantischen Zeichenrelation, des Untersuchungsgegenstandes einer strukturellen Semantik, zu gewährleisten. Gegenwärtig allerdings wird ein solches Vorhaben u. a. auch dadurch erschwert, daß die noch im Entstehen begriffene semantische Strukturanalyse weder über einen in praktischen Untersuchungen sorgfältig überprüften Methodenapparat noch allgemein über eine geeignete Metasprache 2 3 1 zur Beschreibung der objektsprachlichen Bedeutungen sowie zur Festlegung von Arbeitsbegriffen verfügt. Es steht jedoch außer Zweifel, daß die angedeuteten generellen Probleme ebenso wie auch speziellere Fragen einer Ermittlung und Beschreibung semantischer Strukturen mit zunehmender Einsicht in die tatsächlichen Bedeutungsstrukturen in absehbarer Zeit gelöst werden können. Der Weg dazu aber f ü h r t über die Notwendigkeit, quantitative und qualitative Veränderungen in der modernen Bedeutungsforschung dahingehend vorzunehmen, daß die Zahl der semantischen Strukturanalysen sowohl mikro- als vor allem auch makro- und sogar extralinguistischer Art maximal erhöht und die Effektivität der angewandten Ermittlungs- und Beschreibungsprozeduren überprüft wird mit dem Ziel, die geeignetsten Verfahren herauszustellen und damit Voraussetzungen zu schaffen f ü r eine noch schnellere und umfassendere Untersuchung der semantischen Strukturen. Dabei sollte eine jede konkrete semantische Strukturanalyse auf einer vorgängigen, detaillierten syntaktischen Beschreibung aufbauen. Bei der im Rahmen unserer Arbeit angestrebten Zusammenstellung u. E. besonders repräsentativer Strukturanalysen ergaben sich zusätzliche Schwierigkeiten aus dem Umstand, daß eingehendere praktische Analysen, insbesondere im makrolinguistischen Bereich, noch ausstehen und generell bei der Darstellung unterschiedliche Ebenen beachtet werden müssen. I n der Tat stehen neben Betrachtungen zu den semantischen Mikrostrukturen auch Betrachtungen zu den Methoden, die zur Ermittlung und Beschreibung der semantischen Mikro- und Makrostrukturen herangezogen wurden, wobei sich eigene Gedanken zu den semantischen Strukturen ebenso wie zu den durchgeführten Analysen mit weitgehend kommentarloser Darstellung der modernen Untersuchungen und der erzielten Forschungsergebnisse vermischen. I m folgenden werden vor allem die Ermittlung und Beschreibung der semantischen Mikrostrukturen im Vordergrund stehen, während demgegenüber die zweifellos bedeutsame Erörterung von Fragen der Beschreibungsökonomie und Exaktheit der angewandten Verfahren sowie der allgemeinen Grundforderungen an eine wissenschaftliche semantische Theorie: Einfachheit, Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit, zurücktreten wird. Dabei leuchtet ein, daß es nicht Aufgabe der vorliegenden Untersuchung sein konnte, alle in irgendeiner Weise als linguistisch ausgewiesenen oder als solche bezeichneten Analysen zu erfassen oder gar im einzelnen auszuwerten. Dazu hätte es vor allem auch einer ausführlicheren Berücksichtigung der in 58
traditionellen Arbeiten der Bedeutungsforschung ebenso wie in der Feldforschung enthaltenen expliziten oder impliziten Hinweise auf die Struktur der Bedeutung bedurft. Aber auch von den im engeren Sinne modernen semantischen Arbeiten wurden im folgenden nicht alle, sondern nur einige u. E. besonders illustrative ausgewählt. Noch sind wir von der Möglichkeit einer genauen Bestimmung des Leistungsvermögens der einzelnen Methoden weit entfernt. Unter diesen Umständen besitzt eine weitgehend kommentarlose, konstatierende Darlegung der mit v e r s c h i e d e n e n Methoden erzielten Ergebnisse der semantischen Strukturforschung durchaus ihre Berechtigung. Dies um so mehr, als es an konkreten, auf umfangreiches empirisches Material gestützten Untersuchungen fehlt. In den modernen semantischen Analysen, insbesondere in den makrolinguistisch orientierten Arbeiten, ist ein verstärkter Hang zum hypothetisch deduktiven Vorgehen 232 unverkennbar. Diese offensichtliche theoretische Ausrichtung der Untersuchungen, die sich u. a. auch darin dokumentiert?, daß nur wenige Beispiele als Illustration weitgehend deduktiv gewonnener Erkenntnisse bzw. allgemein theoretischer Überlegungen und Hypothesen angeführt werden, entspricht voll und ganz einer weitverbreiteten Tendenz zur Integration und theoretischen Verarbeitung des in den induktiven Faktenanalysen aufbereiteten Materials, die gegenwärtig viele Wissenschaftszweige und dabei auch die Linguistik erfaßt hat. Es unterstreicht einmal mehr die besondere Situation, in die die modernen semantischen Strukturanalysen hineingestellt wurden, daß gerade auf dem Gebiet der Bedeutung von einem mit exakten Methoden aufbereiteten zuverlässigen Faktenmaterial ebensowenig wie von einer allgemein anerkannten Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes die Rede sein kann. 233 Es konnte nicht Ziel der von uns beabsichtigten Darlegung des von den einzelnen semantischen Untersuchungen geleisteten spezifischen Beitrages zur Ermittlung und Beschreibung der semantischen Strukturen sein, allgemeinste methodologische Fragen eingehender zu behandeln. Wir wollen uns daher auch auf eine Darlegung der Methode und eine Charakterisierung der Ergebnisse der betreffenden Untersuchungen im Hinblick auf die von uns im ersten Kapitel versuchte Synthese zum Untersuehungsgegenstand beschränken und nur von Fall zu Fall auf einige allgemeinere Tendenzen und Probleme verweisen. In diesem Zusammenhang verdient zweifellos die mit der deduktiv-hypothetischen Orientierung der modernen makrolinguistischen Analyse eng verknüpfte, aber darüber hinaus auch für mikrolinguistische Betrachtungen bedeutsame Tatsache Erwähnung, daß die strukturelle Analyse allem Anschein nach ohne eine Idealisierung234 des Untersuchungsgegenstandes und die Schaffung von Modellen 235 nicht auszukommen vermag. Wie sich z. B. in der Annahme einer von der pragmatischen und syntaktischen Zeichenrelation isolierbaren semantischen Zeichenrelation R (F/A) sowie in der Behauptung einer überindividuellen, synchronisch stabilen und
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damit für alle „fluent and native speakers" einer Sprachgemeinschaft gemeinsamen, verbindlichen Normbedeutung zeigt, trifft diese Feststellung auch vollinhaltlich auf die moderne Semantikforschung zu. Dabei macht das gewählte Beispiel zugleich auch klar, welchen spezifischen Schwierigkeiten sich eine konkrete Analyse der jeweiligen Zeichenkomplexe im Kommunikationsakt gegenüber sieht, in dem die durch die Idealisierung aufgehobenen individuellen Unterschiede besonders deutlich zutage treten. Während das Verhältnis von Idealisierung und Aktualisierung im Rahmen unserer Darlegungen ebensowenig behandelt werden konnte wie die Fragen der Verifizierung theoretischer Postulate und Modelle, soll auf ein anderes allgemein methodologisches Prinzip im folgenden etwas ausführlicher eingegangen werden, weil es in der semantischen Forschung besondere Verbreitung erfuhr und interessante Schlußfolgerungen im Hinblick auf die semantischen Strukturen zu ziehen erlaubt. Wir meinen das Prinzip der Analogie als einen Versuch, der semantischen Forschung im Vergleich mit einem besser erforschten und beschriebenen Bereich 236 der Sprachwissenschaft gewissermaßen einen allgemeinen „Orientierungsspiegel" 237 vorzuhalten.
2.1.1 Die Analogie zur Phonologie als Forschungshypothese Die Möglichkeit, durch Analogieschlüsse zur Phonologie sowie durch N u t z barmachung der in der phonologischen Analyse bewährten Forschungsmethoden zu neuen Erkenntnissen über die Struktur der Bedeutung zu gelangen, wurde bereits in den dreißiger Jahren erkannt und — allerdings zunächst ausschließlich nur auf der formal-morphologischen Ebene — auch genutzt. 2 3 8 Es kann in der vorliegenden Arbeit weder auf alle diesbezüglichen Untersuchungen noch auf alle bereits aufgezeigten Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Schlußfolgerungen eingegangen werden. E s wäre indessen irrig, wollte man annehmen, daß bereits alle sich aus dem Vergleich von Semantik und Phonologie ergebenden Schlußfolgerungen erkannt bzw. auch konsequent genutzt worden wären. Gewiß dürfen in diesem Zusammenhang auch die Gefahren nicht übersehen werden, die sich für die Aufstellung von Hypothesen aus dem Vergleich mit einem Untersuchungsgegenstand ergeben können, der möglicherweise entgegen der ursprünglichen Vermutung doch eine weitgehend von den inhaltlichen Strukturen abweichende Strukturierung aufweist. Der Vergleich zwischen Semantik und Phonologie basiert dabei grundsätzlich auf der Annahme, daß die Phonologie in der Linguistik eine ähnliche Grenzstellung zu extralinguistischen Disziplinen hin einnimmt wie die Semantik. Dabei muß sorgfältig beachtet werden, daß selbstverständlich eine Betonung der Analogie nicht nur nicht heißt, daß a 11 e Charakteristika der untersuchten Erscheinungen sowie alle Methoden übereinstimmen würden, sondern daß vielmehr auch über den f ü r die phonologische Analyse 60
abgesteckten Rahmen hinaus entwickelte Konzeptionen und Methoden Anwendung finden können; so u. a. aus der Morphologie und Syntax. 239 Die aus der Analogie zur Phonologie abgeleiteten Vermutungen über die Struktur der Bedeutung und Lexik müssen daher ebenso wie die entsprechenden Ermittlungs- und Beschreibungsmethoden mit aller Vorsicht als Forschungshypothesen behandelt werden, mit deren Hilfe die — gegenstandsinhärenten — semantischen Strukturen sufgedeckt werden sollen. Die Analogie erweist sich, wenn sie als ein vorsichtig gehandhabtes Werkzeug verstanden wird, als außerordentlich fruchtbares heuristisches Verfahren, das seine Bedeutung bereits durch die auf seiner Grundlage gewonnenen Einsichten in die semantischen Strukturen unter Beweis gestellt hat. Es erscheint daher unter diesen Umständen wohl nicht unbillig, wenn die sich aus einem Vergleich mit der Phonologie ergebenden Möglichkeiten einer semantischen Strukturbetrachtung zunächst einmal konsequent genutzt und dann am konkreten Material auf ihre Exaktheit überprüft werden. „Wie die Phonologie das Lautsystem zu ermitteln hat, so hat die Semantik das Bedeutungssystem einer Sprache zu beschreiben . . . Analog zur Phonologie postulieren wir für die Semantik, daß ein System von Bedeutungen existiert . . ." 240 , über dessen Beschaffenheit uns ein weiterer Vergleich zur Phonologie wertvolle Aufschlüsse gibt. Wie A. Neubert hervorhebt, differenzieren wir in der Phonologie zwischen tatsächlichen (physikalischen) Lauten und ihrem funktionalen Aspekt. Die Phonologie habe es demnach „mit relevanten Kontrasten zu tun, vermittels derer die Laute in der Lage sind, im Kommunikationssystem der Sprache zu funktionieren." In ähnlicher Weise könnte auch die Semantik als funktionale Betrachtung konzipiert werden. Eine so verstandene strukturelle Semantik habe nicht die „semantische Ladung" der sprachlichen Zeichen zu ermitteln, die atomistisch und von Idiolekt zu Idiolekt verschieden sei und mit der artikulatorischen und akustischen Natur der Sprachlaute verglichen werden könnte. Es ergebe sich daher die Notwendigkeit, von der „Kontrastivität der Morpheme im Rahmen des semantischen Systems einer Sprache" 241 auszugehen. Diese Richtung in der modernen Semantik, die sich um eine weitgehend sprachinhärente Betrachtung der Sememe bemüht und in Analogie den Namen Semologie242 erhalten könnte, hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. In diesem Zusammenhang sei noch ein weiterer Vergleich, diesmal zur Entwicklung der Phonologie, gestattet. Hatte das Interesse der Linguisten zunächst vorwiegend der artikulatorischen Seite der Sprachlaute, also extralinguistischen phonetischen Fragen gegolten, so sollte sich mit dem Wirken N . S. Trubetzkoys und der Prager Schule immer mehr das Aufsuchen relevanter Distinktionen sowie der Struktur der rekursiven Invarianten, der Phoneme, als die eigentliche Aufgabe der linguistischen Forschung durchsetzen. Analog dazu wandte sich die traditionelle Semasiologie und auch die moderne makrolinguistische Bedeutungsbetrachtung zunächst der Erfor61
schung der „physikalischen" Seite der Bedeutungen zu, während erst in jüngerer Zeit die Notwendigkeit herausgestellt wurde, bei der Suche nach den semantischen Strukturen vom direkten Wirklichkeitsbezug weitgehend abzusehen und sprachimmanente Strukturen aufzudecken. Es liegt auf der Hand, daher auch diese — semologische — Richtung als die eigentlich linguistische Richtung der semantischen Strukturforschung zu betrachten. Damit aber sind die sich aus einer Gegenüberstellung mit der Phonologie ergebenden wertvollen Erkenntnisse für die semantische Strukturforschung durchaus noch nicht erschöpft. Es ist daher nur billig, wenn im folgenden kurz noch auf einige weitere Schlußfolgerungen verwiesen wird, die sich aus einem konsequenten Vergleich zur Phonologie hinsichtlich des Charakters der Struktur der semantischen Einheiten ergeben, unseres Wissens aber nicht immer volle Beachtung gefunden haben: 1. Wie die Phoneme aus phonetisch beschriebenen Merkmalen bestehen, so kann, wie bereits eingehend dargelegt, auf der „Inhaltsebene" das Semem als Bündel semantisch-distinktiver Merkmale243 betrachtet werden, die durch extralinguistische Abbildanalyse ermittelt und beschrieben werden müssen. Zum Unterschied von der Phonologie aber existiert eine solche Beschreibung ebenso wie die Möglichkeit einer exakten Messung der Sememe und Seme noch nicht. 2. Diese semantische Merkmalsanalyse hat durch eine Disziplin zu erfolgen, die in ähnlicher Weise wie die Phonetik eine extralinguistische Disziplin ist und als „physikalische Semantik" 244 bzw. in Analogie zur Phonetik als Semetik bezeichnet werden könnte. Durch diese extralinguistische Sememanalyse 245 werden die notwendigen Voraussetzungen für eine makrolinguistische Bedeutungsanalyse geschaffen. 3. Angesichts der rekurrenten und universellen phonologischen Merkmale drängt sich eine Hypothese über den universellen Charakter der semantischen Merkmale auf. Noch fehlt es allerdings auch hier an hinreichend fundierten Kenntnissen, um die Frage nach substantiellen semantisch-noetischen Universalien stichhaltig beantworten zu können. 4. Wie die Betrachtung der dialektischen Einheit von Phonologie und Phonetik 246 zeigt, muß auch bei der Beurteilung des Verhältnisses von linguistischer Bedeutungsforschung und extralinguistischer Abbildanalyse das dialektische Zusammenwirken beider Forschungsrichtungen auf diesem Grenzgebiet der Linguistik gegenüber den zweifellos bestehenden speziellen Aufgabenstellungen und Untersuchungsbereichen von linguistischer und extralinguistischer Betrachtung in den Vordergrund treten. Dabei wird es Aufgabe der semologischen Analysen sein, eine möglichst vollständige Beschreibung der semantischen Zeichenrelation zu gewährleisten, wobei dazu auch eine — makrolinguistische — Beschreibung der Sememe und ihrer Strukturen als Einheiten der Linguistik ähnlich den Phonemen erforderlich wird, während demgegenüber die extralinguistische semetische Analyse die Konstituenten 62
der Sememe zu ermitteln und zu beschreiben hat. Zwischen semetischer und makrolinguistischer Analyse bestehen dabei enge Beziehungen; sie bedingen einander wechselseitig, so daß es auch aus diesem Grund nicht verwundern kann, wenn sich beispielsweise in den von uns untersuchten und entsprechend den Auffassungen der Autoren als linguistisch-makrolinguistisch bezeichneten semantischen Konstituentenanalysen neben eindeutig linguistischem Vorgehen im oben angegebenen Sinne auch Überlegungen zur Ermittlung der Seme nachweisen lassen. 5. Die Analogie zur Phonetik erstreckt sich aber nicht nur auf die Ableitung gewisser Forschungshypothesen über den Charakter und die Struktur der Bedeutung, sondern auch auf die in der Phonologie, Morphologie oder Syntax gebrauchten exakten Ermittlungs- und Beschreibungsprozeduren. I n der Tat können, wie die mikrolinguistische Bedeutungsforschung beweist, beispielsweise zur Ermittlung der Anzahl der mit einem Formativ verknüpften Sememe ebenso wie zur Bestimmung von Sememklassen mit Nutzen die auch bei der Ermittlung der Phoneme angewandten Distributionsanalysen, entsprechend ergänzt durch Transformationsanalysen etc., Verwendung finden, wobei gerade aus dem Vergleich zur Phonemanalyse die Wichtigkeit einer mit möglichst exakten Mitteln durchgeführten Unterscheidung von Sememen und Sememvarianten hervorgeht. 6. Bei der semantischen Analyse muß, wie ein Vergleich zur Phonologie zeigt, aber auch dem Umstand Rechnung getragen werden, daß sich auch im lexikalischen System Neutralisationen nachweisen lassen, wobei diese in der Lexik allerdings im Unterschied zur Phonologie auf verschiedenen Ebenen liegen können, da die Lexik gewissermaßen auf mehreren „Etagen" organisiert ist und daher nach Coseriu ähnlich wie in der Phonologie mindestens zwischen Einheiten und sogenannten Archieinheiten unterschieden werden müsse. 247 7. Nicht weniger bedeutungsvoll aber muß in diesem Zusammenhang der Hinweis darauf erscheinen, daß auch bei der Inhaltsanalyse analog zur Phonologie eine restlose Auflösung 2 4 8 in semantische Merkmale, d. h. also Seme, angestrebt werden müsse. Dabei gilt es aber in jedem Fall, in keinem Moment der Analyse zu übersehen, daß die semantischen Strukturen im Unterschied zu den phonologischen weitaus differenzierter sind und die semantischen Mikrostrukturen wesentlich mehr Merkmale enthalten als vergleichsweise die Phoneme. Der Untersuchungsgegenstand der Lexik und Semantik stellt sich als ungleich komplizierter als der Gegenstand der Phonologie dar. Wie lexikologische und lexikographische Untersuchungen aufgezeigt haben, widerstrebt die Lexik der üblichen Vorstellung von einer Struktur, weil die Struktur selbst eines Bedeutungsfeldes einer einzelnen Sprache — und um wieviel mehr noch in zwei Sprachen — nicht immer eine einheitliche, homogene Klassifizierung (classement) aufweist, d. h. nicht durchweg von einem einheitlichen Stand63
punkt her bestimmt und gegliedert ist. Es besteht daher wohl die Behauptung von Guiraud in „Les champs morphosemantiques" völlig zu Recht, daß ein Bedeutungsfeld als die Form der systemhaften Anordnung des Wortschatzes, der Makrostrukturen, zwischen all seinen Bezeichnungen zwar Beziehungen aufweise, diese Beziehungen aber nicht koordiniert seien. 249 Wenn sich Strukturen bzw. gar ein System in der Lexik weitaus weniger leicht aufzeigen lasse, als die Feldtheorie angenommen habe, so sei das u. a. auch darauf zurückzuführen, daß letztere geglaubt habe, sich bei dem Zurückgehen auf Wörter bzw. Morpheme, d. h. auf formal nicht weiter zerlegbare bedeutungstragende Elemente, die Bedeutungsatome, stützen zu können. Der teilweise Mißerfolg dieser ungerechtfertigten Annahme der Feldtheorie lenkt die Aufmerksamkeit der Semantik notwendigerweise auf die Nachprüfung einer anderen Hypothese, nach der die Struktur der Lexik von der Existenz oder Nichtexistenz von kleineren Bedeutungseinheiten als den Sememen her erklärt und beschrieben werden könnte. Angesichts der von uns dargelegten Konsequenzen und Einsichten, die sich für eine semantische Strukturbetrachtung aus einem Vergleich mit den Strukturen der Phonologie ergeben, könnte es verwundern, daß sich nur wenige Forscher — und diese zudem auch noch relativ spät — des Analogieschlusses bewußt bedienten, würde nicht die geschilderte besondere Situation in der strukturellen Linguistik und modernen Bedeutungsforschung der dreißiger bis fünfziger Jahre berücksichtigt. So wurden u. a. von L . Hjelmslev sowie J. Cantineau und L . Prieto erst in jüngster Zeit unter Bezugnahme auf die Phonologie im wesentlichen zwei voneinander abweichende Schlußfolgerungen hinsichtlich der Aufgabenstellung und Methode der semantischen Forschung gezogen. Und zwar trachtete z. B . L . Hjelmslev, vor allem die Beziehungen von Phonem und phonologischen Merkmalen für die semantische Analyse nutzbar zu machen, während J. Cantineau und L . Prieto aus der phonologischen Betrachtung insbesondere die Notwendigkeit einer funktionellen Semantik und damit der Ermittlung und Auswertung lexikalischer bzw. gar morphologischer Oppositionen ableiteten. Analog zur Phonemanalyse, wie sie auf der Ausdrucksebene bereits seit langem durchgeführt wird, will L . Hjelmslev eine Analyse auf der Inhaltsebene vornehmen, deren Ziel gleichfalls die Reduzierung einer unbegrenzten Anzahl von Varianten auf eine begrenzte Anzahl von Invarianten sein soll. L . Hjelmslev führt als Beispiel für eine Analyse des Inhalts in kleinere und allgemeinere Inhaltselemente, die sogenannten Plereme (volle Einheiten), das englische Morphem mare an, dessen Inhalt sich in horse und she — gender zerlegen lasse, wobei „she — gender" eine „content figura" wäre, die auch bei der Zerlegung von cow, bitch, ewe etc. als Komplement zu ox, dog, sheep auftrete, also rekurrent ist. 250 Eine Analyse, die sich das Ziel stellt, durch Verallgemeinerung zu den unteil64
baren, elementaren Inhaltseinheiten vorzudringen, müsse daher nach dem einer bestimmten Gruppe von Morphemen gemeinsamen Bestandteil suchen, der als Plerem bezeichnet werden könnte. Neben diesen — und darauf geht L. Hjelmslev nicht näher ein, vermutlich weil es sich hier seiner Meinung nach um ein Eindringen in die Substanz handelt — existiere noch etwas von Fall zu Fall Verschiedenes, letztlich die Einzelbedeutungen voneinander Unterscheidendes. 251 Die unendliche Zahl von Zeichen und möglichen Bedeutungen würde nach Hjelmslev somit faßbar als Kombination einer endlichen Zahl von „content figurae". Diese Invarianten könnten auf beiden Ebenen durch sogenannte Kommutation, d. h. den Austausch einer Einheit für eine andere auf einer der beiden Ebenen, bestimmt werden. Wenn dieser Austausch auf der anderen linguistischen Ebene eine Veränderung hervorruft, so seien die Einheiten als austauschbar und damit als Invarianten zu betrachten. Wenn z. B. das Inhaltselement she — hörse durch das Inhaltselement he — hörse ersetzt werde, trete auch in der Ausdrucksebene eine entsprechende formale Änderung auf (Mare wird durch stallion ersetzt). Nicht alle Gelehrten, die auf der Grundlage dieses Vergleichs zur Phonologie zu der Annahme kleinster Bedeutungselemente gelangten, haben, wie bereits erwähnt, in ihren Darlegungen die durch den Vergleich aufgezeigten Möglichkeiten der Strukturbetrachtung in gleicher Weise ausgenutzt. I n dem Aufsatz „Les oppositions significatives" sucht beispielsweise Cantineau, im Wortschatz Bedeutungsoppositionen aufzudecken und sie entsprechend der von Trubetzkoy vorgenommenen Klassifizierung in bilaterale, privative, proportionale, äquipollente usw. aufzugliedern. Er geht dabei von dem Begriff der signifikativen Opposition aus, der schon von Ch. Bally benutzt wurde 2 5 2 und versteht darunter die Opposition „que forment deux signes de la langue dont les signifiants sont différents" (J. Cantineau, a. a. O., S. 16). Hierher gehören u. a. biche-faon, rendre-rendu. Davon werden die äquipollenten Bedeutungsoppositionen unterschieden, bei denen „les signifiants des deux termes sont équivalents, c'est — à — dire caractérisés tous les deux de façon positive, et ne comportent ni l'absence, ni la présence d'une marque formelle" (a. a.O., 31). Für die privativen Bedeutungsoppositionen dagegen sei charakteristisch, daß „le signifiant d'un des termes est caractérisé par la présence d'un élément significatif (ou marque formelle) qui manque au signifiant de l'autre." (Als Beispiel führt J . Cantineau, a. a. O., S. 27 ,mangemangeons' an.) Die bedeutsamste Opposition sei für die Konstruktion eines Bedeutungssystems die proportionale, unter der Cantineau „toute opposition significative telle que le rapport formel et sémantique existant entre ses termes se retrouve entre les termes d'au moins une autre opposition significative de la même langue" versteht (ebenda, S. 27), so z. B. nous disons-vous dites Wie nous faisons-vous faites. Auf dieser Grundlage glaubt Cantineau eine Bedeutungsstruktur zu ent5
Wotjak, Bedeutung
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decken, sowohl in der Morphologie — Bedeutungsstrukturen des Typs: peuvent-pouvons, Buch—Bücher — oder in proportionalen Oppositionen grammatikalischer Art, z. B. des Typs : bon—bonne als auch lexikalischer Art — Ableitungen mit produktivem Suffix wie z. B. maison — maisonnette. Cantineau lenkt damit die Aufmerksamkeit auf Teile der Lexik, deren tatsächlich vorhandene Struktur bisher nicht genügend beachtet worden war. Er suchte Strukturen der signifiés, der Sememe, aber fand sie nur auf untergeordneten Ebenen; jedesmal wenn er im Bereich des Wortschatzes bleibt, vermag er keine linguistischen Strukturen aufzudecken. Cantineau selbst hat implizit seine Bedeutungsoppositionen auf die Morphologie beschränkt, ist sich aber der Verflechtung von formalen (morphologischen) und semantischen Elementen durchaus bewußt geworden und hat ausdrücklich unterstrichen, daß er bei der Beschreibung der semantischen Strukturen der isolierten lexikalischen Oppositionen über die Linguistik hinausgreifen müsse; 253 so seien die Bezeichnungen mâle und femelle, homme und femme etc. sowohl physiologisch als auch linguistisch äquipollent. 254 L. Prietos Darlegungen fügen den Gedankengängen Cantineaus kaum grundsätzlich Neues hinzu, dabei wird von Prieto insbesondere in seinen jüngsten Veröffentlichungen allerdings eine weitere, umfassendere Auffassung von den Aufgaben einer funktionellen Semantik entwickelt. Auch in ersten Arbeiten Prietos stehen die auf der Analyse formal morphologisch repräsentierter Oppositionen aufbauenden Untersuchungen vor allem syntaktischer Bedeutungen im Vordergrund und findet die beispielsweise von L. Hjelmslev ausgewählte „isolierte Opposotion" vergleichsweise geringe Beachtung, obwohl gerade die Analyse dieser lexikalischen Einheiten eine von einer Vermischung mit syntaktischen Analysen weitgehend freie Beschreibung der lexikalischen Bedeutung zu ermöglichen scheint und dabei, wie die „content figurae" L. Hjelmslevs zeigen, zu Inhaltselementen, zu Semen, führt.
2.2 Zur mikrolinguistischen Bedeutungsforschung In der von uns als mikrolinguistisch bezeichneten Bedeutungsforschung finden die von der strukturellen Linguistik vertretene streng innersprachliche Orientierung ebenso wie die von ihr entwickelten Ermittlungs- und Beschreibungsverfahren ihren Niederschlag auf dem Gebiet der Semantik. Dabei kann und soll die Bedeutung der sprachlichen Zeichen von einer linguistischen Semantik ohne Einbeziehung des als extralinguistisch betrachteten Abbilds unter Anwendung formal linguistischer Methoden untersucht und beschrieben werden. In ihrer ablehnenden Haltung gegenüber einer direkten, qualitativen Analyse des Semems bestätigt glaubten sich die mikrolinguistischen Untersuchungen sowohl durch die Tatsache, daß eine Bedeutungsforschung auf der Grundlage einer mentalistischen Konzeption, wie beispiels66
weise die traditionellen Bedeutungsanalysen gezeigt haben, einer exakten Beschreibung der semantischen Strukturen zugegebenermaßen nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereitet hatte, als auch durch die in der praktischen Analyse bisher noch nicht generell bewiesene Behauptung, d a ß semantische Unterschiede und Gemeinsamkeiten durch rein formale Kontext- und Distributionsanalysen nachgewiesen werden könnten. F ü r die von der mikrolinguistischen Forschung vorgenommene Einschränkung des Untersuchungsbereiches auf die Erforschung der syntagmatischen kontextuellen Vorkommen der sprachlichen Zeichen 255 sind in letzter Zeit auch theoretische Begründungen bemüht worden. So hat z. B. H . Seiler in seinem bereits 1956 veröffentlichten Artikel „Lexikographie u n d Grammatik" versucht, die besondere Bedeutung der mikrolinguistischen Bedeutungsforschung als eigentlich linguistische semantische Analyse etwa durch folgende Feststellungen zu unterstreichen: „Da ein Wort zunächst ein Phänomen der Sprache ist, der es angehört und nicht der Dingwelt, auf die es angewendet wird, ist es erforderlich, dem Verständnis dieses Wortes durch Betrachtungen näherzukommen, die von der Struktur der betreffenden Sprache ausgehen." 2 5 6 Mit dieser berechtigten Forderung allein sei es allerdings noch nicht getan, denn zur Ermittlung u n d Beschreibung der Bedeutung kann der Linguist „einerseits versuchen, ein Äquivalent zu geben: entweder durch Paraphrasierung, Definition, aus derselben Sprache, der das Wort entnommen ist, oder durch ein Wort einer fremden Sprache. E r k a n n andererseits, grammatische Regeln über die Anwendung dieses Wortes im Satz geben. Diese Regeln sind morphologischer u n d syntaktischer Art . . . Eigentlich", so f ü h r t Seiler weiter aus, „kann der Linguist aber nur das letztere; denn nur die grammatikalischen Beziehungsmöglichkeiten eines Wortes — oft dessen grammatische Bedeutung genannt — lassen sich analysieren und darstellen; dagegen ist das andere — oft das Denotative oder die lexikalische Bedeutung eines Wortes genannt — weder im strengen Sinne auf seine Richtigkeit hin prüf bar noch durch Induktion erreichbar." 2 5 7 F ü r die mikrolinguistische Betrachtungsweise ist u. a. auch von G. Jäger, 0 . Kade und W. Lorenz in der Diskussion auf der I. Internationalen Konferenz des Dolmetscher-Instituts Leipzig „Zu Grundfragen der Übersetzungswissenschaft" nach einer theoretischen Rechtfertigung gesucht worden. Nach übereinstimmender Ansicht der erwähnten Forscher müsse das Abbild und damit auch das Semem aus den linguistischen Untersuchungen ausgeklammert werden. 258 Dabei lasse sich eine solche Beschränkung des Untersuchungsbereiches der mikrolinguistischen Forschung ebenso wie andererseits auch der Anspruch einer makro- und/oder extralinguistischen Bedeutungsanalyse auf Einbeziehung des Semems in die Beschreibung der semantischen Strukturen auf zwei verschiedene Konzeptionen des sprachlichen Zeichens zurückführen, wobei im ersteren Fall der durch den Zeichenkörper ausgelöste Bewußtseinsinhalt nicht mit zum Zeichen selbst gezählt 5*
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werden dürfe 259 , in letzterem jedoch integrierender Bestandteil des Zeichens sei. Würde das Abbild als Inhalt des Zeichens betrachtet, so argumentieren die Anhänger der mikrolinguistischen Bedeutungsforschung, so hätte das zur Folge, daß der Linguist auch die Abbilder untersuchen und damit letztlich auch die Relation Abbild—Objekt mit einbeziehen müßte, was aber nicht Aufgabe der Linguistik, sondern nur der jeweiligen Wissenschaften sein könne. 260 Die Linguistik benötige zwar das Abbild als Bezugsgröße, doch käme es ihr nicht zu, die Abbilder zu beschreiben. Die Abbilder seien für den Linguisten uninteressant, wesentlich sei für ihn nur, daß die Formative eine Zuordnung zu den Abbildern erfahren haben. Obgleich der Linguist weder bestreiten könne noch bestreiten wolle, daß Zeichen stets für Abbilder von Erscheinungen der extralinguistischen Realität stehen und diese Abbilder den Endpol der semantischen Relation darstellen, sei es doch legitim, die linguistische Semantik auf die Untersuchung der Zeichen, d. h. der Formative und ihrer Funktion im System der Sprache sowie in der konkreten Rede, einzuschränken und dabei den Objektbezug als getilgt und das Abbild als vorgegeben zu betrachten. Damit aber wird offensichtlich, daß nach dieser engeren Auffassung vom Untersuchungsbereich der linguistischen Bedeutungsforschung eine semantische Strukturbeschreibung nur in der Richtung mit Erfolg betrieben werden kann, die von den mikrolinguistischen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung eingeschlagen wurde. Die Befolgung dieser mikrolinguistischen Konzeption der Beschreibung der Bedeutung aber hat dazu geführt, daß nicht nur die von Idiolekt zu Idiolekt variierende, individuelle „semantische Ladung", die in besonders starkem Maße von den persönlichen Erfahrungen von Sprecher und Hörer geprägt wird, sondern gleichermaßen auch die überindividuelle usuelle Bedeutung, d. h. generell die Analyse der Widerspiegelung der Realität in den durch bestimmte Formative ausgelösten Bewußtseinsinhalten der Sprecher und Hörer, aus einem nicht unbedeutendem Teil der strukturellen Semantik ausgeschlossen wurde. Dabei gilt es nachdrücklich herauszustellen, daß gegen die Tatsache allein, daß bei der Beschreibung der semantischen Strukturen dem direkten Vorgehen ein indirektes vorgezogen wurde, d. h., daß das einer direkten Beobachtung nicht zugängige Abbild über „Umwege" beschrieben werden sollte, gewiß nichts einzuwenden wäre, vorausgesetzt, daß die angestrebte mikrolinguistische Untersuchung wirklich die erhofften Ergebnisse bei der Strukturbeschreibung zeitigt. Leider aber besteht, wie eine eingehendere Analyse zeigen wird, Veranlassung, gerade an dem praktischen Leistungsvermögen der mikrolinguistischen Untersuchungen ernsthafte Zweifel zu hegen. Es scheint daher ratsam, gestützt auf die im ersten Kapitel vorgenommene Abgrenzung der Untersuchungsbereiche der mikro- und makrolinguistischen Analysen (BI a und BI b ) einer Verabsolutierung der mikrolinguistischen Konzeption als einzig exakter und linguistischer Forschung entgegenzutreten 68
und ausdrücklich auf die durch praktische Analysen bestätigte notwendige Ergänzung durch eine makrolinguistische Bedeutungsforschung zu verweisen. Dabei kann in diesem Zusammenhang wohl nicht übersehen werden, daß vor allem unter dem Einfluß der Daten- und Informationsverarbeitung sowie der Maschinenübersetzung in den letzten Jahren nicht zufällig die von den sprachlichen Zeichen vermittelten Informationen und damit die von dem betreffenden Formativ bei Sprecher und Hörer weitgehend übereinstimmend evozierten Bewußtseinsinhalte immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses auch der sprachwissenschaftlichen Forschung gerückt wurden. Es leuchtet ein, daß unter diesen Umständen eine mikrolinguistische Analyse einer d i r e k t e n Untersuchung des Abbildes mehr und mehr Platz machen mußte, wobei in den makrolinguistischen Betrachtungen der von der mikrolinguistischen Analyse geleistete Beitrag zur Beschreibung der semantischen Zeichenrelation im allgemeinen unberücksichtigt blieb und sich eine „reine Inhaltsbetrachtung" einzubürgern begann. 261 Betrachtet man die Versuche der modernen Bedeutungsforschung und dabei insbesondere der semantischen Konstituentenanalyse näher, so kann diese immer stärkere Einbeziehung des Abbilds in die Beschreibung und Erklärung semantischer Erscheinungen nicht übersehen werden. Bei diesen makrolinguistischen semantischen Strukturanalysen muß es besonders darauf ankommen, Mittel und Wege zu erkunden, wie eine Ermittlung und Beschreibung der Sememe und ihrer Konstituenten zu erfolgen hat, die als makrolinguistisch bezeichnet und zugleich als eine weitgehend exakte Analyse akzeptiert werden könnte. Daß im Rahmen unserer Darlegungen zu den modernen makrolinguistischen Untersuchungen gerade der Entwicklung und Vervollkommnung der zur Ermittlung der Semembestandteile sowie der zur Beschreibung ihrer Strukturbeziehungen heranzuziehenden Prozeduren besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, erklärt sich aus dem Fehlen eingehender methodischer Hinweise in den im dritten Kapitel näher betrachteten semantischen Konstituentenstrukturbeschreibungen sowie aus den vielfältigen Schwierigkeiten einer praktischen Sememanalyse. Bei den mikrolinguistischen Analysen liegt in vielen Fällen der Hauptakzent auf der Darlegung und Perfektionierung der zur Ermittlung und Beschreibung semantischer Strukturen und Erscheinungen herangezogenen Methoden; bei den makrolinguistischen Untersuchungen vor allem auf der Ermittlung und Beschreibung der semantischen Strukturen selbst. In der von uns vorgenommenen Betrachtung zu den vorhegenden Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung konnte natürlich eine vollständige Erfassung und Auswertung aller modernen Arbeiten nicht angestrebt werden, vielmehr mußte es uns darum gehen, das f ü r die beiden grundlegenden Richtungen der modernen Bedeutungsforschung Charakteristische, Unterscheidende ebenso herauszustellen wie die zwischen ihnen bestehenden Berührungspunkte. Eine jede Auswahl, die dazu bestimmt ist, einen Teilaspekt einer weitaus 69
umfassenderen Forschungsdisziplin näher zu beleuchten, birgt die Gefahr in sich, allzu leicht den ausgewählten Bereich in seiner Bedeutung zu überschätzen und das Gesamtbild der betreffenden Disziplin zugunsten einer bestimmten Richtung oder Tendenz zu verzeichnen. Einer solchen Gefahr sollte sich auch die unternommene Untersuchung der Arbeiten zur Struktur der Bedeutung ausgesetzt sehen. Besondere Bedeutung kommt daher dem Hinweis zu, daß die hier aufgeführten Analysen entsprechend der spezifischen Aufgabenstellung der Arbeit aus einer Vielzahl anders gearteter Betrachtungen zur Bedeutung ausgewählt wurden und diese Selektion keinesfalls den Anspruch erheben will, wirklich alle bedeutenden Arbeiten zur Struktur der Bedeutung in Betracht gezogen zu haben. Bei der Vielfalt und Widersprüchlichkeit der über die Aufgabenstellung, Methodik und über den Untersuchungsgegenstand der modernen strukturellen Semantik geäußerten Auffassungen sowie beim notwendigerweise begrenzten Rahmen der vorliegenden Arbeit mußten wir uns vielmehr auch hier auf eine möglichst repräsentative Auswahl beschränken. Bei der Darlegung der zur Ermittlung und Beschreibung der Strukturen der Bedeutung unternommenen Versuche standen die makrolinguistischen Analysen nicht zuletzt infolge ihrer zahlenmäßigen Verbreitung sowie ihrer theoretischen und praktischen Bedeutung für die moderne semantische Strukturforschung im Vordergrund. Wenn die mikrolinguistischen Untersuchungen daneben notgedrungen geringeren Raum einnehmen, so soll damit kein Werturteil gefällt sein; beide Vorgehensweisen müssen einander im Interesse einer wirkungsvollen Beschreibung der semantischen Strukturen ergänzen. Dabei können die Schwierigkeiten, denen sich eine vorwiegend auf Distributionsanalysen basierende mikrolinguistische Forschung gegenübersieht ebensowenig übersehen werden wie die Probleme, die einer makrolinguistischen Analyse aus der Abgrenzung gegenüber den extralinguistischen Untersuchungen sowie aus der potentiellen Unendlichkeit des lexiko-semantischen Systems der Sprache 262 erwachsen. Bevor einige speziellere mikrolinguistische Untersuchungen angeführt werden, erscheint es angebracht, auf die sprachtheoretischen bzw. methodologischen Grundlagen und dabei vor allem auf die bereits angedeutete Ausgangsbasis der mikrolinguistischen Analysen überhaupt einzugehen: auf die postulierte Isomorphierelation zwischen Inhalts- und Ausdrucksebene.
2.2.1
Zur Isomorphierelation als Grundlage der mikrolinguistischen Bedeutungsforschung
Aus der grundlegenden Bedeutung, die der Isomorphierelation in den mikrolinguistischen Untersuchungen zugebilligt wird, erklärt sich auch die Vehemenz des Meinungsstreites, der um die Berechtigung des angenommenen 70
Isomorphismus sowie um eine Präzisierung und notwendig erseheinende Modifikation der diesbezüglichen Auffassungen in der Sprachwissenschaft der letzten J a h r e geführt wurde. 263 Die Frage nach dem Vorhandensein einer Isoinorphierelation erweist sich als Achillesferse der mikrolinguistischen Bedeutungsforschung ; denn ließe sich nachweisen, daß die im einzelnen voneinander abweichenden Erscheinungen, die von den jeweiligen Forschern mit dem Terminus „Isomorphismus" belegt wurden, nicht als isomorph bezeichnet werden können, so wäre damit notwendigerweise ein Todesurteil über die Möglichkeit einer mikrolinguistischen Bedeutungsforschung gefällt. Träfe die postulierte Isomorphierelation dagegen nur auf eine bestimmte Menge von Erscheinungen zu, so wäre damit der Beweis erbracht, daß eine mikrolinguistische Bedeutungsanalyse allein nicht zur Ermittlung und Beschreibung der semantischen Strukturen ausreicht. Unter Isomorphismus in dem von den einzelnen Forschern unterschiedlich streng formulierten Sinne ist die insbesondere von den Glossematikern in Anlehnung an L. Hjelmslev 2 6 4 behauptete gleiche — d. i. isomorphe — Strukturierung von Inhalts- und Ausdrucksebene zu verstehen. „Ce principe implique", wie daher A. Martinet feststellte, „le parallélisme complet des deux plans du contenu et de l'expression, une organisation foncièrement identique des deux faces de la langue celles qu'en termes de substances on désignerait comme les sons et le sens." 2 6 5 Dieses Prinzip des Isomorphismus als identischer Organisation der beiden Ebenen ist u. a. von A. Martinet in : „La linguistique synchronique", S. 21 unter Berufung auf J . Kurylowicz 266 und auf den absoluten Charakter des Postulats einer Kritik unterzogen worden. Bei der Formulierung eines strengen Isomorphismus zwischen zwei in Wirklichkeit eng verknüpften und untrennbaren Ebenen laufe die glossematische Betrachtungsweise Gefahr, der durch die primär kommunikative Funktion bedingten Unterordnung des Ausdrucks unter den Inhalt nicht im gewünschten Ausmaß Rechnung zu tragen. 2 6 7 Deutlich gegen die Annahme eines absoluten Isomorphismus zwischen Inhalts- und Ausdrucksebene hat sich u. a. L. Prieto 2 6 8 ausgesprochen, während demgegenüber z. B. S. K . Saumjan die Annahme einer Isomorphierelation als Grundlage f ü r eine exakte formale Bedeutungsforschung zu verteidigen suchte. 269 Eine besonders interessante und modifizierte Interpretation des Isomorphismus ist von J u . D. Apresjan seinen praktischen Analysen 270 zugrunde gelegt worden. I h r zufolge könnten zwischen dem kontextuellen Vorkommen, der Distribution und dem Inhalt der entsprechenden sprachlichen Zeichen, direkte Korrespondenzen festgestellt werden, so daß aus semantisch zu beschreibenden syntaktischen bzw. kontextuellen Unterschieden direkt auf semantische Unterschiede geschlossen werden könnte. Während die Annahme eines Isomorphismus im Sinne einer völligen Symmetrie von Inhalts- und Ausdrucksebene nicht n u r bei Martinet u n d Prieto 2 7 1 auf eine grundsätzliche Ablehnung stieß, sind die hinsichtlich der modifi71
zierten Isomorpliievorstellung, wie sie u. a. von Apresjan vertreten wurde, geäußerten Zweifel weitaus weniger schwerwiegend und richten sich vorwiegend gegen eine Verabsolutierung der tatsächlich zwischen den Sememen und ihrem kontextuellen Verhalten bestehenden Beziehungen. Wir glauben daher, daß eine auf einem so verstandenen Isomorphismus basierende mikrolinguistische Analyse der Bedeutungen durchaus vertretbar und notwendig ist. Dabei sollten die Möglichkeiten, die sich f ü r eine auf der Annahme einer entsprechenden Isomorphieralation gegründete formal-linguistische Bedeutungsbetrachtung ergeben, selbst dann genutzt werden, wenn, wie z. B. G. Heibig in „Untersuchungen zur Valenz deutscher Verben" überzeugend nachweist und auch Apresjan einräumt, semantische Unterschiede nicht immer unmittelbar in der Distribution nachzuweisen sind, möglicherweise auch entsprechende Transformationen zu keinem überzeugenden Ergebnis zu führen vermögen und zur formalen Bestimmung von Bedeutungsunterschieden, Gemeinsamkeiten und Polysemie aufwendige und umständliche Kontextanalysen erforderlich werden. 272 Die von Apresjan entwickelte spezifische Konzeption kann daher durchaus f ü r die mikrolinguistische Bedeutungsanalyse herangezogen werden u n d ist in mehr oder weniger expliziter und abgewandelter Form tatsächlich Grundlage indirekter Ermittlungs- und Beschreibungsprozeduren, so z. B. auch der Untersuchungen M. Joos' 2 7 3 , geworden. Einer eingehenderen Betrachtung dieses Prinzips sowie allgemein der Rolle des Kontextes gebührt unter diesen Umständen besondere Bedeutung, wobei hinsichtlich der mikrolinguistischen Analysen der von Apresjan 2 7 4 selbst gegebene Hinweis sorgfältig beachtet werden sollte, daß es sich bei der von ihm gewählten Betrachtungsweise noch nicht um eine strukturelle Semantik im engeren Sinne, sondern vielmehr um ihre Vorstufe, eine strukturelle Lexikologie 275 , handelt.
