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German Pages 451 Year 1997
JOHANNES HESS
Untemehmensverkäufe der Treuhandanstalt
Schriften zum Wirtschaftsrecht
Band 106
lJnternebmnensverkäufe derlreuhandansUdt Verträge im Spannungsfeld zwischen Arbeitsplatzsicherung und Alteigentümerschutz
Von
Johannes Heß
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Heß, Johannes:
Unternehmensverkäufe der Treuhandanstalt : Verträge im Spannungsfeld zwischen Arbeitsplatzsicherung und Alteigentümerschutz I von Johannes HeB. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 106) Zug!.: Potsdam, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-09175-2
Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
© 1997 Duncker &
ISSN 0582-026X ISBN 3-428-09175-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Vorwort Die Privatisierung der ehemals volkseigenen Kombinate in den neuen Bundesländern durch die Treuhandanstalt war eine gewaltige Herausforderung bei der Neustrukturierung der Wirtschaft in den neuen Bundesländern. Nicht nur der Zusammenbruch der angestammten Märkte in Osteuropa, sondern auch die komplexen Eigentumsverhältnisse erschwerten bei der Privatisierung die Durchsetzung der volkswirtschaftlich und staatspolitisch vorgegebenen Ziele der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen sowie die Durchfilhrung von Investitionen ungemein. Konfrontiert mit solch schwierigen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kam der Vertragsgestaltung bei den Unternehmensprivatisierungen eine Schlüsselrolle zu. Die Umsetzung volkswirtschaftlicher Zwecke als Massengeschäft unter gleichzeitiger strikter Beachtung der Rechte von Alteigentümern erforderte eine atypische Gestaltung vieler Klauseln in den Unternehmenskaufverträgen. Der Autor hat seit Februar 1992 in der Treuhandanstalt respektive deren Nachfolgeorganisation, der Bundesanstalt rur vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, bei der Privatisierung, Sanierung und Abwicklung von Unternehmen in den neuen Bundesländern mitgewirkt; Anlaß genug, sich einer Auswahl der vorgefundenen Rechtsprobleme auch aus der akademischen Perspektive zu nähern. Die Dissertation wurde im Mai 1996 abgeschlossen und lag der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam vor. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Harald Herrmann, der mir großzügig die notwendigen Freiräume bei der inhaltlichen Gestaltung der Arbeit gewährte und darauf achtete, daß der "rote Faden" bei der Vielzahl der angesprochenen Rechtsfragen nicht abriß. Mein herzlicher Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Detlev W. Belling rur die Übernahme des Zweitgutachtens und fUr manche weiterfUhrenden Hinweise. Bedanken möchte ich mich ferner bei den Herren Dr. Manfred Hartung und Dr. Michael Fehling, die wertvolle Anregungen zu Autbaufragen gaben. Für die redaktionelle Durchsicht des Manuskripts spreche ich Herrn Fritz Weispfenning und rur ihre Unterstützung bei der Erstellung der Druckvorlage Frau Ilona Kawgan-Kagan meinen Dank aus. Nicht vergessen will ich die Damen Petra Bartetzko und Dorethea Werner-Busse, die mich aufgemuntert ha-
6
Vorwort
ben, wenn in Anbetracht der Doppelbelastung Beruf und Promotion die Fertigstellung des umfangreichen Werkes innerhalb angemessener Zeit zu scheitern drohte. In Dankbarkeit widme ich diese Arbeit meinen Eltern, die mich in meinem persönlichen und beruflichen Werdegang stets mit all den ihnen zur Verftlgung stehenden Mitteln unterstützt und aufopferungsvoll ihre persönlichen Bedürfnisse zugunsten der Förderung ihrer Kinder hintangestellt haben. Berlin, im April 1997
Johannes Heß
Inhaltsverzeichnis Einleitung .......................... .................. ................................ ......... ............ ................
25
A. Die besondere Aktualität des Unternehmenskaufs seit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten................................................................................
25
B. Die gesetzlichen Grundlagen der Treuhandanstalt................................................
26
I. Die Treuhandanstalt als Bundesanstalt des öffentlichen Rechts.....................
26
II. Die GesellschaftersteIlung und Verfilgungsbefugnis der Treuhandanstalt über die ehemals volkseigenen Kombinate.....................................................
27
III. Der Privatisierungsauftrag der Treuhandanstalt..............................................
29
C. Begriff und Form der Unternehmensprivatisierung ..............................................
31
I. Festlegung des Unternehmensbegriffs.............................................................
31
I. Juristischer und betriebwirtschaftlicher Ansatz .............. ...........................
31
2. Erweiterung des Unternehmensbegriffs nach dem Vermögensrecht .........
33
II. Definition des Unternehmenskaufs .............. ...................................................
34
l. Abgrenzung des Unternehmenskaufs zum Betriebskauf, Teilunternehmenskaufund Inventarkauf.......................................................................
34
2. Die Typen von Unternehmensverkäufen der Treuhandstalt ......................
36
a) Asset deal.............................................................................................
37
b) Share deal.............................................................................................
38
1. Kapitel Die Atypizitlit der Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt
39
A. Die besonderen öffentlich-rechtlichen Bindungen der Treuhandanstalt bei der Unternehmensprivatisierung .................................................................................
40
I. Privatisierung von Unternehmen als öffentliche und staatliche Aufgabe.......
40
8
Inhaltsverzeichnis 11. Vorgaben der Bundeshaushaltsordnung rur die Treuhandanstalt....................
44
1. Gebot der Erlösoptimierung ......................................................................
45
2. Ausschreibung der Unternehmen als Verfahrensmaxime..........................
46
III. Das Privatisierungshandeln der Treuhandanstalt im Brennpunkt des Verwaltungsprivatrechts.......................................................................................
48
1. Anwendungsbereich des Verwaltungsprivatrechts .......... ...... ....... .............
49
2. Die öffentlich-rechtlichen Bindungen der Verwaltung im Verwaltungsprivatrecht. ........................................................................................
50
3. Die Kontroverse um die Einstufung des Privatisierungshandelns der Treuhandanstalt als Verwaltungsprivatrecht ..............................................
51
a) Eingeschränkte Anwendbarkeit des Verwaltungsprivatrechts..............
52
aa) Ablehnung der Analogie zur Leistungsverwaltung ... ....................
52
bb) Ablehnung der Zweistufenlehre .............. ................. .... ..... ..... .... ...
53
cc) Rechtsfolgen bei eingeschränkter Anwendung des Verwaltungsprivatrechts................. ........ ......................... .........................
54
b) Uneingeschränkte Anwendbarkeit des Verwaltungsprivatrechts auf das Privatisierungshandeln der Treuhandanstalt....... ...... .................. ...
56
aa) Gemeinwohlbezug der Unternehmensprivatisierungen .... ............
57
bb) Die Privatisierungsentscheidung als realsubventionierende Leistungsverwaltung ... .............................. ........ ...... ...... ....... ..... ........
58
(I) Begriff der Subvention ...........................................................
58
(2) Formen der Realsubventionierung bei der Unternehmensprivatisierung .. ........ ............................ ...... .... .... ...... ......... ... ........
59
(3) Probleme des Gesetzesvorbehalts bei der Subventionierung durch die Treuhandanstalt ......................................................
60
cc) Subventionsrecht und Zweistufentheorie.................... .... ... ...........
61
B. Gang der Untersuchung ........................................................................................
63
I. Der Stellenwert der investiven gemeinwohl bezogenen Vertragsklauseln .......
63
11. Der Konflikt der Treuhandanstalt zwischen der Durchsetzung von Gemeinwohlzielen und dem Schutz privater Restitutionsanspruche............................
65
Inhaltsverzeichnis
9
2. Kapitel
Standardisierung von gemeinwohlbezogenen und erlösoptimierenden Vertragsklauseln der Treuhandanstalt und ihre Vereinbarkeit mit dem AGB-Gesetz
69
A. Schutzzweck des AGB-Gesetzes ............................. ..................... ........................
70
B. Eingeschränkte Anwendung des AGB-Gesetzes auf Kaufleute............................
72
C. Beweislast für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen...............
72
D. Person des "Verwenders" von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ....................
74
E. Vorformulierte Vertragsbedingungen ...................................................................
74
F. Verwendung in einer "Vielzahl" von Verträgen....................................................
77
G. Aushandeln/Stellen der Vertragsbedingungen......................................................
80
H. Tendenzen in der Rechtsprechung zur Anwendung des AGB-Gesetzes auf die Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt ..................................................
84
I. Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes auf spezifische Klauseln................................
85
J. Privatisierung von Unternehmen als "Massengeschäft" im Sinne von Verbrauchergeschäften nach dem AGB-Gesetz...................... ...... .... .......... .............. .........
89
3. Kapitel
Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln
A. Die Nachbewertungsklausel.................................................................................. I. Vereinbarkeit der Nachbewertungsklausel mit dem Gleichheitssatz des
92
92
Art. 3 GG........................................................................................................
97
11. Vereinbarkeit der Nachbewertungsklausel mit dem AGB-Gesetz ..................
97
B. Die Mehrerlösklausel.............................................. ......... ............... ..... ................. 102 I. Bemessung des Mehrerlöses ..................................... ....... .............. ............ ..... 105
11. Wirtschaftliche Betrachtungsweise und teleologische Reduktion der Mehrerlösklausel .......................................................................................... 106
10
Inhaltsverzeichnis 1. Vermögensübertragungen innerhalb verbundener Unternehmen ............. 108 2. Reinvestition des Mehrerlöses in das privatisierte Unternehmen.............
108
III. Mehrerlösabflihrung bei Kettenveräußerungen ............ .......... ....................... 109 IV. Mehrerlösklausel und AGB-Gesetz...............................................................
110
V. Vereinbarkeit der Mehrerlösklausel mit § 138 BGB ..................................... 110
4. Kapitel Gestaltung und Schranken der gemeinwohlbezogenen investiven Vertragsklauseln
113
A. Bedeutung der Arbeitsplatz- und Investitionsverpflichtung bei der Verwirklichung des Privatisierungsauftrags der Treuhandanstalt........................................ 113 I. Investive Zwecke als Konkretisierung volkswirtschaftlicher Programmsätze. 114 11. Gesetzgebung der investiven Vorfahrsregelungen und Rückkoppelung im investiven Unternehmenskaufvertrag ........... ....................... ....... .................... 114 III. Aufwertung der investiven Vertragsklauseln als Hauptleistungspflichten bei der Unternehmensprivatisierung .................................................... .......... 117 IV. Klagbarkeit der Investitions- und Arbeitsplatzzusagen .................................. 124 B. Absicherung der gemeinwohl orientierten Ziele durch Kaufpreiserhöhungs- oder Vertragsstrafenklauseln ........................................................................................ 125
I. Kaufpreiserhöhungsklauseln ........................................................................... 127 1. Kaufpreiserhöhungsklauseln als Leistung an Erflillungs statt....................
127
2. Kaufpreiserhöhung als verdeckte Form der Vertragsstrafe ........................ 129 11. Vertragsstrafenklauseln................................................................................... 130 1. Dogmatik des Vertragsstrafeversprechens gemäß §§ 339 ff. BGB ........... 130 2. Abgrenzung zwischen den Vertragsstrafenregelungen wegen Nichterflillung und nicht gehöriger Erflillung ...................................... ..................... 131 3. Vertragsstrafe und Schadenskompensation .. ,............................................ 136 4. Vertragsstrafe als Schadenspauschale........................................................ 139 5. Vertragsstrafeversprechen als Garantieabrede........................................... 140 6. Kumulierung von Vertragsstrafe und Rücktritt vom Vertrag .................... 142
Inhaltsverzeichnis
11
C. Gestaltungsspielraum der Treuhandanstalt bei der vertraglichen Absicherung der investiven Zwecke .......................................................................................... 143 I. Selbstbindung des Verwaltungshandelns der Treuhandanstalt aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG................................................................ 144 11. Grenzen der Notwendigkeit einer einheitlichen Vertragsgestaltung............... 146 D. Kontrollflihigkeit der gemeinwohlbezogenen Vertragsklauseln ........................... 148
I. Kontrollflihigkeit der Arbeitsplatzzusagen ...................................................... 149 1. Begriff des Arbeitnehmers und Anrechnung von Teilzeitarbeitsplätzen.... 149 2. Anrechnung von Kurzarbeit....................................................................... 150 3. Mitzllhlung von Arbeitnehmern in verbundenen Unternehmen................. 151 H. Kontrollflihigkeit der Investitionszusagen ...................................................... 152 1. Begriffsbestimmung der Investitionen....................................................... 152 2. Fristbeginn filr die Durchfilhrung der investiven Vorhaben ...................... 156 3. Be\assungszeitraum der Investitionen im Unternehmen ............................ 157 III. Kontrolle der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen nach den Vorgaben des InVorG zum Schutz der Alteigentümer .......................................................... 159 1. Feststellung der Durchfilhrung von investiven Maßnahmen...................... 160 2. Wesentliche Fertigstellung des investiven Vorhabens LS.v. § 13 Abs. 1 InVorG ...................................................................................................... 161 3. Hemmung der Investitionsfrist................................................................... 163 4. Ausschluß der Vertragsstrafe und der Verpflichtung zur Rückübertragung des Unternehmens ............................................................................ 165 5. Analoge Anwendung des Kriteriums der dringenden betrieblichen Erfordernisse auf Privatisierungen ohne RestitutionsansprOche......................... 170 6. Gleichbehandlung der Investoren im Hinblick auf den Ausschluß der Rückübertragungsverpflichtung des Unternehmens................................... 173 E. Rechtliche Grenzen einer gemeinwohlbezogenen Pflichtenbindung von Investoren ......................................................................................................................... 174
I. Vereinbarkeit der Arbeitsplatzzusage mit § 138 BGB .................................... 174 1. Grenzen der Beschränkung des Kündigungsrechts ...... .............................. 175 2. Dauerhafte Sicherung der Arbeitsplätze.. .............................. ..................... 177 11. Vereinbarkeit der Investitionszusage mit § 138 BGB..................................... 179 III. Vereinbarkeit der investiven Klauseln mit dem AGB-Gesetz ........................ 181
Inhaltsverzeichnis
12
IV. Vereinbarkeit der Vertragsstrafen bei investiven Klauseln mit § 138 BGB und dem AGB-Gesetz............. ............ ............ .......................... ............. ......... 183 V. Entfallen der Vertragsstrafe wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ........... 189 1. Dogmatische Herleitung des Rechtsinstituts vorn Wegfall der Geschäftsgrundlage................................................................................................... 190 2. Vorrang der vertraglichen Risikoverteilung ...................................... ........ 190 3. Rechtsfolgen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.................................. 191 4. Wegfall der Geschäftsgrundlage aus Sicht der Investoren ........................ 192 5. Wegfall der Geschäftsgrundlage aus Sicht der Treuhandanstalt................ 193 6. Die Risikoverteilung in den Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt ............................................................................................................ 195 a) Pflicht zur Kaufpreiszahlung und Geschäftsgrundlage.... ..................... 196 b) Vertragliche Risikoverteilung bei Arbeitsplatz- und Investitionszusagen der Investoren ................................................................................ 197 c) Vorrang der ergänzenden Vertragsauslegung im Hinblick auf die Arbeitsplatz- und Investitionszusagen im Restrukturierungskonzept...... 198 d) Wegfall der Geschäftsgrundlage bei zeitlich begrenzten Arbeitsplatzzusagen mit zeitabhängiger Vertragsstrafe.. ................................ ........ 199 e) Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Investitionszusagen mit Vertragsstrafen in Höhe der unterschrittenen Investitionssumme ...................... 199
5. Kapitel Der Konflikt zwischen der raschen Durchführung gemeinwohlbezogener Privatisierungen und dem Schutz der Alteigentümer
202
A. Restitutionsansprüche von Privatpersonen als Hemmnis bei der Unternehmensprivatisierung........................................................................................................ 203
I.
Verfassungsrechtliche Legitimation und Schutzbereich des privaten Restitutionsanspruchs ............................................................................................. 207
11. Entwicklung der Gesetzgebung zu den investiven Vorfahrtsregelungen ........ 212 III. Ablauf des Investitionsvorrangverfahrens ....................................... ............... 215 1. Gleichstellung von share und asset deal nach dem In VorG ........ ........ ...... 217 2. Der Investitionsvorrangbescheid als Wirksamkeitsvoraussetzung für den Privatisierungsvertrag ............................................................................... 218 3. Unterbrechung des Rückübertragungsverfahrens bei den Verrnögensärntern durch das Investitionsvorrangverfahren............................................. 220
Inhaltsverzeichnis
13
B. Das Investitionsvorrangverfahren im Brennpunkt zwischen der Durchsetzung von Gemeinwohlzielen und dem Schutz des Alteigentümer .................. .............. 222 I. Scheitern des Investitionsvorrangverfahrens wegen mangelnder Bonität des Investors......................................................................................................... 222
11. Rücktritt des Investors aufgrund überlanger Dauer des Investitionsvorrangverfahrens ....................................................................................................... 224 III. Abweichende Festsetzungen des Investitionsvorrangbescheids im Vergleich zu den vertraglichen Zusagen des Käufers..................................................... 226 IV. Fehlende Verhältnismäßigkeit des investiven Vorhabens trotz Fehlen eines Gegenkonzepts des Anmelders.... ......... ....... ............... .................... ................ 228 V. Abweichende Festsetzungen im Investitionsvorrangbescheid aufgrund von Gesetzesänderungen....................... .... ...... ............. ....... .......... ...................... ... 229 C. Restitutionsansprüche von Kommunen als Hemmnis bei der Unternehmenspri-
vatisierung ............................................................................................................ 231 I. Funktion des Verrnögenszuordnungsgesetzes bei kommunalen Restitutionsansprüchen ..... ............ .... ................ ............ ............... .... ... ............................ .... 232
11. Abwehr von öffentlichen Restitutionsansprüchen ...................... .................... 234
6. Kapitel
Vertragsrisiken des investiven Unternehmenskaufvertrages wegen des Schutzes der Alteigentümer Der Schwebezustand des investiven Unternehmenskaufvertrages
235
A. Vertragsklauseln der Treuhandanstalt als Mittel der Haftungsbegrenzung bei schwebend unwirksamen Verträgen .................................................................... 237
B. Abhängigkeit der Wirksamkeit des Vertrages vom Eintritt einer Bedingung gemäß § 158 BGB .................................................................................................... 239 I.
Spannungsverhältnis zwischen aufschiebend bedingtem Vertrag und Erfiillung der schuldrechtlichen Verpflichtungen................................................... 240
11. Ablauf der Verjährung beim aufschiebend bedingten Vertrag........................ 244 III. Treuepflichten der Parteien beim aufschiebend bedingten Vertrag ................ 246
14
Inhaltsverzeichnis
1. Vereinbarung von Treuhandverhältnissen bis zum Eintritt der Wirksamkeit des Privatisierungsvertrages ............................................................... 247 2. Formen treuhänderischer Verwaltung und deren Anwendbarkeit auf die Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt .... ................ ..... ........... ... 248 a) Verwaltungstreuhand............................................................................ 249 b) Ermächtigungstreuhand. ....................................................................... 254 c) Vollmachtstreuhand.............................................................................. 255 d) Die treuhänderische Gesellschafterstellung des Investors beim aufschiebend bedingten share-deal.................. ................................ ......... 256 IV. AufwendungsersatzansprUche des Investors bei Nichtwirksamwerden des Vertrages........................................................................................................ 261
c. Schwebende Unwirksamkeit des Unternehmenskaufvertrages unabhängig von
RestitutionsansprUchen ......................................................................................... 263
I. Organvorbehalt der Treuhandanstalt im Privatisierungsvertrag ........ .............. 264
11. Handeln eines vollmachtlosen Vertreters rur die Treuhandanstalt bei Beurkundung des Privatisierungsvertrages .................................................... ........ 264
7. Kapitel Die Unternehmensprivatisierung der Treuhandanstalt im Konflikt mit Rückabwicklungsansprüchen von Investoren und Alteigentümern
267
A. Die Rückabwicklung eines Unternehmenskaufvertrages als Konfliktfall............. 267
B. Rücknahme von Unternehmen durch die Treuhandanstalt außerhalb gesetzlicher und vertraglicher Verpflichtungen................................................................ 269 C. Das Risikopotential in den Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt rur eine Rückabwicklung ...................................................................................... ..... 270 I.
Rückübertragung des Unternehmens wegen Nichteinhaltung der investiven Zusagen nach Ablauf der Zweijahresfrist........................ ............................ .... 271
11. Rückabwicklung des Vertrages wegen Aufhebung des Investitionsvorrangbescheids im Klageverfahren... .............. .... ................. ...... .... ............. ......... .... 277 III. Scheitern des Investitionsvorrangverfahrens .................... ......... ..................... 280
Inhaltsverzeichnis
15
IV. Fehlende Transformation des Investitionsvorrangbescheids in den Privatisierungsvertrag .............................................................................................. 280 V. Vertragliche Rücktrittsrechte.... ..................................................................... 281 VI. Gesetzliche Rücktrittsrechte ............ ....... ...... ....... ........... ...................... ......... 282 VII. Anfechtung des Vertrages ............................................................................. 283
8. Kapitel
Rechtsdogmatische Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt
285
A. Anwendungsbereich der Rechtsmängelhaftung beim Unternehmenskauf............ 287 I.
Rechte Dritter an Unternehmensgegenständen.............................................. 287 1. Leitlinien der Rechtsprechung.. ................................................................ 289 2. Lösungsansätze im Schrifttum................................................................. 290
11. Insbesondere: Unrichtige Angaben über die bestehenden Verbindlichkeiten des Unternehmens beim share deal................................................................. 296 B. Anwendbarkeit des Rechts der Sachmängelgewährleistung auf den share deal.... 300 I.
Aktualität der Fragestellung in Bezug auf die Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt .............................................................................................. 301
11. Standpunkt der Rechtsprechung..................................................................... 303 III. Lösungsvorschläge im Schrifttum ................................................................. 304 C. Einzel- oder Gesamtrechtsbehelf bei Sach- und Rechtsmänge1n von einzelnen Sachen des Unternehmens .................................................................................... 312 I.
Standpunkt der Rechtsprechung...... ................ ............................................... 313
11. Lösungsvorschläge im Schrifttum........ ........ ...................... ............................ 313 1. Einzelrechtsbehelfe bei Sachmängeln.. .................................................... 313
2. Gegenauffassung im Schrifttum: Gesamtrechtsbehelf.................. ............ 315 D. Vertragliche Beschränkung der Haftung aus Sachmängelgewährleistung ....... :.... 316
Inhaltsverzeichnis
16 I.
Vertraglicher Gewährleistungsausschluß durch die Treuhandanstalt............. 317
11. Vertragliche Beschränkung der Haftung auf Kaufpreisminderung .. .... .......... 321 E. Einschränkung der Wandelungsbefugnis beim Unternehmenskauf durch die Rechtsprechung .................................................................................................... 322 I. Einschränkung des Fehlerbegriffs auf ein Unternehmen als Kaufgegenstand. 322
11. Anforderungen der Rechtsprechung an die Zusicherung von Eigenschaften des Unternehmens ......... .............. .......... ........ ................. .... ......... .... ............... 325
III. Erweiterung des Anwendungsbereichs der Haftung aus Culpa in contrahendo .................................................................................................................... 327 1. Vorteile des Haftungsinstituts der c.i.c. aus Sicht der Rechtsprechung..... 329 2. Modifikationen bei den Rechtsfolgen der c.i.c.......................................... 330 3. Kritik und Lösungsvörschläge im Schrifttum............................................ 331 4. Übertragung des Lösungskonzepts der Rechtsprechung auf die Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt ................................................ 337 F. Einschränkung der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen von Gesetzes wegen .. ......... ................................ .................. ...... ........... ................... ........ 340 I. Erschwerung der WandeIung über die §§ 468-470 BGB ................................ 341 11. Anwendung der §§ 351-353 BGB auf den Unternehmenskauf....................... 342 1. Ausschluß des Rücktritts wegen verschuldeten Untergangs oder wesentlicher Verschlechterung i.S.d. § 351 BGB ................................................ 343 2. Ausschluß des Rücktritts wegen Umgestaltung der Sache i.S.d. § 352 BGB ........................................................................................................... 346 3. Belastungen des Unternehmens LS.d. § 353 BGB .................................... 349 4. Verwirkung des Rücktrittsrechts ............................................................... 349 G. Lösungsmodelle praeter legern zur Vermeidung der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen...................................................................................... 350 I.
Ablösung der Sachmängelgewährleistung durch das Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage ..................................................................... 350 1. Unvereinbarkeit der bisherigen Lösungskonzepte in Rechtsprechung und Schrifttum........................................................................................... 351 2. Verwerfung der Rechtsanalogie zum Sachmängelgewährleistungsrecht beim Unternehmenskauf........................................................................... 353
Inhaltsverzeichnis
17
3. Dogmatische Verwandtschaft der Geschäftsgrundlagenlehre mit dem System der Sachmängelgewährleistung..................................................... 355 4. Rechtsfolgen bei Anwendung des Rechtsinstituts vom Wegfall der Geschäftsgrundlage ....................................................................................... 356 S. Dogmatische Einwände gegen die Geschäftsgrundlagenlösung................ 357 6. Partielle Anwendung des Rechtsinstituts vom Wegfall der Geschäftsgrundlage.................................................................................................. 359 7. Erweiterung des Anwendungsbereichs des Rechtsinstituts vom Wegfall der Geschäftsgrundlage in den neuen Bundesländern .............................. 363 a) Bilanzberichtigung betreffend die Werthaltigkeit der Aktivseite der Bilanz ................................................................................................. 363 b) Bilanzberichtigung betreffend die Passivseite der Bilanz ................... 365 c) Entschuldung des Unternehmens......................................................... 365 d) SanierungsTÜckstellungen für zu erwartende Verluste ........................ 366 e) Zu niedrig bemessener Aufwand im Restrukturierungskonzept und drohendes Scheitern der Privatisierung .............................................. 367 f) Fallgruppen für den Anwendungsbereich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ..................... ............................................................. 367
II. Einschränkung der Wandelbarkeit eines Unternehmenskaufvertrages durch Vorschaltung eines Rechts zur Nachbesserung............... ............ .................... 368 III. Rechtsanalogie zur Rechtsprechung betreffend die "fehlerhafte Gesellschaft" beim share deal.................................................................................. 370 1. Dogmatischer Ansatz der Lehre von der "fehlerhaften Gesellschaft" ....... 370 2. Parallelen zwischen Unternehmenskauf und echtem Dauerschuldverhältnis .............................................................................................................. 371 3. Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf den Unternehmenskauf in den neuen Bundesländern....................................... 373 IV. Die schutzwürdigen Interessen Dritter als Einschränkung des Rücktritts ...... 374 H. Bewertung der Lösungskonzepte zur Einschränkung der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen ..................... ...... .................... .................................. 375
9. Kapitel
Die Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt im speziellen
376
A. Grundzüge des gesetzlichen Rückabwicklungsmodells der §§ 346 ff. BGB ........ 377 I. Ersatzfähigkeit der Vertragskosten.................................................................. 379 2 HeB
18
Inhaltsverzeichnis 11. Ersatz von Verzugsschäden............................................................................. 380 III. Zahlung von Vertragsstrafen neben Rücktritt................................................. 381
B. Haftungsverschärfung des Rücktrittsberechtigten bei Kenntnis des Rücktrittsgrunds ................................................................................................................... 381
c. Herausgabe der Nutzungen und Verwendungsersatz gemäß § 347 BGB ............. 383 I. Gewinn als Bestandteil der herausgabepflichtigen Nutzungen ....................... 385
1. Standpunkt der Rechtsprechung ........ ................................ ........................ 385 2. Standpunkt des Schrifttums....................................................................... 386 11. Die Ersatz- und Abzugsfähigkeit von Verwendungen .................................... 391 1. Bestimmung des Verwendungs begriffs ..................................................... 392 a) Standpunkt der Rechtsprechung ............................................ ............... 392 b) Standpunkt des Schrifttums.................................................................. 393 2. Ersatz fiktiver Zinsen auf das eingesetzte Kapital rur die Verwendungen
397
a) Zinsersatz bei notwendigen Verwendungen des Unternehmenskäufers 397 b) Zinsen auf Kapital rur nützliche Verwendungen.................................. 398 III. Nutzungs- und Verwendungsersatz bei der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt ......................................................... 399 D. Austausch von beweglichem Anlagevermögen .................................................... 400 E. Verbrauch von Vorräten........................................................................................ 402 F. Personelle Veränderungen im Unternehmen ......................................................... 402
I. Share deal................ ........................................................................................ 402 11. Asset deal........................................................................................................ 404 G. Rückauflassungsvormerkungen auf den Unternehmensgrundstücken rur den Rückabwicklungsfall........................................................................................... 405 H. Weiterveräußerung von Geschäftsanteilen durch den Investor beim share deal vor Rückabwicklung des Vertrages....................................................... .............. 408 I. Übernahme der vom Investor abgeschlossenen, unternehmensbezogenen Verträge .......................................................................................................................... 411
Inhaltsverzeichnis
19
I. Asset deal ........................................................................................................ 411
11. Share deal........................................................................................................ 414
J. Dingliche Rechte auf den Unternehmensgrundstücken.......................................... 415 K. Sicherungsübereignung von Gegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens. 416
Zusammenfassung der Ergebnisse ......................................................................... 417 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 435 Sachregister ..... :........................................................................................................ 447
Abkürzungsverzeichnis AcP
Archiv für zivilistische Praxis
AFG
Arbeitsförderungsgesetz
AG
Aktiengesellschaft
AGBG
Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
AktG
Aktiengesetz
AnmVO
Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher AnsprUche
BB
Betriebsberater
BerlinFG
Berlinförderungsgesetz
BGBI
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ
Amtliche Entscheidungssammlung in Zivilsachen
BHO
Bundeshaushaltsordnung
BlnvG
Investitionsgesetz
BMin
Bundesministerium
BvS
Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben
c.i.c.
eulpa in eontrahendo
DB
Der Betrieb
DMBilG
D-Markbilanzgesetz
DNotZ
Deutsche Notarzeitschrift
Abkürzungsverzeichnis DÖV
Die öffentliche Verwaltung
DR
Deutsches Recht
DStR
Deutsches Steuerrecht
DtZ
Deutsch-deutsche Rechtszeitschrift
DVBI
Deutsches Verwaltungsblatt
DVO
Durchführungsverordnung
DZWiR
Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
EV
Einigungsvertrag
EWiR
Zeitschrift für Europäisches Wirtschaftsrecht
GesO
Gesamtvollstreckungsordnung
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GrdstVG
Grundstücksverkehrsgesetz
GVG
Grundstücksverkehrsgenehmigung
GVO
Grundstücksverkehrsordnung (früher: GVVO)
HGRG
Haushaltsgrundsätzegesetz
InVorG
Investitionsvorranggesetz
InvZulG
Investitionszulagengesetz
JR
Juristische Rundschau
JuS
Juristische Schulung
JW
Juristische Wochenschrift
JZ
Juristen-Zeitung
KrG
Kreisgericht
21
22
Abkürzungsverzeichnis
LM
Nachschlagwerk des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, Herausgeber: Lindenmaier und Möhring
MBO
Management Buy Out
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
Mot.
Motive zum BGB
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
PGH
Produktionsgenossenschaft des Handwerks
Prot.
Protokolle zum BGB
p.V.V.
Positive Vertragsverletzung
RegE
Regierungsentwurf
RegVBG
Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz
RG
Reichsgericht
RGZ
Amtliche Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen
SMAD
Sowjetische Militäradministration
THA
Treuhandanstalt
THG
Treuhandgesetz
TLG
Liegengesellschaftsgesellschaft der TreuhandanstaltmbH
TreuhUmbenV
Treuhandanstaltumbenennungsverordnung
URüV
Unternehmensrückgabeverordnung
VEB
Volkseigener Betrieb
VEK
Volkseigenes Kombinat
VermG
Vermögensgesetz
VermRÄndG
Vermögensrechtsänderungsgesetz
Abkürzungsverzeichnis
23
VIZ
Zeitschrift rur Verrnögens- und Investitionsrecht
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
VZOG
Vermögenszuordnungsgesetz
WiB
Wirtschaftsrechtliche Beratung
WM
Wertpapier-Mitteilungen
WR
Zeitschrift rur Wirtschaftsrecht
ZAP
Zeitschrift rur die Anwaltspraxis
ZGR
Zeitschrift rur Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
ZHR
Zeitschrift rur das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
ZIP
Zeitschrift rur Wirtschaftsrecht und Insolvenzrecht
ZPO
Zivilprozeßordnung
ZOV
Zeitschrift für offene Vermögensfragen
Wegen weiterer Abkürzungen wird auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der deutschen Rechtssprache, 4. Auflage, 1993, verwiesen.
Einleitung A. Die besondere Aktualität des Unternehmenskaufs seit der Wiedervereinigung der bei den deutschen Staaten Seit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 ist der Aufbau der Marktwirtschaft in den neuen Bundesländern eine zentrale Aufgabe der Politik. Schon im Vorfeld der Wiedervereinigung waren die Voraussetzungen rur die Auflösung des Volkseigentums in der Deutschen Demokratischen Republik und die Überfiihrung großer Teile desselben in Privateigentum zu schaffen. Diese Aufgaben wurden zum Großteil der zu diesem Zweck geschaffenen Privatisierungsbehörde Treuhandanstalt übertragen. Annähernd achttausend ehemals staatlich geleitete Industriebetriebe mit ca. 40 000 Betriebsstätten wurden unter treuhänderische Verwaltung gestellt'. Die Treuhandanstalt sollte gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag alle diese Betriebe schnellstmöglich in die Privatwirtschaft überfiihren 2 • Zum Jahresende 1994 hatte die Treuhandanstalt bis auf ca. 70 Unternehmen rur alle unter ihrer treuhänderischen Verwaltung stehenden Unternehmen, darunter auch einige Großbetriebe mit einer Gesamtzahl von wenigen zehntausend Arbeitnehmern, private Investoren gefunden, eine beachtliche Leistung I Zahlenangaben aus Immenga, NJW 1993, 2471 ff.: Die Kombinate wurden noch entflochten, so daß schließlich ca. 12500 zu privatisierende Unternehmen entstanden; Möschel, ZGR 1991, 175, 183: Bei dem Treuhandvermögen steht das ehemals volkseigene Industrievermögen der DDR im Vordergrund. Es umfaßt ca. 8000 Betriebe mit etwa 40000 Betriebsstätten, darunter 100 Kombinate mit Holding-Charakter. 6 Mio. Beschäftigte gehören dazu. Die 100 Kombinate sowie ca. 1500 weitere Betriebe mit überregionaler Bedeutung werden von der Zentrale der Treuhandanstalt betreut. 6400 sogenannte kleinere Unternehmen werden von den Niederlassungen der Treuhandanstalt betreut. Davon sind ca. 2000 an die Kommunen zu übertragen, etwa 1000 zu liquidieren (Anm: diese Zahl ist Ende 1995 auf3.700 angewachsen) und 3000 verkaufsfähig ... Das Treuhandgesetz sah ursprünglich die Bildung von operativen Treuhand-AG vor. Die Idee kam aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Die Vorstellung wurde nicht realisiert. Der Ausbau der bereits vorhandenen Niederlassungen galt als flexibler. 2 Zutreffend Immenga, NJW 1991,2471 ff., vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 THG: "Das volkseigene Vermögen ist zu privatisieren. Dem entspricht die Formulierung in der Präambel, wonach beabsichtigt ist, "die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch Privatisierung so rasch und so weit wie möglich zurückzufiihren".
26
Einleitung
unter den ebenso einmaligen wie schwierigen historischen Realitäten. Mit Stichtag vom 1.1.1995 trat nach der Treuhandanstaltumbenennungsverordnung (TreuhUmbenV) die Nachfolgeorganisation der Treuhandanstalt, die Bundesanstalt tUr vereinigungs bedingte Sonderaufgaben (BVS) auf den Plan. Allein schon durch die Namensänderung, die mit einem stetigen Personalabbau parallel zu der Abarbeitung der Sonderaufgaben in den neuen Bundesländern einhergeht, sollte ein Zeichen tUr den Wandel von der Privatisierungsbehörde hin zu einer Behörde mit Verwaltungs- und Kontrollfunktionen gesetzt werden. Nicht zuletzt der schmerzhafte Prozeß der kurzfristigen Umwandlung der Unternehmen hin zur sozialen Marktwirtschaft, verbunden mit einem rapiden Abbau von industriellen Arbeitsplätzen, filhrte bei der Bevölkerung in Ostdeutschland zu einer stark negativ gefärbten Einstellung gegenüber dem "Jobkiller" Treuhandanstalt. Wegen der allgemeinen IdentifIkation der gesamten Bevölkerung mit der Bezeichnung "Treuhandanstalt" wird daher im folgenden der alte Behördenname der neuen, farblosen Bezeichnung BVS vorgezogen. Es ist denn auch keineswegs so, daß mit dem politisch erwünschten Verschwinden des alten Namens irgendein Problem aus der Phase der vorrangigen Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt schneller gelöst worden wäre. Da die Privatisierungsverträge den Investoren meistens zumindest mittelfristige vertragliche Pflichten wie die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Durchfilhrung von Investitionen im Unternehmen auferlegen, bestehen im Rahmen dieser Dauerschuldverhältnisse Pflichten von beträchtlicher rechtlicher und wirtschaftlicher Bedeutung und Brisanz.
B. Die gesetzlichen Grundlagen der Treuhandanstalt I. Die Treuhandanstalt als Bundesanstalt des öffentlichen Rechts Die Treuhandanstalt wurde errichtet aufgrund des noch von der Volkskammer der ehemaligen DDR beschlossenen "Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens" (THG) vom 17.6.1990. Sie ist rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts, vgl. § 2 Abs. 1 THG 2a • Die Treuhandanstalt kann der gebräuchlichen Defmition einer Anstalt nicht zugeordnet werden. Weder die von ihr verwalteten Unternehmen noch die an deren Erwerb Interessierten können als Benutzer im herkömmlichen Sinne bezeichnet werden, noch kann angenommen werden, daß sie zum Zwecke der Aussonderung des Verwaltungskomplexes Privatisierung und Reorganisation des ehemals volkseigenen Vermögens errichtet bzw. von der
2.
GBI DDR 11990, S. 313. - Zum Anstaltsbegriffvgl. Löwer, DVB11985, 928 ff.
B. Gesetzliche Grundlagen der Treuhandanstalt
27
BRD fortgefiihrt wird. Für die gesetzliche QualifIkation der Treuhandanstalt als öffentlich-rechtliche Anstalt ist dies letzIich aber irrelevant. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, Institutionen des öffentlichen Rechts derjenigen Organisationsform zuzuordnen, in der die Aufgaben am ehesten verwirklicht werden können2b • Art. 25 Abs. 1 des Einigungsvertrages (EV) bestätigt die Fortgeltung der Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit der Treuhandanstalt. Die Kompetenz des Bundes für die "Übernahme" der durch den Staat DDR gegründeten Treuhandanstalt durch das Einigungsvertragsgesetz folgt aus Art. 87 Abs. 3 GG. Gemäß Art. 87 Abs. 3 GG können für Angelegenheiten, für die dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zusteht, bundesunmittelbare Anstalten durch Bundesgesetz errichtet werden. Eine Gesetzgebungskompetenz für die Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens in den neuen Bundesländern läßt sich dem Kompetenzkatalog des GG naturgemäß nicht entnehmen, da es sich hierbei um eine nach der Wirtschaftsverfassung der BRD nicht vorgesehene Aufgabe handele. Insoweit kann aber der "Kehrseitengedanke" zur Begründung einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 71 Nr. 14 und 15 GG herangezogen werden4 • Unabhängig von der dogmatischen Zweifelsfrage muß man die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Ergebnis aber schon im Hinblick auf die faktischen Gegebenheiten, wie sie Bundesregierung und der Bundesgesetzgeber bei Abschluß des Einigungsvertrages vorfanden, bejahen. Die Treuhandanstalt bestand unter der Trennung beider deutscher Staaten im Gebiet der DDR als Anstalt des öffentlichen Rechts des Staates DDR. Es ist für die Beibehaltung ihres Status als Bundesanstalt unschädlich, daß ihr Betätigungsfeld nach der Vereinigung beider deutscher Staaten auf das Gebiet der ehemaligen DDR beschränkt ist. 11. Die Gesellschafterstellung und Verfügungsbefugnis der Treuhandanstalt über die ehemals volkseigenen Kombinate Die Treuhandanstalt wurde gemäß § lAbs. 4 THG Inhaber der Anteile der Kapitalgesellschaften, die durch Umwandlung der im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragenen volkseigenen Kombinate, Betriebe, Einrichtungen und sonstigen juristisch selbständigen Wirtschaftseinheiten entstehen oder 2b Weimar, Treuhandgesetz (im folgenden zitiert: THG), Kommentar, § 2, S. 58, Rdn. 1 f. 3
Weimar, THG, § 2, Rdn. 4.
4 Weimar, THG, § 2, Rdn. 5: Da dort die Gesetzgebungskompetenz rur Enteignung verankert ist, so kann dies auch rur den umgekehrten Fall der Reprivatisierung gelten.
28
Einleitung
bis zum Inkrafttreten des Gesetzes bereits entstanden sind. Wirtschaftseinheiten, die bis zum 1.7.1990 - Inkrafttreten des THG - noch nicht in Kapitalgesellschaften umgewandelt waren, wurden gemäß § 11 Abs. 2 THG kraft Gesetzes in Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung umgewandelt. Diese Umwandlung bewirkt gleichzeitig den Übergang des Vermögens aus der Rechtsträgerschaft der bisherigen Wirtschaftseinheit sowie des in Rechtsträgerschaft befmdlichen Bodens in das Eigentum der Kapitalgesellschaft. § 2 Abs. 3 S. 3 VermG Ld.F. vom 2.12.1994 stellt klar, daß insbesondere auch die Treuhandanstalt als "Verfügungsberechtigter" im Sinne des Vermögensgesetzes gilt, wenn ihr die Anteile an Unternehmen nach S. I unmittelbar oder mittelbar allein zustehen5 . Insoweit vertritt sie die Verfügungsberechtigte, und zwar die Kapitalgesellschaft, allein, vgl. § 2 Abs. 3 S. 3 VermG. Die Treuhandanstalt ist Verfügungsberechtigte im Sinne dieser Vorschrift, weil sie die unmitttelbare Inhaberin der nach § 11 Abs.1 S. 2 THG in AG's umgewandelten volkseigenen Kombinate und mittelbare Inhaberin der Geschäftsanteile derjenigen GmbH's ist, die den in AG's umgewandelten Kombinaten vor dem 1. Juli 1990 unterstellt waren 6 • Die in § 2 Abs. 3 VermG geregelte Vertretungsbefugnis der Treuhandanstalt in den Fällen, daß ihr die Anteile an vefügungsberechtigten Kapitalgesellschaften unmittelbar oder mittelbar allein zustehen, ist keine Regelung der Verfügungsbefugnis und ist streng davon zu trennen7 . Die Bestimmung trifft keine materielle Befugnis der Treuhandanstalt, sondern regelt lediglich ihre Vertretungsbefugnis im vermögensrechtlichen Verfahren nach §§ 30 ff. VermG. Sofern die Treuhandanstalt nach § 3 Abs. I UmwandlungsVO oder § lAbs. 4 THG Anteilseignerin von in Kapitalgesellschaften umgewandelten ehemaligen volkseigenen Wirtschaftseinheiten ist, ist sie zwar zur Verfügung über ihre Anteilsrechte, nicht aber über einzelne Vermögensgegenstände der Gesellschaften befug{
S
Insoweit noch einmal KlarsteIlung des VermG a.F.
6 Försterling, Recht der offenen Vermögensfragen (im folgenden zitiert: Vermögensfragen), 1993, S. 94, Rdn. 241. 7 Wasmuth, in: RVI, B 100, VermG, § 2 Rdn. 98; Ebbing, Oie Verkaufspraxis der Treuhandanstalt (im folgenden zitiert: Verkaufspraxis), 1995, S. 170, Fn. 19 m.w.N. 8 Wasmuth, in: RVI, B 100, VermG, § 2, Rdn. 92; Messerschmidt, VIZ 1991,2,4; Wente, VIZ 1992, 125, 127; a. A. Leo, OB 1991, 1505, 1506; Dornberger/Dornberger OB 1991,897,898.
B. Gesetzliche Grundlagen der Treuhandanstalt
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111. Der P.rivatisierungsauftrag der Treuhandanstalt Nach Art. 25 Abs. 1 EV ist die Treuhandanstalt beauftragt, gemäß den Bestimmungen des Treuhandgesetzes die früheren volkseigenen Betriebe wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren. Auch Art. 25 Abs. 3 EV trägt insoweit dem THG Rechnung, als nach § 2 Abs. 6 THG die Treuhandanstalt u.a. die Strukturanpassung der Wirtschaft an die Erfordernisse des Marktes zu f6rdern hat9 • Das Treuhandgesetz konkretisiert in seinen §§ 1, 2 und 8 die AufgabensteIlung aus Art. 25 EV. Die grundlegende Aufgabenbeschreibung des § 1 Abs. 1 THG lautet: "Das volkseigene Vermögen ist zu privatisieren." Diese Bestimmung wird über ihren Charakter als bloße Aufgabenzuweisung hinaus als bindender Gesetzesbefehl angesehen und dementsprechend wird eine Rechtspflicht zur Privatisierung konstatiert lO • Präzisiert wird der Privatisierungsauftrag in den §§ 2 und 3 der Satzung der Treuhandanstalt, wobei insbesondere in § 3 einzelne Durchführungsmaßnahmen zur Privatisierung aufgeführt werden. Am klarsten ist der von der Treuhandanstalt zu erfilllende Auftrag in § 8 THG formuliert. Dort heißt es, über Treuhand-AG's (§ 8 Abs. 1 THG) seien "folgende Aufgaben unternehmerisch und weitgehend dezentral" zu lösenlI: - Privatisierung durch Veräußerung von Geschäfts- oder Vermögensanteilen - Sicherung der Existenz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen - Stillegung und Verwertung des Ve~ögens von nicht sanierungsfähigen Unternehmen oder Unternehmensteilen
Ir
9 Kiethe, RVI, Restitution, Entschädigung und Investitionen in der ehemaligen DDR (im folgenden zitiert: Restitution), Rdn. 53; Bundestagsdrucksache 11/7760; S. 367. 10 BleckmanniErberich, Die Treuhandanstalt und ihre Unternehmen (im folgenden zitiert: Treuhandanstalt), in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Bd.l, Rdn. 21.
11 Spoerr, Treuhandanstalt und Treuhandunternehmen zwischen VerfassungsVerwaltungs- und Gesellschaftsrecht (im folgenden zitiert Treuhandanstalt), S. 32: Ursprünglich konnte die Norm für die Treuhandanstalt nicht gelten, da entgegen der ursprünglich zwingenden Anordnung des § 7 Abs. 2 THG alter Fassung die TreuhandAG nicht gegründet wurden. Statt dessen übernahm die Treuhandanstalt die Arbeit selbst. Der Gesetzgeber genehmigte dies im Frühjahr 1991, indem er den zwingenden § 7 THG in eine Kann-Vorschrift umwandelte. Indem die Treuhandanstalt den Auftrag ihrer Untergliederungen in eigener Regie übernahm, mußte sie ihn auch so übernehmen, wie ihn das Gesetz inhaltlich konkretisiert. 12 Zur Frage des Rangverhältnisses und der Gewichtung der einzelnen AufgabensteIlungen vgl. zutreffend bspw. Ebbing, Verkaufspraxis, S. 315 ff.. Entgegen Kiethe, Nachverhandlungen mit der Treuhandanstalt (im folgenden zitiert: 'Nachverhandlungen)
30
Einleitung
Die Treuhandanstalt hat bei der Privatisierung der Unternehmen eine Mehrzahl eigenständiger Ziele zu verfolgen, die vom Gesetzgeber nicht in ein hierarchisches Verhältnis zueinander gestellt worden sind \3. Es handelt sich hierbei um - Schnelligkeit der Privatisierung Die unternehmerische Tätigkeit des Staates ist nach der Präambel des THG so rasch und so weit wie möglich zurUckzufUhren. Danach ist eine zügige Privatisierung im Einzelfall selbst dann ermessensfehlerfrei, wenn durch längeres Zuwarten andere Ziele besser erreicht werden können. - Vollständigkeit der Privatisierung Aus der Formulierung der Präambel "so weit wie möglich" kann geschlossen werden, daß die Vollprivatisierung anzustreben ist; eine Teilprivatisierung kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn anders eine Privatisierung absolut nicht möglich wäre. Es wird vertreten, daß § 1 THG ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB ise 4 • So habe das Treuhandgesetz, vor allem § 1 THG, eine wirtschaftslenkende Funktion. Dies hätte zur Folge, daß alle Rechtsgeschäfte der Treuhandanstalt, die nicht auf das Ziel der Privatisierung gerichtet sind oder diese Zielbestimmung verfehlen, nichtig sind. Diese Auffassung ist abzulehnen, da die allgemeine Wirtschafts- oder Regionalförderung nicht zu den Aufgaben der Treuhandanstalt zählt. Das Treuhandgesetz hat keinen wirtschaftslenkenden Charakter. Vielmehr bezweckt das Treuhandgesetz die Förderung einer privatwirt-
1994, S. 2 ff. kann von einem gesetzgeberischen Zielkonflikt zwischen Sanierung und Privatisierung keine Rede sein. 13 An den gesetzlichen Regelungen über die Aufgaben der Treuhandanstalt wird kritisiert, daß es sich hierbei im Grunde genommen um ein"unsystematisches und verworrenes Knäuel von im Grunde richtigen Einzelaufträgen handele". Die gesetzlichen Grundlagen erlaubten mit ihrer "terminologischen Inkonsequenz" ein "gesetzliches Suchspiel" mit weitgehend beliebigem Ausgang fIlr Aufträge und Bindungen der Treuhandanstalt. Die normativen Grundlagen fIlr die Durchfllhrung der Privatisierung bleiben erstaunlich unbestimmt. Der Treuhandanstalt verbleibt ein relativ großer Handlungsspielraum, der sich vor allem auch auf die rechtliche Gestaltung der Unternehmenskaufverträge auswirkt.
14 Messerschmidt, in: RVI, Unternehmensrecht und Unternehmenskauf in den neuen Bundesländern (im folgenden zitiert: Unternehmensrecht), Rdn. 77; Möschel, ZGR 1991,175,178.; Bechtolf, Möglichkeiten einer rechtlich und ökonomisch operationalen Optimierung im treuhandgesetzlichen Privatisierungsprozeß (im folgenden zitiert: Privatisierungsprozeß), 1993, S. 219; Weimar, ZIP 1991, 105 ff.
c. Begriff und Form der Untemehmensprivatisierung
31
schaftlich gelenkten Wirtschaftsordnung 15. Bei der Gewichtung der Ziele und der Lösung von Zielkonflikten im Einzelfall hat die Treuhandanstalt nach der Präambel zum TreuhG und gemäß § 8 THG einen weiten Beurteilungsspielraum. - Schaffung effizienter Wirtschaftsstrukturen Nach § 2 Abs. 6 THG hat die Treuhandanstalt darauf hinzuwirken, daß sich durch zweckmäßige Entflechtung von Unternehmensstrukturen marktfiihige Unternehmen herausbilden und eine effiziente Wirtschaftsstruktur entsteht. Die Treuhandanstalt hat demnach darauf zu achten, daß Marktformen mit hoher Wettbewerbsintensität entstehen. Hierfür kann es im Einzelfall etwa angezeigt sein, mittelständische Strukturen, beispielsweise durch Management-Buy-Out (MBO), d.h. die Übernahme des Unternehmens durch leitende Angestellte, zu bevorzugen. - Erzielung von Erlösen Die Treuhandanstalt ist als Unternehmen in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts zusätzlich, wenn auch in eingeschränktem Maße, an das öffentliche Haushaltsrecht gebunden, vgl. § 112 Abs. 2 BH0 16 •
C. Begriff und Form der Unternehmensprivatisierung J. Festlegung des Unternehmensbegriffs Der Treuhandanstalt obliegt die Privatisierung der ehemaligen Kombinate und volkseigenen Betriebe der DDR, die nur bedingt mit den Unternehmen westlicher Prägung vergleichbar sind. Daher ist zunächst eine Begriffsbestimmung des Unternehmens sowie deren Einbindung in das Vermögensrecht der neuen Bundesländer vorzunehmen. Es fragt sich, mit welchen Modifikationen der Gesetzgeber das Unternehmensmodell der sozialen Marktwirtschaft auf die neuen Bundesländer überträgt. 1. Juristischer und betriebwirtschaftlicher Ansatz
Die Rechtsprechung war aufgefordert, eine juristische Defmition des Begriffs Unternehmen zu entwickeln, da eine solche weder im Bürgerlichen
15 16
Busche, in: RVI, B 200 TreuhG, § 1 Rdn. 5. Vgl. Kap. 1 Abschn. 11.
Einleitung
32
Gesetzbuch (BGB) noch in anderen verwandten Gesetzen existiert. Dies ist ihr bis zum heutigen Tag nur unzureichend gelungen, wie die dazu ergangenen Entscheidungen beweisen, die sich um eine Begriffsbildung bemühen I7. Hiernach ist ein "Unternehmen" weder eine Sache noch ein Recht, sondern ein Inbegriff von Sachen, Rechten, tatsächlichen Beziehungen, Vertragspositionen, Marktanleihen, Ressourcen, Geschäftschancen, Arbeitsverträgen und ähnlichem mehr l8 . Die Rechtspraxis orientiert sich vorrangig an der betriebswirtschaftlichen Defmition des Unternehmensbegriffs. Die Betriebswirtschaftslehre definiert das Unternehmen als eine ökonomische Einheit der Gesamtwirtschaft, die von einem Unternehmer auf eigene Rechnung und Gefahr zum Zwecke des Erwerbs betrieben wird l9 . Das Unternehmen ist somit eine Gesamtheit von Sachen und Rechten, tatsächlichen Beziehungen und Erfahrungen sowie unternehmerischer Handlungen 2o . Der Unternehmensbegriff wird somit nicht nur von dem in dem Unternehmen gebundenen Vermögen geprägt, sondern auch von den Außenbeziehungen des Unternehmens, der Einbindung in den Markt, und von den Beziehungen nach innen ("Betrieb,,)21. Sind die für das 17 Vgl. Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, (im folgenden zitiert: Unternehmens" kaut), 3. Aufl. 1991, S. 3.; Quack. ZGR 1982, 350 ff., 351, K. Schmidt, ZGR 1980,277, 280; Raiser, Das Unternehmen als Organisation, 1969, S. 15 ff..; RGZ 170,292,298: Das Unternehmen ist eine Organisation, durch welche körperliche Sachen und Rechte, aber auch Umstände, die weder körperliche Sachen noch Rechte sind, z.B. nach Lage, Beruf, Kenntnis der Bezugsquellen usw., einem wirtschaftlichen Zweck dienstbar gemacht werden; vgl. z.B. BGHZ 74, 359, 364, in dem das Unternehmen als ein "Gebilde" bezeichnet wird, das sich institutionell und funktionell im hergebrachten Sinne darstellt. 18 Vgl. Holzapjel/Pöllath, Recht und Praxis des Unternehmenskaufs (im folgenden zitiert: Unternehmenskaut), 7. Aufl. 1994, S. 62. 19 Vgl. Hommelhoff, Die Sachmängelhaftung beim Unternehmenskauf (im folgenden zitiert: Sachmängelhaftung), 1975, S. 14 f. 20
Siehe auch Ballerstedt, ZHR 134 (1970), 251, 260.
21 Vgl. Hommelhoff, Sachmängelhaftung, S. 3 und 5 ff. wonach ein Unternehmen mehr ist als die bewerteten Anlagevermögen, Vorräte, Patente etc.. Den überschießenden Mehrwert bilden die sogenannten "unkörperlichen Geschäftswerte" in der Unternehmensorganisation, der Ruf bei Kunden und Lieferanten, die Chancen auf den Absatzmärkten, Geschäftserfahrungen und -geheimnisse. Das Unternehmen ist auch gekennzeichnet durch die unternehmerische Tätigkeit in diesem. Raiser, ZHR 144 (1980), 206 ff. und K. Schmidt, Handelsrecht, 4.Aufl. 1994, 51 f. schlagen vor, entweder weitergehend auch die Unternehmensziele als Definitionsmerkmal eines allgemeinen rechtlichen Unternehmens begriffs zu verwenden oder einschränkend das Auftreten am Markt als entscheidendes Kriterium der Unternehmenseigenschaft anzusehen.
C. Begriff und Form der Unternehmensprivatisierung
33
Unternehmen bestimmten Gegenstände und Einrichtungen sowie die Geschäftsbeziehungen (Außen- und Innenbeziehungen) nicht mehr vorhanden, so erlischt das Unternehmen22 • Das Unternehmen als Einheit in dem vorgenannten defmierten Sinn ist nicht rechtsflihig 23 • Es kann im Rechtsverkehr selbst nicht auftreten, sondern bedarf eines Rechtsträgers (Rechtsform). Dieser kann eine juristische Person (z.B. AG, GmbH), eine Personengesellschaft (OHG, KG, GmbH & Co.KG) oder ein Einzelunternehmen sein. Nur der Vermögensträger kann das Unternehmen zum Gegenstand eines Kaufgeschäfts machen. Von einem Unternehmenskauf kann nach vorgenannter Defmition nur gesprochen werden, wenn entweder das Unternehmen als Ganzes, oder zumindest nahezu alle Bestandteile, verkauft werden. 2. Erweiterung des Unternehmensbegriffs nach dem Vermögensrecht
Eine Legaldefmition des Terminus Unternehmen existiert auch im Vermögensrecht der neuen Bundesländer, speziell im VermG, niche4 . Der Begriff Unternehmen wird allerdings im VermG an mehreren Stellen verwendet, wie beispielsweise in § 2 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 2, 3. HS; § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 VermG usw. Zur Auslegung und näheren Bestimmung des Unternehmens begriffs im Sinne des Vermögensrechts muß auf die Unternehmensrlickgabeverordnung (URüV) zurückgegriffen werden. Der Begriff des Unternehmens im restitutionsrechtlichen Sinne bezeichnet gern. § 1 Abs. 1 S. 2, 3 URüV jede Vermögensmasse, einschließlich der Schulden, die sich aus Sachen, d.h. aus sämtlichen Gegenständen des Aktiv- und Passivvermögens einschließlich des Eigenkapitals und der in der Bilanz ausgewiesenen Sonderposten, sowie aus vermögenswerten Rechten und Pflichten zusammensetzt, auch wenn sie weder im Inventar verzeichnet noch in die Bilanz aufgenommen worden sind, wie z.B. bei schwebenden Verträgen25 • Der Unternehmensbegriff im vermögensrechtlichen Sinn ist somit dadurch gekennzeichnet, daß er Vermögensgegenstände oder vermögenswerte Rechte und Pflichten umfaßt, die für den Geschäftsbetrieb des Unternehmens Bedeutung haben. Vermögenswerte Rechte sind z.B. Urheberrechte, Verwertungsrechte, Forderungen, auch imma22
BayOblG BB 1984, 92.
23
BeisellKlumpp, Unternehmenskauf, S. 4.
24 BrettholleIKöhler-Apel, in: RIRIB, VermG, § 2 Rdn. 50; Wasmuth, in: RVI, B 100, VermG, § 2 Rdn. 75 f. 2S FieberglReichenbach, in: FieberglReichenbach/MesserschmidtlNeuhaus (im folgenden zitiert: FIRlMIN), VermG, § 2 Rdn. 36.
3 HeB
34
Einleitung
terielle Vennögenswerte wie der gute Name etc. § 1 Abs. 2 URüV bestimmt aber auch darüber hinaus, daß ein Unternehmen auch dann vorliegt, wenn es den Betrieb eines Grunderwerbs unter den Vorausetzungen des § 4 HGB (Minderkaufleute), den Betrieb eines Handwerks oder sonstigen Gewerbes (Kleingewerbebetriebe) oder den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zum Gegenstand hat26 . Der Vennögenswert Unternehmen beinhaltet somit einen umfassenden Unternehmensbegriff, der erheblich weiter reicht als der kaufmännische Unternehmensbegriff. Von einem Vennögenswert Unternehmen ist immer dann auszugehen, wenn eine organisatorische miteinander verbundene Vielfalt von Vennögenswerten der Ausübung eines Gewerbes im weitesten Sinne gedient hat und weiterhin dienen könnte, ohne aber ausschließlich eine berufliche Existenz sichern zu müssen27 • Auf die Größe des Betriebes kann es rur die Abgrenzung nicht ankommen. Von einem Unternehmen ist immer dann zu sprechen, wenn die von dem Vennögensverlust betroffenen Vennögenswerte in ihrer organisatorischen Zusammenfassung der Ausübung eines Gewerbes im weitesten Sinne gedient haben und auch nach heutigen Maßstäben wieder Grundlage rur eine berufliche Existenz in Fonn eines Gewerbebetriebes sein können28 • 11. Definition des Unternehmenskaufs Der klassische Unternehmenskauf in seinen verschiedenartigen Ausprägungen ist von verwandten Untergruppierungen abzugrenzen. Die Praxis der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern ist auf ihre dogmatische Verwandtschaft in Bezug auf den Unternehmenskauf in den Fonnen des share und asset deals zu überprüfen. 1. Abgrenzung des Unternehmenskaufs zum Betriebskauf, Teilunternehmenskauf und Inventarkauf
Unpräzise ist es, wenn in der Praxis auch der Verkauf eines rechtlich nicht verselbständigten Teils eines Unternehmens als Unternehmenskauf bezeichnet wird. Im Rechtssinne liegt kein Unternehmenskauf vor, weil nicht das Unternehmen als Ganzes, sondern nur ein Teil hiervon verkauft wird. Es handelt sich hierbei um den Kauf eines Betriebes. Beim Betriebskauf wird ein zusammen26
Wasmuth, in: RVI, B 100 VennG, § 2 Rdn. 75.
27 Brettholle/Köhler-Apel, in: RlRIB, VennG, § 2 Rdn. 51; Wasmuth, in: RVI, B 100 VennG, § 2 Rdn. 76 a, m.w.N. 28
Fieberg/Reichenbach, in: F/RiM/N, VennG, § 2 Rdn. 37.
c. Begriff und Fonn der Unternehmensprivatisierung
35
hängender Teil eines Unternehmens mit dem ihm zugeordneten Produktionsapparat übertragen, dagegen nicht die dem Unternehmen als Ganzes zuzurechnenden immateriellen Wirtschaftsgüter, zum Beispiel der sogenannte "goodwill,,29. Wenn dagegen über die Produktionsanlagen etc. hinaus die unternehmerischen Komponenten des Bereichs veräußert werden sollen, also die produktbezogenen Kenntnisse, die Markenrechte, die marktbezogenen Kenntnisse und Beziehungen, d.h. der "good-will", soweit er mit diesem Unternehmensbereich zusammenhängt, so ist der Vertragsgegenstand in einer Weise wettbewerbsdynamisch geprägt, daß es gerechtfertigt und erforderlich ist, den Vertrag als Kauf eines Unternehmensbereichs (Teilunternehmenskaut) den Regeln des Unternehmenskaufs zu unterstellen30 • Bei dem Betriebs- und Teilunternehmenskaufvertrag ist der Kaufgegenstand ebenso wie beim Unternehmenskauf in dem Kaufvertrag genau zu bezeichnen. Da lediglich bestimmte Gegenstände und Rechte eines Betriebes veräußert werden, bedarf es einer konkreten Bezeichnung aller Kaufgegenstände, z.B. die Aufzählung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, fertigen und unfertigen Erzeugnissen sowie die Übernahme konkreter Verbindlichkeiten, die dem Betrieb zugeordnet sind und verkauft werden sollen. Eine Ausnahme bildet der Übergang bestehender Arbeitsverhältnisse, da § 613 a Abs.l BGB seinem Wortlaut nach auch bei der Übertragung eines Betriebes oder Betriebsteils gile l . Bei dem Verkauf nur einzelner Wirtschaftsgüter eines Unternehmens handelt es sich schließlich um einen sogenannten Inventarkauf. Die Abgrenzungen zum Unternehmens-, Teilunternehmens- und Betriebskauf einerseits und einem 29 Hommelhoff, ZHR 150 (1986), 254, 261: Wird allein der technisch-wirtschaftliche Produktionsapparat und die in ihm beschäftigte Belegschaft übergeleitet, so umfaßt der Kaufvertrag zwar auch unkörperliche Geschäftswerte, d.h. die Organisation des Produktionsapparates sowie die Kenntnisse und Fertigkeiten der ihm zugeordneten Belegschaft. Ausgespart bleiben jedoch regelmäßig die produkt-/marktbezogenen Werte, produktionsbezogenes Herstellungs Know-how, Geheimverfahren, auf Absatz und Nachfrage bezogene Kenntnisse, Beziehungen zu Lieferanten und Abnehmer, der "good-will". Damit fehlt dem Vertragsgegenstand die wettbewerbsdynamische Komponente, die beim Unternehmenskauf die Bestimmungen der Rechtsfolgen namentlich im Bereich der Leistungsstörungen im weiteren Sinne so ausnehmend schwer macht. Solch ein "Betriebskauf' weist vom Ansatz her andere Rechtsfolgen auf als der Unternehmenskauf. 30
Vgl. auch BGH BB 1988, 1275.
31 Im Rahmen dieser Untersuchung wird nachfolgend auf diese begriffliche Unterscheidung verziehet und einheitlich der Tenninus des "Unternehmenskaufs" verwendet.
Einleitung
36
Inventarkauf andererseits werden trotz ihrer unterschiedlichen Rechtsfolgen in der Praxis nicht immer beachtee2 • Die Rechtsprechung hat im Zuge der ständig wachsenden Zahl von freiberuflich Tätigen dem praktischen Bedürfnis einer einheitlichen Handhabung insoweit Rechnung getragen, als sie auch den Verkauf einer Arzt- oder Anwaltspraxis, und damit freiberuflicher Praxen als Unternehmenskauf ansieht, und dadurch den Unternehmenszweck über den klassischen gewerblichen Bereich hinaus ausdehne 3• 2. Die Typen von Unternehmensverkäufen der Treuhandstalt
In § 2 InVorG gab es ursprünglich einen Absatz 4 im Regierungsentwurf, durch den klargestellt wurde, daß das Unternehmen sowohl im Wege des Anteilserwerbs als auch im Wege des Erwerbs des Substrats erworben werden kann34 • Dessen bedurfte es nicht, da dies schon in § 2 Abs. 2 Nr. 1 InVorG deutlich zum Ausdruck kommt. Dieser lautet: "... § 3 Abs. 3 bis 5 VennG ist nicht anzuwenden, wenn der Verfilgungsberechtigte ein Unternehmen durch Übertragung seiner Anteile oder seiner Vennögenswerte veräußert. ... " Der auf ein Unternehmen gerichtete Rückübertragungsanspruch entfällt also, wenn ein Investitionsvorrangbescheid ergangen ist, sowohl bei Veräußerung der Geschäftsanteile des Unternehmensträgers als auch bei Veräußerungen des Unternehmens im Wege der Übertragung der Einzelvennögenswerte, vgl. § 11 Abs.2InVorG 3s •
32 Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, S. 5; vgl. auch BGH, EWiR 88, 521 ff. mit Anm. von Grunewald: Der BGH zieht insbesondere aus den bei den genannten Indizien (Zahlung fIlr den "good-will", Bezeichnung des Kaufgegenstands als Unternehmen) den Schluß, es sei ein Unternehmen verkauft und daher das AbzG nicht anwendbar; diese Linie ist konsequent, vgl. BGH WM 1980, 10, II und WM 1978, 45, 46; daraus ist abzuleiten, daß jedenfalls im Regelfall ein Unternehmenskauf vorliegt, wenn eine bereits vom Veräußerer als Unternehmen genutzte Sach- und Rechsgesamtheit auch vom Erwerber als solche genutzt werden soll. Ein Inventarkauf liegt demgegenüber vor, wenn das Unternehmen sozusagen "auf Abbruch" verkauft wird. 33
BGH NJW 1973, 98, 100.
34
Brandt/Kittke, A 11 7, S. 104.
35 Keil, VIZ 1993, 89, 90 (dort Fn. 12): Mit der Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 InVorG ist die Zweifelsfrage, ob eine die Verfügungssperre berührende Veräußerung eines Unternehmens auch dann vorliegt, wenn die Geschäftsanteile des Unternehmensträgers veräußert werden - vgl. Espey/Jaenecke, BB 1991, 2025 ff. - vom Gesetzgeber geklärt worden. § 2 Abs. 2 Nr. 1 InVorG ist zu entnehmen, daß die Verfügungssperre auch die Abtretung von Geschäftsanteilen eines Unternehmensträgers, dessen Unter-
C. Begriff und Fonn der Unternehmensprivatisierung
37
a) Asset deal
Der sogenannte asset deal ist die klassische Fonn des Unternehmenskaufs. Die Übertragung des Unternehmens als solches erfolgt durch Übertragung der Wirtschaftsgüter des Unternehmens ohne seinen Rechtsträger, d.h. die Abtrennung des Unternehmens von seinem bisherigen direkten Rechtsträger. Die Übertragung erfolgt nach den jeweils für die einzelnen Wirtschaftsgüter des Unternehmens maßgeblichen Vorschriften. Grundstücke werden entsprechend den grundstücksrechtlichen Vorschriften übertragen, Rechte entsprechend den filr sie gültigen Vorschriften, und Sachen entsprechend dem BGB durch Einigung und Übergabe 36 • Die überwiegende Zahl von Unternehmensprivatisierungen in den neuen Bundesländern erfolgt in der Fonn des asset deal. Für den asset deal war die Gesellschaft selbst und nicht die Treuhandanstalt verfUgungsbefugt Auch hier lag der Veräußerung immer eine Einzelweisung der Treuhandanstalt als Gesellschafterin zugrunde (§§ 37 Abs. 1,49 Abs. 2 GmbHGr. Eine der maßgeblichen Ursachen ist sicherlich die, daß die in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umgewandelten ehemaligen Kombinate sehr oft über mehrere BetriebelBetriebsteile bzw. weit verstreuten Grundbesitz verfUgen. Es bestand, gemessen an den Anforderungen sozialer Marktwirtschaft westlicher Prägung, bei den ehemaligen Kombinaten ein eklatantes Mißverhältnis zwischen der Größe ihrer Betriebsgrundstücke und ihrer Produktivität sowie dem Umsatz. Für mittelständische Unternehmer ergibt sich aber oft ein Anreiz zum Kauf erst dann, wenn die Treuhandanstalt die Unternehmen spaltet oder entflechtet, d.h. in mehrere selbständige, potentiell überlebensflihige Teilunternehmen bzw. Betriebe teilt. Der reine Verkehrswert der im Regelfall sehr großen gewerblichen Immobilien als eine der Bemessungsgrundlagen rur die Ennittlung des Kaufpreises des Unternehmens würde in der Regel die Finanzkraft eines mittelständischen Investors übersteigen. Schließlich sind sowohl die Vorteile eines leistungsflihigen Mittelstandes als auch die Gefahren einer Konzentration nehmen mit Rückübertragungsansprtichen belastet ist, untersagt; ansonsten bedürfte es insoweit nicht der nach § 2 Abs. 2 Nr .1 InVorG auch rur diesen Fall vorgesehenen Aussetzung der Verfligungssperre. 36 Wie erwähnt liegt nur ein Betriebskauf und damit kein Untemehmens- oder Teiluntemehmenskaufvor, wenn der sogenannte "good-will" nicht mitveräußert wird. 37 Messerschmidt, VIZ 1991,2,4; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 124: Bei der Veräußerung im Rahmen eines Investitionsvorrangverfahrens handelte die Treuhandanstalt als gesetzliche Vertreterin der veräußerten Gesellschaft (§ 25 Abs. 1 InVorG), rur das § 3 a Verfahren ergab sich dies aus § 3 a Abs.1 S. 3 VennG (beim share und asset deal).
38
Einleitung
von Großunternehmen bekannt. Der Auftrag der Treuhandanstalt steht denn auch unter dem Postulat der sozialen Marktwirtschaft. Dazu ist es notwendig, den Großteil der ehemaligen Kombinate in den neuen Bundesländern zu zerschlagen, um ein leistungsflihiges mittelständisches Unternehmertum aufzubauen. Die überregional strukturierten Kombinate wiesen vor allem eine solche vertikale Diversifikation bei ihren Produkten auf, die westdeutschen Unternehmen vergleichbarer Größenordnung schlechthin unbekannt ist. Die Zahl der Mitarbeiter und der Umsatz der Kombinate standen in keinem Verhältnis zu ihrer geographischen Aufsplitterung und den damit verbundenen Schwierigkeiten einer einheitlichen, effizienten Lenkung und Verwaltung. Auch insoweit war die Notwendigkeit zur Entflechtung und Zerschlagung der Kombinate gegeben. Die Entflechtung der Industrie hat allerdings zur Folge, daß die weniger profitablen Unternehmen bzw. Betriebe kaum sanierungsflihig und würdig sind. Zurück bleiben daher häufig nicht mehr wettbewerbsflihige Betriebsteile und kaum noch verkaufsflihige - mitunter stark altlastenbehaftete Restgrundstücke. Dieses Restvermögen ist per Liquidation durch den Gesellschafter Treuhandanstalt oder bei Überschuldung im Verfahren der Gesamtvollstreckung durch den Verwalter zu verwerten. b) Share deal
Es ist zwar das erklärte Ziel der Treuhandanstalt, ihren Privatisierungsauftrag vorrangig durch Übertragung ihrer GesellschaftersteIlung in der Form des Anteilsverkaufs - share deal genannt - zu erftlllen. Hierdurch kann die langwierige Verwertung der zurückgebliebenen, schwer verwertbaren Vermögenswerte in der Form der Liquidation des Unternehmens vermieden werden. Dennoch machen die Anteilsverkäufe den geringeren Prozentsatz der Privatisierungen aus. Oft ist es die Intention der Käufer von shares - in der Mehrzahl solcher Fälle handelt es sich um westdeutsche Großunternehmen -, ehemalige Kombinate in dieser Form zu erwerben, um mit der Vielzahl der dazuerworbenen Grundstücke schlagartig ein flächendeckendes Vertriebsnetz in den neuen Bundesländern aufbauen zu können. Die Unternehmensstrategie solcher Investoren zielt langfristig darauf ab, das gekaufte Unternehmen in seiner Gesamtheit kontinuierlich auf ihre Bedürfnisse umzurüsten. Dadurch kann die mangelhafte Rentabilität von manchen der übernommenen Betriebsteile kompensiert werden.
1. Kapitel
Die Atypizität der Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt Die Tätigkeit der Treuhandanstalt bei der Privatisierung der Unternehmen wird in hohem Maße durch eine besondere, atypische Gemengelage von öffentlichem Recht und Privatrecht geprägt. Diese resultiert aus den besonderen gesetzlichen Vorgaben fUr die Durchftlhrung der Privatisierung und der Leitfunktion der Treuhandanstalt bei der Einftlhrung des Systems der sozialen Marktwirtschaft in den neuen Bundesländern. Die Ausrichtung auf volkswirtschaftliche Zielsetzungen in Unternehmenskaufverträgen kennt keine Vorbilder in der Rechtspraxis, der Aufwand bei der vertraglichen Gestaltung und Absicherung ist entsprechend hoch. Die Treuhandanstalt hat im Unterschied zum herkömmlichen Unternehmenskauf eine Vielzahl von unterschiedlichsten Interessen bei der Unternehmensprivatisierung zu berücksichtigen, zu gewichten und miteinander möglichst in Einklang zu bringen. Im Rahmen der personellen Verantwortung sind die Interessen der Käufer und ihrer Konkurrenten, der Kooperationspartner von Unternehmen, der Gebietskörperschaften im Beitrittsgebiet sowie der Beschäftigten in den Treuhandunternehmen zu beachten J. Unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten sind wettbewerbspolitische Interessen, sozialpolitische Interessen, d.h. die Schaffung möglichst vieler Arbeitsplätze sowie struktur- und und regionalpolitische Interessen, vor allem die Förderung kleiner und mittlerer Betriebe von Bedeutung. Erschwerend kommt hinzu, daß die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Durchftlhrung von Investitionen gleichzeitig mit dem Schutz der Alteigentümer auf die Rückgabe ihrer Vermögenswerte einschließlich von Unternehmen zu harmonisieren sind. Die Komplexität dieses Interessengeflechts weist die Privatisierungen der Treuhandanstalt als vielschichtige Entscheidungen mit vielfliltigen Drittwirkungen und verschiedenen, sich untereinander widersprechenden Gemeinwohlbezügen aus. Unterschiedliche Individualinteressen und verschiedene öffentliche Interessen können auf
I
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 146 ff.
40
1. Kap.: Atypizität der Unternehmenskaufverträge der THA
vielfache Weise miteinander konfligieren, aber auch konvergieren und sich überschneiden 10. Die Bewältigung all dieser Konflikte im Rahmen dieses Privatisierungsauftrags bedingt neben den besonderen Rechten und Pflichten der Treuhandanstalt sowie der Investoren die Vereinbarung von neuartigen, bisher nicht gekannten Vertragsklauseln. Es ist die Zielstellung der Untersuchung, einige wesentliche Schwerpunkte der vom herkömmlichen Unternehmenskaufvertrag abweichenden rechtlichen Besonderheiten in der Privatisierungspraxis aufzuarbeiten.
A. Die besonderen öffentlich-rechtlichen Bindungen der Treuhandanstalt bei der Unternehmensprivatisierung Für die Treuhandanstalt gelten aufgrund ihrer spezialgesetzlichen Vorgaben erhebliche Bindungen und Beschränkungen bei DurchftUrrung der Unternehmensprivatisierungen. Die Vorgaben resultieren aus dem Treuhandgesetz und der Treuhandsatzung, der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (Fachaufsicht im Einvernehmen mit dem Bundesministerium rur Wirtschaft, Art. 25 Abs. 1 S. 3 EV), detn Haushaltsrecht (§ 6 HGrG; § 7 BHO), den Geboten der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und der bestmöglichen Verwertung des ehemals volkseigenen Vermögens. Bei Unternehmensverkäufen der Treuhandanstalt gilt darüber hinaus der Zustimmungsvorbehalt des Bundesministers rur Finanzen gemäß § 65 Abs. 3 BHO, da die Unternehmen mittelbare Beteiligungen des Bundes sind2 • Allein und im Zusammenwirken stellen diese Normen erhebliche Anforderungen und Beschränkungen filr die Gestaltung der Privatierungsverträge und die damit erzeugten Rechtsfolgen dar. I. Privatisierung von Unternehmen als öffentliche und staatliche Aufgabe Die gesetzlichen Beschränkungen und Vorgaben an die Treuhandanstalt sind kein Selbstzweck, sondern resultieren aus der besonderen Verantwortung des 10 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 141 ff.: Das Interessengeflecht bilden I. Interessen der Treuhandstalt 2. Interessen der Erwerber 3. Interessen der Geschäftsleitungen 4. Interessen der Restitutionsberechtigten 5. Interessen von Konkurrenten und Kooperationspartnern. 6. Interessen der Gebietskörperschaften im Beitrittsgebiet 7. Interessen der Beschäftigten 8. Wettbewerbspolitische Interessen 9. Sozialpolitische Interessen 10. Struktur- und regionalpolitische Interessen.
2
Ebbing, Verkaufspraxis, S. 328.
A. Besondere öffentlich-rechtliche Bindungen der THA
41
Staates bei der EinfUhrung des Systems sozialer Marktwirtschaft im Beitrittsgebiet. Die Umsetzung solch eines Ziels ist mit gravierenden Einschnitten in die Sphäre der davon betroffenen Menschen verbunden. Dieser staatliche Eingriff bedarf daher der verfassungsrechtlichen Legitimation, der Staat darf nur im Rahmen der ihm obliegenden Aufgaben tätig werden. Es ist daher zunächst zu prüfen, inwiefern die Übernahme der Unternehmensprivatisierung durch den Staat gerechtfertigt werden kann. Hierbei ist auf den Begriff der sogenannten öffentlichen und staatlichen Aufgabe zu rekurrieren, die hoheitliche Eingriffe zu legitimieren vermag. Die Defmition der öffentlichen und staatlichen Aufgabe gehört zu den problematischsten des öffentlichen Rechts 3 • Die Begriffe sind deshalb umstritten, weil sie in verschiedenen rechtlichen Zusammenhängen unterschiedliches bedeuten. So wird z.B. in der Lehre vom Verwaltungsprivatrecht privatrechtliches Staatshandeln besonderen öffentlichrechtlichen Anforderungen unterstellt, wenn öffentliche Aufgaben (unmittelbar) erfilllt werden4 • Nach einer Auffassung stellt sich die Tätigkeit der Treuhandanstalt als Ausübung von Staatsgewalt dar, da schon mit der öffentlich-rechtlichen Organisationsform ein spezifisch staatlicher Herrschaftsanspruch verkörpert wird, der die Legitimationsbedürftigkeit dieses Handelns nach Art. 20 Abs. 2 GG auslöse. Andererseits wäre auch zu erwägen, die Legitimation des Handeins davon abhängig zu machen, ob der Verwaltungsträger spezifisch staatliche Aufgaben erfüllt. Demzufolge ist zu prüfen, ob die Treuhandanstalt eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt. Die Bestimmung des Privatisierungsauftrags der Treuhandanstalt als öffentliche Aufgabe ist somit von Bedeutung; die Legitimität staatlichen Handelns setzt eine solche öffentliche Aufgabe voraus 6 • Als Defmition für eine öffentliche Aufgabe könnte das öffentliche Interesse oder Gemeinwohl an der Erfüllung der Aufgabe dienen. Die von der Treuhandanstalt zu erledigenden Aufgaben sind mit Privatisierung und Verwertung des volkseigenen Vermögens umschrieben'. Hiernach erfüllt die Treuhandanstalt eine öffentliche Aufgabe, da die Umstrukturierung des unfreiheitlichen und ineffizienten Wirtschaftssystems der DDR dem Gemeinwohl entspricht 3 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 92; Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 249 f. m.w.N.
4
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 93, m.w.N.
S Spoerr, 6
Treuhandanstalt, S. 96.
Isensee, in: HStR, § 57, Rdn. 132 ff.; Spoerr, Treuhandanstalt, S. 97.
7 Weimar, THG, § 2, Rdn. 6; VG Berlin, NJW 1991, 376; KG Berlin, NJW 1991, 360; OVG Berlin NJW 1991,715.
I. Kap.: Atypizität der Unternehmenskaufverträge der THA
42
und im öffentlichen Interesse lieg{ Ein anderer Ansatz zur Bestimmung einer öffentlichen Aufgabe ist der, auf die reale oder nonnative Öffentlichkeit als Adressatenkreis abzustellen9 • Das Ergebnis kann auch hier nur das sein, daß ein stärkeres Interesse der realen Öffentlichkeit und einer unbestimmten Allgemeinheit der Staatsbürger an der Erfüllung einer Aufgabe, wie sie die Treuhandanstalt wahrnimmt, kaum vorstellbar ist. Des Weiteren wird auch vertreten, den Kreis der öffentlichen Aufgabe materiell zu bestimmen 10. Dieser Ansatz ist umstritten; er erfordert eine ständige Neubestimmung der öffentlichen Aufgaben, da die Anforderungen an den Staat für die Sicherung der Daseinsvorsorge beispielsweise einem stetigen Wandel unterliegen. Ungeachtet dessen muß auch diese Auffassung die Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt als Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe einstufen. Die Treuhandanstalt hat eine ganze Volkswirtschaft unter dem Primat einer zentralen Steuerung in grundgesetzkonfonne, dezentrale Strukturen zu transfonnieren, dabei die historischen Folgen der deutschen Teilung zu beseitigen und die Voraussetzungen für Freiheit und Wohlstand zu schaffen. Schließlich wird auch eine strikt fonnelle Definition des Begriffs der öffentlichen Aufgabe vertreten. Öffentliche Aufgaben sollen diejenigen sein, auf die der Staat im Rahmen seiner Kompetenzen zugreiftlI. Nach diesem Modell nimmt die Treuhandanstalt schon aufgrund ihrer Zuordnung zum staatlichen Bereich eine öffentliche Aufgabe wahr 12 • Weitergehend ist festzustellen, ob das Mandat der Treuhandanstalt auch einer staatlichen Aufgabe entspricht. Originäre oder notwendige Staatsaufgaben sind stets staatliche Aufgaben, andere hingegen nur nach Maßgabe eines staatlichen Zugriffs, d.h. die staatliche Befassung damit soll maßgeblich sein \3. Nach letzterer Definition füllt die Treuhandanstalt eine staatliche Aufgabe aus, weil der Staat auf die Agenda der Unternehmensprivatisierung zugriff. Die konstitutive Wirkung des staatlichen Zugriffs besteht auch, wenn der Staat verselbständigte Verwaltungsträger wie die Treuhandanstalt betraut. Darüber hinaus ist eine wertende Zurechnungsbetrachtung anzustellen. Die übernommene Aufgabe wird erst dann von der öffentlichen zur staatlichen Aufgabe,
8
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 98.
9
Wo/fJ/Bachof, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl., 1994, § 2 11 bl (S. 10 f.).
10
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 98 f.; kritisch Ossenbühl, DÖV 1971, 513, 514 f.
11 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 99: Nach dieser Definition fallen öffentliche und staatlich Aufgaben zusammen; Zeidler, AöR (1962),363,397 f. 12
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 100.
13
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 1Ot.
A. Besondere öffentlich-rechtliche Bindungen der THA
43
wenn eine Gesamtanalyse ergibt, daß der Verwaltungsträger staatliche Aufgaben erfllllt. Das Ergebnis der Prüfung ist, daß die Treuhandanstalt mit der Unternehmensprivatisierung einen wesentlichen Beitrag von der Umstellung der Planwirtschaft auf die soziale Marktwirtschaft in den neuen Bundesländern liefert. Eine engere Auffassung stellt primär auf die im Grundgesetz verankerten originären Staatsaufgaben ab l4 • Hierbei ist die vom Grundgesetz vorgegebene Sozialordnung, wie sie in Art. 20 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt, zu beachten. Entscheidend ist nun, daß das Handeln der Treuhandanstalt unerläßlich ist, um die mit der Sozialordnung des Grundgesetzes inkompatiblen Strukturen und die historischen Folgeschäden der deutschen Teilung zu beseitigen. Die Umstellung der Planwirtschaft der ehemaligen DDR auf die soziale Marktwirtschaft ist somit eine Aufgabe, die schon im Hinblick auf die allgemeine sozialund wirtschaftspolitische Bedeutung, aber auch im Hinblick auf die Verpflichtung des Staates, eine sozial gerechte Lösung zu schaffen, nicht mit Mitteln des Privatrechts, sondern nur durch den Staat als Hoheitsträger wahrgenommen werden kann und SOll15, Dies macht den Auftrag zur staatlichen Pflichtaufgabe oder zur originären Staatsaufgabe, vergleichbar mit der öffentlichen und notwendig staatlichen Aufgabe der Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg l6 • Im Ergebnis nimmt die Treuhandanstalt eine staatliche Aufgabe wahr, unabhängig davon, ob man auf die öffentlich-rechtliche Organisationsfonn, auf die Eingriffsqualität der Befugnisse, auf eine wertende Gesamtanalyse der Organisation oder auf die Natur der wahrgenommenen Aufgaben als öffentliche und staatliche Aufgaben abstellt 17. Das Handeln der Treuhandanstalt als Ausübung von Staatsgewalt i.S.d. Art. 20 Abs. 2 GG wird legitimiert durch das THG, die Satzung der Treuhandanstalt und den Einigungsvertrag, alles Nonnen des öffentlichen Rechts l8 •
14 Vgl. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137, 153 f. bei Fn. 76 m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 73, 280, 294. 15
Weimar, THG, § 2, Rdn. 8.
16
BVerwGE 7, 180, 182.
17 Zustimmend auch VG Berlin, NJW 1991, 376, 377; Schmidt-Preuß, Die Verwaltung 1992, 327, 330; Ebbing, Verkaufspraxis, S.318 f.; Bechtolf, Privatisierungsprozeß, S.209. 18
Ebbing, Verkaufspraxis, S. 318 f.
44
1. Kap.: Atypizität der Unternehmenskaufverträge der THA
11. Vorgaben der Bundeshaushaltsordnung für die Treuhandanstalt Die Treuhandanstalt ist in weitem Umfang dem Recht der öffentlichen Unternehmen unterstellt. Nach Maßgabe des § 2 Abs. 5 THG sind auf sie die Vorschriften des § 96 Abs. 2 und 3 der Haushaltsordnung der Republik über die Verwaltung von Unternehmen in der Rechtsform einer republikunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts und über die Verwaltung ihrer Beteiligungen anzuwenden. Gemäß Art. 7 Abs. 1 EV, der die Geltung der Finanzverfassung der ERD auf das Gebiet der ehemaligen DDR vorsieht, tritt das inhaltlich im wesentlichen gleichlautende Haushaltsrecht des Bundes an die Stelle der im THG genannten haushaltsrechtlichen Vorschriften. § 112 Abs. 2 S. 2 BHO ordnet rur Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts, an denen Unternehmen in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mehrheitlich beteiligt sind, die entsprechende Anwendung der §§ 53, 54 HGrG und der §§ 65-69 BHO an 19 • Die Treuhandanstalt hat zum einen beim Abschluß des jeweiligen Privatisierungsvertrages immer die Genehmigungserfordernisse nach § 65 BHO zu beachten. Zuständig rur die Erteilung der Genehmigung ist der Bundesminister der Finanzen, der gemäß Art. 25 EV die Fach- und Rechtsaufsicht über die Treuhandanstalt fUhrt. Die Treuhandanstalt ist auch beim Vertragsschluß an den Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze gebunden, vgl. § 112 LV.m. §§ 90, 92 BHO.
19 Weimar, THG, § 2, Rdn. 30 ff.: Des weiteren ist nach § 53 HGrG eine an einem Unternehmen in Privatrechtsform mehrheitlich beteiligte Gebietskörperschaft zur Überprüfung der Gschäftsfilhrung im Rahmen der Abschlußprüfung berechtigt. Dieses Prüfungsrecht steht der Treuhandanstalt im Verhältnis zu dem Treuhandunternehmen als öffentliches Unternehmen zu. Zweifelhaft, ob die Treuhandanstalt ein öffentliches Unternehmen in diesem Sinne ist. Ein Rechtsbegriff des Unternehmens existiert ebensowenig wie ein einheitlicher haushaltsrechtlicher Begriff des (öffentlichen) Unternehmens. Es ist Rückgriff auf die Definition in Art. 2 der Transportrichtlinie zu Art. 90 Abs. 1 EWG-Vertrag zu nehmen. Demnach handelt die öffentliche Hand unternehmerisch, wenn sie im Wirtschaftsverkehr selbst oder als Anteilseigner einer Handelsgesellschaft durch diese als Anbieter von Waren oder Dienstleistungen auftritt. Es ist nicht unproblematisch, ob die Treuhandanstalt die von ihr gehaltenen Gesellschaftsanteile in diesem Sinne als "Ware" anbietet. Sie würde auf diese'Weise zum größten Kaufhaus der Welt bzw. zu einem "Superdienstleistungsunternehmen" avancieren. Es liegt nahe, den Verweis auf das Haushaltsrecht als bloße Fiktion der Unternehmenseigenschaft der Treuhandanstalt zu werten.
A. Besondere öffentlich-rechtliche Bindungen der THA
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1. Gebot der Erlösoptimierung
Das Verwertungsgebot des § 2 Abs. 1 THG präzisiert den Privatisierungsauftrag der Treuhandanstalt dahingehend, daß der Gegenwert der Vermögensgegenstände erzielt werden soll. Im Zusammenhang mit § 3 der Satzung der Treuhandanstalt wird daraus die Pflicht hergeleitet, bei der Veräußerung von Unternehmen marktwirtschaftliche Prinzipien der Chancengleichheit und des Maximums erzielbarer Verkaufserlöse zu beachten20 • In Verbindung mit dem vorgenannten haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot ergibt sich daraus eine Verpflichtung der Treuhandanstalt, das volkseigene Vermögen im Rahmen ihrer sonstigen Zielerfüllung grundsätzlich erlösmaximierend zu veräußern. Der Umstand daß ein Erlösüberschuß möglicherweise nicht erzielt werden kann, entbindet die Treuhandanstalt nicht von dieser Pfliche l . Die Treuhandanstalt konnte nur zu Beginn ihrer Privatisierungstätigkeit vornehmlich nach dem Kriterium der Erlösoptimierung entscheiden. Ab Mitte des Jahres 1991 schwenkte die Treuhandanstalt allmählich um. Der massive industrielle Arbeitsplatzabbau in den neuen Bundesländern und die zunehmenden Erschwernisse bei der Privatisierungstätigkeit aufgrund der einsetzenden wirtschaftlichen Rezession führten zunehmend zu einem Kurswechsel in der Privatisierungspolitik der Treuhandanstalt. Der zunehmende Druck der Öffentlichkeit auf die Treuhandanstalt, die Tätigkeit in verstärktem Maße sozial auszurichten, führte zu der dann auch nach außen erklärten Politik der Treuhandanstalt, gesamtwirtschaftliche und soziale Folgen bei der einzelnen Privatisierungsentscheidung mit zu berücksichtigen. Die Vorgaben der Bundeshaushaltsordnung an eine Optimierung der Verkaufserlöse wurden zusehends Makulatur. Maßgebliche Bedeutung erlangten nun die Regelungen des Treuhandrechts, die den Gemeinwohlbezug der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt beinhalteten. Ein Abschlag beim Kaufpreis war beim Verkauf der Treuhandunternehmen dann regelmäßig zulässig, wenn der Erwerber anderweitig entsprechende Gegenleistungen, z.B. Arbeitsplatz- oder Investitionszusagen erbrachte; denn auch dadurch wurde ein gesetzlich anerkanntes Ziel der Treuhandanstalt verwirkliche2 • Ab Mitte des Jahres 1992 war die Privatisie-
20
Weimar, THG, § 2, Rdn. 7; StadtbezirksG Berlin-Mitte DtZ 1990, 286, 287.
21 BleckmanJErberich, in: RIRIB, Treuhandanstalt, Rdn. 22; - Keinen normativen, aber einen doch erläuternden Charakter, auch hinsichtlich der Aufgabenzuweisung an die Treuhandanstalt hat schließlich das Grundsatzpapier rur den Aufschwung Ost.
22 Der Einigungsvertrag sieht in Art. 25 Abs. 3 vor, daß die Erlöse der Treuhandanstalt bestimmten Zwecken zuzuführen sind; insbesondere sollen die Sparer nach Art. 25 Abs. 6 EV und der Präambel zum THG durch verbriefte Anteilsrechte an einem Erlös-
l. Kap.: Atypizität der Unternehmenskaufverträge der THA
46
rung der Unternehmen fast ausschließlich von dem Prinzip der Sicherung der Arbeitspläte beherrscht. 2. Ausschreibung der Unternehmen als Verfahrensmaxime
Das Sonderrecht der Treuhandanstalt enthält im Treuhandgesetz und im Einigungsvertrag keine Vorgaben rur die Form des Privatisierungsverfahrens. Die Treuhandanstalt konnte sich daher bei der Einholung von Kaufangeboten grundsätzlich folgender Verfahrensweisen bedienen: Freihändige Vergabe, Ausschreibung und beschränkte Ausschreibung. Die Praxis der Treuhandanstalt war ursprünglich von einer gewissen Scheu vor dem Verfahren der Ausschreibung gekennzeichnet. Öffentliche und sogar beschränkte Ausschreibungen wurden zunächst weitgehend vermieden. Hierin kam auch die Überzeugung zum Ausdruck, daß Ausschreibungen fUr Unternehmensverkäufe von vornherein ungeeignet sind23 • Die ersten öffentlichen Ausschreibungen in nennenswertem Umfang gab es daher erst sehr spät, über ein Jahr nach Gründung der Treuhandanstalt, und nachdem bereits Hunderte von Betrieben privatisiert waren. Die Erfahrungen damit waren positiv. Daher und weil die vielen Korruptions- und Seilschaftsfälle das Bewußtsein fUr die Gefahren des Mißbrauchs beim Verfahren der freihändigen Vergabe geschärft hatten, war danach festzu~ stellen, daß formalisierte Vergabeverfahren eine größere Rolle spielten24 • Indes könnten bestimmte Prinzipien der Haushaltsordnung die Form der Angebotsermittlung inzidenter vorgeben. In Betracht kommen die §§ 63, 64 BHO. Die Vorschriften enthalten Regelungen rur die Veräußerung von Vermögensgegenständen im allgemeinen (§ 63 BHO) und von Grundstücken im besonderen (§ 64 BHO). Hierbei ist zu differenzieren: § 63 Abs. 2 BHO, der festlegt, daß Vermögensgegenstände nur veräußert werden dürfen, wenn sie zur Errullung der Aufgaben des Bundes in absehbarer Zeit nicht benötigt werden, wird durch den ausdrücklichen gesetzlichen Privatisierungsauftrag des Treuhandgesetzes verdrängt. Gleiches gilt rur das Erfordernis der Zuständigkeit des Bundesminiüberschuß beteiligt werden. Ebbing, Verkaufspraxis, S. 329 und 353: Soweit die Privatisierung nur durch Zugeständnisse bei der Kaufpreisfindung möglich war, durfte die Treuhandanstalt das Ziel der Erlösmaximierung dem Ziel der Privatisierung unterordnen. Der Vertrag ist daher nicht unwirksam, wenn die Treuhandanstalt entgegen dem Erlösmaximierungsgebot zum Zweck der Ermöglichung der Privatisierung einen zu geringen Kaufpreis vereinbart hat. Die §§ 7 BHO, 6 HGRG, 3 THA-Satzung sind keine Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB. 23
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 153.
24
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 154.
A. Besondere öffentlich-rechtliche Bindungen der THA
47
sters der Finanzen ~r die Veräußerung bundeseigener Grundstücke (§ 64 Abs. 1 BHO) und erst recht für die Einwilligung von Bundestag und Bundesrat in bestimmten Fällen (§ 64 Abs. 2 BHO). Es wird jedoch von den einzelnen Aussagen des Treuhandrechts nicht ausgeschlossen, daß für zu veräußernde Grundstücke gemäß § 64 Abs. 3 BHO eine Wertermittlung aufzustellen ist. Daher ist davon auszugehen, daß § 64 Abs. 3 BHO grundsätzlich gilt. Eine Pflicht, Ausschreibungen durchzuführen, enthalten die §§ 63 und 64 BHO nicht. Von dem haushaltsrechtlichen Gebot, vor einer Unternehmensprivatisierung eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen, ist die Treuhandanstalt zwar ausgenommen, vgl. §§ 55, 112 Abs. 2 BHO; denn § 55 BHO schreibt eine öffentliche Ausschreibung nur bei Verträgen über Lieferungen und Leistungen vor. Damit sind Austauschverträge gemeint, deren vertragstypische Leistung nicht von der öffentlichen Hand, sondern vom Vertragspartner erbracht sind. Daher paßt § 55 BHO auf Privatisierungsgeschäfte niches. Eine Pflicht zur Vornahme von Ausschreibungen könnte sich aber aus dem Grundsatz des sogenannten Verfahrensermessens der Verwaltung ergeben. Die Treuhandanstalt erfüllt mit der Privatisierung eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Ungeachtet der privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Handlungsform hat sie ihr Verfahren sachgerecht festzulegen 26 • Eine starre Vorgabe im Sinne eines bestimmten, stets zu beachtenden Verfahrens folgt daraus nicht, ebensowenig aber eine völlige Bindungslosigkeit der Verwaltung. Das Verfahren muß nach sachlichen Kriterien ausgewählt werden, d.h. es gilt das Verbot des Ermessensfehlgebrauchs. Weiterhin muß das Ermessen überhaupt ausgeübt werden, d.h. es ist das Verbot des Ermessensnichtgebrauchs zu beachten. Schließlich ist auf das Gebot der Problemadäquanz des Verfahrens und der Kongruenz von Verfahren und Handlungsform sowie -inhalt hinzuweisen. Eine Auffassung im Schrifttum leitet daraus für die spezifische Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt die Notwendigkeit ab, regelmäßig ein Ausschreibungsverfahren durchzuführen. Es wird darauf verwiesen, daß auf den Märkten der Treuhandanstalt die polygonalen Interessenstrukturen unübersichtlich sind, und es die Bedingungen vollständiger Konkurrenz, vor allem der Markttransparenz, noch nicht gibt (Grundstücksmärkte) oder nicht geben kann. (Unternehmensverkäufe ). Daher soll bei einer übersichtlichen Zahl von Marktteilnehmern das Verfahren der beschränkten Ausschreibung geboten sein, ansonsten die öffentliche Ausschreibung. Ohne ein Ausschreibungsver-
25
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 155.
26
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 156; Hili, NVwZ 1985,449,451 f.
1. Kap.: Atypizität der Unternehmenskaufverträge der THA
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fahren vorzugehen, ist nur in begründeten Ausnahmefilllen sachgemäß27 • Objektiv-rechtlich gebietet auch Art. 3 GG, das Verwaltungsverfahren so auszugestalten, daß die Rahmenbedingungen rur eine materielle Gleichbehandlung gegeben sind28 • Schließlich folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, daß staatliches Handeln meßbar und geordnet ist. Auch dieses Prinzip fordert deshalb im Regelfall ein Ausschreibungsverfahren. Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, daß trotz der erfolgten Ausschreibungen gerade mit zunehmender Fortdauer der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt sich kaum mehr Kaufmteressenten fanden. Auch in vielen Wirtschaftszweigen mit einer hohen Zahl von Marktteilnehmern erschien eine neuerliche Ausschreibung wenig erfolgversprechend. Wichtig war, zur Einholung von Angeboten grundsätzlich alle zur Verfilgung stehenden Möglichkeiten zu nutzen. Schon aus diesem Grund konnte sich auch eine Pflicht zur Ausschreibung aus administrativer Selbstbindung, resultierend aus Art. 3 Abs. I GG, nicht bilden. Die geforderte Pflicht der Treuhandanstalt zur öffentlichen Ausschreibung kann allenfalls Geltung rur die Anfangsphase der Unternehmensprivatisierung beanspruchen. IH. Das Privatisierungshandeln der Treuhandanstalt im Brennpunkt des VerwaItungsprivatrechts Weitere besondere öffentlich-rechtliche Bindungen der Treuhandanstalt könnten sich ergeben, wenn sich das Privatisierungsverfahren der Treuhandanstalt in den Bereich des sogenannten Verwaltungsprivatrechts einordnen ließe. Die finanzielle Ausstattung der Unternehmen und die Abschläge vom Kaufpreis gegen die Garantien von Arbeitsplätzen und Investitionen rücken die Vergabepraxis der Treuhandanstalt in die Nähe einer subventionierenden Leistungsverwaltung. Da die Fonn der Vergabe von Unternehmen etwas grundsätzlich Neues, historisch Einmaliges ist, gehen die Meinungen weit auseinander, inwieweit sich das Privatisierungshandeln der Treuhandanstalt noch in die herkömmlichen Kategorien der Leistungsverwaltung einordnen läßt. Nachfolgend soll zunächst der klassische Anwendungsbereich des Verwaltungsprivatrechts im Rahmen der Leistungsverwaltung skizziert werden.
27
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 157.
28 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 158; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 Abs. 1, Rdn. 504; Pietzcker, AöR 107,63,81.
A. Besondere öffentlich-rechtliche Bindungen der THA
49
1. Anwendungsbereich des Verwaltungsprivatrechts
Der Umstand, daß die Verwaltung in irgendeiner Weise öffentliche oder öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt, reicht nicht aus, um das Verwaltungsprivatrecht anzuwenden. Die Verwaltung muß vielmehr leistend und lenkend tätig werden, d.h. die ihr gestellten Aufgaben unmittelbar erfUllen. Keine unmittelbare ErfUllung von Verwaltungsaufgaben ist gegeben, wenn die Verwaltung zum Zwecke der Bedarfsdeckung (z.B. Auftragsvergabe), der Vermögensverwertung (Veräußerung unbrauchbar gewordener Gegenstände) oder zur Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr auf dem Dienst-bzw. Gütermarkt tätig wird. Im Bereich der Leistungsverwaltung hat der Hoheitsträger die Wahl, ob er die ihm obliegenden Aufgaben in der Form des Privatrechts oder in der Form des öffentlichen Rechts erfilllen will. Der Hauptanwendungsbereich fUr das Verwaltungsprivatrecht ist im Bereich der Leistungsverwaltung bei der Vergabe von Subventionen, den Maßnahmen zur Daseinsvorsorge und der Gewährung von Beihilfen anzutreffen. Die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe, wie die Umstellung der Unternehmen auf die Marktwirtschaft, verbunden mit einer Übergangszeit der staatlich zu überwachenden Arbeitsplatzsicherung durch die Treuhandanstalt, ähnelt einer Leistungsverwaltung. Bei der Vergabeentscheidung werden regelmäßig Gemeinwohlziele wie die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen sowie die Durchführung von Investitionen verfolge 9 • Damit einher gehen Kaufpreisnachlässe je nach dem Umfang der vom Investor zugesagten Arbeitsplätze und Investitionen. Gleichzeitig schließt die Treuhandanstalt nach erklärter Absicht privatrechtliehe Kaufverträge ab. Ihre gesetzlichen Vorgaben lassen dies zu. Die Treuhandanstalt ist privatrechtsfähig und kann sich der Formen des Privatrechts bedienen30 •
29 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 201 f.: Ungeachtet des HandeIns in privatrechtlicher Form und des Rechtswegs vor den Zivilgerichten hat die Treuhandanstalt nach Auffassung des OVG Berlin das verfassungsrechtliche Willkürverbot zu beachten. Der Treuhandanstalt sei es untersagt, bei dem Abschluß von Privatisierungsverträgen einen unter mehreren Bewerbern willkürlich - d.h. ohne jeden sachlich einleuchtenden Grund auszuschließen und dadurch zu benachteiligen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber die unternehmerische Gestaltungsfreiheit ausdrücklich anerkannt und ihr einen weiten Beurteilungsspielraum eingeräumt hat. 30 Bechtolf, Privatisierungsprozeß, S. 217: Des weiteren wird in der Begründung zum Beschluß betont, daß die Durchführung der Privatisierung bürgerlich-rechtlich vorgesehen ist. Damit ergibt sich, daß die Treuhandanstalt eine Leistungsverwaltung in privatrechtlicher Form (Verwaltungsprivatrecht) praktiziert.
4 He8
I. Kap.: Atypizität der Unternehmenskaufverträge der THA
50
2. Die öffentlich-rechtlichen Bindungen der Verwaltung im Verwaltungsprivatrecht
Auch bei der privatrechtlichen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses im Bereich der Leistungsverwaltung gelten rur den Verwaltungsträger gewisse Beschränkungen und Anforderungen durch das öffentliche Recht weiter. Durch die Wahl einer privatrechtlichen Handlungsfonn kann sich die Verwaltung ihren öffentlich-rechtlichen Bindungen nicht entziehen3). Diese Bindungen beschreibt das Verwaltungsprivatreche2 • Welche Vorschriften und Prinzipien des öffentlichen Rechts die Verwaltung beim Handeln in Privatrechtsfonn zu beachten hat, wird in Rechtsprechung und Literatur sehr unterschiedlich beurteilt oder offengelassen. Das genaue Ausmaß der öffentlich-rechtlichen Bindungen bleibt diffus 33 . Nach Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte die Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Die Erwähnung der vollziehenden Gewalt im Zusammenhang mit der Gesetzgebung und Rechtsprechung deutet darauf hin, daß der Grundgesetzgeber in der Sprache der Gewaltenteilungslehre die Exekutive in allen ihren Erscheinungsformen - und somit auch die gesamte Verwaltung - in die Pflicht nehmen wollte. Statt von vollziehender Gewalt sprach Art. 1 Abs. 3 GG ursprünglich von "Verwaltung,,34. Somit bleibt die Verwaltung an die Grundrechte gebunden. Außerdem gelten gewisse allgemeine Grundsätze des Verwaltungshandelns. Da die Verwaltungsverfahrensgesetze lediglich rur die öffentlich-rechtlich tätig werdenden Verwaltungsträger gelten, ist eine Erstreckung der dort niedergelegten Grundsätze auf die privatrechtliche Verwaltung nur möglich, wenn diese Grundsätze sich entweder auf höherrangiges, die Verwaltung durchgehend bindendes Verfahrensrecht zurückfUhren lassen oder als Ausfluß allgemeiner bzw. analogiefähiger Rechtsgedanken angesehen werden können. Als Ausfluß von Verfahrensdirektiven, welche auch die privatrechtliche Verwaltung binden, können z.B. die Regelungen der §§ 14, 30, 40 (Verbot des Ennessensmiß-
31
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 184.
32 Ebbing, Verkaufspraxis, S. 323; WolflBachofiStober, Verwaltungsrecht 11, 5. Aufl., 1987, S. 238 ff.; grundlegend Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968, S. 86.
33
Ehlers, DVB11983, 422, 425.
34 Ehlers, in: ErichseniMartens, § 2 IV 2 Rdn. 76. - Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 87, plädiert dafür, jedes Grundrecht dahingehend zu prüfen, ob dieses auch bei Handeln der Verwaltung in Privatrechtsform für diese gelten soll.
A. Besondere öffentlich-rechtliche Bindungen der THA
51
brauchs) VwVfG angesehen werden 3s . § 40 VwVfG ist jedenfalls insoweit von der privatrechtlichen Verwaltung zu beachten, als es sich auf den Gleichheitssatz und das Übermaßverbot zurückfUhren läße 6 • Damit gelten rur die Treuhandanstalt im Verwaltungsprivatrecht jedenfalls folgende Beschränkungen: Die Generalnorm für ihre Bindung an die Grundrechte ist Art. lAbs. 3 GG. Die Privatisierung gehört im Rahmen der Schaffung einer Wirtschaftsunion zum ursprünglichen Geltungsbereich des Staates, vgl. Art. lAbs. 3 des StaatsV, der diese Aufgabe letztlich durch gesetzlichen Auftrag über das THG auf die Treuhandanstalt übertragen hae 7 • Bei Geltung der Grundrechte rur das Privatisierungshandeln ist insbesondere der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. I GG zu beachten. Die Bewertung der Unternehmen und Unternehmenskonzepte der Investoren muß auf einer sachlich vertretbaren und plausiblen Basis erfolgen, es gilt das Willkürverbot. Die Treuhandanstalt ist im Rahmen ihrer Ermessensspielräume, vgl. insbesondere § 40 VwVfG, bei der Auswahl der sachlichen Differenzierungskriterien grundsätzlich frei. Hierbei besteht das Gebot der gleichmäßigen Ermessensausübung, sobald sich eine feste und rechtmäßige Verwaltungsübung ausgebildet hat. Für die Verkaufspraxis der Treuhandanstalt bedeutet dies, daß bei der jeweils anstehenden Privatisierungsentscheidung grundsätzlich der einmal ausgearbeitete Kriterienkatalog zugrunde zu legen ist. Die Treuhandanstalt hat beim Privatisierungsverfahren und der Privatisierungsentscheidung Chancengleichheit zu gewährleisten38 . Gleichzeitig hat die Treuhandanstalt aber auch einen Ermessenspielraum bezüglich des Ob der Privatisierung. 3. Die Kontroverse um die Einstufung des Privatisierungshandelns der Treuhandanstalt als Verwaltungsprivatrecht
Das Ausmaß der Bindungen der Treuhandanstalt im Verwaltungsprivatrecht wird sehr unterschiedlich beurteilt. Maßgeblich ist, ob sich die Vergabepraxis der Treuhandanstalt bei der Privatisierung der Unternehmen gleichsam als Leistungsverwaltung ähnlich der Vergabe von Subventionen verstehen läßt. Hierbei ist aufzuzeigen, daß auch die Auffassung, die sich strikt gegen die Konzeption einer Leistungsverwaltung ausspricht, im Ergebnis dennoch einige Prinzipien des Verwaltungsprivatrechts methodisch zur Bewältigung der rechtlichen Probleme übernimmt. 35
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 3 Rdn. 9.
36
Ehlers, DVBI 1983, 422, 426.
37
Bechtolf, Privatisierungsprozeß, S. 211.
38
Bechtolf, Privatisierungspraxis, S. 214 f.
52
I. Kap.: Atypizität der Unternehmenskaufverträge der THA
a) Eingeschränkte Anwendbarkeit des Verwaltungsprivatrechts
aa) Ablehnung der Analogie zur Leistungsverwaltung Teile der Rechtsprechung entnehmen dem Treuhandgesetz eine Entscheidung für ein rein privatrechtliches Handeln der Treuhandanstalt bei der Unternehmensprivatisierung39 • Diese Rechtsprechung erachtete die Organisationsform der Treuhand als Anstalt des öffentliches Recht als nicht maßgeblich, ebensowenig, daß es sich um eine staatliche Aufgabe handelt. Auch dem Aufsichtsinstrumentarium der Bundesregierung kam keine maßgebliche Bedeutung zu. Diese Judikatur stellte vor allem auf das haushaltsrechtliche Gebot der Erlösmaximierung bei der Verwertung des volkseigenen Vermögens ab. Verkauft die Treuhandanstalt ausschließlich nach solchen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, d.h. entscheidet sie nach marktwirtschaftlichen Kriterien und agiert nach unternehmerischen Grundsätzen, kümmert sie sich also nicht um Investitionen, Arbeitsplätze und Beschäftigung, so verfolgt sie nach Auffassung dieser Rechtsprechung im Verhältnis zum Vertragspartner nicht unmittelbar öffentliche Aufgaben. Dieser Auffassung ist zu folgen, wenn die Tätigkeit der Treuhandanstalt allein unter dem Blickwinkel der Maximierung des Verkaufserlöses betrachtet wird. Indes blendet sie die anderen Zielsetzungen des Treuhandgesetzes und die Realitäten der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern völlig aus. In der ganz überwiegenden Mehrheit der Unternehmensverkäufe stand das Gebot des Ziel der Erlösmaximierung hinten an. Ganz im Gegenteil mußte die Treuhandanstalt ganz erhebliche fmanzielle Leistungen vor und im Zuge der Privatisierung erbringen, um die Unternehmen überhaupt verkaufen zu können. Die zusätzliche Finanzausstattung für die Unternehmen in Form von verlorenen Zuschüssen, Darlehen, Bürgschaften u.ä. wurde dann aber möglichst mit der Zahl der zu sichernden Arbeitsplätze und den Umfang der durchzuführenden Investitionen verknüpft. Auch Teile des Schrifttums sprechen sich für eine zivilrechtliche Privatisierungsentscheidung der Treuhandanstalt aus. Eine Bewertung der Tätigkeit der Treuhandanstalt als Leistungsverwaltung oder zumindest eine ensprechende Anwendung dieser Verwaltungs grundsätze auf das Privatisierungshandeln wird abgelehnt. Diese Auffassung verweist auf die klassischen Kriterien für die Leistungsverwaltung, und zwar die spezifische individuelle Begünstigung
39 OVG Berlin, KG (2.Senat) und VG Berlin bejahten die Zuständigkeit der Zivilgerichte fllr Klagen gegen die Treuhandanstalt; OVG Berlin NJW 1991, 715; KG Berlin, 2. Senat, NJW 1991, 2299; VG Berlin NJW 1991, 1969, Ebbing, Verkaufspraxis, S. 321 f.
A. Besondere öffentlich-rechtliche Bindungen der THA
53
einzelner und die Unmittelbarkeit der Leistungsgewährung. Diese Auffassung betont, daß die Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt nicht der Vergabe begrenzter Mittel an individuelle Personen dient. Die öffentliche Aufgabe der Privatisierung obliegt der Treuhandanstalt ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, nicht im Interesse des individuellen Käufers oder des individuellen Unternehmens40 • Bei der Veräußerung von Anteilsrechten oder Unternehmen bzw. Unternehmensteilen geht es nicht wie im Bereich der Subventionsvergabe und anderer Zuteilungen darum, rur die Schaffung und Erhaltung der Lebensbedingungen oder die Verbesserung der Daseinsverhältnisse der Mitglieder dadurch zu sorgen, daß deren Interessenverfolgung durch bestimmte Gewährungen unmittelbar gefördert wird41 • Weiterhin wird dem Treuhandgesetz und der Bindung an die Bundeshaushaltsordnung ein Vorrang des Prinzips der Erlösmaximierung entnommen. Der Treuhandanstalt obliegt in erster Linie die - bestmögliche - Verwertung des übernommenen volkseigenen Vermögens im Bereich der Unternehmen. Die Treuhandanstalt betreibt im großen Stil eine Vermögensverwaltung in Form dieser Vermögensverwertung42 . Es sollen Staatsgüter nicht wie im Bereich der leistenden Verwaltung einzelnen Privatpersonen oder Gruppen von Privatpersonen zur Verfolgung ihrer Interessen gewährt, vielmehr sollen diese Güter gegen Entgelt veräußert werden. Die der Treuhandanstalt zugewiesene Aufgabe, die Wettbewerbsfähigkeit der durch Umwandlung entstandenen Kapitalgesellschaften durch Privatisierung herzustellen, ist erwerbswirtschaftlicher Natur. Zwar tritt auf diese Weise auch eine Verbesserung der Lebensqualität der Bürger in den neuen Bundesländern ein bzw. wird damit angestrebt; die Verbesserung der sozialen Bindungen erfolgt jedoch nicht unmittelbar. Eine allenfalls mittelbar fördernde Auswirkung auf Interessen, die durch Private verfolgt werden, erfUllt nach dieser strengen Auffassung nicht die Kriterien der Leistungsverwaltung43. bb) Ablehnung der Zweistufenlehre Da schon die Nähe des Handelns der Treuhandanstalt zur Leistungsverwaltung verneint wird, können nach der vorgenannten Auffassung auch die im Rahmen der Subventionsvergaben entwickelten Grundsätze der Zweistufenlehre nicht zur Anwendung kommen. Vielmehr dienen deren dogmatische Struk-
40
Ebbing, Verkaufspraxis, S. 324.
41 Wolf/Bachoff, Verwaltungsrecht 11, § 3 I b 2; von Münch, in: ErichseniMartens, § 2113.
42
Ehlers, in: ErichseniMartens, § 2 IV 1 Rdn. 73.
43
Weimar, DÖV 1991,813,816.
1. Kap.: Atypizität der Untemehmenskaufverträge der THA
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turen als weitere Argumente gegen die Einbettung der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt in das Verwaltungsprivatrecht. Die Verkaufsentscheidung der Treuhandanstalt im Rahmen des Privatisierungsverfahrens ist nach dieser Ansicht nicht mit der Zweistufenlehre vergleichbar. Die Vergabeentscheidung war - im Gegensatz zur Subventionsvergabe - die Folge eines einheitlichen, gleichberechtigten Verhandlungsprozesses. Die Treuhandanstalt prüfte nicht das Vorliegen von Anspruchsvoraussetzungen, sondern die Angemessenheit und Konkurrenzfähigkeit des Kaufangebots44 • Eine gedankliche Aufteilung in einen BewiIligungsbescheid und einen frei ausgehandelten Veräußerungsvertrag wäre konstruiert und würde dem tatsächlichen Vorgehen nicht gerecht4s • In der Verkaufsentscheidung kann keine Zuwendung gesehen werden, durch die die Treuhandanstalt eine öffentliche Aufgabe erfilllt, die ihr im Interesse (auch) der Käufer obliegt. Die Privatisierung ist der Treuhandanstalt im Interesse der Allgemeinheit, nicht im Individualinteresse potentieller Käufer oder der betroffenen Unternehmen übertragen worden. Es geht nicht um die Verteilung beschränkter staatlicher Mittel mit dem Ziel der Begünstigung bestimmter Individuen. Die vorgenannte Argumentation überzeugt nicht. Einerseits werden die im Treuhandrecht verankerten konkurrierenden Gemeinwohlziele wie die Arbeitsplatzsicherung etc. im Rahmen der Umstrukturierung der Wirtschaft vernachlässigt; des Weiteren werden die Realitäten der Vergabepraxis beim Verkauf nicht in gebührendem Umfang berücksichtigt46 • cc) Rechtsfolgen bei eingeschränkter Anwendung des Verwaltungsprivatrechts Da die - auch entsprechende - Anwendung der Grundsätze zur Leistungsverwaltung abgelehnt wird, handelt die Treuhandanstalt somit beim Vergabeverfahren und dem Vollzug der Privatisierungsverträge einstufig zivilrechtlich. Nachfolgend wendet diese Auffassung aber doch die Grundsätze des Verwaltungsprivatrechts eingeschränkt an. Sie begründet dies damit, daß die Privatisierung ursprünglich durch Aktiengesellschaften durchgefilhrt werden sollte, vgl. § 8 THG. Nachdem deren Gründung unterblieb, wurde damit die Treuhandanstalt selbst in ihrer Funktion als bundesunmittelbare Körperschaft des
44
Ebbing, Verkaufspraxis, S. 326.
45
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 407.
46
Ebbing, Verkaufspraxis, S. 327.
A. Besondere öffentlich-rechtliche Bindungen der THA
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öffentlichen Rechts beauftragt, vgl. Art. 25 Abs. 1 S. 2 EV47 • Aus diesem ungewollten Dualismus ist das Handeln der Treuhandanstalt daher eingeschränkt verwaltungsprivatrechtlicher Natur48 • Diese Auffassung spricht sich für eine eingeschränkte Grundfechtsbindung der Treuhandanstalt aus. Einer allgemeinen Grundrechtsbindung bedarf es nur dann, wenn, wie ausgeführt, der Staat einseitig begünstigende oder daseinsvorsorgende Leistungen im Interesse des Einzelnen erbringt oder wenn der Staat durch ein zivilrechtliches Handeln mittelbar auch in die Rechte der Bürger eingreift und das Zivilrecht keinen hinreichenden Schutz gewährt. Diese Gefahr soll bei der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt nicht gegeben sein. Eine Grundrechtsbindung der Treuhandanstalt besteht vor allem aus Art. 3 Abs. I GG, indem die Treuhandanstalt ein gleichförmiges Privatisierungsverfahren zu gewährleisten hat49 • Eine weitergehende Unterworfenheit der Treuhandanstalt unter den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG und unter den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht notwendig50 • So stellen mögliche Privatisierungen des gleichen Unternehmens an zwei unterschiedliche Kaufinteressenten aufgrund der besonderen AufgabensteIlung der Treuhandanstalt keine wesentlich gleichen Sachverhalte dar. Es kann nicht unter Verweis auf den Gleichheitssatz der Abschluß inhaltsgleicher oder inhaltsähnlicher Verträge verlangt werden. Ob und inwieweit ein Investor oder ein Investitionskonzept der Zukunfts sicherung des Unternehmens diente, unterlag einer Einschätzungsprärogative der Treuhandanstalt, die eine nachträgliche Überprüfung der Entscheidung am Gleichheitssatz nahezu ausschließtSI. Im Rahmen von Nachverhandlungen treten wesentlich gleichartige Fallkonstellationen noch seltener auf. Es kann nicht angenommen werden, daß ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz schon dann vorliegt, wenn die Treuhandanstalt sich in manchen Fällen kompromißbereit zeigt, in anderen Fällen aber auf Vertragsdurchftihrung besteht52 .
41 Auch nach Umbenennung der Treuhandanstalt in die Bundesanstalt rur verein igungsbedingte Sonderaufgaben war wiederum eine öffentlich-rechtliche Körperschaft mit der Durchführung der Privatisierungsverträge befaßt. 48
Ebbing, Verkaufspraxis, S. 326.
49
Ebbing, Verkaufspraxis, S. 330 f.
so Ebbing, Verkaufspraxis, S. 332 f. SI
Ebbing, Verkaufspraxis, S.333 f.; Schmidt-Preuß, Die Verwaltung, 1992, 327,
332. S2 Ebbing, Verkaufspraxis, S. 333: Im Vorgriff zur Vermeidung einer Rückabwicklung ist die Treuhandanstalt zur vertragserhaItenden Nachverhandlung berechtigt. Inwieweit die Treuhandanstalt dabei eine konkrete Privatisierung als erhaltungsftlhig
56
l. Kap.: Atypizität der Unternehmenskaufverträge der THA
Die letztgenannte Argumentation verdient Zustimmung, da bei den komplexen Unternehmen und den sehr unterschiedlichen Unternehmenskonzepten der Investoren die Verträge vollkommen unterschiedlich abzufassen waren. Infolgedessen waren die Sachverhalte bei den späteren Nachverhandlungen der Verträge aufgrund der unterschiedlichen Unternehmens- und Marktentwicklung nahezu nie vergleichbar. Gerade bei den Nachverhandlungen wurde deutlich, inwiefern die Schieflage des Unternehmens zumindest vom Investor (mit)verschuldet war. Auch dies ist ein wichtiges Kriterium im Rahmen der sachgerechten Ausübung des Ermessesn und schränkt die Vergleichbarkeit zusätzlich weiter ein. b) Uneingeschränkte Anwendbarkeit des Verwaltungsprivatrechts auf das Privatisierungshandeln der Treuhandanstalt
Nach der Gegenauffassung gelten für die Treuhandanstalt die Bindungen des Verwaltungsprivatrechts vollumflinglich, sie handelt nicht rein "fiskalisch" wie etwa der Staat bei Vermögenswertungsgeschäften oder im Beschaffungswesen bei "fiskalischen HilfStätigkeiten,,53. Ein Teil der Rechtsprechung, speziell das Kammergericht Berlin (9. u. 24. Senat), das Bezirksgericht Chemnitz und zunächst auch das VG Berlin stufen die Privatisierungstätigkeit und insbesondere die Vergabeentscheidung der Treuhandanstalt als öffentlich-rechtlich . 54 em . und -würdig einstuft, unterliegt wiederum ihrer Entscheidungsprägorative. - AA Kiethe, Nachverhandlungen, S. 28. 53 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 187 zu den Konsequenzen bei Annahme einer privatrechtlichen Entscheidung: Im Zivilrecht ist die Entscheidung zum Vertragsschluß grundsätzlich nicht rechtsgebunden. §§ 138, 826 BGB und c.Lc. haben Grenzen beim Schandensnachweis; das ist dem preisgünstigsten Bewerber bei marktorientiert zu vergebenden öffentlichen Aufträgen noch möglich. Bei nicht an dem Preis orientierten Abschlußentscheidungen muß der Nachweis einer Schadensverursachung regelmäßig scheitern, weil Ermessensfehler nicht ausreichen, um darzutun, daß gerade mit dem übergangenen Bewerber abgeschlossen worden wäre; ähnlich BleckmanniErberich, in: R/R/B, Treuhandanstalt, Rdn. 84, Bei zivilrechtlichrem Handeln bleibt nur der Rückgriff rur eine Haftung aus c.Lc .. Aufgrund des öffentlichen Interesses sind auch öffentlichrechtliche Haftungsnormen heranzuziehen, der Anspruch aus öffentlich-rechtlicher c.Lc. und enteignendemlenteignungsIeichem Eingriff. 54 KG Berlin NJW 1991, 360; VG NJW 1991,376; BezG ehern. VIZ 1992, 145 f.; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 321 f.; Spoerr, Treuhandanstalt, S. 177: Nachweise: Fahrenbach, DtZ 1990, 268; Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet (im folgenden zitiert: Wirtschaftsrecht), S. 385 ff.; KerberiStechow, DZWiR 1991, 49, 51; Busche, in: Brunner u.a., § 2 THG, Rdn. 6 ff.
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aa) Gemeinwohlbezug der Unternehmensprivatisierungen Diese Auffassung stellt maßgeblich auf die Gesamtheit der bei der Privatisierungsentscheidung verfolgten Zielsetzungen ab. Die maßgeblichen Entscheidungskriterien der Treuhandanstalt sind eben nicht allein die Maximierung des Verkaufserlöses, sondern gleichberechtigt die folgenden: - Schlüssiges Unternehmenskonzept - Zusage eines möglichst großen Investitionsvolumens - Arbeitsplatzsicherheit _ Kaufpreis ss Diese Auffassung betont, daß bei der Verwertung von Staatsvermögen - insbesondere der Treuhandunternehmen - die Entscheidungsprogramme der Erlösoptimierung und gesamtwirtschaftlichen Gemeinwohlorientierung gleichberechtigt nebeneinander verfolgt werdens6 • Begründet wird dies mit einem Umkehrschluß, wonach die Treuhandanstalt von Gesetzes wegen nicht auf das Prinzip der Erlösmaximierung festgelegt ist. Zwar könnte das einfache Recht Vorgaben fUr eine Entscheidung zwischen den Prinzipien der Erlösoptimierung und der Gemeinwohlorientierung liefern. So hat gemäß § 2 Abs. I S. 2 THG "die Privatisierung und Verwertung volkseigenen Vermögens nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft" zu erfolgen. Dieser Leitsatz ist indes ambivalent, da die soziale Marktwirtschaft als gemischtes Wirtschaftssystem dadurch gekennzeichnet ist, daß wirtschaftliche Aktivität grundsätzlich privater Initiative überlassen bleibtS7• Andererseits kennt und verlangt diese Wirtschaftsform auch gemeinwohlbezogenes Handeln des Staates im Bereich der Wirtschaft. Für den Vorrang des Prinzips der Erlösmaximierung könnte des Weiteren § 8 THG sprechen, wonach die Privatisierungsaufgabe "unternehmerisch" gelöst werden soll. Hiergegen spricht aber der systematische Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 THG. Die Bestimmung verpflichtete ebenfalls die nicht gegründeten - Treuhandaktiengesellschaften auf die "Zielsetzungen der sozialen Marktwirtschaft". Eine rein erlösmaximierende staatliche Tätigkeit wird, wie erwähnt, dieser Zielsetzung nicht gerechtS8 •
~~ Bleckmann/Erberich, in: RlRIB, Treuhandanstalt, Rdn. 41 und 46. ~6 Zutreffend Spoerr, Treuhandanstalt, S. 175; zur Frage der Reichweite der Grundrechtsbindung der Treuhandanstalt vgl. Ebbing, Verkaufspraxis, S. 330 f. 57
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 168.
58
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 169.
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Im Ergebnis ist dem Treuhandgesetz keine bindende Vorgabe rur das erlösoptimierende Entscheidungsprogramm zu entnehmen. Es verbietet daher das gemeinwohlorientierte Programm nicht. Andererseits ermächtigt das Treuhandrecht auch nicht eigens zu dem gemeinwohlorientierten Programm. bb) Die Privatisierungsentscheidung als realsubventionierende Leistungsverwaltung Von großer Bedeutung rur die Unternehmensprivatisierung sind somit auch soziale Kriterien wie die Arbeitsplatzsicherung und Investitionsförderung, die gleichzeitig fundamentale volkswirtschaftliche Ziele verkörpern. Im Rahmen der Verkaufsentscheidung werden die Gemeinwohlziele der Beschäftigungsund Investitionsgarantien auch vom Erwerber gegen mögliche Kaufpreiskonzessionen übernommen 59. Die Privatisierungsentscheidung dient daher nicht nur dem Interesse der Allgemeinheit, sondern unmittelbar auch dem nach Gewinnmaximierung strebenden Unternehmer. Bei normalem Verlauf der Restrukturierung der Unternehmen ist der Kaufpreisnachlaß unmittelbar rur den Erwerber renditeerhöhend. Im Ergebnis ließe sich daher vertreten, die Vergabeentscheidung als öffentlich-rechtlichen, da zumindest subventionsähnlichen Akt zu werten60 • Es ist zu prüfen, ob die Normen des Treuhandrechts eine solche Einstufung als Leistungsverwaltung zulassen bzw. eine Analogie geboten ist. Daher ist zunächst zu definieren, inwiefern den Kaufpreisnachlässen und sonstigen Leistungen der Treuhandanstalt bei der Vergabeentscheidung der Charakter einer Subvention zukommt. (l) Begriff der Subvention
Der Staat darf grundsätzlich sein Vermögen nicht unter Wert verkaufen oder verschenken. Ob die Treuhandanstalt als staatliche Privatisierungsbehörde eine subventionierende oder zumindest subventionsähnliche Tätigkeit beim Unternehmenskauf ausübt, ist an der überkommenen Defmition des Begriffs Subvention zu messen. Subventionen sind Leistungen aus öffentlichen Mitteln, die ganz oder teilweise ohne marktmäßige Gegenleistung an Private gewährt
S9
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 182.
60 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 196. - Auch die Subordinations- und Subjekttheorie gelangen zu einer Einstufung der Privatisierungsentscheidung der THA als öffentlichrechtlicher Akt.
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werden, um eine öffentlichen Zwecken dienende "Gegenleistung" zu bewirken61 • Die genaue Defmition der Subvention fmdet sich in § 264 Abs. 6 S. 1 StGB. Demnach ist eine Subvention "eine Leistung des Staates, die ... wenigstens zum Teil 1. ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird und 2. der Förderung der Wirtschaft dienen soll." Als Zuwendung und damit als Subventionsarten kommen in Betracht: Verlorene Zuschüsse, Darlehen, BOrgschafen und sonstige Gewährleistungen für Darlehen sowie Realförderungen, beispielsweise die bevorzugte Berücksichtigung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge oder bei der Veräußerung staatlicher Grundstücke, wobei der Vorteil darin liegt, daß der Subventionsnehmer den Zuschlag überhaupt - und zudem meist zu günstigeren Bedingungen erhält62 • (2) Formen der Realsubventionierung bei der Unternehmensprivatisierung Der Staat darf nur eines öffentlichen Zwecks wegen subventionieren, auch in Gestalt von Realsubventionen bei Verkäufen unter Wert, aber er darf nichts schenken. Die Treuhandanstalt berücksichtigt in hohem Maße die Gemeinwohlziele der Arbeitsplatzsicherung und Investitionsforderung und veräußert deshalb freiwillig oder notgedrungen die Unternehmen oft unter deren Substanzwerten. Sie gibt damit öffentliches Vermögen unter Marktpreis her, läßt sich dafür aber nichtfmanzielle Gegenleistungen im öffentlichen Interesse zusichern. Sie handelt so, wie nach "unternehmerischen Grundsätzen" niemand handeln wOrde 63 • Die Treuhandanstalt praktiziert somit in den Privatisierungsentscheidungen weitgehend ein Programm, das soziale Folgen mit berücksichtigt. Der erzielbare Kaufpreis ist nur eines von mehreren Kriterien bei der Vergabe. Die Transformation der Marktwirtschaft auf das Beitrittsgebiet durch die Treuhandanstalt ist etwas völlig Neuartiges und Außergewöhnliches, sie läßt sich in das bisherige System der Rechtsprechung nicht problemlos einfilgen. Die Privatisierungstäigkeit hat jedoch eine starke Ähnlichkeit mit der Realsubventionierung bzw. Realförderung64 • Die Treuhandanstalt subventio-
61
Ehlers, VerwArch 1983, 112, 113; Ipsen, in: HStR, § 92, Rz. 27 ff.
62
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rdn. 6.
63
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 178 f.
64 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 172, 178 f. und 185; Ipsen, in: HStR, § 92 Rdn. 34; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 Abs. 1 Rdn. 502.
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niert in der Form, als sie die Kaufpreisnachlässe, Bürgschaften, Darlehen u.ä. fUr die "Gegenleistung" der ErfUllung eines öffentlichen Zwecks wie die Arbeitsplatzsicherung und die DurchfUhrung von Invstitionen gewährt. Steht im konkreten Fall fest, daß die Treuhandanstalt die Unternehmen und Grundstücke im Interesse von Beschäftigung und Investitionen unter dem Marktpreis verkauft, so subventioniert sie. (3) Probleme des Gesetzesvorbehalts bei der Subventionierung durch die Treuhandanstalt Die Veräußerung von Staatsvermögen ohne gesetzliche Ermächtigung ist grundsätzlich zulässig, sie unterflillt nicht dem Vorbehalt des Gesetzes65 . Allerdings muß die Veräußerung grundsätzlich zum objektiven Wert erfolgen 66 • Für Subventionen ist weitgehend anerkannt, daß sie zwar nicht dem Vorbehalt des formellen und materiellen Gesetzes, aber dem Parlamentsvorbehalt unterliegen67• Zumindest eine Ermächtigung im Haushaltsgesetz oder durch schlichten Parlamentsbeschluß wird fUr erforderlich, aber auch fUr ausreichend gehalten. Da die Treuhandanstalt haushaltsrechtlich verselbständigt ist und auch das Treuhandrecht keine entprechende Ermächtigung enthält, fehlt es an einer hinreichenden Befugnis. Das nicht dem Vorbehalt des Gesetzes entsprechende Verwaltungshandeln ist rechtswidrig und hat zu unterbleiben. Die Folge filr das Handeln der Treuhandanstalt wäre, daß nur noch erlösmaximierende Privatisierungen zulässig wären. Bei Unternehmensverkäufen würde dies in vielen Fällen dazu fUhren, daß die FortfUhrung des Unternehmens nicht gesichert werden könnte. Oft sind die Zerschlagungswerte der Vermögensgegenstände, insgesondere der Grundstücke, höher als die FortfUhrungswerte. Mehr Beschäftigte würden arbeitslos, als dies bei Verzicht auf optimale Verkaufserlöse möglich wäre; die krisenhafte wirtschaftliche und soziale Lage im Beitrittsgebiet würde sich weiter zuspitzen. Diese Verschärfung sozialer Krisen durch staatliches Handeln geriete in Konflikt mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Daher besteht eine Verpflichtung des Staates, im Einzelfall im Beitrittsgebiet auf optimale Erlöse
65 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 170; Bleckmann/Erberich, in: RlRIB, Rdn. 34; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 314 f.
66
BGHZ 47,30,39.
67 K/oepjer, JZ 1984, 685, 690 f.; BVerwGE 6, 282, 287 f.; BVerwGE 20, 101, 103; BVerwGE 30, 191, 193; OVG Münster NvwZ 1982, 381; BVerwGE NJW 1977, 1838, 1839; BVerwG 85, 45, 48; Jarass. NVwZ 1984,473,478; Ipsen, in: HStR, § 92 Rz. 39 f.; Ossenbüh/, in: Erichsen/Martens, § 5 11.
A. Besondere öffentlich-rechtliche Bindungen der THA
61
zugunsten der Beschäftigung von Arbeitnehmern zu verzichten68 . Der Verfasssungsverstoß fUhrt nicht dazu, daß die Treuhandanstalt bei Privatisierungsentscheidungen die gemeinwohlorientierte Folgenbeseitigung unterlassen muß, sondern daß eine Nachbesserungspflicht im Sinne einer parlamentarischen Legitimation der Praxis bestehr. cc) Subventionsrecht und Zweistufentbeorie Sofern mit der Verkaufsentscheidung über das Treuhandunternehmen eine Realsubventionierung inzidenter verbunden ist, ist zu beachten, daß die Subventionierung entweder einstufig öffentlich rechtlich oder zweistufig mit vorgeschalteter öffentlich-rechtlicher Stufe erbracht wird. Über die Subventionsvergabe selbst wird jedenfalls öffentlich-rechtlich entschieden70 • Da die Treuhandanstalt nach erklärter Absicht privatrechtliche Kaufverträge abschließt, wird das Privatisierungsverfahren in zwei Vorgänge aufgespaltet. Es kommen die Grundsätze der Zweistufentheorie zur Anwendung, wonach die Vergabeentscheidung über die Subventionierung öffentlich-rechtlich und die Abwicklung in dem zivilrechtlichen Kaufvertrag erfolgt. Das Privatisierungshandeln der Treuhandanstalt ist zweistufiges Verwaltungsverfahren71. Damit verbunden ist eine Zweispurigkeit des Rechtswegs 72 • Der Anwendungsbereich der Zweistufenlehre liegt in Strukturen, die bloße Ermessensbindungen und komplexe Interessenstrukturen, vor allem Konkurrenteninteressen, zu verarbeiten haben. Die gesteigerten Abwägungserfordernisse vermag das öffentliche Recht besser als das Privatrecht zu befriedigen 73. 68
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 172.
69
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 172.
70
Spoerr,Treuhandanstalt, S. 183.
71 Zu den Konsequenzen beim Klageverfahren vgl. Spoerr, Treuhandanstalt, S. 215 und S. 219 ff.
n Ebbing, Verkaufspraxis, S. 325; Weimar, ZIP 1993, 1,6; OVG Berlin NJW 1991, 198. - Die Zweistufentheorie war nach dem 2. Weltkrieg fllr die Vergabe von Autbaudarlehen, Wohnungsbaudarlehen und sonstiger Subventionsdarlehen entwickelt worden. Heute findet diese Lehre vor allem auf die Vergabe von Subventionen durch staatliche Stellen und bei der Benutzung öffentlicher Anstalten und Einrichtungen durch die Bürger Anwendung. 73 Vor den Gefahren einer schematischen Sichtweise der Zweistufentheorie warnt Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 86: Soweit Zuwendungen von der Verwaltung als Subvention vergeben werden, muß es das rechtliche Anliegen sein,
1. Kap.: Atypizität der Untemehmenskaufverträge der THA
62
Das Privatrecht kann zwar den Schutz von Vertragspartnern und von Konkurrenten der öffentlichen Hand (Wettbewerbsrecht) mindestens gleichwertig leisten, für Drittinteressen sowie für Verfahrens- und Ermessensbindungen aber hält es kein adäquates Schutzinstrumentarium bereie4• Gestützt wird die Entscheidung für die Einordung des Privatisierungshandelns der Treuhandanstalt unter die Zweistufenlehre, vor allem in Bezug auf das "Ob" der Privatisierung als öffentlich-rechtliche Entscheidung, durch die Einfügung des § 3 a a.F. in das VermG. In dessen Abs. 4 ist unter anderem bestimmt, daß Widerspruch und Anfechtungsklage - also verwaltungsprozessuale Rechtsmittel - gegen Entscheidungen der Treuhandanstalt keine aufschiebende Wirkung haben, dadurch aber doch offensichtlich ihre grundsätzliche Zulässigkeit vorausgesetzt wird's. Die Entscheidung, zu verkaufen, ist öffentlich-rechtlich und damit Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG. Denn die Entscheidung hat regelnden Charakter und ist gegenüber dem positiv beschiedenen Interessenten oder dem abgelehnten Erwerbsaspiranten auf Rechtswirkung nach außen gerichtet. Die Entscheidung bewirkt einseitig die Invdividualisierung der zuteilenden BegUnstigungsabsicht auf den Vertragspartner'6. Diese Entscheidung enthält somit vorgelagert die öffentlich-rechtlichen Bindungen, die innerhalb des Kaufvertrages nicht zur Geltung gebracht werden können. Das sind Verfahrens- und Ermessensbindungen bei der Auswahl des Vertragspartners und insbesondere auch Bindungen, die Dritterwerber schützen". Die Verkaufsentscheidung ist weren § 2 Abs. 1 THG durch die Treuhandanstalt ermessensfehlerfrei zu treffen' . Der überganverfahrensmäßige und materiellrechtliche Garantien zu schaffen, daß z.B. Verzerrungen der Wettbewerbsgleichheit durch willkürliche Bevorzugungen oder Benachteiligung vermieden und öffentliche Mittel nicht zweckwidrig, d.h. im Widerspruch zu gesetzliche Vorschriften oder zu den Bestimmungen des Haushaltsplans verwendet werden. Diesem Anliegen ist nicht unbedingt dadurch entsprochen, daß man die Vergabe von Subventionen dem privatrechtlichen Darlehens-, Bürgschafts- und Schenkungsrecht ganz oder teilweise entzieht, und entweder im Rahmen einer Zweistufentheorie als Verwaltungsakt und zugleich als privatrechtlichen Darlehensvertrag oder öffentlichrechtlichen Vertrag versteht. 74
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 189.
