189 93 19MB
German Pages 224 [225] Year 1962
Nicolaus Gryse 1543—1614 Strichzeichnung nach einem im Besitz des Museums der Stadt Rostock befindlichen Ölgemälde
DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN V e r ö f f e n t l i c h u n g e n des I n s t i t u t s für d e u t s c h e Sprache und L i t e r a t u r
26
J Ü R G E N SCHARNHORST
UNTERSUCHUNGEN ZUM LAUTSTAND IN DEN SCHRIFTEN NICOLAUS GRYSES Ein Beitrag zur mecklenburgischen Sprachgeschichte
AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1961
Copyright 1961 by Akademie »Verlag, Berlin Alle Rechte vorbehalten Erschienen im Akademie«Verlag GmbH, Berlin W 8 , Leipziger Str. 3 — 4' Lizenz-Nr. 202 • 100/64/61 Ge6amtherstellung: Druckhaus „Maxim Gorki", Altenburg Bestell-Nr. 2054/61/26 Preis: DU 42,50 Printed in Germany ES 7 D
VORWORT
Die vorliegende Arbeit ist die leicht veränderte Fassung meiner gleichnamigen Dissertation, die im Herbst 1959 von der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock angenommen wurde. Die öffentliche Verteidigung der Thesen fand am 18. März 1960 vor dem Rat der Fakultät statt. Die Anregung zu vorliegender Untersuchung erhielt ich von meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Hermann Teuchert. Ihm möchte ich für das nimmermüde Interesse, das er dieser Arbeit entgegengebracht hat, sowie insbesondere für die in vielen gemeinsamen Aussprachen empfangenen Ratschläge und kritischen Hinweise herzlich danken. Auch die Veröffentlichung dieser Arbeit geht auf sein Gutachten zurück. Zu danken habe ich ferner Frau Prof. Dr. Brigitta Mühlpfordt dafür, daß sie das Korreferat der Dissertation übernommen hat, Herrn Prof. Dr. Johannes Erben für sein förderliches Gutachten, insbesondere jedoch Herrn Prof. Dr. Theodor Frings für die Aufnahme dieser Arbeit in die „Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Sprache und Literatur". Unterstützung bei der Arbeit an vorliegender Untersuchung, für die ich hier gern danke, gewährten mir die Mitarbeiter des Mecklenburgischen Wörterbuchs, insbesondere Fräulein Dr. Eva-Sophie Dahl durch ihre Mitteilungen über den neumecklenburgischen Lautstand, ferner die Angestellten und Mitarbeiter der Universitätsbibliotheken in Rostock und Berlin, der Deutschen Staatsbibliothek, der Mecklenburgischen Landesbibliothek, der Bibliothek der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin und der Bibliothek des Deutschen Wörterbuchs. Meine Frau half mir trotz ihrer zahlreichen Verpflichtungen in Beruf und Familie bei der Herstellung des Manuskripts. Herrn Dr. Gerhard Ising bin ich für das Mitlesen der Fahnenkorrektur sowie für mehrere nützliche Hinweise zu Dank verpflichtet.
IV
Vorwort
Für mich ist diese Arbeit nicht nur eine sprachwissenschaftliche Untersuchung. Sie ist eine Verbindung zu meiner Heimatstadt Rostock und ihrer niederdeutschen Mundart, einer Mundart, die heute allerdings unweigerlich dem Untergang geweiht ist. Der Gewinn aus dem Untergang der Mundart ist die gemeinsame deutsche Hoch- und Nationalsprache. In die Zeit, da sie ihren Siegeszug in Mecklenburg beginnt, führt die vorliegende Arbeit. Berlin-Treptow, im April 1961
Jürgen Scharnhorst
INHALT
Abkürzungsverzeichnis.
IX
Literaturverzeichnis
XI
EINLEITUNG § 1. Die sprachlichen Verhältnisse Mecklenburgs im 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts § 2. Nicolaus Gryse und sein Werk § 3. Aufgaben und Methoden der vorliegenden Untersuchung § 4. Schriftbild und Lautwert § 5. Sprachschichten § 6. Bedeutung der Druckerei (Druckersprache) . . . . § 7. Der Forschungsstand § 8. Stellung dieser Arbeit zu H. T E U C H E B T S „Beiträgen" § 9. Technisches und Terminologisches
1 3 4 9 11 12 14 15 18 19
UNTERSUCHUNG
21
Erster Teil. Vokalismus
23
I. Die vormittelniederdeutschen kurzen betonten Vokale in offener Silbe
23
A. Zur Lautentwicklung §10. Tondehnung §11. Ausgleich zwischen kurzem und tongedehntem Vokal § 12. Unterbleiben der Tondehnung bei Wörtern mit der Ableitungssilbe -er, -ei, -en, -ich
23 23 24
B. Zur Orthographie § 13. Die Bezeichnung kurzer und tongedehnter Vokale . §14. Die Mittel der Dehnungsbezeichnung
29 29 31
II. Die vormittelniederdeutschen kurzen betonten Vokale in geschlossener Silbe § 15. Vormnd. e, e, i § 16. Vormnd. o,u
31 31 34
27
VI
Inhaltsverzeichnis III. Rundung und Dehnung des a vor Id, U (§ 17)
37
IV. Die vormittelniederdeutschen kurzen Vokale vor r und r-Verbindungen § 18. Die Senkung der vormnd. hohen Vokale i, u, ü vor r § 19. Frühdehnung §20. Tondehnung .• § 21. Senkung von mnd. er > ar
39 39 40 44 46
V. Die vormittelniederdeutschen langen Vokale
48
A. Zur Lautentwicklung § 22. Vormnd. d § 23. Mnd. eJ § 24. Mnd. e3 § 25. Mnd. e? § 26. Mnd. e4 § 27. Vormnd. o1 und ö2 § 28. Vormnd. t § 29. Vormnd. ü und ü
48 48 50 51 59 74 76 78 78
B. Zur Orthographie (§30) . § 31. Vormnd. ä § 32. Die mnd. e-Laute § 33. Die vormnd. ö-Laute § 34. Vormnd. i § 35. Vormnd. ü § 36. Die Mittel der Längenbezeichnung
83 83 84 86 87 88 89
VI. Kürzung vormittelniederdeutscher langer Vokale (§ 37) . . . VII. Die vormittelniederdeutschen Diphthonge § 38. Vormnd. ei § 39. Mnd. oVr § 40. Mnd. oi VIII. Umlaut
91 96 96 97 98 102
A. Zur Orthographie (§41)
102
B. Zur Lautentwicklung § 42. Vormnd. a/e § 43. Mnd. d j i ' §44. Mnd. ä, a/ö • • • § 45. Mnd. o, ö, 6l, 6", u, ü/ö, 5,d',dl,ü,ü §46. Dentalumlaut § 47. Abschließendes zum Umlaut
105 106 109 Hl 112 124 129
IX. Rundung (§48) . . . .
132
X. Vokale der Nebensilben §49. Synkope § 50. Apokope
135 135 143
VII
Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil. Konsonantismus
147
XI. Die vormittelniederdeutschen Halbvokale § 51. Vormnd. w § 52. Vormnd. j
147 147 150
XII. Die vormittelniederdeutschen Liquiden §53. Vormnd. r § 54. Vormnd. I
152 152 156
XIII. Die vormittelniederdeutschen Nasale (§55)
156
XIV. Die vormittelniederdeutschen Reibelaute § 56. Vormnd. / § 57. Vormnd. v § 58. Vormnd. s § 59. Mnd. z (stimmhaftes -s) § 60. Mnd. ts § 61. Vormnd. h, ch § 62. Vormnd. g (?)
159 159 161 161 163 164 166 168
XV. Die mittelniederdeutschen stimmhaften Verschlußlaute § 63. Mnd. b § 64. Mnd. d § 65. Mnd. g
. .169 169 170 172
XVI. Die vormittelniederdeutschen stimmlosen Verschlußlaute . . 172 § 66. Tenuisschwächung 172 §67. Vormnd. p 173 §68. Vormnd. t 174 § 69. Vormnd. k 174 § 70. Vormnd. sk 175 ERGEBNISSE § 71. Der Lautstand von Gryses Schriften und die klassische mittelniederdeutsche Schriftsprache . . . . § 72. Gryses Schriften und der Lautstand der mecklenburgischen Mundart am Ende des 16. Jahrhunderts § 73. Gryses Schriften und außermecklenburgische niederdeutsche Lauterscheinungen § 74. Hochdeutsche Lauterscheinungen in Gryses Schriften § 75. Der Anteil der Druckerei an Orthographie und Lautstand von Gryses Schriften § 76. Zusammenfassung Wortregister
177 179 180 184 184 186 186 187
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Adj. Adjektiv Adv. Adverb afries. altfriesisch afrz. altfranzösisch ags. angelsächsisch ahd. althochdeutsch Akk. Akkusativ alem. alemannisch and. altniederdeutsch anord. altnordisch arab. arabisch as. altsächsisch brandbg. brandenburgisch brem. bremisch dän. dänisch Dat. Dativ dt. deutsch emsländ. emsländisch f. folgende fem. feminin finn. finnisch frühmnd. frühmittelniederdeutsch frühnmeckl. frühneumecklenburgisch Gen. Genitiv germ. germanisch got. gotisch gr. griechisch hd. hochdeutsch hgg. herausgegeben idg. indogermanisch Imp. Imperativ Ind. Indikativ Inf. Infinitiv ingwäon. ingwäonisch italienisch ital. Jh. Jahrhundert
Kl. Klasse Kompar. Komparativ Konj. Konjunktiv kons. konsonantisch lat. lateinisch lett. lettisch lit. litauisch mask. maskulin md. mitteldeutsch meckl. mecklenburgisch mhd. mittelhochdeutsch mlat. mittellateinisch mmeckl. mittelmecklenburgisch mnd. mittelniederdeutsch mnl. mittelniederländisch nd. niederdeutsch ndfränk. niederfränkisch Neutr. Neutrum nhd. neuhochdeutsch niederländisch nl. nlat. neulateinisch nmeckl. neumecklenburgisch nnd. neuniederdeutsch Nom. Nominativ nordbrand. nordbrandenburgisch nordnd. nordniederdeutsch nordseegerm. nordseegermanisch norw. norwegisch obd. oberdeutsch ostfäl. ostfälisch ostfries. ostfriesisch ostmd. ostmitteldeutsch ostmeckl. ostmecklenburgisch Part. Partizip PI. Plural polab. polabisch
X poln. Präs. Prät. russ. s. S. SA schwed. schwer.
Abkürzungs Verzeichnis
polnisch Präsens Präteritum russisch siehe Seite Sprachatlas schwedisch schwerinsch Singular Sg. slaw. slawisch . sog. sogenannt Sp. Spalte spätmnd. spätmittelniederdeutsch st. stark strel. strelitzisch
Subst. subst. s. V. sw. u. ö.
Substantiv substantivisch sub voce schwach und öfter
Vb. Verb vergleiche vgl. vorahd. voralthochdeutsch vormnd. vormittelniederdeutsch vorpomm . vorpommersch waldeck. waldeckisch westfäl. westfälisch westgerm. westgermanisch westmeckl. westmecklenburgisch
Verzeichnis der abgekürzt angeführten Zeitschriften AfdA. Meckl. Jbb. Nd. Jb. Nd. K b l . PBB Teuth. ZfDk. ZfdMdaa. ZfdPh. ZfdWf. ZfMaf.
Anzeiger für deutsches Altertum Mecklenburgische Jahrbücher Niederdeutsches Jahrbuch Niederdeutsches Korrespondenzblatt Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Halle) Teuthonista Zeitschrift für Deutschkunde Zeitschrift für deutsche Mundarten Zeitschrift für deutsche Philologie Zeitschrift für deutsche Wortforschung Zeitschrift für Mundartforschung
LITERATURVERZEICHNIS
In der linken Spalte sind die Abkürzungen angegeben. Fehlt die Abkürzung, ist das betreffende Werk im Text mit vollem Titel zitiert. 1. Qryaes Schriften (in chronologischer
Ez.
Jon.
Reihenfolge)
Eine hochnodige Bothpredige vth dem 33. Capittel des Propheten Ezechielis. Sampt einem andechtigen Gebede vnd Christlyken Gesänge/ thom glückseligen Nyen Jahre vorordenet dorch Nicolaum Grysen/ Predigern tho S. Catharinen/ vnd thom hilligen Crutze/ in Rostock . . . Rostock. By Stephan Möllman gedruckt. 1587. 20 Hochnodige Bothpredigen auer den Propheten IONAM. Sampt einem andechtigen Gebede vnd Christlyken Both-Psalm/ vorordenet dorch Nicolaum Grysen Rostochiensem: Predigern tho S. Catharinen vnd thom H. Crutze in Rostock. . . Rostock. By Stephan Molleman gedrucket. 1588.
Paw.
SPEGEL des Antichristischen Pawestdoms vnd Luttherischen Christendoms/ Na Ordenung der 5. Höuetstücke vnsers H. Catechismi vnderscheiden . . . Dorch NICOLAVM GRYSEN Predigern in Rostock thosamen geordent. Rostock dorch Steffen Mullman. 1593.
Slüt.
HISTORIA Van der Lere/ Leuende vnd Dode M. Joachimi Slüters des ersten Euangelischen Predigers tho Rostock/ neuenst einer Chroniken darinne kortlick vormeldet/ wo wunderlick Godt syn Hilliges Wordt Anno 1523. alhyr geapenbaret vnd beth in dyt 1593. jhar erholden hefft. Gestellet vnd geordenet dorch NICOLAVM GRYSEN Predigern darsüluest in Rostock . . . Gedruckt tho Rostock dorch Steffen Mullman ANNO 1593.
Wed.
WEdewenSPEGEL Darinne klerliken gesehen vnd eigentlick erkandt' wert eine rechte Godtfruchtige vnd ock eine Godtlose Wedewe. Den Framen tho einer Trostlehre/ Den Bosen thor ernstliken Warninge. Dorch NICOLAUM GRYSEN Predigern tho Rostock thosamen geordenet . . . Gedruckt tho Rostock/ dorch Augustin Ferber den Jüngern. 1596.
Geb. 1
Etlike Christlike GEBede vnd Psalme/ Neuenst einer heischen Truerklage/ vnd einem Hemmeischen Loffgesange. Dorch NICOLAVM GRYSEN, Predigern in Rostock tho S. Catharinen vnd im Junckfruwen Closter thom H. Crütze/ gestellet vnd geordenet. . . Gedrucket tho Rostock/ dorch Christoff Reusner. Anno 1602.
XII
Literaturverzeichnis
Lb. 1
LEIEN BIBEL In Hundert Fragen vnde Antwordt vnderscheden vnd in I I I Deele gedelet. Dat I. Deel. In XX. Fragen vnde Antwordt geordenet. Darinne vornemlyken vth Gades worde vnde vth D. Luthers Schrifften vnde anderen nutliken Bokeren vnd denckwerdigen Historien/ yn Sonderheit gedacht wert aller Minschen Scheppinge vnd eines yedern Beropes/ vnd wo sick ein Ider in sinem Ampte Christliken schicken/ vnd thogelick tho Water vnd Lande/ in dürer tydt/ Pestilentz/ Kryge vnd ock wedder den Torcken/ vnde jegen yedermanne rechtmetigen verholden schole/ vp dat he ein gut Geweten/ vnde Gades Segen hebben vnde beholden möge. Dorch NICOLAVM GRYSEN Rostochiensem Predigern in Rostock . . . Gedruckt tho Rostock dorch Stephan Möllman. 1604.
Lb. 2
Dat ander Deel NICOLAI Grysen LEIEN BIBEL, In den negestnauolgeden XXX. Fragen vnde Antwordt eintfoldiehlick vorfatet/ darinne sonderliken van des Helschen Sathans vornemsten Anfechtingen/ so he vth den Hilligen Teyen Gebaden vnde vormaledyginge Godtlikes Gesettes arglistigen nimpt/ vnde yegen de Christen bedrechlick gebruket/ gehandelt/ vnde gelyk de heilsame Lere vnde Euangelischer Trost wedder desuluen eintfoldiger wyse begrepen w e r t . . . Rostock/ Gedruckt im Jahr 1604.
Lb. 3
Dat Drudde vnde leste Deel der Christliken Leyen Bybel NICOLAI Grysen/ yn den nastelligen vofftich Fragen vnde Antwordt körtliken begrepen. Darynne vornemliken van aller Minschen Sterfflicheit vnde Dode/ ock dersuluen Begrefienissen vnde Wedderupstanding am Jüngsten dage/ sampt der vngelouigen ewigen Verdömenisse/ vnd der Gelouigen ewige Selicheit gehandelt wert. Vnd wo ock ein Chryste in syner vnd in synes Negesten Nodt vnd Dode/ sick Godtseligen schole schicken/ vnde Christliken vorholden . . . Gedruckt tho Rostock dorch Stephan Mollman. 1604.
Geb.2
Christlike GEBede vnd Psalme Dorch NICOLAUM GRYSEN Rostochiensem/ Seniorem des Predigampts in Rostock/ Predigern tho S. Catharinen/ vnde im Junckfruwen Closter thom H. Crutze/ gestellet vnd geordenet.. . Gedrucket tho Rostock/ dorch Jochim Foeth. ANNO 1614.
2. Weitere niederdeutsche Sprachquellen BABST
Babst, Diederich Georg, Allerhant schnaaksche Saken tum Tiedverdriew. 3 Bde. Rostock 1788-90.
BARTSCH
Bartsch, Carl, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg. 2 Bde. Wien. 1879/80.
CHYTRAEUS
Chytraeus, Nathan, Nomenclátor latino-saxonicus. Editio Rostock. 1585.
Hochzeitsged.
Plattdeutsche mecklenburgische Hochzeitsgedichte aus dem 17. und 18. Jahrhundert... hgg. von Dr. G. Kohfeldt. Rostock 1908.
secunda.
Literaturverzeichnis
XIII
KRÖN
Rostock-Osloer Handelsbeziehungen im 16. Jahrhundert. Die Geschäftapapiere der Kaufleute Krön in Rostock und Bene in Oslo. Hgg. und kommentiert von Hildegard Thierfelder. Weimar 1958.
LATJBEMBERG
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3. Wissenschaftliche
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Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 1—56. Leipzig 1875—1912.
Ahd. Glossen
Die althochdeutschen Glossen. Gesammelt und bearbeitet von Elias Steinmeyer u. Eduard Sievers. Bd. 1—5. Berlin 1879—1922.
Archiv
siehe Wossidlo-Teuchert.
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Böhmer, Adolf, Diederich Georg Babst (Auszug aus einer Rostocker Dissertation). In: Teuth. 1 (1924/25) 4 8 - 5 9 . Borchling, Conrad, und Bruno Claussen, Niederdeutsche Bibliographie. Gesamtverzeichnis der niederdeutschen Drucke bis zum Jahre 1800. Bd. 1 - 2 . Neumünster 1931-36. Bd. 3, Tl. 1. 1957.
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Diefenbach, Laurentius, Glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis. Franckfurt a. M. 1857. ten Doornkaat Koolman, J., Wörterbuch der ostfriesischen Sprache. Bd. 1 - 3 . Norden 1879-84.
DOORNKAAT KOOLMAN
DWA
siehe Mitzka.
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32
Vokalismua
übergegangen. SARAUW 1,98 sieht darin wohl mit Recht eine Weiterführung der durch den Umlaut begonnenen Palatalisierung des Stammvokals. Die im Meckl. von dem Wandel e > ¿ erfaßten Wörter bieten in unsern Denkmälern ein recht uneinheitliches Bild. Die selten belegten ,Schnabel' und ,Hengst' zeigen nur i: nybbe Lb. 1, M2 b . Als Vorform ist mit SARAUW a. a. O. *nebbia anzusetzen (vgl. nebbe SCHILLER-LÜBBEN 3,164). A u s neuerer Z e i t f ü h r t DÄHNERT (1781) 328 das
Wort für Vorpommern als nibbe an, und auch nmeckl. ist vereinzelt noch n\bn (PI.; Archiv), das im übrigen durch snävl ersetzt ist, belegt. — hingst Paw. P l b (as. hengist in Ortsnamen) lautet wie nmeckl. hiyst KOLZ 36; Mi 33. — Dagegen überwiegen bei ,Fenster' (mit and. e entsprechend ahd. venstar) die e-Formen: venster Paw. M l b ; Lb.l, G l " ; L 4 a ; 2, G4 a . Daneben steht jedoch auch vinster Jon. Y 5 a wie in nmeckl. f{nstdT Meckl. Wb. 2,916. Daß die ¿-Form im Meckl. schon sehr alt ist, zeigt ein Beleg wie vinster (1397) Meckl. U B 23,213. — Verschieden verhalten sich unsere Denkmäler bei dem häufig begegnenden .Mensch' (as. mennisko). Während Gryses früheste Schrift, Ez., nur e zeigt, herrscht im folgenden Jon. schon i vor: mensche Jon. T 2 b ; T7 A : minsche R8 A ; T7 A ; P5 b (u. ö.). In Paw. ist e selten: mensche R2 B : minsche Hhh2 b (u. ö.). In den späten Schriften Wed. und Lb. tritt dann nur noch i auf, wie es nmeckl. m\ns KOLZ 36 entspricht. Der Befund unserer Denkmäler legt die Deutung nahe, daß zu Gryses Zeit im Meckl. die älteren e- durch die jüngeren ¿-Formen abgelöst werden, wie das der Übergang von mensche > minsche von den Früh- zu den Spätdenkmälern eindrucksvoll zeigt. Jedoch läßt sich ein Zweifel, ob die eLautungen unserer Denkmäler bei diesem Wort überhaupt nd. sind, nicht unterdrücken, denn nach LASCH § 139, I ist mnd. (also doch wohl schon im 15. Jh.) auf dem ganzen Gebiet minsche durchgedrungen. Nur in Westfalen und Brandenburg gilt mensche, während im übrigen nd. Raum e erst im 16. Jh. unter hd.-kirchlichem Einfluß stärker gebraucht wird. Ist die e-Form bei ,Mensch', einem zentralen Begriff der Kirchensprache, also möglicherweise hd., so scheint bei .Fenster' kein Grund gegeben, e als hd. anzusetzen. Wenn i hier auch schon am Ende des 14. Jh.s bezeugt ist, so können sich e-Formen doch noch lange gehalten haben. Eine Klärung des Verhältnisses der e- zu den ¿-Lautungen ist jedoch erst nach umfangreicheren Belegsammlungen aus den ältesten meckl. Sprachdenkmälern vom 13.—15. Jh. zu erwarten. Nur bedingt läßt sich ,bringen' unter dem Gesichtspunkt des Übergangs e > i den erörterten Fällen anschließen, da neben dem allein belegten as. brengian auch ein *bringan gestanden haben kann, von dem sich die ¿-Formen
II. Die vormnd. kurzen betonten Vokale in geschlossener Silbe
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gleichfalls herleiten ließen. Gehen wir mit S A R A U W 1,95 von brengian aus, so hat die Masse der Belege in Gryses Schriften den Wandel zu i vollzogen: bringen Ez. B 3 b ; Wed. F l " ; bringet Ez. B 5 b ; B6 a (u. ö.), stimmt also mit dem nmeckl. allein gültigen br\f) Meckl. Wb. 1,1143 überein. Dagegen scheint in zweimaligem brennen Ez. B 3 b ; brengt F 3 a noch altes e vorzuliegen. Da jedoch nach den Angaben bei S A R A U W a. a. 0 . brengen in mnd. Zeit wie auch heute auf das engere Westfalen, das Emsland und Ostfriesland, also den Westen des nd. Stammlandes, beschränkt ist, während der Osten nur i kennt, da ferner auch die im Meckl. Wb. a. a. 0 . angeführten mmeckl. Belege mit einer Ausnahme (s. unten) allein i zeigen, können die e-Formen unserer Denkmäler nicht als heimisch-nd. angesehen werden. Vielmehr wird hd. Einfluß im Spiele sein: brengen gilt nach M O S E R § 72, Anm. 6 im Md. noch während des ganzen 16. Jh.s. Daß diese Deutung von Gryses breiigen das Richtige trifft, wird durch andere mmeckl. Sprachquellen bestätigt, in denen hd. Einfluß außer Zweifel steht. So entstammt das im Meckl. Wb. a. a. 0 . angeführte brengen (Sternberg 1513) Meckl. Jbb. 57,167 einer vom Kanzler Caspar v. Schönaich, einem geborenen Niederlausitzer, herrührenden Urkunde. Auch die brengen-Belege, die D A H L 187 im Material des Rostocker Ratsarchivs in der Zeit von 1558 bis 1584 findet, geben sich durch den Zeitpunkt ihres Auftretens klar als hd. zu erkennen. b) V o r m n d . i > e. Eine entgegengesetzte Tendenz senkt im Nd. in einigen Wörtern den Stammvokal i vor folgendem doppelten Nasal oder vor Nasal + Konsonant landschaftlich zu e. S A R A U W 1, 102 f. vermutet auch hier das Einwirken des ursprünglichen (Hinterzungen)vokals der Endung, der dem Konsonanten tieferes Timbre und eine entsprechende Artikulation verliehen hätte. Sicherheit besteht jedoch nicht. Die in Frage kommenden Wörter sind nach Ausweis unserer Denkmäler im Meckl. am Ende des 16. Jh.s bereits durchweg zu e übergegangen, haben also den nmeckl. Lautstand schon erreicht: spenne (vgl. ahd. spinna) Lb. 1, L2 a ; spennen (Dat. Sg.) Wed. P 3 b ; (Nom. PI.) Paw. H h h 4 a ; spenne vyendt Lb. 3, M2 a . Ebenso nmeckl. spen Mi 84. Erhalten ist i dagegen häufiger im Kompositum spinne vyendt Slüt. B 2 a ; F 4 a ; Paw. D3 a , das aus dem Hd. ins Nd. entlehnt zu sein scheint. Das DWB Teil 10,1, Sp. 2512 verzeichnet hd. Belege schon f ü r das erste Viertel des 16. Jh.s. — swemmen ,schwimmen' (vgl. ahd. swimman) Paw. Zz2 b ; Lb. l , M 3 a ; swemmet E 3 b ; geswemmet Jon. 0 8 a . Nmeckl. swem KOLZ 25; Mi 90. LASCH § 427, Anm. 2 nimmt jedoch Vermischung von swimmen mit dem Kausativ swemmen an. — engefers (Gen. Sg.; vgl. mhd. ingeber, ingewer) Lb.2, A2 b . Nmeckl. g??// Meckl. Wb. 2,735. 3
Scharnhorst, Untersuchungen
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Vokalismus
Bei ,Schleuder' (ahd. slinga) war im Mmeckl. der gleiche Lautwandel eingetreten: slengen (Dat. Sg.) L b . 2 , Y l a ; Paw. G g g l b ; schiengen K l b . Nmeckl. gilt jedoch (unter hd. Einfluß?) wieder sl\y (Archiv). Zwar bieten unsere Denkmäler auch ,schimpfen' (ahd. skimpfari) mit e: schempe (Imperativ) Lb. 1, L 3 a ; jedoch ist i daneben erhalten geblieben: vnbeschympet Lb. 1, G2 b , und dieses hat auch in nmeckl. symbn (s. die Karte ,schelten' im DWA Bd. 2) gesiegt. Ein ähnliches Nebeneinander von i und e zeigen auch mnd. Quellen Lübecks. Siehe die Belege bei SCHXLLEKLÜBBEN 4,94.