2.2.2
Zur Distribution u n d B e d e u t u n g des K o n t e x t e s f ü r die mikrolinguistische Bedeutungsforschung
Wie aus dem bisher Gesagten hervorgeht, gipfelt die Frage nach der Existenz einer Isomorphierelation in der spezifischen Interpretation Apresjans in der für die mikrolinguistische Bedeutungsanalyse so bedeutsamen Annahme, daß es möglich sein müsse, aus der Distribution lexikalischer Einheiten auf ihren Inhalt zu schließen, d. h. durch distributionelle Analysen semantische Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und dementsprechend auf der Grundlage weitgehend formal bestimmter Distributionen semantische Klassen aufzustellen. Wenn dabei der distributioneil ermittelte, d. h. also letztlich formal syntaktisch bestimmte Unterschied, bei der Verwendung einer oder mehrerer lexikalischer Einheiten in der Regel 276 tatsächlich einen 72
semantischen Unterschied repräsentiert, so muß eine Umkehrung dieser Beziehung der Implikation, d. h. die Behauptung, daß jeder semantische Unterschied auch syntaktisch repräsentiert und entsprechend durch mikrolinguistische Distributionsanalysen beschreibbar sei, mit gutem Grund als unangebrachte Verallgemeinerung betrachtet werden. 277 Unter der Distribution einer lexikalischen Einheit wollen wir dabei unter Verweis auf Z. S. Harris ganz allgemein „the sum of all its environments" 2 7 8 verstanden wissen. Es soll im folgenden nicht versucht werden, f ü r diese weitgehend intuitiv getroffene Feststellung, die u. a. auch bereits durch entsprechende praktische Untersuchungen und Hinweise von G. Heibig 279 erhärtet wurde, nach Bestätigung in einer in diesem Fall erforderlich werdenden umfangreichen empirischen Analyse zu suchen, zumal ja auch entsprechende Untersuchungen J u . D. Apresjans selbst als Beweis angeführt werden könnten. Bei ihren Analysen beruft sich die moderne mikrolinguistische Bedeutungsforschung vor allem auf eine sehr allgemeine, aber deshalb nicht weniger aufschlußreiche Feststellung Z. S. Harris', daß n difference of meaning correlates with difference of distribution" 2 8 0 , was beispielsweise H. Seiler zu der Schlußfolgerung veranlaßte: „The more two elements differ as to their environment, the more they are different in meaning. Elements t h a t never occur in the same environment belong to different word classes." 281 Eine mikrolinguistische Bedeutungsforschung ist demnach vor allem durch eine mehr oder weniger ausdrückliche und konsequente Ermittlung und Beschreibung der Umgebungen der betreffenden lexikalischen Einheiten gekennzeichnet, weist damit aber naturgemäß auch dort besondere Probleme auf, wo sich Schwierigkeiten bei der angestrebten exakten Bestimmung der Distribution zum Zwecke einer Verdeutlichung und Beschreibung semantischer Unterschiede und Gemeinsamkeiten ergeben. Dies aber ist vor allem der Fall bei der Bestimmung des Umfanges und der Zahl der zu der beabsichtigten semantischen Beschreibung heranzuziehenden Kontextvorkommen. Es versteht sich, daß dazu im einzelnen unterschiedliche Verfahren angewandt worden sind und die Leistungsfähigkeit der jeweiligen mikrolinguistischen Analyse nicht unwesentlich durch die Wahl geeigneter Vorkommen beeinflußt wird, wobei zur Auffindung der typischen Vorkommen bzw. zur Ermittlung aller tatsächlich existierenden Distributionen sehr zeitaufwendige Textanalysen erforderlich werden, eine hundertprozentig vollständige Erfassung aller tatsächlich vorkommenden Distributionen undenkbar erscheint und zur Erreichung eines einigermaßen repräsentativen „sample" maschinelle Operationen notwendig werden dürften. Es kann daher als ein zeitsparendes komplementäres Verfahren betrachtet werden, wenn Kontextbeispiele nicht aufgesucht, sondern selbst gebildet werden, wozu mit großem Nutzen beispielsweise auch Umformungen vorliegender Textbeispiele herangezogen werden können. 73
Unter den modernen mikrolinguistischen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung lassen sich neben den noch eingehender zu untersuchenden Arbeiten J u . D. Apresjans und M. Joos' u. a. die in den letzten Jahren z. B. von J . Dubois 282 begonnenen formalen Bedeutungsanalysen, die für andere französische Forscher 283 Anlaß zu eigenen formalen Distributions- und Transformationsanalysen werden sollten, sowie die z. B. von A. B. Dolgopolski 284 skizzierten transformationeil-translatorischen Untersuchungen zur semantischen Makrostruktur als besonders interessant herausstellen. Da in unserer Arbeit die makrolinguistischen Untersuchungen im Vordergrund stehen, wurde auf eine eingehendere Darlegung der zuletzt genannten Bestrebungen der mikrolinguistischen Bedeutungsforschung verzichtet, obgleich diese, insbesondere durch die transformationeilen Analysen bereichert, einen festen, nicht zu übersehenden Platz in der modernen Bedeutungsforschung eingenommen haben. 285 Neben Distributionsanalysen sind in das Arsenal der mikrolinguistischen Methoden u. a. auch Transformationsanalysen, Kollokationstests usw. eingegangen, die trotz der zwischen ihnen bestehenden unverwechselbaren Unterschiede und Besonderheiten eine grundlegende Gemeinsamkeit aufweisen: sie machen unterschiedslos den sprachlichen Kontext zum Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen. Während die Distributionsanalyse und der Kollokationstest in der Regel von unmittelbar vorgefundenen kontextuellen Beziehungen der betreffenden lexikalischen Einheiten ausgehen, wird in der Transformationsanalyse versucht, durch Bildung zulässiger kontextueller Vorkommen die Auswahl von Distributionen zu vereinfachen. Die Bedeutung des Kontextes für die semantische Analyse ist in der Vergangenheit oft hervorgehoben286, ja in einigen Fällen sogar zu der extremen Behauptung ausgebaut worden, daß eine lexikalische Einheit nur im Kontext Bedeutung besitze.287 Wäre dem allerdings wirklich so, und besäße ein Lexem nicht an sich einen gewissen synchronisch relativ invarianten Bedeutungskern, so müßte eine solche Ansicht — richtig bedacht — zu einer Negierung der Bedeutungsforschung führen, da ein Lexem dann in der unendlichen Zahl der möglichen Kontexte ja jeweils eine a n d e r e Bedeutung besitzen würde. Es braucht in diesem Zusammenhang wohl auch nicht ausdrücklich hervorgehoben zu werden, daß diese Auffassung durch die tägliche Kommunikation selbst widerlegt wird, in der jedes Lexem als Träger einer bestimmten kommunikativen Invariante erscheint. Es sollte daher, um zwischen der Verabsolutierung des Kontextes ebenso wie der Einzelbedeutung im Interesse der semantischen Forschung zu vermitteln, von den semantischen Analysen gefordert werden, daß sie sowohl die kontextuellen Beziehungen der Sememe untereinander im Sprechakt, d. h. also ihrer syntagmatischen Makrostrukturen, als auch die innere Struktur eines jeden Semems auf der Ebene der Langue untersuchen. 74
I n der Tat muß der Kontext im weitesten Sinne als ein außerordentlich wertvolles Hilfsmittel f ü r eine semantische Strukturforschung allgemein und f ü r eine mikrolinguistische indirekte Bedeutungsforschung im besonderen betrachtet werden, fungiert er doch u. a. als eine Art Indikator, indem er z. B. Verstöße gegen die semantische Kongruenz, aber auch gegen die stilistischen Normen deutlich macht und als Ausgangspunkt f ü r weiterführende Analysen benutzt werden kann. 2 8 8 I n unserer Arbeit können nicht alle Aspekte des Kontextes beleuchtet werden, und so muß auch die im folgenden vorgenommene formale Kontextanalyse von kommen vor allem als Versuch gewertet werden, die Grenzen einer mikrolinguistischen Analyse und derenHinübergleiten in eine qualitative Kontextanalyse zu veranschaulichen. Besonders problematisch erscheinen wird eine solche rein mikrolinguistische Analyse dann, wenn wie im folgenden der Versuch unternommen werden soll, aus den Distributionen eines so außerordentlich polysemen Verbs wie des deutschen kommen die Existenz unterschiedlicher Sememe nachzuweisen. Dabei sind die nachstehenden Beispielsätze 289 natürlich nur als Illustrationen gedacht und erheben daher keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Mit der Wahl unserer Beispiele stützen wir uns im wesentlichen auf eine von W. Schmidt in „Lexikalische und aktuelle Bedeutung" 290 gegebene Beispielsammlung zu kommen, wählen aber bei der Distributionsbeschreibung eine weitgehend eigenständige Symbolisierung ebenso wie wir auch bei der Darstellung der Distribution beispielsweise von ähnlichen Versuchen J u . D. Apresjans und M. P. Muravickajas 2 9 1 abweichen. Betrachten wir die nachstehenden Beispielsätze, so kommt es sicher zunächst darauf an, eine Darstellung der Distribution zu wählen, die eine Zusammenfassung weitgehend identisch erscheinender Kontexte ermöglicht, dabei etwa die unter (2) angegebene Form annehmen könnte und die, von den konkreten lexikalischen Füllungen nach Möglichkeit absehend, vertiefte Einsichten in das Wesen der im Kontext wirksam werdenden semantischen Erscheinungen erlaubt, f ü r die die Distribution entsprechend der mikrolinguistischen Konzeption als eine formale Widerspiegelung bzw. Repräsentation betrachtet werden könnte. I n der von uns gewählten Symbolisierung wurde in Anlehnung an die Forschungen Apresjans bereits einer bedeutsamen semantischen Erscheinung dahingehend Rechnung getragen, daß der in einigen Sprachen auch grammatisch relevante Unterschied zwischen belebt und unbelebt in der Charakteristik des Subjektes berücksichtigt wurde, wobei Cj f ü r ein belebtes, C2 für ein unbelebtes Subjekt eintreten werden. Dabei kann in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß mit der Wahl von C t und C2 bereits eine erste niedrigere Stufe der Distributionsdarstellung übersprungen wurde, bei der f ü r die beiden „inhaltlich" differenzierten Subjekte unterschiedslos ein Nomen im Nominativ, symbolisiert etwa als N t , zu verzeichnen gewesen wäre, das von einem Verb V sowie von einer Präpo75
sition und einem Nomen im Dativ N 3 bzw. im Akkusativ N 4 oder aber auch von keiner kontextuellen Ergänzung gefolgt ist — symbolisiert durch 0 . Dabei kann es sich als günstig erweisen, wenn die jeweilige Präposition in ihrer üblichen lexikalischen Gestalt erscheint — so auch bei Apresjan —, während an die Stelle der anderen abstrakter gewählten Symbole unterschiedliche lexikalische Einheiten der gleichen syntaktischen Kategorie, also Substantiv, Adjektiv usw. gesetzt werden könnten. Schema 1 Beispielsätze 1. Der Vater kommt. 2. Die Stunde kommt. 3. E r (der Besuch) kam (mir) ungelegen. 4. Der Vater kommt aus Sonneberg. 5. Er kam aus dem Konzept. 6. Der Zug kommt aus Sonneberg. 7. Das Sternchen kommt aus Sonneberg. 8. Der Wunsch kommt aus dem Herzen. 9. Mein Bruder kommt nach Leipzig. 10. Der Sohn kommt nach der Mutter. 11. Das neue Institut kommt nach Berlin. 12. Er kam zu (großem) Reichtum. 13. Sie kommen (auch) zur Feier? 14 Er kam zu mir. 15. Es kam zu einem Streit. (Auseinandersetzungen)292 16. Auf seiner Reise nach Schwerin kommt er über M. 17. Wir kommen selten ins Theater. 18. Er kam in meine Wohnung. 293 19. Der Weg kommt vom Gebirge. 20. Darauf kommst du erst jetzt? 21. E r kam nicht auf den Xamen. 22. E r kam nicht auf die Straße. 23. Das Haus kommt mich auf 50000 Mark.
Distribution
0 c2+v+ 0
Cj + V +
Ci/C 2 +V + (Pron)+Adj. Feste Wendung C t + V +aus + N 3 Cj + V + aus +Det + >T3Wendung . C2 + V + aus + N 3 i identische C2 + V + aus + N3/ Distribution C2 + V + aus + Det + N 3 C t + V + nach N 4 C t + V +nach + N 3 C2+V+nach X4 C t + V + zu + (Mod) +N 3 Ci + V + (Adv.) + z u + D e t + N 3 C j + V + z u + Pron 3 Es + V + zu + (Det) +N 3 Adv. Best. + V + C i +über +2i 4 Cj + V + Adv. + in + Det + N 4 C1-fV+in+Det+N4 C2 + V + von + Det + N 3 Feste Wendung C t + V + N e g . + auf + Det + N 4 C t + V + N e g . + auf + Det + N 4 C2 + V + Pron 4 + auf + Det + N 4
Aus den angeführten Beispielen, zu denen noch eine Reihe formal oder inhaltlich ähnlicher hinzugefügt werden könnte, ergibt sich zunächst die Erkenntnis, daß die angegebenen Bestimmungen in der gewählten allgemei76
nen Symbolisierung den beabsichtigten Nachweis unterschiedlicher Sememe wohl nicht so ohne weiteres zu erbringen vermögen. Betrachten wir in diesem Zusammenhang die trotz der wenig vorteilhaften Schreibung feststellbare distributioneile Identität beispielsweise der Sätze (6), (7) oder auch (21), (22), so fällt auf, daß gerade die nach der noch unvollständigen Beschreibung distributioneil identischen Sätze deutliche semantische Unterschiede markieren. Es scheint demnach notwendig, entweder die Distribution noch eingehender zu bestimmen oder aber überhaupt die Möglichkeit in Zweifel zu ziehen, daß von identischen Distributionen auf weitgehende Übereinstimmungen in der semantischen Struktur oder vielmehr von formalen Unterschieden auf u n t e r s c h i e d l i c h e semantische Klassen geschlossen werden könnte. In beiden Fällen aber wird es notgedrungen zu einer verstärkten Einbeziehung inhaltlicher Faktoren kommen, weil beispielsweise auch die auf die Distribution des Verbs zugeschnittene und dabei wesentlich vereinfachende, übersichtlichere Darstellung (2) ohne diesen qualitativen Schritt kaum zusätzliche Information über die durch die Distribution zum Ausdruck gebrachten und versuchsweise indirekt beschriebenen semantischen Strukturen vermittelt. Aus der vorangegangenen Darstellung der Distribution und auch aus den entsprechenden Forschungen Apresjans ersichtlich, verdient bei einer Distributionsanalyse vor allem die Beziehung von Verb und Präposition herausgestellt zu werden. Wir haben uns daher bei einer modifizierten Darstellung der Distribution der angeführten Sätze um die Herausstellung bestimmter Verb — Präposition — Verbindungen bemüht, dabei aber auch den weiteren Kontext (Det = bestimmter oder unbestimmter Artikel + Substantiv) von Fall zu Fall mit berücksichtigt. Wie die Aufstellung zeigt, wurden in die als syntaktische Strukturschemata zu betrachtenden Distributionsformeln nicht nur die angeführten Beispielsätze, sondern darüber hinaus ergänzend auch andere lexikalische Einheiten aufgenommen, die einerseits den Beweis für eine allgemeinere Gültigkeit der Distributionen erbringen und zum andern die jeweilige Klasse der mit der betreffenden Präposition in einer bestimmten Umgebung stehenden lexikalischen Einheiten auf ihre syntaktischen Besonderheiten — Verbindung mit unbestimmtem Artikel oder ohne Artikel und dann Pluralform des betreffenden^ Substantivs, s. unter I I b) 1 und d) 3 — sowie auf ihre semantischen Charakteristika, z. B. (Abstrakt) oder (Konkret) usw. illustrieren sollten. Selbst wenn in den oben angeführten Distributionen neben den Subjekten in der allgemeinen Form als „belebt" und „unbelebt" auch die Substantive in den präpositionalen Ergänzungen näher semantisch spezifiziert würden, z. B . nach den semantischen^Charakteristika (Abstrakt) oder (Konkret), (Belebt) und (Unbelebt), so wäre auch damit eine semantische Beschreibung der komplexen Strukturen der Verben noch nicht vollständig. Es müßte auch noch eine qualitative Bestimmung der Präpositionen erfolgen, je nachdem ob sie eine 77
Schema 2 Vereinfachte Distributionsangabe des Verbs
I . kommen ohne Ergänzung: C1/C2+V + 0 C2 + V + Adv. I I . kommen mit präpositionaler Ergänzung: a) kommen aus 1. C j / C z + V + a u s (lokal) (übertr.) 2. C i / C a + V + a u s (lokal) 294 b) kommen zu 1. E s -t-V+zu 2. Cj - f V + zu 3. C4
+V+zu
c) kommen nach 1. C j / C a + V + n a c h (lokal) 2. C t + V+nach (nicht lokal) oder auch 3. Ci + V -t-nach so z. B . in: Ein Kind kommt nach dem anderen. Die Tochter kam nach zwei Söhnen. d) kommen in 1. Ci +V+in 2. C t / C a + V + i n Er/die Bank 3. C y C 2 + V + i n
+ Det +N 3 /Konzept . . . / ---
+N 3 /Sonneberg . . . /
+ (Det) + N 3 + (Mod) +N 3 /Reichtum Ansehen . . . / + Det+N3/Feier . . . / ---
+N 4 /Leipzig, Berlin . . . /
+ Det +N 3 /Verwandtschaftsbezeichnungen . . . / + Det+N3
+ D e t +N 4 /Theater, Jahre, Schule, meine Wohnung . . . / -f Det + Mod + N 4 /eine schwierige Lage/ +N 4 /Schwierigkeiten, Verruf . . . /
Lokalbestimmung, eine Temporalbestimmung usw. einleiten. 295 Wir haben entsprechende Hinweise in die obenstehende Darstellung eingearbeitet, so daß die angegebene Distribution schon eine ganze Anzahl semantischer Charakteristika beinhaltet, ohne daß damit allerdings bereits die Bedeutungsunterschiede von kommen in den Sätzen: — Der Zug kommt aus Sonneberg. Das „Sternchen" kommt aus Sonneberg. — erklärt werden könnten.
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Hier versagt selbst eine bereits weitgehend qualitative Distributionsanalyse, weil die feinen Unterschiede, die zur Ersetzung von kommen im zweiten Beispielsatz durch „wird hergestellt in" Anlaß geben, nur durch eine weiterführende semantische Interpretation der vorliegenden syntaktisch-semantischen Distributionsschemata ermittelt und beschrieben werden können. Da sich die angegebenen Sätze, von denen ein semantischer Unterschied behauptet wird — wobei es denkbar wäre, daß auch der erste Satz im Sinne des zweiten interpretiert würde, da es sich ja durchaus um einen Spielzeugzug handeln könnte, der gleichfalls in dem als Stadt des Spielzeughandwerks bekannten Sonneberg 2 9 6 hergestellt wurde — nur im Subjekt formal unterscheiden, obgleich auch die Distribution C2 für beide als allgemeine Charakteristik zutrifft, muß der semantische Unterschied aus der unterschiedlichen semantischen Charakteristik von Zug und Sternchen abgeleitet werden. Dabei können wir natürlich hier nicht in dem vielleicht erforderlichen ausführlichen Maße auf die semantische Analyse der entsprechenden Verben bzw. in unserem Fall der unterschiedlichen Sememe des Verbes kommen eingehen, weil für die in diesem Zusammenhang unvermeidliche Konstituentenbeschreibung wesentliche Voraussetzungen fehlen und auf einige Details einer makrolinguistischen Sememanalyse ohnehin im weiteren einzugehen sein wird. Wenn auch der Anwendungsbereich einer mikrolinguistischen indirekten Analyse der erwähnten Beispiele im einzelnen u. a. durch Transformationen von Fall zu Fall nicht unbeträchtlich erweitert werden könnte, so steht andererseits doch wohl eindeutig fest, daß auch unter diesen Umständen eine zusätzliche semantische Interpretation nicht nur etwa für die Beschreibung der bei der tagtäglichen Kommunikation und damit auch bei der interlingualen Verständigung ablaufenden semantischen Vorgänge, sondern auch für die vollständige Beschreibung der semantischen Zeichenrelation erforderlich würde. Auf die Notwendigkeit einer Kontextanalyse neben und aufbauend auf einer weitgehend asemantischen Distributions- und Transformationsanalyse kann daher nicht genug verwiesen werden. Bereits G. Gougenheim/R. Michea 2 9 7 haben zu Recht auf die Rolle einer semantischen Kontextanalyse aufmerksam gemacht und als wesentlichen Schritt dazu eine semantische Interpretation der mit dem betreffenden Verb kombinierten bzw. kombinierbaren Subjekte und Objekte vorgeschlagen. Eine solche semantische Interpretation der kontextuellen Mitspieler des deutschen Verbs kommen allein vermag einigermaßen Licht in das mannigfach verwobene Netz der Bedeutungen des hochgradig polysemen Verbs zu bringen. Eine semantische Kontextanalyse wird demnach in besonderem Maße geeignet sein 2 9 8 sowohl semantische Bestandteile der miteinander normgerecht verknüpften lexikalischen Einheiten aufzuzeigen als auch wertvolle Einblicke in den Mechanismus der Bildung größerer Sinneinheiten
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und nicht zuletzt in die als semantische Kongruenz bezeichneten semantischen Verknüpfungen und Selektionsrestriktionen zu ermöglichen. Eine semantische Analyse wird dabei naturgemäß zunächst eine eingehendere Beschreibung der Konstituentenstruktur der lexikalischen Einheiten anstreben, die einer semantischen Beschreibung leichter zugängig erscheinen alsz. B. das Verb kommen. Dank der im Kontext realisierten semantischen Kongruenz können aus dem Vorhandensein eines bestimmten Merkmals, wie z. B. (Lokal) bei den Präpositionen „nach", „aus" usw. oder aber (Dynamisch) als aktualisiertes bzw. potentielles Charakteristikum des Subjekts — so z. B. im Falle von: — Der Zug kommt aus Sonneberg. — Der Vater kommt aus Frankreich. — Rückschlüsse auf die semantische Mikrostruktur des Verbs gezogen werden. Während z. B. das unbelebte Subjekt „Zug" das Merkmal (Dynamisch) im entsprechenden Kontext aktualisieren kann, ist das gleichfalls unbelebte Subjekt „Sternchen" unter keinen Umständen durch das Merkmal (Dynamisch) — im Sinne einer eigenständigen Bewegung fähig — bestimmt, so daß das mit ihm kombinierte formal identische Verb kommen in diesem Fall nicht durch das ihm im allgemeinen besonders charakteristische Merkmal (Dynamisch) gekennzeichnet ist, sondern automatisch in Richtung auf ein anderes Semem verwiesen wird, das durch die Lexemgruppe „produziert bzw. hergestellt werden" repräsentiert erscheint. Die zwischen Distribution und semantischen Erscheinungen bestehenden Beziehungen (daß bestimmte Beziehungen bestehen müssen, weil sonst ein Auffinden der jeweiligen konkreten Bedeutung polysemer Einheiten unmöglich werden würde, beweist nicht zuletzt auch die von uns besonders auf die Aufdeckung von Problemen angelegte Zusammenstellung der Distributionen von kommen) sind in der Regel durch einen sehr komplexen Charakter gekennzeichnet. Darüber gibt uns u. a. auch die folgende Überlegung Aufschluß, die auf einer eingehenderen Analyse der Distributionsformel C2 + V + aus + (Det) + N3 basiert und für die neben den bereits genannten Sätzen: Der Zug kommt aus Sonneberg. Das „Sternchen" kommt aus Sonneberg. (— mit identischer Distribution, aber wie die Analyse zeigt, nachweislich unterschiedlicher Bedeutung —) auch folgende Beispiele angeführt werden könnten: (1) Das Auto kommt aus dem Sachsenwerk Zwickau. (2) Ein (Das) Auto kommt aus dem Sachsenwerk Zwickau und biegt um die Ecke. Dabei ist auch in (2) der Gebrauch des bestimmten Artikels möglich, wobei also wiederum eine identische Distribution im entsprechenden Kontext — bzw. vielmehr Teilkontext — des Beispiels (2) vorliegt. 80
In der Kommunikation muß das Zusammenwirken sehr unterschiedlicher Faktoren, darunter vor allem der Einfluß des sogenannten Denotatswissens bzw. des Situationskontextes, bei der Monosemierung von Äußerungen neben der im eigentlichen Sinne semantischen Verknüpfung Beachtung finden. Diese Faktoren werden ihrerseits, wie eine entsprechende Analyse deutlich macht, in besonderem Maße durch die Konstituentenstruktur der miteinander verknüpften Sememe, d. h. beispielsweise durch die selektive Kraft solcher Merkmale wie (Dynamisch), bestimmt, deren potentielles Vorhandensein im Subjekt des betreffenden Satzes genügt, um Zweifel über die exakte semantische Interpretation auch des polysemen Verbs kommen aufkommen zu lassen. Dabei kann allerdings nicht übersehen werden, daß der entstehenden Ambiguität andere Faktoren, wie sie sich z. B . in der Wahl eines bestimmten oder unbestimmten Artikels niederschlagen, entgegenzuwirken scheinen. Betrachten wir den Beispielsatz (1) unter diesem Aspekt, so bleibt eine gewisse Mehrdeutigkeit gerade infolge der zusätzlichen Information aus dem Denotatswissen bestehen, nämlich, daß im Sachsenwerk Zwickau Autos hergestellt werden299, wobei das Auto ebenso wie das „Sternchen" einerseits als etwas Statisches aufgefaßt werden kann, andererseits aber auch entsprechend seiner potentiellen semantischen Charakteristik (Dynamisch) als Ausübendes einer Bewegung. Eine unterschiedliche Situation ergibt sich indessen bereits dann, wenn in der allgemeinen Distributionsformel an die Stelle eines bestimmten Artikels ein unbestimmter tritt. In diesem Falle kommt es darauf an, aus den feststellbaren Veränderungen in der semantischen Information schlußfolgernd auch die eingangs gegebene Distributionsformel zu spezifizieren, d. h. nicht nur das bisher allgemein als C t bzw. C2 bezeichnete Subjekt entsprechend den sich bietenden Möglichkeiten aufzugliedern in: (DetJ + Ni und Det weiter in unbestimmten bzw. bestimmten Artikel. Nehmen wir den Satz „Ein Auto kommt aus dem Sachsenwerk" und lassen die auch die semantische Interpretation von kommen vereinfachende erweiterte kontextuelle Bestimmung — „und biegt um die Ecke" — außer Betracht 300 , so scheint auch in diesem Satz die Bedeutung „wird hergestellt" eliminiert, weil das Denotatswissen die Produktion von nur e i n e m Auto als mehr als unwahrscheinlich zurückweist.301
2.2.3 Zum Kollokationstest von M. Joos Wie erwähnt, nimmt der Kollokationstest M. Joos' innerhalb der modernen mikrolinguistischen Bedeutungsforschung einen bedeutenden, leider noch nicht gebührend gewürdigten Platz ein als Versuch einer formalen Bestimmung von Bedeutungsunterschieden auf Grund typischer Vorkommen der 6 Wotjak, Bedeutung
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betreffenden lexikalischen Einheit. M. Joos geht mit seinen Untersuchungen über die Feststellung syntaktischer Spezifika hinaus und sucht durch linguistische, d. h. für ihn formal-exakte Analysen, semantische Spezifika des in Kollokation mit einer bestimmten anderen lexikalischen Einheit stehenden Lexems aufzuzeigen. Der Begriff der Kollokation, die nach Joos „a word-combination which throws light in the meanings of the words involved" 302 darstellt, ist dabei zwar aus der Lexikologie entlehnt 303 ; doch ist es M. Joos' unbestreitbares Verdienst, den Kollokationstest zu einem primär linguistischen Instrument ausgebaut zu haben, das es ermöglicht, Einsichten über Bedeutungsvarianten ohne Bezug zu extralinguistischen Faktoren, allein aus dem System der Sprache, abzuleiten. Ansätze zu einer solchen formalen Beschreibung der Inhaltsebene weist, wie A. Neubert in seiner bereits erwähnten aufschlußreichen Darlegung zu einigen modernen Aspekten der strukturellen Semantik hervorhob, die in ein mentalistisches Gewand gehüllte Konzeption der „wesenhaften Bedeutungsbeziehungen" auf, die in den dreißiger Jahren von W. Porzig 304 entwickelt wurde. Nicht jedes Syntagma ist nach Joos eine Kollokation; „neben allgemeineren syntaktischen Beziehungen müssen speziellere semantische sichtbar werden, die die Kollokation als einen Sonderfall des Syntagmas ausweisen. „Verschiedene Kollokationen", stellt A. Neubert, a.a. O., S. 109, präzisierend fest, „mit jeweils immer e i n e r identischen Komponente grenzen sich dahingehend voneinander ab, daß die nichtidentischen Komponenten n i c h t (bzw. nur teilweise oder von Fall zu Fall) ausgetauscht werden können, ohne die semantischen Regeln einer Sprach zu verletzen." In einer Kollokation werden demnach immer bestimmte Entscheidungen zugunsten einzelner Bedeutungsvarianten getroffen. „A collocation is only what serves to establish the semological structure of an item . . ., and it does that by being at home with part but not all the meanings of (that item)." 3 0 5 Durch den Kollokationstest werden dem semantischen System der betreffenden Sprache nichtadäquate Lexemkombinationen aufgedeckt und als „inkongruent" aus der weiteren Betrachtung ausgeschieden. Bei der Feststellung semantischer Vereinbarkeiten bzw. Unverträglichkeiten, d. h. also der für die Bedeutungsanalyse so wesentlichen semantischen Kongruenz, stützt sich M. Joos auf über 500 in einem relativ umfangreichen Textmaterial 306 gesammelte Kollokationen der englischen lexikalischen Einheit code mit verschiedenen determinierenden Attributen, aus denen er 14 spezifische Bedeutungsvarianten — sogenannte Alloseme — herauslöste. „Während einige der Bedeutungen von ,code', die von verschiedenen Kollokationen aktualisiert wurden, identisch sind, ist dies bei anderen nicht der Fall." 3 0 7 Joos sucht nach kongruenten Kombinationen, wie sie z. B. dann vorliegen, wenn „code" im Sinne von „public rule" (z. B. in „safety code") oder „good form" (in den Kollokationen „strict code" bzw. „rigid code") gebraucht wird. Nicht82
kongruent, d. h. den englischen semantischen Verknüpfungsregeln und damit auch gewissen Besonderheiten der Sememe, letztlich der semantischen Mikrostrukturen der Sememe des polysemen Lexems „code" widersprechend, würde dagegen „code" in dem von der Kollokation „rigid code" ausgedrückten Sinne dort gebraucht Verden, wo es versuchsweise an die Stelle von „code" in der Kollokation „strict code" gesetzt würde, in der „code" die Bedeutung von „law" aufweist. Demgegenüber könne ein „Penal Code" kein „rigid code", sondern allenfalls ein „strict code" sein, weil „code" in diesem Falle die in der Kollokation „rigid code" nicht realisierte Bedeutung „law" besitzt. Andere Determinanten der Alloseme von „code" stellen z. B. „ethical code", „military code", „religious code" u. a. m. dar und veranschaulichen in entsprechenden Beispielen die Joossche Definition der Kollokation als „cooccurrence of morphemswhich eliminate meanings (others than surviving)"308. Durch diese mikrolinguistische Methode kann bei Einbeziehung ausreichenden Beispielmaterials mit großer Genauigkeit die semantische „Valenz" einer lexikalischen Einheit — hier von „code" — als die jeweilige „Bereitschaft" dieses sprachlichen Zeichens bestimmt werden, in Wortverbände vom Typ der Kollokationen einzugehen. Unter bestimmten kontextuellen Bedingungen kann eine relativ große Zahl von Kollokationen des Typs — Adjektiv + „code" kongruent sein; doch dieser großen Menge steht eine relativ konstante Zahl von Allosemen gegenüber. Neue determinierende Adjektive lassen sich immer wieder bereits vorkommenden Allosemen unterordnen, so daß dank dieser relativ geringen Zahl von durch jeweils ein Allosem von „code" bestimmten semantischen Klassen günstige Voraussetzungen für eine systematische Strukturbetrachtung geschaffen sind. Wie A. Neubert, a. a. 0., S. 113 sehr richtig betonte, weist die aufgezeigte Bedeutungsstruktur von „code" gewisse Ähnlichkeiten mit den distinktiven Merkmalen der Phoneme auf. Durch den Kollokationstest werden neue Möglichkeiten eines linguistischen Zugangs zur semantischen Mikro- und Makrostruktur sowie zu den Regeln der semantischen Kompatibilität aufgezeigt. Dabei soll aber nicht vergessen werden, daß die Bestimmung von Kollokationen und Allosemen aller Wahrscheinlichkeit nach bei anderen Wortarten — speziell den Verben — wohl etwas aufwendiger und komplizierter sein dürfte als bei der ausgewählten Kombination von Adjektiv und determiniertem Substantiv. Der Kollokationstest reicht als formale Ermittlungs- und Beschreibungsmethode demnach aller Wahrscheinlichkeit nach nicht für eine semantische Analyse der natürlichen Sprache aus. „Die Ausnutzung der durch den Kontext gegebenen semantischen Determination für die Ermittlung des Bedeutungssystems der Sprache — muß ergänzt werden, z. B. durch eine ,typologische' Klassifikation der Morpheme." 309 M. Joos' Kollokationstest stellt unbestritten eine besonders geeignete Form einer weitgehend formalen mikrolinguistischen Bedeutungsforschung dar 6*
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und läßt sich als ein spezielles Verfahren in die Reihe der distributionellen Prozeduren einordnen, die auf der Grundlage des Kontextvorkommens der Lexeme semantische Strukturen zu ermitteln und zu beschreiben suchen. Die von Joos vorgeschlagene Klassifizierung der Bedeutung eines Lexems auf der Basis seiner Kollokationen ist nach E. A. Nidas Ansicht einer Art Kalkül, „by which one may analyse not only the range of distribution, but also the significant classes grouped at various points." 310 Die Aufmerksamkeit werde dabei zuerst auf die Typen der mit der betreffenden Einheit zusammen vorkommenden Lexeme gelenkt. Eine solche Technik, die sich durch einen ziemlich hohen Grad an Objektivität auszeichnet, erweist sich als besonders bedeutsam für die Ermittlung von Bedeutungsunterschieden und semantischen Strukturen, doch wird sie nicht unwesentlich durch die notwendig werdende Sammlung einer großen Anzahl von Belegen und die ständige Überprüfung des Gesamtkorpus beeinträchtigt. Nida hat daher nicht zu Unrecht auf die Bedeutung einer Substitutionsanalyse in dem von ihm selbst angeregten Sinne verwiesen, die nicht nur zu im wesentlichen gleichen Ergebnissen wie der Kollokationstest führt, dabei aber ihm gegenüber noch einige Vorzüge aufweist, die im folgenden kurz angedeutet werden sollen: 1. the approach may be applied to a small number of instances; 2. relatively reliable date can be readily elicited from native speakers of a language; 3. the variety and range of substitutions lead readily into further explorations of related semantic areas; 4. the extent of the semantic space between types of substitutions often provides important clues to lexical differences which are crucial for the translator. 311 Nicht ausdrücklich erwähnt aber hat Nida in diesem Zusammenhang, daß durch den Substitutionstest noch ein Schritt weiter von der rein konstatierenden bzw. quantitativen Analyse zu einer bereits qualitativ orientierten Untersuchung vollzogen wird, in der die Intuition der muttersprachlichen Sprecher größeres Gewicht erhält. 2.2.4 Zu den Distributionsanalysen J u . D. Apresjans als Beispiel für eine mikrolinguistische Bedeutungsforschung J u . D. Apresjan hat sich in seinen Arbeiten um eine exakte mikrolinguistische Analyse bemüht; mit seinen Distributionsanalysen englischer und russischer Verben 312 , die u. a. von M. P. Muravitzkaja durch eine ausführliche Untersuchung der Distributionen des russischen Verbums „nesti" aufgegriffen und ergänzt wurden, fußt Apresjan auf der im Schöße der traditionellen Bedeutungsforschung entwickelten, aber nicht — bzw. nicht ausreichend — definierten Konzeption der Bedeutungsfelder, die er als Gruppe von Wörtern einer grammatischen Klasse mit gleicher Distribution bestimmt. 313 84
Bei der Behandlung der von Apresjan entwickelten Vorstellung von einer mikrolinguistischen Bedeutungsanalyse konnte nur ein Hauptproblem aus einer Fülle anderer, von ihm mehr oder weniger nur gestreifter oder kurz skizzierter Fragen 314 der modernen strukturellen Semantik herausgegriffen werden, und zwar vor allem die Beziehungen von syntaktischer Valenz und semantischen Erscheinungen, wobei es sich in diesem Fall sicher um eines der verwickeltsten Probleme überhaupt handelt. Bei allen Untersuchungen fußt Apresjan auf der Annahme, daß zwischen syntaktischen Kennzeichen, wie der Valenz und Rektion von Verben sowie der Distribution im engeren und weiteren Sinne und bestimmten semantischen Kennzeichen, eine regelmäßige Entsprechung bestehe. 315 In seinen späteren Veröffentlichungen und dabei insbesondere in dem 1965 erschienenen Artikel „Opyt opisanija znaöenii glagolov po jich sintaksiceskim priznakam (tipam upravlenija)" sucht Apresjan die von ihm vorgeschlagenen mikrolinguistischen Analyseverfahren durch die Untergliederung der Valenzen in obligatorische und fakultative sowie durch die Einbeziehung von Transformationen zu ergänzen und zu verbessern. J u . D. Apresjan ist in seinen Arbeiten bemüht, durch rein asemantisches Vorgehen die Mitspieler des betreffenden Verbs zu ermitteln, wobei er, wie G. Heibig 316 hervorhob, gewissermaßen a priori eine Grenze zwischen starker und schwacher Rektion postuliert. Je fakultativer eine Umgebung sei, mit desto geringerer Wahrscheinlichkeit kommt sie vor, und desto geringer sei die Rektionskraft des Verbs. Eine absolute Grenze zwischen starker und schwacher Rektion kann Apresjan dabei a posteriori gar nicht finden, da z. B. Glieder wie „am 22. Februar", oder auch adverbiale Akkusative, in jedem Satz vorkommen können und deshalb auch immer mitgezählt werden müssen. Bei diesem rein quantitativen Vorgehen sucht Apresjan eine relative Grenze für die Zugehörigkeit von kontextuellen Umgebungen des betreffenden Verbs in mehreren Sätzen mit Hilfe komplizierter mathematischer Operationen doch noch zu bestimmen, weil eine Distributionsanalyse sich sonst leicht ins Uferlose verlieren könnte. Seine Ergebnisse entsprechen am Ende dem intuitiven Urteil des Sprachbenutzers, dabei ist nicht zu übersehen 317 , daß sie, zumindest was den hier untersuchten speziellen Fall der Unterscheidung zwischen starker und schwacher Rektion anbelangt, auch bei entsprechender qualitativer Untersuchung ohne die mathematischen Operationen hätten gefunden werden können. Wie Apresjan, a. a. 0., weiter ausführt, müßten zur Bestimmung der Semantik — und zwar nicht nur der qualitativ interpretierbaren Umgebungen des Verbs, sondern auch der lexikalischen Bedeutung selbst — zunächst die Verben entsprechend ihrer syntaktischen Umgebungen in einer Matrize zusammengestellt werden. Sollte sich dabei bei mehreren Verben das gleiche Bild ergeben, so könnten die Verben dieser Gruppe dann zu einer semantischen Gruppe vereinigt werden, die sich auf Grund der in ersten Ansätzen 85
qualitativ bestimmten Umgebungen des Subjekts und Objekts 3 1 8 wiederum in Untergruppen aufgliedern läßt. Apresjan hat in dem erwähnten Artikel 476 Verben untersucht, 33 Kennzeichen dazu benutzt, dabei aber feststellen müssen, daß allein 323 Verben eine Klasse f ü r sich bildeten. Es leuchtet ein, daß damit der Wert einer solchen Gruppierung 3 1 9 wieder in Frage gestellt scheint. Hinzu kommen noch die bereits dargelegten theoretischen Bedenken hinsichtlich der Annahme einer direkten Widerspiegelung semantischer Erscheinungen und Eigenschaften in der in Betracht gezogenen syntaktischen Umgebung. Dennoch besitzen die Untersuchungen J u . D. Apresjans nicht nur f ü r die mikrolinguistische Bedeutungsforschung, sondern darüber hinaus auch für die strukturelle Semantik insofern eine große Bedeutung, als die vorgeschlagenen Methoden ein weitgehend von subjektiver Deutung freies und mathematisi er bares Vorgehen erlauben, das gerade f ü r eine immer wieder der Gefahr einer subjektiven Überbewertung von Bedeutungsunterschieden ausgesetzte Sememanalyse eine gesicherte Basis zu schaffen verspricht. Obgleich eine unmittelbare Beziehung zwischen Distribution und Bedeutung in der Tat in nicht wenigen Fällen nachgewiesen werden kann 3 2 0 , wollen wir uns doch, ganz im Sinne von G. Heibig, vor der Annahme einer generellen, direkten Korrespondenz von syntaktischer Struktur und Inhalt hüten. Als Begründung für diese Skepsis ließe sich z. B. das deutsche Verb halten im Sinne von (1) halt machen (Der Wagen hält) und (2) ganz bleiben (Der Strick hält) anführen, bei dem sich in der syntaktischen Valenz keine Unterschiede nachweisen lassen, wohl aber im Inhalt, während demgegenüber z. B. bei inhaltlich eng verwandten Verben wie z. B. {sagen — sprechen — bzw. reden; hindern — verhindern etc.) durchaus nicht übereinstimmende syntaktische Umgebungen und Valenzen vorliegen. 321 Damit aber sind nicht tinwesentliche Einwände gegenüber der von einigen Linguisten ohnehin nur mit deutlichen Vorbehalten akzeptierten Isomorphierelation angeführt, die, wenn sie auch nicht grundsätzlich das Vorgehen der mikrolinguistischen Distributionsanalyse in Frage stellen wollen und können, so doch zu besonderer Vorsicht bei der formalen Bedeutungsforschung mahnen und eine qualitative makrolinguistische Betrachtungsweise angebracht erscheinen lassen. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer qualitativen und nicht nur rein quantitativen Distributionsanalyse wird u. a. auch durch die besonderen Schwierigkeiten unterstrichen, die sich bei der Auswahl der f ü r die Beschreibung der tatsächlichen kontextuellen Bestimmtheit — Distribution — der lexikalischen Einheiten erforderlichen Umgebungen auf rein quantitativer Grundlage ergeben. Es sei in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeiten verwiesen, die eine qualitativ-syntaktische und eine darauf aufbauende lexikalisch-semantische Analyse beispielweise f ü r die Beschreibung der formal-syntaktisch — d. h. in der Zahl der Valenzen — nicht ausgedrückten 86
Bedeutungsunterschiede des bereits aufgeführten — einwertigen — Verbs halten bietet. Da in diesem Fall eine syntaktische Charakteristik der Valenz, aber auch eine qualitative Interpretation mit den u. a. bereits von N. Chomsky 3 2 2 , Katz/Fodor und auch von G. Heibig verwandten „syntaktischen" 3 2 3 Merkmalen, so z. B . (Animate), (Human), (Abstract), den nachweislichen Bedeutungsunterschied noch nicht zu erklären vermag, wird eine weiterführende semantische Merkmalanalyse erforderlich. Bereits die Einführung des zusätzlichen Merkmals (Dynamisch) vermag den semantischen Unterschied beider Sememe zu verdeutlichen, wobei halten im Sinne von halt machen, anhalten im Gegensatz zu halten im Sinne von ganz bleiben mit einer adverbialen Bestimmung des Ortes verknüpft und daher eventuell auch durch ein Merkmal (Lokal) charakterisiert werden kann. Beispiele: Das Auto hält auf der Straße — vor dem Tore (an), aber; *Das Seil hält im Zimmer. Halten im zweiten Sinne ist demgegenüber allenfalls mit einer Modalbestimmung oder einer Temporalbestimmung zu gebrauchen. Wie die kurze Darlegung zeigt, erweist sich eine qualitative Bestimmung als besonders nützlich, wenn auch zugestanden werden muß, daß es im oben erwähnten Falle auch einer kontextuellen Analyse auf der Ebene der Lexemdistributionen möglich sein müßte, allein durch eine Zusammenstellung (listing) der mit dem Verb verknüpfbaren lexikalischen Einheiten den Bedeutungsunterschied nachzuweisen. So z. B . etwa dadurch, daß beim Gebrauch von halten im ersten Sinne sowohl Temporal- als auch Lokalbestimmungen wie lange, auf der Straße auftreten, bei halten im zweiten Sinne aber nur Modal- und Temporalbestimmungen, wie z. B . gut, lange usw. es sei denn, wir würden auch solche Sonderfälle mit in die Untersuchung einbeziehen, wie z. B . : Im Zimmer hält das Seil noch, das im Garten ist leider bereits zerrissen. Für eine Ermittlung aller möglichen kontextuellen Umgebungen und Lexemkombinationen von halten würde eine umfangreiche Materialzusammenstellung erforderlich werden, da u. a. alle möglichen Adverbialbestimmungen aufgeführt werden müßten. Hinzu kommt, daß dadurch nicht nur die Übersichtlichkeit beinträchtigt würde, sondern u. U. auch wesentliche kontextuelle Vorkommen übersehen werden könnten. Eine sich von den jeweils konkret vorkommenden Bestimmungen lösende Betrachtung, die die lexikalischen Einheiten zu gewissen Distributionsklassen zusammenstellt, also z. B . wie auch in der traditionellen Grammatik zwischen Modal-, Temporal- und Lokalbestimmungen unterscheidet, würde demgegenüber bereits einen aussichtsreicheren Versuch einer Distributionsanalyse auf höherer Ebene darstellen. 324 Eine solche qualitative Analyse erweist sich als vorteilhafter. Erst dort, wo auch die syntaktische Kategorisierung nicht mehr ausreicht, erscheint es notwendig, im Interesse einer verfeinerten distributioneilen Bestimmung syntaktisch-semantische 87
Merkmale325 zu ermitteln, die bis zu einer gewissen, gegenwärtig noch weitgehend unbestimmten Grenze als syntaktische, darüber hinausgehend aber als semantische Merkmale bezeichnet werden. 2.3 Zur makrolinguistischen Bedeutungsforschung In der modernen Bedeutungsforschung wird eine Zuwendung zum Makrolinguistischen immer offensichtlicher. Im Gefolge der begonnenen „syntaktischen" Merkmalsbestimmung und Distributionsanalysen gewinnen auch die darüber hinausgehenden semantischen Untersuchungen, wie sie u. a. auf der Grundlage des Gebrauches der lexikalischen Einheiten beispielsweise in den Gebrauchsbedingungen von E. Leisi ihren Niederschlag fanden, immer mehr an Bedeutung. Die makrolinguistische Analyse in unserem Sinne geht über die von der mikrolinguistischen Untersuchung vorgenommene Ermittlung und Beschreibung der semantischen Strukturen hinaus. Als linguistische Beschreibung wird auch sie sich vor allem auf die Analyse des sprachlichen Kontextes stützen. Dabei aber wird im Gegensatz zur mikrolinguistischen Betrachtung und aus dem besonderen Anliegen einer Sememanalyse verständlich, in der mentalistisch orientierten makrolinguistischen Richtung der modernen Semantik der Beschreibung und Formalisierung der sprachlichen Intuition des Idealsprechers eine immer größere Bedeutung eingeräumt als besonders überzeugender Möglichkeit, zu den einer Beschreibung nicht direkt zugängigen semantischen Mikro- und Makrostrukturen vorzudringen. Dieses Bemühen um eine Beschreibung der „interpretative ability", der semantischen Intuition 326 des „fluent Speaker", die es ihm erlaubt, semantische Anomalien, Ambiguitäten und Paraphrasen etc. aufzuspüren, sowie den syntaktischen Strukturen eine semantische Interpretation zu geben 327 , hat besonders unter dem Einfluß der von den Generativen Grammatik erhobenen Forderung nach Modellierung der Fähigkeit des „native Speaker" einer unendlichen Zahl noch nie gehörter bzw. gelesener Sätze neben der syntaktischen Struktur auch eine semantische Interpretation zuzuweisen, Auftrieb und wissenschaftliche Geltung bekommen. Da es zum gegenwärtigen Zeitpunkt als ziemlich sicher gelten kann, daß es einer mikrolinguistischen Betrachtung nicht möglich sein dürfte, beispielsweise durch einen Vergleich der Distributionen die für das Übersetzen erforderlichen interlingualen Äquivalenzbeziehungen herzustellen, und da auch in der einsprachigen Kommunikation immer ein Bezug auf die mit den betreffenden lexikalischen Einheiten verknüpften Sememe nachweisbar ist, muß die mikrolinguistische Betrachtung durch entsprechende makrolinguistische Analysen ergänzt werden. Mit der damit eingeleiteten Orientierung auf die bereits von der Wortin88