7S
BleckmanniErberich, in: RlRIB, Treuhandanstalt, Rdn. 39.
76
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 184.
77 Vgl. Brohm, VVDStRL 30 (1971), 246, 286 f. - Mehr und mehr wird auch deutlich, daß auch die Stabilisierungsfunktion und vor allem die Funktion, Drittinteressen abzuarbeiten, entscheidende Vorzüge des Verwaltungsakts gegenüber dem (öffentlichrechtlichen wie privatrechtlichen) Vertrag sind. 78
Weimar, BB 1990, Beilage 40/190, 10, 13; Fahrenbach, DtZ 1990,268,269.
B. Gang der Untersuchung
63
gene Mitbewerber hat. eine Klagebefugnis aus Art. 3 GG. Vergibt die Verwaltung zuteilend eine Leistung, ohne daß der Begünstigte einen Anspruch darauf hätte, so folgt aus Art. 3 GG ein Anspruch der die gleichen Voraussetzungen bietenden Mitbewerber auf ermessensfehlerfreie Entscheidung und - wenn diese nicht getroffen wurde - auf Abwehr der Fremdbegünstigung79 • Schließlich kann die fehlerhafte Auswahl eine schadensersatzpflichtige Amtspflichtverletzung darstellen. Das weitere Ergebnis fUr das Privatisierungshandeln der Treuhandanstalt ist, daß sie nach erklärter Absicht privatrechtliche Kaufverträge abschließt. Sie entscheidet sich damit jeweils im Einzelfall fUr privatrechtlieh regelndes Handeln, weil ihr privatrechtliches Handeln nicht durch Gesetz vorgegeben ist. Somit unterliegen alle Veräußerungen der Treuhandanstalt entsprechend den fUr die Verpflichtungs- und Verftlgungsgeschäfte geltenden Bestimmungen dem Privatrecht und sind deshalb durch die ordentlichen Gerichte zu entscheiden.
B. Gang der Untersuchung Die nachfolgende Untersuchung setzt ungeachtet der Vorarbeiten, die die Treuhandanstalt bis zum Verkauf der ihr anvertrauten Unternehmen leisten muß, an dem eigentlichen Privatisierungsvertrag an, wie er den Investoren in mehr oder minder abgewandelten Form angeboten, oder aus der Sicht der Investoren sinnbildlich aufgrund des öffentlichen Auftrags der Treuhandanstalt aufgedrängt wird. I. Der Stellenwert der investiven gemeinwohlbezogenen Vertragsklauseln Der Auftrag zur Durchsetzung von Gemeinwohlzielen im Rahmen der Unternehmensprivatisierung führt im Vergleich zum überkommenen Unternehmenskaufvertrag zur Aufnahme neuartiger atypischer Klauseln in den Kaufvertrag. Die Erwerber der Unternehmen gehen zumindest mittelfristige Verpflichtungen in Bezug auf die nachhaltige Sicherung von Arbeitsplätzen und die Vornahme investiver Maßnahmen ein. Es stellt sich sofort die Frage, wo die Gren-
79 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 209 f.; Weimar, THG, § 2, Rdn. 39: Weniger eindeutig ist die Rechtslage bei Entscheidungen der Treuhandanstalt über Anträge ihrer Unternehmen auf Gewährung von Leistungen u.a. nach der EntschuldgungsVO, nach dem DMBilG u.a.. Finanzieller Unterstützung der Treuhandunternehmen seitens der Treuhandanstalt kommt im Ergebnis die Wirkung einer staatlichen Subvention im Rahmen der Wirtschaftsförderung zu.
64
I. Kap.: Atypizität der Untemehmenskaufverträge der THA
zen derart gesteigerter Rechtspflichten im Unterschied zum normalen Unternehrnenskaufvertrag liegen. Sowohl die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen als auch der Schutz der Interessen von Alteigentürnern bedingen ein atypisches Dauerschuldverhältnis. Die vertraglichen Beziehungen der Parteien eines Unternehrnenskaufvertrages verlängern sich beträchtlich Die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien sind mit der Erfilllung der originären vertraglichen Hauptpflichten i.S.d. § 433 BGB, der Zahlung des Kaufpreises und der Verschaffung des Eigentums, noch lange nicht abgeschlossen. Sowohl die vorgenannten investiven Vertragsklauseln als auch die sogenannten Antispekulationsklauseln - Mehrerlösklauseln genannt - begrUnden ein Dauerrechtsverhältnis zwischen der Treuhandanstalt und dem jeweiligen Investor. Da die zentrale Aufgabe bei der Unternehrnensprivatisierung die nachhaltige Sicherung von Arbeitsplätzen und die Durchfilhrung von Investitionen ist, führt die zügige Umsetzung einer solchen Massenprivatisierung zur Entwicklung und Anwendung sehr ähnlicher und nahezu gleichlautender Klauseln in den Unternehrnenskaufverträgen. Es fragt sich, ob und welchen Beschränkungen des AGB-Gesetzes die wiederkehrenden, gleichartigen Vertragsklauseln der Treuhandanstalt unterliegen. So ist zu prüfen, ob ein dem Grunde nach auf komplexe Regelungstatbestände zugeschnittener Unternehrnenskaufvertrag überhaupt dem Anwendungsbereich des auf Massengeschäfte zugeschnittenen AGB-Gesetzes unterfallen kann, oder ob nicht vielmehr ein genügend großer Freiraum für individuelles Aushandeln zwischen Treuhandanstalt und Investor verbleiben muß. Auch wenn der Privatisierungsvertrag nicht in der Gesamtheit dem AGB-Gesetz unterfallen sollte, so könnten die Beschränkungen des AGBGesetzes dennoch auf einzelne Vertragsklauseln anwendbar sein. Die investiven Klauseln sowie die Nachbewertungs- und Mehrerlösklauseln sind kaum verhandelbar. Solche Klauseln sind primär Ausdruck der gesetzgeberischen und haushaltsrechtlichen Vorgaben an die Treuhandanstalt, die bei der Verwertung des Staatsvermögens aus haushaltsrechtlichen GrUnden einerseits den Erlös optimieren soll, andererseits aber aufgrund der volkswirtschaftlichen Vorgaben verstärkt Gemeinwohlinteressen durchsetzen muß. Bei letzteren Klauseln stellt sich insbesondere die Frage, bis zu welcher Grenze der Staat Privatpersonen zumindest mittelfristige Verpflichtungen von ganz erheblicher fmanzieIIer Tragweite auferlegen kann. Denn die Zusagen der Investoren zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Durchfilhrung von Investitionen gehen einher mit erheblichen Kaufpreisnachlässen und dem Anvertrauen von Vermögenswerten zumeist in Millionenhöhe. Eine überragende Bedeutung erwächst den investiven Klauseln schließlich im Verhältnis zu den Restitutionsansprüchen der Alteigentürner. Nur die investiven Zwecke sind geeignet, das zur Sicherung der Rückübertragung von Vermögenswerten an die Alteigentümer gesetzlich angeordnete Verfilgungs-
B. Gang der Untersuchung
65
verbot des § 3 Abs. 3 VermG außer Kraft zu setzen. Erhält der Investor im Investitionsvorrangverfahren den Zuschlag, so muß sich der Alteigentümer grundsätzlich mit einem Anspruch auf Entschädigung begnügen. Aufgrund dieses Stellenwerts der investiven Klauseln könnte gegebenenfalls eine Einstufung der Arbeitsplatz- und Investitionsklauseln als zusätzliche, atypische Hauptleistungspflichten geboten sein. Falls dies bejaht wird, ist weiter zu untersuchen, ob der Gesetzgeber bei Nichteinhaltung der investiven Zusagen die als Sanktion gesetzlich angeordnete Vertragsstrafe als Fall der Nichterfilllung oder nicht rechtzeitigen Erfüllung gewertet haben will. Die überragende Bedeutung der investiven Zwecke im Rahmen der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt wirft ferner die Frage auf, bis zu welchem Grad die Treuhandanstalt die Investoren bei der Unternehmensprivatisierung gleichzubehandeln hat. So könnten sich Erleichterungen in den vertraglichen Pflichten zugunsten derjenigen Investoren ergeben, die sich beim Erwerb der Unternehmen oder Unternehmens grundstücke nicht mit den Rückgabenansprüchen von Alteigentümern konfrontiert sahen. 11. Der Konflikt der Treuhandanstalt zwischen der Durchsetzung von Gemeinwohlzielen und dem Schutz privater Restitutionsansprüche
Die Treuhandanstalt hat die zielgerichtete Durchsetzung von investiven Zwecken im Rahmen der Unternehmensprivatisierung gleichzeitig mit dem effektiven Schutz der Vermögensgüter von Alteigentümern zu harmonisieren. Die zügige Privatisierung wird dadurch erschwert, daß die Restitutionsansprüche von Alteigentümern auf die Unternehmen und/oder deren Grundstücke gemäß § 3 Abs. 3 VermG zunächst ein gesetzliches Verfilgungsverbot auslösen80• Dies steht im krassen Gegensatz zu dem gesetzlichen Auftrag der Treuhandanstalt, zügig das Staatsvermögen zu privatisieren und hindert die beschleunigte Umsetzung investiver Maßnahmen im Rahmen der Neuordnung der Wirtschaft im Beitrittsgebiet. Der Gesetzgeber entschied sich vom Grundsatz her dafür, zugunsten der Alteigentümer den Vorrang der Rückgabe ehemals meist entschädigungslos enteigneten Vermögenswerte vor einer bloßen Entschädigung zu statuieren. Ähnliches gilt filr die Restitutions- und Kommunalisierungsansprüche von Kommunen. Deshalb sind an die Ernsthaftigkeit der Investitionsabsichten von potentiellen Käufern erhöhte Anforderungen zu stellen. Mithilfe des sogenannten Investitionsvorrangverfahrens soll das Verfügungsverbot über anmeldebelaste-
80 Zur Rechtsnatur des Restitutionanspruchs und der Problematik des Verfügungsverbots vgl. ausführlich Kap. 5.
S HeB
66
1. Kap.: Atypizität der Unternehmenskaufverträge der THA
te Vermögenswerte überwunden werden. Der potentielle Unternehmenskäufer und der Alteigentümer können durch die Einreichung von investiven Konzepten in einen Bieterwettbewerb eintreten. Dieses atypische Verwaltungsverfahren soll die Balance zwischen den Rechten der Alteigentümer auf Rückgabe ihrer Vermögenswerte und den Interessen der Investoren an der Verfolgung ihrer unternehmerischen Ziele herstellen. Das Investitionsvorrangverfahren wird nur dann überflüssig, wenn der Restitutionsberechtigte freiwillig seine Zustimmung zu der Unternehmensveräußerung erteilt und somit anstelle der Rückgabe der Vermögenswerte nur die Entschädigung wählt. Schöpft der Alteigentümer hingegen alle Rechtsmittel aus, so verzögert sich der Zeitpunkt der schuldrechtlichen und dinglichen Wirksamkeit des Privatisierungsvertrages beträchtlich. Der Zeitraum bis zu der Entscheidung der Investitionsvorran~stelle über das bessere Investitionskonzept birgt fUr die Treuhandanstalt und die Investoren beträchtliche Risiken. Regelmäßig ist der Privatisierungsvertrag schwebend unwirksam. Aufgrund des Schwebezustandes des Vertrages ist die Steuerung des Unternehmens in diesem Zeitraum mit erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten sowohl fUr die Investoren als auch fUr die Treuhandanstalt verbunden. Auch diese Schwierigkeit prägt die Atypizität der Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt im Unterschied zum normalen Unternehmenskaufvertrag. Es ist daher das rechtliche Spannungsfeld eines schwebend unwirksamen Vertrages darzustellen, das infolge der staatlichen Ziele einer zügigen Durchsetzung volkswirtschaftlicher Ziele wie die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Förderung von Investitionen bei gleichzeitig möglichst effektivem Schutz der Individualinteressen von Altberechtigten erzeugt wird. Die Treuhandanstalt will zwar so schnell wie möglich dem Käufer die VerfUgungsbefugnis am Unternehmen und damit auch das vollständige unternehmerische Risiko übertragen. Solange der Vertrag aber noch nicht rechtswirksam ist, kann und will der Käufer nur in begrenztem Umfang Risiken übernehmen. Es wird daher notwendig, daß der Investor trotz der Übernahme der unternehmerischen Leitungsgewalt sein Haftungsrisiko im Verhältnis zur Treuhandanstalt, aber auch im Verhältnis zu den Alteigentümern im Falle des Unterliegens im Investitionsvorrangverfahren begrenzen kann. In diesem Schwebezustand des Vertrages sind die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Treuhandanstalt abzustecken, mithilfe derer sie sich ihrer treuhänderischen GesellschaftersteIlung trotz des aufschiebend bedingten Vertrages entledigen kann. Darüber hinaus müssen die allgemeinen Rechtswirkungen eines aufschiebend bedingten bzw. schwebend unwirksamen Vertrages vor allem im Hinblick auf die ErfUllung der gegenseitigen Vertragspflichten genauer analysiert werden. Schließlich fUhrt der staatlich vorgegebene Schutz der RestitutionsanspfÜche von Privatpersonen zu einer weiteren Atypizität in den Unternehmenskaufver-
B. Gang der Untersuchung
67
trägen der Treuhandanstalt. Das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG gebietet, daß von Verfassung wegen diejenigen Unternehmenskaufverträge rückabgewickelt werden müssen, bei denen innerhalb eines Zweijahreszeitraums die Gemeinwohlziele der Arbeitsplatzsicherung und Investitionsförderung aufgrund nicht vertragsgetreuen Verhaltens der Investoren i. S. v. §§ 13 ff. InVorG - früher § 3 aVermG - auf Kosten der Restitutionsberechtigten verfehlt wurden. Die Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen war bisher in der Rechtspraxis aufgrund der Komplexität des Kaufgegenstandes fast gar nicht anzutreffen. Schon vor der Wiedt;rvereinigung Deutschlands war ungeschriebenes Gesetz, daß der Rücktritt von einem Unternehmenskaufvertrag tunlichst auszuschließen und bei vertraglichen Leistungsstörungen nur eine Kaufpreisanspassung zu vereinbaren ist. Bei der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern setzt sich der Gesetzgeber aber nun über dieses Verdikt aufgrund der konkurrierenden Rechtsposition der Alteigentümer hinweg. Für den Fall der Rückabwicklung im Einzelfall werden dadurch äußerst schwer zu bewältigende rechtsdogmatische Fragen heraufbeschworen. Dieses auch aus anderen Gründen gegenüber herkömmlichen Unternehmenskaufverträgen deutlich erhöhte Risiko prägt ebenfalls den Unternehmenkaufvertrag der Treuhandanstalt und erfordert atypische vertragliche Gestaltungen. Indes ist der Fall der gesetzlich angeordneten Rückabwicklung nach dem In VorG bei weitem nicht die einzige Fallgruppe. Das potentielle Risiko einer Vertragsauflösung aus anderen Gründen ist aufgrund der atypischen Risiken der Unternehmenskaufverträge in den neuen Bundesländern ebenfalls beträchtlich. So räumt die Treuhandanstalt beispielsweise den Investoren regelmäßig filr den Fall einer zu langen Verzögerung des Investitionsvorrangverfahrens ein zeitlich begrenztes Rücktrittsrecht ein. Der Investor kann sich in diesem Fall ohne Ursachenforschung vom Vertrag lösen. Durch dieses Zugeständnis des Staates sollen die Investoren ihr unternehmerisches Risiko begrenzen können. Die unsichere Rechtslage im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse der Unternehmen, das potentielle Altlastenrisiko auf betriebsnotwendigen Grundstücken, die unsichere Ertragslage der Unternehmen etc. eröffnen den Investoren weitere gesetzliche und vertragliche Rücktrittsrechte. Trotz eines weitgehenden Gewährleistungsausschlusses der Treuhandanstalt kann es dadurch zur Auflösung des Vertrages kommen. Ist die Aufhebung des Unternehmenskaufvertrages im Einzelfall nicht mehr zu vermeiden, so sollen die im Rahmen der Rückabwicklung auftretenden Rechtsprobleme mit der Zielsetzung der Entwicklung eines möglichst einheitlichen Lösungskonzepts untersucht werden .. Es ist zu prüfen, wie solche sowohl volkswirtschaftlich unerwünschten als auch rechtstechnisch und kaufmännisch schwer zu bewältigenden Vertragsauflösungen eingeschränkt oder vermieden S·
68
1. Kap.: Atypizität der Untemehmenskaufverträge der THA
werden können. Die bei den spezifischen Fallkonstellationen im Einzelfall etwas unterschiedlichen Rechtsfolgen sind dabei jeweils gesondert herauszuarbeiten.
2. Kapitel
Standardisierung von gemeinwohlbezogenen und erlösoptimierenden Vertragsklauseln der Treuhandanstalt und ihre Vereinbarkeit mit dem AGB-Gesetz Die Durchsetzung der gemeinwohlbezogenen Ziele durch die Treuhandanstalt mit den Mitteln des Privatrechts fUhrt beim "Massengeschäft" der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern zwangsläufig zur Anwendung von gewissen Standards. Die zügige Privatisierung gemäß den Vorgaben des Treuhandgesetzes hat daher zwangsläufig Berührungspunkte mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Zwar ist das AGB-Gesetz dem Grunde nach auf Massengeschäfte zugeschnitten. Demgegenüber scheint ein Kaufvertrag über ein Unternehmen aufgrund der Komplexität des Vertragsgegenstands geradezu der Prototyp eines individuell ausgehandelten Vertragswerks zu sein, auch wenn der Auftrag der zügigen Privatisierung von mehr als 8000 ehemaligen Kombinaten vordergründig betrachtet auf die DurchfUhrung eines sogenannten Massengeschäfts hinweist. Die Privatisierungspraxis der Treuhandanstalt muß sich aufgrund ihrer spezifischen Aufgabenstellung der nachhaltigen Durchsetzung gemeinwohlbezogener investiver Zielsetzungen einer Überprüfung an den Maßstäben des AGBGesetzes stellen. Die staatlichen Vorgaben der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen an die Treuhandanstalt werfen die Frage auf, wie weit der Verhandlungsspielraum und die Verhandlungsbereitschaft der Treuhandanstalt reichen können. Auch wenn der Privatisierungsvertrag nicht in seiner Gesamtheit dem Prüfungsmaßstab des AGB-Gesetzes unterfallen sollte, ist zu erörtern, ob nicht einzelne Klauseln einer isolierten Überprüfung nach dem AGB-Gesetz zugänglich sind. Gemeint sind hierbei die Arbeitsplatz- und Investitionsklauseln sowie die Nachbewertungs- und Mehrerlösklauseln, die stets die gemeinwohlbezogenen aber auch erlösoptimierenden Zwecke staatlichen Privatisierungshandelns verwirklichen sollen. Allerdings darf die Überprüfung von Standardklauseln in den Privatisierungsverträgen auf ihre Vereinbarkeit mit dem AGB-Gesetz in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden. Denn bei der Frage, ob eine solche Klausel den Unternehmenskäufer i.S.v. § 9 AGBG unbillig benachteiligt, ist die besondere Situation der Privatisierungen in den neuen Bundesländern zu beachten. Ferner ist zu untersuchen, ob eine als nachteilig empfundene Klausel nicht im Ver-
70
2. Kap.: Kontrolle der Vertragsklauseln durch das AGB-Gesetz
tragsgefUge durch eine andere Klausel kompensiert wird und daher die Risikoverteilung des Vertrages insgesamt noch angemessen bleibe. Es ist das Bestreben der Treuhandanstalt, die Rückabwicklung von komplexen Unternehmenskaufverträgen tunlichst zu vermeiden. Vergleichsweise geringfUgige Gewährleistungsansprüche der Investoren könnten die nachhaltige Sicherung von Arbeitsplätzen gefilhrden, weshalb die Treuhandanstalt einen weitgehenden Haftungsausschluß praktiziert. Die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise nach dem AGB-Gesetz ist zu untersuchen, auch im Hinblick auf die später zu erörternden Rechtsprobleme im Falle einer Rückabwicklung des Privatisierungsvertrages.
A. Schutzzweck des AGB-Gesetzes Die Frage nach der Inhaltskontrolle von Treuhandkaufverträgen nach dem AGB-Gesetz könnte sich erübrigen, wenn dasAGB-Gesetz möglicherweise gar keine Anwendung fmdet. Der Regelungsbereich des AGB-Gesetzes wird in § 23 Abs. 1 S. 1 AGB-Gesetz eingeschränkt. Hiernach fmdet das AGB-Gesetz keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts. Es ließe sich die Auffassung vertreten, ein Unternehmenskauf speziell in der Form der Anteilsveräußerung sei ein Vertrag auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts und damit der Überprüfung nach dem AGB-Gesetz entzogen. Der Wortlaut der Bestimmung ist nämlich offen 2• Demgegenüber fUhrt jedoch eine teleologische Auslegung der gesetzlichen Bestimmung zu einem eindeutigen Ergebnis. Der Ausnahmebereich des § 23 Abs. 1 S. 1 AGB-Gesetz ist mit der pauschalen Bezeichnung "Gebiet des Gesellschaftsrechts" nur unzureichend abgesteckt. Nicht alle Verträge, die eine Beziehung zu gesellschaftsrechtlichen Rechtsverhältnissen aufweisen, sollen vom Ausnahmebereich erfaßt sein. Der Ausnahmebereich bezieht sich nach seinem Zweck und entsprechend dem Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmeregelungen nur auf Verträge, die unmittelbar auf Struktur, Personenkreis oder Willensbildung der Gesellschaft einwirken, also den Gesellschaftsvertrag gestalten oder die Ausübung von Gesellschafterrechten inhaltlich prägen. Andere Verträge unterliegen hingegen dem AGB-Gesetz3•
I
Horn, DB 1995,309,312.
2 So Horn, in: Wo/f/HorniLindacher, AGBG, 3. Aufl., 1994, Rdn. 74 wonach der Veräußerer von shares der I\ontrolle nach dem AGB-Gesetz unterliegt, auch wenn der Wortlaut offen ist. 3 Horn, in: Wo/f/HorniLindacher, AGBG, § 24 Rdn. 13, 16 f. und § 23, Rdn. 72, 74; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 339.
A. Schutzzweck des AGB-Gesetzes
71
Die wesentlichen Klauseln in den Treuhandkaufverträgen, d.h. die sogenannte Nachbewertungsklausel, die Vertragsstrafen wegen nicht erfUllter Arbeitsplatzverpflichtungen und ähnliche Klauseln regeln unmittelbar keine gesellschaftsrechtlichen Beziehungen. Der Schutzzweck des AGB-Gesetzes greift im Hinblick auf die schuldrechtlichen Pflichten der Vertragsparteien grundsätzlich ein. Des weiteren könnte die arbeitsrechtliche Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz eingreifen, da die Investoren regelmäßig Arbeitsplatzzusagen abgeben. Die Bereichsausnahme auf dem Gebiet des Arbeitsrechts ist aber nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung nur dann einschlägig, wenn in dem konkreten Vertrag Bestimmungen enthalten sind, die den Arbeitern selbst subjektive Rechte gewähren4 • Die Verpflichung der Investoren zur Sicherung einer bestimmten Zahl von Arbeitsplätzen läßt diesen die völlige Handlungsfreiheit bei der Auswahl der Arbeitskräfte. Die Sicherung von Arbeitsplätzen ist zwar ein wesentliches Kriterium des Vertrages, aber beileibe nicht das einzige. Die einzelnen Arbeitsverträge sind nicht konkret tangiert. Der Staat kann das unternehmerische Risiko keineswegs dergestalt erhöhen, daß er den Investoren eine Beschäftigungsgarantie ftlr bestimmte, möglicherweise ungeeignete Arbeitnehmer aufzwängt. Dies stünde im krassen Gegensatz zu dem System einer Marktwirtschaft westlicher Prägung. Aufgrund der spezifischen AufgabensteIlung der Treuhandanstalt könnte man ftlr eine rechtliche Sonderbehandlung der zwangsläufig atypischen Unternehmenskaufverträge plädieren. Schrifttum und Vertreter der Treuhandanstalt sind sich darin einig, daß die Privatisierungsverträge einen neuen Typ von Unternehmenskaufverträgen darstellen, der im wesentlichen aus der atypischen AufgabensteIlung nach § 2 Abs. 6 THG resultierts. Die Erlösmaximierung tritt im Vergleich zu dem globalen Ziel der Privatisierung bisweilen in den Hintergrund. Die Privatisierungsaufgabe beinhaltet arbeitsmarkt-, struktur- und regionalpolitische Ziele und impliziert eine beim Unternehmenskaufvertrag sonst unübliche Erweiterung der Gegenleistungspflichten der Käufer. Die Privatisierungsverträge der Treuhandanstalt könnten daher als Verträge "sui generis" eingestuft werden, vor allem im Hinblick auf die Nachbewertungsund Mehrerlösklausel sowie die Arbeitsplatz- und Investitionsverpflichtungen. Es fragt sich, ob daraus ein Sonderrecht ftlr die Treuhandanstalt abzuleiten ist oder ob nicht doch vielmehr die allgemeinen Regelungen wie das AGB-Gesetz und die Gesamtvollstreckungsordnung darauf Anwendung fmden6 • Die Ant-
4
Horn, DB 1995, 309, 311.
S
Zeuner, ZIP 1993,1365, 1366; Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992,293.
6
Zeuner, ZIP 1993, 1365, 1366.
72
2. Kap.: Kontrolle der Vertragsklauseln durch das AGB-Gesetz
wort hierauf kann nur die sein, daß der Staat sich durch die ErfUllung öffentlicher Aufgaben mit den Mitteln des Privatrechts nicht den rechtlichen Schranken eines privatautonomen Handelns entziehen kann. Die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes auf die Vertragsklauseln der Treuhandanstalt ist dem Grunde nach zu bejahen.
B. Eingeschränkte Anwendung des AGB-Gesetzes auf Kaufleute Das AGB-Gesetz fmdet eingeschränkte Anwendung bei Verträgen, die mit Kaufleuten geschlossen werden, vgl. § 24 Nr. 1 AGB-Gesetz. Kaufleute sind neben den natürlichen Personen gemäß §§ 1 ff. HGB einschließlich der Minderkaufleute gemäß § 4 HGB unter anderem die Personenhandelsgesellschaften OHG und KG sowie die Kapitalgesellschaften der GmbH und AG. Diese Einschränkung des § 24 Nr. I AGB-Gesetz betrifft die Mehrheit der von der Treuhandanstalt abgeschlossenen Unternehmenskaufverträge. Allerdings sind bei der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern keineswegs in allen Fällen auf der Erwerberseite Kaufleute beteiligt. Übernehmen beispielsweise leitende Angestellte im Wege eines Management-buy-out (MBO) die Anteile am Unternehmen, so scheidet die Bereichsausnahme aus 7• Insbesondere die strengen Klauselverbote der §§ 10 und 11 AGB-Gesetz sind gegenüber Kaufleuten nicht mehr direkt anwendbar. Letzlich fmdet aber eine Transformation der §§ 10 und 11 AGBG für den kaufmännischen Verkehr über § 24 S. 2 AGB-Gesetz statt. Die Wertungen der Klauselverbote der §§ 10 und 11 AGB-Gesetz fließen bei der Anwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Kaufleuten in den Beurteilungsmaßstab des § 9 AGBGesetz mit ein.
C. Beweislast für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Die Darlegungs- und Beweislast trifft im Regelfall den Investors. Dieser kann den Beweis durch die Vorlage gleichlautender Verträge erbringen, die der Vertragspartner in anderen Fällen abgeschlossen hat. An der Aufklärung muß 7 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 75; Lehmann, DStR 1992, 802, 806; Ebbing, Verkaufpraxis, S. 348 wonach ein MBO als Privatperson zwar nach Übernahme des Unternehmens und Aufnahme des Geschäftsbetriebes zwar die Kaufmannseigenschaft erlangt, dies jedoch seiner Einordnung als Privatperson zum Zeitpunkt des Kaufes nicht entgegensteht.
8
Heinrichs, NJW 1977, 1505, 1509.
C. Beweislast ftlr das Vorliegen von AGB
73
sich im Rechtsstreit auch die nicht beweisbelastete Partei beteiligen. Sie muß sich vollständig und wahrheitsgemäß darüber erklären, ob die dem Vertrag zugrunde gelegten Bedingungen auch bei anderen Verträgen verwendet wurden oder künftig verwendet werden sollen (§ 138 ZPO). Sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AGB-Gesetz dargelegt, ist es Sache des Verwenders, zu behaupten und nachzuweisen, daß die Vertragsbedingungen im einzelnen ausgehandelt worden sind9 . Im Schrifttum werden unterschiedliche Auffassungen zur Frage der Beweislastumkehr in Bezug auf die atyischen Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt vertreten. Eine Auffassung geht generell von einer Vermutung fiir das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) bei den Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt aus. So wird darauf verwiesen, daß inhaltlich übereinstimmende Vertragsbedingungen für eine Mehrzahl von Rechtsgeschäften die Vermutung für ihren Charakter als AGB begründen lO • Die Gegenauffassung verneint eine Umkehr der Beweislast, will allerdings die Anforderungen an die Darlegungslast im Hinblick darauf, daß der Erwerber die Interna der Treuhandanstalt nicht kennt, nicht allzu hoch ansetzen J J. Die erstgenannte Auffassung ist abzulehnen. Die Darlegungs- und Beweislast dafiir, daß es sich bei den verwendeten Haftungsausschlüssen um AGB i.S.d. § 1 AGB-Gesetz handelt, trägt der Erwerber J2 • Auf eine entsprechende Vermutung kann er sich dabei, da die Treuhandanstalt diesbezüglich vervielflUtigte Vertragsbedingungen nicht verwendet, allerdings nicht berufen. Kann der Investor den Beweis für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen erbringen, so obliegt es der Treuhandanstalt als Verwender darzulegen, daß die Vertragsbedingungen "im einzelnen ausgehandelt" oder nicht "gestellt" worden sind. Wegen des Schutzzwecks des Gesetzes sind an diesen Beweis jedoch strenge Anforderungen zu stellen J3 •
9
Ulmer, in: UlmerlBranderlHensen, AGBG, 7. Aufl., 1993, § I Rdn. 2.
10
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 73.
II Ebbing, Verkaufspraxis, S. 344 f., der sich ftlr eine Beweiserleicherung ftlr die Investoren vor allem im im Hinblick auf die investiven Klauseln und die Resitutionsvorbehaltsklauseln ausspricht; BGHZ 83, 56, 58; BGH NJW-RR 1987, 143, 144.
12 Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, 1992, S. 61; BGH NJW 1986,2824,2825; Wolf, in: Wo/f/Horn/Lindacher, AGBG, § I Rdn.61. 13
Palandt/Heinrichs, BGB, Kommentar, 54. Aufl., 1995, § I AGBG Rdn. 20.
74
2. Kap.: Kontrolle der Vertragsklauseln durch das AGB-Gesetz
D. Person des "Verwenders" von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vertragsbedingungen der öffentlichen Hand fallen stets dann uneingeschränkt unter die Kontrolle nach dem AGB-Gesetz, wenn das Vertragsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet ist und die öffentliche Hand wie ein privater Verwender die Verträge schließt. Das AGB-Gesetz fmdet somit grundsätzlich auch auf die öffentliche Hand Anwendung l4 . Da sich die Treuhandanstalt bei der Gestaltung des zivilrechtlichen Unternehmenskaufvertrages des Instrumentariums des Bürgerlichen Gesetzbuchs bedient, kann auch das AGB-Gesetz anwendbar sein.
E. Vorformulierte Vertragsbedingungen Das Merkmal "vorformuliert" im Sinne des § 1 Abs. 1 AGB-Gesetzes wird von der Rechtsprechung extensiv ausgelegtls. Es soll genügen, wenn die streitige Klausel lediglich im Kopf des Verwenders gespeichert ist, um im Einzelfall umgesetzt zu werden. Zur Erfllllung des Tatbestandsmerkmals "vorformuliert" ist die schriftliche Fixierung der Bedingungen somit nicht erforderlich 16. Auch dann, wenn der Verwender die von ihm ausgearbeitete Klausel nur aus dem Gedächtnis in den jeweiligen Vertragstext übernimmt, kann die Voraussetzung des § 1 Abs. 1 S. 1 AGB-Gesetz gegeben sein l7 . Dies gilt auch dann, wenn die Klausel handschriftlich eingefllgt worden ise s. Die Diskussion darüber, ob es sich bei den Klauseln der Treuhandanstalt um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt, wird im Schrifftum sehr kontrovers gefilhrt l9. Schon aus Praktikabilitätsgründen hat die Treuhandanstalt bei
14 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 65; Verweis auf Stober, DÖV 1977, 398; Ulmer, in: UlmerlBrandnerlHensen, AGBG, § 9 Rdn. 18.
1S Kiethe, Nachverhandlungen, S. 66; BGH DNotZ 1985, 287, 289, wonach es genügt, daß die gleichen Bedingungen für mehrere gleichartige Verträge vorformuliert worden sind und jeder der Veräußerer sich den Entwurf als Bestandteil seines Angebots zu eigen gemacht hat, vgl. BGHZ 74, 204, 211; BGH NJW 1982, 2243, 2244. 16
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 67; Ulmer, in: UlmeriBrandnerlHensen, AGBG,
§ I Rdn. 20. 17
BGH NJW 1988, 410.
18
OLG Hamm NJW-RR 1987,243; OLG Karlsruhe DNotZ 1989,688.
19 Vgl. zur umfangreichen Kontroverse im Schrifttum: Lehmann, DStR 1993, 802, 805 f.; Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 59, ders. DStR 1993, 63, 65 und DStR
E. Vorformulierte Vertragsbedingungen
75
einem solchen "Massengeschäft" wie der Privatisierung aller ehemaligen volkseigenen Betriebe der DDR auf die Umsetzung eines gewissen Mindeststandards an gleichlautenden oder zumindest ähnlichen vertraglichen Formulierungen zu achten. Allein dadurch ist eine einigermaßen kontrollierte Bearbeitung der Vielzahl von Privatisierungsverträgen überhaupt gesichert. Die Kautelarjuristen der Treuhandanstalt bzw. von ihr als Berater beauftragte Anwälte haben gewisse Musterklauseln erarbeitet und als Empfehlung an die verschiedenen Geschäftsstellen weitergegeben. Dies räumen die Repräsentanten der Treuhandanstalt dem Grunde nach ein, betonen aber, daß die von der Treuhandanstalt entwickelten Klauseln keine verbindlichen Muster sind, sondern Vertragsbausteine, die der Interessenlage der Treuhandanstalt und ihren Unternehmen entsprechen. Auch ehemalige Mitarbeiter der Treuhandanstalt, die die Bandbreite der mit treuhandspezifischen Zielsetzungen versehenen atypischen Vertragsklauseln veröffentlicht hatten, beharren darauf, daß die AusfUhrungen ihre persönlichen Ansichten wiedergeben20 • Die in dem Beitrag enthaltenen Vertragsklauseln sollten lediglich beispielhaft mögliche Gestaltungen illustrieren. Die Treuhandanstalt habe keine verbindlichen Musterklauseln entwickele). Im Schriffturn wendet sich hiergegen vornehmlich Kiethe 22 • Er betont, daß § 1 Abs. 1 S. 2 AGB-Gesetz die Schriftart für unerheblich erklärt, und somit im Umkehrschluß auch die Erforderlichkeit schriftlicher Form insgesamt abzulehnen ise3 . Das Merkmal "vorformuliert" ist nach dieser Auffassung auch dann erfüllt, wenn die Klauseln in einem Schreibautomaten oder Computer in der Form von Textbausteinen gespeichert sind und den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend zu Klauselwerken zusammengesetzt oder in Individualverträge eingeführt werden24 • Kiethe behauptet, die· Verhandlungsrepräsentanten der Treuhandanstalt hätten beim Entwurf von Verträgen im Regelfall auf einen Fundus vorformulierter Klauseln zurückgegriffen, sei es, daß diese schriftlich 1993, 1514, 1516; Kiethe VIZ 1993,225,228; ders. BB 1994,7, 11; Scheifole, DB 1991,557,561; HolzapjellPöllath, Untemehmenskauf, Rdn. 968. 20
Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992,293 ff. und 337 ff.
21 WächterIKaiser/Krause, WM 1992, 293, 294; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 273: Eine Identität der Vertragsgestaltung hätte auch die Flexibilität der einzelnen Niederlassungen beeinträchtigt. 22 Kiethe, Nachverhandlungen, S.67; Palandt.lHeinrichs, BGB, § 1 AGBG Rdn. 5; StaudingerlSchlosser, BGB, § 1 AGBG Rdn. 16. 23 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 67; Ulmer, in: UlmerlBrander.lHensen, AGBG, § 1 Rdn. 36. 24
SoergellStein, BGB, § 1 AGBG, § 1 Rdn. 9 m.w.N.
76
2. Kap.: Kontrolle der Vertragsklauseln durch das AGB-Gesetz
fixiert, lediglich in Datenbänken oder auch nur im Kopf der Bearbeiter gespeichert waren2S • Unselbständige Ergänzungen sollen an derem Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingungen nichts ändern 26 • Gegen diesen schematischen, pauschalierenden Ansatz wendet sich im Schrifttum vor allem Wächter27 • So wird der Text des ersten internen Kaufvertragsentwurfs mit den Mitarbeitern der Treuhandanstalt, und zwar häufig schon unter Einbeziehung des Controlling, und anderen Beratern besprochen; die Änderungen sind oftmals nicht unwesentlich, gerade in den die Zusagen betreffenden Passagen. Schon wegen der Besonderheiten eines Unternehmenskaufs ist es überhaupt nicht möglich, Musterverträge auch nur rur die wesentlichen Fallkonstellationen vorzuhalten. Die sachlichen Gestaltungen sind so vielfältig und die Regelungen so miteinander verwoben, daß Abweichungen in der rechtlichen Ausgestaltung eines Punktes fast immer zu Änderungen in zahlreichen anderen Punkten und darüber hinaus sehr oft in neue rechtliche Fragestellungen fUhrten. Der Vorwurf im Schrifttum, die Treuhandanstalt habe in internen Dokumenten, vorrangig in dem sogenannten Privatisierungshandbuch, bestimmte Klauseln vorformuliert, ist schon deswegen nicht stichhaltig, da das Privatisierungshandbuch überhaupt erst im Sommer 1992 erschienen ist. Zu diesem Zeitpunkt war ein großer Teil der Privatisierungen bereits abgeschlossen. Soweit das Privatisierungshandbuch Klauseln enthält, drücken die darin enthaltenen Vorschläge lediglich die Präferenzen der damaligen Verfasser aus. Bereits zum Zeitpunkt der Erstellung des Privatisierungshandbuchs wurden von anderen fUr die Treuhandanstalt tätigen Juristen ganz andere Klauseln verwendet. Die Klauselbeispiele des Handbuchs wurden von den Mitarbeitern nicht als verbindlich angesehen, und ihre Verwendung von den beratenden Juristen auch nicht verlangt. Auch Juristen, die zuvor eine andere Vertragsgestaltung gewählt hatten, wurden nicht aufgefordert, diese aufzugeben. Das Privatisierungshandbuch wurde im Gegenteil den die Treuhandanstalt beratenden Anwälten zumeist überhaupt nicht zur Kenntnis gebracht. Ein signifikantes Gegenbeispiel gegen den angeblich beherrschenden Einfluß von Musterklauseln ist vor allem das relativ beliebige Nebeneinander von Kaufpreiserhöhungs- und Vertragsstrafenregelungen bis in das Jahr 1992. Selbst in dieser relativ zentralen Frage war es nicht möglich gewesen, eine einheitliche Linie durchzusetzen28 • Schon die Vielzahl der rur die Treuhandanstalt tätigen Privatisierungsjuristen, auch in deren Funktion als beratende Rechtsanwälte,
25
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 67.
26
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 67; BGHZ 99, 205; BGHZ 102, 158.
27
Wächter, VIZ 1994,265 ff., 266.
28
Wächter, VIZ 1994,265,266.
F. Verwendung in einer "Vielzahl" von Verträgen
77
hatte zur Folge, daß eine echte Koordination im Hinblick auf die verbindliche Einhaltung von Vertragsmustern gar nicht möglich war. Es konnte nur auf die Einhaltung gewisser Mindeststandards wie die Mehrerlösklausel und die Klausel betreffend den Haftungsausschluß für Gewährleistung gepocht werden, um einige zentrale Zielsetzungen der Treuhandanstalt zu gewährleisten bzw. deren Haftung zu begrenzen. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Branchen und Strukturen der Unternehmen war es nicht möglich, die gleichen Maßstäbe auf die Gestaltung der Verträge aufgrund der Vielzahl der sehr unterschiedlichen Privatisierungen anzulegen bzw. durchzusetzen. Bei den Verhandlungen mit den Investoren wurden die zuständigen Privatisierer der Treuhandanstalt immer wieder aufs neue mit stichhaltigen Argumenten konfrontiert, warum gerade in dieser speziellen Konstellation eine Abänderung der Klauseln unabdingbar sei, oder weshalb bestimmte Klauseln im Hinblick auf die spezifischen Unternehmenskonzepte und Wünsche der Erwerber nicht akzeptiert würden. Die Treuhandanstalt mußte schließlich mit zunehmender Dauer der Privatisierungstätigkeit in der Mehrzahl der Fälle schon weitreichende Zugeständnisse machen, um die Unternehmen überhaupt noch verkaufen zu können.
F. Verwendung in einer "Vielzahl" von Verträgen Folgt man dennoch nicht den kritischen Stimmen im Schrifttum und läßt die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes nicht schon an dem Tatbestandsmerkmal "vorformuliert" scheitern, so müssen nach dem Wortlaut des Gesetzes weitere Kriterien erfüllt sein, um einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz den Anwendungsbereich zu eröffnen. Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AGB-Gesetz ist ein weiteres Tatbestandkriterium das Merkmal der "Vielzahl von Verwendungen". Die Rechtsprechung des BGH geht hier von einer Untergrenze aus, die bei drei bis fünf Verwendungen liege9 • Ist die Perspektive auf die Anteilsverkäufe der Treuhandanstalt in deren Funktion als verfügungsberechtigter Gesellschafter gerichtet, so ist das Merkmal der "Vielzahl von Verträgen" erfülleo. Anders könnte die Beurteilung ausfallen, wenn nicht die Treuhandanstalt oder ihre lokalen Untergliederungen als Verkäufer auftraten, sondern die von der Treuhandanstalt gesteuerten Gesellschaften bei Verkäufen in Form von asset deals. Die Treuhandanstalt kann mangels gesetzlich eingeräumter Vertretungsmacht das Unternehmen bei Abschluß des Privatisierungsvertrages nicht wirksam im Sinne des § 166 BGB vertreten. Denn § 2 VermG gibt ihr, wie ausgeführt, nur eine Vertretungs be-
29
Z.B. BGHNJW 1981,2344,2345.
30
Zutreffend Kiethe, Nachverhandlungen, S. 69.
78
2. Kap.: Kontrolle der Vertragsklauseln durch das AGB-Gesetz
rechtigung im vermögensrechtlichen Verfahren bei der Klärung der Restitutionsansprüche filr die von ihr betreuten Vermögenswerte in den neuen Bundesländern. Grundsätzlich gilt aber, daß die Treuhandanstalt entweder in den meisten Fällen die Verkaufsverhandlungen bei den asset deals allein filhrte oder daß die Geschäftsfilhrer aufgrund der ihnen vom Gesellschafter Treuhandanstalt auferlegten internen Zustimmungserfordernisse Rücksprache mit der Treuhandanstalt filr die Vertragsverhandlungen und den Inhalt der Vertragsentwürfe nahmen 3 ). Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, daß filr das einzelne Treuhandunternehmen der Vertrag über die Veräußerung des Unternehmens oder eines Unternehmensteils häufig unter Umständen den einzigen Vertrag dieser Art und nicht einen aus einer Vielzahl von Fällen darstellt. Das soll filr die rechtliche Behandlung einzelner Klauseln als AGB nur dann unschädlich sein, wenn ihnen der Charakter des gebräuchlichen Vertragsmusters zukommt32 • Die Rechtsprechung bejaht dies etwa bei Verwendung von durch einen anderen vorformulierten Vertragsbedingungen, deren abstrakt genereller Charakter bereits aus der Zweckbestimmung des Ausstellers hergeleitet wird33 • Somit müßte im konkreten Fall der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern das Beteiligungsunternehmen von der Treuhandanstalt zu einer bestimmten Vertragsgestaltung angewiesen worden sein. Dies ist zu bejahen. Zwar erhält die Treuhandanstalt aufgrund der Regelung des § 2 VermG nur die Vertretungsmacht im Verfahren über die Entscheidung der Restitutionsansprüche nach dem VermG. Doch hat sie aufgrund ihres Privatisierungsauftrags ebenfalls alle Möglichkeiten von Teilprivatisierungen in Form von Assetverkäufen in Betracht zu ziehen, da vielfach die Erwerber aus den unterschiedlichsten Motiven heraus nicht an dem Gesamterwerb des Unternehmens interessiert sind. Daher bestimmt die Treuhandanstalt auch bei dem Verkauf von Betriebsteilen u.ä. die Vertragsverhandlungen. Entscheidend ist, daß auch bei den asset deals die investiven Zielsetzungen im Vordergrund stehen. Daher ist eine Rechtsanalogie der §§ 3 a Abs. 1, § 2 Abs. 3 S. 3 VermG, § 25 Abs. 1 In VorG auf die Fiktion einer gesetzlichen Vertretung bei investiven asset deals geboten. In diesen Fällen werden die Vertragsverhandlungen also nicht von der Beteiligungsgesellschaft, sondern von der Treuhandanstalt mit Wirkung filr und gegen die Gesellschaft gemäß §§ 164 ff. BGB analog gefilhrt. Als Konsequenz der vertretungsrechtlichen Zurechnung bei Verwendung eines treuhandüblichen Haftungsausschlusses könnte es daher unschädlich sein, daß das
31
Vgl. auch Ebbing, Verkaufspraxis, S. 124 f.
32
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 62; derselbe DStR 1992, 1514, 1516.
33
OLG Hamm NJW 1981, 1049.
F. Verwendung in einer "Vielzahl" von Verträgen
79
Unternehmen selbst Qicht entsprechende Bedingungen rur eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert hae 4 • Dagegen wendet sich eine andere Auffassung im Schrifttum. Diese verneint deshalb eine Zurechnung des Verhaltens der Treuhandanstalt gemäß § 166 BGB auf das Treuhandunternehmen, weil es nicht um Kenntnis- bzw. Willenszurechnung geht. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift soll aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage nicht in Betracht kommen. Der der Regelung zugrundeliegende Rechtsgedanke, wonach derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, sich das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muß, wird als nicht übertragbar auf das gesetzliche Vertretungsverhältnis zwischen Treuhandanstalt und Beteiligungsunternehmen erachtees. Anders als im Fall rechtsgeschäftlich erteilter Vertretungsbefugnis habe das Beteiligungsunternehmen weder Einfluß auf die Vertretung selbst noch auf den Inhalt der von der Treuhandanstalt abzugebenden Erklärungen. Durch die fehlende Möglichkeit des Beteiligungsunternehmens, eine von der Treuhandanstalt gewählte Vertragsgestaltung entweder zu billigen oder ihr rechtswirksam zu widersprechen, unterscheide sich die Situation beim Treuhandunternehmensverkauf in einem wesentlichen Punkt von den Fällen, in denen sich der Verkäufer vorformulierte Bedingungen eines anderen einseitig zunutze macht. Diese Auffassung will den Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes bei AssetVerkäufen durch das Treuhandunternehmen im Ergebnis auf solche Fälle beschränken, in denen das Unternehmen selbst eine Mehrzahl von Vertragsschlüssen tätigt und dabei im wesentlichen inhaltlich gleichlautende Haftungsausschlußklauseln verwendee 6 • Der vorgenannten Auslegung wird zu Recht entgegengehalten, daß § 1 Abs. 1 AGB-Gesetz nicht darauf abstellt, daß derselbe Verwender die Verwendung von AGB für eine Vielzahl von Verträgen plane 7• Maßgeblich ist vielmehr nur, daß die vorformulierten Bedingungen insgesamt rur eine Vielzahl von Verträgen verwendet werden sollen. Da die Tochtergesellschaften der Treuhandanstalt während der Vertragsverhandlungen regelmäßig von dieser vertreten wurden, wurden auch die rur eine Vielzahl von Verträgen konzipierten Formu-
34
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 63.
35
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 63; BGHZ 83, 293, 296.
36
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 64.
37 Lehmann, DStR 1993, 802, 806; zum gleichen Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung gelangt Ebbing, Verkaufspraxis, S. 340 ff., der in Bezug auf die Wiederverwendungsabsicht stets auf die Person des einzelnen Privatisierers der Treuhandanstalt abstellen will.
80
2. Kap.: Kontrolle der Vertragsklauseln durch das AGB-Gesetz
lierungen zugrunde gelegt. Daher ist die analoge Anwendung des § 166 BGB auf die Assetverkäufe sachgerecht, da die Treuhandanstalt einen beherrschenden Einfluß auf die von ihr zu privatisierenden Unternehmen ausübt, und sie aufgrund der Regelung des § 25 In VorG gerade auch zugleich als gesetzlicher Vertreter auftreten kann. Des weiteren ist der Begriff des "Verwenders" im Sinne des § 1 AGB-Gesetz nach der Zielsetzung des AGB-Gesetzes in einem untechnischen Sinne zu verstehen. Der "Verwender" ist in diesem Fall die die Geschicke des Beteiligungsunternehmens steuernde Treuhandanstalt.
G. Aushandeln/Stellen der Vertragsbedingungen Für die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes ist weitergehend erforderlich, daß die Treuhandanstalt den potentiellen Erwerbern ihre Vertragsbedingungen gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AGB-Gesetz "stellt". Dieser Tatbestand ist nicht schon dann zu verneinen, wenn der Formulartext die Aufforderung zu Änderungen oder Streichungen enthäle s. Die Bereitschaft des Verwenders zur Verhandlung über einzelne Klauseln und die reale Möglichkeit zum Aushandeln hindert somit grundsätzlich nicht die Annahme, daß der Verwender die Bedingungen "gestellt" hae 9 • Die Treuhandanstalt erklärte stets, daß ein Verhandeln ihrer Klauseln und Vertragskonditionen grundsätzlich möglich ist, wenn auch in eingeschränktem Umfang40 • Sie räumt allerdings ein, daß bei der Privatisierung von kleinen Unternehmen der Treuhandanstalt ein Abweichen von den empfohlenen Musterklauseln nur in viel geringerem Umfang möglich und sachdienlich ist. Daher hält ein Teil des Schrifttums der Treuhandanstalt vor, daß die an den Kaufverhandlungen beteiligten Mitarbeiter der Treuhandanstalt bisweilen gegenüber den Kaufmteressenten erkärt hätten, sie seien an gewisse Vorgaben grundsätzlich gebunden. Abweichungen würden von der Leitung der Treuhandanstalt und den Niederlassungsleitern nicht genehmigt41 •
38
BGH NJW 1987,2011.
39
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 70; Timm, BB 1987, 88, 89.
40 Holzapjel/Pöllath, Untemehmenskauf, S. 409; Kiethe, Nachverhandlungen, S. 63, 65; Horn, DB 1995,309,312.; Wächter/Kaiser/Krause, WM 1993, 293 ff. und 337 ff.; ähnlich Badestein, WR 1992, 179; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 343. 41 Zeuner, ZIP 1993, 1365, 1369. nach Auffassung von Kiethe, Nachverhandlungen, S. 64, wird die Verwendung von Musterklauseln auch von Treuhandjuristen indirekt zugegeben; krit. auch Spoerr, Treuhandanstalt, S. 186, der der Treuhandanstalt vorwirft, sie versuche, die vorformulierten Klauselwerke geheimzuhalten.
G. Aushandeln/Stellen der Vertragsbedingungen
81
Es ist auslegungsbedürftig, bis zu welcher Grenze die Verkaufsgespräche noch als Individualvereinbarungen im Sinne eines gegenseitigen "Aushandelns" der Rechte und Pflichten anzusehen sind. Ein "Aushandeln" setzt voraus, daß die Vertragsbedingungen das Ergebnis einer selbstverantwortlichen Prüfung, Abwägung und möglichen Einflußnahme beider Parteien sind42 • Entsprechend dem Schutzzweck des AGB-Gesetzes kommt es darauf an, daß der Klauselverwender dem Kunden bei der Ausgestaltung des Vertrags inhalts eine gleichberechtigte Teilhabe einräumt43 • Von einem "Aushandeln" kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, d.h. die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen44 • § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz ist dann erftlllt, wenn die Parteien den Inhalt der vorformutierten Bedingungen und denkbare Alternativen im einzelnen erörtert haben, und der Käufer sich unter Verzicht auf Änderungen mit dem Inhalt der auch ihm sachgerecht erscheinenden Bedingungen einverstanden erklärt hat4s • Die Kritiker der Vertragspraxis der Treuhandanstalt verweisen zur Auslegung des Kriteriums "Aushandeln" auf die Restriktionen des BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1977, in der es u.a. heißt46 : " ... Die individuelle Vereinbarung (das "Aushandeln") einer vorformulierten Vertragsbedingung setzt nicht voraus, daß der Text der AGB oder eines Vertragsformulars, der von einer Vertragspartei auch sonst vielfach verwendet - insgesamt zum Bestandteil des Einzelvertrags gemacht worden ist, an irgendeiner Stelle äußerlich sichtbar abgeändert oder ergänzt worden ist. ... Ist der von einer Vertragspartei vielfach verwendete Text von AGB oder eines Vertragsformulars unverändert als Vertragsbestandteil übernommen worden, so sind die vorformulierten Vertragsbedingungen nur dann als individuelle Vertragsabreden ausgehandelt worden, wenn und soweit die eine Vertragspartei zur Abänderung der Bedingungen bereit und dies dem Geschäftspartner bei Vertragsabschluß bewußt gewesen ist ... "
42
BGH NJW 1977,624,625.
43
Heinrichs, NJW 1977, 1505, 1507.
44
BGH DB 1992, 780, 781.
4S
Heinrichs, NJW 1977, 1505, 1508.
46
BGH NJW 1977, 624; Kiethe, Nachverhandlungen, S. 71.
6 Heß
82
2. Kap.: Kontrolle der Vertragsklauseln durch das AGB-Gesetz
Die Einseitigkeit der Auferlegung im Gegensatz zum Aushandeln ist dadurch gekennzeichnet, daß sich in ihr die intellektuelle (geschäftliche), wirtschaftliche und auch organisatorische Überlegenheit des Verwenders dokumentiert, die das Gesetz zum Schutz der schwächeren Vertrags seite durch eine weitgehende Festschreibung des zulässigen Inhalts derartiger Bestimmungen ausgleichen will47 • Ein "Aushandeln" vorformulierter Vertragsbedingungen setzt demgegenüber voraus, daß dem Kunden die für ihn nicht ohne weiteres verständlichen Klauseln erläutert und ihre rechtliche Tragweite aufgezeigt werden48 • Dies allein genügt aber auch noch nicht. Die Verhandlungsbereitschaft des Verwenders muß dem anderen Teil gegenüber unzweideutig erklärt werden und ernsthaft sein49 • Anhaltspunkt filr ein Aushandeln des Klauselwerkes können zahlreiche Einfilgungen oder Änderungen in dem vorformulierten Text seinso. Erforderlich ist weiterhin, daß sich die beiderseitige Verhandlungsbereitschaft danach in einem wirklichen Aushandeln konkretisiert und manifestiert. Rechtsprechung und Schrifttum betonen gleichermaßen, daß § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz tatbestandlich schon dann erfilllt ist, soweit die Verhandlungen der Parteien zu Änderungen der vom Klauselverwender vorgelegten Vertragsbedingungen gefilhrt habensl . Das Nachgeben des Klauselverwenders kann sich nur auf einzelne Bestimmungen seiner AGB beziehen. Seine Zugeständnisse können aber auch den individuellen Vertragskern wie die Festlegung von Ware und Preis betreffen. In beiden Fällen hat ein "Geben" und "Nehmen" und damit ein wirklicher Einfluß des Kunden auf den Inhalt des Vertrages stattgefunden. Kiethe will die von der Treuhandanstalt nach außen bekundete Verhandlungsbereitschaft nicht gelten lassens2 . Als Beweis dient ihm insbesondere der fast regelmäßig vereinbarte Haftungsausschluß in den Privatisierungsverträgen. Gleichzeitig räumt er aber ein, daß die Beantwortung der Frage, inwieweit ein tatsächliches Aushandeln von Klauseln vorliegt, sich wohl nicht allgemein, sondern letztendlich nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilen läßtS3 • So sieht er sehr wohl, daß sich mit zunehmender Komplexität des verkauften
47
Schippel/Brambring, DNotZ 1977,131 ff., J41.
48 Schippel/Brambring, DNotZ, 1977, 131, 145; BGH DNotZ 1974, 558; OLG Celle BB 1976, 1287; BGHZ 74, 204, 209 m.w.N. 49
BGH NJW 1977,624.
50
Schippel/Brambring, DNotZ 1977,131,146.
51
Trinkner, BB 1977,715.
52
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 71.
53
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 71; Palandt.lHeinrichs, BGB, § 1 AGBG Rdn. 18.
G. Aushandeln/Stellen der Vertragsbedingungen
83
Unternehmens und abnehmender Attraktivität des Verkaufsgegenstandes der Verhandlungsspielraum potentiell vergrößert hat. Die Gegenauffassung im Schrifftum hingegen betont, daß ein "Aushandeln" schon dann vorliegt, "wenn der Verwender den Kunden auf ein einzelnes Regelungsproblem hinweist, wie etwa auf die Haftungsbeschränkung, den Rücktrittsvorbehalt o.ä., an deren wirksamer vertraglicher Vereinbarung er ein besonderes sachlich berechtigtes Interesse hat"s4. Eröffnet der Verkäufer dem Kunden insoweit nachweisbar eine reale Möglichkeit des Aushandelns, insbesondere dadurch, daß er um Alternativvorschläge bittet, so kann das schon zur Annahme einer Individualabrede ausreichen 55 • Zugunsten der Treuhandanstalt spricht deren sachlich berechtigtes Interesse, die Investitions- bzw. Beschäftigungseffekte bei der Veräußerung von Immobilien und Unternehmen zu Preisen, die zum Teil erheblich unter den Substanz- oder sogar Liquidationswerten liegen, zu sichern. Es handelt sich um ein legitimes Regelungsproblem der Treuhandanstalt, das bei vielen Privatisierungsverhandungen unter Einschluß der Alternativen wie höherer Festkaufpreis, Aussonderung von Vermögenswerten, geringere Subventionen etc. explizit erörtert wird; nicht selten bietet der Erwerber von sich aus die Übernahme von Zusagen neben dem Kaufpreis an. Dabei ist allen Beteiligten die partielle Substituierbarkeit von Kaufpreis und Zusagen auf der Gegenleistungsseite bzw. der Zusammenhang der übernommenen Zusagen mit der Leistungsseite wie die übertragenen Vermögenswerte, Entschuldungsmaßnahmen und ähnliches bewußt. Schon deshalb fUhren in vielen Fallkonstellationen der Privatisierung die hiermit verbundenen Verhandlungen zur Annahme einer Individualabrede56 • Die vorgenannte Auffassung verdient Zustimmung. Den Vertragsabschlüssen gingen zumeist langwierige und kontroverse Verhandlungsrunden voraus, in denen die Kaufmteressenten hinreichend Gelegenheit hatten, die Vertragsbedingungen umfassend zu erörtern. Von einem "Diktat" im Sinne des "Stellens" der Vertragsbedingungen kann ernsthaft nicht gesprochen werden. Die Treuhandanstalt war in jedem Einzelfall zu ernsthaften Verhandlungen über die von ihr zunächst ausgearbeiteten Vertragsentwürfe bereit. Anders ausfallen kann die Beurteilung allenfalls im Hinblick auf die Verhandelbarkeit der investiven Klauseln, des Gewährleistungsausschlusses, der Mehrerlösklau-
6·
54
Wächter, VIZ 1994,265,267.
55
Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, § I Rdn. 51.
56
Wächter, VIZ 1994,265,267.
84
2. Kap.: Kontrolle der Vertragsklauseln durch das AGB-Gesetz
seI und der Restitutionsvorbehaltsklausel57 • Hier bestand in der Tat, wenn überhaupt, ein nur sehr begrenzter Verhandlungsspielraum.
H. Tendenzen in der Rechtsprechung zur Anwendung des AGBGesetzes auf die Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt Erst geraume Zeit nach Aufuahme der Privatisierungstätigkeit durch die Treuhandanstalt hatte sich die Justiz damit zu befassen, inwieweit das AGBGesetz auf die Untemehmenskaufverträge der Treuhandanstalt Anwendung fmdet. Als erstes Gericht ließ das Landgericht Berlin in einem Urteil vom 23.9.1993 die Tendenz erkennen, eine Berufung des Käufers auf das AGBGesetz nicht zuzulassen58 • Darin heißt es unter anderem, daß "... der Gewährleistungsausschluß in dem mit der Treuhandanstalt geschlossenen Vertrag nicht an den Vorschriften des AGB-Gesetzes zu messen ist. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, bei dem notariellen Vertrag vom ... habe es sich um einen vorformulierten Vertrag gehandelt; es hätten keine Verhandlungen über die Vertragsbedingungen stattgefunden. Dieser Vortrag umfaßt jedoch nicht alle Tatsachen, welche die Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes voraussetzten. Es fehlt zumindest an dem Vortrag, daß der vorformulierte Vertrag auch für eine Vielzahl von Fällen Verwendung finden sollte. Der Umstand allein, daß der Vertrag im Notariatstermin bereits endgültig formuliert gewesen sein soll, unterwirft ihn nicht der Kontrolle des AGB-Gesetzes. Im übrigen ist der Kammer aus zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über Verträge vergleichbarer Art bekannt, daß die von der Beklagten verwendeten Verträge in jedem einzelnen Fall individuell ausgestaltet sind ... "59 • Somit ist festzuhalten, daß die Rechtsprechung grundsätzlich hohe Anforderungen an den Nachweis stellt, daß es sich bei den Klauseln der Treuhandanstalt um AGB handelt. Diese Argumentation wurde in der Folgezeit im Schrifttum heftig angegriffen60 • Das LG Köln führte aber
57 Vgl. Ebbing, Verkaufspraxis, S. 343 f., der sich zusätzlich fllr eine Anwendung des AGB-Gesetzes auf Kleinprivatisierungen an MBO's ausspricht, da diese Verhandlungen mit einem Minimum an Zeitaufwand und Diskussionsbereitschaft gefllhrt worden seien. Dem kann sich der Verfasser aufgrund seiner Erfahrungen in der Privatisierungsabteilung der Treuhandanstalt so pauschal nicht anschließen. - Weiterführend zur Problematik des AGB-Gesetzes in Bezug auf einzelne Klauseln vgl. Kap. 3, Abschn. B IV zur Mehrerlösklausel; Kap. 4, Abschn. E IV zu den investiven Klauseln, Kap. 8, Abschn. D 11 betreff den Gewährleistungsausschluß. 58
LG Berlin ZIP 1994, 1320.
59
Verweis von Horn, DB 1995, 309, 311.
60
Kiethellmbeck, ZIP 1994, 1250 ff.
I. Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes auf spezifische Klauseln
85
beispielsweise in einer Entscheidung vom 13.10.1994 zu einer Vertragsstrafenregelung aus, daß "... eine Ähnlichkeit der Formulierungen in den von der Treuhandanstalt abgeschlossenen Verträgen nicht formelhaft ist, sondern sich daraus erklärt, daß sich die im Rahmen von Privatisierungen stellenden Rechtsproblerne gleichen und die Formulierungen in Form von juristischen Fachausdrücken, die sich mit ähnlichen oder gleichgelagerten Problemen befassen, begrenzt sind.... "
I. Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes auf spezifische Klauseln Es ist nicht zu verkennen, daß solche Klauseln wie die Investitions- und Arbeitsplatzklausel, des Weiteren die Mehrerlösklausel und der Auschluß der Gewährleistung, sowie in eingeschränktem Umfang Nachbewertungsklauseln die überwiegende Mehrheit der Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt prägen, wenn die Klauseln auch im Detail mehr oder weniger stark voneinander abweichen. Diese rur Unternehmenskaufverträge ungewöhnlichen Klauseln lassen sich dadurch rechtfertigen, daß die Treuhandanstalt, wie dargelegt, ihre Privatisierungsentscheidung in hohem Maße an arbeitsmarkt-, sozial- und regionalpolitischen Kriterien auszurichten hat. Dies fUhrt in der Regel zur Auferlegung ebenfalls untypischer Gegenleistungsverpflichtungen zu Lasten der Käufer und damit zur Aufnahme spezieller Klauseln in die Musterverträge, die zu einer einseitigen Belastung und Verteilung von Risiken auf die Investoren filhren 61. Es könnte daher die isolierte Anwendung des AGB-Gesetzes auf einzelne Klauseln wie die Investitions- und Arbeitsplatzzusage, den Gewährleistungsausschluß und die Mehrerlösklausel sachgerecht sein. Die Vielzahl und Vielfalt der von der Treuhandanstalt abzuschließenden Verträge läßt es zwar nicht zu, daß die Treuhandanstalt filr die Rechtsgeschäfte die gleichen Vertragsformulare verwendet. Jedoch zeigt die Publizierung durch ehemalige Mitarbeiter der Treuhandanstalt, daß diese verschiedene, gleichlautende Klauseln häufig verwenden, um entweder zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht von schwer einschätzbaren rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen ausgehen zu müssen, oder aber um bestimmte "weiche" Ziele zu erreichen, die unter anderem im Treuhandgesetz defmiert werden. Dazu gehören auch die Nachbewertungsklauseln sowie die Arbeitsplatz- und Investitionsverpflichtungen in den Privatisierungsverträgen62 • Das AGB-Gesetz fmdet aber schon dann Anwendung, wenn nur einzelne Klauseln vorformuliert in die Verträge aufgenommen
61
BleckmannlErberich, in: RJR/B, Treuhandanstalt, Rdn. 55.
62
Zeuner, ZIP 1993, 1365, 1366; Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992,293,300.
86
2. Kap.: Kontrolle der Vertragsklauseln durch das AGB-Gesetz
werden63 • Dies steht im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum, wonach ein Aushandeln bestimmter Klauseln grundsätzlich nichts daran ändert, daß die restlichen Klauseln AGB bleiben. Nach der Fassung des Gesetzes beschränkt sich die Wirkung des § 1 Abs 1 S. 2 AGBG auf die Klauseln, die im einzelnen ausgehandelt worden sind64 • Das Schrifttum verweist insbesondere darauf, daß der umfassende Haftungsausschluß typischerweise Bestandteil eines Unternehmenskaufvertrages der Treuhandanstalt ist65 . Die Freizeichnung im Sinne des § 1 AGBG ist ftlr eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und wird als solche von der Treuhandanstalt dem Erwerber bei Abschluß des Vertrages im Sinne des § 1 AGBGesetz gestellt. Dies gilt unabhängig davon, ob entsprechende Klauseln schriftlich vorbereitet sind oder nicht. Von einem Aushandeln des Haftungsausschlusses kann insoweit nicht mehr gesprochen werden. Dies würde voraussetzen, daß der Haftungsauschluß inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Erwerber gerade in dieser Frage eine Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt wird. Eine bloße Anpassung an den Einzelfall genügt hierftlr nicht66 • Die in den Verträgen der Treuhandanstalt enthaltenen Haftungsausschlüsse variieren allenfalls in Nuancen. Dies ist ein Indiz daftlr, daß dem Erwerber eine reale Möglichkeit, den Inhalt der entsprechenden Klausel wesentlich zu beeinflussen, nicht zugestanden wird67 . Auch das inviduelle Aushandeln der Vertragsbedingungen im übrigen, beispielsweise des Kaufpreises oder anderer zusätzlicher Leistungen des Erwerbers, ändert nichts daran, daß für die entsprechende Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz hinsichtlich der Gewährleistung ftlr den Erwerber ein echter Verhandlungs' Iaum r 'mc ht zugestanden wrr 'd68 . spie Dagegen kann eingewandt werden, daß der Vertrag unter Umständen im ganzen dennoch als Individualvereinbarung zu werten ist, wenn Klauseln von zentraler Bedeutung Gegenstand des Aushandelns waren Dieser Ansatz ist allerdings sehr umstritten. Hiergegen ist schon einzuwenden, daß das Kriterium der "zentralen Bedeutung" in hohem Maße unbestimmt ist. Speziell beim Unternehmenskaufvertrag sind derart viele Punkte regelungsbedürftig, daß
63
PalandtlHeinrichs, BGB, § 1 AGBG Rdn. 12.
64 Heinrichs, NJW 1977, 1505, 1507; Ulmer, in: UlmerlBrandneriHensen, AGBG § 1, Rdn. 55; BGH NJW 1985, 853 m.w.N.
65
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 59.
66
BGH DB 1992,780,78'1.
67
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 60.
6K
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 61.
I. Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes auf spezifische Klauseln
87
nicht mehr abgrenzbar ist, wann die Vertragsparteien eine Regelung nicht als klärungsbedürftig ansehen würden. Nach der vorzugswürdigen Auffassung besteht daher eine "Ausstrahlungswirkung" von der Änderung zentraler Klauseln auf den Charakter der nicht in die Verhandlung einbezogenen Teile nicht69 • Im Ergebnis ist der Auffassung im Schrifttum darin zuzustimmen, daß speziell in Bezug auf die Arbeitsplatz- und Investitionsverpflichtung, den Gewährleistungsausschluß und die Verpflichtung zur Mehrerlösabftlhrung über einen bestimmten Zeitraum ein "Stellen" im Sinne des AGB-Gesetzes tatbestandlich vorliegt. Der Verhandlungsspielraum war hier regelmäßig gering70 • Insoweit können die Investoren den ihnen obliegenden Beweis, wonach kein Aushandeln dieser Klauseln möglich war, durch den Verweis auf gleichgelagerte, ähnliche Fälle fIlhren 71 • Ob die vorgenannten Klauseln aber auch wegen Verstoßes gegen die Inhaltskontrolle nach §§ 9-11 AGB-Gesetz unwirksam sind, ist damit noch lange nicht entschieden72 • Diejenigen Klauseln der Treuhandanstalt, die eine Veränderung des Kaufpreises zum Regelungsinhalt haben, sind ungewöhnlich und haben keine Vorläufer in der Rechtsprechung der Gerichte 73. Hierbei ist zunächst zwischen den Hauptleistungspflichten in Gestalt einer Kaufpreiserhöhung und Preisnebenabreden zu differenzieren. Bei der Ausgestaltung von Zahlungspflichten wegen der Nichteinhaltung von Zusagen als primäre Gegenleistung in Form eines Kaufpreiserhöhungsanspruchs ist zu prüfen, ob die Kaufpreiserhöhungsklausel in den kontrollpflichtigen Bereich nach § 8 AGB-Gesetz fälle 4 • Der BGH nimmt aus dem Anwendungsbereich der §§ 9-11 AGB-Gesetz Abreden heraus, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflichten unmittelbar regeln 7S • Hierin drückt sich eine besondere Zurückhaltung der 69
Vgl. Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, § I Rdn. 55.
70 Preu, DStR 1994, 1265, 1270; Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 65; Ebbing, Verkauspraxis, S. 343 f.
71 Zum Beweislastproblem vgl. Ulmer, in Ulmer/Brandner/Hensen, § I AGBG Rdn. 60, wonach grundsätzlich die Beweislast dafUr, daß der Vertrag im Ganzen oder in Teilen die Voraussetzungen der AGB-Definition erfüllt, bei demjenigen liegt, der sich im Prozeß auf das Eingreifen des AGB-Gesetzes beruft. 72
Vgl. Kap. 4, Abschn. 5.4. zu den investiven Klauseln.
73
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 80.
74
Wächter, VIZ 1994,265,267.
7S Kiethe, Nachverhandlungen, S. 79; ständige Rechtsprechung des BGH, z.B. NJW 1993, 1128, 1129 m.w.N.
88
2. Kap.: Kontrolle der Vertragsklauseln durch das AGB-Gesetz
Inhaltskontrolle im Kembereich des Leistungsaustauschs aus. Zur kontrollfreien Preisabrede sollen dabei die Regelungen über betragsmäßig angegebene Preisbestandteile zählen, mit denen der Gesamtpreis gebildet wird76 • Als kontrollflihige Preisnebenabreden hingegen stuft die Rechtsprechung beispielsweise Abreden ein, die die Entstehungsvoraussetzung für den Vergütungsanspruch betreffen77 , Klauseln über Preisänderungen78 oder Preisanpassungsklauseln in langfristigen Bezugsverträgen79 • Darüber hinaus zählen nach der Judikatur dazu auch Klauseln über Preiszu- und abschläge, z.B. welche Partei die Kosten zu tragen hat80, oder vom Vertragspartner zusätzlich zu vergütende Leistungen in Verbindung mit einem für die Gesamtleistung vorgesehenen Pauschalpreis81 • Kontrollfähig im Sinne der §§ 9-11 AGB-Gesetz sind Risikoverlagerungen. Sind die Kosten, Risiken und einzelne Preisbestandteile durch Gesetz, durch Handelsbrauch, durch ergänzende Vertragsauslegung, durch sonstige Rechtsvorschriften oder nach allgemeinen Grundsätzen der Risikoverteilung dem Verwender auferlegt, die dieser durch Allgemeine Geschäftsbedingungen auf die andere Vertragspartei abwälzen will, so unterfallen diese Klauseln den §§ 9-11 AGB-Geseti2 . Der Inhaltskontrolle unterliegen somit auch Preisnebenabreden, d.h. alle auf Preise bezogene Abreden im Sinne von Zu- oder Abschlägen, die zwar mittelbare Auswirkung auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber dispositives Gesetzesrecht treten kann, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt 83 • Die Rechtsprechung hatte noch nicht die über die Frage einer Einordnung von Kaufpreiserhöhungsklauseln unter das AGB-Gesetz zu entscheiden. Der Wortlaut und die Verknüpfung der Kaufpreiserhöhung mit der Nichterfüllung der atypischen zusätzlichen Hauptleistungspflichten der sogenannten Arbeits-
76
Wolf, in: Wolf/HorniLindacher, AGB-Gesetz, § 8 Rdn. 17.
77
BGHZ 93,358,361.
7K
BGH NJW 1985,855.
79
BGH NJW 1990, 115.
KO
BGH NJW 1989,2247.
KI
BGHZ 114,330.
K2
Wolf, in: Wolf/HorniLindacher, AGBG, § 8 Rdn. 16.
K3 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 80; Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, § 8 Rdn. 22; das Schrifttum faßt unter die Rechtsvorschriften, durch die diese kontrollfähigen Regelungen ergänzt oder geändert werden können, auch die §§ 157, 242.
J. Privatisierung von Unternehmen als "Massengeschäft"
89
platz- und Investitionszusagen legen eine Auslegung dieser Klausel als Kaufpreisbestandteil nahe 84 • Des weiteren hat der hohe Stellenwert des Auftrags der Treuhandanstalt zur Arbeitsplatzsicherung auch in den Vertragsverhandlungen nachweislich dazu geftlhrt, daß zugunsten einer etwas höheren Arbeitnehmerzahl weitere Abschläge vom Kaufpreis vorgenommen wurden, wenn auch der Wert eines Arbeitsplatzes unter Kosten- und Rentabilitätsgesichtspunkten schwierig zu bemessen ist. Kaufpreiserhöhungsklauseln waren jedenfalls in den Verträgen der Frühphase der Privatisierung und den Zeiten des wirtschaftlichen und rechtlichen Umbruchs bis Mitte des Jahres 1991 vorherrschend. Im Ergebnis unterfallen jedenfalls als Kaufpreiserhöhungsklauseln ausgestaltete Zahlungspflichten selbst als Formularklauseln nicht der Kontrollpflichtigkeit nach § 8 AGB-Gesetz. 8s • Bei der sogenannten Rückstellungsauflösungsklausel in den Anteilskaufverträgen und der Nachbewertungsklausel handelt es sich ebenfalls um Preisabreden. Bei der erstgenannten Klausel erhöht sich der Kaufpreis, wenn nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die in der Bilanz gebildeten Rückstellungen aufgelöst wurden 86, bei letzerer Klausel wird der Verkehrswert von Grund und Boden ermittelt. Auch diese Klauseln unterliegen nicht der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz87 • Anders ist nur im Fall der Mehrerlösklausel zu entscheiden. Diese betrifft nur mittelbar den vom Erwerber zu zahlenden Kaufpreis, weil sie allein abhängig von einem bestimmten Verhalten des Erwerbers zu einer nachträglichen Zahlung ftlhrt. Diese Klausel ist daher der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht entzogen88 •
J. Privatisierung von Unternehmen als "Massengeschäft" im Sinne von Verbrauchergeschäften nach dem AGB-Gesetz Eine Mindermeinung im Schrifttum befilrwortet im Hinblick auf die Unternehmensprivatisierung durch die Treuhandanstalt einen Analogieschluß auf das
84
Vgl. hierzu Kap. 4, Abschn. A III.
8S
Wächter, VIZ 1994,265,267.
86
Klauselbeispiel bei Ebbing, Verkaufspraxis, S. 291.
87 Laut Ebbing, Verkaufspraxis, S. 349, stellen die Nachbewertungsklauseln keine einseitigen Leistungsbestimmungsrechte dar, sondern sehen eine Preisfestsetzung durch einen unabhängigen Gutachter vor. - Vgl. auch Kap. 3, Abschn. A 11. 88
IV.
Zur Vereinbarkeit der Mehrerlösklause1 mit AGB-Gesetz vgl. Kap. 3, Abschn. B
90
2. Kap.: Kontrolle der Vertragsklauseln durch das AGB-Gesetz
Massengeschäft von Verbrauchergeschäften89 • Der Ansatzpunkt ist der, daß im Normalfall des Unternehmensverkaufs der Veräußerer einmal tätig wird und der Vertrag regelmäßig das Ergebnis umfangreicher Verhandlungen und gegenseitigen Nachgebens ist. Dagegen hat die Treuhandanstalt fUr den Unternehmensverkauf und auch fUr den Verkauf der sonstigen Wirtschaftsgüter ehemals volkseigenen Vermögens im Gebiet der ehemaligen DDR eine MonopolsteIlung inne, die es ihr nicht nur gestattet, sondern aus Rationalisierungsgründen auch gebietet, mit zumindest partiell einheitlichen und daher nicht ausgehandelten Vertrags bedingungen an den Markt zu gehen. Daher sollen solche Bewertungsmaßstäbe auch auf diese speziellen Unternehmenskaufverträge anzuwenden sein, die jedenfalls historisch eigentlich aus der Beurteilung von Massengeschäften auf der Ebene von Verbrauchergeschäften stammen90 • Aus dem Umstand, daß die Treuhandanstalt eine große Zahl von Unternehmensverkäufen durchfUhrt, kann nicht geschlossen werden, daß die Privatisierungsverträge Formularverträge sind. Es trifft zwar zu, daß die Austauschbeziehungen, die formularvertragsmäßig geregelt werden, im allgemeinen Massengeschäfte sind. Ein Rückschluß von dem Massencharakter der Unternehmensprivatisierungen durch die Treuhandanstalt auf den AGB-Charakter der Verträge berücksichtigt aber nicht das Besondere der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt. Es ist die historisch einmalige Situation gegeben, daß in einer begrenzten Zeit die ökonomischen Kerne einer gesamten Volkswirtschaft in privates Eigentum zu überfUhren sind91 • Unerhört komplexe und im einzelnen fUr die Vertragsparteien und Dritte sehr bedeutende Transaktionen sind objektiv als Massengeschäft abzuwickeln. Dieser Widerspruch zwischen der Eigenkomplexität und individuellen Bedeutung der einzelnen Transaktionen und der Massenaufgabe prägt zwar die Arbeit der Treuhandanstalt. Die Tatsache, daß Tausende anderer Investoren in zeitlicher Nähe Unternehmen in der DDR erwerben, fUhrt aber bei keinem einzigen Investor dazu, geringere Ansprüche an die Sachadäquanz seines Privatisierungsvertrages zu stellen. Der Umstand, daß ähnliche Probleme der zu privatisierenden Unternehmen bei fast allen Privatisierungen zu bewältigen sind, entbindet in keinem einzigen Fall von dem Ringen um die hierfUr konkret geeignete Lösung. Vergleichbare Vertragsgestaltungen zu den spezifischen Verträgen der Treuhandanstalt sind auch in den Unternehmenskaufverträgen der Beteiligungsverwaltungsabteilungen von Großkonzernen oder bei Anlagenverträgen anzutreffen. In beiden Fällen werden Entwürfe auf der Grundlage vorhandener Muster erarbeitet. Auch dort fUhrt die Sachkomplexität und der Interessengegensatz, vergleichbar 89
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 83, Rdn. 263.
90
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 83.
91
Wächter, VIZ 1994,265,266.
J. Privatisierung von Unternehmen als "Massengeschäft"
91
zu dem Käufennarkt im Privatisierungsgeschehen der neuen Bundesländer, ganz überwiegend zu Individualverträgen92 • Ernsthaft läßt sich daher nur die Auffassung vertreten, daß es Musterklauseln fUr einzelne Regelungsbereiche gibt, die in dem konkreten Privatisierungsfall mit speziell fUr diesen Fall neu entworfenen Klauseln kombiniert werden konnten. Der Vorschlag, einen Analogieschluß auf die Massenverkäufe des Verbrauchergeschäfts zu ziehen, hat denn auch keine weitere Gefolgschaft im Schrifttum gefunden. Tatsächlich überschreitet dieser Ansatz die Grenze der Analogiefähigkeit bzw. richterlichen Rechtsfortbildung. Eine Rechtsanalogie von Massengeschäften des AGB-Gesetzen auf die Ebene von Unternehmenskaufverträgen ist schon vom Ansatz her völlig verfehlt93 •
92
Wächter, VIZ 1994, 265, 266.
93
A.A. Kiethe, VIZ 1993, 225, 228.
3. Kapitel
Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln Nunmehr werden die atypischen Vertragsklauseln der Treuhandanstalt, die vornehmlich auf die Optimierung des Verkaufserlöses ausgerichtet sind, auf die Schranken ihrer rechtlichen Zulässigkeit hin überprüft. Es handelt sich um die Nachbewertungsklauseln und die Antispekulationsklauseln in Bezug auf die Unternehmensgrundstücke. Letztere Klausel wird plakativ üblicherweise als Mehrerlösklausel bezeichnet. Sie soll nur ftlr den Fall dem Staat im Nachhinein einen erhöhten Kaufpreis sichern, wenn der Investor aufgrund eigener Entscheidung nicht wenigstens mittelfristig in den neuen Bundesländern seine unternehmerischen Aktivitäten beibehält. Die Klausel ist somit eine weitere Stütze zur Absicherung des gemeinwohlbezogenen Ziels der Vollbeschäftigung.
A. Die Nachbewertungsklausel Diese Klausel verwendete die Treuhandanstalt vornehmlich in den ersten 1 1/2 Jahren seit Aufuahme ihrer Privatisierungstätigkeit. In dieser Phase lagen noch keine zuverlässigen Erkenntnisse über die Preisentwicklung des Grundstücksmarktes in den neuen Bundesländern vor l . Danach kamen diese Klauseln in den Kaufverträgen fast ausnahmslos nicht mehr zur Anwendung, da sich der Grundstücksmarkt durch die Herausbildung von Bodenrichtwerten stabilisierte2 •
I Ebbing, Verkaufspraxis, S. 355, wonach Nachbewertungsvereinbarungen bei Grundstücksverkäufen in Anlage IX zum Staatsvertrag ausdrücklich vorgesehen waren; Kiethe, Nachverhandlungen, S. 134, Rdn. 417, der die Bedeutung der Klausel damit erklärt, den Mangel eines funktionierenden Grundstücksmarktes in den neuen Bundesländern auszugleichen. Wertgutachten, die als Verhandlungsgrundlage dienten, hätten sich nach Angaben der Treuhandanstalt angeblich als äußerst zweifelhaft erwiesen; ebenso Horn, DB 1995,359 und Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992,293,295.
2 Spätestens zu diesem Zeitpunkt läßt sich eine solche Klausel, die im Ergebnis für den Käufer un(günstig) ist, nicht mehr vertreten.
A. Die Nachbewertungsklausel
93
Dadurch verschwand eine in erster Linie ft1r die Investoren nicht zu unterschätzende Unwägbarkeit in Bezug auf die Ennittlung des endgültigen Kaufpreises. Die Nachbewertungsklausel ist kritisch zu würdigen, da sie zu einer Ungewißheit über die Höhe des endgültigen Kaufpreises bei denjenigen Unternehmen filhrt, bei denen die Werthaltigkeit der Grundstücke eine maßgebliche Rolle spielte. Eine Nachbewertungsklausellautete beispielhaft wie folgfa:
§ ... Nachbewertung (1) Dem Kaufpreis liegt ein vorläufiger Wertansatz ft1r den Grund und Boden gemäß § ... Abs ... (Referenzwert) mit dem dort genannten qm-Preis zugrunde. Die Parteien werden auf den ... eine Nachbewertung durchfUhren. Im Nichteinigungsfall wird die Nachbewertung ft1r beide Seiten verbindlich von einern öffentlich bestellten und vereidigten, von der zuständigen Industrie- und Handelskammer zu benennenden Grundstückssachverständigen durchgefilhrt. Dies gilt auch ft1r die Auswirkung von Maßnahmen gemäß Abs .... Die Kosten des Sachverständigen trägt die Käuferin. (2) Bei der Nachbewertung bleiben solche etwaigen zwischenzeitliehen Werterhöhungen, insbesondere Bau- und Erschließungsmaßnahmen, unberücksichtigt, welche die Käuferin selbst durchgefilhrt oder ft1r die sie die Kosten getragen hat. (3) Übersteigt der so ennittelte Verkehrswert den Referenzwert, so hat die Käuferin den Betrag der Differenz bis zu einer maximalen Differenz von ... % des Referenzwertes zu zahlen. (4) Eine Verrechnung von Wertsteigerungen mit etwaigen Wertminderungen anderer Grundflächen fmdet nicht statt. (5) Die Käuferin hat die Nachbewertung auch sicherzustellen und die Differenz gemäß Abs. ... bis ... zu zahlen, wenn sie nicht mehr Eigentürnerin des Kaufgegenstandes ist. (6) Der zu zahlende Betrag ist innerhalb von 5 Bankarbeitstagen nach der Einigung bzw. nach der Gutachtenerstellung zur Zahlung fällig. In den frühen Verträgen um den Jahreswechsel 1990/1991 war auch folgende Version verbreitet: ( ... ) Aufgrund der noch nicht ausreichenden Ausbildung von Marktpreisen im Gebiet der neuen Bundesländer ist eine abschließende Ermittlung des Verkehrswertes von Grund und Boden und Gebäuden zur Zeit noch nicht 2.
Vgl. auch Ebbing, Verkaufspraxis, S. 308.
94
3. Kap.: Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln
möglich. Daher soll zwei Jahre nach Vertragsschluß ("Nachbewertungsstichtag") eine Nachbewertung des verkauften Grund und Bodens und der verkauften Gebäude durchgeführt werden. ( ... ) Soweit der Nachbewertungswert den Kaufpreis um mehr als 10 % übersteigt, hat der Käufer die Differenz an den Verkäufer nachzuzahlen; die Zahlung wird am Nachbewertungsstichtag fällig 2b • Die Nachbewertungsklausel wurde vielfach abgewandelt. So kam unter Umständen auch der Einsatz eines angemessenen Deckels als Obergrenze tUr die Nachzahlung in Betracht, damit die mögliche Maximalbelastung des Käufers kalkulierbar wurde 3 • Im Schrifttum werden Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Klausel geäußert. Einerseits wird es begrüßt, daß solche Klauseln die Einbeziehung von Wertsteigerungen, die aufgrund von Investitionen der Käufer eingetreten seien, bei der Ermittlung des Nachbewertungsbetrages mitberücksichtigen. Demgegenüber wird aber nicht genügend bedacht, daß erst die unternehmerische Tätigkeit der Investoren Marktverhältnisse geschaffen hat, die überhaupt eine Nachbewertung und eine Wertsteigerung ermöglichten4 . Es soll unbillig sein, daß die Treuhandanstalt an Wertsteigerungen partizipiert, die erst durch das unternehmerische Risiko der Investoren eingetreten sinds. Diese Einwände sind nicht stichhaltig. In Wirklichkeit geht es nur um die gerechte Ermittlung des Kaufpreises tUr Grund und Boden, der gerade nicht einem "Diktat" der Treuhandanstalt unterliegt, sondern der Beurteilung von unabhängigen, öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Der Investor kann sich schon frühzeitig auf eine etwaige Nachzahlung der Höhe nach einstellen, indem er im Zuge des sich stabilisierenden Grundstücksmarktes die Preisentwicklung tUr die Grundstücke an seinem Unternehmensstandort 2b Vgl. Nachweis z.B. bei Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992, 293, 295. - Die meisten der nachfolgenden Klauselbeispiele beruhen auf persönlichen Erfahrungen des Verfassers als Privatisierungsjurist der Treuhandanstalt Potsdam von Februar 1992 bis Mai 1993. 3 Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992,293,296; hierzu paßt auch die Vertragsklausel der Treuhandanstalt bei der Nichtberücksichtigung von unbekannten erheblichen Vermögenswerten im Rahmen der KaufPreisbildung; bei Aufzählung der GrundstOcke in der Anlage des Vertrages kommt ggf. auch eine Vertragsanpassung gemäß den §§ 133, 157 BGB oder ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. 4
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 134, Rdn. 418.
5
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 135, Rdn. 418.
A. Die Nachbewertungsklausel
95
genau verfolgt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber gerade den Alteigentümern im Vermögensgesetz eine starke Rechtsposition einräumt. Sind Unternehmen und/oder Unternehmensgrundstücke von Restitutionsansprüchen erfaßt, so kann es der Treuhandanstalt nicht zugemutet werden, sich auf langwierige Auseinandersetzungen mit den Alteigentümern wegen der Ermittlung des Verkehrswertes der Unternehmensgrundstücke ft1r die Erlösauskehr gemäß § 16 In VorG einzulassen. Die Rechtsposition der Alteigentümer, deren Vermögenswerte von Unternehmensprivatisierungen in der Anfangsphase der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt betroffen waren, wäre wesentlich schlechter als die derjenigen Alteigentümer, die den Verkauf ihrer Vermögenswerte, sowohl Unternehmen als auch Unternehmensgrundstücke, im Rahmen einer sachgerechten Ermittlung des Grundstückswertes hinzunehmen hatten. Die Treuhandanstalt ist verpflichtet, bei der Ausgestaltung des Privatisierungsverfahrens wesentlich Gleiches im Rahmen des Verfahrensermessens auch gleichzubehandeln. Insoweit unterliegt sie nicht nur gegenüber dem Investor, sondern auch gegenüber den Alteigentümern dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG. Diese Verpflichtung erfüllte sie bei den frühen Unternehmensprivatisierungen dadurch, daß sie aufgrund der Unsicherheiten in der Grundstücksbewertung eine Nachbewertungsklausel aufnahm, die eine zuverlässige Ermittlung des Verkehrswertes späterhin ermöglicht. Die Treuhandanstalt stellte beim Verkauf der von ihr verwalteten Unternehmen die Käufer regelmäßig von einer Haftung gegenüber den Alteigentümern frei, indem sie die Befriedigung der Ansprüche der Restitutionsberechtigten übernahm. Dieses Vorgehen ist sachdienlich und praktikabel, weil die Veräußerung der Unternehmen an Investoren ft1r diese ansonsten mit noch viel größeren Komplikationen und Mehraufwand verbunden wäre. Es kann den Investoren in den neuen Bundesländern nicht zugemutet werden, sich neben der schwierigen Aufgabe der Neustrukturierung der Unternehmen zusätzlich noch mit Entschädigungsansprüchen von Alteigentümer auseinanderzusetzen. Geht die Verpflichtung zur Entschädigung der Alteigentümer über die Wertermittlung der Grundstücke im Privatisierungsvertrag hinaus, so muß der Treuhandanstalt zugestanden werden, den Verkehrswert der Grundstücke im nachhinein zuverlässig feststellen zu lassen6 • Da der Verkäufer, d.h. die Treu6 Badestein, WR 1992, 179, wonach die Nachbewertung zum Verkehrswert führen soll und dafür sorgt, daß eine Veräußerung unter diesem Richtsatz unterbleibt; weitergehend noch Drygalski, in: RlRIB, Investitionsvorranggesetz, Rdn. 23, wonach der Berechtigte Anspruch auf alle Geldleistungen aus dem investiven Vertrag haben soll, die auf den Verrnögenswert entfallen; d.h. also auf den Erlös, gleichgültig, wann er anflillt. Darunter fallen: Nachbewertungen und weitere in Zahlen belegte Gegenleistungen und geldwerte Vorteile neben dem Kaufpreis, wie z. B. Investitionszusagen (v gl. die Empfehlungen zur Anwendung des InVorG ftlr Immobilien des BuMin der Justiz, Teil 2 VII 2).
96
3. Kap.: Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln
handanstalt bzw. das Treuhandunternehmen, den Differenzbetrag zu erbringen hat, lassen sich durch die vereinbarte Nachbewertung die Haftungsrisiken deutlich begrenzen. Auch dürfen die haushaltsrechtlichen Bindungen der Treuhandanstalt in Bezug auf eine Erlösoptimierung bei der Verwertung von Staatsvermögen nicht außer Acht gelassen werden. Die besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse in den neuen Bundesländern sind grundsätzlich geeignet, solche Nachbewertungsklauseln zu rechtfertigen, zumal auch § 63 Abs. 3 BHO bestimmt, daß Vermögensgegenstände nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden dürfen 7 • Den Kritikern ist auch entgegenzuhalten, daß die Nachbewertung trotz ihrer erlös optimierenden Funktion regelmäßig mit einer Kaufpreisstundung einhergeht, da der Nachbewertungszeitpunkt auf einen wesentlich späteren Termin gelegt wird. Solche gewährten Zinsvorteile können erheblich sein. Eine nur isolierte Betrachtung der Nachbewertungsklausel übersieht die erheblichen sonstigen Gestaltungsspielräume der Treuhandanstalt im Privatisierungsvertrag. So können diese in der Gesamtschau ungeachtet der Zahlungspflicht für den Verkehrswert der Grundstücke dennoch zu insgesamt günstigen Erwerbskonditionen rur die Investoren fUhren, wenn diese vergleichsweise ein hohe Zahl von Arbeitsplätzen vertraglich zusicherten. Können sich die Parteien über den Betrag der Nachbewertung nicht einigen, so wird der Umfang der Kaufpreiserhöhung gemäß der Regelung im Privatisie~ rungsvertrag von einem für beide Parteien verbindlichen Sachverständigengutachten abhängig gemacht. Es ist unstreitig, daß eine solche Vereinbarung den Tatbestand des § 317 Abs. 1 BGB im Sinne einer Bestimmung der Leistung durch einen Dritten erfüllt, und damit der gerichtlichen Kontrolle nach § 319 Abs. 1 BGB unterliegt. Nach einer Mindermeinung sind diejenigen Nachbewertungsklauseln rechtlich bedenklich, die zwar den Nachbewertungsstichtag und die Nachbewertungskriterien festlegen, aber das weitere Verfahren, insbesondere die Frage, wer die Nachbewertung vornimmt und für wen sie verbindlich ist, nicht regeln8 . Dieser Einwand ist theoretisch, da die Nachbewertungsklauseln fast ausnahmslos sinngemäß in den zuvor zitierten Fassungen anzutreffen sind. Derartige Klauseln berechtigen die Treuhandanstalt nicht zur einseitigen Leistungsbestimmung, sondern überlassen die Festlegung dieses endgültigen Kaufpreisbestandteiles einem unabhängigen Sachverständigen9 •
7
Badestein, WR 1992, 179.
8
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 136, Rdn. 421.
9
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 136.
A. Die Nachbewertungsklausel
97
I. Vereinbarkeit der Nachbewertungsklausel mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG Kiethe will eine Selbstbindung der Treuhandanstalt infolge eines Vorstandsbeschlusses festgestellt haben, demzufolge nur unter bestimmten Voraussetzungen die Vereinbarung einer Nachbewertungsklausel als notwendig erachtet wird 10. Wenn die Verhandlungsteams der Treuhandanstalt im Einzelfall trotz Nichtvorliegens dieser Voraussetzungen eine Nachbewertungsklausel durchgesetzt hätten, so sei diese als nichtig gemäß § 134 bzw. § 138 Abs. I BGB LV.m. Art. 3 Abs. 1 GG zu qualifizieren". Diese Argumentation ist nicht stichhaltig. Selbst wenn sich eine solche interne Verwaltungspraxis bei der Treuhandanstalt gebildet haben sollte, die dem Grunde nach justitiabel ist, so folgt daraus noch keineswegs, daß nicht genügend sachliche Gründe vorlagen, die im Ergebnis zu einer abweichenden Gestaltung des jeweiligen komplexen Unternehmenskaufvertrages fUhrten. Ein Verzicht auf die Nachbewertung als Kaufpreisbestandteil kann beispielsweise durchaus einhergehen mit einer erhöhten Anzahl zu sichernder Arbeitsplätze oder mit einer größeren Investition. 11. Vereinbarkeit der Nachbewertungsklausel mit dem AGB-Gesetz Stärkeres Gewicht haben die Einwände im Schrifttum, die die Nachbewertungsklausel als eine einseitige Bevorzugung der Treuhandanstalt und damit als Verstoß gegen das AGB-Gesetz bewerten. So wird eine Unvereinbarkeit der Klausel mit der Inhaltsschrankenbestimmung der §§ 11 Nr. 1 und 9 AGBGesetz erörtert. Der Gesetzgeber bezweckt mit dem Verbot der Preiserhöhungsklausel des § 11 Nr. 1 AGB-Gesetz, die Möglichkeit von Preisvergleichen zu sichern und damit eine Bedingung fUr einen funktionierenden Wettbewerb zu erhalten l2 • Das Klauselverbot des § 11 Nr. 1 AGB-Gesetz bezieht sich nach seinem Wortlaut auf Waren. Als Waren werden indes nur bewegliche Sachen und nicht Grundstücke eingestuft 13 . Durch die Inhaltskontrolle des § 9 AGB-Gesetz können jedoch Preiserhöhungsklauseln in Grundstücksgeschäften in gleicher Weise wie nach § 11 Nr. 1 rur unwirksam erklärt werden, da eine
10 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 173, Rdn. 423 mit Verweis auf Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992,293,295.
11
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 137.
12
Wolf, in: Wolf/HorniLindacher, AGBG, § 11 Nr. 1 Rdn. 12.
13
Zeuner, ZIP 1993, 1365, 1369.
7 HeB
98
3. Kap.: Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln
Klauselgestaltung wie in § 11 Nr. lAGB-Gesetz vom Gesetzgeber generell als unangemessen bewertet wird l4 • Grundsätzlich könnte dies somit auch rur die. Nachbewertungsklauseln in den Unternehmens-und GrundstUckskaufverträgen mit der Treuhandanstalt gelten. Offen ist, ob im Immobilienbereich der neuen Bundesländer bereits von einem funktionierenden Wettbewerb gesprochen werden kann. Denn grundsätzlich darf mit einer formularmäßigen Preisänderungsklausel nicht die vorausgesetzte Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung verschoben werden l5 . Die herrschende Meinung läßt daher Nachbewertungsklauseln allenfalls kurzfristig zur Behebung einer vorübergehenden Bewertungsunsicherheit auf dem GrundstUcksmarkt zu und fordert dann auch eine filr den Käufer überschaubare und kalkulierbare Begrenzung nach oben l6 • Diese Forderung im Schrifttum, eine Betragsobergrenze, d.h. eine Freigrenze oder Freibetrag. als Deckel zu vereinbaren, um die Höhe der Nachzahlung zu begrenzen und zu kalkulieren, verdient Zustimmung. Die Nachbewertungsklauseln stellen dann ein kaum begrUndbares Nachverhandeln dar, wenn der lokale Immobilienmarkt durchschaubar wird 17. Es war zu beobachten, daß sich ab Mitte des Jahres 1991 allmählich ein transparenter GrundstUcksmarkt entwickelte l8 • Eine Mindermeinung prüft weitergehend die Vereinbarkeit von Schiedsgutachten mit § 9 AGB-Gesetz. Schiedsgutachten verstoßen zwar nicht gegen § 11 Nr. 15 AGB-Gesetz. Aus § 9 AGB-Gesetz sollen sich nach dieser Auffassung jedoch eine Reihe von Anforderungen ergeben, die eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ausschließen l9 • Unter Berufung auf die
14
Wolf, in: Wolf/HorniLindacher, AGBG, § 11 Nr. 1 Rdn. 12.
15 Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992,293,295 begründen die Aufnahme der Klausel damit, daß eine Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung gewährleistet werden soll. 16 Wolf, in: Wolf/HorniLindacher, AGBG, § 11 Nr.1 Rdn.12; Zeuner, ZIP 1993, 1365, 1369.
17 So auch Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992, 293, wobei auf einen Vorstandsbeschluß im Mai 1991 verwiesen wird. 18
Zeuner, ZIP 1993, 1365, 1369 hatte dies hingegen erst für Ende 1992 prognosti-
ziert. 19 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 138; Palandt/Heinrichs, BGB, § 9 AGBG, Rdn. 127; falls man sich der Auffassung anschließt, daß die Klausel an dem AGB-Gesetz zu messen ist.
A. Die Nachbewertungsklausel
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von der Rechtsprechung ~eforderten Kriterien an die Vereinbarung von Schiedsgutachten soll gelten 0: - die Unparteilichkeit des Schiedsgutachters muß sichergestellt sein, entweder durch Auswahl einer auch aus Sicht des Vertragspartners vertrauenswürdigen Stelle oder durch Einräumung eines Ablehnungsrechts. - Umstritten ist, ob im Schiedsgutachtenverfahren ein Anspruch auf rechtliches Gehör bestehen muß21 • - Das Recht, das Schiedsgutachten wegen offenbarer Unrichtigkeit anzufechten, darf nicht eingeschränkt sein22 • - Nachteile, die dem Vertragspartner des Verwenders aus einem möglicherweise unrichtigen Gutachten entstehen können, dürfen nicht unverhältnismäßig • 23 sem. Die Vereinbarung von Schiedsgutachten soll nach dieser Mindermeinung je nach dem Schutzbedürfnis der Käufergruppe gemessen an § 9 AGB-Gesetz gerade noch rechtlich zulässig sein oder schon nicht mehr. Hierbei wird zwischen privaten Unternehmenserwerbern und Kaufleuten unterschieden. Jedenfalls Vollkaufleute sollen die mit verbindlichen Bewertungsgutachten verbundenen Risiken grundsätzlich einschätzen können, weshalb insoweit keine unangemessene Benachteiligung vorliege4• Anders sollen die Fälle zu entscheiden sein, in denen Nichtkaufleute, insbesondere ehemalige leitende Angestellte von volkseigenen Betrieben, im Rahmen des Management-BuyOut oder Existenzgründer aus den alten Bundesländern Verträge geschlossen haben. Die Schiedsgutachtenklausel als Bestandteil der Nachbewertungsklausel soll hier unwirksam sein, während der Vertrag im übrigen aber gemäß § 6 AGB-Gesetz wirksam bleibes. Diese Auffassung ist abzulehnen, da nicht ersichtlich ist, warum Nichtkaufleute die mit der Erstellung von Grundstücksgutachten verbundenen Bewertungsfragen nicht erkennen sollten. Die Klausel ist auch deswegen nicht unangemessen, weil Wertsteigerungen der Grundstük-
20
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 139.
21 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 139; Verweis aufLG FrankfurtlM. NJW-RR 1988, 1132, 1133.
7·
22
BGHZ 101,307,318.
23
BGHZ 115,329,331.
24
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 140.
2S
Horn, DB 1995, 359, 360.
100
3. Kap.: Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln
ke, die auf Eigenleistungen von Nichtkaufleuten als Erwerber beruhen, vom Betrag der Nachbewertung abgesetzt werden. Ein weiterer Vorwurf gegen die Nachbewertungsklausel zielt darauf ab, daß die Treuhandanstalt auch Klauseln verwende, die eine Nachbewertung ohne Schiedsgutachten vorsehen. Hier soll eine solche Klausel in einen unwirksamen, das Sachverständigengutachten betreffenden Teil, und in einen wirksam bleibenden Restteil teilbar sein26 • Dieser Auffassung ist zu folgen, wobei zu konstatieren ist, daß - wenn überhaupt - nur ganz ausnahmsweise solche vertraglichen Vereinbarungen vorgekommen sind27 • Einigen sich die Parteien nicht, so verbleibt im Falle der Nichteinigung der Treuhandanstalt tatsächlich lediglich die Möglichkeit, auf eine entsprechende Nachzahlung zu klagen. Die zutreffende Beurteilung des Nachbewertungsbetrages unterliegt hierbei der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Der Haupteinwand an der Privatisierungspraxis der Treuhandanstalt zielt indes darauf ab, daß alle von der Treuhandanstalt verwendeten Nachbewertungsklauseln lediglich ein Nachforderungsrecht zugunsten der Treuhandanstalt vorsehen, wenn der Wert des Grundstücks gegenüber der Voreinschätzung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses höher ist. Liegt der Wert des Grundstücks dagegen nunmehr unter dem Wert zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, so gesteht die Treuhandanstalt ihrem Vertragspartner kein Rückforderungsrecht zu. Der Treuhandanstalt könnte vorgeworfen werden, daß sie sich einseitig den Nutzen einer Wertsteigerung sichert. Dies könnte den Tatbestand einer unangemessenen, Treu und Glauben widersprechenden Benachteiligung der Vertragspartner der Treuhandanstalt gemäß § 9 Abs. I AGB-Gesetz erfüllen. Die Klausel könnte insoweit von einem wesentlichen Grundgedanken des Kaufrechts gemäß § 9 Abs. 2 Nr. I AGB-Gesetz abweichen, wonach außerhalb der Sittenwidrigkeit der Preisbemessung jede Kaufvertragspartei das Äquivalenzrisiko für sich alleine trägt. Es ist eine ungeschriebene Grundregel des Kaufrechts, daß Käufer und Verkäufer für sich das Risiko tragen, aber auch die Chance nutzen können, wenn der Wert des Kaufgegenstandes nach Vertragsschluß flillt oder steiges. Eine solche einseitige Anpassungsreglung soll zudem 26 Vgl. Schmidt, in: Ulmer/BrandneriHensen, AGBG, § 6, Rdn. 12; Kiethe, Nachverhandlungen, S. 140. 27 Dem Verfasser sind keine bekannt. Daher ist der Einwand im Schrifttum theoretischer Natur. - Im Ergebnis ebenso Ebbing, Verkaufspraxis, S. 356.
28 Nicht überzeugend Kiethe, Nachverhandlungen, S. 146, der als Beispiel anführt, daß der Investor in erheblichem Maße über seine vertragliche Verpflichtung hinaus investiert hat, weil eine Sanierung des erworbenen Unternehmens sonst nicht möglich gewesen wäre. Hier soll es mit Treu und Glauben unvereinbar sein, wenn die Treuhandanstalt ihre aus der Nachbewertungsklausel resultierende Rechtsposition ausnutzt.
A. Die Nachbewertungsklausel
101
nicht nur gegen § 9 AGB-Gesetz, sondern zugleich gegen einen im Recht der Wertsicherungsklauseln allgemein anerkannten Grundsatz verstoßen. Es handelt sich zwar nicht um eine Wertsicherungsklausel im technischen Sinn. Aber in den Fällen, in denen die Klausel nicht ausgehandelt wurde, geht das Schrifttum von deren Unwirksamkeit aus 29 • Dieser Argumentation wird sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis nicht gefolgt. Angreifbar ist schon die These von der unangemessenen Benachteiligung der Käuferseite wegen leitbildwidriger Risikoverteilung der Nachbewertungsklauseeo. Die Bedenken im Schrifttum gehen zum einen. schon an den Realitäten der Wertschöpfung auf dem Immobilienmarkt in den neuen Bundesländern vorbei. Ausgehend von dem Prinzip einer vorsichtigen Bewertung der Immobilien in den Jahren 1990/1991 traten in der Folgezeit so gut wie keine Fälle auf, in denen die Grundstückspreise zu dem Nachbewertungsstichtag gefallen wären. Wiederum sind auch die haushaltsrechtlichen Bindungen der Treuhandanstalt zu berücksichtigen, wonach die Verschleuderung von Staatsvermögen zu verhindern ist. Dem haushaltsrechtlichen Gebot kommt als zwingendes Recht eine Richtlinien- und Leitbildfunktion als Mittel zur Konkretisierung des Maßstabs der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 AGBGesetz zu3t • Dies schränkt den vertraglichen Gestaltungsspielraum der Treuhandanstalt in Anbetracht der beträchtlichen Wertschöpfung auf dem Grundstücksmarkt ein. Die Treuhandanstalt muß atypische Gestaltungsmittel im Privatisierungsvertrag wählen, um die Unternehmen in den neuen Bundesländern zügig privatisieren zu können; nur dadurch kann sie in Anbetracht der enormen wirtschaftlichen Transaktionen einer Verschleuderung der Vermögenswerte gegengesteuern32 • Eine Unangemessenheit i.S.d. § 9 AGB-Gesetz liegt auch deshalb nicht vor, weil es sich um eine parteiautonom vereinbarte, aufgeschobene Gegenleistung ftlr bereits übertragene Vermögenswerte handelt. Der Handlungsspielraum der Treuhandanstalt wird auch deswegen eingeschränkt,
29 Horn, OB 1995, 359, 360, verweist auf die Rechtsprechung des BGH zur ergänzenden Vertragsauslegung, wonach eine Neuverhandlung mit dem Ziel einer Reduzierung des ursprünglichen Grundstückspreises eingreifen soll. 30
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 142.
31 Wolf/HorniLindacher, § 9 Rdn. 65 und 68: Auch zwingende Vorschriften können wesentliche Grundgedanken enthalten, die auf die Auslegung des AGB-Gesetzes Einfluß haben, vgl. BGHZ 87,17; BGH NJW 1983, 1322. 32 Wächter, VIZ 1994,265,268; rur eine Berücksichtigung der besonderen Situation der Privatisierungsverkäufe der Treuhandanstalt auch Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neuen Bundesgebiet, § 18, Rdn. 233.
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3. Kap.: Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln
da die Alteigentümer gleichbehandelt werden müssen. Im übrigen wird der Kaufpreisstundungseffekt der Nachbewertungsklausel im Schrifttum nicht genannt bzw. unterschätzt33 • Der künftig zu entrichtende, endgültige Kaufpreis erscheint rur den Investor kalkulierbar; der Käufer kann sich selbst frühzeitig auf die ihn künftig noch treffende fmanzielle Belastung einstellen. Schließlich ist die Treuhandanstalt auch nicht gehindert, im Rahmen von Nachverhandlungen auf die Geltendmachung ihrer Rechte aus der Nachbewertung zu verzichten bzw. eine weitere Stundung zu vereinbaren, wenn die finanzielle Situation des Unternehmens dies erfordert. Diese Nachsorge der Treuhandanstalt rur das privatisierte Unternehmen bzw. den Investor läßt sich bedeutend einfacher handhaben als ein nachträglicher Liquiditätszuschuß. Letzteres würde eine Subventionierung bedeuten, die nach der Privatisierung der Unternehmen als Maßnahme der Wirtschaftsf6rderung eigentlich nicht zu den Aufgaben der Treuhandanstalt gehört. Im Ergebnis kommt nur dann ein Verstoß der Klausel gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGB-Gesetz in Betracht, wenn die Erreichung des Vertragszwecks ansonsten überhaupt gefilhrdet ist. Dies erscheint dann denkbar, wenn der Betrag der Kaufpreisnachzahlung unerwartet hoch ist und bei kurzfristiger Gesamtflilligkeit der Ausgleichszahlung rur den Investor erhebliche Liquiditätsprobleme erwachsen können34 • Gleiches gilt, wenn die Standortzusage, und damit die Grundstücksbezogenheit des Unternehmens, hinflillig würde wegen nicht voraussehbarer, dringender betrieblicher Erfordernisse. Insbesondere können vermögensrechtliche oder öffentliche Restitutionsansprüche solche Standortgarantien hinflillig machen.
B. Die Mehrerlösklausel Diese Antispekulationsklausel dient zwar nicht unmittelbar solchen Gemeinwohlzielen wie der Sicherung von Arbeitsplätzen. Die im Vergleich zum herkömmlichen Unternehmenskaufvertrag atypische Vertragsklausel verfolgt dennoch einen wichtigen öffentlichen Zweck. Die Klausel soll indirekt der Motivation der Investoren entgegenwirken, nach Ablauf der relativ überschaubaren Zeiträume der Investitions- und Arbeitsplatzzusagen das Unternehmen
33 Einzig Ebbing, Verkaufspraxis, S. 309, stellt zutreffend diese Darlehensfunktion der Nachbewertungsklausel heraus. 34 Preu, DStR 1995, 1390, 1392, will im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung für eine tragbare Zahlungsregelung zu sorgen. Bei hohen Nachbewertungsbeträgen kann auch die Wertermittlung bisweilen "offenbar unrichtig" sein, z.B. wenn die Grundstücke eines in innenstadtnaher Lage produzierenden Unternehmens aufgrund einer unterstellen höherwertigen Nutzung bewertet werden. - Ebbing, Verkaufspraxis, S. 357 ff., stellt noch eine Inhaltskontrolle nach § 138 BGB an.
B. Die Mehrerlösklausel
103
frühzeitig einfach stillzulegen und hohen Profit aus der Wertschöpfung bzw. den stillen Reserven der zahlreichen Immobilien zu ziehen. Daher stellt die Klausel das notwendige Korrelat zur mittelfristigen Absicherung der Gemeinwohlziele dar, indem das erlösoptimierende Entscheidungsprogramm noch ftlr geraume Zeit fortwirkt. Durch die Abschöpfung von Veräußerungsgewinnen innerhalb einer bestimmten Frist wird das staatliche Interesse an der dauerhaften Sicherung der Untemehmensstrukturen unterstrichen. Die Treuhandanstalt tritt durch diesen restriktiven Vertragsansatz Grundstücksspekulanten entgegen und erleichtert sich selbst die juristische Verfolgung und Durchsetzung von Ersatzansprüchen. Die Notwendigkeit und die Rechtmäßigkeit von Mehrerlösklauseln sind daher im Grundsatz unbestritten und werden als konsensfähig empfunden35 . Auch die kritischen Stimmen im Schrifttum bezweifeln nicht die Legitimation dieser Antispekulationsklausel. Die Mehrerlösklausel ist zur Absicherung der treuhandspezifischen Zielsetzungen der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen und Investitionen notwendig, da eine Verkaufsentscheidung der Treuhandanstalt häufig im Hinblick auf eine Fortftlhrung eines bestimmten bestehenden Betriebes durch den Erwerber erfolgt, und dadurch die Spekulation mit den erworbenen Objekten unterbunden werden so1l36. Eine von der Treuhandanstalt üblicherweise verwendete Klausel lautet: § ... Mehrerlös (1) Veräußert die Käuferin oder eine andere Person, die Eigentümer geworden ist, den Kaufgegenstand ganz oder teilweise vor dem 31.12. 199., so hat die Käuferin den bei der Veräußerung der Grunstücke (Grund und Boden und Gebäude) erzielten Mehrerlös einschließlich aller anderen geldwerten Vorteile abzuftlhren. Als Mehrerlös gilt die Differenz zwischen dem Wertansatz gemäß § ... Abs .... und ... (Referenzwert ftlr Grund und Boden zuzüglich Kaufpreis der Baulichkeiten) im Vergleich zu dem bei der Weiterveräußerung erzielten Erlös. Nach Wahl der Treuhandanstalt ist stattdessen die Differenz abzuftlhren, um die der Verkehrswert im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zur Weiterveräußerung den Referenzwert zuzüglich der Baulichkeiten übersteigt. (Als Mehrerlös gilt die Differenz zwischen dem Kaufpreis gemäß § ... Abs. 2 a, dem Referenzwert, im Vergleich zu dem bei der Weiterveräußerung erzielten qm-Satz. Nach Wahl der Treuhandanstalt kann anstelle des Mehrerlöses auch die Differenz zwischen dem Referenzwert und dem jeweils in der amtlichen Bodenrichtwertkarte
35
Badestein, WR 1992, 179 f.
36
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 148.
104
3. Kap.: Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln
für den vorausgegangenen I. Januar festgesetzten Quadratmeterpreis herangezogen werden. Steht ein Richtwert nicht zur Verfügung, wird der Verkehrswert herangezogen.) Der Referenzwert erhöht sich gegebenenfalls um den anteiligen Betrag der durchgeführten Nachbewertung. (2) Der Verkehrswert ist im Nichteinigungsfall durch einen von der zuständigen Industrie- und Handelskammer zu benennenden öffentlich bestellten und vereidigten Grundstückssachverständigen festzustellen. Dies gilt auch für die Feststellung der Auswirkung von Maßnahmen gemäß Abs. 5; die Kosten des Gutachtens trägt die Käuferin. (3) Ein Mehrerlös gilt auch dann als angefallen, wenn ein Grundstück des Kaufgegenstands, ein Gebäude oder der Teil eines Grundstücks bzw. Gebäudes im Wege eines Mietvertrags, Pachtvertrags, Erbbaurechtsvertrags oder sonstigen Nutzungsvertrags an einen Dritten überlassen wird und die Käuferin dabei ohne Umsatzsteuer ein Nutzungsentgelt von mehr als ... % p.a. auf den Kaufpreis bzw. den anteiligen Kaufpreis nach dem vorliegenden Vertrag erzielt. Als Erlös gilt dann derjenige Betrag, der sich als Kapital ergibt, wenn das Nutzungsentgelt eine jährliche Verzinsung von ... % darstellt. (4) Als Veräußerung im Sinne des Abs.1 gelten alle Rechtsgeschäfte, die darauf gerichtet sind,· einem Dritten Eigentum, unmittelbar oder mittelbar eine dem Eigentum wirtschaftlich gleichstehende Rechtsstellung oder ein dingliches Nutzungsrecht zu verschaffen. Eine Veräußerung ist auch dann gegeben, wenn sie unentgeltlich erfolgt. (5) Ein Mehrerlös oder eine Erhöhung des Verkehrswertes infolge von Investitionen, Verbesserungen und Erschließungen durch die Käuferin bleibt unberücksichtigt. Die Verpflichtung nach Abs. 1 entfällt, wenn die Käuferin ein oder mehrere Grundstücke an Familienangehörige oder mit ihr gesellschaftsrechtlich verbundene Unternehmen (entsprechend § 15 AktG) veräußert und die Erwerber zur Mehrerlösabführung an die Treuhandanstalt gemäß dem vorliegenden Vertrag verpflichtet. (6) Eine Verrechnung von Mehrerlösen mit etwaigen Mindererlösen aus dem Verkauf oder Werteinbußen anderer Grundstücke oder Grundstücksteile findet nicht statt. (7) Die Käuferin haftet für die Verpflichtungen gemäß Abs. 1 bis 4 auch dann, wenn der Mehrerlös bzw. Verkaufspreis nicht ihr, sondern einer anderen Person zufließt. (8) Der Mehrerlös ist innerhalb von 5 Bankarbeitstagen nach Abschluß des Vertrags über die Weiterveräußerung zur Zahlung an die Treuhandanstalt fällig.
B. Die Mehrerlösklausel
105
(9) Die Käuferin hat für die Ermittlungen gemäß Abs. bis 6 binnen eines Monats nach Abschluß des Vertrages über die Weiterveräußerung unaufgefordert umfassend Belege beizubringen und Auskünfte zu erteilen37 • Die Mehrerlösklausel soll auch solche Fallkonstellationen erfassen, in denen nach der Privatisierung statt der Grundstücke "nur" die Gesellschaftsanteile des in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft aufgetretenen Käuferunternehmens weiterveräußert werden. Werden Anteile des Käufers veräußert, so fließt auch das gekaufte Treuhandunternehmen als im Anlagevermögen gehaltene Beteiligung mitsamt der Grundstücke in den Kaufpreis mit ein. Für diesen Weiterveräußerungsfall wird fingiert, daß im Gesamtkaufpreis für den veräußerten Anteil der anteilig betroffene Grund und Boden mindestens mit dem aktuellen Verkehrswert bewertet worden ist, d.h. dadurch etwaige stille Reserven aufgedeckt wurden. Die Mehrerlösklausellautet dann beispielsweise wie folgt: § ... Mehrwertabschöpfung bei Veräußerung von Geschäftsanteilen (1) Bei einer Veräußerung von Geschäftsanteilen der Käuferin hat die Käuferin den Mehrwert des mit dem vorliegenden Vertrag verkauften Grundbesitzes zu vergüten, soweit er von der Anteilsveräußerung anteilig betroffen ist. Der Mehrwert ist die Differenz zwischen dem Referenzwert zuzüglich Kaufpreis der Baulichkeiten gemäß § ... Abs... und ... , soweit sich Grund und Boden und Gebäude noch im Eigentum der Käuferin befmden, und einem höheren Verkehrswert von Grund und Boden und Gebäuden im Zeitpunkt der Anteilsveräußerung. (2) § ... (der Mehrerlösklausel in der Giundfassung) Abs. 1 letzter Satz, Abs. 2, 4 bis 9 sind entsprechend anzuwenden. I. Bemessung des Mehrerlöses Ausgangspunkt bei der Bemessung des Mehrerlöses ist der Verkaufspreis, jedoch mindestens der Verkehrswert im Veräußerungszeitpunkt. Davon abzuziehen sind der Kaufpreis, gegebenenfalls der anteilige Teilkaufpreis oder Buchwert bzw. Ansatz in der DM-Eröffnungsbilanz, sowie die direkten Kosten des Käufers. Wertsteigerungen, die auf Aufwendungen des Käufers beruhen, sind nicht abzuführen und müssen folglich vom Mehrerlös abgezogen werden. Es sollen nur Spekulationsgewinne abgeschöpft werden, hingegen nicht die auf Eigenleistung beruhenden Wertsteigerungen. Bei Nachweis des Käufers über
37
Ähnliches Klauselbeispiel bei Ebbing, Verkaufspraxis, S. 283.
106
3. Kap.: Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln
die von ihm vorgenommenen Investitionen in das Sachanlagevermögen können die darin begründeten Wertzuwächse abgegrenzt werden. 11. Wirtschaftliche Betrachtungsweise und teleologische Reduktion der Mehrerlösklausel Der Begriff der Veräußerung ist nach allgemeiner Auffassung weit zu fassen und so auszulegen, daß darunter auch alle entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäfte fallen, durch die ein Dritter unmittelbar oder mittelbar Eigentum oder eigentumsähnliche Rechte, wie Begründung eines Erbbaurechts, Miet- und Pachtverhältnisse, Leasing und sonstige Nutzung bzw. Nutzungsänderung, erwirbes. Somit ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich. Die Verpflichtung zur Abftlhrung des Mehrerlöses soll nicht nur dann eintreten, wenn damit der Verlust der EigentümersteIlung über Grund und Boden oder die Geschäftsanteile verbunden ist, sondern schon dann, wenn die Stellung als Eigentümer auf beliebige Art entwertet bzw. ausgehöhlt wird39 • Nur eine solche weitgefaßte Klauselgestaltung verhindert einen möglichen Mißbrauch, indem die Verpflichtung zur Mehrerlösabftlhrung schon entstehen soll, wenn einem Dritten eine dem Eigentum gleichstehende Rechtsstellung oder ein dingliches Nutzungsrecht verschafft bzw. bestellt wird. Eine derart weite Fassung der Mehrerlösklausel kann leicht unter die Unklarheitenregel des § 5 AGB-Gesetz fallen und damit nicht mehr justitiabel sein. Die Klausel verlangt in jedem Einzelfall eine Prüfung dahingehend, ob ein Umgehungstatbestand vonseiten des Investors verwirklicht ist. Eine Gestaltung, die steuerliche Vorteile filr den Investor mit sich bringt, wie beispielsweise das sale-and-Iease-back Verfahren, muß daher aus dem Negativraster herausfallen, da das wirtschaftliche Eigentum letztlich beim Investor verbleibt40 • Andererseits gilt die Einschränkung zugunsten des Investors wiederum nicht filr den Fall, wenn das Grundstück mit einem eigentumsgleichen Recht, beispielsweise einem Erbbaurecht, belastet wird. In diesem Falle wurde im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise Eigentum übertragen. Ist der Investor eine Kapitalgesellschaft und bildet das erworbene Unternehmen mit dem Betriebsgrundstück das wesentliche Vermögen der neuen 3B
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 149; Badestein, WR 1992,179 ff.
39 Ebbing, Verkaufspraxis, S. 284, der die langfristige Vermietung und Verpachtung als Verstoß gegen die Verpflichtung zur Untemehmensfortfllhrung betrachtet, falls sie nicht im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs erfolgt. - Hierbei ergeben sich aber erhebliche Abgrenzungschwierigkeiten. 40
Zustimmend Preu, DStR 1995, 1390, 1393.
B. Die Mehrerlösklausel
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Eigentümergesellschaft, so ist unbestritten, daß die Mehrerlösklausel dann eingreift, wenn nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise das Grundstück bei der Anteilsveräußerung das alleinige oder wesentliche Vermögen darstellt. Aber schon in dem Fall, daß weniger als 100 % der Anteile veräußert werden, oder die Gesellschaft neben dem Betriebsgrundstück noch andere wesentliche Vermögenswerte hatte, ist zweifelhaft, ob dieses Rechtsgeschäft noch die Ermittlung des aktuellen Verkehrswertes für Grund und Boden auslösen soll. Es ist den Kritikern zuzugeben, daß die Aufnahme eines Mitgesellschafters zunächst und vornehmlich zum Zweck der Haftungs- und Risikobeschränkung sowie der Gewinnung eines fmanziell starken Partners erfolgt. Es trifft auch zu, daß die Beweggründe für die Veräußerung von Teilen des Geschäftsanteils vielschichtig sind. So ist schwer einsehbar, daß eine vernünftige strategische Planung für das Unternehmen durch Aufnahme neuer Gesellschafter, die etwaige Erzielung von Synergieeffekten mit anderen Unternehmen etc. die Nachbewertung des Grund und Bodens der Unternehmensimmobilie und damit die Abführung eines etwaigen Mehrerlöses zur Folge haben soll. Sobald sich die Treuhandanstalt aber eine derartige rein wirtschaftliche Sichtweise zu eigen macht, wird es in der Tat überaus schwierig, wenn nicht unmöglich, zu bestimmen, ab welchem Prozentsatz eines Anteilsverkaufs Gewinnstreben und Erlösmaximierung im Vordergrund gestanden haben; denn notwendigerweise sind damit auch Fragen der Abgrenzung des unternehmerischen Einflusses verbunden41 • Um dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit Nachdruck zu verleihen, muß die Mehrerlösklausel ihre scharfen Konturen behalten. Daher muß jede Veräußerung von Geschäftsanteilen eine Abführung des Mehrerlöses bei gestiegenem Verkehrswert des Grund und Bodens, verglichen mit dem Wert zum Zeitpunkt der Privatisierung des Unternehmens, nach sich ziehen. Der Erwerber bekundet schließlich durch die Veräußerung von Geschäftsanteilen auch, daß er nicht mehr das alleinige unternehmerische Risiko an der Gesellschaft tragen will, und läßt sich den teilweisen Ausstieg auch vergüten. Es ist zu beobachten, daß die Investoren es vermeiden, gegenüber der Treuhandanstalt offenzulegen bzw. mit ihr auszuhandeln, wann diese Klausel ihre Daseinsberechtigung verliert und mit welcher Aussicht auf Erfolg sie umgangen werden kann.
41 Preu, DStR 1995, 1390, 1393, will eine Anteilsveräußerung einer Grundstücksveräußerung gleichzusetzen, wenn der Käufer praktisch die uneingeschränkte Kontrolle über die Gesellschaft erhält. Er wendet die Kriterien der Rspr. zur Anwendung des Sachmängelgewährleistungsrechts auf den share deal - vgl. Kap. 8 Abschn. B - bei Veräußerung von mindestens 90 % der Anteile auf die Verpflichtung zur Abführung eines Mehrerlöses analog an.
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3. Kap.: Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln l.Vermögensübertragungen innerhalb verbundener Unternehmen
In der Anfangsphase der Privatisierungstätigkeit in den neuen Bundesländern wurde zwischen der Treuhandanstalt und den Investoren kontrovers erörtert, ob es einem Investor aus unternehmensstrategischen und steuerlichen Gründen erlaubt sein muß, das erworbene Unternehmen innerhalb seines Firmenverbunds auf einen anderen Rechtsformträger zu übertragen. Die Treuhandanstalt trug den Bedenken der Investoren bald insoweit Rechnung, als bei der Abfassung der Mehrerlösklausel zusätzlich der Passus aufgenommen wurde, wonach die Verpflichtung zur Abführung des Mehrerlöses zu entfallen hat, wenn eine Umstrukturierung zwischen verbundenen Unternehmen in Anlehnung an das Aktiengesetz erfolgt, vgl. § 17 AktG42 • 2. Reinvestition des Mehrerlöses in das privatisierte Unternehmen
Rein wirtschaftliche Überlegungen sind maßgeblich, wenn die Treuhandanstalt aufgrund einer späteren Schieflage des Unternehmens auf die Geltendmachung eines Mehrerlöses verzichtet, und der Investor durch den Verkauf von shares bzw. Teilen des Immobilienvermögens dem Unternehmen neue liquide Mittel zuführen will und dies der Treuhandanstalt entsprechend nachweist. So wird nachdrücklich gefordert, daß nach Sinn und Zweck der Klausel derjenige Mehrerlös, der in das gekaufte Unternehmen reinvestiert wird, nicht abgeführt werden muß 43 • Der Verzicht auf den Mehrerlös dient hier der Sicherung von Arbeitsplätzen und damit Gemeinwohlzielen. Dahinter hat das Prinzip der Erlösoptimierung zurückzutreten. Dieser Argumentation kann man sich grundsätzlich dann nicht verschließen, wenn der Investor einerseits diese Reinvestition nachweist und des Weiteren glaubhaft darlegen kann, daß der Verkauf dieser Grundstücksflächen nicht zu einer Schwächung oder Zerschlagung des Unternehmens führt, da es sich dabei nicht um betriebsnotwendige Grundstücksflächen gehandelt habe. Auf der anderen Seite kann die Argumentation des Investors, er habe (auch) den Mehrerlös für Investitionen in verbundene Unternehmen verwendet, ihn regelmäßig nicht von der Verpflichtung zur Abführung des Mehrerlöses entbinden. Die Investitionen sind aufgrund des spezifischen Auftrags der Treuhandanstalt in allererster Linie standortgebunden; Die dringend erforderliche Etablierung mittelständischer Unternehmen in den neuen Bundesländern und die damit verbundenen Strukturprobleme verbieten es, daß der Investor Arbeitsplätze an
42
Zustimmend Preu, DStR 1995, 1390, 1393 und Lehmann, DStR 1992, 1287, 1289.
43
Preu, DStR 1995, 1390, 1392.
B. Die Mehrerlösklausel
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anderen Unternehmensstandorten sichert und dringend notwendige Investitionen in den neuen Bundesländern einspart. Eine Ausnahme kann gegebenenfalls in Betracht kommen, wenn die Investitionen bei einem Tochterunternehmen am gleichen Standort durchgefilhrt werden. IU. Mehrerlösabführung bei Kettenveräußerungen
Eine nachfolgend exemplarisch zitierte Mehrerlösklausel sieht eine "Endloshaftung" des Erstkäufers bis zu dem Ablauf des gesamten Mehrerlöszeitraums vor. Dies bedeutet, daß der Investor nach dem Erstverkauf unbeschränkt für jede Weiterveräußerung während des fraglichen Zeitraums haftet. Will der Käufer im Innenausgleich eine Haftungsfreistellung bzw. -milderung erreichen, so muß er diese Verpflichtung zur Mehrerlösabfiihrung an den Zweitkäufer weitergeben. Als Beispiel kann folgende Fallkonstellation aus der Praxis der Treuhandanstalt angeführt werden: Kauf eines Unternehmens samt Gewerbegrundstück im Juni 1991; die Verpflichtung zur Abführung eines etwaigen Mehrerlöses endet am 31.12.1999. 1. Verkauf7/1993 - Mehrerlös DM 300.000
2. Verkauf 811996 - Mebrerlös DM 1 Mio. 3. Verkauf 1/1998 - Mehrerlös DM 700.000 Der Passus in der Mehrerlösklausellautete wie folgt: "Veräußert der Käufer den Kaufgegenstand ganz oder teilweise vor dem 1.1.2000, so hat er den über den Kaufpreis hinausgehenden Mehrerlös an den Verkäufer abzufiihren ... Die vorstehenden Regelungen gelten entsprechend für jeden weiteren Veräußerungsfall im Zeitraum bis zum 1.2.2000, gleich ob entgeltlich oder unentgeltlich, und unabhängig davon, ob der Mehrerlös dem Käufer oder einem Dritten zufließt ... " In diesem Fall sind der Zweit- und Drittkäufer somit nicht zur Mehrerlösabfiihrung verpflichtet44. Bei den Fallkonstellationen, in denen der Vertrag nur eine einfache Mehrerlösklausel enthält, lösen die Weiterverkäufe keine Mebrerlösabfiihrungspflicht aus. Bei der Mehrerlösklausel handelt es sich um eine atypische Regelung, die in hohem Maße an ihrem Wortlaut zu messen ist. Es verbietet sich dann eine
44
Klauselbeispiel aus Preu, DStR 1995, 1390, 1394.
110
3. Kap.: Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln
Auslegung nach dem mutmaßlichen Parteiwillen. Eine unklare Fonnulierung geht gemäß § 5 AGB-Gesetz regelmäßig zu Lasten des Verwenders, in diesem Fall der Treuhandanstalt. IV. Mehrerlösklausel und AGB-Gesetz
Unabhängig von der Frage, ob die Mehrerlösklausel generell wegen ihrer gebräuchlichen Verwendung als Standardklausel im Sinne des AGB-Gesetzes anzusehen ist, ist nahezu unbestritten, daß die Klausel jedenfalls nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne des § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz ftlhrt45. Mehrerlösklauseln unterliegen zwar als Preisnebenabreden der Inhaltskontrolle durch das AGB-Gesetz. Eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Treuhandanstalt besteht aber im allgemeinen nicht. Der Investor entscheidet autonom darüber, ob er den Mehrerlös- bzw. Einzelverwertungsfall und die damit zugunsten der Treuhandanstalt vereinbarten Rechtsfolgen auslöst. V. Vereinbarkeit der Mehrerlösklausel mit § 138 BGB
Die Mehrerlösklausel ist von ihrem Wortlaut her vertraglich rein objektiv gefaßt. Die subjektive Zielrichtung der Treuhandanstalt wird dahingehend berücksichtigt, indem nur solche Veräußerungen oder Nutzungen die Verpflichtung zur Mehrerlösabführung begründen, die zweckfremd, d.h. nicht mit den im Treuhandrecht genannten Zielen zu vereinbaren sind46 . Dies kommt in den vorgenannten Bereichsausnahmen bei Mehrerlösabführungen innerhalb
4S Kiethe, Nachverhandlungen, S. 151, der auch bzgl. der Mehrerlösklausel die Auffassung vertritt, daß aus verwaltungsprivatrechtlicher Sicht eine Selbstbindung der Treuhandanstalt hinsichtlich der Voraussetzungen der Vereinbarung derartiger Klauseln und ihres Inhalts gilt. Im Zusammenhang mit dem Vertragsmanagement sei von Bedeutung, daß auch hier Selbstbindungen eintreten können, wenn die Treuhandanstalt in einer bestimmten Reihe von gleichgelagerten Fällen auf eine Abschöpfung des Mehrerlöses verzichte, in einem vergleichbaren Einzelfall jedoch auf der Erfüllung der Vereinbarung bestehe. 46 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 152; Badestein, WR 1992, 178 ff.; Kiethe VIZ 1993,471,473. - Kiethe empfiehlt den Investoren beispielsweise rur die Fälle, in denen sich die Treuhandanstalt weigert, einer entsprechenden Vertragsänderung zuzustimmen, eine Feststellungsklage mit dem Antrag zu erheben, daß der Vertrag bei ergänzender Vertragsauslegung bestimmte sanktionsfreie Einzelverwertungsakte des Investors gestattet.
B. Die Mehrerlösklausel
verbundener Ausdruck.
Unterne~men
111
und bei den sale-and-Iease-back Verfahren zum
Die Errullung der treuhandspezifischen Zielsetzungen, die Sanierung der Unternehmen und die Förderung ihrer Wettbewerbsfllhigkeit, wird zwar bisweilen den Investor zu einem Verhalten zwingen, welches zunächst den objektiven Tatbestand einer Mehrerlös- bzw. Einzelverwertungsklausel errullt47 . In solchen Fällen kann aber über die ergänzende Auslegung des Vertrages der Anwendungsbereich dieser Klausel wieder eingeschränkt werden; so wenn erkennbar ist, daß der durch den Verkauf einer Teilfläche des Unternehmensgrundstücks erzielt Mehrerlös re investiert und damit die Investitionsverpflichtung erftlllt wird48 • Es bedarf nicht der Prilfung einer Vereinbarkeit der Klausel mit § 138 BGB. Es wurde noch nicht rechtsdogmatisch untersucht, über welchen Zeitraum sich die Verpflichtung zur Abftlhrung eines etwaigen Mehrerlöses bei der Weiterveräußerung von Grundstücken oder Geschäftsanteilen maximal erstrekken darf. Bezogen auf die geographische Lage des jeweiligen Unternehmens ist eine sehr differenzierte Handhabung dieser Klausel in den Privatisierungsverträgen zu beobachten. Die Bandbreite des vertraglich fixierten Zeitraums schwankt zwischen 2 und 15 Jahren, der Durchschnitt liegt bei etwa 5 Jahren. Die zulässige Obergrenze rur die Bindungsfrist bildet die Schranke der Sittenwidrigkeit gemäß der Generalklausel des § 138 BGB. Die Mehrerlösklausel ist ein Novum in der Kautelarjurisprudenz. Ein Vergleich mit der Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit der Dauer von Bierlieferungsverträgen, die sich damit auseinandersetzte, wie lange die zeitliche Bindung des anderen Vertragspartners an eine Abnahmeverpflichtung höchstens sein darf, ist wegen der unterschiedlichen Interessenlage kaum möglich49 • Daher ist eine Konkordanz der Mehrerlösklausel mit dem gesetzlichen Auftrag der Treuhandanstalt anzustreben, wonach investive Maßnahmen in vorrangig mittelständischen Unternehmen der neuen Bundesländer ermöglicht und nachhaltig gesichert werden sollen. Der Verfasser vertritt hierbei die Ansicht, daß die Rechtsprechung eine zeitliche Befristung der Mehrerlösklausel auf maximal 10 Jahre sicherlich noch nicht als sittenwidrig bewerten kann50 . Dies dürfte im Hinblick auf die Dauer
47
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 152.
48 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 153, der mit allgemeinen Billigkeitserwägungen argumentiert; vgl. zuvor schon Abschn. B 11. 49
Wächter, WM 1994, 1319.
50 Badestein, WR 1992, 179, 180, demzufolge die Spekulationsfrist bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Mehrerlösabfilhrungsklausel Ld.R. 5 Jahre beträgt. In der
112
3. Kap.: Rechtsfragen der erlösoptimierenden Vertragsklauseln
der völligen wirtschaftlichen Umstrukturierung in Ostdeutsch land allgemein konsensfähig sein. Dauerhafte stabile wirtschaftliche und politische Strukturen werden sich nach dem mühsamen Prozeß der völligen gesellschaftlichen Neuordnung in Ostdeutschland erst in ca. 10 Jahren einstellen. Zu dieser nüchternen Erkenntnis sind auch die einstigen Optimisten unter den Wirtschaftsfachleuten nach einem Zeitablauf von mehr als sechs Jahren seit der Wiedervereinigung gelangt. Die Befristung der Mehrerlösklausel über einen darüber hinausgehenden Zeitraum hingegen ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Dies kann bei einem den Parteien bekannten geplanten Neubau eines Großflughafens o.ä. in sogenannten hochspekulativen Regionen der Fall sein, oder der Treuhandanstalt als Absicherung bei völlig atypischen Privatisierungen dienen, wenn die Sicherung der spezifischen investiven Zwecke auch aus übergeordneten politischen Gründen geboten ist.
praktischen Handhabung habe sich eine Staffelung innerhalb diese Frist als zweckmäßig erwiesen.