c) V o r m n d . eji. Fruchtbar sind unsere Denkmäler zur Beurteilung der Entwicklung des Demonstrativpronomens and. *these ,dieser'. Zu den lautlichen Besonderheiten des Wortes vgl. SARATJW 1,307; 373. Während Gryses Frühschriften Ez. und Jon. etwa zu gleichen Teilen die ältere ewie die jüngere ¿-Form zeigen: Besses Ez. B l a ; dessem F 2 b ; desser E 5 " : disses D 3 a ; dissem C6 a ; disser C3 b — desse Jon. F l a ; dessem G5 b : disser F 2 b ; disse G8 b , tritt die e-Form in Paw. nur noch vereinzelt auf: desser Yy4 a . Wed. und Lb. sind schon vollständig zu i übergegangen: dissen Wed. D l a ; disse L b . l , D l b ; E 4 a (u. ö.). Anscheinend machte die Hebung e > i bei ,dieser' im Meckl. am Ende des 16. Jh.s starke Fortschritte. Auf alter dialektgeographischer Verteilung scheint der Gegensatz von siecht ¡sticht zu beruhen. Während SCHILLER-LÜBBEN 4,236 siecht fast nur aus Westfalen belegt, wohingegen Ostfalen und das Nordnd. slicht zeigen, ist im Nnd. \ nach den auf das SA-Material gestützten Angaben W R E D E S AfdA. 21, 164 auf Ostmecklenburg-Vorpommern beschränkt. ^-Formen durchsetzen aber das westlich anschließende e-Gebiet bis zur Elbe. Der ostmeckl.-vorpomm. i-Raum scheint also durch vordringendes g in Reliktlage geraten zu sein. Unsere Denkmäler haben neben: schlichten Wed. E 3 a ; slichte Paw. Y y 3 a ; slicht ebda; L b . l , M 4 t t ; G4 a ; slycht G l a ; G2 b ; slychten 2, L 3 b vereinzeltes siecht Paw. Zz 3 a , also einen Vorläufer des vorrückenden ^-Gebietes. Die e-Form wird in ihrem Vordringen dabei offenbar vom Hd. gestützt. § 16. Vormnd. o, u a) Die Brechung von germ. u > o durch ursprüngliches a der Folgesilbe ist im Nd. nicht konsequent bei allen Wörtern durchgeführt, wie schon die as. Belege bei HOLTHAUSEN, Elementarb. § 88 zeigen. Als Grund des Schwankens nennt HOLTHAUSEN dialektische Eigentümlichkeiten, Einflüsse benachbarter Laute sowie Ausgleichungen.
II. Die vormnd. kurzen betonten. Vokale in geschlossener Silbe
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Wir greifen im folgenden nur solche Wörter heraus, die im Nd. zwischen o und u wechseln, bei denen also über das Verhalten des Mmeckl. Zweifel bestehen können. I m Nmeckl. haben sich alle diese Fälle f ü r u entschieden, zumindest im Hauptteil des Landes; nur das von KOLZ beschriebene Westmeckl. steht abseits, indem sich hier verschiedentlich o durchgesetzt hat. Unsere Denkmäler zeigen — allein mit Ausnahme von ,Donner' — bei allen Wörtern die «-Form und entsprechen damit der heutigen Mundart im Hauptteil Mecklenburgs. Daß daneben bei Gryse in einigen Fällen auch o-Lautungen stehen, deutet darauf hin, daß im Meckl. um 1600 die Auseinandersetzung zwischen o und u noch im Gange war. Wir ordnen die Belege unserer Denkmäler nach ihrem Verhalten zur heutigen Mundart im Hauptteil Mecklenburgs. G e g e n s a t z : Gryse schreibt stets o: donner Jon. D 6 a ; K 5 b ; Paw. A a a l a ; donnersdach Zz4 a , während nmeckl. dy,nor BECKMANN § 55y; KOLZ 78 gilt. Bei diesem Wort scheint o, das heute noch in andern nd. Mundarten gesprochen wird (z. B. im Münsterland nach GRIMME 138), in Mecklenburg erst spät durch u abgelöst worden zu sein (trotz as. thuner). Das Meckl. Wb. 2,572f. weist u zuerst in einem Grevesmühlener Gerichtsprotokoll von 1688 nach, wohingegen die aus dem 16. J h . angeführten Belege wie Gryse noch o zeigen. Ü b e r e i n s t i m m u n g . Gryse schreibt stets u: rust ,Rost (am Eisen)' Jon. S8 b . Ebenso nmeckl. T(is Mi 73; KOLZ 78. Dagegen as. vost. — wulclcc Lb. 2, I l a , wozu wulke (Wismar 1579) bei LASCH §183, I paßt. Ebenso spricht man heute in Nord-, Süd- und Ostmecklenburg vy,lk BECKMANN § 55a; JACOBS 1,53; GRIMME §47, während in Westmecklenburg vglk KOLZ 78 gilt, das as. wölkan fortsetzt. — mutten (PI. zu,Motte') Jon. S8 b ; Slüt. I 3 a ; Lb.2, F 3 b ; 3, M2 a entspricht nmeckl. mvj JACOBS 1,53. Dagegen westmeckl. mot KOLZ 78 mit o wie in mhd., mnl. motte, ags. m o ^ e . S c h w a n k e n . Gryse schreibt bald u, bald o: buck ,Bock' Lb.3, X 2 b ; bücke (Nom. PI.) X 3 a ; Slüt. E 4 b : bockhorner Paw. 0 4 b (hd. ?). Heute ist die o-Form, die sich in andern nd. Mundarten noch erhalten hat (z. B. in Ostfalen. Siehe LÖFSTEDT 13), vollständig durch nmeckl. byk BECKMANN § 55a; GRIMME § 51; KOLZ 78; Meckl. Wb. 2, 52 verdrängt. — vull Lb. 1, 0 2 b ; vul F l a ; Paw. T t 3 b ; X x 4 a ; vulmacht H 3 a ; vullstendich L b . l , D 4 b ; vullenbrachte H 2 b ; vullenkamene Paw. H h h l b : vol (in der Umsetzung eines hd. Zitats) L b . l , K2»; volmechtigen Paw. H 3 a ; vollenbracht Bbb3 b ; Vv3 a ; vollenkamene Qq3 b ; B b b l a ; vollenkamenes Slüt. G l " . Ob die o-Form, die im Mnd. „ohne erkennbare örtliche Beschränkung" neben der w-Form 3*
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vorkommt, „unter hd. oder nl. Einfluß" steht, wie LASCH-BORCHLING 1, 1020 meint, oder ob die beiden möglichen Lautungen im Nd. seit alters her nebeneinander stehen (as. füll neben einmaligem fol im Monacensis SEHRT 158), läßt sich aus unserm Material nicht entscheiden. Jedenfalls begegnet o in unsern Denkmälern auffällig häufig, wenn auch z. T. sicher unter hd. Einfluß. Nmeckl. gilt allein fyl BECKMANN § 5 5 a ; KOLZ 79. — gehulpen Ez. C7 b ; Paw. F 3 a ; Lb. 2, N l a ; J o n . T 5 a : geholpen S5*; Ez. D 8 a ; Wed. I l b ; P 8 a ; Q l a entsprechend as. geholpan. Mnd. stehen gehulpen und geholfen auch sonst nebeneinander. Zu den Gründen des Wechsels vgl. SARAUW 1,103 sowie LASCH § 183,11, die auch dialektische Verteilung von o u n d u erwägt. Darauf weist auch der Gegensatz von nmeckl. hy,lpm BECKMANN § 55a; JACOBS 1,53; GRIMME § 193 im Hauptteil des Landes zu westmeckl. holpm KOLZ 79. Möglicherweise spiegeln unsere Denkmäler den K a m p f der Formen im Rostocker R a u m wider. b) Auf einer anderen Ebene als die unter a erörterten Fälle liegt der Wechsel von O/M bei ,Wolf'. Da im Nd. seit alters her nur u heimisch ist, m u ß wölffe Slüt. S4 b als hd. Form gedeutet werden. I m allgemeinen verwendet aber auch Gryse bodenständiges wülfen (Dat. PI.) Slüt. P 3 b ; wülffe P a w . A 4 a ; L b . l , G 4 a , das sich als Mittelglied zeitlich zwischen as. wulf u n d nmeckl. vy,lf BECKMANN § 55 a; KOLZ 78 einfügt. c) Wie bereits oben unter a f ü r das As. erwähnt, beruht die Entscheidung zwischen o u n d u unter anderem auf dem Einfluß benachbarter Konsonanten. Dies gilt auch f ü r die mnd. und die nnd. Sprachperiode. Betrachtet m a n die oben behandelten Wörter, so fällt auf, daß dem Stammvokal meist Labial vorausgeht oder l folgt. Die Bewahrung bzw. die Entwicklung zu u ist also im Meckl. durch die Nachbarschaft dieser Laute gefördert worden. Jedoch kennt das Meckl. die Verengung des o > u nicht in dem Maße wie das angrenzende Nordnd., wo sie in jüngerer Zeit stark u m sich gegriffen h a t £ (SARAUW 1,104). So haben zum Beispiel im Meckl. ,Wocken' und ,Topf im Gegensatz zum Nordnd. ihr o bewahrt: spinnewocken (Dat. Sg.) Paw. G4 a . Ebenso nmeckl. i ^ i f e M i 108 gegenüber hamburg. wuklcen R I C H E Y (1755) 348. — poth Lb. 1, M2 b ; thorn potte ebda wie nmeckl. pqt JACOBS 1,53 gegenüber lüneburg. px^t RABELER 179.
III. Rundung und Dehnung des o vor Id, It
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III. RUNDUNG UND DEHNUNG DES a VOR Id, U §17. a) D i e R u n d u n g d e s a vor l d, t, die sich schon im As. ankündigt (s. HOLTHAUSEN, Elementarb. § 76, Anm. 1), ist nach SAKAUW 1,108 im Nd. spätestens im 13. J h . eingetreten; u n d zwar ergab sich zunächst ein geschlossenes d, und erst später erfolgte in den meisten Mundarten der Zusammenfall mit altem ol. Nach BECKMANN § 41 u n d LASCH § 93,3 zeigen bereits die meckl. Sprachdenkmäler der frühen Zeit fast ausnahmslos ol( z . B . : solt [Wismar 1258] bei LASCH a. a. 0.), neben dem nur noch vereinzelt al steht. I n unseren Denkmälern ist die Schreibung ol — wie nicht anders zu erwarten — allgemein durchgeführt. Die R u n d u n g war also am Ende des 16. J h . s wohl schon längere Zeit abgeschlossen. B e l e g e : soMi ,Salz' Paw. E 3 a ; L b . l , Ii V ü vgl. die Karte ,Ohren' im Meckl. Wb. 1, VII. Die entsprechende Entwicklung des frühgedehnten ö veranschaulicht der Deutsche Sprachatlas mit seiner Karte ,Wort' (DSA 112). Hinzuweisen ist hier noch auf eine Sonderentwicklung der Landmundart im Westen und Süden Mecklenburgs, die noch stärker im angrenzenden Lauenburgischen ausgeprägt ist, sich jedoch allgemein gegenüber dem oben beschriebenen Lautstand im Rückgang befindet : die Diphthongierung der alten Längen wie auch der frühgedehnten Vokale vor r, die als westfälischer, von den Siedlern mitgeführter Sprachzug zu werten ist. Es handelt sich um Fälle wie ,vier' (e4), das westmeckl. /gi r lautet gegenüber ostmeckl.-vorpomm. flr (siehe DSA Karte 57); .führen' (ö1) westmeckl. fQii/n/ostmeckl. fürn (s. die Karte im r Meckl. Wb. 1 , VII) und mit frühgedehntem Vokal ,Hirte' westmeckl. h$i K O L Z 25/ostmeckl. r hl J A C O B S 1, 50. Beispiele für weitergehende Diphthongierungen vor r im Lauenburgischen bringt S C H E E L E in: Lauenburgische Heimat 10 (1934) 10f. Zahlreiche Belege für die Diphthongierung führt TETJCHERT, Beiträge § 10h bereits aus dem 18. J h . an.
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Vokalismus
dem tongedehnten mnd. ä (< ä, 5) verhalten sich tongedehntes mnd. e und ö vor r (s. § 20). Auch sie verharren bis weit ins 19. Jh. bei ihrer offenen Aussprache (s. B E C K M A N N § 8 6 , Anm. 1), die ihnen in Mecklenburg-Strelitz heute noch zukommt ( T E U C H E R T , Stargard 4), und gehen erst in jüngerer Zeit zum geschlossenen e, ö über. Für unseren Zusammenhang ist nun wichtig, daß sich frühgedehntes mnd. e und ö von tongedehntem e, ö vor r in der heutigen Mundart unterscheidet, daß eine solche Trennung zwischen frühgedehntem mnd. ä und tongedehntem mnd. ä (< ä) von der jetzigen Aussprache her jedoch nicht möglich ist. Die Scheidung der frühgedehnten von den kurz gebliebenen Vokalen mnd. e, o, ö vor r bereitet keine Schwierigkeiten : o und ö haben im wesentlichen ihre alte Qualität bis heute bewahrt, und er ist zu ar gesenkt (s. § 21). Heben sich so in der Gegenwart die Fälle mit Frühdehnung gut von denen mit kurz gebliebenem und denen mit tongedehntem Vokal ab — ausgenommen nur die a-Laute —, so ist f ü r Gryses Zeit die Abgrenzung weitaus schwieriger, ja weithin unmöglich, denn die heutigen starken Qualitätsunterschiede bestanden um 1600 noch nicht, da die Hebung ja erst dem 18. J h . angehört; die sicher vorhandenen feineren Unterschiede in der Vokalqualität (offene oder geschlossene Aussprache) kommen in der mnd. Orthographie nicht zum Ausdruck, und auch die Bezeichnung der Vokalquantität läßt sehr zu wünschen übrig. Dabei kann kein Zweifel bestehen, daß im Meckl. zur Zeit unserer Denkmäler die Frühdehnung längst vollzogen war. Abgesehen davon, daß S A R A U W S Meinung, die Frühdehnung sei noch vor der Tondehnung, also in frühmnd. Zeit, eingetreten, bei den späteren Forschern meines Wissens nur Zustimmung gefunden hat, spricht f ü r das Einsetzen der Frühdehnung mindestens vor dem 14. Jh. auch der Umstand,'daß die Fälle, die später die Folgen der Frühdehnung zeigen, von der Senkung er > ar (s. § 21) nicht mehr erfaßt werden. Für Mecklenburg verzeichnet N E R G E R schon aus der Zeit vor 1 5 0 0 Fälle mit Bezeichnung der Frühdehnung: baert ,Bart c , waert ,ward' (§ 13, Anm. 2), eerde ,Erde', heerde ,Hirte', weert ,wert', veerne ,ferne', geerne ,gerne' (§ 20, Anm. 2). Auch unsere Denkmäler weisen einige wertvolle Belege f ü r die Frühdehnung auf. In der Masse der Wörter — insbesondere vor rd, rn — fehlt die Dehnungsbezeichnung jedoch. Wir haben es hier offenbar mit einem der Fälle zu tun, in denen unsere Denkmäler im Widerspruch zum mmeckl. Lautstand des 16. Jh.s an der Schreibtradition der klassischen mnd. Zeit festhalten. Wir ordnen die Belege im folgenden nach den Dehnungsfaktoren und stellen dabei — soweit unsere Denkmäler nicht den Eintritt der Früh-
IV. Die vormnd. kurzen Vokale vor r und
r-Verbindungen
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dehnung graphisch bezeugen — alle die Wörter hierher, die das Nmeckl. entsprechend den oben erörterten Lautkriterien als frühgedehnt ausweist. a) F r ü h d e h n u n g v o r rd, rn. Meist fehlt die Dehnungsbezeichnung: ardt ,Art' Lb. 1, E3"; Wed. B 4 A ; arth A6»; G5». Nmeckl. ö't BECKMANN § 84. — garne (Akk. Sg.) ,Garn' Lb. 1, F 4 b ; garn S2 a . Nmeckl. görn Meckl. Wb. 3,223. — arne (Gen. Sg.) ,Ernte' Paw. E 4 b ; roggenarne ebda. Nmeckl. 5rn BECKMANN § 84. — perdt Lb. 1, G2»; K4»; perde (Dat. Sg.) G2»; 3, S4 b . Nmeckl. piTt JACOBS 1 , 5 0 . — füerherdt Wed. K6». Nmeckl. hVt BECKMANN § 87. — werdt ,wert' Lb. 1, F4»; 13»; K l » ; werth I 4 b ; Geb. 2 A8». Nmeckl. mrt BECKMANN § 87. — sterne (Dat. Sg.) ,Stirn' Lb. 1, K4»; Paw. (?) l b . Nmeckl. stirn BECKMANN § 87. — gerne Lb. 1, H l " ; Wed. B 2 » . Nmeckl. gVn Meckl. Wb. 3, 165. — ordt ,Ort' Lb. 1, F 4 b ; örden (Dat. PI.) E2»; Gl»; Paw. L14». Nmeckl. ürt BECKMANN § 91. — wordt Lb. 1, D l » ; K 4 a (u. ö.). Nmeckl. vürt BECKMANN §91. — dorne (Akk. PI. zu ,Dorn') Wed. 18»; dornen (Dat. PI.) Lb. 3, Aa2». Nmeckl. dürn, PI. dürn Meckl. Wb. 2,599. — hörne (Akk. PI. zu ,Horn') Lb. 1, H h l b . Nmeckl. hürn, PI. hüTn GRIMME §§ IQ,11. — horn Lb. 1, G2»; Aa3 b ; B b 2 b ; körne (Akk. Sg.) Aa4 b ; Bb2 b . Nmeckl. kürn JACOBS 1,52. - torn ,Zorn' Lb. 1, E l b ; G3 b ; H 4 b ; 12»; K l b ; 0 2 b ; torne (Nom. Sg.) I l b ; (Akk. Sg.) Jon. Gg5». Nmeckl. durch hd. tsf/n ersetzt (Archiv). Dazu dasYerb: vörtörnet Lb. 1, D4 b . Nmeckl. fztü'n Mi 103. Aber den Eintritt der Frühdehnung bezeugen die folgenden wertvollen Belege: heerde ,Hirte' Lb. 1, D4»; heerden (Gen. Sg.) ebda; (Dat. PI.) 2, 02». Meist fehlt jedoch auch hier die Dehnungsbezeichnung: herde Lb. 1, H 3 b ; herden D 3 b ; F l b ; Ez. A7 b ; Paw. T l b ; Mml»; swinherde Jon. D 4 a ; seelenherde ebda; Bb3»; Lb. 3, S2 b . Nmeckl. hir JACOBS 1,50 (westmeckl. heir 2 b b KOLZ 25). - heerde ,Herde' Geb. B6»; B 6 : herde Lb. 1, F l ; Paw. ZI»; b r Zz l ; Mm 2». Nmeckl. ist das Wort durch ha% ( < mnd. hode) Meckl. Wb. 3,508 ersetzt. — sweerde (Dat. Sg. zu ,Schwert') Jon. N4»: swert P 3 b ; schwerdt Lb. 1, Aal»; swerde (Akk. PI.) Paw. Yy3». Nmeckl. smrt NEKGER § 159. — fehrne ,ferne' Wed. I 8 b : ferne Paw. H h h 3 b ; Lb. 1, F 2 b . Nmeckl. ßTn
BECKMANN § 8 7 .
b) F r ü h d e h n u n g v o r rl. Bei Gryse bleibt sie unbezeichnet: kerl Wed. r L 6 » ; wyuekerls P L B . Nmeckl. kl l BECKMANN § 8 7 . c) F r ü h d e h n u n g v o r rt bleibt gleichfalls ohne graphischen Ausdruck: kartenspeel Paw. B2 b . Nmeckl. kört Mi 45. — porten (Dat. Sg. zu ,Pforte') Lb. 3, P2»; (Nom. PI.) Aa4». Nmeckl. pü't BECKMANN § 91, Anm. 1.