haltslehre 3 2 8 untersuchte Inhaltsebene der Sprache selbst und nicht mehr primär auf die zwischen ihr und der Ausdrucksebene bestehenden Zuordnungs- bzw. Solidaritätsbeziehungen 329 wurde einer bereits in der traditionellen Bedeutungsforschung angelegten extralinguistisch-semetischen bzw. auch psychologischen Bedeutungsforschung, die gewissermaßen automatisch in eine semantische Konstituentenbetrachtung einmündet, breiter R a u m gegeben. Auch heute sind die gegenüber dieser mantalistischen Richtung besonders in der amerikanischen linguistischen Forschung erhobenen Bedenken nicht völlig abgebaut, da es der makrolinguistischen Analyse noch nicht gelungen ist, eine vollständige und allgemein anerkannte semantische Strukturbeschreibung zu liefern. Noch immer wird daher auch im Hinblick auf die mikro- und makrolingaistischen Bedeutungsanalysen nur allzu oft von einem Entweder — Oder gesprochen, wo eher von einem Sowohl-Als-Auch die Rede sein sollte, wobei sich diese gegensätzlichen Ansichten im übrigen bereits u. a. in den Diskussionsbeiträgen auf dem V I I I . Linguistenkongreß, also in der „Geburtsstunde" einer umfassenderen modernen Semantik, abzeichneten. Während z. B. R . Wells unter Hinweis darauf, daß eine jede einmal begonnene qualitative Analyse notwendig über den linguistischen Rahmen hinausführt und letztlich bei dem von Leibniz vermuteten universellen Alphabet der Gedanken, also in eindeutig extralinguistischen Bereichen endet, eine inhaltliche Analyse aus dem Kompetenzbereich der Linguistik ausschließen zu müssen glaubt, unterstreicht H . Glinz dagegen nachdrücklich die Notwendigkeit einer inhaltlichen Interpretation, wenn er in der Diskussion — Proceedings, S. 686 — ausführt : „je mehr wir von den Inhaltswerten der Wortarten, Wortformen, Satzglieder und Stellungstypen 3 3 0 zu den reinen Wortinhalten vordringen, desto weniger eindeutig werden die Resultate unserer Ersatzund Verschiebeproben und desto mehr müssen wir die durch die Proben gelieferten ,Roh'-Ergebnisse ergänzen und erst richtig verwendbar machen durch Interpretation, durch Deutung." Eine Interpretation, so schlußfolgert er a. a. 0 . weiter, müsse aber erst dann einsetzen, wenn alle formalen Ersatzproben erschöpft sind und erweist sich in diesem Falle als ein legitimes wissenschaftliches Mittel, „da nur so alle Züge der sprachlichen Struktur, auch ihre Unregelmäßigkeiten, Singularitäten und Randgebiete richtig erf a ß t " 3 3 1 werden könnten. Da geeignete extralinguistische Verfahren zur Beschreibung der Sememe unseres Wissens noch ausstehen, ist die makrolinguistische Analyse gezwungen, in Neuland vorzudringen und dabei über die mikrolinguistische Untersuchung hinausgehende qualitative Analysen vorzunehmen. 3 3 2 I n dieser Situation ist és sehr wohl verständlich, daß es den Befürwortern einer solchen extra- bzw. makrolinguistischen Bedeutungsforschung, wie z. B. J . J . Katz 3 3 3 und auch U. Weinreich 334 , darauf ankommen mußte, die einer solchen Analyse entgegenstehenden Argumente nach Möglichkeit zu ent89
kräften sowie die wissenschaftliche Berechtigung dieser makrolinguistischen Analyse einschließlich der für sie charakteristischen verstärkten Einbeziehung der Intuition nachzuweisen. Die Aktualität dieser Aufgabenstellung wird in der modernen Bedeutungsforschung nicht zuletzt durch die starke Zunahme der makrolinguistischen Untersuchungen unterstrichen, die insbesondere in Gestalt der semantischen Konstituentenanalyse wertvolle Möglichkeiten einer Beschreibung der Struktur der Inhaltsebene erschlossen. So sind auch die beispielsweise von Katz/Fodor, Weinreich, aber auch von A. J. Greimas unternommenen Versuche einer inhaltlichen Analyse der sprachlichen Äußerungen, d. h. einer Untersuchung der Beziehungen zwischen den Sememen und den Semen eines Semems sowie der semantischen Vorgänge bei der Disambiguierung im Kontext und bei Paraphrasierungen, mehr oder weniger unmittelbarer Ausdruck der empfundenen Unzulänglichkeit einer Untersuchung der Distribution der die betreffenden Sememe repräsentierenden lexikalischen Einheiten. Damit soll indessen keineswegs bestritten werden, daß die formale Analyse, wie u. E. die Darlegungen G. Helbigs 335 anschaulich nachweisen, als untere Stufe für eine semantische Analyse große Bedeutung besitzt, wird doch z. B . durch die von ihr festgestellte Zahl der syntaktischen Valenzen auch eine semantische Abgrenzung erreicht. Syntaktische, mikrolinguistische und makrolinguistische semantische Analyse müssen sich ergänzen und greifen in der Tat ineinander, weil sich bestimmte semantische Gegebenheiten im sprachlichen Kontext widerspiegeln und syntaktische Faktoren, wie z. B. die erwähnten Valenzen des Verbs, als eine Art Indikatoren bzw.„Weichensteller" zu den unterschiedlichen Sememen fungieren können, die einer lexikalischen Einheit zugeordnet sind. So unterscheiden sich z. B. das zweiwertige legen2 in: — Die Henne legt Eier. Sie legt die Wäsche, — sowie legen3: — Er legt das Buch auf den Tisch. — nicht nur formal durch die Zahl der Valenzen, sondern insbesondere auch durch ihren Inhalt. Durch die mikrolinguistische Analyse wird uns Aufschluß gegeben vor allem über die Anzahl der einem Formativ zugeordneten Sememe sowie auch über die inhaltliche Zusammengehörigkeit unterschiedlicher lexikalischer Einheiten, die sich auf der Inhaltsebene in einem Überschneiden der betreffenden Sememe äußert. Damit schafft die mikrolinguistische Bedeutungsforschung Möglichkeiten, subjektiven Einschätzungen vorzubeugen und die intuitive Annahme semantischer Unterschiede und Gemeinsamkeiten durch eine exakte Analyse der in der Kommunikation relevanten Sememe zu stützen. Dabei kommt es darauf an, die Leistungsfähigkeit der mikrolinguistischen Analyse nicht zu über-, aber auch nicht zu unterschätzen, um durch eine voreilige Beschränkung auf die mikrolinguistische Betrachtungsweise die linguistische Bedeutungsforschung nicht anderer wertvoller Ermittlungs- und Beschreibungsprozeduren zu berauben. Gewiß sind gegenwärtig noch nicht alle Möglichkeiten, die die mikrolinguistische Betrachtung in sich schließt, ausgeschöpft, wobei beispielsweise 90
durch eine verstärkte Einbeziehung syntaktisch-semantischer Merkmale die Wirksamkeit und der Aktionsradius einer auf diese Weise verfeinerten mikrolinguistischen Analyse noch wesentlich erhöht werden können. Zu einer weiterführenden semantischen und in diesem Sinne unweigerlich makrolinguistischen Analyse zwingen u. a. aber auch die spezifischen Anforderungen, die durch die Übersetzung, Information und Dokumentation a n die moderne Bedeutungsforschung gestellt werden. Dabei wird offensichtlich, daß die mikrolinguistische Betrachtungsweise zur Beschreibung der Vorgänge bei der Disambiguierung und Paraphrasierung sowie zur Erklärung der durch die formale Analyse bzw. vielmehr durch Bezugnahme auf unser „Sprachgefühl" — unsere intuitive, durch den ständigen Gebrauch in der Kommunikation gefestigte semantische und syntaktische Normvorstellung — festgestellten Anomalien und Ambiguitäten, nicht ausreicht. Die bei der Übersetzung notwendig werdende Herstellung interlingualer Korrespondenzen von Sememen ist demzufolge ein besonders gewichtiges Argument für eine makrolinguistische Analyse der Struktur der Bedeutung. Es kann wohl in diesem Zusammenhang als weitgehend erwiesen gelten, daß die von der mikrolinguistischen Forschung untersuchten bzw. zu untersuchenden Zuordnungen von Formativen und Sememen als historisch gewachsene und einer Entwicklung unterworfene Konventionen in der Regel von Sprache zu Sprache abweichen. Es können dabei recht erhebliche Segmentierungsunterschiede — besser vielleicht Kodierungsunterschiede — des außersprachlichen Erfahrungsschatzes auftreten, die, sollte ein Systemvergleich und nicht wie in der Übersetzung eine Übertragung der zu bestimmten größeren Sinneinheiten verknüpften und dabei spezifisch veränderten Sememe im Sprechakt durchgeführt werden, in einigen Fällen geradezu unmöglich erscheinen müßten. Auf die Gliederungsunterschiede im Wortschatz, d. h. auf die Unterschiede in der semantischen Makro- und Mikrostruktur, haben insbesondere L. Hjelmslev 3 3 6 und auch die Anhänger der sprachlichen Weltanschauungslehre 337 sowie der Theorie der sprachlichen „Zwischenweit" 338 nachdrücklich verwiesen. Wenn wir auch die insbesondere von letzteren gezogenen philosophisch-erkenntnistheoretischen Schlußfolgerungen ablehnen, so können wir doch an der Feststellung von Unterschieden in der Kodierung der außersprachlichen Erfahrungen, Abbilder und Erkenntnisse sowie an einer weitgehend sprachspezifischen Zuordnungsrelation von Formativ und Semem nicht vorbeigehen 339 und müssen auch aus diesem Grunde eine makrolinguistische Untersuchung befürworten, da nur sie allein uns gesicherte Aufschlüsse über interlinguale Äquivalenzbeziehungen zu geben vermag, eine mikrolinguistische Analyse hingegen allenfalls die sprachspezifische Zuordnung von Formativ und Semem illistrieren wird. Diese makrolinguistischen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung unterscheiden sich nicht nur in der erreichten Tiefe der Einsicht, sondern darüber hinaus auch nicht unerheblich in der methodischen Zielstellung 91
und der Rolle, die dem sprachlichen Kontext in der Analyse beigemessen wird. I n der Tat finden sich neben Analysen der Bedeutungsstruktur, die immer wieder vom sprachlichen Kontext gewissermaßen als ständiger Kontrolle ausgehen, auch insbesondere unter dem Einfluß der Wortinhaltslehre stehende Untersuchungen, die sich vom sprachlichen Kontext ablösen und eine mehr oder weniger „reine" Inhaltsanalyse vorzunehmen beginnen. Auf Besonderheiten in der makrolinguistischen Untersuchung zur Struktur der Bedeutung wird noch in dem nachfolgenden dritten Kapitel einzugehen sein, doch kann bereits hier darauf verwiesen werden, d a ß eine jede auf einer Analyse der sprachlichen Intuition aufbauende Betrachtung, die sich nicht in dieser oder jener Form — sei es durch vorangehende oder nachfolgende Bezugnahme auf die kontextuelle Verwendung der betreffenden Einheit oder aber auf die Definition in Wörterbüchern 3 / l 0 um eine Überprüfung der aus dem individuellen Bewußtseinsinhalt isolierten „überindividuellen" begrifflich-noetischen Abstraktionselemente bemüht, Gefahr laufen wird, auch linguistisch nicht relevante — überindividuelle und auch subjektive — Abstraktionselemente mit in die Beschreibung der semantischen Mikro- und Makrostrukturen einzubeziehen. Wie bereits in einem anderen Zusammenhang betont, stellt dabei die sprachliche Äußerung, das Vorkommen eines betreffenden sprachlichen Zeichens in einem grammatisch richtigen Satz, eine besonders geeignete Basis zur Ermittlung semantischer Merkmale, Strukturen und der durch sie wesentlich bestimmten semantischen Kombinationsregeln und Kompatibilitäten dar. Die Bedeutung, die der sprachliche Kontext auch f ü r die makrolinguistische Ermittlung und Beschreibung der semantischen Mikro- und Makrostrukturen besitzt, kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Dabei ist es methodisch gesehen besonders bedeutsam, d a ß f ü r eine Sememanalyse nicht alle Verwendungsweisen der betreffenden lexikalischen Einheit im konkreten Sprechaktkontext in gleichem Maße relevant sind. Während in der mikrolinguistischen Analyse diesem Umstand beispielsweise in der Bestimmung typischer Distributionen, wie z. B. der Kollokationen M. Joos', Rechnung getragen wurde, empfiehlt es sich, wenn in der makrolinguistischen Analyse vor allem den Äußerungen besondere Beachtung geschenkt wird, in denen ein intuitiv empfundener Verstoß gegen die semantische Norm vorliegt. Es scheint, daß sich semantische Strukturen und Konstituenten gerade in den Fällen leichter ermitteln lassen, in denen eine semantische Anomalie, ein metaphorischer Gebrauch oder aber auch eine bewußt aufrechterhaltene Doppeldeutigkeit, Wortspiele sowie unbewußte Normverstöße in Stilblüten auf die im allgemeinen unbewußt ablaufenden semantischen Vorgänge aufmerksam machen. 341 Wie die nachfolgenden Untersuchungen zeigen werden, hat die makrolinguistische Bedeutungsforschung der Bedeutung des sprachlichen Kontextes in unterschiedlicher Weise Rechnung getragen, wobei der auch von der mikro92
linguistischen Bedeutungsforschung analysierte Kontext z. B . durch E. Leisi eine besonders originelle Umbewertung erfahren hat. Gegenüber der von L. Wittgenstein unterstrichenen operationalistischen Bestimmung der Bedeutung als Gebrauch (use) der betreffenden lexikalischen Einheit, die u. a. auch für die mikrolinguistische strukturelle Semantik besonders interessant erscheinen mußte, hat E. Leisi die Ansicht vertreten, daß die Bedeutung nicht mit dem Gebrauch identisch sei, wohl aber als Summe der für den Gebrauch relevanten Gebrauchsbedingungen difiniert werden könnte. 342 Die dadurch vorgenommene Akzentverschiebung in Richtung auf eine qualitative Betrachtung ist offensichtlich. Dabei geht E. Leisi im Gegensatz zu der extremen Kontexttheorie nicht von der Annahme aus, daß eine lexikalische Einheit nur im Kontext eine Bedeutung besitzt, sondern mißt der Analyse der Bedeutung des Einzelwortes, verstanden als einer Analyse der Sememe, besondere Bedeutung bei. 343 Es scheint kein Zufall zu sein, daß Leisi bei seiner Analyse des Wortinhalts zu einer Anzahl Gebrauchsbedingungen gelangt, also eine Art semantischer Konstituentenanalyse betreibt.
2.3.1 Die Gebrauchsbedingungen E . Leisis als erste Ansätze einer makrolinguistischen Konstituentenbetrachtung Um vage oder mißverständliche Termini und Definitionen zu vermeiden (a. a. 0 . , S. 11), verwendet Leisi die Hjelmslevsche Scheidung von Ausdruck und Inhalt, wobei er letzteren unter Verweis auf den soziologischen Charakter der Sprache als Kommunikationsmittel (a. a. 0 . , S. 15/16) als die Summe der den Gebrauch der betreffenden lexikalischen Einheit bestimmenden linguistischen und extralinguistischen Bedingungen (a. a. 0 . , S. 17) definiert. Diese Gebrauchsbedingungen spielen bei Leisi und auch bei dem sich auf ihn berufenden H. E. Brekle 344 eine außerordentlich bedeutsame Rolle. Nach Leisi würden diese Gebrauchsbedingungen zwar in den konkreten Sprechsituationen erfüllt (a. a. 0 . , S. 114), doch seien sie als Bestandteile des Inhalts mit diesem zusammen Teil des Sprachsystems und demnach keine psychischen Größen, sondern Abstraktionen aus solchen (a. a. 0 . , S. 113). Entscheidend dafür, ob die gewählten Gebrauchsbedingungen auf eine Beschreibung der „Dinge dieser Welt", also eine extralinguistische Denotatsanalyse beispielsweise durch Aufzählung der für die betreffende Erscheinung charakteristischen Merkmale, hinausliefe oder ob tatsächlich semantische, d. h. makrolinguistische Kategorien, widergespiegelt würden, sei, wie die Gebrauchsbedingungen bestimmt würden. „Wir haben es in der Hand, durch passende Auswahl der Beispiele zu zeigen, daß der Gebrauch eines Wortes in sehr vielen Fällen gar nicht von der Beschaffenheit eines Dinges, sondern von ganz anderen Bedingungen abhängt, die der Mensch sozusagen ,konstruiert' hat." (a. a. O., S. 20) Werde z. B. für die Bezeichnungen „Luft" 93
und „Apfel" die Gebrauchsbedingung „statisch" und „dynamisch" angewandt, so ergäbe sich eine von der üblichen Klassifikation abweichende semantische Einteilung, die allein durch das Vorhandensein der betreffenden semantischen Merkmale in den Sememen bestimmt wird. „Die sprachliche Verwandtschaft — auf der Grundlage der semantischen Merkmale oder der Klassenzugehörigkeit von „Apfel" und „Luft" — gemeinsames Merkmal (Statisch) — brauche also mit der sachlichen (z. B . „Wind" und „Luft" — G. W. ) durchaus nicht identisch zu sein. Zu den Konstituenten des Wortinhaltes zählt Leisi je nach Wortklasse differenzierte bzw. besonders auffällige Gebrauchsbedingungen. So sei z. B . beim Verb als einer besonders komplexen semantischen Erscheinung zwischen Vorgängen als Bedingungen, Zuständen als Bedingungen, privativen Verben, Aktivität und Passivität des Bezeichneten, Aktionsarten, Beziehungen als Bedingungen, zahlenmäßigen Bedingungen, Beschaffenheit des Objekts usw. zu unterscheiden und bei den einzelnen Bedingungen u. U. noch weiter zu spezifizieren. Die Gebrauchsbedingungen zeigen demnach ein äußerst vielfältiges, inkoherentes Bild, und gewiß ist die von Leisi vorgeschlagene Formulierung der betreffenden Bedingungen als letztes, kleinstes semantisches Merkmal meist noch nicht geeignet 345 , doch besteht an der grundsätzlichen Ähnlichkeit der Gebrauchsbedingungen und der semantischen Konstituenten, wie sie in der modernen amerikanischen und europäischen Forschung dargelegt wurden, kein Zweifel. Leisi läßt in einem sehr interessanten Nachtrag zur zweiten Auflage seines Buches keine Gelegenheit ungenutzt, um die Beziehungspunkte nachdrücklich herauszustellen, die seine Betrachtungsweise mit den Auffassungen der modernen strukturellen Semantik, insbesondere der mikrolinguistischen Bedeutungsforschung, aufweist. 346 . Darin hebt er vor allem die enge und direkte Beziehung hervor, die zwischen der Summe der Gebrauchsbedingungen und der Distribution besteht ; der Inhalt ließe sich „auffassen als ,distributionelle Beschränkung'" (a. a. 0 . , S. 119). Aus dem Vergleich semantisch benachbarter Wörter könnten minimale distinktive Inhaltselemente ermittelt werden, die mit dem „content figurae" in Hjelmslevs Sprachtheorie identisch sind und das inhaltliche Gegenstück zu den Phonemdifferenzen darstellen. (Ebenda) Indem die Lehre von den Gebrauchsbedingungen der physikalischen Welt die Wortinhalte gegenüberstellt, versuche sie „deren verschiedene Formen im Verhältnis zu außersprachlichen Substanz zu erkennen und wissenschaftlich zu beschreiben" (ebenda). Daher erkläre sich auch die von manchen Rezensenten hervorgehobene „physikalische Diktion" sowie letztlich auch die z. B . von A. Neubert 3 4 7 kritisierte unklare Scheidung von Form und Substanz des Inhalts. Zwar hat E . Leisi gerade auf die Feststellung, daß Inhalt wie Ausdruck Formen und nicht Substanzen sind (a. a. 0 . , S. 114), besonderen Wert gelegt, doch scheint es in seiner Konzeption der Gebrauchsbedingungen selbst zu liegen, daß die meisten der Gebrauchsbedingungen, 94
die Leisi so treffend charakterisiert und klassifiziert hat, auf bestimmte Erscheinungsformen, Relationen, Aspekte und Bewegungsweisen der objektiven Realität Bezug nehmen. So ist es nur folgerichtig, wenn Leisi eine eingehende Beschreibung der semantischen Mikrostruktur in Termini linguistischer und extralinguistischer Gebrauchsbedingungen nicht nur für möglich, sondern auch für äußerst notwendig erachtet. Eine „physikalische Semantik" müsse, wie bereits betont, der strukturellen Semantik vorausgehen, so wie eine Lehre von den Phonemen ohne phonetische Grundlage nicht denkbar sei. Leisis Betrachtungen, die sowohl in Richtung der Inhaltsanalyse L. Hjelmslevs als auch der modernen semantischen Konstituentenanalyse führen, leisten einen wertvollen Beitrag zur semantischen Klassifizierung der lexikalischen Einheiten. Wir sind der Ansicht, daß sie sich als außerordentlich fruchtbarer Ausgangspunkt für eine praktische und theoretische Untersuchung der semantischen Mikro- und Makrostrukturen und damit als ein wertvoller Bestandteil der makrolinguistischen Bedeutungsforschung erweisen. 348 Die von ihm vorgelegten praktischen Ergebnisse ebenso wie die theoretischen Ausführungen insbesondere über direkte und indirekte Metaphern und die semantische Valenz liefern nicht nur wertvolles Material, sondern bereits erste semantische Konstituenten. Damit aber stellen Leisis Untersuchungen eine wertvolle Vorarbeit für die Ermittlung und Beschreibung semantisch differentieller Merkmale dar, wobei noch viele der in der Konzeption der Gebrauchsbedingungen angelegten Hinweise auf den Charakter der Bedeutungskonstituenten ebensowenig voll ausgeschöpft sind, wie die in der semantischen Kongruenz E . Leisis angelegten Möglichkeiten einer syntagmatischen Betrachtung. In Anlehnung an die grammatische Kongruenz hat Leisi den Begriff der semantischen Kongruenz entwickelt, unter der er die normgerechte Aneinanderreihung von Inhalten bzw. die notwendige inhaltliche Übereinstimmung beispielsweise von Subjekt und Verb oder Verb und Objekt versteht, mit der „das Beispiel eines inhaltlichen Beziehungsverhältnisses, also einer semantischen Struktur, gegeben" sei. (a. a. 0 . , S. 119) In enger Beziehung zu den Vorstellungen E . Leisis über die semantische Kongruenz, d. h. die Kompatibilität der Sememe, stehen seine Ausführungen über die Metapher als einer Abweichung von der semantischen Norm. Hier verdienen besonders die Hinweise auf die Unterscheidung einer direkten und indirekten Metapher, wie sie von Leisi am Beispiel: — „Die Steine schweigen. — Die Steine reden." (a. a. 0 . , S. 70ff.) demonstriert wird, besondere Beachtung, weil die hier vorliegenden komplizierten Beziehungen semantischer Mikrostrukturen in der sprachlichen Äußerung bis heute noch nicht eindeutig geklärt sind, für eine semantische Konstituentenanalyse aber interessante Anregungen beinhalten. Eine Betrachtung der Gebrauchsbedingungen E . Leisis zeigt, daß sie sowohl als sehr allgemeine, aber auch je nach Erfordernis als sehr spezifische seman-
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tische Merkmale verstanden werden können. Leisi selbst hat zur Rechtfertigung seines Vorgehens u. a. die Allgemeingültigkeit der Gebrauchsbedingungen als einen besonderen Vorzug herausgestellt. Durch sie ließen sich viele Wortinhalte einer Beschreibung zuführen, die einer rein psychologischen Bedeutungsauffassung nicht zugängig waren, d. h. deren Vorstellungsgehalt unbestimmt und schwer zu ermitteln war; dies treffe vor allem auf Wörter zu, deren lexikalische Bedeutung stark vermindert sei, wie z. B. bei „doch". Der als Gebrauchsbedingung definierte Inhalt läßt gleichermaßen lexikalische grammatische und stilistische Elemente zu; „künstliche Zerschneidungen fallen damit dahin, und Grenzgebiete wie das erwähnte ,doch' werden der Forschung besser zugänglich. Der Inhalt erhält die ihm zukommende Stellung als universelles Gegenstück des Ausdrucks." (a. a. O., S. 115)
3. Zur modernen semantischen Konstituentenbetrachtung
3.0 Zu einigen Vorläufern der modernen semantischen Konstituentenbetrachtung Erste Ansätze einer semantischen Konstituenten- bzw. Komponentenanalyse und damit einer semantischen Mikrostrukturbetrachtung lassen sich bereits in der traditionellen Bedeutungsforschung nachweisen. Daß es sich bei diesen traditionellen Untersuchungen ebenfalls um makrolinguistische Betrachtungen handelt, unterstreicht einmal mehr die Ansicht, daß eine jede Sememanalyse notwendig zu kleineren Inhaltselementen vorstößt. Nachdem bereits P . Osthoff „Vom Suppletivwesen der indogermanischen Sprachen" die Existenz systemhafter Beziehungen in der Lexik angedeutet hatte 3 4 9 , wurde noch vor Veröffentlichung des „Cours de Linguistique Générale" von F . de Saussure durch R. M. Meyer nicht nur das Vorhandensein von Bedeutungssystemen künstlicher und natürlicher Art behauptet, sondern es wurden auch bereits gewisse Strukturen und Strukturelemente angenommen, die in heutiger Sicht als semantische Konstituenten betrachtet werden könnten. I m Wortschatz der Sprache beständen nach Meyers Auffassung Bedeutungssysteme ganz verschiedener Ordnungen, die als „Zusammenordnung einer begrenzten Anzahl von Ausdrücken unter einem individuellen Gesichtspunkt" 350 gefaßt werden. Besonders deutlich würden diese systemhaften Beziehungen in den Bereichen des Wortschatzes, wo sie künstlich geschaffen seien, so z. B. bei den militärischen Titeln 351 , doch ließen sich auch in anderen Bereichen der Lexik wenn auch weniger offensichtlich, Bedeutungssysteme, d. h. lexikalische Strukturen, nachweisen. 352 Daraus ergäbe sich für die Semasiologie die Aufgabe, „für jedes Wort erstens festzustellen, welchem Bedeutungssystem (oder welchen Bedeutungssystemen) das betreffende Wort angehört, zweitens, welches der systembildende differenzierende Faktor dieses Systems ist." 353 Im Unterschied zur semasiologischen Orientierung der Arbeiten seiner Zeit geht Meyer bereits onomasiologisch von den Systemen zusammengehöriger Bedeutungen auf der Inhaltsseite aus, da „aus deren Organisation erst die semasiologische Stellung der einzelnen Ausdrücke vollkommen verständlich wird." 354 Als systembildende differenzierende Faktoren erscheinen bei Meyer Oberbegriffe, deren Existenz aus der Sprache und aus der Erfahrung erwiesen werden müsse. Unter diesen Oberbegriffen, die z. B. als Selektionskriterien in der Feldfor7
Wotjak, Bedeutung
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schung Verwendung finden könnten 3 5 5 , gruppiert sich eine nicht näher bestimmte Anzahl von Grundbegriffen, die ihrerseits durch ihre „Art" modifiziert werden. Meyer hat die Existenz dieser hierarchisch gestaffelten Begriffe anhand einiger Verben der Bewegung angedeutet. Während der Oberbegriff „Bewegung" bereits in der Unterscheidung dieser spezifischen Gruppe von Verben gegenüber beispielsweise den Verben des Sagens und Denkens, Wünschens usw. gegeben ist, könnten als weiter spezifizierende Grundbegriffe und Kategorien u. a. die Aktionsarten, die Kategorien der Modalität und Modifikation (Tempo, Gleichmäßigkeit, Leichtigkeit), Ort, Richtung usw. angegeben werden. Durch die Kombination solcher Kategorien, die mit den semantischen Merkmalen der semantischen Konstituentenanalyse große Ähnlichkeiten aufweisen und nach Meyers Auffassung ohne Spekulation aus der Erfahrung und dem sprachlichen Kontext 3 5 6 gewonnen werden könnten, entstünden dann die jeweiligen konkreten Verbbedeutungen, d. h. die Sememe. So stellen sich nach Meyers Darlegung 3 5 7 die Bedeutungen der deutschen Verben laufen, schweben, kriechen usw. nicht nur als zu einem System gehörig, dessen gemeinsamer systembildender Oberbegriff bzw. semantisch distinktives Merkmal die Bewegung ist, sondern zugleich auch als eine Kombination einer bestimmten Anzahl zu der jeweiligen semantischen Mikrostruktur zählender Grundbegriffe (Konstituenten) dar; für kriechen z. B.: Bewegung, mühsam, langsam, auf der Erde, usw. 358 . Gehen müßte sich demnach z. B. von fahren durch eine unterschiedliche Anzahl und Auswahl von Grundbegriffen und Kategorien charakterisieren lassen, wobei neben unterschiedlichen Merkmalen sicher auch einige übereinstimmende nachgewiesen werden könnten. Damit aber ist bereits 1909 von R . M. Meyer in seinen knapp skizzierten Darlegungen ein Weg aufgezeigt worden, der u. a. auch in einigen Arbeiten der Feldtheorie mit abweichender Zielstellung und unterschiedlichem Erfolg beschritten wurde, im Hinblick auf die von ihm aufgezeigten semantischen Mikrostrukturelemente aber erst in den fünfziger Jahren, unabhängig und unbeeinflußt von seinen Gedankengängen, in der semantischen Konstituentenanalyse konsequent weiter verfolgt werden sollte.3S9 R . M. Meyers Untersuchungen stellen einen äußerst interessanten Beitrag zu einer makroliguinstischen strukturellen Semantik dar und sind daher im Rahmen dieses kurzen Rückblicks etwas eingehender dargestellt worden. Dabei kann nicht übersehen werden, daß sich in der traditionellen Bedeutungsforschung auch noch andere interessante Ansätze nachweisen lassen. Es leuchtet indessen wohl ein, daß eine eingehendere Behandlung dieser „Vorformen" der modernen semantischen Konstituentenanalyse den Rahmen unserer Arbeit sprengen würde. Einige wenige Hinweise sollen daher genügen, zumal die nachstehend erwähnten Arbeiten im Hinblick auf den modernen Erkenntnisstand nicht in dem Maße wesentlich erscheinen wie etwa die Ausführungen R . M. Meyers. 98
In diesem Zusammenhang ist wie erwähnt u. a. auch von U. Weinreich auf die insbesondere von K. 0 . Erdmann in: „Die Bedeutung des Wortes" vorgenommene Aufteilung der Bedeutung in Komponenten verwiesen worden, zu denen z. B. Haupt- und Nebenbedeutung, Begleitgefühl usw. zählen sollten. Gewiß ist auch hier von Komponenten der Bedeutung die Rede; wir glauben jedoch, daß die in diesem Sinne unternommene Aufgliederung, so zweckmäßig und praktisch sowie theoretisch gesichert sie auch sein mag, mit der von uns hier in Betracht gezogenen semantischen Komponentenanalyse — componential analysis im Sinne unserer Konstituentenanalyse — nicht unmittelbar vergleichbar ist. Die Tatsache, daß die Bedeutung der sprachlichen Zeichen in Bestandteile zerlegt bzw. aus bestimmten Bestandteilen zusammengesetzt werden kann, ist darüber hinaus u. a. auch von J . A. Firth in „The Technique of Semantics" hervorgehoben worden. Gemäß seiner Überzeugung besteht die als Funktion eines Wortes im Situationskontext bestimmte Bedeutung aus einer Reihe von „component functions" von denen eine jede „will be defined as the use of some language form or element in relation to some context. Meaning . . . is to be regarded as a complex of contextual relations . . .".360 Alle diese Ansätze einer semantischen Komponentenanalyse in der traditionellen Bedeutungsforschung, selbst die besonders fruchtbaren Gedankengänge R. M. Meyers, sind ohne große Resonanz geblieben und haben auf die Herausbildung der modernen strukturellen Semantik keinen unmittelbaren Einfluß ausgeübt. Von ungleich größerer Bedeutung für die Entwicklung des Strukturgedankens und die Herausbildung einer Komponentenanalyse erweist sich dagegen eine besonders in der amerikanischen Anthropolinguistik verbreitete Richtung, die in der modernen Forschung beachtliches Aufsehen 361 erregt hat. Es ist dabei wohl kein Zufall, daß sich diese als „componential analysis" bezeichnete Richtung zunächst auf einen Bereich der Lexik beschränkte, dessen Strukturen offensichtlicher und fester umrissen, wenn auch von Sprachgemeinschaft zu Sprachgemeinschaft zum Teil erheblich unterschiedlich sind — auf die Verwandtschaftsbezeichnungen. 362 Wie die von F. Lounsbory „A semantic analysis of the Pawnee Kinship usage", W. H. Goodenough „Componential analysis and the study of meaning" sowie die von C. F. und F. M. Voegelin „Hopic Domains, a lexical Approach to the Problem of Selection" 363 , A. F. C. Wallace/J. Atkins „The Meaning of Kinship Terms" und H. C. Conklin „Lexicographic Treatment of Folk Taxonomies" unternommenen Untersuchungen zeigen, scheint das gewählte lexikalische Subsystem der Verwandtschaftsbezeichnungen für eine Strukturanalyse allgemein und für eine Komponentenanalyse im besonderen außerordentlich geeignet zu sein. Bei der Komponentenanalyse konnten sich die Autoren hier auf einen endlichen, gut überschaubaren Korpus stützen, der in besonderem Maße durchgehend streng strukturiert ist und damit gegenüber der Mehrzahl der weniger offensichtlich und durch7«
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gehend strukturierten lexikalischen Teilbereiche eine Sonderstellung einnimmt. Doch verlieren dadurch die bei der Beschreibung dieses festbegrenzten Bereiches aufgezeigten Strukturen und angewandten Prozeduren gewiß nicht automatisch an Allgemeingültigkeit und Aussagekraft364, vielmehr ganz im Gegenteil. Auf der Grundlage einer Untergliederung der einzelnen Verwandtschaftsbezeichnungen in Komponenten wie z. B. (Generation), (Geschlecht), (väterliche oder mütterliche Linie) usw. lassen sich die in der betreffenden Sprachgemeinschaft üblichen Verwandtschaftsbeziehungen exakt beschreiben und, wie bereits angedeutet, sogar nach einer entsprechenden Formalisierung mathematisch abarbeiten. 365 Das Interesse, das diesen Bestrebungen von der modernen strukturellen Linguistik und Semantik entgegengebracht wird, erklärt sich zu einem nicht unerheblichen Teil aus dieser zu einer weiteren Formalisierung besonders gut geeigneten Form der Komponentenanalyse. Die von den einzelnen Forschern praktisch durchgeführten Untersuchungen, die nicht immer bereits einen maximalen Formalisierungsgrad erreichen, grundsätzlich aber die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Komponentenanalyse unterstreichen, gewinnen offensichtlich Modellcharakter für die Beschreibung anderer Bereiche des Wortschatzes, in denen die aufzuzeigenden Strukturen nicht annähernd so deutlich werden wie im Falle der Strukturen der Verwandtschaftsbeziehungen.366 Es scheint, als würde sich in der modernen makrolinguistischen Bedeutungsforschung die semantische Komponenten- bzw. Konstituentenbetrachtung — zunächst sogar weitgehend unabhängig367 — als methodisches Hilfsmittel und zugleich als Widerspiegelung der tatsächlich vorhandenen semantischen Mikrostrukturen immer nachdrücklicher durchsetzen. Damit aber gewinnt auch die von der „componential analysis" gewählte Ausgangsbasis — die Untersuchung eines lexikalischen Subsystems bzw. „Feldes" der Verwandtschaftsbezeichnungen — in Gestalt verstärkter paradigmatischer Analysen linguistischer Bedeutungsfelder368 als ein wesentliches methodologisches Prinzip an Bedeutung. Wie eine Betrachtung der in den letzten Jahren veröffentlichten Arbeiten zeigt, ist die Konstituentenanalyse als Beschreibungsmethode über den Rahmen selbst der makrolinguistischen Semantik hinaus verbreitet und z. B . in extralinguistischen, logischen bzw. psychologischen Darstellungen angewandt worden. Es kann nicht Aufgabe der folgenden kurzen Zusammenstellung sein, alle diesbezüglichen Untersuchungen aufzuzeigen oder gar zu würdigen. Dazu bedürfte es vor allem eines eingehenden Stadiums der in der traditionellen Bedeutungsforschung meist unter stark abweichender Terminologie erscheinenden Darlegungen sowie einer Betrachtung der Versuche der logischen Semantik, Daten- und Informationsverarbeitung, was den Rahmen der vorhegenden Arbeit sprengen würde. Eindeutig extralinguistische Untersuchungen, wie die im folgenden kurz erwähnten, konnten dabei ebensowenigausführlicher dargelegt werden wie spezifischen Bedürfnissen angewand100
ter Wissenschaften verpflichtete Konstituentenanalysen. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang u. a. auf die bereits von J u . D. Apresjan 369 ausführlich untersuchte psychologische Methode des semantischen Differentials 37°, sowie auf die psychologisch-logischen Analysen Fischers und Watts 371, die für die linguistische Betrachtung keine unmittelbare Bedeutung besitzen, weil sie Aspekte der Bedeutung beleuchten, die nicht Gegenstand einer primär linguistischen Beschreibung der lexikalischen Bedeutung sind. Nicht unerwähnt bleiben sollten aber auch die u. a. bei B. Pottier 372 erwähnten logischen Klassifikationen, wie sie als universelle Dezimalklassifikation von D. Angerau „Utilisation des informations sémantiques en traduction automatique" versucht wurden oder auch die auf intuitiver Gruppierung basierenden Begriffssysteme von R. Hallig/W. v. Wartburg. Eine Grenze zwischen diesen extralinguistischen und den makrolinguistischen Versuchen einer Konstituentenbetrachtung, ist nicht leicht zu ziehen, da ja, wie eine Analyse des Semems zeigt, zwischen Semem und wissenschaftlichem Begriff sowie individuellen Abbildfaktoren enge Beziehungen bestehen. Von dem besonders unter dem Einfluß der Maschinenübersetzung sowie der Daten- und Informationsverarbeitung einsetzenden verstärkten Bemühen um eine Klassifikation der Begriffe bzw. der lexikalischen Einheiten, die immer mehr — offenbar nicht zufällig — in Gestalt einer Konstituentenanalyse erfolgt, werden für eine makrolinguistische Bedeutungsforschung daher verständlicherweise vor allem die Untersuchungen von unmittelbarem Interesse sein, die sich von sprachlichen Gegebenheiten leiten ließen und nicht eine Klassifikation sprachlicher Erscheinungen, wie es letztlich auch die Sememe sind, nach außersprachlichen, meist mehr oder weniger willkürlich und künstlich bestimmten Gesichtspunkten und Merkmalen (logisch-begrifflichen bzw. rein praktizistischen Gesichtspunkten) vornahmen. Als Beispiel für eine auf sprachinhärenten Ordnungen aufbauende, eindeutig vom Gesichtspunkt der Einfachheit und Zweckmäßigkeit für eine extralinguistische Verwendung bestimmte Analyse können die Bestrebungen gewertet werden, die u. a. unternommen wurden, um z. B. für die spezielleren Bezeichnungen „attaque", „opération militaire", „débarquement" usw. den Allgemeinbegriff „mouvement de guerre" als generellen Nenner zu setzen und dadurch bei der Beschreibung und Herstellung interlingualer Äquivalenzen lexikalische Einheiten einzusparen. 373 Aus praktischen Erwägungen heraus werden hier semantische Unterschiede vernachlässigt; dafür wird gewissermaßen auf einer höheren Verallgemeinerungsstufe mit dem sogenannten Archilexem gearbeitet, dem auf der Inhaltsebene ein Oberbegriff — ein Archisemem — entspricht. Neben den für uns hier weniger interessanten Versuchen, den Wortschatz durch diese sogenannte „notions fondamentales" 374 unter Ausnutzung tatsächlich vorhandener semantischer (Makro)-strukturen zu klassifizieren, verdienen vor allem die Arbeiten der Forscher Erwähnung, die danach 101
strebten, ein Inventarium semantischer Merkmale aufzustellen, mit dessen Hilfe alle lexikalischen Einheiten der betreffenden Sprache definiert werden könnten.375 Von den hier nur kurz angedeuteten Bestrebungen sollen im folgenden vor allem diese zuletzt erwähnten besondere Beachtung finden, da sie eindeutig in Richtung auf eine semantische Konstituentenbetrachtung weisen und Aufschlüsse über die semantische Mikrostruktur vermitteln helfen, während es sich bei den zuerst erwähnten Untersuchungen um allgemeine Substitutionen auf der Grundlage von Archilexemen handelt.376 3.1 Zu den Ansichten J . J . Katz' und J . A. Fodors In den letzten Jahren sollte sich in der amerikanischen Linguistik, nicht zuletzt unter dem Einfluß N. Chomskys und der von ihm entwickelten Konzeption der Generativen Grammatik, verstärkt die Ansicht durchsetzen, daß selbst eine noch so exakte Beschreibung der syntaktischen Beziehungen nicht zur Erklärung des Phänomens „Sprache" ausreicht und daher der Untersuchung semantischer Erscheinungen größere Aufmerksamkeit zugewandt werden müßte. Damit wurde auch unter den Anhängern der Generativen Grammatik eine Rückbesinnung auf die Ergebnisse der traditionellen Bedeutungsforschung und einer Suche nach präzisen Erklärungen der komplexen semantischen Strukturen Raum gegeben, wie sie sich schon gegen Ende der fünfziger Jahre in den Werken namhafter Linguisten verschiedentlich angekündigt hatte. Zwar findet sich bei den Wegbereitern einer neuen semantischen Konzeption, den Linguisten J . J . Katz und J . A. Fodor, die in ihrem Artikel „The Structure of a Semantic Theory" den keineswegs so neuen Gedanken einer Merkmalanalyse unter generativer und eindeutig syntagmatischer Sicht aufgriffen, kein ausdrücklicher Hinweis, doch läßt sich die Parallelität der von ihnen entwickelten Markervorstellung mit den gesicherten Ergebnissen der phonologischen Merkmalanalyse nicht übersehen. Durch die Forschungen von Katz/Fodor 3 7 7 wurde der Gedanke einer semantischen Interpretation unter Einbeziehung der Konstituentenanalyse einem breiteren Interessenkreis zugängig. Die von ihnen eingeleitete „Aufwertung" der Beschäftigung mit semantischen Problemen sowie die aufgezeigten Wege zu einer Interpretation der Bedeutung (Sinn) von Sätzen fielen besonders in der modernen amerikanischen Linguistik auf fruchtbaren Boden. Dafür spricht nicht zuletzt auch der Umstand, daß sich in dem umfassenden Werk von J . J . Katz/ P. Postal „An Integrated Theory of Syntactic Desoription" wesentliche Gedankengänge der beiden Autoren wiederfinden und daß durch sie offensichtlich auch N. Chomsky in seiner neuen Arbeit „Aspects of a Theory of Syntax" zu einer detaillierteren Anwendung der Merkmalanalyse auch auf syntaktischem Gebiet veranlaßt wurde. 102
Es ist nur allzu verständlich, daß die Auffassungen K / F s neben Nachfolgern auch mehr oder weniger entschiedene und überzeugend argumentierende Kritiker auf den Plan riefen. Bedeutsam ist jedoch, daß sich der Hauptstoß der Kritik vorwiegend gegen Inkonsequenzen in der Darlegung und Aufgabenstellung, nicht aber gegen die Möglichkeit einer Zerlegung der Bedeutung in Merkmale bzw. gegen die Nützlichkeit einer solchen syntaktisch-semantischen Konstituentenanalyse richtet. K / F gingen in ihrem Artikel von der Annahme aus, daß sich die Bedeutung eines polysemen Wortes in semantic markers aufgliedern lasse, die auf verschiedenen paths hierarchisch angeordnet sind, und daß eine solche Zerlegung der Bedeutung zur Beschreibung des Disambiguierungsprozesses, des Prozesses der Monosemierung bei polysemem Wortgebrauch bzw. zur Erklärung der Erscheinungen semantischer Anomalie oder Paraphrase beitragen könnte. Diese Zuwendung zur Beschreibung des Funktionierens der aus einer entsprechenden Analyse der Wörterbucheintragungen ermittelten semantischen Merkmale (semantic marker), durch die notwendigerweise die Fragen nach der Ermittlung der semantisch-distinktiven Merkmale gegenüber primär auf die Beschreibung der semantischen Mikro- und Makrostrukturen orientierten Untersuchungen in den Hintergrund gedrängt werden, ist nicht zufällig mit dem von der modernen amerikanischen Linguistik vertretenen Prinzip einer dynamischen, generativen Betrachtung verknüpft. Während sich bei K / F paradigmatische Bedeutungsanalyse und Beschreibung der syntagmatischen Verknüpfungsregeln der in semantische Merkmale zerlegten Bedeutungen (Sememe) noch fast die Waage halten, überwiegt die Darstellung des Funktionierens der Sprache unter ihrem semantischen Aspekt beispielsweise bei U. Weinreich in seinen „Explorations in Semantic Theory" bereits deutlich. Diese von den Anhängern der Generativen Grammatik auf dem Gebiet der Semantik besonders untersuchte „Kombinatorik" der Sememe verdient zweifellos im Rahmen einer semantischen Theorie besondere Aufmerksamkeit, ist aber in unseren Darlegungen zur Struktur der Bedeutung weniger von Interesse. Durch die beabsichtigte und teilweise bereits erfolgreich realisierte Beschreibung der Verknüpfungsregularitäten lexikalischer Bedeutungen im syntaktisch eindeutig beschriebenen normgerechten Satzkontext mit Hilfe von vordringlich im Hinblick auf diese Funktion hin konzipierten Markern wurde nicht nur die auch in der traditionellen Bedeutungsforschung verbreitete These von der kontextuellen Bestimmtheit der Bedeutung strukturell untermauert, sondern zugleich auch die Bedeutung der kontextuellen Dimension für die Ermittlung semantischer Merkmale nachdrücklich unterstrichen. Ziel der Bemühungen der Autoren ist es, eine semantische Theorie zu schaffen, die den Anforderungen einer allgemeinen Grammatiktheorie ebenso wie der Forderung nach größtmöglicher Exaktheit gerecht zu werden vermag. Es leuchtet ein, daß die Neuartigkeit ihres Vorgehens sowie die aufgezeigten 103
Bestandteile der semantischen Mikrostruktur Anlaß zu kritischer Auseinandersetzung geben mußten. Einer besonders intensiven Kritik waren dabei vor allem die begrenzte Zielstellung378 der semantischen Theorie von K / F sowie die angedeutete Grenzziehung zwischen Semantik und Syntax 3 7 9 ausgesetzt. Einer kritischen Untersuchung bedarf darüber hinaus, wie eine Betrachtung der Ausführungen D. Bolingers deutlich machen wird, auch die von K / F vorgeschlagene Aufteilung der Bedeutung in semantic marker und distinguisher. Die Spezifik dieser Merkmalbetrachtung und damit auch wesentliche Ursachen für unterlaufene Inkonsequenzen liegen zu einem nicht unbeträchtlichen Teil in der begrenzten Aufgabenstellung von K/Fs semantischer Theorie begründet. Aus der Erkenntnis der Notwendigkeit der Schaffung einer semantischen Theorie heraus, im Rahmen der Generativen Grammatik, suchten K / F Mittel und Wege, wie die Fähigkeit des „fluent speaker" (des muttersprachlichen Sprechers), semantische Anomalien zu entdecken, nichtsyntaktische Ambiguität zu erkennen und potentielle Ambiguitäten zu eliminieren, durch eine semantische Theorie zu beschreiben sei. „A semantic theory describes and explains the interprétative ability of speakers by accounting for their performance in determining the number and content of the readings of a sentence, by detecting semantic anomalies, by deciding on paraphrase relations between sentences, and by marking every other semantic property or relations, that plays a role in this ability." 380 K / F warnen auf S. 192 selbst vor dem ungerechtfertigten Versuch, die semantische Konstituentenanalyse ohne die gleichermaßen wichtige Komponente der Projektionsregeln auf ihre Adäquatheit hin prüfen und als ein mechanisches Entdeckungs- bzw. Entscheidungsverfahren für Wörterbucheintragungen betrachten zu wollen. Nur die gesamte Theorie könne einer empirischen Überprüfung unterzogen werden, und bei unkorrekter Satzinterpretation müßten sowohl die Projektionsregeln als auch die Bedeutungscharakterisierung der Lexikoneinheiten überprüft und gegebenenfalls beide modifiziert werden. Die Theorie müsse dabei lediglich der Forderung genügen, daß sie die Fähigkeit des „fluent speaker", Sätze zu interpretieren, nachbilde. Da es bisher nicht möglich gewesen sei, ein mechanisches Verfahren zu entwickeln, das es dem Linguisten erlauben würde, eine Wörterbucheintragung gemäß der Information über den Sprachgebrauch anzufertigen, haben sich K / F dazu entschlossen, übliche Lexikoneintragungen polysemer Einheiten auf gewisse, für die Erklärung semantischer Erscheinungen wesentliche (systematisierbare) Merkmale — Marker — hin zu untersuchen. Die Bedeutung der betreffenden sprachlichen Einheit, d. h. z. B . ein Semem in unserem Sinne, wird in Konstituenten zerlegt, deren Zahl und Beschaffenheit durch die Erfordernisse der Projektionsregeln sowie durch eine systematische Ökonomie bestimmt sind. Soweit, so gut. Nur wird K/Fs Versuch, die semantische 104
Kompetenz des Muttersprachlers zu modellieren, auf einen relativ begrenzten Teil der tatsächlichen semantischen Entscheidungsfähigkeit des Sprechers reduziert, wobei die praktischen Analysen sogar fast ausnahmslos auf die Untersuchung semantischer Ambiguitäten und die Konstruktion entsprechender Projektionsregeln beschränkt bleiben. Nach ihrer Ansicht zerfalle eine jede semantische Theorie in zwei grundlegende Teile: 1. in das Wörterbuch und 2. in eine Reihe von Projektionsregeln, die die Kombinationsmöglichkeit spezifizierter Einheiten des Wörterbuchs aufzeigen sollen (a. a. O., S. 183). I n der Theorie K / F s nehmen jedoch die Projektionsregeln den zentralen Platz ein; sie sind mitbestimmend für den Grad der Spezifikation der semantischen Marker in den Eintragungen des Wörterbuchs, die ihrerseits eine wesentliche Bedingung für die Funktion der Projektionsregeln darstellt. Die semantische Interpretation von Sätzen und der Bau von Wörterbüchern beeinflussen und ergänzen einander wechselseitig; bessere Wörterbucheintragungen mit detaillierterer Merkmalspezifikation gewährleisten eine exaktere Beschreibung der Sememkombination in der sprachlichen Äußerung. Das Ziel der semantischen Theorie sei und bleibe dabei nach K / F in jedem Fall die Interpretation von Sätzen, nicht aber der Bau von Wörterbüchern, und eine solche Interpretation könne nur von den Projektionsregeln geleistet werden. Diese Projektionsregeln sollen spezifizieren, wie die Bedeutungskonstituenten in einer grammatisch richtigen Konstruktion semantisch mehrdeutige Einheiten im sprachlichen Kontext monosem machen. Der Gedanke, daß dem Kontext eine montDsemierende Funktion zukomme, ist zwar gewiß nicht neu, doch erhält er durch die spezielle Fassung dieser Kontextbeeinflussung in den Merkmalkollokationen — sogenannten Amalgamierungen — polysemer Lexikoneinheiten eine neue, originelle Fassung. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der von K / F geäußerte Gedanke, daß die Bedeutung eines Satzes eine Funktion der Bedeutungen seiner Bestandteile darstelle (a. a. O., S. 183, 191). Die Leistungsfähigkeit der Projektionsregeln ist indessen zweifellos eng mit der erreichten Feingliederung der Marker verknüpft. Wenn die durch die Marker spezifizierten Wörterbucheintragungen, wie es die Theorie K / F s vorsieht, Gegenstände eines formalen Kalküls (a. a. O., S. 192) werden sollen, so müssen sie sehr sorgfältig untersucht werden. Neben den Projektionsregeln haben daher K / F in ihren Ausführungen auch der Beschaffenheit des Wörterbuchs Beachtung geschenkt. „The reason for including a dictionary as a component of a semantic theory is precisely to provide a representation of the semantic characteristics of morphems necessary to account for the facts about sentences and their interrelations t h a t grammar leaves unexplained" (a. a. 0., S. 18). Nach K / F sollte jede Lexikoneinheit bestehen aus: 105