4. Kapitel
Gestaltung und Schranken der gemeinwohlbezogenen investiven Vertragsklauseln A. Bedeutung der Arbeitsplatz- und Investitionsverpflichtung bei der Verwirklichung des Privatisierungsauftrags der Treuhandanstalt Die dauerhafte Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen ist das wohl zentralste Anliegen der Treuhandanstalt im Rahmen der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern. Dies führt zu einer besonders starken Akzentuierung dieser spezifisch gemeinwohlbezogenen Ziele in den Unternehmenskaufverträgen. Der Staat setzt als vertragliches Gestaltungs- und Druckmittel entweder drakonische Vertragsstrafen oder sogenannte Kaufpreiserhöhungsklauseln ein, um die Erfüllung der ihm besonders wichtigen volkswirtschaftlichen Ziele durchzusetzen. Daraus folgt die Notwendigkeit, eine derart gesteigerte Ptlichtenqualität der sogenannten investiven Klauseln präzise zu bestimmen, um die rechtlichen Befugnisse der Treuhandanstalt bei Nichteinhaltung der investiven Zusagen ableiten zu können. Die Investoren werden vielfach einwenden, daß Verfehlungen des Vertragszwecks nicht aus ihrem Risikobereich stammen. Damit die etwaige Durchsetzung von Sanktionen gegen vertragsbrüchige Investoren nicht das beliebige Zufallsprodukt facettenreicher Vertragsformulierungen wird, sind die rechtlichen Strukturen der Fallgruppen von investiven Klauseln offenzulegen. Hierbei ist dem Kriterium des mangelnden Verschuldens, insbesondere in der spezifisch vermögensrechtlichen Ausprägung der sogenannten dringenden betrieblichen Erfordernisse, ein hoher Stellenwert beizumessen. Die investiven Vertragsklauseln sind darüber hinaus allein geeignet, das der Treuhandanstalt gesetzlich auferlegte Verfügungsverbot über die Unternehmen im Falle der Anmeldung von Restitutionsansprüchen der Alteigentümer mithilfe des Investitionsvorrangverfahrens zu überwinden, sofern die Alteigentümer nicht der Veräußerung zustimmen. Auf diese Weise unterstreicht der Gesetzgeber noch einmal die überragende Bedeutung dieser vom herkömmlichen Unternehmenskauf so abweichenden Vertragsklauseln. Gleichzeitig ist der Gesetzgeber aber auch gefordert, die Balance zwischen den Interessen der Alteigentümer an der Rückgabe ihrer Vermögenswerte und dem Schutz der 8 HeB
114
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Investoren vor einer Rückabwicklung des Kaufvertrages zu fmden, wenn das Verschulden des Investors an der Nichterftlllung des Vertrages zumindest fraglich ist. Schließlich sind Vergleiche von den spezifischen Unternehmensprivatisierungen mit Restitutionsansprüchen auf diejenigen investiven Unternehmensveräußerungen anzustellen, die dem gesetzlichen Schutz der Restitutionsansprüche nicht Rechnung tragen mußten. Hier ist darauf einzugehen, inwieweit die Treuhandanstalt einem Postulat der Gleichbehandlung aller Investoren unterliegt.
I. Investive Zwecke als Konkretisierung volkswirtschaftlicher Programmsätze Ihren unmittelbaren Niederschlag haben die investiven Zwecke wie erwähnt in dem Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990, geändert durch das Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22. März 1991, gefunden. So lautet die Zielbestimmung in der Präambel des Treuhandgesetzes: "Getragen von der Absicht, ... die Wettbewerbsfiihigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen ... " Die Vereinbarung derartiger Arbeitsplatz- und Investitionsgarantien in den Privatisierungsverträgen resultiert aus dem Treuhandauftrag und erftlllt somit die Auflagen des Einigungsvertrages, vgl. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2 und Abs. 6, § 5 Abs. 2 THG sowie Art. 25 EV. Dies dient sowohl gesamtwirtschaftlichen Belangen als auch der Durchsetzung der Belange einzelner Arbeitnehmer l . 11. Gesetzgebung der investiven Vorfahrsregelungen und Rückkoppelung im investiven Unternehmenskaufvertrag Die Ziele der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen sowie flankierend die Ermöglichung wettbewerbsfördernder Investitionen bedingt eine Vertragsgestaltung, die im Vergleich zu einem herkömmlichen Unternehmenskauf atypisch ist. Wenn die Kautelarjurisprudenz beim herkömmlichen Unternehmenskauf die Zielsetzung der Parteien besonders betonen will, so stellt sie sinnvollerweise den Erwerbszweck in einer Präambel dem Vertrag voran, und defmiert auf diese Weise wenigstens die Geschäftsgrundlage, um Auslegungs-
I
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 90.
A. Bedeutung der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen
115
kriterien filr die Einzelvereinbarungen zu schaffen2 • Der Zwang, vertragliche Lösungen fi1r den Fall von Leistungsstörungen vorzusehen, ist somit vom Zweck des Unternehmens weitgehend unabhängig. Dabei darf nicht übersehen werden, daß detaillierte Regelungen, insbesondere solche, die eine Risikoverteilung zum Gegenstand haben, die Berufung auf eine Erschütterung der Geschäftsgrundlage oder auf deren Wegfall bis zum Ausschluß erschweren können. Dies kann aber, insofern die Leistungsstörungsfolgen hinreichend erfaßt sind, in Kauf genommen werden 3 • Die vertragliche Gestaltung der Privatisierungsverträge der Treuhandanstalt hat sich im Laufe der Zeit zusehends verändert, wobei eine Aufgliederung in drei Phasen erf9lgen kann: Gerade in der Frühphase der Privatisierung zu Ende 1990/Anfang 1991, d.h. vor der Aufnahme des § 3 a in das Vermögens gesetz, war die erklärte Zielsetzung der Treuhandanstalt, die Schaffung von Arbeitsplätzen und Durchfilhrung von Investitionen, oft nur als Absichtserklärung in der Präambel angedeutet4 • Dies lag in den noch unwägbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Neuaufbaus in den neuen Bundesländern begründet. Die erste Phase begann mit der Aufnahme der Privatisierungsaktivitäten am 1.7.1990 durch die Treuhandanstalt. Die Verträge aus dieser Pionierzeit der Privatisierung sind mit den aktuellen Versionen nicht mehr vergleichbar. Richtlinien zur Vertragsgestaltung waren noch nicht vorhanden. Die Einhaltung von Investitions- und Arbeitsplatzzusagen wurde in der Regel nicht durch Vertragsstrafen abgesichert. Von den im zweiten Halbjahr 1990 abgeschlossenen Verträgen enthalten lediglich 7 % eine Arbeitsplatzoder Investitionspönale. Teilweise enthielten die Verträge nur rechtlich nicht bindende Absichtserklärungen der Investoren zur Schaffung von Arbeitsplätzen und fi1r Investitionen oder bestenfalls Kaufpreisanpassungsklauseln bei Nichterfilllung der investiven Maßnahmens. Vertragliche Regelungen zur nachträglichen Überprüfung der eingegangenen Verpflichtungen fehlten in den meisten Fällen. Mit dem Aufbau eines Controlling innerhalb der kaufmännischen Direktorate Anfang 1991 beginnt die zweite Phase der Vertrags gestaltung. Die verstärkte Kontrolle filhrte zu einer signifIkanten Verbesserung der Verträge. Im zweiten Halbjahr 1991 sind 60 % der Arbeitsplätze und 64 % der Investi2
Quack, ZGR 1982, 352, 353.
3
Quack, ZGR 1982,352.
4 Die Behandlung solcher "Altfälle" bei Nichteinhaltung der Absichtsbekundungen in der Präambel stellt eine mithilfe der juristischen Methodenlehre schwierig zu bewältigende Aufgabe dar und wird in Abschnitt E V noch einmal gesondert vertieft.
5 Küpper/Mayr, Vertragsgestaltung und Vertragsmanagement der Treuhandanstalt, S. 320 in: Treuhandanstalt - Das Unmögliche wagen (im folgenden zitiert: Treuhandanstalt); Preu, DStR 1994, 1497.
8*
116
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
tionen durch Pönalen abgesichert. In der Gestaltung der Verträge versuchte die Treuhandanstalt einen hohen Grad an Standardisierung zu erreichen. Risiken werden, wenn möglich, quantifiziert oder durch einen Höchst- oder Deckelbetrag nach oben begrenzt. Weiche Formulierungen wie "so bald wie möglich", "liegt im Ermessen des Käufers","der Käufer beabsichtigt" u.a. fmden sich nur noch in der rechtlich nicht bindenden Präambel zum Vertrag. In diese Phase fällt die Erarbeitung eines Mindeststandards fUr die Privatisierungsverträge. Lediglich in begründeten Ausnahmefällen weicht die Treuhandanstalt von diesen Regelungen ab, und zwar bei Privatisierungen mit erheblichen sozial-, struktur- oder ordnungspolitischen Auswirkungen. Die dritte Phase der Vertragsgestaltung setzt ab Ende des Jahres 1991 ein. Immer deutlicher zeigten sich Probleme bei der Abwicklung der Privatisierungsverträge. Dies fUhrte dazu, daß das Vertragsmanagement einzelner Abteilungen Einfluß auf die Vertragsgestaltung nahm6 • Der Gesetzgeber schlug im Hinblick auf die Neustrukturierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den neuen Bundesländern folgenden Weg ein: Für den NormalI, d.h. die Anmeldung von Restitutionsansprüchen auf Unternehmen und/oder deren Grundstücke, statuierte er unabdingbare Vertragsklauseln fUr die Wirksamkeit des Privatisierungsvertrages. Das VerfUgungsverbot des § 3 Abs. 3 VermG kann hierbei vor allem über die Regelung des § 3 Abs. 2 InVorG - ehemals in § 3 Abs. 7 VermG a.F. niedergelegt überwunden werden, die da lautet: "Bei Unternehmen und einem fUr dieses benötigten Grundstück des Unternehmens liegt ein besonderer Investitionszweck vor, wenn es verwendet wird, 1. um Arbeitsplätze zu schaffen oder zu sichern oder die Wettbewerbsfähigkeit verbessernde Investitionen zu ermöglichen ... "
Die Rückanknüpfung an den Unternehmenskaufvertrag ist durch die Regelung des § 8 Abs. 3 InVorG sichergestellt, wonach "der Vertrag nur wirksam wird, wenn er neben einer in dem Bescheid zu bezeichnenden entsprechenden Vertragsstrafenregelung eine Verpflichtung des Erwerbers enthält, das Unternehmen zurückzuübertragen, falls er die fUr die ersten zwei Jahre zugesagten Maßnahmen nicht durchfUhrt oder hiervon wesentlich abweicht." Dabei ist nicht zu übersehen, daß die Bestimmungen des neugeschaffenen aktuellen Investitionsvorranggesetz (InVorG) vom 22.7.1992 auch wesentlich von den Erfahrungen der Treuhandanstalt in der vorangegangenen knapp zweijährigen
6
KüpperlMayr, in: Treuhandanstalt, S. 321.
A. Bedeutung der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen
117
Privatisierungstätigkeit beeinflußt sind7 . Die nachfolgenden Ausruhrungen zielen daher dem Grunde nach auf den Rechtszustand seit Inkrafttreten des InvorG im Juli 1992. IU. Aufwertung der investiven Vertragsklauseln als Hauptleistungspflichten bei der Unternehmensprivatisierung Ein Unternehmenskaufvertrag kennt regelmäßig keine vertraglichen Vereinbarungen in Form von strafbewehrten Arbeitsplatz- und Investitionszusagen. Der Ausgangspunkt rur die Bestimmung der Hauptleistungspflichten der Parteien ist die Grundnorm des § 433 BGB: Der Verkäufer ist zur Übertragung und Übereignung der vereinbarten Gegenstände, der Käufer zur Entrichtung des vereinbarten Kaufpreises verpflichtet. Die Hauptleistungspflichten prägen die Eigenart des jeweiligen Schuldverhältnisses und sind rur die Einordnung in die verschiedenen Typen des Schuldverhältnisses wie z.B. Kauf, Miete etc. entscheidend8 • Dagegen dienen die sogenannten Nebenleistun~spflichten der Vorbereitung, DurchfUhrung und Sicherung der Hauptleistung . Sie sind auf die Herbeifiihrung des Leistungserfolgs bezogen und ergänzen die Hauptlei· hten 10. stungspfl lC Aufgrund des besonderen Auftrags der Treuhandanstalt könnten nun bestimmte Pflichten, die vornehmlich im Treuhandgesetz und im Vermögens gesetz konkretisiert sind, aufgrund ihrer spezifischen Gewichtung in den Rang von Hauptleistungspflichten in den Unternehmenskaufverträgen aufrücken. Dies muß prinzipiell möglich sein, da schon die im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Vertragstypen mit den ihnen eigenen Hauptleistungspflichten nicht abschließend sind und sein können. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGB
7 Vgl. die frühere Rechtslage nach § 1 BInvG und § 3 aVermG a.F., bei denen die investiven Ziele bei Untemehmensprivatisierungen noch weniger stark abgesichert waren. 8
PalandtlHeinrichs, BGB, Einl. vor § 241 Rdn. 6.
9
Vgl. z.B. Gernhuber, Das Schuldverhältnis, 1989, § 2 III 4.
10 Die vorgenannte Begriffsbestimmung darf nicht mit der juristischen Differenzierung zwischen sogenannten primären und sekundären Leistungspflichten verwechselt werden. Diese Unterscheidung knüpft daran an, ob die Erfüllung der zur Debatte stehenden Pflicht das eigentliche, primäre Ziel des Vertrages ist, oder ob sie lediglich sekundär, im Falle der Störung von Primärpflichten relevant wird. Die Sekundärpflichten können an die Stelle der gestörten Primärpflichten treten (z.B. Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 280 BGB) oder auch neben diese (z.B. Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens nach § 286 Abs.1 BGB).
118
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
waren beispielsweise Vertragstypen wie Leasing oder Factoring oder auch der sogenannte Gaststättenbewirtungsvertrag, der verschiedene Elemente von Vertragstypen des BGB enthält, noch nicht bekannt. Auf diese neuartigen Verträge wurden im Wege der Teilanalogie die Regeln des Mietrechts, Forderungsverkaufs etc. angewandt. Die Hauptleistungspflichten neuartiger Vertragstypen sind daher genauestens zu klassifizieren, um rur den Fall von Leistungsstörungen das Modell der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen präzise ableiten zu können. Eine Begriffsbestimmung der Leistungspflichten mithilfe der klassischen Methoden der Auslegung untersagt in Bezug auf die verschiedenen Vertragstypen ebenfalls nicht, die Hauptleistungspflichten gemäß dem Grundsatz der Vertragsfreiheit im Bürgerlichen Recht über den Gesetzeswortlaut hinaus zu erweitern, vgl. § 241 BGB. Das Kommentarschrifttum trirn die Unterscheidung zwischen Hauptleistungspflichten und Nebenpflichten grundsätzlich danach, ob sich die Verbindlichkeit auf die vertragstypischen, und damit auf die "essentiellen" Leistungspflichten des Schuldverhältnisses bezieht oder eben nur auf akzidentielle, nicht vertragstypusbestimmende Nebenpflichten. Die Hauptleistungs- und Nebenleistungspflichten können im Falle nicht vertragsgetreuen Verhaltens mit Hilfe von Erftlllungsansprüchen, also mit Leistungs- und Unterlassungsklagen verfolgt werden, während bei Nichtbeachtung von Nebenpflichten nur Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung bzw. Verletzung einer gesetzlichen Schutzpflicht geltend gemacht werden können 11. Diese Auffassung sieht den maßgeblichen Unterschied zwischen Leistungs- und Nebenpflichten allein in der Klagbarkeit; auf die Zweckrichtung des Anspruchs kommt es nicht an 12 • Eine solchermaßen begründete Differenzierung ist nicht mit der Gegenüberstellung von synallagmatischen Pflichten, die bei gegenseitigen Verträgen in das vertragliche Austauschverhältnis einbezogen sind, und nicht synallagmatischen Pflichten identisch 13. Dennoch steht es frei, das Begriffspaar Haupt11 Vgl. MünchKommiKramer, BGB, § 241 Rdn. 15; Stürner, JZ 1976, 384, 385: Anspruchskorrespondierende Nebenleistungspflichten setzen eine konkretisierbare Pflicht voraus, die neben der geschuldeten HauptIeistung einem eigenständigen Zweck dient .... S. 388: Nebenpflichten sind dadurch charakterisiert, daß sie neben der HauptIeistung ein zusätzliches Tun oder Unterlassen abverlangen, das dem "weiteren" Zweck des Schuldverhältnisses zuträglich ist. Sie programmieren nicht - wie die Sorgfaltspflichten - den ordnungsgemäßen Ablauf der typischen Hauptleistung, sondern sie verpflichten zu weitergehendem fbrdernden Verhalten.
12
MünchKommiKramer, BGB, § 241 Rdn. 4.
13
MünchKommiKramer, BGB, § 241 Rdn. 5.
A. Bedeutung der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen
119
leistungs- und Nebenleistungspflichten tenninologisch auf die Gegenüberstellung von synallagmatischen und nicht synallagmatischen Vertragspflichten zu beziehen. Nebenleistungspflichten sind solche, die die Eigenart des Schuldverhältnisses zwar nicht prägen, die aber ebenfalls einklagbar sind,' da sie ftlr die Sicherstellung des Leistungserfolgs ebenfalls von Bedeutung sind 14 • Die Nebenleistungspflichten können selbstverständlich auch vertraglich vereinbart werden, so etwa die Verpflichtung des Verkäufers zur Versendung der Ware (§ 447 BGB), des Käufers zum Abruf der Ware oder zur SpezifIkation o.ä.. Hingegen sind Hauptleistungspflichten solche Pflichten, bei denen im Verzugsfall die Rechtsfolgen des § 326 BGB ausgelöst werden. So hat der BGH beispielsweise in einer Entscheidung aus dem Jahre 1977 die entgegen § 536 BGB dem Mieter auferlegte Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen als synallagmatische, die Rechtsfolgen des § 326 BGB auslösende Hauptpflicht angesehen 15 • Die KlassifIzierung der investiven Klauseln als Hauptleistungspflichten, und damit verbunden die Anwendbarkeit der §§ 320 ff. BGB, insbesondere des § 326 BGB, fUhrt unter anderem zwangsläufIg zu dem Abgrenzungsproblem, inwieweit die ftlr die NichtdurchfUhrung der investiven Pflichten vorgesehenen Vertragsstrafen als eine Sanktion wegen NichterfUllung oder nicht gehörige ErfUllung einzuordnen sind. Daran knüpft die Fragestellung an, inwieweit die zur Durchsetzung der Pflichten des Käufers vom Gesetz vorgegebenen Gläubigerrechte des Schadensersatzes wegen Nichterüllung bzw. des Rücktritts den Intentionen der Treuhandanstalt zu dienen bestimmt und geeignet sind. Es ist rechtsdogmatisch schwer begründbar, ob der Treuhandanstalt bzw. dem Treuhandunternehmen beispielsweise durch die NichterfUllung der Arbeitsplatzzusage überhaupt ein Schaden entsteht. Das Schrifttum kommt nicht umhin, dazu Stellung zu beziehen, inwiefern die Arbeitsplatz- und Investitionsverpflichtungen in den Rang von Hauptleistungspflichten aufrücken können. Ein Teil des Schrifttums verwahrt sich dagegen, die investiven Pflichten als Hauptleistungspflichten einzustufen 16 • Diese Auffassung stellt rein pragmatische Gesichtspunkte in den Vordergrund, indem sie betont, daß die Einstufung als Hauptleistungspflichten nicht wirklich weiterhilft. Sie begründet dies damit,
14 MünchKommlKramer, BGB, § 241 Rdn. 16: Eine ganze Reihe von Nebenleistungspflichten ist schon von Gesetzes wegen ausdrücklich geregelt. So die Auskunftspflicht des Zedenten in § 402 BGB, die des Beauftragten in § 666 BGB, die Auskunftund Mitwirkungspflicht des Verkäufers in § 444 BGB.
15
BGH NJW 77, 36.
16
Spoerr, Treuhandanstalt, S. 161.
120
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
daß Erfilliungsansprüche grundsätzlich durchsetzbar sein müssen, und bei Unmöglichkeit ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfilliung besteht. Hingegen sind die Erfilliungsansprüche in der Praxis der Treuhandanstalt oft kaum durchsetzbar, und ein Schaden der Treuhandanstalt ist durch die Nichteinhaltung von Investitions-, Arbeitsplatz- und Beschäftigungsgarantien in vielen Fällen nicht nachzuweisen. Die Vertragspraxis der Treuhandanstalt, Vorkaufsrechte, Rückfallrechte und Vertragsstrafen zu vereinbaren, wird als vorzugswürdig angesehen. Diese geben der Treuhandanstalt Gestaltungsrechte oder Ansprüche an die Hand, um bei NichterfUliung der Zusagen die Veräußerung hinfiillig bzw. ihren wirtschaftlichen Erfolg rückgängig zu machen oder wenigstens eine Erhöhung des erzielten Entgelts über Vertragsstrafen nachträglich zu erzwingen. Eine andere Auffassung vertritt lapidar den Standpunkt, daß die Möglichkeit einer Haftung des Erwerbers bei Nichteinhaltung von Investitionszusagen prinzipiell nicht ausgeschlossen ist und es der Treuhandanstalt unbenommen bleibt, die Erftlllung der Verpflichtungen des Erwerbers klageweise durchzusetzen, gegebenenfalls im Wege einer einstweiligen Verfilgung. Der Anspruch auf ErfUliung setzt voraus, daß es sich dabei um eine Hauptleistungsptlicht handelt im Gegensatz zu den Nebenleistungsptlichten, deren Verletzung lediglich einen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses zu begründen vermag l7 • Nach dieser Auffassung ist eine generelle Einstufung der investiven Käuferzusagen als Hauptleistungsptlichten nicht möglich. Der Vertrag muß jeweils im Einzelfall ausgelegt werden. Dabei müssen sämtliche Umstände des Vertragsschlusses, die Vorverhandlungen, die Höhe des Kaufpreises etc. in die Auslegung einbezogen werden l8 • Als gewichtiger Anhaltspunkt filr die Einordnung der Investitionszusage als Hauptleistungsptlicht kann hierbei eine im Hinblick auf die Zusage vereinbarte Ermäßigung des Kaufpreises dienen. Wird demnach ein ursprünglich höher angesetzter Kaufpreis mit Rücksicht auf eine Investitionszusage ermäßigt, kann die Zusage als eine Leistung an Erfilliungs Statt, als eine Art Kaufpreisersatz im Sinne des § 364 Abs. 2 BGB und damit gleichzeitig als Hauptleistungsptlicht bewertet werden 19. Dafilr spricht auch der Umstand, daß in den überwiegenden Fällen der Treuhandunternehmenskauf-
17 18
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 10. Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 190; Bechtolf, Privatisierungsprozeß,
S.274. 19 Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 29; HolzapJellPöllath, Unternehmenskauf, S. 427.
A. Bedeutung der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen
121
verträge an die Nichterfilllung der Investitionszusage die Verpflichtung zur Rückübertragung des Unternehmens geknüpft iseo. Wieder eine andere Auffassung sieht zwar ebenfalls die Investitionsverpflichtung in der Regel als höchstpersönliche Verpflichtung des Erwerbers an, problematisiert aber die Klagbarkeit der Erfüllung der Investitionszusage selbst. Hiernach soll maßgeblich sein, inwieweit die Treuhandanstalt eine Verpflichtung trifft, im Falle der Nichterfüllung die Einhaltung der Zusagen durch Ausübung der rein vertraglich vorbehaltenen Rechte wie Kaufpreiserhöhung, Vertragsstrafe oder Rücktrittsrechte zu erzwingen 21 • Diese Meinung bewertet die Frage des Kaufpreisersatzes als Leistung an Erfüllungs Statt wesentlich restriktiver. Eine solche Auslegung setzt nämlich voraus, daß vertraglich ein fixer Kaufpreis vereinbart wird, und von diesem mit Rücksicht auf die Investitionsverpflichtung bezifferte Abschläge vorgenommen werden, die im Falle der Nichteinhaltung in bar zu zahlen sind. Eine bloße Berechenbarkeit des Mehrpreises aufgrund einer Klausel, die eine bestimmte prozentuale Erhöhung des Kaufpreises in Ansehung der nicht durchgeführten Investition vorsieht, genügt nach dieser Auffassung für eine derartige Auslegung niche2 . Die vorgestellten Lösungsansätze vermögen nicht zu· überzeugen. Zunächst ist zu konstatieren, daß in dem Anfangsstadium der Privatisierung Ende 1990/Anfang 1991 in vielen Unternehmenskaufverträgen die Angaben zu Arbeitsplätzen und Investitionen als Absichterklärungen in der Präambel formuliert waren und eine Pönalisierung bei Nichterfüllung im Vertrag nicht vorgesehen war23 • Für diesen Zeitraum ist mangels genauer Fixierung im Vertrag die Einordnung der investiven Zwecke als Hauptleistungspflicht im 20 Weimar, DStR 1993,63,64 f. und DStR 1993, 1514; Kiethe, BB 1994,7, 13; Spoerr, Treuhandanstalt, S. 161 f.: Spoerr stellt lapidar fest, daß die Praxis sich zur Überwachung der Vertragserfiillung des Mittels vertraglicher Hauptpflichten bedienen könne, die dann als Erfllllungsansprliche durchsetzbar seien. Nach Auffassung von Lehmann, DStR 1993, 802, 804 kann jedoch insbesondere, wenn die Nichteinhaltung einer Zusage zu einer Erhöhung des Kaufpreises fUhren soll, der Rücktritt nach § 454 BGB ausgeschlossen sein. - Nach Ebbing, Verkaufspraxis, S. 365, war eine Ersetzungsbefugnis des Käufers dergestalt nicht beabsichtigt gewesen, da der Kaufpreis nicht als Gegenleistung fUr gegebene Zusagen gesenkt wurde, sondern die Kaufpreisvereinbarung der Ausdruck einer besonders starken Verhandlungsposition des von der Treuhandanstalt favorisierten Kaufbewerbers war. - Dem steht der Wortlaut der Vertragsklauseln in der Frlihphase der Privatisierung entgegen. 21
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 10.
22
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 10.
23 Vgl. auch Abschnitt E V dieses Kapitels zur Anwendbarkeit des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei Nichteinhaltung der Zusagen.
122
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Regelfall zweifelhaft und daher nur eine Beurteilung von Einzelfall zu Einzelfall möglich. Die damaligen gesetzlichen Rahmenbedingungen fUr die AufgabensteIlung der Treuhandanstalt, niedergelegt als Programmsatz im Treuhandgesetz und im Einigungsvertrag, reichen allein noch nicht aus, um die Investitions- und Arbeitsplatzverpflichtungen in den Rang von Hauptleistungspflichten zu erheben. Die besonderen investiven Zwecke erfuhren aber infolge der Einftlgung des § 3 a in das Vermögensgesetz im Frühjahr 1991 eine weitere Aufwertung durch den Gesetzgeber. Die Nichtrückgabe der Vermögenswerte an die Restitutionsberechtigten läßt sich auch unter verfassungsrechtlichen Anforderungen nur damit rechtfertigen, daß die Arbeitsplatz- und Investionszusagen im Untern ehmenskaufvertrag einen gesteigerten Pflichtencharakter aufweisen. Die Nichtwiederherstellung der früheren Eigentumsposition ist deshalb verfassungsgemäß, weil der Erwerber eines mit Restitutionsansprüchen belasteten Unternehmens neben der Kaufpreiszahlung auch zusätzliche Hauptleistungspflichten in Form der Sicherung von Arbeitsplätzen und Durchführung von Investitionen zu erftlllen hat. Diese Auslegung steht auch in untrennbarem Zusammenhang mit der Regelung des § 8 InVorG - vormals § 3 a Abs. 7 VermG -, wonach für den Fall der NichtdurchfUhrung der investiven Zwecke innerhalb einer Zweijahresfrist eine Rückübertragungspflicht des Erwerbers statuiert ist. Insoweit besteht auch kein Ermessen der InvestitionsvorrangsteIle, nur die Zahlung der vertraglich vereinbarten Pönale zu fordern. Die Regelung des § 13 InVorG ist insoweit eindeutig. Die Treuhandanstalt setzt die gesetzlichen Vorgaben ftlr die investiven Zusagen entsprechend ihrer Bedeutung auch vertraglich beispielsweise wie folgt um:
§ ... Vermögensrechtliche Ansprüche ( ... ) Erfüllt die Käuferin ihre Verpflichtungen aus §§ ... (Arbeitsplatz- und Investitionsverpflichtung) nicht, so ist sie verpflichtet, den Kaufgegenstand an den Verkäufer zurückzuübertragen. Die durch die Rückabwicklung entstehenden Kosten, insbesondere die Notar- und die Gerichtskosten sowie die Grunderwerbsteuer trägt die Käuferin. Die Vertragsstrafe wird von der Rückübertragung nicht berührt. Die Verpflichtung zur Rückübertragung entfilllt, wenn die Käuferin nachweist, daß die ftlr die Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus §§ ... dringende betriebliche Erfordernisse ursächlich waren, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht voraussehbar waren ... " und
§ ... (1) Die Käuferin steht gegenüber der Treuhandanstalt dafür ein und verpflichtet sich insoweit, daß die Gesellschaft ständig mindestens ... Arbeitnehmer
A. Bedeutung der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen
123
ganztags in ihrem derzeitigen Betrieb beschäftigt. Diese Verpflichtung gilt bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Wirksamwerden dieses Vertrages. (2) Wird diese Verpflichtung nicht erftlllt, ist die Treuhandanstalt berechtigt, für jeden zu einem Monatsende an der Gesamtzahl fehlenden Arbeitnehmer pro Monat eine Vertragsstrafe von DM ... zu verlangen. Die Arbeitsplatzgarantie wird von der Vertragsstrafe nicht berührt. (3) Die Käuferin wird dafür sorgen, daß die Gesellschaft jeweils zum Jahresende spätestens am 31. Januar des Folgejahres geeignete Unterlagen zum Nachweis der Arbeitnehmerzahlen unaufgefordert vorlegt. (4) Abs. 2 kommt nicht zur Anwendung, wenn die Käuferin nachweist, daß für die Nichteinhaltung der Verpflichtung aus Abs. 1 dringende betriebliche Erfordernisse ursächlich waren, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht voraussehbar waren. (analoge Vertragsklausel für die Verpflichtung zur Durchführung von Investitionen ... ) Zwar gewährt der Gesetzgeber den Investoren auch Entlastungsmöglichkeiten durch die Regelungen der §§ l3 Abs. 1 S. 3 und 14 Abs. 2 InVorG. So genügt es, wenn "bei Unternehmen und den für diese benötigten Grundstücke die für die ersten Jahre zugesagten Maßnahmen im wesentlichen durchgeführt werden", und der Erwerber kann sich auf eine Fristhemmung berufen, "soweit er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die zugesagten Maßnahmen nicht durchführen konnte". Schließlich entflUlt die Rückübertragungspflicht gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 InVorG auch dann, wenn "die Nichtdurchführung oder wesentliche Änderung des Vorhabens auf zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht voraussehbare, dringende betriebliche Erfordernisse zurückzuführen ist. " Dies ändert aber nichts an der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, der es aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des Rechtsstaatsprinzips zur Wiederherstellung früherer Eigentumspositionen für erforderlich hält, die Rückübertragung restitutionsbehafteter Unternehmen als besondere Verpflichtung festzulegen. Im Ergebnis ist die Rückübertragung des Unternehmens unmittelbar einklagbar. Die Treuhandanstalt kann nicht alternativ Erfüllung verlangen, sondern sie hat den Rücktritt vom Vertrag zu erklären, nachdem festgestellt wurde, daß die zugesagten Maßnahmen nicht durchgeführt worden sind. Hat hingegen der Alteigentümer nach Feststellung seiner Berechtigung gemäß § 16 InVorG die Erlösauskehr gewählt, so kann die Treuhandanstalt autonom entscheiden, ob sie den Vertrag rückabwickeln will.
124
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Der Gesetzgeber sah durchaus die rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten fiir den Fall der vollständigen Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen24 • Er hätte sich auch dafiir entscheiden und damit begnügen können, den Alteigentümern mit einer höheren Entschädigungszahlung Genugtuung zu verschaffen, die aus der Geltendmachung von Vertragsstrafen resultieren würde. Stattdessen griff er fiir den Fall der Nichteinhaltung der investiven Maßnahmen das in den §§ 325 und 346 ff. BGB geregelte Modell auf, wonach bei der Verletzung von Hauptleistungspflichten das Vertragsverhältnis entweder kraft Gesetzes oder kraft vertraglicher Vereinbarung rückabzuwickeln ist. Auch die Erfahrungen aus der Vertragspraxis lehren, daß die Parteien es nur bei der Verletzung von Kardinalpflichten für notwendig erachten, ein zusätzliches Rücktrittsrecht beim Vorliegen oder Nichteintritt bestimmter Umstände zu vereinbaren. Im Ergebnis ist aufgrund der besonderen gesetzlichen Regelungen sowie aus der besonderen AufgabensteIlung der Treuhandanstalt heraus die Einstufung der Investitions- und Arbeitsplatzverpflichtung als Hauptleistungspflichten geboten. IV. Klagbarkeit der Investitions- und Arbeitsplatzzusagen
Gegen die zuvor angestellten Überlegungen könnte eingewandt werden, daß die Einstufung der investiven Verpflichtungen als Hauptleistungspflichten nicht geboten ist, da eine etwaige zwangsweise Geltendmachung im Wege der Vollstreckung nicht praktikabel sei. Soweit die Zusage eine primäre Leistungsverpflichtung auf Beschäftigung oder Durchführung von Investitionen begründet - was bei Kaufpreiserhöhungsklauseln und unselbständigen Vertragsstrafen in der Regel nicht der Fall sein wird -, ist davon auszugehen, daß nach deutschem Recht die Klagbarkeit eines Anspruches grundsätzlich besteht und nur ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Im allgemeinen ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern eine unvertretbare Handlung und demgemäß nach § 888 ZPO durch Zwangsgeld vollstreckbar. Entgegenzutreten ist der Ansicht im Schrifttum, die die Arbeitsplatzzusagen für einen bestimmten Zeitraum als absolutes Fixgeschäft verstehes. So wird behauptet, die Treuhandanstalt könne erst rückblickend feststellen, ob der Investor die Beschäftigungszusage eingehalten hat oder nicht. Tatsächlich verlangt die Treuhandanstalt aber in vielen Privatisierungsverträgen einen quartalsweisen Nachweis der Einhaltung der Beschäf-
24
Vgl. dazu Kap. 7.
2S
Lehmann, DStR 1993, 802, 803.
B. Absicherung der gemeinwohl orientierten Ziele
125
tigungsverpflichtung ..Im übrigen kann gemäß § 259 ZPO bereits vor Ablauf der fUr die VertragserfUllung vereinbarten Fristen ausnahmsweise gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß sich der Investor der rechtzeitigen Leistung entziehen wird. Stellt die Treuhandanstalt fest, daß weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind, als vertraglich zugesagt, so liegt auch ein ausreichender Grund fUr den Erlaß einer RegelungsverfUgung nach § 940 ZPO vor. In den Verträgen der Treuhandanstalt geht es nicht um den konkreten Arbeitsplatz bei dem individuellen Arbeitgeber. Vielmehr steht der beschäftigungspolitische Effekt in einer bestimmten Region und Branche im Vordergrund. Es erscheint daher als möglich, die Vollstreckung dergestalt flexibel zu gestalten, daß die Treuhandanstalt die Beschäftigung durch Beschäfti~ungsge seilschaften "auf Kosten des Schuldners" i.S.v. § 887 ZPO durchfUhrt 6. Diese Form der Vollstreckung ist somit von Gesetzes wegen möglich, wenn diese Vorgehensweise auch grundsätzlich ungewöhnlich erscheint; dennoch hindert dies nicht die Einstufung der investiven Zwecke als Hauptleistungspflichten. Zwar mag der Einwand zutreffen, daß diese Reaktionsalternative gemessen an den wirtschaftlichen Realitäten und Notwendigkeiten recht schwerflillig ist. Andererseits handelt es sich aber bei dieser Form der Vollstreckung um eine sehr öffentlichkeitswirksame Vorgehensweise, die, einmal angewandt, manche Investoren vor unlauterem Geschäftsgebahren in Anbetracht der Potenzierung ihres fmanziellen Risikos abhalten würde. Es ist daher nur ein Scheinargument, daß die Zwangsvollstreckung dem Staat zusätzliche organisatorische Maßnahmen gegenüber dem vertragsbrüchigen Investor abverlangt. Dem Grunde nach soll nur verhindert werden, daß der Staat im Einzelfall mit aller Entschiedenheit gegen vertragsbrüchige Investoren vorgeht, um das Investitionsklima in den neuen Bundesländern nicht zu belasten.
B. Absicherung der gemeinwohlorientierten Ziele durch Kaufpreiserhöhungs- oder Vertragsstrafenklauseln Eine vergleichende Gegenüberstellung der von der Treuhandanstalt praktizierten Vertragsklauseln zur Absicherung der volkswirtschaftlichen Zielsetzungen soll die Entwicklung zu dem Vertragsstrafenansatz in Bezug auf die effektive Durchsetzung des zentralen Anliegens der Unternehmensprivatisierung durch den Staat illustrieren27 • Zu Beginn der Privatisierungstätigkeit der Treu-
26 Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 523. Es ist allerdings regelmäßig die Vertragspraxis der Treuhandanstalt, stattdessen die Vertragsstrafe einzufordern. 27
Instruktiv Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 520 f.
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
handanstalt überwog eine Vertragsgestaltung mit dem Instrumentarium von Kaufpreiserhöhungsansätzen. Erst mit Inkrafttreten des InVorG im Juli 1992 wurde filr die Fälle der restitutionsbelasteten Unternehmen zwingend gesetzlich vorgeschrieben, daß in den Investitionsvorrangbescheid kumulativ die Rückübertragungsverpflichtung und eine Vertragsstrafe aufzunehmen seien28 • Dies trug den Bedürfnissen der Praxis Rechnung, wonach durch eine Androhung von genau bezifferten, empfmdlichen Vertragsstrafen der Zielsetzung der Treuhandanstalt besser Rechnung getragen werden konnte als durch Kaufpreiserhöhungsansätze. Die Kaufpreisanpassungsklauseln ließen sich im Hinblick auf eine nachvollziehbare und zutreffende Unternehmensbewertung sowie Kaufpreisermittlung rechtsdogmatisch nur schwer begründen. Hatte der Investor Z.B. eine hohe Investitionssumme ftlr einen erforderlichen Neubau neben einer vergleichsweise geringen Beschäftigtenzahl zugesagt, so war eine Kaufpreisanpassung bei Nichtdurchftlhrung des Projektes der Höhe nach kaum bezifferbar. Die Treuhandanstalt war daher schon seit Mitte des Jahres 1991 dazu übergegangen, die Vertragsgestaltung mit Kaufpreiserhöhungsklauseln durch Vertragsstrafenregelungen zu ersetzen, und zwar gleichermaßen filr die Unternehmensprivatisierungen mit und ohne Vorliegen von Restitutionsansprüchen. Die Gesetzesnovellierung in 1992 bekräftigte eigentlich nur noch diese eingeschlagene politische Linie. In Anbetracht der völlig neuartigen, unsicheren Rechtslage Ende des Jahres 1990/Anfang 1991 und der allgemeinen optimistischen Wirtschaftsprognosen stand bei der Treuhandanstalt aufgrund ihrer haushaltsrechtlichen Bindungen noch die Optimierung der Verkaufserlöse im Vordergrund. Bei Nichteinhaltung der Investitions- und Arbeitsplatzzusagen wollte sie im Nachgang wenigstens einen hohen oder doch zumindest angemessenen Kaufpreis unabhängig von den sonstigen vertraglichen Verpflichtungen des Investors erzielen. Im Zuge der zunehmend stabileren gesetzlichen Rahmenbedingungen, der gewonnenen Erfahrungen bei der Privatisierung und der Notwendigkeit, dem Gesetzesauftrag durch eine flexiblere vertragliche Gestaltung gerecht zu werden, setzte sich zusehends die Erkenntnis durch, daß das Ziel der nachhaltigen Sicherung der Arbeitsplätze mit dem Mittel der Vertragsstrafe umfassender zu erreichen sei. Zudem konnte nunmehr der Einwand des fehlenden Verschuldens an der Nichteinhaltung der Zusagen besser berücksichtigt werden. Auch konnte bei fehlendem Verschulden des Investors eine Verlängerung der Investitionsfristen filr die Vertragserfllllung dogmatisch besser begründet werden, und der Käufer sich nicht mehr durch die Entrichtung eines nachträglichen Kaufpreises von seinen Verpflichtungen "freikaufen".
28 Unter der Geltung des § 3 a VennG war die Aufnahme einer Vertragsstrafenklausel obligatorisch, wenn auch in den meisten Fällen so verfahren wurde.
B. Absicherung der gemeinwohl orientierten Ziele
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. I. Kaufpreiserhöhungsklauseln 1. Kaufpreiserhöhungsklauseln als Leistung an Erfüllungs statt
Eine von der Treuhandanstalt verwendete Klausel lautet zum Beispiee9 : "Die Parteien stimmen überein daß der Kaufpreis auf der Grundlage des Versprechens des Käufers vereinbart wurde, er werde bis zum .. DM .. gemäß Anlage ... neu in das Unternehmen investieren und diese Investitionen dort mindestens bis zum ... belassen. Sofern diese Investitionen nicht oder nicht vollständig durchgefUhrt werden, oder die Investitionsgüter nicht vereinbarungsgemäß in dem Unternehmen belassen werden, erhöht sich der Kaufpreis um ... % der Differenz zwischen dem vereinbarten Investitionsbetrag nach S. 1 und dem Betrag der tatsächlich in der Frist durchgefUhrten und vereinbarungsgemäß in dem Unternehmen belassenen Investitionen. Die Zahlung wird nach Ablauf obiger Frist fällig .... " Solche Klauseln sind als bedingte Kaufpreisansprüche einzustufen. Ein Teil des Gesamtkaufpreises soll möglicherweise erst Jahre später im Fall der NichterfUlIung der investiven Zwecke verbindlich zum Tragen kommen, wobei diese Rechtsfolge allein im Risikobereich des Investors liegeo. Bedingte Kaufpreiserhöhungsregelungen ähneln wirtschaftlich einer Kreditgewährung bzw. Stundung eines Kaufpreisbestandteils. Bei der Kaufpreiserhöhungsklausel kann der Investor nur kaufpreistypische Einwendungen gegen den künftigen Restzahlungsanspruch geltend machen, insbesondere die §§ 459, 462, 463 sowie §§ 434, 440, 320 ff. BGB, Verzug und positive Forderungsverletzung. Eine unangemessene Benachteiligung des Käufers etwa wegen Verstoßes gegen § 138 BGB bedeutet dies nicht. Die auf mehrere Jahre beschränkte Zusage von bestimmten Beschäftigungsmaßnahmen ist kaum geeignet, auch nur annähernd eine Beschränkung der freien Selbstbestimmung des Vertragspartners zu bewirken31 • Ihre Rechtfertigung leitet die Klausel daraus ab, daß es sich um eine parteiautonom vereinbarte, aufgeschobene Gegenleistung fUr bereits übertragene Vermögenswerte handelt. Der Käufer entrichtet vorab einen Mindestbetrag, der unabhängig von dem späteren Bewertungsergebnis ist. Grundsätzlich kann eine Vielzahl von primären ErfUlIungsansprüchen in der Rechtswirklichkeit der Höhe nach von bei Vertragsschluß ungewissen Ereignissen abhängig sein.
29
Klauselbeispiel aus Wächter/Kaiser/Krause, WM 1992, 293, 300.
30
Wächter, VIZ 1994,265,267.
31
Wächter, WM 1994, 1319.
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Eines der hervorstechenden Merkmale der als Kaufpreisanpassung formulierten Klauseln ist, daß sich aufgrund einer derartigen Gestaltung des Vertragsgleichgewichts auch die Anwendung der Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage verbietet32 • Die mit der Kaufpreiserhöhung verbundenen Risiken sind rur den Käufer regelmäßig bei den vertraglichen Abreden erkennbar. Die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage hat nicht die Aufgabe, eine vom Vertrag getroffene Risikoverteilung umzustürzen. Die Übernahme eines Risikos schließt die Annahme einer Änderung der Geschäftsgrundlage aus. Dies ist bei speziellen vertraglichen Regelungen der Fall. Zweifellos gilt dies auch konsequenterweise bei Übernahme einer bedingten, absoluten Verpflichtung ein. Der Käufer trägt das Risiko der wirtschaftlichen Verwertung des Kaufgegenstandes33 • Der Gestaltungsansatz der Treuhandanstalt bei der Verwendung von Kaufpreiserhöhungsklauseln ist der, daß ein Abgleich zwischen dem fIktiven Kaufpreis, der bei privatwirtschaftlichem Verhalten der Treuhandanstalt vereinbart worden wäre, und dem tatsächlichen Kaufpreis erfolge 4 • Dieser Mechanismus soll bei Nichterfüllung der sozialen Zwecke die theoretische ursprüngliche Wertbalance des Vertrages ex post wiederherstellen. Zuzugeben ist allerdings, daß die Feststellung des tatsächlichen Unternehmenswertes eigentlich ein unmögliches Unterfangen ist. Bereits unter normalen privatwirtschaftlichen Verhältnissen ist der Immobilien- oder Unternehmenswert keine eindeutig meßbare Größe und damit als Rechengröße kaum verwendbar. Arbeitsplätze und Investitionen sind zu heterogen, um sie wirklich kommensurabel zu machen. Des weiteren würde eine entsprechende einheitliche Praxis der Treuhandanstalt in Fachkreisen sehr schnell bekannt und zu erheblichen Verlusten durch Kaufpreisabschläge führen. Arbeitsplatzsicherungen und Investitionen werden von vielen Erwerbern ohnehin geplant, so daß sie keines Kaufpreisabschlages bedürfen; eine einheitliche Praxis würde nur zu erheblichen Mitnahmeeffekten ohne wirkliche Gemeinwohlilirderung führen. Dementsprechend waren die Versuche in der Treuhandanstalt, den zugesagten Arbeitsplätzen feste Kaufpreisabschläge zuzuordnen, zum Scheitern verurteiles. Ferner muß auf die Sogwirkung einer Akzeptanz von Arbeitsplätzen und Investitionen als soziale Belange im Rahmen des Entscheidungsprogramms bei der Privatisierung hingewiesen werden. Daran anknüpfend lassen sich auch weitere soziale Belange wie Wettbewerbspolitik, Regional- und Strukturpolitik, eventuell auch 32
Wächter, WM 1994, 1319, 1320 ff.
33
Wächter, WM 1994,1319,1321.
34
Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 521.
35 Spoerr, Treuhandanstalt, S. 165, der dies als die "Umarbeitung des gemeinwohleinbeziehenden Finalprogramms in ein Konditionalprogramm bezeichnet.
B. Absicherung der gemeinwohl orientierten Ziele
129
Kultur, Umweltschutz und Bildung als kaufpreismindernde Faktoren kaum a priori ausschließen. Ein wichtiges Auslegungskriterium flir eine investive Klausel als Kaufpreiserhöhungsklausel ist die damit verbundene Konsequenz, daß die Kaufpreisanpassung grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Maßgeblich ist, ob die Erflillung der Arbeitsplatzverpflichtung als eine dem Investor eingeräumte vertragliche Ersetzungsbefugnis angesehen werden kann, wonach die Erflillung der gegebenen Zusagen als Leistung an Erflillungs Statt betrachtet werden kann 36 • Für eine solche Auslegung spricht insbesondere der Wortlaut, vor allen Dingen die Bezeichnung der zusätzlichen Zahlung als erhöhter Kaufpreis. Demgegenüber ist zwar zu berücksichtigen, daß während der Kaufpreisverhandlungen regelmäßig gerade nicht ein Grundkaufpreis ausgehandelt wurde, der zum Teil durch die Übernahme anderer Verpflichtungen ausgeglichen werden kann. Der Wille der Treuhandanstalt geht aber dahin, daß ein angemessener Kaufpreis flir das Unternehmen, vor allem im Hinblick auf den Verkehrswert der Betriebsgrundstücke vom Käufer ohne die Möglichkeit der Exkulpation gefordert werden soll. Wenn der mit der Unternehmensprivatisierung verfolgte Zweck der Schaffung von Arbeitsplätzen und Investitionen nicht erreicht wurde, ist nach Ablauf der Zweijahresfrist auch nicht mehr zu erwarten, daß der Erwerber sich künftig noch zu einem mustergültigen Investor wandeln wird. 2. Kaufpreiserhöhung als verdeckte Form der Vertragsstrafe
Teile des Schrifttums unternehmen den Versuch, die Typik eines Kaufpreiserhöhungsansatzes mit der von Vertragsstrafen gleichzusetzen. Diese Auffassung strebt eine generalisierende Betrachtungsweise an, um die Gestaltung der investiven Klauseln nicht einer beliebigen Handhabung durch die Treuhandanstalt überantworten zu müssen 3? In der Begründung hebt diese Meinung hervor, daß die vom Erwerber zu übernehmenden Verpflichtungen fast immer parallel zueinander verhandelt werden. Daher würden die Parteien in den Vertrag gerade keine Formulierung aufnehmen, wonach ein bestimmter Kaufpreis geschuldet ist, der teilweise auch durch die Beschäftigung von Arbeitnehmern oder die Durchflihrung von Investitionen erbracht werden kann. Da es 36 Lehmann, DStR 1993, 802, 805; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 364, will die rechtliche Einordnung der Klauseln ebenfalls nicht allein aufgrund der Wortwahl der Parteien vornehmen. Es soll gern. §§ 133, 157 BGB maßgeblich auf den Regelungsinhalt abzustellen sein.
37 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 116.; Lehmann, DStR 1993, 802, 805; Preu, DStR 1994, 1777, 1782 - Kritisch zu diesem Ansatz Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 529.
9 HeB
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
für die Anwendung der Regeln über Vertragsstrafen weniger auf die Bezeichnung als auf die tatsächliche Ausgestaltung des Vertrages ankommt, sollen nach dieser Meinung auch Kaufpreiserhöhungsklauseln in den meisten Fällen als Vertragsstrafeversprechen einzuordnen sein. Dem steht entgegen, daß die Entwicklung der investiven Klauseln nicht zufällig von der Kaufpreiserhöhungsklausel zu den Vertragsstrafenregelungen hin verlief, sondern die zielgerichtete Umsetzung verfeinerter gesetzgeberischer Vorgaben im Zuge der gewonnenen Erfahrungen aus den frühen Privatisierungen war. Die dogmatische Variabilität solcher Klauseln zu bestreiten, bedeutet nichts anderes, als den Lernprozeß völlig zu vernachlässigen, den die Treuhandanstalt innerhalb kürzester Zeit durchmachen mußte, um ihrem gesetzlichen Auftrag umfassend gerecht zu werden. Des Weiteren ist zu konstatieren, daß Verwirkung der Vertragsstrafe an ein Verschulden des Investors anknüpft. Es kann nicht die AufgabensteIlung der Treuhandanstalt sein, den Investor zu "bestrafen", wenn er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die Verpflichtungen innerhalb der ersten beiden Jahre nicht einhalten kann. Nur in Ausnahmefällen sind die investiven Klauseln als Garantien formuliert und die damit verbundenen Vertragsstrafenklauseln verschuldenunsabhängig. Üblicherweise wird die Frist bei Unternehmensverkäufen mit Restitutionsansprüchen schon von Gesetzes wegen bei Vorliegen sogenannter dringender betrieblicher Erfordernisse verlängert. Die gesetzlichen Mindestvorgaben sind ausgesprochen investorenfreundlich. Sofern die Treuhandanstalt einmal ohne die Beschränkungen von Restitutionsansprüchen Unternehmen privatisieren kann, muß es ihr auch möglich sein, auf den Eintritt bzw. Nichteintritt gewisser Umstände in differenzierter Form bei der vertraglichen Umsetzung der investiven Klauseln reagieren zu können. Die pauschale Gleichstellung der Kaufpreisanpassungsklausel mit der Vertragsstrafe verkennt den gestalterischen Spielraum, der der Treuhandanstalt bei der Durchfilhrung ihrer komplexen öffentlichen Aufgaben notwendigerweise offenstehen muß. 11. VertragsstrafenkJauseln 1. Dogmatik des Vertragsstrafeversprechens gemäß §§ 339 er. BGB
Die Vertragsstrafe ist eine meist in Geld bestehende Leistung, die der Schuldner fUr den Fall der NichterfUllung oder nicht gehörigen Erfüllung einer Verbindlichkeit verspricht. Ihr Zweck ist, die ErfUllung der Hauptverbindlichkeit als Druckmittel zu sichern und dem Gläubiger den Schadensbeweis zu ersparen38 • Die Vertragsstrafe LS.d. §§ 339 ff. BGB ist somit nur das unselb38
PalandtlHeinrichs, BGB, Vorbem. vor § 339, Rdn. 1 Anm. 1 a.
B. Absicherung der gemeinwohlorientierten Ziele
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ständige, an eine Hauptverbindlichkeit angelehnte Strafversprechen, argumenturn § 344 BGB39 • Das Vorliegen eines unselbständigen Strafversprechens impliziert immer zwingend das Bestehen eines primären Erfüllungsanspruches. Beim unselbständigen Strafversprechen besteht zwischen Schuldner und Gläubiger bereits eine Verbindlichkeit (§ 339 BGB), und die Handlung, die den Verfall der Vertragsstrafe auslöst, ist die Nichterfüllung oder die nicht gehörige Erfüllung dieser Verbindlichkeit. Dem Schuldner drohen somit bei einer Vertragsverletzung nicht nur die allgemeinen gesetzlichen Sanktionen, sondern darüber hinaus die zusätzliche Sanktion der Vertragsstrafe. Die Verwirkung einer Vertragsstrafe setzt allerdings voraus, daß der Schuldner in Verzug kommt. Die Vertragsstrafenklausel der Treuhandanstalt leitet ihre dogmatische Rechtfertigung primär aus dem in der NichteinsteIlung bzw. Entlassung von Arbeitnehmern oder aus der Nichtinvestition liegenden Unrecht ab. Strafansätze eröffnen ihrer Logik nach die Möglichkeit, bei Vorliegen bestimmter RechtfertigungsgTÜnde von einer Bestrafung abzusehen oder bei geringem Verschulden die Sanktionen zu reduzieren. Spezialpräventive Gesichtspunkte kommen bei der Festlegung der Höhe der Vertragsstrafe hinzu. Der Betrag pro Zeiteinheit und Arbeitsplatz soll mindestens so hoch sein, daß es in der Regel für den Investor kostengünstiger ist, die Beschäftigung aufrechtzuerhalten 40 • 2. Abgrenzung zwischen den Vertragsstrafenregelungen wegen Nichterfüllung und nicht gehöriger Erfüllung
Verspricht der Schuldner die Vertragsstrafe für den Fall der Nichterfüllung, so kann der Gläubiger bei Verwirkung der Vertragsstrafe gemäß § 340 Abs. 1 BGB nur die Strafe oder die Erfüllung fordern. Er ist nicht befugt, eine Leistungsklage auf Erfüllung mit einer Leistungsklage auf die Vertragsstrafe zu verbinden. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe schließt, sofern der Strafanspruch begründet ist, den Erfüllungsanspruch aus41 •
39 PalandtlHeinrichs, BGB, Vorbem. vor § 339 Rdn. 2 (h.M.); arg. für die Auslegung der Investitions- und Arbeitsplatzverpflichtung als Hauptleistungspflichten. Bei dem selbständigen Strafversprechen bestehen vor Vereinbarung der Vertragsstrafe keinerlei vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien. Die Vertragsstrafe ist selbst Primärverpflichtung. Die Einordnung als selbständiges Strafversprechen würde einen Erfüllungsanspruch der Treuhandanstalt ausschließen. Damit entfiele die Bestimmung des Verhältnisses von Vertragsstrafe und Erfüllungs- bzw. Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung.
40
Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 521.
41
RGZ 77, 292; PalandtlHeinrichs, BGB, § 340 Anm. 2 b.
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Hat der Schuldner die Strafe für den Fall versprochen, daß er seine Verbindlichkeit nicht in gehöriger Weise, insbesondere nicht in zu der bestimmten Zeit erfüllt, so befmdet sich der Schuldner in einer ungünstigeren Situation. Bei dem Strafversprechen für nicht gehörige Erfüllung aufgrund Verzugs oder positiver Forderungsverletzung kann der Gläubiger gemäß § 341 BGB abweichend von der Regel des § 340 BGB die Vertragsstrafe und Erfüllung kumulativ nebeneinander fordern 42 • Das Verhältnis von Schadensersatzansprüchen und Ansprüchen auf die Vertragsstrafe ist bei dem Strafversprechen für nicht gehörige und Nichterfüllung gleich geregelt. Aus §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB ergibt sich, daß der Gläubiger nicht die Vertragsstrafe und Schadensersatz verlangen kann, sondern daß die Vertragsstrafe der Mindestbetrag des Schadensersatzes ist. Der Gläubiger ist nicht gehindert, das übersteigende Erfüllungsinteresse gleichwohl geltend zu machen 43. Diese Regelungen, insbesondere die Anrechenbarkeit der Vertragsstrafe auf einen Schadensersatzanspruch, sind ebenfalls abdingbar44 • Die Bestimmungen der §§ 340, 341 BGB sind keineswegs zwingendes Recht. Die Parteien können zum Beispiel vereinbaren, daß der Vertrag im Falle einer Vertrags verletzung unter Verfall der Strafe hinfällig sein soll. Die Änderung erfordert aber eine Individualvereinbarung, eine formularmäßige Klausel reicht nicht aus 45 • Die Abgrenzung zwischen dem Strafversprechen wegen Nichterfüllung gemäß § 340 BGB und dem Strafversprechen für nicht gehörige Erfüllung gemäß § 341 BGB ist im Einzelfall schwierig. Dabei kommt dieser Unterscheidung gerade bei der Handhabung der Vertragsstrafeklauseln in den Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt eine wesentliche Bedeutung zu. In Zweifelsfällen muß durch Auslegung ermittelt werden, ob die Strafe das Interesse an der Erfüllung als solcher oder nur das an der ordnungsgemäßen Erfüllung, wie beispielsweise der Unterlassung einzelner Zuwiderhandlungen, sichern soll. Die Entscheidung ist vielfach nur aus der Strafhöhe zu gewinnen46 • Das Schrifftum beurteilt das Vertragsstrafeversprechen zugunsten der Treuhandanstalt unterschiedlich: Die wohl h.M. tendiert dazu, die Vereinbarung der Vertragsstrafe als den Fall eines Strafversprechens wegen Nichterfüllung i.S.d. § 340 Abs. 1 BGB einzustufen. Demzufolge ist der Anspruch auf Erfüllung
42
MünchKomm/Söllner, BGB, § 341 Rdn. I.
43
MünchKomm/Gottwald, BGB, 3. Aufl. 1994, § 340 Rdn. 7.
44
MünchKomm/Gottwald, BGB, § 341 Rdn. 11.
45
BGHZ 63, 256.
46
Palandt/Heinrichs, BGB, § 340 Rdn. I; MünchKomm/Söllner, BGB, § 340 Rdn. I.
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ausgeschlossen, falls die Treuhandanstalt die Vertragsstrafe geltend macht47 • Hiernach werden die Arbeitsplatzzusagen regelmäßig als Fixgeschäfte angesehen, da nur durch eine fristgerechte Erfiillung der Beschäftigungsgarantie das Ziel einer dauerhaften Sicherung der Arbeitsplätze zu gewährleisten sei 48 • Diese Auffassung unterstellt weiterhin, daß die Treuhandanstalt wegen des hohen Haftungsrisikos nach § 945 ZPO wohl nur ausnahmsweise den Erfüllungsanspruch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend machen wird. Einen anderen Maßstab legt diese Auffassung bei der Auslegung der Investitionszusagen zugrunde. Der Fixgeschäftscharakter soll hier weniger ausgeprägt sein als bei Beschäftigungszusagen, aber in der Mehrzahl der Fälle aufgrund der üblicherweise gewählten Art der Pönalisierung, die nicht nach dem Ausmaß des "Investitionsverzuges" differenziert, wohl doch anzunehmen sein. Die Investitionszusage soll grundsätzlich immer dann auch nachträglich erfüllbar sein, sofern Arbeitsplätze dadurch nicht gefährdet werden49 • Die Mindermeinung im Schrifttum vertritt die Auffassung, die in den Empfehlungen des Bundesjustizministers enthaltenen Vorschläge und die dort erwähnte Praxis der Treuhandanstalt, eine einmalige Vertragsstrafe zu vereinbaren, seien eher unzweckmäßig, da dies der Intention der Vertragsstrafe nicht gerecht werde 50 • Während eine Vertragsstrafenregelung, die für jeden Tag der Überschreitung der gesetzten Frist einen bestimmten Geldbetrag fällig werden läßt, das Ziel der zeitnahen Durchführung des Investitionsvorhabens fördert, stellt die Vereinbarung einer einmaligen Vertragsstrafenzahlung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Investitionssumme eine Regelung dar, die der Investor, gerade bei großen Investitionsvorhaben, in seine Kalkulation einbeziehen kann. Ist eine derartige Vertragsstrafe einmal verwirkt, kann der Intention des Gesetzes durch eine einmalige Zahlung nicht mehr Genüge getan werden, da nach der Zahlung kein Druck mehr auf den Vorhabenträger ausgeübt werden kann, das Vorhaben fertigzustellen. Daher ist die in diesem Zusammenhang gemachte Unterscheidung zwischen vollständiger und teilweiser Nichtdurchführung einerseits und verspäteter Durchführung andererseits irreführend. Bei entsprechender Gewichtung der besonderen Zielsetzung des Investitionsvorranggesetzes sind dies alles Fälle einer verspäteten Durchführung. Eine einmalige Vertragsstrafenregelung kann nur für den Fall als zweck-
47
Statt aller Preu, DStR 1994, 1777, 1782.
48 Lehmann, DStR 1993, 802, 803; Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 523; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 372. 49 Holzap/eIIPöllath, Untemehmenskauf, S. 426 mit Verweis auf Lehmann, DStR 1993,802,803; Wächter, ZAP-Ost 1994,519,523. 50
Racky, in: JILlRIWIK, InVorG, § 8 Rdn. 35.
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
mäßig erachtet werden, daß die Durchführung der Maßnahme aus von dem Vorhabenträger zu vertretenden Gründen unmöglich geworden ist. Das effektivere Druckmittel ist die wiederkehrende Vertragsstrafe. Dabei steht die Auswahl einer geeigneten Vertragsstrafenregelung letztendlich im pflichtgemäßen Ermessen der InvestitionsvorrangsteIle. Ein weiteres Abgrenzungskriterium ist, inwieweit das Vertragsstrafeversprechen das Interesse an der ganzen Vertragserfüllung decken soll - dann wäre § 340 BGB anzuwenden - oder ob sie sich nur auf die Zuwiderhandlung gegen einzelne Vertragspflichten bezieht, wonach § 341 BGB einschlägig istS '. Dies kann nur durch Auslegung der Parteivereinbarung ermittelt werden. Speziell dem letztgenannten Kriterium kommt eine maßgebliche Bedeutung zu. Die Investitions- und Arbeitsplatzverpflichtungen sind zwar, wie ausgefUhrt, zusätzliche Hauptleistungspflichten in den Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt. Dies hindert aber nicht, sie neben den bestehenden anderen Pflichten des Erwerbers als einzelne Vertragspflichten einzustufen. Daher ist auch die Anwendung des § 341 BGB grundsätzlich möglich. Bedenken hiergegen könnten wegen der Höhe der in den Privatisierungsverträgen festgelegten Vertragsstrafe geltend gemacht werden. So vereinbaren die Parteien bisweilen im Vertrag bei Unterschreitung der Investitions- und Arbeitsplatzzusage eine Vertragsstrafe in Höhe von 100 %. Die Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Würdigung der absoluten Höhe des Strafversprechens fUhrt hier zum Ergebnis, daß eine Vertragsstrafe wegen NichterfUllung im Sinne des § 340 BGB vereinbart ist52 • Diese Schlußfolgerung ist jedoch vor allem unter Berücksichtigung der Wertungen, wie sie vornehmlich im InVorG zum Ausdruck kommen, keineswegs zwingend. Zum einen ist die InvestitionsvorrangsteIle der Treuhandanstalt als unabhängige hoheitliche Stelle nicht an die im Kaufvertrag vereinbarte Höhe der Vertragsstrafe bei Erlaß ihrer Investitionsvorrangbescheide gebunden. Bei der Ausübung des ihr zustehenden Ermessensspielraums reduziert sie in solchen Fällen in den Feststellungsbescheiden die zu entrichtende Vertragsstrafe vielfach auf ein Volumen zwischen 10 - 50 % der unterschrittenen Investitionssumme. Diese Vorgehensweise der InvestitionsvorrangsteIle zeigt, daß die absolute Höhe der Vertragsstrafe ein erstes Indiz für die Auslegung als Vertragsstrafe wegen nicht gehöriger Erfüllung gemäß § 341 BGB ist. Die Vertragsstrafe als schlichtes Instrument einer Pönalisierung wegen NichterfUIlung würde auch den Besonderheiten der treuhandspezifischen AufgabensteIlung nicht gerecht werden. Es ist ein zentrales Anliegen der Treuhandanstalt, 51
MünchKomm/Gottwald, BGB, § 340 Rdn. 2, 3. Aufl., 1994.
52 Vgl. z.B. Preu, DStR 1994, 1777, 1782; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 373, der sich bei niedrigeren Vertragsstrafen ebenfalls ftlr die Anwendung des § 341 BGB ausspricht.
B. Absicherung der gemeinwohlorientierten Ziele
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dauerhafte Unternehmensstrukturen aufzubauen und zu sichern. Die Regelung des § 341 BGB trägt dieser AufgabensteIlung aber viel besser Rechnung. Zumindest bei solch einer Klauselgestaltung, wonach "die Verpflichtung zur Investition von der Vertragsstrafe nicht beTÜhrt wird", ist grundsätzlich § 341 BGB einschlägig. Auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung ist regelmäßig eine Auslegung des Vertrages im Sinne einer Anwendung des § 341 BGB vorzugswürdig. Ansonsten würde der Erwerber eines Unternehmens mit vergleichsweise geringfiigigen Arbeitsplatz- und Investitionsverpflichtungen eine relativ niedrige Bewertung der Unternehmensgrundstücke im Rahmen der Ermittlung des Gesamtkaufpreises nüchtern in sein Kalkül mit einbeziehen. In diesem Fall kann nämlich die Zahlung einer einmaligen Vertragsstrafe bei gleichzeitiger Wertsteigerung der Grundstücke für ihn bei spekulativen Erwerbsabsichten trotzdem vorteilhaft bleiben. Eine ebenfalls zu mißbilligende, wiederholt vorgekommene Motivation des Investors kann die sein, durch den Aufkauf speziell ausgewählter Unternehmen der Treuhandanstalt mißliebige Konkurrenz innerhalb derselben Branche aus den neuen Bundesländern unter Einkalkulierung einer Vertragsstrafenzahlung wegen Nichterfüllung auszuschalten. Nur in den Fällen, in denen die Höhe der Vertragsstrafe nahezu 100 % bei Unterschreitung der investiven Zusagen beträgt, und eine Reduzierung beispielsweise durch die InvestitionsvorrangsteIle mangels Vorliegens von RestitutionsanspTÜchen nicht angezeigt schien, ist die Einstufung der Vertragsstrafe als Fall der Nichterfüllung gemäß § 340 BGB naheliegender. Im Ergebnis kann die Vertragsstrafenregelung in den Verträgen der Treuhandanstalt nicht pauschal als Fall des § 340 oder § 341 BGB klassifiziert werden. Nach der hier vertretenen Auffassung sprechen gewichtige GTÜnde dafiir, als Ausgangspunkt grundsätzlich § 341 BGB zu wählen. Bei Anwendung dieser Vorschrift entfällt auch eine Klärung der Rechtsfrage, inwieweit eine Vertragsstrafe wegen Nichterfiillung und Rücktritt nebeneinander geltend gemacht werden können. In den anderen Fällen ist hingegen zu klären, inwieweit die Vertragsstrafe wegen Nichterfüllung mit der Ausübung des Rücktritts vonseiten der Treuhandanstalt zu vereinbaren ist. § 340 Abs. 2 BGB bringt zum Ausdruck, daß "der Gläubiger die verwirkte Strafe als Mindestbetrag des Schadens verlangen kann, wenn ihm ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfiillung zusteht. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen." Diese Regelung stellt klar, daß der Gläubiger infolge der Intention der Vertragsstrafe ohne den konkreten Nachweis eines Schadens den festgesetzten Betrag der Vertragsstrafe als Mindestschaden verlangen können soll. Die Einbettung des unselbständigen Vertragsstrafenanspruchs in das System der SchadensersatzanspTÜche beinhaltet aber die Schlußfolgerung, daß sich bei Geltendmachung der Vertragsstrafe die gleichzeitige Ausübung des Rücktritts im Sinne des § 325 BGB verbietet. So besehen sind die Regelungen des § 8 Abs. 3 In VorG (Vertragsstrafe und Rückübertragungsverpflichtung)
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
zum Schutz der Alteigentümer wie dargestellt nur als Kombination von Vertragsstrafe wegen nicht gehöriger Erftillung und Rücktritt auszulegen. 3. Vertragsstrafe und Schadenskompensation
Ein weiterer Einwand gegen die von der Treuhandanstalt praktizierte Vertragsstrafe lautet, daß die Einordnung der investiven Pflichten als Hauptleistungspflichten weder geboten noch praktikabel ist, da der Treuhandanstalt bei Nichterftillung der Zusagen regelmäßig kein Schaden im rechtlichen Sinne entstünde. Eine solche Argumentation würde sich auch auf die rechtliche Beurteilung der vereinbarten Vertragsstrafe ftir den Fall der Nichteinhaltung der investiven Verpflichtungen auswirken. Daher ist zu erörtern, inwiefern die Einstufung der investiven Zusagen als HauptIeistungspflichten überhaupt die Tatbestandsmäßigkeit eines Schadens im Sinne der §§ 325, 326 BGB voraussetzt. Der Treuhandanstalt könnte durch die Nichteinhaltung von Zusagen unter den Voraussetzungen der §§ 325, 326 oder 280, 284 BGB sowie gegebenenfalls aus positiver Forderungsverletzung ein Schaden entstehen53 . Sollte ein Schaden im Regelfall nicht bestimmbar sein, so könnte Schadensersatz wegen Nichterftillung nur ausnahmsweise verlangt werden können. Die Aufwendungen der Treuhandanstalt, die mit der Durchftihrung einer Privatisierung verbunden sind, stellen nach dieser Auffassung jedenfalls keinen durch die Nichteinhaltung der Zusage verursachten ersatzfähigen Schaden dar54 • Bei Nichterftillung der Arbeitsplatzgarantie und dem damit verbundenen Vermögensverlust der durch Zusagen mittelbar geschützten Arbeitnehmer entsteht vordergründig betrachtet nicht der Treuhandanstalt ein Schaden, sondern dem öffentlichen Träger der Sozialversicherung55 • Ein Schaden der Treuhandanstalt soll allenfalls vorliegen, wenn ein anderer Interessent aufgrund der Zusagen des Erwerbers trotz eines höheren Kaufpreisgebots nicht den Zuschlag erhalten hat. Noch weitergehend wird auch die Schadens- und damit Kompensationsfunktion der Vertragsstrafe von einer Mindermeinung im Schrifttum in Frage gestellt und eine Begrenzung der Präventionswirkung der Vertragsstrafenregelung gefordert56 • Die Argumentation stellt darauf ab, daß der Treuhandanstalt aus der Nichterftillung von Investitions- oder Arbeitsplatzzusagen kein Scha-
53
Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 525 ff.
54
Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 525.
55
Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 526.
56
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 131; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 364.
B. Absicherung der gemeinwohlorientierten Ziele
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den entsteht. Da die Funktion von Vertragsstrafevereinbarungen einzig darin bestehen soll, den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anzuhalten, entfallt nach dieser Mindermeinung die Schadenskompensationsfunktion. Diese Auffassung lehnt ein schützenswertes Interesse der Treuhandanstalt an einer Möglichkeit zur Erleichterung der Schadloshaltung ohne Einzelnachweis ab. Diesem Ansatz kann nicht gefolgt werden, da dadurch die Dogmatik des unselbständigen Vertragsstrafeversprechens verkannt wird. Die Vertragsstrafe soll für diesen Fall gerade ohne den konkreten Nachweis eines Schadens aufgrund des nicht vertragsgemäßen Verhaltens verlangt werden können. Aus den gleichen Gründen ist auch die weitergehende Schlußfolgerung dieser Mindermeinung abzulehnen, wonach die Höhe der Vertragsstrafe die Grenze des Angemessenen bei Treuhandkaufverträgen erheblich früher übersteigt, als in Fällen, in denen die Doppelfunktion der Vertragsstrafe gewährleistet ist57 . Schadensersatzansprüche der Treuhandanstalt lassen sich dogmatisch nur aus der Abgabe unrichtiger Zusagen begründen. Diese resultierten daraus, daß der Käufer die Treuhandanstalt durch Abgabe der Zusagen geschädigt hat, wobei der Schaden in dem Vertrags schluß selbst liegt. Anspruchsgrundlagen für die Schadensersatzansprüche sind dann die §§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB, § 826 und c.i.c .. Hierbei dürften bei der praktischen Durchsetzung aber erhebliche Beweisprobleme auftreten, da einem vertragsbrüchigen Investor insoweit in der Regel vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden muß. Daneben tritt kumulativ ein Anspruch aus c.i.c. zu den vorgenannten Eventualansprüchen aus der Nichteinhaltung der Zusagen. Bei c.i.c. ist der Schaden das negative Interesse, d.h. die Differenz zu dem Kaufpreis, der von dem besten abgewiesenen Interessenten gezahlt worden wäre bzw. in den ersparten Subventionen der Treuhandanstalt bei Übertragung des Unternehmens an diesen Interessenten58. Somit ist zu konstatieren, daß der Treuhandanstalt dem Grunde nach ein Schaden erwachsen kann, der auf das negative Interesse gerichtet ist. Vielfach kann dieser der Höhe nach allerdings nur geschätzt werden. Der konkrete Nachweis ist schwer zu führen und dem richterlichen Schätzungsermessen nach § 287 ZPO kommt ebenfalls eine gesteigerte Bedeutung zu. Regelmäßig ging eine Reduzierung des Kaufpreises bei der Veräußerung des Unternehmens einher mit dem Umfang der zugesicherten Arbeitsplätze und Investitionen. Die haftungsausfullende Kausalität für die Ersatzflihigkeit eines Schadens ist dann zu bejahen, wenn die Treuhandanstalt nachweisen kann, daß sie aufgrund
57
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 125.
58
Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 526.
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
besonderer Umstände wie beispielsweise einer höheren Zahl von zugesicherten Arbeitnehmern o.ä. gerade an diesen Investor und nicht an einen anderen Mitbewerber veräußert hatte, und ihr auch dadurch ein höherer Kaufpreis, unabhängig von der Erfiillung der anderen vertraglichen Zusagen entgangen war. Beispielhaft sei darauf hingewiesen, wie gerade in den Verträgen mit kapitalschwachen MBO-Erwerbern eine Veräußerung unter dem Substanzwert des Unternehmens, und damit verbunden auch eine Veräußerung der Unternehmensgrundstücke unter dem Verkehrswert in Betracht kam 59 • Außerdem wäre oftmals die Liquidation billiger als die mit der Privatisierung verbundene Entschuldung der Unternehmen gewesen. Im Verhältnis zum Altberechtigten wurde der Investor von der Treuhandanstalt im Kaufvertrag regelmäßig von einer Entschädigung der Grundstücke zum Verkehrswert gemäß § 16 InVorG freigestellt. Unter diesem Aspekt zielt somit auch die Vertragsstrafe bei Fehlschlagen der Privatisierung darauf ab, den Schaden der Treuhandanstalt zu begrenzen. Fordert der Altberechtigte nämlich aufgrund seines Wahlrechts die Entschädigung zum Verkehrswert gemäß § 16 InVorG, so kann die Treuhandanstalt die Vertragsstrafe einfordern und filr die Ausgleichszahlung im Rahmen der Entschädigung verwenden. In § 16 Abs.l InVorG heißt es, daß der Berechtigte in diesem Fall "die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe aller auf den von ihm zu beanspruchenden Vermögenswert entfallenden Geldleistungen aus dem Vertrag" verlangen kann. Als eine solche Geldleistung ist auch die Vertragsstrafe zu bewerten6o • Schließlich setzt die Klassifizierung der investiven Klauseln als Hauptleistungspflichten von Gesetzes wegen nicht voraus, daß im Falle der Nichterfilllung auch dem Gläubiger tatbestandsmäßig ein Schaden im Sinne der §§ 325, 326, 249 BGB entstehen muß. Das Gesetz legt die Bandbreite der Handlungsalternativen fest, überanwortet aber in jedem Einzelfall dem Gläubiger den Nachweis der Tatbestandsmerkmale, die die von ihm begehrten Rechtsfolgen auslösen sollen. Dies kann in bestimmten Fällen dazu filhren, daß die Treuhandanstalt aufgrund der Umstände des Einzelfalls von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen absieht, aber eben nicht mehr. Der Treuhandanstalt verbleibt in jedem Fall ein Rücktrittsrecht vom Vertrag, und damit die grundsätzliche Möglichkeit einer Zweitprivatisierung des Unternehmens 61 •
59 Wobei die kapitalschwachen MBO's wohl kaum die Vertragsstrafen bezahlen können. 60
Galler, in: RlRIB, Vermögen in der ehemaligen DDR, InVorG, § 8 Rdn. 43.
61 Unabhängig von der im Schrifttum vieldiskutierten Fragestellung, wie weit der Privatisierungsauftrag bei Fehlschlagen einer erstmaligen Privatisierung reichen kann; vgl. hierzu auch Kap. 7 Abschn. 2 .• Insoweit zustimmend Ebbing, Verkaufspraxis, S.375.
B. Absicherung der gemeinwohl orientierten Ziele
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4. Vertragsstrafe als Schadenspauschale
Vertreter des Schrifttums stellen auch zur Diskussion, ob die Klausel als Schadensersatzanspruch gemäß § 249 BGB im Sinne einer Schadenspauschalierung auszulegen ist62 . Eine genauere Klassifizierung als Vertragsstrafe würde sich dann erübrigen. Die Klausel könnte möglicherweise als Pauschalierungsabrede ftlr einen Schaden Dritter ausgelegt werden. Als Dritte kommen bei einer Beschäftigungszusage zunächst die Arbeitnehmer in Betracht. Die Vertragsauslegung ergibt aber, daß weder ein echter noch ein unechter Vertrag zugunsten Dritter bzw. auch kein Vertrag mit Schutzwirkung ftlr Dritte mangels Bestimmbarkeit der begünstigten Personen vorliegen kann. Des weiteren wäre konstruktiv ein Vertrag zu Gunsten Dritter oder eine Drittschadensliquidation der Bundesanstalt ftlr Arbeit denkbar. Auch dies ist abzulehnen, da von speziellen Ausnahmefällen abgesehen in aller Regel nicht davon ausgegangen werden darf, daß durch Privatisierungsverträge zu Gunsten der Bundesanstalt ftlr Arbeit liquidierbare Schadensersatzansprüche begründet werden sollten63 • Unabhängig vom verwendeten Wortlaut scheidet eine Qualifikation der Klauseln der Treuhandanstalt als Schadenspauschalen von vornherein aus 64 . Durch die doppelte Zwecksetzung der Vertragsstrafe, sowohl die Erftlllung der Hauptverbindlichkeit als "Druckmittel" zu sichern, als auch dem Gläubiger den Schadensbeweis zu ersparen65, unterscheidet sie sich grundlegend von der Vereinbarung einer Schadenspauschale. Deshalb sind diese Vereinbarungen in den Verträgen der Treuhandanstalt nicht im Sinne von Schadenspauschalierungen aufzufassen66 • Außerdem ist vorrangig auf den Sinn und Zweck der Arbeitsplatzzusagen abzustellen. Mit der vereinbarten Strafe wären die Kosten des Arbeitsplatzverlustes auch nicht zu decken. Die Vertragsstrafe ist vielmehr
62
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 113.
63 Nach Auffassung von Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 526 f. kann zwar grundsätzlich der Käufer der Treuhandanstalt schon zu einem früheren Zeitpunkt durch Abgabe der Zusagen einen ersatzflthigen Schaden zugefügt haben, wobei der Schaden bereits in dem Vertragsabschluß liegt. Die an die Nichteinhaltung von Zusagen geknüpften Zahlungspflichten sind jedoch nicht als Pauschalierung eines durch die schuldhafte Abgabe von Zusagen kausal verursachten Schadens anzusehen. Die Parteien, die die Zahlungspflichten an Zusagen geknüpft haben, haben damit etwaige an frühere Verhaltensweisen anknüpfende Rechtsfolgen unberührt gelassen.
64
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 114.
65 Ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 49, 89; BGHZ 63, 259; BGHZ 85, 312; BGHZ 105,27. 66
Weimar, DStR 1993, 63, 65; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 64.
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
neben der Nachbewertungs- und Mehrerlösklausel das angemessene Mittel zur Vermeidung von Spekulationserwerben67 • 5. Vertragsstrafeversprechen als Garantieabrede
Im Rechtsverkehr ist in zunehmendem Maße zu beobachten, daß das Vertragsstrafeversprechen zunehmend die Funktion übernimmt, den Schuldner innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zur fristgerechten Leistung unabhängig von einem Verschulden anzuhalten 68 • In solchen Fällen wird nur noch auf den Fall der objektiven Verzögerung der Leistung abgestellt. Das Verschuldenserfordernis ist nicht mehr zwingend69 • Die Vertragsstrafe ähnelt dann einem Garantieversprechen70 • Manche Klauseln in den Verträgen der Treuhandanstalt, speziell in der Frühphase der Privatisierung, sollen nach einer Auffassung im Schrifttum so formuliert sein, daß bereits die objektive Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht auslösei, Nach einer anderen Auffassung ist zu prüfen, ob die Vertragsstrafenregelungen nicht auch als verschuldensunabhängige Garantieversprechen zu verstehen sein könnten, vor allem wenn ein Absehen von der Geltendmachung der Vertragsstrafe mangels Verschulden nicht explizit im Vertrag geregelt ist72 • Das Verschuldenserfordernis ist dispositiv; somit besteht die Möglichkeit, eine Vertragsstrafe filr jeden Fall einer objektiven Verzögerung ohne Rücksicht auf ein Schuldnerverschulden zu vereinbaren. Im Einzelfall soll daher eine genaue Auslegung vonnöten sein. Nach dieser Ansicht gibt es keine gesetzliche Vermutung rur eine typenreine, verschuldensabhängige Regelung. Denn ein erheblicher Anteil der insgesamt vereinbarten Zusagen, wie etwa Kaufpreiserhöhungsregelungen bei Nichtbeschäftigung der Arbeitnehmer u.ä. ist mit Absicht verschuldensunabhängig ausgestaltet; eine ähnlich geartete Intention könnte auch der Vereinbarung von Vertragsstrafen67 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 115. - Analoge Argumentation auch bei Investitionszusgen. 68 V gl. die typische Konstellation bei Bauprojekten im Hinblick auf die Planung und Kalkulation; mehrere Unternehmen müssen nacheinander Werkleistungen erbringen, so daß die zeitliche Abstimmung wichtig wird. Die Vertragsstrafe erhält hier eine Garantiefunktion.
69 BGHZ 72, 178 und 82, 402; NJW 1971, 883; Kiethe, Nachverhandlungen, S. 113; RGZ 103,99.
70
PalandtlHeinrichs, BGB, § 339 Rdn. 3.
71 Lehmann, DStR 1993, 802, 804; Kiethe, Nachverhandlungen, S. 117; Preu, DStR 1994,1497,1501. 72
Wächter, WM 1992, 1841, 1847.
B. Absicherung der gemeinwohl orientierten Ziele
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regelungen zugrundeHegen. Nach diesem Ansatz spricht z.B. die Formulierung "der Käufer garantiert ... zu beschäftigen" gegen eine Verschuldensabhängigkeit einer Zahlungsverpflichtung bei Nichteinhaltung der "Garantie,,73. Die vorgenannte Auffassung ist abzulehnen. Der dogmatische Ausgangspunkt ist die grundsätzliche Möglichkeit, das Verschuldenserfordernis individualvertraglich abzubedingen74 . Zwischen dem gesetzlichen Regelwerk und der Kautelarpraxis besteht eine Wechselwirkung in der Form, daß bei der Abbedingung dispositiven Gesetzesrechts regelmäßig eine ausdrückliche Bestimmung im Vertrag zu verlangen ist, während für die Annahme einer konkludenten Abbedingung besondere Umstände vorliegen müssen7S . Es handelt sich bei den Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt um Individualverträge, so daß mangels genauerer Bezeichnung als sogenannte Garantieabrede das Verschuldenserfordernis bei Nichteinhaltung der investiven Verpflichtungen eben nicht abbedungen ise6 • Die vorgenannte Auffassung im Schrifttum geht fehl, wenn sie zur Diskussion stellt, inwieweit es bei den von ihr behaupteten Treuhand-Musterverträgen zulässig sei, Vertragsstrafen unter Ausschluß des Verschuldenserfordernisses zu vereinbaren. Es ist vielmehr so, daß in den Verträgen gerade nicht explizit das Verschulden im Rahmen der Vertragsstrafenregelung abbedungen wird. Die investiven Klauseln sind nur ausnahmsweise als Garantieabreden formuliert oder dahingehend auszulegen. Es kann dem Investor nicht unterstellt werden, er habe eine garantieähnliche Zusage abgeben wollen. Solche Fälle kommen nur ganz ausnahmsweise vor, und bedürfen der genauen Auslegung des Vertrages und der Zuhilfenahme von Verhandlungsprotokollen, Aktenvermerken u.ä. über die früheren Privatisierungsverhandlungen 77. Damit erübrigt sich auch der im Schrifttum erhobene Einwand, ob in Allgemeinen Geschäftsbedingungen abweichend von § 339 BGB eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe hinzunehmen ises. Eine unangemessene 73
Wächter, WM 1994,1319,1322.
74
BGHZ 82, 398, 402.
7S Kiethe, Nachverhandlungen, S. 127 ff. geht dabei in folgendem immer davon aus, daß der Fall des § 340 BGB - Fall der Nichterfüllung der übernommenen Verpflichtung - vorliegt.
76 Zustimmend Horn, DB 1995,359,363.; Preu, DStR 1994, 1497, 1501, der darauf hinweist, daß die Privatisierungsverträge der Jahre 1990 bis 1992 diesbezüglich oft terminologisch unsauber sind. "Arbeitsplatzgarantie" war in vielen Fällen ein untechnisch gebrauchter Sammelbegriff für jede Art von rechtsverbindlichen Arbeitsplatzzusagen; Weimar, DStR 1993,63,65; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 366.
77
Zeuner, ZIP 1993, 1365, 1370.
78 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 118, 124 mit Verweis auf BGHZ 72, 174, 179; BGH NJW 1985, 57; BGH NJW-RR 1991, 1013, 1015; Kiethe geht fehl in der Annah-
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Benachteiligung im Sinne des § 9 AGB-Gesetz kann im Regelfall bei den Vertragsstrafeklauseln der Treuhandanstalt deshalb nicht angenommen werden, weil das Verschuldenserfordernis nicht explizit abbedungen wird79 • 6. Kumulierung von Vertragsstrafe und Rücktritt vom Vertrag
Bei Einstufung der investiven Klauseln als Hauptleistungspflichten könnte im Hinblick auf den Regelungscharakter des § 325 BGB zu bedenken sein, ob die Einordnung der Klausel als Vertragsstrafe wegen Nichterfüllung nicht die Ausübung des sich von der Treuhandanstalt vorbehaltenen Rücktrittsrechts verhindert. § 325 BGB sieht nur die verbindliche Auswahl und Festlegung zwischen Schadensersatz wegen Nichterftlllung und Rücktritt vor. Es ist zu prüfen, ob diese Einschränkung auch im Verhältnis zwischen unselbständiger Vertragsstrafe und Rücktritt gilt, und ob weitergehend abweichend vom Grundsatz des § 325 BGB eine spezialgesetzliche Regelung ein anderes Stufenverhältnis begründen kann. Regelmäßig wird die Vertragsstrafe in den Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt als fixer Geldbetrag festgesetzt. Entweder wird ein bestimmter Prozentsatz der zugesagten Investitionssumme als Vertrags~trafe vereinbart oder wie regelmäßig bei Arbeitsplatzzusagen, ein bestimmter Fixbetrag pro Arbeitnehmer, der entgegen der Beschäftigungszusage nicht weiterbeschäftigt wird 80 • Bei den Unternehmenskaufverträgen beinhaltet die Vertragsstrafenklausel rur den Fall der Nichteinhaltung der investiven Verpflichtungen folgende Regelung: "Die Verpflichtung zur Investition wird von der Vertragsstrafe nicht berührt." Der Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 3 S. 1 In VorG scheint das Nebeneinander von Vertragsstrafe und Rücktritt rur die Fallgruppe sogar vorzuschreiben, bei me, daß dieses Ergebnis für die Vertragspolitik der Treuhandanstalt verheerend sei, weil die meisten Unternehmenstransaktionen aufgrund von Musterverträgen abgewickelt worderi seien und das Verschuldenserfordernis abbedungen worden sei. Die von Kiethe unterstellte Vielzahl von Fällen kann keinesfalls verifiziert werden. 79 Weimar, DStR 1993, 63, 65 f.; u.a. OLG Celle, NJW-RR 1988, 946, 947, worin es heißt: "Unter Zugrundelegung der besonderen Auslegungsrege1n rur die Bestimmung des Inhalts von Musterklauseln zum Zwecke der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz ist davon auszugehen, daß entgegen dem Auslegungsergebnis, das rür individuelle Vereinbarungen gilt, bei rein objektiver Formulierung der Vertragsstrafeklause1 ohne ausdrückliche Einbeziehung des Verschuldenserfordernisses die Klausel dahin auszulegen ist, daß eine verschuldensfreie Vertragsstrafe vereinbart ist ... "; Kiethe, Nachverhandlungen, S. 124. 80
Kiethe, VIZ 1993, 382.
C. Gestaltungsspielraum bei Absicherung der investiven Zwecke
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der die zu privatisier~nden Unternehmen mit RestitutionsansprUchen belastet sind: "Ist der Vermögenswert ein Unternehmen, so ist der Vertrag nur wirksam, wenn er neben einer in dem Bescheid zu bezeichnenden entsprechenden Vertragsstrafenregelung eine Verpflichtung des Erwerbers enthält, das Unternehmen zurUckzuübertragen, falls er .... nicht durchführt." Diese Regelung könnte dahingehend auszulegen sein, daß der Gesetzgeber sich mit der Kumulierung von Vertragsstrafe und Rücktritt dafür entschieden hat, die Vertragsstrafenklausel als Fall der Vertragsstrafe wegen nicht gehöriger Erfüllung im Sinne von § 341 BGB zu handhaben. Denn die Verknüpfung einer Vertragsstrafe wegen Nichterfüllung im Sinne von § 340 BGB mit dem Rücktritt liefe möglicherweise auf eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte und der Intention des InVorG nicht gerecht werdende Kombination einer "Doppelbestrafung" hinaus 81 • Dieser Einwand ist stichhaltig, so daß bei der Vertragsstrafenregelung nach dem In VorG nur eine Auslegung der Vertragsstrafe als Strafversprechen wegen nicht gehöriger Erfüllung gemäß § 341 BGB zulässig ist. Die PrUfung, ob § 325 BGB dispositiv ist, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. § 325 BGB ist zwingendes Recht und kann spezialgesetzlich nicht abbedungen werden.
c. Gestaltungsspielraum der Treuhandanstalt bei der vertraglichen Absicherung der investiven Zwecke Die Treuhandanstalt muß bei der Durchsetzung der investiven Zielsetzungen über einen Spielraum verfügen, der einerseits den verschiedenartigen Unternehmen sowie den unterschiedlichen Forderungen und Wünschen der Investoren gerecht wird. Auf der anderen Seite muß sie der Tatsache Rechnung tragen, daß die Privatisierung eines beträchtlichen Teils von Unternehmen aufgrund der Anmeldung von RestitutionsansprUchen zusätzlich erschwert wird. Das Rechtsstaatsprinzip gebietet es der Treuhandanstalt in ihrer Funktion als Hoheitsträger, die Investoren grundsätzlich gleichzubehandeln. Daher ist die Absicherung der zentralen gemeinwohlbezogenen Vertragsklauseln kein variables Gestaltungsinstrument, sondern unterliegt bestimmten gesetzlichen Schranken.
81 Ebbing, Verkaufspraxis, S. 373 f. differenziert ebenfalls danach, ob es sich in Bezug auf die Rücktrittsmöglichkeit um eine Vertragsstrafe wegen Nichterfullung oder nicht gehörige Erfullung gern. § 341 BGB handelt.
144
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
I. Selbstbindung des Verwaltungshandelns der Treuhandanstalt aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG Das Nebeneinander der von der Treuhandanstalt praktizierten Kaufpreiserhöhungs- und Vertragsstrafen ansätze wirft die Frage auf, in welchem Umfang die Treuhandanstalt bei der Verwirklichung ihres Privatisierungsauftrags einer Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Investoren unterliegt, und wie dies dogmatisch begründet werden kann. Es fragt sich, welche speziellen öffentlichrechtlichen Bindungen fUr die Treuhandanstalt gelten, insbesondere im Hinblick auf Art. 3 GG 82 • Es wurde ausgefUhrt, daß die Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt aufgrund ihres Handelns im Verwaltungsprivatrecht gewissen Beschränkungen unterliegt. Teile des Schrifttums erheben plakativ den Vorwurf, daß eine Unwirksamkeit der Arbeitsplatzzusagen in Betracht kommt, wenn die Treuhandanstalt bei dem Verlangen nach derartigen Zusagen gegen eine durch den allgemeinen Gleichheitssatz begründete Selbstbindung verstoßen hat. So hat der Grundsatz der Chancengleichheit besonderes Gewicht. Die Treuhandanstalt darf in dem gesamten Verkaufsverfahren, angefangen bei den Vertragsverhandlungen bis hin zum Vertragsschluß, nicht willkürlich handeln, und insbesondere im Zuge einer Veräußerung andere Bieter nicht willkürlich übergehen 83 • Schon aufgrund der Präambel zum Treuhandgesetz wird das Gebot zur bestmöglichen Verwertung durch Vereinbarung eines möglichst hohen Kaufpreises relativiert durch die damit kollidierenden sozialen und gesamtwirtschaftlichen Aspekte, die von der Treuhandanstalt ebenfalls in besonderem Maße zu beachten sind. Bei der Kaufpreisbemessung unterliegt die Treuhandanstalt daher echten treuhandgesetzlichen Einschränkungen im Sinne eines gebundenen Ermessens84 • Auch in der Käuferauswahl unterliegt die Treuhandanstalt öffentlich-rechlichen Beschränkungen. Anders als ein Privater kann die Treuhandanstalt zwischen mehreren Bietern nicht völlig frei entscheiden. 82 Preu, DStR 1994, 1265 ff.; Ho/zapjel/Pöllath, Unternehmenskauf, S. 425, mit Verweis auf Kiethe, BB 1994, 7, 8 f.; Weimar, Treuhandgesetz, Rdn. 46: Bindung an die einschlägigen Grundrechte insbesondere an Art. 3 GG (vgl. hierzu von Münch, in: Erichsen/Martens, Allg. Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1992, § 3 11 2,1; ftlr die Treuhandanstalt ebenso Scheifele, BB 1991, 557, 560; Stadtgerichtsbezirk Berlin Mitte ZIP 1990, 1156 f.; Schmidt/Preuß, Die Verwaltung 1992, 327, 334 f., spricht sich rur privatrechtliches Handeln aus; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 332 f. stellt instruktiv den engen Anwendungsbereich des Art. 3 GG aufgrund der Unterschiede im Rahmen der Unternehmensprivatisierung dar.
83
Preu, DStR 1994, 1265, 1267 f.; Weimar, Treuhandgesetz, Rdn. 46.
84
Weimar, Treuhandgesetz, Rdn. 55.
c. Gestaltungsspielraum bei Absicherung der investiven Zwecke
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Entschließt sich die Treuhandanstalt im Einzelfall zur Anteils- bzw. Betriebsveräußerung, so steht die Entscheidung, an wen sie verkauft, in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Sie kann hier nur eingeschränkt autonom entscheiden und muß vielmehr unter Beachtung des Grundsatzes der Chancengleichheit abwägen, welcher Bieter der bestmöglichen ErtUllung des Privatisierungsauftrags am ehesten entspricht85 • Dabei sind neben dem Kaufpreisgebot vor allem soziale Aspekte - die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen - von Bedeutung und jeweils gegeneinander abzuwägen. Es kann im Rahmen der Ermessensentscheidung nicht eine einzig richtige oder falsche, sondern nur eine ermessensfehlerfreie oder eine ermessensfehlerhafte Auswahl geben. Ermessensfehlerhaft sind willkürliche oder auf sachfremden Erwägungen beruhende Entscheidungen. Die Überprüfung der Verkaufsentscheidung der Treuhandanstalt ist nur eingeschränkt justitiabel, da der Treuhandanstalt, anders als bei Entscheidungen aufgrund des numerisch fixierten Höchstgebots, ein Spielraum verbleibt, der tUr Wertungsgesichtspunkte offen ist. Welcher Aspekt letztlich ausschlaggebend ist und ob dieser nach Ermessensgrundsätzen etwa zu Unrecht als ausschlaggebend berücksichtigt wurde, ist somit gerichtlicher Überprüfung nur ausnahmsweise zugänglich86 • Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegt regelmäßig nicht vor, wenn die Treuhandanstalt manche Investoren im Einzelfall vertraglich länger bindet als andere. Als sachlicher Grund ist anzuerkennen, wenn je nach der Größe des Unternehmens und/oder der Strukturschwäche der Region eine zeitliche Strekkung der Arbeitsplatzverpflichtung über den üblichen Zweijahreszeitraum hinaus erfolgt87 • Investive Verpflichtungen des Investors über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren sind aber nur ausnahmsweise anzutreffen. Die Treuhandanstalt bewegt sich damit innerhalb des ihr von Verfassung wegen aus Art. 3 GG vorgegebenen Ermessensspielraums. Das Schrifttum verkennt denn auch nicht, daß die Fragen des Umfangs und der zeitlichen Dauer derartiger Arbeitsplatzzusagen in hohem Maße von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängen. Ein Nachweis eines derartigen Verstoßes außerhalb von Fällen evidenter Verletzungen des Willkürverbots würde im Regelfall schwerfallen 88 • StadtbezG Berlin-Mitte, ZIP 90,1156 und 1161; Preu, DStR 1994,1265, 1267.
85
86 Weimar, Treuhandgesetz, Rdn. 52. Der Verfasser kann aufgrund seiner praktischen Tätigkeit bei der Treuhandanstalt nur bestätigen, daß eine solche Selbstbindung aufgrund des gesetzlichen Auftrags anerkannt wird, und zwar bei der Vertragsgestaltung sowohl rur restitutionsbe1astete als auch nicht anme1debehaftete Unternehmen. 87 In besonders strukturschwachen Gebieten geht die Sanierung der Betriebe einher mit einer weitgehenden Senkung des Kaufpreises bzw. Entschuldung des Unternehmens etc. 88
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 92, Rdn. 288; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 332 f.
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Bei Überprüfung der investiven Zusagen kommt wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 GG immer dann ein Leistungsverweigerungsrecht des Investors in Betracht, wenn die Treuhandanstalt in einer Reihe gleichgelagerter Fälle davon abgesehen hat, auf der vollständigen Einhaltung der Investitionsverpflichtung zu bestehen und im Einzelfall willkürlich die Erftlllung fordert 89 • Eine plausible Begründung ftlr eine unterschiedliche Behandlung im Einzelfall können hier die sogenannten "dringenden betrieblichen Erfordernisse" liefern. Sichtbar wird dies beispielsweise bei der Verzögerung von planungsrechtlichen Genehmigungen wie etwa Baugenehmigungen, die manche Investoren zu ihrer Entlastung vortragen, und die eine unterschiedliche Behandlung von scheinbar zunächst gleich oder ähnlich gelagerten Fällen rechtfertigen. 11. Grenzen der Notwendigkeit einer einheitlichen Vertragsgestaltung Der Gesetzgeber hat zum Schutz der Alteigentümer in den Bestimmungen des In VorG und § 3 Abs. 3 VermG weitergehende Anforderungen an die vertraglichen Verpflichtungen der Investoren gestellt. Die Verftlgungssperre des § 3 VermG wird nur durch die Übernahme investiver Verpflichtungen überwunden, wobei bei Unternehmen in § 8 Abs.3 InVorG eine Rückübertragungsverpflichtung und die Zahlung einer Vertragsstrafe nach Ablauf von 2 Jahren bei Nichterreichung der investiven Zusagen vorgesehen ist. Der Einigungsvertrag und das Treuhandgesetz stellen die Weichen ftlr den Aufgabenkatalog der Treuhandanstalt, ohne die vertragliche Absicherung der Ziele explizit vorzuschreiben. Dies wirft die Frage auf, inwiefern die Treuhandanstalt beanspruchen darf, die verschärften gesetzlichen Vorgaben bei Vorliegen von Restitutionsansprüchen auch auf diejenigen Privatisierungen anzuwenden, in denen ohne die Beschränkungen des VermG und InVorG veräußert werden kann. Erneut ist die Reichweite des grundsätzlichen Gleichbehandlungsgebots von Investoren zu thematisieren. Im Unterschied zu den gesetzlichen Vorgaben des Investitionsvorranggesetzes bei Vorliegen vermögensrechtlicher Ansprüche auf Unternehmen und den dazu gehörenden Grundstücken scheinen die Bindungen der Treuhandanstalt im Rahmen ihres Privatisierungsauftrags in den Fallkonstellationen ohne Restitutionsansprüche gelockert zu sein. Die Autoren, die vehement die Bindung der Treuhandanstalt an den Gleichbehandlungsgrundsatz fordern 90, 89
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 108.
90
Vgl. Kiethe, Nachverhandlungen, S. 32, Rdn. 413; Preu, DStR 1994, 1265, 1267 f.
C. Gestaltungsspielraum bei Absicherung der investiven Zwecke
147
müßten konsequenterweise auch dafür plädieren, grundsätzlich allen Investoren dieselben Pflichten aufzuerlegen und bei Nichterfiillung derselben die gleichen Sanktionen durchzusetzen. Hingegen wollen Teile des Schrifttums den Grundsatz der Gleichbehandlung auf die Privatisierungen ohne die Beschränkungen vermögensrechtlicher Ansprüche nicht so strikt anwenden. Begründet wird dies damit, daß mit der Übertragung des Unternehmens im Ganzen bzw. mit Übertragung der Anteile auf den Erwerber der gesetzliche Privatisierungsauftrag erfiillt sei. Deshalb soll dem Veräußerer, sei es der Treuhandanstalt oder dem entsprechenden Beteiligungsunternehmen, in puncto Investitionzusage allenfalls ein Kontrollrecht zustehen, jedoch keine Verpflichtung zur Kontrolle bestehen91 • Eine derartige Aushöhlung des gemeinwohlbehafteten Privatisierungsauftrags der Treuhandanstalt kann nicht hingenommen werden, und geht an den Realitäten des Vertragsmanagements der Treuhandanstalt vorbei, das bei allen Unternehmensverkäufen die Einhaltung der Investitions- und Arbeitsplatzzusagen zu überwachen hat. Zwar entfällt die Notwendigkeit, ein Investitionsvorrangverfahren durchzuführen, und damit eine der wesentlichen Wirksamkeitserfordernisse der Unternehmensprivatisierungen in den neuen Bundesländern, falls keine vermögensrechtlichen Ansprüche vorliegen; doch der Auftrag der Treuhandanstalt, die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen sowie die Durchsetzung von Investitionen, gilt aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen des Einigungsvertrages und des Treuhandgesetzes in gleichem Maße, wenn das Unternehmen nicht von vermögensrechtlichen Ansprüchen betroffen ist. Die Einstufung der investiven Zwecke als Hauptleistungspflichten verlangt eine Gleichbehandlung der Investoren, vor allem auch im Hinblick auf eine einheitliche Vertragsstrafenregelung bei der Absicherung der investiven Zusagen92 • Die Treuhandanstalt bedient sich daher grundsätzlich in der ganz überwiegenden Zahl der Privatisierungen einer sehr ähnlichen Vertragsgestaltung. Allenfalls gilt hier die Einschränkung, daß sich die Rückübertragungsverpflichtung des Investors bei Vorliegen vermögensrechtlicher
91
Wächter, WM 1994,1319,1320.
92 Weitergehend ist auch im Hinblick auf das Kriterium des Verschuldens bei Nichteinhaltung der investiven Verpflichtungen eine Gleichbehandlung angezeigt, vgl. Abschn. D III 5 dieses Kapitels. - Zu weitgehend wohl der Ansatz von Ebbing, Verkaufspraxis, S. 363 f., der die Treuhandanstalt außerhalb des Investitionsvorrangverfahrens aufgrund ihrer haushaltsrechtlichen Bindung und des Auftrags nach dem THG zur Veräußerung zu Marktbedingungen verpflichten will. Demzufolge soll das InVorG nur Mindestanforderungen stellen und weitergehende Verpflichtungen im Interesse der Zukunftssicherung des Unternehmens nicht ausschließen. Dem stehen die besonders zu schützenden RestitutionsansprUche gegenüber. Es ist schwer einsichtig, darüber hinaus noch verschärfte Anforderungen an die mögliche Pflichtenbindung der Investoren zu stellen.
148
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
AnsprUche gegebenenfalls auf ein Rücktrittsrecht der Treuhandanstalt reduziert, wenn das Unternehmen nicht von Restitutionsansprüchen erfaßt ist. Die Treuhandanstalt verzichtet nicht auf ein Rücktrittsrecht und beschränkt sich auf die Einforderung einer Vertragsstrafe, sondern setzt dieses Gestaltungsrecht als potentielles Druckmittel ein, um von vertragsbrUchigen Investoren nach Ablauf des Mindestzeitraums der Investitionsfrist von zwei Jahren das Unternehmen gegebenenfaIlls wieder zurückzuverlangen. Eine solche Absicherung hat schon deswegen zu erfolgen, da je nach Umfang der zugesagten Investitionen und Arbeitsplätze eine erhebliche Reduzierung des Kaufpreises rur Grund und Boden sowie das andere Anlagevermögen erfolgte. Die Abschwächung der Rückübertragungsverpflichtung des Investors in ein Rücktrittsrecht der Treuhandanstalt ist deshalb plausibel, da die Treuhandanstalt schwerlich verpflichtet werden kann, alle fehlgeschlagenen und zugleich sehr komplexen Untern ehmenskaufverträge rückabzuwickeln. Es kann genügen, von dem vertragsbrüchigen Investor eine empfmdliche Vertragsstrafe einzufordern, um im Nachhinein einen optimalen Verkaufserlös filr das Unternehmen zu erzielen. Zudem ist offenbar, daß die Rücknahme von Unternehmen der erklärten Zielsetzung der Treuhandanstalt, sich sukzessive selbst aufzulösen, zuwiderläuft. Die operativen Abteilungen der Treuhandanstalt, ehemals die Beteiligungsfilhrung und Privatisierungsdirektorate, existieren nicht mehr. Eine Rücknahme und Neuausschreibung der Unternehmen zum Verkauf ist grundsätzlich nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich93 •
D. Kontrollfähigkeit der gemeinwohlbezogenen Vertragsklauseln Der Schutz der Rechtsposition der Alteigentümer bei Nichteinhaltung der investiven Zusagen als auch die Berechenbarkeit staatlichen HandeIns bei der nachhaltigen Durchsetzung gemeinwohlbezogener Ziele in den atypischen Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt erfordern präzise Begriffsbestimmungen und Auslegungsmaßstäbe. Nur dadurch sind die investiven Vertragsklauseln im Hinblick auf ihren offenen Wortlaut und den relativ weiten Gestaltungsspielraum justitiabel. Es müssen daher allgemeingültige Maßstäbe filr die Sicherstellung einer sachgerechten· Überprüfung der investiven Maßnahmen entwickelt werden.
93 Eine Ausnahme hiervon sind die sogenannten Management KG's, die die Restbestände von derzeit noch nicht privatisierten, aber als sanierungswürdig eingestuften Unternehmen privatisieren sollen. Teilweise werden auch von der Treuhandanstalt zurückgenommene Unternehmen durch die Management KG's neu privatisiert.
D. Kontrollfähigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
149
I. Kontrollfahigkeit der Arbeitsplatzzusagen 1. Begriff des Arbeitnehmers und Anrechnung von Teilzeitarbeitsplätzen
Mit der Bezeichung "Arbeitsplatz in dem Unternehmen" ist nicht die konkrete Arbeitsplatzeinrichtung gemeint, sondern die Beschäftigung eines Arbeitnehmers aufgrund eines Arbeitsvertrages. Grundsätzlich kommt auch die Schaffung oder Sicherung von freien MitarbeitersteIlen in Betracht, insbesondere wenn die Einstellung von freien Mitarbeitern in der betreffenden Branche üblich ist, wie beispielsweise bei Architekten94 • Anfangs war umstritten, ob GeschäftsfUhrer in die Gesamtzahl der zu sichernden Arbeitsplätze mit einzubeziehen sind. Eine Auffassung im Schrifttum will sie dann, aber auch nur dann, dazuzählen, wenn sie in Ostdeutschland zum Zeitpunkt der Privatisierung ansässig und nicht wesentlich am Investor beteiligt waren 95 • Eine solche Auslegung ist contra legern, da der Geschäftsführer nicht Arbeitnehmer, sondern Organ der GmbH ist96 • Das Vertragsmanagment der Treuhandanstalt zählt die GeschäftsfUhrer daher nicht als Arbeitnehmer mit. Die Auszubildenden sind schon definitionsgemäß keine Vollzeitarbeitnehmer und können daher grundsätzlich nicht bei der Berechnung der geschaffenen bzw. gesicherten Arbeitsplätze mitgezählt werden. Etwas anderes kann gelten, wenn fUr solche Auszubildende eine Übernahmeverpflichtung besteht oder wenn im Kaufvertrag ausdrücklich eine Bezugnahme auf die Auszubildenden erfolgt ist97 • Letzteres kommt vor allem dann vor, wenn das Unternehmen über beträchtliche Ausbildungskapazitäten verfUgt. Oft läßt sich die Treuhandanstalt die Beschäftigung von Arbeitnehmern auf dem Status von Vollzeitarbeitsverhältnissen zusichern. Solch eine starre Vertragsgestaltung überzeugt nicht und dürfte im Streitfall einer gerichtlichen Billigkeitsprüfung nicht standhalten. Es ist nichts dagegen einzuwenden, im Wege der ergänzenden Auslegung auch Teilzeitarbeitnehmer auf Vollzeitarbeitsplätze umzurechnen. Scheiden Arbeitnehmer freiwillig aus dem vom Investor erworbenen Unternehmen aus, so kann dies nicht dergestalt berücksichtigt werden, daß nunmehr die Verpflichtung zur Vornahme von ErsatzeinsteIlungen entfiele. Die Arbeitsplätze müssen unmittelbar durch die Inanspruchnahme des Vermögenswer-
94
Jesch, in J/LiRIW/K, In VorG, § 3 Rdn. 16.
95
Preu, DStR 1994, 1497, 1498.
96
Vgl. Ricardi, in: Münchener Handbuch, Individualarbeitsrecht I, § 23 Rdn. 104 f.
97
Preu, DStR 1994, 1497, 1499.
150
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
tes gesichert werden. Es genügt aber, wenn die Mitarbeiterzahl ausgehend von der Grundstücksnutzung erreicht wird 98 • Eine nur mittelbare Arbeitsplatzsicherung, etwa die Sicherung der Arbeitsplätze des ausfiihrenden Bauunternehmens durch die Vergabe von Bauleistungen, ist hingegen nicht ausreichend, auch nicht zusätzlich neben unmittelbar gesicherten Arbeitsplätzen99 • 2. Anrechnung von Kurzarbeit
Das Stadium der Kurzarbeit ist dadurch gekennzeichnet, daß das Arbeitsverhältnis fortbesteht, die Arbeits- und Lohnzahlungspflicht aber vorübergehend ausgesetzt sind. Das Arbeitsamt übernimmt während dieses Zeitraums die reduzierte Lohnzahlungspflicht. Beide Pflichten leben aber wieder auf, wenn die Kurzarbeit beendet wird. Die Treuhandanstalt zählt bei der Berechnung der Arbeitsplätze die Kurzarbeiter nicht mit 1oo• Im Schrifttum tritt insbesondere Preu fiir die Anerkennung der Kurzarbeit als beschäftigungswirksamen Zeitraum ein 101. Als problematisch erachtet er den speziellen Fall der "Kurzarbeit 0". Hier ist regelmäßig absehbar, daß eine Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses unwahrscheinlich ist, gleichwohl besteht aber das Arbeitsverhältnis dem Grunde nach fort. Diese Unklarheit der vertraglichen Regelung soll gemäß § 5 AGB-Gesetz zu Lasten der Treuhandanstalt gehen. 102. Es muß betont werden, daß die Zielstellung der Treuhandanstalt grundsätzlich die Sicherung von Arbeitsplätzen in produzierenden Unternehmen ist. Gegebenenfalls lassen sich in EinzelflilIen Argumente fiir eine Mitzählung von Kurzarbeitern aus dem von der Treuhandanstalt akzeptierten Sanierungskonzept ableiten. Kurzarbeit ist aber grundsätzlich bei Fehlen einer abweichenden Regelung im Vertrag nicht anteilig zu berücksichtigen. Die damit verbundenen Härten werden dadurch abgemildert, als sich der Investor bei der Anmeldung von Kurzarbeit wohl regelmäßig durch den Nachweis des Vorliegens sogenannter dringender betrieblicher Erfordernisse entlasten kann 103. Würde man
98
OVG Sachsen-Anhalt, VIZ 1992, 480 f.
99
AA BezG Dresden, VIZ 1992,413.
100
Hierzu liegt bisher noch keine Rechtsprechung vor.
101
Preu, DStR 1994, 1497, 1498.
102
Preu, DStR 1994,1497, 1498 f.
103 Aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist die analoge Anwendung des § 14 In VorG auch auf die Privatisierungen ohne vermögensrechtliche Ansprüche angezeigt.
D. Kontrollfllhigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
151
hingegen auch den Zeitraum der Kurzarbeit als beschäftigungswirksam anerkennen, so entfiele die dem Erwerber obliegende Nachweisführung, daß seine Handlungsweise aus dringenden betrieblichen Erfordernissen heraus motiviert war. 3. Mitzählung von Arbeitnehmern in verbundenen Unternehmen
Grundsätzlich sind Arbeitnehmer in verbundenen Unternehmen i.S.d. Aktiengesetzes (AktG) nicht mitzuzählen, sofern dies nicht ausdrücklich anderweitig vertraglich geregelt ist. Etwas anderes gilt, falls der Käufer auf den zusammen mit dem Unternehmen miterworbenen Grundstücken andere Investoren mitansiedeln will. Dies geschieht vielfach zum Zwecke der Erzielung von Synergieeffekten und einträglichen Gewerbemieten. Der Investor übernimmt auch für den Fall der Nichterfüllung der Arbeitsplatzzusage die alleinige Haftung im Verhältnis zur Treuhandanstalt. Es erscheint nicht unbedenklich, ob im Hinblick auf die Stellung des Altberechtigten ein Investitionsvorrangbescheid unter folgenden Prämissen ergehen kann: Der Investor haftet zwar für die Arbeitsplatzsicherung und Investitionen, aber durch die Mitansiedelung von anderen Unternehmen wird möglicherweise der überwiegende Teil der investiven Maßnahmen von diesen Drittinvestoren erbracht. Mittlerweile hat sich eine teleologische, an den Bedürfnissen der Praxis orientierte Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des Investitionsvorranggesetzes durchgesetzt. Die unmittelbare Schaffung oder Sicherung fremder Arbeitsplätze kann genügen, etwa wenn der Investor sich verpflichtet, insbesondere in dem neu zu errrichtenden Bürohaus eine Mindestzahl von Arbeitsplätzen durch Mieter zu schaffen oder zu sichern. Der Gesetzeswortlaut hebt nur auf die abstrakte Arbeitsplatzsicherung oder -schaffung ab, ohne einen konkreten Bezug zu dem ausführenden Investor herzustellen. Auch der Sinn und Zweck des InVorG steht dem nicht entgegen, da die Schaffung von Arbeitsplätzen den Vorrang bei der Umsetzung von volkswirtschaftlichen Zielen genießt. Bei Weitergabe seiner investiven Verpflichtungen an andere Gerwerbetreibende auf seinen Unternehmensgrundstücken bleibt der Investor aber im Verhältnis zur InvestitionsvorrangsteIle der Treuhandanstalt weiterhin der Verpflichtete mit all den damit verbundenen Konsequenzen. Er ist der Schuldner einer etwaigen Vertragsstrafenzahlung, vgl. § 4 Abs. 2 letzter Satz InVorG 104 • Es ist ein wirtschaftliches Postulat, daß sich andere Gewerbetreibende 104
Jesch, inJ/URIW/K, InVorG, § 3 Rdn. 18.
152
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
auf den von den Investoren miterworbenen Unternehmensgrundstücken mitansiedeln. Dadurch wird eine Aufsplittung in zahllose Gewerbegrundstücke vermieden und gleichzeitig werden Synergieeffekte erzielt. Gerade kleineren mittelständischen Unternehmen mit geringerer Finanzkraft wird es auf diese Weise ermöglicht, sich in wirtschaftlichen Zweckgemeinschaften weiterzuentwickeln. 11. Kontrollfahigkeit der Investitionszusagen 1. Begriffsbestimmung der Investitionen
Der gleiche strenge Kontrollrnaßstab, der filr die Sicherung der Arbeitsplätze zu gelten hat, muß auch bei der Überprüfung von sogenannten Investitionen in das Sachanlagevermögen der Unternehmen gelten. Der Gesetzgeber definiert im InVorG den Begriff der investiven Maßnahmen nicht. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen inhaltliche Konkretisierung Rechtsprechung und Schrifttum vorbehalten bleibt. Die Begriffsbestimmung hat in Übereinstimmung mit der Zielsetzung des Vermögensrechts in den neuen Bundesländern sowie der anderen zur Investitionsförderung bestehenden und erlassenen Gesetze zu erfolgen. Die Betriebswirtschaftslehre unterscheidet grundsätzlich zwischen einer Vielzahl von Investitionsarten. Diese lassen sich im wesentlichen nach der Art der Vermögensgegenstände, filr deren Beschaffung fmanzielle Mittel verwendet werden, in die drei Gruppen Sachinvestitionen, Finanzinvestitionen und immaterielle Investitionen gliedern. Bei der Beurteilung der Kaufinteressenten gilt es filr die Treuhandanstalt bereits an dieser Stelle, das Investitionsprojekt des potentiellen Erwerbers auf seine Konformität mit der Übereistimmung mit dem Gesetz zu überprüfen. Nicht alle Arten von Investitionen genügen den spezifischen Zwecken von Unternehmensprivatisierungen. Oberste Priorität ist, die Wirtschaft in den Beitrittsländern zu einem eigenständigen Industriestandort zu entwickeln. Dies filhrt zu der Abgrenzung, daß den Privatisierungsprozeß fördernde Investitionen nur solche sein können, die zur Erweiterung oder zum Aufbau einer standortgebundenen Einrichtung beitragen. Die Treuhandanstalt wendet überwiegend die folgende Grundfassung einer Investitionsklausel an: Beim asset deal: "Der Käufer verpflichtet sich, in das Sachanlagevermögen des erworbenen UnternehmensIBetriebs bis zum ... DM ... zu investieren ... "
D. Kontrollflihigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
153
und beim share deal: "Der Käufer steht im Verhältnis zur Treuhandanstalt dafür ein und verpflichtet sich insoweit, daß die Gesellschaft innerhalb einer Frist von zwei Jahren ab Übergang der Geschäftsanteile mindestens DM ... in das Sachanlagevermögen der Gesellschaft an ihrem bisherigen Standort investiert ... " Die Berücksichtigung der Belange der Alteigentümer, der Grundsatz der Gleichbehandlung der Investoren und die möglichst nachhaltige Neustrukturierung der Unternehmen legen eine Defmition des Investitionsbegriffs nahe, wie er sich zunächst in dem Sachanlagevermögen einer Kapitalgesellschaft gemäß § 266 Abs. 2 HGB wiederfmdet. Vorschriften mit ähnlicher Intention wie der Auftrag der Treuhandanstalt sind das frühere Investitionszulagengesetz (lnvZuIG) für Investitionen im Zonenrandgebiet und in anderen förderbedürftigen Gebieten sowie das ehemalige Berlinförderungsgesetz (BerlinFG). Anhaltspunkte beinhalten die §§ 1 Abs. 3, 2 und 4 Abs. 2 InvZulG (Voraussetzungen der förderungswürdigen Investionen, Nachweise der Förderungswürdigkeit und förderungswUrdige Investitionen in Forschung und Entwicklung) sowie die §§ 14 Abs. 2 und 19 Abs. 1 BerlinFG (Voraussetzungen für erhöhte Absetzung beweglicher Wirtschaftsgüter und f6rderungswürdige Investitionen). Grundsätzlich gilt, daß Sachanlageinvestitionen, soweit sie sich auf Gebäude und bewegliche Betriebseinrichtungen konzentrieren, als privatisierungsfOrdernd einzustufen sind. GrundstUckskäufe sind dann anerkennungsfähig, wenn sie sich plausibel in das unternehmerische Konzept eingebunden für die gewerbliche Zwecknutzung nachweisen lassen, ansonsten haben sie klassisch spekulativen Erwerbscharkter. Finanzinvestitionen sind bereits von ihrem Wortlaut her keine Investitionen im Sinne des Vermögensrechts. Investitionen müssen gemäß dem Auftrag der Treuhandanstalt somit dem Unternehmen, das Gegenstand des Anteilsverkaufs ist, zugute kommen und sich als Zugang zum Sachanlagevermögen einer in den neuen Bundesländern gelegenen Betriebsstätte auswirken. Wesentlich ist hierbei die Frage der Bilanzierungsfähigkeit der Investition. Aber auch geleaste Gegenstände werden als Investitionen anerkannt, unabhängig davon, ob sie aktivierungsfähig sind. Sobald Leasinggüter langfristig im Unternehmen bleiben, ist der mit einer Investition verfolgte Sinn und Zweck des Treuhandauftrags erfüllt. Aktivierte bzw. aktivierungsfähige Eigenleistungen können grundsätzlich in Höhe der Aufwendungen, die bei der Erstellung durch Dritte entstanden wären, als Investitionen anerkannt werden 105 •
lOS Instruktiv zu den aktivierungsflihigen Eigenleistungen und der Berücksichtigung von Leasinggütem vgl. Preu, DStR 1994, 1777, 1778; kritisch hingegen Bechtolf,
154
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Prinzipiell erkennt die Treuhandanstalt nur Nettoinvestitionen an, außer der Investor weist nach, daß keine Vorsteuerabzugsberechtigung vorliegt. Bisweilen regeln die Parteien des Privatisierungsvertrages in sehr detaillierter Fonn, welche Maßnahmen losgelöst von dem Begriff des Anlagevennögens i.S.d. HGB zusätzlich als Investitionen anerkannt werden können. In diesen Fällen liegt ein Investitionsplan dem Vertrag als Anlage bei. Liegen vennögensrechtliche Ansprüche auf Unternehmen vor, wird die Durchführung eines Investitionsvorrangverfahrens erforderlich. § 3 Abs. 2 Nr. 1 InVorG nennt hierbei als investiven Zweck solche Investitionen, die die Wettbewerbsfiihigkeit verbessern. Solche Investitionen sind im Einklang mit den Zielen der Sanierung und wettbewerb lichen Strukturierung der Unternehmen durchzuführen. Auch hier ist wieder die Aktivierungsfiihigkeit der behaupteten Investitionen in der Bilanz (Steuer- und Handelsbilanz) das tragende Überprüfungskriterium. Des Weiteren müssen die wettbewerbsverbessernden Investitionen geeignet sein, die Stellung des Unternehmens im Wettbewerb zu stärken. Die Beurteilung, ob die Wettbewerbsfiihigkeit des Unternehmens durch das Vorhaben tatsächlich gebessert wird, kann nur im Wege einer Prognose erfolgen. Hierbei kann das unternehmerische Risiko des Investors dergestalt berücksichtigt werden, daß auch Fehlentscheidungen als Investitionen anerkannt werden können. Die prognostizierte Verbesserung der Wettbewerbsflihigkeit muß von einiger Erheblichkeit sein 106 • Der Investor muß die beabsichtigten Investitionen auch finanzieren können; ist der Investor der Verfügungsberechtigte, muß er bereit sein, im Falle der Anmeldung von vennögensrechtlichen Ansprüchen auf das Unternehmen die zur Finanzierung Privatisierungsprozeß, S. 266 f.: Leasing letztlich stellt durch seinen fehlenden verbindlichen Eigentumserwerb und die damit unsichere Objektgebundenheit Ld.R. keine Investition im in diesem Fall ilirderlichen Sinne dar, es sei denn, der Vertrag sieht nach Ablauf einen Kauf des Leasinggegenstands vor, was von dem Investor zugleich ernsthaft beabsichtigt wird. Da es sich dabei jedoch grundsätzlich um spekulative Momente handelt, sollte Leasing grundsätzlich nicht als Investition gewertet werden, wenngleich hier in Anlehnung an die steuerliche Bilanzierungsregel von Leasingverträgen ein Abgrenzungskriterium in der unkündbaren Grundmietzeit zu sehen wäre. Demnach kann die Invesition in den Fällen, in welchen Leasing als ausgeprägte Finanzierungsmöglichkeit genutzt wird, als privatisierungsilirdernd angesehen werden, wenn die Grundmietzeit der Leasing-Gegenstände über 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer liegt.- Bechtolf will immaterielle Investitionen grundsätzlich nicht anrechnen aufgrund ihrer mangelnden Bestimmbarkeit, es sei denn, es handelt sich um PersonaImaßnahmen, die mit dem Personalplan entsprechend plausibel abstimmbar sind oder ein konkret nachweisbare Forschungsprojekt im gewerbeilirdernden Sinne darstellen. 106 FieberglReichenbach, in FIRIMIN, VermG, § 3 Rdn. 104 und § 3 a Rdn. 24; Jesch, in JILlRIWIK, InVorG, § 3 Rdn. 82; Hahne/eid, in: Rodenbach/lSöjkeriLochen, InVorG, § 3 Rdn. 62.
D. KontroIlflihigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
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erforderlichen Mittel dem Unternehmen ohne Besicherung aus dem Unternehmen zuzuführen, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 InVorG. Dies kann eine Kapitalerhöhung, die Bildung von Rücklagen, die Gewährung von Gesellschafterdarlehen etc. bedeuten. Die Finanzierung kann auch indirekt durch die Besicherung oder Verbürgung eines von der Gesellschaft selbst aufgenommenen Darlehens durch den Investor erfolgen. Manche Autoren im Schrifttum stellen nun zur Diskussion, ob nicht neben dieser Außenfmanzierung, "fresh money" genannt, die Investitionen auch aus den in der Gesellschaft vorhandenen Mitteln im Wege der Innenfmanzierung erbracht werden dürfen 107 • So wurde angeregt, die Herkunft der zu investierenden Mittel vertraglich festzulegen 108 • In der Vertragspraxis der Treuhandanstalt haben sich diese Vorschläge, wohl wegen einer etwaigen Ungleichbehandlung der Investoren, aber kaum durchsetzen können. Die Frage ist aber berechtigt, inwieweit beim share deal die Investitionen zulässigerweise mit ausgeschütteten Gewinnen der erworbenen Kapitalgesellschaft bestritten werden dürfen. Eine Meinung im Schrifttum will daher bei Fehlen einer ausrücklichen Regelung im Vertrag die Reinvestition ausgeschütteter Gewinne als Erfüllung der Investitionszusage bewerten 109. Im Wege der Auslegung ist zu ermitteln, welche Art der Finanzierung dem von den Vertragsparteien intendierten Zweck am nächsten kommt. Formulierungen wie "neu in das Unternehmen zu investieren" sprechen vom Wortlaut her zunächst dafür, daß es sich grundsätzlich um dem Unternehmen neu zugeführte Mittel handeln muß. Die Klausel muß nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte gemäß §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden. So erscheint es beispielsweise sachbezogen, daß (Re )investitionen auch aus nicht ausgeschütteten Gewinnen, und damit im Wege der Innenfmanzierung vorgenommen werden. Maßgeblich ist allein die unternehmensstabilisierende Wirkung der Investitionen. Des Weiteren ist die Klausel, wonach der Investor sich verpflichtet, Investitionen vorzunehmen, wie folgt zu handhaben: Der Erwerber muß erforderlichenfalls dafür sorgen, daß der Gesellschaft die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen. Dies gilt z.B. dort, wo es nachweislich zum Sanierungskonzept gehört, durch Standortkonzentrationsmaßnahmen Grundstücke freizumachen und die Sanierung des Unternehmens aus Verkäufen mitzufinanzieren. Demnach ist 107 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 106; Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S.28; Preu, DStR 1994, 1777, 1779; WächterlKaiserIKrause, WM 1992, 293, 301; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 281. 108
WächterlKaiserIKrause, WM 1992,293,301.
109
So z.B. Kiethe, Nachverhandlungen, S. 106.
156
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
diejenige Auslegung vorzugswürdig, derzufolge eine externe Mittelzufuhr nur erfolgen muß, wenn dies ausdrücklich im Vertrag so festgelegt ist. Schließlich ist zu beachten, daß es sich bei dem erwähnten § 2 Abs. 2 S. I Nr. 2 In VorG um eine Spezialvorschrift handelt. Sie gilt nur für den Fall, daß der Verfügungsberechtigte - die Treuhandanstalt - ein anmeldebelastetes Unternehmen für die Durchführung sogenannter Eigeninvestitionen restitutionsfrei machen will. Für den Normalfall der Veräußerung des Unternehmens an einen Dritten gilt diese Mittelzuführungspflicht gerade nicht llo . 2. Fristbeginn für die Durchführung der investiven Vorhaben
Liegen Restitutionsansprüche auf ein Unternehmen vor und folgt daraus die Notwendigkeit, ein Investitionsvorrangverfahren durchzuführen, so kommt der Festlegung des Termins für den Lauf der Investitionsfrist eine wesentliche Bedeutung zu. § 8 Abs. 3 S. 2 InVorG trifft für diesen Fall eine eindeutige Stichtagsregelung. In den Investitionsvorrangbescheid ist zur Wahrung der Rechtsposition der Alteigentümer zunächst eine Mindestfrist von zwei Jahren aufzunehmen, innerhalb derer der Investor ein bestimmtes Investitionsvorhaben durchzuführen hat. Der Stichtag für den zeitlichen Ablauf der Investitionsperiode ist entweder die körperliche Übergabe des Unternehmens oder aber der Zeitpunkt des Wirksam werdens des Kaufvertrages 111 • Nicht selten sieht sich der Investor aber gezwungen, schon vor Wirksamwerden des Vertrages auf eigenes Risiko in das Unternehmen zu investieren, während die InvestitionsvorrangsteIle einen späteren Zeitpunkt für den Beginn des Investitionszeitraums festsetzt. Die investiven Zusagen müssen gemäß der Zielsetzung des In VorG stets zukünftige Maßnahmen zum Gegenstand haben. Nur diese können bei der Entscheidung über den Investitionsvorrang berücksichtigt werden, vgl. § 8 Abs. 3 S. 1 InVorG ll2 . Dies kann zu einer Benachteili110 Grundlegend und überzeugend Preu, DStR 1994, 1777, 1779; zustimmend Ebbing, Verkaufspraxis, S. 281. 111 Die Wirksamkeit tritt oft mit der Nachbeurkundung des Kaufvertrages ein, durch die der Kaufvertrag an den Investitionsvorrangbescheid angepaßt wird. Dieser Bescheid ersetzt auch die GVG (§ 11 Abs. 1 InVorG). Damit wird der schuldrechtliche Vertrag beim asset deal erst wirksam, vgl. § 2 Abs. 1 GVO. Enthält der Kaufvertrag nunmehr eine Rückübertragungsverpflichtung bei Nichteinhaltung der investiven Zusagen, kann der Verfügungsberechtigte die Einhaltung der Investitionszusage durch die Ankündigung der Ausübung des Rückübertragungsrechts erzwingen. Fehlt die Rückübertragungsklausel, ist der Vertrag unwirksam und nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung rückabzuwickeln; vgl. auch Kiethe, Nachverhandlungen, S. 31. ll2
Mitlehner, in: RodenbachlSäfkeriLochen, InVorG, § 8 Rdn. 187.
D. Kontrollflihigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
157
gung derjenigen Inve~toren ruhren, die ein höheres unternehmerisches Risiko wählten oder eingehen mußten, um den Fortbestand des Unternehmens am Markt frühzeitig zu sichern. Nach dem Gesetzeswortlaut dürfen solche Investitionen bei der Revision des Vertrages durch die InvestitionsvorrangsteIle nach Ablauf der Zweijahresfrist nicht mitgezählt werden. Indes ist eine derart am Wortlaut haftende Auslegung des Gesetzes nicht vertretbar. Deshalb sind diese Fälle wie folgt zu lösen: Sind die vorzeitig vor Wirksamkeit des Vertrages erbrachten Investitionen in dem vom Investor rur die Zwecke der Durchführung des Investitionsvorrangverfahren vorgelegten Vorhabenplan aufgeführt, so sind sie anrechenbar. Anzurechnen sind die aufgewandten Anzahlungen auf Anschaffungskosten und entstandene Teilherstellungskosten (arg. § 8 FördergebietsG, § 4 Abs. 3 InvZulG 1986)113. Somit kann im Verhältnis zu den Altberechtigten bei der vertraglichen Fixierung des Investitionsvorhabens zugunsten der Investoren berücksichtigt werden, daß eine verbindliche Bestellung ft1r investive Güter schon vorliegt. Der notwendige Bezug zu dem konkreten Investitionsprojekt ist hergestellt. Die Zielsetzung des InVorG ist, zu verhindern, daß der Investor eigenmächtig vollendete Tatsachen schafft. Seine Vorgehensweise soll nicht im Nachhinein gebilligt und bestätigt werden. Gleichzeitig beschränkt sich darauf aber auch der Schutzzweck des InvorG. Die Zielbestimmung des In VorG wird daher nicht verfehlt, wenn Wirtschaftsgüter fiir das Unternehmen auf Kosten des potentiellen Investors in Anlehnung an seinen Vorhabenplan bestellt werden. 3. Belassungszeitraum der Investitionen im Unternehmen
Die nachhaltige Stabilisierung der Unternehmens strukturen erfordert, daß die Verweildauer der Investitionsgüter in dem jeweiligen Unternehmen rechtlich abgesichert wird. Die vielfältigen Förderprogramme des Staates rur Unternehmensgründer sowie die steuerlichen Vergünstigungen erfordern einen Regelungsmechanismus, der gesetzliche Bindungsfristen und effektive Kontrollen in Bezug auf die staatlich bezuschußten Investitionen vorsieht. So sind steuerlich zinsbegünstigte Kredite und Sonderabschreibungen an die Bedingung geknüpft, daß die bezuschußten Vermögenswerte ft1r einen Mindestzeitraum in Betriebsstätten der neuen Bundesländer eingesetzt werden müssen. Beispielsweise betrifft die Begünstigung des § 3 Investitionszulagengesetz (lnvZulG 1993) einen Mindestzeitraum von I 1/2 bis 2 1/2 Jahren. Im Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet (FördergebietsG) müssen gemäß der Regelung des § 2 Nr. 2 "bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mindestens 3 Jahre nach ihrer Anschaffung oder
1I3
Preu, DStR 1994, 1777, 1780.
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Herstellung zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte des Steuerpflichtigen im Fördergebiet gehören und während dieser Zeit in einer solchen Betriebsstätte verbleiben." DarUberhinaus müssen die in den förderungsWOrdigen Gebieten gelegenen unbeweglichen Wirtschafts güter im eigenen gewerblichen Betrieb mindestens 3 Jahre zu mehr als 80 % der gewerblichen Aktivität dienen. Weiterhin müssen laut § 3 Nr. 2 b FördergebietsG die Baurnaßnahmen, die nach dem 31.12.1993 getätigt worden sind, mindestens 5 Jahre nach ihrer Anschaffung zu eigenbetrieblichen Zwecken verwendet werden. § 4 FördergebietsG sieht die Möglichkeit von Sonderabschreibungen für insgesamt 5 Jahre vor. Es fragt sich, ob diese Fristen sinngemäß auf den investiven Pflichtenkatalog der Treuhandprivatisierungen übertragen werden können, um eine weitgehend gleiche Handhabung der vom Gesetzgeber offerierten Fristen zu gewährleisten. Denkbar erscheint aber auch, den Investoren wegen der spezifischen AufgabensteIlung der Treuhandanstalt kürzere oder im Gegenteil sogar noch längere Fristen aufzuerlegen. In Anbetracht ihrer umfangreichen und in den Konsequenzen weitreichenden Privatisierungsziele fragt sich, ob die Treuhandanstalt diese Fristen nun wortgetreu als Maßstab anwenden will. So stellt sich Z.B. die Frage, warum die Verpflichtung der Käufer zur Belassung von Investitionen in den Unternehmen in Analogie zu den vorgenannten Gesetzen nur auf 3 Jahre angelegt sein sollten. Allein eine solche freiwillige Begrenzung widerspräche der Zielsetzung eines eigenständigen Industriestandortes und seiner langfristigen Ausrichtung. Ein grundsätzlicher Ansatzpunkt wäre beispielsweise der, sich an dem bilanziellen Wirtschaftgüterbegriff des abzuschreibenden Anlagevermögens gemäß den §§ 252 ff. HGB zu orientieren. Demzufolge wären die Investitionen solange im Unternehmen zu belassen, wie es ihrer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer entspricht. Dieser Vorschlag ist aber deshalb abzulehnen, weil er die unternehmerische Entscheidungsfreiheit zu sehr einschränken würde. Maschinen und Fahrzeuge müssen vielfach vor Ablauf des bilanziellen Abschreibungszeitraums ersetzt werden, die Umstrukturierung eines Unternehmens, verbunden mit der Verlagerung von Betriebsteilen u.ä., führt ebenfalls zu einem Austausch des Anlagevermögens. Die verfassungsrechtlich in Art. 12 GG gewährleistete unternehmerische Entscheidungsfreiheit darf nicht mehr als unbedingt nötig durch das "Damoklesschwert der vermögensrechtlichen Ansprüche" beschnitten werden. VorzugsWOrdig erscheint ein Vorschlag im Schrifttum, der sich an dem Investitionsbegriff des überkommenen Berlin-Fördergesetzes, des Investitionszulagengesetzes und des Fördergebietsgesetzes anlehnt 1l4 • Diese Gesetze wiesen 114
Preu, DStR 1994,1777,1781.
D. Kontrollfähigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
159
rur das ehemalige Zqnenrandgebiet und West-Berlin eine nahezu identische Zielsetzung auf wie das jetzige Gesetz rur die neuen Bundesländer über den Vorrang rur Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz. In diesen Gesetzen war eine Dreijahresfrist (oder eine Frist ausgehend von einer geringeren betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer) rur die Belassung der Investitionsgüter in dem Territorium West-Berlins festgelegt. Dies war die gesetzliche Standardregelung rur öffentlich bezuschußte bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, vgl. § 19 Abs. 2 S. 1 BeriinFG, § 4 Abs. 2 Nr. 1 und 3 InvZulG 1986, § 2 FördergebietsG. Die Frist begann im Zweifel mit der vollendeten AnschaffungIHerstellung. Diese Regelung ist auf die Unternehmensprivatisierungen der Treuhandanstalt analog anzuwenden. Hingegen ist der weitergehende Ansatz, demzufolge es in Anlehnung an § 19 Abs. 2 S. 2 BeriinFG und § 2 FördergebietsG im Zweifel zulässig sein soll, das angeschaffte Wirtschaftsgut innerhalb der Dreijahresfrist in eine andere Betriebsstätte desselben Unternehmens zu verbringen, abzulehnen 115. Die sachgerechte Behandlung vermögensrechtlicher Ansprüche und die besonderen Schwierigkeiten bei der Umstrukturierung der Unternehmen in der ehemaligen DDR setzen zunächst eine Zweijahresfrist und dann in Anlehnung an die Fristen der Arbeitsp1atzzusagen noch eine Übergangsfrist rur die Überlassung von Wirtschaftsgütern am gleichen Unternehmensstandort bzw. an der gleichen Betriebsstätte voraus. Es soll verhindert werden, daß Investoren gerade in solchen zentralen Fragen wie der Bewertung von beweglichem Anlagevermögen als Vertragserfilllung solche bedeutsamen Sachwerte von einem ihrer Unternehmen zeitweilig in ein anderes, ebenfalls ihnen gehörendes Unternehmen verlagern können. IH. Kontrolle der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen nach den Vorgaben des InVorG zum Schutz der Alteigentümer Die Überprüfung der investiven Maßnahmen nach Ablauf des Mindestzeitraums von 2 Jahren bei Berücksichtigung von Restitutionsansprüchen bedingt ein vorrangig zum Schutz der Alteigentümer formalisiertes Verfahren. Dennoch eröffnet auch das InVorG eine ganze Bandbreite von Möglichkeiten, den Investitionshemmnissen in den neuen Bundesländern in gebührendem Maße zum Zwecke der Entlastung der Investoren Rechnung zu tragen. Hier stellt sich erneut die Frage nach der Reichweite des Gleichbehandlungsgebots der Investoren. Von besonderem Interesse ist, ob das Kriterium der sogenannten drin115 AA Preu, DStR 1994, 1777, 1781, der dies für zulässig hält, wenn die andere Betriebsstätte ebenfalls in den neuen Bundesländern liegt (arg. § 2 Nr. 2 FördergebietsG).
160
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
gen den betrieblichen Erfordernisse im InVorG analogieflihig auf die Verträge ohne das Vorliegen von Restitutionsansprüchen ist. 1. Feststellung der Durchführung von investiven Maßnahmen
Um eine effektive Kontrolle zu ennöglichen, erlegt die Treuhandanstalt dem Vorhabenträger zumeist stratbewehrt die Verpflichtung auf, die Einhaltung seiner investiven Zusagen durch geeignete Unterlagen nachzuweisen. Die Überprüfung der investiven Verpflichtungen obliegt beim Unternehmenskauf der Abteilung Vertragsmanagement der Treuhandanstalt. In der Mehrzahl der Verträge verlangt die Treuhandanstalt die Einreichung von geprüften Jahresabschlüssen der privatisierten Unternehmen, die von Wirtschaftsprüfern testiert wurden. Regelmäßig trägt der Investor laut der vertraglichen Vereinbarung hierfiir die Kosten. Das Vertragsmanagement der Treuhandanstalt überprüft innerhalb des Zweijahreszeitraums oft vierteljährlich die Einhaltung der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen. Bisweilen lautet die maßgebliche Vertragsklausel aber auch nur dergestalt, daß der Nachweis nach Ablauf des Zweijahreszeitraums durch Vorlage "geeigneter Unterlagen" zu erfolgen habe. Manche Investoren weigerten sich in der Folgezeit, prüffähige Unterlagen in Fonn von Wirtschaftsprüfertestaten zur Verfiigung zu stellen. Fonnlose Schreiben, mit denen manche Investoren Rechenschaft abzulegen gedenken, reichen nicht aus. Das Kriterium der vorgenannten geeigneten Unterlagen ist gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, daß die mit der Bilanzerstellung und Prüfung des Jahresabschlusses beauftragten Wirtschaftsprüfer auch in Bezug auf die Zahl der gesicherten Arbeitsplätze und der durchgefiihrten Investitionen entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Der InvestitionsvorrangsteIle der Treuhandanstalt obliegt beim Unternehmenskauf im Gegensatz zum Grundstückskauf hingegen keine eigene Prüfungspflicht, da ein Widerruf des Vorrangbescheids nicht vorgesehen ist, wenn die zugesagten Maßnahmen nicht innerhalb der ersten zwei Jahre durchgefiihrt wurden. Es bleibt bei einer rein zivilrechtlichen vertraglichen Lösung. Der Verfiigungsberechtigte hat die Möglichkeit, von dem gemäß § 8 Abs. 3 In VorG vorzubehaltenden Rückübertragungsanspruch Gebrauch zu machen ll6 .