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Vokalismus
d) Belege f ü r F r ü h d e h n u n g v o r rs, rz, wie sie in nmeckl. bö's ,Barsch' Meckl. Wb. 1 , 1 0 1 8 ; hörts ,Harz' N E R G E R § 1 5 5 vorliegen, fehlen in unseren Denkmälern. e) F r ü h d e h n u n g v o r rr. Die Schreibung mit nur einem r läßt auf Dehnung schließen: kare Lb. 2, Y l a ; meßkare Paw. N l a . Zugrunde liegt as. Icarra. Heute zeigt Mecklenburg-Schwerin das aus der frühgedehnten Form entwickelte kör, während mecklenburg-strelitz. kär (mit Nachdehnung) TETTCHERT, Stargard 5 die alte Kürze fortsetzt. f) F r ü h d e h n u n g v o r r ist nur in geschlossener Silbe eingetreten. In dieser Stellung bezeichnen unsere Denkmäler die Dehnung verhältnismäßig gut: baergeldt Slüt. B2 b . Aber: bar geldt Paw. D2 a . Zugrunde liegt as. bar. Der Vokal in nmeckl. bör Meckl. Wb. 1, 1027 läßt sich sowohl aus der Frühdehnung wie auch aus der Tondehnung erklären, die ursprünglich in den flektierten Formen (as. baro) ihren Platz hatte. — doer ,Tor' Lb. 1, Z4 a ; 2, A2 b ; dohr Ez. E 3 a ; Paw. C l b : dor Slüt. F l b . As. dor. Der gehobene Vokal in nmeckl. dür Meckl. Wb. 2,584 bezeugt die Frühdehnung.
§ 20. Tondehnung Die Tondehnung, die nach der Frühdehnung eintrat, hat wie vor den übrigen Konsonanten (s. § 10) so auch vor r die kurzen Vokale a, e, o, ö in offener Silbe erfaßt. Die Entwicklung der tongedehnten Vokale vor r stimmt mit der in § 10 geschilderten in älterer Zeit grundsätzlich überein. Auch hier fallen ä und ö > ä (geschrieben a) zusammen. Der Übergang zur geschlossenen Aussprache in jüngerer Zeit ist bereits oben § 19 erwähnt. Vgl. TETTCHERT, Beiträge § 10 c. a) T y p i s c h e B e l e g e V o r m n d a: gesparet (Part. Prät. zu ,sparen') Geb. 2 A2 b ; spare Wed. N l b . Nmeckl. spö'n Mi 85. — bewaret L b l , D l b ; K l b ; wäret E3 a . Nmeckl. bdvörn Meckl. Wb. 1, 828. — baren (Nom./Akk. PI. zu ,Bär') Wed. D7 a ; Paw. F l a ; Lb. 2, T4»; 3, S4 a . Nmeckl. bör Meckl. Wb. 1,1025. — Mit e-Apokope gehören hierher: wahr (Dat. Sg.) Lb. 1, S4 b ; kramwahr Paw. Vv2 b . Auszugehen ist von mnd. wäre S C H I L L E R - L Ü B B E N 5,601. Nmeckl. vör (Archiv). — gahr Lb. 1, D l a ; D l b ; Hh2 b (u. ö.); ghar 2, B2 b ; gar Wed. B4 b . Zugrunde liegt as. garo. Nmeckl. gör Meckl. Wb. 3,226. V o r m n d . o: sparen ,Sporen' Lb. 2, B2 a . Nmeckl. spörn (Archiv). — Hierzu auch die Part. Prät. der st. Verben 2. und 4. Klasse: vtherkaren Wed. M2 a ; gekaren Lb. 3, M l b . Nmeckl. ist nur noch das schwache Part.
IV. Die vormnd. kurzen Vokale vor r und
ütkest NERGER § Wb. 1 , 7 7 7 ; sörn siehe unter b.
r-Verbindungen
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üblich. — bescharene Slüt. Q 2 B . Nmeckl. bdsörn Meckl. NERGER § 2 0 9 . — Zu den Part. ,geboren' und , verloren'
214
V o r m n d . e: vörteret Lb. 1, D 2 b ; vortehren Wed. H 2 b ; vortehrer L2 b . Nmeckl. jdteTn JACOBS 1,110. — weren .wehren' Lb. 1, D d 3 a ; wehren ebda; D d 4 a ; thowerende I 4 a ; weere dy Geb. 2 C6 a ; wehre (Imperativ) Ez. F l " . Nmeckl. veTn JACOBS 1,110. — Mit Apokope: bescheer (Imperativ; and. *skeri) Geb. 2 B l a . Nmeckl. bdse'n Meckl. Wb. 1,777. — meer (as. meri) Lb. 1, D 2 a ; (Dat. Sg.) D l a ; meere (Dat. Sg.) D 2 a ; Geb. 2 A7 b ; meeres Wed. E8 a . Nmeckl. me r Mi 54. V o r m n d . e: begeret Lb. 1, F l b ; begehret 0 2 b . Vgl. nmeckl. tipb-age'n r JACOBS 1 , 1 1 0 . — smeret ,schmiert' Lb. 1, H 4 A . Nmeckl. sme n KOLZ 38. — b Mit Apokope: smehr (Akk. Sg.; as. smero) Paw. Ss3 . Nmeckl. smer JACOBS 1 , 1 1 0 . — Bei ,quer' (and. *dwerh entsprechend ahd. twerh) ist die Tondehnung, wie sie in nmeckl. dwer Meckl. Wb. 2,649 vorliegt, von den flektierten Formen ausgegangen. Ob Gryses dwer Lb. 1, L2 a ; Q l b ; Wed. 06 A ; dwerhuß Slüt. E 2 b ; dwerslegen Lb. 1, P l b schon gedehnt war, läßt die Orthographie im Dunkeln. V o r m n d . ö: Siehe dodenböre § 13b. V o r m n d . ü: döre ,Tür' Slüt. E 3 b ; Lb. 1, H4 a . Mit Apokope: döer Lb. 1, T 4 b ; Cc2 a ; 3, B2 a . Nmeckl. döT Meckl. Wb. 2,386. — Hierzu auch mör ,mürbe' § 14. b) Den unter a angeführten Part. Prät. der starken Verben 2. und 4. Klasse schließen sich an: vörlaren Lb. 1, E 3 a ; E 3 b ; M3 a ; vorlahren Wed. 0 3 a ; Geb. 2 A8 b . — gebaren Lb. 1, M3 a ; M3 b . Gryses Formen, die sich durch ihr ä < 5 als tongedehnt ausweisen, setzen sich in westmeckl. fdlö'n KOLZ 6 7 ; JACOBS 1 , 1 1 0 und nmeckl. börn, das nach r NERGER § 2 0 9 im vorigen J h . noch üblich war, fort. Das ostmeckl. fdlü n GRIMME § 1 8 8 (vereinzelt auch westmeckl. KOLZ 6 7 ) und das heute allein übliche bürn Meckl. Wb. 2 , 1 4 7 ; gdbü'n 3 , 8 9 scheinen dagegen durch Frühdehnung entstanden zu sein, die sich vielleicht aus früher Synkope (verloren > verlorn, geboren > geborn) erklären läßt, so daß diese Formen der in § 19 gegebenen Regel, Frühdehnung habe geschlossene Silbe zur Voraussetzung, nicht widersprechen. 1 1
TEUCHERT, Beiträge § 27 faßt fdlü'n, bü'n als „Steigerung" aus falö'n, bo'n auf. Unter „Steigerung" versteht TETJCHEKT einen Vorgang, bei dem die sonst im Meckl. erreichten Endstufen ör ( < mnd. ar, är) und er vereinzelt zu ür und ir gehoben werden.
46
Vokalismus
Grundsätzlich wichtig ist f ü r uns die Erkenntnis, daß im Mmeckl. mit Varianten zwischen- frühgedehntem und tongedehntem Vokal und ebenso wohl zwischen frühgedehntem und kurzem Vokal gerechnet werden muß. Die von uns in den §§19,20 notgedrungen angewandte Methode, den Lautstand des 16. Jh.s hinsichtlich der Verteilung von Kurzvokal, Frühund Tondehnung aus dem Nmeckl. zu erschließen, ist also insofern unzuverlässig, als sie Varianten, die zwar im Mmeckl. vorkamen, sich jedoch nicht bis ins Nmeckl. gehalten haben (dafür aber vielleicht in andern nnd. Mundarten), nicht erschließen kann.
§21. Senkung von mnd. er > ar Soweit die Gruppe mnd. er ( < vormnd. er, er, ir) -f- Konsonant von der Frühdehnung nicht erfaßt war, also er + Labial, Guttural, (z. Teil) stimmloser Dental, r, l, wurde sie im Meckl. wie auch im Nordnd. zu ar gesenkt. Dieser Lautvorgang ist f ü r das Meckl. schon im Anfang des 14. Jh.s belegt: Parleberghe (1328) bei L A S C H § 76; Belege seit dem 15. Jh. bieten N E R G E R §§ 13, 159 und TEUCHERT, Beiträge § 10b. Obgleich ar im 16. J h . in der Mundart wohl durchgedrungen war, so daß damit bereits der nmeckl. Lautstand erreicht war, zeigen unsere Denkmäler in der Mehrzahl der Fälle er, folgen also einer historischen, von der Sprachentwicklung überholten Schreibweise. 1 ar setzt Gryse regelmäßig nur vor s, wo r schon früh schwand; sonst begegnen die ar-Schreibungen nur vereinzelt neben dem üblichen er. a) er -f- L a b i a l , G u t t u r a l : garuer Jon. F 2 a : geruer Lb. 1, E4 a . — learff ,Kerbe' Lb. 1, I2 b . — bescharmen ,beschirmen' Paw. K l a ; Fff3 b ; bescharmet S s l a ; L b . 1, Bb4 a : beschermetH3a; beschermen ebda. — scharue ,Scherflein' Wed. H 5 a : scheruen ,sein Scherflein dazugeben' Lb. 1, L2 b . — eruen (Dat.PL) Lb. 1, G3 b ; eruet (3. Sg.) E l a ; beeruest Jon. Bb7 b . — steruen vnd(e) vorderuen 1
Gegen die Annahme, daß die Senkung er > ar in der Mundart im 16. Jh. schon durchgedrungen war, könnte eingewandt werden, daß die Rostocker Mundart ja noch lange zwischen er und ar schwanke, wie BÖHMER 51 es schon für das Ende des 18. Jh.s bei Diederich Georg Babst nachweist (erfien: arjten) und wie es BECKMANN §§ 97, 99 noch für die ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts feststellt. Jedoch erweist der Umstand, daß auch altes ar dieses Nebeneinander kennt (Särp: s$Tp), diese Entwicklung als ein Produkt sozialer Sprachschichtung. Wie BECKMANN in: Wiss. Zeitschr. d. Univ. Rostock Jg. 4 (1954/55), ges. u. sprachwiss. Reihe 131 richtig bemerkt, ist diese Unsicherheit, die vor allem bei Halbgebildeten auftritt, im Missingsch durch den häufigen Gegensatz von hd. er und nd. ar entstanden und von da dann ins Plattdeutsche eingedrungen.
IV. Die vormnd. kurzen Vokale vor r und r-Verbindungen
47
Jon. R 6 b ; Ff8»; B b 2 b ; Ez. D 2 a ; steruen Lb. 1, H 2 b ; 3, L l a . — eruete Paw. P 2 a ; erueten Lb. 2, Y 3 a ; 3, V4 a . — tho bärge stan Lb. 2, H l a ; 6arcA an ,bergan' Wed. P 5 b : wynberge A4 a ; berch Lb. 2, C2 a ; 1, N 2 b ; berge F 3 a ; F 4 a . — bargen Jon. H 4 b ; lyßbarginge Wed. G6 b : bergen Jon. H 7 a ; vorberget Slüt. F l b ; herberge Lb. 1, D4 a . — swarcke ,dunkles Gewölk' Lb. 2, Q3 a : regenstvercke 3, K4 a . — dwargen (Dat. PI. zu ,Zwerg') Paw. R 4 b ; Lb. 2, L2 b . — marck ... jar ,Merkjahr' Slüt. T 2 b : mercken Jon. R 6 a ; anthomerckende Lb. 1, D 3 b ; G4 b . — arlcenern (Dat. PL zu ,Erker') Paw. E l a . — werde Lb. 1, D l a (u. ö.) stets mit er. — warmen (as. warmian, wermian) Lb. 3, M3 b ; erwärmet 1, O l b ; A2 b ; gewarmet Paw. Nn4 a (u. ö.) stets mit ar. — scharfen (as. skerpian) Jon. F 8 b : scherpen Lb. 1, F 2 b ; gescherpet I l a ; 3, D2 b . Dagegen seheint der Komparativ des Adjektivs: scharper Lb. 1, A a l a ; 2, E 2 a nicht aus er entwickelt, da hier ein or-Suffix gestanden haben wird, das keinen Umlaut bewirkte. — faruet (mnd. verwen, varwen a LASCH-BORCHLING 1,708) Lb. 2, F 3 ; gefaruede 1, L L B (u. ö.) stets mit ar. — gestarcket (as. sterkian) Lb. 2, B 3 b ; I 4 a : gestercket B 3 b ; 3, S l a ; stercken 1, L2 a . - starcke (Dat. Sg.) .Stärke' Lb. 1, L l a ; 2, B 2 a ; (Gen. Sg.) 3, G2 a : stercke (Akk. Sg.) 1, E e 4 b ; krafftstercke Paw. Xx4 b . — Der Komparativ starcker Lb. 1, N l a ; O l a ; 2, C3 a ; 3, B l a würde gleichfalls hierher gehören, wenn man and. *sterkir mit ir-Suffix entsprechend ahd. starchisto WAGNER, Superlativ 90 ansetzt. — ergeren .ärgern' Lb. 1, 0 3 a (u. ö.) stets mit er. — Der Komparativ und Superlativ des Adjektivs haben etwa gleich oft er wie ar: arger Jon. F f l " ; Paw. L l b ; Lb. 1, N l a ; 0 2 b ; argesten N 3 a ; 2, T 4 a ; argeste Paw. N 4 b : erger Ez. D 8 a ; Slüt. S l b ; Lb. 2, H l b ; R 3 b ; ergesten O l b ; 1, X 2 a ; Paw. P4 a . Die ar-Formen müssen jedoch nicht aus er entstanden sein. Komparativ und Superlativ konnten im And. vielleicht auch mit -or, -öst gebildet werden wie ahd. argösto WAGNER, Superlativ 91. b) er + s t i m m l o s e r D e n t a l : herte ,Hirsch' Lb. 2, X l a . — hartbeklummenen ,herzbeklemmenden' Jon. Q8 a ; hartsterkinge Lb. 1, F 4 a ; vnbarmhartzigen (missingsch!) Wed. D 6 b : vnbarmhertzigen ebda; hertstarckinge Lb. 2, B 3 a ; herte 1, D l a und öfter mit er. — schmerte (Akk. PI.) ,Schmerzen' Ez. D2 a . I n der Stellung vor stimmlosem s, wo r im 16. J h . schon ausgefallen war (s. § 53b), schreiben unsere Denkmäler stets a(r): garsten ,Gerste' Paw. Vv3 b ; Wed. H 3 b ; garsten brode Lb. 1, Aa3 a ; gasten korn 2, R 4 a . — barsten .bersten' Ez. C l b ; Paw. R l b ; Lb. 2, P 2 a ; basten Wed. B8 b . — barst .Mangel, Gebrechen, Sprung' Paw. Cc3 a ; Cc3 b ; Ss4b; Hhh3 b . — auer dwas .überquer' Ez. B 4 a ; Jon. V8 b ; Paw. X 4 a ; Wed. 0 6 a . — kasseberen .Kirschen' Lb. 1, Q2 b . — caspel (< karkspel) .Kirchspiel' Paw. A a a l a ; caspelkercken Slüt.
48
Vokalismus
G2 a ; Lb. 2, X 3 b . I n der ungekürzten Form ist dagegen meist er bewahrt: kerckhöue Paw. Aaa3 b ; kercke Lb. 1, G l a (u. ö.). Nur einmal begegnet: karckhere
Paw. 02".
c) e r r , l : vorsparret ,versperrt' Paw. Ggg4 b ; vpgesparreden
Ddd3a;
vpsparren L b . 1, G 2 b ; vpgesparret 2, X 2 b ; vpgesparrede W e d . C2*>: sperret b 0 6 " ; mundtsperringe P a w . D d d 4 ; vpgesperret L b . 1 , 1 2 a ; sperren M 4 b . — narrischen L b . l , L 4 a : nerrische L 3 b ; M 2 a . — Sperlinge L b . l , E e 2 b ; Sper-
lingen Wed. G6 b . Die Verbreitung des nmeckl. spä'liy zeigt die Karte , S p e r l i n g ' d e s D W A B d . 2. — perle P a w . P l a ; perlen L b . 2 , G l " .
V. DIE VORMITTELNIEDERDEUTSCHEN LANGEN VOKALE A. ZUR LAUTENTWICKLUNG § 22. Vormnd. ä a) Vormnd. d ist im Meckl. wie auch in den nordnd. und ostfälischen Mundarten mit tongedehntem ä ( < vormnd. a, o, u) zu ä zusammengefallen. 1 Die Belege s. § 31. Für die Hebung des & vor r zu 5 wie f ü r den parallelen Übergang von er > ir und ör > ür bieten unsere Denkmäler selbstverständlich noch keine Belege. Diese Lautwandlungen dringen erst im 18./19. J h . im Meckl. durch. Siehe dazu § 19. b) D i e G r u p p e v o r m n d . ä + w hat eine Sonderentwicklung genommen. Bereits im As. war das w im Inlaut vor o, u sowie im Auslaut nach langem Vokal geschwunden (HOLTHAUSEN., Elementarb. §§ 164, 167), so daß sich lautgesetzlich Nom. Sg. bräwa ,Braue': Dat. PI. brd(h)on und unflektiert blä ,blau': flektiert blawes ergaben. Wie schon das As. zeigt, konnte dann eine der beiden Formen auf das ganze Paradigma übergreifen. Während das Westfälische vorwiegend die w-losen Formen verallgemeinert 1
Westfalen hält demgegenüber d und ä auseinander. Die Grenze zwischen südlicher Trennung und nördlichem Zusammenfall siehe bei H E E R O M A 2 4 1 f. H E E R O M A erklärt die unterschiedliche Entwicklung daraus, daß im Süden germ. e schon vor der Tondehnung des aza ä übergegangen war, im Norden erst nachher.
V. Die vormnd. langen Vokale
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hat, haben Ostfalen und das Nordnd. sich meist für w entschieden (SARATJW 1, 141 f.), wobei drei Entwicklungsmöglichkeiten gegeben sind: 1. w bleibt erhalten und fällt mit v ( < westgerm. J) zusammen. 2. w wird durch die Spirans j ersetzt und entwickelt sich wie altes g (s. § 51b). 3. Wie im Hd. (s. PAUL 1,225) entsteht durch Verschiebung der Silbengrenze (blä-we > bläw-e), verbunden mit Vokalisierung des w und Kürzung des d, der Diphthong vorliegt. — heyde ,Nichtchrist' Lb. l , L l b ; O l b (u. ö.). As. hethino. — F ü r ingeweide Jon. Ccl a , eine Erweiterung zu mnd. geweide LASCH-BORCHLING 2, 104, ist e3 durch ostfäl. Mundarten als möglich erwiesen. Zum Beispiel injswä LÖFSTED 34, wo ä nur e3 sein kann. Auszugehen ist von einem neutr. /«-Stamm, einer Kollektivbildung zu weide. Siehe D W B Teil 4, 1, 3, Sp. 5429. — weyde ,Ort zum Weiden' Paw. Ii4 a ; Lb 1, N l a ; snabelweide ,Futter' C c l a ; Paw. L l l a . Es muß ein /¿¡-Stamm wie in anord. vei^r zugrunde liegen. — I m Abstraktsuffix -heit, z. B. bößheit Lb. 1, X 3 a ; schalckheidt ebda (u. ö.) erklärt sich e3 wohl aus dem as. Gen., Dat. Sg., Akk. PI. -hedi (HOLTHAUSEN, Elementarb. § 306, Anm. 2) zum Nom. Sg. -Md. Weitere Deutungsversuche s. bei D A H L 13. — heil ,Heil' Ez. D 2 b ; heyl Lb. 1, H l b ; des heyls 3, Aa2 a ; vnheyl l , M 3 a . I m As. stehen sich der neutr. «-Stamm und das fem. Adjektivabstraktum heli gegenüber. Wahrscheinlich ist im Mnd. das e 3 des Femininums auf das Neutr. übergegangen; es ist jedoch bei diesem der Kirchensprache angehörenden Wort auch hd. Einfluß zu erwägen. Der K r a f t der hd. Kirchensprache verdankt wohl auch heylandt Lb. l , E l b (as. heliand) seinen Diphthong. Siehe dagegen helen (Vb.) unter c. — rein Lb. l , E l a ; F 3 b ; Jon. F f 2 a ; reinen S7 a ; Paw. H 2 b (u. ö.). As. hreni. — freydiger ,kühn' Lb. l , L 4 a ; freydigen F f l a . As. frethig .flüchtig, verbannt'. — veil ,feil! Paw. O l a ; Slüt. I 4 a ; wolfeyle Wed. G4 a . Bei dem as. nicht belegten Wort ist von einem /«-Stamm wie in ahd. feili auszugehen. — heische ,heiser' Paw. F4 a . Auch hier wird ein /«-Stamm entsprechend ahd. heis(i) zugrunde liegen. — geill ,übermütig' Ez. B 4 a ; geyl Lb. 1, N4"; dazu geylheit 2, F4 a . Neben as. gel ist ein /«-Stamm anzunehmen, wie er sich aus dem allerdings seltenen mhd. geile L E X E R 1,796 erschließen läßt. — leider Ez. E 7 b ; Lb. 2, I l b ; leyder l , E 4 b ; H 4 a ; S2 b . Bei dieser ursprünglichen Komparativbildung zum Adj. as. leth h a t wohl entsprechend dem ahd. Nebeneinander von leidör: leidir auch im And. neben dem germ. öz-Suffix das iz-Sufflx fortgewirkt. — Dem Superlativ de meisten Lb. l , S 4 b ; am meisten H 4 a liegt nicht as. mest zugrunde, sondern eine dem ags. mcest ( scheidet, D a t . *skedle > schetle (zum Ü b e r g a n g
d > t im Silbenauslaut vgl. § 64c). Später wurde dann ausgeglichen. wenig E z . E l b ; wenich L b . l , E 3 b ; Q l b (u. ö.): weinich b
b
b
a
Ez. A 7 a ;
Ela;
a
J o n . X 2 ; Slüt. E 3 ; Paw. H l ; L b . l , I 2 ; 3, Aa4 (u. ö.). Der Wechsel beruht wohl auf verschiedenen Suffixvokalen. Neben -ag wie in ahd. wenag, weinag (einer Ableitung zu weinön) wird wie in mhd. wenig, weinig auch im N d . ein igr-Suffix gestanden haben. — heemliken .heimlich'Geb. 2 B 8 b ; hemliken
L b . 2 , X 3 a : heimliken
1, H 4 a ; M l a ; J o n . K 3 a ; P a w . A3» (u. ö.
mit Diphthong). Zur Umlautwirkung des Suffixes -lik(en) s. § 42b. — egen L b . 1, E 3 b ; F 2 b ; egene F 4 b ; G 4 a : eigen E z . D 7 a . D a s i m as. V e r b a l a d j e k t i v egan enthaltene Suffix germ, -ana steht im Ablaut zu germ, -ina ( S I E V E R S B R U N N E R § 141, 2). Diese in ags. cegen (neben eigen) bewahrte Bildungs-
möglichkeit wird auch im Nd. fortgelebt haben. Ausführlich hierzu s. DAHL 14. — menedich a
L b . 2, K 2 b : meinedich
1, K 2 a ; meineidig
Ez. C4b;
meineydich Slüt. K 4 (u. ö. mit Diphthong). Das zugrunde liegende Substantiv, das schon as. als meneth überliefert ist, enthält als ersten Kompositionsteil ein Adjektiv, das entsprechend mhd. mein, meine ,falsch, trügerisch' L E X E R 1, 2072 als a- und YA-Stamm angesetzt werden kann. — gemene L b . l , H l a ; P 4 a ; K l b ; ^ewiewen F 4 b ; Wed. A 3 b ; G 5 a (u. ö.):gemeine Ez. B 3 a ;
55
V. Die vormnd. langen Vokale
Jon. K l " ; Lb. 1, Q l a ; gemeinen Slüt. H l b ; Wed. A2 b . Bei diesem wie auch bei den folgenden adjektivischen 7'a-Stämmen bewirkte der Gegensatz der Adverb- zur Adjektivform (as. gimeno: gimeni) ein Nebeneinander von Umlaut und Umlautlosigkeit, aus dem durch Ausgleich dann eine gemeinsame Adverb-Adjektivform mit e 2 und eine mit e 3 hervorging. — rede , b e r e i t s ' L b . 1, E 3 b ; 2, G 2 a ; berede S l ü t . A 2 b : bereidt J o n . K l a ; L b . 1, F 3 a ; bereit 2, N2 b . 7'a-Stamm erweisen ahd. eban-reiti ( G R A F F 2, 479) und
ags. 3ercede. — ,klein', das als 7'a-Stamm (as. Adj. kleni: Adv. kleno) gleichfalls mit e 3 angesetzt werden könnte, ist unter § 25 behandelt. menet (3. Sg.) J o n . L 5 b ; L b . l , P 3 b ; menen K l b ; 0 2 b ; Q l a ; W e d . F 2 b ; vörmenede ( P r ä t . ) L b . l , H l a j meinen I 4 b ; meinstu I 2 b ; meinet J o n .