1. einer syntaktischen Kategorisierung — den syntactic markers — 2. einer semantischen Beschreibung — den semantic markers — und 3. einer Angabe der kontextuellen Beschränkung — den Selektionsbeschränkungen im Sinne der bereits erwähnten modernen Untersuchungen N. Chomskys. Der grammatische Teil, so wichtig er auch in Hinblick auf die von ihm geleistete Disambiguierung sein mag, soll uns im Rahmen unserer Arbeit weniger interessieren. Um so bedeutsamer sind in eben diesem Zusammenhang dieModifikationen, die K / F in der üblichen Lexikoneintragung vorgenommen wissen möchten. Dabei lassen sich die Verfasser von der traditionellen Form der Wörterbucheintragungen leiten, nehmen darin allerdings eine weiterführende Formalisierung dahingehend vor, als relevante Sinneinheiten, die sich zudem durch einen bestimmten Grad an Allgemeingültigkeit und Rekurrenz auszuzeichnen scheinen, aus der angeführten Definition der jeweiligen Bedeutung der polysemen Einheit herausgelöst und auf entsprechenden „ p a t h s " so angeordnet werden, daß sich für das jeweilige Semem eine bestimmte Abfolge von semantic markers ergibt, die mit den jeweiligen markers eines anderen Semems, bei K / F z. B . von bachelor, übereinstimmen oder nicht übereinstimmen kann. Während der grammatische Teil die syntaktische Funktion indizieren soll, die die betreffende Einheit im Satz ausüben kann, müsse der semantische Teil „one sense of the lexical item as the terminal element of each complete distinct descending path through the tree which represents the entry" angeben (a. a. O., S. 184). K / F haben sich bei der Bestimmung der Funktion der semantic markers von der in der modernen Syntax bereits akzeptierten Bestimmung von grammatical markers leiten lassen, mit deren Hilfe syntaktische Beziehungen zum Ausdruck gebracht werden sollen (a. a. O., S. 187). Analog dazu und interessanterweise nicht durch ausdrückliche Bezugnahme auf die phonologischen Merkmale, die wie erwähnt z. B . in L . Hjelmslevs „content figurae" ihr Pendant auf der Inhaltsebene gefunden haben, werden diese Marker zunächst ganz allgemein bestimmt als „elements in terms of which semantic relation are expressed in a theory" (a. a. O., S. 187). Zur Darstellung der einzelnen Sememe in Termini von semantischen Merkmalen wählen K / F die in der S y n t a x bereits verbreitete F o r m eines Baumgraphen. J e d e einzelne Bedeutungsangabe in Wörterbüchern kann nach K / F in eine obligatorische Bedeutungscharakteristik (sense — characterization) und oft auch in eine Folge von Synonymen zerlegt werden, die ihrerseits durch eine Bedeutungscharakteristik eigentlich hinfällig werden. K / F wenden sich daher ausschließlich dieser sense — characterization zu, bei deren Untersuchung sich rekurrente semantic markers ermitteln lassen. Eine vollständige semantische Beschreibung beinhalte dabei allerdings neben den semantic markers in den meisten Fällen 3 8 1 auch die sogenannten 106
distinguishes sowie Selektionsbeschränkungen. „The semantic markers and distinguishes" führen K / F auf S. 185/186 aus, „are the means by which we can decompose the meaning of one sense of a,lexical item into its atomic concepts, and thus exhibit the semantic structure in a dictionary entry and the semantic relations between dictionary entries. That is, the semantic relations among the various senses of a lexical item and among the various senses of different lexical items are represented by formal relations between markers and distinguishers". Eine in entsprechender Weise spezifizierte Wörterbucheintragung von bachelor erhielte demnach folgende Form, wobei die Selektionsbeschränkungerl nicht mit aufgeführt werden, die semantic markers in runden, die distinguishers in eckigen Klammern erscheinen: bachelor noun
(Human)
(Male)
[who has never married]
[young knight serving under the standard of another knight]
(Animal)
[who has the first or lowest academic degree]
(Male) [young fur seal when without a mate during the breeding time]
(a. a. O., S. 186)
K / F ist die mit der Scheidung von semantic markers und distinguishers verbundene Problematik nicht entgangen; sie sind daher sowohl auf die Bedeutung und Funktion der Marker als auch auf ihre Unterscheidung von den Distinguisher näher eingegangen. „Semantic markers", so lesen wir auf S. 187, „are the elements in terms of which semantic relations are expressed in a theory . . . The semantic markers assigned to a lexical item in a dictionary entry are intended to reflect whatever systematic relations hold between that item and the rest of the vocabulary of the language. On the other hand, the distinguishers assigned to a lexical item are intended to reflect 107
what is idiosyncratic about its meaning. Generally speaking, a change in the system of semantic markers has extensive consequences throughout the semantic theory, i. e. such a change radically alters the semantic relations which the theory claims to find between indefinitely many words in the language. B u t a change in a distinguisher merely alters the relation between one item and its synonyms." Die distinguishers bzw. semantischen Differenziatoren beinhalten demnach die verbleibende semantische Substanz der Bedeutung einer Einheit — its idiosyncratic features —, die nach K / F nicht in den Amalgamierungen berücksichtigt zu werden braucht. Die semantic markers würden ihre Bedeutung demgegenüber nicht so sehr im Hinblick auf die extralinguistische Realität oder ihren eigentlich eidetischen Gehalt hin erhalten, sondern vielmehr durch ihren Platz innerhalb einer semantischen Metatheorie, die nach K / F s Meinung semantische Universalien zu repräsentieren hätte und ihrerseits als Bezugspunkt für spezielle Beschreibungen der Einzelsprachen dienen könnte. „. . . a semantic marker is a theoretical construct which receives its interpretation in the semantic metatheory; it is on a par with such scientific constructs as the atom, the gene, valence, and the noun phrase. A marker like (Human) or (Color) is, then, not an English word, but a construct represented by one" (a. a. 0 . , S. 208). Die Ermittlung und der Grad der Spezifikation der Marker sind somit weitgehend zweckbestimmt und genügen den Anforderungen der speziellen Theorie, erheben aber keinesfalls den Anspruch auf eine vollständige, dem Wesen der semantischen Struktur gerecht werdende Darstellung. Neben dieser Beschränkung, über die K / F auf S. 188 ausführlich berichten, muß vor allem bei der Konstituentenanalyse ein gewisses Maß an Ökonomie in der Darstellung und Anzahl der Marker Beachtung finden. „The addition of new semantic markers, . . ., is for the sake of increasing the precision and scope of a semantic theory, but insodoing it also increases the complexity of the theory's conceptual apparatus" (a. a. O., S. 190). K / F haben sich bei ihrer Konstituentenanalyse folglich bewußt auf eine bestimmte Anzahl von Marker beschränkt, die ihrer Ansicht nach ausreichend sein sollte, um die interpretative capacity des fluent speaker nachzubilden. Dabei waren sie bestrebt, „The greatest possible conceptual economy with the greatest possible explanatory and descriptive power" zu erzielen. „If such decisions are optimally made, there should eventually come a point when increasing the complexity of a semantic theory by adding new markers no longer yields enough advantage in precision or scope to warrant the increase. At that point, the system of semantic markers should reflect exactly the systematic features of the semantic structure of the language" (a. a. O., S. 190). Neben 108
diesen
systematischen
Bedeutungskonstituenten
würden
nach
K/Fs Ansicht demnach noch andere, nichtsystematische Restbestandteile — eben die distinguishers — zur Bedeutungscharakterisierung der lexikalischen Einheiten herangezogen werden, nicht in theoretische Beziehungen zueinander treten. Gegenüber der Funktion der semantic markers bleibt der Status dieser distinguishers ziemlich unklar und problematisch, so daß nicht zufällig gerade an dieser Unterscheidung vielfältige Kritik 3 8 2 geübt wurde. So bietet die vorgeschlagene Theorie z. B., wie D. Bolinger in seinem bereits mehrfach erwähnten Artikel „The Atomization of Meaning" praktisch nachweist, keine Handhabe um zu entscheiden, ob beispielsweise e i n e m semantic marker zwei getrennte distinguishers oder vielmehr ein gemeinsamer distinguisher entsprechen müsse. „The whole notion of distinguisher appears to stand on precarious ground when one reflects that there is no motivated way for the describer of a language to decide whether a certain sequence of markers should be followed by a distinguisher or not. Such a decision would presuppose a dictionary definition which is guaranteed to be correct; the critical semanticist would then merely sort listed features into markers and distinguishers." 383 K/Fs Unterscheidung der lexikalischen Bedeutung in semantic marker und distinguisher scheint aus mehr als nur einem Grunde zweifelhaft und inkonsequent, doch sollte nicht übersehen werden, daß K / F in dem guten Glauben handelten, so die semantische Theorie durch eine intuitiv empfundene unterschiedliche Relevanz 384 der systemhaften Bedeutungskonstituenten zu vereinfachen und dabei trotzdem leistungsfähig zu erhalten. K / F handelten in der Überzeugung, daß die von ihnen aufgestellten Marker zur Erfassung aller wesenhaften Systembeziehungen und zur Erklärung der von ihnen untersuchten semantischen Erscheinungen ausreichen würden und sich die distinguishers als angeblich nicht mehr systemhaft faßbare bzw. nicht notwendig weiter aufgegliederte Restbestände der lexikalischen Bedeutung für die Bedeutungsforschung als irrelevant erweisen würden. Wie K/F, a. a. 0 . , S. 191, feststellten, zeige eine Betrachtung der Wörterbucheintragungen und der Beziehungen der lexikalischen Einheiten im Kontext außerdem, daß eine syntaktische und semantische Charakteristik der betreffenden lexikalischen Einheit oft nicht ausreicht, sondern daß noch eine zusätzliche Information erforderlich erscheint: „the relation between features of certain combinations into which a lexical item enters and the sense which the item bears in those combinations" (K/F, a. a. 0 . , S. 191). Diese Kontextspezifikationen bzw. Selektionsbeschränkungen, wie sie sich auch in guten Wörterbüchern fänden, gelte es weiter zu systematisieren, um die Informationen zu geben, die zur Bestimmung von Selektion und Exklusion (a. a. 0 . , S. 191) notwendig seien.385
109
3.1.1 Zu den Ansichten U . Weinreichs und E . A. Nidas U. Weinreich hat in seinen erwähnten „Explorations in Semantic Theory" einige Präzisierungen und Modifikationen an der grundlegenden theoretischen Konzeption sowie an speziellen Fragen der von K / F unternommenen Merkmalanalyse vorgeschlagen und auf der Grundlage einer ausführlichen kritischen Auseinandersetzung eine eigene semantische Theorie der sprachlichen Äußerung entwickelt. Im Rahmen der von uns angestrebten Zusammenstellung der Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung verdient vor allem die Polemik gegen K / F besondere Beachtung, weil Weinreich hier ausführlicher auf die Bedeutungsstrukturen einging. Weniger von Interesse mußten in diesem Zusammenhang dagegen die Ausführungen Weinreichs sein, die einen Hauptteil seiner Untersuchungen ausmachen und auf die Beschreibung der komplizierten Vorgänge bei der Kombination der Sememe im sprachlichen Kommunikationsakt angelegt sind. Daneben finden sich außerordentlich interessante und fruchtbare Gedankengänge über die Möglichkeiten einer ökonomischen Merkmaldarstellung sowie über zwischen den Bestandteilen eines Semems bestehende strukturelle Beziehungen, auf die noch im Zusammenhang mit der Erörterung einiger ungeklärter Probleme der semantischen Strukturbetrachtung im anschließenden vierten Kapitel näher einzugehen sein wird. I m Rahmen der hier beabsichtigten knappen Charakteristik des von U. Weinreich zur strukturellen Semantik geleisteten Beitrags wollen wir uns auf die Darlegung der bei der Merkmalanalyse auftauchenden neuen Probleme beschränken. Wir halten ein solches Vorgehen in diesem Fall für angebracht, da dadurch eine zusammenhängende Übersicht über den bisherigen Stand der Einsicht in die semantischen Strukturen ermöglicht wird. Wurden demgegenüber die Vorstellungen K / F s eingehender dargelegt, so vor allem deshalb, weil sie die mehr oder weniger veränderte Ausgangskonzeption auch für die Untersuchungen U. Weinreichs, E . A. Nidas und D. Bolingers, also der amerikanischen Semantiker moderner Prägung, darstellen und selbst eine nur oberflächliche Skizzierung der von den erwähnten Autoren vorgenommenen kritischen Einschätzung und Weiterentwicklung der K/Fschen Konzeption der semantic markers, distinguishers und Selektionsbeschränkungen einer ausführlicheren Darlegung der kritisierten Konzeption bedurfte. Wenn sich daher die Behandlung der Weinreichschen Arbeit vergleichsweise sehr bescheiden ausnimmt, so soll damit keinesfalls ein Werturteil gefällt, sondern lediglich dem Umstand Rechnung getragen werden, daß Weinreich in seinen konkreten Untersuchungen zur semantischen Mikrostruktur sich im wesentlichen mit den bereits von K / F aufgeführten semantischen Merkmalen begnügt. U. Weinreich hat in seinen „Exploration« in Semantic Theory", in die die Forschungsergebnisse vorangegangener Arbeiten eingegangen sind, eine auf Grund der angeschnittenen komplizierten Problematik 110
umstrittene erweiterte und entsprechend modifizierte Theorie der Semantik vorgelegt. Seinen Betrachtungen wird gewissermaßen als Begründung und Rechtfertigung eine ausführliche Kritik der Ansichten K / F s vorangestellt, in der vor allem die Frage der Unterscheidung von syntactic und semantic markers besondere Beachtung erfuhr. Auf die im einzelnen nur äußerst schwer und nicht selten willkürlich zu bestimmende Grenze zwischen letzteren soll im weiteren ebensowenig näher eingegangen werden wie auf die von Weinreich vorgelegte und beispielsweise auch für die Stilistik bedeutsame Konzeption der Transferrules. Neben den bemerkenswert originellen und fruchtbaren Ausführungen Weinreichs zu einer Graduierung der Normverstöße und damit der Semantizität verdient in diesem Zusammenhang vor allem die entscheidende Feststellung Beachtung, daß die von K / F behauptete Unstrukturiertheit der Marker einer semantischen Mikrostruktur wie auch einer Amalgamierung nicht den Tatsachen entspräche. Ebenso wie bei der Verbindung mehrerer Lexeme in der syntagmatischen Dimension, so sei auch in der paradigmatischen — in der semantischen Mikrostruktur — zwischen nichtstrukturierten Merkmalkomplexen, sogenannten Clusters (Weinreich, a. a. 0 . , S. 418ff.) sowie gewissen strukturierten Konstituentenkomplexen, den sogenannten configurations (ebenda), zu unterscheiden. Über die Beschaffenheit dieser Konstituenten finden sich bei ihm allerdings ebenso wenig nähere Ausführungen wie bei K / F ; die semantischen Merkmale werden vielmehr auch hier ad hoc gebildet und ohne ausdrückliche Begründung eingeführt und entsprechen wie bei K / F in ihrer „sensitivity" den speziellen Erfordernissen der semantischen Theorie, d. h. vor allem den Bedürfnissen der von Weinreich vorgetragenen Transferrules. Es darf daher wohl eingeschätzt werden, daß Weinreich hinsichtlich einer paradigmatischen Sememanalyse weniger neue Gedanken und Einsichten entwickelt hat als beispielsweise D. Bolinger oder selbst E . A. Nida 386 , der im Anschluß an die Untersuchungen K / F s bei der Analyse einiger lexikalischer Einheiten bedeutsame Modifikationen in der Merkmaldarstellung vornahm. N i d a unterstreichtin seinen Darlegungen die Bedeutung des Wörterbuchs für die semantische Theorie, legt also verstärkt Wert auf eine paradigmatische Betrachtung. Dabei geht er in der Aufgabenstellung und in der konkreten Merkmalanalyse in nicht wenigen Fällen über sein Vorbild K / F hinaus, so u. a. wenn er fordert, daß das Wörterbuch nicht nur z. B . bei grammatischmorphologischer Identität semantische Unterschiede aufzeigen, sondern auch Ausdrücke beschreiben helfen müsse, die grammatisch gleich, mophologisch unterschiedlich, semantisch aber annähernd äquivalent wären, wie z. B . cops — policemen (a. a. O., S. 102). „What is required is a listing of all the meanings (linguistic, referential, and emotive)", so führt E . A. Nida, a. a. 0 . , S. 102 weiter aus, „structured in such a way as to reveal the patterns of structural contrasts which form the framework of meaning." Die Wörterbucheintragungen hätten am besten in Form der von K / F vorgeschlagenen 111
semantic markers und distinguishers zu erfolgen, wobei die semantic markers nach Nida allgemein als Kreuzungspunkte in der semantischen Struktur bestimmt werden sollten, in denen sich potentiell oder aktuell mehrdeutig Ausdrücke am ökonomischsten unterscheiden lassen. Diese semantic markers seien demnach „merely convenient devices for signaling certain dominant features of the contrasts which exist between the sets of meanings. They are not all — inclusive in meaning nor necessarily always the most significant differentiations for all contexts. They should however be as relevant and as diagnostic as possible for the majority of contexts" (a. a. O., S. 103). In den untersuchten Bedeutungen müsse zwischen einer zentralen und einer periphären Bedeutung 387 unterschieden werden, die in der semantischen Mikrostruktur der Sememe — Nida spricht wohlgemerkt selbst nicht von Sememen und kennt auch die eingeführte Unterscheidung von Mikro- und Makrostruktur nicht — durch „several different grades of priority depending upon the complexity of structure in the semantic tree" repräsentiert würden (a. a. 0 . , S. 105). Die distinguishers, die am Ende eines jeweiligen Baumzweiges stehen, weisen ihrerseits nicht alle Merkmale des Referents (Denotats), sondern nur die auf, die die entsprechende Bedeutung von allen lexikalischen Einheiten unterscheiden, die sich in dem betreffenden Denotatsbereich überschneiden könnten (a. a. 0 . , S. 105). Als ein Beispiel für eine Darstellung der komplexen Mikrostrukturen in der von Nida modifizierten Form, in der anstelle der einfachen Merkmale Merkmaloppositionen bzw. -distinktionen ähnlich den auch bei Greimas nachzuweisenden Disjunktionen treten, sei der Baumgraph der lexikalischen Einheit chair angeführt der die Unterscheidung in semantic markers und distinguishers folgendermaßen berücksichtigt (a. Abb. S. 113). Nida hat bei seinen Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung besonderen Wert auf die Klarstellung gelegt, daß er nicht nach einer logischen, extralinguistischen und damit der Sprache von außen her auferlegten Ordnung, sondern nach einer der Sprache selbst immanenten Struktur der Bedeutungen suche. „We are only concerned here with the manner in which the language itself structures these meanings by resolving the ambiguities which may occur." 388 Dabei sei der höchste Punkt bzw. „Knoten" in der semantischen Mikrostruktur durch den hierarchisch höchsten Bedeutungsunterschied (Merkmalopposition) besetzt, der durch die Kontextanalyse signalisiert werde, während „each successive level is likewise determined by the degree of particularity in the context which identifies the alternative meanings." Bei der Beurteilung des Charakters der aufgeführten Merkmaloppositionen dürfe man sich nicht dadurch irre machen lassen, daß diese eher logisch abgeleiteten Distinktionen gleichen als „merely labels for certain types of contextual uses which are significant in identifing the meanings involved. That is to say the distinction of „object vs. role" is not based on any a priori logical system, but 112
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113
only on the fact that the most relevant types of contexts which distinguish potential ambiguities in the use of chair have words which signal whether the term is to be understood as being an object or a role" (a. a. 0 . , S. 105). E . A. Nida hat gegenüber K / F das Vorhandensein einer gewissen Merkmalhierarchie in den Sememen behauptet; während einige Marker bedeutendere Unterscheidungen kennzeichneten, würden andere einen begrenzteren Charakter aufweisen (a. a. 0 . , S. 106). Überall dort, wo eine solche hierarchische Struktur bestehe, müsse sie sorgfältig beschrieben werden, weil dadurch unsere Kenntnis grundlegender Strukturen der Bedeutung besonders gefördert wird. Das gleiche semantisch-distinktive Merkmal könne auf den verschiedenen paths an unterschiedlichen Punkten der Merkmalhierarchie auftreten je nach Komplexität der untersuchten lexikalischen Einheiten, so z. B . human vs. nonhuman in dem Baumgraph der polysemen abstrakten lexikalischen Einheit spirit.389 Nida hat in seinen Ausführungen interessante Präzisierungen des Charakters der semantic markers vorgenommen und dabei u. a. zwei Typen unterschieden: 1. semantic markers, die durch eine Positiv-Negativ-Dichotomie gekennzeichnet sind, wie z. B . : nonobject vs. object bzw. verbal vs. nonverbal 2. semantic markers, die deskriptive Kontraste zum Ausdruck bringen, so z. B . : event, vs. abstract, conceptual vs. behavioral, executive vs. judicial usw. (a. a. O., S. 109). I m allgemeinen sei eine gewisse Tendenz dahingehend zu bemerken, daß die Positiv-Negativ-Dichotomien eher an hierarchisch höherer Stelle auftreten würden, die deskriptiven Kontraste dagegen an niederer (a. a. 0 . , S. 110/111). „The choice of the particular type of semantic markers for any point depends upon the manner in which the language resolves the ambiguity. I n other words, if the ambiguity can be resolved by a simple yes-no contrast, then the marker is positive-negative, but if the solution to the ambiguity consists in describing the respective areas of signification, then the markers must incorporate these descriptive contrasts" (a. a.O., S. 111). Obgleich eine relativ große Zahl von Bedeutungen in binären Positiv-Negativ-Dichotomien beschrieben werden könne, sei dieses System durchaus nicht universell und allein verbindlich. Neben den überwiegenden binären Distinktionen könnten auch singulare und mehrfache vorkommen. 390 Die Möglichkeiten für die Distinktionen in den semantisch-distinktiven Merkmalen ist theoretisch unbegrenzt; doch finden sich in den hierarchisch höheren Distinktionen vor allem solche Kontraste wie object vs. event, event vs. abstract, object vs. abstract, human vs. nonhuman, animate vs. inanimate, natural vs. supernatural usw. 391 Diese hierarchisch höchsten Merkmale verdienen u. E . insofern besondere Beachtung, als sie allgemeinere semantische Distinktionen signalisieren und nicht zuletzt auch in ihrer konkreten Form bestimmte Übereinstimmungen mit den Klassemen Pottiers und den Kontextsemen bzw. Klassemen Greimas' aufweisen. 114
I n Distinktionen niederer Abstraktionsstufe seien dagegen die Kontraste oft auf Unterschiede in Geschlecht, Raum, Wert u n d Intensität angelegt. Dabei muß auch bei dieser Einteilung berücksichtigt werden, d a ß zu einer vollständigen und gültigen Einordnung umfassendere Sememanalysen erforderlich sein dürften als die von Nida durchgeführten, daß jedoch dadurch die von Nida behauptete hierarchische Abfolge der Merkmale entsprechend einer Abstraktionsleiter, die vom Besonderen zum Allgemeinen zu führen scheint, nur noch deutlicher zu werden verspricht. Wesentlich erscheint in diesem Zusammenhang auch bei der von Nida gegebenen Charakteristik der semantischen Mikrostruktur und ihrer Elemente der Hinweis, daß für jede lexikalische Einheit einer Sprache die Anordnung und der Typ der durch die semantic markers ausgedrückten Bedeutungsdistinktionen von der Struktur der betreffenden Einheit abhängig sei, so daß eine Kategorie, die als Marker an höchster Hierarchiestufe erscheint, in einem anderen Semem möglicherweise viel weiter unten in der Merkmalhierarchie auftauchen kann (a. a. 0 . , S. 112). Daneben verdient auch die Annahme E. A. Nidas besondere Beachtung, daß sich die Sprachen hinsichtlich der Typen und Rekurrenz der semantischen Merkmale unterscheiden würden und daß einige semantische Kategorien im Laufe der Sprachentwicklung eine morphologische Kennzeichnung erfahren hätten. Nidas Ausführungen über den Charakter der semantischen Merkmale sowie über die zwischen ihnen bestehenden vielschichtigen strukturellen Beziehungen sind in ihrer theoretischen und praktischen Bedeutung noch nicht allseitig gewürdigt und auch hier nur knapp skizziert worden. Noch stehen umfassende praktische Analysen aus, die allein in der Lage wären, eventuelle Modifikationen an den dargelegten Konzeptionen zu rechtfertigen; doch scheinen nicht wenige der von Nida vorgenommenen Präzisierungen und Ergänzungen sowohl hinsichtlich der qualitativen Charakteristik der Marker als auch hinsichtlich ihrer Beziehungen im Lichte der modernsten Ansichten bereits weitgehend gesichert. Noch weitgehend ungeklärt und umstritten ist dagegen, wie bereits u. a. durch U. Weinreich herausgestellt wurde, die Möglichkeit und Notwendigkeit der Unterscheidung von semantic markers und distinguishers. Besonderes Interesse verdienen in dieser Hinsicht die Ausführungen D. Bolingers, der anhand der von K / F selbst gewählten Musterbeispiele den Nachweis zu erbringen suchte, daß die auch von Nida übernommene Scheidung theoretisch und praktisch unhaltbar erscheint.
3.1.2 Zu D . Bolingers Ansichten über die S t r u k t u r der B e d e u t u n g NachD.Bolinger ist die v o n K / F vorgenommene Aufgliederung der Lexikoneinheiten in Marker und Distinguisher schon deshalb unbegründet, weil die Wörterbücher, auf die sich die Autoren stützen, ihrerseits keine Grenzlinie 8»
115
zwischen beiden ziehen und wohl auch kaum zu ziehen erlauben würden. Der Dualismus sei, wie Bolinger zu Recht hervorhebt, durch K / F geschaffen worden, um die Möglichkeit zu erhalten, genau die für das Funktionieren der Projektionsregeln und die beabsichtigte Aufdeckung von Lesearten ausreichende Menge von semantic markers zu bestimmen (Bolinger, a. a. 0 . , S. 558). K / F hatten a. a. 0 . , S. 190 vor einer ungerechtfertigten weiteren Aufgliederung der Distinguisher in Marker gewarnt, doch sei das von ihnen vorgeschlagene Kriterium für den zu erreichenden Grad an „sensitivity" — die Disambiguierung semantisch mehrdeutiger Sätze — von beiden Autoren nicht konsequent genug in Anwendung gebracht worden. Anderenfalls hätte, wie Bolinger anhand eines von K / F selbst gegebenen Beispiels nachweist, in das von K / F auf S. 190 zur Illustration angegebene Diagramm unbedingt noch das semantisch distinktive Merkmal (Young) als selbständiger Marker aufgenommen werden müssen. Nach Bolinger würde das entsprechend veränderte Diagramm demnach folgende Gestalt annehmen müssen: bachelor
I
Noun
(Human)
(Male) | j [who has never married]
(Animal)
[who has the first or lowest academic degree] [ (Young) [knight serving under the standard of another knight]
(Male) | (Young) | [fur seal when without a mate during the breding time] (Bolinger, S. 569)
Durch eine geschickte Auswahl von Beispielsätzen für die von K / F analysierte Bezeichnung bachelor gelingt es Bolinger nachzuweisen, daß die von K / F angegebenen Marker nicht zur Disambiguierung ausreichen und sich aus den angegebenen Distinguisher weitere Marker ausgliedern lassen, die die erforderliche Monosemierung der neugewählten Beispielsätze gewährleisten. Bolinger kommt konsequenterweise zu dem Schluß, daß die theore116
tisch ohnehin n u r unzureichend begründete Scheidung von Marker und Distinguisher auch praktisch unhaltbar und daher aufzugeben sei und sich die Distinguisher in Marker „auflösen" ließen. Ein solches Vorgehen ist nach Bolinger theoretisch und praktisch grundsätzlich möglich und zudem, auch „ästhetisch" befriedigender. Doch bringt es auch die Unannehmlichkeit mit sich, daß sich die Zahl der Marker um ein Beträchtliches erhöht — im Falle von bachelor um das Fünffache —, ohne daß stets im entsprechenden Kontext eine solche Feingliederung unbedingt erforderlich wäre. Zur Blustration für die lückenlose Aufgliederung des Distinguisher von bachelor in semantic markers sei die graphische Darstellung der Struktur dieser Lexikoneinheit, wie sie von Bolinger in Abbildung 5 auf S. 563 angegeben ist, angeführt. bachelor Noun
(Human)
(Male)
(Adult) I (Nonbecoming) I (Unmated)
(Military) I (Hierarchic) I (Noble) I (Inferior) I (Dependent) I (Procimate) I (Young)
(Educand) I (Hierarchic) I (Permanent) I (Inferior)
(Animal) I (Phocine) I (Hirsute) I (Male) I (Adult) I (Young) I (Nubile) I (Unmated)
Bei der Ermittlung und Formulierung der Marker sowie beim Entscheid über ihre hierarchische Anordnung mußte Bolinger zu einigen spezielleren Fragen hinsichtlich des Wesens der Konstituenten und ihrer Beziehung untereinander Stellung beziehen. E s konnte bei der neuartigen Aufgabenstellung und dem Vordringen in bisher als nicht systematisierbar bezeichnete Bereiche der Bedeutung nicht ausbleiben, daß bei dem Versuch, neue Marker zu erschließen, sich viele neue, komplizierte Probleme auftaten, 117
deren Lösung bei dem gegenwärtigen Forschungsstand offen gelassen werd e n muß.392.
Ähnlich wie U. Weinreich gelangt auch D. Bolinger zu der Schlußfolgerung, daß die semantische Theorie mehr Aufgaben habe als die ihr von K / F bei der Reduktion und Feststellung semantischer Mehrdeutigkeit zuerkannten. Aus einer Neuformulierung der Aufgaben einer semantischen Theorie ergäben sich auch wesentliche Konsequenzen für den Aufbau von Wörterbucheintragungen und für den Grad an Explizität der semantic markers. „There is a difference between a dictionary whose entries are written to account only for disambiguations, and one that must account also for recognitions of anomaly. I f the dictionary is to be an auxiliary for a translation machine, where it is fairly safe to assume, that no anomalous sentences will be part of the input, then the relatively limited roster of one or two dozen markers per entry may suffice" (Bolinger, a. a. O., S. 564). Daneben sei auch zu bedenken, daß sich möglicherweise nicht jede Wörterbucheintragung in gleicher Weise für eine restlose Zerlegung in semantic markers eigne und es in einigen Fällen sowohl praktisch als auch theoretisch weitaus schwieriger fallen dürfte, den distinguisher im Sinne K / F s in kleinere rekurrente semantisch-distinktive Einheiten aufzugliedern, ohne daß nicht ein Restbestand an nicht weiter systematisierbarer semantischer Substanz verbliebe. Bolinger stellt dazu in seinem Artikel fest: „I am inclined to think that K - F ' s example is a special kind of word where we ,find' the markers that we have already put in . . . I t is something different to find markers in anything that has a life history independent of our namingoperations. A bachelor is a bachelor because he is unmariied, and marriage is an arbitrarily defined social ceremony; we impose the conditions. A bird or a fish is something that we take as we find it, and the markers are adjusted like a suit of clothes, often badly." (a. a. O., S. 567/568) D. Bolingers Ausführungen stellen sich eher als paradigmatische denn als syntagmatische Betrachtung dar, wie sie sich u. a. gerade bei K / F und U. Weinreich findet und setzen auf einer höheren Ebene die bereits von E . Leisi und den Anhängern der „componential analysis" unter den amerikanischen Anthropolinguisten begonnene Analyse fort. Es scheint dabei kein Zufall zu sein, daß Bolinger bei der von ihm vorgenommenen konsequenten Sememanalyse auf der Grundlage typischer Satzkontexte immer neue semantischdistinktive Merkmale aufdeckte und zu einer vollständigen bzw. doch sehr weitgehenden Auflösung der distinguishers veranlaßt wurde. Selbst wenn, wie sich beim gegenwärtigen Forschungsstand noch nicht genau entscheiden läßt, nicht eine generelle Auflösung aller möglichen Sememe in eine endliche Zahl rekurrenter Bestandteile, linguistisch relevanter Seme, behauptet werden kann, so darf doch an der grundsätzlichen Möglichkeit einer Auflösung in linguistisch nicht mehr relevante Bestandteile entsprechend der im ersten Kapitel dargelegten Bedeutungskonzeption nicht gezweifelt wer118
den. Kann doch der nicht mehr in linguistisch relevante Konstituenten aufspaltbare positive Rest (distinguisher) möglicherweise durchaus in einer weiterführenden — nunmehr bereits eindeutig extralinguistischen — Analyse auf kleinere diskrete begriffliche Elemente untersucht werden. Bei einem solchen mehr und mehr in Richtung auf eine Analyse des „knowledge of the world" zielenden Vorgehen wird allerdings die Gefahr immer spürbarer, daß subjektive Abbildfaktoren in die Beschreibung einbezogen werden. Ausreichend gesicherte Erkenntnisse über den Charakter der semantic markers sowie ihre aus der Analogie zur Phonologie geschlußfolgerte Universalität liegen, wie bereits festgestellt, auch auf extralinguistisch-semetischem Gebiet nicht vor. Es empfiehlt sich daher, bei den durch die semantische Konstituentenanalyse erschlossenen Bereichen und Probleme sorgfältig zu unterscheiden zwischen einigermaßen gesicherten und anerkannten Erkenntnissen sowie mehr oder weniger akzeptierten, bewiesenen und einleuchtenden Hypothesen. 393 Nach Ansicht von D. Bolinger (a. a. 0 . , S. 573) bestünden zwar hinsichtlich der Funktionsbreite der semantic markers eines Semems, d. h. letztlich der höheren oder tieferen Stellung in der Merkmalhierarchie, Unterschiede, nicht aber hinsichtlich ihrer theoretischen Berechtigung als semantischdistinktive Merkmale. Dabei spielen gwiß einige markers auf Grund ihrer Allgemeingültigkeit eine besondere Rolle als rekurrente Merkmale, doch sind deshalb die weniger allgemeinen Konstituenten von nicht geringerer Bedeutung für die Beschreibung der semantischen Mikrostrukturen, Verknüpf ungsvorgänge und Disambiguierungen, zumal die Zahl und Auswahl der für eine bestimmte Analyse verwendeten Merkmale ohnehin gegenwärtig noch erheblich von der bei der Analyse verfolgten Zielstellung bestimmt wird. Unter den modernen amerikanischen Semantikern nimmt D. Bolinger mit den in seinem Artikel geäußerten Gedanken insofern eine Sonderstellung ein, als er im Anschluß an die Anregungen K / F s in konstruktiver Kritik ausführlich auf Probleme eingegangen ist, die unmittelbar mit der Ermittlung und dem Charakter der semantischen Konstituenten, also mit dem Aufbau einer lexikalischen Einheit, einer semantischen Mikrostruktur, in Beziehung stehen und nicht primär mit der Funktion dieser Marker bei der Modellierung der „interpretative ability" des „fluent Speaker". Es ist ein bleibendes Verdienst D. Bolingers, durch seine praktischen Analysen und theoretischen Schlußfolgerungen hinsichtlich der Auflösbarkeit der distinguishers und der Existenz latenter Merkmale einen wertvollen Beitrag zur Beschreibung der semantischen Mikrostrukturen geleistet und dabei nachdrücklich die Notwendigkeit einer semantischen Konstituentenbetrachtung unterstrichen zu haben, die von den tatsächlichen kontextuellen Vorkommen ausgeht. 119
3.2 Zu den semantischen Konstituenten B . Pottiers Pottier hat in einem sehr konzisen Artikel „Vers une sémantique moderne" versucht, eine notwendige theoretische und terminologische Vereinheitlichung der Bedeutungsbetrachung vorzunehmen und eine Gesamtschau der in einer modernen semantischen Theorie zu berücksichtigenden vielschichtigen, ineinander verwobenen Erscheinungen zu geben. Seine Betrachtungen haben ihn zu einer Aufgliederung der mannigfachen Bestandteile der Bedeutung auf den verschiedensten Ebenen in paradigmatischer und syntagmatischer Sicht geführt. Pottier kommt in diesem Artikel, der ausdrücklich nicht als semantische Theorie verstanden sein möchte (a. a. 0 . , S. 108), zu einer auf den ersten Blick hin verwirrenden terminologischen Beziehungsfülle. Viele neue Termini stellen indessen nur XJmbenennungen von in der traditionellen und modernen Bedeutungsforschung und Sytax hinlänglich bekannten und bezeichneten Erscheinungen dar. 3 9 4 Entsprechend der Orientierung auf die semantische Konstituentenstruktur der Bedeutung sollen uns im folgenden weniger die Ausführungen B . Pottiers über die semantischen Makrostrukturen sowie über die von ihm in seinem grundlegenden Artikel zur modernen Semantik eingehender bestimmten Grammeme, Funkteme und Virtueme interessieren. Nach einer Analyse der französischen Beziehungen pouf, tabouret, chaise, fauteuil und canapé gelangt B . Pottier zu der Ansicht, daß diese fünf Gegenstände mit Hilfe von sechs substantiellen Semen, d. h. sechs minimalen semantisch-distinktiven Merkmalen, ausreichend definiert werden könnten. „Chaque forme signifiante a donc un contenu sémantique composé d'un ensemble de sèmes, appelé sémème: chaise : s 1 , s 2 , s 3 , s 4 (« pour s'asseoir », « sur pieds », « pour une personne », « avec dossier »). Dans un ensemble comprenant un fauteuil, chaise se définit relativement comme n'ayant pas le sème s 5 (« avec bras »), et ainsi de suite. Qu'il soit bien entendu qu'une étude sémantique pourrait se contenter de distinguer des sèmes uniquement par leur présence ou leur absence, donc seulement les numéroter. Pour être plus clair, nous explicitons ces sèmes, malheureusement à l'aide de mots de la langue. Il faut bien distinguer entre/avec bras/en tant que sème (sème n° 7143 par ex.), et bras en tant que forme de la langue, et à laquelle correspond un sémème composé de x sèmes" (a. a. O., S. 122). Ein Semem besteht demnach aus einer jeweils konkret bestimmbaren Anzahl von Semen. Finden sich zwei oder mehr Seme, die innerhalb eines bestimmten Bereiches von Sememen gleich sind und existiert in der betreffenden Sprache ein Semem, das gerade aus diesen Semen besteht, so spricht Pottier von einem Archisemem, dem auf der Ausdrucksebene ein Archilexem entsprechen würde. Ein Archisemem ist mithin die Gesamtheit der mehreren Sememen gemeinsamen Seme (a. a. O., S. 124). Als Beispiel führt er die französische Bezeich120
nung ,siege' an, der im Deutschen vielleicht „Sitzgelegenheit" entsprechen würde, das sich aus den Semen „pour s'asseoir" und „sur pieds" 395 zusammensetzt. Das Archisemem bildet damit eine Untermenge der betreffenden Sememe; die Beziehungen zwischen Semem und Archisemem, die vor allem f ü r die semantische Makrostruktur von Bedeutung sind, ließen sich etwa in folgender Weise grafisch darstellen: (a. a. 0 . , S. 122) Archisemem c Semem
bzw. in dem von E. Coseriu
übernommenen konkreten Schema als : siège chaise (a.a.O., S. 186) Zwischen Archisemem und Semem bestünde demnach die logische Beziehung der Implikation, auf die u. a. auch von K. Heger verwiesen worden war. Diese Beziehung der Implikation kann — und das unterstreicht die enge Wechselbeziehung von semantischer Makro- und Mikrostruktur nach Pottier — durch Bezug auf die semantische Mikrostrukturen etwa wie folgt bestimmt werden: „Le sémème A est un sous — ensemble du sémème B si t o u t sème du sémème de A est aussi un sème du sémème de B." 3 9 6 Als ein interessantes Beispiel, das die auf der semantischen Mikrostruktur der jeweiligen Lexeme aufbauende semantische Makrostruktur deutlich macht, seien die von B. Pottier anhand einer sorgfältigen Analyse der einsprachigen coffre
meuble
caisse I boîte I récipiant I ustensile
objet I chose I ce qui existe (Pottier 1965, S. 37)
121
Wörterbuchdefinitionen von coffre sowie von canapé, fauteuil, chaise dargelegten Implikationsbeziehungen im folgenden kurz aufgezeigt. Zwischen coffre und den zu seiner Definition in verschiedenen französischen Wörterbüchern herangezogenen Bezeichnungen ließen sich nach Pottier strukturelle Beziehungen der S. 121 gezeigten Art aufstellen, wobei natürlich nicht Wert auf eineexhaustive Analysegelegt wurde, sondern im wesentlichen nur eine Illustration der im Wortschatz nachweisbaren Strukturen beabsichtigt war. Bei seiner Konstituentenanalyse hat sich Pottier wohl nicht zufällig auf die Untersuchung eines relativ fest umrissenen sachlich-lexikalischen Feldes beschränkt und aus dem Vergleich der zu diesem intuitiv empfundenen und sachlich begründeten Ganzen gezählten Lexembedeutungen distinktive Konstituenten ermittelt. Dabei sind die angeführten Seme, wie u. a. A . J. Greimas 397 sehr richtig hervorhob und auch Pottier 3 9 8 andeutete, nicht als die kleinsten, letzten Inhaltselemente zu betrachten. Eine eingehendere Untersuchung der von Pottier aufgezeigten Seme macht einen gewissen, allerdings relativ schwer überprüfbaren Unterschied hinsichtlich der Allgemeingültigkeit der einzelnen ermittelten Seme deutlich. Dabei kann nicht übersehen werden, daß der erreichte Grad der Feingliederung, durch die engen sachlichen Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten bedingt, im von Pottier untersuchten „lexikalischen F e l d " höher ist als bei K/F. Die allgemeinen Seme, die bei K/F eine große Rolle spielen, müssen hier unter der Bezeichnung Klassem gesucht werden, wobei sich die vorgenommene Sememanalyse einer Analyse des linguistisch nicht mehr relevanten Teils des Abbilds, sei es nun des überindividuellen Begriffes oder auch einer Beschreibung in Termini der Denotatsspezifika, zum Teil ganz beträchtlich nähert. Auf die zwischen den Konstituenten eines Semems bestehenden strukturellen Beziehungen ist B. Pottier in seinen Arbeiten nicht näher eingegangen, und es scheint wohl auch kein Zufall zu sein, daß er zur Darstellung der bereits in seinem ersten erwähnten Artikel auf ihre Konstituenten hin analysierten französischen Bezeichnungen für „Sitzgelegenheiten" die für die Illustrierung der Beziehungen von semantischen Mikro- und Makrostrukturen besonders geeignet erscheinende Form der Merkmalmatrize gewählt hat, die es erlaubt,
signifiant Lexéme
sèmes pertinents pour s'asseoir
sour pied(s)
canapé fauteuil chaise taboret
+
+ + +
Siège
+
+
+ + +
pour personnes —
+ + +
avec dossier
avec bras
(+)
(+)
+ +
+
-
-
—
(a. a. O. S. 34) 122
einer Entscheidung über die internen Strukturbeziehungen der Seme auszuweichen. Während eingehendere Hinweise auf die semantische Mikrostruktur, so z. B. auf eine von Weinreieh postulierte Strukturierung, fehlen, hat Pottier der Darstellung der im übrigen weitaus offensichtlicheren Makrostrukturen und dabei insbesondere den verbreiteten Implikations- bzw. Inklusionsbeziehungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt und wertvolle Anregungen für weiterführende Analysen gegeben. Seine paradigmatische Strukturanalyse sowie seine Betrachtungen zur syntagmatischen Funktion der Klasseme sind u. a. auch für A. J . Greimas Anlaß gewesen zu einer eingehenden Analyse der semantischen Mikro- und Makrostruktur sowie der Verknüpfung der Sememe in der sprachlichen Äußerung, die vor allem in den Werken der amerikanischen Forscher im Vordergrund stand. Pottiers methodisches Vorgehen unterscheidet sich von den bisher angeführten semantischen Konstituentenanalysen vor allem durch die Tatsache, daß er zum Ausgangspunkt seiner Sememanalyse nicht expressis verbis das kontextuelle Vorkommen der betreffenden Einheit im Satz wie z. B. bei K / F und Bolinger, sondern vielmehr eine intuitiv als miteinander in Beziehung stielend empfundene Gruppe lexikalischer Einheiten gewählt und aus dem Vergleich mehrerer miteinander in — sachlicher — Verwandtschaft stehender Sememe distinktive bzw. einfach gemeinsame begrifflich-noetische Abstraktionselemente herausgelöst hat. Pottiers Semembetrachtung, die sich auf eine paradigmatische Betrachtung der semantischen Mikro- und Makrostrukturen orientiert, unterscheidet sich von den vorausgehenden Betrachtungen u. a. eben gerade durch die Präzisierung, die hinsichtlich des Charakters der Seme vorgenommen wurden und die z. B. zur terminologischen Scheidung von Semem und Klassemen Anlaß gaben. Zu letzteren, von den Semen als semantischen Elementen geringerer Rekurrenz und Allgemeingültigkeit geschiedenen semantischen Merkmalen bzw. Selektionsbeschränkungen zählt Pottier u. a. (Animation), (Transitivité), (Continuité) und (Matérialité) (a. a. O., S. 38). Das Klassem kann als eine Einheit allgemeinster, aus dem distributioneilen Verhalten ermittelter begrifflicher bzw. semantischer Klassen formal repräsentiert sein, geht aber auch im gegenteiligen Falle mit dem Semem zusammen eine semantische Einheit größerer Ordnung ein, die von Pottier als Semantem (a. a. 0., S. 33) bezeichnet wurde. Neben diesen bedeutsamen qualitativen Unterscheidungen verdient noch eine weitere von Pottier vorgenommene Spezifizierung des Charakters der Seme erwähnt zu werden. I n seinem Artikel von 1965 unterscheidet er bereits nicht mehr nur zwischen substantiellen und relationeilen, sondern darüber hinaus zwischen deskriptiven und funktionellen Semen und deutet damit einen Weg an, wie seine Seme weiter aufgegliedert und formalisiert werden können. 399 Distinguishers tauchen bei Pottier nicht auf, werden auch nicht erwähnt, obwohl ihm die Scheidung aus der Lektüre von K / F s Arbeit geläufig sein mußte. 4 0 0 123
Die von B. Pottier vermutlich im Anschluß an Hjelmslev und L. Prieto vorgenommene Untergliederung der Sememe in eine jeweils ganz spezifische Anzahl semantisch-distinktiver Elemente erweist, wie der Autor selbst in einem Anhang zu seinem Artikel „Vers une sémantique moderne" auf den Seiten 135/136 aufzeigt, ihre Bedeutung auch bei der Beschreibung so allgemein bekannter, aber in der Regel noch nicht exakt beschreibbarer Erscheinungen wie der Synonymie oder Homonymie. Läßt sich doch der Grad der Synonymie lexikalischer Einheiten mit Hilfe der Anzahl und hierarchischen Einordnung der den betreffenden Sememen gemeinsamen Seme bestimmen. Pottiers Seme, die im Unterschied zu K / F ausdrücklich als Konstituenten des Semems und damit der makrolinguistischen Bedeutung betrachtet werden, erscheinen mithin als nützliche, in Teilbereichen der Lexik bereits praktisch ermittelte Komponenten einer semantischen Strukturbeschreibung. Einer möglichst exakten und eingehenden Analyse der Sememe auf die sie konstituierenden Seme hin kommt daher eine große Bedeutung zu. Auf einige speziellere, in Zusammenhang mit der Ermittlung und Formalisierung von Bedeutungskonstituenten auftretende Fragen eingegangen zu sein und eine beim gegenwärtigen Forschungsstand wünschenswerte Klärung ihres Charakters versucht zu haben, ist bleibendes Verdienst von G. F . M e i e r, dessen Untersuchungen zum Charakter der Bedeutungskonstituenten sich in manchen P u n k t mit den unabhängig davon gewonnenen Einsichten D. Bolingers und B. Pottiers decken und dadurch nicht nur die Aktualität einer solchen Fragestellung, sondern zugleich auch ihre prinzipielle Richtigkeit zu bestätigen scheinen.