116 Uechtritz, BB 1992, 1649, 1653; Wächter, WM 1992, 1841, 1843 f.: § 15 InVorG, der den Widerruf von Vorrangbescheiden regelt, ist eindeutig nicht auf Unternehmen anwendbar. Dies ergibt sich auch aus der Begründung zu § 23 des Regierungsentwurfs. - Zu der Verpflichtung, analog § 15 In VorG von dem Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen, wenn der Alterechtigte dies fordert, vgl. Uechtritz, BB 1992, 1649, 1656.
D. Kontrollfähigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
161
Dies ist ein maßgeblicher Unterschied zur Widerrufsmöglichkeit des Investitionsvorrangbescheids bei reinen Grundstücksverkäufen der Treuhandanstalt. Auf Antrag des Investors oder der Treuhandanstalt entscheidet die InvestitionsvorrangsteIle nach Anhörung der Beteiligten nach Ablauf der Investitionsfrist gemäß § 13 Abs. 2 In VorG durch feststellenden Verwaltungsakt. Dieser stellt zwischen dem Verfügungsberechtigten, dem Anmelder und dem Vorhabenträger verbindlich fest, daß die investiven Maßnahmen fristgerecht durchgeführt wurden. Der Feststellungsbescheid ergeht als Verwaltungs akt mit Doppelwirkung gegenüber dem Vorhabenträger, dem Verfügungsberechtigten und dem Altberechtigten gleichermaßen 117. Mit Unanfechtbarkeit des Feststellungsbescheids steht endgültig fest, daß der Investitionsvorrangbescheid nicht mehr widerrufen und die Rückübertragung des Vermögenswertes wegen Nichtdurchführung der zugesagen Maßnahmen nicht mehr verlangt werden kann. Dies schließt andere, gegebenenfalls noch bestehende vertragliche Rücktrittsrechte nicht aus. Insoweit trifft der Bescheid keine weitergehenden Feststellungen im Hinblick auf die sonstigen Rechte und Pflichten der Parteien aus dem investiyen Grunstückskaufvertrag. 2. Wesentliche Fertigstellung des investiven Vorhabens i.S.v. § 13 Abs. 1 InVorG
Der Gesetzgeber macht in § 13 Abs. 1 S. 2 und 3 In VorG ein weitgehendes Zugeständnis an die Investoren. Er statuiert, daß es "bei Unternehmen und den für diese benötigten Grundstücken genügt, wenn die für die ersten beiden Jahre zugesagten Maßnahmen durchgeführt werden. Ein investives Vorhaben gilt als durchgeführt, wenn es im wesentlichen fertiggestellt ist." Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "wesentlich" ergibt, daß ein Vorhaben dann fertiggestellt ist, wenn es im Großen und Ganzen dem vorgelegten Vorhabenplan entspricht. Das Fehlen von Details ist unschädlich. Die Wesentlichkeitsgrenze für die Fertigstellung und damit für die Durchführung im Sinne der Vorschrift ist jedoch nach der herrschenden Auffassung im Schrifttum dann unterschritten, wenn der Investor um mehr als 10 % von den zugesagten Planzahlen, Z.B. im Hinblick auf die Zahl der Arbeitsplätze, abweicht ll8 . Entscheidend ist, ob eine Gleichwertigkeit zwischen ursprünglichem Investitionsvorhaben und durchgeführter Maßnahme angenommen werden kann. Ein vom Investor selbst vorgelegter Vorhabenplan ist vorrangig als
117
Racky, in: J/LiRIW/K, InVorG, § 13 Rdn. 7.
118 Gemmeke, in: RodenbachlSöfkeriLochen, InVorG, § 13 Rdn. 12.; es sind hiergegen verfassungsrechtliche Bedenken wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot anzumelden.
11 HeB
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Bewertungsmaßstab zugrundezulegen 1l9 • Die Planzahlen des Vorhabenplans können als Indizien dafUr herangezogen werden, daß eine wesentliche Abweichung von dem ursprünglichen Plan eingetreten ist. Dies allein reicht jedoch für die Feststellung nicht aus. Entscheidend ist vielmehr eine Gesamtschau der durch den Investor innerhalb des festgelegten Zeitraumes durchgeführten Maßnahmen. Sofern daher die tatsächlich durchgeführte Maßnahme zu vergleichbaren Investitionen und zur Schaffung einer vergleichbaren Anzahl von Arbeitsplätzen geführt hat, liegt eine wesentliche Abweichung nicht vor. Es stellt ebenfalls keine wesentliche Abweichung dar, wenn der Vorhabenträger die vorgesehenen Maßnahmen auf einem anderen Wege erreicht hat als noch in dem Vorhabenplan ursprünglich vorgesehen. Ob daher eine wesentliche Abweichung von dem ursprünglichen Investitionsvorhaben vorliegt, ist ergebnisbezogen zu beurteilen, um den jeweiligen Vorhabenträgern die notwendige unternehmerische Freiheit zu belassen. Hierbei sind auch die Maßnahmen zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt des Fristablaufs noch nicht durchgeführt sind, die jedoch beispielsweise durch den Nachweis verbindlicher Bestellungen durchgeführten Maßnahmen im Einzelfall gleichstehen können. Als Beispiel kann gelten, daß für eine bereits fertiggestellte Halle die Produktionsanlagen bestellt sind und derzeit nur noch auf die Auslieferung gewartet wird l20 . Weicht der Vorhabenträger innerhalb der gesetzten Frist von den ursprünglich in dem Vorhabenplan dargestellten Nutzungsmöglichkeiten ab, so kann dies unschädlich sein, sofern die tatsächliche Nutzung kein "aliud" zu dem seinerzeit vorgestellten Plan darstellt und insbesondere nach Art der Ausführung und des Zwecks vergleichbar und gleichwertig ist. Aufgrund der schutzwÜTdigen Interessen der Altberechtigten sind allerdings erhöhte Anforderungen an die Nachweispflicht durch den Vorhabenträger zu stellen, wenn dieser von dem ursprünglich vorgestellten Vorhabenplan abgewichen ist. Der Investor hat daher im eigenen Interesse rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Durchführung der Investitionen einzureichen. Der Vorhabenträger weicht wesentlich von der Zusage ab, wenn die für die Investitionsvorrangentscheidung maßgeblichen Elemente, also z.B. die Zahl der zugesagten Arbeitsplätze, wesentlich verändert werden. Als wesentliche Abweichung ist auch der Fall anzusehen" daß der Erwerber das zugesagte Unternehmenskonzept grundlegend ändert I2I • Die zugesagte Maßnahme ist
119
Racky, in: J/URIW/K, InVorG, § 8 Rdn. 39.
120 Racky, in J/URIW/K, InVorG, § 13 Rdn. 4; Messerschmidt VIZ 1992, 397, 398 mit Fn. 11.
121 Mitlehner, in: Rodenbach/Söjker/Lochen, InVorG, § 8 Rdn. 210 und § 14 Rdn. 34 ff. und Fieberg/Reichenbach, in: F/RiM/N, VermG, § 3a Rdn.63 ff.
D. Kontrollflihigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
163
nicht durchgefilhrt, wenn der Vorhabenträger nicht mit der Maßnahme begonnen hat oder wenn er sie nicht fristgerecht durchfilhrt. Der Investor hat auf die Besonderheiten des Investitionsvorrangverfahrens zu achten, um die Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrages bei einer wesentlichen Änderung seines Vorhabens zu vermeiden. Hat z.B. der Altberechtigte gegen den Vorhabenbescheid geklagt, fristgerecht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, ist dieser Antrag nicht rechtskräftig abgelehnt worden, und hat der Investor schließlich noch nicht nachhaltig mit der zugesagten Investition begonnen, so muß der Investor ein erneutes Vorrangverfahren filr das geänderte Vorhaben beantragen. Ansonsten läuft er Gefahr, das Unternehmen zurückgeben zu müssen 122 • 3. Hemmung der Investitionsfrist
Die Rechte der Alteigentümer auf Restitution ihrer Vermögenswerte werden weiter eingeschränkt, wenn den Investor kein Verschulden an der Nichtdurchftlhrung der Investitionen trifft. Grundsätzlich tritt eine Fristhemmung ein, der Investor erlangt einen Fristaufschub. Gemäß § 14 Abs. 2 InVorG erlangt der Erwerber eines mit Restitutionsansprüchen belasteten Unternehmens unter folgenden Voraussetzungen eine Fristverlängerung: "Bei investiven Verträgen über Unternehmen ist die Frist gehemmt, soweit der Erwerber aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die zugesagten Maßnahmen nicht durchfilhren kann, sofern ihre Ausfilhrung noch möglich ist. Ist die Nichtdurchfilhrung oder wesentliche Änderung des Vorhabens auf zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht voraussehbare, dringende betriebliche Erfordernisse zurückzufilhren, so entfällt die Rückübertragungspflicht aus dem Vertrag." Neben dem Nichtverschulden des Vorhabenträgers an der Nichtdurchfilhrbarkeit der zugesagten Maßnahme ist als weitere Voraussetzung einer Fristhemmung zu nennen, daß die Durchfilhrbarkeit der zugesagten Maßnahme noch möglich, d.h. objektiv möglich ist 123 • Der Satz hat rein deklaratorische Funktion, denn bei Unmöglichkeit der Realisierung kann es naturgemäß kein Fristende geben. Die Rechtsfolge der Unmöglichkeit der Realisierung des Vorhabens kann nur die Rückübertragungsverpflichtung des Investors, unabhängig von seinem Verschulden, sein. Denn der endgültige Eigentumsverlust des Berechtigten ist nur dann im Rahmen des InVorG zu vertreten, wenn die mit dem Gesetz beabsichtigten Zielsetzungen verwirklicht werden.
"*
122
BVerwG vom 18.12.92, VIZ 1993, 155.
123
Gemmeke, in: RodenbachlSäfkeriLochen, InVorG, §14 Rdn. 28.
164
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Der Zeitraum, filr den die Fristhemmung besteht, ist in die laufende Frist nicht einzurechnen, vgl. § 205 BGB. Da mögliche Hemmnisgründe regelmäßig filr die Treuhandanstalt nicht erkennbar sein können, ist der Investor im Eigeninteresse gehalten, die Treuhandanstalt über den Eintritt solcher Gründe umgehend zu informieren 124. Ebenso ist er verpflichtet, den Verfilgungsberechtigten zu informieren, wenn die Gründe wieder weggefallen sind. Diese Pflicht ergibt sich filr den Investor unmittelbar als vertragliche Nebenpflicht aus dem investiyen Vertrag. Verbleiben aufgrund einer unterlassenen Mitteilung später Zweifel im Hinblick auf das Vorliegen entsprechender Hemmnisgründe, so gehen diese zu Lasten des Investors. Ist die Durchführung der Maßnahme nachträglich unmöglich geworden, tritt eine Hemmung des Fristablaufes nicht ein. Mit "Unmöglichkeit" ist in diesem Fall allein die sogenannte nachträgliche Unmöglichkeit gemeint 12S • Hier kann eine Hemmung der Frist das avisierte Ziel, nämlich die Zweckerreichung zu sichern, ohnehin nicht erfilllen. Es ist von Gesetzes wegen im Hinblick auf die Altberechtigten filr die Rechtsfolgen ohne Belang, ob die· Unmöglichkeit auf Gründen beruht, die der Investor zu vertreten hat oder nicht. Das Unternehmen ist in jedem Falle zurückzuübertragen. Eine Hemmung nach § 14 InVorG und damit ein Aufschub bei Investitionen kommt insbesondere in Betracht, wenn die Verzögerung bedingt ist durch die Nichterteilung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen, die ohne schuldhaftes Zögern nach Vertrags schluß beantragt wurden, durch nicht vorhergesehene Altlastenprobleme etc.. § 14 InVorG ist darüber hinaus konsequenterweise analog auf die Fallkonstellation anzuwenden, daß vermögensrechtliche oder öffentlich-rechtliche Restitutionsansprüche erst nach Vertrags schluß bekannt werden, und die Durchfilhrung eines Investitionsvorrangverfahrens notwendig wird. Dies filhrt regelmäßig zu beträchtlichen Verzögerungen bei der Durchfilhrung des Investitionsvorhabens. Investiert der Käufer während des Zeitraums, in dem der Vertrag schwebend unwirksam ist, so geht er ein hohes Risiko ein. Unterliegt er im Investitionsvorrangverfahren gegenüber dem Alteigentümer, so kann er Ersatz vonseiten der Treuhandanstalt oder des Alteigentümers nur nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung erlangen. Hier muß sich der Investor insbesondere den Einwand der aufgedrängten Bereicherung gefallen lassen, der seinen Ersatzanspruch beträchtlich mindern kann.
124
Racky, in: J/LiRIW/K, InVorG, § 14 Rdn. 12.
125 Racky, in J/LiRIW/K, InVorG, § 14 Rdn. 12: Bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit gilt § 306 mit der Folge der unheilbaren Nichtigkeit. Bei anfänglicher subjektiver Unmöglichkeit tritt die Garantiehaftung durch den Investor ein.
D. Kontrollfähigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
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4. Ausschluß der Vertragsstrafe und der Verpflichtung zur Rückübertragung des Unternehmens
Der Gesetzgeber hat auch den Schutz der Investoren im Verhältnis zu den Alteigentümern, insbesondere bei Vorliegen von Restitutionsansprüchen, zu gewährleisten, wenn die investiven Zwecke aus von den Investoren nicht zu vertretenden Gründen nicht innerhalb der Zweijahresfrist erfüllt werden können. Der Gesetzgeber geht dergestalt vor, indem die Frage des Verschuldens im In VorG an dem spezifischen, aus dem Arbeitsrecht entlehnten Begriff der sogenannten dringenden betrieblichen Erfordernisse aufhängt. Somit sind die Unterschiede zwischen dem Nichtvertretenmüssen gemäß dem herkömmlichen Verschuldensbegriff und der tatbestandlichen Erfüllung sogenannter dringender betrieblicher Erfordernisse herauszuarbeiten. Das gesetzliche Modell des Leistungsstörungsrechts wird bei der Frage der Ersatzleistung von dem Kompensationsgedanken beherrscht. So setzen Schadensersatz und die Entrichtung einer Vertragsstrafe grundsätzlich ein Verschulden voraus. § 339 BGB knüpft die Verwirkung der Vertragsstrafe an das Vorliegen des Verzugs i.S.d. §§ 284, 285 BGB. Der Schuldner kann sich unter den Voraussetzungen des § 282 BGB entlasten, indem er nachweist, daß ihn an der Verzögerung der Leistung kein Verschulden trifft l26 . Bei der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern ist die Zahlung einer Vertragsstrafe und die Rückübertragung des Unternehmens an den Alteigentümer ausgeschlossen, wenn gemäß § 14 Abs. 2 In VorG das Vorliegen sogenannter dringender betrieblicher Erfordernisse als Entlastungsbeweis geführt werden kann. Eine von der Treuhandanstalt verwendete Klausel lautet beispielhaft: § ... Investitionen (1) ...
(2) Kommt der Käufer seiner Investitionsverpflichtung gemäß Abs. 1 nicht nach, so ist die Treuhandanstalt berechtigt, von dem Käufer eine Vertragsstrafe in Höhe der Unterschreitung der zugesagten Investitionssumme zu verlangen. Die Verpflichtung zur Investition wird von der Vertragsstrafe nicht berührt. (3) Der Käufer wird die Durchführung der Investitionen jeweils innerhalb eines Monats nach Ablauf der Investitionsfristen, spätestens bis zum ... , durch geeignete Unterlagen unaufgefordert nachweisen.
126
MünchKomm/Söllner, BGB § 339 Rdn. 16.
166
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Bei Vorliegen vennögensrechtlicher Ansprüche kommen neben der überkommenen Defmition des Verschuldens ergänzend die spezialgesetzlichen Festlegungen des InVorG zur Anwendung: (4) Abs. 2 kommt nicht zur Anwendung, wenn der Käufer nachweist, daß rur die Nichteinhaltung der Verpflichtung aus Abs. 1 dringende betriebliche Erfordernisse ursächlich waren, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht voraussehbar waren. " Die begriffliche Eingrenzung des unbestimmten Rechtsbegriffs der sogenannten dringenden betrieblichen Erfordernisse stößt auf Schwierigkeiten. Schon die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 14 Abs. 2 S. 2 In VorG läßt keinerlei Rückschlüsse auf das Gewollte zu. Allein der Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf des sogenannten Hemmnisbeseitigungsgesetzes gibt einen gewissen Aufschluß darüber, wie der Gesetzgeber den Begriff der dringenden betrieblichen Erfordernisse verstanden haben will. Danach ist der Begriff aus dem Kündigungsschutzrecht (§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG) entliehen und soll die Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher und unternehmenspolitischer Notwendigkeiten ennöglichen 127 • Teile des Schrifttums kritisieren, daß der Gesetzgeber es versäumt hat, den Anwendungsbereich der sogenannten dringenden betrieblichen Erfordernisse einzugrenzen. Der Tenninus sei viel zu unbestimmt 128 • Es ist schon unklar, ob darunter nur solche Erfordernisse fallen, deren Nichtbeachtung die Existenz des Betriebs gefährden, oder ob der Vorhabenträger zur Begründung der wesentlichen Änderung bzw. Nichtdurchfilhrung des Vorhabens nur solche betriebliche Erfordernisse vortragen kann, die irgendeinen Bezug zum Objekt haben. Der Gesetzeswortlaut gibt filr derartige Einschränkungen nichts her. Der Vorhabenträger kann daher, wenn das jeweilige Objekt z.B. Teil eines Betriebs mit mehreren Standorten werden soll, dringende betriebliche Erfordernisse des (Gesamt-)Betriebs vortragen und das Grundstück bzw. Gebäude vollständig anders nutzen als im vorgelegten Plan. Dadurch kann jede wirksame Kontrolle des Vorhabenträgers ausgeschlossen werden, was eine zusätzliche Geflihrdung der Bestandskraft erteilter Investitionsbescheinigungen im Falle einer gerichtlichen Nachprüfung darstelle 29 •
127
Gemmeke, in: RodenbachlSäfkerlLochen, InVorG, § 14 Rdn. 38.
128 Wittmann, DtZ 1991,'175, 177; damals noch zur Einfügung des § 3 a in das VerrnG; der dann praktisch unverändert - vgl. "dringende betriebliche Erfordernisse" in das InVorG übernommen wurde. - Für eine Auslegung je nach dem Einzelfall vgl. z.B. Messerschmidt, WiB 1994,377,381.
D. Kontrollfähigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
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So besehen liegen nur dann dringende betriebliche Erfordernisse vor, wenn es dem Vorhabenträger nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch die Nichtdurchführung oder wesentliche Änderung der zugesagten Maßnahmen zu entsprechen, um damit eine Existenzgefahrdung des Betriebes zu vermeiden. Die dringenden betrieblichen Erfordernisse müssen einen Bezug zu dem zu den investiven Zwecken herangezogenen Unternehmen haben, d. h. unmittelbar mit dem Objekt zusammenhängen. Andererseits sind nur die Verhältnisse des Betriebes maßgebend. Ist der Betrieb Bestandteil eines Unternehmens oder gar eines Konzerns, sind deren Verhältnisse nicht von Bedeutung. Dringende betriebliche Erfordernisse können sich sowohl aus innerbetrieblichen Gründen, Z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Produktionsumund/oder Produktions einstellungen, als auch aus außerbetrieblichen Gründen Z.B. Auftrags- und/oder Absatzrückgang, Gewinnverfall und Rentabilität ergeben 130. Im Schrifttum wird insbesondere die Einführung von Kurzarbeit im Unternehmen unter dem Prüfkriterium des Vorliegens von dringenden betrieblichen Erfordernissen erörtert. So wird die Ansicht vertreten, daß schon die Feststellung des Tatbestands der objektiven Ptlichtwidrigkeit bei der Überprüfung der Einhaltung der Arbeitsplatzzusage schwierig ist 13l • Es handelt sich bei der Kurzarbeit um einen echten Grenzfall, indem nicht die Kündigung von Arbeitnehmern erfolgt, sondern lediglich unter Kürzung des Lohnanspruchs zur Einführung von Kurzarbeit im Unternehmen übergegangen wird 132 • Der Bezug zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen wird dadurch hergestellt, als die betriebsübliche Arbeitszeit durch Änderungskündigung bzw. arbeitsvertraglich nur mit Zustimmung des Betriebsrates im Regelfall verkürzt werden
129 Witfmann, DtZ 1991, 175, 177: Der Berechtigte kann sich darauf berufen, daß das öffentliche Interesse daran, das Grundstück an den Vorhabenträger zu veräußern, um so geringer ist, je weniger die tatsächliche Realisierung des Vorhabens abgesichert ist.
130 Gemmeke, in: RodenbachlSöfkerlLochen, InVorG, § 14 Rdn. 40, 41; vgl. auch Huecklvon Hoyningen-Huene, KSchG, § 1, Rdn. 363 ff; Preis, in: Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., 1991, Rdn. 624 ff.; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 278 verneint, daß ein Wegbrechen der Ostmärkte ein dringendes betriebliches Erfordernis i.S.d. § 14 InVorG darstellen kann, da durch eine solche weite Auslegung die Restitution und damit die Rechte des Altberechtigten unzulässigerweise vereitelt würden. 131
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 120.
132
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 36 f.; vgl. auch Abschn. D I. 2.
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
kann, vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Es sind aber Fälle denkbar, in denen Belegschaft wie Betriebsrat eine Arbeitszeitverkürzung unbeschadet der Lohneinbuße als vergleichsweise geringeres Übel in Kauf nehmen. Hiervon ausgehend ist mit der erforderlichen Betriebsratszustimmung regelmäßig zu rechnen, wenn die Voraussetzungen fUr die Gewährung von KurzarbeitergeId erfUlit sind, vgl. § 64 AFG 133 • Da die von den Investoren übernommenen Treuhandunternehmen häufig, wenn nicht gar regelmäßig, mit dem Ziel der Belegschaftsreduzierung umstrukturiert werden, sind auch insoweit die Voraussetzungen der sogenannten dringenden betrieblichen Erfordernisse gegeben '34 • Es bedarf allerdings in vielen Fällen nicht der Zuhilfenahme der vom Gesetzgeber zusätzlich offerierten Entlastungsmöglichkeit über die sogenannten dringenden betrieblichen Erfordernisse. Bei den Unternehmensprivatisierungen der Treuhandanstalt lassen sich die typischen Fallkonstellationen, in denen der Investor sich wegen der Nichteinhaltung der investiven Verpflichtungen entlasten muß, schon unter Zuhilfenahme des herkömmlichen Verschuldensbegriffs lösen. Ein Verschulden bei Unterschreitung der Beschäftigungsverpflichtung ist beispielsweise zu verneinen, wenn trotz entsprechender Suchbemühungen und marktüblicher Lohnangebote keine für die Einhaltung der Zusage ausreichende Arbeitnehmerzahl eingestellt werden kann 13S. Dies dürfte allerdings bei der Arbeitsmarktsituation in den neuen Bundesländern selten sein. Der Investor kann sich ebenfalls entlasten, wenn sich beispielsweise die DurchfUhrung von Investitionsmaßnahmen in einem Unternehmen aufgrund eines rechtmäßigen Streiks der Beschäftigten dieses Unternehmens verzögert. Der Unternehmenskäufer braucht sich das Verhalten seiner Arbeitnehmer nicht als Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen 136 • Denkbar ist auch eine Entkräftung des Schuldvorwurfs in den Fällen, wenn allein die Abweichung von der Arbeitsplatzgarantie den wirtschaftlichen Ruin des Unternehmens und damit den Verlust sämtlicher
133
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 36.
134 Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 37, der problematisiert, ob die Leistung (KurzarbeitergeId) vom Arbeitsamt unter Hinweis auf die abgegebene Arbeitsplatzgarantie verweigert werden kann. Berechtigt wäre dies allenfalls, wenn die vertragliche Zusage über das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien hinaus im Sinne eines Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 BGB) Rechtswirkungen gegenüber dem Arbeitsamt entfalten würde. Dies ist abzulehnen. 135
Wächter, WM 1994, 1319, 1322 und Lehmann, DStR 1993, 802, 804.
136 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 128 und Palandt/Heinrichs, BGB, § 278 Rdn. 8 m.w.N.
D. Kontrollflihigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
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Arbeitsplätze verhindern kann 1J7 • Dem Erwerber, der Z.B. im Hinblick auf eine schlechte Absatzlage entgegen der Arbeitsplatzgarantie Arbeitnehmer entläßt, ist die Pflichtwidrigkeit seines Handelns zweifelsohne bewußt. Daß dieser Pflichtenverstoß unter Umständen aber die einzige Möglichkeit zur Fortführung des Unternehmens mit den verbleibenden restlichen Arbeitnehmern eröffnet, will eine Auffassung im Schrifttum im Rahmen der Verschuldensprüfung unter dem Gesichtspunkt der Vorwerfbarkeit berücksichtigen 138 • Darüber hinaus soll nach dieser Auffassung in den Verträgen der Treuhandanstalt der Schuldvorwurf in AusnahmeflilIen bei Unzumutbarkeit pflichtgemäßen Handelns entkräftet sein. Die Konsequenz ist die, daß die Vertragsstrafe entflillt, obwohl im BGB Schuldausschließungsgründe in casu nicht geregelt sind 139 Dem ist entgegenzuhalten, daß dadurch die Möglichkeiten von Entschuldigungsgründen im Zivilrecht bei weitem überdehnt werden 140. Einer zweifelhaften Subsumtion unter den Begriff des Verschuldens im Sinne des § 276 BGB bedarf es in dem vorgenannten Fall nicht, da diese Konstellation unter dem Tatbestand der sogenannten dringenden betrieblichen Erfordernisse zu erfassen
ise 41 • Bei Nichterfüllung der Investitionszusagen ist ein Verschulden dann zu verneinen, wenn Investitionsfristen aufgrund von nicht absehbaren Überlastungen von Auftragnehmern oder Fristüberschreitungen von Auftragnehmern herrühren. Ein Verschulden ist auch bei höherer Gewalt zu verneinen, etwa bei Entlassungen aufgrund einer Zerstörung des Werkes durch Feuer. Entwicklungen der Märkte, der Konjunktur oder Unternehmenskrisen, die allesamt die
137 Weimar, DStR 1993,63,66; Kiethe, Nachverhandlungen, S. 128, wonach bei den in Treuhand-Musterverträgen enthaltenen Garantien - Einzelfallbetrachtung - festgestellt werden kann, daß der Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit der Erfllllung der gemachten Zusagen um so eher herangezogen werden kann, wenn es sich bei dem veräußerten Unternehmen von vornherein um ein nicht bzw. kaum sanierungsflihiges Unternehmen gehandelt hat. 138
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 38.
139 Palandt/Heinrichs, BGB § 276 Rdn. 7; Holzapjel/Pöllath, Unternehmenskauf, S. 429, wonach in Bezug auf das "Vertretenmüssen" die allgemeinen Grundsätze gelten. Wegen der Besonderheiten der Privatisierungsverträge soll indes ausnahmsweise auf den auch im Zivilrecht anwendbaren Gesichtspunkt der "Unzumutbarkeit" zugunsten des Erwerbers zurückzugreifen sein, vgl. Kiethe, VIZ 1993, 382, 385; Palandt/Heinrichs, § 276, Rdn. 6 und Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 38. 140
Wächter, WM 1994, 1319, 1323.
141 Somit gelangen alle Auffassungen, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, zum gleichen Ergebnis.
170
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
zugesagten Maßnahmen nachträglich betriebswirtschaftlich unsinnig werden lassen, sind demgegenüber nicht geeignet, das Verschulden auszuschließen. 5. Analoge Anwendung des Kriteriums der dringenden betrieblichen Erfordernisse auf Privatisierungen ohne Restitutionsansprüche
Einige Auffassungen im Schrifttum sehen die tatbestandlichen Voraussetzungen des überkommenen Verschuldensbegriffs in den Privatisierungsverträgen ohne Restitutionsansprüche vor dem Hintergrund der spezifischen rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in den neuen Bundesländern als zu eng an. Diese Autoren beftlrworten weitergehende Entlastungsmöglichkeiten für die Investoren 142 • Ein Vorschlag geht dahin, losgelöst vom Verschuldensprinzip die unvorhergesehenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten unter die Rechtsfolgenlösung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu subsumieren. Die Rechtsfolge ist demnach eine Anpassung, d.h. eine Reduzierung der Arbeitsplatzverpflichtung an die nicht vorhergesehenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten 143. Diese Lösung weist erhebliche dogmatische Schwächen auf. Eine Argumentation, die auf dem Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage aufbaut, hat stets die Verteilung der Risikosphären zu beachten. Das Nichteintreten von Umsatzerwartungen ist aber nonnalerweise Käuferrisiko. Diesem Einwand kann nur mit dem Hinweis auf die Besonderheiten der Privatisierungen in den neuen Bundesländern und dem Verweis auf die Gebote der Faimeß und Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung begegnet werden, denen die Treuhandanstalt bei der Vertragsgestaltung unterliegt. Eine pauschale Lösung über die erweiternde Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verbietet sich aber aufgrund der engen tatbestandlichen Voraussetzungen dieses praeter legern entwickelten Rechtsinstituts. Ein andererer Ansatz nimmt "DDR-privatisierungsspezifisch" eine Anleihe bei § 14 Abs. 2 S. 2 InVorG, ehemals § 3 a Abs. 7 a.F. VennG. Nach dieser Auffassung handelt es sich bei dem darin fonnulierten Maßstab der "dringenden betrieblichen Erfordernisse" um eine allgemein gültige Defmition der Voraussetzungen, unter denen ein Käufer von DDR-Unternehmen nicht an Arbeitsplatzzusagen festgehalten werden kann. Die "dringenden betrieblichen Erfordernisse" werden als eine "vennögensrechtspezifische Konkretisierung
142
Hierzu instruktiv Preu, DStR 1994, 1497, 1500 m.w.N.
143 Preu, DStR 1994, 1497, 1500, der insoweit auf Lehmann, DStR 1993, 802, 807 verweist.
D. Kontrollflihigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
171
des Rechtsinstituts vom Wegfall der Geschäftsgrundlage" bezeichnee 44 • Eine solche erweiternde analoge Anwendung der §§ 14, 15 InVorG - vormals § 1 Abs. 3 BInvG und § 3 a Abs. 7 VermG - wird von anderer Seite vehement bestritten 145. Die darin getroffenen Wertungen sollen nicht auf die Privatisierungsverträge übertragbar sein, in denen ohne die gesetzlichen Beschränkungen des In VorG wegen Vorliegens von RestitutionsanspTÜchen verkauft werden konnte. Es wird ausgefilhrt, daß das Investitionsvorrangrecht mit seinen Sonderregelungen zwar in einem bestimmten Umfang die Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen aufgrund von betriebswirtschaftlichen Entwicklungen eröffnet. Der Versuch eines Transfers der Formel aus § 14 Abs. 2 InVorG in allgemeine vertragliche Zusagen, die nicht investitionsvorrangrechtlich motiviert sind, wird jedoch als nicht begründbar abgelehnt. Die ausschließlich investitionsvorrangrechtlich motivierten Vertragsstrafen gemäß § 8 Abs. 2 oder 3 InVorG, die zwingend das Vorliegen eines Restitutionsanspruchs voraussetzten, werden strikt als Sonderrecht ausgegrenzt l46 • Einerseits beschränkt zunächst § 14 Abs. 2 S. 2 InVorG diesen Entschuldigungsgrund auf die Rückübertragungsverpflichtung. Somit ist davon auszugehen, daß eine Vertragsstrafe auch unabhängig von diesen Voraussetzungen zu entrichten ise 47 • Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Parteien einer nicht investitionsvorrangrechtlich motivierten vertraglichen Vereinbarung in ihrer Gestaltungsfreiheit durch sachfremde Normen beschränkt werden sollten. Liegen keine RestitutionsanspTÜche auf das Unternehmen vor, so sind nach dieser Auffassung die rechtlichen Bindungen der Treuhandanstalt und der Investoren bezogen auf die investiven Zusagen derart gelockert, daß diese das Ergebnis des zweiseitigen Aushandelns von Leistung und Gegenleistung sind. Die Treuhandanstalt soll in ihrer Entscheidung, ob sie derartige Zusagen vereinbart, grundsätzlich frei sein. Sie könne hier nach Opportunitätsgesichtspunkten einen höheren Kaufpreis verlangen oder ganz auf Zusagen verzichten l48 • Die vorgenannte Auffassung ist abzulehnen, da hierdurch die Bedeutung der investiven Zusagen im Hinblick auf den gesetzlichen Auftrag der Treuhandanstalt nicht einheitlich und nur unzureichend zur Geltung kommt. Die im InVorG aufgestellten Haftungserleichterungen sind analogiefiihig auf diejenigen 144 Preu, DStR 1994, 1497, 1500; dieser Klauselansatz hat ausgehend von der spezifischen Gesetzeslage im InVorG eine allgemeine Bedeutung für die gesamte Vertragsgestaltung der Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt gewonnen. 145
Kiethe, VIZ 1992, 382, 383; Wächter, WM 1994, 1319, 1323.
146
Wächter, WM 1994, 1319, 1323.
147
So schon Wächter in WM 1992, 1885, 1886 ff.
148
Wächter, ZAP-Ost 1994, 519, 520 m.w.N.
172
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt, die ohne die rechtlichen Erschwernisse aufgrund von Restitutionsansprüchen verhandelt werden konnten. Das In VorG offeriert gleich in mehrfacher Hinsicht Möglichkeiten, wonach der Investor aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen aus der Arbeitsplatz- und/oder Investitionsverpflichtung ganz entlassen wird oder wenigstens eine Hemmung und damit Verlängerung der Investitionsfrist erreicht. Für diejenigen Unternehmenskaufverträge kann nichts anderes gelten, die ohne Durchführung eines Investitionsvorrangverfahrens wirksam werden können. Der Ausgangspunkt ist der, daß es der Schutz des Restitutionsanspruchs erfordert, den Altberechtigten möglichst effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Es ist widersprüchlich und stellt einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz der Investoren gemäß Art. 3 GG dar, wenn die Maßstäbe an einen Privatisierungsvertrag ohne das Vorliegen von Restitutionsansprüchen noch höher angesetzt werden, indem der Investor noch stärker im Sinne einer Garantiezusage gebunden werden soll. Die im InVorG getroffenen Wertungen sind eindeutig, sofern bedacht wird, daß es sich bei den investiven Pflichten um zusätzliche HauptIeistungspflichten im Unternehmenskaufvertrag handelt. Folgerichtig ist daher, die in § 14 InVorG geregelte Fristhemmung analog anzuwenden, wenn die investiven Maßnahmen aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse nicht zu dem vorgesehenen Zeitpunkt vollendet werden können. Diese für den Käufer wesentlich günstigere Handlungsalternative im Sinne einer Verlängerung der Fristen sollte nicht ohne Not preisgegeben werden. Für die Vertragsstrafe kann nichts anderes gelten. Auch wenn nach dem Wortlaut des § 14 InVorG wegen des Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse nur die Rückübertragungsverpflichtung entfällt, so muß dies im Wege des Erst-Recht-Schlusses auch für die Vertragsstrafe gelten. Der Gesetzgeber hat als Korrektiv die Hemmung vorgesehen, wonach die Verlängerung der Frist für die Erfüllung der investiven Zusagen bei Unternehmen über den Zweijahreszeitraum hinaus wegen Vorliegens dringender betrieblicher Erfordernisse möglich ist. Ist selbst dann noch aus dringenden betrieblichen Erfordernissen die Vertrags erfüllung insoweit nicht möglich, so hat auch die Vertragsstrafe zu entfallen. Eine Einschränkung gilt allerdings für diejenigen Unternehmensverkäufe in der Anfangsphase der Privatisierung Ende des Jahres 1990 und der ersten Jahreshälfte 1991. Vor Verabschiedung des § 3 aVermG, das die dringenden betrieblichen Erfordernisse erstmals erwähnte, sahen sich die Vertragsparteien mit einer Rechtslage in der Phase des Umbruchs konfrontiert. Die große Mehrzahl der Unternehmenskaufverträgebeinhaltete die genannten Kaufpreiserhöhungsklauseln; es bestand noch keine Klarheit darüber, wie die investiven Vorgaben des Treuhandrechts besonders nachhaltig zu sichern seien. Die vertragliche Gestaltung der Privatisierungsverträge war entsprechend une inheitIich. Da dem im Juli 1992 in Kraft getretenen Investitionsvorranggesetz
D. Kontrollfähigkeit der gemeinwohlbezogenen Klauseln
173
aufgrund des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 GG keine Rückwirkung zukommen kann, verbietet sich daher auch ein Analogieschluß mit Rückwirkung. Das InVorG ist im wesentlichen das Ergebnis aus den in der Anfangszeit der Privatisierung gewonnenen Erfahrungen. Damit sind die Grenzen der Gleichbehandlung der Investoren gemäß Art. 3 GG auch schon abgesteckt. Rechtsstaatliches Handeln des Gesetzgebers bildet sich in den jeweils gültigen gesetzlichen Regelungen ab, auf die die Investoren in den neuen Bundesländern vertrauen dürfen. Daher ist dem Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage nur noch ein Anwendungsbereich ftlr die Altverträge eröffnet, in denen Investitionszusagen als sogenannte Absichtserklärungen in der Präambel formuliert sind. Bei gravierenden Störungen des Marktgleichgewichts oder bei Wegfall der Planungsvoraussetzungen kann gegebenenfalls eine Vertragsan149 passung erfolgen . 6. Gleichbehandlung der Investoren im Hinblick auf den Ausschluß der Rückübertragungsverpflichtung des Unternehmens
Der vorgenannte Gleichbehandlungsgrundsatz darf indes nicht verabsolutiert werden. Es ist im Wege der gesetzessystematischen und teleologischen Auslegung aufzuzeigen, inwieweit eine Analogie zu den strengen Anforderungen des In VorG nicht mehr geboten ist, wenn keine Restitutionsansprüche vorliegen. Die Verpflichtung zur Rückübertragung des Unternehmens wegen Nichterftlllung der investiven Zusagen ist in erster Linie das gesetzlich gebotene Korrektiv zum Schutz der Alteigentümer. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich die Verpflichtung des Investors zur Rückübertragung des Unternehmens in ein Rücktrittsrecht der Treuhandanstalt bei nicht restitutionsbelasteten Unternehmen abschwächt. Die Treuhandanstalt kann somit bei Nichterftlllung der investiven Hauptleistungspflichten die Vertragsstrafen allein im Klageweg durchsetzen und dabei von einem Rücktritt vom Kaufvertrag absehen. Der Privatisierungsauftrag der Treuhandanstalt würde ausufern, wenn der Treuhandanstalt in den Fällen der Nichterftlllung oder nicht gehörigen Erftlllung der investiven Zusagen die Pflicht zur Zurücknahme der Unternehmen und nochmaligen Sanierung auferlegt würde. Eine etwaige Sanierung der Unternehmen hat vor der Privatisierung anzusetzen, nach dem Verkauf sind Stützungsmaßnahmen ftlr notleidende Unternehmen primär Wirtschafts förderung und damit Angelegenheit der Länder.
149 Zust. Horn, DB 1995,359,362, der davor warnt, diesen Rechtsbehelf als bequemen Ausweg bei jedwedem Hindernis zu mißbrauchen.
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4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
E. Rechtliche Grenzen einer gemeinwohlbezogenen Pflichtenbindung von Investoren Die überragende Bedeutung der investiven Klauseln in den Verträgen der Treuhandanstalt ist unbestritten. Im folgenden sind die vom bürgerlichen Recht gesetzten rechtlichen Schranken filr solche atypischen gesteigerten Pflichten von Unternehmenskäufern aufzuzeigen. Die Untersuchung hat sich nach Überprüfung der spezialgesetzlichen Schranken vor allem auf die allgemeinen Vorgaben der §§ 138,242 BGB und des AGB-Gesetzes zu erstrecken. Dem Erwerber sind von vornherein die besonderen Umstände der Privatisierung bekannt. Für die Vertragsparteien handelt es sich um keinen üblichen Unternehmenskauf. Oftmals war der Erwerber mit dem zu erwerbenden Unternehmen besser vertraut als die Vertreter der Treuhandanstalt, die zudem in der Mehrzahl der Fälle, im Gegensatz zum Erwerber, auch nicht über branchenspezifische Vorkenntnisse verfilgten. Fast ausnahmslos wurden Investitionszusagen bzw. Arbeitsplatzgarantien kaufpreismindernd berücksichtigt, so daß sich letztlich nur bei Berücksichtigung dieser zusätzlichen vertraglichen Verpflichtungen ein ausgeglichenes Bild zwischen Leistung und Gegenleistung ergibt. Aufgrund dieser besonderen Privatisierungsumstände war und ist dem Erwer~ ber von ehemals staatseigenen Betrieben grundsätzlich zuzumuten, ein erhöhtes unternehmerisches Risiko auf sich zu nehmen und zusätzliche, sonst nicht übliche Garantien zu erfilllen. Auf der anderen Seite entspricht es aber nicht der Privatisierungsaufgabe der Treuhandanstalt, privatisierte Unternehmen bzw. deren Erwerber bewußt durch die Geltendmachung einer uneingeschränkten Vertragserftlllung wirtschaftlich in den Ruin zu treiben 150. I. Vereinbarkeit der Arbeitsplatzzusage mit § 138 BGB Ist die Arbeitsplatzklausel sittenwidrig, so ftlhrt dies auch zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafenklausel Die Wirksamkeit des Vertragsstrafeversprechens ist gemäß § 139 BGB auch mit der Wirksamkeit der abgesicherten Hauptverbindlichkeit verknüpft. Erweist sich bereits die Arbeitsplatzgarantie oder Investitionszusage als nichtig, so filhrt dies gemäß § 139 BGB ohne weiteres auch zur Nichtigkeit der Vertragsstrafeklausel l5l • Die Rechtsprechung hat sich seit jeher eine starke Selbstbeschränkung bei der Annahme eines sittenwidrigen Rechtsgeschäfts nach § 138 Abs. 1 oder 2
150
HolzapJellPöllath, Unternehmenskauf, S. 425.
151
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 126.
E. Grenzen der Ptlichtenbindung von Investoren
175
BGB auferlegt. Die von ihr verwandte Formel geht dahin, daß sich aus der Gesamtschau des Rechtsgeschäfts eine Sittenwidrigkeit ergeben muß 152. Begründet wird dies damit, daß es in erster Linie Aufgabe des Vollstreckungsschutzrechtes und des Insolvenzrechtes ist, den sozialpolitisch notwendigen Schuldnerschutz zu gewährleisten und demgegenüber eine erweiterte Anwendung des § 138 BGB ausscheidet. 1. Grenzen der Beschränkung des Kündigungsrechts
Der Ansatzpunkt rur eine isolierte Nichtigkeit einzelner Arbeitsplatzzusagen aufgrund Verstoßes gegen die allgemeinen Schranken der Vertragsfreiheit ist in erster Linie § 138 Abs. 1 BGB IS3 • Dies gilt rur Beschäftigungszusagen insoweit, als es dem Arbeitgeber innerhalb der Schranken des Kündigungsschutzgesetzes grundsätzlich möglich sein muß, Arbeitnehmern beim Vorliegen der in § 1 KSchG konkretisierten Gründe zu kündigen. Eine Mindermeinung im Schrifttum weist darauf hin, daß selbst im Falle der Beschränkung auf betriebsbedingte Kündigungen in den Privatisierungsverträgen nicht ohne weiteres davon auszugehen ist, daß die Handlungsfreiheit des Arbeitgebers nicht in sittenwidriger Weise beschränkt wird. So kann beispielsweise eine Umstrukturierung die Kündigung bestimmter rur die zukünftige Tätigkeit nicht hinreichend qualifizierter Arbeitnehmer notwendig machen, ohne daß sich damit die Gesamtanzahl der beschäftigten Arbeitnehmer ändert, weil andere Arbeitnehmer mit anderen Qualifikationen eingestellt werden müssen 154. Die Arbeitsplatzzusage darf nicht zu einer unzulässigen Einschränkung der Personalpolitik des Investors fUhren. So steht es zunächst einem Arbeitgeber im Rahmen des geltenden Kündigungsschutzrechts unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen grundsätzlich frei, Arbeitnehmer zu entlassen, vgl. § 1 KSchG. Außerdem kann ein Unternehmer ohne Vorliegen besonderer Gründe seinen Geschäftsbetrieb einstellen und die Belegschaft entlassen. Infolge der Arbeitsplatzverpflichtung könnten diese Rechte in erheblichem Ausmaß beschränkt sein, weshalb diese Zusage nach § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig und damit nichtig eingestuft werden könnte 155 • Diese Bedenken sind nicht tragfähig. Maßgeblich rur die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist der objektive Umfang der Einschränkung des Kündigungs152 Vgl. Z.B. BGH WM 1981,404. 153
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 96 und Kiethe, VIZ 1993,382,384.
154
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 97.
15SBGHZ44, 158, 161; BGHZ83, 313,316=ZIP 1982,702,703.
176
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
rechts. Der Umfang dieser Einschränkung ist im Wege der Auslegung zu ermitteln l56 • Zunächst spricht der Wortlaut der verwendeten Klausel für eine uneingeschränkte Arbeitsplatzgarantie. Im Hinblick auf den mit der vereinbarten Arbeitsplatzsicherung verfolgten Zweck der Verhinderung von Spekulationserwerben und Eindämmung der Massenarbeitslosigkeit kann die Regelung aber, wie selbst die kritischen Stimmen im Schrifttum zugeben, nicht als Verbot des Ausspruchs einer verhaltens- bzw. personenbedingten Kündigung LS.d. § 1 Abs. 2 KSchG aufgefaßt werden I57 • Verhaltens- und personenbedingte Kündigungsgründe sind losgelöst von den mit der Arbeitsplatzzusage verfolgten Zwecken zu beurteilen. Problematisch kann die Arbeitsplatzzusage höchstens im Hinblick auf den Ausschluß einer betriebsbedingten Kündigung erscheinen. Eine betriebsbedingte Kündigung ist kündigungsschutzrechlich zulässig, wenn sie aus betrieblichen Gründen, u.a. wegen Umstrukturierung, veranIaßt ist, vgl. § 1 Abs. 2 KSchG. Dabei unterliegt vor allem die richtige Sozialauswahl der Überprüfung durch die Arbeitsgerichte, während die unternehmerische Entscheidung nur sehr bedingt überprüfbar ist. Die Arbeitsplatzzusage ist gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, daß betriebsbedingte Umstrukturierungen, die mit Entlassungen und Neueinstellungen verbunden sind, keinesfalls eingeschränkt werden sollen. In einer beträchtlichen, wenn nicht der überwiegenden Zahl von Unternehmen~ sprivatisierungen verfolgt der Erwerber ein Investitionskonzept in der Form, daß er zunächst eine Produktpalette entwickeln muß, um sich im Wettbewerb behaupten zu können. Mit der ProduktdiversifIkation verbunden sind andersartige Anforderungen an den einzelnen Arbeitsplatz. Deshalb kann hier die Entlassung sowie die Neueinstellung von anders qualifIzierten Arbeitnehmern erforderlich sein. Wenn die Zusage auch den Ausschluß betriebsbedingter Kündigungen umfaßte, so wäre damit eine weitergehende Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit des Erwerbers als im Kündigungsrecht verbunden. Dennoch ist sogar eine vereinbarte Beschränkung des Rechts zur betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht als sittenwidrige vertragliche Knebelung anzusehen. Dem Investor, der vor dem Kauf ein Unternehmenskonzept erstellen und der Treuhandanstalt vorlegen muß, ist der Personalbestand regelmäßig bekannt, so daß er seine Unternehmensplanung einschließlich etwaiger geplanter Rationalisierungsmaßnahmen entsprechend anpassen muß 158 • Es ist überflüssig, bei der Vereinbarung einer Arbeitsplatzzusage eine Klausel zu wählen, 156
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 35.
157
Weimar, Nachverhandlungen, S. 35; Preu, DStR 1994, 1497, 1499.
158 Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 36; Bechtolf, Privatisierungsprozeß, S. 275 - a.A. Preu, DStR 1497, 1499, wonach dies durch den Privatisierungsauftrag der Treuhandanstalt nicht mehr gedeckt sei.
E. Grenzen der Pflichtenbindung von Investoren
177
die klarstellt, daß der Käufer weiterhin zu betriebs-, verhaltens- oder personenbedingten Kündigungen berechtigt ist l59 • Der Investor schuldet die Beschäftigung einer bestimmten Zahl von Arbeitnehmern, und nicht die Beschäftigung bestimmter Arbeitnehmer. Sollte einmal die Arbeitsplatzzusage dergestalt formuliert sein, daß die Beschäftigung bestimmter Arbeitnehmer anstatt einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern zugesichert wird, oder das Recht zur ordentlichen Kündigung insgesamt beschränkt wird, so ist eine solche Klausel als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs.l BGB einzustufen 160. Es gilt aber, daß die Klausel nicht insgesamt nichtig ist, sondern im Wege der teleologischen Reduktion nur eine Teilnichtigkeit gemäß § 139 BGB in Betracht kommt. Der Investor schuldet weiterhin die vertraglich vereinbarete Zahl der zu beschäftigenden Arbeitnehmer; aber er ist frei in seiner unternehmerischen Entscheidung bei der Auswahl der Personen. 2. Dauerhafte Sicherung der Arbeitsplätze
Liegen RestitutionsanspTÜche auf das Unternehmen vor, so sehen die gesetzlichen Vorgaben vor, daß im Falle der Privatisierung für einen Mindestzeitraum von zwei Jahren Investitionen durchzuführen und Arbeitsplätze zu sichern sind 161. In einer Vielzahl von Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt sichern die Investoren die Arbeitsplätze sogar über einen längeren Zeitraum. Das Gesetz bietet keine weiteren Auslegungskriterien und -hilfen bezogen auf die eben noch zulässige Frist für eine solche Zusage. Eine Lösung läßt sich somit nur über die allgemeinen Vorgaben des Treuhandgesetzes finden, insbesondere im Hinblick auf die Schaffung stabiler volkswirtschaftlicher Strukturen. Ein erster Anhaltspunkt können die genannten Fristen für die steuerlich begünstigten Investitionsgüter gemäß dem InvestZulG, BerlinFG u.ä. sein. Hierbei waren Zeiträume von 2 bis 4 Jahren als förderfähig normiert. Bei der Sicherung der Zahl von Arbeitnehmern handelt es sich indes um ein Kriterium, das in hohem Maße konjunkturellen Schwankungen unterliegt. So ist auch nicht zu übersehen, daß zukunftsträchtige Technologien, die zunächst einen hohen Investitionsbedarf erfordern, oftmals mit einem Abbau von Arbeitsplät-
159
Lehmann, DStR 1992, 1287, 1289.
160 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 96. Diese Fallkonstellation scheint ausschließlich von akademischem Interesse zu sein. - Ebbing, Verkaufspraxis, S. 370, hält hingegen sogar eine Einschänkung des Rechts zur Vornahme betriebs bedingter Kündigungen für zulässig.
161
12 HeB
Vgl. § 8 Abs. 3 S. 1 InVorG.
178
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
zen einhergehen. Der Ausgangspunkt bei der zeitlichen Befristung der Arbeitsplatzsicherung muß eine an dem allgemeinen Maßstab des § l38 BGB orientierte Auslegung sein. Abzuwägen ist die unternehmerische Freiheit betreffend die Führung des Unternehmens mit dem gesetzgeberischen Ziel des wirtschaftlichen Neuaufbaus in den neuen Bundesländern, das gerade in Bezug auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen eine hohe soziale Komponente beinhaltet. Ist daher das gesetzgeberische Minimalziel die Festlegung einer Frist von nur zwei Jahren, die eine Restitution von Vermögenswerten an die Alteigentümer verhindert, so dürfen die Anforderungen an die nachhaltige Sicherung von Arbeitsplätzen nicht überspannt werden. Regelmäßig dürfte eine Nichtigkeit der Arbeitsplatzklausel wegen Verstoßes gegen § l38 BGB abzulehnen sein, weil die auf mehrere Jahre beschränkte Zusage von bestimmten Beschäftigungsmaßnahmen kaum geeignet ist, auch nur annähernd eine Beschränkung . der freien Selbstbestimmung des Partners zu bewirken 162 • Eine Auffassung im Schrifttum schlägt vor, als Basis einer temporären Orientierung eine Beschäftigungszusage zu wählen, wie sie durch die Personalplanung repräsentiert wird. Hier ist im Durchschnitt ein Planungszeitraum von 5 Jahren anzutreffen. Dieser Zeitraum fUgt sich in einen rur seriöse Prognosen festgelegten Zeitrahmen von 3-7 Jahren ein. Im Gegensatz zum eigentlichen Anwendungsfall, erfährt der Personalplan innerhalb der Angebotsphase durch seine zeitpunktfixierte Prognose allerdings keine jährliche Anpassung, so daß es hier eines Sicherheitsabschlags bedarf. Ferner ist in Betracht zu ziehen, daß die Beschäftigungszahlen aus der Vergangenheit i.d.R nicht als Vergleichszahlen genutzt werden können, da sich die Unternehmens- und Produktionsstruktur wesentlich verändert hat. Somit gelangt diese Auffassung zu einem Mittelwert von ca. 3 Jahren fUr die Beschäftigungszusage 163 • Diesem Ansatz kann grundsätzlich gefolgt werden. Auch nach Auffassung des Verfassers dürfte eine Frist von drei Jahren bis vier Jahren zur Etablierung und Sicherung der privatisierten Unternehmen am Markt noch angemessen sein, eine darüber hinausgehende Frist hingegen nur im Ausnahmefall. Eine weitergehende zeitliche Bindung würde eine Verletzung der in Art. 12 GG gewährleisteten Freiheit der Berufsausübung und des von Art. 14 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs bedeuten. Die arbeitsvertragliche Privatautonomie des Art. 12 gewährleistet gemeinsam mit dem Recht
162 Wächter, WM 1994, 1319 konstatiert, daß der Begriff der freien Selbstbestimmung und § 138 Abs.1 BGB von Kiethe unzulässig inflationiert wird. Dessen Verweis auf die Rechtsprechung bezöge sich auf Fälle zu Bierlieferungsverträgen mit einer Laufzeit von über 20 Jahren. 163
Bechtolf, Privatisierungsprozeß, S. 262.
E. Grenzen der Pflichten bindung von Investoren
179
am Unternehmen gemäß Art. 14 GG dem Arbeitgeber auch das Erinzipielle Dispositionsrecht über die Arbeitsplätze in seinem Unternehmen 1 • Die Berufsfreiheit beinhaltet den Schutz der wirtschaftlichen Betätigungs-, Erwerbs-, Markt- und Wettbewerbsfreiheit. Dessen Schutz beinhaltet auch, daß die unternehmerische Entscheidungsfreiheit bei den sich meist schnell ändernden Marktbedingungen gewahrt bleiben muß. Längere Bindungen der Unternehmer im Hinblick auf Arbeitsplatzzusagen sind nur bei gleichzeitiger Bereitstellung eines entsprechenden Förderinstrumentariums im Sinne von Subventionen u.ä. vertretbar. Solche Lenkungsinstrumente werden vom Gesetzgeber indes nur in Form von ABM-Maßnahmen oder spezifischen Beschäftigungsprojekten gemäß § 249 h AFG in den neuen Bundesländern zur VerfUgung gestellt. Diese Maßnahmen unterliegen besonderer staatlicher Kontrolle. Eine Subventionierung der Unternehmen mit primärer Ausrichtung auf die Erhaltung einer möglichst großen Zahl von Arbeitnehmern, steuert hingegen auf eine staatlich gelenkte Planwirtschaft zu. Vorrang haben daher Investitionen in Anlagegüter und damit die Schaffung von konkurrenzflihigen Technologien. Diese sichern und schaffen zusätzlich neue Arbeitsplätze. 11. Vereinbarkeit der Investitionszusage mit § 138 BGB Grundsätzlich kann auch bei der dem Unternehmenserwerber auferlegten Höhe der Investitionssumme eine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. I BGB wegen übermäßiger Beschränkung der Handlungsfreiheit in Betracht kommen 165. Der Ansatzpunkt fUr die Beurteilung einer Sittenwidrigkeit könnte in diesem Zusammenhang die anfänglich fehlende und fUr die Treuhandanstalt
164 Scholz, in MaunzlDürig, Art. 12,4 c dd und gg: Einem sozialen Recht auf Arbeit würde die Einstellungs- od. Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers korrespondieren. Auch solche Pflichten sind mit dem liberalen Freiheitsrecht des Art. 12 GG grundsätzlich nicht vereinbar. Ausnahmen bstehen nur dort, wo es um sozial besonders schutzwürdige Arbeitnehmergruppen geht, beispielsweise um Schwerbehinderte. Selbst hier sind absolute oder starre Beschäftigungs- oder Einstellungsquoten nur in äußerst engen Grenzen statthaft. Im allgemeinen sind nur relative oder abdingbare Quoten verhältnismäßig.
165 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 109; HolzapJellPöllath, Unternehmenskauf, S. 434: Eine Knebelung i.S.d. § 138 BGB liegt nahe, sofern der Erwerber auch dann zur Erfüllung verpflichtet ist, wenn er die für die Vertragsparteien nicht vorhersehbare schlechte wirtschaftliche Lage, die den Fortbestand des Unternehmens ernsthaft gefährdet, nicht vorwerfbar herbeigeführt hat. - Nach Ansicht des Verfassers ist eine Lösung über die Kriterien des Vertretenmüssens bzw. der sogenannten dringenden betrieblichen Erfordernisse vorzugswürdig.
12'
180
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
erkennbar mangelnde Leistungsfähigkeit des Investors sein l66 . Bisweilen veranlaßte der ständige Zeitdruck der Privatisierung die Treuhandanstalt dazu, mit Investoren Verträge zu schließen, deren fmanzielle Leistungsfahigkeit relativ gering war 167 • Schloß die Treuhandanstalt in Kenntnis der mangelnden bzw. geringen Leistungsflihigkeit des Investors den Vertrag, so kann grundsätzlich eine Sittenwidrigkeit des Vertrages gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Überforderung des Schuldners vorliegen l68 • Nach ständiger Rechtsprechung braucht der Handelnde, in diesem Falle die Treuhandanstalt, sich zwar nicht der Sittenwidrigkeit ihres Tuns notwendig bewußt zu sein; es genügt, wenn sie die Tatsachen kennt, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibe 69 • Eine solche Fallkonstellation ist allerdings von mehr rechtstheoretischem Interesse. Die Realität ist vielmehr die, daß die Investoren vor allem in der Anfangsphase der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt. Investitionszusagen abgegeben haben, die sich im Nachhinein als überzogen herausstellten. Dies hat seine Ursachen einerseits in einer allzu optimistischen Markteinschätzung, andererseits aber auch aus der Motivation der Investoren heraus, die potentiellen Konkurrenten beim Kauf der Unternehmen aus dem Feld zu schlagen. Der Treuhandanstalt ist höchstens der Vorwurf zu machen, daß sie in einigen Fällen nicht ausreichende Erkundigungen über die Bonität der Investoren angestellt hat; der weitergehende Vorwurf eines sittenwidrigen Verhaltens ist schlichtweg nicht haltbar. Zumindest die Treuhandanstalt kannte nicht die Tatsachen, aus denen sich eine Sittenwidrigkeit der Höhe der Investitionssumme ergab. Kam es aus der Überschätzung der Marktchancen durch die Vertragsparteien heraus zur Festlegung einer zu hohen Investitionssumme, so kann es nicht im Interesse der Treuhandanstalt und der Investoren liegen, den Vertrag deswegen in der Gesamtheit als nichtig zu behandeln. Vielmehr kommt allenfalls eine Behandlung nach den Regeln der Teilnichtigkeit entgegen der gesetzlichen Vermutung des § 139 BGB in Betracht. Nur in ExtremflilIen entspricht die Nichtigkeit des Vertrages bzw. der Investitionsklausel den Interessen der Vertragsparteien. Vorzugswürdig ist eine Anpassung des Vertrages über das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage l70 .
166
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 110.
167
Badestein, WR 1992, 214, 215 und Kiethe, Nachverhandlungen, S. 110.
168
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 34.
169
PalandtlHeinrichs, BGB, § 138 Rdn. 8; RGZ 161,233; BGH NJW 1988, 1374.
170
Vgl. Ausführungen unter Kap. 5. Abschn. E VI 5.
E. Grenzen der Pflichten bindung von Investoren
181
Damit die Fallgruppe des § 138 Abs. 2 BGB tatbestandsmäßig erfüllt ist, wird als subjektives Tatbestandsmerkmal auf Seiten des Opfers gefordert, daß "eine Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche vorgelegen hat". Gründe für die Unerfahrenheit können unter Umständen die Unkenntnis bestimmter Lebens- oder Wirtschaftsbereiche, kürzlicher Zuzug aus einem Land mit anderen Lebensgedingungen oder mitunter sogar fehlende Marktübersicht sein 171. Dies kann zweifelsohne gleichermaßen für Investoren aus West- wie aus Ostdeutschland gelten. Nun ist aber das unternehmerische Handeln immer ein Agieren in einem komplexen Markt und mit erheblichen Wagnissen behaftet. Selbst der erfahrenste Unternehmer ist nicht in der Lage, alle relevanten Faktoren auch nur annähernd zuverlässig zu kalkulieren. Dies gilt in besonderem Maße, wenn es sich um Investitionen außerhalb des bekannten und bearbeiteten Marktes handelt, zudem in einer Situation des völligen politischen und wirtschaftlichen Umbruchs in einem fremden Markt. Diese unvollständige Informiertheit teilt die mittelständische westdeutsche Unternehmerschaft mit Weltfirmen als Investoren und kann keine besondere Unerfahrenheit des Investors im Sinne einer Opferrolle als Bewucherter begründen 172. Somit scheidet eine Berufung der Investoren auf § 138 Abs. 2 BGB regelmäßig aus. IU. Vereinbarkeit der investiven Klauseln mit dem AGB-Gesetz Die investiven Klauseln der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen müssen sich ebenso wie der umfassende Gewährleistungsausschluß in den Kaufverträgen der Treuhandanstalt auf ihre Vereinbarkeit mit dem AGB-Gesetz messen lassen 173. Die Treuhandanstalt hat aufgrund der Zielvorgaben ihres gesetzlichen Auftrags und der Mindestvorgaben beispielsweise des In VorG nur einen beschränkten Spielraum in Bezug auf die Ausgestaltung solcher investiven Klauseln. Die investiven Vertragsklauseln sind im Regelfall als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren, unabhängig davon, ob die in der Klausel enthaltenen quantitativen Elemente im Einzelfall variiert werden 174.
171
MünchKommiMayer-Maly, BGB, § 138 Rdn. 25.
172 Wächter, WM 1994, 1319, 1320 stellt zutreffend fest, daß i.ü. die Voraussetzungen eines "krassen Mißverhältnisses zwischen übertragenen Vennögenswerten und Kaufpreis nicht selten zu Lasten der Treuhandanstalt erftillt sein dürften. 173
HolzapJellPällath, Unternehmenskauf, S. 430.
174
Vgl. dazu insbesondere Kap. 2, Abschn. I.
182
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Auch soweit derartige Klauseln Bezug auf die Höhe des Kaufpreises nehmen, ist eine Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht ausgeschlossen l7S • Als Prlifungsmaßstab fUr die Arbeitsplatzzusagen im Rahmen des AGBGesetzes kommt von vornherein nur § 9 AGB-Gesetz in Betracht, weil ungeachtet des beschränkten persönlichen Anwendungsbereichs bei der Beteiligung von Kaufleuten - §§ 10 und 11 AGB-Gesetz keine speziellen Klauselverbote enthalten, die auf Arbeitsplatzzusagen passen. Eine Unvereinbarkeit von Arbeitsplatzzusagen mit wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz), ist aber nicht erkennbar l76 • Auch eine Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so daß die Erreichung des Vertragszwecks geflthrdet ist (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGB-Gesetz), ist im Hinblick auf den besonderen Auftrag der Treuhandanstalt zu verneinen 177 • Somit ist die Klausel noch an dem Maßstab des § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz zu messen, wonach solche Bestimmungen unwirksam sind, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Bei Vorliegen von Restitutionsansprlichen erhalten die investiven Klauseln den Charakter von Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon durch die gesetzlichen Vorgaben des InVorG, so daß schon aus diesem Grund ein Abweichen von dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 9 AGBGesetz her tatbestandIich nicht möglich ist. Größeres Gewicht haben die Einwände im Schrifttum, wonach ausgehandelte Arbeitsplatzzusagen unter Umständen dann wegen unangemessener Benachteiligung im Sinne des § 9 Abs. I AGB-Gesetz als unwirksam einzustufen sind, wenn sie die Frage des Verschuldens des Investors im Fall der NichterfUllung nicht berlicksichtigen 178 • Diese Bedenken tragen aber den Besonderheiten der Vertrags gestaltung der Treuhandanstalt keine Rechnung. Garantien oder garantieähnliche Zusagen werden nur ganz ausnahmsweise von den Investoren in den Kaufverträgen abgegeben; ist dies einmal der Fall, so wird dies insbesondere bei der Bemessung des Kaufpreises berlicksichtigt. Es ist wieder darauf zu verweisen, daß nach den Grundprinzipien des Leistungsstörungsrechts im BGB ein Verschulden des Investors die Voraussetzung fUr die berechtigte Geltendmachung von Ersatzansprlichen der Treuhandanstalt ist. Sofern die Arbeitsplatz- bzw. Investitionszusagen nicht eindeutig als garantieähnliche Versprechen formuliert
175
Weimar, Treuhandgesetz, Rdn. 55; Kiethe, Nachverhandlungen, S. 93.
176
Insoweit zutreffend Kiethe, Nachverhandlungen, S. 94.
177
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 94.
178 Badestein, WR 1992,214,215; Kiethe, Nachverhandlungen, S. 94; Zeuner, ZIP 1993, 1365, 1369; a.A. Verfasser.
E. Grenzen der Pflichtenbindung von Investoren
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sind, so kann keinesfalls auf einen konkludenten Ausschluß des Verschuldenserfordernisses kraft Parteiwillens geschlossen werden. In Bezug auf die Vereinbarkeit der Investitionsklausel mit § 9 AGB-Gesetz gelten die vorherigen Schlußfolgerungen zu der Arbeitsplatzzusage dem Grunde nach analog. Ein Erreichen des Vertragszwecks im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGB-Gesetz kann dann gefilhrdet sein, wenn die Treuhandanstalt entgegen dem Auftrag des Treuhandgesetzes ein nicht sanierungsfähiges Unternehmen privatisiert hat. In diesem Falle sind GegenanspTÜche des Erwerbers nach §§ 325, 326 BGB, positive Forderungsverletzung o.ä. denkbar, wobei aber ein etwaiges Mitverschulden des Investors i.S.d. § 254 BGB in Betracht kommt 179 • IV. Vereinbarkeit der Vertragsstrafen bei investiven Klauseln mit § 138 BGB und dem AGB-Gesetz Die Bedingungen, die im Klauselwerk der Treuhandanstalt an die Verwirkung der Vertragsstrafe geknüpft sind, sind im Detail unterschiedlich ausgestaltet. Bei den Beschäftigungszusagen sind die Arbeitsplätze zumeist im Jahresdurchschnitt zu sichern, womit saisonale Schwankungen, wie beispielsweise im Baugewerbe, aufgefangen werden können. Bisweilen sind die Klauseln aber alles andere als eindeutig formuliert, so daß sich die Frage eines Verstoßes gegen § 5 AGB-Gesetz stellt. Das Schrifttum zitiert Vertragsklauseln, die zu sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnissen· filhren. So soll eine Klausel in einem Privatisierungsvertrag 180 folgenden Wortlaut gehabt haben : liDer Käufer ist verpflichtet, filr jeden Vollzeitarbeitsplatz, der länger als 3 Monate unbesetzt bleibt, an den Verkäufer eine Vertragsstrafe von DM ... zu zahlen ... " Dieser Klauselgestaltung kann nach dem Wortlaut eine Vertragsstrafenzahlung zur Folge haben, obwohl der Investor im Jahresdurchschnitt durch einen Beschäftigungsstand über dem Vertragssoll eigentlich insgesamt erftlllt hat. Dieser Widerspruch ist wie folgt aufzulösen: Entweder erfolgt eine Entlastung des Investors über die ergänzende Auslegung des Vertrages, da die eigentliche Zielsetzung der Klausel wohl die Sicherung der Arbeitsplätze im Jahresdurch179 HolzapJellPällath, Unternehmenskauf, S. 444; Kiethe, VIZ 1993, 382, 384 und BB 1994,7, 10 sieht darin sogar einen Verstoß der Treuhandanstalt gegen § 134 BGB aufgrund ihrer Pflicht aus der Präambel zum TreuhG, die Unternehmen zu sanieren. 180
Preu, DStR 1994,1497,1501.
184
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
schnitt ise sl . Oder es wird Rückgriff genommen auf die Unklarheitenregel des § 5 AGB-Gesetz, und die Klausel insoweit als unwirksam erklärt, als diese nicht berücksichtigt, daß der Investor die Arbeitsplatzzusage im Jahresdurchschnitt in einer von den Parteien nicht bedachten Form eingehalten hat. Eine andere beispielhaft zitierte Klauselvariante kann ebenfalls zu einem 'll' E rgeb' un bligen ms ~.t.. lWlren: IS2 "... im Falle der teilweisen oder vollständigen Nichterfüllung der Garantieverpflichtung von ... Dauerarbeitsplätzen zahlt der Käufer der Verkäuferin eine Vertragsstrafe von DM 15.000 pro nicht beschäftigter Vollzeitarbeitskraft und pro Beschäftigungsjahr." Hier bleibt unklar, ob die Poenale nur für Arbeitsplätze verwirkt ist, die mindestens 12 Monate vakant sind. Die Unklarheit solch einer Klausel geht aber gemäß § 5 AGB-Gesetz regelmäßig zu Lasten der Treuhandanstalt. Indes ist die Rechtsfolge nicht die gänzliche Unwirksamkeit dieser Klausel, ohne die die Treuhandanstalt den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Im Wege der teleologischen Reduktion ist die betreffende Klausel so zu behandeln, wie sie bei verständiger Auslegung durch einen Dritten zu erfilllen wäre. Es werden auch Vorbehalte gegen die investiven Zusagen dergestalt geäußert, daß die Vertragsstrafenregelungen nicht mit § 9 AGB-Gesetz vereinbar seien. So wird behauptet, die Vertragsstrafeklauseln der Treuhandanstalt führten zu einer unangemessenen Doppelbestrafung. Gemessen an § 9 AGBGesetz wird die Kombination von Vertragsstrafen für die Nichterfüllung von Investitionszusagen und von Arbeitsplatzgarantien als problematisch erachtet. Als Beispiel führt Kiethe an, daß beide Zusagen sich insoweit decken können, als durch eine investive Betriebserweiterung neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, Unterläßt der Investor die Betriebserweiterung, so führt dieselbe Handlung bzw. Unterlassung sowohl zur Nichterfüllung der Investitionszusage als auch zur Nichterfüllung der Arbeitsplatzgarantie l83 • Entgegen dieser Mindermeinung sprechen keine Gründe dagegen, daß ein solches Unterlassen mithilfe der Vertragsstrafe zweifach sanktioniert wird, da eben auch in doppelter Hinsicht Aufwendungen nicht zum Ansatz kamen. Eine Doppelbestrafung findet nicht statt. Ein weiterer Einwand im Schrifttum setzt an der Grenze der sogenannten Präventionswirkung der Vertragsstrafe an. Es soll rechtlich bedenklich sein, 181 In fast allen Verträgen der Treuhandanstalt ist die sogenannte salvatorische Klausel für Unklarheiten bei der Auslegung des Vertrages enthalten.
182
Preu, DStR 1994, 1497, 1501 f.
183
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 125, Rdn. 390.
E. Grenzen der Pflichten bindung von Investoren
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wenn wegen der Nichteinhaltung von Arbeitsplatzzusagen eine Vertragsstrafe in Höhe des durchschnittlichen Lohns eines Arbeitnehmers dieser Branche vereinbart wird l84 . Diese Auffassung will hinsichtlich der Abwägung der Zweck-Mittel-Relation der Vertragsstrafe allein auf die Prävention abstellen. Die Präventionswirkung der Vertragsstrafe soll schon dann ausreichen, wenn beispielsweise lediglich die Hälfte des branchenüblichen Lohnes als Vertragsstrafe vereinbart wird. Eine solche Sichtweise verharrt auf der Ebene von reinen Billigkeitserwägungen. Der starke Gemeinwohlbezug der Unternehmensprivatisierungen durch die Treuhandanstalt führt dazu, daß wegen der Schaffung und nachhaltigen Sicherung von Arbeitsplätzen in den neuen Bundesländern die Präventionswirkung der Vertragsstrafe gar nicht hoch genug eingestuft werden kann. Die Präventionswirkung ist wenigstens in jedem Falle dann fühlbar, wenn die Höhe der Vertragsstrafe den Kosten des nicht bereitgestellten Arbeitsplatzes entspricht. Die Arbeitsplatzpönale schwankt in der Regel zwischen 2.000 4000 DMIMonat pro an der Gesamtzahl fehlendem Arbeitnehmer, oder bei auf das Jahr bezogenen Vertragsstrafen zwischen DM 24.000 - 48.000 pro im Jahresdurchschnitt nicht besetzten Arbeitsplatz. Die Höhe der Strafe orientiert sich an dem durchschnittlichen Monatseinkommen eines Arbeitnehmers in der jeweiligen Branche. Die von der Rechtsprechung l85 der Vertragsstrafe zugedachte Doppelfunktion, einerseits den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anzuhalten und andererseits dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung ohne Einzelnachweis zu eröffnen, versagt bei den Vertragsstrafevereinbarungen entgegen der Auffassung von Kiethe eben nicht zur Hälfte l86 • Die Einwände gegen die in den Investitionsklauseln vereinbarte Höhe der Vertragsstrafen wiegen schwerer. Der Gestaltungsspielraum der Treuhandanstalt bei der Festlegung der Pönale für nicht durchgeführte Investitionen ist wesentlich größer. Je nach den besonderen Umständen des Falles oder dem Verhandlungsgeschick des Investors liegt die Bandbreite der Vertragsstrafen zwischen 10 bis 100 % in Höhe der unterschrittenen Investitionssumme. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, bei Untemehmensprivatisierungen ohne die Notwendigkeit eines Investitionsvorrangverfahrens die zwischen den Privati-
\84 Lehmann, DStR 1993, 802, 804 f. und Kiethe, Nachverhandlungen, S. 131, Rdn. 410 - Anmerkung des Verf.: Diese Klauselgestaltung ist der Normalfall in den Privatisierungsverträgen spätestens seit Inkrafttreten des In VorG im Juli 1992. 185
Vgl. BGH NJW 1987,380; BGH BauR 1976, 279.
186 Kiethe, Nachverhandlungen, S. 124, Rdn. 388. - Wie der Verfasser auch Ebbing, Verkaufspraxis, S. 368.
186
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
sierem der Treuhandanstalt und den Erwerbem vereinbarten vertraglichen Modalitäten maßgeblich sind. In den anderen Fällen hingegen setzt die InvestitionsvorrangsteIle der Treuhandanstalt als unabhängige hoheitliche Stelle die Höhe der Vertragsstrafe fest. Diese unabhängige Stelle setzt den Prozentsatz der Höhe der Vertragsstrafe im Investitionsvorrangbescheid im Einzelfall oft niedriger fest, als dies im notariellen Kaufvertrag ursprünglich noch vereinbart worden war 187• Oft wird die vertragliche Verpflichtung, 100 % der nicht getätigten Investitionen als Vertragsstrafe zahlen zu müssen, unangemessen sein. Angemessen sind 10 - 30 %, im Einzelfall werden auch Vertragsstrafen von 50 % nicht als unbillig einzustufen sein. Für die Frage, welche Vertragsstrafe noch als nicht unbillig angesehen werden kann, kommt es entscheidend auf die Höhe der zugesagten Investitionen und das Verhältnis dieser Zusagen zu Kaufpreis und Unternehmenswert an 188 • Indes könnte vorgeschaltet vor den allgemeinen Schranken der §§ 134, 138, 242 BGB noch die Spezialregelung des § 343 BGB zum Tragen kommen. Durch die EinfUgung des § 343 BGB schränkte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 138 BGB und die damit verbundenen gravierenden Nichtigkeitsfolgen des Vertrages vorab ein. Hierdurch wird es möglich, die Vertragsstrafe unberührt von der weiterhin bestehenden Wirksamkeit der Hauptverpflichtung isoliert herabzusetzen l89 • Dies ist eine Ausnahmeregelung zu der gesetzlichen Vermutung des § 139 BGB, wonach bei Teilnichtigkeit wesentlicher Bestimmungen im Zweifel die Gesamtnichtigkeit des Vertrages bzw. der Klausel anzunehmen ist. Die isolierte Nichtigkeit des Vertragsstrafeversprechens wegen unverhältnismäßiger Höhe wird durch die gesonderte Bestimmung des 343 BGB nahezu verdrängt, soweit diese Regelung anwendbar ist l90 • § 343 BGB greift bei Vertragsstrafeversprechen von Vollkaufleuten nicht ein, vgl. § 348 HGB. Die Rechtsprechung hat aber die einschneidenden Konsequenzen dieser gesetzlichen Regelung insoweit abgemildert, als sie die Grund187 Beachte auch hier wieder den Gedanken der Gleichbehandlung des Art. 3 GG; hierbei insbesondere das WiIlkürverbot: 2 Erwerber vergleichbarer VerkaufsflilIe, vergleichbare Pflichtverletzung - aber unterschiedliche Vertragsstrafe; entgegen Kiethe, Nachverhandlungen, S. 299 unterscheiden sich die Privatisierungen regelmäßig ganz erheblich. 188 Zu pauschal wohl der Ansatz von Ebbing, Verkaufspraxis, S. 369, der grundsätzlich wegen der Bedeutung des Investitionskonzepts für das Unternehmen auch eine Vertragsstrafe bis zu 100% für angemessen erachtet, da die Vertragsstrafe nicht über die durch die Pflichtverletzung bewirkte Einsparung des Käuferes hinausgeht. 189
Ebbing, Verkaufspraxis, S. 367; a.A. Preu, DStR 1994,1777,1782 m.w.N.
190 Zustimmend Wächter, VIZ 1994,265; für eine Gesamtunwirksamkeit der Klausel hingegen Preu, DStR 1994, 1777, 1782; Kiethe, Nachverhandlungen, Rdn. 338.
E. Grenzen der Ptlichtenbindung von Investoren
187
sätze über die Beschränkung von Vertragsstrafenregelungen in AGB auch auf Vollkaufleute anwendet l91 . Zusätzlich bleibt auch im Verhältnis zu einem Vollkaufmann eine Herabsetzung der Strafe wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage möglich 192 • Umgekehrt kann in besonders gelagerten Fällen auch bei Nichtkaufleuten, etwa dem Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, der Rechtsgedanke des § 348 HGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Herabsetzung der Strafe ausschließen l93 • Das Schrifttum weist darauf hin, daß § 343 BGB bei den Unternehmensverkäufen der Treuhandanstalt nur in wenigen Fällen zu einer Reduzierung der Vertragsstrafen führen wird. Denn die Schadensersatzfunktion setzt grundsätzlich eine Strafhöhe voraus, die erforderlich wäre, um die Treuhandanstalt so zu stellen, wie sie bei einer rein privatwirtschaftlichen Privatisierung bei Kaufpreismaximierung bzw. Kostenminimierung, etwa bei Einleitung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens, gestanden hätte l94 • Die Zwangsmittelfunktion führt aber zu einem weiteren spürbaren Aufschlag auf diesen Betrag, der unter dem Gesichtspunkt der Selbstversicherung gegen Ausfltlle und der Generalprävention gerechtfertigt werden kann. Da im Rahmen des § 343 BGB auch die wirtschaftliche Lage des Schuldners berücksichtigt werden kann, vermag § 343 BGB wenigstens MBO-Investoren mit geringem Einkommen und Vermögen zu helfen, wenn diese Gruppe von Investoren Vertragsstrafen ohne jede Relation zu ihren fmanziellen Möglichkeiten übernommen hat l95 • Eine Vertragsstrafe in Höhe von mehreren Millionen wäre unter Umständen bei ostdeutschen MBO-Investoren mit geringen Einkommen und Vermögen nicht mehr angemessen. Dabei ist aber nicht zu übersehen, daß die Übernahme einer derartigen Vertragsstrafe überwiegend mit der Übergabe von Werten in Millionenhöhe zu einem eher symbolischen Kaufpreis einherging. Die übernommene Verantwortung und gewährten wirtschaftlichen Chancen schließen es aus, die Höhe der Vertragsstrafe schematisch an das Einkommen oder Vermögen des Schuldners auszurichten.
191
MünchKomm/Söllner, BGB, § 343 Rdn. 3.
192
BGH NJW 1954, 998; PalandtlHeinrichs, BGB, § 343 Rdn. 7; BGH DB 1961,
1690. 193 MünchKomm/Söllner, § 343 Rdn. 7; BGHZ 5, 133; Kiethe, Nachverhandlungen, S. 130. - Die Vereinbarung einer überhöhten Vertragsstrafe kann gegen § 138 BGB, die Geltenmachung gegen § 242 BGB verstoßen. Die Vertragsstrafe kann zur Vermeidung der Teil- oder Gesamtnichtigkeit des Vertrages herabgesetzt werden, vgl. § 139 BGB. 194
Wächter, WM 1994, 1319, 1324.
19S
MünchKomm/Söllner, BGB, § 343 Rdn. 14.
188
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
Eine Reduzierung der Vertragsstrafe kann sich auch unter Berücksichtigung des sogenannten Multiplikationseffekts ergeben. Nicht selten werden die einzelnen Faktoren, die die Höhe der Vertragsstrafe bestimmen, isoliert verhandelt und festgeschrieben, ohne daß das sich hieraus ergebende maximale Haftungsvolumen abschließend von den Parteien noch einmal auf seine Angemessenheit überprüft wird. Dabei werden durch den Multiplikationseffekt sehr schnell Millionenbeträge erreicht. Bei einer Beschäftigungsverpflichtung beispielsweise rur 80 Mitarbeiter, pönalisiert mit DM 25.000 p.a. und einer Laufzeit von 4 Jahren, ist das maximale Risiko etwa bereits 8 Mio. DM. Sofern die Vertragsstrafe in diesen Fällen außer Verhältnis zu den übertragenen Vermögenswerten steht, ruhrt die Anwendung von § 343 BGB ebenfalls zu einer angemessenen Anpassung. Eine Reduzierung der Vertragsstrafe geht somit generell der Nichtigkeit der gesamten Regelung vor 196 • Im Rahmen des § 138 Abs. I oder Abs. 2 BGB ist die Angemessenheit der Strafe umfassend zu würdigen. Bei der Entscheidung über die Angemessenheit der Strafe sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Funktion der Strafe als Druck- und Sicherungsmittel, das Interesse des Gläubigers an der Verhinderung der Handlung, die Art des Verstoßes, der Verschuldensgrad und die wirtschaftliche Lage des Schuldners 197. Eine unverhältnismäßige Höhe der Vertragsstrafe begründet rur sich allein noch keine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB; es müssen vielmehr bestimmte Umstände in Bezug auf Inhalt, Beweggrund oder Zweck der Abrede hinzutreten, beispielsweise die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz 198 • Das LG Köln betont in einer Entscheidung, daß der Auftrag und die Gemeinwohlbindung der Treuhandanstalt eine Verschleuderung von Staatsvermögen verbietet. Die Tatsache, daß im konkreten Fall die Verwirkung der Strafe verschuldensunabhängig in Form eines Garantieversprechens vereinbart worden war, konnte daher auch nicht die Sittenwidrigkeit der Vertragsstrafenregelung begründen 199. Das Gericht ftihrte weiter aus, daß bei der
196 PalandtlHeinrichs, BGB, § 343 Rdn. 3 und Ebbing, Verkaufspraxis, S. 367. Skeptisch Lindacher, Phänomenologie der Vertragsstrafe, 1972, S. 101 ff. und Lehmann, DStR 1993, 802, 806: Ist eine formularmäßig vereinbarte Vertragsstrafe unangemessen hoch, so fUhrt dies nicht zur Anpassung der Höhe der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB, sondern zu der Unwirksamkeit der Klausel insgesamt. 197 MünchKommiMayer-Maly, BGB, § 138 Rdn.6 m.w.N.; Sieg, NJW 1951, 506, 508; BGHNJW 1983,942; BGHNJW 1984,921. 198 MünchKommlSöllner, BGB, § 343, Rdn. 3 m.w.N., z.B. RGZ 85, 100 und 114, 307: HRR 32 Nr. 1644; BGH LM Nr.lb, BGH WM 1971,641,643.
199 WiB LG Köln, 1995,251 ff. m. Anm. v. Armin Frhr. von Grießenbeck; a.A. Kiethe, Nachverhandlungen, S. 126, Rdn. 395, der auf die Entscheidung RGZ 90, 182, 182
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Prüfung eines Verstoßes gegen § 138 BGB wesentlich ist, in welchem Verhältnis der tatsächliche Wert des Unternehmens im Verhältnis zur Höhe der Vertragsstrafe zum Zeitpunkt der Veräußerung gestanden hat. Von einer sittenwidrigen Benachteiligung des Investors kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Höhe der Vertragsstrafe den Wert des Unternehmens nicht nur unbeachtlich übersteigt. Wiederum ist daran zu erinnern, daß der Umfang der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen oft eng mit einer Senkung des Kaufpreises für das zu erwerbende Unternehmen verknüpft ist. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Treuhandanstalt gemäß der vertraglichen Vereinbarung gerade nicht gegen das Unternehmen vollstreckt, sondern gegen den Investor als natürliche Person oder juristische Person in der Funktion als Gesellschafter2°O. Die Rechtsposition des Unternehmens selbst bleibt unberührt. V. Entfallen der Vertragsstrafe wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage Die rechtlichen Rahmenbedingungen rur die Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt nahmen nur allmählich stabilere Konturen an. Besonders wichtig war die Schaffung des § 3 aVermG und des InVorG, die beinhalten, unter welchen Voraussetzungen die Investoren von der Zahlung der Vertragsstrafen bzw. der Rückübertragung der Unternehmen befreit sind. In den Verträgen aus der Anfangsphase der Privatisierung indes kommt dem Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage eine größere Bedeutung als gemeinhin üblich zu. Dies liegt in den schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen der neuen Bundesländer und in der Unausgewogenheit der vertraglichen Formulierungen in den frühen Verträgen begründet. Es ist notwendig, die dogmatischen Konturen dieses auf AusnahmeflilIe zugeschnittenen, im Schrifttum vielfach angefeindeten Rechtsinstituts aufzuzeigen. Die weitergehende Prüfung muß ergeben, ob mithilfe dieser Formel für die Vertragsparteien akzeptable Lösungen zu erreichen sind. Dabei zeigt sich, ob dem Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage die Funktion eines rechtlichen Interessenausgleichs bei der wirtschaftlichen Umstrukturierung in den neuen Bundesländern zukommt.
verweist, die aber nicht paßt. Der vom RG entschiedene Fall Sachverhalt war so gelagert, daß die Verwirkung der Vertragsstrafe für den Schuldner selbst existenzbedrohende Folgen hatte. Nur deshalb bewertete das RG das Vertragsstrafeversprechen als sittenwidrig. 200
Oft sind dies mit geringem Stammkapital ausgestattete Kapitalgesellschaften.
190
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln 1. Dogmatische Herleitung des Rechtsinstituts
vom Wegfall der Geschäftsgrundlage
Die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage stellt eine Anwendung der überkommenen Lehre von den "clausula rebus sic stantibus" dar. Seine Neuentdeckung verdankte dieses Rechtsinstitut der Lehre von Oertmann, der im Zuge der gravierenden Auswirkungen des l.Weltkrieges auf das Wirtschaftsleben in Deutschland und der galoppierenden Währungs inflation in der Nachkriegszeit feststellte, daß die dadurch erzeugten Verschiebungen des Vertragsgleichgewichts mit der herkömmlichen Dogmatik des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht mehr befriedigend gelöst werden konnten. Nach der Formel von Oertmann beinhaltet die Geschäftsgrundlage eines Vertrages "die beim Geschäftsabschluß zutage tretende und vom etwaigen Gegner in ihrer Bedeutsamkeit erkannte und nicht beanstandete Vorstellung eines Beteiligten oder die gemeinsame Vorstellung der mehreren Beteiligten vom Eintritt gewisser Umstände, auf deren Grundlage der Geschäftswille sich aufbaut,,201. Der BGH wandelte diese Formel etwas ab und defmiert die Geschäftsgrundlage wie folgt: "Geschäftsgrundlage sind die nicht zum eigentlichen Vertrags~ inhalt erhobenen, bei Vertragsabschluß aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Vorhandensein gewisser Umstände, auf denen der Geschäftswille sich aufbaut,,202. 2. Vorrang der vertraglichen Risikoverteilung
Das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist stets nachrangig zu der vertraglichen Risikoverteilung. Die Risikoübernahrne kann sich dabei aus dem besonderen Inhalt des Vertrags, aber auch aus dem Verhalten der betroffenen Partei nach Vertrags abschluß ergeben. Hat eine Partei vertraglich ein Risiko übernommen, so ist ihre Erwartung, das Risiko werde sich nicht verwirklichen - auch für die Gegenpartei erkennbar -, nicht Geschäftsgrundlage.
201 Oertmann, Die Geschäftsgrundlage - ein neuer Rechtsbegriff, 1921; vom RG übernommen in RGZ 103, 328 ff.
202
Vgl. z.B. BGH NJW 1991, 1478; auch BGHZ 32, 97, 102 f.
E. Grenzen der Pflichtenbindung von Investoren
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Die Rechtsprechung legt fest, daß die künftige Änderung von Umständen, die eine Partei tatsächlich als sicher vorausgesehen hat oder mit der sie als wahrscheinlich gerechnet hat, dieser Partei nicht das Recht gibt, sich auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen203 • Noch restriktiver ist die vor allem in der Literatur häufig vertretene Ansicht, der Wegfall der Geschäftsgrundlage sei nur zu berücksichtigen, wenn die Änderung der Verhältnisse für die betroffene Vertragspartei unvorhersehbar gewesen ise04 • 3. Rechtsfolgen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
Die Rechtsfolge beim Wegfall der Geschäftsgrundlage ist grundsätzlich die Anpassung des Vertrages an die veränderten Umstände20s • Dabei ist diejenige Regelung zu wählen, welche die Parteien bei richtiger Kenntnis der Wirklichkeit vereinbart hätten 206 • Maßgebliches Kriterium filr die Anpassung ist dabei die Zumutbarkeieo7 • Hierbei ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich208 • Je nach Lage des Falles kommen konkret in Betracht: Herabsetzung oder Aufhebung einer Verbindlichkeie09 , die Aufhebung der Käuferpflichten 210 oder eine Anpassung der Zahlungpflicht an die veränderten Grundlagen2ll . Ist
203 BGH WM 1964, 1253, 1254; zuletzt BGHZ 112, 259, 261: die Vorhersehbarkeit einer bestimmten Entwicklung schließt die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur dann aus, "wenn das Risiko des Wegfalls bewußt in Kauf genommen worden ist." 204 Larenz, Geschäftsgrundlage und Vertragserfilllung, 3.Aufl. 1963, S. 107; der Fortfall der objektiven Geschäftsgrundlage ist dann nicht zu berücksichtigen, wenn das Ereignis, auf dem er beruht, rur die betroffene Partei vorhersehbar war, weil sie dann rur diesen Fall eine Bestimmung hätte treffen können, und in Ermangelung einer solchen das Risiko als von der betroffenen Partei übemommen angesehen werden muß; vgl. auch Ulmer, AcP 174 (1974), 167, 185 f.; MünchKommiRoth, BGB, § 242 BGB, Rdn. 506 usw. 20S
Kiethe, Nachverhandlungen, S. 204; BGHZ 47,52 m.w.N.
206
Medicus, in: FS Flume 11, 1978, S. 629 ff.
207
MünchKommiRoth, BGB, § 242 Rdn. 507.
208
BayOblG NJW-RR 1989, 1296.
209
BGH NJW 1985,758; BGH WM 1971,276.
210
OLG Frankfurt MDR 1974,401.
211
BGHZ 25, 390.
192
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
die Anpassung des Vertrages nicht möglich, so kommt ausnahmsweise die Aufhebung des Vertrages in Betracht2l2 • Unter Berücksichtigung der spezifischen Atypizität der Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt bieten sich folgenden Alternativen an: - Verlängerung der Vertrags dauer gegen Übernahme neuer Verpflichtungen durch den Erwerber - teilweise Aufhebung bzw. Verringerung der Vertragspflichten - vorübergehende Stundung - Befreiung von der Mehrerlösabfilhrungspflicht filr einzelne Veräußerungsvorgänge - Vollständiger Verzicht auf die Vertragsstrafe oder Herabsetzung 213 Für die Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt bietet sich grundsätzlich besonders die letztgenannte Lösung an, da bei der Festlegung des Kaufpreises regelmäßig Arbeitsplätze und Investitionen wesentliche Entscheidungsparameter sind. 4. Wegfall der Geschäftsgrundlage aus Sicht der Investoren
Bei der Bemessung der Vertragspflichten der Investoren lag den Verträgen zumeist aus der Anfangsphase der Privatisierung Ende des Jahres 1990/ Anfang des Jahres 1991 eine günstige Prognose über die ökonomische Entwicklung in Deutschland zugrunde. Dies fand seinen Niederschlag auch in dem Umfang der Arbeitsplatz- und Investitionsverpflichtungen. Angesichts der im Jahre 1992 einsetzenden wirtschaftlichen Rezession sehen sich manche Investoren außerstande, die einmal abgegebenen Beschäftigungszusagen einzuhalten. Daher sind die Verträge daraufhin zu analysieren, ob der Investor weitestgehend das allgemeine wirtschaftliche Risiko der Rezession in seiner Branche trägt, und wie sich dies mit dem Verschuldenserfordernis in Bezug auf etwaige verwirkte Vertragsstrafen wegen Nichteinhaltung der Arbeitsplatz- und Investitionsgarantien verträgt. Voraussetzung filr die Anwendbarkeit der "allgemeinen Billigkeitslehre" von der Geschäftsgrundlage ist, daß die gesetzlichen Regelungen bzw. die 212 Die Lit. hat sich der Rspr. im Grundsatz fast durchweg angeschlossen; dagegen ist die Formel Oertmanns und ihre Übernahme durch die Rspr. überwiegend auf Kritik gestoßen. 213
HolzapJellPöllath, Unternehmenskauf, S. 446.
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ergänzende Vertragsauslegung nicht schon zu einer den Interessen der Parteien gerecht werdenden Lösung geführt haben. Gesetzliche Sonderregelungen könnten seit Juli 1992 die Bestimmungen des Investitionsvorranggesetzes, speziell die Regelungen der §§ 13 und 14 InVorG sein, die aber auf die hier zur Erörterung stehenden Altverträge nicht anwendbar sind. Auch ein Vorrang der Regeln über die Anfechtung von Verträgen greift nicht, da beide Parteien sich über die wirtschaftliche Entwicklung irrten214 • Die herrschende Meinung im Schrifttum und die Rechtsprechung wenden in derartigen Fällen der wirtschaftlichen Unmöglichkeit regelmäßig die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage an215 • Der Ansatzpunkt tUr das Vorliegen einer sogenannten wirtschaftlichen Unmöglichkeit ist in vielen Fällen die Veränderung im Bereich der Vertragsbeziehungen ehemaliger DDRBetriebe zu den Ländern des ehemaligen Ostblock. Das Schrifttum weist darauf hin, daß verschiedene Investoren Unternehmen in der Frühphase der Privatisierung in den neuen Bundesländern gerade wegen deren Vertriebsbindungen in den Ostblock erworben haben und diese Geschäftsbeziehungen auch Grundlage der Wertermittlung waren216 • Eine einseitige Risikozuweisung zulasten des Erwerbers kann daher wegen der Unvorhersehbarkeit zumindest bei langfristigen Verpflichtungen nicht gerechtfertigt sein217 • Dies ist zwar vom Ansatz her richtig, jedoch fmden sich in aller Regel keine solche langfristigen Verträge mit den GUS-Staaten, oder diese waren zum Zeitpunkt der Unternehmensprivatisierung durch die Treuhandanstalt schon aufgekündigt. 5. Wegfall der Geschäftsgrundlage aus Sicht der Treuhandanstalt
Auch für die Treuhandanstalt kann in bestimmten Fällen eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage günstig sein. Auffallend bei den frühen Privatisierungen sind die geringen gesetzlichen Mindestanforderungen an die investiven Verpflichtungen der Käufer von Treuhandunternehmen vor Verab214 Kiethe, Nachverhandlungen, S.100. - Nach Messerschmidt, WiB 1994,377,379, handelt es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum, vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, § 119 Rdn. 29. 215 Holzapjel/Pöllath, Unternehmenskauf, S. 445; es bietet sich eine Vertragsanspassung an nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 242 BGB. Die Grenzen sind fließend, vgl. Palandt./Heinrichs, BGB, § 242, Rdn. 116. 216
Lehmann, DStR 1993, 802, 807.
217 Lehmann, DStR 1993,802,807; Kiethe, VIZ 1993,225 ff, 231 und BB 1994,7, 13 f. sowie Holzapjel/Pöllath, Unternehmenskauf, S. 440.
13 HeB
194
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
schiedung des § 3 a VennG im Frühjahr 1991 vor den detaillierten Regelungen im InVorG vom Juli 1992. In den Verträgen aus der Anfangszeit der Unternehmensprivatisierung waren die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen sowie die DurchfUhrung von Investitionen oft nur als Absichtserklärung in der Präambel angedeutet und im späteren Vertragstext nicht mehr erwähnt geschweige poenalisiert. Klauselbeispiele: "Die Parteien gehen davon aus, daß durch das Investitionsvorhaben bis Ende 1994 120 Dauerarbeitsplätze im Betrieb gesichert werden und bis Ende 1994 DM 2 Mio. in das Unternehmen investiert werden." oder noch abgeschwächter: "Der Käufer beabsichtigt, bis Ende 1994 120 Arbeitsplätze zu sichern und bis 31.12.1994 DM 2 Mio. zu investieren." Auch in solchen Kaufverträgen aus der Frühzeit der Privatisierung waren die zum Teil erheblichen Kaufpreisnachlässe gekoppelt an die Zahl der Arbeitsplätze bzw. an die Höhe der Investitionen. Es ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls, welche Fonnulierung in den Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt noch hinreichende Erfolgsaussichten im Falle eines späteren Rechtsstreits bietet. In der Vertragsurkunde lautet die Fonnulierung betreffend die Regelung des Kaufpreises beispielsweise dergestalt, daß die Festlegung des Kaufpreises "im wesentlichen durch die Zusage des Erwerbers bestimmt ist, er werde 120 Arbeitsplätze bis zum 31.12.1994 sichern und DM 2 Mio. in das Anlagevennögen des erworbenen Betriebs investieren". Bei solch einer flexiblen Gestaltung der Kaufpreisklausel kann wegen der Nichtvornahme von Investitionen und der Unterschreitung der Arbeitsplatzzusage gegebenenfalls eine Kaufpreisanpassung von der Treuhandanstalt eingefordert werden. Fehlt aber eine solche Verknüpfung der investiven Zwecke mit dem Kaufpreis, so stellt sich die Frage, ob die Treuhandanstalt aus einer bloßen Absichtserklärung in der Präambel Rechte herleiten kann. Denkbar ist auch hier eine Revision des Vertrages allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage. Ein Rechtsanspruch der Treuhandanstalt auf die nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises oder weitergehend sogar die Rückabwicklung des Vertrages ist schwerlich erkennbar, wenn im Vertragstext selbst nicht zumindest angedeutet ist, die Kaufpreisennittlung basiere unter anderem darauf, daß Arbeitsplätze und Investitionen geschaffen werden. Nach Auffassung des Verfassers reicht eine Fonnulierung in der Präambel des Vertrages wie "der Käufer beabsichtigt, x Arbeitsplätze zu schaffen/sichern ... " nicht aus, um das Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage anwenden zu können. Von solch einer unverbindlichen "Good-will"-Erklärung
E. Grenzen der Pflichtenbindung von Investoren
195
in der Präambel gelangt man nur zu einer Erklärung von juristischer Relevanz, indem zumindest in der Präambel eine präzisere Formulierung gewählt wird, wie etwa "Der Käufer wird Investitionen durchfUhren in Höhe von DM 2 Mio." Damit wäre dem Grunde nach ein Ansatzpunkt filr eine Vertragsanpassung unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gegeben. Aber selbst dann ist die Rechtsposition des Investors kaum angreifbar. Die Treuhandanstalt muß den Nachweis fUhren, daß das Festhalten am Vertrag filr sie unzumutbar ist. Sie hat zu beweisen, daß die von ihr behauptete Kaufpreisermäßigung gerade durch das Volumen der vom Käufer zugesagten investiven Maßnahmen veranIaßt war2l8 . 6. Die Risikoverteilung in den Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt
Unabhängig von der Bewertung der vorgenannten vagen Absichtserklärungen in der Präambel untersucht Huber, unter welchen Voraussetzungen die vertragliche Gestaltung der investiven Verpflichtungen zum Einfallstor filr das Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage werden kann219 Er unterscheidet hierbei zwischen "direkten Zusagen", d.h. Investitionen in das Unternehmen, und "indirekten Investitionszusagen" im Sinne der Erhaltung einer bestimmten Zahl von Arbeitsplätzen22o • Huber stellt zunächst zur Disposition, ob gegebenenfalls das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzuwenden ist, wenn die im Restrukturierungsplan gemachten Annahmen zu optimistisch gewesen sind. Die vertragstypische Risikoverteilung ist Ausgangspunkt fUr die Beurteilung, ob der Erwerber eines Treuhandunternehmens sich mit Erfolg auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann. Soweit sich in der Zeit ab dem Erwerb des Unternehmens ein Risiko verwirklicht hat, das zur vertragstypischen Risikosphäre des Erwerbers gehört, kann sich der Erwerber auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht berufen221 • Zur Ermittlung der vertragstypischen Risikoverteilung ist zuerst auf das dispositive Gesetzesrecht, in zweiter Linie auf die ergänzende Vertragsauslegung zu rekurrieren.
218 Ob dieser Ansatz ein Einfallstor für eine Vertragsrevision im Sinne der Treuhandanstalt bilden wird, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden, da die Treuhandanstalt gerichtlich noch keinen Präzedenzfall geschaffen hat.
219 Huber, Rechtsgutachten zu Fragen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei den Privatisierungsverträgen der THA vom 25.1.94 (zitiert: Gutachten), (unveröffentlicht).
13'
220
Huber, Gutachten (unveröffentlicht), S. 8.
221
BGHZ 73, 370 ff.
196
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
a) Pflicht zur Kaufpreiszahlung und Geschäftsgrundlage
Zwar ist auch beim Unternehmenskaufvertrag von dem Grundsatz auszugehen, daß "bei einem gegenseitigen Vertrag regelmäßig die Vorstellungen der Parteien über eine grundsätzliche Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung Geschäftsgrundlage sind,,222. Das gilt aber nicht, wenn die spätere Verschiebung der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung auf Umständen beruht, die zum vertragstypischen Risiko des Käufers eines Unternehmens gehören. Zum vertragstypischen Risiko des Käufers gehört insbesondere der nachträgliche Wertverlust des Unternehmens, wenn dieser auf einem nachträglichen allgemeinen Rückgang der Konjunktur beruhe 23 , und weiterhin, wenn er durch eine Änderung des Nachfrageverhaltens der bisherigen Kunden des Unternehmens verursacht ist. Weder der allgemeine KonjunktuITÜckgang, noch der Verlust der Ostmärkte, noch der Fehlschlag des Versuchs, neue Märkte zu erschließen, kann, soweit es um die Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises geht, einen Wegfall der Geschäftsgrundlage im Fall der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern begründen224 • An dieser für den Unternehmenskauf typischen Risikoverteilung ändert sich nichts dadurch, daß die Parteien der Festsetzung des Kaufpreises bestimmte gemeinsame Vorstellungen über die Sanierungsfiihigkeit des Unternehmens und über den hierfür erforderlichen Sanierungsaufwand zugrundegelegt haben. Für jeden Unternehmenskaufvertrag ist typisch, daß derartige übereinstimmende zukunftsgerichtete Erwartungen der Parteien bestehen. Berechnen die Parteien den Kaufpreis auf der Basis des Ertragswerts des Unternehmens, so gehen sie übereinstimmend von der Erwartung aus, daß der in der Vergangenheit erzielte Ertrag auch in Zukunft erzielt werden kann. Ist das nicht möglich, weil die Konkunktur zurückgeht oder das Unternehmen Märkte verliert oder nicht mehr zu marktgerechten Preisen produzieren kann, so ändert die Art der Preisfestsetzung im Kaufvertrag nichts daran, daß diese Ereignisse in den Risikobereich des Käufers fallen. Der Käufer, dessen Ertragserwartungen sich nicht realisieren, kann nicht den Kaufpreis verweigern oder sogar zurückfordern, weil er nach der Ertragswertmethode berechnet ist. Wird der Kaufpreis auf Grund des bisherigen Umsatzes des Unternehmens ermittelt, kann der Käufer keine Korrektur
222
WM 1978,322,323.
223
BGH BB 1977, 1171; Messerschmidt, WiB 1994,377,381.
224 Huber, Gutachten (unveröffentlicht), S. 73; Messerschmidt, WiB 1994,377,381; zust. Horn, DB 1995,359,364, wonach die Verweigerung einer EG-Genehmigung für eine Subvention als ein aus der staatlichen Sphäre stammendes Risiko der Treuhandanstalt zuzureichnen ist, hingegen das Wegbrechen der Ostmärkte eher dem Investor als typisches Untemehmensrisiko zuzuweisen ist.
E. Grenzen der Ptlichtenbindung von Investoren
197
des Kaufpreises verlangen, wenn der Umsatz später zurückgeht. Wird der Kaufpreis nach der Substanzwertmethode berechnet und wird dabei vom going concern-Prinzip, d.h. der Fortführung des Unternehmens, ausgegangen und nicht der Zerschlagungswert zugrundegelegt, so kann der Käufer keine Korrektur des Kaufpreises verlangen, wenn er das Unternehmen wegen Konjunkturrückgangs oder wegen des Verlustes von Märkten später liquidieren muß 22S • Der Käufer von Treuhandunternehmen weiß, daß das erworbene Unternehmen noch wettbewerblich zu strukturieren ist. Es ist ein hervorstechendes Merkmal der Privatisierung im Osten Deutschlands, daß der Käufer der Treuhandanstalt die Restrukturierungslast in den atypischen Unternehmenskaufverträgen abnimmt. Dies wird bei der Festsetzung des Kaufpreises und der von der Treuhandanstalt zu übernehmenden Nebenleistungen bereits berücksichtigt226 • b) Vertragliche Risikoverteilung bei Arbeitsplatz- und Investitionszusagen der Investoren
Investive Verpflichtungen sind für den herkömmlichen Unternehmenskaufvertrag atypisch, resultieren aber in den neuen Bundesländern aus dem Gesetzesauftrag der Treuhandanstalt und dem staatlichen Zugriff auf vermögenswerte Positionen von Alteigentümern. Mitentscheidend für den Zuschlag bei der Privatisierung durch die Treuhandanstalt ist das Investitions- bzw. Restrukturierungskonzept des potentiellen Käufers, das bestimmte Prognosen enthält227 . Die Frage, ob der Käufer auch insoweit das Prognoserisiko in vollem Umfang übernimmt, wird vom dispositiven Gesetzesrecht nicht beantwortet. Es sind aber Fälle denkbar, in denen es dem Käufer nur schwer zuzumuten ist, daß er an seinen ursprünglichen Zusagen festgehalten wird, wenn die Verhältnisse sich ganz anders entwickelt haben, als in der gemeinsamen Prognose angenommen worden war. Deshalb erscheint eine Berufung auf Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht von vornherein ausgeschlossen.
225 Huber, Gutachten (unveröffentlicht), S. 74: Mit der Wirtschafts- und Währungsunion arn 1.7.1990 verschlechterte sich die Wettbewerbsflihigkeit sämtlicher DDRUnternehmen mit einem Schlag um ca. 400 %, da ein Marktwechselkurs zwischen DM und Ost-Mark ca. 1:4 betrug. Dies konnte jeder wissen, der es wissen wollte; insofern war der Wegfall der Ostmärkte zwingend, es sei denn, der Staat hätte dauerhaft die Exporte subventioniert. 226 So auch Horn, DB 1995, 359, 363, wonach der Investor ein bestimmtes unternehmerisches Verlustrisiko mit der Chance eines unternehmerischen Gewinns Obernimmt.
227
Huber, Gutachten (unveröffentlicht), S. 75.
198
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
c) Vorrang der ergänzenden Vertragsauslegung im Hinblick auf die Arbeitsplatz- und Investitionszusagen im Restrukturierungskonzept
Im Sinne der Grundlagenformel der Rechtsprechung handelt es sich bei dem Restrukturierungskonzept des Käufers und den darin enthaltenen Prognosen um eine gemeinsame Vorstellung der Parteien des Privatisierungsvertrags, auf denen der Geschäftswille beider Parteien aufbaut. Die vom Käufer versprochenen Investitionen erscheinen als erforderlich und geeignet, den prognostizierten Sanierungserfolg sicherzustellen, und die Erhaltung der vom Käufer zugesagten Arbeitsplätze erscheint als möglich, wenn die Investitionen durchgeftlhrt werden und die zugrundeliegende Prognose zutrifft. Es ist zu berücksichtigen, daß die Arbeitsplatz- und Investitionszusagen als Teil der Gegenleistung des Käufers einzustufen sind. Es handelt sich um eine zusätzliche Leistung des Käufers neben der Zahlung des Kaufpreises. Eigentlich ist es die Aufgabe der Treuhandanstalt, die Betriebe wettbewerblich zu strukturieren. Diese Aufgabe der Restrukturierung und Sanierung nimmt der Käufer der Treuhandanstalt teilweise ab. Daher ist es selbstverständlich, daß dem Käufer, der eine zusätzliche Gegenleistung in Form von Arbeitsplatz- oder Investitionszusagen erbringt, hierfilr ein Zugeständnis bei der Festsetzung des eigentlichen Kaufpreises gemacht werden muß, mag auch der objektive Wert von Arbeitsplatz- und auch von Investitionszusagen schwer abzuschätzen sein. Einen Anhaltspunkt für die subjektive Einschätzung durch die Parteien bieten die im Vertrag üblich erweise festgesetzten Vertragsstrafen, die zwischen DM 15.000 bis 36000 pro Arbeitsplatz im Jahr liegen oder beispielsweise 20 % des zugesagten Investitionsvolumens betragen. Diese Vertragsstrafen verfolgen nicht nur den Zweck, den Käufer zur Einhaltung seiner Vertragspflichten zu veranlassen, sondern sie verfolgen auch den Zweck, der Treuhandanstalt einen angemessenen Ausgleich dafür zu bieten, daß der Kaufpreis im Hinblick auf die Sanierungszusagen des Käufers niedriger festgesetzt werden mußte, als es ohne die Zusagen des Käufers der Fall gewesen wäre. Diese Funktion wird besonders deutlich in Fällen, in denen der Kaufpreis unter Einberechung etwaiger Entschuldungszusagen der Treuhandanstalt hinter dem bilanziellen Substanzwert des Unternehmens zurückbleibt, oder in denen stille Reserven im Grundeigentum des Unternehmens bei der Festsetzung des Kaufpreises unberücksichtigt geblieben sind. Arbeitsplatz- und Investitionszusagen sind teilweise als Ersetzung des Kaufpreises anzusehen. Der Käufer zahlt gewissermaßen in dem Umfang, wie er die Zusagen nicht eiDhält, einen erhöhten Kaufpreis in Form der Vertragsstrafen. Deshalb ist die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur dann möglich, wenn die Geschäftsgrundlage für beide vom Käufer alternativ übernommenen Gegenleistungen weggefallen ist.
E. Grenzen der Ptlichtenbindung von Investoren
199
d) Wegfall der Geschäftsgrundlage bei zeitlich begrenzten Arbeitsplatzzusagen mit zeitabhängiger Vertragsstrafe
In diesem Fall begrenzen die Vertragsparteien das Risiko, daß die Arbeitsplatzzusage sich wegen des Nichteintreffens der im Restrukturierungskonzept enthaltenen Prognosen nicht einhalten läßt, auf einen bestimmten Zeitraum. Der Käufer übernimmt das Risiko der wirtschaftlichen Entwicklung in Bezug auf die Arbeitsplatzzusage. Für die Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist aufgrund dieser vertraglichen Risikoverteilung kein Raum. Es reicht nicht aus, daß dem Käufer die Einhaltung der Arbeitsplatzgarantie unzumutbar ist; vielmehr muß auch die an ihre Stelle tretende Zahlung der Vertragsstrafe, also die Erhöhung des Kaufpreises als Ausgleich filr die unvollständige Durchftlhrung des Sanierungskonzepts, sich als unzumutbare Härte darstellen. Hier spielt insbesondere die Höhe der verfallenen Vertragsstrafe im Verhältnis zum ursprünglich vereinbarten Kaufpreis eine Rolle228 • Selbst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegen, träte nicht die Rechtsfolge ein, daß die Zahlung der Vertragsstrafe ersatzlos entfiele. Vielmehr wäre der Vertrag an die veränderte Lage anzupassen. Die Folge könnte nur eine Reduzierung, nicht die vollständige Streichung der verfallenen Vertragsstrafe sein. Der Schuldner ist gemäß § 275 BGB von der Erbringung der Leistung nur bei Nichtvertretenmüssen befreit. Finanzielles Unvermögen hat der Käufer gemäß §§ 276, 279 BGB zu vertreten. Somit verbleibt dem Käufer nur die Möglichkeit, sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen. Im Fall der Insolvenz, wenn sie nicht Folge eklatanter geschäftspolitischer Fehlentscheidungen war, wird es in der Regel evident sein, daß die Prognosen des Sanierungskonzepts, auf deren Grundlage der Käufer die Arbeitsplatzzusage abgegeben hat, unrichtig waren. e) Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Investitionszusagen mit Vertragsstrafen in Höhe der unterschrittenen Investitionssumme
Huber bewertet diese Klausel anders als den Fall der zeitlich begrenzten, mit einer zeitabhängigen Vertragsstrafe bewehrten Arbeitsplatzzusage. Er verweist insbesondere auf die oft anzutreffende Vertragsklausel mit der Enlastungsmöglichkeit über den Nachweis sogenannter dringender betrieblicher Erfordernisse. Hier ist das Problem der veränderten Verhältnisse vertraglich geregelt, filr einen Rückgriff auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage besteht weder Raum noch Bedürfnis. Fehlt eine solche Entlastungsklausel, so 228
Huber, Gutachten (unveröffentlicht), S. 96.
200
4. Kap.: Gestaltung und Schranken der investiven Klauseln
darf nach Auffassung von Huber dennoch nicht einfach der Schluß gezogen werden, der Käufer habe das Risiko der Veränderung der Verhältnisse innerhalb des vorgesehenen Investitionszeitraums ohne jede Einschränkung übernommen. Der Umfang des Investitionsvolumens und die drakonische Härte der Vertragsstrafe sprechen dagegen229 • Die Treuhandanstalt hätte es dann in der Hand - die unbegrenzte Risikoübernahme des Käufers unterstellt -, den Käufer zu Investitionen zu zwingen, die wirtschaftlich sinnlos sind. Dies stünde nicht nur zu den Interessen des Käufers, sondern auch zu dem gesetzlich vorgegebenen Interesse der Treuhandanstalt in Widerspruch, die Wettbewerbsflihigkeit des Unternehmens herzustellen. Soweit es um die Pflicht des Käufers geht, das Unternehmen zu übernehmen und den Kaufpreis gemäß § 433 Abs. 2 BGB zu bezahlen, fällt der Fehlschlag der Prognose in das vertragstypische Risiko des Käufers. Das gleiche gilt über die ergänzende Vertragsauslegung für Arbeitsplatzzusagen, soweit sie auf einen überschaubaren Zeitraum beschränkt und mit dem Versprechen einer zeitabhängigen Vertragsstrafe bewehrt sind. Soweit es dagegen um die vom Käufer übernommene Verpflichtung geht, Investitionen vorzunehmen und widrigenfalls den zu investierenden Betrag als Vertragsstrafe zu bezahlen, ist die Prognose Geschäftsgrundlage. Der Unternehmenskaufvertrag ist an die veränderte Lage anzupassen, beispielsweise durch einen zeitlichen Aufschub der Verpflichtung, den teilweisen Erlaß, äußerstenfalls auch die vollständige FreisteIlung. Soweit die Verpflichtung des Käufers aufgeschoben wird oder entfällt, ist auch ein vom Käufer für den Fall der Nichterfüllung abgegebenes Vertragsstrafeversprechen gegenstandslos, vgl. § 339 BGB. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage betrifft immer nur die Investitionszusage als solche und läßt den Vertrag im übrigen unberührt. Ein Rücktrittsrecht der Treuhandanstalt entsteht nur dann, wenn ihr ein Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten ist, nachdem der Investor sich hinsichtlich seiner Zusage mit Erfolg auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berufen konnte. Ein schutzwürdiges Interesse der Treuhandanstalt besteht freilich nur dann, wenn diese darauf hoffen kann, einen anderen Käufer zu fmden, der bereit ist, die Investitionen durchzuführen. Als Beispiel sei die Konstellation genannt, daß die Parteien 20 % der unterlassenen Investition als Vertragsstrafe vereinbaren. Hier ist das Ergebnis der ergänzenden Vertragsauslegung nach Auffassung von Huber ein anderes. Der Investor hat praktisch die Möglichkeit, sich' von der Einhaltung der Investitionszusage durch Zahlung der Vertragsstrafe "loszukaufen,,230. Hier ist die
229
Huber, Gutachten (unveröffentlicht), S. 100.
230
Huber, Gutachten (unveröffentlicht), S. 105.
E. Grenzen der Pflichten bindung von Investoren
201
Zahlung der Vertragsstrafe für den Käufer eine wirkliche "facultas alternativa". Für die Treuhandanstalt bildet die Vertragsstrafe zugleich einen pauschalen Ausgleich dafür, daß die später nicht eingehaltenen Investitionszusagen des Käufers bei der Festsetzung des Kaufpreises zu seinen Gunsten berücksichtigt worden waren. Daneben ist grundsätzlich kein Raum für eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Es stellt sich daher die Frage der Abgrenzung zwischen einer hohen Vertragsstrafe mit der Möglichkeit der Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage und einer niedrigen Vertragsstrafe ohne die Berufung auf dieses Rechtsinstitut. Nach dem Standpunkt von Huber kann von einer ausreichenden Berücksichtigung des Risikos der veränderten wirtschaftllchen Verhältnisse nur dann gesprochen werden, wenn die Vertragsstrafe deutlich unter 50 % der zugesagten, aber nicht durchgeführten Investition liegt231 • Bei höheren Vertragsstrafen will er nicht davon ausgehen, daß der Käufer die Vertragsstrafe auch noch für den Fall versprechen wollte, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse sich grundlegend ändern. Das soll insbesondere für die Fälle gelten, daß die Vertragsstrafen 70 % oder mehr der Investitionssumme betragen. Bei dieser Konstellation wird das Geschäftsgrundlagenrisiko nicht in einer ausreichenden Weise berücksichtigt. Dem Ansatz von Huber kann insofern gefolgt werden, als nicht zu verkennen ist, daß die Höhe der Vertragsstrafe bisweilen eine erdrosselnde Wirkung ausüben kann. Hierbei ist aber entgegen der Auffassung von Huber nicht allein die Höhe des Prozentsatzes der Vertragsstrafe maßgeblich, sondern im Wege der Gesamtbetrachtung auch die absolute Höhe der Vertragsstrafe. Der Fall kann nämlich auch so gelagert sein, daß der Käufer nur eine geringe Investition tätigen muß. Dann ist es durchaus sachgerecht, den Käufer mit der vollen Höhe der unterlassenen Investitionssumme als Sanktion zu belasten. Es ist somit jedenfalls eine umfassende Abwägung in Bezug auf die übernommenen Pflichten und die Ursachen für die Nichteinhaltung der Zusagen vorzunehmen.
231
Huber, Gutachten (unveröffentlicht), S. 106.
5. Kapitel
Der Konflikt zwischen der raschen Durchführung gemeinwohlbezogener Privatisierungen und dem Schutz der Alteigentümer Der Gesetzgeber gewährleistet den Schutz der Restitutionsansprüche der Alteigentümer, indem er bei Vorliegen vermögensrechtlicher Ansprüche ein Verfügungsverbot über die davon betroffenen Vermögenswerte, einschließlich der Unternehmen, statuiert. Beim asset deal verhindert die in den neuen Bundesländern für die Umschreibung des Eigentums erforderliche Grundstücksverkehrsgenehmigung einen gutgläubigen Erwerb des Investors. Solange die Grundstücksverkehrsgenehmigung nicht erteilt ist, ist der Vertrag sowohl schuldrechtlich als auch dinglich schwebend unwirksam, vgl. § 1 Abs. 2 Grundstücksverkehrsordnung (Verordnung über den Verkehr mit Grundstükken vom 15.12.1977 Ld.F. der Bekanntmachung vom 18.4.1992, BGBL I S. 999; geändert durch das Gesetz zur Änderung des VermG und anderer Vorschriften, 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14.7.1992, BGBL I S. 1266 - GVO). Die Grundstücksverkehrsgenehmigung darf nicht erteilt werden, wenn die Auskunft bei den zuständigen Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen ergibt, daß Restitutionsansprüche auf die Unternehmensgrundstücke angemeldet sind. Durch das Investitionsvorrangverfahren kann die Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 VermG überwunden werden. Der Investitionsvorrangbescheid ersetzt die Grundstücksverkehrsgenehmigung, vgl. § 11 Abs. 2 InVorG. Der Investitionsvorrangbescheid ist Vorraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrages. Beim share deal wirkt die Verfilgungssperre auf die Anteile des Unternehmens zwar nicht dinglich, so daß ein gutgläubiger Erwerb der shares möglich ist. Die Treuhandanstalt macht sich aber bei Verletzung des Verrugungsverbots schadensersatzpflichtig aus Amtshaftung. Sind nur Grundstücke des Unternehmens von Restitutionsansprüchen betroffen, so gehen diese Ansprüche bei der Veräußerung der shares nicht unter. Das Unternehmen des Investors ist der Gefahr ausgesetzt, die Grundstücke herausgeben zu müssen, wenn vor dem Erlaß des Rückübertragungsbescheids durch die zuständigen Vermögensämter nicht rechtzeitig ein Investitionsvorrangverfahren eingeleitet wurde. Das Investitionsvorrangverfahren beinhaltet aber erhebliche Risiken rur die Vertragsparteien. Der Investor tritt in unmittelbare Konkurrenz mit den Alt-
A. Restitutionsansprüche als Hemmnis der Privatisierung
203
eigentümern, um endgültig die Herrschaft über das Unternehmen erringen zu können. Daher hat der Investor die Ernsthaftigkeit seiner investiven Absichten unter Beweis zu stellen. In diesem Stadium kann der Privatisierungsvertrag schon scheitern, wenn der Investor nicht den Nachweis seiner Bonität führen kann oder sein investives Konzept im Vergleich zu den dafür beanspruchten Vennögenswerten nicht verhältnismäßig ist. Der Alteigentümer kann ein Gegenkonzept vorlegen; bei annähernder Vergleichbarkeit der Investitionskonzepte genießt der Alteigentümer Vorrang. Schöpft der Alteigentümer im Falle des Unterliegens im Investitionsvorrangverfahren alle ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel aus, so kann der Schwebezustand des Vertrages für den Investor unzumutbar werden. Die schwebende Unwirksamkeit von Verträgen bis zum Zeitpunkt des Erlasses eines Investitionsvorrangbescheids ist ein weiteres herausragendes Merkmal der atypischen Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt. Die Treuhandanstalt trägt dem Schutzbedürfnis der Investoren Rechnung, indem sie regelmäßig ein zeitlich befristetes Rücktrittsrecht einräumt. Auch durch Ausübung dieses Rücktrittsrechts kann die Unternehmensprivatisierung scheitern. Schließlich sind die RestitutionsansprUche der Kommunen ein weiteres Hemmnis für eine zügige Privatisierung der Unternehmen. Sie werden zwar von Gesetzes wegen nicht in dem Maße geschützt wie die RestitutionsansprUche von Privatpersonen. Der Gesetzgeber war auch hier gefordert, gesetzliche Beschleunigungsmechanismen zugunsten der Investoren zu entwickeln; lange Zeit war die Gefllhrdung der Unternehmensprivatisierungen durch diese AnsprUche unterschätzt worden.
A. Restitutionsansprüche von Privatpersonen als Hemmnis bei der Unternehmensprivatisierung Als großes Hemmnis bei der Unternehrnensprivatisierung erwiesen sich für die Treuhandanstalt von Anfang an die Beschränkungen des Gesetzes zur Regelung offener Vennögensfragen (VennögensgesetzJVennG) vom 23. September 1990 in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 1991, zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Vennögensgesetzes und anderer Vorschriften (2.VennRÄndG) vom 14. Juli 1992 (Neufassung). Nach dem Vennögensgesetz sind keine Fristen für die Geltendmachung von RestitutionsansprUchen einzuhalten, während in der Anmeldeverordnung eine gespaltene Frist vorgesehen war l . Die Rechtsfolgen werden bei folgender KonstellatiI Art und Weise der Geltendmachung der Alteigentümeransprüche werden in der Anmeldeverordnung - Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtIicher Ansprüche vom 11.7.90 - geregelt. Quelle: "Die Privatisierung des volkseigenen Vermögens" Hrsg.: Biener/BisterlCzerwerka - Bundesanzeiger - vgI. zur Anmeldefrist: § 3 "Die Anmeldung ist ab 15.7.90 bis spätestens 31.1.91 einzureichen" - geändert in der Fas-
204
5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
on offenbar: Veräußerte der Verfügungsberechtigte nach Ablauf der Anmeldefrist ein Grundstück an einen Investor und lag im Zeitpunkt der Veräußerung tatsächlich keine, auch keine verspätete Anmeldung vor, so blieb die Veräußerung wirksam 2 • Der Rückgabeberechtigte hatte dann nur noch Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungserlöses gemäß § 3 Abs. 4 VermG 3 • Der seit dem 22.7.1992 in § 30 aVermG enthaltene Fristablauffür den 31. Dezember 1991 stellt allerdings eine Ausschlußfrist für die Geltendmachung der Restitutionsansprüche dar. Eine Rückgabe des Unternehmens an die Altberechtigten ist von Gesetzes wegen ausgeschlossen, wenn dies von der Natur der Sache her nicht mehr möglich ist, d.h. wenn der Geschäftsbetrieb eingestellt und die tatsächlichen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung fehlen (§ 4 Abs. 1 S. 2 VermG) oder wenn das heutige Unternehmen unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung mit dem Unternehmen im Zeitpunkt der Enteignung nicht mehr vergleichbar ist (§ 6 Abs. 1 S. 1 VermG). Die Ansprüche der Restitutionsantragsteller zielen sowohl auf die Rückgabe von Unternehmen als auch mehrheitlich auf die Rückgabe von Grundstücken ab, die nach der Enteignung in Volkseigentum umgewandelt und danach oftmals in Rechtsträgerschaft bzw. Nutzung der ehemaligen Kombinate überfuhrt worden waren. § 3 Abs. 3 VermG statuiert zum Schutz der vermögensrechtlichen Ansprüche der Alteigentümer ein Verfügungsverbot4 . Der gegen-
sung vom 11.10.90: § 3 Anmeldung ab 15.7.90 bis spätestens 13.10.90. In den Fällen des § 1 Abs.2 Buchst. a und b kann die Anmeldung bis zum 31.3.91 erfolgen. It
2
...
Dadurch konnte der Investor unanfechtbares Eigentum erwerben.
3 FieberglReichenbach, in: FIRIMIN, VermG, § 3, Rdn. 70 und 87 - a.A. Ebbing, Verkaufspraxis, S. 126 f.: Der Restitutionsanspruch geht durch die Veräußerung nicht unter, sondern richtet sich - ähnlich einer dinglichen Belastung - künftig gegen den neuen Verfügungsberechtigten. Im Falle eines erfolgreichen Resitutionsbegehrens ist der Erwerber verpflichtet, den Vermögenswert an den Restitutionsberechtigten herauszugeben. - Weitere Restitutionsaussschlüsse durch redlichen Erwerb sind gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 VermG möglich, d.h. nach der Joint-VentureV vom 25.1.90, THAGründungsbeschluß vom 1.3.90, UnternG vom 7.3.90 oder THG vom 17.6.90 etc.
4 Bis zum Ablauf der Anmeldefrist - 13.10.90 - durfte der Verfügungsberechtigte nicht über den Vermögenswert verfügen.- Ausgenommen vom Verfügungsverbot sind nur solche Rechtsgeschäfte, die a) zur Erfüllung von .Rechtspflichten des Eigentümers, insbesondere bei Anordnung eines Modernisierungs- und Instandsetzungsgebots nach § 177 des Baugesetzbuchs zur Beseitigung der Mißstände oder der Mängel oder b) zur Erhaltung und Bewirtschaftung des Vermögenswerts erforderlich sind. Ausgenommen sind ferner Instandsetzungsmaßnahmen, wenn die hierfür aufzuwendenden Kosten den
A. Restitutionsansprüche als Hemmnis der Privatisierung
205
wärtig Verfügungsberechtigte darf nicht verfügen und keine langfristigen schuldrechtlichen Verpflichtungen eingehen wie beispielsweise Miet- oder Pachtverhältnisse. Diese Verbot gilt auch für den staatlichen Verwalter. Abgesichert wird dieses Verbot durch die Bestimmung des § 3 Abs. 5 VermG. Hiernach hat sich der Verfügungsberechtigte vor einer Verfügung über die Vermögenswerte bei den zuständigen Vermögensämtern zu vergewissern, daß keine Anmeldung im Sinne des § 3 Abs. 3 VermG hinsichtlich des Vermögenswertes vorliegt. Über den Normcharakter des § 3 Abs. 3 VermG bestehen unterschiedliche Auffassungen: Nach einer Mindermeinung handelt es sich bei § 3 VermG um eine öffentlich-rechtlichen Charakter tragende Verbotsvorschrift im Sinne der §§ 134, 135-137 BGB5 . Demzufolge wäre jede Verfügung, die gegen § 3 Abs. 3 VermG verstößt, wegen Nichtbeachtung der Alteigentümerinteressen nichtig. Nach der vorzugswürdigen Auffassung stellen die Beschränkungen des § 3 Abs. 3 S. 1 VermG indes kein gesetzliches Verbot dar. Sie sind lediglich als schuldrechtliche Verpflichtung im Innenverhältnis zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem Berechtigten ausgestaltet6 • Sie räumen jedoch dem Altberechtigten ein anwartschaftsähnliches Recht ein, beispielsweise Abwehransprüche aus § 1004 BGB gegen jeden Störer7 • Die Unterschiede in der Auslegung der Norm werden in der Fallkonstellation deutlich, daß der Käufer nach der herrschenden Meinung beim share deal trotz Mißachtung des gesetzlichen Verfügungsverbots durch die Vertragsparteien Eigentümer der Anteile am Unternehmen werden kann 8 • Eine Mißachtung der Verfügungsbeschränkung berührt die Wirksamkeit des verbotswidrigen Rechtsgeschäfts nicht. Eine Anteilsveräußerung wird auch dann dinglich
Verfligungsberechtigten als Vermieter nach Rechtsvorschriften zu einer Erhöhung der jährlichen Miete berechtigen. Eine weitere Ausnahme ist Abs. 3 S. 5 VermG. 5
BrandtlKittke, 0 II 5, KrG Weimar, Urteil vom 2.5.1991.
6 Vgl. nur BezG Erfurt, DtZ 1991, 225; EspeylJaenecke, BB 1991, 2025, 2026; Schmidt-Räntsch,DtZ 1991,65 ff.; Horn; Wirtschaftsrecht, S. 241, Busche, DtZ 1991, 191 f.; auch Weimar, Treuhandgesetz, § 1 Rdn. 20: Die Verfligungsbeschränkung ist jedenfalls nach der Novellierung des VermG als schuldrechtliche Unterlassungspflicht ausgestaltet. - Quelle auch Färsterling, Vermögensfragen, S. 98, Rdn. 46; ebenso Scheifole, BB 1991,629,631 und LiebslPreu, WR 1991, 145, 151 m.w.N. und Rodegra/Gogrewe,DtZ 1991,353,354.
7
BrandtlKittke, 0 II 8, KrG Brandenburg, Beschluß vom 3.7.1991.
8 Vgl. Erläuterung zum Einigungsvertrag zu § 3 Abs.3 VermG, BT-Drucksache 11/7831.
206
5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
wirksam, wenn sie nicht zu investiven Zwecken erfolgt9 • Der Verfügungsberechtigte sieht sich jedoch dann Staatshafiungsansprüchen bzw. Schadensersatzansprüchen nach § 823 Abs. 2 BGB LV.m. § 3 Abs. 3 VermG oder § 3 Abs. 3 S. 6 VermG LV.m. § 678 BGB seitens des Berechtigten ausgesetzt JO • Demzufolge haftet der Veräußerer auf vollen Schadensersatz, d.h. einschließlich entgangenem Gewinn, nicht nur auf Entschädigung 1I. Zwar wirkt die Verfügungssperre, die auch in Fällen der staatlichen Zwangverwaltung gilt, nach der herrschenden Auffassung nur schuldrechtlich im Innenverhältnis zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem Alteigentümer. Für Grundstücke entfaltet sie jedoch eine "quasi-dingliche" Wirkung aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 2 GVO I2 • Die in den neuen Bundesländern rur die Eigentumsumschreibung an Grundstücken obligatorische Grundstücksverkehrsgenehmigung zur Vorlage beim Grundbuchamt darf nur erteilt werden, wenn feststeht, daß keine Rückgabeanspruche geltend gemacht worden sind, vgl. § 6 Abs. 2 AnmeldeVO. Insgesamt bleibt deshalb die Verfügung über das Grundstück mangels Genehmigung schwebend unwirksam 13. Die Verfügungssperre wird unter den folgenden Voraussetzungen überwunden, d.h. eine Eigentumsumschreibung auf den Käufer möglich: Im Falle der Zustimmung des Altberechtigten, bei offensichtlich unbegründetem Anspruch, z.B. Enteignungen der sowjetischen Militäradministratur (SMAD-Enteignungen), oder bei bestandskräftigem Investitionsvorrangbescheid. Beim Unternehmensverkauf in Form des share-deal greift bei Vorliegen vermögensrechtlicher Anspruche auf die Grundstücke die Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 VermG nicht, da eben nicht über die Grundstücke verfügt
9 Weimar, Treuhandgesetz, § 1, Rdn. 20 und Horn, in: Hommelhoff, (Hrsg.) Treuhandunternehmen im Umbruch, 1991, Privatisierung und Reprivatisierung von Unternehmen. Eigentumsschutz und Investitionsförderung im Lichte der neuesten Gesetzgebung, S. 153. 10 Hahnefeld, in: RodekerlSäfkeriLochen, InVorG, § 2 Rdn. 51 und FieberglReichenbach, in FIRIMIN, VermG, § 3 Rdn. 57 ff.
11
Färsterling, Vermögensfragen, S. 98, Rdn. 46.
12 Das Erfordernis der Grundstücksverkehrsgenehmigung filr das schuldrechtliche und dingliche Rechtsgeschäft sichert nachhaltig die Rechtsposition der Alteigentümer; denn die GVG darf grundsätzlich nur dann erteilt werden, wenn ein sogenanntes Negativattest des zuständigen Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen in Bezug auf die Anmeldung von Restitutionsansprüchen vorliegt.
13
Färsferling, Vermögensfragen, S. 98, Rdn. 46.
A. RestitutionsansprUche als Hemmnis der Privatisierung
207
wird 14 • Das UnternelnJlen sieht sich aber der Gefahr ausgesetzt, das/die Unternehmensgrundstück( e) nach der Entscheidung der jeweils zuständigen Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen an den berechtigten Alteigentümer herausgeben zu müssen 15 • Regelmäßig benötigt der Erwerber der shares aber das Grundstück ftlr die Durchftlhrung der vertraglich zugesagten investiven Maßnahmen. Die etwaige Rückgabe an einen Altberechtigten würde ihn zur Aufgabe der unternehmerischen Tätigkeit zwingen, wenn der Alteigentümer nicht zu einem Verkaufbzw. einer Verpachtung bereit wäre 16 . Deshalb bestand die Notwendigkeit, besondere gesetzliche Vorschriften zu schaffen, um diese Verftigungssperrezugunsten von Investitionen durchbrechen zu können 17 • Die Kaufverträge der Treuhandanstalt trugen diesem Risiko nach der alten Rechtslage des § 3 aVermG, d.h. vor Inkrafttreten des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz, wie folgt Rechnung: Restitutionsbelastete betriebsnotwendige Grundstücke wurden in einem gesonderten Vertrag vor dem Anteilsverkauf aus dem Unternehmen herausgekauft, um ein 3a-Verfahren zugunsten des Erwerbers durchfUhren zu können. Durch Schaffung des InV orG bedarf es des Herauskaufs nicht mehr, da sich der Investitionsvorrangbescheid bei einer Unternehmensveräußerung in Form eines share deal nunmehr auch auf die darin enthaltenen Grundstücke erstreckt. I. Verfassungsrechtliche Legitimation und Schutzbereich des privaten Restitutionsanspruchs Der starke Schutz der Restitutionsansprüche in dem Vermögensrecht der neuen Bundesländer wirft die Frage nach der staatlichen Legitimation solcher Zielsetzungen auf. Die Rückgabeansprüche sind an verfassungsrechtlichen Maßstäben zu überprüfen, damit die starke Einschränkung des Handlungsspielraums der Treuhandanstalt und die dadurch bewirkte Atypizität eines Unternehmenskaufvertrages gerechtfertigt werden kann. Denn aufgrund ihres ge14 H.M., z.B. FieberglReichenbach, in: F/RiMIN, VennG, § 3 Rdn .44; Uechtritz, BB 1992,581,588; a.A. z.B. Leo, DB 1991, 1505,1506. 15 A. A. Espey/Jaenecke, BB 1991,2025,2026, wonach eine unter Mißachtung der Verfugungssperre erfolgte Veräußerung der Anteile die auf das Betriebsvennögen angemeldeten RestitutionsansprUche zum Erlöschen bringen soll. Denn die schuldrechtliche Ausgestaltung der Verfügungssprerre soll den Käufer auch bei einer durch § 3 Abs. 3 VennG verbotenen Veräußerung einen im Hinblick auf RestitutionsansprUche "lastenfreien" Erwerb ennöglichen; ablehnend z.B. Horn, Wirtschaftsrecht, S. 242. 16 Beachte aber den Ausschlußgrund der Restitution aufgrund des § 5 VennG, der ggf. einige Härten venneiden kann.
17
Kiethe, in: RVI, Restitution, Rdn. 183.
208
5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
setzlichen Auftrags ist die Treuhandanstalt eigentlich gehalten, zügig zu privatisieren. Rückgabeansprüche nach § 3 Abs. 1 S. 1 VennG beruhen ausschließlich auf hoheitlich bewirkten oder zumindest veranlaßten Vennögensverlusten, die der Gesetzgeber als schädigende Maßnahmen behandelt, vgl. § 2 Abs. 4 VennG. Damit tragen sie deliktsrechtlichen Charakter und regeln die Rückabwicklung von staatlicherseits begangenen unerlaubten Handlungen 18. Als Kehrseite von nach bundesdeutschem Recht als öffentlich-rechtlich zu beurteilenden Delikten sind auch die Rückübertragungsansprüche des § 3 Abs. 1 S. 1 VennG öffentlich-rechtlich zu beurteilen. Deshalb hat der Gesetzgeber den Restitutionsanspruch ausschließlich öffentlich-rechtlich ausgestaltee 9 • Seit dem sogenannten Bodenrefonnurteil des BVerfG vom 23.4.l9geo kann als geklärt gelten, daß die früheren Eigentümer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages mit dem VennG und den ursprünglichen investiyen Vorrangregelungen des Bundesinvestitionsgesetz (BlnVG) keine durch Art. 14 Abs. I GG geschützte Rechtsposition mehr besaßen21 . Der Einigungsvertragsgesetzgeber war durch Art. 14 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, Restitutionsansprüche hinsichtlich der in der ehemaligen DDR enteigneten Vennögenswerte zu begründen. Den Geschädigten standen keine durch Art. 14 Abs. 1 GG vennittelten subjektiven Rechtsansprüche mehr zu. Art. 14 Abs. 1 GG galt nur in der ehemaligen Bundesrepublik, nicht in der ehemaligen DDR. Enteignungen auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone bzw. späteren DDR konnten danach keinen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG darstellen. Art. 14 Abs. 1 GG wirkt nicht zurück, so daß das BVerfG es ablehnte, Restitutionsansprüche LS.v. Eigentumsrechten zu begründen 22 • Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zu Wiedergutmachungsmaßnahmen hat ihren Rechtsgrund nach Auffassung des BVerfG nicht in Art. 14 Abs. 1 GG, sondern ausschließlich im Rechts- und Sozialstaatsprinzip23. Bei der Einführung einer
18
Wasmuth, in: RVI, B 100 VermG, § 3 Rdn. 8.
19
BGH NJW 1992, 1757, 1758; KG, VIZ 1991,30; OVG Berlin NJW 1991,715,
716. 20 BVerfG NJW 1991, 1597; siehe dazu Leisner, NJW 1991, 1569 und Maurer, JZ 1992, 183 f.; bestätigt wurde das Bodenreformurteil durch den Beschluß des BVerfG v. 15.4.1993; VIZ 1993,301. 21 Uechtritz, in: RVI, B 130 InVorG, Einf. zum InVorG Rdn. 136; h.M.: Badura, DVB11990, 1256, 1260 ff.
22
Uechtritz, in: RVI, B 130 Einf. InVorG, Rdn. 138.
23
BVerfGNJW 1991, 1597, 1600.