I l a ; vormeineden (Part. Prät.) Slüt. G3 b ; gemeinet Ez. A7 a . Bei dem as. jan-Verb menian war i im Prät. schon früh synkopiert worden (s. § 49), so daß die umlautlose Form sich vom Prät. menda aus über das ganze Paradigma verbreiten konnte. — Scheden ,scheiden' Lb. 2, P 3 a ; 3, G l a ; X2b; b
schedet 1, M 4 a ;
vnderschedet V 4 b ;
Wed. G7a: a
scheiden
Lb.3, I i " ;
X 2 ; gescheiden (Part. Prät.) Paw. M2 ; vorscheiden Slüt. 0 3 a ; vnderscheiden Jon. H 5 a ; äffscheidet Ez. C7 a . Der Umlaut ging wohl von der 2., 3. Sg. as. skethis, skethit (zum as. s t a r k e n V e r b skethan) aus, ähnlich wie bei rüken u n d flöken (s. § 4 5 e ) . — arbeden L b . 1, A a 4 b ; gearbedet B b l b : arbeyden
F l a ; P4 a . Wahrscheinlich standen sich im Nd. seit alters her ein cm-Verb (vgl. as. arvidon z u arvid) u n d e i n jan-Ve r b ( a h d . arbeiten, g o t .
arbaidjan)
gegenüber. Die 2., 3. Sg. von ,stehen' und ,gehen' sowie von ,tun', das sich ihnen angeschlossen hat, zeigt in unseren Denkmälern — wie vielfach im Mnd. (s. S A R A U W 2, 212f.) — gewöhnlich Diphthong; daneben stehen vereinzelt m o n o p h t h o n g i s c h e F o r m e n : besteth L b l , 0 1 a : steit G 3 b ; steidt I l a . — du
geist Lb. l , H 4 b ; geidt E 3 b ; geit Jon. Dd8 a . Monophthongische Formen sind f ü r ,gehen' zufällig nicht belegt, jedoch dürfen sie in Parallele zu .stehen' und ,tun' als sicher angenommen werden. — deth Lb. 3, B4 a : deistu 1, E 4 a ; deith D l a ; H l b ; deit Jon. Dd8 b . Daneben begegnet vereinzelt noch altes doth (im Reim auf blodt) Jon. Dd2 a ; doeth Lb. 1, X3 b entsprechend as. dod. — Den Umlaut erklärt S A R A U W 1, 162f. als Sandhi-Erscheinung: Folgte dem zugrunde liegenden as. sted, ged ein ¿-haltiges Pronomen, etwa sted it, ergab sich im Mnd. e3. c) In einer dritten Gruppe schließlich fassen wir W ö r t e r zusammen, d i e im As. bzw. i m Ahd., Ags. k l a r e i n e n U m l a u t f a k t o r e r k e n n e n lassen, d i e i n u n s e r e n D e n k m ä l e r n j e d o c h s t e t s mit der Schreibung e (ee) e r s c h e i n e n : dat ... deel Ez. D3 a ; L b . l , F f 2 a ; vordeel Ez. D5 b ;
56
Vokalismus
ym jegendeel Wed. B 2 a ; deele (Dat. Sg.) Lb. 1, K2»; 3, Y l b . Neben dem as. neutr. /a-Stamm deli stand der mask. a-Stamm del. Offenbar wurde dessen unumgelauteter Stammsilbenvokal auf das Neutr. übertragen. — Schede ,Scheide' Paw. Aa4 b . As. skethia. — einem ... eekenen bome Lb. 1, L l a . Der entsprechend mhd. eichin zu erwartende Umlaut kann nach dem Grundwort as. ek aufgegeben sein. I n den folgenden Verben war der Bindevokal i im Prät. früh synkopiert worden (s. oben menda zu meniari). Von da konnte sich der unumgelautete Stammsilbenvokal über das ganze Paradigma ausbreiten: reken ,reichen' Lb. 1, G2 b ; vorreket (Part. Prät.) Slüt. D 3 a ; dat... vorrekent G4 a . Ags. rcecan sowie das nur in Zusammensetzungen bezeugte ahd. -reichen ( G R Ä F F 2, 396f.) sprechen f ü r eine /), seltener als /a-Stamm (clw^) auf. Für das Mmeckl. setzen wir e 2 an. leedt ,Leid' L b . l , E 2 a ; herteleedt 2, H 4 a ; herteleedes 0 2 a ; hertelede ( D a t . Sg.) 1, A a 4 a ; 3, Z l b ; herteledt W e d . B 4 a : leidt L b . 2 , E 4 a ; E z . D 4 b ; herteleidt
B 6 a ; J o n . L 7 a ; L b . l , I l a ; I 2 b ; K 4 a ; X 2 b ; 2, B l b ; herteleit N 3 b . As. leth (a-Stamm). — leedt, leid' (Adj.) L b . l , Q4 a ; Z 3 b ; E e 3 a ; 2, C2 b ; I 3 b ; leih W e d . I 5 a ; lede (Adv.) H 6 a ; J o n . Y 5 b : leidt L b . l , I i 2 a ; E z . A 7 a ; E 7 b . As. leth.
bredt Lb.2, F 2 b ; l , R 2 a ; brede V l a ; breden C3 a ; Jon. D d 8 b ; Paw. I i l a ; Slüt. I 4 a : breidt L b . l , Q4 a ; Paw. O l a ; H h 3 b ; Ez. E 2 a ; Jon. F f 5 a ; breit D 5 b ; breyden Paw. D d d l " . As. bred (a-Stamm). Aus Gründen, die weiter unten dargelegt werden, stellen wir hierher auch ,klein', obwohl dieses Adjektiv im As. eindeutig als /a-Stamm (Adj. kleni, Adv. kle.no) belegt ist. Das Wort erscheint in Jon., Slüt., Paw. stets mit Diphthong: klein Jon. Y 5 a ; B 8 a ; K 6 b ; Slüt. H l b ; Paw. A l a ; kleine B b 4 a ; J o n . D 8 b ; E 4 b ; Slüt. I 2 a ; kleinen Jon. B 8 a ; Paw. E 4 b ; kleiner (Kompar.) Slüt. S l b . I n Wed. wechseln Monophthong und Diphthong: klene Wed. E 5 a : klein F 4 a ; F 5 a . Ebenso in Lb.: klene JA). 1, F 4 b ; G g l a ; 2, D 4 b ; H l a ; 3, T 2 b ; M 4 a ; klenen 2, E l b ; kleneste 3, T 2 b ; kleen A a l " (u. ö. m i t M o n o p h t h o n g in
offener Silbe): kleinen Lb.3, Q3 a ; l , F f 2 b ; klein Q4 a ; B b l a ; I i 4 b ; 2, E 2 a ; F 3 a ; 3, T 2 a (u. ö. mit Diphthong in geschlossener Silbe). Schließlich gehört hierher das Zahlwort und der unbestimmte Artikel ,ein', den alle unsere Denkmäler regelmäßig mit ei schreiben. Belege erübrigen sich hier, sie finden sich auf jeder Seite. Aufmerksamkeit verdient die ganz seltene Schreibung ener Jon. M2 b ; enen I l a , die den Monophthong des zugrunde liegenden as. en bewahrt. — Völlig anders verhält sich das Pronomen nein ,kein' (as. nen).1 Die Verteilung von Monophthong u n d Diphthong h a t Ähnlichkeit mit der bei ,Stein' und ,klein': I n Ez., Jon., Slüt., Paw. überwiegt ei, während in Wed. e vorherrscht. In Lb. begegnet ei fast ausschließlich in geschlossener, e fast ausschließlich in offener Silbe (s. die Tabelle auf S. 72). 1
Im Nmeckl. ist nein nicht mehr gebräuchlich und durch hd. kein ersetzt, das nach SARATTW 2, 127 seit dem 14. Jh. ins Mnd. eindringt. Es zeigt sich vereinzelt auch bereits in unseren Denkmälern, so besonders in Ez. Man vergleiche: keiner Ez. A 7 b ; keinem B 4 a ; C4 b (u. ö.).
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Vokalismus
i) ê2 s t e h t im A u s l a u t : entwey barsten Ez. C l b . Auszugehen ist von as. an twê. (Vgl. hiermit das monophthongische ,zwei' unter e). *
SARAUW 1, 155 f. versucht, in den unter g, h, i angeführten Wörtern die ei-Form z. T. als ê3 zu erklären. In wêt ,weiß' sei ê3 im Satzzusammenhang durch angelehnte ¿-haltige Pronomina entstanden (wêt ik), êd ,Eid' sei ursprünglich auch ¿-Stamm gewesen (wofür meines Wissens aus den älteren germ. Dialekten jedoch keine Belege beizubringen sind). Bei den Verbalabstrakten afschêd, beschêd vermutet SARAUW alten az/iz-Stamm, wie er sich für .Fleisch' noch im Ags. nachweisen läßt (s. oben). Jedoch könnte man dann noch eher an Einfluß des Verbs scheiden (s. § 24b) denken. Bei ,Stein' nimmt SARAUW Einwirken des Adjektivs steinen < *stênîn an, ebenso wohl bei ,Bein' Einwirken von beinen (Adj.); in ,Kleider' hat nach SARAUW 1, 172 -ir den Umlaut bewirkt. Beim unbestimmten Artikel (ebenso wohl bei nein) soll sich im Sandhi ê3 ergeben haben, da eine Endung nicht für den Umlaut verantwortlich gemacht werden kann. Ähnlich soll entwê ,entzwei' in einer Verbindung wie entwê gihouwen umgelautet worden sein. Wenn diese Wörter in einigen westfälischen Mundarten auch ê 3 zeigen, so ,ich weiß', ,Fleisch',,Stein', ,Bein', ,breit', ,ein' im Waldeckischen (BAUER-COLLITZ 114; 33; 99; 11; 16; 26), ,Eid', ,Fleisch', ,ein' im Ravensbergischen (JELLINGHAUS § 52), ,Kleider' in Osnabrück (SARAUW 1, 172), ,Eid', ,Fleisch', ,Stein', ,Bein', ,klein', ,ein' im Lippischen (HOFFMANN § 26, 2a), so weist das Nmeckl. in allen diesen Fällen doch eindeutig nach ê
Muß nun zwar die Möglichkeit zugegeben werden, daß im Mmeckl. einzelne Wörter ê 3 besaßen, dieses jedoch in der weiteren Sprachentwicklung zugunsten von ê 2 aufgaben, so daß sich im Nmeckl. keine Spur des Umlauts mehr erhalten hat, so dürfte eine solche Erklärung eben doch nur auf einzelne Wörter zutreffen. Die Fülle der ei-Schreibungen bei den unter g, h, i aufgeführten Wörtern verlangt eine andere Deutung. Es liegt nahe, die eiBelege als Frühzeugnisse der Diphthongierung von in den heutigen meckl. Landmundarten zu werten. 2 Die Tatsache, daß die Rostocker Mund2
Zu beachten ist, daß einzelne der unter g, h, i angeführten Wörter bereits in mmeckl. Quellen des beginnenden 16. Jh.s mit ei-Schreibung vorkommen. So bringt DAHL 14—16 aus Rostocker Archivquellen und aus Slüters Gesangbuch (1531) die folgenden Belege bei: eyner (1404) ; kleine (1511) ; leide (Subst.) (1531) ; bescheid (1523) ; steynmolen (1526) ; ronsteyne, (1501) neben gewöhnlichem sien. Davon ist ,klein' für den Beginn des 16. Jh.s wohl noch mit ê3 anzusetzen; ob auch die anderen Fälle, scheint fraglich. Darf man die e»-Belege als sehr frühe Zeugnisse der Diphthongierung von ê1 auffassen?
V. Die vormild, langen Vokale
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art bis in die Gegenwart hinein beim Monophthong geblieben ist, hindert eine solche Interpretation nicht. Denn wohl zu allen Zeiten ist die Verbindung Rostocks mit dem umgebenden Lande enge gewesen; allein schon durch den Zuzug kamen stets Elemente der Landmundarten nach Rostock hinein. Dem aufmerksamen Betrachter kann nicht entgehen, daß die Verteilung der e- und ei-Schreibungen in den unter h aufgeführten Wörtern nicht vollkommen wahllos ist; der Befund einzelner Wörter stößt ihn geradezu auf die Regel: Monophthong in offener, Diphthong in geschlossener Silbe. Damit sind wir aber bei einer Erscheinung, die für die Entwicklung von E 2 im Ostfälischen ganz bekannt ist. S E E L M A N N , der AfdA. 32 (1908) 66 als erster das o s t f ä l i s c h e S i l b e n g e s e t z für die Mundart des Papenteiches genauer formulierte, hatte eß in offenen Silben mehrsilbiger oder aus solchen verkürzter Wörter als e, in geschlossener Silbe als ai gefunden. Dieser Laut galt meist auch für eß, jedoch sprachen alte Leute in einer Anzahl Wörter für e3 einen «¿-Laut, in dem ä quantitativ stark überwog. Germ, ai war in dieser Mundart ursprünglich also durch drei Vokalqualitäten vertreten gewesen. Die Ausnahmen vom Silbengesetz erklärte S E E L M A N N einleuchtend als Ausgleichungen innerhalb des Paradigmas oder aus der Übernahme des Vokals aus Ableitungen desselben Stammes. Die Ausführungen SEELMANNS, der das Silbengesetz schon in Statwechs gereimter Weltchronik (Mitte d. 15. Jh.s; Hgg. von A. KOHLEN) aus den Reimen als wirksam erkannt hatte, hat dann SARAUw 1, 166; 174f. für das Ostfälische verallgemeinert, wenn auch auf Grund des damals noch unzulänglichen mundartlichen Materials.3 Inzwischen haben LÖFSTEDT, Ostfälische Studien I (1933) 31f.; D A H L B E R G , Die Mundart von Dorste. 1 (1934) 102f.; BRÜGGE, Vokalismus der Mundart von Emmerstedt (1944) 81 f. und MEHLEM, Mnd. E in der Kalenberger Mundart. In: Nd. Jb. 74 (1951) 41 f. in umfangreichen Untersuchungen die Gültigkeit des ostfälischen Silbengesetzes — trotz mancher Ausnahmen — bestätigt. LÖFSTEDT in 3
Einen klaren Fall für das Wirken des Silbengesetzes im Mnd. hatte SARATJW in Statwechs Prosachronik (Nd. Jb. 39 [1913] 33—74) gesehen, die für e2 in offener Silbe nahezu regelmäßig e, in geschlossener SilJje ei schreibt. Jedoch hat jüngst BEHRENS, Beobachtungen zur Geschichte d. nd. Diphthongierung. In: Nd. Jb. 77 (1954) 107 — anscheinend mit Recht — eingewandt, daß es sich bei der Schreibung ei in geschlossener Silbe nur um eine Längenbezeidhnung handele, da bei 6 in geschlossener Silbe das gleiche nachgesetzte » erscheine {boik ,Buch': boke). Dadurch ist aber keineswegs — und darüber geht BEHRENS stillschweigend hinweg — SEELMANNS Beobachtung über den Reimgebrauch in Statwechs gereimter Weltchronik überholt.
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Scharnhorst, Untersuchungen
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Vokalismus
Lesse (Kreis Wolfenbüttel) und DAHLBERG in Dorste (Kreis Osterode) fanden noch drei verschiedene Qualitäten f ü r germ. ai vor, 4 jedoch die Vertretung f ü r e 3 bereits mit der deutlichen Tendenz, in e 2b ( = e4) aufzugehen. I n Emmerstedt und im Kalenbergischen war diese Entwicklung bei der Aufnahme durch BRÜGGE und MEHLEM bereits abgeschlossen. Galt oder gilt das ostfälische Silbengesetz nun auch in Mecklenburg? Können wir mit seiner Hilfe die Fälle von Monophthong (eß a ) in den heutigen meckl. Landmundarten erklären? Bis zu welchem Grade ist in Gryses Schriften das Wirken des ostfälischen Silbengesetzes erkennbar?
Wir beginnen mit den n m e c k l . V e r h ä l t n i s s e n . Nachdem W R E D E in AfdA. 20 (1894) die Sprachatlaskarten ,heiß', ,zwei' und ,Fleisch' beschrieben und bei allen drei Wörtern ein einheitliches meckl.-schwer.vorpomm. Diphthongierungsgebiet gefunden hatte, stellte er bei Besprechungen der Karte ,Seife' AfdA. 21 (1895) 271 f. fest, daß hier der Diphthong nur im Westen und in der Mitte Mecklenburg-Schwerins gilt, etwa bis zu einer Linie, die sich von der Müritz nördlich bis ans Meer zieht, daß aber östlich dieser Scheide Monophthong herrscht. Auf der Karte ,Kleider' AfdA. 21 (1895) 290 fehlte dann überhaupt jeglicher Diphthong in Mecklenburg-Vorpommern, also auch in dem Gebiet, das bei ,Seife' jedenfalls noch teilweise meckl. Diphthongierung gezeigt hatte. Dieser Befund führte WREDE — bereits über ein Jahrzehnt vor SEELMANN — zu der Vermutung, daß die Geschichte von germ. ai von der Ein- oder Mehrsilbigkeit des Wortes abhänge. Am schlagendsten schien W R E D E diese Deutung durch das Verhalten der nd. Ostseeküste bewiesen! Die Äußerung WREDES ist von der Forschung zusammen mit SEELMANNS These bisher stets nur auf das Ostfälische bezogen worden; seltsamerweise hat man ihre Anwendbarkeit auf die meckl. Mundart meines Wissens nie geprüft! Wir wollen dieses Versäumnis nachholen. Wir stellen aus den meckl.-schwer. Landmundarten, in denen mnd. e 2 ja meist diphthongiert ist (e26), die Wörter mit monophthongischem e (eßa) zusammen und vergleichen sie in einer Tabelle mit den in Ostfalen begegnenden monophthongischen Fällen. Als Übergangslandschaft zwischen Ostfalen und Mecklenburg beziehen wir den Kreis Bleckede nach der Dar4
Für die ältere Zeit ist SABATTWS 1,176 Feststellung wichtig, daß ein Hannoversches HochzeitCarmen von 1689 (Hgg. von D E I T E R in: ZfdM. [1914] 169—74) für germ. ai die drei Schreibungen e, ei, ai zeigt, die mit der heutigen Widerspiegelung von germ. ai in der Mundart von Bleckede (nach R A B B L E E 323f.) im wesentlichen übereinstimmen.
V. Die vormnd. langen Vokale
67
Stellung RABELERS mit in den Vergleich ein. Da für Ostmecklenburg in den knappen Beschreibungen CLARA HOLSTS und GRIMMES nur wenige Belege geboten werden, greifen wir auf vorpomm. Material (SCHMIDT, Barth; WARNKROSS, Wolgast) zurück, ohne dabei einen Fehlschluß befürchten zu müssen, da Ostmecklenburg und Vorpommern vor allem in lautlicher Beziehung nahezu eine Einheit bilden. Siehe die T a b e l l e auf den Seiten 68—71. Überblicken wir die Tabelle, so ist das Ergebnis überraschend: Ein großer Teil der Wörter, die nach der übereinstimmenden Deutung LÖF2 STEDTS,5 DAHLBERGS, BRÜGGES und MEHLEMS in Ostfalen mnd. e auf Grund des Silbengesetzes als Monophthong bewahrt haben, zeigen diesen auch in den Landmundarten Mecklenburg-Schwerins und Vorpommerns. Es sind dies mit wenigen Ausnahmen alle Wörter der Gruppen A, B, D. Dagegen steht in den Gruppen C, E dem (teilweisen) ostfälischen Monophthong ein meckl. Diphthong gegenüber. Die Wörter der Gruppe F zeigen in Ostfalen und Mecklenburg gemeinsam Diphthong. Die weitgehende Übereinstimmung zwischen den monophthongisch bewahrten Wörtern in Ostfalen und in Mecklenburg verlangt nun geradezu nach einer gemeinsamen Deutung. Liegt es da nicht nahe, das Wirken des ostfälischen Silbengesetzes auch für Mecklenburg anzunehmen? Freilich sind in Mecklenburg bedeutend weniger monophthongische Fälle erhalten geblieben als in Ostfalen; aber bei der Gruppe E stimmt Mecklenburg ja gerade besser zum Silbengesetz als Ostfalen (Dorste), da die ostfäl. Monophthonge regelwidrig sind und nur durch Ausgleich erklärt werden können. Von solchen verschleppten Monophthongen besitzt Mecklenburg nur die wenigen Fälle der Gruppe D. Die meckl. Diphthonge der Gruppe C widersprechen dagegen dem Silbengesetz; jedoch läßt sich der Zwielaut in ,Lehm' leicht aus früher Apokope (s. § 25 c und § 50), in ,schwitzen', ,teilen' aus dem zugrunde liegenden 5
Hiermit lehnen wir die Deutung ab, die B E H R E N S Nd. Jb. 7 7 ( 1 9 5 4 ) 1 0 6 f . für die Verteilung von Monophthong und Diphthong bei e versucht hat. Er nimmt an, t habe seinen eigenen Lautcharakter früh verloren und sei vor folgendem r, h und Labial mit e', vor Dentalen und Gutturalen (besonders vor Palatalen, weniger vor Velaren) mit e4 zusammengefallen. Wenn der Zusammenfall einerseits mit e1, anderseits mit e* auch unbestritten ist, so bleibt B E H R E N S ' Erklärung doch unbefriedigend. Wendet man sie beispielsweise auf die ostfäl. Mundart von Lesse (LÖFSTEDT 31 f.) an, so ergibt sich, daß sie zwar für diphthongiertes E2 annähernd zutrifft (unter 21 Fällen, die LÖFSTEDT anführt [ohne Sg. Prät. der 1. st. Kl., den B E H R E N S ausgenommen wissen will, und ohne Ableitungen], wären nur 3 Ausnahmen), jedoch stünden bei monophthongischem e die Ausnahmen den Regelfällen zahlenmäßig gleich (unter 24 Belegen [ohne Ableitungen und Zusammensetzungen] wären 12 Ausnahmen).
5*
68
Vokalismus Ostfälische Mundarten Mnd.
Lesse
Dorste
Kalenberg 1
Emmerstedt
LÖFSTEDT
DAHLBERG
MEHLEM
BRUGGE
31 f.
1,106 f.
41 f.
81 f.