3.3 Zur Noematik G. F . Meiers Auch G . F . M e i e r vertritt in mehreren Artikeln 4 0 1 die Auffassung, daß die Bedeutung der Lexeme und Lexemverbindungen in kleinere rekurrente Elemente aufgegliedert werden kann und zweckmäßigerweise beispielsweise im Interesse einer Erklärung und Modellierung des einsprachigen Informationsprozesses auch aufgegliedert werden müßte. Nach seiner Ansicht führe eine konsequent durchgeführte semantische Konstituentenanalyse auf Grund der Beschaffenheit der kleinsten Bedeutungseinheiten, der Noeme bzw. Seme im Sinne Pottiers, notwendigerweise über den rein sprachlichen Rahmen hinaus in extralinguistische Bereiche und werde dabei vor allem Gegenstand der Erkenntnistheorie. Wie G. F . Meier in seinem Artikel „Semantische Analyse und Noematik" ausdrücklich hervorhebt, geht es ihm nicht um eine theoretische Begründung und Durchdringung seiner Forschung, da dazu eine gründliche Auseinandersetzung mit der jüngsten Entwicklung der Semantik erforderlich
124
wäre, die Meier in einer späteren, bis heute noch nicht veröffentlichten Arbeit zu unternehmen verspricht (a. a. 0 . , S. 583). Dennoch stellt der Hinweis Meiers auf den erkenntnistheoretisch-epistemologischen Charakter der Noeme eine äußerst bedeutsame theoretische Einsicht dar, die sich in dieser klaren Form in den vor ihm veröffentlichten Abhandlungen zur Struktur der Bedeutung unseres Wissens nicht nachweisen läßt. Wie Meier im Laufe seiner Untersuchungen zu Recht feststellt, gehört die Erfassung der Noeme und ihre Beschreibung auf formalisierter Grundlage zu den größten Schwierigkeiten der modernen Linguistik, da diese Frage weder rein deduktiv noch rein empirisch gelöst werden kann und sich verschiedene Methoden an kritischen Punkten gegenseitig ergänzen müssen (a. a. 0 . , S. 589). Meier untersucht die sprachlichen Erscheinungen von der erkenntnistheoretischen Basis aus und kommt zu der Bestimmung der Bedeutungskonstituenten als begriffliche Elemente, als abstrahierte Elemente der Erkenntnis. Zwar gibt Meier selbst keine ausführliche Begründung f ü r seine Annahme, doch halten wir seine Hypothese nicht zuletzt auf Grund der im ersten Kapitel vorgenommenen Bestimmung des Charakters des Semems sowie der aufschlußreichen Hinweise A. J . Greimas' auf den epistemologischen Charakter der Seme für hinreichend gesichert. Meiers Versuch, durch Analogiemodelle zu dem realen Geschehen, das bei der sprachlichen Kommunikation und Information als Denkprozeß abläuft, eine geeignete Methode f ü r eine automatische Daten- und Informationsverarbeitung zu erschließen (a. a. 0 . , S. 583), führte ihn dazu, die vom Menschen in der Regel unbewußt vollzogene Zuordnung sprachlicher Formen zu Elementen der Erkenntnis explizit zu machen, um sie in einer formalisierten Sprache einer Maschine eingeben zu können (a. a. O., S. 582). Meier bezieht also die Anregung f ü r seine Untersuchungen mehr oder weniger direkt auch aus den Erfordernissen extralinguistischer Bereiche — und dabei nicht wie K / F der Maschinenübersetzung, sondern der nicht unwesentlich anders gearteten Daten- und Informationsverarbeitung; seine praktischen Forschungen und der Grad der „Auflösung" der Sememe sind daher auch wesentlich von diesen spezifischen Anforderungen an eine semantische Metasprache bestimmt. 4 0 2 Die in den beiden vorliegenden Artikeln durchgeführten Untersuchungen zur Konstituentenstruktur und zur Aufstellung eines Noematikons sind dazu allerdings nur die allerersten Schritte. Meier scheint sich durchaus der Problematik bewußt zu sein, die eine Interpretation der Bedeutung als eine Menge von 1 . . . n verschiedenen Noemen mit sich bringt, deren Zahl und Gestalt je nach Abstraktionsgrad der Elemente bzw. des Semems variieren kann. Diese Noeme seien zudem nicht nur Begriffselemente einer bestimmten Bedeutung, sondern besäßen auch als Verknüpfungsglieder im sprachlichen Kontext eine semantische Valenz. Bestimmte Noeme würden einander ausschließen, während andere einander bedingten oder ergänzten (a. a. O., 125
S. 590). Qualitative Unterschiede der Noeme sind damit zwar angedeutet, nicht aber mit gleicher Konsequenz wie bei Pottier oder Nida zum Ausdruck gebracht. Die Zahl und Gestalt (den Formalisierungsgrad) der Noeme richtig zu bestimmen, wird nach Meiers Ansicht zu einer der wesentlichsten Aufgaben einer jeden modernen Semantikforschung. Dabei läßt er offen, inwieweit eine solche Betrachtung der begrifflichen Abstraktionselemente und Denotatsspezifika noch einem Linguisten zukommen kann. Aus seinen Untersuchungen geht jedoch hervor, daß sich der Aufgabenbereich einer Semantik bei Akzeptierung seiner spezifischen Aufgabenstellung und der Aussagen über den begrifflichen Charakter der ermittelten Abbildelemente über das Linguistische hinaus erstrecken müsse. In seinem Artikel „Ein Beispiel der Monosemierung durch noematische Textanalyse" faßt Meier die Überlegungen, die ihn zur noematischen Betrachtungsweise veranlaßt haben, noch einmal wie folgt zusammen: „Neben dem erkenntnistheoretischen Grundsatz der Erkennbarkeit und Definierbarkeit aller realen Inhalte unserer Kommunikation und der Beschreibbarkeit fiktiver Inhalte lag unserer Überlegung die Tatsache zugrunde, daß der Perzipient einer Mitteilung imstande ist, ohne Rückfrage den Inhalt eines Satzes oder einer größeren Texteinheit zu verstehen. Da jedoch die einzelnen Textelemente nur in wenigen Fällen wirklich eindeutig sind, müssen sie es im Rahmen der sie umgebenden Elemente werden. Diese an sich triviale Feststellung kann man auch als ,Wirkung des Kontextes' in der linguistischen und logischen Fachliteratur seit Jahrhunderten finden. Um diesen Prozeß jedoch für automatische Informationsverarbeitung auszunutzen, genügt es nicht, die Tatsache als solche anzuerkennen" (a. a. O., S. 51). Die Unkenntnis des Prozesses selbst zwinge uns dazu, gewisse Modellvorstellungen zu entwickeln und experimentell zu überprüfen. Die Adäquatheit seines Modells, das auf der Aufgliederung der lexikalischen Bedeutung in begriffliche Abstraktionselemente basiert, gelte es vor allem durch die Wirkung der semantischen Konstituenten bei der Monosemierung zu bestätigen. Bei der von ihm angestrebten Modellierung des Verstehensprozesses für die automatische Übersetzung und Dokumentation verdient die noematische Definition neben der Angabe grammatischer Kategorien und syntaktischer Bedingungen besondere Beachtung. „Die Methoden zur Auffindung der an der Bildung eines Semems beteiligten Noeme sind vielfältiger Art und müssen es auch sein, um sowohl subjektive Fehldefinitionen auszuschalten als auch zu vermeiden, daß die exakt wissenschaftliche Definition über den kommunikativen Wert hinausgeht. Man darf nie übersehen, daß die Verwendung der Wörter dem augenblicklichen Kenntnisstand der Gesprächspartner entspricht" (a. a. 0 . , S. 53). Meier hat durchaus zu Recht auf die Gefahr verwiesen, die einer noetischen Analyse insbesondere bei Nichtbeachtung der sprachlich relevanten Be126
deutungskomponenten erwachsen kann. Doch scheint die von ihm vorgetragene zweifellos richtige Bedeutungskonzeption die erkannte Gefahr eines Sich-Verlierens in subjektiven Abbildvorstellungen nicht ernsthaft bannen zu können, denn bei der Festlegung des kommunikativen Wertes — der Bedeutung im Sinne Meiers — werden viele Fragen insbesondere nach dem wissensmäßigen, sozialen und geographischen Standard auftreten und subjektive E n t scheidungen vorderhand nicht ganz ausgeschaltet werden können, ähnlich wie gegenwärtig allgemein bei der semantischen Konstituentenanalyse. Es darf daher gewiß auch nicht überraschen, daß allem Anschein nach G. F. Meier bei der Ermittlung seiner Noeme der Gefahr des Abgleitens in sprachlich nicht mehr relevante Bereiche des Abbilds, auf die bereits im ersten Kapitel hingewiesen wurde, nicht ganz entgangen ist, und seine Noeme daher u. E. nicht samt und sonders als semantische Konstituenten bzw. Seme bezeichnet werden können. Als Beispiel ließe sich die durchgeführtenoematische Analyse solcher Lexeme wie Topf, Tiegel, Pfanne usw. anführen, bei der u. a. Noeme wie Preis oder blau angegeben wurden. Ausgangspunkt für Meiers diesbezügliche Überlegungen ist die Abstraktionsfähigkeit, die es dem Menschen erlaubt, Einzelheiten eines wahrgenommenen Gegenstandes aus dem Bewußtsein zu verdrängen und nur bestimmte Merkmale bzw. Eigenschaften des Denotats seinem Gedächtnis einzuprägen sowie verallgemeinernd gleiche Eigenschaften verschiedener Gegenstände zusammenzufassen. „So können wir im Alltag beispielsweise mehrere Töpfe in Küchen sehen. Wir erhalten optische (Form, Farbe, Hohlraum), akustische (metallischer oder tönerner Klang beim Aufstellen) oder taktile (Griffe, Glätte, Gewicht) Eindrücke. I m Situationskontext mit dem Kochvorgang sehen wir, daß der Topf feuerfest ist. Schließlich erfahren wir Kaufpreis usw." (a. a. 0 . , S. 589). Das mag zwar alles durchaus stimmen und für die Abbildanalyse allgemein auch wichtig sein, doch tauchen angesichts der beschriebenen Abstraktionsprozesse und Merkmale begrifflich-noetischer Art wohl doch berechtigte Zweifel an dem linguistischen Charakter, wenn nicht aller, so doch zumindest einiger der ermittelten Noeme auf. Nach Meier stellen wir dem Topf ähnliche Gefäße bzw. ähnlichen Zwecken dienende Gegenstände gegenüber, allerdings dabei angeblich auch solche, die nur in einem Noem und dazu, wie z. B. bei Himmel und Topf, sogar nur in dem u. E. nicht kategoriellen, nicht wesenhaften Noem blaue Farbe übereinstimmen. I n einer Matrize hat Meier die nach seiner Auffassung zur Definition notwendigen Merkmale zusammengefaßt, wobei wohl auch von der Sache her keine Merkmalhierarchie erwartet werden konnte (a. a. 0 . , S. 590). Es besteht wohl kein Zweifel, daß von den angegebenen Noemen z. B. Preis generell, blaue Farbe sowie auch glatte Oberfläche allerdings nicht allgemein zur Beschreibung des jeweiligen konkreten Elementes der von ihm untersuchten Denotatsklasse durchaus herangezogen werden können, daß sie f ü r die makrolinguistische Bestimmung der Bedeutung der betreffenden Lexeme 127
aber weitgehend irrelevant sind. Es ist allerdings wohl auch zu bezweifeln, ob dazu eine Definition in Termini solcher substantieller Denotatseigenschaften, wie z. B. Henkel, glattes Material geeignet ist, ist doch bei einigen angeführten Merkmalen nicht sicher zu entscheiden, ob die Noeme als Bestandteile des überindividuellen Begriffes bzw. der entsprechenden Denotatsklasse verstanden werden können oder ob sie eventuell selbst für die Denotatsbeschreibung bzw. die Begriffsdefinition als redundant betrachtet werden müssen. 403 Es sollte in diesem Zusammenhang in der Tat ein bedeutsamer Unterschied im Status des Noems Preis und solcher Noeme, wie z. B. blaue Farbe, nicht übersehen werden, der darauf hinausläuft,daß Preis sehr wohl auf a l l e Elemente der Klasse der Töpfe, Tiegel usw. zutrifft — wenn also schon nicht ausgesprochen typisch, dominierend, so doch zumindest allen Exemplaren der Klasse der Töpfe etc. immanent, d. h. also kategoriell ist —, während blaue Farbe dagegen durchaus nicht für alle Töpfe, Tiegel etc. zutreffend ist und daher als nicht kategorielles Merkmal bezeichnet werden muß. Meiers Noeme zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß sie nicht selten eine sehr niedrige Abstraktionsstufe repräsentieren bzw. — wie erwähnt — eine Eigenschaft zum Ausdruck bringen, die nur einigen Exemplaren einer Denot a t s (Referenten )klasse, nicht aber dieser Klasse insgesamt eigen ist, so daß sie demnach in der Regel auch der sprachlich nicht mehr relevanten Abbildsubstanz zugerechnet werden müssen. In diesem Sinne kommt die noematische Analyse einer Begriffs- bzw. Denotatsanalyse etwa in der von Bloomfield aufgezeigten Richtung einer Beschreibung des „knowledge of the world" näher als einer Untersuchung der allgemein auf einer höheren Abstraktionsstufe stehenden bzw. als systemhafte Bestandteile immer kategoriellen und zudem gesamtsprachgemeinschaftlich überindividuellen semantischen Konstituenten. Damit wird ein wesentlicher Unterschied der Noemanalyse Meiers gegenüber einer nachdrücklich auf die makrolinguistische Beschreibung der Bedeutungen orientierenden Sememanalyse dahingehend bestimmt , daß die in ihr aufgezeigten begrifflich-noetischen Abstraktionselemente, die Noeme, nur teilweise mit den das jeweilige Semem konstituierenden Semen übereinstimmen und nicht selten noch eine zusätzliche Dimension, die der konkreten Denotatsbeschreibung erschlossen wird 404 , die zweifelsohne f ü r eine Daten- und Informationsverarbeitung durchaus von Bedeutung, wohl kaum aber mehr Untersuehungsgegenstand der Linguistik ist. Durch die unzweifelhaften Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten, die mit der exakten Bestimmung der linguistisch relevanten Abbildfaktoren verbunden sind, wird die grundsätzliche Bedeutung des Versuches einer noematischen Analyse auch im Hinblick auf eine semantische Konstituentenbetrachtung nicht angetastet, wohl aber nachdrücklich auf die Grenzen verwiesen, die einer linguistischen Analyse durch den überindividuellen Charakter des Semems als gesellschaftlich-kommunikativer Invariante gesetzt sind und nicht zuletzt auch die Notwendigkeit einer exakten Denotats128
analyse im Hinblick auf die Ermittlung eindeutig kategorieller Abbildelemente unterstrichen. Eine endgültige Klärung dieser komplizierten Fragen wird weiterführenden sorgfältigen Untersuchungen des Charakters der semantischen Konstituenten sowie des Verhältnisses von Semem, außersprachlichem Denotat und wissenschaftlichem Begriff anhand umfangreichen Materials vorbehalten bleiben müssen. Noch wird die beabsichtigte Grenzziehung etwa zwischen Semem und Noemen — als sprachlich systemhaften bzw. systembildenden und extralinguistisch kognitiven Größen — nicht immer überzeugen können, doch scheint es im allgemeinen rein intuitiv und aus einer von Meier nicht explizit ausgeführten sprachlichen Kontext- und Systemanalyse heraus möglich, überindividuelle und nichtüberindividuelle — im Sinne von allen bzw. nicht allen „fluent speakers" gemeinsamen — Merkmale einigermaßen sicher voneinander zu trennen ebenso wie auch zwischen kategoriellen und nicht kategoriellen Merkmalen zu unterscheiden.
3.4 Zu A. J . Greimas' Untersuchungen zur Struktur der Bedeutung Vgl. u . a. die e r w ä h n t e n U n t e r s u c h u n g e n J . J . K a t z ' / J . A . F o d o r s , D . B o lingers u n d U . W e i n r e i c h s , in d e n e n alle die A s p e k t e d e r S p r a c h e z u r S e m a n t i k g e r e c h n e t w e r d e n , d i e als F ä h i g k e i t d e s „ f l u e n t Speaker", d e n s y n t a k t i s c h e n S t r u k t u r e n eine s e m a n t i s c h e I n t e r p r e t a t i o n z u z u s e h r e i b e n , n i c h t m i t d e n Mitteln der S y n t a x , Morphologie u n d Phonologie zu erklären bzw. zu beschreib e n w ä r e n , und in d e n e n a u s f ü h r l i c h e B e t r a c h t u n g e n z u r B e d e u t u n g s p r o b l e m a t i k u m s o n s t g e s u c h t w e r d e n . D i e s t r i f f t i m w e s e n t l i c h e n a u c h a u f die w e n i g e n U n t e r s u c h u n g e n d e r m o d e r n e n K o n s t i t u e n t e n a n a l y s e zu, i n d e n e n sich D e f i n i t i o n e n d e s U n t e r s u c h u n g s g e g e n s t a n d e s n a c h w e i s e n l a s s e n ; so u. a . a u f G . F . M e i e r , a . a. O. u n d A . J . G r e i m a s , a. a . O. I n „ T h e P r o b l e m of M e a n i n g " , S. 251, h a t Q u i n e u n t e r V e r w e i s a u f d i e T a t s a c h e , d a ß a u c h die a l t e n A s t r o n o m e n d i e B e w e g u n g d e r P l a n e t e n e r f o r s c h t e n , o h n e z u wissen, w a s P l a n e t e n s i n d , f e s t g e s t e l l t , d a ß a u c h eine B e d e u t u n g s f o r s c h u n g d u r c h a u s o h n e explizite D e f i n i t i o n d e s U n t e r s u c h u n g s g e g e n s t a n d e s erfolgen k a n n . Gerade z u m gegenwärtigen Z e i t p u n k t , a n d e m die m o d e r n e strukturelle Bedeutungsforschung bereits einen beträchtlichen U m f a n g a n g e n o m m e n h a t , e r s c h e i n t eine S t a n d o r t b e s t i m m u n g b e s o n d e r s w e r t v o l l , d a n u r sie allein d i e immer wieder diskutierte F r a g e nach dem linguistischen u n d / o d e r extralinguistischen Charakter des Untersuchungsgegenstandes zu klären, wertvolle H i n w e i s e f ü r die E i n o r d n u n g d e r e n t s p r e c h e n d e n U n t e r s u c h u n g e n u n t e r d i e linguistischen bzw. extralinguistischen Bedeutungsanalysen zu geben u n d den W e g f ü r w e i t e r f ü h r e n d e B e t r a c h t u n g e n frei z u m a c h e n v e r m a g . I n d i e s e m Z u s a m m e n h a n g ist d e r U m s t a n d v o n I n t e r e s s e , d a ß d i e v o n L . Bloomfield entwickelte Bedeutungskonzeption psychologisch ausgerichtet ist e b e n s o wie die K o n z e p t i o n e n p s y c h o l o g i s c h o r i e n t i e r t w a r e n , d i e B l o o m f i e l d a l s u n e x a k t a b g e t a n h a t . D a b e i ist a l l e r d i n g s n i c h t z u ü b e r s e h e n , d a ß d i e b e h a v i o r i s t i s c h e K o n z e p t i o n g ü n s t i g e r e M ö g l i c h k e i t e n f ü r eine B e o b a c h t u n g u n d B e s c h r e i b u n g z u b i e t e n s c h e i n t , als die m e n t a l i s t i s c h e K o n z e p t i o n m i t d e m Hinweis auf die einer direkten E r f o r s c h u n g nicht zugängigen u n d z u d e m w e i t v e r b r e i t e t als u n b e s t i m m b a r b e t r a c h t e t e n B e w u ß t s e i n s i n h a l t e . C. H j . B o r g s t r ö m h a t i n : „ T h e T e c h n i q u e o f L i n g u i s t i c D e s c r i p t i o n s " , S. l f f . , n a c h d r ü c k l i c h die N o t w e n d i g k e i t e i n e r B e s c h r e i b u n g a u f d e r G r u n d l a g e allgemein beobachtbarer F a k t e n hervorgehoben u n d d a m i t a u c h das G r u n d anliegen der behavioristischen Forschung bestärkt, die Beschreibung der
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B e d e u t u n g aus einer B e o b a c h t u n g des einer Beschreibung direkt zugängigen Verhaltens der Sprachbenutzer zu gewährleisten. 71 Vgl. die A u s f ü h r u n g e n P . G u i r a u d s : La s é m a n t i q u e , S. 12, ü b e r die Bedeut u n g als „signification". 72 S. U l i m a n n : Précis de s é m a n t i q u e française, S. 22/23. 73 Siehe L. A. A b r a m j a n : „Znaöenie k a k kategorija semiotiki", S. 59ff., u n d einen Diskussionsbeitrag von W . Lorenz auf der I . I n t e r n a t i o n a l e n Konferenz des Dolmetscher-Institutes Leipzig, Beiheft 2, S. 170. 74 Vgl. Kronasser, H . : H a n d b u c h der Semasiologie, S. 56. 75 Vgl. die traditionelle Bedeutungskonzeption, wie sie u. a. von H . Kronasser a. a. O., S. 56, dargelegt wurde. 76 E . W ü s t e r in „Proceedings . . S. 673/74, sowie i n : „Die S t r u k t u r der sprachlichen Begriffswelt u n d ihre Darstellung in W ö r t e r b ü c h e r n " , S. 616; „Die lexikalischen B e d e u t u n g e n eines W o r t e s sind nichts anderes als die mit diesem W o r t assoziierten Begriffe." 77 Siehe S. U l i m a n n : a. a. O., S. 22. 78 Siehe H . Gipper: „Bausteine der Wortinhaltsforschung". 79 Siehe F r e g e : „Über Sinn u n d B e d e u t u n g " . 80 Einen g u t e n Überblick ü b e r die Methoden u n d Probleme, die bei einer Definition der B e d e u t u n g a u f t a u c h e n , bieten neben den b e k a n n t e n Arbeiten S. Ullmanns, H . Kronassers, B . Quadris a u c h die Darlegungen K . Baldingers „Die Semasiologie"; K . H u b e r s „Der Systemgedanke in der Semasiologie u n d seine Voraussetzungen", E . Oksaars bereits erwähnte „Semantische S t u dien im Sinnbereich der Schnelligkeit", J u . D. Apresjans a. a. O., sowie die Arbeit E . A. N i d a s „Toward a Science of Translation", in der auf den Seiten 30—179 ausführlich zur Bedeutungsproblematik Stellung bezogen wird. 81 Vgl. die A u s f ü h r u n g e n E . Leisis über die Zirkeldefinition der B e d e u t u n g i n : D e r W o r t i n h a l t . Seine S t r u k t u r im Englischen u n d Deutschen . . ., S. 11. 82 Auf die Notwendigkeit der Definition des Untersuchungsgegenstandes ist in den zurückliegenden J a h r e n u. a. von L . A. Kaluznin u n d E . F . Skorochob'ko a. a. O., S. 183/84, sowie von E . Coseriu: „ P o u r une s é m a n t i q u e diachronique structurale", S. 144, nachdrücklich hingewiesen worden. 83 Zu einem ähnlichen Schluß k ö n n t e m a n sich bei der L e k t ü r e von L. Weisgerbers: „Vorschläge zur Methode u n d Terminologie der W o r t f o r s c h u n g " veranlaßt f ü h l e n . Selbst wenn wir dieser Konsequenz zustimmen würden, so wäre d a m i t noch keineswegs die Themenstellung der vorliegenden Arbeit u n genau, d e n n Untersuchungen zur S t r u k t u r semantischer Erscheinungen bleiben die eingehender zu analysierenden Arbeiten, ganz gleich, wie die „Bed e u t u n g " b e s t i m m t erscheint, ob die Bezeichnung ü b e r h a u p t a u f t r i t t oder ob die Verwendung der Bezeichnung „ B e d e u t u n g " d e m entspricht, was n a c h Auffassung moderner marxistischer Philosophen, Semiotiker u n d Linguisten m e h r oder weniger einhellig u n t e r B e d e u t u n g verstanden wird. 8 '' Vgl. die eingehenden Untersuchungen in den K a p i t e l n I I I u n d I V . 85 A u s g a n g s p u n k t f ü r unsere Darlegungen ü b e r die besonders s t a r k sprachphilosophischen Aspekte der Bedeutungsproblematik war die Position, die von der marxistischen Sprachphilosophie u n d Erkenntnistheorie al« die gegenwärtig gesichertste herausgestellt w u r d e ; dabei k o n n t e nicht übersehen werden, d a ß gerade
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auf dem „Neuland" der Bedeutungastrukturen a u c h in der marxistischen Philosophie u n d Erkenntnistheorie noch unterschiedliche Auffassungen v e r t r e t e n werden. Vgl. die Ansichten Schaffs, der in seinem W e r k „ E i n f ü h r u n g in die S e m a n t i k " , S. 100, die Meinungsverschiedenheit selbst hervorhebt. s« Vgl. S. Ulimann, Semantics; S. 66: Die Berechtigung einer angestrebten Modifizierung vorliegender Bedeutungskonzeptionen m ü ß t e demzufolge a u c h d a v o n abhängig g e m a c h t werden, in welchem Maße sie den bereits existierenden Definitionen überlegen ist sowie inwieweit sie sich in voller Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t den modernen E r k e n n t n i s s e n über die S t r u k t u r der B e d e u t u n g befindet. N i c h t i m m e r k a n n eine lückenlos argumentierende B e g r ü n d u n g f ü r eine entsprechende V e r ä n d e r u n g der Bedeutungskonzeption e r w a r t e t werden, d a sich die Tragweite u n d erklärende K r a f t der vorgenommenen Modifikationen nicht immer gleich voll ü b e r s c h a u e n l ä ß t ; vor voreiligen K o r r e k t u r e n bereits als relativ gültig b e t r a c h t e t e r Bedeutungskonzeptionen k a n n nicht genug gewarnt werden, doch d a r f eine kluge Z u r ü c k h a l t u n g nicht dazu verleiten, begründete Präzisierungen zu unterlassen. J e d e Definition der B e d e u t u n g besitzt notwendigerweise wie jede H y p o t h e s e einen vorläufigen, d u r c h den erreichten E r k e n n t n i s s t a n d wesentlich bestimmt e n Charakter. U m f a n g u n d Tiefe der E r k e n n t n i s a b e r sind ihrerseits nicht unerheblich von der erreichten Einsicht in d a s Wesen der B e d e u t u n g u n d die F u n k t i o n der Sprache b e s t i m m t . 87 Vgl. die u n t e r 2.1 a n g e f ü h r t e n Feststellungen G. Mounins zur unbeabsichtigt e n wechselseitigen Durchdringung unterschiedlicher Betrachtungsebenen.