A. Restitutionsansprüche als Hemmnis der Privatisierung
209
entsprechenden Wiedergutmachung kommt dem Gesetzgeber ein "besonders weiter Beurteilungsspielraum" ZU24. Folgt man dieser Rechtsauffassung, so erweist sich auch Art. 143 Abs. 3 GG, der nach der Absicht des Einigungsvertragsgesetzgebers den Restitutionsausschluß verfassungsrechtlich absichern soll, lediglich als vorsorgliche Maßnahme25 • Somit war der Gesetzgeber bei Erlaß des InVorG und schon zuvor bei der Ausdehnung der Vorrangregelungen durch das Hemmnisbeseitigungsgesetz nicht durch die Ansprüche der Alteigentümer, die in ihrer früheren EigentümersteIlung gründeten, eingeschränkt. Andere Stimmen im Schrifttum beharren darauf, daß die durch das VermG geregelten Restitutionsansprüche selbst dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen 26 . Sie begründen dies u.a. damit, daß die Institutsgarantie des Art. 14 GG den Gesetzgeber auch zur Ausgestaltung der Privatrechtsordnung in Hinsicht auf Übergangsregelungen verpflichtet, bei denen die früheren Rechtspositionen nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Hierbei ist der Rechtsgedanke der Rückenteignung heranzuziehen27 • Es wird auf eine frühere Entscheidung des BVerfG verwiesen, worin ausgetUhrt war, daß dem früheren Eigentümer ein Anspruch auf Rückübertragung eines Grundstücks erwächst, wenn der Enteignungszweck nicht realisiert worden ises. Infolgedessen soll nach dieser Auffassung ein Rückübertragungsanspruch auch in den Fällen bestehen, in denen der Zweck, tUr den enteignet wurde, später entfällt. Gegen einen Anspruch auf Rückübertragung soll in solchen Fällen auch nicht die Tatsache sprechen, daß Enteignungszwecke zunächst erreicht wurden und erst später entfielen. Denn Art. 14 GG schützt den Bestand des Eigentums in der Hand des Eigentümers. Da die Enteigung nur zu Gemeinwohlzwecken erlaubt ist, muß der ursprüngliche Zustand bei Fortfall des Enteignungzwecks wieder hergestellt werden. Diese Grundsätze sollen zumindest dann auf in der DDR enteignete Grundstücke anwendbar sein, wenn mit bzw. nach der Vereinigung der ursprüngliche Enteignungszweck entfällt. Allerdings wurden Rückübertragungen in der Vergangenheit in Fällen abgelehnt, in denen wesentliche Verände-
24
BVerfG NJW 1992,1597, 1601.
25
BVerfG NJW 1991, 1557, 1600; Schmidt-Preuss, Die Verwaltung 1992,327.
26 Hingegen a.A. Uechtritz, in: RVI, B 130 InVorG, Einf. zum InVorG, Rdn. 141, der auf die Rspr. des BVerfG zur Abwicklung von Kriegs- und Kriegsfolgeschäden verweist.
27 BleckmanniPieper, in: RlRIB, Die verfassungsrechtlichen Probleme der Vermögensregelung des EV, Rdn. 18; so auch Maurer, JZ 1992, 183, 189. 28
78. 14 Heß
BVerfGE 38,175 und Uechtritz, in: RVI, B 130 InVorG, Einf. zum InVorG, Rdn.
210
5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
rungen des Grundstücks vorlagen29 • Des Weiteren kann auch eingewandt werden, daß eine Lockerung zwischen Eigentum und enteignetem Eigentum stattgefunden hat, d.h. die psychische und emotionale Verbindung zwischen dem ehemaligen Eigentümer und Grundstück sich soweit verflüchtigt hat, und daher eine Rückübertragung ausscheidet. Dem hält die Mindermeinung entgegen, daß bei den in der DDR vorgekommenen Fällen das Gefühl der Ungerechtigkeit der Enteignung in viel stärkerem Maße vorhanden ist und damit auch die emotionale Bindung zu dem verlorengegangenen Eigentum. Schließlich entnimmt diese Auffassung im Schrifttum der Entscheidung des BVerG, daß nicht nur der Erwerb, sondern auch der spätere Besitz des Staates zu jedem Zeitpunkt verfassungsrechtlich legitimiert sein muß. Werden staatliche Stellen der BRD in Rechtsnachfolge der DDR Träger enteigneten Grundbesitzes, so handelt es sich hierbei um eine "verfassungsrechtliche Bereicherung". Auch diese müsse den Grundsätzen des Art. 14 GG entsprechend behandelt werden. Schließt man sich der letzteren Auffassung an, so taucht das weitere Problem auf, ob nicht die Schutzwirkungen des Art. 14 Abs. 1 GG durch Art. 135 a GG bzw. 143 Abs. 3 GG ausgeschlossen sind. Die Mehrzahl der Autoren, die trotzdem Art. 14 GG bejaht haben, sieht aber dessen Anwendbarkeit entweder durch Art. 143 Abs. 3 GG 30 oder durch Art. 135 a Abs. 2 GG ausgeschlos31 sen. Wird nun immer noch an der Einordnung des Restitutionsanspruchs als Eigentumsposition im Sinne des Art. 14 GG festgehalten, so ist letztendlich zu prüfen, ob die dann durch das In VorG zum Ausdruck kommende Enteignung der Alteigentümer den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG genügt. Aber auch dies wäre zu bejahen32 • Die Inanspruchnahme des Vermögenswertes zu investiven Zwecken dient der Behebung der wirtschaftlichen Notsituation in den neuen Bundesländern. Es besteht ein allgemeines öffentliches Interesse an der Förderung der in den neuen Bundesländern dringend erforderlichen Investitionen; dies rechtfertigt den Vorrang vor den Interessen des Alteigentümers, seinen in rechtsstaatswidriger Weise entzogenen Vermögenswert zurücküber-
29
BVerwG NJW 1990, 2399.
30
Hübner, DtZ 1991, 161, 163; Mauer, in R/SIL, § 12 Rdn. 18.
31
FieberglReichenbach, NJW 1991, 1977, 1979 und Schmidt-Räntsch, DtZ 1991,
169. 32 Bryde, in: von MünchiKunig, Grundgesetz-Kommentar, 4. Aufl. 1992, Art. 14, Rdn. 44; Schutz, in: R/R/B, InVorG, § 1 Rdn.7; m.w.N. - z.B. FieberglReichenbach, in: FIR/MIN, VermG, § 3 a Rdn. 8; Söfker, in: RodenbachlSäfkerlLochen, InVorG, § 1 Rdn. 13; Wegner, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, 1993, Vorbemerkung zum InVorG, Rdn.14.
A. Restitutionsansprüche als Hemmnis der Privatisierung
211
tragen zu erhalten33 • Dem Allgemeinwohlerfordernis des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG ist damit genügt. Der Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG ist gleichfalls entsprochen, vgl. § 16 InVorG. Auch daß die Enteignung zugunsten eines Privaten erfolgt, steht der Zulässigkeit seit der Boxberg-Entscheidung des BVerfG nicht entgegen 34 • Das BVerfG forderte seinerzeit, es bedürfe besonderer Anforderungen an die gesetzliche Umschreibung des Enteignungszwecks sowie detaillierter materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Regelungen, die sicherstellen, daß den Interessen des Gemeinwohls und aller Beteiligten Rechnung getragen werde. Der Gemeinwohlbezug müsse auf Dauer garantiert sein35 • Da das InVorG die investiven Enteignungszwecke ausfiihrlich regelt und § 8 In VorG hinreichende inhaltliche Vorgaben an den Investitionsvorrangbescheid und den investiven Vertrag stellt, der die zweckentsprechende Verwendung des Vermögenswertes sichert, ist diesen Anforderungen Genüge getan. Darüber hinaus sind die Vorschriften des InvorG auch mit dem sich aus Art. 20 GG ergebenden Prinzip der Verhältnismäßigkeit als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips vereinbar. In diesem Zusammenhang ist die Regelung des § 3 Abs. 1 S. 2 In VorG von wesentlicher Bedeutung. Danach dürfen Grundstücke oder Gebäude nur insoweit rur den besonderen Investitionszweck verwendet werden, als dies rur die Verwirklichung des Vorhabens erforderlich ist. Es sollen also unverhältnismäßige Vorhaben ausgeschlossen werden. Schließlich tragen noch die Regelungen der §§ 7 Abs. 1 S. 3, 19 Abs. 4, 21 In VorG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Der Anmelder genießt im Falle der Darlegung eines gleichen oder annähernd gleichen Vorhabens in der Regel den Vorzug gegenüber einem dritten Vorhabenträger. Schließlich ist noch unabhängig von der dogmatischen Einordnung des Restitutionsanspruchs zu klären, ob das vom In VorG vorgesehene formale Verfahren unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten einen ausreichenden Schutz rur den Alteigentümer enthält. Dies ist zu bejahen, denn der Alteigentümer kann selber investive Maßnahmen ankündigen. Die hierbei angesetzten Fristen sind zwar knapp, aber ausreichend; außerdem hat der Anmelder gemäß § 21 InVorG die Möglichkeit, ein Eigeninvestitionsverfahren anzustrengen 36 . Es genügt den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG, wenn der Betroffene zumindest im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Möglichkeit hat, den Eintritt irreversibler Fakten zu verhindern. Zweifelhaft ist, ob in den
33
Schutz, in: RJR/B, InVorG § 1 Rdn. 7.
34 BVerfGE 74, 264 ff.; Boxberg-Entscheidung; Uechtritz, in: RVI, B 130 InVorG, Einf. zum InVorG, Rdn. 152.
14·
35
BVerfGE 74, 264, 286.
36
Schutz, in: RlR/B, InVorG § 1 Rdn.7.
212
5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
Fällen, in denen bei Abweisung des vorläufigen Rechtsschutzes die Schaffung vollendeter Tatsachen droht, eine lediglich "summarische" Prüfung ausreichend ist. Das BVerfG bezweifelt dies 37 • Die Verwaltungsgerichte sind nach dieser Entscheidung gehalten, eine umfassende Sachprüfung vorzunehmen. 11. Entwicklung der Gesetzgebung zu den investiven Vorfahrtsregelungen Um Investitionsinteressen in bestimmten Fällen Vorrang zu verschaffen, bestimmte Artikel 41 Abs. 2 S. 1 EV, daß nach Maßgabe besonderer gesetzlicher Regelung eine Rückübertragung von Eigentumsrechten an Grundstücken oder Gebäuden nicht stattfmdet, wenn das betroffene Grundstück oder Gebäude für dringende, näher festzulegende Investitionszwecke benötigt wird, insbesondere der Errichtung einer gewerblichen Betriebsstätte dient, und die Verwirklichung dieser Investitionsentscheidung volkswirtschaftlich förderungswürdig ist, vor allem Arbeitsplätze schafft oder sichert38 • Schon hierdurch wird die Gemeinwohlbindung der Treuhandanstalt bei der Erfüllung ihres Privatisierungsauftrags hervorgehoben. Den Interessen der Investitionswilligen versuchte man mit einer Reihe von gesetzlichen Regelungen zu entsprechen. So wurde zunächst das Gesetz über besondere Investitionen in dem Beitrittsgebiet (BInvG) vom 23.9.1990 erlassen, das mit dem Einigungsvertrag in Kraft trae 9 • Mit dieser ersten Vorfahrtsregelung für Investionen wurde dem gegenwärtig Verfügungsberechtigten über ein ehemals volkseigenes Grundstück oder Gebäude (Treuhandanstalt, Kommunen, Ländern, aber auch den in eine GmbH umgewandelten ehemaligen VEB) die Möglichkeit eingeräumt, zu bestimmten investiven Zwecken in bestimmten Formen wie der Veräußerung eine Investitionsbescheinigung zu beantragen, mit deren Erteilung Rückübertragungsansprüche des Alteigentümers ausgeschlossen wurden (§ 1 c BInvG). Zuständig für die Erteilung dieser Investitionsbescheinigung waren die Landratsämter und die Stadtverwaltungen (§ 2 Abs. 2 BInvG i.d.F. vom 23.9.1990). Es stellte sich jedoch relativ schnell heraus, daß dieses Instrumentarium nicht ausreichte, um im Interesse des dringlichen wirtschaftlichen Aufbaus in den neuen Ländern Investitionsvorhaben deutlichen Vorrang vor den Restitutionsinteressen der Alteigentümer zu verschaffen. So räumte das BInvG nur rur die Veräußerung von volkseigenen Grundstücken die Möglichkeit des Investitionsvorrangs ein. Nicht erfaßt waren
37
BVerfGE 88, 76, Beschluß vom 12.1.1993.
3M
Kiethe, in: RVI, Restitution, Rdn. 54.
39 BGBI. 1990 11, S. 885, 1157; umfassend dazu Färsterling, Vermögensfragen, S. 99; Ebbing, Verkaufspraxis, S. 133, 147 f.
A. Restitutionsansprüche als Hemmnis der Privatisierung
213
andere investive Formen, wie etwa die Veräußerung ganzer Unternehmen, die Vermietung und Verpachtung volkseigener Grundstücke und Gebäude, die Bestellung von Erbbaurechten usw. Ebenfalls in dem Bestreben, Restitutionsansprüche zugunsten von Investitionsvorhaben zurückzudrängen, wurde schließlich das Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen (Hemmnisbeseitigungsgesetz) vom 22.3.1991 erlassen. Es enthielt die vielbeachtete "Vorfahrt-Regelung" fUr Investitionen durch EinfUgung des § 3 a bzw. Vervollständigung des § 3 VermG und änderte das angefUhrte BInvG entsprechend40 • Nunmehr konnte der gegenwärtig VerfUgungsberechtigte selbst über die Restitution oder Investition durch feststellenden Bescheid entscheiden4 J. Den nach dem Investitionsgesetz zuständigen Landesbehörden war somit jegliche Entscheidungskompetenz entzogen. Ein weiterer wichtiger Unterschied bestand in der Festlegung des Kreises der VerfUgungsberechtigten, die von der jeweiligen Vorfahrsregelung Gebrauch machen durften. Da nach § 3 aVermG kein behördliches Verwaltungsverfahren durchlaufen werden mußte, wurde der Kreis der VerfUgungsberechtigten, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen konnten, auf die öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften und die Treuhandanstalt beschränkt. Demgegenüber konnten von den Möglichkeiten des Investitionsgesetzes alle gegenwärtig VerfUgungsberechtigten Gebrauch machen, d.h. vor allem auch die kraft Gesetzes in GmbH's umgewandelten ehemaligen volkseigenen Betriebe, die kraft Gesetzes gemäß § 11 Abs. THG Eigentum an den Betriebsgrundstücken erhalten hatten. Das galt auch fUr die speziellen Vorfahrtsregelungen bei Unternehmen, die ebenfalls mit dem Hemmnisbeseitigungsgesetz eingefUgt - in § 3 Abs. 6 bis 8 VermG normiert waren. Es handelte sich dabei um Spezialvorschriften des Investitionsvorrangs bei Unternehmensveräußerungen oder -verpachtungen, die eher den Vorfahrtsregelungen des BInvG zuzurechnen sind. Denn auch bei § 3 Abs. 6 VermG - ebenso wie beim BInvG - mußte der VerfUgungsberechtigte bei einer (Landes-)-Behörde die Entscheidung über den Investitionsvorrang erst beantragen, während bei § 3 aVermG der VerfUgungsberechtigte selbst über den Investitionsvorrang entschied. Zwischenzeitlich wurden diese Regelungen durch das Gesetz über den Vorrang von Investitionen bei Rückgabeansprüchen (Investitionsvorrangesetz InVorG) vom 14.7.1992 abgelöst, das im Rahmen des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14.7.1992 eine Neuregelung dieser Vorfahrtsre-
40 Försterling, Vermögensfragen, 8.100; BGB\. I, 8. 766; Ebbing, Verkaufspraxis, 8.135 ff.
41
Försterling, Vermögensfragen, 8. 101.
214
5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
gelungen fllr Investitionen mit sich brachte 42 • Hierdurch wurde der Regelungsbereich des Investitionsvorranges insgesamt vereinfacht und vereinheitlicht43 • "Vorfahrtverfahren" nach dem In VorG können nunmehr bis zum 31. Dezember 1995 eingeleitet werden44 • Die endgültige Fassung des InVorG stellt klar, daß Investitionsbescheinigungen nach dem InvestG und Entscheidungen nach § 3 ades VermG a.F. Investitionsvorrangbescheiden gleichstehen. Deshalb müssen Bescheide, die nach § 3 aVermG ergangen sind, unter der Geltung des Investitionsvorranggesetzes nicht nachgebessert werden. Vielmehr richtet sich die Beurteilung des Bescheids nach § 3 aVermG a.F. allein nach dem bei seinem Erlaß geltenden Recht und kann nicht nachträglich an den Regeln des Investitionsvorranggesetzes gemessen werden. Zu beachten ist aber, daß sämtliche verfahrensrechtlichen Vorschriften des InVorG auf den Bescheid nach § 3 aVermG a.F. Anwendung fmden. Dies gilt zunächst für die Regelung über den Rechtsschutz nach § 12 InVorG, jedoch insbesondere auch für die Vorschriften über die Verlängerung der Durchführungsfristen nach § 14 InVorG4s • Nach Artikel 14 Abs. 5 LV.m. Abs. 4 des 2. VermRÄndG war das InVorG auch auf Verfahren anzuwenden, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen, aber noch nicht durch eine endgültige Entscheidung abgeschlossen worden waren46 • Dabei unterschied die Überleitungsvorschrift zwischen Verfahren, die nach dem alten Recht lediglich begonnen wurden und den Verfahren, in denen bereits eine Entscheidung der Behörde ergangen war47 • Es ist umstritten, ob unter dem Begriff "abschließende Entscheidung" der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung48 oder der Zeitpunkt der "bestandskräftigen Entschei42
BGBl I S.1257.
43 Kiethe, in: RVI, Restitution, Entschädigung und Investitionen in der ehemaligen DDR, Rdn. 40; Försterling, Vermögensfragen, S. 100. 44 Försterling, Vermögensfragen, S. 160: Die Möglichkeit, Investitionen Vorrang zu verschaffen, wurde damit deutlich verlängert, da bisher die Vorfahrtsregelung des § 3 a VermG nur bis zum 31.12.92 und diejenige nach dem InvestG nur bis zum 31.12.93 anwendbar war. - Die Frist filr die Durchfilhrung von Investitionsvorrangverfahren wurde zwischenzeitlich über den 3 1.12.1995 hinaus verlängert, da offenkundig ist, daß noch Regelungsbedarffilr die restlichen, noch zu privatisierenden Unternehmen besteht.
45
Racky, in: J/LiRIW/K, InVorG, § 8 Rdn. 51.
46
F örsterling, Vermögensfragen, S.161.
47
Racky, in: Jesch/Ley/Racky/WintersteiniKuhn, InVorG, § 8 Rdn. 48.
48 F örsterling, Vermögensfragen, S. 161: VgI. die Entstehungsgeschichte der Vorschrift; nunmehr ist auf die letzte Behördenentscheidung abzustellen. War in dem Verfahren die Anhörung bereits erfolgt, so stellte Art. 14 Abs. 5 des 2. VermRÄndG
A. Restitutionsansprüche als Hemmnis der Privatisierung
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dung" zu verstehen ist. Für die Mindenneinung, die auf die Entscheidung der Behörde abstellt, bleibt in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren (Klageverfahren) somit stets das alte Recht maßgeblich49 • Nach der vorzugswürdigen herrschenden Meinung hingegen erfaßt die Rechtsmittelbeschränkung des In VorG auch laufende Verfahren, als "abschließende Entscheidung" wird nur die bestandskräftige Entscheidung angesehen50 • IH. Ablauf des Investitionsvorrangverfabrens Der Verfügungsberechtigte ist Herr des Verfahrens, vgl. § 4 Abs. 2 InVorG. Der Käufer des Unternehmens muß gemäß den Vorgaben des § 4 Abs. 3 InVorG sein Investitionsvorhaben betreffend die Sicherung und/oder Schaffung klar, daß diese dann nicht mehr zu wiederholen ist; der dann ergehende Bescheid mußte aber den inhaltlichen Vorgaben des § 8 InVorG entsprechen; Racky, in: J/LiRIW/K, InVorG, § 8 Rdn. 50, wonach in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vorgesehen war, auf die Bestandskraft der Entscheidung der Behörde abzustellen. 49 Seit Inkrafttreten des In VorG kann aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 2 InVorG das Treuhandunternehmen einen Eigeninvestitionsantrag stellen und auch dadurch der Gefahr einer etwaigen Herausgabe des Grundstücks an den Altberechtigten zuvorkommen. Nach Auffassung von Keil, VIZ 1992, 121, 123 ff. relativiert sich das Problem schon vor Inkrafttreten des 2. VermögRÄndG, da der Gesetzgeber die Lücke gesehen hätte; durch § 1 c BInVG sei der Weg eröffnet, um auch bei Anteilsveräußerung Rückübertragungsansprüche auszuschließen, die sich auf die Grundstücke richten. Nach § 1 c BInvG könne der gegenwärtig VerfUgungsberechtigte, die Kapitalgesellschaft, deren Anteile der Investor erwirbt, fUr die Vornahme von Investitionen auf einem Grundstück eine Eigeninvestitionsbescheinigung beantragen. Soweit ein restitutionsbelastetes Grundstück betriebsnotwendig ist, sei die Rückgabe Ld.R. auch nach § 5 Abs.l VermG ausgeschlossen; vgl. OVG Sachsen-Anhalt, VIZ 1992, 480 und VG Greifswald, VIZ 1993, 170, 171 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken bei Änderung des Prozeßrechts in schwebende Vefahren; die Gerichte stützen sich auf den Beschluß des BVerfG vom 7.7.1992, BVerfGE 87, 48 - Beim Fehlen abweichender Bestimmungen dürfe eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln gerade nicht zum Fortfall der Statthaftigkeit bereits eingelegter Rechtsmittel fUhren, vgl. BVerfGE 87, 48, 64.
so Uechtritz, RVI, B 130 InVorG, Einf. zum InVorG Rdn. 45: Die Entstehungsgeschichte der Überleitungsvorschrift spreche gegen ein Abstellen auf die Ausgangsentscheidung; VG Berlin, VIZ 1992, 481; KreisG Erfurt, VIZ 1993, 27; differenzierend OVG Berlin, VIZ 1994, 475, das sich zu den verfassungsrechtichen Bedenken wegen der Änderungen des Prozeßrechts äußert.; entscheidend ist nach der h.M., daß ein hinreichend deutlicher (objektivierter) Wille des Gesetzgebers vorliegt, die neuen prozeßrechtlichen Bestimmungen des InVorG auf laufende Verfahren anzuwenden. Das gilt auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, wenn es bereits um die aufschiebende Wirkung einer erhobenen Klage geht; Försterling, Vermögensfragen, S. 162; Berufung auf BVerfGE 65,76,98; so auch BVerfGE 24,33,55 und BVerfGE 39, 156, 166 f.
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5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
von Arbeitsplätzen und dessen Finanzierbarkeit vorlegen, Bonitätsprüfung genanntSI. Dieser Vorhabenplan ist eine wesentliche Grundlage für die genaue Überprüfung der durchgefiihrten Maßnahmen nach Ablauf der 2-Jahresfrise 2 • Hierbei kann die Investitionsvorrangstelle aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes und ihres Ermessenspielsraums gemäß § 4 In VorG die Anforderungen an die Qualität des einzureichenden Konzepts hoch ansetzen sowie kraft gesetzlich verliehener Befugnis die Offenlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Investors verlangen. Die Beschreibung des Investitionsvorhabens, Vorlage von Bauzeichnungen o.ä., und die erforderliche Eignung des Investors müssen vorgetragen und glaubhaft gemacht werdens3 . Der Investor hat die notwendigen Unterlagen zum Nachweis seiner fmanziellen Bonität wie Z.B. Eigenkapitalnachweise und Finanzierungszusagen vorzulegen. Beabsichtigt der Investor, sich bei der Sicherung seines Vorhabens fremder Mittel zu bedienen, muß er diese durch die Vorlage von Verträgen oder konkreten Zusagen belegens4 • Im Anschluß daran ist der Restitutionsberechtigte anzuhören. Dieser hat sich innerhalb einer 2-Wochenfrist zu äußern, ob er beabsichtigt, selbst investive Maßnahmen durchzuführen, vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 InVorG. Der Anmelder hat auch seine Berechtigung innerhalb der Frist glaubhaft zu machen. Kündigt er kein Gegenkonzept an, so kann der Investitionsvorrangbescheid bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen alsbald ergehen. Will der Anmelder dagegen ein eigenes Vorhaben durchführen, so ist ihm Gelegenheit zur Ausarbeitung seines investiven Konzepts zu geben. Der Gesetzgeber gewährt gemäß § 5 Abs. 3 In VorG hierfür eine Frist von weiteren vier Wochen. Anschließend sind die beiden Vorhabenpläne gegeneinander abzuwägen. Entscheidet die Investitionsvorrangstelle letztlich zugunsten des Investors, so steht dem Restitutionsberechtigten der Verwaltungsrechtsweg gegen die Entscheidung offen, siehe § 12 InVorG. Widerspruch und Anfechtungsklage haben allerdings keine aufschiebende Wirkung, vergleiche § 12 Abs. 1 2. HS InVorG.
51 Vgl. VG Berlin ZOV 1992, 396 - Üblicherweise wird verlangt, daß der Investor einen Finanzierungsnachweis seiner Bank erbringt, der eine Finanzierungszusage für das jeweilige Projekt enthält; ebenso Keil, VIZ 1993, 89, 92. 52 Wenn keine RestitutionsansprUche angemeldet sind und damit kein Investitionsvorrangverfahren notwendig ist, treten oftmals Lücken auf. Die Verträge der Treuhandanstalt behandeln diesen Punkt i.d.R. zu oberflächlich; zumeist sind laut Vertrag Investitionen in das "Sachanlagevennögen" gefordert. Wenn aber das Investionsvorhaben in den Privatisierungsakten nicht hinreichend dokumentiert ist, sind die später getätigten Investitionen ungleich schwieriger zu überprüfen. 53
Kuhlmey, in: RodenbachlSäfkerlLochen, InVorG, § 4 Rdn. 36.
54
VG Dresden ZOV 1993, 128, 129.
A Restitutionsansprüche als Hemmnis der Privatisierung
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1. Gleichstellung von share und asset deal nach dem InVorG
Aufgrund der aktuellen Gesetzeslage nach dem InVorG wird das Investitionsvorrangverfahren einheitlich bei RestitutionsansprUchen auf das gesamte Unternehmen oder nur auf dessen Grundstücke durchgeführt. Nach § 3 a VermG a.F. war es noch erforderlich gewesen, bei Vorliegen von AlteigentümeransprUchen nur auf die Grundstücke beim share deal diese Immobilien herauszukaufen, um hierfür gesondert ein Verfahren nach § 3 aVermG durchzufUhren. Nunmehr bedarf es des Herauskaufs der Grundstücke nicht mehr55 • Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 S. 1 InVorG, wonach "bei Unternehmen und einem filr dieses benötigtem Grundstück ein besonderer Investitionszweck vorliegt, wenn ... " und des § 8 Abs. 3 S. 3 InVorG, demzufolge der Unternehmenskaufvertrag zu seiner Wirksamkeit folgender Klausel bedarf: "... der Erwerber ist verpflichtet, das Unternehmen zurUckzuübertragen, falls er die filr die ersten 2 Jahre zugesagten Maßnahmen nicht durchfUhrt oder hiervon wesentlich abweicht. ... Das gilt auch fllr Grundstücke und Gebäude, die im Zusammenhang mit einem Unternehmen veräußert oder verpachtet werden." Das InVorG differenziert somit nicht zwischen dem share und dem asset deal als den beiden möglichen Erscheinungsformen eines Unternehmenskaufvertrages. Die Treuhandanstalt ist somit befugt, auch beim Verkauf der shares ein Investitionsvorrangverfahren fllr das Unternehmen in den Fällen durchzufilhren, in denen nur vermögensrechtliche AnsRrUche auf die betriebsnotwendigen Grundstücke des Unternehmens vorliegen 6.
55 Zu den wesentlichen Änderungen vgl. z.B. Kinne, ZOV 92, 235 ff.; neu ist z.B., daß neben der Finanzierung der investiven Maßnahmen durch Zufilhrung von Eigenkapital auch die Zufilhrung von Fremdkapital zulässig ist, sofern der Verfilgungsberechtigte auf eine Besicherung des Fremdkapitals aus dem Unternehmen verzichtet (§ 2 Abs.2 Nr.2 InVorG). Kreis der Investitionszwecke: Neu ist die Regelung, daß die Investoren auch dann Vorrang genießen, wenn der Berechtigte keine Gewähr dafilr bietet, daß er das Unternehmen auch sanieren wird. (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 2.Alt. InVorG). Neu ist ferner die Privilegierung von Investitionsmaßnahmen, um die Liquidation oder Gesamtvollstreckung eines Unternehmens bei nach kaufmännischer Beurteilung sonst auf Dauer nicht zu venneidender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern. 56 AA Ebbing, Verkaufspraxis, S. 161: § 3 Abs. 2 InVorG bestimmt lediglich, daß flir die investive Verwendung von Unternehmen und von Unternehmensgrundstücken identische Investionszwecke anerkennungsfähig sind. Die Entbehrlichkeit eines Veräußerungsgeschäfts als Voraussetzung filr ein Investitionsvorrangverfahren läßt sich daraus nicht ableiten (ebenso Wächter, WM 1992, 1885, 1888). Zur Überwindung des Restitutionsanspruchs auf ein Unternehmensgrundstück beim share deal ist weiterhin
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5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
Im Tenor des Investitionsvorrangbescheids kann zusätzlich für diejenigen Grundstücke, die sich im Eigentum des Unternehmens befinden, und auf die Einzelrestitutionsansprüche gerichtet sind, festgestellt werden, daß ein besonderer Investitionszweck vorliegt, vgl. § 3 Abs. 2 InVorG 57 • Es bedarf für jedes einzelne Grundstück der Feststellung, daß dieses Grundstück für das Unternehmen bzw. das mit dem Unternehmen beabsichtigte investive Vorhaben benötigt wird; nur dann entfiillt die Verpflichtung zur Rückübertragung. Also muß in dem Tenor des Investitionsvorrangbescheids jedes für den investiven Unternehmenszweck benötigte Grundstück aufgeführt werden. 2. Der Investitionsvorrangbescheid als Wirksamkeitsvoraussetzung für den Privatisierungsvertrag
Das Verfügungs verbot des § 3 VermG kann durch die in dem InVorG beschriebenen investiven Zwecke überwunden werden. § 2 Abs. 2 InVorG lautet: "§ 3 Abs.3 bis 5 des VermG ist nicht anzuwenden, wenn der Verfügungsberechtigte 1. ein Unternehmen durch Übertragung seiner Anteile oder seiner Vermögenswerte veräußert ... und durch einen Investitionsvorrangbescheid festgestellt wird, daß dies einem hierfür bestimmten besonderen Investitionszweck dient ... " Der Begriff des "investiven Zwecks" ist in § 3 Abs. 2 Nr. 1 InVorG festgelegt: "Bei Unternehmen und einem für dieses benötigten Grundstück liegt ein besonderer Investitionszweck vor, wenn es verwendet wird, 1. um Arbeitsplätze zu schaffen oder zu sichern oder die Wettbewerbsfiihigkeit verbessernde Investitionen zu ermöglichen .... " Der notwendige Inhalt des Investitionsvorrangbescheids und seine Wechselwirkung mit dem Privatisierungsvertrag ergeben sich aus § 8 Abs. 3 InVorG: "Ist der Vermögenswert ein Unternehmen, so ist der Vertrag nur wirksam, wenn er neben einer in dem Bescheid zu bezeichnenden entsprechenden Vertragsstrafenregelung eine Verpflichtung des Erwerbers enthält, das Unternehdie Durchführung eines Eigeninvestionsvorrangverfahrens gemäß § 2 Abs. I Nr. 4 In VorG erforderlich. Dem Antrag wird das Investitionskonzept zugrunde gelegt, das der Erwerber des Unternehmens für das betroffene Grundstück vorgelegt hat. Ein Investitionsvorrangverfahren ist entbehrlich, wenn eine Feststellung der Betriebsnotwendigkeit des Grundstücks gern. § 5 Abs. I Buchst. d VerrnG erfolgt. Vor Inkrafttreten des InVorG mußte die Treuhandanstalt die· Bescheidung des Verrnögensamtes abwarten; nunmehr kann sie dies selbst gemäß § 7 Abs. 2 InVorG vorab feststellen. 57 Keil, VIZ 93, 89 ff., 91; vgl. zur alten Streitfrage nach alter Rechtslage Uechtritz, BB 1992, 581, 587 f.; Preu, BB 1992, 513, 514; Messerschmidt, VIZ 91, 2, 4 f.; Espey/Jaenecke, BB 1991,2025; Scheifele, BB 1992, 1350, 1358.
A. Restitutionsansprüche als Hemmnis der Privatisierung
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men zurückzuübertragen, falls er die für die ersten beiden Jahre zugesagten Maßnahmen nicht durchführt oder hiervon wesentlich abweicht. Die Frist beginnt mit der Übergabe des Vermögenswertes, spätestens mit Wirksamwerden des Vertrages. Dies gilt auch für Grundstücke und Gebäude, die im Zusammenhang mit einem Unternehmen veräußert oder verpachtet werden."s8. Damit der Unternehmenskaufvertrag wirksam werden kann, sind nach Erlaß eines Investitionsvorrangbescheids folgende Klauseln als Minimalanforderungen in den Kaufvertrag aufzunehmen: - Festlegung einer Mindestfrist von zwei Jahren für die Durchführung investiver Maßnahmen Als Fristbeginn wird der Übergabezeitpunkt oder der Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Vertrages vereinbart. - Vertragsstrafenregelung bei Nichteinhaltung der Arbeitsplatz- bzw. Investitionszusagen - Verpflichtung zur Rückübertragung des Unternehmens durch den Investor im Falle der Nichtdurchführung der zugesagten Maßnahmen Die Bestandskraft des Investitionsvorrangbescheids führt in vielen Fällen noch nicht zur Wirksamkeit des Unternehmenskaufvertrages. Denn oft stimmen die im notariellen Kaufvertrag festgelegten Verpflichtungen des Käufers betreffend die Höhe der Investitionen und die Zahl der zu sichernden/schaffenden Arbeitsplätze mit dem in dem Investitionsvorrangverfahren eingereichten Vorhabenplan nicht überein. Nicht zuletzt um seine Erfolgsaussichten im Investitionsvorrangverfahren zu. erhöhen, stockt der Investor in seinem Vorhabenplan die Investitionssumme und Arbeitnehmerzahl auf. Aber nur die Angaben im Vorhabenplan sind maßgeblich für das spezifische Verwaltungsverfahren und den zu erlassenden Investitionsvorrangbescheid. Das wird von den Investoren des öfteren leichtfertig übersehen oder mutwillig bestritten. Es bedarf oft einer Nachbeurkundung, um die Bedingungen bzw. Auflagen des Investitionsvorrangbescheids zivilrechtlich in den Unternehmenskaufvertrag umzusetzen. Erst dann ist der Kaufvertrag wirksam. Beim asset deal ergibt sich das Erfordernis der notariellen Nachbeurkundung wegen der Reichweite des Formerfordernisses nach § 313 BGB, aber auch aus § 8 Abs. 3 InVorG, wonach bei Grundstückskaufverträgen für den Vertragsabschluß wesentliche Zusagen in den Vertrag aufzunehmen und zum Gegenstand der notariellen Beurkundung zu machen sind. Daher sind insbesondere die Zusagen in den 58 Mitlehner, in: Rodenbach/Söjker/Lochen, InVorG, § 8 Rdn. 23; nach Keil, VIZ 1993, 89, 94, ist in dem unternehmensbezogenen Investitionsvorrangbescheid auch die genaue Höhe der Vertragsstrafe nach § 8 Abs. 3 S. 1 InVorG festzusetzen.
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5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
Vertrag aufzunehmen, deren Nichteinhaltung zur Verwirkung der Vertragsstrafe oder zur Rückabwicklung des Vertrages fUhrt59. Der bestandskräftige Investitionsvorrangbescheid ersetzt gemäß der Spezialregelung des § 11 Abs. 1 InVorG beim asset deal die Grundstücksverkehrsgenehmigung, so daß insbesondere dadurch eine wichtige Voraussetzung fUr die Eigentumsumschreibung des/der Unternehmensgrundstücks/e auf den Erwerber vorliegt. Die praktische Bedeutung ist nicht hoch genug einzuschätzen, bildet doch das Immobiliarvermögen regelmäßig das Sicherungsgut fUr die Ausreichung von Krediten zugunsten der Unternehmen durch die Banken, und zwar sowohl zum Zwecke der Finanzierung des Kaufpreises als auch der Investitionen. Dem Gesetzgeber ist beim share deal eine gewisse Inkonsequenz unterlaufen, da fUr diese Form der Privatisierung der entsprechende Schutzmechanismus einer Grundstücksverkehrsgenehmigung wie beim asset deal fehlt. Die Veräußerung eines Unternehmens im Wege des share deal außerhalb des Investitionsvorrangverfahrens ohne entsprechende Rückübertragungsklausel ist rechtlich voll wirksam. Diese Veräußerung verstößt zwar gegen § 3 VermG; da dieses Verbot jedoch nur rechtsgeschäftlicher Natur im Sinne des § 137 BGB ist, vermag es das Wirksamwerden des Vertrages nicht zu verhindern. Allein durch die Einleitung des Investitionsvorrangverfahrens und durch den Erlaß eines entsprechenden Bescheids wird der Alteigentümer somit durch die Einfllgung einer zwingenden Wirksamkeitsbedingung im Vertrag gegen Verfllgungen des Verfllgungsberechtigen geschützt. Konsequent wäre es gewesen, durch die Einfllhrung eines besonderen Genehmigungserfordernisses ebenso eine quasi-dingliche Verfllgungssperre einzufilhren, wie dies durch die Bestimmungen der GVO fUr Grundstücke geschah60 • 3. Unterbrechung des Rückübertragungsverfahrens bei den Vermögensämtern durch das Investitionsvorrangverfahren
Der Gesetzgeber hat sicherzustellen, daß während des Investitionsvorrangverfahrens die Unternehmensprivatisierung nicht durch einen Rückübertragungsbescheid des zuständigen Vermögensamtes unterlaufen wird. Durch die
59 Mitlehner, in: RodenbachlSöfkeriLochen, InVorG, § 8 Rdn. 138; hiernach ist § 8 Abs. 3 InVorG bei unternehmensbezogenen Bescheiden nicht abschließend, so daß im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine der in § 8 Abs.2 S.I In VorG genannten Bestimmungen auch in den unternehmensbezogenen Bescheid aufzunehmen ist. 60 Racky, in: J/URIW/K, InVorG, § 8 Rdn. 47; unberührt davon bleibt eine etwaige Amtshaftung der Treuhandanstalt.
A. Restitutionsansprüche als Hemmnis der Privatisierung
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Regelung des § 4 Abs. 4 In VorG werden der VerfUgungsberechtigte - die Treuhandanstalt - und der potentielle Investor geschützt. Das Rückübertragungsverfahren wird in dem Moment unterbrochen, in dem die Investitionsvorrangstelle der Treuhandanstalt das zuständige Amt zur Regelung offener Vermögensfragen über die Einleitung eines Investitionsvorrangverfahrens unterrichtet. Diese Unterbrechung endet mit dem Eintritt der Vollziehbarkeit der Entscheidung des Investitionsvorrangbescheids, spätestens jedoch nach Ablauf von 3 Monaten seit Unterrichtung. Um die Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt nicht zu gefährden, findet eine Abstimmung zwischen dem jeweiligen Amt zur Regelung offener Vermögensfragen und der zuständigen InvestitionsvorrangsteIle der Treuhandanstalt statt. So soll während des laufenden Investitionsvorrangverfahrens kein Rückübertragungsbescheid erlassen werden. Mit Bestandskraft des Rückübertragungsbescheids entfiele nämlich die VerfUgungsberechtigung der Treuhandanstalt und es käme nur eine Einstellung des Investitionsvorrangverfahrens in Betracht. Dies kann gravierende Folgen fUr den Investor haben. Kann der Investitionsvorrangbescheid aufgrund von Verzögerungen im Verwaltungsverfahren nicht innerhalb der Dreimonatsfrist ergehen, so kommt eine Haftung der Treuhandanstalt fUr Aufwendungen des Käufers etc. grundsätzlich nicht in Betracht. Für diesen Konfliktfall gibt es folgende Lösungsmöglichkeiten: Zum einen stellt die Regelung des § 32 Abs. 1 S. 2 VermG sicher, daß die Treuhandanstalt von der unmittelbar bevorstehenden Rückübertragung Kenntnis erhält. Die zuständige Stelle der Treuhandanstalt hat in einem laufenden Investitionsvorrangverfahren nunmehr schleunigst zu entscheiden. Will die Treuhandanstalt als VerfUgungsberechtigte dagegen erst noch zu investiven Zwecken veräußern, so hat sie alsbald ein Investitionsvorrangverfahren einzuleiten, um einen Aufschub von wenigstens drei Monaten zu erreichen. Sie hat darauf hinzuwirken, daß der Investitionsvorrangbescheid noch vor dem Rückübertragungsbescheid erlassen wird. Ist der Rückübertragungsbescheid schon ergangen, so kann die Treuhandanstalt als VerfUgungsberechtigte Klage beim Verwaltungsgericht erheben. Während des Klageverfahrens kann ein Investitionsvorrangverfahren durchgefUhrt und ein Bescheid erlassen werden. Dieser Bescheid kommt - soweit er nicht angefochten wird - mit dem Eintreten seiner Bestandskraft dem Rückübertragungsbescheid im Falle des Unterliegens der Treuhandanstalt im Verwaltungsprozeß zuvor. Allerdings muß fUr den Fall des Klageverfahrens das Rechtsschutzbedürfnis der Treuhandanstalt besonders kritisch geprüft werden. In der Klageschrift kann die Treuhandanstalt eigentlich nur solche Gründe anfUhren, die geeignet sind, die materielle Berechtigung des Alteigentümers in Frage zu stellen. Solch eine Motivation könnte aber fehlen, wenn allein ein Investitionsvorrangververfahren schnellstmöglich beendet bzw. erst eingeleitet wird und noch vor Beendigung des Klageverfahrens abge-
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5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
schlossen werden soll. Eine solche Vorgehensweise ist rechtsmißbräuchlich, da das Klageverfahren nur zur Erreichung eines anderen Zwecks vorgeschoben wird. Kann die Treuhandanstalt daher keine Gründe im Prozeß substantiiert vortragen, die die materielle Berechtigung des Altberechtigten in Frage stellen können, ist die Klage abzuweisen und die Treuhandanstalt zu verurteilen, den Investitionsvorrangbescheid zurückzunehmen.
B. Das Investitionsvorrangverfahren im Brennpunkt zwischen der Durchsetzung von Gemeinwohlzielen und dem Schutz des Alteigentümer Das Investitionsvorrangverfahren soll einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Staates an der nachhaltigen Durchsetzung volkswirtschaftlicher Zielsetzungen und der Beachtung der Restitutionsansprüchen von Privatpersonen schaffen Das Gemeinwohlinteresse an der Sicherung von Arbeitsplätzen und der Durchruhrung von Investitionen in den neuen Bundesländern soll höher zu bewerten sein als die Rückgabe entzogenen Eigentums aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips. Der Grundsatz "Rückgabe geht vor Entschädigung" wird ausnahmsweise durchbrochen. Das Investitionsvorrangverfahren verkörpert daher ein besonders sensibles Verfahrensstadium bei der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern. Das Investitionsvorrangverfahren bedingt nicht nur eine Vertragsgestaltung, die aufgrund des Schwebezustandes rur die Vertragsparteien mit erheblichen Risiken behaftet ist. Darüber hinaus erwachsen aufgrund der gesetzlichen Anforderungen und Besonderheiten dieses Verfahrens rur die Parteien gar nicht zu unterschätzende Risiken, die im ungünstigsten Fall dazu fUhren können, daß der jeweilige Privatisierungsvertrag unter Umständen gar nicht mehr wirksam wird. In solchen Fällen richtet sich die Rückabwicklung des schwebend unwirksamen Vertrages nach Bereicherungsrecht. Die Behandlung der sich daran knüpfenden Fragestellungen ist dem noch gesondert darzustellenden Themenkomplex der Rückabwicklung von wirksamen Unternehmenskaufverträgen in den neuen Bundesländern sehr ähnlich. I. Scheitern des Investitionsvorrangverfahrens wegen mangelnder Bonität des Investors
Die erste große Hürde, die die potentiellen Investoren überwinden müssen, ist der Nachweis ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Durchfilhrung des geplanten Investitionsvorhabens. Die Notwendigkeit der Bonitätsprüfung ergibt sich aus § 4 Abs. 1 InVorG, wonach "festzustellen ist, ob der
B. Das Investitionsvorrangverfahren als Konfliktfall
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Vorhabenträger nach .seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen hinreichende Gewähr fur die Verwirklichung des Vorhabens bietet ... " In der Bonitätsprüfung spiegelt sich einerseits der Schutz der Alteigentümer wider. Es soll nicht erst nach Erlaß eines Investitionsvorrangbescheids offenbar werden, daß der Investor überhaupt nicht über die finanziellen Mittel fiir die Realisierung seines Unternehmenskonzept verfügt. Bestehen Zweifel an der Bonität des Investors, insbesondere wenn der Investor nahezu vermögens los ist, kommt die Einleitung eines Investitionsvorrangverfahren nicht in Betracht. Fallbeispiel: Das Investitionsvorrangverfahren wird eingeleitet; der Investor reicht keinen Vorhabenplan ein, obwohl er sich vertraglich zu Investitionen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen verpflichtet hatte; oder er legt ein Konzept vor, kann aber den Nachweis seiner Bonität fiir die Durchfiihrung des Investitionsvorhabens nicht fiihren 61 • Es ist nicht Sinn des InVorG, einem Investor, der über keine ausreichenden Sicherheiten verfiigt, Grundstücke als assets eines Unternehmens allein zu dem Zweck zu verschaffen, ihm über deren Beleihung Fremdmittel zur Verfiigung zu stellen; dies schließt allerdings nicht aus, daß bei Vorliegen eines besonderen Investitionszwecks die Finanzierung des Investitonsvorhabens vollständig über die Beleihung des Grundstücks, etwa durch die Eintragung von Grundschulden, erfolgt62 • Da bei einem Unternehmen das Vorhaben grundsätzlich in einem Mindestzeitraum von zwei Jahren durchgefiihrt werden soll, wäre es ohne die vorherige Bonitätsprüfung andererseits schwer begrUndbar, den Bescheid gleich wieder aufzuheben. Der Investor könnte nämlich den schwer zu entkräftenden Einwand vortragen, er sei innerhalb eines überschaubaren Zeitraum zur Wiederherstellung seiner fmanziellen Leistungsfähigkeit in der Lage. Der Bonitätsnachweis verkörpert somit auch nachhaltig das staatliche Interesse an der Sicherung von Arbeitsplätzen und der Durchfiihrung von Investitionen. Frühzeitig soll offenbar werden, welche Investoren nicht geeignet fiir die Führung von Unternehmen sind, da diese sich im Rahmen des Neuautbaus und der Umstrukturierung ihre Stellung am Markt oft erst noch erkämpfen müssen. Wenn abzusehen ist, daß der Investor auch bei Scheitern seines Vorhabens seinen vertraglichen Pflichten zur Absicherung des Investitionszwecks, wie
61 Vgl. § 4 Abs. 3 InVorG, der da lautet: Der Vorhabenplan muß mindestens den Vorhabenträger mit Namen und Anschrift, den betroffenen Verrnögenswert, die voraussichtlichen Kosten der zugesagten Maßnahmen, ihre Art und die vorgesehene Dauer ihrer Ausführung sowie je nach der Art des Vorhabens angeben, wievieIe Arbeitsplätze durch die Maßnahmen gesichert oder geschaffen werden. 62
Jesch, in: J/L/RIW/K, InVorG, § 3 Rdn. 71.
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5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
etwa der Vertragsstrafenzahlung, nicht nachkommen kann, kommt ein Investitionsvorrangbescheid ebenfalls nicht in Betracht63 • Die zuständige InvestitionsvorrangsteIle der Treuhandanstalt stellt das Verfahren per Verwaltungsakt ein. Mit Bestandskraft des Einstellungsbescheids steht fest, daß der Vertrag nicht mehr wirksam werden kann. Die Parteien haben etwaige erbrachte Leistungen ohne Rechtsgrund ausgetauscht, so daß sich die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff. BGB richtet64 • Die Prüfung der persönlichen Verhältnisse des Vorhabenträgers hat zum Gegenstand, ob er die nötige Zuverlässigkeit und Fachkompetenz besitzt, um das Vorhaben zu verwirklichen. Zur fachlichen Realisierung kann sich der Investor auch der Hilfe Dritter bedienen, da sich das Wirtschaftsleben moderner Prägung ohne Arbeitsteilung kaum realisieren läßt65 • Dies kann in den Investitionsvorhabenplan eingearbeitet und bei der Entscheidungsfmdung berücksichtigt werden.
11. Rücktritt des Investors aufgrund überlanger Dauer des Investitionsvorrangverfahrens Ein wesentlicher Störfaktor im Investitionsvorrangverfahren können zeitliche Verzögerungen sein. Es kommt vor, daß die InvestitionsvorrangsteIle aufgrund von Abstimmungsproblemen im internen Verfahrensablauf erst spät das Verfahren einleitet oder nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchfUhrt. Des Weiteren kann es auch passieren, daß ein im Verfahren unterlegener Alteigentümer Klage gegen den Investitionsvorrangbescheid erhebt. Der Verwaltungsakt wird zunächst nicht wirksam und der Investor sieht sich über viele Monate mit einem schwebend unwirksamen Vertrag konfrontiert. Daher räumt die Treuhandanstalt den Investoren vertraglich meistens ein nach Ablauf von 6 oder 9 Monaten binnen Monatsfrist ausübbares Rücktrittsrecht ein, um die fmanziellen Risiken der Käufer aufgrund des aufschiebend bedingten Vertrages zu begrenzen. Klauselbeispiel: ( ... ) Liegt die Mitteilung nach Abs. ... nicht innerhalb einer Frist von ... Monaten nach Vertragsschluß vor oder stehen im Falle des Abs .... nach Ablauf dieser Frist der Durchfilhrung dieses Vertrages noch vermögensrechtliche
63
Jesch, in J/LiRIW/K, InVorG, § 3 Rdn. 73.
64 Zu den Problemen bei der Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrages vgl. Kap. 9.
65
Jesch, in J/LiRIW/K, InVorG, § 3 Rdn. 72; Keil, VIZ 1993, 89, 91.
B. Das Investitionsvorrangverfahren als Konfliktfall
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Hindernisse entgegen, sind Käufer und Verkäufer berechtigt, innerhalb eines weiteren Monats vom Vertrag zurückzutreten. Dem Käufer steht das Rücktrittsrecht nur zu, wenn er die Verzögerung des Verfahrens nicht zu vertreten hat. Weitergehende Rechte, insbesondere Schadensersatzansprüche - auch gegen die Treuhandanstalt - sind ausgeschlossen. Der maßgebliche Grund ftlr dieses Entgegenkommen vonseiten der Treuhandanstalt liegt darin, daß die Zusammenarbeit mit den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen und die Zuordnung der Restitutionsansprüche auf die zu veräußernden Unternehmen schleppend verläuft. Die personellen Kapazitäten und die sachliche Ausstattung der mit der Klärung der schwierigen vermögensrechtlichen Probleme betrauten Vermögensämter ist nicht ausreichend, verglichen mit der Flut der Anmeldungen. Das Rücktrittsrecht ist somit die Nagelprobe rur den Käufer, sich noch einmal ohne Ursachenforschung vom Kaufvertrag lösen zu können. Das Rücktrittsrecht erlischt allerdings, wenn es nicht innerhalb Monatsfrist nach Entstehung ausgeübt wird. Es ist mit der Zielsetzung der raschen Privatisierung und der angestrebten Selbstauflösung der Behörde Treuhandanstalt schlechterdings unvereinbar, dem Käufer ein unbefristetes Rücktrittsrecht einzuräumen 66. Hat der Investor die Verzögerungen im Ablauf des Investitionsvorrangverfahrens selbst zu vertreten, so steht ihm das Rücktrittsrecht nicht zu. Es ist seine Pflicht, einen detaillierten Vorhabenplan sowie eine Finanzierungszusage rur die investiven Maßnahmen bei der zuständigen InvestitionsvorrangsteIle der Treuhandanstalt einzureichen. Kommt er dem trotz mehrfacher Aufforderung nicht nach, so verwirkt er das Rücktrittsrecht oder der Zeitpunkt der Entstehung des Rücktrittsrechts verlängert sich um die von ihm zu vertretende Verzögerung. Es kommt auch vor, daß die Treuhandanstalt ein Investitionsvorrangverfahren über längere Zeit nicht einleitet, obwohl ihr vermögensrechtliche Ansprüche bekannt waren oder sie sich darüber schon längst hätte Kenntnis verschaffen müssen. Solche Versäumnisse respektive Verzögerungen vor Einleitung eines Investitionsvorrangverfahrens stammen aus der Sphäre der Treuhandanstalt. Die Frist für die Entstehung des Rücktrittsrechts wegen Nichterlasses des Investitionsvorrangbescheids wird dadurch nicht gehemmt. Werden vermögensrechtliche Ansprüche dagegen durch Mitteilung der zuständigen Vermögensämter an die Treuhandanstalt erst lange nach Vertragsschluß bekannt, so stellt dies eine Lücke im Vertrag dar. Diese Lücke ist nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung der §§ 133, 157 BGB in Übereinstimmung mit der Intention der Vertragsklausel über die Gewährung eines Rücktritts-
66
Allerdings kommt dies sogar vereinzelt in Privatisierungsverträgen vor.
15 HeB
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5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
rechts wie folgt zu lösen: Vertraglich geregelt ist der Fall, daß nach Ablauf eines Zeitraums von 6 bzw. 9 Monaten ein Rücktrittsrecht entsteht, das innerhalb Monatsfrist auszuüben ist. Es gehört zu den Pflichten der Treuhandanstalt als Verkäufer des Unternehmens, den Käufer schon bei Vertragsschluß darüber aufzuklären, ob ihr vermögensrechtliche Ansprüche bekannt sind. War dies aufgrund der schleppenden Bearbeitung durch die Vermögensämter nicht kurzfristig bis zum Beurkundungstermin möglich, so muß sich die Treuhandanstalt als Vertragspartner wie folgt behandeln lassen: Dem Investor steht in sinngemäßer Anwendung der dargestellten Rücktrittsformel fUr den Fall des nunmehrigen Bekanntwerdens vermögensrechtlicher Ansprüche nach Ablauf von 6 oder 9 Monaten ein einmonatiges Rücktrittsrecht zu. Die Frist beginnt zu laufen, nachdem ihm von der Treuhandanstalt mitgeteilt wird, daß die Einleitung eines Investitionsvorrangverfahrens nunmehr erforderlich ist. III. Abweichende Festsetzungen des Investitionsvorrangbescheids im Vergleich zu den vertraglichen Zusagen des Käufers Aus verschiedenen Ursachen heraus kann es zu anderslautenden Festsetzungen im Investitionsvorrangbescheid verglichen mit den investiven Regelungen im notariellen Kaufvertrag kommen. So gibt der Investor in dem eingereichten Vorhabenplan häufig ein größeres Investitionsvolumen an und verspricht, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern, als er noch in dem zuvor beurkundeten Vertrag zugesagt hatte. Seine Motivation ist regelmäßig die, sich besser gegen ein etwaiges Investitionskonzept des Altberechtigten zu wappnen. Manche der Investoren sind hierbei schlecht beraten oder gehen bewußt auf Konfrontation mit der Treuhandanstalt. Sie vertreten dann die Auffassung, daß der Altberechtigte zwar gegen das von ihnen vorgelegte Investitionskonzept konkurrieren müsse; die Arbeitsplatz- und Investitionsgarantie dürften in dem Tenor des Investitionsvorrangbescheids aber nur in der Größenordnung festgelegt werden, wie sie ihren Niederschlag im zuvor beurkundeten Vertrag gefunden hatten. Indes ist daran zu erinnern, daß der vom Investor eingereichte Vorhabenplan der Anhörung des Anmelders in dem Investitionsvorrangverfahren zugrunde liegt. Hieran muß sich ein etwaiges Gegenkonzept des Anmelders messen lassen. Der Investitionsvorrangbescheid hat gemäß den Vorgaben des § 8 In VorG als wesentlichen Bestandteil in seinem Tenor die Investitionssumme und die Zahl von Arbeitsplätzen zum Inhalt, die in dem Vorhabenplan angegeben waren. Der Bescheid hat daher zur AuflagelBedingung, daß die investiven Verpflichtungen Bestandteil des Privatisierungsvertrages werden. Somit ist die Transformation des Bescheids in den vorherigen Kaufvertrag notwendig, damit der Vertrag wirksam wird, wenn die Festsetzungen im Bescheid von den
B. Das Investitionsvorrangverfahren als Konfliktfall
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kaufvertraglichen Regelungen abweichen. Dies geschieht durch eine Nachbeurkundung des Vertragswerks. Weigert sich der Käufer nun, die erforderlichen Willenserklärungen in der Nachtragsurkunde abzugeben, so kann die Bedingung nicht eintreten. Es handelt sich um eine Verpflichtung des Käufers, die eingeklagt und nach § 894 ZPO vollstreckt werden kann67 • Die InvestitionsvorrangsteIle kann stattdessen auch den Investitionsvorrangbescheid gemäß § 49 VwVfG widerrufen68 • Auf der anderen Seite kann eine Nachbeurkung auch dann erforderlich werden, wenn sich die Zahl der Arbeitsplätze und die Höhe der Investitionssumme im Kaufvertrag und Vorhabenplan decken, die Investitionsvorrangstelle aber nunmehr die Höhe der Vertragsstrafe abweichend vom Kaufvertrag höher oder niedriger festsetzt. Die Entrüstung mancher Investoren hierüber ist auch deswegen nicht überzubewerten, da die Investitionsvorrangstelle der Treuhandanstalt eine unabhängige hoheitliche Stelle der Treuhandanstalt ist. Diese setzt in dem Vorrangbescheid zugunsten der Investoren oft niedrigere Vertragsstrafen fest. Speziell für den Fall einer Unterschreitung der zugesagten Investitionssumme weichen die Festlegungen der Investitionsvorrangstelle deutlich von der in den Privatisierungsverträgen oft vereinbarten Grenze von 50 % bis 100 % nach unten ab. Eine derart hohe Vertragsstrafe hätte mitunter erdrosselnden Charakter und würde der Zielsetzung des Investitionsvorranggesetzes nicht gerecht; die Verpflichtung zur Investition bleibt auch kraft Gesetzes von der Vertragsstrafe unberührt. Ein Teil des Schrifttums vertritt die Ansicht, daß von dem Vorhabenträger nicht verlangt werden kann, daß er einer nachräglichen Anpassung des Vertrages an besondere Bestimmungen des Verwaltungsakts zustimmt. Nur die Drohung mit dem Widerruf des Bescheis soll möglich sein69 • Dieser Sichtweise sollte man sich so pauschal nicht anschließen. Vielmehr kommt diese Vorgehensweise nur dann in Betracht, sofern der Investor im Bescheid der Investitionsvorrangstelle eine vom Vertrag abweichende, höhere Vertragsstrafenregelung hinnehmen soll. Bei einer niedrigeren Bemessung der Vertragsstrafe im Investitionsvorrangbescheid ist der Investor begünstigt und dann schon aus Treu und Glauben verpflichtet, dieser Änderung zuzustimmen.
67 Der Verfasser beurteilt Investitions- und Arbeitsplatzverpflichtung in vielen Fällen als einklagbar, vgl. Kap. 4, Abschnitt A IV. 68 So die bisherige M.M.; nach dieser ist die Aufhebung des Bescheids grundsätzlich nur nach §§ 14, 15 InVorG möglich; demzufolge könnte der Investitionsvorrangbescheid vor Ablauf von 2 Jahren nicht aufgehoben werden. Für die vorgenannte Fallgruppe muß indes eine Ausnahme gelten. 69
IS·
Racky, in J/URIW/K, InVorG § 8 Rdn. 47.
228
5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
IV. Fehlende Verhältnismäßigkeit des investiven Vorhabens trotz Fehlen eines Gegenkonzepts des Anmelden Eine weitere Sperre, die sowohl im öffentlichen Interesse als auch zum Schutz der Alteigentümer eingreift, ist der aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe im Rahmen der Eingriffsverwaltung7o . Die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit hat zum Inhalt, ob die geplanten investiven Maßnahmen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sind. In § 3 Abs. 1 S. 2 In VorG wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip sogar explizit im Gesetz genannt, als "das Grundstück oder Gebäude nur insoweit für den besonderen Investitionszweck verwendet werden darf, als dies flir die Verwirklichung des Vorhabens erforderlich ist." Bei der Prüfung der "Geeignetheit" der investiven Maßnahme findet eine Evidenzprüfung statt, wonach die Geeignetheit nur bei offensichtlicher Undurchführbarkeit des geplanten Vorhabens etwa aufgrund tatsächlicher, baurechtlicher oder gewerberechtlicher Vorgaben zu verneinen ise l . Auf der zweiten Stufe ist die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Vermögenswertes für die investive Maßnahme zu untersuchen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Erforderlichkeit ist voll justitiabel. Die Frage nach einer vollständigen oder teilweisen Inanspruchnahme eines Vermögenswertes ist Gegenstand der Prüfung durch die Investitionsvorrangstelle, vgl. § 3 Abs. I S. 2 InVorG. Anhand des Vorhabenplans ist zu untersuchen, ob der besondere Investitionszweck auch durch Inanspruchnahme nur eines Teils des Vermögenswertes verwirklicht werden kann n . Schließlich ist noch eine Prüfung der investiven Maßnahme auf der Ebene der sogenannten Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn durchzuführen. Die belastende Maßnahme darf keine übermäßige, zu dem angestrebten Zweck in krassem Mißverhältnis stehende Belastung begründen. Demgemäß sind Z.B. Vorhaben, die eine gewisse Erheblichkeitsschwelle nicht überschreiten, selbst bei Inanspruchnahme eines kleinen Grundstücks wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht erlaubt. Ferner dürfen zentrale Grundstücke, die einen hohen Wertzuwachs erwarten lassen,
70
Statt aller BVerfGE 35,400.
71 Jesch, in J/L/RIW/K, InVorG, § 3 Rdn. 61; beachte: Die Prüfung der "Erforderlichkeit" einer Inananspruchnahme des Grundstücks für Unternehmen erfolgt analog der Prüfung beim reinen Grundstückskauf gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 In VorG. 72
Jesch, in J/L/RIW/K, InVorG, § 3 Rdn. 62; Uechtritz, BB 1992, 1649, 1654.
B. Das Investitionsvorrangverfahren als Konfliktfall
229
nicht für Vorhaben in Anspruch genommen werden, die nicht einen entsprechend hohen investiven Effekt haben 73. Die InvestitionsvorrangsteIle gibt üblicherweise einen rechtlichen Hinweis, inwieweit das Volumen der Investitionen und Arbeitsplätze im Vorhabenplan aufzustocken ist. Anderenfalls ist sie wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gezwungen, in dem Investitionsvorrangbescheid beim asset deal nur eine kleinere Grundstücksfläche für die Verwirklichung des investiven Vorhabens zuzusprechen oder sogar das Verfahren im Einzelfall einzustellen. Weigert sich der Investor, unter Berufung auf den ursprünglichen Wortlaut des beurkundeten Kaufvertrages den Vorhabenplan nachzubessem oder übersteigt das nunmehr geforderte, angemessene Investitionsvolumen seine finanzielle Leistungsfahigkeit, so könnte eine Haftung der Treuhandanstalt aus öffentlichrechtlicher Culpa in contrahendo (c.i.c.) eröffnet sein. Die Begründung könnte sich darauf stützen, die Treuhandanstalt hätte voraussehen müssen, daß das zugesagte investive Konzept nicht ausreicht, um beim asset deal das Unternehmen in seiner Gesamtheit erwerben zu können. Die Treuhandanstalt hat es aber nicht zu vertreten, daß der Vertrag nicht wirksam wird. Es handelt sich bei der Entscheidung der unabhängigen InvestitionsvorrangsteIle um eine gebundene Entscheidung, die dem besonderen Maßstab des § 3 Abs. 1 S. 2 InVorG unterliegt, wobei sich der Investor unschwer über die insoweit eindeutige Gesetzeslage informieren kann. Falls der Investor seinen Vorhabenplan nicht nachbessern will oder kann, kommt folgende Vorgehensweise der Treuhandanstalt in Betracht: Entweder stellt die InvestitionsvorrangsteIle das Verfahren ein, oder sie spricht in dem Tenor des Investitionsvorrangbescheids eine kleinere Grundstücksfläche für die Durchführung des Investitionsvorhabens zu. Im ersteren Fall ist eine Rückgewähr der trotz des schwebend unwirksamen Vertrages ausgetauschten Leistungen vorzunehmen. Im letztgenannten Fall können die für die Nachbeurkundung des Vertrages notwendigen Willenserklärungen des Investors eingeklagt und gemäß § 894 ZPO vollstreckt werden, um die Wirksamkeit des Vertrages herbeizuführen. V. Abweichende Festsetzungen im Investitionsvorrangbescheid aufgrund von Gesetzesänderungen Im Rahmen der Novellierung des Vermögensrechts durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 22.7.1992 trat unter anderem auch das In VorG in Kraft. Nicht abgeschlossene Verfahren nach § 3 aVermG mußten nun nach
73
Jesch, in: J/LiRW/K, InVorG, § 3 Rdn. 67.
230
5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
den Anforderungen des InVorG zu Ende gefUhrt werden. Eine signifikante Gesetzesänderung war die Neuregelung des § 8 Abs. 2 S. 2 InVorG, wonach der investive Vertrag nunmehr eine in dem Investitionsvorrangbescheid zu bezeichnende Vertragsstrafenregelung enthalten mußte 74. In den vor diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Privatisierungsverträgen war meistens mangels gesetzlicher Verpflichtung eine derartige Kumulierung von Vertragsstrafe und Rückübertragungsverpflichtung nicht vereinbart. Die Gesetzesnovellierung fUhrte zu einer verschärfteren Haftung derjenigen Investoren, deren Verträge noch unter Geltung des § 3 aVermG beurkundet worden waren und fUr die das sogenannte 3 a-Verfahren noch nicht eingeleitet bzw. abgeschlossen worden war. Hierbei handelt es sich im Hinblick auf die betroffenen, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalte um den Fall einer sogenannten unechten Rückwirkung eines Gesetzes 75 • Durch die EinfUhrung des InVorG werden sowohl verfahrensrechtliche als auch im Hinblick auf den Eintritt der Wirksamkeit des investiven Privatisierungsvertrags materiellrechliehe Neuerungen getroffen. Änderungen des Verfahrensrechts wirken sich nach herrschender Meinung auch auf das laufende Verwaltungsverfahren aus. Ein überwiegender Vertrauensschutz des Betroffenen auf eine Beurteilung und Entscheidung seines Falls nach den vormals gültigen Prozeß- oder Verwaltungsverfahrensvorschriften besteht allerdings nicht. Die Wechselwirkung des Investitionsvorrangbescheids mit der Wirksamkeit des Unternehmenskaufvertrages fUhrt auf der zivilrechtlichen Ebene zu einer Überprüfung des Vertrages unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage76 : Auch Gesetzesänderungen können nachhaltig in das Äquivalenzgeflige des Schuldverhältnisses eingreifen77 • Nach Auffassung des Schrifttums sind die zur Geldentwertung, Entwertung der Sachleistung, Leistungserschwerungen bzw. Wertsteigerungen bei Geld- und Sachleistungen entwickelten Kriterien grundsätzlich entsprechend anwendbar78 • Die auf die vorgenannten Fallgruppen abzielende Dogmatik ist jedoch nicht mit den Rechtswirkungen des Investitionsvorrangbescheids vergleichbar. Bei den im 74 Vgl. den Wortlaut des § 8 Abs. 3 S. I InVorG: "Ist der Vermögenswert ein Unternehmen, so ist der Vertrag nur wirksam, wenn er neben einer in dem Bescheid zu bezeichnenden entsprechenden Vertragsstrafenregelung ... " und § 8 Abs. 2 letzter Satz: "... Der investive Vertrag muß eine in dem Bescheid zu bezeichnende Vertragsstrafenregelung enthalten." 75
Vgl. statt aller z.B. Degenhart, Staatsrecht I, 10. Aufl., 1994, Rdn. 311.
76
PalandtlHeinrichs, BGB, § 242 Rdn. 113.
77
BGHZ 58, 362; 70, 298; BGH NJW 1983, 1552.
78
PalandtlHeinrichs, BGB, § 242 Rdn. 136-142.
C. RestitutionsansprUche von Kommunen
231
Schrifttum erörterten Fallgruppen handelt es sich nämlich um Eingriffe in das Schuldverhältnis, die im wesentlichen den Wert der Leistung zumindest zu Lasten einer Partei schmälern. Unter diesen Gegebenheiten sind die Leistungen wechselseitig anzupassen. In der zur Überprüfung anstehenden Fallkonstellation treffen den Investor aufgrund der Gesetzesnovellierung hingegen härtere Sanktionen im Falle nicht vertrags getreuen Verhaltens. § 242 BGB beinhaltet explizit den Grundsatz des vertragstreuen Verhaltens der Vertragsparteien. Die Anpassung des Vertrages an die neue Gesetzeslage läßt sich mit dem hohen Schutzbedürfnis des Staates nach effektiver Durchsetzung der investiven Ziele rechtfertigen. Demgegenüber ist das Interesse des Investors zu berücksichtigen, der sich möglicherweise einer Vervielfachung seines Haftungsrisikos ausgesetzt sieht. Nunmehr ist aber zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit der Hemmung der Zweijahresfrist filr die Durchfilhrung der investiven Zwecke vorsieht. Bei Vorliegen sogenannter dringender betrieblicher Erfordernisse entfallen die Rückübertragungsverpflichtung und die Vertragsstrafe. Damit wird der Investor vom Gesetzgeber hinreichend geschützt. Weigert sich der Investor nach Erlaß des Investitionsvorrangbescheids, den Vertrag nachzubeurkunden, mit der Begründung, eine Kumulation von Vertragsstrafe und Rücktritt sei in dem ursprünglichen Vertrag nicht vorgesehen gewesen, so ist dieser Einwand in Anbetracht des gesetzlich garantierten Käuferschutzes nicht stichhaltig. Die InvestitionsvorrangsteIle kann bei beständiger Weigerung des Käufers, den Kaufvertrag nachzubeurkunden, den Investitionsvorrangbecheid unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwVfG widerrufen 79 oder den Investor auf Abgabe der entsprechenden Willenserklärung zur Vertragsänderung verklagen. Letztgenannte Vorgehensweise erscheint allerdings von theoretischer Natur, da eine Klage unter diesen Umständen sinnlos erscheint. Das Verhalten des Investors läßt befilrchten, daß er sich künftig nicht vertragsgemäß verhalten wird.
C. Restitutionsansprüche von Kommunen als Hemmnis bei der Unternehmensprivatisierung Neben den Restitutionsansprüchen von Privatpersonen hemmen auch die Restitutionsansprüche von Kommunen die Unternehmensprivatisierung durch die Treuhandanstalt. Hierbei handelt es sich um die Restitution von Liegenschaften, die vormals im Eigentum der Kommunen standen und unentgeltlich
79 Es ist nicht zweifelsfrei, ob die RUcknahmeregeln nach dem InVorG abschließend oder die allgemeinen Vorschriften des VwVfG daneben anwendbar sind.
232
5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
in Volkseigentum überführt wurden. Anders als bei der Anmeldung von Privatpersonen lösen die Restitutionsansprüche der Gebietskörperschaften kein Verfügungsverbot gemäß § 3 Abs. 3 VermG aus, da die Kommunen nicht als Berechtigte im Sinne des VermG mitaufgeführt sind. Eine dingliche Verfügungssperre nach der GVO analog der für private Restitutionsansprüche ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es ist aufzuzeigen, mit welchem Instrumentarium der Gesetzgeber der Treuhandanstalt den Vorrang zur Durchsetzung der volkswirtschaftlichen Ziele vor den Restitutions- und Kommunalisierungsansprüchen der Gebietskörperschaften einräumt. Die Problematik kommunaler Restitutionsansprüche wurde in den Verträgen der Treuhandanstalt bis in das Jahr 1992 so gut wie nie bedacht. Wenn dies doch einmal der Fall war, so ist dies im Vertrag analog zu der Anmeldung von Restitutionsansprüchen durch Privatpersonen geregelt und lautet:
§ ...
c. .. ) Absatz ... bis ... gelten auch für den Fall, daß auf das Grundstück oder einzelne Flurstücke des Kaufgegenstandes kommunale Rückübertragungsansprüche nach Art. 21, 22 des Einigungsvertrages geltend gemacht werden. Das InVorG ist in diesem Fällen entsprechend anzuwenden. An die Stelle des Investitionsvorrangbescheids tritt die Entscheidung der Zuordnungsstelle der Präsidentin der Treuhandanstalt.
Die Antragsfrist für die Geltendmachung von Restitutionsansprüchen durch die Kommunen endete erst am 31.12.1995. I. Funktion des Vermögenszuordnungsgesetzes bei kommunalen Restitutionsansprüchen
Das durch Art. 7 des Hemmnisbeseitigungsgesetzes vom 22.3.1991 eingeführte Vermögenszuordnungsgesetz (VZOG) kann in gewissem Umfang auch zum Investitionshemmnis werden. Während die §§ I ff. VZOG die Restitutionsansprüche der öffentlich-rechtlichen Körperschaften gemäß Art. 21, 22 EV regeln, eröffnet § 4 VZOG darüber hinaus die Möglichkeit eines entsprechenden Zuordnungsfeststellungsverfahrens für die Zuordnung von Grundstücken oder Gebäuden nach dem THG und dessen Durchführungsverodnungen8o . Die Zuordnung von Grundstücken auf Unternehmen der Treuhandanstalt gemäß VZOG bedeutet lediglich eine Neuordnung, bewirkt aber nicht, daß Restitutionsansprüche befriedigt werden. Restitutionsansprüche müssen aber einer derartigen Neuordnung nach dem THG oder dessen DurchführungsVO schon so Kiethe, in: RVI, Restitution, Rdn. 220.
C. Restitutionsansprüche von Kommunen
233
deshalb vorgehen, da § 24 THG ausdrücklich bestimmt, daß etwaige Anspruche auf Restitution oder Entschädigung wegen unrechtmäßiger Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs unberUhrt bleiben. Daher ergehen Vermögenszuordnungsbescheide gemäß § 4 VZOG grundsätzlich unter dem Vorbehalt etwa bestehender RestitutionsansprUche. Somit gibt es Restitutionsanspruche nicht nur nach dem VermG, sondern auch gemäß Art. 21 Abs. 3 oder 22 Abs. 2 S. 7 EV. Damit werden vor allem auch solche Fälle erfaßt, in denen ehemals fiskalische Grundstücke von öffentlichen Körperschaften in Volkseigentum überfUhrt und danach von Betrieben als Rechtsträger oder aufgrund von unbefristeten Nutzungsverträgen im Sinne von § 2 Abs. 2 der 5. DVO zum THG genutzt wurden. Diese Grundstücke sind gemäß § 11 Abs. 2 THG per 1.7.1990 Eigentum der umgewandelten Treuhandgesellschaften geworden, unterliegen aber einem schuldrechtlichen Restitutionsanspruch der berechtigten öffentlichen Körperschaft8 !. Insbesondere diese RestitutionsansprUche von Kommunen können deshalb dem Investor trotz der Vermögenszuordnung entgegenhalten werden. Das In VorG kann weder direkt noch analog angewandt werden, da dieses gemäß § 1 In VorG nur filr RestitutionsansprUche nach dem VermG gilt. Die VerfUgungsbefugnis der Treuhandanstalt wird auch durch einen etwa bestehenden Restitutionsanspruch einer· öffentlich-rechtlichen Körperschaft gemäß Art. 21, 22 EV nicht außer Kraft gesetzt. Hingegen kann der Restitutionsanspruch einer Kommune bewirken, daß ihr anstelle des Treuhandunternehmens das Eigentum an dem Vermögensgegenstand zugesprochen wird. Der Investor aber, der von dem Treuhandunternehmen ein gemäß § 4 VZOG zugeordnetes Grundstück erworben hat, hätte damit vom Nichteigentümer, also vom Nichtberechtigten erworben. Die Folgerung daraus ist, daß der Investor beim asset deal zwar gutgläubig erwerben kann; die Kommune wird aber aus eigenem Interesse den Investor unverzüglich informieren, wenn sie mit ihrem Restitutionsantrag gern. Art. 21, 22 EV durchgedrungen ist. Dadurch scheidet ein gutgläubiger Erwerb aus 82 • Dieses Dilemma konnte vor der Novellierung des VZOG durch das Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz nur dadurch gelöst werden, indem die Kommune ihren Antrag zurUcknahm, das Unternehmen und die Kommune sich gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 VZOG vor der Vermögenszuordnungsstelle einigten oder die Kommune ihre Zustimmung zu 83 dem Kaufvertrag gab .
81
Kiethe, in: RVI, Restitution, Rdn. 221.
82
Kiethe, in: RVI, Restitution, Rdn. 222.
83
Kiethe, in: RVI, Restitution, Rdn. 223.
234
5. Kap.: Konflikt zwischen Privatisierung und Alteigentümerschutz
11. Abwehr von öffentlichen Restitutionsansprüchen Die Probleme werden nunmehr weitgehend durch die Novellierung des VZOG gelöst (Reg VBG Art. 16), wonach ein gesondertes Verfahren bei Vorliegen von kommunalen Restitutionsansprüchen durchzufUhren ist. Dieses gilt nur filr schuldrechtliche Restitutionsansprüche im Sinne von Art. 21 Abs. 3 l. HS., 22 Abs. 1 S. 7 EV. In den übrigen Fällen ist das Eigentum unmittelbar von Gesetzes wegen am 3.10.1990 auf die begünstigte Körperschaft übergegangen84 • Die Abwehr öffentlicher Restitutionsansprüche richtet sich ab sofort nach den §§ II bis 16 VZOG. Rückübertragungsausschlüsse sind in § II Abs. 1 S. 3 Nr. 1 bis 5 geregelt. Die "erlaubten Maßnahmen" sind in § 12 geregelt. Es handelt sich um eine vereinfachte Version des Investitionsvorrangverfahrens. Folgende Bestimmungen sind hervorzuheben: - Der Vermögensgegenstand ist im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Rückübertragung der gewerblichen Nutzung zugefUhrt oder in eine Unternehmenseinheit einbezogen und kann nicht ohne erhebliche Beeinträchtigung des Unternehmens zurückübertragen werden (betriebsnotwendige Einrichtung, Grundstück oder Gebäude) (Nr.3). - Es wird bezüglich des Vermögensgegenstandes eine erlaubte Maßnahme durchgefilhrt (NrA). - Der Vermögensgegenstand wurde bereits rechtsgeschäftlich veräußert oder war Gegenstand eines Zuschlags in der Zwangsversteigerung (Nr.5). Schwierigkeiten bereiten hier wieder die Immobilien im Vermögen einer privatisierten Gesellschaft. Seinem Wortlaut nach greift § II Abs. 1 S. 3 Nr. 5 VZOG nur ein, wenn gerade der betroffene Vermögens gegenstand, also das Unternehmen als Ganzes, rechtsgeschäftlich veräußert wurde. Das ist beim share-deal nicht das einzelne Grundstück im Gesellschaftsvermögen. Gleichwohl ist dem novellierten VZOG zu entnehmen, daß nach der Privatisierung einer Kapitalgesellschaft auch einzelne Vermögensgestände nicht mehr dem öffentlichen Restitutionsanspruch unterliegen.
84 Eine privatisierte Kapitalgesellschaft, die im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, hat nur Scheineigentum.
6. Kapitel
Vertrags risiken des investiven Unternehmenskaufvertrages wegen des Schutzes der Alteigentümer - Der Schwebezustand des investiven Unternehmenskaufvertrages Die Verfllgungssperre des § 3 Abs. 3 VennG bedeutet einen tiefen Einschnitt in die Vertragsfreiheit, indem bei der Veräußerung restitutionsbehafteter Unternehmen zusätzliche Erfordernisse an die Wirksamkeit des Veräußerungsvertrages gestellt werden. Beim asset deal statuiert schon § 2 Abs. I GVO, daß der schuldrechtliche und dingliche Vertrag bis zur Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung schwebend unwirksam sind. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt nur dann vor, wenn der VerfUgungsberechtigte Rechtsgeschäfte vornimmt, die der Modernisierung, Instandhaltung, Erhaltung und Bewirtschaftung u.ä. des restitutionsbehafteten Vennögenswerts dienen, vgl. § 3 Abs. 3 VennG. Hiernach bestimmen sich die Rechte und Pflichten des Verfllgungsberechtigten nach den Regeln der Geschäftsftlhrung ohne Auftrag, vgl. § 3 Abs. 3 S. 6 VennG. Die Treuhandanstalt als VerfUgungsberechtigte über die Unternehmen ist verpflichtet, bei den Verkaufsverhandlungen den potentiellen Erwerber bei Bekanntwerden von Restitutionsansprüchen über die damit verbundenen Risiken aufzuklären. Sie hat sich vor einer VerfUgung bei den zuständigen Ämtern zur Regelung offener Vennögensfragen zu vergewissern, daß kein Restitutionsanspruch auf den Vennögenswert vorliegt. Falls sie vor der Beurkundung des Kaufvertrages nicht rechtzeitig Auskunft bei den überlasteten Vennögensämtern erhalten kann, so muß sie dieser Ungewißheit bei der Vertrags gestaltung ebenfalls ensprechend Rechnung tragen. Die Vorstellungen des Gesetzgebers und die Realität klaffen auch hier auseinander. Eigentlich war beabsichtigt, das Investitionsvorrangverfahren zur Beseitigung der Hemmnisse bei Investitionen in den neuen Bundesländern im Regelfall schon vor Abschluß des Kaufvertrages durchzufUhren oder doch wenigstens parallel dazu einzuleiten. In der Praxis wird das Verfahren aber nahzu immer erst nach Abschluß des Notarvertrages eingeleitet. Das hohe Tempo der Privatisierung, und damit verbunden der schnelle Abschluß der Verträge, steht in einem fast bizzaren Kontrast zu dem späten Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verträge. Die Hauptursache liegt sicher in der Flut der Anmeldung von vennögensrechtlichen
236
6. Kap.: Der Schwebezustand des Unternehmenskaufvertrages
Ansprüchen bei den Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen begrün-
dee. Die Vorlaufzeit bei den Anfragen ist entsprechend lang, auch wenn die Anfragen der Treuhandanstalt aufgrund ihrer hervorgehobenen AufgabensteIlung Priorität genießen. Nicht selten erfahren die zuständigen Stellen der Treuhandanstalt erst geraume Zeit nach dem Vertragsschluß, ob vermögensrechtliche Ansprüche auf das Unternehmen und/oder dessen Grundstücke vorliegen. Oft bereitet den Vermögensämtern auch die Zuordnung der Restitutionsansprüche auf die Flurbezeichnungen der Grundstücke bei dem mangelhaften Grundbuchwesen der ehemaligen DDR große Probleme2• Es kommt wiederholt vor, daß erst Jahre nach notarieller Beurkundung des Kaufvertrages vermögensrechtliche Ansprüche bekannt wurden und ein Investitionsvorrangverfahren eingeleitet werden muß. Zur Wahrung der Rechtsposition der Alteigentümer ist die Treuhandanstalt von Gesetzes wegen gehalten, eine atypische Vertragsgestaltung zu wählen. Sie hat bis zum Abschluß des Investitionsvorrangverfahrens zunächst ihrem Sicherungsbedürfuis und gleichzeitig den Interessen des Investors nach baldiger Übernahme der unternehmerischen Leitungsgewalt Rechnung zu tragen. Hierbei müssen die Risiken auf beide Parteien angemessen verteilt werden. Die Überbrückung des Interims, in dem die Balance zwischen den Interessen der Treuhandanstalt, Investoren und Altberechtigten zu wahren ist, erfolgt vertragstechnisch über die Gestaltung eines aufschiebend bedingten bzw. schwebend unwirksamen Vertrages. In den Veräußerungsvertrag wird regelmäßig ein Passus eingefügt, wonach der Vertrag erst wirksam wird, "wenn ein Investitionsvorrangbescheid zugunsten des Käufers ergeht oder sich die vermögensrechtlichen Ansprüche anderweitig erledigt haben ... ,,3. Beispielsweise liegt eine "anderweitige Erledigung" dann vor, wenn die Treuhandanstalt mit dem Berechtigten eine Zustimmungsvereinbarung zu dem Verkauf schließen kann. Dies genügt den Erfordernissen des § 1 Abs. 2 Ziff. 2 GVO, die Grundstücksverkehrsgenehmigung kann erteilt werden.
I Vgl. die Zahl von ca. 1.4 Mio gestellten Anträgen, von denen bis Anfang 1996 - die Erledigungsquote schwankt zwischen den einzelnen Bundesländern - etwa 40-65 % abgearbeitet waren.
2 Vgl. nur die unzureichende Vermessung und Vermarkung etc.; auch die Grundstücksteilung, Vermessung, katasteramtliche Umschreibung führen zu gewaltigen Zeitverzögerungen. 3 Denkbar ist auch, daß sich die Ansprüche auf "andere Weise" erledigen, d.h. sie sind unbegründet i.S.v. § lAbs. 8 VermG oder der Restitutionsberechtigte stimmt der Veräußerung zu. Offener Verweis auf § 1 Abs. 2 Ziff. 1-2,4-5 GVO.
A. Haftungsbegrenzung der THA bei schwebenden Verträgen
237
Es ist zwingend geboten, daß die Treuhandanstalt und Investor wahrend dieses Schwebezustandes die gebotene Zurückhaltung wahren und ihre Risiken zu beschränken suchen. Hierbei ist auch von besonderem Interesse, inwieweit die Treuhandanstalt ihre Gesellschafterstellung an den ihr anvertrauten Unternehmen in diesem Vertragsstadium schon auf die Investoren übertragen kann. Schließlich sind auch der Organvorbehalt der Treuhandanstalt im notariellen Kaufvertrag und das gelegentliche Auftreten eines vollmachtlosen Vertreters bei der Beurkundung der Privatisierungsverträge geeignet, den abgeschlossenen Vertrag in der Schwebe zu lassen. Hierdurch erwachsen grundsätzlich die gleichen Rechtsfolgen und Schwierigkeiten wie bei der vertraglichen Vereinbarung von aufschiebenden Bedingungen aufgrund der Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche. Der dadurch erzeugte Konflikt zeigt drastisch, mit welchen Unwägbarkeiten ein staatlicher Privatisierungs auftrag zu kämpfen hat, der mit der gleichzeitig wahrzunehmenden Verantwortung des Staates tur den effektiven Schutz der Alteigentümer kollidiert.
A. Vertragsklauseln der Treuhandanstalt als Mittel der Haftungsbegrenzung bei schwebend unwirksamen Verträgen Das Bestreben der Treuhandanstalt nach schneller Übergabe der unternehmerischen Leitungsgewalt an die Käufer ihrer Unternehmen stößt wegen der Unwägbarkeiten des Investitionsvorrangverfahrens auf Grenzen. Es ist notwendig, die Risiken der Parteien tur den Fall des Scheiterns des Investitionsvorrangverfahrens überschaubar zu gestalten. Die Treuhandanstalt muß den Handlungsspielraum des Investors vertraglich begrenzen und selbst Überwachungs- und Kontrollpflichten wahrnehmen. Aufgrund ihres umfassenden Privatisierungsauftrags kann die Treuhandanstalt diesen Risiken nur durch begegnen, indem sie ständardisierte Klauseln in den Kaufverträgen verwendet. Solche Klauseln kamen aber erst nach der Frühphase der Privatisierung - Ende 19901Anfang 1991 - zum Einsatz. Die dabei verwandte Vertragsklausel neueren Datums - gleichlautend fUr den shareund asset deal - schließt von ihrem Wortlaut zunächst die Verantwortung der Treuhandanstalt - insbesondere tur den Ersatz von Aufwendungen im Falle des Scheiterns des Investitionsvorrangverfahrens - regelmäßig aus: § .. Restitutionsansprüche ( ... ) Dem Verkäufer sind Anträge nach § 6 und § 3 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) auf Rückübertragung des Kaufgegenstandes (UnternehmenlBetrieblBetriebsteil) und/oder zum Kaufgegenstand gehörende Grundstücke nicht bekannt. Solche sind jedoch nicht auszu-
238
6. Kap.: Der Schwebezustand des Unternehmenskaufvertrages
schließen. Der Verkauf steht daher unter der aufschiebenden Bedingung, daß a) die Stelle rur Investitionsvorrangentscheidungen der Treuhandanstalt einen stattgebenden und vollziehbaren Investitionsvorrangbescheid erläßt oder b) die Präsidentin der Treuhandanstalt - Stelle rur Grundstücksverkehrsgenehmigungen - die Genehmigung nach der GVO erteilt und dies dem Notar schriftlich mitteilt.
( ... ) Liegt die Mitteilung nach Absatz 1 nicht innerhalb einer Frist von ... Monaten nach Vertragsschluß vor ... , sind Käufer und Verkäufer berechtigt, innerhalb eines weiteren Monats vom Vertrag zurückzutreten. Dem Käufer steht das Rücktrittsrecht nur zu, wenn er die Verzögerung des Verfahrens nicht zu vertreten hat. Weitergehende Rechte, insbesondere Schadensersatzansprüche - auch gegen die Treuhandanstalt - sind ausgeschlossen. (... ) Dem Käufer ist bekannt, daß er keinen Anspruch auf einen Investitionsvorrangbescheid hat. Der Käufer wird sich nicht auf § 162 BGB berufen ....
( ... ) Ungeachtet der in § ... vereinbarten aufschiebenden Bedingung gehen die Parteien davon aus, daß der BetrieblUnternehmen und der Besitz an dem verkauften Grundbesitz mit dem Übergabestichtag auf den Käufer übergeht. Der Käufer ist verpflichtet, die Geschäfte des infolge des Nichteintritts der Bedingung oder eines Rücktritts gemäß § ... Abs. ... oder der Geltendmachung des Rückübertragungsanspruchs gemäß § ... Abs .... zurückzuübertragenden Betrieb als treuhänderischer Geschäftsbesorger mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsfilhrers zu filhren und die übertragenen Vermögenswerte einschließlich des Grundbesitzes mit der gleichen Sorgfalt treuhänderisch zu verwalten. Die laufenden Erträge des Betriebs und die Nutzung des/der Grundstücke stehen während der treuhänderischen Geschäftsbesorgung dem Käufer zu. Anspruche des Käufers auf eine Erstattung von Aufwendungen und auf Schadensersatz sind ausgeschlossen .... Die Treuhandanstalt überläßt dem Käufer regelmäßig mit Abschluß des Kaufvertrages die Leitungsmacht über das Unternehmen. Bis zur Wirksamkeit des Vertrages können mitunter Jahre vergehen. Eine Kontrolle und Unterstützung der Investoren am Unternehmensstandort selbst erfolgt während der Schwebezeit vonseiten der Treuhandanstalt nicht in dem gebotenen Maß. Die Unternehmen liegen geographisch weit verstreut und der Schwerpunkt des
B. Wirksamkeit des Vertrages in Abhängigkeit von Bedingungen
239
Vertragsmanagements. der Treuhandanstalt ist vorrangig die Kooperation mit den zuständigen Ämtern, wie Grundbuchämter, Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen etc. sowie mit den Notaren, damit die Unternehmenskaufverträge überhaupt wirksam werden. Insbesondere die Fälligkeit des Kaufpreises ist in vielen Fällen an die Wirksamkeit des Vertrages bzw. beim asset deal an die Eintragung des Käufers als Eigentümer im Grundbuch gebunden.
B. Abhängigkeit der Wirksamkeit des Vertrages vom Eintritt einer Bedingung gemäß § 158 BGB Die Vertragsparteien stellen die Wirksamkeit des Vertrages bei Vorliegen vermögensrechtlicher Ansprüche unter die aufschiebende Bedingung des Eintritts eines künftigen ungewissen Ereignisses, und zwar den Erlaß eines Investitionsvorrangbescheids zugunsten des Käufers bzw. der Erteilung einer Grundstücksverkehrsgenehmigung. Die Vereinbarung einer Bedingung dient bei der planenden Gestaltung von Lebensverhältnissen durch Rechtsgeschäfte, in der Hauptsache Verträge, dazu, den Einfluß rur möglich gehaltener, aber nicht sicher eintretender zukünftiger Umstände auf einen geplanten Geschehensablauf zu reglementieren. Hierbei kann es durchaus darum gehen, die Rückabwicklung eines Geschäfts vorzubereiten, die sich beim Eintreten gewisser Ereignisse als notwendig erweis{ Die Stellung des Investors während des Schwebezustandes kann indes nicht als Anwartschaft eingestuft werden. Zwar kann die Treuhandanstalt nicht einseitig die Entstehung des Rechts des Käufers auf den Eintritt der Wirksamkeit des Vertrages verhindern, hingegen vermag dies der Alteigentümer durch die Vorlage eines zumindest gleichwertigen Investitionskonzepts vereitelns. Die Bedingung ist zu unterscheiden von den gesetzlichen Gültigkeitserfordernissen eines Rechtsgeschäfts, die in einer gegebenenfalls langwierigen Zeitphase zusammenkommen müssen, um die Rechtswirkung eintreten zu lassen. Nicht zu verwechseln sind die echten Bedingungen ebenfalls mit gesetzlichen Zustimmungsvorbehalten eines Dritten oder - häufiger - einer Behörde. Sie gehören zu den gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts und sind nicht Bedingungen, wohl aber möglicherweise ein rechtsgeschäftlieh begründeter Zustimmungsvorbehalt rur einen Dritten6 •
4
MünchKommlMayer-Maly, BGB, § 158 Rdn. 2.
S PalandtlHeinrichs, BGB, 54. Aufl., Einf. vor § 158 Rdn. 9; vgl. auch die Definition in BGHZ 49, 201; 83, 399; BGHNJW 1984,973. 6
MünchKomml Mayer-Maly, BGB, § 158 Rdn. 20.
240
6. Kap.: Der Schwebezustand des Unternehmenskaufvertrages
Die Rechtswirkungen eines aufschiebend bedingten Vertrages sind die folgenden: Das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft ist tatbestandlich vollendet und voll gültig, nur seine Rechtswirkungen sind bis zum Eintritt der Bedingung in der Schwebe7 • Für die Geschäftsfähigkeit, die Verfilgungsbefugnis, die Beurteilung der Sittenwidrigkeit und alle sonstigen Gültigkeitsvoraussetzungen kommt es auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, nicht auf den des Bedingungseintritts an. Bei der aufschiebend bedingten Verpflichtung entsteht also keine Forderung, bei der aufschiebend bedingten Verfilgung steht das Recht weiter dem Veräußerer zu. Tritt die Bedingung ein, so entsteht der Anspruch und das Recht geht über, ohne daß das Rechtsgeschäft noch einmal vorgenommen werden, insbesondere die Willenseinigung der Parteien noch Bestand haben müßte. Der Eintritt der Bedingung ist Eintritt des vorgesehenen Ereignisses8 • Er beendigt den Schwebezustand und läßt bei aufschiebender Bedingung ipso iure das Rechtsgeschäft wirksam werden. Der Eintritt der Bedingung hat aber keine rückwirkende Kraft9 • Eine Vereinbarung, die den Bedingungseintritt zurückdatiert, hat nur schuldrechtliche Wirkung. Die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung in den Verträgen der Treuhandanstalt betrifft gleichermaßen den Unternehmenskauf in der Form des share- und asset deals. Insbesondere ist die bedingte Abtretung eines Geschäftsanteils an einer GmbH zulässig; auch mit Rücksicht auf § 16 GmbHG treten Unsicherheiten bezüglich der Person des Gesellschafters nicht auflO • Maßgeblich filr die Unternehrnenskaufverträge der Treuhandanstalt ist nun aber, daß die Treuhandanstalt beim share deal formaljuristisch noch Gesellschafter des Unternehmens bis zum Eintritt der Bedingung(en) bleibt, obwohl auf den Investor regelmäßig schon die unternehrnerische Leitungsgewalt übertragen worden ist. Weiterhin hindert die aufschiebende Bedingung formal ebenfalls die Erfilllung der vertraglichen Verpflichtungen; dies könnte sich nachhaltig auf die Zahlungspflichten und die Verjährung der Ansprüche auswirken. I. Spannungsverhältnis zwischen aufschiebend bedingtem Vertrag und Erfüllung der schuldrechtlichen Verpflichtungen
Wenn die Erfilllung noch nicht geschuldet ist, kann eine vor Bedingungseintritt erbrachte Leistung nach § 812 Abs. 1, S. 1 1. Alt. BGB kondiziert werden. 7
Palandt/Heinrichs, BGB, Einf. vor § 158 Rdn. 8.
8
Palandt/Heinrichs, BGB, § 158 Anm. Ib.
9
BGHZ 10, 72.
10
MünchKommiMayer-Maly, BGB, § 158 Rdn. 39.
B. Wirksamkeit des Vertrages in Abhängigkeit von Bedingungen
241
Die Treuhandanstalt kann vor Wirksamkeit des Vertrages die Erfiillung des Vertrages, und damit insbesondere die Zahlung des Kaufpreises nicht verlangen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn die Treuhandanstalt beim share deal nur den dinglichen Übergang der Geschäftsanteile auf den Investor aufgrund der Anmeldung von Restitutionsansprüchen auf das Unternehmen unter eine aufschiebende Bedingung stellt. Nur in dieser Konstellation kann sie schuldrechtlich die Zahlung des Kaufpreises vor dem dinglichen Übergang der shares verlangen. Liegen hingegen beim asset deal Restitutionsansprüche vor, so ist schon aufgrund § 1 Abs. 2 GVO der gesamte Vertrag schwebend unwirksam. Dennoch kommt es in vielen Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt vor, daß die Parteien die Zahlung des Kaufpreises vor dem Einritt der Bedingung bzw. dem Eintritt der Wirksmamkeit vereinbaren. Es ist der Vertrag daraufhin auszulegen, ob die Parteien nicht abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen die Fälligkeit des Kaufpreises unabhängig von dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung regeln wollten. Nachdem Käufer von Treuhandunternehmen mehrfach unter Hinweis auf die schwebende Unwirksamkeit des Vertrages die Zahlung des Kaufpreises verweigert hatten, ging die Treuhandanstalt dazu über, im Vertrag einen klarstellenden Passus aufzunehmen, wonach der Käufer "ungeachtet der übrigen aufschiebenden Bedingungen des Vertrages" den Kaufpreis zu zahlen hat. Damit ist aber nicht entschieden, wie die Verträge ohne Beinhaltung eines solchen Zusatzes zu entscheiden sind. Des weiteren ist zu überprüfen, ob die §§ 158 ff. BGB LV.m. den Vorschriften des VermG und InVorG, die die alsbaldige Wirksamkeit des Privatisierungsvertrages vom Fehlen eines Restitutionsanspruchs abhängig machen, zwingendes Recht ("ius cogens") sind. Demzufolge wäre eine abweichende Vereinbarung der Parteien im Ergebnis unwirksam. Es gibt aus der Rechtsprechung nur einen Fall, in dem die vorgenannte Problematik ansatzweise erörtert wurde ll. Der Leitsatz dieses Urteils lautete, daß die Parteien eines der Genehmigungspflicht nach § 2 GrdstVG unterliegenden Vertrages wirksam vereinbaren können, daß schon vor der Erteilung der Genehmigung der Kaufpreis beim Notar zu hinterlegen ist. Der BGH fiihrte in der Urteilsbegründung aus, daß es zwar zunächst richtig ist, daß aufgrund eines schwebend unwirksamen Vertrages während des Schwebezustandes die Leistung nicht gefordert werden und der Schuldner dementsprechend auch nicht in Verzug geraten kann l2 . Die Genehmigungspflichtigkeit eines Kaufvertrages und der mit ihr verbundene Schwebezustand bis zur Erteilung oder Versagung der Genehmigung würden es jedoch nicht ausschließen, daß die VertragspartII BGH DNotZ 1979, 306; im Schrifttum war dies soweit ersichtlich nie Gegenstand einer wissenschaftlichen Kontroverse.
12
16 HeB
Hinweis des BGH aufBGH NJW 1976, 104/105 und RGZ 98,244,246.
242
6. Kap.: Der Schwebezustand des Untemehmenskaufvertrages
ner mit Rücksicht auf die schwebende Unwirksamkeit wirksame Vereinbarungen treffen, insbesondere Leistungspflichten für die Dauer oder innerhalb des Schwebezustandes festlegen. § 2 GrdstVG, der die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks und den schuldrechtlichen Vertrag hierüber der Genehmigungspflicht unterstellt, soll der Wirksamkeit von Vereinbarungen, die den Schwebezustand betreffen, jedenfalls dann nicht entgegenstehen, wenn durch die Absprache die endgültige Erfüllung der Pflicht zur Grundstücksübertragung und zur Zahlung des Kaufpreises nicht vorweggenommen werden l3 • Vom Sinn und Zweck des GrdstVG, Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zu ermöglichen, ist es ohne Bedeutung, ob eine Vertragspartei z.B. den vereinbarten Kaufpreis während des Schwebezustandes bis zur Erteilung oder Verweigerung der Bodenverkehrsgenehmigung zu hinterlegen oder zu verzinsen hat. Diskussionswürdig ist, ob dieser Fall verallgemeinerungsfiihig auf die besondere Situation in den neuen Bundesländern, und damit auf die Kaufverträge der Treuhandanstalt ist. Die Verträge sind aufschiebend bedingt, und sehen den Eintritt der Wirksamkeit des Vertrages erst dann vor, wenn bei Vorliegen vermögensrechtlicher Ansprüche ein Investitionsvorrangbescheid ergeht, der Anmelder seine Zustimmung erteilt oder im Falle des Nichtvorliegens vermögensrechtlicher Ansprüche eine Grundstücksverkehrsgenehmigung nach der GVO erteilt wird. Im Ergebnis ist zu konstatieren, daß die Treuhandanstalt die Zahlung des Kaufpreises mangels Wirksamkeit des Vertrages nicht verlangen kann. Der vom BGH entschiedene Fall der noch ausstehenden Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz ist aus mehreren Gründen nicht auf die vertragliche Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung übertragbar. So ist zum einen klarzustellen, daß nur die Hinterlegung im Sinne der §§ 372 ff. BGB als Erfüllungssurrogat gilt. In allen anderen Fällen dient die Hinterlegung Sicherungszwecken. Auf diese Fallgruppen sind die §§ 372 ff. BGB weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar 14 • Es gelten die §§ 232 ff. BGB und für die Hinterlegung aus prozessualen Gründen die 108 ff. ZPO. Auch die Hinterlegung bei einem Notar, vgl. § 23 BNotO ist keine Hinterlegung i.S.d. §§ 372 ff. BGB, § 378 BGB ist unanwendbar. Eine Zahlung an den Notar ist auch keine Erfüllung gemäß § 362 Abs. 2 BGB, die Schuld wird im Zweifel erst mit Auszahlung an den Gläubiger getilge s. Die Parteien können zwar auf Grund 13
BGH DNotZ 1979,306,307.
14
PalandtlHeinrichs, BGB, Einf. vor § 372 Rdn. 2 und 3.
15
BGHZ 87, 162; 105,64; OLG Köln, DNotZ 89, 261.
B. Wirksamkeit des Vertrages in Abhängigkeit von Bedingungen
243
der Vertragsfreiheit vereinbaren, daß die Hinterlegung beim Notar oder die Einzahlung auf einem Konto die gleiche Wirkung wie die Hinterlegung gemäß §§ 372 ff. BGB haben soll, doch bedarf es dann einer klarstellenden vertraglichen Fixierung, die gerade in den Kaufverträgen der Treuhandanstalt fehle 6 • Andererseits vermag auch der Klauselzusatz "ungeachtet der aufschiebenden Bedingung ... " nicht zu einem abweichenden Ergebnis filhren. Der Käufer darf die Erfilllung verweigern, denn die verwendete Klausel verstößt gegen ein gesetzliches Verbot (134 BGB). § 158 BGB ist zwingendes Recht. Dies wird durch die Regelung des § 159 BGB bestätigt (argumentum). Nach § 159 BGB können die Parteien zwar vereinbaren, daß mit dem Eintritt der Bedingung der Kaufpreis rückwirkend zu einem bestimmten Zeitpunkt fiUlig gewesen sein soll im Sinne einer schuldrechtlichen Rückwirkung, aber auch nicht mehr. § 159 BGB entscheidet die filr das frühere Recht noch sehr umstrittene Frage der Rückwirkung eindeutig im Sinne einer allenfalls obligatorischen, von einem besonderen Parteiwillen abhängigen Rückwirkung des Bedingungseintritts. Die Vereinbarung der Klausel "ungeachtet der aufschiebenden Bedingung" stellt daher eine unzulässige Umgehung der Verbotsvorschrift des § 158 BGB dar. Im Ergebnis können Treuhandanstalt und Investor wechselseitige Erfilllung des Kaufvertrages im Sinne des § 433 BGB bis zum Bedingungseintritt nicht verlangen. Rechtsdogmatisch zu erörtern ist auch die Erfilllungshandlung der Treuhandanstalt, wenn sie vielfach mit dem Tag der Beurkundung oder einem kurz darauf folgenden Stichtag gemäß der üblichen Regelung im Kaufvertrag "die Sache an den Käufer übergibt und damit Nutzen, Lasten und Gefahr auf den Käufer übergehen ... " Da die Leistung nicht geschuldet ist, ist zweifelhaft, ob durch einverständliche vorzeitige Erbringung,etwa Übergabe der Kaufsache, bereits die Preisgefahr übergehen kann 17. Tritt die Bedingung ein, so ist auch die Gefahr mit der Folge des § 446 BGB übergegangen 18 • Das bedeutet bei der aufschiebenden Bedingung somit eine Vorverlegung des Gefahrübergangs fi1r eine vor Bedingungseintritt erbrachte Leistung l9 • Im Ergebnis kann somit auch die Preisgefahr gemäß § 446 BGB bei Eintritt der Bedingung rückwirkend übergegangen sein. Es ist somit möglich, die Pflichten und die Werte der Leistungen rückwirkend zu datieren, um die Äquivalenz zwischen Leistung
16
BGHZ 82, 206; NJW 1986, 1038.
17
MünchKommiMayer-Maly, BGB, § 158 Rdn. 40.
18 BGH NJW 1975, 776; Brox, JuS 1975, 1,3 f., Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, 3. Aufl. 1979, § 40, 2 c. 19 MünchKommiMayer-Ma/y, BGB, § 159 Rdn. 3 und Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 6. Aufl. 1994, Rdn. 839.
16*
244
6. Kap.: Der Schwebezustand des Untemehmenskaufvertrages
und Gegenleistung zu erreichen. Die schuldrechtliche Rückwirkung auf einen bestimmten Zeitpunkt, der der Vertragsschluß sein kann, bedeutet, daß die Parteien einander Leistungen nach Maßgabe der Rechte zu gewähren haben, die ihnen bei aufschiebender Bedingung mit dem Bedingungseintritt gebühren. Da Nutzungen und Lasten nach dem regelmäßig anzunehmenden Parteiwillen gleichzeitig übergehen, gilt eine vereinbarte Rückwirkung bezüglich der Gefahrtragung im allgemeinen auch rur die Regelung der Herausgabe von Sach- und Rechtsfrüchten20 • Maßgebliche Bedeutung kommt letzterem in den Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt zu, da § 452 BGB statuiert, daß auch ohne vertragliche Vereinbarung eine Verzinsung des Kaufpreises ab dem Zeitpunkt stattfmdet, ab dem dem Käufer die Nutzungen gebühren. Die Nutzungen gebühren dem Investor aber mit der Übergabe gemäß § 446 Abs.l BGB. Der spätere Eintritt der Wirksamkeit des Vertrages hindert somit die rückwirkende Verzinsung des Kaufpreises nicht. Allerdings muß der Kaufpreis fällig sein. Ist er gestundet, so kommt eine Verzinsung nicht in Betrache l .
11. Ablauf der Verjährung beim aufschiebend bedingten Vertrag Die Treuhandanstalt besteht in den Vertragsverhandlungen über den Verkauf ihrer Unternehmen zumeist auf einer kurzen Verjährungsfrist rur Gewährleistungsansprüche. Sie vereinbart hierrur regelmäßig eine Verjährungsfrist von 6 Monaten. Klauselbeispiel: § ...
( ... ) In jedem Fall verjähren Ansprüche der Käuferin auf Gewährleistung und Schadensersatz in 6 Monaten nach dem Übergabestichtag. " Eine solche Vereinbarung knüpft an die Verjährungsfrist des § 477 BGB an, da nach herrschender Meinung das Sachmängelgewährleistungsrecht auf den Kauf eines Unternehmens analog angewandt werden kann, und zwar auch dann, wenn Grundstücke mitverkauft sind22 • Da die Unternehmenskaufverträge aber vielfach aufgrund der Anmeldung. vermögensrechtlicher Ansprüche aufschiebend bedingt sind, kann die Verjährung bei aufschiebend bedingten
20
MünchKomm/Mayer-Maly, BGB, § 159, Rdn. 4.
21 H.M., vgl. PalandtlPutzo, § 452 Rdn. 3; LG Heidelberg, NJW 1994, 1223 m.w.N; LG Schleswig WM 1995, 1186; Dänekamp, NJW 1994, 2271; a.A. LG Oldenburg DNotZ 1988,369; OLG Hamm, NJW-RR 1989,333; Semler, NJW 1995, 1727.
22
PalandtlPutzo, BGB, § 477 Rdn. 2.
B. Wirksamkeit des Vertrages in Abhängigkeit von Bedingungen
245
Ansprüchen frühestens ab dem Eintritt der Bedingung zu laufen beginnen23 • Auch bei Ansprüchen aus einem genehmigungsbedürftigem Rechtsgeschäft setzt der Fristbeginn der Verjährung erst ab Erteilung der Genehmigung ein, d.h. der Genehmigung kommt insoweit keine rückwirkende Kraft ZU24. Die Konsequenz daraus ist, daß der Käufer eines Treuhandunternehmens aufgrund der Erschwernisse des Vermögensrechts in den neuen Bundesländern oft noch lange nach Vertragsschluß Gewährleistungsansprüche geltend machen kann, da die Verjährung erst ab Wirksamkeit des Vertrages zu laufen beginnt. Das Haftungsrisiko der Treuhandanstalt und/oder des Treuhandunternehmens kann deshalb in vielen Fällen zeitlich beträchtlich verlängert werden. Es besteht somit ein echtes Spannungsverhältnis zwischen den Regelungen der §§ 159 und 198 BGB. Die Rückwirkung eines Rechtsgeschäfts bedeutet zunächst allgemein eine Festlegung, nach welchen Regeln ein in der Vergangenheit liegender Sachverhalt beurteilt werden soll. Die schuldrechtliche Rückwirkung auf einen bestimmten Zeitpunkt, der der Vertrags schluß sein kann - nicht muß - , bedeutet, daß die Parteien einander Leistungen nach Maßgabe der Rechte zu gewähren haben, die ihnen bei aufschiebender Bedingung mit dem Bedingungseintritt gebühren25 • Dagegen ist es nicht möglich, den Beginn der Verjährung rückwirkend zu datieren. Schon die Entstehungsgeschichte des BGB liefert dazu die dogmatische Begründung. Die Schöpfer des Gesetzes hatten bei der Beratung des Entwurfs auf die Fälligkeit für den Beginn der Verjährung rekurriert26 • Diesen Fälligkeitsbegriff ersetzte die Kommission für die 2. Lesung des BGB nur durch "Entstehen des Anspruchs", um Definitionsschwierigkeiten zu vermeiden. Sachlich geändert hat sich dadurch nichts, so daß für den Beginn der Verjährung in aller Regel auf die Fälligkeit abzustellen ist, insbesondere dann, wenn Entstehung des Anspruchs und Fälligkeit auseinanderfallen. Da ein Anspruch erst verjähren kann, wenn es möglich ist, ihn geltend zu machen, kann eine Genehmigung entgegen § 184 Abs. I BGB einen Anspruch nicht mit der Folge rückwirkend zur Entstehung bringen, daß auch die Verjährung bereits zu dem früheren Zeitpunkt in Lauf gesetzt worden ist. Ein zunächst aufschiebend bedingter Anspruch entsteht erst mit Eintritt der Bedingung, erst von da ab beginnt die
23
BGRZ 47,391; BGR NJW 1987,2745.
24
RGZ 65, 248.
25
MünchKommiMayer-Maly, BGB, § 159 Rdn. 3.
26
MünchKommivon Feldmann, BGB, 3. Aufl. 1993, § 198 Rdn. 1 u. 2.
246
6. Kap.: Der Schwebezustand des Unternehmenskaufvertrages
Verjährungsfrist zu laufen 27 . Aus diesem Grunde wurde die Bestimmung des EI § 158 Abs. 2, die dies ausdrücklich ausspricht, als überflüssig gestrichen28 • § 198 BGB in Verbindung mit § 158 BGB ist zwingendes Recht. Eine schuldrechtliche Rückdatierung der Verjährung bedeutet einen Verstoß gegen den klaren Wortlaut des § 158 BGB und ist daher unwirksam.
III. Treuepflichten der Parteien beim aufschiebend bedingten Vertrag Die Treuhandanstalt hält selbst treuhänderisch die Geschäftsanteile an den ihr von Gesetzes wegen anvertrauten Unternehmen. Sind die Privatisierungsverträge aufgrund der angemeldeten Restitutionsansprüche noch schwebend unwirksam, so kann sie ihre treuhänderische Stellung nicht einfach aufgeben und den Investoren das Vollrecht an den Unternehmen übertragen. Sie kann nur versuchen, ihrerseits das Treuhandmandat an den Investor weiterzugeben. Geklärt werden soll, in welcher Form und bis zu welcher Grenze die Treuhandanstalt die Steuerung des Unternehmens im Einklang mit dem gesetzlichen Auftrag einer zügigen Privatisierung aus der Hand geben kann. Gleichzeitig verbleiben bei der Treuhandanstalt aufgrund ihrer Funktion als Träger von Gemeinwohlinteressen in jedem Fall Überwachungspflichten im Hinblick auf die Sicherung der Arbeitsplätze. Ein aufschiebend bedingter Vertrag begründet eine gegenseitige Treuepfliche9 • Den Parteien obliegt schon auf Grund des bedingten Abschlusses die Treuepflicht, dafür zu sorgen, daß während des Schwebezustandes den Belangen des anderen Teils Rechnung getragen wird. Im Falle einer Schädigung in diesem Zustand kommen ergänzend zu den §§ 160, 162 BGB Ansprüche wegen culpa in contrahendo in Betracheo. Das Rechtsverhältnis zwischen der Treuhandanstalt und dem Investor während der Schwebezeit des noch nicht wirksamen Vertrages ist daraufhin zu überprüfen, wie weit das Treueverhältnis des Käufers kraft Übernahme der unternehmerischen Leitungsgewalt reicht. Die Treuhandanstalt hatte in der Frühphase der Privatisierung noch keine ausdrückliche Regelungen hierzu im Vertrag getroffen, in der Folgezeit aber dieses Rechtsverhältnis für den Zeitraum der schwebenden Unwirksamkeit vielfach als Treuhandvertrag klassifiziert; es fand der Typus des treuhänderi-
27
RG HRR 1931, 1124.
28
Prot. I, 210.
29
BGH NJW 1990, 508.
30
BGH BB 1967, 81l.
B. Wirksamkeit des Vertrages in Abhängigkeit von Bedingungen
247
schen Geschäftsbesorgers, der beim share-deal als treuhänderische Ausübung der Gesellschafterrechte formuliert ist, Eingang in die Vertragsmuster. Damit werden die Befugnisse des fortan das Unternehmen filhrenden Investors bis zum Bedingungseintritt abgegrenzt. 1. Vereinbarung von Treuhandverhiltnissen bis zum Eintritt der Wirksamkeit des Privatisierungsvertrages
Einen gesetzlich defmierten oder auch nur allgemein anerkannten Rechtsbegriff der Treuhand gibt es niche l . Der oft gebrauchte Begriff des Treuhänders ist rechtlich farblos; es handelt sich bei den so gekennzeichneten Rechtsbeziehungen in der Regel um Auftrag (§ 662 BGB) oder Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB)32. Das Treuhandverhältnis setzt sich aus zwei rechtlich selbständigen Bestandteilen zusammen: Der schuldrechtlichen Treuhandabrede in der Form eines Geschäftsbesorgungsvertrags, Auftrags oder auch nur Sicherungsvertrags, und die Übertragung von Rechten (des Treuguts ) oder der Einräumung einer Rechtsrnacht (Verftlgungsmacht, Vollmacht), die es dem Treuhänder rechtlich ermöglicht, die ihm im Treuhandvertrag übertragenen Pflichten zu erftlllen33 • Die Hauptpflichten des entgeltlich tätig werdenden Geschäftsbesorgers richten sich nach Dienst- oder Werkvertragsrecht. § 675 BGB bringt durch die Verweisung auf das Auftragsrecht zum Ausdruck, daß der Geschäftsbesorger die dort typischen Pflichten zu sorgfältiger und sachkundiger Wahrnehmung des fremden Geschäfts sowie zur Loyalität zu erfilllen hat, soweit sich diese Pflichten nicht schon aus Dienst- und Werkvertragsrecht ergeben34 • Die rechtliche Beurteilung von Treuhandverhältnissen ist abhängig von ihrer rechtlichen Struktur. Eine genauere Klassifizierung hat immer einzelfallbezogen zu erfolgen. Ein Streit über die enge, nur fiduziarische Treuhand, oder weite Fassung des Treuhandbegriffs, d.h. unter Einschluß der Ermächtigungs- und Vollmachtstreuhand, ist müßig. Formale Lösungen bei der Abgrenzung gibt es nicht. Ansatzpunkte für eine Differenzierung sind insbesondere der Umfang des Treuguts und die Außenwirkung von schuldrechtlichen Bindungen im Innenverhältnis35 •
31
MünchKommiSchramm, BGB, vor § 164 Rdn. 27.
32 MünchKommiSeiler, BGB, § 678 Rdn. 44; Eden, Treuhandschaft an Unternehmen und Untemehmansanteilen, 1989, S. 39. 33
MünchKommiSchramm, BGB, vor § 164 Rdn. 31.
34
MünchKommiSeiler, BGB, § 678 Rdn. 3.
3S
MünchKommiSchramm, BGB, vor § 164 Rdn. 30.
248
6. Kap.: Der Schwebezustand des Unternehmenskaufvertrages
Das Recht der Treuhandverhältnisse ist wissenschaftlich kaum erforscht, in der Praxis existiert ein facettenreiches System sehr unterschiedlicher Formen von Treuhandverhältnissen. Der Grundkonsens aller Treuhandverhältnisse ist der, daß der sogenannte Treugeber dem Treuhänder Rechte überträgt oder Rechtsmacht einräumt, von denen dieser nur nach näherer Maßgabe eines schuldrechtlichen Treuhandvertrages Gebrauch machen darf. Für Treuhandverhältnisse charakteristisch ist eine über die schuldrechtlichen Bindungen im Innenverhältnis hinausgehende Rechtsmacht des Treuhänders über das Treugut im Außenverhältnis.
2. Formen treuhänderischer Verwaltung und deren Anwendbarkeit auf die Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt
Die Stellung der Treuhandanstalt ex lege als treuhänderischer Gesellschafter der ehemals volkseigenen Betriebe und die Erschwernisse bei der Privatisierung aufgrund der Restitutionsansprüche bedingen die Vereinbarung von Treuhandabreden in den Unternehmenskaufverträgen. Nach notariellem Abschluß des Vertrages besteht ein Schwebezustand, der durch das zeitliche Auseinanderfallen zwischen dem schuldrechtlichen als auch dinglichem Vollzug des Privatisierungsvertrages erzeugt wird. Eine von der Treuhandanstalt hierfür gewählte Vertragsklausellautet für den share deal beispielhaft wie folgt: "... ungeachtet der vereinbarten aufschiebenden Bedingung gehen die Vertragsparteien davon aus, daß der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises im Innenverhältnis bereits als Gesellschafter behandelt wird. Für den Fall, daß die Bedingung nicht eintritt, oder daß es zum Rücktritt von diesem Vertrag kommt, vereinbaren die Vertragsparteien hiermit, daß der Käufer die Geschäftsanteile bis dahin als treuhänderischer Geschäftsbesorger für die Verkäuferin hält. Für diesen Fall verpflichtet sich der Käufer, die Gesellschafterrechte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers auszuüben. Gewinnbezugsrechte während der treuhänderischen Geschäftsbesorgung stehen dem Käufer zu. Ansprüche des Käufers auf eine Erstattung von Aufwendungen oder auf Schadensersatz sind ausgeschlossen. 11
Es fragt sich, inwieweit die allgemein anerkannten Typen von Treuhandverhältnissen auf die gegenwärtig einmalige historische Situation der Massenprivatisierung angewandt werden können, und welcher rechtliche Rahmen die Ausnahmesituation in den neuen Bundesländern auszufüllen vermag, wenn die überkommenen Treuhandverhältnisse die besonderen Schwierigkeiten nicht zu lösen vermögen 36 • Mangels spezialgesetzlicher Regelungen gibt es keinen
B. Wirksamkeit des Vertrages in Abhängigkeit von Bedingungen
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einheitlichen Treuhandbegriff. Herkömmlicherweise wird zwischen der sogenannten Verwaltungstreuhand und der Sicherungstreuhand unterschieden 37 • Die Sicherungstreuhand ist eigennützig, sie wird im Interesse des Treuhänders begründees. Bei der Verwaltungstreuhand gehört der treuhänderisch übertragene Gegenstand rechtlich ebenfalls zum Vermögen des Treuhänders, wirtschaftlich aber zum Vermögen des Treugebers. Die Verwaltungstreuhand ist uneigennützig, der Treuhänder hat kein eigenes Interesse an dem von ihm verwalteten Treugue 9 • Zu unterscheiden ist zwischen der römisch rechtlichen fiduziarischen Treuhand, bei welcher das Treugut dem Treuhänder dinglich voll zu eigenem Recht übertragen wird (§§ 398, 929, 873 BGB), und der deutsch-rechtlichen Ermächtigungstreuhand, bei welcher der Treuhänder ermächtigt wird, das dinglich fremd bleibende Treugut in eigenem Namen zu verwalten (§ 185 Abs. 1 BGB), der Treugeber aber als Rechtsinhaber genauso über das Treugut verfügen kann wie der Treuhänder40 • a) Verwaltungstreuhand
Bei der Verwaltungstreuhand werden bestimmte Gegenstände aus dem Vermögen des Treugebers ausgeschieden und als Treugut dem Treuhänder übertragen und dessen Verwaltung unter Bindung an den vereinbarten Zweck
36 Vgl. zu weiterführenden Untersuchungen z.B. Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts (im folgenden: Treuhand), 1973; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen (im folgenden: Unterbeteiligung), Habil. 1981, hierin insbesondere die Ausführungen zur Verwaltungstreuhand von Gesellschaftsanteilen und zu den Fallgruppen von Unterbeteiligungen sowie auch die spezielle Form einer Verwaltungstreuhand; Ebermann, Frank, die Verwaltungstreuhand an GmbH-Anteilen, 1970 und Eden, Siegfried, Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, 1989.
37
MünchKommiSchramm, BGB, vor § 164 Rdn. 28.
38
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 1991, S. 1532 f.
39
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1533.
40 Beuthin, ZGR 1974,26,29; grundlegend zu den Terminologien fiduziarische Vollrechtstreuhand, Ermächtigungstreuhand und Vollmachtstreuhand vgl. Siebert, Das rechtsgeschäftliehe Treuhandverhältnis, 1933, S. 146 ff und 294 ff.; Coing, Treuhand, S. 90, 94 ff. und K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1991, S. 1533 f.
250
6. Kap.: Der Schwebezustand des Unternehmenskaufvertrages
unterstellt41 • Die Verwaltungstreuhand dient nicht Interessen des Treuhänders, sondern anderen Zwecken und Personen (fremdnützige/fiduziarische Treuhand). Ein illustratives Beispiel ist die Treuhand an Gesellschaftsanteilen, die regelmäßig wie folgt ausgestaltet ist42 : Die Treuhandposition entsteht durch Beteiligung des Treuhänders an der Gründung oder durch den späteren Erwerb eines Geschäftsanteils durch ihn für einen Dritten, den Treugeber43 • Der Treuhänder allein ist Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten; die Position des Treugebers beschränkt sich allein auf seine schuldrechtlichen Rechte und Pflichten aus Vertrag oder Gesetz (§§ 667, 670 BGB) gegenüber dem Treuhänder. Dieser ist, soweit nichts anderes vereinbart ist, verpflichtet, die Weisungen des Treugebers zu beachten; jedoch nur in den Grenzen seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht44 • Der BGH erachtete es als unbedenklich, daß dem Treuhänder bei der offenen Treuhand unmittelbare Kontroll- und Anweisungsrechte gegenüber der Gesellschaft gewährt werden oder im Innenverhältnis die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten sogar so gestaltet werden, als ob der Treugeber Gesellschafter wäre4S • Der im Treuhandvertrag vereinbarte Zweck wird am besten erreicht durch eine Vollrechtsübertragung (Übereignung, Abtretung) vom Treugeber auf den Treuhänder, sogenannte fiduziarische Treuhand46 • Die fiduziarische Treuhand unter Übertragung des Vollrechts auf den Treuhänder hat dadurch keinen Bezug mehr zur Stellvertretung. Das Treugut ist dem Treuhänder als Rechtsinhaber zugeordnet. Seine Befugnisse ergeben sich unmittelbar aus den einzelnen 41 Zu den möglichen Entstehungsarten bei Kapitalgesellschaften vgl. umfassend Beuthin, ZGR 1974,26,75: Dies kann dadurch begründet werden, daß ein Gesellschafter eine schuldrechtliche Treuhandbindung gegenüber einem Treugeber (Fall I) oder seinem Gesellschaftsanteil auf einen Treuhänder überträgt (Fall 2) oder daß ein Nichtgesellschafter einen Gesellschaftsanteil im Auftrag eines Treugebers erwirbt (Fall 3). Thomas, NJW 1968, 1705 ff. 42
MünchKommlUlmer, BGB, vor § 705 Rdn. 62 f.
43
BGHZ 21,378.
44 Lutter-Hommelhoff, GmbH-Gesetz, § 2 Rdn. 8; Blaurock, Unterbeteiligung, S. 181.
45 MünchKommlUlmer, BGB, § 705 Rdn. 78; BGHZ 10,44,50; Reuter, ZGR 1978, 633,642; BGH WM 1976, 1247, 1249 f. zur Stimmrechtsabspaltung bei treuhänderisch gehaltenen GmbH-Anteilen. Zwei meist rur den gegenteiligen Standpunkt zitierte Urteile des BGH, in denen der Grundsatz der Sicherung der Gesellschafterrechte des Treuhänders und die Unzulässigkeit ihrer Aushöhlung betont wurde, betrafen jeweils Fälle der verdeckten Treuhand, vgl. BGHZ 3, 354, 360 = NJW 1952, 178; BGHZ 32, 17, 29 = NJW 1960, 866). 46
MünchKommlSchramm, BGB, vor § 164 Rdn. 29.
B. Wirksamkeit des Vertrages in Abhängigkeit von Bedingungen
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ihm übertragenen, subjektiven Rechten. Rechtsgeschäfte über das Treugut schließt er deshalb rur sich ab, sie können und sollen rechtlich keine Fremdwirkung entfalten. Daran ändert auch die Bindung durch den Treuhandvertrag nichts 47 • Die fiduziarische Vollrechtstreuhand hat ein dingliches und ein obligatorisches Element. Das dingliche Element bestimmt die Rechtszuordnung; der Treuhänder muß Gesellschafter sein. Das schuldrechtliche Element bestimmt die interne Bindung des Treuhänders. Es handelt sich meist um ein entgeltliches Auftragsverhältnis LS.d. § 675 BGB, das den §§ 662 ff. BGB unterliegt48 . Das dingliche Rechtsverhältnis kann auf unterschiedliche Weise zustande kommen, nämlich - als sogenannte Übertragungstreuhand, wenn der Treugeber seine Beteiligung treuhänderisch auf den Treuhänder überträgt; - als sogenannte Vereinbarungstreuhand, wenn ein Gesellschafter mit einem Dritten vereinbart, er werde seine Beteiligung künftig als Treuhänder filr diesen Dritten halten; - als "Erwerbstreuhand", wenn der Treuhänder die Beteiligung filr Rechnung und im Auftrag eines Treugebers von einem Dritten erwirbt49 • Bei der treuhänderischen Unternehmensbeteiligung muß - ähnlich wie beim Nießbrauch - rechtlich klar zwischen der Treuhand am Unternehmen und der Treuhand an Beteiligungen unterschieden werden. Bei der Treuhand am Unternehmen ist der Treuhänder Träger des Unternehmens, nach Maßgabe der §§ 1 ff. HGB also Kaufmann, bei der Treuhand am Anteil ist er Gesellschafterso • Speziell im Fall der fiduziarischen Treuhand bei unbedingter Vollrechtsübertragung an Gesellschaftsanteilen gilt: Der Treuhänder wird hier zu vollem Recht Gesellschafter, nur er allein ist der Gesellschaft gegenüber der Träger der gesellschaftlichen Rechte und Pflichten. 1m Handelsregister wird allein der Treuhänder eingetragen, und zwar ohne Treuhandzusatz, da die Treuhänderstellung keine eintragungsfähige Tatsache ist. Eine unmittelbare Haftung des
47
MünchKomm/Schramm, BGB, vor § 164 Rdn. 34.
48
Coing, Treuhand, S. 91 ff.
49
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1534.
so K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1531.
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6. Kap.: Der Schwebezustand des Unternehmenskaufvertrages
Treugebers gegenüber den Gesellschaftsgläubigem besteht nicht, da der Treugeber nicht Gesellschafter ist51 • Ein solches Treuhandverhältnis durch unbedingte Vollrechtsübertragung in der Form der sogenannten Verwaltungstreuhand besteht zwischen der Treuhandanstalt und dem Investor bei der aufschiebend bedingten Übertragung der shares bzw. einzelner assets des Treuhandunternehmens eigentlich nicht. Wegen des Vorliegens vermögensrechtlicher Ansprüche kommt eine Vollrechtsübertragung zunächst nicht in Betracht. Eine solch starre Sichtweise wird jedoch der atypischen Vertragssituation nicht gerecht. Blaurock stellt fest, daß die Vollrechtsübertragung der fiduziarischen Treuhand auch bedingt erfolgen kann 52 . Dies bedeutet im Hinblick auf die Anteilsverkäufe der Treuhandanstalt, daß es sich bei der von der Treuhandanstalt verwendeten Klausel um eine fiduziarische Treuhand mit aufschiebend bedingter Vollrechtsübertragung handelt53 • Verpflichtet im Rechtsverkehr und damit im Außenverhältnis bleibt auch aufgrund der Weisungen des treuhänderischen Gesellschafters das Unternehmen selbst. Nach Auffassung von Blaurock reicht allein schon die intendierte schuldrechtliche Abtretung 54 • Blaurock hält es denn auch rur denkbar, daß der bisherige Gesellschafter zwar weiterhin formell Inhaber der GesellschaftersteIlung bleibt, im Innenverhältnis der Gesellschaftsanteil jedoch ganz oder teilweise dem Dritten zugerechnet, diesem also der wirtschaftliche Wert des Anteils zugewandt wird. Der Dritte erhält so zwar keine formelle, aber doch eine wirtschaftliche Gesellschafterstellung. Anstelle einer dinglichen Mitberechtigung am Gesellschaftsvermögen ist er auf eine schuldrechtliche Beteili-
51 Blaurock, Unterbeteiligung, S. 124 f. und 126, weitergehend zur Frage, wie der Treugeber vor treuwidrigen Verfügungen des Treuhänders bei Vollrechtsübertragung zu schützen sei; auch Reinhardt-Erlinghagen, JuS 1962,41,49 schlagen vor, die Anerkennung der Sicherungs- und Verwaltungstreuhand als echte beschränkte dingliche Rechte zu wagen. 52 Blaurock, Unterbeteiligung, S. 123; Verfasser hält auch eine andere Auffassung ftir vertretbar; in diesem Fall käme man zur Ermächtigungstreuhand und - nach Auslegung - zum gleichem Ergebnis. 53 Blaurock, Unterbeteiligung, S. 15, mit dem Hinweis, daß sich in Rechtsprechung und Schrifttum die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß auch Gesellschaftsbeteiligungen ebenso wie sonstige Vermögenswerte und Berechtigungen auf Dritte übertragen werden können, und somit bereits durch die Abtretung des Gesellschaftsanteils der Dritte die Stellung eines Gesellschafters erhalten kann. 54 Blaurock, Unterbeteiligung, S. 16, wonach - ähnlich wie bei den heutigen vermögensrechtlichen Ansprüchen - öffentlich-rechtliche Vorschriften, bspw. berufständischer oder devisenrechtlicher Art einer unmittelbaren Beteiligung des Dritten entgegenstehen könnten.
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gung beschränkt, seine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gesellschaft hängen vom Rechtsverhältnis ab, das zwischen ihm und dem veräußernden Gesellschafter besteht, sowie auch von den eigenen Rechten des Gesellschafters in der Gesellschaft selbst55 . Mit diesem Modell nimmt Blaurock die bei der Treuhandanstalt nunmehr übliche Vertragsgestaltung vorweg, wonach beispielsweise beim share deal die Parteien sich schuldrechtlich so stellen, daß dem Investor bei Bedingungseintritt rückwirkend zum Beginn des Geschäftsjahres das GewinnBezugsrecht zustehen soll.
55 Blaurock, Unterbeteiligung, S. 16; Blaurock bezeichnet die Gebilde dieser Art entweder als Unterbeteiligung oder als gesellschaftsrechtliche Treuhand. - Dies kann auf die aktuelle, besondere Situation der vermögensrechlichen Anspruche in den neuen Bundesländern analog angewandt werden. Hält der Gesellschafter den Geschäftsanteil wie ausgeführt nur in seiner Funktion als schuldrechtlicher Gesellschafter - dagegen nicht allein im Interesse des Treugebers, sondern auch im eigenen, so hat er dem Treugeber die wirtschaftliche Substanz des Anteils nur zu einem Teil überlassen. Rechtsprechung und Lehre nehmen allgemein an, der Gesellschafter und der Dritte hätten sich zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammengetan und bildeten deshalb hinsichtlich des Anteils eine eigene Gesellschaft, und zwar i.d.R. eine Innengesellschaft. - Bei der Unterbeteiligung existieren mithin zwei Gesellschaften, nämlich die meist so bezeichnete "Hauptgesellschaft" und die Innengesellschaft zwischen dem Hauptbeteiligten und dem Unterbeteiligten. Das Verhältnis zwischen diesen beiden folgt ausschließlich den Regeln nach Gesellschaftsrecht. In beiden Fällen soll eine nicht unmittelbar an der Gesellschaft beteiligte Person am wirtschaftlichen Ergebnis des von der Gesellschaft getragenen Unternehmens partizipieren. Blaurock geht als Arbeitshypothese im folgenden von der Abgrenzung nach dem Eigeninteresse aus. Hierdurch wird deutlich, daß das vorgenannte Modell nicht ohne Einschränkungen auf den Investor zu übertragen ist, der als treuhänderischer Geschäftsbesorger bzw. Gesellschafter für die Treuhandanstalt während des Zeitraums der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages auftritt. Ein klassisches gesellschaftsrechtliches Treuhandverhältnis liegt nicht vor, da der Käufer nicht allein im Interesse des Treugebers handelt, sondern auch - vornehmlich - im Hinblick auf das erhoffte baldige Wirksamwerden des Vertrages, und damit zumindest auch im Eigeninteresse. Eine Unterbeteiligung im klassischen Sinne liegt aber auch nicht vor, da die Annahme einer Innengesellschaft zwischen Käufer und Treuhandanstalt den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht wird. Durch die schuldrechtliche Rückverlagerung des Gewinn- und Verlustrechts beim share deal wird offenkundig, daß dem Treuhänder die wirtschaftliche Substanz des Anteils ganz zustehen soll.
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b) Ermächtigungstreuhand
Im Bereich der Verwaltungs- und Verwertun~streuhand hat sich auch die sogenannte Ermächtigungstreuhand durchgesetzt 6. Hier bleibt der Treugeber Rechtsinhaber, der Treuhänder wird aber ermächtigt, im eigenen Namen im Rahmen der schuldrechtlich vereinbarten Zwecke zu handeln, Rechte des Treugebers geltend zu machen oder auszuüben, insbesondere über sie zu verfügen (§ 185 Abs. 1 BGB), dessen Stimmrecht auszuüben oder Forderungen einzuziehen57. Die Beteiligten bedienen sich aber nicht der Rechtsfigur der Stellvertretung, um die Treuhandzwecke zu erreichen. Der Treuhänder tritt im eigenen Namen auf, wird daher selbst Geschäftspartei. Er kann zwar gleichwohl mit unmittelbarer Fremdwirkung über Vermögensgegenstände des Treugebers verfUgen (§ 185 Abs. 1 BGB), diesen aber grundsätzlich weder verpflichten noch bereChtigen58 • Bei dieser Art der Treuhand besteht, anders als bei der fiduziarischen Treuhand, eine Doppelzuständigkeit. Sowohl der Treugeber wie der durch die Ermächtigung verfUgungsbefugte Treuhänder sind zur Verfilgung über das Treugut befugt. In der Regel ist jedoch dafilr Sorge zu tragen, daß der Treugeber in solchen Fällen von seiner VerfUgungsbefugnis keinen Gebrauch macht. Die Ermächtigung kann inhaltlich aufVerftlgungen zu bestimmten Zwecken begrenzt werden. Die Einziehungsermächtigung gibt dem Ermächtigten nicht das Recht, die Forderung abzutreten. Überschreitet der Treuhänder die Grenzen der Ermächtigung, so handelt er als Nichtberechtigter; seine VerfUgung ist nichtig, vorbehaltlich eines etwaigen Erwerbs kraft guten Glaubens seitens des Dritten. Was die Verwaltung des Treugutes angeht, insbesondere das Eingehen von Verbindlichkeiten zu Lasten des Treugutes, so bietet die Ermächtigungstreuhand hierzu keine Grundlage, wenn man, wie die herrschende Lehre, die Verpflichtungsermächtigung nicht anerkennt59 • Diese Form der Treuhand kommt wiederum der von der Treuhandanstalt verwendeten Vertragsgestaltung beim asset-deal sehr nahe: Der Investor ist zur Einziehung der Forderungen ermächtigt und er darf im eigenen Namen über die Gegenstände des Anlagevermögens zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs verftlgen. Die Eingehung von Liefer- und Bezugsverträgen etc. geschieht S6 So die Rechtsprechung seit RGZ 118, 330, 332; viele sprechen nur von einer "uneigentlichen" oder "unechten" Treuhand. S7 Coing, Treuhand, S. 123 f., umstritten bei den Gesellschafterrechten der PersonengeseIlschaften und der GmbH. Die Herstellung der Rechtsmacht des Treuhänders durch Ermächtigung ist nur bei den Rechten möglich, die dritte Personen im eigenen Namen ausüben können. SR
MünchKomm/Mayer-Maly, BGB, vor § 164 Rdn. 33.
S9
Medicus, Bürgerliches Recht, 16. Aufl, 1993, Rdn. 29 m.w.N.
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nicht im Namen des Treugebers, der Treuhandanstalt, sondern regelmäßig im eigenen Namen, um den Kunden und Lieferantenkreis auch wahrend des Zeitraums der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages ft1r die eigene Finna zu festigen oder neu aufzubauen. Kommt es zur Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrages, so hat der Investor aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag einen Freistellungsanspruch gemäß § 257 BGB gegenüber der Treuhandanstalt. Die beim asset deal oft verwendete Klausel lautet: "... die Käuferin ist verpflichtet, die Geschäfte des infolge des Nichteintritts der Bedingung oder eines Rücktritts gemäß § ... oder der Geltendmachung des Rückübertragungsanpruchs gemäß § ... zurückzuübertragenden Betriebs als treuhänderischer Geschäftsbesorger mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsftlhrers zu filhren und die übertragenen Vermögenswerte einschließlich des Grundbesitzes mit der gleichen Sorgfalt treuhänderisch zu verwalten. Die laufenden Erträge des Betriebs und die Nutzung des Grundstücks stehen wahrend der treuhänderischen Geschäftsbesorgung der Käuferin zu. Ansprüche der Käuferin auf eine Erstattung von Aufwendungen und auf Schadensersatz sind ausgeschlossen. 11 c) Vollmachtstreuhand Eine Mindermeinung im Schrifttum will als weitere Form der Treuhand schließlich auch die sogenannte Vollmachtstreuhand anerkennen. Hier wird dem Treuhänder vom Treugeber eine unwiderrufliche Vollmacht erteilt zur Vornahme von Verpflichtungs-, Verftlgungs- und Erwerbsgeschäften zum Zwecke der Verwaltung des weiterhin dem Treugeber zugeordneten Vermögens60 . Coing charakterisiert diese wie folgt61: Die Vollmacht kann so gestaltet werden, daß sie sich auf Vermögen in seinem jeweiligen Bestand erstreckt. Auch im Falle der Vollmachtstreuhand besteht Doppelzuständigkeit. Verftlgungs- und verpflichtungsberechtigt sind sowohl der Treugeber als Rechtsträger wie der Treuhänder als Bevollmächtigter. Diese Doppelzuständigkeit kann nur obligatorisch durch einen Verzichtsvertrag des Vollrechtsträgers beschränkt werden. Die Vollmacht ermöglicht dem Treuhänder die Verftlgung über die Gegenstände des Treuguts. Im Falle des Mißbrauchs gelten die allgemeinen, zuvor erörterten Regeln über den Vollmachtsmißbrauch und die Vorschrift des § 181 BGB. Die Vollmachtstreuhand ermöglicht es, dem Treuhänder die volle 60 BGH WM 1964, 318; ablehnend Soergel/Leptien, BGB, 12. Aufl. 1987, § 185 Rdn. 82; ErmanniBrox, BGB, 9. Aufl., 1993, § 185 Rdn. 16. 61
Coing, Treuhand, S. 184.