A. W ö r t e r m i t i2 u n d u r s p r ü n g l i c h f o l g e n d e m w, h zéh .Seele' sile sé ,See' ,ewig' iwich kliwer klèwvr ,Klee' tqn ,Zehe' tè(ne) .Schlehe' sieri (PI.) slq sii ri rè rq ,Reh' ,leihen' Unen Ieri
B. W ö r t e r m i t e2, die in allen F o r m e n zweisilbig s i n d seme (neben sim. S. § 25 c) zem3 ,Seim' ,seimig' sèmich sämr(=e) .Speichel' sever4 .verleiden' *vorlèden .wenig' wènich6 kwezd kwqzs .Druckschwiele' quése zép> sipe .Seife' rige rè rfje .Reihe' swpi swèn .Schweinehirt' swéne
C. (wie B) .Lehm' .heißen' .Meise' .Speiche' .weinen' .schwitzen' .bleichen' .Bleiche' .teilen' .Hede'
lerne héten mese spike winen switen( s.§24c) bliken blèke dilen (s. §24c) hide
lèmkiuh hètn pipinèzdka spèkn (PI.) wèn swètn
Iqm hqtn spqkì vqfi swqtn
zèl» évix klèmr téna (PI.) slè rè
zeh
klèimr slè Ièri
zaivdr4
kwèzs zèpm
kwezä zèpr» re swèn
lem hètn mézd spèk» vènm swètn
lèm hàitn pìpmézdkd spèks veri swètn
dqln hep
D. W ö r t e r m i t e2. die im P a r a d i g m a t e i l s e i n s i l b i g , t e i l s zweisilbig ,Kleid' klid klet Mp 'klqt .Kleider' klider kler klmr .leid' led [ ü wird (grüwel > grüwel), nicht mit berücksichtigt.
80
Vokalismus
Nähme man nun mit FOERSTE 1775 an, and. iuw (< euu) habe sich über üw > üw entwickelt, also breuwan ,brauen' > *briuwan > brüwen > brüwen, so würde auf der Stufe üw ein Zusammenfall von iuw und Umlauts-ww zu erwarten sein, woran sich dann eine gemeinsame Entpalatalisierung > üw schließen würde. Nun ist aber phonetisch die Wandlung des Diphthongen iu(w) > ü(w) und eine darauf folgende Entpalatalisierung zu U unwahrscheinlich, viel naheliegender ist die Annahme, iu(w) sei zu ü monophthongiert, so daß das Entwicklungsstadium ü{w) entfiele. Da auf dieser Stufe nun kein Zusammenfall mit Umlauts-ü(w) mehr möglich ist, wird man zu der Vermutung geführt, daß ü vor w gar nicht erst umgelautet worden sei. So ließe sich m. E. am ehesten der scheinbare Übergang von Umlautsüw > üw, wie ihn SABAUW ansetzt, erklären. b) Im Nmeckl. erscheint and. iuw (1. < euu. 2. < iu + hiatustilgendem w) w i e auch and. üw + U m l a u t f a k t o r im allgemeinen als üg, auslautend -ux (zur Entstehung des g siehe § 51b). Soweit daneben bei einigen Wörtern in der Landmundart auch der Umlaut gilt, verbindet er sich meist mit Vokalkürze und Schärfung des folgenden Gutturals und erweist sich dadurch als vom Südwestfälischen beeinflußt. Wie FOEKSTE 1778 annimmt, brachten schon die westfälischen Siedler des 12., 13. Jh.s die Anfänge der Hiatusentwicklung mit nach Mecklenburg, also Formen wie grfygdl .Grauen' Meckl. Wb. 3,310; ztyxdl ,Pfriem' TEUCHERT, Stargard 10 (vgl. auch die Karte ,Pfriem' D W A Bd. 2 mit züxdl in Südwestmecklenburg); klügy ,Knäuel' KOLZ 151; JACOBS 2,138; TEUCHERT, Stargard 10. Die daneben heute in Mecklenburg begegnenden Formen mit Umlaut und ungekürztem Vokal wie grügdl KOLZ 151; zügdl ebda; klügy JACOBS 2,138 sind als Kompromiß zwischen verbreitetem nmeckl. ü wie in grügdl Meckl. Wb. 3,310; zügal KOLZ 151; Mugy BECKMANN § 79; GRIMME 143 und den oben ange-
führten, westfälisch beeinflußten Lautungen anzusehen. Wie ist nun angesichts des Umstandes, daß and. iuw und and. üw + Umlautfaktor im Nmeckl. im allgemeinen ohne Umlaut als üg erscheinen, der Befund unserer Denkmäler zu deuten, die nahezu bei allen hierher gehörenden Wörtern umgelautete und umlautlose Formen nebeneinander zeigen? Sollte der Umlaut das westfälische Element des Meckl. widerspiegeln? Da sich von den übrigen westfälischen Sprachzügen, die sich heute meist auf Westmecklenburg zurückgezogen haben (s. § 19, Anm. 1; § 23b), in unseren Denkmälern nichts niedergeschlagen hat, wäre ein solches Verhalten bei der hier behandelten Lauterscheinung verwunderlich. Welche Erklärung bleibt aber dann für die überaus zahlreichen Fälle von Umlaut in unseren Denkmälern?
V. Die vormnd. langen Vokale
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Wir halten es für wahrscheinlich, daß ebenso wie sich im Hd. gegenüber den mundartlichen Formen mit unumgelautetem ahd. iu in der Schriftsprache meist der Umlaut durchsetzte, auch im Nd. die Schriftsprache sich vorwiegend umgelauteter Formen bediente, während die umlautlosen der Mundart angehörten. Damit würden die konkurrierenden üw- und uwSchreibungen in unsern Denkmälern die Auseinandersetzung zwischen mnd. Schriftsprache und meckl. Mundart widerspiegeln. Eine gewisse Unsicherheit über das Verhältnis der umgelauteten zu den umlautlosen Formen entsteht allerdings dadurch, daß unsere Denkmäler den Umlaut nicht ganz folgerichtig bezeichnen. Wir werden unten § 41 den Genauigkeitsgrad der Umlautsbezeichnung in den einzelnen Denkmälern untersuchen und nehmen hier schon das Ergebnis vorweg. Danach gibt Lb., insbesondere Lb. 2 und Lb. 3, relativ sichere Auskunft über den Umlaut, während in den übrigen Denkmälern die Umlautsbezeichnung noch mehr oder weniger häufig fehlt. Wir werden deshalb im folgenden vorwiegend Belege aus Lb. verwenden, aus den übrigen Denkmälern sind nur die mit Umlautsbezeichnung sichere Zeugnisse für den Lautstand, während gegenüber den umlautlosen Belegen Vorsicht geboten ist. Belege: a) And. iuw (< euu).1 As. triuwi ,treu'. trüw Lb. 1, Ql a ; vntruwer Ql b : truwen Aa4 b ; truwe Bbl b . In Lb. 3 zeigen von 19 Belegen zwischen den Seiten A l a und P4 b 12 Umlaut, in der zweiten Hälfte des Buches (Lb. 3, Ql a —Bb2 a ) erscheint dagegen bei allen 8 vorkommenden Belegen die umlautlose Form. Gryse oder der Setzer hat sich hier also zur mundartlichen, dem nmeckl. trüx B E C K M A N N § 7 9 entsprechenden Lautung durchgerungen. — Beim zugehörigen Substantiv ist and. Hriuwa statt lautgesetzlichem treuwa vorauszusetzen, vntrüwe Lb. 1, Aa2 a ; truwe Q3a; 3, Bbl a : truwe I4 b ; Ml a ; Aal b . Nmeckl. trü Mi 94. — Schwer zu beurteilen ist das Verb .(vertrauen'. vörtrüwet Lb. 1, Q4a; 2, Z2 a ; truwen M2b: truwen vnd(e) buwen I2 a ; Jon. S8 b ; Dd6 a . In Lb. 3 stets ohne Umlaut: truwen K3 b ; vortruwen L l a ; N l a (u. ö.). Zugrunde liegt as. trüon, das regelrecht mnd. tr4wen ergibt und sich in nmeckl. trügy K O L Z 1 5 0 ; BECKMANN § 1 7 4 fortsetzt. Ist die umgelautete Form durch Anschluß an die Sippe von as. triuwi zu erklären? Zu erwägen bleibt, ob es sich bei truwen ,trauen' nicht vielleicht um umgekehrte 1
Germ, euu wurde lautgesetzlich nur vor i, j zu and. iuw (HOLTHAUSEN, Elementarb. §§ 104, 105), so daß sich triuwi ,treu': treuwa ,Treue'; hreuwan ,reuen': hriuwis (2. Sg. Präs.) gegenüberstanden. Innerhalb von Wörtern der gleichen Sippe und innerhalb eines Paradigmas wurde dann zu iuw hin ausgeglichen.
6 Scharnhorst, Untersuchungen
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Vokalismus
Schreibung handelt. Wie man trüwe ,treu' schrieb, jedoch truwe sprach, konnte man uw für uw auch in einem Falle setzen, dem der Umlaut historisch nicht zukam. — And. *hriuwa (statt *hreuwa) ,Reue'. rüw Ez. D4 b : ruwe D 5 a ; Jon. M 8»; Lb. 3, Q 3 a ; R3 a . Im Nmeckl. gilt die hd. Form. — Dazu das Verb and. *hriuwan (statt as. hreuwan). gerüwen Lb. 1, Hh3 b ; gerüwet Q4 a ; geruwede, (Prät.) 2, Bb4 b : ruwenden 3, E3 a ; ruwe (3. Sg. Präs. Konj.) Q 3a. Nmeckl. durch hd. rgüdn Mi 70 ersetzt. — And. *briuwan (statt as. breuwan) ,brauen'. Bei Gryse stets ohne Umlaut: gebruwet Wed. L4 b ; thobruwende Lb. 1, R l a wie in nmeckl. brügy Meckl. Wb. 2,9. So auch im Nomen agentis: bruwern (Dat. PI.) Slüt. E 3 b ; beerbruweren Lb. 1, Bb l b . — Für ,Knäuel' (as. kleuwin) und ,Pfriem' (as. siula) bieten unsere Denkmäler leider keine Belege. ß) A n d . iuw (< iu h i a t t i l g e n d e m w). Bei ,scheuen' ist von and. *skiuhan (entsprechend ahd. skiuhen) > *skiuen >*skiuwen auszugehen. schüwen Lb. 1, E 2 a ; schüwestu I l a : schuwet Jon. L7 b ; Wed. G6 a ; schuwede sick H8 b . Nmeckl. sügy JACOBS 1,119; BECKMANN § 79. — Dazu das Substantiv ,Scheu', schüwe Lb. 2, P 3 a ; affschüw 3, C3 a : schuwe 1, M4 a ; affschuw Bb l a . Nmeckl. sü Mi 77. Ferner das Adjektiv houetschuw Jon. 0 6b. Nmeckl. süx JACOBS 1,124; sü Mi 77. y) A n d . uw + U m l a u t f a k t o r . Bei ,Greuel' ist wohl and. *gruwil (mhd. griuwel) zugrundezulegen, grüwel Ez. B5 a ; Paw.(?) 3 a ; gruwele Lb. 3, A2 b : gruwel C3 a ; Jon. N4 a . Nmeckl. grügal, grügal Meckl. Wb. 3,310 (zum Verhältnis der beiden Formen s. oben). — Dazu das Adjektiv grüwlick Lb. 1, R4»; 2, I 3 a : grüwlick G4 b ; H l b . In Lb. 3 stehen 4 uw- 13 «w-Formen gegenüber. Ihnen entspricht nmeckl. grügdli% (daneben westmeckl. grügdi%) Meckl. Wb. 3,310. — Das zugehörige Verb, dem der Umlautfaktor abgeht (vgl. ahd. ingruen), erscheint, wie zu erwarten, stets ohne Umlaut: gruwen Wed. K 2 b ; gruwet Lb. 3, C3 b ; K 3 b entsprechend nmeckl. grügt) Meckl. Wb. 3,311 (vereinzeltes grügy ist wohl vom Substantiv beeinflußt). — Bei ,drücken' ist von einer ahd. dtihen ( < germ. Hhuyhian KLTJGE-MITZKA 899 s. v. zwingen) entsprechenden and. Form auszugehen, in der h früh ausfiel und durch hiattilgendes w ersetzt wurde, düwet Wed. M3 b ; Lb. 1, X 4 b : duwent Jon. I8 a . Nmeckl. dügy, düvn Meckl. Wb. 2,547. c) D i e W a n d l u n g v o n a n d . iu > ü v o r a n d e r e n K o n s o n a n t e n als w, wie sie TEUCHERT (siehe a) in einigen Fällen f ü r das Nd. annimmt, läßt sich in unseren Denkmälern an stüten ,Weizenbrot' ( i gekürzt wurde (s. §37a): tho driuende Lb. 1, R4 tt : dryuen Ez. C l a ; Lb. 1, F3 a ; dryue (Imp.) E3 b ; dryuet (Imp.)Hl a . — kyken,sehen' Lb. 1, G l a . — kyuen ,streiten' Wed. P2 a — schlipen Wed. L5 a . — schrie ,schreie' Jon. R l b : schryen Lb. 1, D2 b ; F4 b ; H3 b . — vorslyten .verkaufen' Paw. 02 b . — striken Jon. N7 a : stryken vnde slyken Lb. 1, Gl f t ; stryken Slüt. F l b . — entwyden ,gewähren, erhören' Paw. G3 a . b) N a c h g e s e t z t e s e als L ä n g e z e i c h e n zeigen unsere Denkmäler nur in Einzelfällen. Es wird sich bei diesem ie um hd. Schreibung handeln, die sich vom Md., wo sie ihren Ursprung in dem Wandel von mhd. ie > i hat, schon seit dem Ende des 12. Jh.s ausbreitete (vgl. M O S E R § 8). Belege: kriegesnodt Ez. E6 a . Sonst: krich Ez. F4 a ; Jon. Y5 a ; Lb. 1, Z2 b : krygeshelt L4 a geschrieben. — dieke (PI.) ,Teiche' Paw. L3 a : dyck Jon. R4 b ; dyke (Dat. Sg.) Lb. 1, K2 a . - stieff ,steif' Wed. 0 6 b : styff Lb. 1, H3 a ; O l a : stiff Slüt. 0 2 a — fierkledern Ez. F2 b : vyrdach Lb. 1, R3 b . Eine Sonderschreibung zeigt anlautendes i im Worte ,Eis' (wir geben hier ausnahmsweise die großen Buchstaben des Originals wieder): Iyß Paw. C l b ; Lb. 1, Q3 a ; R4 a ; D d l b . Daneben: jß kolt Jon. Q4 a . Sonst: Ißvogele Lb. 1, N l a ; Yse (Dat. Sg.) 2, F2 b . Die V e r b i n d u n g ij, die unseren Denkmälern ganz fremd ist, sonst nach L A S C H § 131 im Mnd. jedoch häufig den Langvokal bezeichnet (wann und wo?), begegnet nur in wijt (Bibelzitat) Ez. E2 a . Aber: wyth Lb. 1, F l a . Die einmalige Schreibung ij scheint Gryses Bibelvorlage entnommen zu sein. § 35. Vor mnd. u a) F ü r u gilt wie für a, e, o die Regel: Längenbezeichnung in geschlossener Silbe, keine Längenbezeichnung in offener Silbe. Jedoch weichen unsere Denkmäler bei 4 noch häufiger von dieser Regel ab als bei den Langvokalen
V. Die vormnd. langen Vokale
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ä, e, 6, da u in geschlossener Silbe in der Mehrzahl der Fälle nicht bezeichnet wird: ludt ,Laut' Lb. 1, G l a : ludes Slüt. S3 a ; lüde (Dat. Sg.) Q4 a . Die gleiche Schreibung zeigen hut ,Haut', krut ,Kraut', ferner erdenkludt ,Erdenkloß' Lb. 3, F 4 b . — buch ,Bauch' Lb. 2, C l b ; buckdener Paw. G4 b ; buckwehe F 4 a ; buckbete ,Bauchweh' Jon. P 3 b : büke (Dat. Sg.) ebda. Mit gleicher Orthographie: gebrük .Gebrauch'. — huß (Nom. Sg.) Lb. 1, F l a ; tho huß G l a ; van huß Wed. H 2 b ; huses Lb. 1, G l a ; huse (Dat. Sg.) G2 a . Ebenso schreibt sich lüs ,Laus'. — Dagegen mit Längenbezeichnung: mues Wed. P 4 a ; mueß (Dat. Sg.) L5 b . — vust (Dat. Sg.) ,Faust' Lb. 1, P 3 a ; just recht Paw. M l a . — wagenrum (eigentlich ,Wagenraum', übertragen ,große Freiheiten') Paw. P p 3 a : wagenruhm M4 a ; rühm Lb. 1, E 4 a ; I 2 a ; 0 3 b . Dazu das Adjektiv: rühm Lb. 1, Z l a : rume A4 a ; B b 2 b ; Slüt. C4 b ; H 4 b ; Paw. H l a . — duen .betrunken' Lb. 1, E e 4 b ; 0 3 a ; duhn D d 4 a ; Gg4 b : duner H 2 a ; Dd4 a . — luhn ,Laune' Paw. K 2 b . — Dagegen ohne Längebezeichnung: dun]edder Ez. B7 b . — füll ,faul' Paw. Q2 a ; vul X 3 b ; Lb. 1, Q l b : fuel Paw. Q2 a ; vuelhafftich Lb. 1, Q2 a ; fuuldüuel B3 b : vuler F l a ; Q2 a ; vules K 4 a ; vule F l b ; F 4 a : fühle Wed. P 5 b . — lestermuel .Lästermaul' Lb. 2, Y3 a . — mulesel Lb. 1, D 4 a : muell esel 2, S2 a . — muhlberen ,Maulbeeren'Lb. 1, P2 a . — surdech b b a Slüt. D l ; surdeges Jon. O l : suerdeg Lb. 1, Ii2 ; suer E 3 b ; L 3 a ; suhr Ez. F l a : suren Lb. 1,14». I n suer braucht e nicht Längezeichen zu sein, sondern es kann sich um das vor silbenauslautendem r im Mnd. gelegentlich eingeschobene e handeln (LASCH § 219), wie es im Nhd. gang und gäbe ist. Das gleiche gilt f ü r buer Lb. 1, E 4 b ; K 3 b : bure E 4 b ; huren (Nom. PI.) F 2 b ; (Gen. Sg.) G2 b . b) Material f ü r den U m l a u t ü, das hinsichtlich der Längenbezeichnung keine Besonderheiten bietet, folgt unten § 45. c) F ü r ü < a n d . iu stellen wir hierher: dur Ez. C6 a : düerwerdigen Lb. 1, E l a ; dühr Wed. D l a : duhre M5 b . — vür ,Feuer' Jon. P 3 b : füer Lb. 1, G2 b ; G3 b ; H l a ; vüer E 2 a ; 2, M l b : vires 1, K l b . Die Schreibungen düer und füer sind wie buer und suer (siehe unter a) nicht eindeutig.
§ 36. Die Mittel der Längenbezeichnung Wie sich aus den in den §§ 31 — 33, 35 angeführten Belegen ergibt, verwenden unsere Denkmäler f ü r die Bezeichnung der Langvokale die gleichen Mittel wie bei den tonlangen Vokalen (s. § 14). Lediglich die Bezeichnung des i geht besondere Wege (s. § 34).
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a) Wie bei den tonlangen Vokalen herrscht n a c h g e s e t z t e s e (ae, oe, ue) stark vor, während die V e r d o p p e l u n g d e s V o k a l s sich auf wenige Fälle f ü r ä (aaß, saadt, haar § 31) und ü (nur: fuulduuel § 35a) beschränkt. Nur ee begegnet häufig (§32). b) Das aus dem Md. eingedrungene D e h n u n g s - A h a t sich in unseren Denkmälern schon stark ausgebreitet. Wir stellen hier noch einmal die Wörter zusammen, die zumindest in einem Beleg, oft jedoch in mehreren, A-Schreibung zeigen: pahl, mahl, mahlen, jahr(en), geuahr (§31); swehr (§ 43a); lehm (§ 25c); ehre, ehren (§ 25b); ehr, mehr, bekehren, lehren (§ 24c); vorlehren, vordreht (§32b); rohm, höhte, vprohr, kohlen, nähmen, röhmen, kohne, vöhren, höhn, lohn, sohm, ohr(en), rohr, wohr ,wo' (§ 33); rühm (Subst.), rühm (Adj.), duhn, luhn, fühle, muhlbeeren, suhr, duhr (§ 35). Ein Vergleich mit den knappen Angaben zur A-Schreibung bei MOSER § 10 deutet darauf hin, daß unsere Denkmäler im Gebrauch des h hinter den gleichzeitigen md. Quellen k a u m zurückstehen. D i e S c h r e i b u n g ie war schon oben § 34b als hd. gekennzeichnet. Die H e r k u n f t der Längenbezeichnung h u n d des ie aus einem fremden Orthographiesystem erklärt auch, daß sie sich nicht an die orthographische Hauptregel unserer Denkmäler halten: h u n d ie werden gesetzt ohne Rücksicht darauf, ob der durch sie bezeichnete Langvokal in geschlossener oder in offener Silbe steht. c) Schließlich t r i t t wie bei den tonlangen Vokalen auch ü b e r g e s e t z t e s e als Längenbezeichnung auf. Wir haben die hierher gehörenden Belege oben in den §§ 31 — 33, 35 nicht mit verzeichnet, u m im folgenden sämtliche Fälle unserer Denkmäler im Zusammenhang vorführen zu können. V o r m n d . ä: mal (Bibelzitat) J o n . Ee3 a . Vgl. die Belege §31. — i&r Ez. B4»; Jon. E e 4 b . Siehe dagegen die Schreibungen in § 31. M n d . e4: vorleff Wed. A4". Siehe dagegen die Belege § 32b. Es handelt sich in diesem Einzelfall sicher u m einen Fehler des Setzers, der das sonst dem tonlangen a vorbehaltene Zeichen e, das in Wed. ja häufiger verwendet wird (s. § 13a), irrtümlich auf den Langvokal übertragen hat. V o r m n d . o1: rhömredigen J o n . G8 a . — wöker Lb. 1, F 2 b . Aber: wokerye F 2 a ; wokereren (Dat. PI.) F 3 a . — bökes (Gen. Sg.) Lb. 1, O l " . Siehe dagegen die Belege § 33a. — möder (Nom. Sg.) Lb. 1, N2»; möderlyue (Bibelzitat) 2, Aa4 b . Aber: moder 1, N 2 b ; N3 a . — thor schöle Lb. 1, M3 b . Aber: schole (Dat. Sg.) F2»; Scholen (Gen. Sg.) H 3 a . — rocklosicheit Geb. 2 C8 a . Aber: rocklosen Lb. 2, A2 b .
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VI. Kürzung vormnd. langer Vokale V o r m n d . o2: dödes L b . 3, B l b . A b e r : dodes 1, I i 4 b . — Paw. F3a.
— gehörsame
boßbylen ebda. — chröniken
L b . 1, L 3 a .
— bößmanshüer
rösenkrentzen
L b . 1, S3 a . A b e r :
(Dat. Sg.) L b . 1, D d 4 b . A b e r : Chroniken D 3 a . —
Ql a .
so Lb. 3, Sonst stets: so Lb. 1, G l a (u. ö.). Vormnd. ü: hüten ,außerhalb' Lb. 3, B2a. Sonst stets: hüten Jon. Q4a (u. ö.). Nach L A S C H § 48,5 begegnet auch in Hildesheimer Urkunden aus den 40er Jahren des 14. Jh.s, die sonst6 als Umlautzeichen verwenden, die Schreibung hüten. L A S C H faßt e hier ebenfalls als Längenzeichen. — gosebüke (Dat. Sg.) ,Gänsebauch' Wed. 06". Sonst: büke (Dat. Sg ) Jon. P3 b ; R l a ; bück ( N o m . Sg.) L b . 2, C l b . — güde ( A d j . ) E z . E l a ; güdt W e d . L 4 a ; güder
Lb. 2, P2 b . Vgl. dagegen die Belege in § 27b. — früwen (Dat. Sg.) ,Frau' L b . 2, T 2 a . Sonst: fruwe 1, H l b (u. ö.). — tümelen ,taumeln' Jon. E 6 a .