1.1 88
89
Vgl. u. a. die seit F . de Saussure immer wieder diskutierte B i l a t e r a l i t ä t des sprachlichen Zeichens, gegen die offensichtlich a u c h in der Gegenwart noch Zweifel angemeldet werden. D a s Zeichen ist, wie z. B. die B e m ü h u n g e n u m eine A b s t i m m u n g der Zeichendefinitionen auf d e m I . I n t e r n a t i o n a l e n S y m posium „Zeichen u n d System der Sprache" 1959 in E r f u r t — u n d dabei insbesondere die A u s f ü h r u n g e n v o n V. I . Georgiev — B d . 1, S. 249, K . Togeby — a. a. O., S. 141, J . F o u r q u e t - a. a. O., S. 223, J . Kurylowicz - a. a. O., S. 96, V. A. A r t e m o v — a. a. O., S. 30, Al. Graur — a. a. O., S. 59 u. a. m . f ü r u n d wider ein bilaterales Zeichen u n d die Möglichkeit, in d a s Zeichen d e n I n h a l t m i t einzubeziehen — zeigen, nicht einheitlich b e s t i m m t worden, wobei vor allem eine deutlichere U n t e r s c h e i d u n g zwischen Zeichen als materiellen Gebilden u n d Zeichen als E i n h e i t v o n Zeichenkörper u n d F u n k t i o n — bzw. B e d e u t u n g oder I n h a l t — b e a c h t e t werden sollte. Die Sau8surescheri Termini „signifiant" u n d „signifié" sind in der Vergangenheit — angesichts der ungeklärten P r o b l e m a t i k nicht weiter verwunderlich — unterschiedlich definiert worden, wobei u n t e r „signifiant" zwar allgemein etwa der Zeichenkörper, d a s F o r m a t i v , v e r s t a n d e n , u n t e r „signifié" dagegen abweichende Erscheinungen z u s a m m e n g e f a ß t bzw. zusammengestellt w u r d e n . O f t bleibt eine Definition der Termini sehr allgemein, so z. B. a u c h bei A. J . Greimas, a. a. O., S. 10, der mit d e m N a m e n „signifiant" „. . . les éléments ou les groupements d ' éléments qui rendent possible l'apparition de la sig-
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n i f i c a t i o n a u n i v e a u d e la p e r c e p t i o n . . . " b e z e i c h n e t wissen m ö c h t e u n d a l s s i g n i f i é „. . . la s i g n i f i c a t i o n ou les s i g n i f i c a t i o n s q u i s o n t r e c o u v e r t e s p a r le signifiant et manifestées grâce à son existence" versteht. 89a „ P r a g m a t i s c h e A s p e k t e d e r Ü b e r s e t z u n g " , S. 23. 90 W o i m m e r i m f o l g e n d e n v o n B e d e u t u n g g e s p r o c h e n w i r d , ist d a m i t s t e t s d i e lexikalische B e d e u t u n g entsprechend der eingebürgerten U n t e r s c h e i d u n g g e m e i n t b z w . die u n s e r e s E r a c h t e n s k a u m a u f l ö s b a r e ' V e r k n ü p f u n g v o n g r a m m a t i s c h e r u n d lexikalischer B e d e u t u n g , nie a b e r d i e s y n t a k t i s c h - g r a m m a t i s c h e B e d e u t u n g allein, die in z a h l r e i c h e n U n t e r s u c h u n g e n d e r m o d e r n e n s t r u k t u r e l len L i n g u i s t i k als s o g e n a n n t e formal meaning — vgl. u . a. M. A . K . H a l l i d a y i n : M a t e r i a l i e n d e s I . I n t e r n a t i o n a l e n S y m p o s i u m s B d . 2/1962, S. 104 — b z w . a l s s t r u c t u r a l m e a n i n g — in d e r m o d e r n e n a m e r i k a n i s c h e n S p r a c h w i s s e n s c h a f t ; s. u . a . E . A . N i d a , a . a . Ö., S. 57 — eine b e s o n d e r e B e a c h t u n g e r f u h r . 91 Vgl. u . a . d a s b e k a n n t e B e d e u t u n g s d r e i e c k L . K . O g d e n / R i c h a r d s , I . A . a u s d e m J a h r e 1923 sowie die V e r ä n d e r u n g e n , d i e es z. B . bei S. U l i m a n n : P r é c i s d e s é m a n t i q u e f r a n ç a i s e , S. 22, e r f a h r e n h a t . 92 Vgl. u . a . L . A . A b r a m j a n : a . a. O., S. 5 9 f f . 93 D a s Formativ e r s c h e i n t d a m i t a l s m a t e r i e l l e s Gebilde, d a s Zeichen d a g e g e n beinhaltet d a n e b e n noch die B e d e u t u n g bzw. den I n h a l t . 9/ ' Vgl. in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g u . a. d i e A u s f ü h r u n g e n ü b e r d e n C h a r a k t e r d e s S e m e m s u n t e r 1.2, 1.4 u n d 1.5. 95 Vgl. W . v . Q u i n e , a . a . O., s. A n m e r k . (34). 96 Vgl. u . a . d i e K r i t i k M. R e s c h k e s : „ S e m i o t i k u n d m a r x i s t i s c h e E r k e n n t n i s t h e o r i e " , S. 9 0 f f . 97 Vgl. A . N e u b e r t : „ P r a g m a t i s c h e A s p e k t e d e r Ü b e r s e t z u n g " , S. 21, d e r u n s e r e s W i s s e n s als einer d e r e r s t e n d e m b e d e u t s a m e n i n h a l t l i c h e n U n t e r s c h i e d a u c h • t e r m i n o l o g i s c h R e c h n u n g t r u g u n d e r s t e K o n s e q u e n z e n dieser e x a k t e n Scheid u n g a n O r t u n d Stelle a u f z e i g t e . : 98 Vgl. u. a. G. J ä g e r — D i s k u s s i o n s b e i t r a g — I n : B e i h e f t 2, S. 157, in d e m e r entsprechend den grundlegenden semiotischen Zeichenrelationen von semantischen, syntaktischen und pragmatischen B e d e u t u n g e n spricht. 99 T h e P r i n z i p l e s of S e m a n t i c s , S. 70. loa Siehe G. J ä g e r , a. a . O., S. 167 101 I n d i e s e m Z u s a m m e n h a n g v e r d i e n t d e r H i n w e i s B e a c h t u n g , d a ß z. B . M. B i e r w i s c h bei seinen A r b e i t e n z u r S t r u k t u r d e r B e d e u t u n g , wie er s e l b s t a u f e i n e r L e x i k o l o g i e t a g u n g in L e i p z i g i m F r ü h j a h r 1967 b e t o n t e , eine B e d e u t u n g s k o n z e p t i o n v e r t r i t t , d e r z u f o l g e d i e B e d e u t u n g — wie in d e r t r a d i t i o n e l l e n B e d e u t u n g s f o r s c h u n g — als eine B e w u ß t s e i n s t a t s a c h e * a l s A b b i l d , b e s t i m m t w e r d e n m ü ß t e — in b e w u ß t e r U n t e r s c h e i d u n g z u r K o n z e p t i o n e i n e r relationeil b e s t i m m t e n B e d e u t u n g . 102 M i t d e r B e z e i c h n u n g „ s t r u k t u r b e d i n g t " e b e n s o wie m i t d e r v o r g e n o m m e n e n S c h e i d u n g d e r S p r e c h a k t b e d e u t u n g i n eine t h e m a t i s c h u n d eine k o n t e x t u e l l g e b u n d e n e f o l g e n wir d e n s e h r i n t e r e s s a n t e n A u s f ü h r u n g e n H a u s e n b l a s ' , a . a . O., b e s o n d e r s S. 6 2 f f . A u f e i n e i n d i e s e m Z u s a m m e n h a n g g l e i c h f a l l s b e m e r k e n s w e r t e U n t e r g l i e d e r u n g d e r B e d e u t u n g i n eine d e s i g n a t i v e b z w . s i g n i f i k a t i v e u n d eine d e n o t a t i v e B e d e u t u n g s k o m p o n e n t e — vgl. die- e n t s p r e chenden sehr aufschlußreichen Darstellungen J u ; D. Apresjans: Sovremennye
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m e t o d y izuöenija znaéenij i nekotorye problemy s t r u k t u r n o j lingvistiki, : S. l l O f f . — soll hier gleichfalls n u r hingewiesen werden. 103 Eine typisch relationeile B e d e u t u n g s a u f f a s s u n g läßt sich in S. U l i m a n n s Werken nachweisen ; als substantielle Konzeptionen k ö n n e n dagegen u. a. die Ansicht e n der Wortinhaltslehre gewertet werden. 104 Auf die Zweckmäßigkeit bzw. Notwendigkeit einer relationellen B e s t i m m u n g der B e d e u t u n g ist u. a. von S. U l i m a n n „Précis de s é m a n t i q u e " , S. 22, v o n G. J ä g e r , W . Lorenz u n d O. K a d e in „Konferenzmaterialien" sowie a u c h v o n E . Coseriu a. a. O., S. 139, verwiesen worden. 105 „Zwischen zwei Dingen b e s t e h t eine Menge von Relationen, d a in jede v o n ihnen die sich aufeinander beziehende Dinge nicht vollständig, sondern n u r m i t einzelnen ihrer Teile, m i t einzelnen Eigenschaften, eingehen." — U j o m o v , Dinge, Eigenschaften u n d Relationen, S. 110. 106 Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g u. a. a u c h die A u s f ü h r u n g e n von A. C h u r c h : „The Need for A b s t r a c t E n t i t i e s in Semantic Analysis", S. 438: „And each n a m e h a s also a sense — which is p e r h a p s more properly t o be called i t s meaning, since it is held t h a t complete u n d e r s t a n d i n g of a language involves t h e ability to recognize t h e sense of a n y n a m e in t h e language, b u t does not d e m a n d a n y knowledge beyound this of t h e denotations of t h e names", wobei .sense' etwas weiter u n t e n ausdrücklich als ,a concept of t h e d e n o t a t i o n ' bezeichnet wird. 107 Siehe A. N e u b e r t , „Pragmatische Aspekte der Übersetzung". Dabei m u ß allerdings erwähnt werden, d a ß gerade A. N e u b e r t die Notwendigkeit einer weiteren Präzisierung des Abbildes erkannt u n d ihr a u c h u. a. in d e n folgenden A u s f ü h r u n g e n R e c h n u n g getragen h a t , wenn er a . a . O . , S. 22. feststellt: „Die Abbilder zeichnen sich vielmehr durch eine viel größere Einheitlichkeit aus. Allerdings betrifft]dies nicht dieÉ konkreten Abbilder jedes einzelnen Sprechers u n d Hörers, sondern die Gemeinsamkeit, ja Gleichheit bezieht sich auf Klassen von Abbildern. Die individuellen Abbilder repräsentieren in s u b j e k t i v e r Weise, d. h. m i t charakteristischer situationeil u n d erfahrungsmäßig bedingt e r Modifizierung, die Wahrnehmungs-, Vorstellungs- u n d Denkergebnisse der Glieder der Gesellschaft. Sie sind die Basis f ü r die sprachlich übermitt e l t e intellektuelle I n f o r m a t i o n . " 108 Vgl, u . a . d i e A u s f ü h r u n g e n u n t e r 2. 2 u n d 2. 3. 109 Prinzipien der Sprachgeschichte, S. 68ff. 110 Vgl. u. a. die Forschungen B. P o t t i e r s : „Vers une s é m a n t i q u e m o d e r n e " u n d „La définition s é m a n t i q u e d a n s les dictionnaires" sowie A. J . Greimas' : a. a. O., S. 42ff. Der Terminus Semem f i n d e t sich d a r ü b e r h i n a u s in ähnlichem Sinne bei G . F . M e i e r : „Semantische Analyse u n d N o e m a t i k " sowie bei Dolgopol'ski,] A. B . : „Izuöenie leksiki s toöki zrenija transformacionno-perevodnogo analiza p l a n a soderzanija v jazyke", S. 77, der d a s Semem als eine E i n heit der Inhaltsebene b e s t i m m t . Verwendet wird die Bezeichnung Semem u. a. a u c h bei S. D. Kacnel'son: Soderzanie slova, znaöenie i oboznaôenie, S. 107, bei K . H e g e r : „Die methodologischen Voraussetzungen v o n Onomasiologie u n d begrifflicher Gliederung" u n d K . Baldinger: S é m a n t i q u e e t s t r u c t u r e conceptuelle. Le concept „se souvenir". Wir folgen in unseren A u s f ü h r u n g e n vor allem der Verwendung von Semem im Sinne der beiden erst- u n d der
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beiden letztgenannten Autoren und möchten es nachdrücklich u. a. von dem „Semem" im Sinne S. M. Lambs „The Sememic Approach to Structural Semantics" unterschieden wissen. 1.2
in Vgl. W . Schmidt — Diskussionsbeitrag auf dem I. Internationalen Symposium „Zeichen und System der Sprache", Bd. 1, S. 137. «2 G. F. Meier, Bd. 1, S. 103. 113 M. Bierwisch, Bd. 1, S. 40. Damit wird nicht bestritten, daß im konkreten Kommunikationsakt immer nur die stets in spezifischer Weise individuell bestimmten Abbilder existieren, sondern nur auf die Suche nach den gleichermaßen vorhandenen intersubjektiven Gemeinsamkeiten der Abbilder orientiert. 114 Vgl. J. Bauer, Bd. 1, S. 34: „Unter einem sprachlichen Zeichen verstehe ich jedes Lautgebilde, das für den Träger der gegebenen Sprache mit einer bestimmten Bedeutung in fester Verbindung steht; diese Verbindung ist für das gegebene Kollektiv gesellschaftlich und historisch stabilisiert." Iis Vgl. u. a. W . Schmidt, a . a . O . , der folgende Definition gibt: „Die Wortbedeutung ist die unhaltliche Widerspiegelung eines Gegenstandes, einer Erscheinung oder einer Beziehimg der objektiven Wirklichkeit im Bewußtsein der Angehörigen einer Sprachgemeinschaft, die traditionell mit einem Lautkomplex zu der strukturellen Einheit des Wortes gebunden ist." A . Kosing setzt in Bd. 2, S. 18, die Bedeutung mit dem Begriff gleich, während sie H . Lüdtke in Bd. 1, S. 228, mit dem Bewußtseinsinhalt identifiziert. 116 Information wird hier nicht im informationstheoretischen, sondern im umgangssprachlichen Sinne etwa für „Mitteilung" gebraucht; dabei wird beispielsweise entsprechend einer von K . Hausenblas, a. a. O., S. 69, Fn. 5 getroffenen Feststellung „Bedeutung" im allgemeinen im Hinblick auf die Struktur des Zeichens definiert, „semantische Information" dagegen mehr auf den Verwendungszweck des Zeichens im Kommunikationsprozeß beschränkt. 117 Vgl. die von L. Hjelmslev: „Prolegomena to a Theoryof Language", S. 36ff. getroffene Scheidung von Ausdrucks- und Inhaltsebene, an die wir uns anlehnen, ohne im folgenden der von ihm gemachten Unterscheidung einer Form und einer Substanz des Inhalts in unseren Darlegungen ausdrücklich und im einzelnen Rechnung zu tragen. »8 I n ; Bd. 1, S. 221. Auch H . Lüdtke hat als Vertreter einer soziologischen Zeichenkonzeption den objektiven Charakter des Zeichens und damit auch die Intersubjektivität des Zeicheninhalts unterstrichen, nach der man eine semantische Beschreibung in den jeweils nur individuellen Bewußtseinsinhalten zu suchen hat; vgl. „Zeichen und System der Sprache", Erfurt 1959, Bd. 1, S. 228. " o I n : Bd. 1, S. 221. Vgl. u. a. S. D. Kacnel'Bon: a. a. O., S. 107, der die Sememe als Grundeinheit des semantischen Systems und als lexikalische Bedeutungen im Sinne
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Mel'èuks bezeichnet u n d im gleichen Z u s a m m e n h a n g d a r a u f verweist, d a ß sie mit d e m formalen Begriff zusammenfallen. 121 Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g u. a. die Festellungen H . Liidtkes, a. a. O., S. 228, d a ß die Zeichen als objektiv existente Gebilde n u r ü b e r die subjektiven Bewußtseinsinhalte zugänglich erscheinen. «2 Siehe B d . 1, S. 109ff. 123 N u r d a n k d e m in der K o m m u n i k a t i o n intersubjektivierten u n d normiert e n Semem k a n n mit Erfolg kommuniziert werden, so d a ß m i t großer W a h r scheinlichkeit b e h a u p t e t werden k a n n , d a ß diese d u r c h die K o m m u n i k a t i o n bedingte u n d sie gewährleistende N o r m auch Bestandteil des individuellen Abbilds des jeweiligen Sprechers ist. 124 Wir folgen hiermit der v o n E . Coseriu „Norma, sistema y h a b l a " vorgeschlagenen Definition. *25 Heger, a . a . O . , S. 490; diese A u s f ü h r u n g e n besitzen besondere B e d e u t u n g f ü r die Beschreibung der Beziehungen von F o r m a t i v u n d Semem. 126 Mit der Unterscheidung eines L a u t k o n t i n u u m s , d a s m i t d e m phonologischen I n v e n t a r verglichen werden könnte, u n d dem W o r t k ö r p e r t r ä g t H e g e r u. E . in überzeugender Weise der u. a. v o n S. Martinet „ É l é m e n t s de linguistique générale", S. 11, hervorgehobenen doppelten Gliederung der Sprache R e c h n u n g F ü r eine Darstellung der semantischen Zeichenrelation k ö n n t e indessen u. E . d u r c h a u s das L a u t k o n t i n u u m in Wegfall k o m m e n u n d n u r die erste Glieder u n g der Sprache in sinntragende morphologische E i n h e i t e n Berücksichtigung f i n d e n . 127 H e g e r h a t , wie a u c h K . Baldinger, a. a. O., diesem universellen C h a r a k t e r des Begriffes besondere B e d e u t u n g beigemessen. 128 Zur eingehenderen B e g r ü n d u n g der Unterscheidung v o n signifié u n d S e m e m vgl. Heger, a. a. O., S. 508ff. 129 Der Terminus „ I n h a l t s e b e n e " wird hier weitgehend im Sinne L. H j e l m s levs, Prolegomena, S. 36 ff. gebraucht, entspricht aber nicht völlig der H j e l m s levschen Charakteristik. »o Siehe Heger, K . , a. a. O., S. 515. 131 Siehe Baldinger, H . a. a. O., S. 14. 132 Vg]. bereits in diesem Z u s a m m e n h a n g die B e s t i m m u n g des Semems als eine „collection de sèmes" d u r c h A. J . Greimas, a. a. O., S. 27. 1.3 133
Dabei sei in diesem Z u s a m m e n h a n g auf den einleuchtenden U m s t a n d verwiesen, d a ß a u c h eine Selektion v o n Beispielen eine q u a l i t a t i v e Analyse impliziert bzw. voraussetzt, d a die F o r m a t i v e in unterschiedlichem Maße geeignet erscheinen f ü r den Nachweis z. B. der lexikalischen B e d e u t u n g . Abgesehen von den freien u n d gebundenen M o r p h e m e n im Sinne L. Bloomfields sowie der Auto- u n d Synsemantika v o n A. M a r t y : „Nachgelassene S c h r i f t e n " sowie „Psyche u n d S p r a c h s t r u k t u r " , S. 106/107, k a n n es u. a angebracht sein, ü b e r t r a g e n e Bedeutungen v o r l ä u f i g ebenso a u s z u k l a m m e r n wie wenig gebräuchliche, regionale, archaische A u s d r ü c k e u n d Bezeichnungen, die nur als fachsprachliche Termini a u f t r e t e n u n d als solche einen festen,
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von der betreffenden Fachdisziplin zu beschreibenden begrifflichen Inhalt aufweisen, wie z. B . „Neutron" und „Neutrino"; vgl. in diesem Zusammenhang u. a. J u . D. Apresjan: Idei i metody sovremennoj struktumoj lingvistiki, S. 257. 134 Vgl. u. a. J . J . Katz/Fodor, J . A. : „The Structure of a Semantic Theory", S. 191 ff., die einige kurze Bemerkungen auch zu dieser F r a g e anschlössen. 135 A. Martinet, a. a. O., S. 5 ff. 436 Vgl. in diesem Zusammenhang die aufschlußreichen Ausführungen M. Reschkes „Semiotik und marxistische Erkenntnistheorie", S. 9 7 f f . , über d a s Abbild als dialektische Einheit von Z' und O' : vgl. Ausführungen über das Verhältnis von Semem und Begriff unter 1.5. 137 Heger, a. a. O., hat in seinem Schema u. E . die psychophysisch charakterisierte Zeicheneinheit nicht berücksichtigt; bei uns würde sie als Formativ mit syntaktisch-grammatischer Charakteristik erscheinen können. 138 I n der modernen sprachwissenschaftlichen Literatur bestehen hinsichtlich der Defintion des Lexems Meinungsverschiedenheiten; während z. B . B . Pottier „ L a définition sémantique dans les dictionnaires", S. 33, d a s L e x e m als „signifiant minimal de désignation" bestimmte, hat A. J . Greimas, a. a. O., S. 51, das Lexem folgendermaßen — interessanterweise auch im Hinblick auf seinen Inhalt — bestimmt als „un modèle virtuel subsummant le fonctionnement entier d'une figure de signification recouverte par un formant donné, mais antérieur à toute manifestation dans le discours, qui lui, ne peut produire que des sémèmes particuliers." Vgl. u. a. auch die Ausführungen L . Zawadowskis „ L a signification des morphèmes polysèmes", S. 68, S. 74, der einen weiteren Zeichenbegriff vertritt und die Zeichen allgemein als nicht näher spezifizierte Textelemente bestimmt wissen möchte. 139 „ F o r m a t i v " ist hier bereits wieder auf kleinere bis kleinste diskrete Zeichenkörper zugeschnitten. 140 Vgl. u. a. in diesem Zusammenhang die Versuche von J . J . K a t z / J . A. Fodor a. a. O., S. 193ff,, die Bedeutung von Sätzen aus einer Amalgamierung der Bedeutungen der Einzelbestandteile zu erklären. 1 4 1 Bei B . Pottier ist dabei das Semem als eine Einheit der Inhaltsebene verstanden worden, die etwa einem Monem auf der Ausdrucksebene zugeordnet ist und die Verbindung mit anderen Inhaltseinheiten, so z. B . den Funktemen, Klassemen usw. größere Inhaltseinheiten bildet, die ihrerseits offensichtlich durch größere Zeicheneinheiten, vor allem Lexeme, repräsentiert werden, während A. J . Greimas d a s Semem einer bestimmten, als L e x e m bezeichneten Einheit der Ausdrucksebene zugeordnet wissen wollte. E s scheint, daß sich insbesondere in der französischen Bedeutungsforschung die Bezeichnung Monem als sprachliches Korrelat des Semems immer mehr durchsetzt. Vgl. in diesem Zusammenhang u. a. die Ausführungen B . Pottiers: „Vers une sémantique moderne", G. Mounins : „ L e s problèmes théoriques de la traduction", in denen mit dem Terminus Monem operiert wird, der als neutraler Terminus gegenüber der Unterscheidung von L e x e m und Morphem fungiert — vgl. B . Pottier, a. a. O., S. 21, F u n . 32 — und allgemein als: „. . . formalisation d'un ensemble de sèmes appelé sémème", definiert werden kann — zit. aus B . pottier: „ D u très général au trop particulier", S. 14; s. u. a. auch A. Martinet in:
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L a linguistique synchronique, S. 5: „. . . U n monème est le plus petit segment d u discours auquel on p e u t a t t r i b u e r u n sens . . .". 142 P ü r die v o n P o t t i e r vorgeschlagene Zuordnung des Semems zu einem sign i f i a n t minimal bzw. u m g e k e h r t würde die d u r c h die morphologische Analyse unterstrichene T a t s a c h e sprechen, die d a m i t wirklich die kleinsten formalen b e d e u t u n g s t r a g e n d e n Einheiten gewählt u n d als Grundlage f ü r eine darauf a u f b a u e n d e Analyse größerer Einheiten g e n u t z t werden k ö n n t e n . Gegen diese B e s t i m m u n g der Zuordnungsgrößen der Ausdrucks- u n d I n h a l t s ebene k ö n n t e n allerdings a u c h Zweifel angemeldet werden, die a u s der nicht e x a k t e n K e n n t n i s der d e n jeweiligen formalen E i n h e i t e n zugeordneten inhaltlichen Größen resultieren; so besteht beispielsweise gegenwärtig durcha u s noch nicht K l a r h e i t darüber, ob es zweckmäßig oder möglich ist, alle W o r t b e d e u t u n g e n u n d a u c h die I n h a l t e größerer Zeichengebilde d u r c h R ü c k griff auf die n a c h P o t t i e r d e n M o n e m e n zugeordneten Sememe zu beschreiben. Eine K l ä r u n g dieses „Zuordnungsproblems" erscheint nicht zuletzt a u c h i m Hinblick auf die B e s t i m m u n g der Größe der Übersetzungseinheiten v o n großer Wichtigkeit. Dabei müssen wir u n s allerdings a u c h im klaren sein, d a ß d a s Sem e m i n m a n c h e m Falle als eine Einheit der Inhaltsebene a u f t r i t t , die neben der eigentlichen lexikalischen B e d e u t u n g a u c h noch die s y n t a k t i s c h e B e d e u t u n g beinhalten k a n n . 143 Bei der semantischen Analyse können wir sowohl v o m Sprechakt, d. h . v o m V o r k o m m e n der betreffenden Einheit im sprachlichen K o n t e x t , als a u c h v o n einer U n t e r s u c h u n g der Beziehung dieser E i n h e i t im lexikalischen S y s t e m der Sprache ausgehen ; in beiden Fällen h a b e n wir es nicht m i t E i n h e i t e n zu t u n , die nur Träger einer a b s t r a k t e n , potentiellen lexikalisch-semantischen Bed e u t u n g sind, sondern stets m i t Einheiten, die zumindest a u c h eine gro m m a t i s c h syntaktische Charakterisierung tragen, selbst w e n n diese sich nicht in einem formalen E l e m e n t , wie z. B. einem gebundenen Morphem, repräsentiert f i n d e t . « 4 Vgl. L. Bloomfield : Language, S. 184ff. 145 Vgl. j n diesem Z u s a m m e n h a n g die v o n B. P o t t i e r , a. a. O., S. 129, vorgen o m m e n e Unterscheidung v o n F u n k t e m e n , Tensemen u n d Klassemen als inhaltliche E i n h e i t e n neben d e m Semem. 1« Vgl. B. Pottier, a. a. O., S. 132. 147 W e n n v o m sprachlichen K o r r e l a t der Inhaltsebene gesprochen wird, so soll d a m i t weniger das P r i m a t des I n h a l t s gegenüber der sprachlichen F o r m , d a s z. B. in der U n m o t i v i e r t h e i t des einzelnen Zeichens u n d a u c h des g r a n d signe — vgl. Mounin, G. — „Les problèmes théoriques de la t r a d u c t i o n " , S. 67 — seinen Ausdruck f i n d e t , sondern vielmehr die enge dialektische E i n h e i t zwischen F o r m u n d I n h a l t hervorgehoben werden. 148 Auf die Polysemie als universelle u n d charakteristische E i g e n s c h a f t der natürlichen Sprachen k a n n nicht genug verwiesen werden. Die hinlänglich b e k a n n t e n u n d weitverbreiteten Erscheinungen der Polysemie, S y n o n y m i e usw. erweisen als ein Charakteristikum der Zuordnungsrelation, d a ß in den natürlichen Sprachen stets die Asymmetrie zwischen I n h a l t s - u n d Ausdrucksebene b e a c h t e t u n d auf d a s Vorhandensein nicht eindeutiger Beziehungen geachtet werden m u ß ; vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g u. a. K a c n e l ' s o n a. a. O., S. 107. 16 Wotjak, Bedeutung
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Dabei scheint es in der T a t so, als würde sich auf der E b e n e der als physische Erscheinungen bestimmten und nur unter dem Blickwinkel ihrer phonetischen Substanz betrachteten Formative eine j e nach Sprache, verschieden große Zahl von polysemen und homonymen Einheiten, d. h. formaler Koinzidenz, aber inhaltlicher Divergenz verschiedenen Grades, nachweisen lassen, die Zahl der polysemen Einheiten auf der nächsthöheren Abstraktionsebene, dem psycho-physisch bestimmten F o r m a t i v aber bereits weitaus geringer sein, weil die in sie eingehende qualitative Charakteristik — z. B . ala Verb, Adjektiv, Nomen — materiell-phonologisch gleiche F o r m a t i v e voneinander unterscheiden hilft. «0 S. M. L a m b , a. a. O. 151 Wird dagegen entsprechend der etwas weiteren Sememkonzeption Greimas', nach der einem Semem auf der Ausdrucksebene ein Lexem im Sinne L a m b s entsprechen würde, die Konzeption der Diversifikationsrelation auf ihre Verwendbarkeit geprüft, so könnte diese Relation in das Schema der Beziehungen von Sememen und Formativen eingebaut werden, wenn die Einheiten auf der Ausdrucksebene kleiner als die Lexeme gewählt werden. In einem solchen Fall würde sich die Diversifikation z. B . in der Verbindung eines freien und eines gebundenen Morphems zu einer größeren sprachlichen E i n h e i t , dem L e x e m , äußern. 149
W i r haben diesen Terminus von S. M. L a m b , a . a . O . , übernommen, gebrauchen ihn aber in etwas weiterem und modifiziertem Sinne. 153 Vgl. die erwähnten Ausführungen E . Leisis sowie H . E . Brekles. 152
1.4 154 Vgl. die Ausführungen zum W e r t des Analogieschlusses unter 2.11. 155 156
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168
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Vgl. L . Hjelmslev: „Prolegomena . . . " , S. 42. Bekanntlicherweise fehlt eine begründete erkenntnistheoretische Analyse der Abbilder, die gesicherte Auskünfte über den Charakter, die Gestalt und Anzahl der das jeweilige Semem konstituierenden kleineren Inhaltselemente zu geben, d, h. die Aufgaben einer in Analogie zur Phonetik als „ S e m e t i k " bezeichneten vorgängigen semantischen Analyse zu übernehmen und überzeugend auszuführen vermöchte. E s ist in einem solchen Falle gewiß auch gerechtfertigt, wenn wir bei der Charakterisierung der Seme als Konstituenten eines entsprechenden Semems von einer noch nicht allgemein anerkannten Annahme ausgehen, wobei wir uns allerdings bereits auf die v o n L . Hjelmslev aufgezeigten Inhaltselemente, auf die Ergebnisse der sogenannten .componential analysis' sowie auf die Arbeitshypothesen B . Pottiers und A. J . Greimas' stützen können. Zu ihnen können neben den ,semantic markers' Katz/Fodors, D . Bolingers und U . Weinreichs u. E . z. B . auch die Gebrauchsbedingungen E . Leisis und die Gebrauchsbedingungstypen H . E . Brekles sowie ganz allgemein auch die von Pottier und Greimas als ,Klasseme' bezeichneten und von den Semen unterschiedlichen Elemente gerechnet werden. Sie Seme ähneln den traits distinctifs von R . J a k o b s o n sowie den éléments différentiels von Saussure; vgl. A. J . Greimas, a. a. O., S. 22. Bei der Über-
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nähme der Bezeichnung „Sem" im Sinne von B. Pottier und A . J. Greimas sind wir uns durchaus des Umstandes bewußt, daß dieser Terminus, wie im übrigen eine ganze Reihe anderer sprachwissenschaftlicher Bezeichnungen auch, so z. B. das Semem, insofern irreführen kann, als z. B. gerade die betonte Parallelität zur Phonologie, im Falle der Seme konkret zu den phonologischen Merkmalen, Anlaß zu einer Vermeidung der Bezeichnung „ S e m " sein könnte, da die Seme ähnlich denPhonen als Manifestationen der Sememe interpretiert werden könnten. Wenn wir uns trotzdem für eine Verwendung von „Sem" für semantische bzw. semologische Merkmale entschieden haben, so vor allem aus dem Bestreben heraus, auch terminologisch von den inhaltlich weitgehend befolgten Untersuchungen B. Pottiers und A . J. Greimas' nicht abzugehen und unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß unter Semen nicht die Manifestationen der Sememe, sondern vielmehr die konstitutiven Elemente der Sememe verstanden werden sollen. A . a. 0., S. 588: „und jedes Semem sich in begriffliche Elemente (Noeme) zerlegen läßt." (Hervorhebung — G. W . ) 161 Vgl. u. a. die von G. F. Meier, ebenda, gewählte Bezeichnung „ N o e m " oder auch die von den amerikanischen Vertretern der semantischen Konstituentenanalyse bevorzugte Bezeichnung „semantic marker". 162 ygi, b . Pottier: La définition sémantique dans les dictionnaires", S. 33. 163 A J. Greimas, a. a. O., hat die Klasseme, die als Kontextseme zusammen mit den Semen die Sememe konstituieren, als semantische Einheiten, die Seme aber als Bestandteile der léxikalischen Bedeutung als zur nächsthöheren noetischen Ebene, der sogenannten semiologischen Ebene, gehörig bezeichnet und damit einen offensichtlich intuitiv empfundenen Unterschied in der Allgemeingültigkeit der betreffenden Seme zu einer terminologischen Trennung benutzt. Die Kontextseme bzw. Klasseme spielen in der Tat in der sprachlichen Kommunikation als Art semantischer Valenzen bzw. Selektionsmerkmale eine wesentliche Rolle ; ob eine so strikte Unterscheidung der Seme angebracht ist, solange eine Grenzziehung noch umstritten ist, sei in diesem Zusammenhang nicht weiter erörtert. 164 Popela, J. : „The functional structure of Linguistic Units and the system of Language", eine Untersuchung, die uns erst kurz vor Beendigimg der Arbeit zugängig wurde und die in unseren Darlegungen angelegten bzw. gezogenen Schlußfolgerungen über die Existenz einer gewissen Merkmalhierarchie nachdrücklich unterstreicht. 165 Ebenda, S. 73. 166 Vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen M. Bierwischs „Eine Hierarchie syntaktisch-semantischer Merkmale" sowie B. Pottiers „ L a définition sémantique dans les dictionnaires", S. 33—39. 167 Pottier, B.: „Du très général au trop particulier en analyse linguistique", S. 14/15. 168 Vgl. u. a. auch entsprechende Hinweise bei J. Popela, a. a. O., S. 73 und S. 75, wobei die grammatische, d. h. die syntaktische Bedeutung in unserem Sinne, von ihm u. E. völlig zu Recht als abstrakteste Bedeutung bezeichnet wurde (S. 74). 169 Eine für die Beschreibung der Sememe in Termini extralinguistischer noetischer 160
16*
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Abstraktionselemente u n t e r n o m m e n e semetische Analyse s t e h t noch in den ersten Anfängen, beweist aber bereits d a s in der engen V e r b i n d u n g von Sprache u n d Denken begründete I n e i n a n d e r v o n makro-linguistischer Bedeutungsforschung u n d angrenzenden Wissenschaftsdiziplinen. 170 Die hier aufgeworfene F r a g e n a c h d e m sprachspezifischen bzw. universellen Charakter der aufgezeigten Abstraktionselemente eingehend zu beleuchten, d ü r f t e die beim gegenwärtigen E r k e n n t n i s s t a n d gegebenen Möglichkeiten einer wissenschaftlich v e r t r e t b a r e n U n t e r s u c h u n g im K ä h m e n dieser Arbeit erheblich übersteigen. W i r h a b e n u n s d a h e r a u c h bei einer etwas detailliert e r e n U n t e r s u c h u n g der Seme auf eine k n a p p e Darlegung der b e d e u t s a m e n philosophisch-erkenntnistheoretischen Konsequenzen beschränkt, die sich a u s der A n n a h m e universeller semantischer K o n s t i t u e n t e n beispielsweise f ü r die B e g r ü n d u n g der These der Übersetzbarkeit ergeben, vgl. u n t e r 4.4. H i n z u k o m m t , d a ß es beim gegenwärtigen S t a n d der Semembeschreibung nicht möglich erscheint, gültige Entscheidungen d a r ü b e r zu fällen, ob d a s als kleinstes Inhaltselement u n d demzufolge als universell angenommene Sem wirklich d a s kleinste, letzte diskrete begrifflich-noetische Abstraktionselement d a r stellt, oder ob vielmehr eine K o m b i n a t i o n v o n Semen vorliegt, die möglicherweise 8prach(gemeinschafts)spezifisch ist. 171 E s wäre dabei gewiß verlockend, entsprechend der Phonologie a u c h ein universelles, wenn a u c h d u r c h a u s nicht v o n allen Sprachen in gleicher Weise ausgeschöpftes I n v e n t a r von Semen zu postulieren, a u s d e m die jeweiligen, n u n m e h r bereits sprachlich b e s t i m m t e n größeren Inhaltseinheiten, die Sememe, konstituiert werden ; doch m u ß einer f u n d i e r t e n Analyse umfangreichen F a k t e n m a t e r i a l s a u s unterschiedlichen Sprachen ebenso wie einer sorgfältigen sprachphilosophisch-erkenntnistheoretischen Auswertung der Nachweis vorbehalten bleiben, ob die beispielsweise bereits v o n W . Leibniz b e h a u p t e t e Existenz eines universellen gedanklichen Alphabets a u c h n a c h d e n neuesten E r k e n n t n i s s e n v e r t r e t b a r ist. 172 y g i . d i e Parallelen, die sich hinsichtlich der B e s t i m m u n g der Lexik als potentiell unendliches System ergeben k ö n n t e n ; s. 1.6.1. 173 Diese „vagueness" ist wie u. a. die sehr interessanten A u s f ü h r u n g e n J . Neus t u p n y s : „On t h e analysis of linguistic vagueness" zeigen, in letzter Zeit vor allem Gegenstand philosophischer u n d logischer Untersuchungen gewesen; vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g entsprechende Äußerungen von A. Schaff, a. a. O., S. 314ff. *7< Vgl. Greimas, A. J . : a. a. O., S. 44. 175 Vgl. u. a. die entsprechenden Analysen u n d graphischen Darstellungen B. P o t t i e r s i n : „Vers u n e s é m a n t i q u e moderne", S. 135ff. 176 Vgl. die A u s f ü h r u n g e n A. Schaffs in „ E i n f ü h r u n g in die S e m a n t i k " , S. 286 ff. 177 Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g die Schlußfolgerangen, die S. D. Kacnel'son, a. a. O., S. 107ff., ü b e r die Beziehungen v o n Sprache u n d D e n k e n a u s seinen Darlegungen ü b e r d e n W o r t i n h a l t , die B e d e u t u n g u n d d a s Bezeichnete zieht. E s leuchtet ein, d a ß die folgenden kurzen B e m e r k u n g e n zur Beziehung v o n Semem u n d Begriff bzw. Semem u n d individuellem Abbild dabei nicht als eine philosophisch-erkenntnistheoretische Analyse, sondern allenfalls als eine erste vorsichtige B e z u g n a h m e auf noch im einzelnen zu präzisierende extralinguistische Größen verstanden werden k ö n n e n .
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178
Vgl. die W e r k e G. K l a u s ' „Semiotik u n d E r k e n n t n i s t h e o r i e " , „Spezielle E r kenntnistheorie", A. Schaff, a. a. O., den Artikel M. Reschkes „Semiotik u n d marxistische E r k e n n t n i s t h e o r i e " Bowie die gesammelten Aufsätze sowjetischer Psychologen, die 1967 vom Akademie-Verlag Berlin herausgegeben wurden.
1.5 179
E s leuchtet ein, d a ß in der empirischen Analyse gerade bei der B e s t i m m u n g dieses usuellen durchschnittlichen Vorstellungsgehalta besondere P r o b l e m e a u f t r e t e n werden. «« Siehe M. Reschke, a. a. O., S. 97ff. 181 I n der Regel sind m i t einem sprachlichen F o r m a t i v nicht n u r ein. sondern mehrere Sememe v e r k n ü p f t , die sich teilweise überschneiden oder a u c h disj u n k t e Mengen bilden k ö n n e n . I m Interesse einer vereinfachten D a r l e g u n g u n d K o n z e n t r a t i o n auf d a s Wesentliche erschien es u n s jedoch v e r t r e t b a r u n d r a t s a m , v o n der Beschreibung der Z u o r d n u n g zweier oder mehrerer Sememe u n d ihrer komplexen Beziehungen u n t e r e i n a n d e r abzusehen. 182 E s m u ß angesichts vieler noch offener P r o b l e m e a u c h hier letztlich noch als ungeklärt bezeichnet werden, ob, wie d a s Schema zeigt, wirklich alle oder doch die Mehrzahl der d a s betreffende Semem konstituierenden begrifflichen Abstraktionselemente O', O " etc. a u c h im individuellen Abbild, d . h. in d e m d u r c h d a s betreffende F o r m a t i v im Einzelsprecher aktualisierten B e w u ß t seinsinhalt, v o r h a n d e n sind. i«3 Vgl. u. a. die A u s f ü h r u n g e n J . J . K a t z ' / J . A. Fodors, D. Bolingers, U. Weinreichs. Ü b e r d e n S t a t u s der distinguishers im Vergleich zu d e n semantio m a r k e r s b e s t e h t nicht n u r bei K / F noch keine endgültige K l a r h e i t ; s. insb. u n t e r 3.2. 184 Vgl. die A u s f ü h r u n g e n ü b e r d e n Charakter der inneren Sprache u n d ihren A n t e i l a n der Begriffsbildung bei L. J . Wygotski — Sprechen u n d D e n k e n —, deren wesentliche Leitsätze a u c h in den in einem S a m m e l b a n d 1967 veröffentlichten modernen Arbeiten sowjetischer Psychologen aufgegriffen wurden. 185 Vgl. die entsprechenden A u s f ü h r u n g e n Wygotskis, a. a. O., sowie die in A n m . 178, 184 angegebene S a m m l u n g sowjetischer Psychologen, die die V e r m u t u n g unterstreichen, d a ß sich d e m menschlichen B e w u ß t s e i n u. U . ziemlich s t a r k a b g e k ü r z t e u n d „ v e r s t ü m m e l t e " F ' eingeprägt h a b e n u n d gewisserm a ß e n als eine A r t gedanklich-materieller K u r z s c h r i f t f ü r D e n k o p e r a t i o n e n fungieren. 186 D e r T e r m i n u s „semantisches U n i v e r s u m " wird hier im Sinne A. J . Greimas* g e b r a u c h t , der a. a. O. sich u m eine eingehendere Analyse des s e m a n t i s c h e n S y s t e m s d e r — französischen — Sprache b e m ü h t h a t . 187 So werden u. a. z. B . v o n A. Schaff in seiner U n t e r s u c h u n g z u vorrangig philosophischen F r a g e n der Bedeutungsproblematik B e d e u t u n g u n d — u m gangssprachlicher — Begriff identifiziert, ähnlich wie a u c h z. B. bei E . W ü s t e r , a. a. O., der W o r t i n h a l t m i t d e m Begriff gleichgesetzt w i r d ; ähnlich v o n K . H e g e r , a. a. O., u n d Z. Telegdi „Diskussionsbeitrag in E r f u r t " , a. a. O., 246
Bd. 1, S. 109. Während Telegdi die Bedeutung, d. h. unser Semem, als eine Vorform des Begriffs betrachtet* ordnet, Heger das Semem in seinem ,aufschlußreichen Artikel in die begriffliche Reihe an der Stelle der sogenannten ,Art' ein und grenzt es gegenüber der nächsthöheren sprachlich repräsentierten Inhaltseinheit, dem Archisemem im Sinne Pottiers, als Gattung sowie den Semen als differentia specifica ab. 188 „Individuell" soll hier verstanden werden als Gesamtheit der einem Individuum charakteristischen Abbildelemente, die mit einem bestimmten For. mativ verknüpft sind und daher beim Sprechen und Hören aktualisiert werden, wobei; in diese individuelle Bewußtseinsinhalte die die Kommunikation gewährleistenden intersubjektiv gemeinsamen Abstraktionselemente eingehen. «9 Siehe Schlußwort durch G. F . Meier, a. a. O., Bd. 2, S. 244ff., besonders S. 246; s. dagegen die versuchte Identifizierung von Bedeutung und Begriff durch A. Schaff, a. a. O., S. 248, und an anderen Stellen. 190 Vgl. in diesem Zusammenhang die aufschlußreichen Ausführungen S. D. Kacnel'sons, a . a . O . , S. 107ff., über die Bezeichnungen zwischen Erkenntnisstand und Erfahrungsschatz der Sprachgemeinschaft und der lexikalischen Bedeutung. 1.6 ,
....
Über den Charakter der semantischen Strukturen bzw. über das Verhältnis dieser Strukturen zu Strukturen. der außersprachlichen Erfahrungen und Gegenstände gehen die Ansichten der Linguisten zum Teil sehr weit auseinander und sind auch seitens der Sprachphilosophie noch keine allgemein anerkannten Feststellungen getroffen worden. 192 Siehe Proceedings of the Eighth International Congress of Linguists,, S. 643. 193 Vgl. die entsprechenden Darlegungen bei A. Martinet : „La linguistique synchronique; S. 24/25. 194 Siehe Proceedings of the Eighth International Congress of Linguists. S. 654. «5 Ebenda, S. 692. 196 Unter Lexik wollen wir im folgenden im Anschluß an G. Mounin „Essai sur la structuration du lexique de l'habitation", S. 9, im Unterschied zum Vokabular als einer Liste der in einem bestimmten Text oder Korpus vorkommenden lexikalischen Einheiten eine hypothetische Gesamtheit aller lexikalischen Einheiten verstanden wissen, die in allen möglichen Texten einer Sprache zu einem bestimmten Zeitpunkt nachgewiesen werden können. 197 L. Hjelmslev — Prolègomena . . S. 42ff. 198 L. Prieto „Contributions à l'étude fonctionelle du contenu", „Traits oppositionnels et traits contrastifs" sowie „Rapport paradigmatique et rapport syntagmatique sur le plan du contenu". 199 G. Cantineau — „Les oppositions significatives". 200 E . Coseriu — „Pour une sémantique diachronique structurale", S. 150ff. 201 I n : Proceedings of the Eighth International Congress of Linguists, S. 638. 202 Ebenda. 203 Vgl. z. B . die Ausführungen . W. Schmidt-Hiddings „Die neue Sprachdiszi. plin", S. 48. • . . . . ; ; . 191
246
204 Vgl. die Feststellung G. Mounins „La s t r u c t u r a t i o n d u lexique de l'habitation", S. 13:••„. . . la s t r u o t u r e . d u lexique,si s t r u c t u r e il y a, d o i t ê t r e quelque chose d ' i n f i n i m e n t plus complexe que le système des voyelles, ou des consonnes, ou de telle ou de telle flexion d ' u n e langue d o n n é e . " 205 Auch bei E . Coseriu: Sistema, n o r m a y habla, S. 41, findet sich System als Bezeichnung f ü r eine virtuelle, potentielle Größe, in die als höchste A b s t r a k tionsstufe die F o r m e n eingehen, die a u s der k o n k r e t e n Sprechtätigkeit abstrahiert wurden (ebenda, S. 94/95). System wird d e m n a c h bei Coseriu in weiterem Sinne f ü r d a s System der Sprache u n d nicht im engeren Sinne f ü r das System des W o r t s c h a t z e s gebraucht. Auch, v o n E . Koschmieder ist i n : „Die verschiedenen A r t e n der Z u o r d n u n g v o n Zeichen u n d F u n k t i o n in d e n Zeichensystemen v o m T y p »Sprache'", S. 556, der T e r m i n u s „ S y s t e m " ziemlich allgemein g e f a ß t worden, wenn er feststellt : „ E s gehört z u m Begriff des Systems, d a ß die v o n i h m u m f a ß t e n Elemente irgendwie begrifflich miteina n d e r gleichnamig sind. Eine Gruppe gleichnamiger E l e m e n t e aber bildet d a n n ein System,, wenn in ihr eine b e s t i m m t e O r d n u n g d u r c h g e f ü h r t ist. Diese Ordnung m u ß n a c h irgendeinem Gesichtspunkt d u r c h g e f ü h r t sein, der sowohl a u s der N a t u r der zusammengestellten E l e m e n t e ( s t o f f i m m a n e n t ) als a u c h aus a u ß e r h a l b dieser liegenden Prinzipien ( „ s t o f f f r e m d " ) hervorgehen kann." 206 P . H a r t m a n n — S y n t a x u n d Semantik, S. 47. 2 0 ' E b e n d a , S. 48. . ' 208 p . H a r t m a n n „ Z u m B e g r i f f u n d Vorkommen v o n . S t r u k t u r ' in der - S p r a c h e " . 209 L. Hjelmslev v e r t r i t t demgegenüber eine allgemeinere weitere S t r u k t u r auffassung, wenn er die S t r u k t u r als „entité a u t o n o m e de d é p e n d a n c e s int e r n e s " b e s t i m m t ; s. Proceedings of t h e E i g h t h I n t e r n a t i o n a l Congress of Linguists, S. 641. , 210 A. a. ()., S. 147. 211 A. a. ()., S. 141. 212 Coserius S t r u k t u r a u f f a s s u n g deckt sich nicht m i t der A u f f a s s u n g H a r t m a n n s ; der T e r m i n u s S t r u k t u r wird wie eine ganze R e i h e z. T. grundlegender linguistischer Termini d u r c h a u s nicht einheitlich g e b r a u c h t . 213 Coseriu, a. a. O., S. 151/152. 214 Vgl. J u . D , A p r e s j a n i n : V K vpprosu o s t r u k t u r n o j leksikologii" sowie i n ; „O p o n j a t i j a c h i m e t o d a c h s t r u k t u r n o j leksikologii". 215 A. Juilland — A n outline of a General Theory of S t r u c t u r a l Relations, S. 19, h a t die Vieldeutigkeit der Bezeichnung „ S t r u k t u r " m i t den W o r t e n u n t e r strichen, d a ß „the meaning of t h e a t t r i b u t e s t r u c t u r a l ' is vague, i t s uses ambiguous. S t r u c t u r a l linguistics m e a n s different t h i n g s t o different linguists a n d , in different contexts, different things t o t h e same linguist." 216 Vgl. l . Hjelmslev — Proceedings of t h e E i g h t h I n t e r n a t i o n a l Congress of Linguists, S. 653. 217 Proceedings, S. 697. 218 Z u m Begriff der M i k r o s t r u k t u r vgl. u. a. K . Baldinger: S é m a n t i q u e et struct u r e conceptuelle, S. 6, u n d wie die weitgehend mit unserer V e r w e n d u n g der Bezeichnung identische Mikrostruktur, wie sie u. a. v o n D. C h i t o r a n : „Colocatie si sens", S. 663, skizziert wurde.
247-
219
Erste Untersuchungen M. Bierwischs, a. a. O., und N. Chomskys „Catégories and Relations in Syntactic Theory" lassen erkennen, daß zwischen den Sememen und den Semen z. B. Teil — von — Relationen bzw. Inklusionen nachgewiesen werden können; s. auch Pottier 1965 über die Implikation: vgl. allgemein die Ausführungen unter 4.1 ff.
Kapitel 2 220 Vgl. C. H j . Borgström, a. a. O., S. l f f . 2.1 L. Hjelmslev in: „Proceedings", S. 642. 222 A. a. O., S. 667. 223 N. Chomsky : „Current Issues in Linguistic Theory". S. 62 ff.; zu den Adäquatheitsebenen in der Semantik; a. a. a. O., S. 76ff. 224 Vgl. Katz/Fodor, a. a. O., S. 176. 225 Zur Ermittlung und Beschreibung der Bedeutung reicht eine Methode, wie z. B. B. A. Kaluznin, E. F. Skorochob'ko „Nekotorye zameèanij o leksiéeskoj semantike", S. 183, hervorhoben, nicht aus. 226 G. Mounin: „Les problèmes théoriques de la traduction", S. 140 ff. 22' „Zum System des russischen Verbums". 228 Besonders in: „Les oppositions significatives". 229 Prieto; A. — s. Angaben im Inhaltsverzeichnis mit Ausnahme der zwei zuletzt erschienenen Werke. 230 Unter Kompatibilität wollen wir hier im Anschluß an E. Agricola „Modell eines operativen Thesaurus" die Vereinbarkeit von Sememen verstanden wissen. Kompatibilitätstests sind dementsprechend Untersuchungen, die durch Einsatzprobe die Kompatibilität des betr. Semems mit anderen Sememen überprüfen, um daraus Rückschlüsse auf die Konstituentenstruktur der Sememe zu ziehen: vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen unter 3.5. 231 Vgl. zum Problem einer semantischen Metasprache u. a. A. J . Greimas, a. a. O., S. 15/16, sowie N. R u w e t : „La linguistique générale aujourd' hui", S. 309. 232 Auch F. K . Saumjan: „Strukturnaja lingvistika", S. 46ff., hat darauf verwiesen, daß die Linguistik — und damit auch die Semantik — heute nicht mehr wie die datensammelnde traditionelle Sprachwissenschaft eine rein induktive, sondern als strukturelle Linguistik eine empirisch-deduktive Wissenschaft darstellt. 233 E s leuchtet ein, daß in der makrolinguistischen Bedeutungsanalyse auf Grund dieser vorrangig hypothetischen Orientierung, der notwendig werdenden Einbeziehung von einer Beschreibung nicht direkt zugängigen Bewußtseinstatsachen sowie fehlender exakter Strukturbeschreibungen, z. B. Ermittlungsprozeduren etwa im Sinne mathematisierbarer Verfahren noch nicht entwickelt wurden. Diese Feststellung trifft in dieser strengen Form aller-
248
dingB nicht vollinhaltlich zu, d a z. B. zur Beschreibung der Systembeziehungen v o n Verwandtschaftsbezeichnungen bereits m a t h e m a t i s c h e V e r f a h r e n bzw. relativ leicht m a t h e m a t i s i e r b a r e Untersuchungen vorgelegt w u r d e n ; vgl. die entsprechende zusammenfassende Darstellung bei J u . D . A p r e s j a n : „Sovremennye m e t o d y izuöenija znaöenij i nekotorye problemy s t r u k t u r n o j lingvistiki", S. 120ff. 234 Vgl. u. a. H . P u t n a m : „Zu einigen Problemen der theoretischen Grundlegung der G r a m m a t i k " . 235 Vgl. p . H a r t m a n n „Modellbildung in der Sprachwissenschaft" sowie 1 . 1 . Rewsin, der i n : „ S t r u k t u r n a j a lingvistika i edinstwo j a z y k o z n a n i j a " , S. 46. als wesentliches Merkmal der strukturellen Linguistik gegenüber der traditionellen Sprachwissenschaft die Tatsache hervorgehoben h a t , d a ß die linguistische S t r u k t u r b e t r a c h t u n g u m eine Modellierung der sprachlichen T a t s a c h e n , also u m eine theoretisch-deduktive Verallgemeinerung der empirischen F a k ten, b e m ü h t ist. Dabei v e r s t e h t Rewsin u n t e r Modellierung eine Methode, m i t deren Hilfe u n t e r Zugrundelegung k o n k r e t e r Merkmale allgemeine, a b s t r a k t e H y p o t h e s e n über die S t r u k t u r der Sprache formuliert werden können, die ihrerseits a n empirischen F a k t e n ü b e r p r ü f t werden müssen. Die strukturelle Linguistik h a t in den letzten J a h r e n eine v e r s t ä r k t e Mathematisierung e r f a h r e n ; doch l ä ß t sich diese allgemeine Tendenz i n der s t r u k turellen S e m a n t i k bisher n u r in wenigen U n t e r s u c h u n g e n , so z. B . bei J u . D. A p r e s j a n „ O p y t opisanija znaöenij glagolov p o aintaksiöeskim p r i z n a k a m " eindeutig nachweisen während sie in d e n makrolinguistischen U n t e r s u c h u n g e n jedoch offensichtlich zunächst einer v e r s t ä r k t e n Einbeziehung der s p r a c h lichen I n t u i t i o n d a s Feld überlassen m u ß t e . 236
Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g einen entsprechenden Hinweis L. P r i e t o s in „Proceedings . . .", S. 669. 237 Vgl. A. N e u b e r t „Analogien zwischen Phonologie u n d S e m a n t i k " , S. 106. Die Notwendigkeit der S c h a f f u n g von Analogiemodellen zur Ü b e r w i n d u n g unvollständiger Kenntnisse sowie die Schaffung einer semantischen S t r u k t u r forschung auf objektiver Basis ist u. a. a u c h v o n G. F . Meier „ S e m a n t i s c h e Analyse u n d N o e m a t i k " , S. 582/83, unterstrichen worden. 238 Vgl. u. a. die e r w ä h n t e n Forschungen R . J a k o b s o n s , J . Cantineaus, L. P r i e t o s sowie E . Coserius, auf die entweder bereits eingegangen w u r d e oder noch einzugehen sein wird; im übrigen ist auch v o n N. Chomsky „Categories a n d Relations in Syntactic T h e o r y " der W e r t des Analogieschlusses nachdrücklich hervorgehoben worden. 239 Vgl. u. a. die besonders f ü r die morphologische Analyse eingesetzten Distributionsverfahren sowie T r a n s f o r m a t i o n e n u n d Substitutionstests. 240 Vgl. A. N e u b e r t , a . a . O . , S. 106; vgl. die vorausgehenden A u s f ü h r u n g e n u n t e r 1.6.1. A. a. O., S. 107. 242 W i r gebrauchen die bei M. J o o s : „Semology: a linguistic t h e o r y of Meaning" a u f t r e t e n d e Bezeichnung in e t w a s erweitertem Sinne. 243 B e t r a c h t e in diesem Z u s a m m e n h a n g die A u s f ü h r u n g e n E . Coserius, a. a. O., S. 152, 153, F u n . 15 ü b e r den Charakter der „ S e m e " als „ t r a i t s distinctifs". 244 Vgl. E . Leisi, a. a. O., S. 119.