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Verwaltung des Treugutes zu gestatten, insbesondere besteht im Gegensatz zur Ermächtigung keine Beschränkung hinsichtlich der Möglichkeit, Verpflichtungen einzugehen. Verpflichtet wird aus den Rechtsgeschäften des Vollmachtstreuhänders jedoch stets der Treugeber selbst mit seinem gesamten Vermögen, der Treuhänder wird als Vertreter nicht verpflichtet. Auch bei der Vollmachtstreuhand bleibt die Rechtsträgerschaft fiir alle Rechte des Treugutes bei dem Treugeber, der durch den Vollmachtstreuhänder vertreten wird. Dies bedeutet, daß die persönlichen Gläubiger des Treugebers jederzeit in das Treugut vollstrecken können. Für die persönlichen Gläubiger des Treuhänders ist dies hingegen ausgeschlossen. Die herrschende Meinung wendet hiergegen zu Recht ein, daß diese Form der Treuhand eigentlich kein eigenständiges Rechtsinstitut ist, da die Übergänge zum Recht der Stellvertretung der §§ 164 ff. BGB fließend sind62 • d) Die treuhänder ische GesellschaftersteIlung des Investors beim aufschiebend bedingten share-deal
Neben dem wichtigsten Fall der Restitutionsansprüche können auch andere Gründe dafiir maßgeblich sein, daß die Treuhandanstalt die Wirksamkeit des Vertrages von ungewissen künftigen Ereignissen abhängig macht. Bisweilen sehen die Kaufverträge über die Veräußerung von Geschäftsanteilen auch die durch die vollständige Kaufpreiszahlung oder die Erbringung sonstiger Leistungen, z.B. Freistellung von einer Bürgschaftsverpflichtung aufschiebend bedingte Übertragung der Gesellschafterrechte vor. Bis zum Bedingungseintritt bleibt somit die Treuhandanstalt rechtlich Eigentümerin des Unternehmens, obwohl wirtschaftlich das Unternehmen auf den Erwerber übergegangen ist. Schuldrechtlich ist beim share deal der Vertrag trotz Vorliegens von Restituti62 MünchKomm/Mayer-Maly, BGB, vor § 164 Rdn. 32; Coing, Treuhand, S. 97 und 123 bezeichnet dies auch als "Quasitreuhand", d.h. als Vollmacht gemäß § 167 BGB durch Erklärung des Vollmachtgebers an die Bevollmächtigten. Die h. L. hat sich gegen die Anerkennung einer Vollmachtstreuhand ausgesprochen. Immerhin schafft die unwiderrufliche Vollmacht für die Bevollmächtigten eine Rechtsstellung, die vom Willen des Vertretenen unabhängig ist. Ein neuartiger Ansatz stammt von Lammei, Die Haftung des Treuhänders aus Verwaltungsgeschäften, 1972. Er bezeichnet dieses Handeln unter Aufgabe der Ermächtigungstreuhand und der Vollmachtstreuhand als sogenanntes "neutrales Handeln" oder "Verwaltungstreuhandein". Dadurch werde jede Tätigkeit des Treuhänders dem Vermögensobjekt zugeordnet, aus der er seine Befugnisse im Rechtsverkehr ableite, nämlich dem Treugut. Auf dieses werden dann auch alle Forderungen und Verbindlichkeiten des Treuhänders bezogen. Insgesamt haftet der Treuhänder aus Verwaltungsgeschäften nicht persönlich, sondern er hat nur mit dem Verwaltungsvermögen für die Erfüllung der Verbindlichkeiten einzustehen.
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onsansprüchen bisweilen unbedingt geschlossen, sofern keine sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen bestehen. Der Treuhandanstalt stehen bei dieser Konstellation durchsetzbare Ansprüche auf Zahlung des Kaufpreises sowie Erfüllung der Arbeitsplatz- und Investitionsverpflichtungen, dem Käufer der Anspruch auf Übertragung der Anteile zu. Im Fall des share deal ist der Privatisierungsvertrag daraufhin zu überprüfen, ob es generell eines Gesellschafterbeschlusses bedarf, durch den der Aufgabenkreis der Gesellschafterrechte auf den Käufer übertragen wird, oder ob allein die Klausel im Vertrag ausreicht, "der Käufer habe die Gesellschafterrechte als Geschäftsbesorger mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auszuüben. " Da die Bestimmungen des VermG hierfilr selbst keine gesetzlichen Vorgaben oder Anhaltspunkte liefern, ist die Vertragsgestaltung mit der Zielsetzung des Vermögensrechts in Einklang zu bringen. In den Kaufverträgen der Treuhandanstalt sind regelmäßig folgende Varianten zu beobachten: 1. Die Treuhandanstalt faßt im Rahmen der Beurkundung des Kaufvertrages einen Gesellschafterbeschluß, wonach sie den Käufer zur Wahrnehmung der Gesellschafterrechte treuhänderisch ermächtigt und ihn gegebenenfalls zum Geschäftsfilhrer bestellt. Hierbei kann sie umfassend die Gesellschafterrechte übertragen oder sich Mitspracherechte - insbesondere Zustimmungsvorbehalte - bei der Führung des Geschäftsbetriebs vorbehalten, vor allem im Hinblick auf die finanzielle Bedeutung der Geschäfte oder bei bedeutsamen Maßnahmen im Personalbereich. 2. Die Treuhandanstalt räumt dem Investor die Stellung eines treuhänderischen Geschäftsbesorgers ein. 3. Der Vertrag enthält keine ausdrückliche Regelung. Es ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, wie bei einem schon erfolgten schuldrechtlichen wirtschaftlichen - Übergang verständige Parteien die Rechtsstellung des Investors zur Steuerung des Unternehmens geregelt hätten. Ad I) Wurde im Privatisierungsvertrag dem Käufer beispielsweise das Recht eingeräumt, den oder die Geschäftsfilhrer der Gesellschaft zu benennen, ist die Treuhandanstalt verpflichtet, hierbei mitzuwirken. Entsprechendes gilt filr die Zustimmung des Gesellschafters zu genehmigungsbedürftigen Geschäften, z.B. zur Vornahme von Investitionen und deren Finanzierung, zu deren Durchführung sich der Käufer in dem Privatisierungsvertrag verpflichtet hat. Der Wahrnehmung dieser Sicherungsinteressen dient es regelmäßig, folgende Maßnahmen der Gesellschaft bzw. des Käufers von der Zustimmung der Treuhandanstalt abhängig zu machen:
17 HeB
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- Mitwirkung bei der Bestellung und Abberufung von Geschäftsftlhrern - Veräußerung und Beleihung von Grundstücken der Gesellschaft - Gewährung von Darlehen oder von Sicherheiten zugunsten des Käufers und diesem nahestehender Personen - Herabsetzung des Stammkapitals - außergewöhnliche Angelegenheiten Ad 2) Die Klausel, "der Käufer habe die Gesellschafterrechte mit der Sorgfalt ordentlicher Geschäftsftlhrer auszuüben ... " ist auslegungsbedürftig. Zu prüfen ist, ob dem Investor daraus ein Recht erwächst, sich selbst zum Geschäftsftlhrer zu bestellen oder ob er im Innenverhältnis wenigstens der Zustimmung der Treuhandanstalt, des noch nominellen Gesellschafters, bedarf. Ist dies zu bejahen, so ist zu fragen, ob filr den Investor beispielsweise dann auch die Beschränkungen gelten, die die Treuhandanstalt den von ihr eingesetzten Geschäftsftlhrern auferlegt hatte. Der Käufer steuert ab Beurkundung des Kaufvertrages die Geschäftsftlhrung und Geschäftstätigkeit eigenverantwortlich und übt insofern alle die Gesellschafterrechte aus, die zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich sind. Daher kann er sich auch grundsätzlich selbst zum Geschäftsftlhrer bestellen. Die internen Zustimmungserfordernisse, denen ein von der Treuhandanstalt eingesetzter Geschäftsftlhrer zu seinem Gesellschafter unterliegt, gelten filr den Investor nicht. Seine Haftung bestimmt sich nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag, wobei die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht aufgrund der einern "Schon-Gesellschafter" nahezu ebenbürtigen Position uneingeschränkt gelten. Wird der Kaufvertrag später nicht wirksam, kommen primär Ersatzansprüche der Treuhandanstalt aus positiver Forderungsverletzung des Geschäftsbesorgungsvertrages bzw. positiver Forderungsverletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten in Frage. Ad 3) Haben die Vertragsparteien keine gesonderten Regelungen getroffen, so stehen die Mitgliedschaftsrechte und Gesellschafterpflichten weiterhin der Treuhandanstalt zu. Bei Ausübung dieser Rechte sind jedoch die Beschränkungen des Veräußerungsvertrages zu beachten, in dem der Käufer nach dem Parteiwillen die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit über das Unternehmen erhalten hat. Die Treuhandanstalt ist berechtigt, alle dem Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag und dem GmbHG zustehenden Rechte wahrzunehmen. Zur Wahrnehmung dieser Rechte ist sie nach kaufmännischen Grundsätzen nur verpflichtet, um ihre eigenen Ansprüche, insbesondere ihren Kaufpreiszahlungsanspruch, zu sichern. Im Verhältnis zur privatisierten Gesellschaft, aber auch gegenüber dem Käufer, besteht keine Verpflichtung, die Gesellschafter-
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rechte aktiv wahrzunehmen. Art und Umfang der Ausübung der Gesellschafterrechte durch die Treuhandanstalt selbst und die Ermächtigung an den Erwerber zur Ausübung dieser Rechte richten sich ferner nach den Umständen des Einzelfalls. Ist der Bedingungseintritt und damit der Übergang der Gesellschafterrechte auf den Erwerber lediglich von der Erfüllung unwesentlicher Restverpflichtungen abhängig, so rechtfertigt dies beispielsweise den völligen Verzicht auf die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte. Zu Maßnahmen zur Beseitigung einer drohenden Insolvenz des Unternehmens ist die Treuhandanstalt als dinglich noch berechtigter Gesellschafter nicht verpflichtet. Eine solche Verpflichtung ist dem Gesellschaftsrecht fremd. Im übrigen liegt die wirtschaftliche Verantwortung fUr das Unternehmen bei dem Erwerber. Die Treuhandanstalt ist als Gesellschafter auch nicht verpflichtet, GeschäftsfUhrer abzuberufen, den Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens zu stellen oder über die Einleitung eines Liquidationsverfahrens zu entscheiden. Das Recht, die Gesellschafterrechte wahrzunehmen, gebietet nicht die Gewährung zusätzlicher Leistungen zugunsten des Unternehmens oder die Abwehr der Insolvenz. Solche Leistungen dürfen nur dann erbracht werden, wenn zugleich über das weitere Schicksal des Privatisierungsvertrages entschieden ist, wie z.B. bei einer Rückabwicklung des Vertrages oder Vertragsänderung. Andernfalls würde der Privatisierungsvertrag materiell zugunsten der Käufer geändert. Nach dem Verständnis der Treuhandanstalt darf die Wahrnehmung von Sicherungsrechten somit nicht dazu fUhren, daß die Treuhandanstalt fUr die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens die Verantwortung übernimmt. Es ist nicht Sinn und Zweck dieser Sicherungsrechte, die Erfüllung der Arbeitsplatz- und Investitionszusagen zu steuern. Soweit der Käufer diese Verpflichtungen nicht erfUllt, müssen die in dem Privatisierungsvertrag vorgesehenen Sanktionen einschließlich der genehmigungspflichtigen Rückabwicklung des Vertrages greifen. Dies kann wie folgt begründet werden: Durch die VerfUgungssperre des §3 VermG tritt eine Sachlage ein, die atypisch rur den normalen Anteilsverkauf an einer GmbH ist. Die Treuhandanstalt als Verfügungsberechtigte ist beim Verkauf zu investiven Zwecken verpflichtet, die Anteile am Unternehmen aufgrund der Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche nur aufschiebend bedingt zu übertragen. Das Vermögensrecht schränkt damit einen der Eckpfeiler der Privatautonomie im Bürgerlichen Recht, die Vertragsfreiheit gemäß § 241 BGB, stark ein. Der fUr Ausnahmefiille konzipierte treuhänderische Erwerb von Geschäftsanteilen wird aufgrund der Flut von Restitutionsansprüchen in den neuen Bundesländern fast zum Normalfall bei der Unternehmensprivatisierung. Schließlich erhält die Treuhand an Geschäftsanteilen, die in der Vergangenheit in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und in der Rechtsprechung vornehmlich Beachtung wegen der dabei beobachteten Problematik der "Strohmanngeschäfte" fand, eine Aktualität und Brisanz in einer geradezu gegenläufigen Tendenz. Der Treugeber will nicht, wie beim echten 17*
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Strohmanngeschäft üblich, im Hintergrund bleiben, sondern er übergibt dem Investor sofort die Leitung über das Unternehmen, damit dieser die Sanierung bzw. Umstrukturierung forcieren kann. Die Dringlichkeit der Durchfilhrung von investiven Maßnahmen lassen es als notwendig erscheinen, den Käufer als Treuhänder, ob mit oder ohne ensprechende Beschlußfassung des Gesellschafters Treuhandanstalt, grundsätzlich den Aufgabenkreis der Gesellschafterrechte wahrnehmen zu lassen, der die aktive Geschäftsfilhrungstätigkeit betriill (§ 46 Nr. 5-8 GmbHG). Die sogenannten statutarischen Befugnisse, vgl. § 46 Nr.l-4 GmbHG, wie Feststellung des Jahresabschlusses und Verwendung des Ergebnisses (Nr. 1), Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen (Nr. 2), die Rückzahlung von Nachschüssen (Nr. 3) und die Teilung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen (Nr. 4) verbleiben dagegen als Kontrollinstrument bis zum Eintritt der Wirksamkeit des Vertrages bei dem Treugeber, der Treuhandanstalt. Diese Aufspaltung der Gesellschafterbefugnisse steht zwar in gewissem Widerspruch zu der Auffassung von Beuthin über die unbedingte treuhänderische Vollrechtsübertragung von Gesellschaftsanteilen63 • Nach dieser Auffassung können als Treuhandgegenstand einzelne Gesellschafterrechte wie auch die gesamte Mitgliedschaft sein. Beuthin betont allerdings die Unteilbarkeit der Mitgliedschaft, das sogenannte Abspaltungsverbot, als zwingendes gesellschaftrechtliches Ordnungsprinzip. So kann ein Treuhandverhältnis nicht in der Weise begründet werden, daß dem Treugeber die Verwaltungsrechte im Innenverhältnis zur Gesellschaft zustehen, während der Treuhänder nach außen als Gesellschafter auftritt64• Wegen' des Abspaltungsverbots dürften auch nicht einzelne Verwaltungsrechte beim Treugeber belassen oder auf diesen übertragen werden6S. Bei der aufschiebend bedingten Anteilsübertragung hingegen ist es im Gegensatz zu der von Beuthin angesprochenen Vollrechtsübertragung von Anteilen unumgänglich, daß die Treuhandanstalt während des Zeitraums der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages einen Teil der ihr vom Gesetz verliehenen Gesellschafterrechte wahrnimmt, um eine wirksame Kontrolle auszuüben. Es handelt sich um einen befristeten Übergangszeitraum, bei dem die schutzwürdigen Interessen von Treuhandanstalt und Investor gleichzeitig zu berücksichtigen sind. Die Parteien werden aufgrund der Restitutionsansprüche
63
Beuthin, ZGR 1974, 26, 30.
64
RGZ 165,260,265; BGHZ 10,44,48.
65
Beuthin, ZGR 1974,26,31; BGHZ 3, 354, 357 und BGHZ 20,363,364 m.w.N.
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ohne die Möglichkeit der Steuerung oder kontrollierten Einflußnahme mit einer nur aufschiebend bedingten Anteilsübertragung konfrontiert. Daher erfolgt die Aufspaltung der Gesellschafterbefugnisse nicht in der Absicht, den Rechtsverkehr zu täuschen oder die Ordnungsprinzipien der Gesellschafteraufgaben nach dem GmbH-Gesetz aufzuweichen. Diese Aufspaltung der Befugnisse erfolgt allein zur Begrenzung der Risiken und gegenseitigen Kontrolle filr einen überschaubaren Zeitraum und ist daher zulässig. IV. Aufwendungsersatzansprüche des Investors bei Nichtwirksamwerden des Vertrages Die Treuhandanstalt schließt formularmäßig stets Ansprüche auf Ersatz der Aufwendungen bzw. Schadensersatz filr den Fall aus, daß kein Investitionsvorrangbescheid zugunsten des Investors ergeht und der Vertrag endgültig unwirksam wird66 • Die Hauptursachen filr das Scheitern des Investors sind der fehlende Nachweis der Finanzierbarkeit seines investiven Vorhabens oder ein besseres Investitionskonzept des Alteigentümers Da die Treuhandanstalt an dieser Entwicklung regelmäßig kein Verschulden trifft, sind Schadensersatzansprüche ohnehin ausgeschlossen. Rechtlich bedenklich erscheint aber der pauschale Ausschluß von Aufwendungsersatzansprüchen in dem Privatisierungsvertrag. Anknüpfungspunkt ist die Stellung des Investors als treuhänderischer Geschäftsbesorger beim asset-deal oder treuhänderischer Wahmehmer der Gesellschafterrechte mit der "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" beim sharedeal. Die treuhänderische Geschäftsbesorgung knüpft an das gesetzliche Modell des Geschäftsbesorgungsvertrags, § 675 BGB, an. Darin geregelt ist der Fall der entgeltlichen Geschäftsbesorgung in Abgrenzung zum unentgeltlichen Auftrag. Schon der Wortlaut der von der Treuhandanstalt verwendeten Klausel deutet auf einen Widerspruch hin. Die Verwendung des Begriffes Geschäftsbesorgung bedeutet ein entgeltliches Tätigwerden im Sinne des Gesetzes. Die Treuhandanstalt schließt mit dem Investor keinen Dienst- oder Beratungsvertrag für den Zeitraum der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages; gleichzeitig ist aber der Einsatz des potentiellen Käufers im Unternehmen erwünscht
66 So die übliche Praxis, vgl. auch den Hinweis von Messerschmidt, VIZ 1992,397, 399; in dem Klauselvorschlag heißt es, daß rur restitutionsbelastete Grundstücke." ... im Falle des Rücktritts ... ein weitergehender Ersatz von Schäden und Aufwendungen nicht stattfindet". Im Zusammenhang mit den Aufwendungen gewinnen die Verwendungen des Erwerbers bzw. Investors in den erworbenen Vermögenswert besondere Bedeutung. Deshalb ist ggf. im Vertrag vorzusehen, daß die notwendigen und möglicherweise auch die nützlichen Verwendungen von dem Verkäufer bei Rückgabe des Grundbesitzes ersetzt werden.
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und oft in hohem Maße erforderlich. Somit spricht schon eine Vermutung dafUr, daß nach den Umständen des Falles die Dienstleistung nur gegen Entgelt zu erwarten isr. Des Begriff der "Aufwendungen" bedarf näherer Präzisierung. Aufwendungen sind Vermögensopfer68 , die der Geschäftsbesorger zum Zwecke der AusfUhrung des Auftrags freiwillig oder auf Weisung erbringt, ferner solche, die sich als notwendige Folge der Ausftlhrung ergeben, Z.B. Steuern, Kosten eines Rechtsstreits 69 • Auch das Eingehen einer Verbindlichkeit zur AusfUhrung des Aufags ist eine Aufwendung. Als Aufwendungen werden ferner gewisse Schäden angesehen, die der Beauftragte bei AusfUhrung des Auftrags erleidet. § 670 BGB stellt schon vom Wortlaut her klar, daß nur Aufwendungen ersetzt werden sollen, die der Beauftragte nach den Umständen fUr erforderlich halten darf (analog bei der Geschäftsbesorgung), d.h. der Auftragnehmer bzw. Geschäftsbesorger trägt die Beweislast fUr die Erforderlichkeit. § 670 BGB ist zwar grundsätzlich dispositiv, aber schon der Wortlaut des Begriffes Geschäftsbesorgung und das Aufgabenspektrum einer sogenannten treuhänderischen Geschäftsbesorgung fUr ein Unternehmen fUhren dazu, daß ein vertraglicher Ausschluß des Aufwendungsersatzanspruches mit dem Modell eines treuhänderischen Geschäftsbesorgungsvertrages nicht zu vereinbaren ist, und insbesondere dem gesetzlichen Auftrag der Treuhandanstalt, rasch zu privatisieren, zuwiderläuft7o • Die Treuhandanstalt muß sich den Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens gefallen lassen, wenn sie einerseits dem Investor die unternehmerische Leitungsgewalt nahezu aufzwängt, ihm dann aber bei Fehlschlagen der Privatisierung aus von den Vertragsparteien nicht zu vertretenden Gründen den gesetzlichen Mindestschutz des § 670 BGB versagen will. Solch eine Vertragsgestaltung ist mit der Zielsetzung des Treuhandgesetzes schlichtweg nicht zu vereinbaren. Zum gleichen Ergebnis fUhrt eine Überprüfung der Vereinbarkeit des vertraglichen Aufwendungsersatzanspruchs mit dem Maßstab des § 9 AGBGesetz. Ein solcher Ausschluß ist mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, und zwar mit dem in der Präambel des Treuhandgesetzes veranker-
67
BGH MDR 1975,739.
68
Palandt/Heinrichs, BGB, § 670, Anm. 2 a.
69
BGHZ 8, 222, 229.
70 Vgl. die Präambel zum Treuhandgesetz, die da lautet: " ... Die unternehmerische Tätigkeit des Staates ist durch Privatisierung möglichst rasch und weitgehend zurückzufUhren".
C. Schwebezustand des Vertrages unabhängig von Restitutionsansprüchen
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ten Privatisierungsauftrag, unvereinbar; die Vertragsklausel verstößt gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz und ist deshalb unwirksam. § 670 BGB stellt im übrigen klar, daß nur solche Aufwendungen zu ersetzen sind, die der Beauftragte den Umständen nach für erforderlich halten darf. Das Kriterium der "Erforderlichkeit nach den Umständen" ist mit Blick auf den Zeitraum bis zur Wirksamkeit des Vertrages ein ausreichendes Korrektiv, damit der Investor zunächst von weitreichenden, kaum korrigierbaren Investitionen absieht bzw. keine sogenannten Luxusinvestitionen vomimme'. Ein gewisses Risiko besteht darin, daß der Investor versucht, eigenmächtig vollendete Tatsachen zu schaffen. Solch ein Vorgehen während des Zeitraums der schwebenden Unwirksamkeit ist aber nicht zu vereinbaren mit dem Schuldverhältnis einer treuhänderischen Geschäftsbesorgung, so daß auch hier regelmäßig ein Ersatz der Aufwendungen an dem Kriterium der "Erforderlichkeit nach den Umständen" scheitert. Die Regelung des § 670 BGB schützt somit in ausreichendem Maße die Treuhandanstalt für den Fall des Scheitems einer Unternehmensprivatisierung.
Die Treuhandanstalt kann sich durch den Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrags mit dem potentiellen Käufer nicht der Pflicht entziehen, die Geschäftsführung zu überwachen. Diese Verpflichtung ist Ausfluß ihrer GeseIlschafterstellung. Die Treuhandanstalt hat sich durch geeignete Maßnahmen, wenigstens durch stichprobenartige Kontrollen vor Ort, darüber zu informieren, ob Aktivitäten im Gange sind, die in diesem unsicheren Vertrags stadium unangemessen sind.
C. Schwebende Unwirksamkeit des Unternehmenskaufvertrages unabhängig von Restitutionsansprüchen Neben der überragenden Bedeutung der Restitutionsansprüche als auslösendes Moment für den Schwebezustand des Unternehmenskaufvertrages der Treuhandanstalt gibt es weitere Gründe, die ebenfalls den Vertrag zunächst in der Schwebe lassen. Sie sollen der Vollständigkeit aufgeführt und kurz in ihrer rechtlichen Problematik erörtert werden. Diesmal ist es die Treuhandanstalt, die einseitig den Schwebezustand herbeiführt. Es handelt sich hierbei um den Organvorbehalt der Treuhandanstalt im Kaufvertrag und das Auftreten eines vollmachtlosen Vertreters der Treuhandanstalt bei der Beurkundung.
71 Im übrigen sind überobligationsmäßige Investitionen eher ein Indiz für die Bonität des Investors, so daß die Wahrscheinlichkeit nur umso höher einzuschätzen ist, daß künftig auch ein Investitionsvorrangbescheid zu seinen Gunsten ergehen wird.
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I. Organvorbehalt der Treuhandanstalt im Privatisierungsvertrag Üblicherweise lautet die als Schutzklausel gedachte Fonnulierung, der sogenannte Organvorbehalt der Treuhandanstalt, wie folgt: § .. Organvorbehalt
"Der Vertrag wird unter der aufschiebenden Bedingung der Zustimmung durch den Vorstand der THA geschlossen. Die Zustimmung gilt mit Ablauf des 21. Tages nach Beurkundung dieses Vertrages als erteilt, wenn sie nicht bis dahin durch schriftliche Mitteilung an den Notar ausdrUcklich verweigert worden ist
"
Die notarielle Urkunde soll noch einmal innerhalb einer angemessenen Frist überprüft werden können. Somit ist die Zustimmung der vertretungsberechtigten Organe der Treuhandanstalt ein weiteres Wirksamkeitserfordernis des Vertrages. Dieser Kontrollmechanismus ist unverzichtbar, da es trotz meist mehrfacher Überprüfung des zu beurkundenden Privatisierungsvertrages in den zuständigen Fachabteilungen der Treuhandanstalt dennoch im Notartennin zu mehr oder minder gravierenden fonnalen und inhaltlichen Änderungen des Vertrages kommt. Gerade komplexe Unternehmenskaufverträge sind besonders davon betroffen; gar nicht so selten werden einzelne Bestimmungen des Vertrages, über die zuvor noch Einvernehmen bestand, im Notartennin wieder neu verhandelt. Die vorgenannte Vertragsklausel beinhaltet die Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung, wonach eine Zustimmung nach Ablauf von drei Wochen als erteilt gilt. Dies ist rechtlich unbedenklich, § 151 BGB analog. Die Treuhandanstalt muß innerhalb einer Dreiwochenfrist entscheiden, ob sie die Genehmigung des Vertrages verweigern will. Bei Verweigerung der Genehmigung knüpfen sich daran keine Sanktionen. Der Vertrag ist nicht wirksam geworden und die Rückabwicklung von gegebenenfalls empfangenen Leistungen etc. richtet sich nach Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff. BGB. Die Abwicklung in der Praxis ist in aller Regel unproblematisch, da sich der Investor auf diesen Fristablauf einstellt und er nur in absoluten Ausnahmefilllen sofort nach Unterzeichung des Vertrages kaum korrigierbare finanzielle Dispositionen trifft. 11. Handeln eines vollmachtlosen Vertreters für die Treuhandanstalt bei Beurkundung des Privatisierungsvertrages Die Treuhandanstalt wählt anläßlich der notariellen Beurkundung der Privatisierungsverträge bisweilen folgende Vertretungsregelung: Der Vertreter der
c. Schwebezustand des Vertrages unabhängig von Restitutionsansprüchen
265
Treuhandanstalt tritt ohne Vollmacht auf. Er verspricht in der notariellen Urkunde, die Genehmigung nachzureichen, jedoch unter Ausschluß der Übernahme einer persönlichen Haftung. In Anbetracht der vorher erörterten Schutzklausel mutet eine zusätzliche Sicherung dergestalt, nach der der Vertreter der Treuhandanstalt ohne Vollmacht erscheint, fragwürdig an. Verweigert die Treuhandanstalt die Genehmigung rur das Handeln des vollmachtlosen Vertreters, so kann sie auf Erteilung der Genehmigung verklagt werden; denn der Vertreter hat bekanntlich in der notariellen Urkunde versprochen, die Genehmigung nachzureichen. Die Genehmigung steht damit nicht mehr im Belieben des Genehmigenden72 • Das Schrifttum hat sich nur ganz vereinzelt mit der Problematik der Verweigerung einer Genehmigung auseinandergesetzt. Grundsätzlich ist ein Rechtsgeschäft, das der Genehmigung bedarf, nichtig, wenn die Genehmigung verweigert wird. In den Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt fmdet sich aber eine Formulierung, wonach der vollmachtlose Vertreter verspricht, die Genehmigung nachzureichen. Wenn die Treuhandanstalt nunmehr die Genehmigung verweigert, so könnte infolgedessen das Rechtsgeschäft nichtig sein. Die Folge wäre, daß der Käufer die Treuhandanstalt zur Neuvomahme bzw. Bestätigung des Rechtsgeschäfts i.S.v. § 141 BGB verklagen muß. Man könnte sich aber auch auf den Standpunkt stellen, daß eine solche rechtswidrige Versagung der Genehmigung überhaupt keine Rechtswirkungen auslöst und der Käufer die Treuhandanstalt weiterhin auf Genehmigung des Vertrages verklagen kann. Karsten Schmidt stellt klar, daß die Verweigerung der Genehmigung zwar unwiderruflich ist, eine rechtswidrige Verweigerung der Genehmigung die schwebende Unwirksamkeit aber so lange nicht beendet, wie der Genehmigungsanspruch durchsetzbar ist und die Genehmigungsverweigerung auch unter den Vertragsparteien keinen endgültigen Rechtszustand hergestellt hat73 • In diesem Fall könne die ursprünglich verweigerte Genehmigung noch mit der Folge nachgeholt oder gemäß § 894 ZPO erzwungen werden, daß der genehmigungsbedürftige Vertrag wirksam wird. Eine Genehmigungsverweigerung kann so lange keine Nichtigkeitsfolge haben, wie ein durchsetzbarer Anspruch auf Erteilung der Genehmigung besteht. Der Genehmigende, in diesem Fan die
72 MünchKommiSchramm, BGB, § 177, Rdn. 41 a - Diese Konstellation ähnelt dem schon von der Rechtsprechung entschiedenen Fall, wonach es gegen Treu und Glauben verstößt, wenn sich der Verpflichtete auf seine Verweigerung der Genehmigung beruft, obwohl sich schon aufgrund eines Vorvertrages eine Verpflichtung zur Genehmigung des Hauptvertrags ergibt. 73
K. Schmidt, AcP 189, (1989), 1, 18.
266
6. Kap.: Der Schwebezustand des Unternehmenskaufvertrages
Treuhandanstalt, hat nur erklärt, daß er die Genehmigung nicht freiwillig erteile4 • Die Vertretung durch einen vollmachtlosen Vertreter birgt rur die Treuhandanstalt auch gewisse Risiken. Gemäß § 177 Abs. 2 BGB kann der andere Teil, d.h. der Käufer, die Treuhandanstalt als Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auffordern. Die Genehmigung ist nach dem gesetzlichen Wortlaut bis zum Ablaufe von 2 Wochen nach dem Empfange der Aufforderung zu erklären; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. Es kam wiederholt vor, daß sich Investoren mithilfe der beschriebenen Vorgehensweise aus ihnen unliebsam gewordenen Verträgen gelöst haben. Sie setzten dabei gezielt auf einen schwerfälligen Genehmigungsmechanismus innerhalb der Kontrollgremien der Treuhandanstalt. Das Genehmigungserfordernis im Vertrag hat bisweilen aber auch folgenden Hintergrund: Die Treuhandanstalt signalisiert dem Käufer durch die Verweigerung der Genehmigung, daß sie Nachverhandlungen wünscht oder an dem Vertrag überhaupt nicht mehr festhalten will. In Anbetracht dessen könnte der betroffene Käufer sich veranIaßt sehen, von einem weiteren Vollzug des Vertrages freiwillig Abstand zu nehmen. Auch wenn der Käufer die Genehmigung die Vertrages erfolgreich einklagen sollte, kann dies gleichwohl nur ein vorläufiger Sieg sein. Bei einem von Beginn an derart gestörten Vertragsverhältnis ist rur die Zukunft keine gedeihliche Zusammenarbeit mehr zu erwarten. Dabei ist bei solch komplexen Unternehmenskaufverträgen eine Kooperation zwischen den Parteien schon aufgrund der Investitions- und Arbeitsplatzverpflichtungen, der Klärung der vermögensrechtlichen Ansprüche etc. zumeist noch über mehrere Jahre hinaus erforderlich.
74
K. Schmidt, AcP 189, (1989), I, 16.
7. Kapitel
Die Unternehmensprivatisierung der Treuhandanstalt im Konflikt mit Rückabwicklungsansprüchen von Investoren und Alteigentümern A. Die Rückabwicklung eines Unternehmenskaufvertrages als Konfliktfall Schon aufgrund der besonderen Situation der betriebswirtschaftlichen und technologischen völligen Umstrukturierung der Unternehmen besteht ein beträchtliches Risiko, daß die oft unter hohem Zeitdruck abgeschlossenen Privatisierungsverträge notleidend werden, d.h. angepaßt werden müssen oder sogar rückabzuwickeln sind. So stand den in der BeteiligungsfUhrung und im Verkauf tätigen Mitarbeitern der Treuhandanstalt wenig Zeit zur Verfügung, sich einen Überblick über die genaue Vermögens- und Ertragslage der Unternehmen zu verschaffen; gleiches gilt rur die Gruppe der Investoren. Nachdem sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland ab Mitte 1992 deutlich verschlechtert hatte, erkannten auch etliche Investoren, daß sich ihre Erwartungen auf hohe Gewinne trotz der enormen staatlichen Zuschüsse entweder gar nicht oder zumindest nicht in absehbarer Zeit erftlllen werden. Sie greifen daher nach dem Strohhalm, d.h. der Schwachstelle in ihrem Kaufvertrag, um ihr unternehmerischen Engagement mit einem "blauen Auge" beenden zu können oder mit der Drohung des Rücktritts weitreichende Nachbesserungen des Privatisierungsvertrages zu ihren Gunsten zu erzwingen. Die Rechtsprechung hatte vor der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten nur ausnahmsweise über die mit der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen entstehenden rechtlichen und tatsächlichen Fragen zu entscheiden 1. Dies erklärt sich daraus, daß die Rückabwicklung solch kom-
1 Nur in einem Fall hat die Rspr. die Rückabwicklung zugelassen, vgl. RGZ 67,86; der BGH bejahte z.B. in WM 1988, 1700 eine Verkäuferhaftung aus c.i.c. für fehlerhafte Angaben des Verkäufers über Umsätze und Erträge eines Unternehmens; die Rspr. öffnet dadurch das Tor rur eine extensive Haftung des Verkäufers konkurrierend zu dem gesetzlichen Modell des enger umgrenzten Gewährleistungsrechts.
268
7. Kap.: Die Privatisierung im Konflikt mit RückabwicklungsansprUchen
plexer Vertragswerke in der Praxis von den Vertragsparteien tunlichst vermieden wird. Das Unternehmen als die Zusammenfassung einer Sach- und Rechtsgesamtheit ist ein sich ständig wandelndes Gebilde im Wirtschaftskreislaur a • Schon kurze Zeit nach Vertragsschluß und Übernahme der unternehmerischen Leitungsgewalt durch den Käufer kann zumeist nicht mehr von einer auch nur annähernd gleichen Identität des Unternehmens gesprochen werden. Bei einem Unternehmenskauf handelt es sich naturgemäß um ein filr beide Seiten gleichermaßen risikobehaftetes Geschäft, da mit zunehmender Größe des Unternehmens auch durch eine noch so eingehende Bestandsaufuahme des Kaufgegenstandes beispielsweise kaum alle potentiellen Mängel aufgedeckt werden können. Es wird deutlich, daß sich sowohl die Treuhandanstalt als auch die Investoren aufgrund der Begleitumstände der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern einem Risiko ausgesetzt sehen, das beim herkömmlichen Unternehmenskauf vertraglich fast ausnahmslos abbedungen wird. Die damit verbundenen rechtlichen Fragestellungen sind äußerst komplex. Beim herkömmlichen Unternehmenskauf galt deshalb vor der Wiedervereinigung Deutschlands der Grundsatz, daß die Rückabwicklung solcher Vertragswerke mithilfe der Kautelarjurisprudenz weitestgehend einzuschränken bzw. auszuschließen ist. Auch das Investitionsvorranggesetz trifft fast keine Regelungen darüber, welche Grundsätze und Besonderheiten bei einer Rückabwicklung zu gelten haben. Die Frage stellt sich aber zwangsläufig, wie beispielsweise insbesondere ein heruntergewirtschaftetes, marodes Unternehmen - in das nichts oder zu wenig investiert wurde und das nunmehr seine MarktsteIlung eingebüßt hat - noch vergleichbar ist mit dem früheren Zustand zum Zeitpunkt der Privatisierung. Der Ausgangspunkt muß die Betrachtung des Unternehmens als Einheit sein; dies ermöglicht dann ein einheitliches Abwicklungskonzept2• Aus rechtsdogmatischer Sicht handelt es sich um die Fortfilhrung eines Modells, das ebenso wie die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft und wie die aktienrechtlichen Grundsätze von der Rückabwicklung fehlerhafter Unternehmenszusammenschlüsse vom Vorstellungsbild des Unternehmens als sozialer und organisatorischer Einheit geprägt ise. Es wäre zwar erstrebenswert, filr den Ernstfall die genauen Modalitäten der Rückübertragung schon im investiven Vertrag zu regeln. Demgegenüber ist die weitere Entwicklung des Unternehmens unter der Leitung des Investors aber nicht kalkulierbar und die Privatisierungsverhandlungen würden zusätzlich mit
la
PalandtlPutzo, BGB, § 433 Rdn. 3.
2
Schwintowski, JZ 1987, 588 ff.
3
Schwintowski, JZ 1987,588.
B. Rücknahme von Unternehmen durch die THA
269
weiteren schwierigen. Rechtsfragen belastet. Die Vertragsjuristen der Treuhandanstalt haben es daher mit Ausnahme weniger Regelungskomplexe vermieden, die Rechtsfolgen rur den Fall der Rückabwicklung unter Modifizierung des gesetzlichen Leitmodells detailliert zu regeln.
B. Rücknahme von Unternehmen durch die Treuhandanstalt außerhalb gesetzlicher und vertraglicher Verpflichtungen Der Vorstand der Treuhandanstalt hat alle mit Privatisierungsaufgaben beschäftigten Direktorate angewiesen, die verkauften Unternehmen nicht mehr zurückzunehmen. Dies soll auch dann gelten, wenn offenkundig ist, daß im Einzelfall die Privatisierung gescheitert ist oder zu scheitern droht. Eine Rücknahme kommt nur unter engen Voraussetzungen in Betracht4 • Dieses starre Prinzip ist dadurch zu erklären, daß es das ureigenste Anliegen der Privatisierungsbehörde Treuhandanstalt ist, sich nach der Privatisierung in Erfilllung ihrer Aufgaben sukzessive selbst aufzulösen. Eng damit verwoben ist ein Personalabbau und eine Mitarbeiterfluktuation mit einem irreparablen Verlust an Erfahrungs- und Informationswerten. Von der Auflösung vorrangig betroffen sind mit zunehmendem Fortschritt der Privatisierung zunächst die sogenannten operativen Abteilungen, und zwar die Beteiligungsfilhrung und die Verkaufsteams5 . Speziell diese Abteilungen erforderten den Einsatz qualifizierter;hochdotierter Berater aus der Wirtschaft. Nur das Vorhandensein operativer Einheiten kann die Rücknahme und die Sanierung der vom wirtschaftlichen Zusammenbruch bedrohten Unternehmen steuern. Der organisatorische und personelle Aufwand sowie die damit verbunden Kosten stünden unter fiskalischen Gesichtspunkten aber in keinem Verhältnis mehr zur geringen Gesamtzahl der fehlgeschlagenen Privatisierungen. Zudem würden die neuen, mit der vormaligen Privatisierung nicht betrauten Mitarbeiter wiederum erhebliche Zeit benötigen, sich in die komplexen Privatisierungsflllle einzuarbeiten6 .
4 Vgl. Schreiben des Generalbevollmächtigten der Präsidentin der Treuhandanstalt vom 16.10.1992.
5 Eine enge Ausnahme sind die Gründung von sogenannten Management KGs, in die die Restunternehmen nach Auflösung der Verkaufsdirektorate überführt wurden, und die mittelfristig die als sanierungswürdig eingestuften Unternehmen verkaufen sollen. 6 Im übrigen stellt es rur die Treuhandanstalt schlichtweg ein großes Problem dar, daß mit jedem ausgeschiedenen qualifizierten Mitarbeiter ein unwiderbringlicher Wissensverlust verbunden ist und ein immenser Zeitverlust durch Einarbeitung neuer Mitarbeiter entsteht.
270
7. Kap.: Die Privatisierung im Konflikt mit RückabwicklungsansprUchen
Die vorgenannte Selbstbindung der Treuhandanstalt kann nicht ausnahmslos gelten. Eine Rücknahme kann beispielsweise dann in Betracht kommen, wenn offenbar wird, daß bei der Privatisierung eklatante Fehlentscheidungen bis hin zu strafrechtlich relevanten Begleiterscheinungen aufgetreten sind. Die völlige Umgestaltung der Volkswirtschaft in den neuen Bundesländern zog einen nicht unbeträchtlichen Prozentsatz von Investoren zweifelhafter Kompetenz und Bonität, wenn nicht sogar Betrüger an. Deren Absicht bestand und besteht weiterhin darin, die erworbenen Unternehmen fmanziell auszuhöhlen und die vertraglich zugesagten Investititions- und Arbeitsplatzverpflichtungen nicht einzuhalten. Diese Leute vertrauen darauf, daß eine solche Bürokratie wie die Treuhandanstalt zu schwerfällig ist, um ihrem kriminellen Treiben durch aktive Prozeßführung und Ergreifung von Vollstreckungsmaßnahmen Einhalt zu gebieten. Hier kann eine Rücknahme als ultima ratio in Betracht kommen, wenn infolge des strafbaren Verhaltens der Privatisierungszweck vereitelt wird, der Treuhandanstalt oder dem noch sanierungsfllhigen Unternehmen infolge des strafbaren Verhaltens weiterer Schaden erwächst, und der weitere Schaden nur durch eine Rücknahme verhindert oder gemindert werden kann7 . Die Geschehnisse in der Niederlassung Halle der Treuhandanstalt zeigen, wie leichtfertig und von kriminellen Machenschaften begleitet die Treuhandanstalt manche Unternehmen unseriösen Investoren auslieferte. Nach Bekanntwerden der dubiosen Vorgänge war es schon ein Gebot politischer Rücksichtnahme, eine Vielzahl von Kaufverträgen rückgängig zu machen, um die Grundlagen einer erfolgversprechenden Privatisierung neu zu schaffenS. Eine Rücknahme kommt beispielsweise auch dann in Betracht, wenn größeren Industrieunternehmen sogenannter Kernbranchen die Gesamtvollstreckung droht. Die kann zu gravierenden Strukturproblemen einer ganzen Region führen. In solchen Fällen sind die Unternehmen wieder unter die treuhänderische Obhut des Staates zu stellen, zu sanieren und erneut zu privatisieren.
c. Das Risikopotential in den Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt f"dr eine Rückabwicklung
Gibt es schon im Investitionsvorrangverfahren, wie ausgeführt, genügend Risiken, die die Rückabwicklung des Vertrages nach Bereicherungsrecht
7
Vgl. § 5 der VM-Richtlinien der Treuhandanstalt, Stand 03/95.
8 Dies führte im Fall der Niederlassung Halle dazu, daß nahezu die Hälfte des Personals ausgewechselt werden mußte. Solche Vorkommnisse lassen sich bei einer solch tiefgreifenden Umwälzung des gesamten Wirtschaftslebens als Begleiterscheinung nie ausschließen Der bei der Wiedervereinigung durch Wirtschaftskriminalität verursachte Schaden wird schon heute auf einen zweistelligen Milliardenbetrag geschätzt.
C. Risikopotential in den Verträgen der THA fUr eine Rückabwicklung
271
auslösen können, so ,wird durch die Regelung des § 8 Abs. 3 InVorG unter bestimmten Voraussetzungen sogar die Verpflichtung des Investors statuiert, das Unternehmen an die Treuhandanstalt bzw. den Altberechtigten zurückzuübertragen. Hierdurch spiegelt sich nachdrücklich der Schutz der Vermögenswerte der Alteigentümer, aber auch die Bestrafung des vertragsbrüchigen Investors durch den Staat wegen der Nichtverwirklichung von gemeinwohlorientierten Zielen wider, und fUhrt zu der fUr die Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt atypischen Dynamik. Die Treuhandanstalt kann aus unterschiedlichen Gründen die anderen potentiellen Gefahren fUr die Rückabwicklung der Privatsierungsverträge nicht ausschließen. So betont sie zwar, daß eine Pflicht zur Rücknahme von Unternehmen aus Gründen der Staatsräson nicht in Betracht kommt, wenn die Privatisierung zu scheitern droht und die Gesamtvollstreckung oder Liquidation des Unternehmens zu befUrchten ist. Der gesetzliche Auftrag, die Unternehmen zügig zu privatisieren, beinhaltet nicht, notleidende Unternehmen wieder in die treuhänderische Obhut zurückzunehmen, wenn diese aus vielfältigsten Gründen nicht am Markt bestehen können. Auf der anderen Seite bringen es aber die vermögensrechtlichen Probleme, das Altlastenpotential auf Unternehmensgrundstücken etc. mit sich, daß die Treuhandanstalt den Investoren Rücktrittsrechte zugestehen muß. I. Rückübertragung des Unternehmens wegen Nichteinhaltung der investiven Zusagen nach Ablauf der Zweijahresfrist Die wichtigste Fallgruppe fUr die etwaige Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen ist die vom Gesetzgeber statuierte Rückübertragungsverpflichtung des Unternehmens durch den Investor nach Ablauf der Zweijahresfrist bei schuldhafter NichterfUllung der investiven Zwecke gemäß § 8 Abs. 3 S.2 InVorG. Dadurch wird eine Balance zwischen dem Schutz der Alteigentümer und der Durchsetzung volkswirtschaftlicher Ziele geschaffen. Hierdurch erwuchs ein historisch einmaliger Präzedenzfall, indem der Gesetzgeber den § 8 Abs. 3 InVorG als privatrechtsgestaltendes Recht formulierte 9 • Darüber
9 Die unmittelbare gesetzliche Verpflichtung zur Rückübertragung des Unternehmens bedarf keiner Konkretisierung mehr im Verwaltungsakt des Investitionsvorrangbescheids. Die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts fUhrt nur zu dessen Anfechtbarkeit, aber nicht zu einer Unwirksamkeit des investiven Vertrages, sofern die Wirksamkeitsvoraussetzungen in dem Vertrag enthalten sind. Andererseits kann aber auch hier nicht von dem Vorhabenträger verlangt werden, daß er einer nachträglichen Anpassung des Vertrages an besondere Bestimmungen des Verwaltungsakts zustimmt. Auch hier kann lediglich mit dem Widerruf des Bescheids gedroht werden.
272
7. Kap.: Die Privatisierung im Konflikt mit Rückabwicklungsansprüchen
hinaus ist das Unternehmen auch schon vor Ablauf der Zweijahresfrist zurückzuübertragen, wenn der Investitionsvorrangbescheid ausnahmsweise unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG aufgehoben wird, etwa bei völliger Betriebsstillegung. Die allgemeinen Regelungen §§ 48, 49 VwVfG bleiben insoweit neben der Spezialregelung des § 8 InVorG anwendbar. Die Rückübertragungsverpflichtung kann gehemmt sein oder unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 S. 2 InVorG entfallen, "wenn die Nichtdurchführung oder wesentliche Änderung des Vorhabens auf zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht voraussehbare, dringende betriebliche Erfordernisse zurückzuführen ist" 10. In fast allen Fällen sind die Privatisierungsverträge schon beurkundet, bevor das Investitionsvorrangverfahren eingeleitet wird. Nach § 8 Abs. 3 InVorG bedient sich das Gesetz bei Unternehmen einer privatrechtlichen Wirksamkeitskonstruktion. Der Gesetzgeber gibt lediglich bestimmte Minimalvorschriften vor, ohne die der Privatisierungsvertrag nicht wirksam zustande komme I. Der Erwerber hat sich zur Rückübertragung des Unternehmens zu verpflichten. Der öffentlich-rechtliche Investitionsvorrangbescheid bedarf einer zivilrechtlichen Transformation in den Unternehmenskaufvertrag durch Aufnahme einer entsprechenden Rückübertragungsklausel 12. Schon nach dem Wortlaut der Norm genügt demnach die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts nicht den Anforderungen des § 8 Abs. 3 S. 1 InVorG. Weitergehend soll sichergestellt werden, daß die Rückübertragung des Unternehmens nicht von der Ausübung eines Gestaltungsrechts durch den Verfügungsberechtigten abhängt 13 •
§ 8 Abs. 3 S. 3 In VorG durchbricht die Trennung von grundstücks- und unternehmensbezogenen Regelungen, indem darin geregelt wird, daß die Rückübertragungsverpflichtung auch fUr Grundstücke und Gebäude gilt, die im Zusammenhang mit einem Unternehmen veräußert oder verpachtet werden,,14. Durch die Regelung des § 8 Abs. 3 S. 3 InVorG werden die in § 2 Abs. 2 S. 1 10 Diese Rückübertragungspflicht "schwächt" sich ab in ein Rücktrittsrecht der Treuhandanstalt ab, wenn keine vermögensrechtliche Ansprüche auf das Unternehmen vorliegen.
II
Wächter, WM 1992, 1841, 1842 und 1844.
12 Wächter, WM 1992, 1841, 1843, wonach abweichend von der öffentlichrechtlichen Konstruktion bei Immobilien die Stelle für InVorG-Entscheidungen der Treuhandanstalt keinen Einfluß nimmt auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Rückübertragungsklausel im Unternehmensprivatisierungsvertrag nach § 8 Abs. 3 InVorG.; Mitlehner, in: RodenbachlSöjker/Lochen, InVorG, § 8 Rdn. 16.
13
Mitlehner, in: RodenbachlSöjker/Lochen, InVorG, § 8 Rdn. 201.
14
Mitlehner, in: RodenbachlSöjker/Lochen, InVorG, § 8 Rdn. 218.
C. Risikopotential in den Verträgen der THA für eine Rückabwicklung
273
Ziff. 1 InVorG getroffene Klarstellung und die nach § 3 Abs. 2 InVorG mögliche Erstreckung unternehmens bezogener Investitionsvorrangbescheide auf betriebsnotwendige Grundstücke konsequent fortgefilhrt. Erwirbt der Investor also ein Unternehmen im Wege des Anteilskaufs und soll der Investitionsvorrangbescheid auf ein Grundstück erstreckt werden, das allein einem Grundstücksrestitutionsanspruch ausgesetzt ist, so hat der Investor nach § 3 Abs. 2 InVorG nicht ein grundstücksbezogenes, sondern ein unternehmensbezogenes investives Konzept vorzulegen lS • Auf die von § 8 Abs. 3 S. 3 InVorG erfaßten Grundstücke oder Gebäude sind allein die unternehmensbezogenen Normen der §§ 12 ff. InVorG anzuwenden, so daß insbesondere § 15 InVorG nicht ·ft16 . . emgrel Dies bedeutet, daß bei NichtdurchfUhrung des besonderen Investitionszwecks bei einem im Zusammenhang mit einem Unternehmen veräußerten Grundstück oder Gebäude ein Widerruf des Investitionsvorrangbescheids nicht erforderlich ist. Vielmehr ergibt sich die Pflicht des Investors, das Unternehmen zurUckzuübertragen, unmittelbar und allein aus dem Vertrag 17. Der Vertrag bleibt grundsätzlich. wirksam und wird aufgrund der vertraglichen Rückübertragungsverpflichtung in ein Rückabwicklungsverhältnis überfilhrt l8 • Die Treuhandanstalt trägt den gesetzlichen Vorgaben durch folgende Vertragsgestaltung Rechnung: Klauselbeispiel:
§ ... RestitutionsansprUche a) Beim asset-deal:
(... ) Erftlllt die Käuferin ihre Verpflichtungen gemäß §§ ... nicht oder wird der Investitionsvorrangbescheid bestandskräftig widerrufen, ist die Käuferin verpflichtet, den Kaufgegenstand zurUckzuübertragen. Auf §§ 8, 12, 14 InVorG wird hingewiesen. Die durch die Rückabwicklung entstehenden Kosten, insbesondere die Notar- und Gerichtskosten sowie die GrunderIS
Mitlehner, in: RodenbachlSöjker/Lochen, InVorG, § 8 Rdn. 221.
16
Mitlehner, in: RodenbachlSöjkeriLochen, InVorG, § 8 Rdn. 225.
17 Ley, in: J/URI/K, InVorG, § 12 Rdn. 52, wonach gemäß der Intention des Gesetzgebers die in § 12 Abs .3 InVorG enthaltene Verweisung nur für den Grundstücksverkauf gilt, als für den Fall des Widerrufs des Investitionsvorrangbescheids gemäß § 15 InVorG zwar die Wirksamkeitsregelung des § 7 Abs. 1 GVO greifen soll, hingegen nicht die Rückabwicklungsregeln des § 7 Abs. 2 und 3 GVO.
18
18 HeB
Racky, in: J/URlW, InVorG, § 8 Rdn. 40 f.
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7. Kap.: Die Privatisierung im Konflikt mit Rückabwicklungsansprüchen
werbsteuer trägt die Käuferin. Die Vertragsstrafe wird von der Verpflichtung zur Rückübertragung nicht berührt. Die Verpflichtung entfiillt, wenn die Käuferin nachweist, daß die Nichteinhaltung der Verpflichtungen gemäß §§ ... auf zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht voraussehbare dringende betriebliche Erfordernisse ZUTÜckzufilhren ist. b) Beim share-deal:
( ... ) Erfüllt die Käuferin ihre Verpflichtungen aus §§ .. nicht, so ist sie verpflichtet, den Kaufgegenstand an den Verkäufer ZUTÜckzuübertragen. Die durch die Rückabwicklung entstehenden Kosten, insbesondere die Notarund Gerichtskosten sowie die Grunderwerbsteuer trägt die Käuferin. Die Vertragsstrafe wird von der Rückübertragung nicht berührt .. Die Verpflichtung zur Rückübertragung entfiillt, wenn die Käuferin nachweist, daß für die Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus §§ ... dringende betriebliche Erfordernisse ursächlich waren, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht voraussehbar waren .... Der Regierungsentwurf begründete eine solche Rückübertragungserpflichtung damit, daß nach Auffassung der Bundesregierung die Rückübertragungsauflage in ihrer Koppelung an die Durchftlhrung eines Gesamtinvestitionsvorhabens bei Unternehmen zweckmäßig sei l9 • Die Vorstellung von einem konkreten Gesamtvorhaben, dessen vollständige Durchführung kontrolliert werden kann, treffe bei einem Unternehmen so nicht zu. Der investiye Zweck mache sich nicht in einer konkreten, Z.B. einer baulichen Maßnahme bemerkbar, sondern im Betrieb und vor allem im Erfolg des Unternehmens. Für Unternehmen wurde daher in Anlehnung an § 3 a Abs. 7 VermG a.F. eine vertragliche Rückübertragungsverpflichtung ft1r den Fall vorgesehen, daß die ftlr die ersten beiden Jahre versprochenen investiven Maßnahmen vom Investor nicht durchgeführt werden. Bei Unternehmen ist für die Erreichung des investiven Zwecks nach § 3 Abs. 2 In VorG entscheidend, daß der Vorhabenträger dem Unternehmen Kapital zur Verfügung stellt, vgl. §§ 2 Abs. 2 S. 1 Ziff. 2 und 3 Abs. 2 In VorG. Der Vorhabenträger schuldet mithin nicht einen Erfolg, sondern nur ein Handeln. Die Rückübertragungsverpflichtung kann daher nur an die Einhaltung der zugesagten Kapitalzuführung und/oder Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen für einen bestimmten Zeitraum geknüpft werden.
19
Mitlehner, in: RodenbachlSöjkeriLochen, InVorG, § 8 Rdn. 4.
c. Risikopotential in den Verträgen der THA für eine Rückabwicklung
275
Der Entscheidungstenor eines Investitionsvorrangbescheids lautet beispielsweise folgendennaßen: 1. Die Veräußerung des Unternehmens/einschließlich der Gundstücke erfolgt fUr einen investiven Zweck im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InVorG.
2. § 3 Abs. 3 bis 5 VennG ist auf diese Veräußerung nicht anzuwenden. 3. Diese Veräußerung bedarf keiner Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom ...
4. Die von dem Erwerber im Vorhabenplan zugesagten investiven Maßnahmen mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von ... DM sind bis zum ... durchzufUhren. 5. Dieser Bescheid ergeht unter der Bedingung, daß sich der Erwerber vertraglich verpflichtet, a) auf das in Ziff.l genannte Unternehmen/Grundstück bis zum ... (Zweijahresfrist DM ... zu investieren; b) auf dem in Ziff.l bezeichneten Unternehmen/Grundstück bis zum ... (Zweijahresfrist) ... Vollzeitarbeitsplätze zu sichern; c) fUr den Fall der ganzen oder teilweisen NichtdurchfUhrung der vertraglich zugesagten Investitionen in Höhe von DM .. eine Vertragsstrafe in Höhe von ... % der zugesagten, aber nicht durchgeführten Investitionen zu bezahlen; d) für den Fall, daß die vom Erwerber zugesagten Arbeitsplätze ganz oder teilweise nicht bis zum ... gesichert werden, eine Vertragsstrafe in Höhe von ... DM für jeden an der Zahl der garantierten Vollzeitarbeitsplätze fehlenden Arbeitsplatz und für jeden Monat, in dem dieser nicht besetzt ist, zu bezahlen; e) für den Fall der Nichteinhaltung der vorgenannten Verpflichtungen das in Ziff. 1 bezeichnete Unternehmen zurUckzuübertragen. Beim share deal gibt es mangels Wirkens dinglicher Mechanismen zu einer Bedingungskonstruktion praktisch keine Alternativen. Wegen des Fehlens der Konzentrationswirkung der Grundstücksverkehrsgenehmigung erwies sich eine Vertragsgestaltung durch die Juristen der Treuhandanstalt mittels einer Voluntativbedingung als besonders praktikabefo. Der entsprechende Passus im Vertrag lautet, daß "die Übertragung der Geschäftsanteile unter der aufschiebenden Bedingung steht, daß die Treuhandanstalt dem beurkundenden Notar
20
IS·
Wächter, WM 1992, 1885, 1890 Fn. 46.
276
7. Kap.: Die Privatisierung im Konflikt mit Rückabwicklungsansprüchen
unter Bezugnahme auf diesen Paragraphen gesondert schriftlich mitteilt, daß der Vertrag ohne Verletzung von § 3 Abs. 3 VermG vollzogen werden kann." Bei Widerruf des Investitionsvorrangbescheids wegen Nichteinhaltung der investiven Zusagen wird der Vertrag nicht unwirksam, sondern in ein Rückgewährschuldverhältnis umgestaltet. Gemäß § 12 Abs. 3 InVorG ist der Vermögenswert zurückzuübertragen. Bei Unternehmen bestimmen sich die Einzelheiten nach dem Vertrag, vgl. § 12 Abs. 3 S. 2 InVorG. Die vertraglich geregelte Verpflichtung zur Rückübertragung stellt entweder ein vertragliches Rücktrittsrecht gemäß § 346 BGB oder eine Verwirkungsklausel gemäß § 360 BGB fUr den Fall der nicht rechtzeitigen ErfUllung der vertraglichen Verpflichtungen dar21 • Der Gesetzgeber überläßt die Lösung der komplexen Einzelfragen der Rechtspraxis zur Klärung. Allerdings fehlt im Gesetz eine ausdrückliche KlarsteIlung, wonach der Verkäufer des investiven Unternehmenskaufvertrages auch verpflichtet ist, von diesen auf Grund des Widerrufs sich ergebenden vertraglichen Rechten Gebrauch zu machen. Gleichwohl dürfte er hierzu nach allgemeinen Regeln verpflichtet sein22 • Allerdings ist eine Einschränkung dahingehend zu machen, daß die Treuhandanstalt nur dann zur Rückforderung des Unternehmens in dem Fall verpflichtet ist, wenn der Restitutionsberechtigte darauf besteht. Hat der Restitutionsberechtigte hingegen gemäß § 16 InVorG nach Feststellung seiner Berechtigung die Erlösauskehr gewählt, so würde der Zweck der gesetzlichen Regelung in sein Gegenteil verkehrt23 • Eine Aufhebung des Investitionsvorrangbescheids kommt vor Ablauf der Zweijahresfrist nach den allgemeinen Vorschriften in Betracht, insbesondere gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG24 . Der Anmelder kann hierbei nur eine Anregung geben. Da seine Interessen nicht deckungsgleich mit den in § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG geforderten öffentlichen Interessen sind, fehlt es ihm regelmäßig an einer ensprechenden Antrags- und Klagebefugnis. Verwendet der Erwerber das Unternehmen unter Verstoß gegen den Bescheid oder zu einem anderen als dem darin genannten Zweck, so wäre die Behörde berechtigt, den Bescheid nicht zu erlassen. Darüber hinaus ist regelmäßig auch das öffentliche Interesse geflihrdet, wenn der Bescheid nicht widerrufen wird. Die fehlerhafte Nutzung wird in der Regel darin liegen, daß die Investitionen entweder überhaupt nicht oder nur in geringerem Umfang vorgenommen werden, als noch im Vorhabenplan zugesagt. Damit verbunden ist stets ein Verlust oder eine wesentliche Geflihrdung bestehender bzw. die 21
Ley, inJ/LiRIW/K, InVorG, § 15 Rdn. 38.
22
Ley, inJ/LiRIW/K, InVorG, § 15 Rdn. 4.
23
Ebbing, Verkaufspraxis, S. 160 f. und 276, Fn. 7.
24
Galler, in: RlRIB, Kommentar zum InVorG, § 8 Rdn. 62.
· C. Risikopotential in den Verträgen der THA für eine Rückabwicklung
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Nichteinrichtung geplanter Arbeitsplätze. Dies begründet für sich genommen schon die für den Widerruf erforderliche Gefährdung des öffentlichen Interesses gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG. Zu untersuchen ist, wie die Mitwirkungspflicht des Verfügungsberechtigten zur Rückübertragung des Unternehmens auf den Alteigentümer dogmatisch zu begründen ist. Zustimmung verdient die Ansicht im Schrifttum, daß es sich hierbei um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter handelt. Es ist ausreichend, daß sich aus den Umständen des Falles konkrete Anhaltspunkte für einen auf den Schutz Dritter gerichteten Partei willen ergeben. Außerdem ist ein Drittschutz auch dann zu bejahren, wenn die Leistung nach dem Vertragsinhalt bestimmungsgemäß dem Dritten zugute kommen soll. Die Schutzwirkung erstreckt sich auf Sach- und Vermögensschäden. Hieraus resultiert ein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Berechtigten, der diesen im Wege der Naturalrestitution auch dazu berechtigt, zu verlangen, was Gegenstand seines Schutzes sein sollte, nämlich die Geltendmachung der Rückübertragungsansprüche des Verfügungsberechtigten 25 • Der Schutz der Alteigentümer muß soweit reichen, daß diese bei Nichterfüllung der investiven Zwecke die Behörde zur Durchsetzung ihrer privaten Vermögens interessen verpflichten können. Insoweit kommt dem In VorG ein besonderer Drittschutz zu, wobei der geschützte Personenkreis eindeutig bestimmt ist. Daher wird man die Regelung des § 12 Abs. 3 S. 1 InVorG auch als ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 In VorG anzusehen haben. Die Bestimmung eröffnet den Alteigentümern zusätzlich Schadensersatzansprüche gegenüber den staatlichen Stellen bei Nichtausübung oder nicht sachgerechter Ausübung ihres Rücknahmeermessens. 11. Rückabwicklung des Vertrages wegen Autbebung des Investitionsvorrangbescheids im Klageverfahren § 12 InVorG regelt ebenfalls einen weiteren speziellen Fall der Rückabwicklung. Klagt der Alteigentümer gegen einen Investitionsvorrangbescheid, der zugunsten des Unternehmenskäufers ergangen ist, so kann der Investitionsvorrangbescheid unter Umständen gerichtlich aufgehoben werden. Beim Unternehmenskaufvertrag bestimmen sich die Einzelheiten der Rückabwicklung nach dem Vertrag gemäß § 12 Abs. 3 S. 2 InVorG. Enthält der Unternehmenskaufvertrag jedoch keine diesbezüglichen Regeln, so müßten die allgemeinen Regelungen zur Anwendung kommen. In der ursprünglichen Fassung des § 12 des Regierungsentwurfs hieß es allgemein für alle Fälle investiver Verträge, daß bei Rücknahme, Widerruf oder der sonstigen Aufhebung einer Investiti25
Ley, inJILlRlWIK, InVorG, § 15 Rdn. 4l.
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7. Kap.: Die Privatisierung im Konflikt mit Rückabwicklungsansprüchen
onsbescheinigung § 7 der GVO sinngemäß gilt. Soweit die Vermögensübertragung bereits stattgefunden hat, verbleibt es damit zwar bei der Wirksamkeit des investiven Vertrages, in jedem Fall gelten aber die Rückabwicklungsmodalitäten des § 7 GVO in Bezug auf die Unternehmensgrundstücke. Hier soll der Investor geschützt werden, als er in der Schwebezeit darauf vertrauen durfte, beim asset deal endgültiger Erwerber der Grundstücke zu werden. Der Verweis auf die Vorschrift des § 7 Abs. 2 GVO zeigt, daß der Erwerber das Grundstück nur zurückübereignen muß, soweit es ihm noch gehört, und auch nur in dem Zustand, in dem es sich gerade befmdet. Offensichtlich soll kein Rückausgleich stattfinden, insbesondere ist der Erwerber auch nicht verpflichtet, Grundstücksbelastungen rückgängig zu machen. Die Gesetzesmaterialien sagen aus, daß zum einen der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts rückgängig gemacht werden muß. Zum anderen müssen aber die Interessen der finanzierenden Banken an dem Bestand der zu ihren Gunsten bestellten Grundpfandrechte und anderer zwischenzeitlich vorgenommenen Verfilgungen gewährleistet bleiben26 • Der Umfang der Schadensersatzverpflichtung des Verfilgungsberechtigten, die verschuldensunabhängig ist, bemißt sich nach dem Schaden, der dem Erwerber aus der Erfilliung der Verpflichtung zur Rückübertragung entstehe7 . Da allerdings der Umfang des Wiederauflebens des Rückübertragungsanspruchs von Handlungen des Verfügungsberechtigten und seines Vertragspartners abhängig sind, hat der Anmelder ebenfalls wieder einen Anspruch gegen den Verfilgungsberechtigten, daß dieser seinen Rückübertragungsanspruch gegen den Investor durchsetzes. Beim share deal geht dieser Mechanismus allerdings ins Leere, wenn das Unternehmen vom Investor zwischenzeitlich bereits an einen Dritten weiterübereignet wurde und dieser daher nicht in der Lage ist, den Vermögenswert an den Verfilgungsberechtigten zurückzuübertragen. Auch Schadensersatzpflichten dürften nicht bestehen. Gegen den Verfilgungsberechtigten scheiden diese aus, weil dieser den Kaufpreis oder die Gegenleistung erhalten hat und der Investor durch die Weiterveräußerung keine Vertragsverletzung gegenüber dem Verfilgungsberechtigten begeht, es sei denn, der Vertrag enthielte, wie bei Verträgen der Treuhandanstalt des öfteren vereinbart, ein zeitlich befristetes Veräußerungsverbot. Weiter besteht keine Verpflichtung des Verfügungsberechtigten, filr den Fall der Rücknahme des Investitionsvorrangbescheids oder seiner Aufhebung im Rechtsbehelfsvefahren Vorsorge zu treffen 29 • Da solche Pflichten nicht bestehen, kann sich auch der Verfiigungsbe26 Begründung Regierungsentwurf BR-Drucksache 227/92, S.183 und BT-Drucks. 12/2840, S. 61.
27
Jesch, in JILlR/WIK, In VorG, § 12 Rdn. 53.
28
Jesch, in JILlR/WIK, InVorG, § 12 Rdn. 55.
C. Risikopotential in den Verträgen der THA flir eine Rückabwicklung
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rechtigte gegenüber dem Berechtigten nicht schadensersatzpflichtig machen, wenn die Weiterveräußerung des Verrnögenswertes durch den Investor an einen Dritten erfolgte und der Vertrag hiertUr keine Sanktion vorsieheo. Ebensowenig sind Schadensersatzansprüche direkt im Verhäitnis zwischen Berechtigtem und Investor erkennbar. Bestehen keine Ansprüche des Berechtigten gegen den VertUgungsberechtigten, außer daß dieser Sorge dafür zu tragen hat, daß ihm selbst zunächst zur Weiterreichung an den Berechtigten der Verrnögenswert, soweit noch möglich, wieder zurückübertragen wird, bleibt auch eine Verschlechterung des Unternehmenswerts oder beispielsweise die Belastung des Unternehmens oder seiner Anteile mit Rechten Dritter ohne Konsequenzen. Dem Investor dürften jedoch bezüglich der Rückübertragung des Verrnögenswertes auf den VertUgungsberechtigten Zurückbehaltungsrechte zustehen, solange dieser ihm nicht zugleich auch den Kaufpreis oder sonstige Gegenleistungen, die der Investor erbracht hat, erstattee'. Es gelten die allgemeinen Regeln, sofern im Vertrag keine gesonderten Vereinbarungen getroffen wurden. Die Verpflichtung zur Rückübertragung entsteht bei Aufhebung des Investitionsvorrangbescheids kraft Gesetzes32 • Die Regelungen des Rücktrittsrechts passen nicht, da sie davon ausgehen, daß dem Rücktrittsberechtigten ein Wahlrecht verbleibt, ob er überhaupt das Rücktrittsrecht ausüben will. Außerdem führt die Interessenlage bei einern (schwebenden) Rücktrittsrecht dazu, daß gegenüber dem Rücktrittsberechtigten besondere Rücksichten zu nehmen sind, solange das Rücktrittsrecht noch ausgeübt werden kann. Soweit Rücktrittsregeln nicht gelten können, stellt sich die Frage, ob nicht die Vorschriften tUr die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung in entsprechender Anwendung des § 327 S. 2 BGB zur Anwendung kommen können33 • Auf das Verhältnis zwischen dem Alteigentümer und der Treuhandanstalt als VertUgungsberechtigten: sind allerdings bereicherungsrechtliche Grundsätze nicht anzuwenden. Insofern bestimmt § 12 Abs. 3 S. 2 InVorG schon nach seinem Wortlaut abschließend, daß sich neben der Rückübertragungsverpflichtung hinsichtlich des Verrnögenswertes in diesem Falle die Einzelheiten nach dem Vertrag und zusätzlich nach § 7 GVO bestimmen34 •
29 Jesch, in J/LiRIW/K, InVorG, § 12 Rdn. 56; anders flir den Fall der Nichtdurchflihrung der zugesagten investiven Maßnahmen, vgl. § 8 Abs.3 InVorG.
J()
Jesch, in J/LiRIW/K, InVorG, § 12 Rdn. 56.
JI
Jesch, in J/LiRIW/K, InVorG, § 12 Rdn. 56.
32
Jesch, inJ/LiRIW/K, InVorG, § 12 Rdn. 57.
J3
Jesch, inJ/LiRIW/K, InVorG, § 12, Rdn. 57.
34
Jesch, inJ/LiRIW/K, InVorG, § 12 Rdn. 59.
280
7. Kap.: Die Privatisierung im Konflikt mit Rückabwicklungsansprüchen
IH. Scheitern des Investitionsvorrangverfahrens Die Besonderheiten des Investitionsvorrangverfahrens selbst können dazu fUhren, daß der Vertrag mangels Erlasses eines Investitionsvorrangbescheids aus den genannten Gründen nicht wirksam wird und rückabzuwickeln ise 5 . Die Rückabwicklung richtet sich dann nach den bereicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff. BGB. Die damit verbundenen Fragestellungen ähneln denen, wie sie bei den Rücktrittsvorschriften der §§ 346 ff. BGB diskutiert werden. Die Treuhandanstalt kann für den praktisch bedeutsamsten Fall keinesfalls vertraglich garantieren, daß sich der Investor in dem Investitionsvorrangverfahren mit seinem Unternehmenskonzept gegenüber dem Alteigentümer durchsetzen kann36 • Die InvestitionsvorrangsteIle der Treuhandanstalt ist eine unabhängige, hoheitliche Stelle, die die Konzepte zu gewichten hat. Sie hat bei ihrer Entscheidung ein sachgerechtes Ermessen bei der Prüfung der Bonität der Vorhabenträger sowie des Umfangs der Investitions- und Arbeitsplatzzusagen auszuüben. Der Investor muß damit rechnen, daß der Kaufvertrag endgültig nicht wirksam wird, wenn der Alteigentümer im Investitionsvorrangverfahren ein besseres Konzept vorlegt. Der Käufer kann von Gesetzes wegen grundsätzlich nur Ersatzansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Treuhandanstalt bzw. des Treuhandunternehmens im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB geltend machen. Gleiches gilt für die anderen erörterten Fallkonstellationen, bei denen der Vertrag endgültig nicht mehr wirksam wird37 • Die Treuhandanstalt wird hierbei nur gewillt sein, dem Käufer diejenigen Investitionen zu ersetzen, die rur die ordnungsgemäße Führung des Unternehmens während des Zeitraums der schwebenden Unwirksamkeit unbedingt erforderlich waren. IV. Fehlende Transformation des Investitionsvorrangbescheids in den Privatisierungsvertrag Schließlich kommt es auch zu einer Rückabwicklung des Vertrages nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung, wenn die Parteien es gänzlich versäumt haben, trotz vorliegender Restitutionsansprüche die Rückübertragungsklausel in den Vertrag aufzunehmen. Das Fehlen einer Rückübertragungsklausel im Vertrag berührt die Rechtmäßigkeit des Investitionsvorrangbe-
35
Vgl. Kap. 5 Abschn. B.
36
Auch noch denkbar ist die Zustimmung der Alteigtentümer.
37
Vgl. Kap. 5 Abschn. B.
c. Risikopotential in den Verträgen der THA für eine Rückabwicklung
281
scheids niche s. Die Wirksamkeitskonstruktion des § 8 Abs. 3 InVorG bei einem Vertrag über ein Unternehmen hat in dieser Gestalt der Regelungstechnik ersichtlich schärfere Konsequenzen als die Auflagenkonstruktion. Eine Ungenauigkeit bei der Übernahme der Verpflichtungen nach § 8 Abs. 3 InVorG in den Vertrag im Rahmen der Nachbeurkundung kann zu einem Zivilrechtsstreit über die Wirksamkeit des Vertrages oder zu einem plötzlichen Wiederaufleben des Anspruchs des Restitutionsberechtigten führen. Letzterer kann sich unter Umständen darauf berufen kann, mangels Wirksamkeit des Vertrags sei keine Veräußerung nach § 11 Abs. 2 InVorG erfolgt. Der Vertrag ist dann ebenfalls auf der Grundlage des Bereicherungsrechts der §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln 39 • V. Vertragliche Rücktrittsrechte
Die Treuhandanstalt vereinbart zwar in der weit überwiegenden Zahl der Privatisierungsverträge einen weitgehenden Haftungsausschluß vor allem für etwaige Mängel des Unternehmens und die Richtigkeit der Bilanzen. Sie kann jedoch Zugeständnisse an die Investoren aufgrund der verworrenen rechtlichen und wirtschaftlichen Situation in den neuen Bundesländern kaum vermeiden. Die Treuhandanstalt kommt aufgrund ihrer Aufgabenstellung, zügig private Investoren für die unter ihrer treuhänderischer Verwaltung stehenden Unternehmen zu finden, daher oftmals gar nicht umhin, den potentiellen Käufern bei den Vertragsverhandlungen in engen Grenzen weitere Rücktrittsrechte zuzugestehen. Ein signifikantes Beispiel ist das zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages nicht bezifferbare Kostenrisiko bei altlastenbehafteten Grundstücken des Unternehmens. Übersteigt das Kostenrisiko einen gewissen Höchstbetrag, so soll sich der Investor gegebenenfalls vom Vertrag lösen können. Ein weiteres, in nahezu allen Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt anzutreffendes Rücktrittsrecht ist das folgende: Liegen Restitutionsansprüche vor, so wird der Eintritt der Wirksamkeit des Vertrages unter die aufschiebende Bedingung des Erlasses eines Investitionsvorrangbescheids gestellt. Der dadurch eintretende Schwebezustand des Vertrages ist für den Investor mit beträchtlichen Risiken behaftet. Er kann bis zur Bestandskraft des Investitionsvorrangbescheids nicht einfach darauf vertrauen, das Unternehmen in seiner Gesamtheit erwerben zu können. Gleichzeitig ist vielfach die unverzügliche Vornahme von
3K Vgl. zu § 3a VerrnG a.F.; VG Berlin VIZ 92, 451 f., BezG Dresden VIZ 1992, 412 ff. . 39
Ley, inJ/LiRIW/K, InVorG, § 15 Rdn. 37.
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7. Kap.: Die Privatisierung im Konflikt mit Rückabwicklungsansprüchen
Investitionen zur Erhaltung bzw. Stärkung des Unternehmenspotentials dringend erforderlich oder sogar unumgänglich. So besehen entsteht ein Spannungsfeld zwischen der Kontinuität in der Unternehmensführung und den Restitutionsansprüchen der Alteigentümer: Es kann für den Investor unzumutbar werden, bei solchen Risiken in das Unternehmen zu investieren; vor allem, wenn er notwendigerweise Investitionen in größerem Umfang vornehmen muß und für die Kreditvergabe persönlich haftet. Mit Rücksicht auf den Schwebezustand des Vertrages räumt die Treuhandanstalt dem Käufer eines mit Restitutionsansprüchen belasteten Unternehmens daher, wie erwähnt, oft ein zeitlich begrenztes Rücktrittsrecht für den Fall ein, daß der Investitionsvorrangbescheid nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums, in der Regel zwischen 6 und 9 Monaten ab notarieller Beurkundung, zu seinen Gunsten ergeht. Dadurch kann der Käufer sein Risiko kalkulieren und gegebenenfalls sein unternehmerisches Engagement in den neuen Bundesländern ungeachtet einer Überprüfung seiner wahren Motivation beenden 40 • Bisweilen räumt die Treuhandanstalt den Investoren auch Rücktrittsrechte für den Fall ein, daß in Abt. 2 oder 3 des Grundbuchs unzumutbare Belastungen eingetragen sind oder werden, und dieselben nicht oder nicht innerhalb angemessener Frist gelöscht werden können. Ein Rücktrittsrecht wird gelegentlich auch für den Fall eingeräumt, daß Verträge bestehen, die die Nutzung des Unternehmens maßgeblich beeinträchtigen. VI. Gesetzliche Rücktrittsrechte
Gesetzliche Rücktrittsrechte können auch aufgrund von Schwierigkeiten bei der eigentumsrechtlichen Zuweisung der Grundstücke auf die Treuhandunternehmen entstehen. Aufgrund der unübersichtlichen grundbuchrechtlichen Situation kommt es vor, daß ein Grundstück, das eigentlich auf die Gesellschaft im Wege der Vermögenszuordnung übertragen werden sollte, doch nicht zum Vermögen des Unternehmens gehört. Hier kann dem Investor kein Eigentum an dem Grundstück verschafft werden, so daß gegebenenfalls eine Rückabwicklung des Vertrages gemäß den §§ 433, 440, 325 ff. BGB zu erfolgen hat. Eine weitere Gruppe von potentiellen Rückabwicklungsfällen basiert auf der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen für Sachmängel durch die Investoren. Hieran knüpfen sich dem Grunde nach vielfältige Fragestellungen.
40 Der Vollständigkeit ist darauf hinzuweisen, daß das InVorG auch im Falle der sogenannten Unternehmens- oder Betriebsverpachtung gilt. Diese Fallgruppe einer Unternehmensprivatisierung führt in Anbetracht der wenigen Fälle nur ein Schattendasein und wird daher im Rahmen dieser Arbeit nicht näher untersucht.
C. Risikopotential in den Verträgen der THA für eine Rückabwicklung
283
So ist unbestritten, daß der share deal dem Grunde nach ein Rechtskauf ist. Daher ist umstritten, ob beim share deal überhaupt das Recht der Sachmängelgewährleistung Anwendung fmden karm, oder ob diese Fälle nicht vielmehr generell oder partiell nach dem Recht der Rechtsmängelhaftung gemäß §§ 437, 440, 325 ff. BGB zu lösen sind. Darüber hinaus ist es zusätzlich erforderlich, gleichermaßen für den share und asset deal festzulegen, wann Rechtsmängel oder Sachmängel vorliegen 41 • VII. Anfechtung des Vertrages Es ist weiterhin denkbar, daß eine Rückabwicklung des Vertrages aufgrund einer erfolgreichen Anfechtung des Vertrages durch eine der beiden Vertragsparteien zu erfolgen hat. Dieses Gestaltungsrecht wird allerdings nur in Einzelfällen auszuüben sein. Die Treuhandanstalt gibt dem potentiellen Käufer regelmäßig Gelegenheit, sich am Untemehmensstandort und anband der Bilanzen persönlich über den Zustand des Unternehmens zu informieren. Dies ist die generell übliche Praxis bei Kaufverhandlungen über ein Unternehmen. Auch die langen Verhandlungen bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, in Abweichung zu dem typischen Massengeschäft des Kaufs, führen nahezu immer zur Ausschaltung aller potentiellen Gefahrenquellen für eine Irrtumsbildung unter den Voraussetzungen der §§ 119 ff. BGB. Die §§ 459 ff. BGB sind leges speciales zu § 119 Abs. 2 BGB; die in § 119 Abs. 1 BGB geregelten Fälle des Erklärungs- und Inhaltsirrtums sind praktisch kaum relevant, und die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB liegen selten vor oder sind kaum beweisbar. Allein qie Aufklärung des Sachverhalts ist sehr mühsam und zeitaufwendig, um den Beweis· führen zu können, der Vertragspartner habe im Hinblick auf den Zustand einzelner Vermögensgegenstände, bilanzielle Bewertungsfragen u.ä. arglistig gehandelt42 • In der Mehrzahl solcher Fälle ist die Treuhandanstalt die Betrogene und im Interesse der Schadensminderung gehalten, den Vertrag aufzulösen; so zum Beispiel, wenn sie Bonitätsauskünfte von den Kaufinteressenten verlangte, und die Investoren als Nachweis geschönte oder gefälschte Bilanzen vorlegten oder unzutreffende Angaben über die ihnen gehörenden Unternehmen lieferten, falsche Kreditauskünfte gaben, und dies aus Zeitgründen nicht hinreichend überprüft wurde. Ist die Anfechtung des Vertrages im konkreten Fall erfolgreich, so stellt sich das Folgeproblem, ob die gesetzlichen Rechtsfolgen, ähnlich wie bei der
41
Vertiefend Kap. 8, insbes. Abschn. A-C.
42 LG Trier, Urt. v. 28.1. 1994, Az.: 5 066/92 und LG Lübeck, Urt. v. 15.11.l993, Az.: 10 0 58/93.
284
7. Kap.: Die Privatisierung im Konflikt mit Rückabwicklungsansprüchen
Rückabwicklung eines Untemehmenskaufvertrages aufgrund eines vertraglichen oder gesetzlichen Rücktrittsrechts, auf die besondere Sachlage passen. Hierbei wird auf die schwankende Rechtsprechung des BGH zu den Grundsätzen über die sogenannte fehlerhafte Gesellschaft im Wege richterlicher Rechtsfortbildung einzugehen sein43.
43 BGH ZIP 1982,837 und BGH ZIP 1990,371 ff.. , wo es in den Urteilsgründen u.a. heißt, daß es dieser Schutzwirkung der Rückabwicklung mit ex-tune Wirkung im Recht der Kapitalgesellschaft nicht bedürfe. Maßgeblich sei der Schutzzweck der §§ 67 Abs. 2 AktG, 16 Abs. 1 GmbHG, wonach die Gesellschaft im eigenen Interesse, aber auch zum Schutz von Veräußerer und Erwerber berechtigt und verpflichtet ist, unabhängig von der wahren Rechtslage jeden, der sich einmal ihr gegenüber als Erwerber ausgewiesen hat, so lange als solchen zu behandeln, bis eine Rechtsänderung bei ihr angemeldet und nachgewiesen ist. Gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG haftet der Veräußerer des Anteils der Gesellschaft beispielsweise auch weiterhin für die bis dahin auf den Geschäftsanteil rückständigen Leistungen. Gleiches hat zu gelten, wenn die Anteilsübertragung angefochten und dies der Gesellschaft gemeldet wird, für die Haftung desjenigen, der den Anteil anfechtbar erworben hat; er kann sich der Haftung für die Rückstände nicht durch nachträgliche Anfechtung entziehen. Die Fehlerhaftigkeit des Anteilserwerbs und eine daran anknüpfende Rückwirkungsfolge der Anfechtung seien damit auf die Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ohne Einfluß. Der Bestand der Gesellschaft werde ebenfalls nicht berührt, wenn mit der Anfechtung der Geschäftsanteil rückwirkend an den Veräußerer zurückfällt.
8. Kapitel
Rechtsdogmatische Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt Ein Schwerpunkt bei der Untersuchung von Unternehmenskaufverträgen ist die Frage, wie die Rückabwicklung solcher Verträge mit Hilfe des gesetzlichen Instrumentarium vermieden werden kann, und inwiefern die Parteien zu abweichenden Vereinbarungen vom dispositiven Gesetzesrecht gezwungen sind. Für den praktisch bedeutsamsten Fall, die Wandelung aufgrund von Sachmängeln, war es im Rahmen eines Rechtssymposiums in Kronberg schon Anfang der achtziger Jahre zu einer wissenschaftlichen Grundsatzdebatte gekommen. Die Zielstellung war seinerzeit gewesen, Wege zur Vermeidung der Wandelung von Unternehmenskaufverträgen aufzuzeigen 1. Rechtsprechung und Schrifttum stimmten grundsätzlich darin überein, daß die vollständige Rückabwicklung eines Unternehmenskaufvertrages bei Leistungsstörungen sich nur ganz ausnahmsweise als sachgerechte Lösung anbietee. Trotz der dogmatischen Schwierigkeiten wurde jedoch auch schon damals eine gesetzgeberische Initiative im Sinne einer spezialgesetzlichen "lex Unternehmenskauf' abgelehne. Die Vertreter der Kautelarjurisprudenz wiesen seinerzeit daraufhin, daß es vertraglicher Regelungen fUr den Fall der Geltendmachung des Rücktrittsrechts bedarf, wenn dem Käufer das Recht eingeräumt wird, bei Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Bedingungen vom Vertrage zurückzutreten. Die gesetzlichen Regelungen der §§ 346 ff. BGB würden in der Regel nicht ausreichen, die beim Rücktritt von einem Unternehmenskaufvertrag entstehenden
I Dies liegt vor allem in der dogmatisch schwierigen Einordnung des Unternehmensbegriffs in das System des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) begründet, da dessen Vorschriften über das Gewährleistungsrecht auf komplexe und einem ständigen Wechsel unterworfene Sachgesamtheiten nicht zugeschnitten sind.
2
Vgl. z.B. BeisellKlumpp, Unternehmenskauf, Rdn. 972 m.w.N.
3 Grunewald, ZGR 1982,452 ff.. ; am 22. /23.1.1982 tagte in Kronberg ein Rechtssymposiums über die zivilrechtlichen Fragen des Unternehmenskaufs (vgl. die Zusammenstellung der Forschungsberichte in ZGR 1982).
286
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
Fragen zu beantworten3•• Das Rechtsinstitut der Wandelung wurde als kaum praktikabel angesehen für die Lösung der Probleme. Daher wurde die Wandelung in der Praxis regelmäßig ausgeschlossen. Dies galt vor allem dann, wenn die das Wandelungsrecht auslösenden Mängel sich erst dann zeigten, wenn das erworbene Unternehmen womöglich schon in ein anderes eingegliedert war. Zum Zeitpunkt der Rückabwicklung ist in der Regel ein erheblicher Teil der erworbenen Gegenstände nicht mehr vorhanden. Gegenstände des Anlage- oder Umlaufvermögens sind veräußert, Forderungen eingezogen worden usw. Demgegenüber sind neue Vermögensgegenstände erworben, Verpflichtungen, die das Unternehmen betreffen und vom Erwerber übernommen werden, erfllllt sowie Investitionen und organisatorische Veränderungen vorgenommen worden 3b • Insbesondere beim Scheitern des Investitionsvorrangverfahrens und der Rückabwicklung des Privatisierungsvertrages nach der Zweijahresfrist des InVorG handelt es sich um atypische Fallkonstellationen, die aus Sicht der Treuhandanstalt kaum zu steuern und schwer vorhersehbar sind. Im Hinblick auf die potentiellen RückabwicklungsfiUle, die meist zu Lasten der Treuhandanstalt gehen, ist aufzuzeigen, welche Schranken sich sowohl ftlr die vertraglichen als auch die gesetzlichen Rücktrittsrechte auftun können. Hierbei lassen sich eine Vielzahl von Ansätzen unter den unterschiedlichsten Blickwinkeln diskutieren. Der Ausgangspunkt ist die begriffliche Klärung und Eingrenzung der Rechts- und Sachmängelhaftung auf das Unternehmen als Kaufgegenstand. Aufzuzeigen ist weiterhin, daß der Anwendungsbereich der Rechtsmängelhaftung auf den Unternehmenskauf naturgemäß nur von untergeordneter Bedeutung sein kann. Grundsätzlich muß dazu Stellung bezogen werden, ob das Recht der Sachmängelgewährleistung der §§ 459 ff. BGB überhaupt auf den Anteilskauf anwendbar ist, da es sich hier dem Grunde nach eigentlich um einen Rechtskauf handelt. Wird dies bejaht, so ist auf die Vorschläge im Schrifttum einzugehen, die in Anbetracht der Komplexität des Kaufgegenstands Unternehmen daftlr plädieren, dem Käufer Einzelrechtsbehelfe bei einzelnen mangelhaften Teilen des Unternehmens an die Hand zu geben. Auch auf diese Weise soll der Gefahr einer vollständigen Rückabwicklung des Vertrages begegnet werden. Es wird aufzuzeigen sein, inwiefern dieser Ansatz dogmatisch begründbar und sinnvoll ist. Die Komplexität des Unternehmens als Kaufgegenstand könnte weiterhin zur Folge haben, daß der Mangelbegriff betont restriktiv defmiert werden muß. Damit könnte der potentiell häufigste Fall der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen, die Wandelung, 3.
Quack, ZGR 1982, 350, 364.
3b Hölters, Handbuch des Untemehmens- und Beteiligungskaufs, 3. Aufl. 1992, S.496.
A. Anwendung der Rechtmängelhaftung beim Unternehmenskauf
287
nahezu ausgeschaltet sein. Weitere Barrieren vor einer vollständigen Rückabwicklung der Privatisierungsverträge der Treuhandanstalt bilden die gesetzlichen Einschränkungen der §§ 468-470 BGB und insbesondere ftlr alle Fallkonstellationen die allgemeinen Regelungen der §§ 351-353 BGB. Besondere Beachtung verdienen schließlich die Ansätze im Schrifttum, die in Anbetracht der rechtsdogmatischen Schwierigkeiten bei der Bewertung der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen die Anwendung von Lösungskonzepten praeter legern fordern. Das größte Augenmerk ist hierbei auf den Ansatz von Canaris zu richten, der ftlr eine vollständige Ablösung des Rechts der Sachmängelgewährleistung durch das Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage beim Unternehmenskauf eintritt. Nicht zuletzt deswegen ist in Anbetracht der spezifischen Schwierigkeiten der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern erneut zur Disposition zu stellen, inwiefern diesem Rechtsinsitut ein größerer Anwendungsbereich als üblich eröffnet ist.
A. Anwendungsbereich der Rechtsmängelhaftung beim Unternehmenskauf I. Rechte Dritter an Unternehmensgegenständen Ein Unternehmen muß zu Zwecken der Aufrechterhaltung von Produktion und Handel die Außenfmanzierung planen und den Waren- und Kreditgläubigern entsprechende Sicherheiten anbieten. Üblicherweise dient in besonderem Maße das Anlagevermögen den Banken als Sicherheit rur die Gewährung von Krediten, und die Warenlieferanten sichern ihre Forderungen dergestalt ab, daß sie einen sogenannten verlängerten Eigentumsvorbehalt durch die Abtretung von Forderungen aus dem Weiterverkauf der erzeugten Produkte vereinbaren. Darüber hinaus sind weitere Sicherungsrechte Dritter an den Vermögensgegenständen des Unternehmens in unterschiedlichster Form denkbar. Dies wirft folgende grundsätzlichen Fragen auf: - Stellen Sicherungsrechte Dritter an den Vermögensgegenständen bei der Veräußerung des Unternehmens einen Rechtsmangel des Unternehmens date? Ist beispielsweise die Pflicht zur Verschaffung eines Unternehmens "frei von Rechten Dritter" verletzt, wenn sich herausstellt, daß die Rohstoffvorräte des
3e Die h.M. will - wie im folgenden ausgeführt wird - bei Rechten Dritter an Unternehmensgegenständen nicht die Rechtsmänge1haftung, sondern die Sachmänge1haftung anzuwenden.
288
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Unternehmens unter Eigentumsvorbehalt stehen, oder daß der Maschinenpark zur Sicherheit für einen Kredit an eine Bank übereignet ist4? - Inwieweit ist der Begriff des Rechtsmangels in Bezug auf den Kaufgegenstand Unternehmen teleologisch zu reduzieren? Nachfolgend ist zwischen dem share und asset deal als den möglichen Erscheinungsformen des Unternehmenskaufs zu trennen 5 : Beim share deal ist die Erfassung der bestehenden Sicherheiten für die Unternehmensbewertung schon dann notwendig, wenn der Unternehmensträger gar nicht wechselt, weil nur sämtliche Anteile einer Gesellschaft verkauft werden. Der Unternehmensträger bleibt identisch. Für die Partner des Anteilserwerbs ist zu beachten, daß sich mit der Anteilsveräußerung möglicherweise ein außerordentliches Kündigungsrecht des Kreditgebers gegenüber der Gesellschaft verbindet6 • Bei dieser Form des Unternehmenskaufs bleiben von vornherein alle gegen das Unternehmen gerichteten Rechte Dritter bestehen. Entscheidend ist, daß aufgrund der Bilanzen und aufgedeckten Vertragsverhältnisse für den Käufer erkennbar ist, welche Rechte Dritter gegen das Unternehmen geltend gemacht werden können. Eine Haftung der Treuhandanstalt für Rechtsmängel kommt daher in Betracht, wenn sie nicht Inhaber der shares an dem zu verkaufenden Unternehmen ist, wobei formale Mängel bei der Gründung der GmbH' s ausschlaggebend sein können. Theoretisch denkbar ist ebenfalls, daß Anteile an Unternehmen schon vor der Prviatisierung verpfändet oder teilweise abgetreten wurden. Lezteres kam allerdings in der Privatisierungspraxis der Treuhandanstalt nicht vor7 • Beim asset deal werden die Wirtschaftsgüter im Rahmen des Verkaufs einer Sachgesamtheit einzeln übertragen 8 • Die Wirtschaftsgüter müssen zunächst von ihrem bisherigen Rechtsträger abgetrennt werden, um im folgenden nach den jeweils für die einzelnen Wirtschaftsgüter geltenden Vorschriften im Wege der Singularsukzession übertragen zu werden. Der bisherige Unternehmensträger als Verkäufer ist im Rahmen der geschuldeten Verschaffung des Unternehmens neben der Einweisung in den Tätigkeitsbereich hauptsächlich zur Übereignung 4
Canaris, ZGR 1982,395,428.
5
Hadding, ZGR 1982,476 ff.
6
Hadding, ZGR 1982,476,480.
7 Auch beim Auftreten von Rechtsmängeln an einzelnen Unternehmensgegenständen wird Sachmängelgewährleistungsrecht angewandt. Beim Anteilsverkauf ist grundsätzlich das Sachmängelgewährleistungsrecht der §§ 459 ff. BGB analog anzuwenden, da die Treuhandanstalt regelmäßig 100 % ihrer Anteile auf den Käufer überträgt. 8
Grundlegend BGH NJW 1977,624,625.
A. Anwendung der Rechtsmängelhaftung beim Unternehmenskauf
289
von Sachen (§§ 873, 925, 929 ff. BGB), zur Abtretung von Forderungen ( §§ 398 ff. BGB), zur Übertragung sonstiger Rechte (§ 413 BGB) und zur Übernahme von Verbindlichkeiten (§§ 414 ff. BGB) verpflichtet (§ 433 BGBf Der Verkäufer hat hierbei dem Käufer das Sachanlagevermögen und die Vorräte gemäß den Voraussetzungen des § 434 BGB grundsätzlich frei von Rechten Dritter zu verschaffen. 1. Leitlinien der Rechtsprechung
Das Reichsgericht nahm im sogenannten Patentfall einen Sachmangel im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB an lO• Andererseits zog das Reichsgericht bei einer vertraglichen Fabrikations- und Vertriebsbeschränkung einmal § 434 BGB heran, sofern der Käufer an sie gebunden war und daher von dem begünstigten Dritten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden konntelI. Ebenso entschied das Reichsgericht, wenn ein zum Betrieb des Unternehmens unerläßliches Recht, wie z.B. das Bohrrecht einer Erdölgesellschaft, nicht bestand l2 • Das Reichsgericht wandte ebenfalls § 434 BGB an, als bei dem Verkauf der Geschäftsanteile an einer GmbH ein dazugehörendes Grundstück mit einer Hypothek belastet war l3 • In diesem Fall bestand das Vermögen der Grundstücksgesellschaft im wesentlichen aus Grundbesitz, wobei die Geschäftstätigkeit sich nahezu völlig auf dessen Verwaltung beschränkte l4 • Die Rechtsprechung des BGH erachtet es als maßgeblich, die Sachsubstanz im Unternehmen dauernd nutzen zu können 15. Rechtlich braucht die Nutzungsmöglichkeit nicht abgesichert zu sein l6 . Die Rechtsprechung wendet hier die §§ 459 ff. BGB und nicht die §§ 434, 440 BGB an. So wandte der BGH
9
Hadding, ZGR 1982,476,481.
10
RGZ 69, 429, 432.
11
RGZ 88, 103, 105 f.
12
RGZ 86, 146.
13
RGZ 120,283 ff.
14 RGZ 120, 283, 288; zust. Canaris, da es gewährleistungsrechtlich einem Grundstückskauf gleichzustellen war.
lS
RGZ, 138, 354, 356; Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 49.
16 BGH JZ 69, 336 für den Fall der Sicherungsübereignung und BGH WM 1974, 312, wo der BGH beide Rechtsinstitute anwandte; Grunewald, Die Grenzziehung zwischen Rechts- und Sachmängelhaftung beim Kauf (im folgenden zitiert: Grenzziehung), 1980, S. 8.
19 HeB
290
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
beispielsweise in einem Fall, in dem das Sachanlagevermögen des Unternehmens sicherungsübereignet war, § 459 BGB an I7 • Im sogenannten Mietfall schließlich war die Fortführung des Unternehmen von der Erfiillung vertraglicher Pflichten durch Dritte abhängig 18: Eine Gastwirtschaft war verkauft worden und befand sich in gemieteten Räumlichkeiten. Der Käufer mußte mit dem Eigentümer einen Mietvertrag abschließen. Die Räume konnten für den Betrieb einer Gastwirtschaft aber nicht baupolizeilich abgenommen werden. Die Rechtsprechung bejahte hier das Vorliegen sowohl eines Sach- als auch eines Rechtsmangels und begründete dies mithilfe des weiten Fehlerbegriffs und den tatsächlichen Auswirkungen der Rechtsbeeinträchtigung. Diese Rechtsprechung legt mehr Wert auf den wirtschaftlichen Nutzeffekt, den der Käufer erzielen soll, als auf dessen formale Rechtsstellung. Wenn es aber beim Unternehmenskauf nicht so sehr auf die erworbene Rechtsstellung des Käufers ankommt, dann kann nach Auffassung des BGH für die geminderte Gebrauchstauglichkeit, die aus beeinträchtigtem Besitz herrührt, nicht ausschließlich das Rechtsmängelrecht, sondern daneben auch das Sachmängeirecht zum Zuge kommen. An diesem Fall zeigen sich die dogmatischen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Rechts- und Sachmängel in besonderem Maße. Auch bei der Beurteilung von bilanzierten, aber uneinbringlichen Forderungen und nicht im Aktivbestand vorhandener Rechte soll nach der Rechtsprechung zugleich der Anwendungsbereich der Rechts- und Sachmängelhaftung eröffnet • 19 sem. Bei Nichtverschaffung einzelner mitverkaufter Rechte wendet die Rechtsprechung die §§ 437, 440 BGB an20 • So hatte in dem "Gerüstbaufall" der Käufer die Bezahlung des restlichen Kaufpreises wegen eines Fehlbestands an Gerüsten verweigert21 • 2. Lösungsansätze im Schrifttum
Das Schrifttum ist gespalten in der Beurteilung darüber, ob im Falle von Sicherungsrechten Dritter an einzelnen Unternehmensgegenständen teilweise
17
BGH NJW 1969, 184.; a.A. Grunewald, Grenzziehung, S. 95.
18 BGH DB 1970,442; einen ähnlichen Fall hatte das Reichsgericht in RGZ 138,354 schon entschieden; Grunewald, Grenzziehung, S. 87 und 103.
19
RGZ 88, 103, 105 f.
20 BGH NJW 1970, 556; zust. Grunewald, Grenzziehung, S. 93, die grundsätzlich einen Rechtsbehelf auch wegen eines fehlerhaften Einzelstücks zugesteht.
21
BGH NJW 1979,33.
A. Anwendung der Rechtsmängelhaftung beim Unternehmenskauf
291
Rechtsmängel mit den Rechtsfolgen der §§ 440, 320 ff. BGB vorliegen22 , oder ob nicht vielmehr das Sachmängelrecht der §§ 459 ff. BGB anzuwenden ise 3 , um ein einheitliches Rechtsfolgensystem ohne eine Differenzierung der jeweiligen Fehlerquellen nach Fallgruppen zu gewährleisten. Eine Auffassung im Schrifttum will die §§ 434 ff. BGB zunächst begrifflich von der Anwendung auf den Unternehmenskauf ausgrenzen. So spricht nach Ansicht von Canaris schon der Wortlaut des Gesetzes dagegen, Rechte Dritter an einzelnen zum Unternehmen gehörenden Gegenständen als Rechte am Unternehmen selbst zu bezeichnen. Diese Auffassung ist abzulehnen24 • Zutreffend ist hingegen der Hinweis von Canaris, daß sachlich die Anwendung der Vorschriften über die Rechtsmängelhaftung in der Regel verfehlt ist, da Rechte Dritter an einzelnen Unternehmensgegenständen grundsätzlich eine normale Erscheinung sind, mit der der Käufer von vornherein rechnen muß. Das Unternehmen wird als solches grundsätzlich in seinem derzeitigen konkreten Zustand verkauft. Zu diesem gehören selbstverständlich auch bestehende Rechte Dritter an einzelnen Unternehmensgegenständen, so daß insoweit gar keine Beseitigungspflicht des Verkäufers besteht; sonst würde er mehr schulden als er verkauft hae5 . Dies schließt allerdings nach Ansicht von Canaris nicht aus, in bestimmten spezifischen Fällen die §§ 434, 440 BGB anzuwenden. Beispielsweise bejaht Canaris im "Mietfall" eine Haftung des Verkäufers wegen Rechtsmängel, da hier die Übernahme von der Zustimmung eines Dritten abhängig war und dieser die Mitwirkung verweigerte 26 . Obwohl Canaris den Anwendungsbereich der Sachmängelhaftung auf den Unternehmenskauf gänzlich ausschließen will, und stattdessen eine ganzeinheitliche Lösung mittels des Instituts vom Wegfall der Geschäftsgrundlage fordert 27 , macht er eine solche Einschränkung nicht für das Vorliegen etwaiger Rechtsmängel. Den gesetzlichen Anknüpfungspunkt für die Rechtsmängelhaftung sieht er in der Regelung des § 445 BGB, weil diese Bestimmung im Gegensatz zu § 493 BGB die kaufrechtlichen Vorschriften nicht nur bei Sachen, sondern generell bei allen Verträgen, "die auf Veräußerung ... eines Gegenstandes gegen Entgelt 22 Für Rechtsmangel z.B. Schlosser, JZ 1969,337,338, U. Huber, ZGR 1972, 395, 406,413, Hommelhoff, Sachmängelhaftung, S.49 f. Uedoch einschränkend S. 52). 23
Für Sachmangel: BGHZ 69, 336; Staudinger/Honsell, BGB, § 459 Rdn. 62.
24
Vgl. nachfolgend die Lösungsansätze von Hadding und Hommelhoff.
25
Canaris, ZGR 1982, 395, 428.
26 Canaris, ZGR 1982, 395, 426; BGH WM 1970, 319; BGH WM 1975, 1166.; Str., zustimmend Huber, ZGR 1972, 395, 414; Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 52; Baur, BB 1979,381,386; - a.A. Isay, Das Recht am Unternehmen, 1910, S. 153 f. 27
19'
Siehe nachfolgend Abschn. H I. dieses Kapitels.
292
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
gerichtet sind", für entsprechend anwendbar erklärt. Vom Wortlaut her soll dies auch für den Unternehmenskaufpassen28 • Diese Auslegung ist contra legern, da sie den Anwendungsbereich dieser Gesetzesbestimmung verkennt. Entgegen der Auffassung von Canaris und Baur29 läßt sich § 445 BGB nicht heranziehen, um eine entsprechende Anwendung der §§ 433 ff. BGB zu begründen. Denn § 445 BGB setzt einen Vertrag, nur eben keinen Kaufvertrag im Sinne des § 433 BGB voraus, der zudem auf die Veräußerung oder Belastung eines Gegenstands gegen Entgelt gerichtet sein muß. Hadding verweist auf die gesetzliche Pflicht des Verkäufers, gemäß § 434 BGB vor allem die beweglichen Sachen zu lastenfreiem Eigentum zu verschaffen 30 • Der Verkäufer hat es tunlichst zu unterlassen, den Eigentumserwerb des Käufers an Sachen unter Eigentumsvorbehalt eines Dritten oder an sicherungübereigneten Sachen kraft guten Glaubens des Erwerbers herbeizuführen, vgl. §§ 929 S. 1,932,936 Abs. 2 BGB. Der Verkäufer würde im Verhältnis zu dem Sicherungsnehmer wohl in der Regel die Sicherungsabrede verletzen, und der Käufer muß sich bei der meistens gegebenen Branchenüblichkeit jener Sicherungsrechte Dritter seinen bösen Glauben wegen § 932 Abs. 2 BGB entgegenhalten lassen3 !. Nach dieser Auffassung sind daher vom bisherigen Unternehmensträger bestellte Sicherheiten, die fortbestehen, immer "Rechte"; entweder handelt es sich um zusätzliche schuldrechtliche Ansprüche, oder um Sachenrechte, die von einem Dritten als Sicherungsnehmer gegen den Käufer des Unternehmens im Sinne von § 434 geltend gemacht werden können32 • Voraussetzung ist, daß das Unternehmen als Sach- und Rechtsgesamtheit als Objekt des Kaufs angesehen wird, und die Frage eines Mangels nicht auf die einzelnen Sachen und Rechte bezogen wird, die im Unternehmen vorhanden sind33 • Demzufolge begründen unerwartete Rechte Dritter an Unternehmensgegenständen eben einen Rechtsmangel des verkauften Unternehmens 34 • Hadding stellt klar, daß es nach der klaren gesetzlichen Regelung nicht darauf ankommen kann, ob die einzelne Sicherheit zu den Rechten Dritter gehört, die "direkt 28
Canaris, ZGR 1982, 395, 425.
29
Canaris, ZGR 1982, 395 ff.; J. Baur, BB 1979,381,382.
30
Hadding, ZGR 1982,476,484.
3\
Hadding, ZGR 1982, 476, 485.
32
Hadding, ZGR 1982, 476, 486.
33
K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl., 1994, § 6 11 2 b.
34 Hadding, ZGR 1982, 476, 487; ebenso Schlosser, JZ 1969,337,338; Huber, ZGR 1972,395,406,413; Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 49.
A. Anwendung der Rechtsmängelhaftung beim Unternehmenskauf
293
die Nutzung des Unternehmens hindern", d.h. die Produktion beeinträchtigen 35 • Auch die Forderung des Sicherungsnehmers auf eine Geldleistung aus einer dem Käufer des Unternehmens nicht mitgeteilten Garantieverpflichtung des bisherigen Unternehmensträgers begründet einen Rechtsmangel im Sinne des § 434 BGB. Wird die Frage des Rechtsmangels nur auf einzelne Unternehmensteile projeziert, so hätte das nach Auffassung von Hadding zur Folge, daß manche Sicherungsrechte Dritter, z.B. Pfandrechte, als Belastung einer Sache oder eines Rechts einzustufen und damit als Rechtsmangel dieser Sache oder dieses Rechts zu qualifizieren sind. Andere Sicherungsrechte, z.B. Forderungen aus einer Bürgschaft, einer Garantie oder einer anderen Personalsicherheit, können dann nicht als Rechtsmangel irgendeiner Sache oder irgendeines Rechts eingestuft werden. Hadding sucht eine Lösung über die Verlagerung des Problems auf die Frage nach dem Verschulden des Verkäufers und der Erkennbarkeit des Rechtsmangeis durch den Käufer. Eine gesetzliche Rechtsmängelhafiung wegen unberücksichtigt gebliebener Sicherheiten scheitert nach dieser Ansicht von vornherein am fehlenden Vertretenmüssen des Unternehmensverkäufers, wenn der Käufer den Mangel beim Abschluß des Kaufes kennt, vgl. § 439 BGB. Denn wer ein Großhandelsunternehmen kauft, kann eben schwerlich behaupten, er habe die Rechte Dritter nicht gekannt, wenn sich etwa für einen zusätzlichen Teil der mitveräußerten Vorräte herausstellt, daß sie unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden sind36 • Außerdem ist ein Anspruch des Unternehmenskäufers auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit oder Rücktritt, ungeachtet des § 440 Abs. 2 BGB, nur selten begründbar, weil der Käufer in der Regel nicht darlegen kann, daß die teilweise Erfüllung des Vertrags beim Unternehmenskauf nur wegen des Rechtsmangels einer unerwarteten Sicherheit für ihn nicht mehr von Interesse ist, vgl. § 325 Abs. 1 S. 2 BGB 37 • Darüber hinaus wird das Problem der Rechtsmängel beim Unternehmenskauf dadurch entschärft, daß sich in den Formularen der Kreditinstitute über die Begründung von Sicherheiten für gewährte Kredite oft Nachfolgeklauseln fmden. Diese haben zum Inhalt, daß der andere Schuldner aufgrund eines Inhaberwechsels oder einer Rechtsnachfolge hinsichtlich seiner Verbindlichkei-
35 Ohne überzeugende Abgrenzung Grunewald, ZGR 1981, 622, 623 f., ebenso Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 52, Müller, Haftung und Lossagungsrecht des Verkäufers von GmbH-Anteilen bei einseitiger oder geimeinsamer Fehleinschätzung der Unternehmenslage, (im folgenden zitiert: Haftung des Verkäufers), 1980, S. 246 m.w.N. 36
Hadding, ZGR 1982, 476, 488.
37
Hadding, ZGR 1982,476,488.
294
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
ten ebenfalls von der Sicherheit erfaßt sein soles. Für die akzessorischen Sicherheiten ist ein Wechsel des Schuldners der gesicherten Verbindlichkeit oder des Gläubigers der gesicherten Forderung oder des Eigentümers der belasteten beweglichen Sache in §§ 418, 401, 936 BGB gesetzlich geregelt. Die nichtakzessorischen Sicherheiten, insbesondere die selbständige Garantie und die Treuhandsicherheiten, sind demgegenüber gesetzlich nicht gesondert geregelt. Um Rechtsunsicherheit zu vermeiden, sind nach Ansicht von Hadding hier in besonderem Maße Abreden der Beteiligten eines Unternehmenskaufs erforderlich. Die Parteien sind gefordert, die rechtsgeschäftlichen Spielräume bei der Gestaltung des Unternehmenskaufvertrages auszuschöpfen 39 • Auch Hommelhoff wählt als Ausgangspunkt, daß der Käufer Anspruch auf lastenfreies Eigentum hat. Er fUhrt als Beispiel an, daß eine im Unternehmen enthaltene Maschine, die im Rahmen eines Unternehmenskaufs veräußert wird, rechtlich nicht anders zu behandeln ist, als wenn sie allein verkauft wäre40 • Deshalb muß auch der Unternehmensverkäufer dem Käufer grundsätzlich die Rechtsstellung eines unbelasteten Eigentümers der Substanzstücke und des Unternehmens insgesamt verschaffen41 • Andererseits müssen auch die praktischen Erfordernisse des Wirtschaftslebens gewichtet werden. Ein in den Wirtschaftsprozeß eingegliedertes Unternehmen ist nie frei von dinglichen Rechtsbeschränkungen und persönlichen Verpflichtungen des Unternehmensträgers. Der Erwerber weiß dies. Er übernehmt daher regelmäßig die meisten Beschränkungen in Anrechnung auf den Kaufpreis und schließt den Kaufvertrag in der Form ab, daß sich die Pflichten des Unternehmensverkäufers gegenüber den gesetzlichen, in den §§ 433 ff. BGB fixierten, Pflichten abwandeln42 • Wichtig und vorrangig sind in erster Linie die Parteivereinbarungen. Nach Auffassung von Hommelhoff beschränkt sich die Verkäuferpflicht auch unter Geltung des BGB darauf, nur die Ansprüche Dritter zu beseitigen, die den Käufer in der Nutzung und Auswertung der Kaufsache beeinträchtigen können43 • Wenn der Kaufvertrag nichts anderes bestimmt, muß der Unternehmensverkäufer den Käufer von allen Ansprüchen freistellen, mit denen Dritte den Unternehmenskäufer in der Ausnutzung des Unternehmens beeinträchtigen
38
Hadding, ZGR 1982,476,489.
39
Hadding, ZGR 1982,476,497.
40
BGH DB 1970, 442, 443.
41
Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 49.
42
Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 50.
43 Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 52; RG JW 1911,645; RGZ 88, 103, 107; Larem, Lehrbuch des Schuldrechts, 2. Band, 13. Aufl. 1986, S. 26.
A. Anwendung der Rechtsmängelhaftung beim Unternehmenskauf
295
können. Hierbei schließt Hommelhoff in den Anwendungsbereich des § 434 BGB nicht nur dingliche Rechte, sondern auch persönliche Ansprüche wie beispielswiese die von Mietern und Pächtern ein44 • Hommelhoff kritisiert die Rechtsprechung des BGH in dem vorgenannten "Mietfall", da diese keine klare Linie erkennen läßt, unter welchen Voraussetzungen sie die Rechtsbeeinträchtigung als Rechtsmangel und unter welchen sie diese als Sachmangel qualifiziert. Da nach §§ 459 ff. BGB nur die Wandelung, aber kein Beseitigungsrecht eröffnet ist, sei der BGH vor den damit verbundenen Konsequenzen zurückgeschreckt. Für Mängel an Rechten, die zusammen mit, also innerhalb des Unternehmens übertragen werden sollen, räumt er dem Käufer neben den Sachmängelbehelfen hinsichtlich des ganzen Unternehmens zusätzlich noch Rechtsmängelbehelfe für gerade diese Rechtsmängel ein4s . Danach kann der Unternehmenskäufer verlangen, die entgegenstehenden Rechte Dritter zu beseitigen. Die Kritik von Hommelhoff ist berechtigt. Wird auf den Unternehmenskaufvertrag als solchen abgestellt, so kann entweder nur ein Rechts- oder ein Sachmangel angenommen werden. Da im "Mietfall" das Recht des Vermieters nutzungshindernd ist, liegt im Ergebnis ein Rechtsmangel vor. Entscheidend ist, daß der Anspruch des Dritten nutzungshindernd ist. Das können vom Verkäufer vereinbarte Vertriebsbeschränkungen46 , auch Patente sein47 . Auf deren Beseitigung kann der Unternehmenskäufer den Verkäufer verklagen. Hier greift die Rechtsmängelhaftung ein, da die Mängel nicht auf Einzelstücke lokalisierbar sind, sondern als sogenannte Rechte Dritter in den Produktionsprozeß eingreifen48 • § 434 BGB ist daher anwendbar, wenn der Käufer die alte
44 Allg. Auffassung, vgl. Motive 11, 214; streitig: eine Ansicht: § 434 BGB gilt schrankenlos für alle schuldrechtlichen Ansprüche, soweit sie mit Rücksicht auf den Kaufgegenstand gegen den Käufer geltend gemacht werden können; Staudinger/Ostler, BGB, § 434 Anm. 10 f.; RGZ 88, 103, 107; eine andere Auffassung macht die Einschränkung, daß nur solche Belastungen erfaßt sind, deren Grund außerhalb des verkauften Gegenstands liegt: Kuhn, in: RGRK-BGB, § 434 Anm. 9, Mezger, in: RGRK, § 434 Anm. I; eine dritte Meinung schließlich legt die Schranken dahingehend fest, daß der Anspruchsinhaber wegen der persönlichen Rechte dem Käufer die Nutzung der entziehen oder verbieten können müsse: Soergel/Ballerstedt, BGB, § 434 Anm. 3. 45
BGH DB 1970,442,443.
46
RGZ 88,103; Mezger, in: RGRK-BGB, § 434 Anm. 6.
47 Huber, ZGR 1972, 395, 413; a.A. RGZ 69,429; RGZ 69, 429 (Patentfall - Sachmangel), RGZ 88, 103; Vertriebsbeschränkungen gemäß § 25 HGB - § 434, auch Lit. geteilt: Für Rechtsmangel: Hommelhoff - Für Sachmangel: Canaris, ZGR 1982, 395, 429; ähnlich Hommelhoff, Sachmängelgewährleisung, S. 52, der darauf abstellt, ob das Recht des Dritten nutzungshindernd ist. 4K
Grunewald, Grenzziehung, S. 99.
296
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
Finna des Verkäufers weiterfUhrt, und daher Vertriebs- und Produktionsbeschränkungen gemäß § 25 HGB, die ursprünglich nur den Verkäufer trafen, nunmehr auch gegen ihn gerichtet werden können. Verstoßen hingegen die Betriebsanlagen oder der Betrieb des Unternehmens selbst gegen ordnungspolizeiliche Vorschriften, so sind dies Mängel im Sinne der §§ 459 ff. BGB und keine Rechtsmängel. Daher sind die Fälle des polizeilichen Eingriffs und die Besitzstörungsklagen nach den Regeln des Sachmängelrechts zu lösen49 • Nach Auffassung von Grunewald soll sich der Käufer im sogenannten Mietfall des BGH nur an den Vermieter halten können. Da der Vermieter dem Mietobjekt wesentlich näher steht als der Verkäufer der Gastwirtschaft, soll es dem Käufer durchaus zumutbar sein, seinen Vermieter in Anspruch zu nehmen. Hiergegen ist einzuwenden, daß die Aufspaltung des Unternehmenskaufvertrages in einen isolierten Kaufvertrag und einen darauffolgenden Mietvertrag nicht sachgerecht ist. Der Käufer soll sich wegen des nicht erfilllbaren Mietvertrages zusätzlich an den Vermieter wenden können. Diese Verdoppelung seiner Rechte resultiert aber daraus, daß ein Unternehmen in eine Vielzahl von Verträgen mit Dritten eingebunden ist. Dies ändert aber nichts daran, daß dadurch auch die Voraussetzungen für den Weiterbetrieb des Unternehmens entfallen waren, und damit auch ein Fehler des Unternehmens vorlag. Ebenso sind solche Fallkonstellationen zu lösen, in denen sich beispielsweise ein Versicherer weigert, einen Versicherungsvertrag mit dem neuen Inhaber des Unternehmens fortzusetzen oder wenn z.B. ein Arbeitnehmer beim Übergang des Unternehmens gemäß § 613 a BGB auf den Erwerber von seinem Widerspruchsrecht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Gebrauch macht50 • 11. Insbesondere: Unrichtige Angaben über die bestehenden Verbindlichkeiten des Unternehmens beim share deal Besonders umstritten ist, ob die objektiv falschen Angaben über die Aktivund Passivseite der Bilanz beim share deal nach dem den Vorschriften der Rechts- oder Sachmängelhaftung zu behandeln sind51 und wie weit die Einstandspflicht des Verkäufers gehen kann. Die typische Konstellation ist die, daß die Passiva des Unternehmens - Zahlungs-52 oder Lieferverpflichtungen53 -
49
Hommelhoff, Sachmängelgewllhrleistung, S.53; RGZ 138,354; a.A. RG LZ 1915,
47. so BAG AP Nr. 1,8, 10 und 21 zu § 613 a BGB; Canaris, ZGR 1982, 395, 427. SI Hollenberg, Die unrichtige Bilanz beim Untemehmenskauf (im folgenden zitiert: Bilanz), 1985, S. 19.
52
RGZ 146, 120.
A. Anwendung der Rechtsmängelhaftung beim Unternehmenskauf
297
größer sind als bei Vertragsabschluß vorausgesetzt. Das Spiegelbild dieser Konstellation liegt vor, wenn Außenstände des Unternehmens, etwa offene Forderungen gegen Kunden, in großem Umfang wertberichtigt werden müssen. Nach Auffassung des BGH ist der Verkäufer seiner Rechtsverschaffungspflicht nachgekommen, die §§ 434, 440 ff. BGB greifen nicht ein54 . Gleiches gilt nach der Rechtsprechung in denjenigen Fällen, in denen das Unternehmen sich als überschuldet oder gar konkursreif erweist, solange noch kein Konkursantrag gestellt ist und der Betrieb den Charakter eines werbenden Unternehmens noch nicht verloren hat. Auch eine Haftung wegen eines Sachmangels scheidet in der Regel aus, weil die Verbindlichkeiten den Wert des Unternehmens nicht unmittelbar beeinflussen. Eine Eigenschaftszusicherung gemäß § 459 Abs. 2 BGB über das Ausmaß der Verbindlichkeiten will der Verkäufer nur unter besonderen Umständen abgeben55 . Die bloße AuffUhrung der vorhandenen Verbindlichkeiten läßt nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zur stillschweigenden Zusicherung aufgestellt hat, jedenfalls nicht die Bereitschaft des Verkäufers erkennen, verschuldensunabhängig dafUr einzustehen, daß die tatsächlichen Verbindlichkeiten die angegebenen nicht übersteigen56 • Der BGH verweist dabei auf die Haftung aus c.i.c., die aber grundsätzlich nur offensteht, wenn das Mängelgewährleistungsrecht als Spezialregelung nicht einschlägig ist57 • Manche Vertreter im Schrifttum sprechen sich auch bei den nicht vorhersehbaren Neuverbindlichkeiten fUr eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht des Veräußerers aus 58 . Nach Auffassung von Grunewald können Verbindlichkeiten eines Unternehmens nicht unter den Fehlerbegriff des § 459 Abs. 1 fallen, da sie mit dem körperlichen Zustand des Unternehmens nicht verbunden sind59 • Diese Auffassung strebt eine Lösung anband der vertragli-
53
RGZ 159,321,332 f.
54 Hiddemann, ZGR 1982, 435, 446; BGH WM 1980,1006; Huber, ZGR 1972, 395, 413 f.; Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 51 ff; Baur, BB 1979, 381, 386; Grunewald, ZGR 1981, 622, 623 m.w.N.
55
Hiddemann, ZGR 1982, 435, 446.
56 Hiddemann, ZGR 1982,435,447 mit Verweis aufRGZ 100,200; RGZ 145, 120; BGH WM 1970,819. 57
Grunewald, ZGR 1981, 622, 628.
5K Grunewald, ZGR 1981,622,630 f.; Loos, MDR 1962, 172 und Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, 1979, S. 217 ff. und S. 343. 59
Grunewald, ZGR 1981, 622 ff., 626 f.
298
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
chen Risikoverteilung an. Ein Verschulden und damit die Haftung des Verkäufers liegt dann vor, wenn er von einer Schuld des Unternehmens gewußt hat oder sie zumindest hätte kennen müssen60 • Die Nennung falscher Zahlen ist nach dieser Auffassung eine Verletzung vorvertraglicher Sorgfaltspflichten, aus der im Regelfall die Haftung aus c.i.c. folgt. Andererseits sind aber auch Ansprüche denkbar, von deren Existenz der Verkäufer nichts gewußt hat, auch wenn er seinen Erkundigungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist. Beispielsweise können Garantieansprüche gegen das Unternehmen geltend gemacht werden; ähnliches gilt für die Abwicklung von Kaufverträgen oder im deliktischen Bereich für die Produzentenhaftung. Da hier kein Verschulden vorliegt, kann hier die Haftung aus c.i.c. nicht eingreifen61 • Grunewald untersucht, ob die Möglichkeit der isolierten Wandelung fehlerhafter Einzelstücke beim Unternehmenskauf auf die Haftung aus dem Vorhandensein oder Auftreten unerwarteter Verbindlichkeiten übertragen werden kann62 • Werden die vom Unternehmen mit Dritten abgeschlossenen Verträge isoliert verkauft und treffen den Erwerber Verbindlichkeiten, die ihren Grund in der Zeit vor Vertragsübernahme haben, so stellt dies weder einen Sach- noch einen Rechtsmangel des Vertrages dar63 • Der Verkäufer haftet nur rur Verbindlichkeiten, die ihren Grund in einer nicht ordnungsgemäßen Abwicklung eines zum Unternehmen gehörenden Vertragsbestands in der Zeit vor Gefahrübergang haben64 • Grunewald schlägt eine Modifizierung dieses Grundsatzes dergestalt vor, daß der Verkäufer eines Unternehmens nicht einen Vertragsbestand schuldet, der keinerlei Haftungsfolgen auf den Erwerber zukommen läßt, sondern nur einen Vertrags bestand, der zu "keiner außergewöhnlichen Haftung" des Erwerber führt 65 • Als Maßstab dient ihr die Bilanz des Unternehmens, die der Kaufpreisermittlung zugrunde lag. Weicht die Höhe der Verbindlichkeiten aus der Zeit vor Gefahrübergang um 20 % vom Umfang der Rückstellungen der letzten Jahre ab, so wird nach dieser Mindermeinung damit das Übliche überschritten und die Rückbelastung des Verkäufers ist gerechtfertigt. Ist in der Bilanz keine Rückstellung erfolgt, so muß der reguläre Umfang solcher Verbindlichkeiten
60
Grunewald, ZGR 1981, 622, 629.
61
Grunewald, ZGR 1981, 622, 630.
62
Vgl. zur WandeIung bzgl. einzelner mangelhafter Sachen Abschn. C dieses Kapi-
tels. 63
Grunewald, ZGR 1981,622,634.
64 Grunewald, ZGR 1981, 1981,622,636; ebenso Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 55 und RGZ 146, 120.
65 Grunewald, ZGR 1981, 622, 636 - mit dieser Argumentation widerspricht Grunewald ihrer vorherigen These von der Einzelbetrachtung; Loos, MDR 1962, 172, 174.
A. Anwendung der Rechtsmängelhaftung beim Unternehmenskauf
299
geschätzt werden. Die gleichen Schlußfolgerungen sollen in Bezug auf deliktische Ansprüche, Z.B. Produzentenhaftung, gelten66 . Im Ergebnis läßt Grunewald den Verkäufer fUr Verbindlichkeiten, die ihren Grund in der Zeit vor Übergang des Unternehmens auf den Käufer haben, verschuldensunabhängig nach §§ 434, 440 BGB haften. Der Unterschied zu den §§ 459 ff. BGB ist dabei der, daß die Verjährung nicht § 477 BGB unterliegt, d.h. der Käufer mit seinem Anspruch nicht nach Ablauf von 6 Monaten präkludiert isr. Grunewald begründet dies damit, daß die Herauslösung der Haftung fUr unerwartete Verbindlichkeiten aus dem Sach- und Rechtsmängelrecht es ermöglicht, die Diskussion beim Anteilskauf von der kontrovers gefUhrten Erörterung um die Anwendbarkeit des Sach- und Rechtsmängelrechts auf den Anteilskauf getrennt zu halten. Dadurch sollen die Wertungen, die im Rahmen des Unternehmenskaufs in der Form des asset deal den Rückiriff auf den Verkäufer rechtfertigen, auf den Anteilskauf übertragen werden6 • Die reale Machtposition des Verkäufers, nicht aber eine bestimmte Anteilsquote, soll über die Haftung entscheiden69 • Wenn es sich um den Verkauf einer geringeren als der hälftigen Beteiligung handelt, so soll der Käufer beim Verkäufer keinen Regreß nehmen können, da der Verkäufer üblicherweise nicht Herr des Unternehmens gewesen iseo. Beim Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung haftet der Verkäufer hingegen dann, sobald er die beherrschende Stellung im Unternehmen hae l . Die Treuhandanstalt gibt in ihren Unternehmenskaufverträgen im Regelfall keine Zusicherungen dahingehend ab, daß die in der Bilanz bzw. dem Vermögensstatus angegebenen Verbindlichkeiten alle Risiken der Inanspruchnahme abdeckten. Üblicherweise werden die im kaufmännischen Geschäftsverkehr üblichen Rückstellungen in den Bilanzen fUr die Risiken aus einer Inanspruchnahme vonseiten Dritter gebildet. Der· Ansatz von Grunewald, daß bei einer Abweichung von mehr als 20 % des im Geschäftsverkehr üblichen eine verschuldensunabhängige Haftung des Unternehmensveräußers eingreifen solle, ist abzulehnen. Dem Käufer ist der Vertragsbestand bekannt. Besteht Anlaß zur
66
Grunewald, ZGR 1981, 622, 637.
67
Grunewald, ZGR 1981, 622, 638.
68
Vgl. nachfolgend Abschn. B dieses Kapitels.
69
Grunewald, ZGR 1981,622,642.
70
Grunewald, ZGR 1981,622,639.
71 Grunewald, ZGR 1981,622,640 - insoweit gelten die unter Kap. 8, Abschn. B zu erörternden Abgrenzungskriterien zwischen Anteils- und Unternehmenskauf sinngemäß, ab weIcher Quote beim share-deal die §§ 459 ff. BGB analog angewandt werden können.
300
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Annahme, daß die gebildeten Rückstellungen zur Abdeckung der Risiken nicht ausreichen, so muß er darauf achten, daß der Verkäufer insoweit Zusicherungen im Vertrag abgibt. Bei Festlegung eines Prozentsatzes im Sinne des Modells von Grunewald verschwimmen die Grenzen der Haftungsinstitute völlig, und zwar sowohl zu der Verschuldenshaftung aus c.i.c. als auch zu dem Institut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage, das eine Vertrags anpassung in Extremfallen vorsieht. Der Vorschlag von Grunewald bürdet dem Verkäufer ein Risiko auf, dessen Begrenzung vorrangig der Kautelarpraxis, danach der Verschuldenshaftung aus c.i.c. und zuletzt dem Wegfall der Geschäftsgrundlage vorbehalten bleibt. Im Ergebnis bleibt es daher auch bei den Unternehmensprivatisierungen der Treuhandanstalt bei der üblichen Risikoverteilung. Zuzugeben ist allerdings, daß bei den Unternehmen in den neuen Bundesländern die Unwägbarkeiten bei der Festlegung der Höhe der Rückstellungen und der Wertberichtigung der Forderungen verglichen mit den alten Bundesländern wesentlich größer sind. Deshalb verfiihrt die Treuhandanstalt bei der Ermittlung des Kaufpreises sehr käuferfreundlich, indem sie aus Vorsichtsgründen einen hohen Rückstellungs- und Wertberichtigungsaufwand zugrundelegt und dies entsprechend bei der Kaufpreisermittlung berücksichtigt. Im Regelfall kommt es eher zu einer Kaufpreisnachzahlung, wenn - wie in den Verträgen üblicherweise vereinbart - die Rückstellungen nicht bis zu einem bestimmten Bilanzstichtag verbraucht wurden oder ein höherer Bestand der Forderungen eingetrieben werden konnte.
B. Anwendbarkeit des Rechts der Sachmängelgewährleistung auf den share deal Gegenstand kontroverser Erörterung in Rechtsprechung und Schrifttum ist, inwieweit der Kauf von Anteilen an einem Unternehmen im Hinblick auf die Anwendung des Sachmängelgewährleistungsrecht dem klassischen Unternehmenskauf in Form des asset deal gleichzusetzen ist. Grundsätzlich haftet der Verkäufer von shares nur für den rechtlichen Bestand, d.h. das Bestehen der Geschäftsanteile. Die Erfüllungspflicht des Verkäufers umfaßt die rechtliche Existenz, die sogenannte Verität und die Möglichkeit der Geltendmachung eines existenzfähigen Rechts, nicht jedoch seine effektive Durchsetzbarkeit, Bonität genannt. Der Rechtsverkäufer hat somit für die Beschaffenheit des repräsentierten Objektes keine Gewähr zu leisten. Beim asset deal als Sachkauf werden dagegen die Wirtschaftsgüter des Unternehmens einzeln gemäß dem sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatz übertragen. Treten Mängel an Einzelstücken der Sachgesamtheit auf, so ist die Anwendung der §§ 459 ff. BGB angezeigt. Der Sachverkäufer haftet strenger, weil er dem Käufer Besitz und Eigentum versprochen hat und weil er, im
B. Anwendung der Sachmängelgewährleistung auf den share deal
Gegensatz zum ten hat72 •
Recht~verkäufer,
301
den augenblicklichen Zustand zu verantwor-
Die ehemaligen volkseigenen Betriebe wurden von Gesetzes wegen gemäß § ll Abs. 2 THG in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umgewandelt und durch die Treuhandanstalt in den Formen von asset und share deals privatisiert. Hierbei erhält die klassische Streitfrage neue Nahrung, ab welchem Prozentsatz des Verkaufs von shares die analoge Anwendung der §§ 459 ff. BGB sachgerecht ist. Beim Unternehmenskauf in den neuen Bundesländern ergeben sich rur den Investor eine Vielzahl von Angriffspunkten in Bezug auf das Vorliegen von Mängeln der Kaufsache. Es ist zu klären, inwiefern das Recht der Sachmängelgewährleistung der §§ 459 ff. BGB auf den Kauf von Anteilen anwendbar ist. Nach allgemeiner Auffassung ist der Anteilskauf zwar Rechtskauf; der neue Gesellschafter kann aber das Unternehmen beim Erwerb von 100 % der Anteile eigenverantwortlich leiten, als ob er das Unternehmen stattdessen aus einer anderen Motivation heraus als asset gekauft hätte 73 • Der Verkäufer eines Unternehmens hat im Rahmen des asset deal rur dessen Mängel, ohne daß es auf ein Verschulden ankäme, innerhalb der kurzen Verjährungsfrist des § 477 BGB zu haften. Ansprüchen aus Verschulden bei Vertragsschluß sieht sich der Verkäufer nur wegen solcher Umstände ausgesetzt, die keine Merkmale des Unternehmens sind. Andererseits leistet der Verkäufer einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung, also eines Anteils am Unternehmensträger, rur den Zustand des Unternehmens keinerlei Sachgewähr, er haftet jedoch 30 Jahre lang, wenn er dem Anteilskäufer schuldhaft falsche Unternehmensdaten mitteilt, auf die es dem Käufer rur den Vertragsabschluß oder rur die Kaufpreisbildung ankommt. Der Wertungswiderspruch ist: Für denselben Unternehmensmangel, wie z.B. den schlechten Ruf des Hotels, haftet der Unternehmensverkäufer bloß 6 Monate, während der Anteilsverkäufer unter Umständen 30 Jahre einzustehen hat. I. Aktualität der Fragestellung in Bezug auf die Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt
Für die Haftung der Treuhandanstalt im Rahmen ihrer Privatisierungstätigkeit ist es von großer Bedeutung, ob beim Auftreten von Mängeln das Sachmängelgewährleistungsrecht der §§ 459 ff. BGB mit der kurzen halbjährigen 72 BeisellKlumpp, Untemehmenskauf, S.239 mit Verweis auf Hommelhoff, ZGR 1982,366,375. 73
Hommelhoff, ZGR 1982, 366, 376 f.
302
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Verjährungsfrist des § 477 BGB im Rahmen der Rückabwicklung eingreift oder die Rechtsmängelhaftung der §§ 437, 440, 325 ff. BGB. Im letzteren Fall kommt die ftlr die Treuhandanstalt ungünstige dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB zum Tragen, während bei Zugrundelegung des § 477 BGB der zeitliche Rahmen ihrer Haftung überschaubar bleibt. Allerdings ist einem pauschalen Ansatz im Schrifttum entgegenzutreten, wonach die Rückgewährproblematik bei Unternehmenskaufverträgen speziell im Bereich der Wandelung deswegen nicht so sehr zu Tage treten soll, wenn an der strikten Beachtung der Sechsmonatsfrist des § 477 BGB festgehalten wird74 • Diese Auffassung läßt sich im Hinblick auf die Besonderheiten des Vermögensrechts der neuen Bundesländer nicht aufrechterhalten. Bei den Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt verschiebt sich, wie ausgeftlhrt, der Ablauf der Verjährungsfrist aufgrund der aufschiebend bedingten Wirksamkeit der Verträge und der wiederholten Verzögerung der Genehmigung von Verträgen durch die Treuhandanstalt des öfteren beträchtlich7S • Der Normalfall der Unternehmensprivatisierung in den neuen Bundesländern ist der, daß die Treuhandanstalt ihre gesamte Beteiligung im Rahmen des share deal veräußert und damit ihre Stellung als Gesellschafter völlig aufgibt. Dies gilt jedoch keinesfalls ausnahmslos. Mit zunehmender Größe und Bedeutung des Unternehmens erweist es sich bisweilen als unumgänglich, das Unter~ nehmen noch mittelfristig unter staatlicher Beteiligung auf seinem Weg in die Marktwirtschaft zu begleiten. Es gibt daher einige Fälle von Privatisierungen, in der Hauptsache Großunternehmen, die die Treuhandanstalt in der vorgenannten Form noch mitbegleiten muß. Daher ist die Diskussion über die Einbindung des Anteilskaufs in das System des Gewährleistungsrechts wieder aktuell. Gewährt der Staat beispielsweise weiterhin massive fmanzielle Unterstützung in Form zinsgünstiger Kredite, verlorener Zuschüsse oder Übernahme von Verlusten aus dem operativen Geschäft, so muß dies einhergehen mit Entscheidungs- und Kontrollbefugnissen bei der Lenkung des Unternehmens. Dies ist weder ungewöhnlich noch neu, denn auch in einigen besonders sensiblen Bereichen wie Schiffbau, Stahl u.ä. ist auch in den alten Bundesländern seit geraumer Zeit eine massive staatliche Unterstützung und Einflußnahme festzustellen. Steuerungs- und Überwachungsmechanismen sind aber untrennbar verknüpft mit entsprechenden Mitsprache- und Entscheidungskompetenzen, die vor allem auch im Gesellschaftsrecht ihren Niederschlag finden. Für die Kapitalgesellschaften gibt die Quote der Beteiligung am Grund- bzw. Stammkapital Aufschluß darüber, wie weit die (be)herrschende Stellung des Gesellschafters am Unternehmen reicht.
74
HolzapjellPöllath, Unternehmenskauf, S. 31; BGH ZIP 1990,371.
75
Vgl. Kap. 6, Abschn. C.
B. Anwendung der Sachmängelgewährleistung auf den share deal
303
I{. Standpunkt der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung löste sich schon früh von der starren Sichtweise des Beteiligungserwerbs als Rechtskauf und wandte im Falle des Erwerbs sämtlicher Geschäftsanteile an einer GmbH die Sachmängelhaftung der §§ 459 ff. BGB analog an76 • In den Urteilsbegründungen kam eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zum Ausdruck77 • Dieselben Grundsätze wurden von der Rechtsprechung ebenfalls angewandt, wenn der Käufer alle Anteile bis auf einen unbedeutenden Rest erwarb. Der BGH ließ dabei offen, ob die Unschädlichkeitsgrenze bei 10% oder bei 25 % lieges. Der BGH betonte ausdrücklich nur, daß jedenfalls der Anteilserwerb in der Größenordnung von 49 % und auch 60 % nicht ausreicht, um die analoge Anwendung der Sachmängelhaftung gemäß §§ 459 ff. BGB zu rechtfertigen 79 • Auch ein Urteil des BGH aus dem Jahre 1979 besagt nichts Gegenteiliges; in dem speziellen Fall hatten die Käufer nämlich bereits 50 % des Aktienkapitals besessen und nur noch die restlichen 50 % hinzuerworbenso. Die Rechtsprechung verteidigt ihren Ansatz damit, daß das Reichsgericht zunächst den Anteilskauf formal als Rechtskauf eingestuft hatte. Dieser Rechtsprechung war seinerzeit der Vorwurf des übertriebenen Formalismus gemacht wordensI. Die maßgebliche Erwägung des Reichsgerichts war die, daß die juristische Person (AG, GmbH) gegenüber den sie tragenden Gesellschaftern personen- und vermögensrechtlich verselbständigt ist. Wer als Gesellschafter diese Verselbständigung hinnimmt und aus ihr insbesondere eine ihm vorteilhafte Haftungsbeschränkung herleitet, kann nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts redlicherweise andererseits nicht verlangen, daß von diesem Grundsatz zu seinen Gunsten dann abgewichen wird, wenn es um enttäuschtes Vertrauen in das nicht von der Gesellschaft betriebene Unternehmen gehtS2 •
76
Vgl. urspr. RGZ 59, 240 zu Kauf von Aktien eines Bergwerksuntemehmens.
77
Ständige Rspr. seit RGZ 98, 289, 292; zuletzt BGHZ 65, 246.
7H Nach einer Entscheidung des OLG München NJW 1967, 1326 reichen 80 % aus, um die Sachmängelhaftung zu begründen; Hiddemann, ZGR 1982, 435, 441. 79
Vgl. BGH NJW 1980, 2408.
RO
BGH BB 1980, 679.
Hl
Hiddemann, ZGR 1982,435 ff.