Die Zahl der ^-Schreibungen mag zunächst verwundern, bezogen auf den gesamten Text unserer Denkmäler fällt sie aber kaum ins Gewicht. Es handelt sich hier um Spuren eines älteren mnd. Systems der Längenbezeichnung, die in unsere Denkmäler zum Teil sicher dadurch gelangt sind, daß Gryse oder der Setzer in Zitaten die Orthographie der Vorlage nicht in die unserer Denkmäler umsetzte. Als Fremdkörper erweist sich übergesetztes e auch dadurch, daß es entgegen der orthographischen Hauptregel unserer Denkmäler gleichmäßig in geschlossener und in offener Silbe erscheint. In den angeführten Belegen könnte e theoretisch natürlich auch den Umlaut ausdrücken, da 8 in unseren Denkmälern ja die normale Umlautsbezeichnung ist (s. § 41). Da sich für diese Wörter jedoch weder im Mnd. noch im Nmeckl. Umlaut nachweisen läßt, bleibt nur die Möglichkeit, * als Längenzeichen zu deuten.
VI. KÜRZUNG VORMITTELNIEDERDEUTSCHER LANGER VOKALE §37. Die Kürzung alter Langvokale unter bestimmten lautlichen Bedingungen scheint zur Zeit unserer Denkmäler im wesentlichen schon bis zum nmeckl. Stand vorgeschritten zu sein. Allerdings gibt die Orthographie unserer Denkmäler nicht in allen Fällen über Kürze oder Länge sichere Auskunft. Besonders die oben beschriebene mangelhafte Bezeichnung langer Vokale in geschlossener Silbe erschwert die Entscheidung. Jedoch dürfen wir aus
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Vokalismus
dem ständigen Fehlen der Längenbezeichnung doch wohl auf Kürze schließen. Dagegen ist die Kürzung alter Längen in ursprünglich offener Silbe durch Verdoppelung des dem Vokal folgenden Konsonanten gut bezeichnet. a) K ü r z u n g e i n e s v o r h e r g e h e n d e n l a n g e n V o k a l s h a b e n d i e K o n s o n a n t e n g r u p p e n cht u n d ft b e w i r k t : dachtfadem ,Dochtfaden' Paw. 0 3 a . Ebenso nmeckl. daxt (neben dqyt) Meckl. Wb. 2,194. Den vorauszusetzenden Langvokal zeigt ahd. täht. — licht ,Licht' J o n . P 2 b ; Paw. B b 1". Zugrunde liegt as. liaht. Zu erwartendes mnd. *le4cht ist im Westen der nd. Stammlande zu leyt gekürzt, im Osten wie im Meckl. ( K O L Z 112) ZU l\%t. Vgl. die Angaben bei S A B A U W 1,234. — lichtlick ,leicht' Lb. 1, F 3 a . Zugrunde liegt as. lihtlik. Nmeckl. l\yt J A C O B S 1,116; K O L Z 84. — bichtes wyse ,beichtweise' Lb. 1, F 4 a ; bychtvederen G3 a . As. bigihto ist zu bichte zusammengezogen. Nmeckl. b\%t Meckl. W b . 1,838. Nach § 34a k a n n y in bychtvederen Kürze oder Länge bezeichnen. Hier ist sicher Kürze zu lesen. — erlüchtet Lb. 1, D l a . As. liuhtian. Nmeckl. lüytn JACOBS 1,121; K O L Z 113. Dazu das Substantiv: lüchte Lb. 1, D 4 a ; 3, 12". Vor ft, das später nach Kurzvokal zu cht wurde (s. § 56), t r a t die Kürze ein in: sachte Lb. 2, H l a ; 1, G 2 b ; R,3 a ; sachtmoth J o n . Bb4 a . Zugrunde liegt as. säfto. Nmeckl. zaxt Mi 73. — mit suchtende ,mit Seufzen' Lb. 1, G2 a ; süchtende Wed. G6 a . Die Länge zeigt das entsprechende mhd. siufzen, siuften. Zur nmeckl. F o r m s. § 56. b) Besonders verbreitet haben sich die K ü r z u n g e n i m F o r m e n b e stand der starken und der /an-Verben vor den K o n s o n a n t e n v e r b i n d u n g e n cht, ft, tt, dd, tst, st ( a u c h pt). I n d e r 2., 3. Sg. P r ä s . d e r s t a r k e n V e r b e n 1., 2., 7. K l a s s e sind die Konsonantenverbindungen nach Synkope des Endungs-i entstanden (vgl. § 4 9 f ) : blifft Lb. 1, F 2 b ; M3 a . - schrifft Lb. 1, D l a ; D P ; F 2 b ; F 3 a ; G l " ; C c l b ; Ii2 a (u. ö.). Daneben selten: schryfft Lb. 1, D 4 b ; G l a . — Während bei den beiden genannten Wörtern durch die überwiegende ¿-Schreibung (die Belege entstammen Lb. 1) die Kürzung gesichert ist, bleibt sie zweifelhaft in: ryth, ,reitet' Lb. 1, G2 a . — grypt vnd knypt Lb. 1, L 3 b ; gript vnde knipt 2, K 2 b . — I m Nmeckl. zeigen alle genannten Formen Kürze: blift, sr\ft, r\t, gript, knipt. flucht ,fliegt' Lb. 1, A 3 a ; O l " . - bedrückt Lb. 1, E 3 b ; G l b . — lücht ,lügt' Lb. 1, G l a . — stufft,stiebt' Slüt. F 2 b . Nmeckl. ist das Verb nicht mehr belegt (Archiv). - gebüdt Lb. 1, E 4 b ; M4 a ; gebüth G2 a . - slüth Lb. 1, H 4 a ; 3, Ql». — genüth Lb. 1, N 2 a . — güdt Lb. 2, M 2 a ; vthgüth E 3 a ; vorgüth I 2 a . — früst ,friert' Lb. 3, Z l b . - vörlüst Lb. 1, H 3 b ; vorlust F 2 b ; Wed. D 2 b . I m Nmeckl. zeigen alle diese Fälle Kürze.
VI. Kürzung vormnd. langer Vokale
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lest (2. Sg.) ,läßt' Jon. F 3 b ; Lb. 2, E4 a ; leth (3. Sg.) 1, E3 a ; E 3 b ; H 3 b ; H4 a . Ebenso nmeckl. du tytst, he let BECKMANN § 37,2; GRIMME § 214. Mit junger Rundung: iQtst, Igt KOLZ 92. — Zweifelhaft ist die Kürze in: helt ,heißt' Ez. D 2 b ; heth Lb. 1, F l " ; H 2 b ; H 4 b ; I3 b . In nmeckl. het/hait ist nämlich die Länge bewahrt. — In: roept ,ruft' Wed. F 3a ist die Länge sicher noch erhalten. Gekürzt sein könnten dagegen: ropt Ez. D 2 a ; anröpt Jon. Q 2". Nmeckl. hat sich die Kürze durchgesetzt: rqpt BECKMANN § 37,2. — Dagegen ist die Kürzung gewiß für: loppest,läufst' (mit Wiederherstellung des Endungsvokals) Ez. C2 a ; lopt Paw. Ii4 a ; vnderlöpt Lb. 1, C4a. Nmeckl. Igpst, l'QptJACOBS 1,118; KOLZ 109. B e i d e n s c h w a c h e n /cm-Verben sind außer der 2., 3. Sg. P r ä s . auch das P r ä t . und das P a r t . P r ä t . g e k ü r z t . Der Lautvorgang hat hier seinen Ausgang vom Prät. und flektierten Part. Prät. genommen, wo die kürzenden Konsonantengruppen schon in westgerm. Zeit durch Synkope entstanden waren (s. §49h): vorköffst (2. Sg. Präs.) Wed. H 2 b ; Jcofft (3. Sg. Präs.) L b . l , L 4 b ; vorkofft (3. Sg. Präs.) Aa3 b ; köffte (Prät.) Wed. H 2 b ; 1, T l b ; geköfft (Part. Prät.) 3, H 4 b ; erkofft (Part. Prät.) 3, G3 a ; vorkofft (Part. Prät.) l , A a 3 b ; Slüt. I 4 a ; Paw. N4 b . Nmeckl. mit Kürze kQfst, kQft (3. Sg. Präs. und Part. Prät.) JACOBS 1, 118; KOLZ 109; GRIMME § 228. — döffte (Prät.) Paw. Ss3a; gedofft Zz3 a ; Slüt. M l a ; L b . l , M 3 b ; gedöfften 3, H 3 a ; gedofft Paw. Zz3 b ; Slüt. M l a . Nmeckl. mit Kürze dqjst, dQft JACOBS 1, 118. Daneben sind nach dem Infinitiv döpn die Formen mit Langvokal wiederhergestellt: döpst, döpt Meckl. Wb. 2, 378. — gebött gebessert' Jon. R 8 b ; gebödt Lb. l , C c 3 a ; geböth Paw. M3 a ; ,geheizt' Lb. 1, H l a ; gebödt Paw. Kk4 a . Nmeckl. bietst, bi)t (3. Sg. Präs.), bcer (Prät.), bi)t (Part. Prät.) JACOBS 1,117; Meckl. Wb. 1,678. — stöst (2. Sg. Präs.) Lb. 2, E4 a ; stöth (3. Sg. Präs.) 1, H 4 b ; vörstödt 2, D4 a ; stoth 1, R 4 a ; stötte (Prät.) L 4 a ; vörstödt (Part. Prät.) E2 a ; vorstöth 2, Y 2 a ; Jon. R 6 a ; vorstot Jon. F4 b . Nmeckl. stijtst, sti)t, stöer, sti)t KOLZ 109. — blödde (Prät.) ,blutete' Lb.2, X 2 a ; geblödt 3, 03 b . Nmeckl. blqtst, blqt, blcer, blQt Meckl. Wb. 1, 932. — höth (3. Sg. Präs.) ,hütet' Lb.3, T 2 b ; behödt (Part. Prät.) Wed. I l b ; behodt Paw. Q l b . Nmeckl. hQtst, iiQt, hceT, JiQt GRIMME §§ 223, 228. — lüdt (3. Sg. Präs.) ,läutet' Paw. Bbb3 a ; lüth L13 b ; gelüdt Lb. 1, H3 a . Das nmeckl. Part. Prät. luTt ( ei hat die Synkope des folgenden Vokals zur Voraussetzung. Blieb dieser Mittelsilbenvokal nun erhalten, so trat Tondehnung ein. Dies ist in hegester ,Elster' Lb. 2, L2 a ( < as. agistra) der Fall, das in nmeckl. häsW JACOBS 2, 130; Mi 31 fortlebt. Daß im Mmeckl. daneben jedoch bei diesem Wort auch der Diphthong gegolten haben muß, erweist nmeckl. heista' K O L Z 126; ha\stdT GRIMME 138. Zur Verteilung der beiden Formen im Nmeckl. siehe die Karte ,Elster' im DWA Bd. 4. Danach wird westlich einer Linie, die sich von Rostock südwestlich bis an die Elbe hinzieht, hqistd7, östlich davon hästd* bevorzugt.
§ 39. Mnd. ou Mnd. ou lautet im Meckl. heute gu(g) im Westen, ati(g) im Osten (auslautend -gux, -atix). Der Umlaut wird Qü(d) im Westen, äy,{g) im Osten gesprochen Zur Entstehung des g- und des d-Lautes s. §§ 51b, 52b. Ebenso wie beim Diphthongen ei stehen auch hier in der westmeckl. Landmundart neben den Formen mit Zwielaut solche mit Monophthong, die vom westfäl. Sprachanteil des Meckl. herrühren. Also: högy ,hauen' neben hgugy; strödn ,streuen' neben strQüdn ( K O L Z 107; 109; JACOBS 2, 140f. Vgl. auch T E U C H E R T , Beiträge § 13). a) A n d . auw ( < g e r m . auu) ist mit Assimilation des ersten Diphthongteils an den zweiten zu mnd. ouw geworden. Etwa seit dem 15. Jh. hat sich dann ouw im Nordnd. und Ostfälischen zu auw gewandelt (SARAUW 1, 249). Ob die heutige offene Aussprache des ersten Diphthongteils im Meckl. schon im 15./16. Jh. erreicht war, scheint zweifelhaft. Zwar schreibt das Redentiner Osterspiel nach' LASCH § 192 schon au. Da dieses Denkmal jedoch in Lübeck entstanden sein soll (s. R O S E N F E L D in P B B 74 [1952] 485—91), kann es nicht ohne weiteres als Zeugnis für den mmeckl. Lautstand dienen. Aus dem gleichen Grunde dürfen auch die im Rostocker Druck des Narrenschiffs (1519) neben den ou- enthaltenen ««-Schreibungen ( N E R G E R § 44) nur bedingt als Widerspiegelung meckl. Lautverhältnisse angesehen werden. Gryses Schriften jedenfalls lassen von der Entwicklung ou > au nichts erkennen; sie schreiben regelmäßig ouw, ow. Dabei kann ow (z. B. howen ,hauen') nicht als Zeichen der heute in der westmeckl. 7 Scharnhorst, Untersuchungen
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Landmundart vorkommenden monophthongischen Aussprache gedeutet werden. Es ist im Mnd. allgemein graphische Variante zu ouw, auch in solchen Mundartgebieten, wo nur Diphthong vorliegen kann. Belege: peltzmouwen (Dat. PI.) ,Pelzärmer Paw. A4»; mönnikes mouwe Lb. 1, Z l a . Vorauszusetzen ist wohl germ. *maww. Vgl. mhd. mouwe. Nmeckl. hqmdsmQugv (PI.) B E C K M A N N § 74 oder mit Kürzung infolge Nebentons hemsrrmgy a b J A C O B S 1, 119; 2, 141. — houwen .hauen' Paw. L l ; thohouwen D2 ; houwet a a a (3. Sg.) Lb. 1, L2 ; affgehouwen D3 ; houw (Prät.) 3, R l ; howen 1,12». As. bihauwan. Nmeckl. haugy Meckl. Wb. 3, 512. — anschouwen Paw. D3 a ; anthoschouwende Lb. 1, E2 b ; schowet (2. PI.) 2, N l a ; geschowet Aa3 a ; anschowen Jon. 0 8 b ; schowetent ,Schauessen' Paw. 14». As. skauwon. Nmeckl. SQugv (von den Störchen gesagt, wenn sie sich sammeln und Probeflüge machen, gleichsam Besichtigung halten) J A C O B S 1, 119. Zu den Belegen mit Umlaut siehe §40, Anm. 2. — kouwet (3. Sg.) Lb. 2, A2 b ; kouwen 1, N4 b ; 3, M4 a ; aderkouwet .wiederkäut' Z3 b ; vorgekouwet Paw. K l a . Dazu nmeckl. kqugy K O L Z 107. Zugrunde liegt wohl and. *kauwan, dessen Verhältnis zu ahd. kiuwan allerdings nicht klar ist. Vgl. die Übersicht über den Lautstand dieses Wortes in den deutschen Mundarten bei M E R T E S in: Teuth. 7, 86f. Siehe auch § 40 b. b) Die gleiche Entwicklung wie and. auw hat o1 -j- w in dem Wort ,Ruhe' genommen: rouw Jon. 0 1 b ; (ho rowe N8 b ; row O l b ; R7 b ; rouw Lb.l, N4 b ; vnrouw 3 , B 4 A . Nmeckl. rgu K O L Z 94. In den anderen nd. Mundarten gilt nach der Zusammenstellung bei S A R A U W 1, 208 gleichfalls Diphthong. c) Als L e h n w o r t , wohl aus lit. käusas, lett. kauss ( F A L K - T O R P 5 6 0 ; V A S M E R 1, 5 8 6 ) , gehört hierher: kowse ,Trinkschale' Paw. X X L B . Das Wort ist nmeckl. nicht mehr belegt (Archiv). d) Mnd. ou a u s a n d e r e n Q u e l l e n , das im W e c h s e l m i t oi steht, ist im folgenden Paragraphen behandelt. § 40. Mnd. oi oi hat verschiedene Quellen, die in unseren Denkmälern durch die Schreibungen o(u)w (siehe a, b) und öy (siehe c, d) geschieden werden. Zum nmeckl. Lautstand siehe § 39. a) Als U m l a u t v o n ou ( < germ. auu) steht es in: steinhouwer Paw. B4 b ; Lb.l, H2 b .
VII. Die vormnd. Diphthonge
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b) Schwierig zu beurteilen ist d i e E n t w i c k l u n g d e r V e r b i n d u n g g e r m . awi ( > and. ewi), d i e im P a r a d i g m a m i t awj w e c h s e l t . Nach S A R A U W 1, 252 f. ist and. ewi zu *ewwe geschärft und dann mit Vokalrundung zu öuw(e) geworden. S A R A U W nimmt an, diese in Westfalen zum Teil noch erhaltene Stufe sei dann im Nordnd. und Ostfälischen zu ouw > ou übergegangen. Dagegen sei germ. awj über auj zu and. o2j kontrahiert, zu ö2j umgelautet und schließlich zum mnd. Diphthongen oi geworden. Für ,Heu' ergeben sich also beispielsweise die beiden folgenden Entwicklungsreihen: *hawi (Nom., Akk. Sg.) > *hewi > höuwe > houwe, woraus nmeckl. *haii entstehen müßte, und *hawja- (oblique Kasus) > *hauja- > hoje > hoje > hoi, das nmeckl. KQÜ ergibt. Diese Auffassung, welche einer älteren Ansicht gegenübersteht, die f ü r die Gruppe germ. awi/awj im Nd. den gleichen Entwicklungsgang wie im Hd. annahm, ist von S A R A U W a. a. 0 . ausführlich begründet worden. 1 Wenn auch S A R A U W S Hypothese den Lautstand unserer Denkmäler wie auch den nmeckl. nicht vollkommen widerspruchslos erklärt, so hat sie doch gegenüber der älteren mehrere Vorzüge. Einmal geht sie nicht an den as. Zeugnissen mit oj (s. Anm. 1) vorbei und zum anderen macht sie gleichzeitig die Entwicklung der Gruppe and. ew ( < germ. euw. Zum Wechsel mit iuw s. § 29, Anm. 1) verständlich, die mnd. als ouw erscheint (s. unten). Der lautgesetzliche Wechsel zwischen ou ( < germ. awi) und oi ( < germ. awj) hat sich später natürlich nicht erhalten. Vielmehr wurde ausgeglichen, so daß sich ein Paradigma mit oi und eines mit ou bildete, von denen sich dann je nach der Mundart das eine oder andere durchsetzte oder die seltener auch beide nebeneinander fortbestanden. Während sich das Nmeckl. im allgemeinen f ü r eine der beiden Formen entschieden hat, schwanken unsere Denkmäler bei den meisten der hierher gehörenden Wörter zwischen oi und ou. Wir schließen daraus, daß im Mmeckl. des 16. Jh.s die Auseinandersetzung zwischen den beiden konkurrierenden Paradigmen in der Regel noch nicht abgeschlossen war. 2 Wie oben in § 29 ziehen wir auch hier als Beweis f ü r umlautlose Formen vorwiegend Material aus Lb. heran. 1
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Im Hd. wird germ. awi > ewe > öuwe > öu; germ. awj > awwe > auwe > ouwe > ou. Daß awj im Nd. nicht wie im Hd. zu awwe. geschärft, sondern zu and. 6j kontrahiert wurde, bezeugt as. högias (Gen. Sg. zu ,Heu') HOLTHAUSEN, Elementarb. § 167, Anm 2. Anscheinend gehörten die ot-Formen stärker der schriftsprachlichen Tradition an, während die Mundart ou bevorzugte. Man sprach also wohl vielfach ou, schrieb jedoch öu. So scheinen sich mir am ehesten einige umgekehrte Schreibungen zu erklären, die sonst unverständlich wären: anscMwen .anschauen' Lb. 1, H2 a ; schiwen 2, Q3a. — vnröuwe .Unruhe' Lb. 1,
X3S; rduwe 3, Bblb.
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Vokalismus
Belege: erfröwen Jon. L6 a ; erfröwet (3. Sg.) Slüt. 14»; tho erfröuwende Lb. 1, D 3 b ; erfröwen E l a ; fröuwet (Imp.) H 2 b ; erfröuwet (3. Sg.) G4 a ; K 4 a ; erfröuwen 3, S2 a : tho erfröuwende 2, Aal». Da in Lb.3 unter den 29 vorkommenden Belegen nur einer die umlautlose Form aufweist: erfröuwet (3. Sg.) N l a , ist es wahrscheinlich, daß zu Gryses Zeit schon der Umlaut, wie er in nmeckl. frQüdn, frQügy Meckl. Wb. 2, 1076 vorliegt, gesiegt hatte. — Das gleiche gilt wohl vom zugehörigen Substantiv: frowde Jon. Dd6 a ; fröwden Slüt. S l b ; fröuwde Lb. l , N 2 b ; frowde N 4 a ; fröude (vereinzelte Schreibung) L 2 a : frouwden Cc4 a ; frouwde L2 b . Von den 75 Belegen in Lb. 3 zeigen 72 Umlaut und nur bei dreien fehlt er. Obwohl das vorauszusetzende and. *frewitha lautgesetzlich zu ou hätte führen müssen, hat sich die umgelautete Form in Analogie zum Verbum durchgesetzt. Nmeckl. entspricht fröü Meckl. Wb. 2, 1075. — vorströuwen Wed. E 3 a ; vorströuwet L b . l , E e 4 a ; strouwen Ii l b : vorstrouwen Dd 3 b ; gestrouwet Gg 3 a ; bestrouwedem 2, L 2 b ; vorstrouwet F 2 a ; gestrowet Paw. Bbb2 a . Dazu: strowsucker Paw. G4 b . Nmeckl. strqüdn KOLZ 109. — vordöuwen Lb. 1,1 l b ; K 4 b ; dazu vnuördöuwlikes 2, B b 2 a : vördouwen 1, N 4 b ; vordouwen 2, Y 3 b ; 3, M4 a ; l , A a l » ; Paw. H l a ; vordowen Jon. P3 a . Das Part. Prät. lautet as. ferthewid W A D S T E I N 238. Nmeckl. fddqudn KOLZ 107 ist hd. — dröwet,droht' Wed. P 2 a ; drouwen L b . l , P l b ; gedröuwede 2, Aa4 b ; dröuwende 3, A3": dat drouwent 1, P l b ; drouwe (Imp.) F 3 b ; gedrouwet 2, L3 a ; bedrouweden (Prät.) 3, C3 a ; drouwet Wed. E2 b . Nmeckl. hat sich dratigy Meckl. Wb. 2, 467 durchgesetzt. — stouwen ,(Wasser) stauen' Lb. 2, E 3 b entspricht nmeckl. stgugy JACOBS 1, 119; KOLZ 107. Auszugehen ist nach D W B Teil 10, 2, 1 Sp. 1164 von germ. *stawjan. I m Nmeckl. ist der Lautstand der 2., 3. Sg. Präs. (and. *stewis, *stewit) verallgemeinert. — höw ,Heu' Paw.(?)4 a ; höwes Lb. 1, Z l a : houw 2, G2 a ; T3 b . Wie schon as. der Nom. Sg. Mi (statt *hewi) nach den obliquen Kasus ausgeglichen ist, so hat auch nmeckl. KQÜ JACOBS 1, 119; GRIMME §67 gesiegt. — töwe (Akk.Pl. zu ,Tau'Neutr.) Paw. D d d 2 a ; töuwen (Dat. PI.) Lb. 1, S l a : touwen R 2 b ; 2, L l a . Neben as. tou, aus dem sich nur mnd. touwe erklären ließe, muß ein dem got. tawi ,Tat' entsprechendes and. *tewi (Gen. Hoies) gestanden haben. Nmeckl. sind bei diesem Wort, das allerdings nur noch im Kompositum erhalten ist, wie bei Gryse die ou- und oi-Form nebeneinander bewahrt: väftgux .Webstuhl': vaftö% (westmeckl.) JACOBS 1, 119; 2, 141. — hemmeldöuwe (Dat. Sg.) ,Himmeltau' Lb. 1, G l b , dem nmeckl. dqü Meckl. Wb. 2, 263 entspricht, muß auf einen ja-Stamm germ. *dawi, *dawja- zurückgehen, der sich auch aus ahd. toiuues (in Willirams Paraphrase der Hohen Liedes D W B Teil 11, 1, 1, Sp.