249
2i5
I n A n b e t r a c h t der im ersten Kapitel n ä h e r beleuchteten engen Beziehungen von Sprache u n d Denken (Abbild) k ö n n t e n Zweifel a n der Möglichkeit u n d Zweckmäßigkeit einer wirklich rein extralinguistischen Analyse des linguistischrelevanten Abbilddurchschnitts laut werden, die gegenwärtig nicht d u r c h eine leistungsstarke extralinguistische Analyse, z. B. in F o r m neurophysiologischer Messungen, eindeutig zu e n t k r ä f t e n sind. 246 Vgl. die Darlegungen G. F . Meiers in : „Ein Beitrag zur E r f o r s c h u n g der Beziehungen von Sprache u n d D e n k e n " , S. 622. 247 W i r beziehen u n s .dabei auf A u s f ü h r u n g e n Coserius im S o m m e r k u r s 1966 in Grenoble, die uns in einer Vorlesungsnachschrift zur V e r f ü g u n g standen. I h n e n zufolge seien z. B. im Deutschen ,Mensch' als eine „Archieinheit", ,Mann' u n d , F r a u ' (Weib) dagegen als inhaltlich der Archieinheit u n t e r geordnete E i n h e i t e n - z u b e t r a c h t e n . Vgl. in diesem Sinne vor allem die D a r legungen S> M. L a m b s , der ebenfalls verschiedene S t r a t a im mikrolinguistischen Bereich, d. h. v o n d e m L e x e m s t r a t u m a n a b w ä r t s unterschieden h a t , d a m i t allerdings eine andere K o n z e p t i o n der lexikalischen Schichten v e r t r a t als Goserju. 248 Coseriu -T- „ P o u r une sémantique diachronique structurale", S. 152/53; s. u. a. a u c h die Versuche D. Bolingers, a. a. O., S. 558ff. 249 Vgl. Mounin, a. a. O., S. 92.. 250 Siehe L. Hjelmslev, „Prolegomena t o a Theory of L a n g u a g e " , S, 4 3 f f . 251 w i e Hjelmslev ausdrücklich betonte, müsse u n b e d i n g t b e a c h t e t werden, d a ß die ermittelten E i n h e i t e n t- also beispielsweise „she — gender" — nicht : d u r c h Bezug auf ihre objektsprachliche B e d e u t u n g definiert werden d ü r f t e n ; = „she — gender" sei d a h e r nicht gleichbedeutend mit weiblichem Geschlecht u n d d ü r f e natürlich nicht als W o r t k ö r p e r b e t r a c h t e t werden, sondern beruhten auf rein formalen Kriterien. Die Analyse wäre d a h e r a u c h keine Analyse der - B e d e u t u n g , ebensowenig wie die Zerlegung i n Ausdruckseinheiten auf L a u t e n oder Artikulationen beruhe. J e d e r neue Schritt in der Analyse fördere E l e m e n t e allgemeinerer Art u n d kleinerer Zahl zutage^ 252 Siehe G. Mounin, a. a. O., S. 82. 2 53 Vgl. G. Mounin, a. a. O., S. 85. 254 Sein Begriff der isolierten Bedeutungsoppositionen, d. h. solcher Oppositionen, die nicht proportional sind,also z. B. coq — poule, ist f ü r eine streng strukturelle Linguistik ohne B e d e u t u n g , d a d a m i t W e r t p a a r e bezeichnet werden, die keine formale sprachliche Beziehung aufweisen u n d a u c h b e d e u t u n g s m ä ß i g als außersprachlich zu bezeichnende S t r u k t u r e n widerspiegeln. 2.2 255
E s handelt sich d e m n a c h bei der mikrolinguistischen Analyse im G r u n d e genommen nicht u m eine U n t e r s u c h u n g auf d e r Ausdrucksebene im Hjelmslevschen Sinne, sondern vielmehr u m eine Analyse der „Verhaltensweisen" bedeutungstragender Einheiten. . 2 56 A. a. O., S. 328/39. 257 A. a. O., S. 239; auch A. Juilländ h a t i n : „ A n Outline of S t r u c t u r a l Relations", S. 42ff., die formale S t r u k t u r a n a l y s e ohne Bezugnahme auf inhaltliche F a k -
250
; toren nachdrücklich b e f ü r w o r t e t u n d gefordert, sie müsse „proceed exclusively in t e r m s of expressional a n d f o r m a l criteria, t o t h e exclusion of criteria of c o n t e n t a n d substance, hence of meaning." Seit der Mitte u n d d e m E n d e der 50er J a h r e h a t die mikrolinguistische Betrachtungsweise allerdings b e s t i m m t e Veränderungen durchgemacht, h a t sich ihr gegenüber unübersehb a r eine makrolinguistische B e t r a c h t u n g entwickelt, so d a ß wir d e m seitens der 'mikrolinguistischen U n t e r s u c h u n g e n m i t u n t e r geäußerten alleinigen A n s p r u c h auf wissenschaftliche Geltung h e u t e in der Regel nicht m e h r begegnen. 258 E s verdient in diesem Z u s a m m e n h a n g auf den U m s t a n d verwiesen zu werden, daß, wie a u s einer noch unveröffentlichten Studie W . Lorenz' zur B e d e u t u n g : hervorgeht, die Eliminierung des Abbilds a u s der relationeil b e s t i m m t e n B e d e u t u n g nicht n u r als zu eng, sondern sogar als u n e x a k t b e t r a c h t e t w.erden muß. 259 W ü r d e in d a s linguistische Zeichen a u c h das A als K o m p o n e n t e einbezogen, . s o . k ö n n t e es nicht m e h r als Zeichen f ü r Bewußtseinsinhalte (Abbilder), sondern allenfalls als Zeichen f ü r Objekte der R e a l i t ä t selbst fungieren. I n diesem Fall aber k ö n n t e es angebracht erscheinen, von einer Bezeichnung als sprachliches Zeichen A b s t a n d zu n e h m e n ; -vgl. u. a. G. J ä g e r , a. a. O. W i e bereits u. a. A. N e h r i n g : Sprachzeichen u n d Sprechakte, S. 24, u n d L. Zawadowski i n : Materialien Symposium, E r f u r t , B d . 1, S. 153, ausdrücklich b e t o n t h a b e n , k ö n n t e das Zeichen schon deshalb nicht d a s Abbild beinhalten, d a es f ü r Bewußtseinstatsachen s t e h t , aber eben nicht f ü r einen Teil von sich selbst s t e h e n k a n n . Ebensowenig wie der Schüler^ der in enger Beziehung z u m Lehrer steht, n u r d u r c h eben diese Beziehung d e f i n i e r t u n d der Lehrer gewissermaßen als Bestandteil des Schülers bezeichnet werden d ü r f t e , d ü r f e die in Relation auf ein A b e s t i m m t e S e m a n t i k des sprachlichen Zeichen« als eine Verbindung v o n Zeichenkörper (Formativ) u n d Abbild b e t r a c h t e t werden. — Aus der hier m i t aller Schärfe aufgezeigten Konsequenz einer Einbeziehung des Abbilds in die linguistische Beschreibung wird a u c h das Bestreben verständlich, die linguistische B e d e u t u n g s f o r s c h u n g vor einer solchen extralinguistischen Ausweitung d a d u r c h zu bewahren,, d a ß aus der semantischen Zeichenrelation der E n d p o l (A) a u s g e k l a m m e r t wird. Die lexikalische B e d e u t u n g eines Zeichens erscheint dabei allenfalls als eine F u n k t i o n , die es ihm erlaubt, im Bewußtsein ein Abbild auszulösen, das. Abbild eines b e s t i m m t e n Objektes der Realität ist. Sie ist also als eine funktionelle u n d n i c h t irgendwie substantielle Größe bestimmt . 260
Siehe u. a. W . Lorenz, Diskussionsbeitrag auf der I . I n t e r n a t i o n a l e n K o n f e renz des Dolmetscher,-Instituts Leipzig; vgl. u. a. a u c h O. K a d e , G. J ä g e r — Diskussionsbeiträge - a. a. O., S. 161-165, 167, 168. 261 , D a m i t aber scheinen die makrolinguistischen U n t e r s u c h u n g e n u, a. vor allem der traditionellen Bedeutungsforschung v e r w a n d t , in d e r bis i n die Gegenwart hinein fast ausschließlich nach der .physikalischen L a d u n g ' , d. h. der Substanz der B e d e u t u n g , nicht aber n a c h ihrem funktionellen W e r t innerhalb des semantischen u n d lexikalischen Systems der Sprache gesucht wurde. Nicht zufällig ist dabei die moderne S t r u k t u r a n a l y s e ähnlich wie d i e herkömmliche Semasiologie vor allem an der »referentiellen' B e d e u t u n g der
251
Morpheme u n d Morphemkombinationen interessiert u n d d a h e r d u r c h einen ausgesprochen d e n o t a t i v e n Zug gekennzeichnet, der seinen klassischen Ausd r u c k in d e m Bedeutungsdreieck Ogden/Richards' g e f u n d e n h a t . 262 Vgl. u. a. N. Savicky „O moznostech m a t e m a t i c h e h o modelovani s e m a n t i k y pfirozeného j a z y k a " ; s. a u c h die Zweifel, die von E . A. N i d a „Toward a Science of Translating", Leiden 1964, S. 97ff., a n der Leistungsfähigkeit der distributionellen Analysen u n d v o n G. Helbing „ U n t e r s u c h u n g e n zur Valenz deutscher V e r b e n " i n : „Deutsch als F r e m d s p r a c h e " I , S. 8/9, a n d e r generellen Gültigkeit des Isomorphismus geäußert wurden, der als G r u n d l a g e f ü r die Distributions- u n d Transformationsanalysen der mikrolinguistischen Bedeutungsforschung angesehen werden k a n n . 263 Vgl. die bereits von S. K a r c e v s k i j : „De l'asymétrie d u signe linguistique" 1929 b e h a u p t e t e A s y m m e t r i e des sprachlichen Zeichens, die bis in die Gegenw a r t diskutiert w i r d ; vgl. u. a. L. P r i e t o auf d e m V I I I . Linguistenkongreß — Proceedings, S. 669ff. sowie die v e r s t ä r k t e Diskussion der F r a g e n a c h d e m vor allem von den Glossematikern v e r t r e t e n e n I s o m o r p h i s m u s zwischen I n h a l t s - u n d Ausdrucksebene in den 50er J a h r e n parallel z u m A n w a c h s e n der mikrolinguistischen B e d e u t u n g s f o r s c h u n g ; so u. a. bei Kurylowicz, J . i n : „Recherches s t r u c t u r a l e s " 5/1949, O. A. A c h m a n o w a : „O p o n j a t i j ,izomorfizm a ' lingvistiëeskich kategorij", S. K . S a u m j a n : „ S t r u k t u r n y e m e t o d y izuöenija znaèenija", insbesondere S. 4 8 f f . sowie A. M a r t i n e t : „ L a linguistique synchronique", S. 2 0 f f . u n d i n : „Arbitraire linguistique e t double articulat i o n " S. 105 ff. 264
Siehe A. M a r t i n e t : L a linguistique synchronique, S. 2 0 f f . A. a. O., S. 21. 266 A. a. O., S. 51. 267 Vgl. d e n Hinweis M a r t i n e t s a. a. O., S. 22, d a r a u f , ob wirklich v o n zwei vone i n a n d e r unterschiedenen E b e n e n die R e d e sein k ö n n e ; s. a u c h M a r t i n e t : „Arbitraire linguistique et double articulation", S. 105. 2«8 A . a . O., S. 669. 269 A . a. O., S. 4 8 f f . 2,0 Siehe Literaturverzeichnis u n d A u s f ü h r u n g e n u n t e r 2.24: A p r e s j a n h a t die Isomorphierelation in seinem Artikel „Sovremennye m e t o d y izuöenija i n e k o t o r y e problemy s t r u k t u r n o j lingvistiki", S. 109, dahingehend b e s t i m m t , d a ß jeder semantische Unterschied sich zwar nicht notwendig in einem synt a k t i s c h e n äußere, d a ß aber jedem syntaktischen Unterschied notwendig ein semantischer Unterschied entsprechen würde. 271 A u c h A. J . Greimas, a. a. O., S. 30/31, h a t d a s Vorhandensein eines Isomorp h i s m u s bezweifelt; doch scheint a u c h hier d a r u n t e r weniger die T a t s a c h e , d a ß semantische Unterschiede formal syntaktisch-morphologisch repräsent i e r t sind u n d formalen Unterschieden semantische Unterschiede entsprechen, v e r s t a n d e n zu sein, als vielmehr die in der T a t ziemlich problematische Ann a h m e eines symmetrischen A u f b a u e s der beiden E b e n e n . 272 D a m i t erscheint u n s z. B. die grundlegende These, d a ß sich d a s Vorhandensein unterschiedlicher Sememe als K o r r e l a t eines L e x e m s bzw. inhaltlich gleicher, aber formal unterschiedlicher E i n h e i t e n a u c h in dem kontextuellen Verhalten, im V o r k o m m e n im weiteren Sinne der jeweiligen lexikalischen E i n h e i t ä u ß e r n 265
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würde, durchaus nicht entkräftet. E s k o m m t n u r auf die Bestimmung des Umfanges und die Wahl des entsprechenden K o n t e x t e s an, und es k a n n wohl nicht ernsthaft bestritten werden, daß sich nicht auch f ü r weitgehend synonyme Sememe ein ganz konkreter K o n t e x t finden lassen dürfte, der sich als ungeeignet f ü r eine Ersetzung des betreffenden Semem/Lexems durch ein Synonym erweisen würde. Diese Feststellung t r i f f t u m so sicherer zu, wenn aus den potentiell möglichen K o n t e x t e n z. B. auch metasprachliche Äußerungen über das betreffende Lexem oder Semem nicht ausgeschlossen werden. 273 Semology : a linguistic Theory of Meaning. 274 „ K voprosu o s t r u k t u r n o j leksikologii", „O ponjatijach i metodach s t r u k t u r n o j leksikologii". 275 A. a. 0 . E s m a g u. U. als u n e x a k t betrachtet werden, wenn auch diese Versuche zur strukturellen Semantik im weiteren Sinne hinzugezählt werden; doch sollten sie als Vorstufe und Bestandteil einer makrolinguistischen Beschreibung ohnehin nicht unbeachtet bleiben und sind die Bezüge zur strukturellen Semantik im engeren Sinne beispielsweise in der Beziehung der semantischen Mikro- zu den Makrostrukturen deutlich gemacht worden. 276 Solange noch keine exakte Scheidung zwischen Sememen u n d Sememvarianten d u r c h g e f ü h r t ist, wird, so scheint es, eine endgültige Bestätigung wohl nicht gegeben werden können. 277 Symbolisch ließe sich die intuitiv getroffene Feststellung auf etwa die folgende F o r m bringen: I (Uge, Ugy)[UBy (Ugy R Uge)] bzw. weiter vereinfacht auf U,y impliziert ügg wobei U g e = semantische Unterschiede Ugy = syntaktische Unterschiede R = Repräsentation. Die angegebene Symbolisierung ebenso wie wertvolle Hinweise v e r d a n k e n wir G. Jäger. 278 „Distributional Structure", S. 146. 279 Heibig h a t in „Untersuchungen zur Valenz u n d Distribution deutscher Verben" (I u n d I I ) zu Recht hervorgehoben, daß es irreführend wäre, wollte m a n beispielsweise f ü r Synonyme eine weitgehend identische Distribution annehmen. mo A. a. O., S. 156. 281 I n : „Proceedings", S. 693. 282 Dubios, J . , Irigaray, L., Marcie, P., „Transformation negative et Organisation des classes lexicales". 283 Vgl. u . a . d i e Untersuchungen Meschonnics, H . : „Essai sur le c h a m p lexical d u mot idée", in denen im Gegensatz zur üblichen inhaltlich orientierten Feldbetrachtung formale Kritieren im Vordergrund stehen, sowie die formalen Analysen M. Coyauds in: „Transformations linguistiques et Classification lexicale". 284 A. B. Dolgopol'ski, a. a. O. 285 I n der T a t hat die formale Bedeutungsforschung und K o n t e x t b e t r a c h t u n g durch die Transformation Möglichkeiten erhalten, umfangreiche Distributionsanalysen dadurch zu vermeiden, daß die betreffenden Sätze bzw. auch 1
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einzelne lexikalische Einheiten Transformationen unterworfen werden, die sie auch in den tatsächlichen Sprechaktsituationen erfahren haben könnten; so z. B. Passivtransformationen bei Verben, Komparationstransformationen bei Adjektiven —. Vgl. in diesem Zusammenhang z. B. die bereits bei S. M. Lamb, a. a. O., S. 14ff. vorgenommenen Transformationen von ,big' zu ,bigger', die zur Herausstellung eines unterschiedlichen Semems — im Sinne Lambs — genutzt wurden. Die Transformationen, die eine gesicherte intuitive Kenntnis der Gebrauchsmöglichkeiten und syntagmatischen Verknüpfungsnormen voraussetzen und eine ökonomischere und umfassendere Materialbereitstellung f ü r Distributionsanalysen ermöglichen, besitzen f ü r die mikrolinguistische Bedeutungsforschung demnach eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, stellen sie doch letztlich wohl nichts anderes dar als gewissermaßen auf Grund intuitiver Kenntnis der möglichen Vorkommen einer bestimmten lexikalischen Einheit vorweggenommene, d. h. „künstlich" — besser bewußt — geschaffene, der Norm entsprechende co-oceurrences. 286 Vgl. in diesem Zusammenhang u. a. die Ausführungen von J . A. F i r t h : „The Techriique of Semantics" sowie die Untersuchungen Slama-Cazacus; s. Literaturverzeichnis. — Unter dem Einfluß einer, insbesondere in der logischen Semantik, verbreiteten Hypothese hat die von der Kontexttheorie, die ihre extremste Ausprägung in der von Wittgenstein „Philosophische [Untersuchungen", S. 60, behaupteten Identität von Bedeutung und Gebrauch gefunden hat, eingeleitete verstärkte Einbeziehung des sprachlichen formalen Kontextes in die semantische Analyse allem Anschein nach direkt auf die Herausbildung und Festigung der mikrolinguistischen Semantik eingewirkt, 287 Gegen diese extreme Auffassung hat u. a. auch E. Leisi, a. a. O., S. 7, 9, Stellung bezogen. Natürlich hängt auch hier wieder viel davon ab, was unter „Kontext" verstanden und was nicht zum Kontext gezählt werden soll bzw. kann. Unter sprachlichem Kontext wollen wir im folgenden ganz allgemein und entsprechend der üblichen Verwendung dieses Wortes, beispielsweise bei Slama-Cazacu, das Zusammenvorkommen mehrerer bedeutungstragender Einheiten, sprachlicher Zeichen, in einer Äußerung, d. h. kommunikativen Zwecken dienenden „message", verstanden wissen. 288 Vgl. unter diesem Gesichtspunkt u. a. die Sätze: Er spuckte ihm ins Gesicht. Er spuckte ihm ins Antlitz. Er spie ihm in die Visage. — gegenüber: Er spie ihm ins Antlitz . . ., aus denen interessante Schlußfolgerungen über die stilistische Selektion im Kontext durch die jeweiligen Lexeme (spucken-Gesicht; speien — Antlitz . . .) abgeleitet werden können. 289 W i r wollen vorläufig, wie u. a. auch Katz/Fodor, a. a. O., S. 176, den Satz als Bezugsgröße der semantischen Analyse betrachten, zumal er auch in der Ubersetzungstheorie — vgl. A. Neubert „Semantik und Übersetzungswissenschaft" — gegenwärtig noch als größtnotwendige Übersetzungseinheit gilt. — Bei den angeführten Beispielen handelt es sich daher durchweg um ganze Sätze, wobei sicher in nicht wenigen Fällen f ü r eine entsprechende semantische Analyse auch kleinere Kontexteinheiten mit Nutzen herangezogen werden könnten, der Satz aber — als relativ deutlich abgegrenzte Sinneinheit läßt 254
er sich in seinem Aufbau in etwa den Aussägen und Urteilen der Logik vergleichen — deshalb zugrunde gelegt wurde, weil in ihm die von E . Leisi nachgewiesene semantische Kongruenz sich am deutlichsten ausprägt. 290 S. 36. 291 „Nekotorye voprosy polisemii". 292 Da wir hier nicht detaillierter auf die formale Analyse der angegebenen Distributionen eingehen konnten, mußten wir auch davon Abstand nehmen, ausführlicher auf die Wahl bestimmter Symbolisierungen einzugehen, sowie z. B . zu begründen, warum anstelle des unpersönlichen Pronomens „es" nicht wie in den übrigen Distributionen C2 eingesetzt wurde. Eine intuitive Motivierung, die natürlich in besonderem Maße Gefahr läuft, subjektive Faktoren in den Vordergrund zu rücken und unangebrachte semantische Aufgliederungen vorzunehmen, scheint — „Es" + V — als Spezialfall der Distribution auszuweisen, bei dem es angebracht erscheinen könnte, ihn beispielsweise von Sätzen zu unterscheiden, die sonst die gleiche Distribution besitzen würden: C 2 + V + (Adv) + C2 — Sie kommt gleich, die Station N. —. Inwieweit die vorgenommene Unterscheidung berechtigt ist, kann jedoch nur eine entsprechende sorgfältige distributioneile und semantische Analyse erweisen, wie sie uns im Rahmen unserer Arbeit nicht möglich war. 293 E s könnte aus der Identität der Distributionsformel (18) und (17) geschlußfolgert werden, daß zwischen den Sätzen keine wesenhaften semantischen Unterschiede bestehen; doch tritt diese Annahme in relativ deutlichen Widerspruch zur Intuition, derzufolge gewisse nicht näher bestimmte semantische Unterschiede unübersehbar sind. Eine Entscheidung fällt außerordentlich schwer, zumal exakte semantische Kriterien für oder wider eine Unterscheidung nicht vorliegen und auch die in beiden Fällen möglich, wenn auch im Beispiel (18) ungebräuchlich erscheinende Substitution durch „besuchen" keine völlige Klärung zu erbringen vermag. Nicht zuletzt auch aus diesem Grund sollte eine Entscheidung darüber, ob es sich um Varianten eines Semems oder um zwei voneinander unterschiedene Sememe mit einer mehr oder weniger umfangreichen gemeinsamen Anzahl von Semen handelt, einem entwickelteren Stand der semantischen Forschung vorbehalten bleiben. 294 Eine strenge Scheidung zwischen kommen + a u s (Lokal) und kommen (Übertr.), wie sie aus den angegebenen Distributionsformeln und den vermerkten qualitativen Interpretationen auf Grund des Vorhandenseins von + Det im ersten Falle geschlußfolgert werden könnte, liegt nicht vor, ebensowenig wie aus dem Distributionsunterschied mit Sicherheit auf semantische Unterschiede — eben z. B . direkten lokalen oder übertragenen Gebrauch — geschlossen werden kann, was die mögliche Konstruktion C1 + V + ( D e t ) + + N 3 — Hauptstadt usw. zeigt. 295 Gerade eine semantische Analyse der Distribution aber scheint nicht nur zu beweisen, daß die gewählten Distributionskriterien — Verb + Präposition bzw. + Subjekt etc. — von unterschiedlicher Relevanz für die Aufdeckimg der tatsächlichen semantischen Charakteristika sein können, sondern daß zudem vor allem die von uns in Ablehnung an Apresjan herausgegriffene Distribution Verb + Präposition weniger semantisch relevant erscheint als die kontextuelle Verknüpfung mit dem Subjekt und/oder Objekt. Werden doch beispielsweise
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aus den polysemen und noch nicht eingehender semantisch beschriebenen Präpositionen a u s u . a . m . , auch nach erfolgter qualitativer Bestimmung als lokal bzw. temporal, keine eingehenderen Aufschlüsse über die innere semantische Struktur des Verbs zugelassen, da „kommen" als Bewegungsverb sowohl lokal als auch temporal bestimmt werden kann und aus der qualitativen Beschreibung von „aus" noch nicht einmal eindeutig hervorgeht, daß „kommen" hier tatsächlich als Bewegungsverb benutzt wurde, denn eine temporale und lokale Ergänzung durch eine mit „aus" eingeleitete Konstruktion kann eben auch bei „kommen" im Sinne von „hergestellt werden", „stammen aus" usw. auftreten. 296 Entsprechende Hinweise, die hier nur zu einer weiteren Komplizierung und größeren Unbestimmtheit, anstatt zu der sonst üblichen Monosemierung Anlaß geben würden, empfängt der Hörer dabei aus seinem Denotatswissen, das ihm u. a. Aufschluß darüber gibt, daß Sonneberg die Stadt des Spielzeugs ist. 297 „Sur la détermination du sens d'un mot au moyen du contexte." 298 Vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen unter 3.5.1 und 4.1 ff. Eine exakte semantische Beschreibung der Präposition steht leider noch aus, obwohl auf dem Sektor des Französischen und Spanischen dazu bereits von B. Pottier: „Systématique des éléments de relation" eine wertvolle und aufschlußreiche Vorarbeit geleistet wurde. Nicht selten muß sich daher eine entsprechende semantische Beschreibung auch hier mit ad-hoc-Lösungen zufrieden geben. 299 Stünde f ü r „Sachsenwerk" z. B. „Funkwerk", so wäre damit automatisch die Möglichkeit einer Interpretation in dem angeführten Sinne als „Produkt" ohnehin ausgeschlossen. 300 E s zeigt sich demnach deutlich, daß nicht nur der unmittelbare, sondern auch der weitere Kontext f ü r die semantische Kontextanalyse große Bedeutung besitzt, wobei allerdings eine solche Distributionsanalyse, wollte sie dieser veränderten Distribution auch Rechnung tragen, gezwungen wäre, außerordentlich umfangreiche und in ihrer notwendig relativ unbestimmten Formulierung wenig aussagekräftige Distributionsformeln anzugeben, die das Vorhaben einer formalen Bestimmng der semantischen Strukturen in Frage zu stellen scheinen. 301 E s leuchtet ein, daß eine Entscheidung bei einem Satz, wie : „Etwa 25 Autos kommen täglich aus dem Sachsenwerk" bereits schwerer fallen könnte, da diese Zahl möglicherweise dem tatsächlichen Produktionsausstoß näher kommt. Doch würde in diesem Fall an die Stelle von „kommen" — „verlassen" treten, das im übrigen auch als Verb der Bewegung fungiert, hier aber in dem speziellen Kontext relativ eindeutig auf „gefertigt werden" festgelegt ist. 302 M. Joos, a. a. O., S. 62. 303 Vgl. u. a. die Ausführungen D. Chitorans „Colocatie si sens"., S. 657, zu den unterschiedlichen Verwendungsweisen dieses Terminus. Chi^oran hat die Kollokation ähnlich wie Joos als methodisches Mittel zur Bestimmung von Bedeutungsnuancen und — unterschieden verwandt und der syntagmatischen Kollokation gewissermaßen ihre paradigmatische Entsprechung in Form von Serien gegenübergestellt.
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304
Porzig, W . „ W e s e n h a f t e Bedeutungsbeziehungen". 305 A. a. O., S. 64. 306 Wie umfangreich d a s untersuchte T e x t m a t e r i a l sein m u ß , u m einen repräsentativen K o r p u s zu bilden — vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g Gleason, H . A . : A n I n t r o d u c t i o n to descriptive linguistics, K a p . 13—, ist nicht i m m e r leicht festzulegen, zumal a u c h qualitative Gesichtspunkte bei der T e x t w a h l berücksichtigt werden müssen. 307
A. N e u b e r t , a. a. O., S. 110 Joos, a. a. O., S. 55. 3°9 A. N e u b e r t , a. a. O., S. 115. 310 N i d a , E . A., „Toward a Science of Translating", S. 97. 3 " E b e n d a , S. 99. 312 Apresjan, J u D., „ D i s t r i b u t i v n y j analiz znaöenij i s t r u k t u r n y e semantiöeskie p o l j a " . 313 Apresjan, a. a. O., S. 54/55. 314 Auf diese F r a g e n n ä h e r einzugehen, ist hier nicht der Ort, doch verdient u. E . der Hinweis Apresjans auf die semantische K o m p o n e n t e n a n a l y s e als eine F o r m der semantischen Beschreibung, die auf einer vorausgehenden syntaktisch formalen Distributionsanalyse basiert, bereits in diesem Z u s a m m e n h a n g besondere Beachtung, scheint er doch zu beweisen, d a ß A p r e s j a n sich der Mängel der mikrolinguistischen Analyse u n d der Notwendigkeit einer E r g ä n z u n g durch eine semantische, qualitative U n t e r s u c h u n g b e w u ß t w a r . 315 Vgl. Apresjan, a. a. O., S. 59. Die Annahme, d a ß sich a u s d e m s y n t a k t i s c h e n Verhalten, d. h. aus der Distribution der v o n i h m u n t e r s u c h t e n Verben, semantische Unterschiede u n d Übereinstimmungen ermitteln lassen m ü ß t e n , wird g e s t ü t z t u. a. d u r c h die von W . Schmidt „Lexikalische u n d aktuelle Bed e u t u n g " bzw. von R . Mrazek „Sintaktiöeskaja distribucija glagolov i ich. klassov" aufgestellte B e h a u p t u n g , d a ß sich die „ I n t e n t i o n " des Verbs ä u ß e r lich in der Valenz niederschlage bzw. d a ß sich h i n t e r der s y n t a k t i s c h e n Valenz i m m e r eine semantische Valenz verberge, die die semantischen Bedingungen f ü r die strukturellen Mitspieler im Satz e n t h ä l t ; s. G. Heibig: „ U n t e r s u c h u n gen zur Valenz u n d Distribution deutscher Verben", Teil I I , S. 12. Ebenda. 317 A. a. O., S. 12/13. 318 D u r c h eine eingehende U n t e r s u c h u n g der näheren U m g e b u n g e n englischer bzw. russischer Verben — wobei Apresjan bereits in d e m Artikel „Distribut i v n y analiz znaöenij i s t r u k t u r n y e semantiöeskie p o l j a " z. B. zu einer Verfeinerung des formalen Verfahrens der Distributionsanalyse a u c h sogenannte syntaktische Merkmale, wie z. B. „belebtes" bzw. „unbelebtes S u b j e k t " oder „ O b j e k t " e i n f ü h r t e , gelangt Apresjan zu gewissen, n a c h f o r m a l e n Kennzeichen, z. B. der Kasusrektion u n d präpositionalen E r g ä n z u n g d e r Verben, b e s t i m m t e n semantischen Feldern u n d Klassen. 319 So interessant die von Apresjan an konkreten Beispielen dargelegten mikrolinguistischen Methoden auch scheinen mögen, so drängen sich doch angesichts der erforderlich werdenden komplizierten m a t h e m a t i s c h e n Operationen sowie des sprachspezifischen Charakters der analysierten Erscheinungen gewisse Zweifel über die Sinnfälligkeit des eingeschlagenen Weges auf. 308
17 Wotjak, Bedeutung
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320 Vgl. G. Helbigs B e m e r k u n g e n ü b e r die Dreiwertigkeit der Verben des Gebens u n d Mitteilens, die inhaltlich einen Geber (Mitteiler), etwas Gegebenes (Mitgeteiltes) u n d einen E m p f ä n g e r (des Gebens oder Mitteilens) voraussetzen, weil sie ein Agens, ein Objekt u n d ein Ziel im semantischen Sinne fordern, a. a. O;, S. 12. 321 A. a. O., S. 8/9 322 N . Chomsky, „Catégories a n d Relations in Syntactic T h e o r y " . 323 Über die Zuordnung der e r w ä h n t e n Merkmale sowie ü b e r entsprechende Zuordnungskriterien zur S y n t a x oder Semantik besteht in der m o d e r n e n Semantik noch keine Einmütigkeit. W ä h r e n d N. Chomsky, a. a. O., die e r w ä h n t e n Merkmale als Bestandteile einer verfeinerten S y n t a x b e t r a c h t e t wissen möchte, zählen sie K a t z / F o d o r zur Semantik. E i n e E n t s c h e i d u n g s t e h t noch a u s ; in beiden Fällen aber h a n d e l t es sich u m eine über d a s bisher üblicherweise zur syntaktisch-grammatischen B e d e u t u n g Gezählte hinausgehende qualitative Bestimmung. Sie sollen daher im folgenden zunächst m i t in die markrolinguistische Betrachtungsweise eingereiht werden, zumal eine Grenze zwischen semantischen u n d syntaktischen Merkmalen, d. h. zwischen Semen u n d Klassemen, wie bereits e r w ä h n t , ohnehin z u m gegenwärtigen Z e i t p u n k t nicht e x a k t festgelegt werden k a n n . 324 Vgl. u n t e r 3. 5. 1 die A u s f ü h r u n g e n zur K o n t e x t a n a l y s e . 325 Vgl. u. a. M. Bierwisch, a. a. O., der diesen K o m p r o m i ß gewählt zu h a b e n scheint, u m u n f r u c h t b a r e n Diskussionen auszuweichen. 2.3 326
Die S t r u k t u r e n der Inhaltsebene sind einer direkten E r f o r s c h u n g noch nicht zugängig; es ist daher kein Zufall, d a ß die I n t u i t i o n in der modernen makrolinguistischen Bedeutungsforschung einen besonderen P l a t z eingenommen h a t ; vgl. u. a. auch A. J . Greimas, a. a. O., S. 34, der sie als eine Voraussetzung f ü r die wissenschaftliche Arbeit ü b e r h a u p t b e t r a c h t e t . Die B e d e u t u n g der I n t u i t i o n wird u. a. a u c h d a d u r c h noch unterstrichen, d a ß wir die f ü r die moderne makrolinguistische Bedeutungsforschung so wichtige E n t s c h e i d u n g ü b e r vorliegende semantische Normverstöße u n d die versuchte B e s t i m m u n g des Grades der „ S e m a n t i z i t ä t " n u r u n t e r b e w u ß t e r Zuhilfenahme der I n tuition d u r c h f ü h r e n können, wobei sich d u r c h die Intuitionsanalyse die t a t sächlich vorhandenen semantischen S t r u k t u r e n aufzeigen lassen werden. 327 Vgl. die Aufgabenstellung einer Semantischen Theorie bei J . J . K a t z / J . A. Fodor, a. a. O., S. 176ff. 328 Vgl. zu Aufgabe, Zielstellung, Methode u n d besonders herausragenden Vert r e t e r n der Inhaltsforschung Gipper, H . : „Bausteine der Wortinhaltsforschung". 329 Vgl. Coseriu, E . : „Pour u n e sémantique diachronique structurale", S. 139. 330 Dies würde der ersten Stufe einer syntaktisch-qualitativen I n t e r p r e t a t i o n entsprechen. 331 E b e n d a . 332 E . Coseriu h a t , a. a. O., S. 147ff., nachdrücklich die Ansicht vertreten, d a ß die strukturelle Semantik nie zu den eigentlichen S t r u k t u r e n des I n h a l t s vordringen k a n n , solange sie a n eine U n t e r s u c h u n g der Relationen von I n -
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halts- und Ausdrucksebene gebunden bleibt und nicht zu einer konsequenten Inhaltsanalyse — in unserem Falle zu einer makrolinguistischen Untersuchung der semantischen Mikro- und Makrostrukturen — übergeht. Wenn auch bisher nur erste Anfänge zu einer so ausgerichteten semantischen Forschung zu verzeichnen seien — seit 1964 hat sich diese Situation bereits nicht unerheblich verändert —, so könnten doch der makrolinguistischen UnterBuchung nicht große Chancen abgesprochen werden (a. a. O., S. 170). 333 Katz, J . J . : „Mentalism in Linguistics". 334 Weinreich, U.: „Explorations in Semantic Theory", S. 395/96. 335 Heibig, G. in: Deutsch als Fremdsprache 3/1966, S. 8. 33 ® I n : Proceedings . . S. 646ff. 337 Vgl. u . a . die Ausführung E. Sapirs „Language" und B. L. W h o r f s i n : „Science and Linguistics", die als Verfechter eines sprachlichen Relativismus bezeichnet werden können; vgl. u. a. auch die Einschätzung wesentlicher Thesen dieser Richtung und der sogenannten Whorf-Sapir-Hypothese durch A. Neubert in: „Der semantische Positivismus in den USA", S. 91 ff. 338 Vgl. besonders charakteristischen Ausführungen L. Weisgerbers, aber auch z. B.. S. Öhmanns: „Wortinhalt und Weltbild". 339 Als einige besonders illustrative Beispiele seien u. a. die von Hjelmslev „Proceedings", S. 646, angeführten Bezeichnungen f ü r „Holz" und „Wald" im Deutschen, Französischen und Dänischen zitiert, denen auch aus anderen Sprachen interessante Beispiele hinzugesellt werden könnten. français
allemand
danois
arbre bois
Baum
trae
forêt
Holz
skov
Wald
Vgl. u. a. auch die Ausführungen A. B. Dolgopol'skis, a. a. O., auf die hier im einzelnen einzugehen zu weit abführen würde. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang nur seine kontrastiven Darstellungen semantischer Makrostrukturen, die die angegebenen interlingualen Vergleiche um weitere interessante Gegenüberstellungen bereichern. 340 Vgl. z. B. die Versuche B. Pottiers einer Einbeziehung der Definition, in: „La définition sémantique dans les dictionnaires". Auf die Bedeutung der Definition, beispielsweise f ü r die Konstruktion von Sememen, ist u. a. auch von A. J . Greimas, a. a. O., S. 68, eingegangen worden. Dennoch darf die Gefahr nicht übersehen werden, die einer linguistischen semantischen Analyse aus den Definitionen erwachsen kann, in denen Denotatsbeschreibungen gegeben werden die nicht Bestandteil des Semems sind. — Nach einer Analyse der Definitionen sowie der im Bedeutungsfeld reflektierten semantischen Makrostrukturen erweist sich der sprachliche Kontext daher stets als entscheidende Grundlage der makrolinguistischen Strukturforschung ; s. unsere Betrachtungen unter 3.5. Auf die Rolle des Kontextes in der semantischen 17'
259
Forschung hat u. a. auch B. Pottier in. seinem Artikel: „Problèmes de méthode en linguistique structurale", S. 32, verwiesen, wenn er die Möglichkeit unterstreicht, aus dem Fungieren der lexikalischen Einheiten im Kontext semantisch-inhaltliche Oppositionen zu ermitteln. 341 Besonders krasse Beispiele einer bewußten Aneinanderreihung inkompatibler Sememe finden sich z. B. in dem bekannten Vers: Dunkel war's, der Mond schien helle, . . . ; s. weitere Beispiele bei. O. Kunze : „Dunkel war's, der Mond schien helle . . . " 342 Vgl. u. a. die Bestrebungen einiger Philosophen, die operationale Bedeutungadefinition durch eine eidetische zu ersetzen ; s. Charlesworth, M. J. : „Philosophy and Linguistic Analysis", insbesondere S. 172 sowie S. 217. 3« Leisi, E.: a. a. 0., S. 7. 344 Brekle, H. E., a. a. O., hat Leisis Ansichten präzisiert und beispielsweise zwischen Gebrauchsbedingungen und dem Gebrauchsbedingungstyp als Bestandteil des Systems unterschieden. 345 Diese Bemerkung trifft offensichtlich auch auf andere moderne Konstituentenanalysen zu. Auch hier lassen sich weitere Feingliederungen vornehmen, wie z. B. A. J. Greimas, a. a. O., S. 37, im Hinblick auf die Seme Pottiers „pour personnes", „sur pied" hervorgehoben hat. 346 Es soll nicht versäumt werden, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß E. Leisi in der 3. Auflage seines Buches, S. 123, die Bedeutung der semantischen Konstituentenanalyse — von ihm als Komponentenanalyse bezeichnet —, deren Gedanken er in vielem vorausgenommen hat, nachdrücklich herausstellte. 347 Neubert, A. : Rezension: Leisi „Der Wortinhalt". Hier findet sich eine klare Darlegung und Würdigung der wesentlichsten Gedankengänge Leisis. 348 Vgl. u. a. die Untersuchungen M. Bierwischs „Some Semantic Universals of German Adjectivals" und A. J. Greimas', S. 32ff., zur Konstituentenstruktur der Dimensionsadjektive, für die bereits E. Leisis Ausführungen über die Proportionsnorm eine geeignete Ausgangsbasis bieten.
Kapitel 3 349 Vgl. u , a . d e n Hinweis R. M. Meyers in: „Bedeutungssysteme", S. 356. 350 A. a. O., S. 359. 351 Vgl. die Ausführungen R. M. Meyers in: „Die militärischen Titel". M2 R. M. Meyer: „Bedeutungssysteme", S. 358. 353 A. a. O., S. 359. 354 A. a. O., S. 356. 355 Vgl. z. B. die Auswahl bestimmter Teilbereiche der Lexik, so der Verben der „Fortbewegung", die auch unter die Verben der „Bewegung" subsummiert werden können; „Fortbewegung" bzw. „Bewegung" erscheinen als systembildende Oberbegriffe. 356 A. a. O., S. 361: „Wir brauchen nämlich bloß zu prüfen, welche Adverbia oder adverbiale Bestimmungen mit'den Verben eines einzelnen Bedeutungssystems typisch verbunden werden."
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3
" A. a. O., S. 362/63. 358 Vgl. d i e P r a x i s der E i n t r a g u n g e n in einsprachigen W ö r t e r b ü c h e r n , die eine solche Segmentierung nicht selten zu suggerieren scheinen. 369 E s sei in diesem Z u s a m m e n h a n g darauf verwiesen, d a ß die Versuche R . M. Meyers u. a. v o n E , A. N i d a , „Toward a Science of Translating", S. 37, k u r z e r w ä h n t u n d als Ansätze einer K o m p o n e n t e n a n a l y s e bezeichnet w u r d e n . 3«° F i r t h , J . A., a. a. O., S. 54. 361 N i c h t zufällig ist dabei d a s Interesse der m o d e r n e n S t r u k t u r a n a l y s e a n der U n t e r s u c h u n g dieses Bereiches bis heute noch wach geblieben. Vgl. u. a. die A u s f ü h r u n g e n v o n J . Dubois, L. Irigaray „Les s t r u c t u r e s linguistiques d e la p a r e n t é " , in denen neben linguistischen U n t e r s u c h u n g e n in formalisierter Darstellung vor allem klinische Untersuchungsergebnisse a n Schwachsinnigen u n d Schizophrenen dargestellt werden. 362 Auf die Existenz v o n lexikalischen Subsystemen mit leichter zugängiger S t r u k t u r h a t bereits R . M . M e y e r , a. a. O., S. 356, verwiesen. Die Möglichkeit, G r u n d k o m p o n e n t e n a u s den Verwandtschaftsbezeichnungen zu isolieren, ist u. a. bereits 1909 v o n A. L. K r o e b e r „Classificatory s y s t e m s of relationship", i n : J . R o y a l Anthropological I n s t i t u t e 39, S. 77—84, hervorgehoben worden. 363 I n : T h e I n t e r n a t i o n a l J o u r n a l of American Linguistics, Memior No. 14. 364 E n t s p r e c h e n d e Bedenken werden u. a. d u r c h L. A. Kaluznin u n d E . F Skorochob'ko, a. a. O., S. 84, d u r c h d e n Hinweis zu e n t k r ä f t e n versucht, d a ß angesichts der potentiellen Unendlichkeit des lexikalischen Systems n a t u r gemäß einer jeden Teillösung besondere B e d e u t u n g z u k o m m t . 365 Siehe A n m e r k . 233 u n d die entsprechende Analyse v o n L. A. K a l u z n i n , E . F . Skorochob'ko. 366 E s soll nicht u n e r w ä h n t bleiben, d a ß in den analysierten V e r w a n d t s c h a f t s bezeichnungen besonders deutlich außersprachliche Beziehungen soziologischbiologischer A r t , also D e n o t a t s s t r u k t u r e n , ihren Niederschlag g e f u n d e n haben. Lassen sich diese Einsichten wirklich verallgemeinern, so d ü r f t e allerdings a n d e m Vorhandensein letzter substantieller semantischer Charakteristika — (distinguisher bzw. semantischer Differentiatoren) — kein Zweifel m e h r geäußert werden. 367 E i n e n expliziten Verweis auf die e r w ä h n t e n U n t e r s u c h u n g e n sowie eine detaillierte Auseinandersetzung m i t der v o n dieser R i c h t u n g entwickelten K o n z e p t i o n einer K o m p o n e n t e n - bzw. K o n s t i t u e n t e n a n a l y s e wird m a n m i t A u s n a h m e v o n E . A. N i d a , a. a. O., S. 38, oder a b e r v o n J u . D . A p r e s j a n „Sovremennye m e t o d y izuöenija znaöenija i n e k o t o r y e p r o b l e m y s t r u k t u r n o j lingvistiki", S. 116ff., vergeblich suchen. 368 Sowohl hinsichtlich der B e s t i m m u n g v o n „linguistisch" als a u c h hinsichtlich der Abgrenzung der Felder bestehen Schwierigkeiten, d a formale K r i t e r i e n noch fehlen; vgl. T. Todorov, Recherches sémantiques, S. 14. 369 Ebenda. 370 Vgl. d i e U n t e r s u c h u n g e n v o n Osgood, Ch. E . , Sucy, G. J . T a n n e n b a u m , P . H . „The Measurement of Meaning" sowie die ausführliche Rezension U . Weinreichs: „Travels t h r o u g h Semantic Space". 371 Fischer, K . , W a t t , N. F . : „Untersuchung ü b e r die B e d e u t u n g sprachlicher Begriffe".
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Pottier, B . : „Vers une sémantique moderne", S. 112. Vgl. Coyaud, M. : „Quelques problèmes de construction d'un langage formalisé sémantique" in: „La Traduction automatique" 4 (1963), S. 51-55, zit. nach Pottier, a. a. O., S. 110, Fn. 10. 374 Siehe Pottier, a. a. O., S. 111, Fn. 13, sowie Masterman, M. „Semantic Message-Detection for MT using an Interlingua", die solche semantische Klassifikatoren, wie z. B. air, and, answer, art, ask, etc. aufstellte, die angeblich zur Definition aller im Englischen vorkommenden Wortbedeutungen ausreichen würden; so z. B. für „pusilanimous" - „smallwant-fight" . . . 376 Vgl. Ceccato, S. : „Linguistic Analysis and Programming for Mechanical Translation" Milan 1960 bzw. die Rezension G. Mounin in: „La traduotion automatique" 3 (1962), S. 92-96. 376 Vgl. die anschauliche Darstellung der beiden Versuche bei B. Pottier, a. a. O., S. 112: 372 373
mot 1 mot 2
(notion N 1)
mot 3
Recherche des conRecherche des substituants sémantiques stitutions générales (cf. nos sèmes) (cf. nos archisémèmes)
3.1 377 w i r werden im folgenden für Katz/Fodor immer die Abkürzung K/F verwenden. 378 Vgl. die diesbezüglichen Ausführungen. R. Taborys „Semantics, Generative Grammars and Computers", S. 79ff. sowie U. Weinreichs, a. a. O., S . 3 9 9 sowie z. B. auch S. 416. 379 Vgl. U. Weinreich, a. a. O., S. 397 ff. 380 Katz/Fodor, a. a. O., S. 176: im weiteren werden wir, um die Zahl der Anmerkungen nicht unnötig zu vergrößern, die entsprechenden Seitenzahlen im Text selbst angeben. 381 K/F. haben selbst auf das Vorhandensein lexikalischer Einheiten verwiesen, bei denen kein distinguisher auftritt, weil die Bedeutung allein in Termini der semantic markers vollständig beschrieben ist; vgl. a. a. O., S. 187, Fn. 16. 382 Vgl. D. Bolinger, U. Weinreich sowie T. Todorov, a. a. O., S. 34/35. 383 Siehe U. Weinreich, a. a. O., S. 405/406. 384 In der Tat deckt sich diese Vermutung mit der auch von anderen Autoren, wie z. B. Bolinger, a. a. O., B. Pottier „Vers une sémantique moderne" sowie A. J . Greimas unterstrichenen Beobachtung, daß die semantischen Konstituenten hinsichtlich des Grades ihrer Allgemeingültigkeit gewisse Unterschiede aufweisen würden; vgl. unter 1.4. 262
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Diese Selektionsbeschränkungen sollten nach Ansicht der A u t o r e n v o n d e n semantic m a r k e r s unterschieden u n d nur im Bedarfsfall der semantischen Beschreibung hinzugefügt werden. Als ein Beispiel f ü r eine Selektionsbes c h r ä n k u n g f ü h r e n K / F bei dem englischen A d j e k t i v „honest" ( H u m a n ) (Female) zusätzlich zu den entsprechenden semantic m a r k e r s u n d distinguishers an, die wirksam werden, wenn d a s Bezugswort die m a r k e r s ( H u m a n ) , (Female) e n t h ä l t : in diesem Fall erhält d a s Bezugswort die semantische I n t e r p r e t a t i o n (evaluative), (moral) — [innocent of illicit sexual intercourse] —. Ähnliche Selektionsbeschränkungen sind u. a. v o n A. N e u b e r t in einem Beit r a g auf der I. I n t e r n a t i o n a l e n Konferenz des D o l m e t s c h e r - I n s t i t u t s Leipzig sowie von U . Weinreich in „Explorations in Semantic T h e o r y " f ü r das englische A d j e k t i v „ p r e t t y " a n g e f ü h r t worden. Ü b e r d e n C h a r a k t e r dieser Selektionsbeschränkungen u n d ihr Verhältnis zu d e n semantic m a r k e r s besteht noch keine völlige E i n m ü t i g k e i t ; verwiesen sei in diesem Z u s a m m e n h a n g auf den Versuch U . Weinreichs, a u c h die K o n t e x t s p e z i f i k a t i o n im wesentlichen wie einen semantic m a r k e r zu behandeln, sowie auf die Gleichsetzung der Selektionsrestriktion m i t den Klassemen durch B. P o t t i e r u n d A. J . Greimas, die ihnen innerhalb der semantic m a r k e r s eine gewisse Sonderstellung e i n r ä u m e n .