R2 Hiddemann, ZGR 1982, 435 ff. zieht eine Parallele zur Durchgriffshaftung: In diesem Lichte seien auch die Grundsätze der Rspr. zur Durchgriffshaftung zu sehen; nur wenn sich bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise Gesellschaft. und der sie tragende Gesellschafter decken, erscheint es gerechtfertigt, wie bei der Durchgriffshaftung die Zwischenschaltung der Gesellschaft unberücksichtigt zu lassen und dem die
304
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Anders urteilt nunmehr der BGH, da es nicht zuletzt von der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages, z.B. was die Stimmrechtsbindungen betrifft, und damit vom Einzelfall abhängt, ob der Käufer wirtschaftlich die Stellung eines Trägers des Unternehmens erhält83 • Für den Verkäufer ist nicht erkennbar, in welchem Umfang der Käufer - unbeschadet der Höhe der von ihm zu erwerbenden Anteile - nicht etwa nur eine Kapitalanlage, sondern einen unternehmerischen Tätigkeitsbereich anstrebt. Für den Verkäufer sind die tUr den Kauf maßgeblichen Motive des Käufers somit oft nicht ersichtlich. Wenn überhaupt, so kann nach Auffassung des BGH nur auf einen festen Prozentsatz der übernommenen Gesellschaftsanteile abgestellt werden. Denn dies ist ein Anhaltspu,nkt tUr die Möglichkeit, sich in der erworbenen Gesellschaft unternehmerisch zu betätigen. 49 % bzw. 60 % reichen hierbei nicht aus, wenn der Erwerber nicht in der Lage ist, gestützt auf eine 3/4 Mehrheit satzungsändernde Beschlüsse durchzusetzen und gegebenenfalls den Gegenstand des Unternehmens zur Anpassung an veränderte wirtschafliche Verhältnisse zu ändern 84 • Daher sind die §§ 459 ff. BGB überall dort nicht anwendbar, wo entweder durch Gesellschaftsvertrag oder durch Gesetz begründete Minderheitenrechte geeignet sind, die UnternehmenstUhrung, wenn auch nur zwischenzeitlich, zu beeinträchtigen; vgl. § 50 Abs.l GmbHG; §§ 122 und 258 Abs. 2 AktG. III. Lösungsvorschläge im Schrifttum
Nach 1. Baur paßt der diffuse Unternehmensbegriff nicht auf das Recht der Sachmängelhaftung der §§ 459 ff. BGB. Diese Mindermeinung spricht sich tUr einen generellen Verzicht in Bezug auf die Anwendung der Sachmängelhaftung beim Unternehmenskauf aus. Baur erachtet es als geeignete Alternative, tUr die Kompensation von Sachmängeln den Anwendungsbereich des Haftungsinstituts der sogenannten culpa in contrahendo zu erweitern85. Dieser Ansatz ist abzulehnen, da er ohne Not die tUr den Käufer interessante Möglichkeit einer verschuldensunabhängigen Verkäuferhaftung ganz preisgibt.
Gesellschaftsanteile insgesamt erwerbenden Käufer - gleichsam in einer Art "Durchgriff' - den Zugang zur Sachmängelhaftung zu eröffnen. 83
BGHZ 65, 246, 252.
84
BGH WM 1980, 1006.
85 So z.B. Baur, BB 1979,381,384 ff; Canaris, ZGR 1982,395,397 ff.; Grunewald, ZGR 1981,622,629.
B. Anwendung der Sachmängelgewährleistung auf den share deal
305
Ein anderer Lösungsvorschlag zielt auf den subjektiven Fehlerbegriff ab 86 : Verabreden die Parteien eines Anteilskaufs eine bestimmte Beschaffenheit des Unternehmens, so hat der Anteilsverkäufer nach Sachmängelrecht Gewähr zu leisten, falls das Unternehmen von der verabredeten Beschaffenheit negativ abweicht; denn das vereinbarte Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist gestört (subjektives Äquivalenzprinzip). Damit kann eine Gleichbehandlung von Unternehmens- und Beteiligungskauf erreicht werden. Das Äquivalenzverhältnis ist in der Weise verschoben, daß der Zustand des Unternehmens, auf das sich der verkaufte Anteil bezieht, von der Beschaffenheit abweicht, die die Parteien einvernehmlich dem Vertragsschluß zugrundegelegt hatten. Der vorgenannte Lösungsvorschlag hat zur Konsequenz, daß selbst der Verkäufer eines 5%-igen GmbH-Anteils für die übereinstimmend zugrundegelegte Beschaffenheit des Unternehmens haftet. Die dogmatischen Bedenken hiergegen sind aber die, daß der Äquivalenzgedanke allein nicht ausreichen kann, um abschließend über die Anwendung des Sachmängelgewährleistungsrechts zu befmden, da der Käuferschutz zu schwach ist. Der gesetzliche Käuferschutz ist ex lege beim Anteilserwerb, einem Rechtskauf, sehr eingeschränkt. Zwar haftet nach den §§ 437 und 438 BGB der Rechtsverkäufer rur die Güte des verkauften Rechts. Aber § 437 BGB schützt den Käufer lediglich insoweit, als es um den Bestand des Rechts geht. Darüber hinaus bedarf es des Abschlusses eines Garantievertrages. Wer als Verkäufer lediglich ein beschränktes dingliches Recht an einer Sache oder einen Anspruch auf die Sache zu übertragen verspricht, kann nicht einfach rur den Zustand der Sache, die durch das verkaufte Recht repräsentiert wird, verantwortlich gemacht werden. Ihm kann der aktuelle Zustand und seine MarktsteIlung nicht zugerechnet werden. Eine bloße Beschaffenheitsvereinbarung bringt aber regelmäßig noch keinen Garantiewillen des Verkäufers zum Ausdruck. Den Anhängern der subjektiven Fehlerlehre ist zwar zuzugeben, daß die ratio legis der Sachmängelhaftung nicht Ausdruck von Herrschaft und Informationsvorsprung des Veräußerers ist, sondern einem Äquivalenzdefizit auf Seiten des Käufers Rechnung trägt. Andererseits sind bei der Abgrenzung zwischen Unternehmens- und Anteilskauf neben dem Äquivalenzprinzip zusätzlich normative Kriterien zu berücksichtigen, da die §§ 459 ff. BGB als "Endverbraucherregel" eigentlich nicht auf den komplexen Tatbestand der Unternehmensveräußerung passen 87 • Ein Lösungsvorschlag stellt das Prinzip der "abstrakten Beherrschbarkeit" in den Vordergrund und will dadurch die Mängelhaftung des Verkäufers eines H6 Bspw. StaudingeriHonsell, BGB, 12. Aufl. 1979, § 459 Anm. 9; Huber, ZGR 1972,395. X7
20 HeB
Willemsen, ZGR 1982,391 ff.
306
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
Unternehmens zu begrenzen suchen88 • Dieses Zurechnungsprinzip weist bestimmte Risiken der Vertragspartei zu, die typischerweise das Risiko am besten beherrschen kann, weil sie mit dem geringsten Aufwand etwaige Gefahrenquellen aufspüren und daraus resultierende Störungen vermeiden kann. Ihre Vertreter wollen dem Anteilsverkäufer Unternehmensmängel immer dann anlasten, wenn dieser sich typischerweise über den Zustand des Unternehmens besser informieren kann als der Anteilskäufer oder Jedenfalls besser als dieser das Risiko solcher Mängel abzuschätzen vermag 9. Der innere Grund der Gewährleistung nach den §§ 459 ff. BGB soll dieser Auffassung zufolge der sein, daß der Verkäufer das Risiko eines Fehlers besser beherrschen kann als der Käufer. Der Verkäufer hat die Kaufsache eine Zeitlang im Besitz gehabt und weiß daher, woher sie stammt und welchen Belastungen sie ausgesetzt war. Ein Anteilsverkäufer haftet daher, wenn er den Zustand des Unternehmens überprüfen konnte; beim Aktienkauf, falls mit den veräußerten Aktien eine beherrschende Stellung im Sinne des § 17 AktG verbunden ist; beim Verkauf eines GmbH-Anteils, wenn der Gesellschaftsvertrag dem. Anteilsinhaber ein § 188 Abs. 1 HGB entsprechendes Kontrollrecht gewährt. Nach dieser Auffassung spielt es keine Rolle, ob wirtschaftlich gesehen das Unternehmen Vertragsgegenstand war und welche Machtposition dem Käufer eingeräumt wurde. Wenn keine der Parteien die Möglichkeit hat, das Störungsrisiko kostengünstiger als die andere zu steuern, so soll die Partei das Risiko tragen, die typischerweise über den Bereich, aus dem die Störung hervorgehen könnte, am besten Bescheid weiß. Denn diese kann daher am ehesten abschätzen, ob es wirtschaftlich günstiger ist, einen Aufwand zur Prävention zu betreiben oder die Verwirklichung des Risikos in Kauf zu nehmen. Die Einwände hiergegen richten sich gegen den Ansatz, den Gedanken des typischen Informationvorsprungs zum Haftungskriterium zu machen. In § 460 BGB ist eindeutig eine Obliegenheit des Käufers normiert, offensichtlichen Bedenken gegen die Fehlerfreiheit der Kaufsache nachzugehen. Auch stufen die §§ 459, 463 BGB die Haftung des Verkäufers danach ab, inwieweit der Käufer ihn in Kenntnis des Risikos zur vertraglichen Übernahme der Gewähr veraniaßt hat90 • Des Weiteren ist die Praxis trotzdem nicht von der Pflicht enthoben, stärker zwischen Rechts- und Sachmängeln zu differenzieren, das Abweichen von der gewöhnlichen oder der vereinbarten Beschaffenheit zu bestimmen, Zusicherungen, grobe Fahrlässigkeit des Käufers oder Arglist des
88
Prölss, ZIP 1981, 337 ff.
89 Prölss, ZIP 1981, 337, 339 f.; Westermann, ZGR 1982, 45, 50 mit Verweis auf Müller, BB 1980, 1393 ff. und Grunewald ZGR 1981, 622 ff.; Wiedemann, FS Nipper-
dey, Bd. I, 1965, S. 835. 90
Westermann, ZGR 1982, 45, 51.
B. Anwendung der Sachmängelgewährleistung auf den share deal
307
Verkäufers etc. präzise zu defmieren. WertungswiderspTÜche können vor allem wieder bei der nicht seltenen Vereinigung mehrerer Personen auf der Verkäuferseite auftreten, da nur diejenigen der Gewährleistung unterliegen, die den erforderlichen Informationsvorsprung besitzen91 • Dieses Prinzip kann als "Haftung kraft Informationsvorsprungs" bezeichnet werden 92 • Üblicherweise hat der Verkäufer die Sache einige Zeit in Besitz gehabt. Es soll filr die Mängelhaftung des Verkäufers von Gesellschaftsanteilen nicht darauf ankommen, ob wirtschaftlich gesehen das Unternehmen Vertragsgegenstand gewesen ist; es ist auch gleichgültig, welche Position der Erwerb der Anteile dem Käufer vermittelt. Entscheidend ist nach dieser Auffassung allein die typische Informationslage des Verkäufers. Wenn auf der Verkäuferseite mehrere Personen stehen, so haften nur diejenigen, die den erforderlichen Informationsvorsprung besitzen93 • Schließlich bedarf die Prämisse der Theorie der Erkennbarkeit insoweit gleich wieder der Einschränkung, als die Motive des Anteilserwerbers beim Erwerb einer Minderheitsbeteiligung auch in der Rentabilität einer Kapitalanlage liegen können. Eine weitere Auffassung stellt auf die ÜberpTÜfungsmöglichkeiten des Käufers ab 94 : Beim Kauf von 90 % der Anteile an der GmbH soll der Anwendungsbereich des Sachmängelgewährleistungsrecht eröffnet sein. Erst dann ist der Käufer imstande, den Zustand des Unternehmens in der Frist des § 477 BGB zu überprüfen, ohne daran durch die Ausübung von Minderheitsrechten gehindert zu sein. Westermann betont, daß der Erwerber von Mitgliedschaftsrechten in mehr oder minder großem Umfang stets auch Einfluß im Unternehmen und Ertrag aus dem unternehmerischen Tätigkeitsbereich anstrebt95 • Bei einer richtigen subjektiven Betrachtung sind die Eigenschaften der Wirtschaftseinheit Unternehmen als Eigenschaften des im Anteil verkörperten Mitgliedschaftsrechts anzusehen. Demzufolge spielt die Werteinschätzung des Unternehmens filr die Bestimmung des Kaufpreises auch beim Erwerb nur eines kleinen, nicht beherrschenden Aktienpaketes eine Rolle. Stellt man darauf ab, ob der Erwerber eine beherrschende Stellung in der Gesellschaft erhält, so ist die Arrondierung einer 74, 9 % betragenden Mehrheit um 0,2 % womöglich Unternehmenskauf, der Kauf von 74% der Anteile durch einen bisher nicht Beteiligten Rechtskauf.
20·
91
Hommelhoff, ZHR 140 (1976), 271, 281 f.
92
Prölss, ZIP 1981, 337, 339.
93
Prölss, ZIP 1981,337,341.
94
Grunewald, Grenzziehung, S. 113 f.
95
Westermann, ZGR 1982, 45, 54.
308
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
Betrachtet man die Interessenlage unter dem Aspekt der grundsätzlich gerechten verschuldensunabhängigen Gewährleistung für Sachmängel, so spricht dies dafür, einen Unternehmenskauf bei Erwerb von Anteilen nur dann zu bejahen, wenn schon der Anteilsveräußerer eine beherrschende Stellung im Unternehmen innehatte und diese übertragen will. Vorrang hat daher nach Westermann die Auslegung des Vertrages, um das Kriterium der beherrschenden Stellung des Verkäufers bestimmen zu können. Dabei ist von Bedeutung, ob die dem Verkäufer zustehenden Einwirkungsmöglichkeiten auf die Leitung und Ertragskraft des Unternehmens für die Kaufpreisbildung motivierend gewirkt haben. Die Auslegung des Kaufvertrages dient somit als Begründung für das Umschlagen vom Rechts- zum Sachkauf. Hiergegen ist einzuwenden, daß die Betonung der Vertragsauslegung im Sinne von Westermann keineswegs mehr Rechtssicherheit verheißt als die zuvor dargestellten Lösungsvorschläge im Schrifttum. Vorzugswürdig ist daher ein Lösungsansatz, der bei der Veräußerung von shares ab einem bestimmten Prozentsatz die damit verbundenen Herrschaftsbefugnisse, d.h. die realen Machtverhältnisse im Unternehmen, in den Vordergrund der Betrachtung stellt. Hommelhof schließlich knüpft an den gemeinsamen Ausgangspunkt im Schrifttum an, wonach haftungsrechtlich ein Unternehmenskauf immer dann anzunehmen ist, wenn der gekaufte Anteil seinem Inhaber eine Stellung vermittelt, die bei wertender Betrachtung der eines Unternehmensinhabers entspricht96 • Beim Erwerb von mindestens 95 % der Aktien oder bei 90 % der GmbH-Anteile liegt ungeachtet der noch bestehenden Minderheitenrechte in §§ 122, 258 Abs. 2 AktG, § 50 Abs. 1 GmbHG ein Unternehmenskauf vor. Eine "beherrschende Stellung" entspricht einer Quote, die einer qualifizierten satzungsändernden Mehrheit (75 % der Stimmen) entspricht. Hommelhoff sieht den Gesichtspunkt der Überprüfungsmöglichkeit allein als noch nicht tragend an: Entscheidend ist der Gesichtspunkt der Sachherrschaft, d.h. die Einheit aus Besitz und Eigentum, wie der Verweis des § 459 BGB auf § 433 BGB zeigt. Wer die umfassende rechtliche Zuordnung schuldet, der hat für den Zustand der Sache ex lege Gewähr zu leisten; die Zustandsverantwortung ist seiner Ansicht nach ein rein objektives Zurechnungskriterium, das nicht mit einer Sanktion für subjektives Fehlverhalten vermengt werden darr. So fmdet hinter dem Äquivalenzprinzip die Mängelhaftung des Unternehmensverkäufers ihre Legitimation in zwei kumulativen Elementen:
96
Hommelhoff, ZGR 1982, 366, 376.
97
Hommelhoff, ZGR 1982, 366, 374.
B. Anwendung der Sachmängelgewährleistung auf den share deal
309
a) Der Verkäufer ist typischerweise in der Rolle des Unternehmensinhabers ("Herr im Haus") ftl.r den augenblicklichen Zustand des Unternehmens und seine Stellung auf dem Markt wie kein anderer verantwortlich. b) Der Verkäufer verspricht, diese InhabersteIlung auf den Unternehmenskäufer zu übertragen. Die Inhaberschaft am Unternehmen ist nach Meinung von Hommelhoff daher das entscheidende Abgrenzungskriterium98 • Wer die Anteile erwirbt, erlangt zwar nicht die Stellung eines Unternehmens inhabers, sondern lediglich eine mehr oder minder einflußreiche Position in der Gesellschaft, d.h. im Unternehmensträger, die das Unternehmen betreibt. Beim Anteilserwerb kommt daher die Haftung aus Sachmängelgewährleistung dann in Betracht, wenn die verkaufte Beteiligung ihrem jeweiligen Inhaber eine derartige Stellung im Unternehmensträger verschafft, wie sie bei wertender Betrachtung der eines Unternehmensinhabers entspricht. Bei einem Alleingesellschafter ist dies in der Regel unproblematisch; Minderheitenrechte gibt es bei 5 % Aktienbesitz und lO%-iger GesellschaftersteIlung bei der GmbH. Ab solchen Minderheiten kann effektive Obstruktion betrieben werden99 • Hommelhoff erachtet eine Festlegung von Prozentsätzen als zu starr. Schon bei einer qualifIzierten Mehrheit kommt die Position des Anteilsinhabers der eines Unternehmensinhabers dann gleich, wenn eine qualifIzierte Mehrheit (75 %) an einer Kapitalgesellschaft mit gesetzlichem Normalstatut verkauft worden ist 1OO • Zwingend damit verbunden sind die Besetzung der Verwaltungsorgane, die Grundsätze der Unternehmenspolitik und andere wichtige Führungsentscheidungen sowie die Finanzverfassung der Gesellschaft einschließlich Eigenkapital und Rücklagen. Der Grundgedanke der gesetzlichen Sachmängelhaftung, die Zustandsverantwortung des Verkäufers, rechtfertigt es, denjenigen Anteilsverkäufer ftl.r den vereinbarten Unternehmenszustand verschuldensfrei eintreten zu lassen, der die unternehmensprägende Stellung veräußert hat, die mit einer qualifIzierten Mehrheitsbeteiligung verbunden ist. Hommelhoff geht noch einen Schritt weiter: Für die unternehmensbeherrschende Stellung soll die einfache Mehrheit genügen, vgl. § 17 Abs. 2 AktG; in
98
Hommelhoff, ZGR 1982, 366, 376.
99 Grunewald, Grenzziehung, S. 113; Hiddemann. ZGR 1982, 435, 440 f.; Wiedemann, JZ 1977, 132, 133.
100 Dazu Hommelhoff, ZHR 140 (1976), 271, 283 ff.; Honse/l, ZHR 146 (1982), 99, 101 f.; BGH BB 1980, 1392.
310
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Publikumsgesellschaften oder in Gesellschaften mit anderweit verstreutem Anteilsbesitz genügt in aller Regel sogar noch eine geringere Quote. Auf die Fähigkeit, den statutarischen Unternehmensgegenstand und das Eigenkapital autonom zu bestimmen, darf nach dieser Auffassung nicht abgestellt werden, weil solche Entscheidungen im Laufe der Zeit nur selten anstehen. Es ist vielmehr maßgebend, ob die Stellung des Anteilsinhabers der eines Unternehmensinhabers gleichkommt. Demzufolge ist die satzungsändernde Mehrheit unverzichtbare Voraussetzung für die Gewährleistungshaftung; damit kann der Unternehmensinhaber rasch und flexibel auf die sich verändernden Marktbedingungen reagieren. Die vorgenannten Wertungen, die primär auf den Alleininhaber eines Unternehmens ausgerichtet waren, sind nach dieser Auffassung sinngemäß auf den Zustand eines Unternehmens zu übertragen, in dem der Verkäufer die Stellung eines Unternehmensinhabers hat und diese übertragen will. Hommelhoff unterscheidet hierbei folgende Konstellationen: 1. Fallgruppe: Einfache Mehrheit bei der GmbH Der Inhaber dieser Mehrheit kann zwar nicht die satzungsrelevanten Entscheidungen autonom fallen. Das übrige Unternehmensgeschehen unterliegt jedoch vollständig und uneingeschränkt seiner Leitungsmacht. Somit liegt Mitunternehmerschaft vor und es ist gerechtfertigt, denjenigen, der die schlichte Mehrheit an einer GmbH und damit die beherrschende Stellung in ihr verkauft, für den Zustand des Unternehmens Gewähr leisten zu lassen. 2. Fallgruppe: Aufnahme eines Minderheitsgesellschafters durch den Mehrheitsgesellschafter Wenn der Alleingesellschafter oder auch nur der Inhaber der qualifizierten Mehrheit eine Minderheitsbeteiligung verkauft, so ist dies gleichzusetzen mit einem Verkauf der gesamten Beteiligung. Die Tatsache, daß der Verkäufer nach dem Verkauf noch an der Gesellschaft beteiligt bleibt, befreit ihn nicht von der Gewährleistung. § 493 BGB ist analog anzuwenden. Nach § 493 BGB leistet auch Gewähr, wer nur die Belastung einer Sache gegen Entgelt verspricht. Gleiches muß gelten, wenn der veräußernde Gesellschafter zuvor als qualifizierter oder einfacher Mehrheitsgesellschafter beteiligt war. 3. Fallgruppe: Verkauf einer paritätischen Beteiligung Bei dieser Konstellation kann kein Gesellschafter gegen den Willen des anderen das Unternehmensgeschehen bestimmen. Keiner hat die beherrschende Stellung. Für die Situation des Unternehmens sind die paritätisch beteiligten Gesellschafter als gleichberechtigte Mitunternehmer zusammen verantwortlich. Dies rechtfertigt es, auch den Verkäufer eines 50 %-igen GmbH-Anteils für Unternehmensmängel haften zu lassen; denn eine solche Beteiligung eröffnet
B. Anwendung der Sachmängelgewährleistung auf den share deal
311
ihrem jeweiligen Inhaber die gleichberechtigte und gleichgewichtige Teilhabe an sämtlichen, auch den vertrags ändernden Entscheidungen 101. 4. Fallgruppe: Anwendbarkeit des Kriteriums der Mitunternehmerschaft auf das Aktienrecht Die im Hinblick auf die Veräußerung von GmbH-Anteilen entwickelten Wertungen sind nach Auffassung von Hommelhoff grundsätzlich auf den Verkauf von Aktien entsprechend anwendbar lO2 • Das Konzept von Hommelhoff wird durch die Rechtspraxis bestätigt. Die Beteiligten eines share deal gehen bei einem Verkauf von 51 % der Anteile im allgemeinen von einem Unternehmenskauf aus. Die Abgrenzung zwischen Anteils- und Unternehmenskauf hängt schließlich nicht nur von der Höhe des Prozentsatzes, sondern auch von der Person des Verkäufers ab. So kann beispielsweise die Veräußerung eines 40 %-igen GmbH-Anteils durch einen Großkonzern als Unternehmenskauf zu beurteilen sein, während ein Mehrheitsgesellschafter unter Umständen dann nicht für den Zustand des Unternehmens haftet, wenn sich aus der Satzung sein unzureichender Einfluß auf die Geschäftsfuhrung ergibt 103 • Allerdings ist es bedenklich, auch den Verkauf einer paritätischen Beteiligung nach den Regeln des Sachkaufs zu behandeln. Konsequenterweise muß dies dann auch bei einer Drittelbeteiligung gelten; dies ist aber nicht mehr sachgereche 04 • Die unternehmerische Mitbestimmung kann bis zu einem gewissen Grad sowohl für die Unternehmensveräußerung als solche, aber auch für die Abgrenzung zum Anteilskauf im Sinne der von Hommelhoff entwickelten Zurechnungskriterien von Bedeutung sein. Die Mitbestimmung hat jedenfalls Einfluß auf die Realisierungschancen des Unternehmenskaufs sowie die Höhe des Kaufpreises. Über die Bedeutung und das Ausmaß der Mitbestimmung gehen die Meinungen auseinander. Nach einer Ansicht sind Existenz und Ausmaß der Mitbestimmung bei der Beurteilung der Stellung des Verkäufers zu berücksichtigen, die andere Auffassung will hingegen einen Einfluß der Mitbestimmung auf die "Zustandsverantwortung" des
101
Hommelhoff, ZGR 1982, 366, 384.
102 Hommelhoff, Sachmängelhaftung, S. 55; Hommelhoff, ZGR 1982, 366, 385: Das Kriterium der Mituntemehmerschaft ist seiner Auffassung nach auf das Aktienrecht entsprechend anzuwenden; für diese Untersuchung ist dies allerdings nicht weiter von Bedeutung, da durch die Treuhandanstalt nur Gesellschaften mit beschränkter Haftung veräußert wurden; Aktiengesellschaften wurden gar nicht gegründet; Huber, ZGR 1972, 395,396; Wiedemann, JZ 1977, 132. 103 Willemsen, ZGR 1982, 391, 393; so die Auffassung der Teilnehmer des Kronberger Symposiums. 104
Willemsen, ZGR 1982, 391, 393.
312
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Verkäufers wegen der gleichwohl bestehenden Beherrschungsmöglichkeiten ' hen d vernemen . 1 0 5. weltge Angesichts der Vielzahl von unterschiedlichen Lösungskonzepten ist im Hinblick auf die atypische Massenprivatisierung von Unternehmen durch die Treuhandanstalt bei der Veräußerung von shares eine grundsätzliche Stellungnahme geboten. Da die Treuhandanstalt grundsätzlich Alleingesellschafterin der von ihr verwalteten Unternehmen ist, ist es in Übereinstimmung mit Hommelhoff nicht einzusehen, warum sie nicht auch bei der Aufnahme eines Minderheitsgesellschafters aufgrund ihrer beherrschenden Stellung nach §§ 459 ff. BGB analog für Sachmängel einstehen soll. Das gleiche muß gelten, wenn die Treuhandanstalt 51 % der Anteile am Unternehmen veräußert und die Parteien übereinstimmend davon ausgehen, daß der Erwerber damit die Geschicke des Unternehmens steuern kann. In aller Regel kommt es nicht vor, daß ein Gesellschafter trotz einer Mehrheitsbeteiligung aufgrund der Satzung keinen bestimmenden Einfluß auf die Geschäftsführung nehmen kann. Entscheidend ist daher die satzungsändernde Mehrheit des Anteilserwerbers, um in Einklang mit dem Lösungskonzept von Hommelhoff eine prinzielle Haftung des Verkäufers aus Sachmängelgewährleistung zu bejahen. Hommelhoff ist hingegen nicht zuzustimmen, wenn er auch beim Verkauf einer paritätischen Beteiligung das Sachmängelgewährleistungsrecht anwenden will, da sich ein Gesellschafter hier gerade nicht durchsetzen kann; vielmehr neutralisieren sich die rechtlichen Befugnisse der Parteien. Dies gilt vor allem in den Fällen, wo die Treuhandanstalt die Funktion eines staatlichen Verwalters an sogenannten ehemaligen zwischenbetrieblichen Organisationen (ZBO) oder zwischenbetrieblichen Einrichtungen (ZBE) innehat. Hier hält sie in der Regel "nur" Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligungen; sie ist aber ebenfalls entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag verpflichtet, diese sobald wie möglich zu veräußern. Im Ergebnis ist daher für die weitaus überwiegende Zahl der Unternehmensprivatisierungen der Treuhandanstalt in Form des share deal das Gewährleistungsrecht der §§ 459 ff. BGB aus den vorgenannten Gründen nicht ausgeschlossen.
c. Einzel- oder Gesamtrechtsbehelf bei Sach- und Rechtsmängeln von einzelnen Sachen des Unternehmens
Eine Einschränkung der vollständigen Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt sowohl bei Sach- als auch bei Rechtsmängeln von einzelnen Sachen des Unternehmens könnte dergestalt erfolgen,
105
Willemsen, ZGR 1982,391.
C. Rechtsbehelfe bei Sach- und Rechtsmängeln von Einzelsachen
313
indem den Investoren nur Einzelrechtsbehelfe ftlr die Beseitigung der Mängel zugebilligt werden. Damit wäre ebenfalls dem Grunde nach ein Ansatz zur Begrenzung der Haftung der Treuhandanstalt bei der Vielzahl von Privatisierungen vorgegeben. Entscheidend ist daher, ob eine Aufspaltung des Kaufvertrages in die Teile der übertragenen Einzelgüter systemgerecht ist. Rechtsprechung und Schrifttum haben sich bislang vornehmlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Käufer nicht vielmehr neben auf das Gesamtunternehmen bezogenen Rechtsbehelfen auch die mangelhaften Einzelsachen wandeln bzw. die Beseitigung der Rechtsbeeinträchtigungen verlangen kann 106 • I. Standpunkt der Rechtsprechung
Der BGH vertrat bei der Anwendbarkeit der Vorschriften über die Rechtsmängelhaftung auf einzelne Unternehmensgegenstände schon früh folgenden Standpunkt107 : " ••• Es sei nicht einzusehen, warum der Verkäufer eines Rechts, etwa einer Forderung, der strengen Haftung des § 437 BGB unterliegen soll, wenn er allein dieses Recht veräußert, nicht aber, wenn er das im Rahmen des Verkaufs eines ganzen Erwerbsunternehmens tut ... n Die Rechtsprechung mußte einen solchen Fall noch nicht entscheiden. Der BGH sprach allerdings in einem obiter dictum von der Möglichkeit, nur auf Einzelstücke bezogene Rechtsbehelfe zuzulassen. 11. Lösungsvorschläge im Schrifttum 1. Einzelrechtsbehelfe beiSachmängeln
Die wohl herrschende Meinung spricht sich dafUr aus, daß der Käufer grundsätzlich Rechtsmängelansprüche wie auch Sachmängelansprüche in Bezug auf die einzelnen Gegenstände geltend machen kann \08. Wenn der Verkäufer beim Verkauf von Einzelsachen der strengen Haftung der §§ 459 ff. BGB unterliegt, so soll er sich dem nicht schon dadurch entziehen können, daß er dieselben Sachen als Gesamtheit Unternehmen verkauft. Der Käufer darf nach dieser Auffassung wegen eines Einzelstücks Wandelung oder Minderung verlangen, damit eine vollständige Rückabwicklung vermieden wird. Die 106 Hollenberg, Bilanz, S. 26; Grunewald, Grenzziehung, S. 90 ff.; MünchKommi Westermann, BGB, 459 Rdn. 44.
107
Vgl. BGH WM 1970,319,320.
108 Larenz, Allgemeiner Teil, § 45 Abs. 2 a; Grunewald. ZGR 1981, 622, 632 m.w.N.; Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 49; Hollenberg, Bilanz, S. 28 ff.
314
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Begründung stellt vornehmlich darauf ab, daß der Käufer in vielen Fällen rechtlos gestellt ist, wenn man die auf Einzelgegenstände bezogene Wandelung ablehne o9 • Es ist in den meisten Fällen so, daß der Fehler eines Einzelstücks im Rahmen einer Betrachtung des Gesamtunternehmens nur von untergeordneter Bedeutung ist. Denn bei weitem nicht alle Mängel einzelner Sachsubstratteile schlagen in Mängel des ganzen Unternehmens um. Wegen des fehlerhaften Einzelstücks hat der Käufer keine Rechte, und von einem Mangel des gesamten Unternehmens kann nicht gesprochen werden llo . Demgegenüber hat aber der Verkäufer doch ordnungsgemäße Verschaffung versprochen. Daher besteht die Notwendigkeit, Einzelrechtsbehelfe beim Unternehmenskaufvertrag zuzulassen. Die Ablehnung der Wandelungsbefugnis einzelner Sachen hat zur Folge, daß die Haftung beim Kauf eines Groß- und Kleinunternehmens unterschiedlich streng ausfiillt. Denn der gleiche Mangel des gleichen Einzelstückes kann beim Kleinbetrieb vielfach das ganze Unternehmen mangelhaft machen, während beim Großbetrieb die dafUr erforderliche Störungsschwelle nicht erreicht wird. So lassen sich Wertungsdiskrepanzen in Bezug auf gleiche Mängel bei großen und kleinen Unternehmen vermeiden 111. Eine Wandelung in Bezug auf das gesamte Unternehmen soll dann zulässig sein, wenn der Mangel eine "gewisse Erheblichkeit" aufweist ll2 . Als Maßstab dient die Regelung des § 469 BGB. In dieser Vorschrift kommt unter anderem zum Ausdruck, daß die Wandelung in Bezug auf das gesamte Unternehmen nicht zu sehr erschwert werden darf. Der Fehler des Einzelstücks schlägt in einen Mangel des Gesamtunternehmens um, sobald der Fehler des Einzelstücks zu einer Schwächung der Stellung des Unternehmens am Markt fUhrt. In allen anderen Fällen soll dem Käufer mit dem auf das Einzelstück bezogenen Rechtsbehelf gedient sein 113. Der vorgenannte Ansatz würde einerseits zu einer Einschränkung der Wandelungsbefugnis filr die Käufer von Treuhandunternehmen fUhren, als nur Mängel von "gewisser Erheblichkeit" zur Rückabwicklung filhren können; denn nach § 459 Abs. 1 S. 2 BGB kommt "eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit nicht in Betracht". Auf der anderen Seite bedeutet die Zulassung von Einzelrechtsbehelfen bei geringfilgigen Mängeln eine ganz erhebliche Ausweitung der Haftung der Treuhandanstalt.
109
Grunewald, Grenzziehung, S. 91.
110
Grunewald, ZGR 1981,622,634.
111
Grunewald, Grenzziehung, S. 91.
112
Grunewald, Grenzziehung, S. 91.
113
Grunewald, Grenzziehung, S. 92.
C. Rechtsbehelfe bei Sach- und Rechtsmängeln von Einzelsachen
315
2. Gegenauffassung im Schrifttum: Gesamtrechtsbehelf
Die Gegenansicht im Schrifttum wendet sich strikt gegen die berurwortete Verdoppelung von Rechtsbehelfen im Kauftecht. Sie verneint die Zulässigkeit isolierter Rechtsbehelfe rur einzelne Substanzstücke, da jedes Einzelstück nur als Teil des Gesamtunternehmens zu erfassen ist. Niemand käme Z.B. auf den Gedanken, beispielsweise dem Käufer eines Kraftfahrzeugs die Wandelung lediglich eines Kotflügels wahlweise neben der Wandelung des gesamten Wagens zuzugestehen. Die Gleichstellung des Unternehmenskaufs mit § 469 BGB wird abgelehnt, da sich die in § 469 BGB behandelten Fälle einer Sachgesamtheit von der Konstellation des Unternehmenskaufs unterscheiden. Der RegelfaU des § 469 BGB ist die Einzelwandelung. Das Kriterium für die wahlweise Zulässigkeit der Gesamtwandelung ist dagegen gerade nicht das Vorliegen eines Einzelmangels, sondern allein die untrennbare Zusammengehörigkeit der Einzelsachen\l4. Die von der herrschenden Meinung befürwortete Wahl zwischen Einzel- und Gesamtwandelung setzt voraus, daß der Unternehmenskauf weder Kauf einer einheitlichen Sache noch Verkauf mehrerer zusammengehörender und ohne Nachteil nicht trennbarer Sachen im Sinne von § 469 S. 2 BGB ist. Eine solche Einstufung des Unternehmenskaufs sowie die mit ihr verbundene Verdoppelung des Wandelungsrechts ist im Sachmängelgewährleistungsrecht des Kaufrechts systemfternd. Die von der überwiegenden Ansicht rur zulässig gehaltene Einzelwandelung setzt weiterhin voraus, daß sich das Unternehmen von den in ihm enthaltenen Sachsubstratstücken rechtlich trennen und der Unternehmensverkauf in ein Bündel von Einzelverträgen zerlegen läßt. Eine solche Aufsplittung des Gesamtvertrages erscheint verfehlt. Das Unternehmen ist mehr als die Summe seiner Einzelteile; gerade dieses organische Ganze wird verkauft 1l5 • Es ist nicht ungewöhnlich, daß bei einem größeren Unternehmen einzelne Verträge mangelhaft sind oder Forderungen aus einem sonstigen Grund nicht bestehen. So können Fehler eines Autos oder einer Maschine, die bei deren isolierten Verkauf als Sachmangel i.S.d. §§ 459 ff. BGB anzusehen wären, aufs Ganze des Unternehmens bezogen, durchaus im Bereich des Normalen bzw. Tolerablen liegen. Der Bezugspunkt für Mängelansprüche ist allein das Unternehmen und nicht ein einzelner Gegenstand. Hommelhoff betont, daß einzelgegenstandsbezogene Behelfe des Käufers voraussetzen, daß ein Maßstab für die Bewertung des jeweils mangelhaften
114
PalandtlPutzo, BGB, § 469 Rdn. 1.
115 Canaris, ZGR 1982, 395, 430.; Ballerstedt, FS Schilling, S. 293 f., flir die verwandte Problematik des Bereicherungsausgleichs eines Unternehmens, wo er eine Aufspaltung des Unternehmens in Einzelgegenstände ablehnt und den Bereicherungsanspruch am Unternehmen als Einheit orientiert.
316
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Einzelstückes existiert. Solch ein Maßstab fehlt aber regelmäßig beim Unternehmenskauf, da das von den Parteien vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sich auf das Unternehmen als Ganzes bezieht. Zur Bewertung der Einzelgegenstände muß dann auf den Liquidationswert der Gegenstände als Reservemaßstab zurückgegriffen werden. Es ist rechtlich unbedenklich, daß kleinere Mängel an Einzelstücken folgenlos bleiben und somit einzelgegenstandsbezogene Rechtsbehelfe abgelehnt werden 116. Die Formel, der Verkäufer habe letztlich doch die ordnungsgemäße Verschaffung versprochen und müsse dafür nun einstehen, darf nicht auf die Spitze getrieben werden. Es ist nämlich gerade die Frage, ob solch eine ordnungsgemäße Verschaffung überhaupt verneint werden darf. Der Verkäufer sagt dies für den Kaufgegenstand, und damit für das Gesamtunternehmen, zu. Das Gesamtunternehmen ist aber fehlerfrei, und die nicht fehlerfreien Einzelgegenstände sind nicht Kaufgegenstand. Insofern kann die Haftung bei großen und kleinen Unternehmen durchaus verschieden streng ausfallen. Naturgemäß wird der gleiche Mangel der gleichen Maschine einen Kleinbetrieb oftmals ungleich härter als einen Großbetrieb treffen, so daß im ersteren Fall ein Mangel des Gesamtunternehmens zu bejahen, im zweiten gegebenenfalls zu verneinen ist. Schließlich läuft die Zulassung von Einzelrechtsbehelfen auf ein verkapptes Nachbesserungsrecht des Käufers und eine entsprechende Nachbesserungspflicht des Verkäufers hinaus. Ein solche Pflicht kann zwar vereinbart werden; als Regelbehelf ist sie dem Kaufrecht des BGB jedoch fremd ll7 . Diese Auffassung verdient Zustimmung, da das Unternehmen als Kaufgegenstand der Bezugspunkt zu sein hat. Der Mangel muß wesentlich sein, damit die Unerheblichkeitsschwelle des § 459 Abs. 2 BGB überschritten wird. Die Zulassung von Einzelrechsbehelfen würde in der Tat nur zu endlosen Nachbesserungen führen, was im Kaufrecht mangels gesonderter vertraglicher Vereinbarung systemfremd ist. Daher sind auch Einzelrechtsbehelfe bei den Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt nicht zulässig.
D. Vertragliche Beschränkung der Haftung aus Sachmängelgewährleistung Beim Unternehmenskauf treffen die Vertragsparteien besonders häufig spezielle Vereinbarungen, die die unerwünschten Rechtsfolgen der vollständigen Rückabwicklung der Verträge von Gesetzes wegen bei Leistungsstörungen abbedingen. Ein in der Vertragspraxis des Unternehmenskaufs probates Mittel
116
Grunewald, Grenzziehung, S. 91.
117
Jauernig/Vollkommer, BGB, 7. Aufl. 1994, § 462 Anm. 4.
D. Beschränkung der Haftung aus Sachmängelgewährleistung
317
ist die Vereinbarung. zur Erstellung einer Stichtagsbilanz, um die Haftung überschaubar zu gestalten; einerseits zum Zwecke der Kaufpreisennittlung, und zum anderen auch zur Ennittlung der Höhe der Verbindlichkeiten o.ä. Dennoch können nicht alle potentiellen Gefahren erfaßt werden, da die Stichtagsbilanzen nur aus der Kenntnis der Fakten im Prüfungszeitpunkt zutreffend geprüft werden können. Unbekannte, aus der Zeit vor dem Stichtag stammende Verbindlichkeiten des Unternehmens können aber nachträglich aktuell werden. Dies betrifft die Fälle von Produkthaftung, von nachträglich auftretenden Gewährleistungsansprüchen etc.. Anläßlich des Kronberger Symposiums wurde erörtert, ob im Unternehmenskaufvertrag eine weitere Preiskorrektur fUr innerhalb gewisser Fristen aktuell werdende, am Stichtag latent vorhanden gewesene, in der Stichtagsbilanz nicht berücksichtigte Verbindlichkeiten vorzusehen ist 1l8 • Detaillierte Regelungen, insbesondere solche, die eine Risikoverteilung zum Gegenstand haben, können weitergehend auch eine spätere Berufung des Käufers auf die Erschütterung der Geschäftsgrundlage oder deren Wegfall bis zum Ausschluß erschweren. Dies kann sehr wohl in Kauf genommen werden, sofern die Leistungsstörungsfolgen hinreichend erfaßt sind. Der Verkäufer hat die von ihm zu garantierenden Umstände klar zu bestimmen. Damit kann der mit einer Offenlegung der Berechnungsgrundlagen verbundenen Tendenz, den Verkäufer mit allen Risiken zu belasten, begegnet werden. Präzise vertragliche Regelungen treffen stets Vorsorge fUr Eventualansprüche. Insbesondere ist in den Unternehmenskaufverträgen zu regeln, welche Umstände zu einer Änderung des Kaufpreises fUhren sollen. Etwaige Garantien sollen sich regelmäßig nur auf vergangene oder gegenwärtige Umstände beziehen. Es kann dem Verkäufer nicht zugemutet werden, fUr zukünftige Erträge einzustehen. Bei größeren Unternehmenskaufverträgen treffen die Parteien zudem Schiedsgerichtsvereinbarungen, weshalb der staatlichen Gerichtsbarkeit die Überprüfung solcher Problemfälle praktisch vorenthalten bleibe 19.
I. Vertraglicher Gewährleistungsausschluß durch die Treuhandanstalt Schon das Kronberger Symposium hatte seinerzeit auf die Möglichkeit des Unternehmensverkäufers hingewiesen, die Haftung zu beschränken oder ganz auszuschließen. Dieser kann sich grundsätzlich unschwer durch den Ausschluß jeglicher Gewährleistungspflicht sowie durch die Klausel schützen, daß dem Unternehmenskäufer Eigenschaften des Unternehmens oder seiner Vennö-
118
Wessing, ZGR 1982,455,463 f.
119
Wessing, ZGR 1982,455,469.
318
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
gensbestandteile nicht zugesichert worden sind. Die Vertragsgestaltung kann auch dahingehend ergänzt werden, daß "dem Käufer alle Umstände bekannt sind, durch die der Bestand des Vermögens oder das Ergebnis des Unternehmens beeinflußt werden können,,120. Aufgrund des meist schlechten Zustands des Anlagevermögens sowie der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Unternehmen zum Zeitpunkt des Verkaufs eröffnet sich den Investoren eine Vielzahl von Möglichkeiten für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen. Die Treuhandanstalt versucht daher, in den Vertragsverhandlungen einen Gewährleistungsausschluß für Sachmängel des Unternehmens zu vereinbaren, um ihr Haftungsrisiko weitestgehend zu beschränken. Damit kann sie sich vielfach, aber nicht in allen Fällen durchsetzen. Die Treuhandanstalt verwendet in den Privatisierungsverträgen vielfach etwa folgende Klauseln: - Share deal § ... Gewährleistung, Schadensersatzansprüche (1) Der Verkäufer sichert zu, daß
a) die verkauften Geschäftsanteile bestehen und wirksam begründete Rechte an der Gesellschaft darstellen, b) die Einlagen auf die Geschäftsanteile voll erbracht sind und die Geschäftsanteile nicht mit Rechten Dritter belstetet sind, c) die Treuhandanstalt nicht an der Verfugung über die Geschäftsanteile · dert Ist . 121 . ge hIn (2) Die Käufer hatten Gelegenheit, die Gesellschaft, das von ihr betriebene Unternehmen, alle ihr gehörenden Vermögenswerte zu überprüfen. Der Verkauf der Geschäftsanteile und des gesamten Unternehmens erfolgt somit unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung für die Werthaltigkeit und Ertragsfiihigkeit der verkauften Geschäftsanteile und des Unternehmens
120
Wessing, ZGR 1982,455,459.
121 Diesbezüglich ist dem Verfasser kaum ein Fal1 erinnerlich. Einmal hatte der Käufer unter Berufung auf die noch nicht erfül1te Stammeinlage die Einrde des nichterfül1ten Vertrages erhoben. - Zu beachten ist die Zusicherung der Treuhandanstalt in der aufgeführten Klausel (Rechtsfolge einer unzutreffenden Zusicherung sind die §§ 437, 440, 320 ff. BGB).
D. Beschränkung der Haftung aus Sachmängelgewährleistung
319
sowie für die Freiheit von Sach- und Rechtsmängeln, soweit nicht in diesem Vertrag ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. (3) Insbesondere tragen die Käufer das Risiko eventueller ökologischer Altlasten, auch soweit die Gesellschaft eventuell in Zukunft verpflichtet sein sollte, Schäden an der Umwelt, die durch ihre Rechtsvorgänger verursacht wurden, zu beseitigen. Die Käufer werden auf die Gesellschaft dahingehend einwirken, daß diese den Antrag auf Freistellung nach dem Umweltrahmengesetz aufrechterhält und das Verfahren mit allen vernünftigerweise in Betracht kommenden Mitteln weiterbetreibt. (4) Die Käufer können, soweit in diesem Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist, gegen die Treuhandanstalt keine Ansprüche aus der Verletzung vorvertraglicher, vertraglicher oder gesetzlicher Verpflichtungen geltend machen, es sei denn die Treuhandanstalt hätte die ihr obliegenden Verpflichtungen vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt. (5) Soweit nach diesem Vertrag Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche bestehen, verjähren sie innerhalb von 6 Monaten nach dem Übergang der Geschäftsanteile. - Asset deal: § ...
Ausschluß der Gewährleistung und von Schadensersatzansprüchen (l) Die Käuferin hatte Gelegenheit, den Kaufgegenstand zu besichtigen und zu prüfen. Der Kaufgegenstand wird in allen Teilen verkauft wie er steht und liegt. Gewährleistungsansprüche, auch für die Größe, Art und Nutzbarkeit der Grundstücksflächen und Gebäude, für die Bebaubarkeit des Grundstücks sowie für den Zustand der Baulichkeiten werden ausgeschlossen. Im übrigen sind Gewährleistungsansprüche nur gegeben, soweit sie ausdrücklich eingeräumt sind. In jedem Fall sind sie auf ... % des Kaufpreises begrenzt.
(2) Insbesondere werden auch Ansprüche der Käuferin wegen etwaiger Bodenverunreinigungen ausgeschlossen. Die Verkäuferin hat einen Antrag auf Freistellung nach dem Umweltrahmengesetz gestellt. die Käuferin hat diesem Antrag beizutreten und ihn mit allen vemÜDftigerweise in Betracht kommenden Mitteln weiterzubetreiben. (3) Die Verkäuferin und die Treuhandanstalt haften nicht für leichte Fahrlässigkeit. (4) In jedem Fall verjähren Ansprüche der Käuferin auf Gewährleistung und Schadensersatz in sechs Monaten nach dem Übergabestichtag.
320
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
Zu untersuchen ist, bis zu welcher Grenze dieser vertragliche Haftungsausschluß zulässig ist, insbesondere im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit dem AGB-Gesetz nach den von der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien. Es muß sich zeigen, ob die Besonderheiten des Untemehmenskaufs in den neuen Bundesländern zu einer Modifizierung des Haftungsausschlusses führen können. Im Schrifttum wird vorgetragen, daß in dem Gewährleistungsausschluß im Einzelfall eine unangemessene Risikoabwälzung dann liegen kann, wenn Z.B. eine mitverkaufte Forderung wertlos, die Altlastenschuld weitaus höher als vorausgesetzt oder die Bilanz grob falsch ist. Ein völliger Ausschluß der Gewährleistung ist beim herkömmlichen Unternehmenskauf überlicherweise nicht häufig anzutreffen, auch wenn den Veräußerer regelmäßig eine Vielzahl von Nebenpflichten treffen. Ob diese sämtlich auf den potentiellen Käufer abgewälzt werden können, wenn diesem - wie beim Kauf eines Treuhandunternehmens üblich - die Möglichkeit der vorherigen Besichtigung und Bewertung des Unternehmens eingeräumt wird, bezweifelt im Schrifttum beispielsweise Weimar 122. Er verneint dies im Hinblick auf solche Negativeigenschaften, die dem Unternehmen nicht sichtbar anhaften. Ein diesbezüglicher Haftungsausschluß soll im Einzelfall zu einer Gefiihrdung der Vertragszwecke führen. Darunter sind Gefährdungen der mit der Vertragsdurchfuhrung verfolgten wirtschaftlichen Ziele zu verstehen. Ist die FortfUhrung des Betriebes infolge der Ausschlußklausel auch nur teilweise gefiihrdet, so sollen nach dieser Auffassung entsprechende Ausschlußklauseln der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGB-Gesetz nicht standhalten. Soweit das AGB-Gesetz zur Anwendung kommt, kann die Klausel nach § 9 AGB-Gesetz somit wegen unangemessener Benachteiligung des Käufers entgegen des Gebots von Treu und Glauben unwirksam sein I23 • Nach zutreffender Auffassung fUhrt die Auslegung des Gewährleistungsausschlusses nach § 157 BGB des Weiteren zu einer einschränkenden Auslegung. Im Zweifel ist der Ausschluß nicht auf die Haftung aus culpa in contrahendo zu beziehen. Freilich läßt der Wortlaut nicht ohne weiteres eine solche Auslegung zu. Dann muß diese Haftung zumindest in gravierenden Fällen eingreifen, die von der Vorstellung nicht erfaßt waren 124 • Daher ist in einigen Fällen - vor allem bei Schwerstmängeln des Unternehmens, wenn z.B. eine Betriebserlaubnis erloschen ist o.ä. - der Gewährleistungsausschluß unwirksam. Weiterhin gibt es eine nicht unbeträchtliche Zahl von Privatisierungsverträgen, in denen kein Haftungsausschluß vereinbart ist,
122
Weimar, Nachprivatisierungsprobleme, S. 66.
123 Horn, DB 1995,359,362 - Nach Ansicht des Verfassers kommt hier das AGBGesetz grundsätzlich zur Anwendung.
124
Horn, DB 1995,359,362.
D. Beschränkung der Haftung aus Sachmängelgewährleistung
321
so daß die Wandelung des Kaufvertrages wegen Mängel des Unternehmens aus
Sicht der Treuhandanstalt droht. 11. Vertragliche Beschränkung der Haftung auf Kaufpreisminderung
Gelingt es der Treuhandanstalt nicht, den Haftungsausschluß in den Vertragsverhandlungen durchzusetzen, so versucht sie wenigstens, ihre Haftung fUr Sachmängel auf Ansprüche auf Kaufpreisminderung zu begrenzen, oder läßt sich ausnahmsweise ein Recht zur Nachbesserung einräumen. Die Treuhandanstalt schließt dann weitergehende Gewährleistungsansprüche auf Wandelung oder Schadensersatz regelmäßig aus 125. Mit dieser Vertragsgestaltung lehnt sich die Treuhandanstalt an die gängige Vertragspraxis in den herkömmlichen Unternehmenskaufverträgen an. Die Parteien weichen auf die vertragliche Vereinbarung von Minderungsansprüchen aus, um Streit über Grund und Höhe des Wandelungsanspruchs zu vermeiden l26 • Auch fUr den Erwerber von Treuhandunternehmen besteht nur selten die Notwendigkeit, den Kaufvertrag trotz der Feststellung auch schwerwiegender Mängel rückabzuwickeln. Die Kautelarpraxis trägt dem dadurch Rechnung, als sie einer Anpassung des Vertrages den Vorrrang einräumt und durch ein ausgeklügeltes Klauselwerk die gravierenden Rechtsfolgen von gesetzlichen Rücktrittsrechten, insbesondere aufgrund einer Wandelungsbefugnis, abbbedingt. Das bevorzugte vertragliche Gestaltungsmittel ist die flexible Gestaltung des Kaufpreises bei Äquivalenzstörungen 127 • Im Ergebnis filhrt dies zu einer stets einzelfallbezogenen Minderung des Kaufpreises nach Maßgabe der Regeln des § 472 BGB 128 • Die Wandelung ist regelmäßig nur noch in gravierenden Fällen möglich, z.B. beim Erlöschen der Betriebserlaub-
125
Horn, DB 1995,359,362; Lehmann, DStR 1992, 1287, 1289.
126
Quack, ZGR 1982, 350, 351; Rellermeyer, ZGR 1982,472 ff.
127 Instruktiv Wessing, ZGR 1982, 455, 458 und 468: Immer handelt es sich bei einem Untemehmenskauf um einen bedeutsamen wirtschaftlichen Vorgang. Zur Begrenzung ihm ohnehin verbleibender Risiken muß der Käufer daher präzise Regelungen über die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien verlangen, sowie über die Rechtsfolgen, die eintreten, wenn seine erklärten Kauferwartungen nicht erfüllt werden. In der Praxis wird der Rücktritt bzw. die Wandelung des Kaufvertrages nahezu ausnahmslos ausgeschlossen. Ausnahmen gelten nur für gravierende Fälle (z.B. beim Erlöschen der Betriebserlaubnis).
128
21 HeB
Wessing, ZGR 1982, 455, 468.
322
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
nis. Bei der Bestimmung über die Höhe der Kaufpreisminderung ist regelmäßig die Fachkompetenz von Wirtschaftsprüfers und Steuerberatern gefrage 29 • Vereinzelt gibt die Treuhandanstalt auch Gewährleistungen über das Eigentum an Grundstücken des Unternehmens ab. Auch hier wird vertraglich vereinbart, daß auf der Rechtsfolgenseite nur eine Kaufpreisminderung als interessengerechter Ausgleich in Betracht kommt, wenn das Eigentum nicht verschafft werden kann. Der Maßstab ist der Wertansatz des betroffenen Vermögenswertes, wie er in die Kaufpreisfmdung eingeflossen ist. Handelt es sich hingegen um absolut betriebsnotwendige Grundstücke, so kann diese Beschränkung der Haftung nicht weiterhelfen. Die Klausel ist wegen Verstoßes gegen § 9 AGB-Gesetz unwirksam, da sie gegen den wesentlichen Vertragszweck verstößt. Es bedarf daher nicht einer gesonderten Klausel dergestalt, daß dem Käufer ein Rücktrittsrecht zusteht, wenn das Eigentum an. einer zentralen Betriebsimmobilie nicht verschafft werden kann. Solch ein Vorschlag ginge im übrigen an den vertraglichen Realitäten der Privatisierungsverträge vorbei, als die Treuhandanstalt regelmäßig gerade für diesen Fall der Nichtverschaffung des Eigentums die Haftung nicht ausschließt und ausschließen kann.
E. Einschränkung der Wandelungsbefugnis beim Unternehmenskauf durch die Rechtsprechung Ein zentraler Ansatz zur Einschränkung der Rückabwicklung von Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt ist sicherlich der, den Mangelbegriff des § 459 BGB in der Anwendung auf solch einen komplexen Kaufgegenstand wie ein Unternehmen restriktiv zu handhaben. Die Rechtsprechung verfährt seit jeher so und gelangt dadurch zu einer weitgehenden Ausschaltung der Wandelungsbefugnisse des Käufers. I. Einschränkung des Fehlerbegriffs auf ein Unternehmen als Kaufgegenstand Die Rechtsprechung wendet grundsätzlich das Sachmängelgewährleistungsrecht der §§ 459 ff. BGB an und läßt die Vorschaltung eines primären Rechts aufNachbesserung vor die Wandelung bzw. Minderung nicht zu. Sie begründet dies damit, daß ein Nachbesserungsrecht im Kaufrecht ein dem gesetzlichen Leitbild nicht entsprechender Fremkörper ist, und es in dem Hauptfall einer 129 Wessing. ZGR 1982, 455, 468; Rellermeyer, ZGR 1982,472 ff., 474 f.; der sich ebenfalls der Forderung nach einer weitgehenden Einschränkung des Rücktrittsrechts des Käufers anschließt.
E. Einschränkung der Wandelungsbefugnis beim Untemehmenskauf
323
nicht den Vorstellungen des Käufers entsprechenden Ertragsentwicklung des Unternehmens ohnehin keine Wirkung hae 30 . Das Modell der Rechtsprechung ist das folgende: Der BGH legt beim Unternehmenskauf einen engen Fehlerbegriff LS.d. § 459 Abs. I BGB zugrunde und stellt verhältnismäßig hohe Anforderungen an die Zusicherung einer Eigenschaft LS.v. § 459 Abs. 2. BGB. Der BGH erweitert damit den Raum tUr Ansprüche aus c.i.c. \31. Der BGH löst die Problematik fehlerhafter Bilanzen und unzutreffender Angaben über Umsatz und Ertrag gleichermaßen beim Unternehmens- als auch beim Anteilskauf mithilfe der c.i.c. 132 • Der Käufer kann über c.i.c. i.V.m. § 249 S. 1 BGB im praktischen Ergebnis Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Kaufgegenstands verlangen 133 • Diese Rechtsprechung erlaubt dem Käufer, den Betrag als Schaden zu liquidieren, um den er das Unternehmen zu teuer gekauft hat 134 • Das Reichsgericht sah bereits Umstände, die das gute Funktionieren des Unternehmens beeinträchtigten, als Unternehmensmängel an I35 • Nach dieser Rechtsprechung umfaßte der Fehlerbegriff auch Umweltbeziehungen der Sache, soweit sie von einiger Dauer waren\36. Nicht nur physische Eigenschaften der Sache, sondern auch tatsächliche und rechtliche Verhältnisse, die nach der Verkehrsauffassung infolge ihrer Beschaffenheit und vermutlichen Dauer Einfluß auf die Wertschätzung der Sache haben, kamen als Fehler in Betracht 137 • Der BGH verlangt in ständiger Rechtsprechung, daß durch den Fehler des einzelnen Gegenstandes die Tauglichkeit des Unternehmens als Ganzes nicht mehr gegeben, d.h. seine wirtschaftliche Grundlage durch den Mangel erschüttert ist 138 • Entsprechendes gilt fUr Quantitätsmängel, etwa der Fehlbestand an 130 Hiddemann, ZGR 1982, 435, 443; Harbers, Zivilrechtliche Probleme beim Management Buy-Out (im folgenden zitiert: Management Buy-Out), S. 132.
131
Canaris, ZGR 1982, 395, 415.
132 BGHZ 69, 53; BGH NJW 1970, 653; BGH WM 1974, 51; BGH NJW 1977, 1538; BOH ZIP 1980, 549.
133
Canaris, ZGR 1982, 395, 416; BOH NJW 1962, 1196.
134 Mit Beweiserleichterung, vgl. BGHZ 96, 53, 57 f. und BGH ZIP 1980, 549, 550; anders die Urteile des I. Senats WM 1970,819,822 und NJW 1977, 1538, 1539.
21'
135
RGZ 98,295; Hiddemann, ZGR 1982, 435, 444.
136
RGZ 161, 330.
137
ROZ 161, 194; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd.lI, S. 35.
13K
BGH WM 1970,819; BGH WM 1978,326; BGH WM 1987, 59.
324
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
Gerüsten beim Verkauf eines Gerüstbauunternehmens 139 oder fehlendes Leergut beim Kauf eines Getränkegroßhandels l40 • Der BGH geht sogar so weit, daß ein Rechtsmangel einzelner übertragener Vermögensteile bei entsprechendem Gewicht ebenso einen Sachmangel des Unternehmens darstellen kann 141 wie andere Rechtsmängel, die auf das Unternehmen durchschlagen, z .. B. ein berufsgenossenschaftliches Betriebsverbot oder baupolizeiliche Nutzungsbeschränkungen 142. Der BGH stellt klar, daß der Fehlerbegriff im Sinne des § 459 BGB kaum auf einen so komplexen Kaufgegenstand wie ein Unternehmen passen kann. Als Fehler sieht die Rechtsprechung negative Beschaffenheitsmerkmale an, die dem Unternehmen im Zeitpunkt der Übergabe anhaften. Es kann sich dabei sowohl um die körperliche Beschaffenheit des sachlichen Substrats des Unternehmens handeln, als auch um sonstige Umstände, die in den Beziehungen des Unternehmens zur Umwelt ihren Grund haben, soweit sie geeignet sind, seinen Wert oder seine Gebrauchstauglichkeit zu beeinträchtigen. Unter Berücksichtigung der restriktiven Auslegung des § 459 Abs. 1 BGB kann das Vorliegen eines Fehlers des Gesamtunternehmens nur von Einzelfall zu Einzelfall beurteilt werden l43 • Hinter den Erwartungen zurückgebliebene Umsätze und Erträge des Unternehmens begründen nach ständiger Rechtsprechung keinen Fehler gemäß § 459 Abs. 1 BGB I44 • Denn hinter den Erwartungen des Erwerbers zurückbleibende Umsätze und Erträge beeinträchtigen nicht die Gebrauchstauglichkeit des Unternehmens, unabhängig davon, ob vom objektiven oder subjektiven Fehlerbegriff ausgegangen wird. Es handelt sich nicht um Sacheigenschaften des
139
BGH WM 1979, 102.
140
BGH WM 1974, 312.
141
Hiddemann, ZGR 1982,435,444.
142 Ho/zapje//Pöllath, Unternehmenskauf, Rdn. 318; Soerge//Huber, BGB, vor § 459 Rdn. 129, m.w.N.; Harbers, Managemant Buy-Out, S. 133, der beklagt, daß sich hierbei eine klare Linie der Rechtsprechung, wann Sach- oder Rechtsmängelrecht anzuwenden ist, nicht erkennen läßt. 143
Hiddemann, ZGR 1982,435,443.
144 BGH WM 1988, 1700; Staudinger/Honsell, BGB, § 459 Rdn. 43; MünchKommi Westermann, BGB, § 459 Rdn. 44; Soerge/-Huber, BGB, vor § 459 Rdn. 131; Hiddemann, ZGR 1982,435,445.
· E. Einschränkung der Wandelungsbefugnis beim Unternehmenskauf
325
Unternehmens. Umsatz- oder Ertragsangaben rechtfertigen lediglich mittelbar Schlüsse auf den Wert des Unternehmens l45 • 11. Anforderungen der Rechtsprechung an die Zusicherung von Eigenschaften des Unternehmens Die Rechtsprechung hält ungeachtet der im Schrifttum erhobenen Kritik an dem engen Fehlerbegriff fest und weist fi1r Angaben des Verkäufes über Umsatz und Ertrag auf die Möglichkeit einer Zusicherung von Eigenschaften im Bereich des § 459 Abs. 2 BGB hin 146. Ebenso behandelt der BGH die Angaben des Verkäufers zu unrichtigen Bilanzen und Statusangaben l47 • Der Anknüpfungspunkt rur eine etwaige Gewährleistung des Verkäufers sind nach Ansicht der Rechtsprechung die umfangreichen Auskunfts- und Informationspflichten, die dem Verkäufer beim Unternehmensverkauf obliegen. Nach der Auffassung des BGH würde jedoch die Einstandspflicht des Unternehmensverkäufers überspannt, wenn dieser verschuldensunabhängig fi1r die Richtigkeit aller dieser Angaben haftbar gemacht werden soll. Die Rechtsprechung stellt daher strenge Anforderungen an das Vorliegen einer, wenn auch aus dem Blickwinkel des Käufers zu beurteilenden Zusicherung l48 • Die vom Gesetzgeber ohnehin nicht als Regelfall gedachte Haftung des Verkäufers aus § 459 Abs. 2 BGB soll nicht zu weit ausgedehnt werden, da zu bedenken ist, 145 Kantenwein, Die Sachmängelhaftung beim Unternehmenskauf (im folgenden zitiert: Sachmängelhaftung), 1988, S. 16 und 32, kritisiert das Kriterium der Entscheidungserheblichkeit der Rspr .. In der Praxis des Unernehmenskaufs werde neben einer Erfassung der aktuellen Vermögenswerte besonders Wert auf die vergangenen Umsätze, Gewinne, Verluste, Bilanzkennzahlen und Marktanteile gelegt. Die Begründung, Bilanzen und Umsatzangaben könnten nur ein Mittel sein, um in Verbindung mit anderen Umständen Schlüsse auf die Ertragsfahigkeit zuzulassen, gelte somit rur sämtliche Informationen über das Unternehmen. Auch wenn der Verkäufer zum Beispiel bestimmte Umsätze der Vergangenheit falsch angebe, so sei es möglich, daß das Unternehmen in der Zukunft ausreichende Umsätze erwirtschaften kann. Es handele sich um damit um "Fehler", die nicht im Unternehmen liegen, sondern ihm "von außen beigelegt werden". Diese Art der Fehlerhaftigkeit wirke nicht zwangsläufig fort im Gegensatz zu den typischen Fehlern des Alltagskaufs; zum Beispiel bei einem defekten Motor des Autos. Derartige falsche Informationen könnten daher entweder vom Fehlerbegriff oder vom Begriff des Fehlens zugesicherter Eigenschaften erfaßt werden. 146
BGH WM 1970, 132.
147 Vgl. Hiddemann, ZGR 1982, 435, 444. - Dies spielt bei den Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt oft keine Rolle. 14K
BGHZ 59, 258, 260.
326
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
daß der Verkäufer nicht die genaue Motivation des Käufers und dessen oberste Prioritäten wissen kann 149 . So ist vorstellbar, daß den Käufer die Ertragsangaben der Vergangenheit gar nicht sonderlich interessieren, wenn er eine neue Unternehmenspolitik verfolgt oder nur Konkurrenten durch Kauf ausschalten will 150. Die Leitsätze der Rechtsprechung lauten: - Die bloße Vorlage von Unterlagen bei den Vertragsverhandlungen soll und darf die Annahme einer derartigen garantieähnlichen Bereitschaft zur Haftungsübernahme regelmäßig nicht rechtfertigen 151. - Ertragsangaben sind nur dann Gegenstand einer gewährleistungsrechtlichen Zusicherung, wenn sie sich über einen längeren, mehrjährigen Zeitraum erstrecken 152. - Aus Umsatzangaben lassen sich in aller Regel nur sehr beschränkt Rückschlüsse auf die Ertragskraft des Unternehmens ziehen, weil diese im wesentlichen von anderen Umständen, insbesondere dem unternehmerischen Einsatz bestimmt wird. Im Regelfall sind sie einer Eigenschaftszusicherung nicht zugänglich. Der BGH bestätigte diese Grundsätze in mehreren Urteilen: So genügt eine Zeitspanne von einem halben Geschäftsjahr rür die Annahme einer Bilanzzusicherung "über einen längeren Zeitraum" nicht. Es steht den Parteien frei, die Ertragszusicherung zum Gegenstand eines selbständigen Garantievertrages im Sinne der §§ 241, 305 BGB zu machen 153. Ebenso entschied der BGH im Hinblick auf die Zusicherungsflihigkeit einzelner Bilanz- und Statusangaben 154.
149 Kantenwein, Sachmängelhaftung, S. 46; Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 82; Huber, ZGR 1972,395,405; Müller, Haftung des Verkäufers, S. 130; BGH NJW 1977,1538. 150
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 134 und 182.
151
Hiddemann, ZGR 1982, 435, 445.
152 RGZ 134,83; BGH WM 1970, 132; WM 1974,51 und WM 1977,999; Hiddemann, ZGR 1982, 435, 446; dies mag zweifelhaft sein, wenn nach den gemeinsamen Partei vorstellungen der Ertrag des Unternehmens für den Käufer eine Existenzgrundlage schaffen soll, vgl. Putzo, NJW 1970,653; Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 88: Hommelhoff geht einen anderen Weg, indem er den Begriff der zugesicherten Eigenschaft weit auslegt, um die falschen Vergangenheitsangaben erfassen zu können; Kantenwein, Sachmängelhaftung, 1988, S. 35. 153
BGH WM 1970, 132; Müller, ZHR 147 (1983), 501, 505; BGHZ 69,53.
154
BGH WM 1974,51.
· E. Einschränkung der Wandelungsbefugnis beim Unternehmenskauf
327
III. Erweiterung des Anwendungsbereichs der Haftung aus Culpa in contrahendo Die Rechtsprechung eröffnet dem Rechtsinstut des Verschuldens bei Vertragsschluß (culpa in contrahendo) einen erweiterten Anwendungsbereich bei der Zusicherung von Umsätzen und Erträgen. Zwar schließt die Treuhandanstalt in den Privatisierungsverträgen oftmals auch die Haftung ftlr ein Verschulden bei Vertragsschluß aus, doch kann damit keinesfalls auch die Haftung ftlr grobes Verschulden ausgeschlossen werden. Im Unterschied zum Recht der Sachmängelgewährleistung kann es bei Anwendung dieses Rechtsinstituts aber nicht zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrages kommen. In dem "Tee-Import-Handelfall" nahm der BGH dazu Stellung, inwieweit die vorn Verkäufer gemachten Angaben zum Reinertrag eines Unternehmens eine Eigenschaftszusicherung sein könnten. Nach Auffassung des BGH galt dies nur im Falle einer vertraglichen Zusicherung; ansonsten könnte bei unrichtigen Angaben zum Ertrag eine Haftung aus c.i.c. eröffnet sein 15S • In dem "Rechtsbeistandspraxisfall" bekräftigte der BGH, daß unrichtige Angaben über Umsätze und Erträge eines Unternehmens regelmäßig weder einen Sachmangel noch eine Eigenschaftszusicherung bedeuten\S6. Dies soll in jedem Falle dann gelten, wenn sie sich nicht über einen längeren, mehrjährigen Zeitraum erstrekken und deshalb keinen verläßlichen Anhalt ftlr die Bewertung der Ertragsfähigkeit und damit des Wertes des Unternehmens geben 157. Unberührt davon bleiben aber Ansprüche wegen c.i.c., die sich daraus ergeben, daß ein Vertragsteil den anderen nicht über Umstände aufklärt, die zwar die Erreichung des Vertragszwecks gefährden, aber nicht Eigenschaften des Kaufgegenstands betreffen IS8.
ISS
BGH NJW 1977, 1538.
156
BGH WM 1988, 1700.
157 Der BGH knüpft damit an RGZ 134, 83 an. - BGH bestätigt in einem Urteil vom gleichen Jahr über den Vertrieb von Eigentumswohnungen den engen Anwendungsbereich der zusicherungsfähigen Eigenschaften bei einem Grundstücksverkauf: "die in einem Prospekt gemachten Angaben über erzielbare Steuervorteile seien keine zusicherungsfähigen Eigenschaften im Sinne von § 459 Abs. 2; BGH ZIP 1988, 316 ff., 319 mit Verweis aufBGHZ 79,183,187 (m.w.N.); BGH ZIP 88, 316, 318; DB 1977, 1042; ergänzend Hagen, Sonderbeilage 7 zu WM 1989, Die neuere Rechtsprechung des BGH zum Grundstückskauf; NJW-RR 1988, 10, zum Verhältnis §§ 459 ff. zu c.i.c./Aufklärungspflicht des Verkäufers. Die darin zum Ausdruck gekommenen Leitlinien lassen sich auf den Unternehmenskauf übertragen. 158
BGH WM 1988,95.
328
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
In einer Entscheidung aus dem Jahre 1990 hatte sich der BGH mit der Frage der Zusicherungsfähigkeit des Bierumsatzes ,einer Gaststätte auseinanderzusetzen l59 • Der BGH verneinte, daß der in einem Jahr bei nur eingeschränkter Öffnungszeit monatlich erzielte Bierumsatz einer Gaststätte eine Eigenschaft des Grundstücks ist. Auch hier gelangte er zur Anwendung der Ansprüche aus c.i.c., da es sich bei den falschen Angaben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses über Umstände handelte, die für den Abschluß von Bedeutung waren, aber nicht zur Beschaffenheit der Sache zählten l60 • Das OLG Düsseldorf entschied, daß Gewährleistungsansprüche wegen charakterlicher Unzuverlässigkeit eines maßgeblichen Mitarbeiters des gekauften Unternehmens nicht in Frage kommen l61 • Grundsätzlich soll aber eine Haftung aus c.i.c. möglich sein, die hier nicht durch die §§ 459 ff. BGB ausgeschlossen ist. In einer neueren Entscheidung des BGH hatte der Verkäufer den Käufer, der auf dem Kaufgrundstück einen Gastbetrieb mit Übernachungsmöglichkeit führen wollte, darüber im Unklaren gelassen, daß der bisher bestehende Betrieb als Stundenhotel bekannt war 162 . Der BGH betonte, daß sich eine zusicherungsfähige Eigenschaft LS.d. § 459 Abs. 2 BGB auf die Kaufsache beziehen muß, ihr aber nicht unmittelbar innezuwohnen und von ihr auszugehen braucht. Der BGH bejahte eine Haftung des Verkäufers auf Schadensersatz aus c.i.c. und führte aus, daß innerhalb der kurzen Verjährungsfrist des § 477 Abs. S. 1 BGB Ansprüche aus c.i.c. nur insoweit verjähren würden, als sich das Verschulden auf unrichtige Angaben über die Beschaffenheit der Kaufsache bezieht. Nur dann sei bei fahrlässigen Falschangaben die Verschuldenshaftung aus Konkurrenzgründen ausgeschlossen. Betrifft aber das Verschulden Umstände, die nicht zur Beschaffenheit der Sache zählen, gleichwohl aber für den Kaufentschluß von Bedeutung waren, besteht mit der vertraglichen Gewährleistungshaftung von vornherein kein sachlicher Zusammenhang. Damit ist auch für die Anwendung des § 477 BGB kein Raum l63 .
159
BGH NJW 1990, 1658 ff. BGH NJW 1990, 1658, 1659; Bekräftigung der Rspr. des BGH, WM 1988,
160
124 ff. 161 OLG Düsseldorf, ZIP 1992, 321, 323 - zur Frage, ob das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Charaktereigenschaften eines maßgeblichen Mitarbeiters einer Steuerberater-Praxis) als Eigenschaft oder Fehler des Unternehmens in Betracht kommt. 162
BGH NJW 1992,2564 ff.; KlarsteIlung zu BGHZ 114,263 = NJW 1991,2556.
163
BGH ZIP 1992, 695, 698.
E. Einschränkung der Wandelungsbefugnis beim Unternehmenskauf
329
Es ist ZU konstatieren, daß der BGH etwaige Haftungslücken aufgrund der restriktiven Handhabung des Mangelbegriffs seit der "Juwelierladenentscheidung" mit Hilfe des Instituts der c.i.c. schließt. Von Bedeutung ist somit die Abgrenzung zwischen der Zusicherung von Eigenschaften i.S.v. § 459 Abs. 2 BGB und der fahrlässigen Falschauskunft mit den Rechtsfolgen des "extra legern" entwickelten Rechtsinstituts der c.i.c .. Dieses Haftungsinstitut kann zunächst überall dort nicht eingreifen, wo die spezifischen Regelungen der kaufrechtlichen Gewährleistung eingreifen. Bei zumindest fahrlässig falschen Angaben des Verkäufers über Umstände, die keine Eigenschaften der Sache LS.v. § 459 Abs. 2 BGB sind und auch keine Beschaffenheiten der Sache im Sinne des subjektiven Fehlerbegriffs darstellen, die aber ersichtlich für die Kaufentscheidung des Käufers von Bedeutung sind, ist hingegen eine Haftung aus c.i.c. möglich l64 • EinbruchsteIlen für die Haftung aus c.i.c. sind nach der Rechtsprechung falsche Umsatz- oder Gewinnangaben des letzten Jahres bzw. die Erstellung der Bilanz des Unternehmens entgegen den Grundsätzen ordnungsgemäßer BuchfUhrung l6s • Anknüpfungspunkt ist die Vorlage des fehlerhaften Zahlenwerkes l66 • An den Nachweis des Verschuldens sind höhere Anforderungen zu stellen, wenn es darum geht, ob der Verkäufer dem Käufer gegenüber verpflichtet war, bestimmte Geschäftsergebnisse vor Vertragsabschluß zu offenbaren. Hierbei gilt insbesondere der Grundsatz von Treu und Glauben, d.h. es ist zu prüfen, ob dem verschwiegenen Umstand für den Kaufentschluß entscheidende Bedeutung zukam 167 • 1. Vorteile des Haftungsinstituts der c.i.c. aus Sicht der Rechtsprechung
Das Rechtsinstitut der c.i.c. ist nach Ansicht der Rechtsprechung in weit höherem Maße als die Sachmängelhaftung zur Bewältigung der Leistungsstörungen beim Unternehmenskauf geeignet. Es setzt ein vom Käufer darzulegendes Verschulden des Verkäufers und insbesondere den Nachweis voraus, daß gerade die irrefiihrenden Angaben den Käufer zu dem Kaufentschluß, zumin-
164 Harbers, Management Buy-Out, S. 134 mit Verweis auf Soergel-Huber, BGB, vor § 459 Rdn. 138 m.w.N. 165
Harbers, Management Buy-Out, S. 134; Soergel-Huber, BGB, vor § 459 Rdn.
139. 166
Müller, ZHR 147 (1983),501,507 und BGH NJW 1970,653,654.
167 Müller, ZHR 147 (1983), 501, 508 - Verweis auf die parallele Argumentation des BGH beim Kauf eines Miethauses, wo es ersichtlich auch um die Erträge des Objektes ging. Der BGH wendet hier c.i.c., aber auch die Verjährungsfrist des § 477 BGB analog an.
330
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
dest zu diesem Preis, veraniaßt haben 168 • Mit der Berücksichtigung etwaigen Mitverschuldens gemäß § 254 BGB und einer Vorteilsanrechnung ermöglicht dieses Haftungsinstitut eine auf die Besonderheiten des Einzelfalles abstellende, interessengerechte, den Fortbestand des Unternehmens möglichst weitgehend sicherstellende Streitentscheidung 169 • Dabei können gerade fehlerhafte Angaben, die im Rahmen der Sachmängelhaftung nicht als zusicherungsfähige Eigenschaften anerkannt würden, Bedeutung gewinnen, nämlich die genannten Umsatz- und Ertragsangaben filr kürzere Zeiträume und einzelne Bilanz- und Statusangaben. 2. Modifikationen bei den Rechtsfolgen der c.i.c.
Der in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben seines Vertragspartners Enttäuschte ist so zu stellen, wie er bei vollständiger und richtiger Offenbarung der filr seinen Kaufentschluß erheblichen Umstände stünde. Die Höhe der Entschädigung bemißt sich bei c.i.c. nach dem Umfang des in seinen Erwartungen enttäuschten Käufers, sogenannter Vertrauensschaden. Der Käufer ist so zu behandeln, wie wenn er bei den Vertragsverhandlungen zutreffende Informationen erhalten hätte. Er kann, je nach der Ursächlichkeit des schadenstiftenden Verhaltens, Rückgängigmachung des Vertrages verlangen oder aber am Vertrag festhalten und lediglich zusätzlich Schadensersatz beanspruchen; dieser ist im Zweifel gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Will der Erwerber des Unternehmens die vollständige Rückabwicklung des Geschäfts erreichen, so ist er daftlr beweispflichtig, daß er bei Kenntnis der richtigen Angaben den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte. Gelingt ihm das nicht, oder will er aus anderen Gründen am Vertrag festhalten, hat er einen Anspruch auf Ersatz des im Vertrauen auf die Falschangaben zuviel bezahlten Kaufpreises. Die Rechtsprechung kehrt die Beweislast zugunsten des Käufers analog § 282 BGB insoweit um, als dieser nicht beweisen muß, daß ein Kaufvertrag über diesen niedrigeren Betrag überhaupt zustandegekommen wäre l7O • Für die Frage des hypothetischen Verhaltens des Auskunftempflingers ist im
)68
Hiddemann, ZGR 1982,435,447.
)69 Müller, ZHR 147 (1983), 501, 518: Es dürfe dem Unternehmensverkäufer kein rechtlicher Nachteil daraus erwachsen, daß er es verstanden hat, unter Ausnutzung der bilanztaktischen Möglichkeiten die Wirtschafts- und Vermögens lage seines Gewerbebetriebes in einem rur ihn günstigen Licht darzustellen. Der Käufer müsse mit bilanztaktisehen Problemen rechnen.
)70
Vgl. Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, Rdn. 944.
E. Einschränkung der Wandelungsbefugnis beim Unternehmenskauf
331
Zweifel davon auszugehen, daß dieser sich aufklärungsrichtig verhalten hätte; d.h. der Geschädigte muß nicht beweisen, daß er bei richtiger Aufklärung nicht bzw. woanders den Vertrag abgeschlossen hätte l7l . Im Ergebnis läuft diese Praxis auf eine Minderung des Kaufpreises hinaus, wobei der bezahlte Kaufpreis die Obergrenze des Schadensersatzanspruchs markiert, sogenanntes negatives Interesse. Es zeigt sich, daß auch auf diese Art und Weise die als unerwünscht angesehene Rückabwicklung eines Unternehmenskaufvertrages beschränkt wird, der Erwerber aber dennoch einen Schadensausgleich erreichen kann 172. Die dargestellten Grundsätze zu den Ertrags- und Umsatzangaben sind aus der Perspektive der Unternehmensprivatisierungen der Treuhandanstalt allerdings eher von untergeordneter Bedeutung. Bei den Verkaufsverhandlungen wird nur ganz ausnahmsweise auf die Ertragsentwicklung des Unternehmens in der Vergangenheit abgestellt, da faktisch kaum eine Unternehmensbranche mit Ausnahme vielleicht von Bauunternehmen und AutofIrmen - Gewinne in dem Zeitraum der Verwaltung durch die Treuhandanstalt erwirtschaftete. Unberührt davon bleibt selbstverständlich eine Haftung der Treuhandanstalt wegen falscher Angaben, fehlerhafter Zusicherungen oder Verschweigen von Tatsachen bei den Privatisierungsverhandlungen aus anderen Gründen. 3. Kritik und Lösungsvorschläge im Schrifttum
Oft kann es von einer mehr zufiilligen Fallgestaltung abhängen, ob die kurze Verjährung des § 477 BGB wegen Vorliegens einer Eigenschaftszusicherung eingreift oder ob die Regelverjährung von 30 Jahren Anwendung fIndet, weil die Eigenschaft nach der Rechtsprechung nicht zusicherungsfähig ist - was die Parteien nicht ohne weiteres voraussehen können - und daher der Verkäufer aus c.i.c. haftet 173 • Es bleibt grundsätzlich ein "deutliches Unbehagen" zurück l74 •
171 Siehe BGH NJW 1977, 1538 ff.; kritisch Willemsen, AcP 182 (1982), 515, 533 ff.; vgl. weiter BGH WM 1989,416,417, wobei es um den Erwerb einer Wohnung ging; Müller, ZHR 147 (1983), 501, 523.; BGH ZIP 1991, 153 ff. 154; ZIP 1990,659, 662; BB 1990, 515, 516 m.w.N.; BGH WM 1990, 681, 683 m.w.N. und WM 1990, 966, 969, m.w.N.; nach der Auffassung des BGH reicht es fIlr die Bejahung einer Haftung aus c.i.c. schon aus, daß das vom Käufer mit Erfolg beanstandete Zahlenmaterial bei Vertragsschluß offengelegt worden ist. I72
Harbers, Management Buy-Out, S. 135.
173
Harbers, Management Buy-Out, S. 136; Hiddemann, ZGR 1982, 435, 449.
174
Hiddemann, ZGR 1982,435 ff., 449.
332
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
Die Vertreter des Prinzips der abstrakten Beherrschbarkeit schließen sich der Auffassung des BGH mit dem Petitum an, daß die Haftung aus c.i.c. den Verkäufer nicht besser stellen darf als die Risikohaftung der §§ 459 ff. BGB, so daß der Käufer auch bei c.i.c. Minderung verlangen können muß 175. Andere Stimmen im Schrifttum äußern sich hingegen zum Teil sehr kritisch gegenüber dieser Praxis, da die Tendenz der Rechtsprechung offenbar die ist, zugleich strikt am Gleichgewicht der Reaktionsalternativen Wandelung oder Minderung gemäß § 462 BGB auch beim Unternehmenskauf, und ebenso an der sechsmonatigen Verjährung des § 477 BGB festzuhalten. Die Rechtsprechung muß daher den damit verbundenen Unzuträglichkeiten durch einen möglichst breitflächigen Nachrang des Sachgewährleistungsrechts hinter der c.i.c. begegnen 176. Die Unvorhersehbarkeit eines auf c.i.c. gestUtzten Urteils übersteigt aber nach dieser Ansicht gerade bei den besonders wichtigen und nicht so selten unzutreffenden Abschlußangaben das normale Prozeßrisiko erheblich. Es ist deshalb es für die Parteien ein Gebot der Vernunft, die Mängelhaftung privatautonom zu regeln 177 • Es soll demzufolge aus Gründen der Rechtssicherheit eindeutig vorzugswürdig sein, die Abrechnungsbilanz als Mittel der Vertragsgestaltung zur Festlegung des Kaufpreises als Zusicherung im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB einzusetzen und für den Konfliktfall vertraglich eine . . d erung zu verem . baren 178 . K au fp relsmm Es ist schwer einzusehen, den Unternehmensverkäufer, nur weil er, möglicherweise sogar nur gegen Zahlung eines höheren Kaufpreises, gewillt war, eine Zusicherung abzugeben, im Hinblick auf § 477 BGB wegen der kurzen Verjährung im Ergebnis haftfrei zu stellen, dagegen den Verkäufer, dem lediglich Fahrlässigkeit zur Last flillt gemäß § 195 BGB innerhalb von drei Jahrzehnten zur Verantwortung zu ziehen l79 • Dogmatische Bedenken sind gegen die Anwendung der Verjährungsfrist von dreißig Jahren bei c.i.c. anzumelden. Nach der gesetzlichen Wertung soll erst die Arglist des Verkäufers die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren auslösen, vgl. § 477 BGB I80 . Der gleiche Wertungswiderspruch der "Fahrlässigkeitshaftung" ergibt sich auch beim Vergleich der Haftung aus c.i.c. mit der Haftung aus § 123 BGB wegen
175
Prölss, ZIP 1981,337,346; Canaris, ZGR 1982,395,422.
176
Müller, ZHR 147 (1983), 501, 527; Huber, AcP 177 (1977), 281, 308.
177 Hommelhoff, ZHR 150, (1986) 254, 274 - Verweis auf Wessing, ZGR 1982, 455 ff. und Beisel/Klumpp, Untemehmenskauf, Rdn. 926 ff. 17H
Hommelhoff, ZHR 140 (1976),271,276 f.
179
Müller, ZHR 147 (1983),501,513.
IHO
Müller, ZHR 147 (1983), 501, 527; Huber, AcP 177 (1977), 308.
E. Einschränkung der Wandelungsbefugnis beim Untemehmenskauf
333
arglistiger Täuschung .. Bei letzterer ist gemäß § 124 BGB die Anfechtungsfrist von einem Jahr einzuhalten. Das Schrifttum bemängelt daher, daß durch die Anwendung der c.i.c. der nur fahrlässig handelnde Verkäufers gegenüber dem arglistig handelnden Veräußerer schlechtergestellt wird. Ein Vorschlag zielt darauf ab, den nicht arglistig handelnden Unternehmensveräußerer ausschließlich im Falle nachweisbarer Ertragszusicherung zur Verantwortung zu ziehen, ansonsten aber haftfrei zu stellenISI. Canaris weist auf folgenden Widerspruch im Lösungsmodell der Rechtsprechung hin 1s2 : Wenn die Rechsprechung unabhängig vom Vorliegen zusätzlicher Voraussetzungen aufgrund einer lediglich fahrlässigen Irrefilhrung des Käufers über das Rechtsinstitut der c.i.c. die Rückgängigmachung des Kaufvertrages zuläßt, so wird in unzulässiger Weise das Arglisterfordernis des § 123 BGB unterlaufen und die Schwelle für eine Rückgängigmachung des Vertrages von Vorsatz auf Fahrlässigkeit abgesenkt. Es ist widersprüchlich, wenn auf der einen Seite an eine Eigenschaftszusicherung im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB und die daraus folgende Wandelungsmöglichkeit oder an ein Rücktrittsrecht wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage mit Recht strenge Anforderungen gestellt werden, auf der anderen Seite aber jede fahrlässige Irreführung des Käufers diesem grundsätzlich die Möglichkeit zur Rückgängigmachung des Vertrages gibe s3 • Auch erachtet Canaris die formale Verbindung der c.i.c. mit dem Grundsatz der Naturalrestitution gemäß § 249 BGB als bedenklich. Der Anspruch auf c.i.c. ist nämlich auf Ersatz des Vertrauensschadens gerichtet und somit auf Befreiung von dem abgeschlossenen Vertrag. Daneben muß der Verkäufer die infolge der Vertragsaufhebung nutzlos gewordenen Aufwendungen ersetzen, es sei denn, daß der Käufer schon im Zeitpunkt der vermögenswirksamen Disposition von der Haftung aus c.i.c. wußte und daher nicht mehr auf die Richtigkeit der Zahlenangaben vertraut hat. Die Rechtsprechung denaturiert nach dieser Ansicht das Institut der c.i.c. von einer spezifisch schadensersatzrechtlichen Anspruchsgrundlage zu einem Instrument des Gewährlei-
181 Müller, ZHR, 147 (1983), 501, 506 mit Verweis auf Hommelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 82 ff.; ders. in ZHR 140 (1976), 271, 272 ff.; Huber, ZGR 1972, 395. 182
Canaris, ZGR 1982,395,416.
183 Canaris, ZGR 1982, 395, 419; - Canaris will aber hier wieder eine Ausnahme gelten lassen. So bestünden für bestimmte, tatbestandIich näher einzugrenzende Problemkreise Schutzlücken, die ohne Aushöhlung von § 123 BGB (und § 138 Abs. 2) mit Hilfe der c.i.c. geschlossen werden können; etwa die fahrlässige Verleitung unerfahrener Personen zum Abschluß von für sie unsinnigen Verträgen oder die Fälle schuldhaft irreführender Werbung.
334
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
stungsrechts 1S4 • Auch wenn § 123 BGB auf der Linie der Rechtsprechung keine generelle Schranke fiir Ansprüche aus c.i.c. wegen fahrlässiger Irrefiihrung darstellen soll, so ist nicht einzusehen, über die Anwendung des § 249 S. 1 BGB zu einem Anspruch auf Vertragsauthebung zu kommen. Auf diese Weise wird § 123 BGB ausgehöhlt. Ein Anspruch aus c.i.c. soll in jedem Fall auf Schadensersatz in Geld beschränkt werdeniss Die Rechtsprechung billigt dem Käufer den Ersatz der Differenz zwischen seinem wirklichen und dem hypothetischen Vermögensstand zu, der sich ohne die Pflichtverletzung des Verkäufers ergibe s6 . Damit erhält der Käufer des Unternehmens auch Begleit- und Folgeschäden ersetzt, da er sich nach Ansicht des BGH bei c.i.c. auch bezüglich etwaiger Folgeschäden so stellen lassen kann, als hätte er den Anteil bzw. das Unternehmen in Kenntnis des Mangels billiger gekauft 1S7 • Daraus folgt, daß der Käufer bei Wahl der anderen ihm vom BGH eröffneten Möglichkeit, und zwar der Rückgängigmachung des Vertrages, grundsätzlich die Aufwendungen fiir die Entschuldung oder Sanierung des Unternehmens zusätzlich fordern können muß ISS. Nach Ansicht von Canaris soll der Käufer nicht die Beweislast dafiir tragen, daß er sich ohne die Pflichtverletzung des Verkäufers nicht auf den Vertrag eingelassen hätte. Es geht im wesentlichen um Irrefuhrungen des Käufers, sei es durch falsche Angaben oder sei es durch unterlassene Aufklärung; daher muß es in der Linie der Rechtsprechung des BGH zur Verletzung von Warnpflichten und dergleichen liegen, die Beweislast umzukehren l89 . Andererseits soll der Käufer dann die Beweislast tragen, wenn er vorträgt, daß er ohne die Pflichtverletzung des Verkäufers das Unternehmen billiger erworben hätte. Hier muß der Käufer substantiiert darlegen und erforderlichenfalls beweisen, daß der Verkäufer sich auf den niedrigeren Kaufpreis eingelassen hätte l9o • Zu bedenken ist, daß der Käufer stattdessen die Möglichkeit hat, das 1K4 Vgl. Coing, WM 1980, 206, 211; dabei bedürfe gerade auch die Lehre von der c.i.c. wegen ihres generalklauselartigen Charakters dringend der "rechtstheoretischen Präzisierung" und der tatbestandlichen Disziplinierung. ISS
Canaris, ZGR 1982, 395, 417.
IS6
Canaris, ZGR 1982, 395, 420.
187
Canaris, ZGR 1982, 395,423.
188
Canaris, ZGR 1982, 395, 424.
IS9 BGHZ 61, 118, 121 ff.; BGHZ 54, 46, 51; BGHZ 72, 92, 106; BGH NJW 1978, 41,42; BGH ZIP 1981, 1213, 1215. 190 Canaris, ZGR 1982, 395, 421; Müller, ZHR 147 (1983), 501, 536; gegen eine Anpassung in Fällen des beiderseitigen Irrtums ohne Anhaltspunkte im Parteiwillen; Larenz, Geschäftsgrundlage und Vertragserfiillung, S.173 ff.; ders., Allgemeiner Teil, § 20 b; BGH NJW 1981,1551 ff.
E. Einschränkung der Wandelungsbefugnis beim Unternehmenskauf
335
Unternehmen zu behalten, Schadensersatz in Geld in Höhe der Differenz zwischen seinem jetzigen und dem sich ohne den Kauf ergebenden Vermögensstand zu fordern. Hierbei sind auch seine Entschuldungs- oder Sanierungsaufwendungen in die Schadensberechnung einzubeziehen 191 • Müller kritisiert an der Rechtsprechung des BGH, daß sie den subjektiven Fehlerbegriff mißachtet, da es danach Eigenschaften geben soll, die keine Beschaffenheiten der Kaufsache sind 192 • Im Schrifttum werden die Begriffe Beschaffenheit und Eigenschaft hingegen synonym verwendet. Auf der Grundlage des subjektiven Fehlerbegriffs kann jede Eigenschaft i.S.d. § 459 Abs. 2 BGB auch tauglicher Gegenstand einer Vereinbarung über die Sollbeschaffenheit nach § 459 Abs. 2 BGB sein. Müller verwirft das Kriterium der Rechtsprechung, wonach sich die Angaben über einen längeren Zeitraum erstrecken müssen. Sollten sich die Zahlenangaben des Verkäufers einmal tatsächlich über einen längeren Zeitraum erstrecken und damit eine Aussagekraft im Hinblick auf die Ertragsfähigkeit des Unternehmens besitzen, so hat der BGH Stellung zu beziehen, da kein Grund ersichtlich ist, der ein Sonderrecht des Unternehmenskäufers rechtfertigen könnte. Nach der neueren Rechtsprechung tritt allerdings die Rechtsfigur der c.i.c. nicht mehr an die Stelle der Sachmängelhaftung, da der Begriff der Eigenschaft weiter reichen soll als der Begriff der Beschaffenheit, und die Zusicherungshaftung als einzelnes Segment der Sachmängelhaftung zur lex specialis erklärt wird. Damit schließt der BGH aus, daß sich die Anwendungsbereiche der beiden Rechtsinstitute überschneiden. Die Haftung aus c.i.c. ist immer ausgeschlossen, wenn sich die angeblich verletzte Autklärungspflicht auf Eigenschaften der Kaufsache bezieht; ob das Fehlen der Eigenschaft einen Sachmangel der Kaufsache gemäß § 459 Abs.l BGB darstellt oder nicht, ist gleichgültig 193 • Der BGH nimmt, aus seiner Sicht folgerichtig, für die Haftung aus c.i.c. an, daß der Verkäufer für fahrlässig falsche Angaben über eine nicht zugesicherte Eigenschaft nicht länger haften muß als für eine zugesicherte Eigenschaft. Bei falschen Angaben über die Ertragsfähigkeit soll nach Auffassung des BGH nichts anderes gelten 194 • Diese
191
Das läuft im Ergebnis wieder auf eine Minderung hinaus.
192
Müller, ZIP 1993, 1045, 1046.
193 Müller, ZIP 1993, 1045, 1046, Fn.l3; erstmals BGH NJW-RR 1988, 10; BGHZ 79,183, 187; BGH WM 1990,1744; BGH ZIP 1991,321,328; BGH ZIP 1992,1317. 194 BGH NJW 1977, 1538; der BGH hat zwar in einem obiter dictum ausgesprochen, auch die Haftung für eine fahrlässig falsche Information über eine zusicherungsflihige, aber nicht zugesicherte Eigenschaft des Unternehmens unterliege nicht der kurzen Verjährung, sofern das Fehlen der Eigenschaft nicht zu einem "Fehler" des Unternehmens im Sinne des § 459 Abs.l führe. Das steht aber im Widerspruch zur ständigen
336
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
neueste Judikatur führt nach Auffassung von Müller nur zu weiteren Widersprüchen. So ist der Fall denkbar, daß die stärkste Garantie, und zwar die Zusicherung über die Ertragsflihigkeit, für den Käufer eine ungünstigere Rechtsfolge hat als die Haftung aus c.i.c. wegen fahrlässig falscher Zahlenangaben. Entscheidend ist nämlich, ob sich die Angaben über einen längeren Zeitraum erstrecken. Wird diese Frage vom Tatrichter verneint, so ist der Prozeß für den Käufer praktisch gewonnen, weil die Umsatzangaben dann keinen Schluß auf die wahre Ertragskraft des Unternehmens zulassen und nach feststehender Spruchpraxis dann auf die Regeln des selbständigen Garantievertrages und der c.i.c. zurückgegriffen werden darf. Erstrecken sich die Angaben indes über einen längeren Zeitraum, so kann sich der fahrlässig handelnde Verkäufer hingegen wieder auf den Exklusivcharakter des § 459 Abs. 2 BGB berufen. Da die Verschuldenshaftung aus c.i.c. dem Käufer grundsätzlich nicht dieselbe Palette an Rechtsfolgen zu bieten vermag wie das Gewährleistungsrecht, prüft Müller weitergehend, ob und unter welchen Voraussetzungen mit Hilfe der c.i.c. ein Recht auf Minderung gewährt werden darfl95 • Die Einstandspflicht wegen c.i.c. darf den Verkäufer im praktischen Ergebnis nicht besser stellen als die Risikohaftung der §§ 459 ff. BGB. Müller schlägt daher vor, die culpaHaftung von einer strengen Verschuldensprüfung abhängig zu machen. Der Ersteller der Bilanz oder Gewinn-und-Verlustrechnung ist hierbei nicht als Erfüllungsgehilfe des Verkäufers anzusehen. Das Verschuldenserfordernis bildet für den Käufer in der Regel keine große materiellrechtliche Hürde, weil der BGH den Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Erfilllungsgehilfen des Verkäufers LS.d. § 278 BGB ansieht l96 • Ein Ausweg kann der sein, besondere Zusicherungen des Verkäufers als ein auf den Abschluß eines selbständigen Garantievertrages gerichtetes Angebot zu werten, das der Käufer im Zweifel nach § 151 BGB angenommen hat; dies ist konsequent, da die Ertragsflihigkeit so wenig eine Eigenschaft des Unternehmens ist wie ein flüchtiges punktuelles Geschäftsergebnis. Ergänzend sollen dann die Regeln der c.i.c. anwendbar sein. Müller ist darin zuzustimmen, daß aufgrund der aufgezeigten Wertungswidersprüche offenbar wird, daß die Behandlung unzutreffender Umsatz- bzw. Ertragsangaben stets ein Grenzfall ist. Hinzu kommt, daß im Bereich des Unternehmenskaufs nicht zu bestreiten ist, daß der bisherige Geschäftserfolg vom jeweiligen Firmeninhaber entscheidend mitbestimmt worden sein kann.
Rechtsprechung und es erscheint als zweifelhaft, ob der BGH hieran im kritischen Fall festhalten würde. 195
Müller, ZHR 147 (1983), 501, 520; Prölss, ZIP 1981,337,346.
196
BGH BB 1974, 152.
E. Einschränkung der Wandelungsbefugnis beim Unternehmenskauf
337
Dies betont auch die Rechtsprechung stets in ihren Entscheidungen l97 • Zur Vermeidung von Streitigkeiten ist daher zu dokumentieren~ ob und wie weit die unzulässigerweise zu hoch angesetzten Bilanzwerte und die dadurch verzerrt wiedergegebene Ertragslage überhaupt Einfluß auf die Unternehmenswertberechnung genommen haben l98 • 4. Übertragung des Lösungskonzepts der Rechtsprechung auf die Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt
Trotz der im Schrittum erhobenen Einwände gegen die Ausweitung der Verschuldenshaftung der c.i.c. auf die Ertrags- und Umsatzangaben ist der Lösungsansatz der Rechtsprechung grundsätzlich stringent. Die Fallgruppe der Umsatz - und Ertragsangaben ist sicher ein Grenzfall; dem Grunde nach kann diesen die Kaufpreisbemessung beeinflussenden Faktoren aber nicht der Charakter von zusicherungsfähigen Eigenschaften zukommen, da sie in hohem Maße von Marktschwankungen und den persönlichen Fähigkeiten bzw. unternehmerischen Geschick des des Investors abhängig sind. Für solche Einflußgrößen, die den Kaufpreis mitbestimmen, ist daher der Anwendungsbereich der c.i.c. eröffuet. Es stellt daher auch keinen Wertungswiderspruch dar, wenn fUr das Arglisterfordernis bei falschen Zusicherungen der Nachweis vorsätzlichen Handeins der Gegenseite zu fUhren ist, da es qualitativ eben um der Kaufsache innewohnende Eigenschaften geht. Der richtige Ansatz, um zu einer verschärften Haftung des Verkäufers bei einem Unternehmenskaufvertrag zu gelangen, kann aus Sicht des Käufers nur der sein, vertragliche Garantiezusagen fUr das Bestehen oder Nichtbestehen der fUr die Kaufpreisbildung relevanten Faktoren zu erhalten. Das Haftungsrisiko der Treuhandanstalt fUr Fehler des Unternehmens erscheint im Lichte dieser Rechtsprechung eher gering, auch wenn sie keinen Haftungsausschluß vereinbart hat bzw. dieser im Einzelfall unwirksam ist. Die Rechtsprechung handhabt den Fehlerbegriff beim Unternehmenskauf sehr restriktiv. Zwar wird im Schrifttum vorgetragen, daß die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens auch unter die Gewährleistung im Sinne von § 459 BGB fallen könne. So ist die Sanierungsuntauglichkeit ein Mangel Die bei Sanierungsunfähigkeit geforderte Stillegung bzw. Liquidation ist gesetzlich dem Kompetenzbereich der Treuhandanstalt zugewiesen, vgl. § 8 Abs. 1 Stichpunkt 3 THG. Denmach ist mit den nicht stillgelegten und von der Treuhandanstalt angebotenen Unternehmen in aller Regel die Erwartung verbunden, daß es sich
197
Müller, ZHR 147 (1983),501,521.
198
Müller, ZHR 147 (1983),501,523.
22 HeB
338
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
um lebens- bzw. sanierungsfähige Unternehmen handeln muß 199 • Ein in dieser Hinsicht korrespondierender Vertragspartner setzt voraus, daß der Investor die Entfaltung einer konkreten unternehmerischen Aktivität mit der Kaufsache (Unternehmen) beabsichtigt. So besehen handelt es sich bei einer eindeutigen Sanierungsuntauglichkeit solcher Unternehmen um einen Fehler des Kaufgegenstandes i.S.v. § 459 Abs. I BGB. Hierbei ist aber zu konstatieren, daß das Element der Sanierungsuntauglichkeit kaum greifbar ist. Der Investor erhält für die Restrukturierung eines schwer marktgängigen Unternehmen in der Regel beträchtliche finanzielle Unterstlitzung; dies geht oft bis zur vollständigen Entschuldung. Die Etablierung des Unternehmens am Markt ist dann aber ein typisches unternehmerisches Risiko, wobei die Gründe für ein Scheitern mannigfaltig sein können. Daher ist auch ein Haftungsrisiko der Treuhandanstalt diesbezüglich äußerst gering. Der Nachweis darüber, daß die wirtschaftliche Grundlage des Unternehmens wegen Fehler einzelner Substratstlicke erschüttert sei, wird nur selten zu führen sein. Anders kann es bei den zusicherungsfähigen Eigenschaften aussehen. Die Treuhandanstalt knüpft beispielsweise teilweise an die Vorschläge der Kautelarjurisprudenz an und nimmt bei Verkäufen von Anteilen des öfteren Stichtagsbilanzen in die Anlage des notariellen Vertrages mit auf, um die damaligen Kriterien für die Festsetzung des Kaufpreises durch die Parteien offenzulegen. Wird im Vertrag dann auch noch darauf Bezug genommen, etwa mit der Formulierung, "die Parteien legen bei der Festsetzung des Kaufpreises einvernehmlich die Stichtagsbilanz zugrunde" oder ist andeutungsweise eine Zusicherung der Treuhandanstalt für die Richtigkeit des Vermögensstatus im Vertrag zu fmden, so ist die Gefahr der Inanspruchnahme entsprechend hoch. Dem Käufer eröffnen sich Gewährleistungsansprüche gemäß §§ 459 ff. BGB wegen der falschen Zusicherung von Eigenschaften. Das Haftungsrisiko der Treuhandanstalt ist, was die Zusicherung von Ertrags- und Umsatzangaben ihrer Unternehmen betrifft, als gering einzuschätzen. Die Unternehmensverkäufe in den neuen Bundesländern finden unter gänzlich neuartigen volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen statt. Ertragswertberechungen spielen mangels Erfahrungswerten aus der Vergangenheit und der nahezu ausnahmslos schlechten Ertragslage der Unternehmen aufgrund des unerfahrenen Managements bei der Ermittlung des Kaufpreises nahezu keine Rolle. Fast immer werden nur sogenannte Substanzwertberechnungen für den Verkauf der Unternehmen angestellt. Auch Umsatzangaben sind kaum aussagefähig als Hilfsgröße für die Bestimmung des Unternehmenswertes der Treuhandunternehmen, da Erfahrungskennziffern fehlen. Im übrigen achtet die
199
Rechtol/, Privatisierungsprozeß, S. 178 f.; Timm, ZIP 1991,413,424.
E. Einschränkung der Wandelungsbefugnis beim Untemehmenskauf
339
Treuhandanstalt besonders darauf, in den Kaufverträgen nur ein Minimum von Zusicherungen abzugeben. Somit verbleiben den Investoren dem Grunde nach im wesentlichen Ersatzansprüche aus c.i.c. im Hinblick auf die nicht zusicherungsfiihigen Eigenschaften. Hierin liegt das größte Haftungsrisiko der Treuhandanstalt begründet. Zwar schließt die Treuhandanstalt auch die Haftung fiir Verschulden aus Vertragsschluß oft aus, doch greift nach dem AGB-Gesetz ein solcher Ausschluß schon nicht bei zumindest grober Fahrlässigkeit. Beispielsweise kam es vor, daß die Treuhandanstalt das Vorhandensein oder die Risiken von Altlasten auf den Unternehmens grundstücken auf die Nachfrage potentieller Investoren hin verneinte. Später stellte sich aber heraus, daß die Beseitigung der vorgefundenen Umweltbelastungen mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden sein würde. Auch über den Bestand von Verträgen (Lieferverträge, Mietverträge etc.), das Potential von Kunden o.ä. wurden von Vertretern der Treuhandanstalt oder der Geschäftsführung der Unternehmen bisweilen leichtfertig Angaben ins Blaue gemacht oder für das Unternehmen nachteilige Strukturprobleme fahrlässig verschwiegen, die eigentlich offenbart werden müssen. Bisweilen wird von Investoren der Vorwurf erhoben, daß die Geschäfsführer des Unternehmens Vorräte auf Halde hatten produzieren lassen. Es fragt sich dann, ob fahrlässige unzutreffende Erklärungen der Geschäftsführer zu Lasten der Treuhandanstalt gehen. Voraussetzung hierfür ist, daß die betroffenen Geschäftsführer von der Treuhandanstalt als Verhandlungsgehilfen bei den Vertragsverhandlungen eingesetzt wurden. Der Geschäftsführer oder Mitarbeiter müßte dann im Hinblick auf die Pflichten der Treuhandanstalt aus dem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis als "Erfüllungsgehilfe" der Treuhandanstalt gelten. Eine Zurechnung zu Lasten der Treuhandanstalt erfolgt immer nur dann, wenn der Dritte eine eigene Verpflichtung des betreffenden Vertragspartner verletzt haeoo. Diese Zurechnung beruht darauf, daß derjenige, der sich "zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit eines Verhandlungsgehilfen bedient, für das Verschulden dieses Gehilfen nach § 278 BGB einstehen muß,,201. Demzufolge kommt eine Zurechnung gemäß §§ 276, 278 BGB grundsätzlich in Betracheo2 • Hierbei ist auch die Kausalität im Hinblick auf den Eintritt des Schadens näher zu prüfen. So kann dem Käufer z.B. das Vorhandensein eines Fertigwarenlagers bei Vertragsabschluß nicht unbekannt gewesen sein, so daß
22*
200
Huber, Gutachten (unveröffentl.), S. 82.
201
Soergel/Hejermehl, BGB, § 123 Rdn. 32.
202
Huber, Gutachten (unveröffentl.), S. 79.
340
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
bei dieser Fallkonstellation eine Haftung der Treuhandanstalt nicht in Betracht kommt203 • Der Käfer kann im Einzelfall auch vortragen, der Geschäftsfilhrer oder Mitarbeiter des privatisierten Unternehmens hätten ihn vor Abschluß des Kaufvertrages sogar arglistig getäuscht. Haben der frühere Geschäftsfilhrer oder sonstige Mitarbeiter des privatisierten Unternehmens dem Käufer vor Abschluß des Kaufvertrags wider besseres Wissen falsche Angaben über die fiir die bilanzielle Bewertung des Unternehmens maßgeblichen Umstände gemacht, so ist dieses Verhalten der Treuhandanstalt grundsätzlich nicht zuzurechnen. Eine Anfechtung scheitert daran, daß der Geschäftsfilhrer oder Mitarbeiter ein "Dritter" im Sinn des § 123 Abs. 2 S. I BGB ist. Denn das privatisierte Unternehmen ist nicht Partei, sondern Gegenstand des Privatisierungsvertrages. Eine Zurechnung zu Lasten der Treuhandanstalt erfolgt nur, wenn Vertreter der Treuhandanstalt sowohl die Erklärungen als auch deren Unrichtigkeit kannten oder kennen mußten, vgl. § 123 Abs. 2 S. I BGB. Etwas anderes gilt nur, wenn die Geschäftsführer oder Mitarbeiter des privatisierten Unternehmens von der Treuhandanstalt bei der Vorbereitung des Privatisierungsvertrages als "Verhandlungsgehilfen" hinzugezogen wurden. Ihr Verhalten ist dann analog § 166 Abs. I BGB der Treuhandanstalt zuzurechnen. Ein etwaiger Gewährleistungsausschluß der Treuhandanstalt hilft ihr im Falle der Anfechtung nicht.
F. Einschränkung der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen von Gesetzes wegen Im nächsten Prüfungsschritt sind die gesetzlichen Regelungen des BGB zu analysieren, die geeignet sind, die Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen einzuschränken. Für die potentiell häufigste Fallgruppe, die Wandelung, können zunächst die §§ 460, 468-470 BGB eine Schranke bilden. Lösungsstrategien zielen darauf ab, die Rückabwicklung durch die extensive Auslegung der §§ 468 bis 470 BGB zu erschweren. Zusätzlich eröffnen die §§ 351-353 BGB auf der Rechtsfolgenseite die Möglichkeit, bei wesentlicher Verschlechterung oder Umgestaltung des Unternehmens dem rücktrittsberechtigen Investor den Rücktritt zu versagen204 • Die vorgenannten Einschränkungen der §§ 351353 BGB gelten darüber hinaus für alle anderen gesetzlichen und vertraglichen Rücktrittsrechte.
203
Huber, Gutachten (unveröffentl.), S. 80.
204
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 416.
F. Gesetzliche Einschränkungen der Rückabwicklung
341
I. Erschwerung der Wandelung über die §§ 468-470 BGB
In der an sich reichhaltigen Rechtsprechung zum Gewährleistungsrecht beim Unternehmenskauf gibt es nur wenige Fälle, in denen der Käufer tätsächlich Wandelung verlangte. Rückabwicklungsprobleme sind daher von der Rechtsprechung bis zur Aufnahme der Privatisierungstätigkeit der Treuhandanstalt nur in Fällen behandelt worden, in denen die Erwerbsverträge fehlerhaft waren, sowie in Rücktrittsfällen205 • Speziell die Wandelung stellt häufig keine sachgerechte Lösung des Interessenkonfliktes zwischen Verkäufer und Käufer dar. Die praktischen Schwierigkeiten, die Wandelung durchzuftlhren, sind so groß, daß die Käufer von Unternehmen nur selten Wandelung des gesamten Vertrages begehren. In vielen Fällen wäre es schlechterdings unmöglich, "einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren", wie es die §§ 459, 462, 467, 346 BGB verlangen206 • Vertreter im Schrifttum befürworten die Übertragung der in § 468 BGB ausgesprochenen Beschränkung des Wandelungsrechts beim Grundstückskauf auf den Unternehmens- und Anteilskaufo7 • Die Grundthese ist, daß der Unternehmens- oder Anteilskäufer auch bei Kenntnis der richtigen Bilanz bzw. des wirklichen Schuldenstands im Regelfall dennoch vom Vertragsabschluß nicht Abstand genommen hätte. Daraus wird eine Parallele zu dem Grundstückskauf gezogen, bei dem die genaue Größe der Liegenschaft gewöhnlich nicht die Bedingung ist, von der der Käufer den Erwerb abhängig machen will, sondern nur die Grundlage der Berechnung des Kaufpreises. Dadurch kommt nur eine Minderung des Kaufpreises bzw. die Geltendmachung des "kleinen Schadensersatzanspruches" in Frage und das Wandelungsrecht nur in den Fällen, in denen ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Vertrages nicht mehr festgestellt werden kann208 • Dieser Analogieschluß zu § 468 S. 2 BGB wird im Schrifttum fast einhellig abgelehnt, da § 468 BGB selbst schon eine Sondervorschrift für den Grundstückskauf ist und damit einer Analogie noch weniger zugänglich erscheineo9 •
205
J Baur, BB 1979,381,386.
206 Hollenberg, Bilanz, S. 12; Hollenberg betont, daß die Wandelungsmöglichkeit des Käufers zunehmend der Kritik ausgesetzt ist, da die Rückgängigmachung eines Untemehmenskaufs auf oftmals unlösbar scheinende Probleme stößt. 207
Huber, ZGR 1972, 395, 416 ff.
208
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 437.
209 Müller, Haftung des Verkäufers, S. 442; kritisch auch Hommelhoff, Sachmängelhaftung, S. 115.
342
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Eine andere Auffassung spricht sich für die analoge Anwendung der §§ 469, 470 S. 1 BGB bei Fehlbeständen des Sachsubstrats im Unternehmen aus, um dem Käufer bei dieser Konstellation die Wandelung zu versagen 210 . Der Ausgangspunkt dieser These ist, daß der Unternehmenserwerber in der Regel in der Lage ist, die fehlenden Bestände aufzufüllen. Das hierzu notwendige Kapital kann er sich im Wege der Minderung leicht beschaffen211 • Gleiches gilt für Substratsmängel: Solange der Mangel die Stellung des Unternehmens auf dem Markt nicht gefährdet, soll die Rückabwicklung des gesamten Vertrages unbillig sein. Die Interessenlage ähnelt der, wie sie das Gesetz in § 470 S. 2 BGB umschreibt: Das einzelne mit einem Mangel behaftete Substrat, etwa das defekte Aggregat, die funktionsuntaugliche Hebebühne oder das störungsanfiiIlige Fließband, sind als Nebensache im Verhältnis zum Unternehmen als Hauptsache aufzufassen. Angewandt auf die Unternehmensprivatisierungen der Treuhandanstalt bedeutet dies, daß bei falschen Angaben über den Bestand der Vorräte eine Kaufpreisminderung in Betracht kommt. Hingegen geht die analoge Anwendung des § 470 S. 2 BGB zu weit, da das gesetzliche Kriterium der Haupt- und Nebensachen bei einem Unternehmenskauf kaum handhabbar ist. Hierdurch wird im Vergleich mit dem schon von der Rechtsprechung geforderten Kriterium der Wesentlichkeit des Mangels keine neue Begriffs- oder Trennschärfe gewonnen. 11. Anwendung der §§ 351-353 BGB auf den Unternehmenskauf Eine weitere Schranke zur Verhinderung der vollständigen Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen bilden die Vorschriften der §§ 351 bis 353 BGB. Bei dem gesetzlichen Rücktrittsrecht der Wandelung finden diese Vorschriften über § 467 S. 1, 1. HS. BGB Anwendung, wobei die Wandelung nicht ausgeschlossen ist, wenn sich der Mangel erst bei der Umgestaltung der Sache gezeigt hat (§ 467 S. 1, 2. HS. BGB). Des weiteren gelten diese Einschränkungen aber vor allem für die von der Treuhandanstalt im Gegensatz zum herkömmlichen Unternehmenskaufvertrag eingeräumten vertraglichen Rücktrittsrechte, beispielsweise wenn der Investitionsvorrangbescheid nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums ergeht. Die von der Rechtsprechung zu den Ausschlußgründen der §§ 351 bis 353 BGB entschiedenen Fälle sind spärlich, die wissenschaftliche Auseinandersetzung damit bisher entsprechend gering.
210
Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, S. 123.
211
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 438.
F. Gesetzliche Einschränkungen der Rückabwicklung
343
Die Beschänkungen der §§ 351-353 können aus zwei verschiedenen Blickwinkeln interpretiert werden: - Versagung des Rechts auf Wandelung, wenn tiefgreifende Umgestaltungen • 212 . vorgenommen worden smd . - Anerkennung der Umgestaltung nur dort, wo sie objektiv zur Verschlechterung der Vennögens- oder Ertragslage geführt hat2l3 . 1. Ausschluß des Rücktritts wegen verschuldeten Untergangs oder wesentlicher Verschlechterung i.S.d. § 351 BGB
Der Ausschlußgrund des § 351 BGB soll eine Rückabwicklung von solchen Unternehmenskaufverträgen verhindern, in denen der Käufer das Unternehmen heruntergewirtschaftet hat, so daß nur noch unter unverhältnismäßigen Aufwendungen die Sanierung des Unternehmens erfolgversprechend erscheint. Die Umwandlung eines Wohnhauses in ein Geschäftshaus oder umgekehrt ist nicht ohne weiteres eine wesentliche Verschlechterung. Das bloße Absinken des Marktwertes ohne Veränderungen des Gegenstandes genügt niche l4 . Eine pauschale Abgrenzung hilft allein nicht weiter2l5 • Bei der Defmition des Verschuldens LS.d. § 351 BGB gehen die Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum auseinander; so wird vor allem auch zwischen dem vertraglichen und gesetzlichen Rücktrittsrecht unterschieden. Rechtsprechung und Schrifttum sind sich einig, daß die strenge Haftungsvorschrift des § 351 BG B beim gesetzlichen Rücktrittsrecht nicht gleichermaßen zum Zuge kommen soll wie bei der Ausübung von vertraglich eingeräumten und geltend gemachten Gestaltungsrechten. Unterschiedliche Auffassungen bestehen allerdings darüber, welcher gemilderte Verschuldensmaßstab angewandt werden soll.
212 Huber, ZGR 1972, 395, 418; es ist nicht unproblematisch, ob dies mit § 467 S. 2 BGB vereinbar ist. 213 So Hommelhoff, Sachmängelhaftung, S. 114, der dort allerdings nur den Aspekt untersucht, ob und inwieweit die bloße Weiterfllhrung des Betriebes vor oder nach Kenntnis des Wandelungsgrundes von § 351 BGB erfaßt wird.
214 MünchKommlJanßen, BGB § 351 Rdn. 2 a und Ermann/Westermann, BGB, § 351 Rdn. 2. 21S Hollenberg, Bilanz, S. 12, der sich auch grundsätzlich kritisch in Bezug auf eine Anwendung der §§ 347, 351 BGB äußert. Für diese werde oft kein Raum sein, da sich die untemehmerische Tätigkeit in der Regel nicht in eindeutiger Verschlechterung oder Herausgabeunmöglichkeit niederschlage.
344
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Nach einer Mindermeinung weist die Auslegung des § 351 BGB nicht das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal auf, daß der schlechte Zustand des Betriebes auf einem Mangel an kaufmännischer Sorgfalt beruht. Es genügt, daß sich in der wirtschaftlichen Verschlechterung das unternehmerische Risiko verwirklicht hat. Die Rückgängigmachung des Kaufs zuzulassen wäre gleichbedeutend mit der Abwälzung der Folgen von Fehlentscheidungen auf den Verkäufer; solch ein Ergebnis wäre aber mit dem Normzweck des § 351 BGB unvereinbar216 • Der Verwirkungsgedanke läßt sich nach dieser Ansicht nur schwer für den Unternehmenskauf fruchtbar machen. Kaufmännisch vertretbare Anpassungen an die veränderte Marktlage stellen eine Obliegenheit des Unternehmenskäufers dar und können im nachhinein nur bedingt ein Anknüpfungspunkt dafür sein, dem Erwerber ein Rücktrittsrecht unter Berufung auf den Grundsatz der Verwirkung zu versagen 217 • Auch der Hinweis, daß nur eine wesentliche Vertragsverletzung zum Rücktritt berechtigt, hilft nicht immer weiter; denn schon Verstöße gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung sind gewöhnlich schwerwiegend und schließen zudem eine Nachbesserung aus 218 • Die herrschende Meinung im Schrifttum legt § 351 BGB wie folgt aus: § 351 beruht auf dem Grundgedanken des Verbots des venire contra factum proprium. Deshalb ist, wie bei § 254 BGB, auf das Verschulden gegen sich selbst abzustellen 2l9 • Unvorsichtigkeit in eigenen Dingen, d.h. riskante und ohne ein Unternehmenskonzept getroffene strategische Entscheidungen bedeuten unsachgemäßes kaufmännisches Verhalten und damit ein Verschulden im Sinne von § 351 BGB; dies führt zum Ausschluß des Rücktrittsrechts220 • Dies wird beispielsweise bejaht bei Veräußerung oder sonstiger Weitergabe des Gegenstandes ohne Verpflichtung des Erwerbers zur Rückgewähr22l . Subjektiv setzt § 351 BGB voraus, daß der Rücktrittsberechtigte die wesentliche Ver-
216
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 429; ablehnend Westermann, ZGR 1982,45,
59. 217 Müller, ZHR 147 (1983),501,528, der ausfUhrt, daß im Ergebnis denn auch nur Einigkeit darin besteht, daß § 351 BGB dann Anwendung findet, wenn das Unternehmen vom Erwerber nicht nach kaufmännischen Grundsätzen gefUhrt und zwischenzeitlich "heruntergewirtschaftet" worden ist; vgl. schon RG JW 10,997; ferner Müller, JuS 1975,489,493m.w.N. 218
Müller, Haftung des Verkäufers, S.435.
219 Flessner, NJW 1972, 1777, 1781; a.A. Kahler, Die gestörte Rückabwicklung gescheiterter Austauschverträge, 1989, S. 339. 220
MünchKamm/Janßen, BGB, § 351 Rdn. 5 m.w.N.
221
MünchKamm/Janßen, BGB, § 351 Rdn. 10.
F. Gesetzliche Einschränkungen der Rückabwicklung
345
schlechterung verschuldet hat. Von einem echten Verschulden im Sinne der Verletzung einer gegenüber dem Rücktrittsgegner bestehenden Pflicht zur sorgfältigen Behandlung der Sache kann nur beim vertraglichen Rücktrittsrecht gesprochen werden. Hingegen gilt dies nicht beim gesetzlichen Rücktrittsrecht und bei der Wandelung, solange dem Rücktrittsberechtigten die tatsächlichen Voraussetzungen seines Rücktrittsrechts weder bekannt sind, noch bekannt sein müssen 222 • Die herrschende Meinung im Schrifttum befUrwortet daher eine analoge Anwendung des § 327 S. 2 BGB zugunsten des Rücktrittsberechtigten. Hiernach hat dieser in Bezug auf die Herausgabe des Erlangten nur nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung zu haften, da er den Rücktritt nicht zu vertreten hat. Der herrschenden Meinung ist zu folgen, da zunächst eine Differenzierung zwischen vertraglichem und gesetzlichem Rücktrittsrecht geboten ist, wobei bei letzterem der Käufer nicht von vornherein die Möglichkeit der Rückabwicklung mit einkalkuliert. Des weiteren ist vom Verkäufer als Rücktrittsgegner der Nachweis zu fordern, daß beim vertraglichen Rücktrittsrecht die Verschlechterung des Unternehmens durch kaufmännische Fehlentscheidungen zumindest mitverursacht worden ist. Für die Beurteilung der treuhandspezifischen Fallkonstellationen bedeutet dies: Bei gesetzlichen Rücktrittsrechten des Käufers wird so der Treuhandanstalt regelmäßig der Einwand abgeschnitten, der Käufer habe durch die Umgestaltung des Unternehmens infolge von Investitionen, Austausch von Maschinen etc. eine wesentliche Verschlechterung oder ähnliches verursacht, weshalb der Rücktritt ausgeschlossen sei. Der Käufer hat demzufolge bei einer Rückabwicklung des Vertrages wegen der Unmöglichkeit der Herausgabe von zwischenzeitlich weiterveräußerten Vermögensgegenständen nur Wertersatz zu leisten, so daß im Wege der Saldierung dieser Betrag als (Ab-)Rechnungsposten eingestellt wird. Sowohl beim gesetzlichen als auch beim vertraglichen Rücktrittsrecht verwirkt der Investor darüber hinaus sein Rücktrittsrecht, wenn er das Unternehmen nicht nach kaufmännischen Grundsätzen geführt und infolgedessen zwischenzeitlich heruntergewirtschaftet hat223 • Die modeme Lehre hebt den Verwirkungsgedanken des § 351 BGB hervor, wonach der Käufer immer dann auf den Rechtsbehelf der Minderung festzulegen ist, wenn er durch sein freiwilliges Handeln die Sache objektiv gesehen wesentlich verschlechtert hae24 • Die Beweislast ftir eine wesentliche Verschlechterung oder die Unmöglichkeit der Herausgabe trägt der Rücktrittsgegner, wobei er im letzten Fall auch nach § 354 BGB vorgehen kann225 • In der 222
MünchKomm/Janßen, BGB, § 351 Rdn. 4.
223
K. Schmidt, Handelsrecht, S. 164 ff.
224
Vgl. von Caemmerer, in FS für Larenz, 1973,621,632.
225
MünchKomm/Janßen, BGB, § 351 Rdn. 13.
346
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Praxis ist die Ennittlung der wesentlichen Verschlechterung im Sinne des § 351 BGB das zentrale Problem. Regelmäßig läßt es sich beim Unternehmenskauf, speziell bei den Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt, nicht venneiden, einen Wirtschaftsprüfer/Steuerberater als Sachverständigen mit der Aufstellung eines aktuellen Vennögensstatus zu beauftragen. Beim share deal kommt noch folgendes Auslegungsproblem hinzu: Ob in der Art und Weise der Ausübung des Stimmrechts oder sonstiger Verwaltungsrechte eine Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 351 BGB zu sehen ist, wird sich im Regelfall nur schwer feststellen lassen 226 • Grundsätzlich dürfte im Eingehen einer Stimmrechtsvereinbarung allein noch keine Obliegenheitsverletzung zu sehen sein, solange die Bindung in der Annahme erfolgt, den GeseIlschaftszweck zu fördern. Der Tatbestand des § 351 BGB ist hingegen erfüllt, wenn der Gesellschafter die ihm gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflichten verletzt und dadurch eine Verschlechterung der Unternehmensergebnisses verursacht. Auch wenn der Anteilskäufer auf Teile seiner Rechte, beispielsweise auf sein Stimmrecht oder auf die Gewinnausschüttung, verzichtet, ist der Tatbestand einer wesentlichen Verschlechterung LS.d. § 351 BGB erfüllt. Darüber hinaus ist stets zu prüfen, ob und inwieweit der Erwerber von Geschäftsanteilen auf die Führung der Unternehmung unmittelbar Einfluß genommen hat. 2. Ausschluß des Rücktritts wegen Umgestaltung der Sache i.S.d. § 352 BGB
Der Ausgangspunkt für die Versagung des Rücktrittsrechts ist hier die Umgestaltung des Unternehmens als Identitätswechsel in seinem gegenständlichen Tätigkeitsbereich. Die Rechtsprechung stellte in ihren Entscheidungen vornehmlich auf die Gegenstands- und Zweckänderungen ab. Instruktiv sind die Entscheidungen des Reichsgerichts, denen folgende Sachverhalte zugrunde lagen: Der Umbau einer ländlichen Gastwirtschaft in ein Hotef27 , die Umgestaltung einer Sprit- in eine Schraubenfabrik228 sowie einer Dampfsägemühle in eine Fabrik229 • Das Schrifttum bezweifelt, ob sich § 352 BGB für den Unternehmens- und Anteilskauf fruchtbar machen läßt230 . Äußerst schwer handhabbar ist bereits 226
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 431.
227RGZ 117,112,118. 228 RGZ 139, 353, 356 ff. 229 JW 1930, 1655 ff.; Schwintowski, JZ 1987,588,591. 230
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 428, m.w.N.
F. Gesetzliche Einschränkungen der Rückabwicklung
347
das Tatbestandsmerkmal der "Umbildung" im Sinne von § 352 BGB. Die Abgrenzung ist schon beim gewöhnlichen Sachkauf nicht leicht. Liegt beim Unternehmen eine Umbildung in eine Sache anderer Art vor, wenn sich bedeutsame Veränderungen in der Personalpolitik vollzogen haben ? Oder ist dies erst dann zu bejahen, wenn sich der Unternehmensgegenstand geändert, die Likörfabrik in eine Schraubenfabrik, die Gesenkschmiede in eine Drahtzieherei umgewandelt worden ise 3 '? Umgekehrt drängt sich bei Strukturveränderungen des Marktes, der Konfrontation mit neuen Konkurrenten u.ä. auch die Frage auf, ob nicht auch umgekehrt eine Nichtanpassung an die veränderten Verhältnisse einen Rücktritt ausschließt. Hinzu kommt, daß kaum lösbare Wertungsfragen auftreten, wenn die Treuhandanstalt wegen angeblicher Tatbestandserfüllung des § 352 BGB den Rücktritt des Käufers nicht akzeptiert, nachdem zunächst festgestellt worden war, daß die Umgestaltungen im Unternehmen nicht zu einer wesentlichen Verschlechterung im Sinne des § 351 BGB geführt haben. Ein Teil des Schrifttums will über die analoge Anwendung des § 352 BGB die Rücktrittserklärung dann als widersprüchliches Verhalten des Käufers werten und ihm den Rücktritt versagen, wenn zwischenzeitlich tiefgreifende Umgestaltungsmaßnahmen durchgeführt worden sind, der Unternehmensverkäufer praktisch ein aliud zurückerhalten würde 232 • Eine andere Auffassung stellt bei § 352 BGB vor allem darauf ab, ob qualitativ grundlegende Änderungen im Tätigkeitsbereich eines Unternehmens auf einen Identitätswechsel deuten. Indizien hierfür sollen vor allem gegenstands- und zweckbezogene Satzungsänderungen, die Tätigkeit des Unternehmens auf sachlich bedeutenden neuen Märkten sowie grundlegende Änderungen im gesellschaftsrechtlichen Organisationsmodell sein233 • Diese Auffassung zieht Parallelen zwischen 352 BGB und der Rückabwicklung eines Unternehmenskaufvertrages nach § 818 Abs. 2 BGB: Wenn der Erwerber das Unternehmen grundlegend verändert hat, so daß an die Stelle des Erlangten etwas Neues getreten ist, so ist zu klären, wem dieses in Zukunft zuzuordnen ist. Maßgeblich ist auch hier die normative Ausfüllung des Begriffs der Unmöglichkeit im Sinne von § 818 Abs. 2 BGB. Daran knüpft wiederum § 352 BGB an, wonach der Rücktritt ausgeschlossen ist, wenn der Berechtigte die empfangene Sache durch Verarbeitung oder
231
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 430.
232 Müller, ZHR 147 (1983), 501, 528; Hol/enberg, Bilanz, S. 14, demzufolge ein lebendes Unternehmen durch zweifachen Inhaberwechsel innerhalb der kurzen Frist des § 477 BGB durchaus einen irreparablen Schaden erleiden könne, dessen Höhe unter Umständen in keinem Verhältnis zur Schwere der Mängel steht, um deretwillen der Käufer gewandelt hatte. 233
Schwintowski, JZ 1987,588,591.
348
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Umbildung in eine Sache anderer Art umgestaltet hat. Diese Auffassung will über eine Gesetzesparallele zu § 950 BGB, dem Recht der Verarbeitung beweglicher Sachen, einen interessengerechten Ausgleich zwischen den Parteien erreichen234 • Denn dort findet eine Eigentumszuweisung der neuen Sache auf den Hersteller statt, sofern nicht der Wert der Verarbeitung oder Umbildung erheblich geringer ist als der Wert des Stoffes. Diese Kriterien würden bei einer Umgestaltung des Unternehmens die Grenze zwischen einer Sach- und Wertkondiktion im Sinne des § 818 Abs.2 BGB bei Unwirksamkeit des Untern ehmenskaufvertrages beschreiben. Im Ergebnis schuldet der Erwerber des Unternehmens in den Fällen der Umgestaltung Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB, der nach den Grundsätzen über die Unternehmens bewertung zu ermitteln ist. Bei der Festlegung des Zeitpunkts für die Wertberechnung wird der Zeitpunkt des Identitätswechsels als sachgerecht erachtet, mit der Folge, daß die bis dahin eingetretenen Wertsteigerungen zu ersetzen sind. Umgekehrt soll das auch für . derungen ge Iten 235 . W ertmm Nach der herrschenden Meinung im Schrifttum hindern wesentliche, die Identität des gekauften Unternehmens verändernde Umgestaltungen hingegen die Wandelung nur, wenn der Käufer sie vorgenommen hat, nachdem er Kenntnis vom Wandelungsgrund erhalten, vgl. §§ 467, 352 BGB236 • Verschlechterungen, die das Unternehmen durch Verschulden des Käufers nach Eintritt der Kenntnis vom Rücktrittsgrund bzw. Wandelungsgrund erfahren hat, sind von diesem auszugleichen237 • Die herrschende Meinung interpretiert § 352 BGB als Schutznorm zu Gunsten des Rücktrittsberechtigten, der nur deshalb sein Rücktrittsrecht verwirkt, weil er in Kenntnis des vereinbarten Rücktritts die empfangene Sache umgestaltet hat. Der dogmatische Wert des § 352 BGB für die Beschränkung der Rückabwicklung speziell von Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt muß bezweifelt werden. Der Normzweck des § 352 BGB ist der, daß der Verkäufer keine andere Sache, d.h. kein "aliud" zurückerhalten soll. Der Käufer soll nicht in Kenntnis eines Rücktrittsgrunds dem Verkäufer einen nunmehr völlig veränderten Kaufgegenstand zurückgeben können. Dieser Schutzzweck der Norm versagt bei den Unternehmensprivatisierungen der Treuhandanstalt vollends. Es ist gerade erforderlich, daß schnellstmöglich nach dem notariellen
234
Schwintowski, JZ 1987, 588, 590.
235 Hierauf kann sich im übrigen auch der bösgläubige Erwerber berufen, solange ihm nicht der Vorwurf "nicht ordnungsgemäßen Wirtschaftens" - vgl. §§ 819 Abs. 4, 987 Abs. 2 - gemacht werden kann. 236
Hölters, Unternehmenskauf, S. 497.
237
Hölters, Unternehmenskauf, S. 497.
F. Gesetzliche Einschränkungen der Rückabwicklung
349
Verkaufstermin die Up.ternehmen für die Erfordernisse des Marktes umstrukturiert werden. Der Investor nimmt der Treuhandanstalt diese Restrukturierungslast weitgehend ab, da es die vorrangige Aufgabe der Treuhandanstalt ist, zügig zu privatisieren. Der Verkauf und die Übergabe der Unternehmen erfolgen somit gerade in der Hoffnung auf eine schleunige Umstrukturierung durch die Investoren, da der Staat dies kaum leisten kann und soll. Im Ergebnis kann die Treuhandanstalt den Investoren, die unter nachvollziehbaren kaufmännischen Erwägungen das Unternehmen umstrukturiert haben, nicht entgegenhalten, daß der Rücktritt wegen dieser Umbildung gemäß § 352 BGB ausgeschlossen ist. 3. Belastungen des Unternehmens i.S.d. § 353 BGB
Die Belastung des verkauften Gegenstandes mit dem Recht eines Dritten gemäß § 353 BGB stellt eine Konkretisierung einer wesentlichen Verschlecherung des Unternehmens dar. Praktische Bedeutung erlangen kann dies bei von den Investoren ausgeübten Rücktrittsrechten in all den Fällen, in denen die Unternehmensgrundstücke zwischenzeitlich erheblich mit Grundpfandrechten belastet sind, und der Käufer diese nicht lastenfrei rückübereignen kann. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, daß solche Belastungen zum normalen Geschäftsverlauf bei der Finanzierung von Unternehmen gehören können, so daß der entsprechende Gegenwert und die Verwendung der erlangten Finanzmittel mitbewertet werden müssen. Bei zweckwidriger Verwendung der Mittel oder Einsatz der Gelder unter Verstoß gegen die Grundsätze kaufmännischer Sorgfalt sind solche Belastungen ein wesentliches Indiz für eine wesentliche Verschlechterung des Unternehmens. 4. Verwirkung des Rücktrittsrechts
Schließlich kommt auch eine Verwirkung des Rücktrittsrechts nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht. Das Rücktrittsrecht kann nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein238 • Als Gründe für eine Verwirkung kommen eigene Leistung oder Annahme der Ge~enleistung in Kenntnis der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts in Betracht 39, langes Zögern mit der Rücktrittserklärung 240 oder Weitergebrauch des empfangenen Gegenstandel41 • Wer selbst 238
MünchKommllanßen, BGB, § 355 Rdn. 3.
239
BGH BB 1969,383.
240
RGZ 107, 106, 109; BaUhaus, in: RGRK, BGB, § 346 Rdn. 1.
241
BGH LM § 467 Rn.2 =NJW 1958, 1773; OLG München BB 1955,916.
350
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
nicht vertragstreu ist, verwirkt in der Regel sein Rücktrittsreche42 • Auch solche Gründe kann die Treuhandanstalt im Einzelfall dem Investor entgegenhalten, vor allem wenn dieser trotz des Vorliegens des Rücktrittsgrundes noch Entscheidungen von erheblicher finanzieller Tragweite in Bezug auf den Kaufgegenstand trifft.
G. Lösungsansätze praeter legern zur Vermeidung der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen I. Ablösung der Sachmängelgewährleistung durch das Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage
Im folgenden soll auf die in der Lehre praeter legern entwickelten Lösungsvorschläge eingegangen werden, die die gesetzlichen Einschränkungen der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen als nicht geeignet oder ausreichend erachten. Diese Ansätze fordern teilweise eine radikale Abkehr von dem Sachmängelgewährleistungsrecht der §§ 459 ff. BGB. Aufgrund der Kontroverse in Rechtsprechung und Lehre über den Mangel~ begriff beim Unternehmenskauf machte Canaris anläßlich des genannten Kronberger Symposiums den Vorschlag, sich völlig von dem Sachmängelgewährleisungsrecht der §§ 459 ff. BGB zu lösen243 • Dieses Lösungskonzept wurde seinerzeit abgelehnt; es ist im Gefolge der atypischen Unternehmensprivatisierungen der Treuhandanstalt erneut aufzugreifen und nochmals zu prüfen, ob sich diesem Rechtsinstitut in der außergewöhnlichen Situation in den neuen Bundesländern nicht doch ein bestimmter Anwendungsbereich erschließt. In Anbetracht der drohenden Gefahr von Rückabwicklungsfallen bei dem Massengeschäft der Privatisierung in den neuen Bundesländern ist dieser Lösungsansatz über den Wegfall der Geschäftsgrundlage erneut zur Diskussion zu stellen. Die Kontroverse um die Anwendbarkeit der Sachmängelgewährleistung in den Kaufverträgen der Treuhandanstalt wäre obsolet.
242
BGH WM 1968, 1299, 1301 f.; BGH WM 1970,1246; BGH NJW 1984,479.
243
Canaris, ZGR 1982, 395 ff.
G. Ansätze praeter legern zur Vermeidung der Rückabwicklung
351
1. Unvereinbarkeit der bisherigen Lösungskonzepte
in Rechtsprechung und Schrifttum
Im Schrifttum reicht das Spektrum der Lösungsvorschläge vom modifizierten Sachmängelgewährleistungsreche44 über die c.i.C. 245 bis hin zur Rechtsfigur des Irrtums über die Kalkulationsgrundlage 246 . Der BGH kombiniert: Mängel des unternehmerischen Substrats werden, wie ausgefilhrt, nach §§ 459 ff. BGB behandelt; fehlerhafte Abschlußangaben hingegen der c.i.c. unterstellt; anderes soll gelten nur bei zusicherungsfllhigen und tatsächlich nach § 459 Abs. 2 BGB zugesicherten Angaben247 . Demzufolge bestehen nach der Rechtsprechung beim Unternehmenskauf zwei Haftungsordnungen nebeneinander: Die verschuldensunabhängige Gewährleistungshaftung in Analogie zu den §§ 459 ff. BGB, für die die kurze Verjährungsfrist des § 477 BGB gilt, und eine verschuldensabhängige Einstandspflicht unter den Voraussetzungen der c.i.c., die der langen Verjährungsfrist des § 195 BGB unterliegt248. Bei der Frage der Verjährung besteht im Schrifttum Einigkeit darüber, daß die Verjährungsfrist des § 477 BGB bei analoger Anwendung der §§ 459 ff. BGB auf Fehler des Unternehmens zu kurz ist, da eine Feststellung der einschlägigen Mängel in diesem Zeitraum oft nicht möglich ist. Auf der anderen Seite ist die Anwendung der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB im Falle einer fahrlässigen Zusicherung von Ertragsangaben bei grundsätzlicher Anwendung der c.i.c. zu lang. Vorschläge, die die analoge Anwendung des § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB oder § 852 BGB propagierten, konnten sich nicht durchsetzen. Gleiches gilt filr den Vorschlag, die einjährige Verjährungsfrist des § 477 BGB bei Grundstücksverkäufen auf den Unternehmenskauf anzuwenden 249 .