VII. Die vormnd. Diphthonge
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323) erschließen läßt. Der as. allein überlieferte wa-Stamm dou setzt sich in nmeckl. dan, daiix Meckl. Wb. a . a . O . fort. — genöuwe L b . l , G 3 a ; I l a ; genowe 2, 0 3 b ; nowe Q4 a : genouwe 1, B b l b (2mal). Zugrunde liegt ein j"A-Stamm (SAHAUW 2, 7 6 ) . Nmeckl. gynai^ Meckl. Wb. 3, 130. B e s t ä t i g t w i r d d e r v o n SARATTW a n g e n o m m e n e Ü b e r g a n g *ewe >*ewwe > öuwe > onw durch die Entwicklung des Wortes ,Löwe' (ahd. lewo): löuwen (PL) Paw. K 4 a : louwe Lb. 1, E 2 a ; louwen (PI.) ebda; J o n . P l a ; lowenkule H 3 a . — Auch louwent ,Leinwand' J o n . Y 4 a zeugt f ü r den Vorgang. Vorauszusetzen ist lewant < lenwant (LASCH § 196, Anm. 2). — Vielleicht ist auch kouwen (s. § 39a) aus *1ceuwan zu erklären. I m W i d e r s p r u c h z u SARATTWS A n n a h m e , g e r m . awj h a b e s i c h i m N d . s t e t s z u oj > öj > oi e n t w i c k e l t , steht der L a u t s t a n d von ouwen (PL) ,Wiesenland' J o n . Z5 a , das sich in nmeckl. ay, ,Wiesenfluß' Meckl. W b . 1,485 fortsetzt. Germ. *awjö h ä t t e nur oie, öuwe ergeben dürfen, wie es im Mnd. auch vielfach bezeugt ist (s. L A S C H § 195) u n d noch heute z. B. im Ortsnamen Qreifswalder Oi fortlebt. c) F ü r v o r m n d . ö1 + j sind nach SARAUW 1, 258f. im Nd. drei Entwicklungsmöglichkeiten anzunehmen. Zunächst konnte öj erhalten bleiben, so in Geldern-Overijssel, zum Teil auch in Hamburg, d a n n konnte j schwinden, so daß das bleibende ö sich mit ö 1 parallel entwickelte, so im Ostfälischen u n d in den nördlich anschließenden nordnd. Mundarten (z. B. Bleckede u n d Altengamme), u n d schließlich konnte öj zum Diphthong oi verschmelzen, der dann mit oi < ö 2 + j zusammenfiel, wie es im engeren Westfalen und im westlichen Nordnd., zum Teil auch in Dithmarschen der Fall ist. F ü r das Nmeckl. können wir die erste Möglichkeit verwerfen: Das Nebeneinander von Nmeckl. blQün, blqügy, blijüdn Meckl. Wb. 1,933 zeigt, daß altes j verloren ist u n d erst später hiatustilgende Konsonanten eingefügt wurden. Ob mnd. oi oder ö1 (< ö1 j) zugrunde liegt, sagt der Diphthong QÜ der meckl.-schwer. L a n d m u n d a r t e n jedoch nicht aus. Hier müssen wir die S t a d t m u n d a r t e n befragen, in denen mnd. ö 1 ja als Monophthong bewahrt ist und sich damit von QÜ ( < mnd. oi) scheidet. D a Rostock nach B E C K MANN § 1 6 9 blQügy ,blühen', glQügy ,glühen', glqün\% ,glühend' gegenüber grön (= öl) spricht u n d auch in Parchim und Grabow nach J A C O B S 2 , 1 3 9 f ü r mnd. ö 1 + j Diphthong gilt, ist f ü r Mecklenburg die Entwicklung ö1 + j zum Diphthong oi anzunehmen. Unsere Denkmäler zeigen f ü r vormnd. ö1 + j die Schreibungen oy oder selten ohne Umlautsbezeichnung oy, die nur als Diphthong gedeutet werden können, und bestätigen damit die aus der Betrachtung des nmeckl. Laut-
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Vokalismus
standes gewonnene Ansicht. Dieses oi war zu Gryses Zeit wie im Nmeckl. wohl schon mit dem unter a, b behandelten oi zusammengefallen. Belege: blóyen Lb. 1, 13 a ; blóyende 0 4 a ; blóyet Wed. 03». As. blöian. Die nmeckl. Formen siehe oben. — glöyenden Lb. 1,12"; glóyende E e 2 a ; 2, 0 3 b ; glóyeden K 2 b ; Paw. K 3 " : glöyenden Jon. Aa3 b . — móye ,Mühe' Lb. 1, F l a ; M4 a ; Wed. N l b ; móyesaligen Paw. I i l a . — koyhe ,Kühe' Paw. N n 2 a ; lcóyen (Dat. PI.) F4 a . Zugrunde liegt der as. PI. kóii. d) An L e h n w ö r t e r n mit mnd. oi enthalten unsere Denkmäler: flóytet ,flötet' Paw. Nn l b ; anflóyteden (Prät.) Ez. B 4 b ; angeflóytet Lb. 1, G2 b . Auszugehen ist von dem Substantiv afrz. flaüt{e) TOBLEE-LOMMATZSCH 3 , 1 9 1 8 . Nmeckl. flQütn JACOBS 1 , 1 1 9 . — hóyken (Akk. Sg.) ,Mantel' Slüt. E l " ; Lb. 2, F 3 a ; (PI.) G3 a . Zugrunde liegt afrz. huque, heucque. — slóyer ,Schleier' Lb. 2, G3 a ; sloyer Paw. Dd3 b . Vgl. mhd. sloier (und ähnlich). Die Herkunft des Wortes ist umstritten.
VIII. UMLAUT A. ZUR ORTHOGRAPHIE §41. Bevor wir die Ausbreitung des Umlauts im Meckl. des 16. Jh.s untersuchen können, müssen wir zunächst Klarheit darüber gewinnen, mit welchem Grad von Genauigkeit unsere Denkmäler den Umlaut graphisch darstellen. a) D e r U m l a u t z u v o r m n d . a, die mnd. Laute e, è ( < vormnd. e), u n d d e r zu ä, das mnd. è1, werden in unseren Denkmälern meist durch e (ee) bezeichnet, seltener durch ä. Zweifel über das Vorhandensein des Umlauts können nicht aufkommen. Die wenigen Fälle, in denen das über a gesetzte 6 die Tondehnung (s. § 14) oder die Vokallänge (s. § 36c) bezeichnet, sind leicht zu erkennen, da ihre Umlautlosigkeit feststeht. b) Eine gründliche Erörterung verlangt d i e g r a p h i s c h e D a r s t e l l u n g d e s U m l a u t s b e i d e n Z e i c h e n o u n d w,1 die in der klassischen mnd. Zeit bekanntlich weithin ohne Umlautsbezeichnung blieben, so daß in den 1
Bezeichnet werden hierdurch die mnd. Laute ö, ö, Ó', ( f , ü ü, deren Herkunft hier kurz zusammengestellt sei : ö 1. Umlaut zu mnd. o (§§ 45, 46).
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V i l i . Umlaut
Anfängen der nd. Philologie sogar die Meinung aufkommen konnte, das Mnd. habe (außer bei a) keinen Umlaut besessen. Das umlautlose Orthographiesystem haben unsere Denkmäler nun zwar längst verlassen, andererseits fragt es sich aber, ob sie bereits zu einer konsequenten Umlautsbezeichnung gelangt sind. Das einzige Mittel der Umlautsbezeichnung bei o und u in unseren Denkmälern, das übergesetzte e, ist, da die wenigen Fälle, in denen e die Vokallänge bezeichnet (s. § 36 c), kaum ins Gewicht fallen, ein zuverlässiger graphischer Ausdruck für den Umlaut. Wir haben aus den einzelnen Werken Gryses Abschnitte gleicher Textlänge2 auf die Umlautsbezeichnung hin untersucht und können als wesentliches Ergebnis dieser Prüfung feststellen, daß alle Wörter und Formen, die im Mnd. mit Sicherheit umgelautet sind, im allgemeinen regelmäßig die Umlautsbezeichnung tragen. Im folgenden stellen wir nur die Fälle zusammen, in denen die Umlautsbezeichnung fehlt, obwohl das Vorhandensein des Umlauts im Mnd. außer Frage steht. Alles Sprachgut, bei dem auch umlautlose Formen möglich sind, hat hier also im allgemeinen (s. jedoch die Anm. 3) auszuscheiden. Ez. Bl a —D8 b : dorre ,dürr' B5»; borde .Bürde' B6 b ; B7» (: borde D2 a ); Torcken
C 3 a ; vogel3
D 2 a ; ankumpt
C 7 a ; lodt
,lädt'
B 5 a ; bekumpt ebda; kumpt B 6 » ; B 8 a (2mal); kumpstu
( P I . ) B 6 b ; jnbrunstige
C 5 a ; fromden
D8a;
sons3 (Gen. Sg.) C l a . 2. < vormnd. Ö durch Kürzung (§ 37). 3. < mnd. e durch Rundung (§ 48). ö 1. Umlaut zu mnd. ö (§§ 10, 45, 46). 2. Umlaut zu mnd. ä, ä (§ 44). 3. < mnd. e durch Rundung (§ 48). Ö1
Umlaut zu mnd. 61 (§§ 33 b, 45).
Ö2
Umlaut zu mnd. 62 (§45).
il 1. Umlaut zu mnd. u (§§ 45, 46). 2. < vormnd. ü durch Kürzung (§ 37). 3. < mnd. i durch Rundung (§ 48). ü 1. Umlaut zu mnd. ü (§§ 29, 45) 2. < and. iu (§§ 29, 35 b). Bei der Betrachtung der Umlautsbezeichnung ist auch der Diphthong oi (geschrieben öw, öy) zu vergleichen (§ 40). 2
Die Abschnitte umfassen 48 Seiten in den kleinformatigen Werken Ez., Jon., Wed. und
3
Mit Sicherheit fehlt die Umlautsbezeichnung, wenn unsere Denkmäler für tongedehntes ö o
32 Seiten in den großformatigen Paw., Slüt., L b . setzen. Würde es sich nämlich um den unumgelauteten tongedehnten Vokal handeln, müßten sie a schreiben (s. § 10).
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Yokalismus
J o n . D l a — F S * : landesforsten D 2 b ; grodtforsten F 6 a ; borger (PI.) D 4 a ; borgem D 6 a ; Torcke F l " ; türkischen F 6 a ; dortein E 2 b ; vorkortet ,verkürzt' E 5 a ; son3 E 6 a ; jüngeren E 3 b (-.jungem F5 a ); bekumpt E 7 b ; kumpt F l " ; F 5 a ; F 7 b ; F8 b . Konjunktivformen: worde E 8 b ; F 3 b ; F 5 b ; F 6 a ; F 6 b (2mal); worden F5b. P a w . K l a — N 4 b : erworgen M l a ; dortich N4 b (: dörtich L2 a ); vorige3 N 4 a ; söhn3K2a; loschenK4a; /roraöde M4 b . Konjunktive: wordenK3a; wordeM2a. Sliit. E l a — H 4 b : twolff E l a ; barfoter ebda; löschet E 2 b (: löschede ebda); berondt ,berannt' E 3 a ; Torcken kryge G l a . Konjunktive: worde E l » ; F 2 b (2mal); G2 a (2mal); G3 b ; H 4 b (2mal); storue E3 a . W e d . B l a — D 8 b : koninck C l b (: köninck D5 a ); logenrede ,Lügenrede' C3 a (: lögenvath C4 b ; lögenhafftich C5 a ); plotzliken C5 b ; suppeken .Süppchen' C 4 b ; gesundiget D 5 a ; hupich C 4 a ; lüde,,Leute' C 7 a . L b . 1, R l a — V 4 b : frombde S3"; S4 b (2mal); frombdenebda (2mal) (: frömbde S4 a ; T l b ; frombden T l b ; V l a ) ; konnenY 4a (: können V3 b ). Konjunktive: storuen T l b ; worde T 3 b ; V4 a (: worde S l b ; S2 b ; V2 b ; worden ebda). L b . 2, C l a — D 4 b ; Y l a — Z 4 b : vnnutten Y4 b (: vnnfitten Z l b ) ; logenhafftigen Y4 b . Konjunktive: worde C2 b ; wordestu C4 b ; worden D 2 b ; Y2 a (: worde C2 b ; D l b ) . L b . 3, Cl a —D4»; T l a — V 4 b : ouerst3 C3 a ; D l a (: ouerst C3 b u. ö.). Konjunktive: worde T 4 b ; V l a ; V4 b (2mal); worden T3 a (:'worde D 2 a ; T 2 a ; V l a ; V4 a ; worden V l b ; V3 b ). Der Großbuchstabe 0 trägt meist kein Umlautszeichen. Nur einigemal in Lb. 1 und Lb. 2 steht es (für U fehlen Belege): Oueldederen Lb. 1, V2 a ; e
e
Olderen 2, C l b (: Olderen Y3 b ); Ouericheit C l b usw. Anscheinend drang die Umlautsbezeichnung bei den Großbuchstaben erst später durch. Da die Fälle, in denen die Umlautsbezeichnung bei der Type 0 fehlt, das Bild erheblich verschieben würden, sind sie in die voranstehende Übersicht nicht mitaufgenommen worden. Eine weitere orthographische Besonderheit bei anlautendem u siehe § 45 c. Unter den angeführten Belegen fällt auf, daß besonders vielen Konjunktivformen von starken Verben der 3. Kl. mit r + Konsonant (,werden', ,sterben') die Umlautsbezeichnung fehlt. Das kann kein Zufall sein! Wir werden diese Erscheinung unten § 45 e zu begründen versuchen. Lassen wir diese Belege, die offenbar eine Sonderstellung einnehmen, beiseite, so ergeben sich für die in den einzelnen Denkmälern überprüften Abschnitte an Formen ohne Umlautsbezeichnung die folgenden Zahlen: 3
siehe vorige Seite.
Vili. Umlaut Ez. Jon. Paw. Slüt.
(1587) (1588) (1593) (1593)
15 15 6 5
Wed. Lb.1 Lb. 2 Lb. 3
105 (1596) (1604) (1604) (1604)
7 6 2 2
Mag der Zufall bei der Streuung der Beispiele auch eine gewisse Rolle spielen, so darf doch der Schluß gezogen werden, daß die Umlautsbezeichnung in den späteren Denkmälern folgerichtiger durchgeführt ist als in den frühen. Besonders Lb. 2 und Lb. 3 weisen kaum noch negative Beispiele auf, und auch von Lb. 1 darf dasselbe gelten, da allein 5 der 6 Fälle ohne Umlautsbezeichnung auf ein Wort (frömd) entfallen. I n allen unseren Denkmälern wirkt im mehr oder weniger häufigen Fehlen der Umlautsbezeichnung offenbar die ältere mnd. Orthographiegewohnheit nach, die den -Umlaut graphisch nicht darstellte. Keinesfalls dürfen die fehlenden Umlautszeichen als bloße Druckfehler aufgefaßt werden, die in unseren Denkmälern zudem sonst ja so selten sind, daß es unbegreiflich bliebe, weshalb dem Setzer gerade bei der Umlautsbezeichnung so viele Fehler unterlaufen wären. Am zahlenmäßigen Abnehmen der Fälle ohne Umlautsbezeichnung erkennt man anschaulich, wie sich in einer Druckerei neue orthographische Gewohnheiten erst allmählich durchsetzen. Wenn S A H A U W 2,250 als den frühesten Druck, der die Umlautsbezeichnung konsequent und unzweideutig durchführt, den Düdischen Slömer von 1584 nennt, so darf von Gryses Werken erst der zwanzig Jahre später liegenden Lb. das Zeugnis sauberer Umlautsbezeichnung ausgestellt werden. Wir h a b e n f ü r die f o l g e n d e U n t e r s u c h u n g einen f e s t e n Ausg a n g s p u n k t g e w o n n e n : In Ez., Jon. ist in der Umlautsbezeichnung noch mit einem stärkeren Unsicherheitsfaktor zu rechnen, weniger in Paw., Slüt. und Wed., während Lb. 1, Lb. 2, Lb. 3 relativ sichere Auskunft geben dürften. Für die Untersuchung der sekundären Umlautserscheinungen sowie des Dentalumlauts sind damit in unseren Denkmälern — im Gegensatz zu den meisten voraufgehenden mnd. Sprachquellen — günstige Voraussetzungen gegeben. B. ZUR LAUTENTWICKLUNG Wir untersuchen zunächst den i-Umlaut (§§42—45). Aus dem reichen Material, das unsere Denkmäler bieten, wählen wir dabei nur solche Wörter aus, bei denen im Nd. neben den umgelauteten auch umlautlose Formen stehen. Insbesondere richten wir unser Augenmerk auf sekundäre Umlautserscheinungen. I n § 46 behandeln wir sodann den Dentalumlaut.
106
Vokalismus
§ 42. Vormnd. a[e Während im Westfälischen, in offener Silbe auch im Ostfälischen, Primärumlaut ( < vormnd. e) und Sekundärumlaut ( < vormnd. a vor umlauthindernden Konsonantengruppen sowie in Neubildungen) geschieden werden, wobei in offener Silbe Primärumlaut mit (tongedehntem) ¿ und Sekundärumlaut mit (tongedehntem) e zusammenfällt, sind sie im Nmeckl. wie auch im Nordnd. unterschiedslos durch e, a vertreten. Ob in mnd. Zeit im Meckl. Unterschiede zwischen Primär- und Sekundärumlaut bestanden haben, läßt sich schwer entscheiden. Keinesfalls kann die Schreibung a, die in unseren Denkmälern gelegentlich neben üblichem e verwendet wird, als Zeugnis f ü r einen vom Primärumlaut unterschiedenen Sekundärumlaut angesehen werden, wenn sich d auch vorzüglich in solchen Wörtern findet, in denen Sekundärumlaut naheliegt. Ein vereinzelter Beleg wie /rater Lb. 1, A a 2 a ; fräterye ebda, in dem ä also f ü r altes e eintritt, spricht zwar dafür, daß der Sekundärumlaut in offener Silbe mit e zusammengefallen ist; keinesfalls läßt sich daraus aber ein lautlicher Unterschied zwischen tongedehntem Sekundärumlaut und e einerseits und tongedehntem e und i andererseits erschließen. a) S u b s t a n t i v a . Der as.¿-Stamm bank (Nom./Akk. Sg.), benki (Gen., Dat. Sg.; ebenso im PI. mit Umlaut) zeigt in unsern Denkmälern noch den Wechsel zwischen umgelauteten und unumgelauteten Formen: banck (Dat. Sg.) Lb. 3, T2»; (Akk. Sg.) 2, N2»; bancke (Akk. Sg.) 03*: bencken (Dat. Sg.) 1, G l b ; (Dat. PI.) Ml»; (Akk. PI.) 3, Q l b . Nmeckl. hat sich die umgelautete Form bqyk durchgesetzt. Nur die Verbindung dgr% dd bayk wahrt noch den alten Nom./Akk. Sg. Meckl. Wb. 1,608. — Der kons. Stamm as. akus ,Axt' ist in die Flexion der ¿-Stämme hineingezogen, woraus sich mnd. der Umlaut erklärt: exe (Nom. Sg.) Jon. A a l » ; exse Lb. 1, F4*; (Dat. Sg.) 3, T2»; donnerexen (Dat. Sg.) E 4 b ; mundtexse (übertragen vom Krähenschnabel) 1, N l b . Daneben hält sich aber im Mnd. noch ackes L A S C H - B O R C H L I N G 1,50, das sich z. B . in Mundartformen wie waldeck, akas B A U E R - C O L L I T Z 3 fortsetzt. Nmeckl. ist nur umgelautetes eis Meckl. Wb. 1,514 belegt. — Gryses hennipstengelen ,Hanfstengeln' Paw. LI 3A f ü h r t umgelautetes nmeckl. hqmp B E C K M A N N § 43; M I 30 fort. Daneben steht im Mnd. aber auch hanp, hanep, hannap L A S C H - B O R C H L I N G 2,216. Der Wechsel zwischen umgelauteter und umlautloser Form geht auf alte Unterschiede des Suffixvokals (vgl. ahd. hanaf, hanuf, hanif) zurück. Die Umlautlosigkeit, die mnd. im P l u r a l d e r a l t e n es/os-Stämme weithin herrscht (s. L A S C H § 373) und die das Mnd. mit dem Mnl. und Ags.
Vili. Umlaut
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gemeinsam hat, ist nach FRINGS, Niederlande 30 ein alter Ingwäonismus, der darauf beruht, daß sich im Suffix die Ablautstufe -os durchsetzte. Auch Mecklenburg hat an der umlautlosen Form'Anteil: kaluer Lb. 1, Hh2 a ; kaluersprünge E e l b ; kaluerachtig ,kälberhaft' Hh2 a ; kaluerachtige M2 a ; kaluerdantz 3, T l b ; kaluerdentze Paw. D2 a . Nmeckl. entspricht kalvdT JACOBS 1 , 4 9 ; BECKMANN § 42.