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E . A. Nida — „Toward a Science of Translating". E . A. Nida verweist d a m i t a u f eine bedeutsame Besonderheit der B e d e u t u n g e n , die z . B . von K / F . in ihren Darlegungen nicht beachtet wurde, bei einer B e t r a c h t u n g der semantischen Mikrostruktur aber breiteren R a u m einnehmen m ü ß t e . Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g u. a. die Feststellungen T. Todorovs a. a. O., S. 34. 388 Nida h a t diese s p r a c h i m m a n e n t e Betrachtungsweise a u c h noch unterstrichen, wenn er a. a. O., S. 105 a n f ü h r t : „It is most i m p o r t a n t t o note t h a t in this t r e a t m e n t of t h e meanings of spirit we are not a t t e m p t i n g to clarify t h e referents themselves, b u t t h e concepts which speakers h a v e a b o u t such referents a n d which are reflected in t h e uses of t h e t e r m i n spirit. W e are not concerned with t h e referents as such b u t with t h e m a n n e r in which language is used to speak a b o u t such referents." Die semantische S t r u k t u r könne in d e n einzelnen Sprachen unterschiedlich sein, u n d es k ä m e d a h e r besonders d a r a u f an, sie von der U n t e r s u c h u n g der Begriffe, die die Einzelsprecher über die betreffenden D e n o t a t e besitzen, zu unterscheiden. 389 D a sich diese Merkmalsopposition in beiden Zweigen der Einheit „spirit" f i n d e t , so k ö n n t e m a n sich vielleicht, so meint Nida, v e r a n l a ß t f ü h l e n , sie a n die Spitze der beiden „ p a t h s " zu stellen. I n diesem Falle w ü r d e n jedoch die d a r a u s resultierenden Klassifikationen nicht die ökonomischste Lösung der Ambiguitäten darstellen; zudem müsse a u c h der T a t s a c h e R e c h n u n g getragen werden, d a ß die Dichotomie von h u m a n vs. n o n h u m a n in Stellung u n d F u n k t i o n im B a u m identisch sei. 390 Vgl. a. a. O., S. l i l f f . E s ist ein besonderes Verdienst E . A. Nidas, in seinen A u s f ü h r u n g e n eingehender Stellung zu der komplizierten P r o b l e m a t i k d e r semantischen S t r u k t u r d a r s t e l l u n g bezogen zu haben, vgl. u. a. A n m . 405391 Nida h a t a. a. O., S. 112, darauf verwiesen, d a ß object, event u n d a b s t r a c t als semantic m a r k e r s ganz anders gebraucht w ü r d e n als z. B. d o r t , wo. sie als syntactic m a r k e r s nur bestimmte syntaktische Distributionen bezeichnen. 392 Auf die von Bolinger angeschnittene P r o b l e m a t i k sowie auf a n g e d e u t e t e 387
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393
Lösungswege wird in einem anderen Zusammenhang, bei der Erörterung spezieller Fragen des Charakters der Konstituenten und ihrer Beziehungen, noch näher einzugehen sein. Als u. E . völlig erwiesen und von niemandem ernsthaft bestritten kann die große Rolle gelten, die in der Kommunikation neben dem semantischen Kont e x t auch der außersprachliche K o n t e x t und das Denotatswissen (knowledge of the world) spielen. D. Bolinger ist in seinen Darlegungen auch auf diese Frage eingegangen und hat auf die für eine völlige Aufbereitung eines muttersprachlichen Textes für die maschinelle Übersetzung bemerkenswerte T a t sache verwiesen, daß ein Muttersprachler nicht immer eine explizite Disambiguierung unter Zuhilfenahme extralinguistischer Kriterien durchzuführen braucht, eine Übersetzungsmaschine indessen infolge ihrer relativ geringen Kapazität einer solchen explizit durchgeführten Reduktion der syntaktisch und semantisch nicht aufgelösten Mehrdeutigkeit bedarf. Ob und wie sich diese Informationen aus dem außersprachlichen K o n t e x t - und Denotatswissen formalisieren und in eine semantische Theorie einbeziehen und an sie anschließen lassen, muß im Augenblick dahingestellt bleiben und besitzt auch beim gegenwärtigen Forschungsstand nur eine vergleichsweise geringe Bedeutung gegenüber der Erforschung und Beschreibung der semantischen Strukturen und der damit verknüpften Untersuchung der semantischen Konstituenten.
3.2 Seine Betrachtungen erwecken dabei den Anschein, als zielten sie auf eine Auflösung der Syntax in einer umfassenden Semantik oder doch in einer qualitativen Betrachtung ab und folgten damit einer Tendenz, die sich zwar auch in der traditionellen Grammatik findet, aber gerade angesichts der anerkannten Bedeutung der Syntax und der ihr in der modernen Linguistik vielfach eingeräumten dominierenden Rolle besonders verwundern muß. Anzeichen dieser Tendenz glauben wir indessen u. a. auch in dem Streben U . Weinreichs nach einer Uminterpretation der Transitivitätsrelation (nesting) bzw. einer Substanzdefinition (thingness) grammatischer Kategorien sowie auch bei G. F . Meier zu finden, der grammatische Beziehungen in einer noematisch-funktionell orientierten Betrachtung umzuformulieren sucht. 395 Wenn man die moderne Technologie berücksichtigt, so könnten an der von B . Pottier vorgenommenen Bestimmung — sur pieds — für alle „Sitzgelegenheiten" Zweifel vorgetragen werden, woraus eventuell sogar allgemeinere Fragestellungen danach abgeleitet werden könnten, ob dieses Sem nicht überhaupt als nichtkategoriell betrachtet werden sollte. 396 Vgl. B . Pottier: „La définition sémantique dans les dictionnaires", S. 34. 394
' A. a. O., S. 37. 398 Vgl, die Ausführungen von 1965. 3 9 9 Als Beispiel gibt Pottier, a. a. O., S. 39, an : relation + désignation sème descriptif: avec dossier sème fonctionnel: pour s'asseoir 400 Vgl. Pottier „Vers une sémantique moderne", S. 108. 39
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3.3 401
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G. F . Meier: „Semantische Analyse und Noematik" sowie „Ein Beispiel der Monosemierung durch noematische Textanalyse". „Die praktische Fragestellung umfaßt sowohl die semantische Analyse sprachlicher Einheiten als auch die Speicherung semantischer Informationen in einer interlingualen (formalisierten) Sprache und schließlich auch die Synthese f ü r Sachkataloge, Referatenblätter oder informationsverdichtende Anlagen." Meier, a. a. O., S. 583. Die Grenzziehung zwischen sprachlich relevanten und eindeutig extralinguistischen begrifflichen Merkmalen fällt in der T a t äußerst schwer, so daß die Frage nach der Zweckmäßigkeit einer solchen Unterscheidung auftauchen könnte. F e s t steht, daß diese insbesondere f ü r die von Meier bei seinen Untersuchungen verfolgten Ziele der Daten- und Informationsverarbeitung als hinfällig erachtet werden kann, da die vorgenommene Analyse automatisch in eine über die Sememanalyse hinausgehende Untersuchung des D e n o t a t s einmündet. Aber auch in diesem Falle erscheint es u. E . angebracht, von den überindividuell gemeinsamen begrifflich-noetischen Abstraktionselementen in dem im ersten K a p i t e l ausführlich dargelegten Sinne die Abstraktionselemente sorgfältig zu trennen, die als nicht ausreichend überindividuell gefestigte Erfahrungswerte (Virtueme im Sinne B . Pottiers) betrachtet werden müssen. Das von Meier entwickelte Verfahren der noematischen Analyse mit seiner verstärkt eidetischen Ausrichtung läßt sich daher weitaus eher in Beziehung zu den Untersuchungen D. Bolingers und auch B . Pottiers setzen, deren paradigmatische Sememanalysen in ähnlicher Weise gewissermaßen mehr in die semantische Substanz vordringen.
3.4 Neben binären Oppositionen zeigt Greimas auch die Existenz ternärer Semoppositionen auf, vgl. a. a. O., S. 24. 406 Vgl. Definition von semiologisch, a. a. O., S. 50 und 55 ff. 405
3.6 407 Vgl. u . a . den Hinweis G. F . Meiers auf die besonderen Schwierigkeiten, die bei der Noem- d. h. einer Semanalyse in unserem Sinne, entstehen; Meier, G. F . : Semantische Analyse und Noematik, S. 589. 408 Vgl. vor allem die Untersuchungen C. P e t e r s : „Über Wortfelder und W o r t inhalte". 409 F ü r einen entsprechenden T e x t müßten natürlich, um zu einigermaßen gesicherten Ergebnissen zu gelangen, nicht nur viele Personen unterschiedlichen Alters — Kinder sollten allerdings als keine „fluent Speaker" davon ebenso ausgenommen werden, wie Personen, die überwiegend dialektal beeinflußt sind— unterschiedlichen Geschlechts, regionaler bzw. sozialer Herkunft sowie Bildung herangezogen werden, sondern auch exakte Testbedingungen erarbeitet werden, die Mißverständnisse und Unsicherheiten weitestgehend eliminieren.
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410 Vgl, U - a bereits erwähnten interessanten Ausführungen J . V. Neustupnys über die Unscharfe der Bedeutungen sprachlicher Zeichen. Siehe dazu auch die Ausführungen A. Schaffs, a. a. O., S. 285, der die unter bestimmten Gesichtspunkten als Unzulänglichkeit der Sprache bezeichnete Mehrdeutigkeit und Unscharfe zu Recht als ihre große Stärke herausstellte und darauf verwies, daß die dadurch garantierte große Elastizität der Sprache es ihr erlaube, „den einfach unbegrenzten expressiven Anforderungen im gesellschaftlichen Kommunikationsprozeß nachzukommen." Dabei sollte gerade der Hinweis auf dieses Charakteristikum der natürlichen Sprache Anlaß sein, auch bei der Sememanalyse die wesentlichen Unterschiede einer Analyse der sprachlichen Bedeutungen gegenüber einer Analyse etwa von wissenschaftlichen Begriffen zu beachten und Unsicherheiten bei der Bestimmung der semantischen Merkmale nicht als Versagen der Konstituentenanalyse oder des betreffenden Forschers oder aber als Unzuverläßlichkeit der Intuition, sondern vielmehr als typische Besonderheit der untersuchten semantischen Erscheinungen zu werten. Diese lassen innerhalb bestimmter Grenzen Schwankungen zu und schaffen damit B a u m f ü r eine Gewährleistung der kommunikativen Funktion der sprachlichen Zeichen, der verallgemeinernden Funktion der Sprache, d. h. letztlich der Eins-zu-viele-Relation der Sprache gegenüber Erscheinungen der extralinguistischen Realität, wie sie u. a. von H. Lane „Identification, Discrimination, Translation" vor allem anhand phonetischen Materials unterstrichen worden ist. 411
Wie der nachstehende Versuch einer semantischen Analyse deutscher Verben der Fortbewegung deutlich machen wird, zeigen sich diese Schwankungen u. a. einmal bei der Wahl des jeweiligen Tabellenmerkmals ebenso wie u. a. dann bei der Wahl der konkreten Eintragungen, wobei natürlich entsprechend der inneren Struktur der Sememe, d. h. der hierarchischen Anordnung und Relevanz der einzelnen Merkmale und dem Vorhandensein eines bestimmten invarianten Kerns, bei der Ermittlung der Merkmale Schwierigkeiten auftreten. Dabei bestehen zwischen diesem Sememkern und eindeutig begrifflichen Elementen besonders enge Beziehungen, so daß z. B. auch ausgehend von einer wissenschaftlichen Definition des Begriffes der Bewegung Merkmale f ü r die Konstituentenanalyse der entsprechenden Verben bestimmt werden könnten. Doch wird gerade eine praktische Analyse auch die in der Regel auftretenden Unterschiede aufzeigen, die nicht zuletzt in einer in den Sememen vergesellschaftlichten und historisch-gesellschaftlich determinierten, mehr naiven und unmittelbaren Widerspiegelung der Realität im Unterschied zu einer vertieften wissenschaftlichen Einsicht begründet liegen. 412 Vgl. vor allem die bereits erwähnte Dissertation von C. Peters. Ein solcher — allerdings unzureichender Test — wurde vom Verfasser mit vier Assistenten und Aspiranten des Dolmetscher-Instituts sowie mit einer Lektorin des Herder-Instituts durchgeführt und erbrachte beispielsweise hinsichtlich der unter 4.1 angegebenen Tabelleneintragungen völlige Übereinstimmung bei den Verben: schwimmen, steigen, marschieren, paddeln, während bei den anderen analysierten Verben zwar weitgehende Übereinstimmung hinsichtlich der dominierenden Merkmale des Sememkerns, hinsichtlich peripherer Merkmale aber Abweichungen festgestellt werden konnten.
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413
F ü r die Auswahl semantisch „wohlgeformter" Sätze w ü r d e u. a, der U m s t a n d a n g e f ü h r t werden können, d a ß wir angesichts des k o m m u n i k a t i v e n Zieles einer jeden normalen sprachlichen Äußerung d a v o n ausgehen k ö n n e n , d a ß sinnlose bzw. unsinnige Sätze per defihitionem nicht a k z e p t a b e l erscheinen. F ü r die W a h l nichtwohlgeformter Sätze mit m e h r oder minder großen N o r m verstößen hingegen k ö n n t e geltend gemacht werden, d a ß sich gerade a u s Normverstößen besonders geeignete Rückschlüsse auf die entsprechenden Mik r o s t r u k t u j e n u n d d a m i t natürlich auch auf ihre K o n s t i t u e n t e n ziehen lassen. 414 Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g die interessanten Versuche einer K o n t e x t a n a lyse d u r c h T. Slama-Cazacü — s. Literaturverzeichnis — sowie d u r c h P . Ziff „Semantic Analysis" u n d L. P r i e t o „Principes de noologie" sowie „Messages et signaux", die K o n t e x t - u n d d a r ü b e r hinaus S i t u a t i o n s t y p e n zu e r m i t t e l n bestrebt sind u n d d a m i t interessante Versuche auf d e m Gebiet einer Situationswissenschaft, einer Delotik, darstellen. Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g a u c h ähnlich gelagerte B e m ü h u n g e n L. Zawadowskis „ L a signification d u m o r p h è m e " , „ L a polysémie p r é t e n d u " sowie allgemein in seinem B e d e u t u n g s modell, Korrespondenzen zwischen den Situations- bzw. K o n t e x t k l a s s e n u n d sprachlichen Bezeichnungen — Textelementenklassen — herzustellen. I n ähnliche R i c h t u n g weist u. a. auch die von H . L a n e , a. a. O., S. 217, angedeut e t e Möglichkeit der Herstellung von Korrenspondenzen (Viele : 1) v o n Situationssubstanz u n d sprachlichen Zeichen. 415 Vgl. die e r w ä h n t e n Arbeiten von A. J . Greimas u n d M. Bierwisch in „ F o u n dations of L a n g u a g e " 3/67. 41 ß Auf die dringend notwendige U n t e r s u c h u n g lexikalischen Materials ist vor allem v o n U . Weinreich, a . a . O . , S. 473, sowie a u c h v o n J u . D. A p r e s j a n : „Sovremennye m e t o d y izuöenija znaöenij i nekotorye problemy s t r u k t u r n o j lingvistiki", S. 125, verwiesen worden. 417 Vgl. d i e entsprechenden A u s f ü h r u n g e n U. Weinreichs, a. a. O., S. 429. 418 D a m i t hoffen die Verfasser, die sonst übliche allgemeine K o n t e x t a n a l y s e in wünschenswerter Weise präzisiert zu haben. „Le verbe sera é t u d i é d a n s ses r a p p o r t s avec son sujet et son objet, et on classera s é m a n t i q u e m e n t les s u j e t s e t les objets en usage avec le verbe.", a. a. O., S. 16. 419 I n diesem Z u s a m m e n h a n g k ö n n t e von einer Verwendung von „grossir" m i t einem f a k u l t a t i v e n O b j e k t gesprochen werden ; vgl. entsprechende A u s f ü h r u n gen über die Valenzen der Verben bei G. Heibig, a. a. O. 420 I m m e r h i n geben die a n g e f ü h r t e n lexikalischen Einheiten u n d die allgemeinen Bestimmungen als optische Inatrumente im Unterschied e t w a zu D Anlaß, sie semantisch als (Werkzeuge-) (Artefact) mit d e m ausdrücklichen Zweck zu vergrößern auszuweisen, in deren semantischen M i k r o s t r u k t u r e n d e m n a c h Hinweise auf vor sich gehende Vergrößerungen e n t h a l t e n s i n d ; etwa in der Art: (Unbelebt) (Artefact) (Kausativ) (Augmentativ) bzw. : (Artefact) K • (augmentativ). 421 Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g die Feststellungen L. Tesnières : „ É l é m e n t s de s y n t a x e structurale" sowie der A b h ä n g i g k e i t s g r a m m a t i k allgemein über die Spitzenstellung des Verbs als dominierendes Glied. 422 I n diesem Z u s a m m e n h a n g erscheint der Hinweis darauf interessant, d a ß bei
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dieser semantischen M i k r o s t r u k t u r im Deutschen a n die Stelle von „vergröß e r n " — „größer werden" — t r e t e n m u ß . 423 Bei einer gründlichen Analyse der v o r h a n d e n e n Kombinationsmöglichkeiten der in ersten Anfängen semantisch charakterisierten Subjekt- u n d O b j e k t klassen wird z. B. deutlich, d a ß eine V e r k n ü p f u n g v o n als (Belebt) ausgewiesenen S u b j e k t - u n d Objektklassen d u r c h „grossir" nicht möglich erscheint, wohl aber a n die Stelle v o n „grossir" — „engrossir" — t r e t e n könnte. Doch n o c h eine allgemeinere Feststellung scheint sich a u s einer semantischen K o n t e x t analyse ableiten zu lassen, d a ß nämlich die kontextuelle Verwendbarkeit einer lexikalischen Einheit eine F u n k t i o n der Anzahl der inhärenten Seme darstellt, wobei insbesondere bei Vorhandensein einer großen Zahl hierarchisch niederer Kernseme die Substituierbarkeit s t a r k eingeschränkt sein d ü r f t e . 424 Diese T a t s a c h e sollte Anlaß sein können, unberechtigte Vorbehalte gegenüber dem Leistungsvermögen der I n t u i t i o n u n d deö Sprachgefühls baldmöglichst abzubauen, zumal eine jede K o n t e x t a n a l y s e , die sich allein als eine Analyse vorgefundener Textstellen verstanden wissen möchte, Gefahr l ä u f t , möglicherweise trotz sorgfältiger u n d zudem in der Regel sehr langwieriger u n d zeitaufwendiger Forschungen interessante Belegexemplare, die gerade f ü r die Beschreibung der semantischen M i k r o s t r u k t u r besondere B e d e u t u n g besitzen, nicht zu erfassen, dagegen a b e r eine Menge r e d u n d a n t e n Materials ansammelt. 425 I n diesem Z u s a m m e n h a n g darf allerdings nicht v e r s ä u m t werden, auf den b e d e u t e n d e n stilistischen Unterschied zu verweisen, der neben d e m offensichtlichen formalen Unterschied die Verben „grossir" u n d „engrossir" voneinander t r e n n t . I n der T a t erscheint eine Verwendung von „engrossir" möglicherweise noch s t ä r k e r vulgär oder doch zumindest s t ä r k e r anstößig als etwa der Geb r a u c h des deutschen Verbs „schwängern", wobei in dieser „qualitativen F ä r b u n g " offensichtlich wohl nicht zuletzt a u c h die Ursache f ü r die geringe V o r k o m m e n s h ä u f i g k e i t (Frequenz) von „engrossir" zu suchen ist. 426 Vergleiche in diesem Z u s a m m e n h a n g ein weiteres Problem, d a s eich bei der semantischen Analyse der englischen Bezeichnung — indian — ergibt, u n t e r der sowohl „ I n d i a n e r " als a u c h „ I n d e r " verstanden werden k a n n . «7 Wie a u c h im einzelnen entschieden werden sollte, so werden doch bereits a u s den wenigen Beispielen die besondere K o m p l e x i t ä t der zu u n t e r s u c h e n d e n Erscheinungen sowie die bei der Aktualisierung der semantischen Mikrostrukt u r e n bzw. u m g e k e h r t bei der A u f d e c k u n g der semantischen M i k r o s t r u k t u r e n auf der Grundlage einer Analyse des Sprechaktes zu b e a c h t e n d e n möglichen Modifikationen in der Merkmalhierarchie deutlich. 428 Dabei sei der Hinweis g e s t a t t e t , d a ß bei der beschriebenen K o n t e x t a n a l y s e vor allem die sprachspezifischen K o n t e x t s e m e u n d ihre spezifische V e r k n ü p f u n g mit d e m jeweiligen Verb, weniger aber bereits die weitgehend sprachunabhängigen S e m e m k e r n s t r u k t u r e n nachgewiesen sind. 429 „Der deutsche W o r t s c h a t z n a c h Sachgruppen." 430 E s handelt sich d e m n a c h u m Verben, die u. a. zumindest die semantische Charakteristik (kausativ) -»• (akustisch w a h r n e h m b a r ) sowie die K o n t e x t spezifikation bzw. Selektionsbeschränkung hinsichtlich des S u b j e k t s (Tier) beinhalten.
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431 Vgl. ; n diesem Z u s a m m e n h a n g die v o n D. Bolinger, a. a. O., S. 563, vorgeschlagene E r s e t z u n g der Wörterbuchdefinition v o n bachelorduring t h e m a t i n g season-durch-available for m a t i n g (nubile). 432 Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g die aufschlußreichen A u s f ü h r u n g e n G. Helbigs „Untersuchungen zur Valenz u n d Distribution deutscher V e r b e n " (1), S. 3 ff., ü b e r die bei einer Sprachanalyse zu b e a c h t e n d e n unterschiedlichen S t u f e n der Untersuchung.
Kapitel 4 433 Vgl. z. B. Vermeer, J . : „ I n h a l t u n d F o r m . — G e d a n k e n zur Sprachlehre u n d Übersetzungsmethodik", S. 183, u n d N . Savicky, a. a. O., S. 92. 434 Vgl. u. a. die A u s f ü h r u n g G. Mounins: „Les analyses sémantiques", S. 92. 435 I n der modernen makrolinguistischen Bedeutungsforschung läßt sich eine a u s d e m B e m ü h e n u m m a x i m a l e Vereinfachung der Beschreibung geborene Tendenz nachweisen, die a f f e k t i v geladenen Bezeichnungen, die einen bed e u t s a m e n P l a t z im W o r t s c h a t z einnehmen, aus der semantischen K o n s t i t u e n t e n a n a l y s e a u s z u k l a m m e r n u n d zunächst n u r die einfacher zu beschreibenden a f f e k t i v neutralen Bezeichnungen zur S t r u k t u r b e s c h r e i b u n g heranzuziehen. Vgl. die entsprechenden U n t e r s u c h u n g e n M. Bierwischs u n d A. J . Greimas', a. a. O., S. 33ff., wobei in beiden Fällen die Dimensionsadjektive als eine weitgehend neutrale u n d relativ fest umgrenzte sowie wenig u m f a n g reiche lexikalische Gruppe gewählt u n d von übertragener Verwendung der b e t r e f f e n d e n Einheiten, so z. B. i n : — ein hohes Haus (Gast) — abgesehen wurde. 436 Vgl. u. a. die entsprechenden Hinweise, die M. Bierwisch auf der I V . T a g u n g f ü r Lexikologie in Leipzig April 1967 i m Hinblick auf die S t r u k t u r des d e u t schen Verbs „legen" gab, in der sich nicht n u r eine „ D o m ä n e " wie in der sem a n t i s c h e n S t r u k t u r der u n t e r s u c h t e n Dimensionsadjektive, sondern die Verflechtung mehrerer (3) D o m ä n e n , d. h. Semsysteme im Sinne Greimas', nachweisen ließ. 437 Vgl. u. a. die Hinweise, die in den e r w ä h n t e n Arbeiten G. F . Meiers, K a t z / F o d o r s u n d Bolingers auf die B e d e u t u n g der angestrebten Merkmalanalysen f ü r die Maschinenübersetzung, D a t e n - u n d I n f o r m a t i o n s v e r a r b e i t u n g e n t h a l t e n sind. 438 Soweit a u s den wenigen bisher veröffentlichten U n t e r s u c h u n g e n hervorgeht bzw. a u s d e n vorliegenden Analysen — (Apresjan, J u . D. : Sovremennye m e t o d y . . ., S. 122—124) — dieser R i c h t u n g geschlußfolgert werden k a n n , stellt die entwickelte Methode ein außerordentlich interessantes Verfahren d a r , d a s große Ähnlichkeit m i t der K o n s t i t u e n t e n a n a l y s e aufweist, aber zugleich einen m e h r generativen Charakter zeigt. I n der T a t scheint es bei der Suche nach semantischen Q u a n t i f i k a t o r e n weniger u m eine eingehende Analyse d e r s e m a n t i s c h e n M i k r o s t r u k t u r e n als vielmehr u m deren I n t e r r e l a t i o n zu gehen, wobei tatsächlich b e s t i m m t e lexikalische E i n h e i t e n als bestehend a u s zwei oder vielleicht a u c h m e h r Einheiten, so z. B. schenken — geben + u n e n t geltlich —, beschrieben werden können.
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Mounin, G.: „Les problèmes théoriques de la t r a d u c t i o n " , insbesondere S. 112ff. Gardin, J.-C. : Le fichier mécanographique de l'outillage, B e y r o u t h , I n s t i t u t F r a n ç a i s d'Archéologie, 1956, I V . 4.1
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Neben zahlreichen praktischen Felduntersuchungen mit m e h r oder minder voneinander abweichender Methode, Problemstellung u n d theoretischer Relevanz läßt sich bereits eine relativ umfangreiche S e k u n d ä r l i t e r a t u r zur Feldtheorie nachweisen, u n t e r der vor allem die marxistischen zusammenfassenden W e r t u n g e n von W . B a h n e r „Observa^ii a s u p r a metodelor actuale de cercetare a vocabularului" — Teil I u n d I I , A. A. U f i m c e v a „Teorii 'semantiôeskogo polja' i vozmoznosti ich primenenija pri izuöenii slovarnogo sostava j a z y k a " sowie K . v. G a b k a „Theorien zur Darstellung eines W o r t s c h a t z e s " besondere B e a c h t u n g verdienen. 442 E s v e r s t e h t sich a u ß e r d e m , d a ß d a m i t nicht generell die verschiedenenorts ausdrücklich b e t o n t e Rolle des K o n t e x t e s u n d a u c h der Distribution im engeren Sinne bei der semantischen S t r u k t u r b e t r a c h t u n g in F r a g e gestellt, sondern n u r die besondere P r o b l e m a t i k umrissen werden soll, der sieh eine Beschreibung der Makro- u n d / o d e r der Mikrostrukturen der zu einem Bedeutungsfeld vereinten lexikalischen E i n h e i t e n in kontextueller V e r k n ü p f u n g m i t mehreren anderen Sememen gegenübersieht. Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g den Hinweis P . H a r t m a n n s in einem Vortrag „Begriff u n d Vorkommen v o n S t r u k t u r in der Sprache", d a ß Felder nur in der Metasprache des F o r schers, nicht aber objektsprachlich existieren würden. 443 w i r h a b e n diesen W e g bei der E r m i t t l u n g von K o n s t i t u e n t e n deutscher Verben der F o r t b e w e g u n g aber auch deshalb einer detaillierten K o n t e x t a n a lyse vorgezogen, weil die folgenden Untersuchungen ohnehin n u r zur Illustration vorangegangener K a p i t e l u n d allgemeinerer theoretischer Probleme dienen sollen, wenn die beabsichtigte praktische Analyse a u c h einen größeren R a u m einnehmen wird, als dies allgemein in den modernen U n t e r s u c h u n g e n der F a l l ist, wobei selbstverständlicherweise keineswegs W e r t auf Vollständigkeit gelegt werden konnte. H a u p t a n l i e g e n sollte stets vor allem der Nachweis des Merkmalcharakters der semantischen Mikrostrukturen sowie ihrer I n t e r relation innerhalb eines semantischen Feldes sein. W e n n die d u r c h A u s n u t z u n g der I n t u i t i o n u n d Vermeidung einer umfangreichen u n d zeitaufwendigen K o n t e x t a n a l y s e gewonnene Zeit diesem eigentlichen Anliegen zugute k o m m e n k o n n t e , ohne d a ß dabei die E x a k t h e i t des methodischen Vorgehens u n d die Gültigkeit der ermittelten Merkmale sowie der vorgenommenen Spezifikationen grundsätzlich in Zweifel gezogen zu werden brauchen, so m u ß t e einem solchen Vorgehen allein a u s praktischen E r w ä g u n g e n heraus zweifelsohne der V o r r a n g gebühren. E s b r a u c h t in diesem Z u s a m m e n h a n g wohl a u c h nicht besonders betont zu werden, d a ß wir den W e r t eines repräsentativen Tests u n t e r e x a k t formulierten Bedingungen mit einer möglichst großen Zahl von Teilnehmern etwa in der Art der von W . B e t z : „Zur Ü b e r p r ü f u n g des Feldbegriffes" u n d K . G a b k a : „Theorien zur Darstellung eines W o r t s c h a t z e s "
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eingehend geschilderten Untersuchungen nicht in F r a g e stellen, wenn a u c h gerade ein solcher „ e x a k t e r " Test u. U . nicht u n b e t r ä c h t l i c h e Divergenzen deutlich m a c h t u n d nicht unbedingt ein reales Bild vermitteln hilft. 444 Vgl. Leisi, E . , a. a. O., S. 12, der eine etwas abweichende K o n z e p t i o n vermittelt. 445 Wir h a l t e n vielmehr, wie bereits erwähnt, ganz im Gegenteil gerade die sorgfältige E r m i t t l u n g der hierarchischen Stellung der jeweiligen Merkmale f ü r besonders b e d e u t s a m u n d h a b e n ihr daher bei der Beschreibung der Mikros t r u k t u r e n entsprechende B e a c h t u n g geschenkt. VA Von R . M. Meyer, a. a. O., z. B. als Oberbegriff (Bewegung) bzw. als u n t e r geordneter Begriff (Ortsveränderung) definiert. 447 „ F e l d " wird im folgenden als Undefinierter, in der semantischen und lexikologischen Forschimg verwurzelter Begriff gebraucht, der mit den N a m e n G. Ipsen, J . Trier, W . Porzig u. a. v e r k n ü p f t ist u n d v o n u n s als nützlicher Begriff ü b e r n o m m e n wurde. U n t e r „Feld" soll dabei m e h r ein gewisser (loser) assoziativer Z u s a m m e n h a n g als etwa ein apriorisch bestimmtes, lückenlos abgedecktes Feld Trierscher P r ä g u n g verstanden werden. 448 Dabei m u ß in diesem Z u s a m m e n h a n g unterstrichen werden, d a ß u n t e r d e m Begriff der „Bewegung" allenfalls der umgangssprachliche Begriff v e r s t a n d e n werden k a n n u n d nicht die e x a k t e wissenschaftliche D e f i n i t i o n der Bewegung, die zwar mit d e m umgangssprachlichen Begriff u. a. die Spezifikationen „ R a u m " u n d „Zeit" gemeinsam h a t , aber d a n e b e n z. B. a u c h unbeweglich scheinenden K ö r p e r n — die durch d a s Merkmal (Konsistent) bzw. (Solide) charakterisiert sind — eine nicht u n m i t t e l b a r sinnlich w a h r n e h m b a r e Bewegung zubilligt. H i n z u k o m m t , d a ß der umgangssprachliche Begriff der Bewegung offensichtlich vor allem im Sinne einer O r t s v e r ä n d e r u n g d e s sich bewegenden S u b j e k t s bzw. eines Teiles dieses S u b j e k t s v e r s t a n d e n wird, der wissenschaftliche u n d dabei wiederum vor allem der philosophische Begriff aber weiter ist u n d d a h e r durchaus beispielsweise in der nachstehenden Tabelle als übergeordnetes allgemeines Merkmal (Dynamisch) a u f t a u c h e n sollte. Gerade a u c h a u s diesem Grund erscheint der Hinweis, d a ß f ü r die semantischen Merkmale E r k l ä r u n g e n bzw. Definitionen g e f u n d e n werden müssen, die d e m Sprachgefühl des Normsprechers u n d dessen K e n n t n i s - u n d E r f a h r u n g s s t a n d entsprechen u n d nicht primär aus d e m wissenschaftlichen Begriff abgeleitet werden dürfen, besonders wertvoll. 449 Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g die A u s f ü h r u n g e n T. Todorovs, a. a. O., S. 31 ff., sowie die entsprechenden Darlegungen der Seme u n d der distinguishers bei Bolinger. 450 Diese Ü b e r n a h m e erfolgte nicht nur, weil sie einen nicht u n b e d e u t e n d e n Teil der Verben der F o r t b e w e g u n g ausmachen, sondern weil a u c h eine e x a k t e E n t s c h e i d u n g ü b e r ihre stilistische E i n o r d n u n g in einigen Fällen sehr problematisch werden k a n n . 451 Allem Anschein n a c h grenzen die Wörterbücher beispielsweise die V e r b i n d u n g v o n „fressen" m i t einem menschlichen Subjekt, die i n t u i t i v als v o n der N o r m abweichend charakterisiert würde, nicht eindeutig von der d u r c h a u s n e u t r a l e n u n d normgerechten Verwendung von „fressen" mit einem tierischen S u b j e k t ab. Hier liegt noch ein bisher k a u m bestelltes Feld f ü r die stilistische u n d a u c h
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die semantische Forschung, d u r c h die möglicherweise interessante Interrelationen zwischen stilistischen u n d semantischen F a k t o r e n u n d sprachlicher N o r m u n d emotionaler F ä r b u n g aufgezeigt werden können. 452 Als besonders geeignet m u ß in diesem Z u s a m m e n h a n g d a s L a t e i n als t o t e Sprache erscheinen, das bereits f ü r verschiedene Wissenschaftsbereiche als N o m e n k l a t u r herangezogen wird. 453 Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g u. a. die v o n W . Lorenz „Der Z u s a m m e n h a n g zwischen Sprache u n d Klasse u n t e r erkenntnistheoretischem A s p e k t " , besonders S. 173, vorgetragenen Gedankengänge über die Subjektbezogenheit der Begriffsbildung. 454 E s verdient einer E r w ä h n u n g , d a ß z. B. d a s Auge des Menschen aus der aktiven Anpassung a n die ihn umgebende N a t u r heraus die Vertikale w e i t a u s s t ä r k e r b e t o n t als die Horizontale, was durch entsprechende Versuche u n d optische Täuschungen zweifelsfrei nachzuweisen ist. 456 Diese außerordentlich b e d e u t s a m e Problemstellung, die in der B e h a u p t u n g einer Modellierung der außersprachlichen R e a l i t ä t sowie der Einstellung u n d Auseinandersetzung der Sprachgemeinschaft in der semantischen S t r u k t u r u n d im B a u des Wörterbuches gipfeln würde u n d vor allem besonderes I n t e r esse f ü r die marxistische Erkenntnistheorie besitzt, würde zu weit v o n d e m Anliegen unserer Arbeit a b f ü h r e n . Besonders e r w ä h n t zu werden verdient dabei ein interlingualer Vergleich, der auch wertvolle A r g u m e n t e f ü r u n d wider den b e h a u p t e t e n „ a b s t r a k t e n " Charakter des Französischen liefern k ö n n t e . 456 I m übrigen wird allem Anschein n a c h auch die v o n der Vorsicht diktierte Bes c h r ä n k u n g auf „ k o n t e x t f r e i e " Vorkommen der b e t r e f f e n d e n Simplicia d u r c h die aufgezeigte Notwendigkeit der Berücksichtigung gewisser K o n t e x t e weitgehend wieder rückgängig g e m a c h t , nicht aber die B e s c h r ä n k u n g der Analyse auf Nicht-Komposita. Wir folgen hierbei im wesentlichen E . Leisi, a. a. O., S. 11, u n d wollen d a m i t der T a t s a c h e R e c h n u n g t r a g e n , d a ß eine semantische Analyse der K o m p o s i t a insbesondere d u r c h eine noch ausstehende semantische Beschreibung der bevorzugt zur Präfigierung herangezogenen Präpositionen erschwert wird. 457 Von der Möglichkeit, in der tabellarischen Übersicht neben ± a u c h 0 zu verm e r k e n als Hinweis d a r a u f , d a ß d a s betreffende Merkmal f ü r die semantische Charakterisierung des b e t r e f f e n d e n Verbs bzw. der Verbgruppe irrelevant ist, b r a u c h t e nicht Gebrauch gemacht zu werden. R e l a t i v o f t w u r d e dagegen die E i n t r a g u n g ± b e n u t z t , die der zweifachen kontextuellen Verwendungsmöglichkeit : — E r ging langsam. E r ging schnell. — R e c h n u n g t r ä g t u n d d a h e r beispielsweise f ü r die K o m b i n a t o r i k besondere B e d e u t u n g erlangen k a n n , während 0 d a s Nichtvorhandensein des entsprechenden Merkmals in den Mikros t r u k t u r e n des jeweiligen Semsystems bzw. Feldes, hier durch d a s Archisemem „ F o r t b e w e g u n g " charakterisiert, z u m Ausdruck bringt. 458 Von großer praktischer B e d e u t u n g , wirft dieser Fall zugleich bedeutende theoretische Probleme f ü r die Beschreibung der parole auf, k ö n n t e doch die V e r m u t u n g a u f t a u c h e n , d a ß von den gegebenen semantischen Merkmalen ausgehend nicht n u r die jeweilige k o n k r e t e Verbform, sondern d a r ü b e r h i n a u s sogar gewisse umfangreiche kontextuelle V o r k o m m e n abgeleitet werden k ö n n t e n , ähnlich, wie es beispielsweise in der Phonologie möglich erscheinen
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k ö n n t e , d a ß a u s d e n phonologischen M e r k m a l e n die k o n k r e t e n L a u t e a b g e leitet w e r d e n . 459 E s d ü r f t e in diesem Z u s a m m e n h a n g u. U. a u c h a n g e b r a c h t e r s c h e i n e n , eine d o m i n i e r e n d e D i m e n s i o n , e t w a i m Sinne v o n M. Bierwischs M a x i m a l d i m e n sion (Max.), zu u n t e r s c h e i d e n . 460 Sollte sich eine solche allgemeine C h a r a k t e r i s i e r u n g wider E r w a r t e n als z u u n g e n a u erweisen, so k ö n n t e n e b e n (Vertikal) u n d ( H o r i z o n t a l ) n o c h ein d r i t t e s M e r k m a l (Medial) e i n g e f ü h r t w e r d e n . . 461 Vgl. i n diesem Z u s a m m e n h a n g u . a. die sehr i n t e r e s s a n t e n A u s f ü h r u n g e n S. R e i n h e i m e r s „ S c h i t à de descriere s t r u c t u r a i s a v e r b e l o r d e m i s e a r e " , die insbesondere eine weitere Spezifizierung d e s B e w e g u n g s a b l a u f e s u n d d a m i t v o r allem d e s A k t t y p s v o r n i m m t u n d ihre U n t e r s u c h u n g e n n i c h t a u f eine Sprache beschränkt. 462 I n diesem Z u s a m m e n h a n g sei auf eine weitere v e r b r e i t e t e E r s c h e i n u n g s f o r m der s e m a n t i s c h e n M a k r o s t r u k t u r verwiesen, die als A n t o n y m i e n i c h t n u r v o n L e x i k o g r a p h e n u n d Lexikologen — vgl. u. a. die a u f g e f ü h r t e n A n t o n y m r e i h e n bei O. D u c h â d e k : S u r q u e l q u e s p r o b l è m e s de l ' a n t o n y m i e " , s o n d e r n a u c h in d e r s e m a n t i s c h e n K o n s t i t u e n t e n a n a l y s e m e h r o d e r weniger b e w u ß t d i r e k t e A n w e n d u n g g e f u n d e n h a t . Vgl. u. a. die e r w ä h n t e n A n a l y s e n M. Bierwischs u n d A. J . G r e i m a s ' zu d e n D i m e n s i o n s a d j e k t i v e n , die a b e r f ü r d a s v o n u n s u n t e r s u c h t e F e l d der Verben d e r F o r t b e w e g u n g k e i n e u n m i t t e l b a r e B e d e u t u n g besitzen. 463 Vgl. in diesem Z u s a m m e n h a n g u. a. die A u s f ü h r u n g e n B . P o t t i e r s : „ V e r s u n e s é m a n t i q u e m o d e r n e " , S. 135/136, die d e n W e r t d e r M e r k m a l e f ü r die B e s t i m m u n g des G r a d e s d e r S y n o n y m i e a u c h g r a p h i s c h v e r a n s c h a u l i c h e n . 464 B e r e i t s hier v e r d i e n t der H i n w e i s B e a c h t u n g , d a ß als s o g e n a n n t e s g r u p p e n differenzierendes M e r k m a l verständlicherweise n u r eine p o s i t i v spezifizierte E i n t r a g u n g (Merkmal) in F r a g e k o m m t . 465 Siehe z. B. Wasserfortbewegungsmittel, wie B o o t , K a h n usw., wobei a b e r z. B . u. a. rudern n i c h t m i t Schiff k o m b i n i e r t w e r d e n k a n n . 466 Vergleiche in diesem Z u s a m m e n h a n g u. a. die s c h e m a t i s c h e n D a r s t e l l u n g e n W . S c h m i d t - H i d d i n g s , a. a. O., sowie F . M r o s b y : „ T h e A c q u i s i t i o n of Vocab u l a r y " — P r a x i s des n e u s p r a c h l i c h e n U n t e r r i c h t s 3 (1958), S. 74—79, u n d d a b e i i n s b e s o n d e r e die R e i h e d e r W ä r m e b e z e i c h n u n g e n , die v o n kalt ü b e r kühllau—mild—warm u n d zu heiß—siedend etc. g e h t . 467 Sajkeciö, A. J a . : „ R a s p r e d e l e n i e slov v tekste i vydelenie semantiöeskich polej." 468 Auf die eng d a m i t v e r k n ü p f t e F r a g e der „levels" ist in d e n l e t z t e n J a h r e n i n s b e s o n d e r e v o n C a t f o r d , J . C. : A Linguistic T h e o r y of T r a n s l a t i o n , S. 4 f f . verwiesen w o r d e n . 469 Siehe K a t z / F o d o r , a. a. O., S. 187, 208; vgl. a u c h die A u s f ü h r u n g e n T . T o d o rovs, a. a. O., S. 35/36. 470 I m m e r wieder v e r f ü h r t , wie a u c h g e r a d e d a s a n g e f ü h r t e M e r k m a l ( O r t s v e r ä n d e r u n g ) zeigt, die n o t w e n d i g e V e r w e n d u n g o b j e k t s p r a c h l i c h e r T e r m i n i f ü r s e m a n t i s c h e M e r k m a l e d a z u , die e n t s p r e c h e n d e n M e r k m a l e als k o m p l e x e s e m a n t i s c h e Gebilde, e t w a als S e m e m e der o b j e k t s p r a c h l i c h e n B e z e i c h n u n g „ O r t s v e r ä n d e r u n g " usw., z u b e h a n d e l n . IS Wotjak, Bedeutung
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Während für die Mikrostruktur eine Einbeziehung der allgemeineren Merkmale zwar möglieh, aber doch wohl unökonomisch wäre, besitzt sie beispielsweise f ü r die Tabelle durchaus Berechtigung, da dadurch bereits eine Selektion möglich wird, die eine Konkretisierung der Eintragung bei spezielleren Merkmalen, so z. B . (Erde) oder (Wasser) oder (Luft) vermeiden hilft. E i n e Ortsveränderung ist eben immer mit einer Bewegung verbunden, während dagegen eine Bewegung nicht stets mit einer Ortsveränderung im angegebenen Sinne einherzugehen braucht, so daß die angegebene Beziehung also nicht eineindeutig ist. 4 7 2 E s muß dabei unbedingt darauf verwiesen werden, daß nicht jede ± Spezifikation in der Tabelle als ein fakultatives, virtuelles Merkmal betrachtet werden kann, sondern nur in den Fällen, wo das angegebene Tabellenmerkmal — hier (schnell) und (vertikal) — ein Glied einer Merkmalsopposition darstellt und das — (Minus) also automatisch das andere Glied impliziert, während es z. B . bei dem Merkmal (Ortsveränderung) das Fehlen dieses dominierenden Merkmals und damit die Zugehörigkeit zu anderen Sememen kennzeichnet. 473 y g i . u - a - d a s [ _ ] unter (Ortsveränderung), das ausweist, daß das betreffende Verb, z. B . schwimmen, selbst in Verbindung mit einem Menschen als (Aktor) auch ein Semem aufweisen kann, das nicht (Ortsveränderung) als dominierendes Merkmal beinhaltet; die positiven Merkmale f ü r die entsprechende semantische Mikrostruktur müßten identisch sein mit den Merkmalen f ü r „unsicher sein", die unseres Wissens noch nicht ermittelt wurden. Ganz anders bei einem [—] unter (schnell), wo für das Semem der Fortbewegung die positive E i n t r a gung (langsam) eingefügt werden kann. 471
Semantische Mikrostrukturen, in die nur die obligatorischen Merkmale eingetragen werden, sind in der T a t übersichtlicher als etwa die Tabellen- oder Baumdarstellung, in denen auch die latenten und eventuell sogar die virtuellen Merkmale vermerkt sind. 475 Wertvolle Anregungen f ü r eine entsprechende Ergänzung der Merkmaleintragungen in der Tabelle lassen sich dabei u. a. dem erwähnten Artikel von S. Reinheimer entnehmen, in dem die Autorin rumänische und französische Bewegungsverben auf einige relevante Komponenten hin analysiert, die beispielsweise auch f ü r einige der von uns untersuchten Simplicia zu einer weiteren, differenzierteren Analyse des Bewegungsablaufs dienen könnten. Als solche zusätzliche semantische Merkmale, die zugegebenermaßen besondere Bedeutung, vor allem für die Beschreibung der Komposita gewinnen, seien im folgenden unter Hinweis auf die Arbeit S. Reinheimers und die dort gegebenen Definitionen und Erklärungen u. a. angeführt: „doppeltgerichtet" (biorientare): laufen im Unterschied z. B . zu eintreffen; „Annäherung oder Entfernung" : die auch für kommen und gehen Bedeutung besitzen, weitere Beispiele ankommen — sich entfernen-. „Übergang von der R u h e zur Bewegung und umgekehrt", anhalten — aufbrechen etc. 476 Wertvolle Anregungen zu den nachstehenden semantischen Untersuchungen von „gehen" und „kommen" haben wir von Ch. Fillmore: „Deictic Categories in the semantics of ,come'" erhalten, der mit seinen Untersuchungen zu dem englischen Verb ,come' zu ähnlichen'Ergebnissen gelangte wie wir bei der Analyse des deutschen „ k o m m e n " ; ein entsprechender Hinweis findet sich auch bei S. Reinheimer, a. a. O., S. 523 und 529. 474
274
477
E s eei in diesem Z u s a m m e n h a n g noch einmal ausdrücklich auf die in der Einleitung des vierten Kapitels getroffenen Feststellungen ü b e r die in den u n t e r s u c h t e n semantischen Erscheinungen, d e n Sememen, selbst angelegte gewissermaßen kommunikationsnotwendige U n s c h a r f e (vagueness) verwiesen, die subjektive Schwankungen u n d Abweichungen als letztlich unvermeidliches A t t r i b u t der Analyse der Bewußtseinsinhalte erscheinen läßt. E s bliebe einem Test m i t einer relativ großen Zahl von Personen v o r b e h a l t e n , die vorh a n d e n e n Überschneidungen, d . h . I d e n t i t ä t e n der E i n t r a g u n g e n als beständigerer K e r n des Semems, als Sememkern u n d I n v a r i a n t e zu erweisen u n d zugleich die mögliche Variationsbreite der weniger eindeutig b e s t i m m b a r e n oder labileren Merkmale festzustellen. 478 Vgl.