I m Gegensatz zu dem alten es/os-Stamm ,Kalb' zeigen die später analog gebildeten er-Plurale meist Umlaut: bieder Lb. 1, N4 a ; Hh4 a ; biederen E l " ; fiederbieder 2, Aa2 a . Ebenso nmeckl. gewöhnlich blartf, daneben alt bläT (< bläde) und selten blatn Meckl. Wb. 1,929. — gleser Lb. 1, L l a ; glesern E e l b . Nmeckl. gilt dagegen der PI. gläz (neben gläzn) Meckl. Wb. 3,177, dessen Vorform in Gryses glese Lb. 1, P2 a auftritt. — greuer Paw. Ll3 b . Nmeckl. gravd* Meckl. Wb. 3,249. — lenderen Paw. F2 b . Nmeckl. lentf M i 49. Daneben hat Gryse den PI. lande Paw. F2 a . — Vereinzelt kommt aber auch bei den später gebildeten er-Pluralen Umlautlosigkeit vor: dakeren (Dat. PI.) Paw. Bbb3 b . Nmeckl. hat sich jedoch auch bei diesem Wort der Umlaut durchgesetzt: däW Meckl. Wb. 2,195. b) A d j e k t i v a und A d v e r b i a . ,fest' erscheint entsprechend dem as. «-Stamm fast in unseren Denkmälern gewöhnlich als: vaste (Adv.) Wed. H l b ; Lb. 1, E l a ; F l " ; H 3 a ; N 2 a ; O l b ; 0 2 " ; vasten (Adj.) 01 b . Diese umlautlose Form gilt auch im Nmeckl., wie die Sprachatlaskarte ,fest' (DSA23) zeigt. Ein ja-Stamm wie ahd. festi (Adv. fasto) scheint dem Nd. ursprünglich fremd zu sein. Ein früher meckl. Beleg für die umgelautete Form: de vesten lüde ,die ehrenhaften Ritter' (Schwerin 1356) Meckl. U B 14,90 erweist sich durch die Bedeutung als von mhd. höfischer Sprache beeinflußt. So wird auch das vereinzelt bei Gryse begegnende veste Lb. 1, E2 b hd. Ursprungs sein. Bei den mit dem Suffix -lik{en) gebildeten Adjektiven und Adverbien stehen umlautlose Formen neben umgelauteten. Während die stark nebentonige schwere Ableitungssilbe keinen Umlaut bewirkte, trat bei minderbetonter gekürzter Ableitungssilbe Umlaut ein (LASCH § 59): angstlick Lb. 1, Y l b ; angestliken 2, N4 a . Daneben steht mnd. engestlik LASCHBORCHLING 1,544. — valschlick Lb. 1, V4 b . Daneben mnd. velschliken LASCH-BORCHLING 1,687. — manlick ,männlich' Lb. 1, Dd3 a . — samptlyken Paw. F f l a . — Dagegen mit Umlaut: vederlick Lb. 1, H 3 a ; vaderliken B b l a . Daneben ohne Umlaut mnd. väderlik LASCH-BORCHLING 1,631. Beim Suffix -ig beruht der Wechsel: gewaldig Jon. Z2 b ; gewaldigen Lb. 1, I i 3 a : geweidigen 3, Aa4 a ; geweidige Ez. D l a auf dem alten Nebeneinander von -ag, das ursprünglich nur zu a-, u-, ö-Stämmen Adjektiva bildete, und -ig,
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Vokali3mus
das ursprünglich nur i-, /a-Stämmen eignete. Neben as. giwaldig (zum fem. ¿-Stamm giwald) ist zum gleichfalls belegten neutr. a-Stamm *giwaldag anzusetzen. Neben sassische Paw. K l a ; sassesche Wed. B3 b , das eine (unbelegte) as. -¿scA-Ableitung zum Grundwort Sahso mit Unterbleiben des Umlauts vor der Gruppe h + Konsonant (vgl. HOLTHAUSEN, Elementarb. § 79) fortsetzt, steht vereinzelt umgelautetes sässische Paw. P l a . Es kann sich dabei um spätere Durchführung des Umlauts im Nd. handeln, etwa nach dem Übergang hs > ss (Sahso > Sasse). Wahrscheinlicher ist es jedoch, daß die umgelautete Form in unsere Denkmäler aus dem Hd. gedrungen ist. Nach den Belegen zu urteilen, die LASCH in ihrem Aufsatz „Sassesche Sprake" in: ZfDk. 34 ( 1 9 2 0 ) 8 — 1 9 anführt, gilt nämlich im 16. J h . f ü r unser Wort im Nd. fast ausschließlich die unumgelautete, im Hd. dagegen die umgelautete Form, sessischer LASCH a. a. O . 11 der Halberstädter Bibel ( 1 5 2 2 ) kann vom Hd. beeinflußt sein ebenso wie frühes sessischeme des Sachsenspiegels (DWB Teil 8, Sp. 1 6 0 6 ) . Der Herkunftsort dieser Ausnahmefälle, ihre Lage am Südrande des Nd. an der Grenze zum Hd., macht es wahrscheinlich, daß sich hd. sächsisch und nd. sassisch gegenüberstanden, daß also bei unserm Wort umgelautete und unumgelautete Form auf einen alten hd.-nd. Gegensatz zurückgehen. c) V e r b a . Zum Nebeneinander von falt: feit (3. Sg. Präs.) s. die Belege § 17 a. Hierzu die 2. Sg. vallestu Lb. 2, C4 a . Die umlautlose Form ist schon zum Teil im As. statt regelrechtem *fellis, *fellit nach dem übrigen Paradigma wiederhergestellt. — Bei ,fahren' überwiegt in der 3. Sg. Präs. weit umlautloses fart Lb. 3, B 4 a ; vahret 2, P l b ; varet 1, T 2 b ; anfaret L 2 a ; herfaret 2, F 2a gegenüber lautgesetzlichem veret 1, H 4 a ; wedderfehret 0 4". Dazu stimmt, daß sich nmeckl. umlautsloses fort (Inf. fö'n) Meckl. Wb. 2, 1036 durchgesetzt hat. Schon as. standen farit und ferit nebeneinander. — Bei ,tragen', dem im As. in der 2., 3. Sg. Präs. Umlaut zukam, steht neben den lautgesetzlichen Formen: dragen (Inf.) Jon. G4 a ; 0 6 a ; Paw. N 3 b ; Lb. 1, G3 a ; L l a ; L 4 b ; drage (1. Sg.) 3, D 2 a ; drecht (3. Sg.) 1, E l a ; F 2 b ; 2, B l » ; F 3 a ; Ez. D 2 a ; dragen (3. PI.) Lb. 1, D l b ; 3, O l a ; gedragen 1, N2 a ein Paradigma mit Umlaut: drege (1. Sg.) Lb. 2, G2 b ; dregen (Inf.) 3, M3 b ; erdregen (Inf.) 1, M3 Ö . Wie die im Meckl. Wb. 2,449f. aus dem 14. Jh. angeführten Belege zeigen, ist das umgelautete Paradigma im Meckl. schon alt und wohl schon von den Siedlern des 12. Jh.s aus dem nd. Stammland mitgeführt, wo es sich, hervorgerufen durch den Umlaut in der 2., 3. Sg. Präs. sowie gestützt durch das auf Grund einer ingwäonischen Spracheigentümlichkeit gleichfalls umgelautete Part. Prät. (and. *gidragin. Siehe FRINGS, Niederlande 30;
Vili. Umlaut
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Belege für gedregen s. bei SARAUW 2, 179), herausgebildet hatte. Andererseits ist nach den umlautlosen Präsensformen auch eine 3. Sg. ohne Umlaut entstanden: draget Ez. D 4 b ; vordraget Lb. 2, E3 a . Das Nebeneinander von drägen und dregen bei Gryse setzt sich nmeckl. in dem räumlichen Gegensatz von strel. drägy und schwer, drägy TEUCHERT, Stargard 6 fort. Von den „ r ü c k u m l a u t e n d e n " V e r b e n , die nmeckl. im Prät. und Part. Prät. durchweg Umlaut zeigen1, schwanken in unseren Denkmälern noch einige zwischen a und e. Prät.: vorbranden Lb. 3, T 3 a : vorbrende T 3 b ; vorbrenden Ez. B4 b . Part. Prät.: vorbrandt Lb. 1, E 2 a ; G2 b ; gebrandt D l a ; gebrande E 2 a ; äffgebrandt P 2 b : vorbrendt 3, T 2 b ; Z l a ; vorbrenden Q3 b . Die im Meckl. W b . 1,1131 f. aus dem 14./15. Jh. angeführten Belege zeigen im Prät. und Part. Prät. stets die umlautlose Form. Nmeckl. gelten dagegen brqn (Prät.), brent (Part. Prät.). Unsere Denkmäler veranschaulichen hier also sehr gut den Übergang vom Mmeckl. zum Nmeckl. — Prät.: erkende vnde behende Jon. I 3 a ; bekennede Lb. 3, S2 b ; bekenden 2, I 4 b ; erkennede Wed. H 3 b . Part. Prät.: bekandt Lb. 1, D 3 a ; bekant G4 a ; erkant ebda: erkendt D 3 b ; gekent 2, Aa2 b . Nmeckl. kent (Prät., Part. Prät.) GRIMME § 223. — Prät.: sende Jon. G8 a . Part. Prät.: gesandt Lb. 3, K 3 a : gesendt 2, Bb 3 a ; Paw. A a 2 a ; H h l a ; Geb. 2 A 8 b . Das Wort ist in der Mundart heute nicht mehr gebräuchlich. § 43. Mnd. die 1 a) A d j e k t i v a . swar (Adv.) Lb. 1, I 3 a ; ( A d j . ) 2, I l b ; Jon. R 3 a ; schwäre Wed. E 7 a ; schwarer (Kompar.) Ez. B5 B ; swaren Lb. 1, P 3 a ; I i i " (u. ö.): swehr ( A d v . ) 3, Z 4 a ; swer (Adv.) 1, P 3 b ; ( A d j . ) X 4 a ; Ez. B2 B ; schwerer (Kompar.) B7 B ; sweresten (Zitat aus Luther) Lb. 2, D 4 a ; sweren H 4 b (u. ö.). Die beiden Formen, die in unseren Denkmälern gleichberechtigt nebeneinander stehen, könnten auf einen alten Wechsel zwischen a- und ja-Stamm zurückgehen, wie er im Ahd. bei Otfrid bezeugt ist (s. BRAUNEMITZKA § 251, Anm. 1). Der as. allein bezeugte a-Stamm hat sich in nmeckl. swör ( < mnd. swär) KOLZ 91; BECKMANN § 84 durchgesetzt, neben das jedoch überall hd. swer JACOBS 1,112; KOLZ a. a. 0 . ; BECKMANN a. a. 0 . getreten ist. Da das lautgesetzlich aus mnd. swer zu erwartende *swlT fehlt, liegt es nahe, die e-Formen unserer Denkmäler ebenfalls als Entlehnung aus dem H d . anzusehen, zumal sie in Zitaten nach hd. Vorlagen allein gültig sind. 1
Vgl. dazu die Sprachatlaskarte .erzählt' (DSA 52), die für Mecklenburg t$lt angibt. Der Umlaut gilt nahezu im gesamten nd. Raum, ausgenommen nur das südliche Westfalen, wo talt gesprochen wird.
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Vokalismus
Von den Bildungen mit Suffix -lik{en) gilt das § 42b Gesagte, klarlyken Slüt. F 4 \ klarlick Lb. 1, V 4 b : klarliken B b 4 a ; 2, A 3 " ; Jon. N3 b . — jarlyken Paw. A 3 b : jharlyken Z z 4 a ; yärlick Lb. 1, G 4 b ; yerliken 2, E 2 a . — treglick
,träge' Geb.2 C 8 a : trachliken Jon. F 8 b nach der umlautlosen Form des Grund-
wortes trach Lb. 1, Q l b ; sleperichtragen
Plb.
b) Verba. Für den Stammvokal and. ä im PI. Prät. Ind. der starken Verben 4., 5. Kl. erscheint in unseren Denkmälern regelmäßig e1: quemen Slüt. F l b ; M4 a . — spreken Lb. 1, L 4 a ; anspreken H l b . — ersteken Lb. 1, K 2 a . — segen Lb. 1, X 4 b . — vörtreden Lb. 1, L 4 a ; treden 2, N 4 a .
Dieser Befund stimmt zu den Feststellungen G I E S E L E R S ZfdMdaa. (1922) 108f., daß sich im Mnd. am Ende des 15. Jh.s die e^-Formen nahezu überall durchgesetzt haben, nachdem von dem Auftreten mnd. Quellen an bis ins 15. Jh. hinein Schwanken zwischen e1 und ä geherrscht hatte. Für die alte Streitfrage, wie die e^-Formen im PI. Prät. Ind. der starken Verben 4., 5. Kl. zu erklären seien, gab G I E S E L E R a. a. 0 . die zunächst bestechende Antwort, daß es sich um einen alten Ingwäonismus handele, daß sich im Nd. dt. ä und ingwäon. e ( < germ. e1) auseinandergesetzt hätten. Eine umfassende Untersuchung des nd. starken Präteritums durch B E H R E N S („NiederdeutschePräteritalbildung" in: P B B 48 [1924] 145f.) zeigte jedoch, daß im PI. Prät. Ind. der starken Verben 2. und 6. Kl. schon im 14. Jh. die Umlautsformen des Konj. auftreten, während G I E S E L E R angenommen hatte, dieser Vorgang gehöre erst der spätmnd. Zeit an. Wenn jedoch für die 2. und 6. Kl. erwiesen ist, daß in früher Zeit die Umlautsformen des Konj. in den PL Prät. Ind. eingedrungen sind, so ist es wahrscheinlich, daß in der 4. und 5. Kl. ein paralleler Vorgang zugrunde liegt, daß es sich also bei den c 1 im PI. Prät. Ind. um Umlautsformen aus dem Konj. handelt. Sprachgeschichtlich wichtig für den Ausgleich zwischen Sg. und PI. des Prät. ist ein Fall, in dem i1 bereits in den Sg. vorgedrungen ist: thometh ,zumaß' Lb. 2, K3 a . Sonst zeigt sich im Sg. Prät. Ind. jedoch stets nur der alte Stammvokal a: quam Lb. 1, M2 a ; Paw. X x l a (u. ö.). — sprack Lb. 1, E 2 a (u. ö.). — Stack Lb. 2, H 3 b . — sach Lb. 1, N 2 a . — bath Lb. 1, I l a ; 3, E 3 b . — gaff Wed. H 2 " ; Jon. Dd7 a . - lach Lb. 1, P 4 a ; 3, S 3 a ; C4 a . — ath Lb. 3, B 2 b ; S3 b .
Wie der aus Lb. beigebrachte Beleg zeigt, beginnt der Ausgleich zwischen Sg. und PI. im Prät. der 4., 5. Kl. im Meckl. schon bedeutend früher als B E H R E N S a. a. 0 . 2 1 7 auf Grund seines Materials annimmt. Die ersten Ausgleichsformen findet er erst in dem Hochzeitsgedicht von 1739 (Nr. 25). Jedoch kann er aus Lübeck schon 1679, aus Greifswald schon 1656 Beispiele anführen. Daß sich der Ausgleich im Meckl. sehr lange hingezogen hat, geht
Vili. Umlaut
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aus den Ausführungen NERGERS § 201 hervor, der in der Mitte des 19. Jh.s im östlichen Mecklenburg, so auch bei Reuter, noch die alten Unterschiede zwischen Sg. und PI. vorfindet, während sich in den Seestädten, so auch bei Brinckman, und in den übrigen Landesteilen bereits einheitliches e 1 durchgesetzt hat oder zumindest stark im Vordringen ist. Vgl. auch TETJCHERT, Beiträge § 26b. § 44. Mnd. ä, a/ö Im Nmeckl. erscheint ce in einer Reihe von Fällen als Umlaut zu mnd. tonlangem ä, so z . B . in: cevd'st ,aber', swcelk .Schwalbe', rceT .Räder', fl&X ,Orte', leezix ,kraftlos' (NERGER §169; KOLZ51; BECKMANN §47; JACOBS l, 107) und zur Länge ä, so z. B. in: nee ,Nähte', pdzl .Pfähle', grceln . l ä r m e n ' , möeniy
. k l e i n e r M o n d ' ( N E R G E R § 169; K O L Z 9 1 ; JACOBS 1 . 1 1 2 ) .
Dieser junge Umlaut in Flexion und Wortbildung konnte erst entstehen, nachdem mnd. ä mit tonlangem ä und dieses seinerseits wieder mit tonlangem 5 ( < vormnd. o, u. Vgl. § 10) zusammengefallen war. Als Vorbild dieses sekundären Umlauts wirkten dabei solche Fälle wie mnd. äpen ,offen': öpenen .öffnen'; vägel (Sg.): Vögel (PL). Die alten Umlaute mnd. e ( < vormnd. e) zu ä und mnd. e^ zu ä mußten zu der Zeit, da der sekundäre Umlaut aufkam, flexivisch bereits weitgehend erstarrt sein. SARAUW 1,274 f. findet den sekundären Umlaut zu ä in allen nd. Mundarten des Stammlandes und beobachtet, daß er lautlich jeweils dem Umlaut des Vokals entspricht, mit dem ä in der betreffenden Mundart zusammengefallen ist. Auf Grund des ihm bekannten Materials kommt SARAUW ZU dem Schluß, dieser Umlaut lasse sich im Mnd. nicht nachweisen, da die in Frage kommenden Fälle stets mit a oder e geschrieben würden. Hinter dieser Schreibung könne möglicherweise zwar schon der Laut ce gestanden haben, ob in der Tat, bleibe aber ungewiß, da e überall el, a den nicht umgelauteten Vokal bezeichnen könne. Wir sind nun in der glücklichen Lage, das Wirken des sekundären Umlauts sowohl für ä wie für a am Ende des 16. Jh.s zumindest in seinen Anfängen nachweisen zu können, da in unseren Denkmälern bereits die Schreibung o auftritt, wenn auch nur in wenigen Wörtern. Das häufig vorkommende .aber' (ahd. abur, avur) zeigt in den überprüften AbschnittenEz. B l a - D 8*; Jon. E l a — F 8 " ; Dd 1 » - F f 8b stets die umlautlose Form auerst, dagegen in den Abschnitten Paw. K l a — N 4 b ; Wed. H l a — H 8 b ; Lb. 1, D1 B —H4"; 2, C l a — D 4 b ; 3. C l a — D 4 a stets öuerst. In Paw. und allen späteren Denkmälern begegnen umlautlose Belege nur vereinzelt:
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Vokalismus
auerst Paw. A a a l a ; Cccl»; Wed. C8 b ; Lb. 2, E 2 b ; 3, D4 b . Der Grund f ü r das Eintreten des Umlauts bei diesem Wort ist allerdings schwer anzugeben, da bei einem isolierten Adverb, das zugleich Konjunktion ist, der Umlaut keine flexivische oder wortbildungsmäßige Funktion hat. Sollte das Wort wegen des ausläutenden -st in die Analogie der Superlative geraten sein (vgl. nmeckl. bäbm ,oben': bcevdlst .oberste')? Zu erwägen ist, ob överst nicht vielleicht infolge Rundung (bewirkt durch den Labial v) aus ever (dem Umlaut zu äver) L A S C H - B O R C H L I N G 1, 626 entstanden ist. Damit wäre överst allerdings als Beispiel f ü r den jungen Umlaut ä/ö entwertet. Ein zweiter, von den nmeckl. Grammatikern zum sekundären Umlaut des ä gestellter Fall: lösich ,kraftlos' Lb. 2, F l a ; lösigen 3, Q4A ist unsicher. Wahrscheinlich muß das bei S C H I L L E R - L Ü B B E N 2 , 7 2 7 f. häufig bezeugte lösich, lösich zu einer germ. Wurzel *lus- ( F A L K - T O R P 6 2 5 ) gestellt werden und kann nicht, wie K O L Z 4 3 nach MACKELS Vorgang annahm, als sekundärer Umlaut zu dem seltenen mnd. läsich S C H I L L E R - L Ü B B E N 2 , 6 3 0 , das mit got. lasiws ,schlaff' im Vokal übereinstimmt, aufgefaßt werden. I m Gegensatz dazu ist der analoge Umlaut zu ä bei dwösich ,töricht' Lb. 2 , F I A sicher. Die unumgelautete Form liegt in mnd. dwásich L A S C H B O R C H L I N G 1 , 5 0 4 vor, einer Erweiterung zu dwäs ,verkehrt, töricht' ebda 503, das in afries. dwés, ags. dwces, mhd. twäs seine Parallelen hat. § 45. Mnd. o, ö, o1, ó2, u, ü/ö, ö, d1, Ö2, ü, ú Wichtig f ü r das Folgende ist die § 41 gewonnene Erkenntnis, daß bei den Wörtern, in denen im Mmeckl. neben den umgelauteten auch umlautlose Formen vorkommen können, die stärkste Beweiskraft f ü r die Umlautlosigkeit den Belegen aus Lb. als dem Denkmal mit der sorgfältigsten Umlautsbezeichnung zukommt. Wörter und Formen, die im Mnd. mit Sicherheit umgelautet sind, jedoch in unseren Denkmälern gelegentlich ohne Umlautsbezeichnung erscheinen, sind im folgenden natürlich nicht mit aufgenommen. a) S u b s t a n t i v a . Wenn in stocke (Dat. Sg.) Wed. C l b gegenüber sonstigem stocke (Dat. Sg.) Lb. 1, 0 3 b (u. ö.) kein Druckfehler vorliegt, ist der Umlaut aus dem PI. stocken (Dat. PI.) Wed. D2 a in den Sg. vorgedrungen wie z. B. auch in mnd. schecht (neben schockt). Vgl. SARATTW 2,18. Im Nmeckl. hat der Sg. allerdings keinen Umlaut: stok K O L Z 6 0 . Demgegenüber ist der Umlaut in: flöhe (Dat. Sg. Fem.) Paw. P 3 a ; (Akk. Sg. Fem.) S2 b nicht aus dem PI. flöe Paw. Q l b übernommen, sondern es handelt sich um eine alte /-Bildung, die von den niederländischen Siedlern
VIII. Umlaut
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in die Mark Brandenburg eingeführt wurde und von dort auch nach Mecklenburg gelangt ist. I m Nmeckl. gilt meist das heimische nd. flö (Mask.). Zur Verteilung von flö (Mask.) und flö (Fem.) im älteren und neueren Meckl. siehe Meckl. Wb. 2, 1006, zur Ausbreitung der beiden Formen im niederländischniederdeutschen Sprachraum vgl. T E U C H E R T , Sprachreste 66; 443 f. yöget (Akk. Sg.) Lb. 1, H 3 a ; jöget (Dat. Sg.) K 3 b ; L3" und ebenso doget Lb. 1, D l a ; M2 a ; vndöget (Nom. Sg.) C3 a , alte ¿-Stämme, haben den Umlaut aus dem Gen., Dat. Sg. in den Nom./Akk. übertragen. Der unumgelautete Nom./Akk. Sg. scheint im Mnd. schon früh beseitigt zu sein, da *däget nach L A S C H - B O R C H L I N G nicht belegt ist. Nmeckl. jce%t, dceyt Meckl. Wb. 2,365 (jceyj het kqin dceyt). Ebenso erklären sich wohl die nur einmal belegten Umlaute lüste (Nom. Sg.) ,Lust' Ez. E 2 b und künstwercke Paw. D3 a (der alte «-Stamm lust ist früh zu den ¿-Stämmen übergegangen, kunst ist alter ¿-Stamm), will man nicht Dentalumlaut annehmen. Jedoch zieht auch N Ö R R E N B E R G § 33 es vor, emdisch lüst, künst als sekundären {-Umlaut zu deuten. Sonst bieten unsere Denkmäler stets die umlautlose Form: lust Ez. C 8 a ; Lb. 1, D l b ; 3, F 3 a ; kunst a 1, M3 ebenso wie nmeckl. li^st Mi 52; kirnst K O L Z 7 0 . Das Nebeneinander fröchte (Nom. Sg.) ,Furcht' Lb. 3, C3 a ; fruchte (Nom. Sg.) ebda; (Dat. Sg.) T 2 b ; fruchten (Dat. PI.) 1, H l a ; 14" (Akk. Sg. Mask.) H 4 a : fruchte (Nom. Sg.) L b l , G4»; D 4 b ; (Dat. Sg.) M3 b ; fruchten (Dat. PL) G4 b ; Jon. D2 a dürfte auf dem Gegensatz zwischen einem i-Stamm, wie er in got. faürhtei (zum Adj. faiirhts), ags. fyrhto vorliegt, und dem ö-Stamm ahd., as. forahta beruhen. Nmeckl. fr%xt, das von hd. fyrxt verdrängt wird Meckl. Wb. 2,1105. ,Mauer' erscheint bei Gryse fast stets in der umgelauteten Form müre (Nom./Akk. Sg.) Slüt. E 2 b ; Ez. E 5 b ; Jon. D 5 b ; rinckmüren (Dat. Sg.) X 3 b ; müren (Dat. PI.) Lb. 2, D 2 b ; mürmeister Paw. B b b l a , die auf eine ahd. muri entsprechende Form zurückgeht. Vereinzeltes muren (Dat. Sg.) Slüt. E 2 b ist wohl nur orthographisch ohne Umlaut. I m Nmeckl. wurde noch lange Umlaut gesprochen, so auch noch von Brinckman ( B E C K M A N N § 95, Anm.), bis ihn das hd. beeinflußte M Ö / K O L Z 99; B E C K M A N N a. a. 0 . verdrängte (nhd. mauer < ahd. müra). voder (Dat. Sg.) ,Fuder' Jon. I 3 b hat den Umlaut aus dem PI. vöder Lb. 1, F f l a übernommen, der seinerseits in Analogie zu den ¿-Stämmen (gast:geste) gebildet ist. Wie in den übrigen nd. Mundarten (vgl. SARAUW 1,285) hat sich auch nmeckl. umgelautetes f