244 Hopt/Mössle, JuS 1985, 211, 213 f., Mössle, BB 1983,2146,2150; Willemsen, AcP 182 (1982), 515, 560 ff. 245
J. Baur, BB 1979, 381 ff.
246
Müller, ZHR 147 (1983),501,537 ff.
247
Siehe Bericht von Hiddemann, ZGR 1982,435, 442 ff.
248 Schließlich ist im Rahmen der c.i.c. die Frage des Mitverschuldens (§ 254) zu beachten.; Canaris, ZGR 1982, 395, 416, wonach Mängel und Eigenschaftszusicherungen in einem sehr engen Sinn sowie der echte Unternehmenskauf einschließlich des Kaufs aller oder fast aller Anteile an einer Gesellschaft der ersteren Haftungsordnung unterfallen sollen; das Anwendungsfeld der letzteren bildeten sonstige Vertragsstörungen sowie der bloße Anteilskauf.
249
Grunewald, ZGR 1982, 452.
352
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
In Anbetracht dieses Theorienstreits sprach sich Canaris anläßlich des Kronberger Symposiums dafür aus, den Anwendungsbereich des Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage deutlich auszuweiten 250 • Mithilfe von dessen flexiblem Rechtsfolgensystem soll gegenüber dem starren "Alles-oder-NichtsPrinzip" der Wandelung ein dogmatisch völlig anderer Lösungsweg bechritten werden 251 • Dieser provokative Ansatz zielte seinerzeit darauf ab, die Bankrotterklärung der §§ 459 ff. BGB für die Lösung von Rechtsproblemen mängelbehafteter Unternehmen zu verdeutlichen. Canaris strebte damit einzelfallbezogene Lösungen durch Nachverhandlungen der Vertragsparteien an. Bezeichnenderweise waren bis dahin vor die Gerichte solche Fälle gelangt, in denen kleine Unternehmen verkauft worden waren 252 • Die Rechtsprechung hatte seinerzeit eingeräumt, daß sie bei großen Unternehmen noch unentschieden sei in der Frage, ob für alle Unternehmen in diesem Zusammenhang die gleichen Rechtsregeln gelten könnten. Jedenfalls waren die Regeln der Rechtsprechung in den für diese Fälle von den Vertragsparteien eingesetzten Schiedsgerichten prinzipiell angewandt worden. Erwirbt der Käufer nur einen Anteil am Unternehmen - per defmitionem kein "Unternehmenskaut" nach der herrschenden Meinung -, so verjährt der Anspruch wegen Zusicherung nach 30 Jahren. Erwirbt er hingegen alle Anteile, so gilt nur die kurze Verjährungsfrist des § 477 BGB253 • Dieses Ergebnis läßt sich nach Canaris durch die Anwendung des Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vermeiden. Auch die Differenzierung der Rechtsprechung bezüglich Umsatz- und Ertragsangaben führt nach seiner Ansicht zu Ungereimtheiten. Die Rechtsprechung wendet § 459 Abs. 2 BGB nur bei Angaben über längeren Zeitraum an; bei Angaben über einen kurzen Zeitraum behilft sie sich gegebenenfalls mit einer Garantieabrede. Canaris vertritt den Standpunkt, daß Angaben über einen kurzen Zeitraum geringere Aussagekraft besitzen, so daß umgekehrt ein rascher Verjährungseintritt allenfalls noch eher verständlich wäre. Nach seiner Auffassung beinhalten Angaben oder Zusicherungen des Verkäufers über Umsatz und Ertrag nicht eine echte Garantieerklärung, son-
250 Canaris, ZGR 1982, 395, 397 oder Hommelhoff, ZHR 150 (1986), 254, 272, m.w.N. sprechen von einem Meinungschaos. 251
Canaris, ZGR 1982, 395 ff.
252
So z.B. RGZ 67,86.
253 Canaris, ZGR 1982, 395, 413; so auch schon Huber, ZGR 1972, 395, 400 f.; nur weil die Rspr. den Weg über § 459 Abs. 2 BGB gehe.
G. Ansätze praeter legern zur Vermeidung der Rückabwicklung
353
dem den Charakter von Vertragsvoraussetzungen im Sinne einer Geschäftsgrundlage254 • 2. Verwerfung der Rechtsanalogie zum Sachmängelgewährleistungsrecht beim Unternehmenskauf
Die analoge Anwendung der §§ 459 ff. BGB auf den Unternehmenskauf ist aufgrund der gravierenden Rechchtsfolgen im System des Wandelungsrechts nach Auffassung von Canaris unzulänglich für die Bewältigung der Leistungsstörungen beim Unternehmenskauf. Eine vollständige Rückabwicklung des Vertrages ist kaum durchfiihrbar, denn ein Unternehmen kann kaum je in dem Zustand zurückübertragen werden, in dem es sich vor Abwicklung des Kaufvertrages befand255 • Es besteht die Gefahr, daß der neue Unternehmens inhaber das Unternehmen weitgehend umgestaltet und eventuell auch entwertet. Arbeitsplätze sind in Gefahr, wenn innerhalb kurzer Zeit zweimal der Unternehmer wechselt. Auch der erfolgte Wissenstransfer ist in jedem Fall nicht rückrufbar. Nach Auffassung von Canaris ist der Unternehmenskauf zu dem Sachkauf nicht in einem solchen Maße "rechtsähnlich", daß eine Analogie zu den §§ 459 ff. BGB geboten ist. Das Fehlen einer den §§ 459 ff. BGB entsprechenden Gewährleistungsregelung stellt eine Lücke des Gesetzes dar256 • Canaris behauptet, daß eine überzeugende Begründung rur die Analogie zu den §§ 459 ff. BGB weder in der Rechtsprechung noch im Schrifftum jemals gefunden worden ist. Das Reichsgericht hatte seinerzeit ausgefiihrt, der Regelungsgehalt der §§ 459 ff. BGB sei "weniger davon bestimmt, daß der Kaufgegenstand eine körperliche Sache ist, als davon, zwischen den widerstreitenden Interessen des Käufers und des Verkäufers einen billigen Ausgleich zu schaffen,,257. Die Analogie zu den §§ 459 ff. BGB fiihrte laut Canaris nicht zur erhofften Rechtssicherheit, sondern im Gegenteil zu einem "Meinungschaos" im
254 Canaris, ZGR 1982, 395, 414; eine Ausnahme soll für den Fall des § 463 S. 2 BGB gelten. Hier soll das Institut der Erfilllungshaftung eingreifen. Ein weitergehender Rücktritt vom Vertrag in Teilanalogie zu § 325 Abs. 1 S. 2 BGB soll nur möglich sein, wenn die Erfllllung des Vertrages für den Unternehmensverkäufer oder -käufer kein Interesse hat. 255
Grunewald, ZGR 1982, 452 ff.
256
Canaris, ZGR 1982, 395, 397.
257
RGZ 67,86,89 f.
23 Heß
354
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Schrifftum und zu einem "verworrenen" Zustand in der Rechtsprechung258 • Die Rechtsprechung bedient sich zunehmend des Instituts der c.i.c., das aber wegen seiner Funktion als ein die Gesetzeslücken ausrullendes Rechtsinstitut kein hohes Maß an Rechtssicherheit verheißt. Canaris betont, daß bei einem Unternehmen nicht nur Sachen, sondern auch Rechte und unkörperliche Geschäftswerte Gegenstand des Kaufvertrages sind. Ein Unternehmen wird maßgeblich durch die Tätigkeit seines Inhabers geprägt. Eine Einstandspflicht rur die Fehlerlosigkeit des Ergebnisses einer Tätigkeit ist etwas ganz anderes und ungleich Gravierenderes als eine solche rur die Mangelfreiheit einer Sache. Das Unternehmen ist ein "lebendiger sozialer Organismus in ständiger Veränderung"2S9. Daher ist die Feststellung von Fehlern rur den Verkäufer bei einem Unternehmen in der Regel viel schwieriger als bei einer Sache. Der Kauf eines Unternehmens ist wegen seiner ausgeprägten Elemente eines Chancen- und Risikogeschäfts auch wesentlich anders strukturiert als der reine Sachkauf. Nach Auffassung von Canaris ist der Mangelbegriff des § 459 BGB kein geeignetes Anknüpfungskriterium für ein Unternehmen als Kaufgegenstand. Keinesfalls kann z.B. jeder Mangel eines einzelnen Gegenstands als Mangel des Unternehmens anerkannt werden. Dies ftlhrt immer zu dem Abgrenzungsproblern, wann das Maß sogenannter normaler Mängel überschritten ist. Mangels Vergleichbarkeit von Unternehmen kann sich auch eine Verkehrsanschauung darüber, was ein sogenanntes normales Unternehmen ist, gar nicht bilden. Es kann nicht entschieden werden, ob beispielsweise die unterdurchschnittliche QualifIkation des Unternehmensmanagements einen Sachmangel im Sinne von § 459 BGB bildet260• Nach Ansicht von Canaris ist damit der Beweis erbracht, daß der objektive Fehlerbegriff auf den Unternehmenskauf nicht paßt und diese Komponente des Fehlerbegriffs völlig außer Acht gelassen werden muß 261 •
258 Canaris, ZGR 1982,395,397; J Baur, BB 1979,381,382; K. Schmidt, Handelsrecht, S. 118. 259
Canaris, ZGR 1982, 395, 399.
260
Canaris, ZGR 1982,395,400.
261 Canaris, ZGR 1982, 395, 400, wonach die Anpassung des Vertrages grds. Vorrang vor dessen Auflösung hat, vgl. nur Palandt/Heinrichs, § 242 Rdn. 6 m.w.N. aus der Rspr.; Canaris bezweifelt, daß überhaupt ein legitimes Bedürfnis rur die Zulassung einer freien Entscheidung des Käufers über die Rückgängigmachung des Kaufs besteht; bis zum Jahre 1982 gab es nur einen Fall, in dem die Wandelung zugelassen wurde, vgl. RGZ 67, 86 ("Pensionsfall").
G. Ansätze praeter legern zur Vermeidung der Rückabwicklung
355
3. Dogmatische Verwandtschaft der Geschäftsgrundlagenlehre mit dem System der Sachmängelgewährleistung
Die Lehre von der Geschäftsgrundlage ist nach Ansicht von Canaris "verwandt" mit der Einstandspflicht für Sachmängel nach § 459 BGB. Mit Hilfe der Lehre von der Geschäftsgrundlage würden ähnliche Probleme gelöst wie mit § 459 Abs. 1 BGB. § 459 Abs. 1 BGB knüpft an die "gewöhnlichen" und an den "nach dem Vertrage vorausgesetzten" Gebrauch an. Diese Kategorien haben nach Auffassung von Canaris eine Entsprechung in der Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Geschäftsgrundlage. § 459 Abs. 1 BGB ist ein von Nichterfilllungsgesichtspunkten unabhängiger Rechtsbehelf, so daß die Mangelfreiheit der Sache nicht Schuldinhalt, sondern lediglich bewußte oder unbewußte Voraussetzung des Vertrags ise62 • § 459 Abs. 1 BGB stellt nach dieser Ansicht geradezu die gesetzliche Regelung eines Geschäftsgrundlagenproblems dar263 • Der Unterschied zwischen dem Wegfall der Geschäftsgrundlage und §§ 459 ff. BGB liegt auf der Tatbestands- und Rechtsfolgenseite. So hat die Anpassung des Vertrages bei dem Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage grundsätzlich Vorrang vor der Auflösung, wohingegen § 462 BGB dem Käufer die freie Wahl zwischen Wandelung und Minderung eröffnet. Diese Lösung ist nach Meinung von Canaris rur den Unternehmenskauf zu starr264 • Canaris rechtfertigt die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Geschäftsgrundlage unter Berufung auf den Modellcharakter der Rechtsprechung des BGH zu den Lastenausgleichsfiillen265 • Der BGH hatte damals Äquivalenzstörungen in Höhe von etwa 15 % als ausreichend für die Anwendbarkeit dieses Rechtsinstituts angesehen. Damit hatte es entgegen dem starren Alles-
262 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 11, § 41 11 e m.w.N.; dieses Argument ist eine Unterstellung, denn der Käufer will natürlich eine mangelfreie Sache; damit ist die Mangelfreiheit sehr wohl Schuldinhalt. 263 Canaris, ZGR 1982, 395, 397; Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage bei Zweckstörungen im Schuldverhältnis, 1971, S. 174 ff. 264 Canaris, ZGR 1982, 395, 397 - andere Lösungskonzepte zur Einschränkung der §§ 459 ff. BGB verfolgen Huber, ZGR 1972, 395, 416 ff.; Hammelhoff, Sachmängelgewährleistung, S. 113 ff.; Prölss, ZIP 1981, 344; HP. Westermann, ZGR 1982, 45, 58; es ist allgemeine Auffasung, daß die von § 462 BGB eröffnete freie Wahl zwischen Wandelung und Minderung nicht den Besonderheiten des Unternehmenskaufs entspricht. - Rspr. bei falschen Bilanzen: c.i.c. - hiergegen Immenga, AcP 171 (1971) 1 ff., 12 ff.; Goltz, DB 1974, 1609, 1610; MünchKomm/Westermann, BGB, § 459, Rdn. 44 f. 265
23·
Canaris, ZGR 1982, 395, 407; BGH NJW 1961,1859.
356
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
oder-Nichts-Prinzip der §§ 459 ff. BGB bei den Rechtsfolgen 266 die Möglichkeit gegeben, den Nachteil zwischen beiden Parteien aufzuteilen 267 • Dies muß nach Canaris auf den Unternehmenskauf übertragen werden. Der Verkäufer soll den Nachteil nur dann voll tragen, wenn die Störungsursache rur ihn, nicht aber rur den Käufer erkennbar war. In den übrigen Fällen einer relevanten Störung der Geschäftsgrundlage fUhrt die Vertragsanpassung zu einer im Zweifel hälftigen Aufteilung des Nachteils aufbeide Parteien. Diese Einstufung soll gerechter sein als eine Analogie zu den §§ 459 ff. BGB, bei denen der bloße Ursprung des Mangels in der Sphäre des Verkäufers ausreicht, um diesem den Nachteil voll aufzubürden268 • 4. Rechtsfolgen bei Anwendung des Rechtsinstituts vom Wegfall der Geschäftsgrundlage
Der wesentliche Unterschied zu und Vorteil gegenüber dem Rechtsfolgensystem der §§ 459 ff. BGB ist, daß vor allem die Rückgängigmachung des Vertrages grundsätzlich nur die ultima ratio ist, ohne andererseits gänzlich ausgeschlossen zu sein. Ein weiterer dogmatischer Vorzug dieses Lösungskonzepts ist nach Canaris der, daß damit auch die Unterscheidung zwischen Anteils- und Unternehmenskauf entflillt, da, wie ausgefUhrt, die Anwendbarkeit der §§ 459 ff. BGB analog auf den Anteilsverkauf immer noch kontrovers beurteilt wird269 • Schließlich werden nach diesem Lösungskonzept Ansprüche aus c.i.c. nicht ausgeschlossen, sondern konkurrieren zu etwaigen Ansprüchen aus Wegfall der Geschäftsgrundlage. Nach allgemeiner Auffassung gilt rur die Verjährung des Anspruchs aus Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Frist von 30 Jahren gemäß § 195 BGB270 • Im speziellen Fall des Unternehmenskaufs will Canaris bei der Verletzung von Erhaltungs-, Wahrheits- und Aufklärungspflichten, die Ansprüche aus c.i.C. begründen, die Verjährungsfrist des § 852 BGB analog anwenden271 • Dem
266
Canaris, ZGR 1982, 395, 412.
267 Canaris, ZGR 1982, 395, 408 mit Verweis aufBGH WM 1961, 863; BGH WM 1962, 51, 53 - Bei Zweckstörungen will Canaris - im Gegensatz zu Äquivalenzstörungen - ggf. den Vertrag rückgängig machen. 268
Canaris, ZGR 1982, 395, 411.
269 Nach Canaris, ZGR 1982, 395, 404, eine der unerfreulichsten Differenzierungen der bisherigen Rechtsentwicklung. 270
Canaris, ZGR 1982, 395, 425.
271
Canaris, ZGR 1982, 395, 403.
G. Ansätze praeter legern zur Vermeidung der Rückabwicklung
357
Einwand einer unangemessen langen Verjährungsfrist von 30 Jahren begegnet er mit dem lapidaren Einwand, daß eine kurze Verjährungsfrist schon zu schweren Ungerechtigkeiten führen kann, während ähnliches ftlr eine lange Frist nicht gilt. Es kommt kaum jemals vor, daß der Käufer den Unternehmensmangel erst nach vielen Jahren entdeckt und dann auch noch beweisen kann 272 . 5. Dogmatische Einwände gegen die Geschäftsgrundlagenlösung
Die Teilnehmer des Kronberger Symposiums sprachen sich nachdrücklich gegen das Lösungsmodell von Canaris aus, das Sachmängelgewährleistungsrecht beim Unternehmenskauf durch das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu ersetzen. Der Anwendungsbereich dieser Generalklausel wird von Rechtsprechung und Lehre seit jeher nur auf drastische Fehlentwicklungen bei der VertragsdurchfUhrung beschränkt. Im übrigen hat die ergänzende Vertragsauslegung Vorrang vor den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage273 • Auf den ersten Blick erscheint es als ein Vorteil der Lösung über die Geschäftsgrundlage, daß dadurch die Anzahl der nebeneinander laufenden Rechtsbehelfe reduziert wird. Es ist aber äußerst fraglich, ob der damit einhergehende Verlust an Rechtssicherheit in Bezug auf die rechtsdogmatischen Konturen der Geschäftsgrundlage kompensiert werden kann. Canaris räumt selber ein, daß unter dogmatischen Gesichtspunkten gravierende Bedenken bestehen, die §§ 459 ff. BGB tatbestandlich durch die Lehre von der Geschäftsgrundlage zu ersetzen, da unter Geschäftsgrundlagegesichtspunkten grundsätzlich nur sogenannte schwere Äquivalenzstörungen und schwere Zweckstörungen relevant werden. Demgegenüber bleibt beim Sachmängelrecht gemäß § 459 Abs.l S.2 BGB lediglich "eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit" außer Betracht274 • Canaris verteidigt sein Modell mit dem Hinweis auf Bestrebungen im Schrifttum, die entgegen dem klaren Wortlaut den Anwendungsbereich der §§ 459 ff. BGB einschränken. So erkennt Hommelhoff nachweislich einen Mangel an einem einzelnen Substanzstück nur dann als Mangel des Unternehmens an, wenn er dessen Stellung auf dem Markt gefiihrdet275 • Nach der Auffassung von Canaris ist die Lehre von der Geschäftsgrundlage ftlr den Käufer daher bisweilen günstiger, 272 A.A. Canaris, ZGR 1982,395 ff.; Grunewald, ZGR 1982, 452, 453; Müller, ZIP 1993, 1045 ff.
273
Grunewald, ZGR 1982, 452, 453.
274
Canaris, ZGR 1982, 395, 406.
275
Hommelhoff, Sachrnängelgewährleistung, S. 41 ff. und 127 ff.
358
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
als wenn die §§ 459 ff. BGB restriktiv ausgelegt werden; bei der Lösung mithilfe der Geschäftsgrundlage genügt die Äquivalenzstörung als solche. Dieser Argumentation von Canaris ist entgegenzutreten, denn die Lösung der Äquivalenzstörung beim Unternehmenskauf mithilfe der Lehre von Geschäftsgrundlage erreicht dieser durch Zugrundelegung von Wertungen, die die tatbestandlichen Konturen der Geschäftsgrundlage völlig auflösen. Canaris bleibt den Nachweis schuldig, inwieweit die dogmatischen Grundlagen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage neu bestimmt werden können und sollten. Es ist zweifelhaft, ob die Nachteile der bisherigen Lösungsansätze eine Ablösung des Mängelrechts von den §§ 459 ff. BGB rechtfertigen und es erlauben, sich nunmehr der Lehre von der Geschäftsgrundlage zuzuwenden. Gerade das Institut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage ist seit jeher sehr restriktiv behandelt worden. Die Verdrängung des Rechts der Sachmängelgewährleistung durch pauschale Korrekturen des Vertrages mithilfe der Geschäftsgrundlage könnte Schule machen und leicht zur Entwicklung weiterer Sonderrechte fUr einzelne Kaufgegenstände fUhren. Bislang war die Rechtsfigur der Geschäftsgrundlage auf drastische Fehlentwicklungen bei der Vertragsdurchftlhrung beschränkt gewesen. Es ist daher besser, elastische Analogien zum Mängelrecht zu entwickeln als sich in das unsichere Gebiet der Geschäftsgrundlage zu begeben 276 • Fraglich ist weiterhin, ob überhaupt feststellbar ist, was die Geschäftsgrundlage eines Unternehmenskaufs ist und ob sich die Geschäftsgrundlage wirklich anhand der Preisbildung feststellen läßt. Es besteht insofern die Gefahr einer allgemeinen Beliebigkeit der Wertungen, da jeder Rechtsanwender seine Wertungen fUr die durch § 242 BGB und die Lehre von der Geschäftsgrundlage gebotenen hält. Der Ansatz von Canaris ist zudem sehr verkäuferfreundlich. Es ist keinesfalls logisch, daß negative Folgen, die ft1r keine Seite prognostizierbar waren, wirklich auf beide Seiten verteilt werden sollten. Die Regelung des § 459 BGB zeigt, daß eigentlich der Verkäufer das Risiko allein trägt. Dies ist auch gerechtfertigt, da der Verkäufer eher in der Lage ist, Mängel des Unternehmens festzustellen. Im Ergebnis ist die Lehre von Canaris über die Ablösung des Sachmängelgewährleistungsrechts durch eine extensive Handhabung des Rechtsinstituts vom Wegfall der Geschäftsgrundlage abzulehnen. Die rechtlichen Konturen dieses Rechtsinstituts, das in Rechtsprechung und Schrifttum bewußt restriktiv angewandt wird, würden dadurch völlig aufgeweicht. Dies würde zu einer einzelfallbezogenen Rechtsprechung fUhren und damit nur Rechtsunsicherheit heraufbeschwören. Speziell im Fall der Privatisierungstätigkeit der Treu-
276
Grunewald, ZGR 1982,452 ff., 453.
G. Ansätze praeter legern zur Vermeidung der Rückabwicklung
359
handanstalt würde die Zulassung dieses Rechtsinstituts eine Flut von Nachverhandlungen nach sich ziehen. Gerade die Unsicherheiten bei der Bewertung des Unternehmens und der Abschätzung der künftigen Entwicklung des Unternehmens am Markt mangels Erfahrungswerten zwingen die Vertragsparteien, die Risiken vertraglich genau zu verteilen. Da den Investoren regelmäßig die Gelegenheit gegeben wird, sich umfassend über den Zustand des Unternehmens zu informieren, können ihnen die oft gravierenden Mängel im Unternehmen nicht verborgen bleiben. Vertragskorrekturen können daher nur innerhalb der von der Rechsprechung und Schrifttum entwickelten restriktiven Ansätze im Rahmen der Mängelgewährleistung angebracht sein. Bei drastischen Umsatzeinbrüchen und Verlusten aufgrund des Wegbrechens von Märkten o.ä. kann hingegen - wie auch sonst üblich - der Anwendungsbereich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eröffnet sein. 6. Partielle Anwendung des Rechtsinstituts vom Wegfall der Geschäftsgrundlage
Um eine Modifzierung des vorgenannten Lösungskonzepts von Canaris bemüht sich Müller. Bei fehlerhaften Angaben des Verkäufers zu Ertrag und Umsätzen des Unternehmens sowie beim Bekanntwerden nicht werthaltiger Forderungen bzw. höherer Verbindlichkeiten aufgrund der Inanspruchnahme aus Gewährleistung o.ä. fordert er eine Abkehr von dem Modell der §§ 459 ff. BGB. Müller sieht das Dilemma der Rechtsprechung darin, daß sie ftlr das Vorliegen der abweichenden Beschaffenheit einer Sache in Abgrenzung zu den außerhalb der Kaufsache liegenden Umständen verlangt, daß es sich bei der Beschaffenheit um Umstände oder Verhältnisse handeln muß, die der Kaufsache "ohne weiteres" anhaften 277 oder sich aus der Sache "als solcher,,278 ergeben. Mit dieser Formel begründet der BGH in Fortführung der Rechtsprechung des Reichsgerichts, daß es Umstände und Verhältnisse gibt, die zwar noch als zusicherungsfähige Eigenschaft i.S.d. § 459 Abs. 2 BGB angesehen werden können, aber nicht mehr als Beschaffenheit i.S.d. § 459 Abs. 1 BGB. Demzufolge gehören Angaben des Verkäufers über Ertrag und Umsatz, ebenso die Darstellung der Aktiven und Passiven in einer vom Verkäufer bei den Vertragsverhandlungen vorgelegten Bilanz, nicht zur Beschaffenheit des Unternehmens i.S.d. § 459 Abs. 1 BGB. Dagegen betrachtet der BGH die sogenannte Ertragsfähigkeit oder Ertragskraft des Unternehmens als eine zusicherungsfähi-
277
BGH NJW 1970,653,655.
278
BGHNJW 1980, 1456.
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8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
ge Eigenschaft im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB 279 • Die Ertragsfähigkeit oder Ertragskraft kann sich nach der neueren Rechtsprechung aus Zahlenangaben aus der Vergangenheit ergeben, sofern sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken280. Der Vorrang der Sachmängelhaftung kommt laut Müller deshalb nicht zum Tragen, weil falsche oder unvollständige Angaben des Verkäufers über Ertrag und Umsatz oder Aktiva und Passiva keine Sachmängel im Sinne von physischen Eigenschaften des Unternehmens darstellen; weder die Zahlen der Vergangenheit, aus denen auf die Ertragsfähigkeit geschlossen wird, noch die Ertragsfähigkeit selbst, die sich schon in naher Zukunft ändern kann. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Kaufpreises rur ein Unternehmen schließt sich Müller dem Konzept von Canaris insoweit an, als er die sachliche Richtigkeit des vom Unternehmensverkäufer bei Vertragsabschluß offengelegten Zahlenmaterials, jedenfalls im Prinzip, dann als Geschäftsgrundlage ansieht, wenn die Wertermittlung, und damit die spätere Kaufpreisfestsetzung erkennbar auf ihr aufgebaut haben281 • Entgegen der Ansicht von Canaris hält Müller aber nicht den Gesichtspunkt der Äquivalenzstörung, beispielsweise bedingt durch Währungsverfall, Aufwertung, unerwartete Ausgestaltung des Lastenausgleichs usw., rur ausschlaggebend. Vielmehr handelt es sich um einen vom Verkäufer hervorgerufenen gemeinschaftlichen Irrtum über die Kalkulationsgrundlage; die "subjektive Geschäftsgrundlage" ist beeinträchtigt. Da die vom Verkäufer bei den Vertragsverhandlungen vorgelegten Geschäftsergebnisse die Grundlage der Kaufpreisberechnung sind, wird diese Grundlage erschüttert oder fallt ganz weg, wenn die Zahlen sich nachträglich in erheblichem Umfang als unrichtig oder unvollständig erweisen282 • Müller nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts, das die Kalkulationsgrundlage zum Inhalt des Vertragses erhoben hatte, wenn der Verkäufer eine näher bezeichnete Kalkulation in die entscheidenden Vertragsverhandlungen mit einbezogen hatte283 • Sind die vom Verkäufer vorgelegten Zahlen falsch, so 279 Müller, ZIP 1993, 1045, 1046, Fn.16 m.w.N.; zuletzt BGH NJW 1992,2564, bei dem es um die Zusicherungsfähigkeit des "schlechten Rufes" einer Raststätte ging. 280
Müller, ZIP 1993, 1045, 1047, m.w.N. aus der Rspr.
281
Müller, ZHR 147 (1983), 501, 532.
282 Müller, ZIP 1993, 1045, 105 mit Verweis auf Müller, ZHR 147 (1983),501,519 ff.; zust. Soergel/Huber, BGB, § 459 Rdn. 268; dagegen für eine "fachgerechte" Anwendung des § 119 Abs. 2 BGB neben die Regeln der c.i.c. K. Schmidt, Handelsrecht, S. 141; ähnlich Hüf!er, in: Hachenburg, Großkommentar zum HGB, 4 .. Autl 1995, vor § 20 Rdn. 50.
m RGZ 90, 266, 268; RGZ 101, 107 ff.; RGZ 105, 406 ff.; RGZ 116, 15; im Schrifttum weitgehend abgelehnt: Die Grundlage der Preisberechnung sei bloßes Motiv
G. Ansätze praeter legern zur Vermeidung der Rückabwicklung
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stuft Müller dies als den Fall einer fehlerhaften Kalkulationsgrundlage ein. Gleiches soll rur die Fälle gelten, in denen die in der Bilanz aufgeruhrten Passiva in Wirklichkeit nicht existieren oder das Unternehmen wegen nicht bekannter Aktiva einen erheblich höheren Wert hat und die Angaben des Verkäufers zur Vertragsgrundlage gemacht worden sind. Auch solche beiderseitigen Kalkulationsirrtümer sind nach Ansicht von Müller regelmäßig über die Regeln der Geschäftsgrundlage zu lösen. Eine Anpassung des Vertrags nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage trägt nach Auffassung von Müller den Interessen der Parteien besser Rechnung als die auch mögliche, aber zwingend zur Nichtigkeit des Vertrages fUhrende Irrtumsanfechtung. Hierbei soll folgende Modifkation hinsichtlich der Rechtsfolgen gelten284 : Die Anpassung des Vertrages ist bei der Lösung mithilfe der Geschäftsgrundlage zwar vorrangig; erst wenn sich auf diesem Weg eine sachgerechte Lösung nicht finden läßt, wird der benachteiligten Partei ein Recht auf Aufhebung des Vertrages gewährt. VorzugswUrdig ist in den Fällen des gemeinsamen Irrtums über die Berechnungsgrundlage nach Ansicht von Müller stattdessen, dem Verkäufer von vornherein das Wahlrecht zwischen Anpassung an die tatsächliche Sachlage und Auflösung des Vertrages zu lassen285 • Einer Differenzierung zwischen Unternehmenskauf und Beteiligungskauf bedarf es nach dieser Ansicht nicht286 • Die analoge Anwendung der §§ 459 ff. BGB auf den Kauf von Gesellschaftsanteilen hängt somit nicht von der jeweiligen Größe der veräußerten Anteilsquote ab, sondern davon, ob und inwieweit der Anteilswert unter Zugrundelegung der Unternehmensmerkmale wie Bilanzen etc. errechnet worden ise 87 • und nicht Inhalt der Erklärung ... ; ein solcher Irrtum in der Erklärung hätte nach dieser Rechsprechung als Irrtum über den Inhalt der Erklärung im Zweifel zur Anfechtung berechtigt. 284 Müller, ZHR 147 (1983),501,534; zur Anerkennung des beiderseitigen Motivirrtums als Fall der Geschäftsgrundlage vgl. Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, § 20 I1I; MünchKommiKramer, BGB, § 242, Rdn. 615 ff.: Palandt/Heinrichs, BGB, § 119 Anm. 3 b. 285 Müller, ZHR 147 (1983), 501, 537; zur diffizilen Minderungsproblematik beim Untemehmenskauf vgl. Müller, JuS 1975, 489, 493 ff; entgegen noch Müller in ZHR 147 (1983), 501 ff. Beim Irrtum über die Berechnungsgrundlage müsse daher dem Verkäufer gestattet werden, die Kaufsache seinem Vertragspartner zu einem "gerechten Preis" zu belassen. Wenn dies nicht möglich sei, so habe der Verkäufer noch das Wahlrecht der Vertragsauflösung. 286
Müller, ZHR 147 (1983),501,534; Canaris, ZGR 1982, 395,403 ff.
287 Huber, ZGR 1972,395,402 ff.; Müller, Haftung des Verkäufers, S. 312 ff.; ders. BB 1980, 1393, 1395; anders Rspr. und h.L. - Hiddemann, ZGR 1982, 435, 439 ff.; Wessing, ZGR 1982,455 m.w.N.
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8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Müller schlägt die Anwendung der Verjährungsfrist des § 121 BGB vor288 • Die Bedenken von Canaris gegenüber § 121 BGB wegen des nach einiger Zeit eintretenden Beweisnotstand des Unternehmenserwerbers verwirft er. Sei der entscheidende Bilanzfehler erst einmal entdeckt, so steht in aller Regel auch fest, wann er entstanden ise89 • Falsche Angaben zu Umsatz und/oder Ertrag des Unternehmens spielen, wie ausgeführt, bei den Privatisierungen der Treuhandanstalt eine, wenn überhaupt, nur sehr untergeordnete Rolle. Von größerer praktischer Relevanz sind die Fälle unrichtiger Bilanzen als Berechnungsgrundlage für die Ermittlung des Kaufpreises. Gelingt es dem Investor nicht, von der Treuhandanstalt eine Zusicherung o.ä. über die Richtigkeit der Bilanz in dem notariellen Vertrag zu erhalten, so stellt sich die Frage, ob die Korrektur unrichtiger Bewertungsgrundlage besser über die Formel vom Wegfall der Geschäftsgrundlage im Sinne des beiderseitigen Kalkulationsirrtums oder über die von Rechtsprechung entwickelte Formel der Haftung aus c.i.c. erfolgt. Es ist nochmals daran zu erinnern, daß die Ermittlung des Kaufpreises beim Unternehmenskauf nicht allein auf der Grundlage von Substanz- oder Ertragwertberechnungen o.ä. beruht. Die Bilanz ist nur ein Faktor; der Erwerb eines Unternehmens beruht auf einer vielschichtigen Motivation, der Wert des Unternehmens hängt für den Erwerber zusätzlich von einer Vielzahl von anderen Faktoren ab; so seien beispielhaft genannt die Größe des Unternehmens, das Potential der technischen und personellen Ausstattung, die Martktanteile, die strategischen Produkte, die geographische Lage und vieles andere mehr. Der Unternehmenskauf in den neuen Bundesländern ist ein ausgeprägter Risikokauf. Aufgrund der vielfachen Unwägbarkeiten bei der bilanziellen Bewertung der Unternehmen hat der Gesetzgeber mit dem DM-Bilanzgesetz eine Vielzahl von Ausnahmevorschriften für die Bewertung der Bilanzpositionen in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung Deutschlands geschaffen. Die geprüften und testierten Bilanzen sind mit einer Vielzahl von Bewertungsrisiken behaftet. Somit verbleibt es dabei, daß eine nachträgliche Korrektur des Kaufpreises über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nur dann erfolgen kann, wenn der Investor der Treuhandanstalt etwa folgende vertragliche Formulierung abtrotzen konnte, daß "Grundlage für die Kaufpreisermittlung die Bilanz bzw. der Vermögensstatus vom ... ist". Mangels vertraglicher Bezugnahme muß es ansonsten bei dem bekannten, betont restriktiven Anwendungsbereich für das Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage bleiben. Werden im Rahmen der Verkaufsverhandlungen nachweisbar schuldhaft unzutreffende Angaben, auch im Hinblick
2KK
Müller, ZHR 147, 501, 540 f.
289
Huber, ZGR 1972, 395, 419.
G. Ansätze praeter legern zur Vermeidung der Rückabwicklung
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auf bilanzielle Fragen, gegenüber dem Investor gemacht, so eröffnen sich diesem Gegenansprüche aus c.i.c. 7. Erweiterung des Anwendungsbereichs des Rechtsinstituts vom Wegfall der Geschllftsgrundlage in den neuen Bundesillndern
Eine vollständige Ablösung des Sachmängelgewährleistungsrechts der §§ 459 ff. BGB durch das Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage mußte aus grundsätzlichen dogmatischen Erwägungen zuvor abgelehnt werden. Ungeachtet dessen ist zu untersuchen, ob diesem Rechtsinstitut nicht aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in Ostdeutschland unter bestimmten Voraussetzungen ein größerer Anwendungsbereich eröffnet sein könnte als in der bisherigen Rechtspraxis. a) Bilanzberichtigung betreffend die Werthaltigkeit der Aktivseite der Bilanz
Zunächst ist grundlegend zu erörtern, ob mithilfe der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage die bilanziellen Risiken beim Unternehmenskauf filr den Investor gemildert werden können. Beispiele: - Die Vorräte im Fertiglager sind in der Bilanz mit den Herstellungskosten bewertet worden. Nach der Übernahme des Unternehmens durch den Käufer erweisen sie sich als unverkäuflich. - Unternehmensgrundstücke sind in der Bilanz mit einem geschätzten Wert angesetzt. Später zeigt sich, daß die Schätzung von irrigen Vorstellungen über die Entwicklung des Grunstücksmarkts ausgegangen ist. - Maschinen und Anlagen sind nach dem "going concern"-Prinzip bewertet. Später erweisen sie sich als unverwendbar; sie können nur verschrottet oder bestenfalls auf dem Gebrauchtmarkt in Entwicklungsländer veräußert werden. Nachfolgend ist zwischen einem anfänglichen und einem nachträglichen Wertberichtigungsbedarf zu differenzieren: So kann der Investor geltend machen, die Bilanz sei, bei Anwendung des Prinzips der kaufmännischen Vorsicht, bei bestimmten Aktivpositionen schon zur Zeit ihrer Aufstellung, oder spätestens zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrags, nicht werthaltig gewesen290 • Grundsätzlich gilt, daß auch eine Bilanz, 290
Huber, Gutachten, (unveröffentl.) S. 76.
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8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
die der Ermittlung des Kaufpreises zugrundegelegt wird, die Geschäftsgrundlage des Kaufvertrags bilden kann. Die Folge hiervon ist, daß der Kaufpreis anzupassen ist, wenn die Bilanz unrichtig ise 91 • Kein Raum ist aber mehr tUr die Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, wenn der Käufer sich schon beim Vertragsabschluß darüber im klaren war, daß die Wertansätze der Bilanz mit Ungewißheiten belastet waren. Denn zur Geschäftsgrundlage gehören solche Umstände nicht, die die Parteien schon bei Vertragsabschluß in den Kreis ihrer Erwägungen einbezogen haben, ohne eine besondere Regelung hierüber zu treffen292 • Das aber ist bei den Bilanzposten, um die es hier geht Vorräte, Unternehmensgrundstücke, Maschinen - kaum anders denkbar. Die amtlichen Erläuterungen zu § 36 DMBilG weisen auf die Risiken von "wesentlichen Fehlschätzungen" bei der Aufstellung der Eröffnungsbilanzen der Unternehmen der Treuhandanstalt ausdrücklich hin293 • § 36 Abs. 2 DMBilG trifft tUr diesen Fall besondere Vorkehrungen. Eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen fehlender Werthaltigkeit der Bilanz kommt also jedenfalls nur in Betracht, wenn festgestellt werden kann, daß der Käufer sich tatsächlich über die in der Bilanz enthaltenen Bewertungsrisiken im Unklaren war. Auch insoweit trifft die Beweislast den Käufer. Soweit im Kaufvertrag vereinbart ist, daß die Treuhandanstalt tUr die Richtigkeit der Bilanz keine Gewähr übernimmt, scheitert die Berufung auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage schon hieran. Das Vertragsrisiko liegt insoweit beim Käufer. Auch ein nachträglicher Wertberichtigungsbedarf kommt bei der Bilanz in Betracht. Macht der Käufer geltend, die Wertansätze der Bilanz hätten zwar zur Zeit der Erstellung der Bilanz den Grundsätzen ordnungsmäßiger BuchtUhrung (GoB) entsprochen, ein Wertberichtigungsbedarf sei aber nachträglich durch eine nicht vorhersehbar ungünstige Entwicklung entstanden, so beruft er sich auf einen Umstand, der eindeutig in seinen eigenen Risikobereich flille 94 • Es sei daran erinnert, daß der vereinzelte Vorschlag im Schrifttum, bei einer nachträglichen Wertberichtigung von Forderungen in einer Größenordnung von mehr als 20 % eine Minderung des Kaufpreises analog § 472 BGB vorzunehmen, dogmatisch zweifelhaft und kaum vertretbar erscheint. Eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt nur dann in Betracht, wenn der Käufer beweisen kann, daß die Bilanz zum Zeitpunkt des Abschlusses des
291 Vgl. Canaris, ZGR 1982, 395 ff.; Müller, ZHR 147 (1983) 501, 537 ff.; Rspr.urteilliegt dazu noch nicht vor. 292
BGH WM 1962,527,529.
293
Huber, Gutachten, (unveröffentl.) S. 78.
294
Huber, Gutachten, (unveröffentl.) S. 75.
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Kaufvertrags den Prinzipien kaufmännischer Vorsicht nicht entsprochen hat. Die Beweislast für die anfiingliche Unrichtigkeit der Bilanz trifft jedenfalls den Käufer. b) Bilanzberichtigung betreffend die Passivseite der Bilanz
Beispiel: Der Käufer wendet ein, die in der Bilanz angenommenen Werte hätten schon zur Zeit der Aufstellung der Bilanz und des Vertragsabschlusses nicht der Wirklichkeit entsprochen. Bei realistischer Betrachtung der D!nge hätte schon damals nach dem bilanzrechtlichen Prinzip der Vorsicht ein Wertberichtigungsbedarf bestanden, dem seinerzeit nicht Rechnung getragen worden sei. Es ist daran zu erinnern, daß in den Kaufverträgen der Treuhandanstalt fast ausschließlich ein Gewährleistungsausschluß für die Richtigkeit der zugrundegelegten Bilanz vereinbart ist. Hiernach übernimmt die Treuhandanstalt für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Bilanz keine Haftung. Dabei sind auf die fehlende Werthaltigkeit der Bilanz gestützte Ansprüche des Käufers dadurch ausgeschlossen, daß der Käufer das Risiko unrichtiger Wertansätze vertraglich übernommen hat und daher für das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kein Raum bleibt. Fehlt der Haftungsausschluß, so gelten wieder die von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Voraussetzungen für das Eingreifen dieses Rechtsinstituts. c) Entschuldung des Unternehmens
Der Käufer könnte gegebenenfalls verlangen, daß die Treuhandanstalt ihn in größerem Umfang von den zur Zeit der Privatisierung bestehenden Verbindlichkeiten freistellt, als dies im Kaufvertrag vorgesehen war. Der Käufer beruft sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage und verlangt, daß der Vertrag nachträglich an die geänderten Umstände anzupassen ist. Der Anspruch des Käufers ist jedenfalls dann unbegründet, wenn der Fehlschlag der Prognosen des Sanierungskonzepts darauf beruht, daß die allgemeine Konjunktur sich verschlechtert hat, das Unternehmen Märkte verloren oder erhoffte neue Märkte nicht hinzuerworben hat oder daß es nicht imstande ist, zu Kosten zu produzieren, die durch die am Markt erzielbaren Preise gedeckt werden 295 • Die Tatsache, daß der Ermittlung des Entschuldungsbeitrags einvernehmlich ein Restrukturierungskonzept zugrundegelegt wurde, dessen Progno-
295
Huber, Gutachten, (unveröffentl.) S. 84.
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8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
sen sich nicht bewahrheitet haben, macht diese Progose nicht zur Geschäftsgrundlage des Vertrages. Es war bei Vertragsabschluß klar, daß die Sanierung ein gewagtes Geschäft ist. Die Treuhandanstalt hat sich an diesem Wagnis beteiligt, indem sie das zu sanierende Unternehmen zu einem festen Betrag von seinen Verbindlichkeiten befreit hat. In einem solchen Fall spricht die Wagnisstruktur des Geschäfts gerade daftlr, daß diejenige Partei, die den Festbetrag leistet, unabhängig davon am Vertrag festgehalten bleibt und die Gegenpartei unabhängig davon am Vertrag festhalten kann, welche Kosten der Gegenpartei bei Durchftlhrung des gewagten Geschäfts tatsächlich entstehen. d) SanierungsrückYte/lungenjür zu erwartende Verluste Es kommt vor, daß die während der Übergangszeit eingetretenen Verluste tatsächlich höher sind als bei der Festsetzung der Sanierungsrückstellung angenommen wurde. Es tritt der Fall ein, daß das Unternehmen während dieser Zeit die Gewinnzone nicht wieder erreicht; auch hier ist denkbar, daß der Käufer verlangt, die Sanierungsrückstellung unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen. In diesem Fall wird gewissermaßen ein sogenannter negativer Ertragswert ermittelt und als Korrekturposten bei der Kaufpreisberechnung eingesetzt. Sowenig, wie der Käufer bei Zugrundelegung eines positven Ertragswerts eine Korrektur des Kaufpreises verlangen kann, wenn der kUnftige Gewinn niedriger ausfällt als bei Berechnung des Kaufpreises vorausgesehen, sowenig kann er eine Korrektur des Kaufpreises verlangen, wenn bei Zugrundelegung eines negativen Ertragswerts der Verlust höher ausfällt als angenommen wurde296 • Umstände, die die Parteien bei Vertragsabschluß in ihrer Überlegungen einbezogen und vertraglich geregelt haben, gehören nicht zur Geschäftsgrundlage 297 • Anders ist nur dann zu entscheiden, wenn die Parteien bei Vertragsabschluß als selbstverständlich vorausgesetzt haben, daß die künftigen Belastungen einer Partei, ftlr die sie vertragliche Vorsorge treffen, eine bestimmte Höhe mit Sicherheit nicht überschreiten werden298 • Wie zuvor ausgefUhrt, liegt aber beim Kauf sanierungsbedürftiger Treuhandunternehmenen ein echtes Risikogeschäft vor.
296
Huber, Gutachten, (unveröffentl.) S. 86.
297
BGH WM 1962,52,53; BGH WM 1969,527,529.
298
BGH BB 1971,61.
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e) Zu niedrig bemessener Aufwand im Restrukturierungskonzept und drohendes Scheitern der Privatisierung
Es könnte eine Nachbesserungspflicht der Treuhandanstalt bestehen, wenn der im Restrukturierungskonzept vorhergesehene erforderliche Aufwand in erheblicher Weise zu niedrig eingeschätzt worden war. Auch hier könnte sich der Käufer wieder auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Ein diesbezüglicher Wille der Vertragsparteien kann schwerlich unterstellt werden. Der Zweck des Vertrages über die Privatisierung eines noch nicht "wettbewerblich strukturierten" Unternehmens besteht gerade darin, daß der Käufer der Treuhandanstalt die Sanierungslast und das Sanierungsrisiko abnimmt299 • Auch bei einem sich abzeichnenden drohenden Scheitern der Privatisierung würde die Zulassung einer Berufung des Käufers auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage dazu führen, daß der Privatisierungsauftrag der Treuhandanstalt bei weitem überfrachtet wird. Eine Vertragsaufhebung liefe darauf hinaus, daß der Käufer die beim Vertrag nicht in Rechnung gestellten Schwierigkeiten der Sanierung in vollem Umfang auf die Treuhandanstalt zurückverlagern könnte3OO • f) Fallgruppenfür den Anwendungsbereich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
Das Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt hingegen beim Unternehmenskauf in den neuen Bundesländern grundsätzlich in folgenden Konstellationen zur Anwendung30 ': - Fälle einer überraschenden faktischen Blockade des Unternehmens durch Restitutionsansprüche oder gegebenenfalls auch durch rechtliche Unklarheiten, die mit der besonderen Situation in den neuen Bundesländern zusammenhängen können. Dies gilt beispielsweise rur den Fall des überraschenden Auftretens, den Parteien bei Vertragsabschluß nicht bekannter, vermögensrechtlicher Ansprüche und unzumutbarerer Verzögerungen bei verwaltungsrechtlichen Genehmigungen rur Bauvorhaben u.ä.. Hier ist eine Vertragsanspassung in der Weise geboten, daß die investiven Fristen verlängert werden.
299
Huber, Gutachten (unveröffentl.), S. 88.
300
Huber, Gutachten (unveröffentl.), S .9.
301
Wächter, WM 1994, 1319, 1321.
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- Gegebenenfalls auch bei Nichterteilung einer gemeinsam als sicher erwarteten öffentlichen Genehmigung oder einer Hermes-BUrgschaft, auf der der Geschäftswille der Parteien sich aufbaut und deren Nichterteilung die Nichteinhaltung der Zusagen verursacht. - Bei Vertragsabschluß bereits vorliegende, relevante Einzelumstände, aber unerkannt gebliebene Umstände können gebenenfalls gemeinsame falsche Vorstellungen über den Wert des Kaufobjektes hervorrufen, etwa wenn bilanzielle Passivpositionen überhaupt nicht bekannt waren. Der BGH nahm erhebliche Überschätzungen des Wertes eines Objektes zum Anlaß, vereinbarte Vertragsstrafen wegen der Änderung der Geschäftsgrundlage zu redu• 302 ZIeren . Soweit allerdings vertragliche Regelungen zu einzelnen Risken getroffen wurden, schließt dies aus, daß der Eintritt dieser Risiken - grundsätzlich auch in unerwartet hohem Ausmaß - zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage filhrt. Es bleibt somit festzuhalten, daß dem Rechtsinstitut vom Wegfall der Geschäftsgrundlage auch beim Unternehmenskauf in den neuen Bundesländern nur in eng umgrenzten Fallkonstellationen ein zusätzlicher Anwendungsbereich eröffnet ist.
11. Einschränkung der Wandelbarkeit eines Unternehmenskaufvertrages durch Vorschaltung eines Rechts zur Nachbesserung Ein weiterer Vorschlag im Schrifttum geht dahin, im Wege der Rechtsanalogie das gesetzliche Ausnahmemodell der Nachbesserung bei mängelbehafteten Sachen auf die Unternehmenskaufverträge anzuwenden, um das Risiko der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen deutlich einzuschränken. Die Entstehungsgeschichte der Vorschriften zum Sachmängelgewährleistungsrecht lehrt, daß der Gesetzgeber seinerzeit davon absah, ein Nachbesserungsrecht ftlr den Spezieskauf zu reglementieren, da er beftlrchtete, es werde nur zu unerquicklichen Rechtsstreitigkeiten darüber kommen, ob die Nachbesserung im Hinblick auf ein besonderes Interesse des Käufers unzulässig ise03 • Die Rechtsprechung betonte stets in der Urteilsbegründung derjenigen Entscheidungen, in denen sie ausnahmsweise eine Verpflichtung zur Nachbesserung
302
BGH NJW 1954, 998.
303
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 413.
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aussprach, daß ein Nachbesserungrecht grundsätzlich nur in "besonders gelagerten Fällen" gewährt werden kann 304 • Manche Vertreter im Schrifttum werfen dem Gesetzgeber vor, er habe mit diesem Alles-oder-Nichts-Prinzip der Wandelung fehlgegriffen 305 • Sie verweisen darauf, daß auch die Rechtsfolgen, die das Gesetz an den Tatbestand der Schlechtlieferung knüpft, ihre Rechtfertigung aus einem dem Kaufvertrag immanenten Parteiwillen herleiten müßten. Diese Mindermeinung will den Unternehmenskauf den Regeln des Werkvertragsrechts unterstellen oder ihm zumindest werkvertragsähnliche Züge zusprechen. Sie sieht in der Vorschaltung der §§ 633, 634 BGB einen Vorzug gegenüber der rigorosen Regelung der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung. Dem Unternehmensverkäufer soll die Chance zur Mängelbeseitigung eingeräumt und dem Erwerber ein Anspruch auf Nachbesserung gegeben werden. Speziell Hommelhoff spricht sich für Übertragung der werkvertraglichen Regelung auf den Unternehmenskauf im Wege der Rechtsfortbildung aus 306 • Die besondere Interessenlage zwingt seiner Ansicht nach dazu, den kaufrechtlichen Rechtsbehelfen das Recht zur Nachbesserung vorzuschalten. Der Gesetzgeber hat die Gewährleistung zwar für Mängel körperlicher Sachen festgelegt, aber nicht auf diese beschränkt, wie auch nicht mit Geltungsanordnung für alle anderen Kaufverträge. Beim Unternehmenskauf will er berücksichtigen, daß das gesetzliche Sachgewährleistungsrecht ausschließlich die entgegengesetzten Interessen der unmittelbar am Vertrag Beteiligten ausgleicht. Der wirtschaftliche Bezug des Unternehmenskaufs hat zur Folge, daß Unternehmensmängel auch Interessen und Belange Dritter berührten307 • Es wird auf die Wertung des § 459 Abs. 1 S. 2 BGB verwiesen, wonach für die Gewährleistungshaftung des Verkäufers eine unerhebliche Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit der Sache ohnehin nicht in Frage kommt. Diesem Umstand will Hommelhoff gerade beim Unternehmenskauf bzw. Anteilskauf besondere Bedeutung beimessen. Dogmatische Bedenken gegen den Vorschlag von Hommelhoff sind schon deswegen anzumelden, weil dieser Ansatz sich zu weit von dem gesetzlichen
3U4 Müller, Haftung des Verkäufers, S. 414, mit Verweis auf KG, OLGE 8, 65; RG JW 1904, 198 Nr. 7; JW 1914, 145 f.; RGZ 61, 92 ff. 3U5
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 415.
306
Hommelhoff, Sachrnängelhaftung, S. 109 ff. und ders., ZHR 140 (1976), 271,
299 f. 307 Müller, Haftung des Verkäufers, S. 433, Hommelhoff, Sachrnängelhaftung, S. 109 ff. und ZHR 140 (1976), 271, 299 f.
24 Heß
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Grundmodell der Sachmängelgewährleistung entfernt. Es ist darüber hinaus zu bezweifeln, ob der Nachbesserung jene Bedeutunf filr den Unternehmenskauf zukommt, die ihr vereinzelt beigemessen wird30 • In der Vielzahl der Fälle denkbarer Unternehmensmängel scheidet ein Nachbesserungsrecht eindeutig aus. So wird beispielsweise die nachträgliche Berichtigung unzutreffender oder unvollständiger Abschlußmitteilungen wie Umsatz-, Ertrags- oder Bilanzangaben den Unternehmenserwerber nicht interessieren, da hierdurch die Äquivalenzstörung nicht beseitigt. wird309• Im übrigen führt der vorgestellte Lösungsvorschlag wieder dazu, daß dem Käufer beim Unternehmenkauf Einzelrechtsbehelfe zugebilligt werden. Praktische Bedeutung erlangt die Nachbesserungsbefugnis nur dort, wo einzelne zum Unternehmen zählende Substratstücke Mängel aufweisen. Es kann dann sein, daß der einzelne Substratsmangel Betriebsstörungen verursacht. Aber schon im Hinblick auf die in § 254 Abs. 2 BGB normierte Schadensabwehr- bzw. Schadensminderungspflicht wird hier der Unternehmenskäufer den Verkäufer zu Rate ziehen, wenn dieser die Tücken der ausgefallenen Maschine kennt und infolge seines "know how" in der Lage ist, unverzüglich und mit geringem fmanziellen und zeitlichen Aufwand die Mängel abzustellen31o • Im Ergebnis ist daher die bei Kaufverträgen ausnahmsweise vom Gesetz in § 476 BGB vorgeschlagene Nachbesserungsbefugnis kein taugliches Mittel zur Einschränkung der Wandelungsproblematik.
IH. Rechtsanalogie zur Rechtsprechung betreffend die "fehlerhafte Gesellschaft" beim share deal 1. Dogmatischer Ansatz der Lehre von der "fehlerhaften Gesellschaft"
Der Rückgriff auf die Lehre von der sogenannten fehlerhaften Gesellschaft ist ein weiterer Ansatz, um die mit der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen verbundenen Härten rur alle in Betracht kommenden Fallgruppen zu mildern3\l. Um die schwierigen rechtlichen Fragen der Rückabwicklung beispielsweise im Falle der Anfechtung des Vertrages zu vermeiden, ist daran zu denken, die Vertragsauflösung eines Unternehmenskaufs nur mit ex-nunc Wirkung ganz im Sinne der Dogmatik zur "fehlerhaften Gesellschaft" zuzulas308
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 435.
309
Ebenso Hammelhoff, Sachmängelhaftung, S. 1l3.
310
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 436.
311 Müller, ZHR 147 (1983), 501, 529; Müller, Haftung des Verkäufers, S. 424 ff.; auch BGH WM 1975,512 ff.
G. Ansätze praeter legern zur Vermeidung der Rückabwicklung
371
sen. Daran anküpfend ist zu prüfen, inwieweit eine solche Analogie auch filr die Rückabwicklung eines Unternehmenskaufvertrages aus anderen Gründen tragfähig ist. Ein solcher Ansatz, der sich im Wege der Rechtsfortbildung praeter legern von dem strengen Modell der Rücktrittsvorschriften löst, muß sich zuerst daran messen lassen, inwieweit Parallelen zum echten Dauerschuldverhältnis und der daran anknüpfenden Lehre zur fehlerhaften Gesellschaft bestehen. Echte Dauerschuldverhältnisse genießen nach herrschender Meinung Bestandsschutz3l2 . Wegen der rückwirkenden Kraft des Rücktritts wird sowohl bei den vertraglich vereinbarten als auch bei den gesetzlich geregelten Rücktrittsrechten eine Anwendung dieser Rechte auf einmal vollzogene Dauerschuldverhältnisse abgelehnt. Begründet wird dies vornehmlich damit, daß die vollständige Rückabwicklung der bewirkten Dauerleistung im Regelfall unmöglich, zumindest aber außerordentlich schwierig ise l3 Der Rücktritt wird hier aufgrund seiner "ex tunc" Wirkung den Interessen der Parteien nicht gerecht. Die neuere Entwicklung in der Rechtsdogmatik geht daher bei Dauerschuldverhältnissen davon aus, daß das Rücktrittsrecht durch die Kündigung verdrängt wird3l4 • Bei der fehlerhaften Gesellschaft kommt der Gesichtspunkt des Gläu· hutzes h·mzu315 . b1gersc 2. Parallelen zwischen Unternehmenskauf und echtem Dauerschuldverhältnis
Die vertraglichen Verpflichtungen des Unternehmensverkäufers erschöpfen sich nicht darin, dem neuen Unternehmensträger die Herrschaft über die materiellen und immateriellen Güter sowie das zur Betriebsfortfilhrung erforderliche "know how" zu verschaffen. Voraussetzung filr eine Weiterführung des Unternehmens ist in der Regel, daß der Verkäufer seine bisherige Tätigkeit c ·b t316 . aUlgl
312
Vgl. bspw. Müller, Haftung des Verkäufers, S. 424.
313 Vgl. Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerschuldverhältnissen, 1968, S. 21 ff. 314
Vgl. Ulmer, in: Großkommentar zum HGB, 3. Aufl. 1973, § 133 Anm. 6.
315 Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 409 ff.; Wiesner, Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 1980, S. 46 f. m.w.N. 316 Müller, Haftung des Verkäufers, S. 425; in diesem Sinne urteilte das RG, als es die Auffassung vertrat, ein Vertrag über eine Untemehmensveräußerung sei im Zweifel dahingehend auszulegen, daß der Verkäufer ein Wettbewerbsverbot, und zwar auch zugunsten späterer Rechtsnachfolger übernehme.
24·
372
8. Kap.: Ansätze zur Vermeidung der Rückabwicklung von Verträgen
Lange Zeit war die Auffassung vorherrschend, auf fehlerhafte, d.h. nichtige bzw. anfechtbare Verträge über Beteiligungen an einer GmbH seien durchweg die allgemeinen Grundsätze des Bürgerlichen Rechts anzuwenden. Anders als beim ursprünglichen Erwerb von Gesellschaftsanteilen bei der Gründung des Unternehmens oder einer Kapitalerhöhung berührten weder die Nichtigkeit noch die Anfechtung die Grundlagen der Gesellschaft3J7 • Dies sollte selbst dann gelten, wenn der übertragene Geschäftsanteil nicht voll eingezahlt ist, denn der ursprüngliche Gesellschafter kann sich durch die Veräußerung seines Geschäftsanteils seiner Einlagepflicht nicht entziehen. Der BGH sprach sich aber in einer Entscheidung aus dem Jahr 1975 - die Anteilsübereignung war wegen Arglist angefochten worden - dafilr aus, auf die fehlerhafte Übertragung von GmbH-Anteilen die gleichen Grundsätze anzuwenden, die nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bei Mängeln eines Gesellschafterwechsels in der Personenhandelsgesellschaft gelten. Die Rechtsprechung begründete dies damit, daß es zu unerträglichen Ergebnissen ftlhren könne und mit dem Zweck der bürgerlich-rechtlichen Nichtigkeits- und Anfechtungsvorschriften unvereinbar wäre, wenn der tatsächlich geschaffene Zustand, wonach die Erwerber in der Vergangenheit die Gesellschaft mitgetragen haben, mit rückwirkender Kraft aus dem Rechtsleben gestrichen und damit so behandelt würde, als ob dies niemals der Fall gewesen wäre3l8 . In einer Entscheidung aus dem Jahr 1990 - in dem konkreten Fall war die Anteilsübertragung wegen Arglist angefochten worden - änderte der BGH seine Rechtsprechung wieder und betonte, bei der Anfechtung eines Veräußerungsvertrages über GmbH-Geschäftsanteile würden die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht mehr eingreifen. Vielmehr wird wieder auf die Rechtsfolgen über die bürgerlich-rechtliche Nichtigkeit rekurriert319 • Durch diese Rechtsprechung wird verdeutlicht, daß die Grundsätze zur "fehlerhaften Gesellschaft" nur den Fällen vorbehalten bleibt, wenn aus formalen Gründen die wirksame Gründung des Unternehmens scheitert oder wenn eine der Vertragsparteien besonders schutzwürdig ist.
317 RGZ 68,309, 311; 77, 128 f; RG JW 1915, 589; Schilling/Zutt, in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl. 1979, Anhang 11, Einleitung zu § 15 sowie § 16 Anm. 26; Scholz, GmbHG, 8. Aufl., § 15 Anm. 58. 318 BGH WM 1975, 512; zustimmend Schilling/Zutt, in Hachenburg, GmbHG, 7.Aufl. 1979, Anh. zu § 15 Anm. 4. 319
BGH ZIP 1990,371.
G. Ansätze praeter legern zur Venneidung der Rückabwicklung
373
3. Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf den Unternehmenskauf in den neuen Bundesländern
Im konkreten Fall der Unternehmensprivatisierung durch die Treuhandanstalt bietet sich für eine Anwendung der Grundsätze von der fehlerhaften Gesellschaft die Fallkonstellation an, daß der Privatisierungsvertrag aufgrund vorliegender Restitutionsansprüche noch schwebend unwirksam ist. Einerseits soll der Investor aufgrund der ihm eingeräumten Befugnisse voll unternehmerisch agieren, auf der anderen Seite besteht die Gefahr, daß ein Alteigentümer ein besseres Investitionskonzept vorlegt und der Vertrag endgültig unwirksam wird. Oder aber der Alteigentümer erhebt Klage, so daß innerhalb der erwähnten Sechs- bis Neunmonatsfrist der Invstitionsvorrangbescheid noch nicht bestandskräftig wird, und dem Investor die Risiken allmählich untragbar erscheinen. Eine Konsequenz daraus ist, daß die zwischenzeitlich erzielten Gewinne sofern nicht schon vertraglich vereinbart - beim Investor verbleiben. Demgegenüber hat der Verkäufer den Kaufpreis nicht zu verzinsen. Andererseits entfallt für den Käufer die Möglichkeit, getätigte Aufwendungen und andere Vermögensopfer zu liquidieren. Hierdurch wird die Problematik einer Übertragung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf die Unternehmenskaufverträge der Treuhandanstalt vollends offenbar. Namentlich der Käufer, der viel in das Unternehmen investiert, es womöglich völlig umgestaltet hat, wird sich infolgedessen reiflich überlegen, ob er vom Vertrag zurücktreten bzw. wandeln soll. Vorzugswürdig muß ihm erscheinen, am Vertrag festzuhalten und mit der M.inderung des Kaufpreisese vorlieb zu nehmen. Auch läßt sich mit der Heranziehung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nicht verhindern, daß die schutzbedürftigen Interessen der Arbeitnehmerschaft bei einer Rückabwicklung des Vertrages aufs Spiel gesetzt werden. Des weiteren vermögen die dargestellten Rechtsfolgen der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft gerade nicht den praktisch bedeutsamen Fall befriedigend zu lösen, in dem der Käufer eines restitutionsbelasteten Unternehmens infolge seiner letztlich aus dem Restitutions- oder Investitionsvorrangbescheid resultierenden Verpflichtungen damit rechnen muß, das Unternehmen zurückzuübertragen, wenn er die zugesagten Maßnahmen nicht in dem Zweijahreszeitraum tätigt. Hier können sich die Treuhandanstalt und/oder der Alteigentümer schwerlich damit zufrieden geben, nunmehr ein gegebenenfalls völlig anders strukturiertes Unternehmen zurückzuerhalten. Hier trifft den Investor die Verpflichtung, das Unternehmen in dem Zustand des damaligen Erwerbszeitpunkts wieder herauszugeben, und zwischenzeitliche Veränderungen - wenn nicht durch Naturalrestition, so wenigstens in Geldersatz - wieder rückgängig zu machen.
374
8. Kap.: Ansätze zur Venneidung der Rückabwicklung von Verträgen
IV. Die schutzwürdigen Interessen Dritter als Einschränkung des Rücktritts Vereinzelt geblieben ist ein Vorschlag im Schrifttum zur Beschränkung des Rücktritts, wonach auf übergeordnete Schutzpflichten rekurriert werden soll, die in den Rücktrittsvorschriften keinen unmitttelbaren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben. Hommelhoff filhrt die schutzwÜTdigen Interessen Dritter, vor allem der Arbeitnehmerschaft, als wichtiges Kriterium rur die Einschränkung der Rücktrittsbefugnisse des Käufers ein. Entscheidend soll hierbei ins Gewicht fallen, welche Belange und Interessen die vollständige Rückabwicklung berühren und in welchem Ausmaß sie das Unternehmen in seinem Fortbestand geflihrden320• Dieser Ansatz ist problematisch321 • Klärungsbedürftig ist vor allem, ob und inwieweit die schutzwürdigen Interessen und Belange der Arbeitnehmerschaft eine Beschränkung des Wandelungsrechts erforderlich machen 322 • Wenn sich auch § 613 a BGB offenbar nur auf den originären rechtsgeschäftlichen Erwerb bezieht, so dürften doch keine ernsthaften Bedenken bestehen, daß die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck, nämlich dem sozialen Schutz der Arbeitnehmer, auch auf die rechtsgeschäftliche Rückübertragung Anwendung fmden muß. Hier muß geklärt werden, was aus den in der Zwischenzeit neu begründeten Ansprüchen wie Löhne, Pensionsanwartschaften etc. der Arbeitnehmerschaft wird. Im Zweifel wird sich der Verkäufer weigern, eine Mithaftung einzugehen323 • Als Ausweg bleibt, daß der Käufer die Schuld intern übernimmt (§ 329 BGB) oder diese Verpflichtungen mit dem zurückzuerstattenden Kaufpreis verrechnet werden. Ansonsten muß es bei dem Grundsatz bleiben, daß Überlegungen zum Schutz der nicht unmittelbar an dem Unternehmenskaufvertrag beteiligter Personen weder geeignet noch dazu bestimmt sein können, auf die Rückabwicklung dieses privatautonomen Vertragsverhältnisses Einfluß zu nehmen. Das vorgestellte Lösungskonzept ist daher nicht geeignet, die Rückabwicklung von Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt einzuschränken oder zu verhindern.
320
Romme/hoff, Sachmängelhaftung, S. 115; Rommelhoff, ZHR 140, 271, 299 f.
321
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 439.
322
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 440.
323
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 441.
H. Bewertung der Ansätze zur Einschränkung der Rückabwicklung
375
H. Bewertung der Lösungskonzepte zur Einschränkung der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen Es ist deutlich geworden, daß sich überzeugende Ansätze und stichhaltige Begründungen filr die Erschwerung der Rückabwicklung eines Unternehmenskaufvertrages nicht leicht fmden lassen. Der Unternehmens- und in noch höherem Maße der Anteilsverkäufer erscheinen aber in jedem Fall schon insoweit schutzwürdig, als die §§ 350 ff. BGB und die anderen Lösungskonzepte auf den Fall einer komplexen Rückabwicklung eines Unternehmenskaufvertrages nicht recht passen. In Anbetracht der eher einzelfallbezogenen Lösungsansätze läßt sich beispielsweise eine generelle Erschwerung der Wandelung rechtsdogmatisch wohl nur mittels nonnativer Auslegung des Parteiwillens begründen324 • Es kann daher immer wieder nur aus dem Blickwinkel des konkreten Einzelfalls beurteilt werden, welche der vorgestellten Beschränkungen des vertraglichen oder gesetzlichen Rücktrittsrechts die Rückabwicklung eines notleidenden Unternehmenskaufvertrages der Treuhandanstalt verhindern können.
324
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 442.
9. Kapitel
Die Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt im speziellen Nunmehr soll die Konstellation vorgegeben sein, daß all die vorgestellten gesetzlichen Beschränkungen und entwickelten Konzepte der Vermeidung der Rückabwicklung nicht eingreifen bzw. die Treuhandanstalt und Investor sich in Nachverhandlungen nicht auf eine Kaufpreisanpassung o.ä. einigen können. Somit kommt es schließlich zu einer Rückgewähr der empfangenen Leistungen nach den Regeln der §§ 346 ff. BGB oder nach Bereicherungsrecht. Darüber hinaus kommen Modifikationen aufgrund der Rahmenbedingungen des Vermögensrechts in den neuen Bundesländern, speziell des In VorG in Betracht. Der Ausgangspunkt für die Darstellung der Konsequenzen der Rückabwicklung im konkreten Fall ist das gesetzliche Grundmodell der §§ 346 ff. BGB beim vertraglichen Rücktrittsrecht. Bei den gesetzlichen Rücktrittsgründen, vornehmlich bei der Wandelung und bei dem Fall der Nichterftlllung gemäß § 326 BGB, wird bezüglich der Einzelheiten der Rückabwicklung ebenfalls auf die Anwendung der §§ 346 ff. BGB verwiesen. Es ist zu betonen, daß die Gefahr der vollständigen Rückabwicklung eines Privatisierungsvertrages der Treuhandanstalt bei der Fallkonstellation am größten ist, wo aufgrund von RestitutionsanspTÜchen die Durchfiihrung eines Investitionsvorrangverfahrens notwendig gewesen war. Die Verpflichtung zur Rückübertragung des Unternehmens ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Treuhandanstalt und die Investoren haben es nicht in der Hand, die Rückübertragungsverpflichtung zugunsten der Alteigentümer mittels Vereinbarungen über Nachverhandlungen zu verhindern. Die Treuhandanstalt ist nicht berechtigt, auf diesen Anspruch zu verzichten oder ihn soweit zu modifizieren, daß er nicht mehr durchsetzbar ist. Die Norm des § 12 Abs. 3 S. 1 InVorG fUhrt zu einem gesetzlichen Rückabwicklungsschuldverhältnis. Die hier vorzufmdende Situation einer gesetzlich angeordneten VertragsTÜckabwicklung ist mit den Fällen vergleichbar, in denen ein gesetzlich vorgesehenes Rücktrittsrecht wegen eines Umstandes ausgeübt wird, den die Treuhandanstalt als Rücktrittsgegner nicht zu vertreten hat. In diesem Fall sind in § 327 S. 2 BGB die haftungsrechtlichen Vorschriften aus dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung fUr anwendbar erklärt worden I. I
Jesch, in: J/LiRlW/K, InVorG, § 11 Rdn. 29.
A. Grundzüge des gesetzlichen Rückabwicklungsmodells
377
Im folgenden werden die Rechtsfolgen bei der vollständigen Auflösung eines Unternehmenskaufvertrages untersucht. Sofern im Hinblick auf die verschiedenartigen BeendigungsgrUnde eine Differenzierung in den Rechtsfolgen zu erfolgen hat, wird dies jeweils gesondert herausgestellt. Folgende Fallkonstellationen einer Vertragsauflösung bilden das Grundgerüst der Untersuchung: I. Gesetzliches Rücktrittsrecht: Rückübertragung des Unternehmens gemäß InVorG wegen Nichterfüllung der investiven Zwecke innerhalb der Zweijahresfrist
2. Vertragliches Rücktrittsrecht: Wandelung des Kaufvertrages wegen Vorliegens schwerwiegender Mängel des Unternehmens 3. Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung: Der Investor unterliegt im Investitionsvorrangverfahren gegenüber dem Alteigentümer
A. Grundzüge des gesetzlichen Rückabwicklungsmodells der §§ 346 Cf. BGB Der Rücktritt ist die Rückgängigmachung eines wirksam zustande gekommenen Vertrages durch einseitige Erklärung einer Partei aufgrund einer entsprechenden vertraglichen oder gesetzlichen Befugnis I •• Das Rücktrittsrecht ist ein Gestaltungsrecht, durch dessen Ausübung das bisherige Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt wird, gleichgültig, ob das Rücktrittsrecht auf Vertrag oder Gesetz beruht. Die Rücktrittserklärung ist bedingungsfeindlich und unwiderruflich. Ist der Rücktritt wirksam erklärt worden, so kann nur ein neuer Vertragsschluß die Leistungspflichten wieder begründen2 • Die Rücktrittserklärung ist formfrei, auch bei formbedürftigen Geschäften3 • Wird der Rücktritt beim formbedürftigem Rechtsgeschäft gegenüber dem Notar erklärt, so reicht das nicht aus. Der Rücktritt ist nur wirksam, wenn der Notar die Erklärung an den Rücktrittsgegner weiterleitet. Die Rücktrittserklärung wirkt nur schuldrechtlich und führt daher noch keine Änderung der dinglichen Rechtslage herbei4 • Bei Weigerung des zur Rückabwicklung Verpflichteten muß der dingliche Vollzug des Rückgewähranspruchs eingeklagt werden. Einen Rücktritt vom Verfügungsgeschäft gibt es nicht. Wollen die Parteien der I.
BGHNJW 1990,2069.
2
Statt aller vgl. MünchKomm/Janßen, BGB, § 346 Rdn. 16.
3
MünchKomm/Janßen, BGB, § 349 Rdn. la.
4
PalandtlHeinrichs, BGB, Einf. vor § 346, Rdn. 2b und RGZ 108,27.
378
9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen
Rücktrittserklärung eine stärkere Wirkung geben, so können sie das Verfilgungsgeschäft unter die auflösende Bedingung der Rücktrittserklärung vornehmen, soweit das Geschäft nicht bedingungsfeindlich ist wie beispielsweise bei der Auflassung gemäß § 925 Abs. 2 BGB. Bei der Rückabwicklung notariell geschlossener Verträge - sowohl beim share deal als auch beim asset deal - hat die dingliche Verfilgung in notarieller Form zu erfolgens. Fraglich ist, ob auch beim Ausbleiben der Bedingung bei einem aufschiebend bedingten Vertrag die Feststellung der Unwirksamkeit beurkundet werden muß 6 • Der Formzwang gilt indes hier nicht, obwohl das Rechtsgeschäft voll gültig war, und nur seine Rechtswirkungen noch nicht entfaltet hatte. Die Aufhebung eines formbedürftigen Vertrages ist grundsätzlich formlos möglich'. Eine Ausnahme gilt im Rahmen des § 313 BGB nur dann, wenn der asset deal im Hinblick auf das Unternehmensgrundstück durch Auflassung und Eintragung vollzogen wurde 8 • Ist der Kaufvertrag noch nicht vollzogen und besteht ftlr den Käufer auch noch kein Anwartschaftsrecht, begründet die Aufhebung des Vertrages weder eine Übertragung noch eine Erwerbsverpflichtung. Der Vertrag ist daher formfrei 9 • Ob Sicherheiten (Bürgen, Pfandrechte) nach dem Rücktritt frei werden oder bestehen bleiben und nunmehr ftlr die Rückgewähransprüche haften, hängt von der jeweiligen Sicherungsabrede ab lO• Für Dienstleistungen und die Überlassung von Sachen zum Gebrauch ist Wertersatz zu leisten gemäß § 346 S. 2 BGB. Satz 2 betrifft aber nur vertragliche Hauptpflichten; ist die Nutzung Nebenfolge, so gilt § 347 S. 2 BGB lI ; insbesondere gelten die §§ 987 und 994 ff. BGB. Wertminderungen nach der
!I MünchKommlJanßen, BGB, § 346 Rdn. 14 und 35: Die Änderung oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage kann zwar zu einer Einräumung eines Rücktrittsrechts führen, doch handelt es sich dann um ein Rücktrittsrecht, auf das die §§ 346 ff. BGB nicht anwendbar sind. Beim Rücktrittsrecht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage richten sich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen nach § 242 BGB.
6 Es sei die folgende Konstellation gegeben: Ein Investitionsvorrangverfahren ist notwendig; der Käufer muß Konkurs anmelden, das Investitionsvorrangverfahren ist einzustellen und der Vertrag kann nicht mehr wirksam werden.
7
PalandtlHeinrichs, BGB, § 125 Rdn. 8; BGH WM 1964, 509; BAG BB 1977,94.
8
Palandt/Heinrichs, BGB § 313, Rdn. 39; BGHZ 83, 395, 397.
9
PalandtlHeinrichs, BGB, § 313, Rdn. 39; BGHZ 83, 395, 398.
10
MünchKommlJanßen, BGB, § 346 Rdn. 56.
11
OLG Köln, OLGZ 80, 211.
A. Grundzüge des gesetzlichen Rückabwicklungsmodells
379
Leistung gehen zu Lasten des Rückgewährpflichtigen l2 . Für Grundstücke und überhaupt für Güter, bei denen eine Gesamtgebrauchsdauer nicht sinnvoll bestimmt werden kann, muß die Nutzungsentschädigung in Anlehnung an den Mietwert bestimmt werden 13. § 346 S. 2 BGB ist entsprechend anzuwenden, wenn die Rückgewähr der Leistung ihrer Natur nach unmöglich ise 4 • Der Wertersatz läuft hier praktisch auf eine Minderung hinaus. I. Ersatzfähigkeit der Vertragskosten
Die herrschende Meinung im Schrifttum vertritt hinsichtlich der Ersatzfiihigkeit von Mahnkosten und Anwaltskosten vor Erklärung des Rücktritts beim gesetzlichen Rücktrittsrecht folgenden Standpunkt: Diese Kosten gehen über das hinaus, was der Rücktrittsberechtigte bei Durchführung des Vertrages in Rechnung stellen mußte, und damit auch über das, was dem Erfüllungsinteresse der entgangenen Leistung entspricht. Diese Kosten sind daher voll ersatzfiihig l5 • Diese Kosten können somit sowohl vom Investor als auch von der Treuhandanstalt im Falle des Rücktritts geltend gemacht werden. Anders verhält es sich wiederum mit den wegen der Nichterfüllung nutzlos gewordenen Kosten für die Anmietung von Räumen oder die Einstellung von Personal. Sie wären bei ordnungsgemäßer Abwicklung des Vertrages auch entstanden; daß der mit diesem Aufwand erstrebte Nutzen nicht eingetreten ist, ist typischerweise Nichterfüllungsschaden und damit nicht ersatzfiihig l6 • Bei der Wandelung eines Untemehmenskaufvertrages bestimmt die Spezialregelung des § 467 S. 2 BGB, daß der Verkäufer dem Käufer die Vertragskosten zu ersetzen hat. Der Begriff der Vertragskosten ist in einem umfassenden Sinn zu verstehen; er schließt z.B. Beurkundungskosten, Maklerkosten, Transport- und Einbaukosten ein 17 • Bei der Wandelung fallen die Rückgewährkosten wie Rücktransport- und Ausbaukosten zwar nicht unmittelbar unter § 467 S. 2 BGB; sie sind aber dennoch vom Verkäufer zu tragen. Nach zutreffender
12
MünchKomm/Janßen, BGB, § 346 Rdn. 20.
13
MünchKomm/Janßen, BGB, § 347 Rdn. 20 a, Verweis aufBGHZ 87, 296, 301.
14 MünchKomm/Janßen, BGB, § 346 Rdn. 21; Verweis auf Huber, JZ 1987, 649, 651; BaUhaus, in: RGRK-BGB, § 346 Rdn. 21; Soergel/Hadding, BGB, § 346 Rdn. 7. 15
MünchKomm/Janßen, BGB, § 346 Rdn. 13 und Muscheler, NJW 1985, 2686.
16
MünchKomm,lJanßen, BGB, § 346 Rdn. 53.
11 MünchKomm/Janßen, BGB, § 346 Rdn. 13; verweisend aufBGHZ 87, 104 = BGH NJW 1983, 1479; Rupp-Fleischmann. NJW 1984, 214 ff.; a.A. Muscheler. AcP 187 (1987),343,360 ff.
380
9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen
Auffassung der Rechtsprechung folgt dies aus der Rücknahmepflicht des Verkäufers. Erfüllt er diese Pflicht nicht, ist er nach §§ 284, 286 BGB schadensersatzpflichtig 18 , wobei aber der Rückgabeort zu beachten ise 9 • Bei dieser Fallkonstellation kann der Investor somit von der Treuhandanstalt die vorgenannten Kosten im Rahmen der Rückabwicklung verlangen. Eine entsprechende Anwendung des § 467 S. 2 BGB auf das gesetzliche Rücktrittsrecht des Käufers nach §§ 440, 326 BGB hat die Rechtsprechung abgelehneo. Beim vertraglichen Rücktrittsrecht kommt der Ersatz der Vertragskosten dagegen nicht in Betracht, wenn die Parteien dies nicht vereinbart haben. Der Investor bzw. die Treuhandanstalt können bei diesen Fallgruppen somit die Vertragskosten mangels spezialgesetzlicher Regelung wie bei der Wandelung nicht verlangen. Dem Grunde nach handelt es sich bei diesen Positionen nämlich um einen Nichterfüllungsschaden. Wenn es im Rahmen der Rückabwicklung erforderlich wird, einen Status über die aktuelle Vermögenslage des Unternehmens erstellen zu lassen, so trägt diese Kosten der Investor. Denn ihn trifft originär die Pflicht, das Unternehmen grundsätzlich in dem Zustand zurückzugeben, wie er es empfangen hatte. Der Investor hat dazulegen, inwieweit die Vermögenssituation des Unternehmens von der zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses abweicht. 11. Ersatz von Verzugsschäden Da der Rücktritt den Vertrag in ein Abwicklungsverhältnis umwandelt, entfallen die Ansprüche auf Erfüllung und die an ihre Stelle tretenden Ersatzansprüche. Die sonstigen Rechte und Pflichten bleiben bestehen, weil sie nicht auf die Erfüllung oder ihre Sicherung gerichtet sind. In der Praxis ergeben sich aber erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten, weil nicht immer klar zu unterscheiden ist, welche Ersatzansprüche das Erfüllungsinteresse betreffen. Dies gilt vor allem für den Verzugsschaden21 • Kommt es zum Rücktritt vom Kaufvertrag aufgrund des gesetzlichen Rücktrittsrechts des § 326 BGB wegen Nichtzahlung des Kaufpreises durch den Investor, so vertritt die herrschende Meinung im Schrifttum den Standpunkt, daß auch Ansprüche auf Verzugszinsen für den Zeitraum vor Erklärung des Rücktritts
18
BGHZ 87,104.
19
MünchKomm/Janßen, BGB, § 346 Rdn. 12 mit Verweis aufBGHZ 99,182.
20 BGH NJW 1985,2697 f.; a. A. MünchKomm/Janßen, BGB, § 346 Rdn. 13 mit Verweis auf Muscheler, NJW 1985,2686. 21
MünchKomm/Janßen, BGB, § 346 Rdn. 48.
B. Haftung bei Kenntnis des Rücktrittsgrunds
381
nicht ersatzfiihig sind .. Diese sollen Teil des durch den Verzug mit der Hauptleistung entgangenen Gewinns und damit typischerweise NichterfUllungsschaden sein22 • Der BGH vertritt hingegen die Ansicht, daß ein solcher Verzugsschaden erstattungsfiihig ise3 • Die Ansicht des BGH ist abzulehnen, da es sich hierbei um eine unzulässige Verknüpfung von Schadensersatz- und Rücktrittsrecht handelt. Bei den §§ 346 ff. BGB ist gerade nicht vorgesehen, daß ein Zinsschaden wegen nicht fristgerechter Zahlung erstattungsfiihig ist. Der Rückgewährpflichtige soll beispielsweise gemäß § 347 S. 2 BGB nur solche Nutzungen filr Gegenstände herausgeben, die er in Besitz gehabt hat. Im Ergebnis kann daher die Treuhandanstalt keine Verzugszinsen verlangen, wenn sie wegen der Nichtzahlung des Kaufpreises vom Kaufvertrag zurücktritt. Beim vertraglichen Rücktrittsrecht spielt das Argument der Wahlmöglichkeit zwischen Rücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung hingegen keine Rolle. Bei einem derart ins Belieben einer Partei gestellten Rücktrittsrecht ist der Ersatz von Verzugsschäden nach Rücktritt nicht berechtigt. Der Zurücktretende kann nicht Schadensersatz wegen der Verzögerung einer Leistung verlangen, die er gar nicht haben Will24 •
III. Zahlung von Vertragsstrafen neben Rücktritt Es kann aus Sicht der Treuhandanstalt die Konstellation vorliegen, daß eine Vertragsstrafe schon vor der Erklärung des Rücktritts durch eine der Vertragsparteien verwirkt war. Hierbei gilt, daß eine Vertragsstrafe, die vor der Rücktrittserklärung wegen verzögerter Erbringung der Leistung verwirkt war, auch nach dem Rücktritt verlangt werden kann. Das entspricht der Regelung des § 341 Abs. 1 BGB, wonach die Vertragsstrafe auch zusätzlich bis zur ErfUllung verlangt werden kann 25 •
B. Haftungsverschärfung des Rücktrittsberechtigten bei Kenntnis des Rücktrittsgrunds Räumt die Treuhandanstalt dem Investor ein Rücktrittsrecht filr den Fall ein, daß ein Investitionsvorrangbescheid nicht innerhalb einer bestimmten Frist 22
MünchKomm/Janßen, BGB, § 346 Rdn. 53.
23
BGHZ 88, 46.
24
MünchKomm/Janßen, BGB, § 346 Rdn. 53.
25
MünchKomm/Janßen, BGB § 346 Rdn. 55.
382
9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen
ergeht, so gelten die §§ 346 ff. BGB filr dieses vertragliche Rücktrittsrecht unmittelbar. Die Vertragsparteien kalkulieren von vornherein die Möglichkeit des Rücktritts ein und müssen daher bei der Behandlung des empfangenen Unternehmens die Interessen der anderen Partei berücksichtigen. Die Verletzung dieser Pflicht bedeutet echtes Verschulden 26 • Aufgrund der Kenntnis des Investors vom Rücktrittsgrund gilt die Haftungsverschärfung des § 347 BGB. Bei dem wandelungsberechtigten Investor hat die über die Bereicherungshaftung hinausgehende Haftung nach § 347 BGB hingegen keine innere Rechtfertigung, solange er die tatsächlichen Voraussetzungen seines Rücktritts- oder Wandlungsrechts nicht kennt oder kennen muß. Vor diesem Zeitpunkt der Kenntnis ist die verschärfte Haftung auf vollen Schadensersatz filr den Investor nicht angebracht. Erst danach befmdet er sich in der gleichen Lage wie der Rücktrittsberechtigte beim vertraglichen Rücktrittsrecht und muß mit der Möglichkeit des Scheiterns des Vertrages rechnen27 • Weitere praktische Bedeutung haben neben der Wandelung vor allem der Fall des Rechtsmangels gemäß § 440 BGB und der Fall der Teilleistung mit Verzug oder Unmöglichkeit der Restleistung bei anschließendem Rücktrittsrecht vom ganzen Vertrag. Die überwiegende Meinung im Schrifttum und die Rechtsprechung lassen den Rücktrittsberechtigten daher in den vorgenannten Fallgruppen bis zur Kenntnis entsprechend § 327 S. 2 BGB nur nach Bereicherungsrecht haften. Für den Wandelungsberechtigten soll die schärfere Haftung erst gelten, wenn er von den tatsächlichen Voraussetzungen seines Wandelungsrechts Kenntnis hat oder haben muß 28 • Das wird allerdings von manchen Autoren im Schrifttum filr unzulässig gehalten, weil die Wandelung kein Verschulden des Verkäufers voraussetzt29 • Bei der entsprechenden Anwendung des § 327 S. 2 BGB wird der Zeitpunkt, bis zu dem § 347 BGB durch die Bereicherungshaftung ersetzt wird, unterschiedlich gewähleo: Teilweise wird auf die positive Kenntnis der Umstände
26 MünchKommlJanßen, BGB, § 347 Rdn. 7; im Detail wird im Schrifttum eine Vielzahl von Modifikationen des Verschuldensbegriffs vertreten, was zu immer neuen Abgrenzungsschwierigkeiten führt; z.B. Wolf, AcP 153 (1954), 97, 151; § 323 BGB sei anzuwenden; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, I. Band, § 26 b I 1.
21
MünchKommlJanßen, BGB, § 347 Rdn. 12.
28
MünchKommlJanßen, BGB, vor § 346 Rdn. 13 a.
29
StaudingerlOtto, BGB, § 327 Rdn. 36.
30
MünchKommlJanßen, BGB, § 347 Rdn. 15 a.
C. Herausgabe der Nutzungen und Verwendungsersatz
383
abgestellt, die den RQcktritt begründen3 ). Begründet wird dies damit, daß bei der Wandelung die Haftung des Wandelungsberechtigten nach §§ 467, 347, 989 BGB - ebenso wie beim Rücktrittsberechtigten im Falle des gesetzlichen Rücktrittsrechts - erst von dem Augenblick an gerechtfertigt ist, in dem er die tatsächlichen Voraussetzungen seines Wandelungsrechts kennt oder kennen muß. Auch bei ihm kann bis zu diesem Zeitpunkt nicht von einem echten Verschulden gesprochen werden. Deshalb besteht auch rur den Wandelungsberechtigten bis zu diesem Zeitpunkt weder eine Schadensersatzpflicht noch eine Wertersatzpflicht32 • Die Gegenauffassung stellt auf das Kennenmüssen ab, auf den Zeitpunkt, in dem der Berechtigte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen konnte, daß ihm ein Rücktrittsrecht zustehe 3 • Umgekehrt haftet der Verkäufer als der Wandelungsverpflichtete von Anfang an nach § 347, denn der Rechtsgedanke des § 327 S. 2 BGB trifft bei ihm nicht zu: er hat rur den Mangel einzustehen, sonst könnte nicht gewandelt werden 34 • Demzufolge haftet die Treuhandanstalt rur Verschlechterungen der von ihr empfangenen Leistung bei der Geltendmachung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts durch den Investor von Anfang an verschärft nach § 347 S. 2 BGB; der Investor hingegen ist als Rücktrittsberechtigter bei den gesetzlichen Rücktrittsrechten spätestens ab positiver Kenntnis seines Rücktrittsrechts der Haftungsverschärfung gemäß § 347 S. 2 BGB ausgesetzt.
c. Herausgabe der Nutzungen und Verwendungsersatz gemäß § 347 BGB
Die Herausgabe der Nutzungen und der Ersatz der Verwendungen ist ein zentrales Problem bei der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen. Macht der Investor von einem vertraglichen Rücktrittsrecht Gebrauch, so hat er alle bis dahin gezogenen Nutzungen der Treuhandanstalt herauszugeben und kann im Gegenzug die gemachten Verwendungen gegebenenfalls saldieren. Die Verweisung des § 347 S. 2 BGB beim vertraglichen Rücktrittsrecht auf das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis hat darüber hinaus zur Folge, daß der Rücktritts berechtigte auch gemäß § 987 Abs. 2 BGB fUr etwaige schuldhaft nicht 31 Soergel/Hadding, BGB, § 347 Rdn. 10; Staudinger/Kaduk, BGB, § 347 Rdn. 26; BaUhaus, in: RGRK-BGB, § 347 Rdn. 11.
32
MünchKommlJanßen, BGB, § 346 Rdn. 17.
33
Flume, NJW 1970, 1166; Staudinger,/Otto, BGB, § 327 Rdn. 9.
34 MünchKommlJanßen, BGB, § 346 Rdn. 18 - die praktische Bedeutung ist hier gering, weil die vom Wandelungsverpflichteten empfangene Leistung in der Regel in Geld besteht, dann gilt § 279 BGB.
384
9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen
gezogene Nutzungen Wertersatz zu leisten hat. Beim gesetzlichen Rücktrittsrecht, beispielsweise der Wandelung, ändert auch die mehrheitlich im Schrifttum befürwortete Haftungsmilderung durch die analoge Anwendung des § 327 S. 2 BGB nichts daran, daß auch nach Bereicherungsrecht der Bereicherungsschuldner die gezogenen Nutzungen gemäß § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben hat. Eine Haftungsmilderung gilt nur für die schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen. Auch bei der etwaigen Rückabwicklung des Privatisierungsvertrages originär nach Bereicherungsrecht wegen Nichtwirksamwerden des Vertrages ist der gleiche Maßstab anzulegen. Die bisherige Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex war im Schrifttum davon geprägt, inwiefern bei der Herausgabe der Nutzungen erzielte Gewinne beim Käufer verbleiben und in welchem Maße der Käufer Aufwendungen bzw. Verwendungen hiergegen absetzen kann 35 • Die wissenschaftlichen Stellungnahmen bezogen sich hierbei (fast) ausschließlich auf Urteile, die die Rückabwicklung unwirksamer Unternehmenskaufverträge nach Bereicherungsrecht zum Gegenstand hatten. Die hierbei entwickelten Kriterien lassen sich aber auf die parallel gelagerte Problematik der Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrages aus anderen Gründen unter Beachtung des § 347 S. 2 BGB nahtlos übertragen. Auch bei den Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt treten Konstellationen auf, in denen die Rückabwicklung nach den bereicherungsrechtlichen Regelungen der §§ 812 ff. BGB erfolgt. Dies gilt zum Beispiel dann, wenn der Alteigentümer im Investitionsvorrangverfahren ein besseres Konzept vorlegt oder die InvestitionsvorrangsteIle der Treuhandanstalt vom Investor ein im Verhältnis zur Größe der Unternehmensgrundstücke höheres Investitionsund Arbeitsplatzvolumen verlangt, und dies die fmanziellen Möglichkeiten des Investors übersteigt. In beiden Fällen wird der zuvor schwebend unwirksame Vertrag endgültig unwirksam. Als Ausgangsfall wird aber die folgende treuhandspezifische Konstellation gewählt: Der Investor hat entgegen seiner Verpflichtung aus dem Kaufvertrag mit der Treuhandanstalt die Investitionen innerhalb des Zweijahreszeitraums nicht in dem notwendigen Umfang getätigt. Andererseits hat er seine Arbeitskraft ganz dem Unternehmen gewidmet. Mit dem Unternehmen sind zwischenzeitlich Gewinne erzielt worden bzw. der Geschäftsanteil hat Erträge abgeworfen 36 •
35
Schwintowkski, JZ 1987,588,589.
36
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 418.
c. Herausgabe der Nutzungen und Verwendungsersatz
385
Die sich hieran anknüpfenden Fragen sind: 1. Was geschieht mit den erwirtschafteten Gewinnen? Sind sie ungekürzt an die Treuhandanstalt/den Alteigentümer herauszugeben oder ist danach zu unterscheiden, wieweit sie auf der materiellen oder immateriellen Beschaffenheit des Unternehmens oder auf der persönlichen Leistung des Käufers beruhen? 2. In welcher Weise sind die sachlichen und persönlichen Aufwendungen des Käufers bei der Rückabwicklung zu berücksichtigen37? I. Gewinn als Bestandteil der herausgabepflichtigen Nutzungen 1. Standpunkt der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung differenziert bei der Bestimmung eines etwaigen herausgabepflichtigen Gewinns, indem sie in den Vordergrund der Betrachtung stellt, ob die Gewinnerzielung Ausfluß der persönlichen Leistung des Herausgabepflichtigen ist oder nicht. So nahm der BGH in seiner Entscheidung zu der Klage über die Verpflichtung zur Herausgabe von Einnahmen aus einem Kinobetrieb an, daß die Einnahmen im wesentlichen nicht auf den persönlichen Fähigkeiten und Leistungen des Beklagten beruhten38 • Demzufolge erkannte das Gericht einen Anspruch des Klägers auf Herausgabe der Nutzungen an. Anders entschied der BGH in einem Fall, als der von einer Mutter und ihrem minderjährigen Sohn abgeschlossene Kaufvertrag über die in Mieträumen betriebene Fleischerei vormundschaftlich nicht genehmigt worden und damit unwirksam war39• Das Gericht wies die Klage auf Herausgabe des Geschäftsgewinns ab und begründete dies damit, daß der aus einem Gewerbebetrieb gezogene Gewinn anders als als bei reinen Sachnutzungen in wesentlich stärkerem Maße auf den persönlichen Leistungen dessen beruht, der die Nutzungen gezogen hat. Auf der gleichen Linie ist schließlich der sogenannte Bordellpachtfall zu nennen. Die Rechtsprechung filhrte in den Urteilsgründen hinsichtlich der Höhe der zu ersetzenden Nutzungen aus, daß bei der Vermietung oder Verpachtung eines Bordells zu den herauszugebenden Nutzungen in entsprechender Anwendung des § 987 BGB auch die Gewinne zu zählen sind; für den BGH war in dem entschiedenen Fall nicht ersichtlich, daß der Reiner-
37
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 418.
38
BGH BB 1956, 18.
39
BGHZ 7, 208.
25 HeB
386
9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen
trag ausschließlich auf persönlichen Leistungen oder Fähigkeiten des Pächters beruht hätte40. 2. Standpunkt des Schrifttums
Karsten Schmidt schließt sich der Auffassung der Rechtsprechung über den Umfang der Herausgabe der Nutzungen trotz der im Einzelfall bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten an41. Er erachtet den Lösungsansatz der Rechtsprechung als stringent, wenn diese vom Grundsatz her die Gewinne dem Unternehmen zuordnet, aber anders urteilt, sofern der Gewinn auf den persönlichen Leistungen und Fähigkeiten des Unternehmensträgers beruht. Die dem Unternehmen "gleichsam innewohnenden" Erträge sind herauszugeben. Die Erträge dagegen, die der Rückgewährschuldner unter Einsatz unternehmerischer Mittel durch eigene Tüchtigkeit erwirtschaftet hat, sollen ihm verbleiben42. K. Schmidt weist darauf hin, daß das Schrifttum sich schon nicht darin einig ist, ob der Nutzungsbegriff überhaupt auf Unternehmen paßt43 und ob gegebenenfalls eine Anwendung des § 99 Abs.l oder des § 99 Abs. 2 BGB in Betracht kommt44 • Ballerstedt nimmt die vorgenannten Entscheidungen zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen zum Anlaß, die Dogmatik der Rechtsprechung zur Herausgabe von Gewinnen auf ihr dogmatisches Fundament zu überprüfen4s • Er stellt klar, daß in den Entscheidungen der Judikatur zur Frage der Herausgabe des Gewinns nicht unbedingt eine einheitliche Linie festzustellen ist46 • Zunächst klärt Ballerstedt, inwieweit die Nutzun40
BGHZ 63, 346 ff.
41
K. Schmidt, Handelsrecht, S. 164 ff.
42
K. Schmidt, Handelsrecht, S. 166.
43 K. Schmidt, Handelsrecht, S. 165; ablehnend Böke/mann, Nutzungen und Gewinn beim Unternehmensnießbrauch, 1971, S. 63 ff.
«Vgl. einerseits Soerge//Müh/, BGB, § 99 Ron.3; andererseits MünchKomm/Ho/ch, BGB, § 99 Rdn. 9. 45
Ballerstedt, in: Festschrift für Schilling, 1973, S. 289 ff.
46 RGZ 1923, 24 ff. (Kolonialwarenggeschäft ohne vormunschaftliche Genehmigung übertragen) RGZ 130, 292; BGHZ 7, 208 = NJW 1952, 1410 = LM Nr.2 zu § 987 BGB: ... keine Gewinnherausgabe ... BGH LM Nr. 3 zu § 987: ... Gewinn aus der Weiterführung einer Apotheke ... BGH: Beklagter muß Gewinn herausgeben ... BGH LM Nr. 7 zu § 818 Abs. 2 = BB 1956, 18 = DB 1956,63 = WM IV B 1956,91: Einnahmen aus Kino; der BGH sprach diese dem Kläger zu ... OLG Köln JMBI. NRW 1960, 180: Gewinn aus Kinoeinnahmen, OLG wies Klage auf Herausgabe ab.
C. Herausgabe der Nutzungen und Verwendungsersatz
387
gen i.S.d. § 818 Abs. 2 BGB auch den Gewinn umfassen, da dieser Terminus im BGB nirgends auftaucht. Er prüft, ob der "Gewinn" des herauszugebenden Unternehmens etwas anderes ist als die "Nutzungen" des Unternehmens47 • Eine Gegenüberstellung von "Gewinn" und "Nutzungen" ergibt zunächst, daß es keine zuverlässigen Kriterien gibt, nach denen Erträgen oder Überschüssen die Eigenschaft als "Nutzung" oder als "Gewinn" beigelegt werden muß48 • Ballerstedt erachtet die Unterscheidung der Rechtsprechung danach, ob ein Ertrag persönlichen Leistungen des Unternehmensinhabers zuzurechnen ist oder dem marktüblichen Miet- oder Pachtwert entspricht, als allein nicht ausreichend49 . Entscheidend soll sein, in welchem Sinne man von Nutzungen eines Unternehmens im ganzen sprechen kann50 • Da das Unternehmen im Sinne der von Rieger entwickelten Privatwirtschaftslehre einen fortgesetzten Geldumwandlungsprozeß darstellt, soll die Defmition des Nutzungsbegriffs unternehmenswirtschaftlich nicht mit der Gewinnung der körperlichen Gegenstände abschließen, sondern deren marktmäßige Verwertung als das ökonomische Ziel mit einzubeziehen. Daran anknüpfend bezeichnet Ballerstedt die Marktstellung des Unternehmens, dessen Geschäftswert ("good will"), als den zweiten Bedeutungsgehalt des Ausdrucks "Unternehmensnutzungen"SI. Die erste Bedeutung des Wortes Unternehmensnutzung bezeichnet Ballerstedt als Anlagenutzung, die zweite als Geschäftswertnutzung. Somit beschränkt sich nach Auffassung von Ballerstedt der Begriff der Nutzungen nicht auf die Erlöse aus dem übernommenen Umlaufvermögen, genauso wenig, wie beispielsweise der Pächter eines Handelsgeschäfts nicht von der weiteren Pachtzahlung wegen Unmöglichkeit des Fruchtgenusses freigestellt ist, sobald er die übernommenen Bestände abgesetzt und die daraus gewonnenen liquiden Mittel zur Wiederauffüllung des Lagers verwendet hat52 • In die Gegenrechnung darf der Empflinger aber gemäß § 102 BGB die Kosten der Fruchtgewinnung einstellen, soweit sie einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entsprechen und durch den Wert der Früchte gedeckt sind. Allerdings muß sich nach dem Lösungsansatz von Ballerstedt auch der redliche Bereicherungsschuldner an dem Maßstab einer sogenannten ordnungsmäßigen Wirtschaft messen lassen.
25"
47
Ballerstedt, in: FS flir Schilling, S. 294.
48
Ballerstedt, in: FS flir Schilling, S. 295.
49
Ballerstedt, in: FS flir Schilling, S. 289, 295.
50
Ballerstedt, in: FS flir Schilling, S. 289, 295.
51
Ballerstedt, in: FS flir Schilling, S. 289,296.
52
Ballerstedt, in: FS flir Schilling, S. 289, 298.
388
9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen
Im Ergebnis sind nach dieser Auffassung bei den herauszugebenden Nutzungen die damit ursächlich zusammenhängenden Aufwendungen filr Substanzverzehr oder Substanzverlust abzusetzen. Für die betriebsbedingte Abnutzung hat der herausgabepflichtige Bereicherungsschuldner nicht einzustehen; auch aufgrund der verschärften Haftung trifft ihn eine Schadensersatzpflicht nur bei Verschulden, vgl. § 989 BGB. Zu den gemäß § 102 BGB zu erstattenden Kosten gehört nicht der Abschreibungsaufwand53 • Der Abschreibungsaufwand, der weder Anlagennutzung noch Geschäftswertnutzung ist, ist vom Bereicherungsgläubiger zu tragen. Letzlich sind somit den im Zeitpunkt der Unternehmensüberlassung begründeten Gewinnerwartungen die vom Bereicherungsschuldner erzielten Nettoerträge zuzüglich Abschreibungsaufwand gegenüberzustellen. Werden diese Maßstäbe auf die gescheiterten Unternehmensprivatisierungen der Treuhandanstalt angewandt, so bedeutet dies, daß beim gesetzlichen Rücktrittsrecht und der Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht im Rahmen der Herausgabe des Gewinns die erzielten Nettoerträge herausgabepflichtig sind; beim vertraglichen Rücktrittsrecht kommen unter Umständen bei erkennbar höheren Gewinnerwartungim die schuldhaft nicht erzielten Gewinne hinzu. Nach Auffassung von Schwintowski besteht im Rahmen der Rückabwicklung nach § 818 Abs. 1 BGB Einigkeit darüber, daß Gewinne herauszugeben sind. Der Begriff der Nutzungen beinhaltet in jedem Fall auch etwaige Gewinne. Unklarheiten bestehen allerdings bei der Bestimmung des Umfangs des herauszugebenden Gewinns. Schwintowski äußert Bedenken, die Organisationsstruktur eines Unternehmens zum Kriterium filr die Begrenzung des Umfangs der Gewinnherausgabe zu erheben. Mithilfe dieses Kriteriums können gerade die schwierigen Fälle der Unternehmen mit komplizierter Organisationsstruktur nicht gelöst werden; als Folge davon mußte bislang auf ein einheitliches Gewinnermittlungskonzept verzichtet werden 54 • Eine Alternative hierzu soll die sein, daß eine marktbezogene, vergleichende Analyse zum Kriterium der Gewinnherausgabe gemacht wird. Die Schwäche dieses Ansatzes ist allerdings, daß der Marktdurchschnitt gerade keine Aussage über das Maß der persönlichen Eigenleistung des Erwerbers zuläßt55 • Daher ist es vorzugswürdig, doch wieder den Grad der Mitarbeit des Erwerbers im Unternehmen als Maßstab für die Gewinnherausgabe zu nehmen, um die vorgenannte Durchschnittsbetrachtung zu vermeiden. Als Grundlage der Bewertung dienen die Gehälter von Vorständen oder Geschäftsfilhrern. Dagegen spricht zwar, daß sich Bezüge
53
Ballerstedt, in: FS für Schilling, S. 289, 300.
54
Schwintowski, JZ 1987, 588, 593.
55
Schwintowski, JZ 1987,588,593.
C. Herausgabe der Nutzungen und Verwendungsersatz
389
dieser Art als Ergebnis von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt bilden und nur partiell Ausdruck der Gewinnentwicklung des Unternehmens sind (Tantiemen). Entscheidend ist aber laut Schwintowski, daß der Gewinn gerade neben und trotz der Managementkosten eines Unternehmens, und zwar als spezifisches Entgelt, dem Unternehmer für seine eigenständige unternehmerische Leistung zugewiesen ist. Im Ergebnis schließt sich Schwintowski der neueren Rechtsprechung an, die für die Ermittlung des Umfangs des herauszugebenden Gewinns den objektiven Ertragswert des Unternehmens zugrundelegt, d.h. jenen Nutzungswert, den ein Unternehmen ohne hinzutretende Eigenleistung des Erwerbers für jeden potentiellen Käufer oder Pächter objektiv hat. Der auf diese Weise ermittelte objektive Ertragswert bestimmt den Umfang der Gewinnherausgabe, sofern Gewinne realisiert werden konnten. Die persönlichen Anteile der Erwerbers am Gewinn sind folgerichtig abzuziehen. Bei Verlusten des Unternehmens kann der bereicherungsrechtliche Ertragswertausgleich deshalb gegen Null gehen 56 • Die Konsequenz dieser generalisierenden Betrachtung von Schwintowkski ist mit Blick auf die Rückabwicklung von Privatisierungsverträgen der Treuhandanstalt die folgende: Ein Abstellen auf eine objektive Ertragswertanalyse kann im Rahmen der Nutzungsherausgabe den Herausgabepflichtigen losgelöst von seinen persönlichen Fähigkeiten sowohl besser aber auch schlechter stellen; grundsätzlich ist aber der persönliche Anteil am Gewinn nicht herauszugeben. Müller folgt dem Ansatz von Schwintowski insoweit, als jedes Unternehmen neben seiner sachlichen, d.h. vermögensrechtlichen Natur, eine personale Komponente enthält, nämlich die kontinuierliche Verfolgung des Ziels, Einkünfte zu erzielen. Die sachliche wie die personale Seite sind miteinander durch den Umstand verknüpft, daß die unternehmerische Tätigkeit darauf gerichtet ist, die in der Sach- und Rechtsgesamtheit "Unternehmen" zusammengefaßten Elemente auf möglichst optimale Weise zur Gewinnerzielung einzusetzen. Müller bezweifelt aber, daß eine objektivierende Marktanalse zum Ertragswert des Unternehmens geeignet ist. Er erachtet es als vorzugswürdiR , die betrieblichen und die persönlichen Anteile analog 287 ZPO zu schätzenS . Ein Auseinanderdividieren dieser fmalen Einheit in "persönliche" Leistungen einerseits und "sachliche" Leistungen verwirft er mangels Praktikabilität58 • Die
56 Zu beachten, daß der bösgläubige Erwerber verschärft auf einen objektiven Gewinn haftet, der bei "ordnungsgemäßem Wirtschaften erzielt" worden wäre, vgl. §§ 818 Abs. 4, 987 Abs. 2. 57
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 419.
58
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 420.
390
9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen
Problematik der Gewinnherausgabe läßt sich nach seiner Auffassung stets nur formelhaft lösen 59 . Er betont, daß der Rücktritts- oder Wandelungsberechtigte erst nach den §§ 347, 989 BGB verschärft auf die Nutzungsherausgabe haftet, sobald er die tatsächlichen Voraussetzungen seines Rücktritts- oder Wandelungsrechts kennt oder kennen muß60 • Das Konzept von Müller ähnelt daher dem Ansatz von Ballerstedt, wobei der Erstgenannte über § 818 Abs. 3 BGB die in Abzug zu bringenden Aufwendungen direkt als entreichernde Momente saldieren will. Auch eine Berechnung im Wege einer Saldierung ist in der Form kaum möglich, daß die in einem längeren Zeitraum durchgeftlhrten Aufwendungen den über die Grundsätze der Vorteilsausgleichung abzuftlhrenden "Gewinnen" gegenübergestellt werden. Daran ändert auch das in § 287 ZPO dem Richter zugestandene Schätzungsermessen nichts 61 • Dies steht im Einklang mit der herrschenden Meinung, daß der zur Wandelung berechtigte Käufer bis zur Kenntnis der Rücktrittsvoraussetzungen nach Bereicherungsrecht haftet. Die Wertungen des § 327 S. 2 BGB greifen unter diesen Gegebenheiten wieder ftlr den Rücktrittsberechtigten im Falle des gesetzlichen Rücktrittsrechts und der Wandelung ein. Es ist deutlich geworden, daß die dargestellten Lösungskonzepte in Rechtsprechung und Schrifttum insoweit miteinander konform gehen, als bei der Herausgabe der Nutzungen der persönliche Anteil des Herausgabepflichtigen am Gewinn bei diesem verbleiben soll, sofern der persönliche Einsatz maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens am Markt beitrug. Es ist allerdings umstritten, ob der Wert der persönlichen Leistung im Sinne einer marktvergleichenden Durchschnittsbetrachtung oder an den subjektiven Fähigkeiten des Erwerbers der Wert der persönlichen Leistung zu bemessen ist. Gleiches gilt ft1r die sachliche Komponente der Unternehmensnutzung. Der Hinweis auf ein Schätzungsermessen analog § 287 ZPO ist daher auch der sichtbare Beweis einer gewissen Ratlosigkeit, was die Vorschläge ftlr eine zutreffende Bewertung der sachlichen und persönlichen Anteile am Unternehmensgewinn betrifft. Es ist aber festzuhalten, daß beim vertraglichen Rücktrittsrecht auch der Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen gemäß § 347 S. 2 BGB in Betracht kommt. Beim gesetzlichen Rücktrittsrecht sowie bei Bösgläubigkeit, d.h. bei
S9 Nutzungen aus einem vom Rückgewährpflichtigen erst eingerichteten Gewerbebetrieb sind dagegen nicht als Früchte der herauszugebenden Sache anzusehen und daher auch nicht zu erstatten. Dies gilt auch für Gebrauchsvorteile, die auf sonstigen wertsteigemden Investitionen beruhen; vgl. auch BGH NJW 1990, 447, 450 und BGH NJW 1992,892 m.w.N. (,0
MünchKommlJanßen, BGB, § 346 Rdn. 24.
61
Müller, Haftung des Verkäufers, S. 421.
C. Herausgabe der Nutzungen und Verwendungsersatz
391
positiver Kenntnis um die Unwirksamkeit des Unternehmenskaufvertrages gemäß § 819 BGB im Bereicherungsrecht, kommt der Ersatz schuldhaft gezogener Nutzungen erst ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund in Betracht. Im Ergebnis sind im Sinne einer objektivierenden Betrachtung durch eine marktvergleichende Unternehmensanalyse die persönlichen und sachlichen Anteile am etwaigen Gewinn zu ermitteln. 11. Die Ersatz- und Abzugsfähigkeit von Verwendungen Untrennbar verbunden mit dem Umfang des herauszugebenden Unternehmensgewinns sind die Verwendungen, die von dem Rücktrittsverpflichteten bzw. Bereicherungsschuldner als Saldierungs- bzw. Abzugsposten bei der Herausgabe des Gewinns in Ansatz gebracht werden. Die Verpflichtungen der Parteien zum wechselseitigen Nutzungs- und Verwendungsersatz reichen bei den verschiedenen Fallkonstellationen der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen unterschiedlich weit. Im Rahmen der Rückabwicklung des Vertrages nach den Rücktrittsvorschriften wird der Ersatz von Verwendungen gemäß § 347 S. 2 BGB beim vertraglichen Rücktrittsrecht durch die Verweisung auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Anspruchs zwischen Eigentümer und Besitzer erheblich eingeschränkt. Notwendige Verwendungen werden gemäß § 994 BGB ersetzt. Bei nützlichen Verwendungen besteht ein Wegnahmerecht gemäß § 997 BGB, aber kein Bereicherungsanspruch, § 996 BGB ist nicht anwendbar62 . Die Beschränkung des Verwendungsersatzanspruchs durch § 347 BGB ist rur den Rücktrittsberechtigten beim gesetzlichen Rücktrittsrecht und den Käufer bei der Wandelung nicht gerechtfertigt, soweit es sich um Verwendungen handelt, die vorgenommen wurden, bevor der Berechtigte die Voraussetzungen seines Rücktritts- oder Wandlungsrechts kannte oder kennen mußte. Insoweit ist § 347 BGB nicht anwendbar, es besteht vielmehr ein Bereicherungsanspruch über die analoge Anwendung des § 327 S. 2 BGB. Nach diesem Zeitpunkt gilt dagegen die Regelung des § 347 BGB und deren Verweisung auf die §§ 994 ff. BGB auch beim gesetzlichen Rücktrittsrecht und der Wande63 lung .
62 MünchKommlJanßen, BGB, § 347 Rdn. 26; auch hier wird wieder die Vermengung der §§ 812 ff. und §§ 346 ff. BGB offenbar, um bei den ähnlich gelagerten Konstellationen zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen.
63
BGHZ 87, 104, 107 = NJW 1983, 1479; Pikart, in: RGRK, BGB, § 347 Rdn. 27.
392
9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen 1. Bestimmung des Verwendungsbegriffs
Der Ausgangspunkt für den Begriff der Verwendungen sind die das Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer bei Vindikationslage beherrschenden Regelungen über Verwendungen, vgl. §§ 994-1003 BGB. Diese greifen auch dann ein, wenn die Übereignung der dem Unternehmen gewidmeten Sachen nichtig ist oder wenn der Bereicherte gemäß §§ 818 Abs. 4, 819 BGB verschärft haftet. Der Bereicherungsschuldner kann grundsätzlich geltend machen, seine Verwendungen auf das Unternehmen - zu denen zum Beispiel auch Reparaturen oder andere nicht aktivierungsfähige Maßnahmen zählen, Maßnahmen also, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht zur Kategorie "eigentlicher Investitionen" zu rechnen sind - würden den Wert des herauszugebenden Betriebes und damit auch den Anspruch auf Gewinnherausgabe übersteigen. a) Standpunkt der Rechtsprechung
Das Reichsgericht legte speziell beim Unternehmenskauf den Begriff der notwendigen Verwendungen im Sinne des § 994 BGB mehrfach weit aus. Demzufolge sollte eine notwendige Verwendung auch dann vorliegen, wenn diese dazu diente, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens durch grundlegende Modemisierung oder durch Veränderung des Unternehmensgegenstandes zu stärken64. Demgegenüber handhabt die Rechtsprechung des BGH einen engen Verwendungsbegriff. Verwendungen sind nach dessen Formel "freiwillige Aufwendungen, die der Sache zugute kommen sollen65 ." In der Regel ist zwischen dem Material- und dem Arbeitseinsatz nicht zu unterscheiden, z.B. der Reparatur, Instandhaltung und Aufbewahrung eines Kfi6 • Transportkosten sind Verwendungen, wenn sie die Sache erhalten oder verbessern sollen, nicht aber bei bloßem Ortswechsel67 • Eine Vergütung der eigenen Arbeitsleistung des Rücktrittsberechtigten, z.B. der eigene Arbeitsaufwand für Reparaturen oder Verwaltungsmaßnahmen, sind als Aufwand zu ersetzen, soweit dem Besitzer andere Einnahmen entgangen sind oder falls er die Arbeit im Rahmen seines Gewerbes oder Berufs erbracht hat, vgl. § 1835 Abs. 2 BGB analog68 • Darüber 64
RGZ 117, 112; RGZ 139,357.
65
MünchKomm/Janßen, BGB, § 347 Rdn. 27.
66
BGHZ 34,122,127 f. =NJW 1961,499,500 usw.
67
BGHZ 87, 104, 107 = NJW 1983, 1479; Pilwrt, in: RGRK, § 347 Rdn. 27.
68
Staudinger/Gursky,BGB, vor § 994 Rdn. 5 m.w.N.
C. Herausgabe der Nutzungen und Verwendungsersatz
393
hinaus sollen Eigenleistungen des Rücktrittsberechtigten nicht zu ersetzen • 69 sem. Der BGH grenzt den Anwendungsbereich der Verwendungen in Bezug auf die Vornahme von Maßnahmen auf einem Grundstück stark ein. Als Verwendungen kommen grundsätzlich Maßnahmen zur Verbesserung oder Erhaltung oder eine Bebauung im Sinne von Erhaltungsaufwand in Betracheo. Umstritten ist, ob auch die sachändernden Verwendungen, vornehmlich Neubauten, unter die §§ 994 ff. BGB fallen 71 • Der BGH verneint dies mit der Begründung, daß die Verwendung darauf abzielen muß, den Bestand der Sache als solcher zu erhalten bzw. wiederherzustellen oder den Zustand der Sache zu verbessern. Bei sogenannten Umgestaltungsaufwendungen gewährt die Rechtsprechung keinen Verwendungsersatz bzw. bereicherungsrechtlichen Ausgleich72 • Nach Ansicht des BGH bedeutet insbesondere die Bebauung eines bisher unbebauten Grundstücks keine Bestandsverbesserung, sondern eine Zustandsveränderung73 • Diese Rechtsprechung bezweckt vorrangig, den Eigentümer eines Grundstücks vor Ansprüchen auf Verwendungsersatz zu schützen, die bei einer Zustandsveränderung, vor allem infolge Bebauung, besonders hohe Werte erreichen können 74 • Infolge dieser begrifflichen Ausgrenzung muß die Rechtsprechung den Ersatz solcher Umgestaltungsmaßnahmen über die Generalklausel des § 242 BGB lösen. Nach dieser restriktiven Auffassung ist die Möglichkeit fiir den Investor, Geldersatz seine auf den erworbenen Unternehmensgrundstücken vorgenommenen Baurnaßnahmen zu erhalten, als problematisch einzuschätzen. b) Standpunkt des Schrifttums
Im Schrifttum gibt es verschiedene Lösungsansätze, wie Verwendungen im Falle der Vertragsrückabwicklung bis zu welchem Umfang mit den herauszugebenden Nutzungen saldiert werden können. Gegebenenfalls hat sogar eine 69 OLG Nümberg NJW 1966,738; KG FarnRZ 1974,386; Pikart, in: RGRK, § 347 Rdn.26.
70
MünchKommiMedicus, BGB, § 994 Rdn. 11.
71
MünchKommiMedicus, BGB, § 994 Rdn. 6 ff.
72
BGHZ 41, 151; offengelassen allerdings in BGH WM 1979,295.
73 BGHZ 10, 171, 172 f. = NJW 1953, 1466; bloßer Wiederaufbau eines zerstörten Hauses soll nicht sachändemd sein nach BGHZ 41, 341, 346 = NJW 1964, 1791; in der Literatur folgen dem z.B. Eichler, JuS 1965, 479, 480; Waltjen, AcP 175 (1975), 109, 136 f.
74
MünchKommiMedicus, BGB, § 994 Rdn. 9.
394
9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen
Erstattung der Verwendungen zu erfolgen, falls ein Gewinn gar nicht oder in geringerer Höhe als die Verwendungen angefallen ist. So untersucht Ballerstedt die Frage des Aufwendungsersatzes des zeitweiligen Inhabers des Unternehmens rur die Erhaltung und Erneuerung von Gegenständen des Anlagevermögens sowie rur Neuanlagen 75 • Er rechnet zu den Verwendungen auch Reparaturen und andere nicht aktivierungsfähige Maßnahmen, die nach Bilanzrecht nicht zu den Investitionen zu rechnen sind76 • Per definitionem ist es nach dieser Ansicht im Hinblick auf die Anerkennung von getätigten Verwendungen ohne Bedeutung, ob der Bereicherungsschuldner die dafür erforderlichen finanziellen und Arbeitsmittel aus den ihm überlassenen Unternehmensvermögen entnommen oder aus eigenen Mitteln in den Betrieb gegeben hae7 . Ballerstedt spricht sich in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Lehre 78 gegen die Linie der Rechtsprechung aus, die die sogenannten zustandsändernden Um~estaltungen aus dem Verwendungsbegriff der §§ 994 ff. BGB ausklammert 9. Das Kriterium der "grundlegenden Veränderung" zur Abgrenzung der gemäß §§ 994 ff. BGB dem Besitzer zu erstattenden Aufwendungen erachtet er als nicht sachgerecht. Nach seiner Auffassung reicht es vollkommen aus, die erforderlichen Differenzierungen mit Hilfe der überlieferten und auch dem Gesetz zugrundeliegenden Unterscheidung zwischen notwendigen und anderen Verwendungen vorzunehmen. Das Schrifttum schließt sich der vom BGH avisierten Einschränkung des Verwendungsbegriffs lediglich insoweit an, als nur Verwendungen, die "im objektiven Interesse des Eigentümers" liegen, durch den Eigentümer ersetzt werden sollen80 • Das Kriterium des objektiven Interesses stellt in derartigen Fällen zutreffend den betrieblichen Zusammenhang in den Vordergrund8l • Liegt das Unternehmensgrundstück beispielsweise derart in dem Komplex der Betriebsanlagen, daß seine Ausnutzung für andere als die Zwecke dieses Betriebes praktisch nicht in Betracht kommt, so ist 75 Ballerstedt, in: FS für Schilling, S. 301; nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben geht es um die Abrechnung sogenannter Investitionen. 76
Ballerstedt, in: FS für Schilling, S. 301.
77
Ballerstedt, in: FS für Schilling, S. 302.
78 Schindler, AcP 165 (1964), 499,504 ff.; Wolf, AcP 166 (1966), 188, 193 ff.; Jakobs, AcP 167 (1967), 350 ff. mit eingehenden Nachweisen. 79 Z.B. Haas, AcP 176 (1976) 1, 14; Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 16. Aufl. 1992, § 11 C IV 1 b, MünchKommiMedicus, BGB, § 994 dRn. 10 m.w.N. 80
Ballerstedt, in: FS für Schilling, S. 302; Jakobs, AcP 167 (1967), 350 ff., 392.
81
Jakobs, AcP 167 (1967), 350, 359, 392.
C. Herausgabe der Nutzungen und Verwendungsersatz
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dessen Ausstattung mit betrieblichen Einrichtungen als nützliche oder notwendige Verwendung zu bewerten. Dabei kommt es auf die Verhältnisse zur Zeit der fraglichen Maßnahme an; die Möglichkeit einer späteren Veränderung, etwa infolge einer Umgestaltung oder Liquidation des Unternehmens hat außer Acht zu bleiben. Konsequent trennt Ballerstedt im folgenden zwischen den sogenannten notwendigen und den nützlichen Verwendungen, um den Schutz des Bereicherungsgläubigers vor der Erstattung nutzloser Verwendungen zu gewährleisten. Aus Gründen, die unter anderem mit der rigorosen Versagung der Erstattung bloß nützlicher Verwendungen des bösgläubigen oder verklagten Besitzers gemäß § 996 BGB zusammenhängen, hatte sich schon seit einer Entscheidung des Reichsgerichts eine großzügigere Sichtweise bei der Bewertung der sogenannten notwendigen Verwendungen durchgesetzt 82 • Demzufolge lag eine notwendige Verwendung auch dann vor, wenn sie dazu diente, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens durch grundlegende Modernisierung oder durch Umstellung des Unternehmenszwecks zu stärken. Ballerstedt knüpft an das Prinzip der Rechtsprechung an, wonach notwendige Verwendungen dem Besitzer deswegen zu erstatten sind, weil sie dem Eigentümer die entsprechenden Aufwendungen erspart haben. Dies ist gerecht, wenn man es auf Maßnahmen zur Erhaltung, Erneuerung oder Wiederherstellung der Sachsubstanz beschränkt; es ist selbst dann noch vernünftig, wenn der Eigentümer mangels ausreichender Mittel oder mangels vernünftiger Wertschätzung der Sache die Aufwendungen unterlasssen hätte 83 • Das Gesetz zwingt den Eigentümer nicht, die Verwendungen zu bezahlen, sondern beläßt ihm die Alternative, auf die Sache selbst zu verzichten und damit im Ergebnis fUr sich selbst die gleiche Lage herbeizufUhren, wie wenn er die Sache hätte zugrundegehen oder als Ruine hätte stehen lassen. Zu weit würde es allerdings fUhren, wenn man auch Maßnahmen der unternehmerischen Planung als notwendige Verwendungen deklarierte. In derartigen Fällen geht es nämlich nicht darum, die mit Investitionen bedachte Sache vor dem Untergang zu bewahren oder wieder in einen nutzungsfähigen Zustand zu bringen. Dieses Ergebnis kann mittels einer Gegenüberstellung von § 994 Abs. I und § 994 Abs. 2 BGB gerechtfertigt werden. Daraus ist zu ersehen, daß das Gesetz den gutgläubigen unverklagten Besitzer auch dann begünstigen will, wenn er nicht nur die Sache wiederhergestellt oder vor ihrem Verfall bewahrt, sondern auch wenn er sie den rasch wandelbaren Marktverhältnissen angepaßt hat. Die wirtschaftlich nur zweckmäßigen Investitionen sind hingegen nicht in
SZ
RGZ 117, 112.
SJ
Ballerstedt, in: FS flir Schilling, S. 304.
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9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen
den Begriff der notwendigen Verwendungen miteinzubeziehen. Dies stört in einer gerade unter Unternehmensgesichtspunkten empfmdlichen Weise den Sinnzusammenhang der §§ 1000-1003 BGB. Lehnt der Eigentümer die Erstattung der Verwendungen ab, so kann der damit möglicherweise eintretende Verlust der Sache rur ihn ebenso hart sein, wie wenn er sich dem ökonomischen Zwang zur Erstattung der unter Umständen erheblichen Beträge beugt. Wenn es nur darum geht, den körperlichen Bestand der Sache zu sichern oder wiederherzustellen, so sind Fehlentscheidungen zwar nicht ausgeschlossen, bilden aber bei dem vom Eigeninteresse geleiteten redlichen Besitzer keine ernsthafte Gefahr. Maßnahmen hingegen, die auf gesamtwirtschaftliche Entwicklungen reagieren sollen, sind notwendigerweise mit dem Risiko einer falschen Beurteilung der maßgebenden Daten oder irriger Prognosen behaftet84 • Der gutgläubige Besitzer handelt subjektiv auf eigenes Risiko. Erklärt man seinen Kapitaleinsatz in der Abrechnung über das herauszugebende Unternehmen als notwendige Verwendung fUr erstattungsfiihig, so werden die Folgen seiner etwaigen Fehlentscheidung auf die Eigentümer überwälzt. Daher sind Investitionsentscheidungen des Bereicherungsschuldners nach der zu billigenden Auffassung von Ballerstedt als sogenannte nützliche Verwendungen im Sinne des § 996 BGB zu behandeln. Damit lassen sich beispielsweise die Kapitalkraft des Bereicherungsgläubigers, aber auch seine größere oder geringere Wagnisfreudigkeit zur Geltung bringen. Diese Lösung ist deswegen sachgerecht, da die Erstattung nützlicher Verwendungen auf die bis zur Rückgabe des Unternehmens fortdauernde Wertsteigerung begrenzt wird, so daß eine Fehlinvestition unter Umständen mit Null anzusetzten ist85 • Bei notwendigen Verwendungen des bösgläubigen oder verklagten Besitzers hingegen fUhrt die Verweisung des § 994 Abs.2 BGB auf die Regeln über die auftraglose Geschäftsfilhrung zu einer angemesseneren Risikoverteilung, weil nicht nur das Interesse, sondern auch der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Eigentümers zu berücksichtigen ist. Schwintowski schließt sich diesem Vorschlag mit dem Petitum an, daß ein Verwendungsausgleich als Folge des Zusammenhangs zwischen Verwendungen und Wirtschaftserfolg nicht stattfmden 501186 • Die Verwendungen des Erwerbers zur Erhaltung des Unternehmens sind nach dieser Auffassung vielmehr laufende Abzugsposten. Sie sind inzidenter im Unternehmenswert und beim bereicherungsrechtIichen Gewinnausgleich zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu den Fällen des Verwendungsersatzes im Sinne der §§ 347, 994 BGB fmanziert sich das Unternehmen als Folge der erwirtschafteten Erträge 84
Ballerstedt, in: FS für Schilling, S. 289, 305.
K5
Ballerstedt, in: FS für Schilling, S. 289, 305.
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Schwintowski, JZ 1987,588,589.
C. Herausgabe der Nutzungen und Verwendungsersatz
quasi selbst, ohne spruchen.
d~it
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rechtlich den Status eines Sondervermögens zu bean-
Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß jedenfalls in dem Umfang, in dem sich die Nutzungen und Verwendungen aufrechenbar gegenüberstehen, eine Saldierung vorgenommen werden kann. Die Einschränkungen der Rechtsprechung, wonach Baurnaßnahmen vom Verwendungsbegriff ausgegrenzt werden, überzeugen nicht. Sie sind formaljuristisch und führen insbesondere beim Unternehmenskauf zu untragbaren Ergebnissen. Die Wagnisfreudigkeit der Käufer von Treuhandunternehmen würde in einer empfmdlichen Weise beeinträchtigt, wenn im Rahmen dringend erforderlicher Umstrukturierungsmaßnahmen bauliche Erhaltungsmaßnahmen und Neubauten nicht als sogenannte nützliche Verwendungen eingestuft werden könnten. 2. Ersatz fiktiver Zinsen auf das eingesetzte Kapital für die Verwendungen
Bei der Beurteilung der wechselseitig zu ersetzenden Verwendungen stellt sich die weitere Rechtsfrage, ob das von dem zeitweiligen Inhaber des Unternehmens für Verwendungen eingesetzte Kapital bei der Rückabwicklung zu verzinsen isr. Der Käufer eines Treuhandunternehmens wird nämlich regelmäßig vortragen, daß er anderenfalls sein Kapital anderweitig eingesetzt und dafür eine zumindest marktübliche Verzinsung erzielt hätte. a) Zinsersatz bei notwendigen Verwendungen des Unternehmenskäufers
Das Bürgerliche Gesetzbuch wird bei der Erstattung notwendiger Verwendungen nur mittelbar von wirtschaftlichen Gesichtspunkten geleitet. Auszugehen ist von der Systematik des Gesetzes. Gemäß § 1001 BGB besteht ein klagbarer Anspruch auf Verwendungsersatz bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht. Selbst wenn beide Parteien Kaufleute sind, kommt schon aus diesem Grunde ein Anspruch auf Fälligkeitszinsen gemäß § 353 HGB nicht in Betracht. Obwohl der Eigentümer mit der Erstattung notwendiger Verwendungen die ihm durch den Besitzer verschaffte Ersparnis eigener Aufwendungen abzugelten hat, rechtfertigt dies keine Zinspflicht88 • Denn soweit der Bereicherungsschuldner die gezogenen Nutzungen entnommen und in seinem sonstigen Vermögen verbraucht hätte, wäre eine Verzinsung desjenigen anteiligen Kapitalwerts, der in diese Nutzungen ertragbringend eingegangen ist, auch
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Ballerstedt, in: FS für Schilling, S. 306.
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Ballerstedt, in: FS für Schilling, S. 306.
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9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen
deswegen nicht gerechtfertigt, weil der Kondiktionsgläubiger die Nutzungen oder ihren Wert erst in dem Zeitpunkt erhält, in dem der Bereicherungsausgleich stattfindet. Etwas anderes gilt, wenn der Bereicherungsschuldner die Nutzungen nicht entnommen, sondern im Unternehmen hat weiter arbeiten lassen. Der in ihnen steckende Kapitalwertanteil notwendiger Verwendungen geht in den wertschöpferischen Kreislauf innerhalb des Unternehmens ein. Er trägt zur Erhöhung der herauszugebenden Nutzungen bei und ist daher ebenso wie ein etwaiger sonstiger, der Fruchtgewinnung dienender Eigenkapitaleinsatz mit dem angemessenen Zinssatz gemäß § 102 BGB in Ansatz zu bringen. b) Zinsen aufKapitalfür nützliche Verwendungen
Da der Betrag des Verwendungsersatzes gemäß § 996 BGB auf den im Zeitpunkt der Herausgabe noch vorhandenen Wert begrenzt ist, muß der gutgläubige Bereicherungsschuldner nach Auffassung von Ballerstedt berechtigt sein, als Kosten der Fruchtgewinnung auch die Zinsen anzusetzen, die in den im Unternehmenskreislauf verbliebenen Nutzungen stecken. Des Weiteren sind auch angemessene Abschreibungen auf diejenigen nützlichen Verwendungen zU verrechnen, die einen Kapitalbeitrag zur Erzielung der herauszugebenden Nutzungen geleistet haben. Auch die vom bösgläubigen oder verklagten Besitzer vorgenommenen nützlichen Investitionen sind, soweit sie die herauszugebenden Nutzungen erhöht oder ermöglicht haben, mit angemessenen Zinsen und Abschreibungen als Kosten im Sinne des § 102 BGB verrechnungsAlL· 89 H1111g •
Schwintowski spricht sich ebenfalls fiir einen Ausgleich der vom Erwerber zugefiihrten Eigenrnittel aus. Wenn der Erwerber seinem Unternehmen Eigenmittel zugefiihrt haben sollte, etwa um teure Kredite zu vermeiden, so müßten sich Eigenkredite dieser Art, denen keine Erträge des Unternehmens gegenüberstehen, als Folge des bereicherungsrechtlichen Rückgewährschuldverhältnisses in Verbindlichkeiten verwandeln und vom Kondiktionsgläubiger beglichen werden. Schwintowski zieht hierbei eine Parallele zu dem Rücktrittsrecht. Verwendungen - und zwar auch nützliche, die eine gewisse Parallelität zu Eigenmitteln aufweisen - sind nach herrschender Lehre vor Kenntnis vom
H9 Ballerstedt, in: FS für Schilling, S. 307, räumt selbst ein, daß die Beschränkung der Untersuchung auf das Bereicherungsrecht insofern unbefriedigend sein muß, als vielfach verwandte Sachverhalte unberücksichtigt bleiben, die sich im Falle einer Rückerstattung nach Rücktrittsregeln ergeben.
C. Herausgabe der Nutzungen und Verwendungsersatz
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Rücktritts- oder Wa~delungsrecht uneingeschränkt nach Bereicherungsrecht 90 herauszugeben . Als Ergebnis ist unter Einbeziehung der treuhandspezifischen Fallgruppen festzuhalten, daß nach allen Auffassungen eine Verzinsung für das Kapital vorzunehmen ist, das der Investor aus eigenen Mitteln für die Durchführung sowohl von notwendigen als auch nützlichen Verwendungen eingesetzt hat. Es spielt insoweit keine Rolle, ob der Investor bösgläubig war. Somit ist dieser Rechnungsposten bei einer etwaigen Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrages zu ersetzen bzw. zu saldieren. IH. Nutzungs- und Verwendungsersatz bei der Rückabwicklung von Unternehmenskaufverträgen der Treuhandanstalt Zur besseren Veranschaulichung soll diejenige treuhandspezifische Fallkonstellation beispielhaft dargestellt werden, in der der Privatisierungsvertrag wegen der Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche noch aufschiebend bedingt bzw. schwebend unwirksam ist und der Investor wegen nicht fristgerechten Erlasses des Investitionsvorrangbescheids vom Vertrag zurücktritt. Der Begriff der Investition ist im Vermögensrecht nicht gesetzlich defmiert; aber gemäß der Zielsetzung des VermG und des InVorG gelten sogar sogenannte werterhaltende Verwendungen als investive Maßnahmen91 • Den Schwerpunkt der Investitionen bilden die Anschaffung von beweglichem Anlagevermögen und Umlaufvermögen sowie die Vornahme baulicher Maßnahmen, die nach der abzulehnenden Rechtsprechung des BGH vom Verwendungsbegriff der §§ 994 ff. nicht erfaßt werden. Gleichermaßen sowohl beim share- als auch beim asset deal hat der Investor in diesem Stadium des Vertrages die gebotene Zurückhaltung zu üben in Bezug auf die Durchführung investiver Maßnahmen .. Die Treuhandanstalt weist den Käufer auf die besonderen Unwägbarkeiten hin, wonach kein Rechtsanspruch auf einen stattgebenden Investitionsvorrangbescheid besteht. Es ist nämlich sehr wohl möglich, daß der Altberechtigte ein höherwertiges Investitionskonzept vorlegt. Demgegenüber kann es aus der Sicht des Käufers bisweilen unumgänglich sein, sofort zu investieren, um das Überleben des Unternehmens am Markt zunächst zu sichern. Maßgebliche Bedeutung kommt nun der Auslegung des Begriffs der Verwendungen zu, vgl. die Rechtsgrundverweisung des § 347 BGB auf die §§ 994 9Q
Schwintowski, JZ 1987, 588, 589.
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Vgl. § 3 Abs. 2 InVorG und Kap. 4, Abschn. D H.
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9. Kap.: Einzelfragen bei der Rückabwicklung von Verträgen
ff. BGB. Den Interessen der Investoren in den neuen Bundesländern ist hierbei nur mit einer extensiven Auslegung der nützlichen und notwendigen Verwendungen gedient. Im Vordergrund zu stehen hat eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Einklang mit der spezifischen Zielsetzung des VermG und In VorG. Das Konzept von Ballerstedt und Schwintowski ist dem restriktiven Ansatz der Rechtsprechung vorzuziehen. Die Rechtsprechung läßt nämlich den Investor schutzlos erscheinen im Hinblick auf bedeutsame unternehmerischen Entscheidungen, die unter Umständen sehr kurzfristig getroffen werden müs92 sen . Die Vertragsparteien kommen bei der Feststellung der werterhöhenden und werterhaltenden Investitionen nicht umhin, sich der Hilfe von Wirtschaftsprüfern zu bedienen, die durch die Aufstellung von Wertgutachten bzw. einer Ergänzungsbilanz die sogenannten investiven Maßnahmen fiir den Zeitraum der Steuerung des Unternehmens durch den Investor darzulegen haben. Als Auslegungshilfe dient hier vor allem der Vorhabenplan des Investors, in dem die geplanten Investitionen fiir die Durchfiihrung des Investitionsvorrangverfahrens dargestellt sind.
D. Austausch von beweglichem Anlagevermögen Ausgegangen wird von der Konstellation, wonach der Unternehmenskaufvertrag wirksam ist, weil beispielsweise ein Investitionsvorrangbescheid zugunsten des Käufers ergangen war; nunmehr wird dieser Bescheid aber wegen Nichterreichung der investiven Zwecke nach Ablauf der Zweijahresfrist widerrufen. Es sind daher die Rückabwicklungsmodalitäten betreffend die Erhaltungsmaßnahmen, die Anschaffung von Fahrzeugen und der Ersatz)Austausch des Maschinenparks bzw einzelner Maschinen zu Produktionszwecken zu untersuchen. Das maßgebliche Beurteilungskriterium ist die Zweckänderung. Handelt es sich um Instandsetzungsmaßnahmen und damit um Erhaltungsaufwand, so sind regelmäßig die Voraussetzungen der sogenannten notwendigen oder nützlichen Verwendungen gegeben, vgl. §§ 994 und 996 BGB. Gleiches gilt fiir die Zahlung von Versicherungsprämien ftlr beispielsweise eine Brand- oder Betriebsunterbrechungsversicherung, die zUmindest als notwendige Verwendungen zu gelten haben, wenn sie nicht - soweit gesetzlich vorgeschrieben - sogar als auf der Sache ruhende Lasten zu bewerten sind, vgl. § 995 BGB.
92 Vgl. Kap. 6, Abschn. B IV, wo u.a. ausgeführt wurde, daß die Klausel, die einen Verwendungsersatz ausschließt, regelmäßig unwirksam ist.
D. Austausch von beweglichem Anlagevermögen
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Werden Maschinen ersetzt - im Regelfall durch neue oder höherwertige -, so ist solch ein Austausch schon tenninologisch nicht mehr unter dem Begriff der Verwendungen erfaßbar. Es wird deutlich, daß die Rücktrittsvorschriften der §§ 346 ff. BGB die mit der Rückabwicklung eines komplexen Unternehmenskaufvertrages auftretenden Fallgestaltungen nur ansatzweise erfassen. Der Verwendungsbegriff des § 347 BGB läuft leer, da Surrogate an die Stelle von Teilen des Kaufgegenstandes treten. Die Regelung des § 989 BGB (Schadensersatz nach Rechtshängigkeit), auf die § 347 BGB verweist, wenn der Investor den ursprünglichen Kaufgegenstand nicht mehr herausgeben kann, erfaßt diesen Fall ebenfalls nicht. § 989 BGB statuiert in solchen Fällen die Verpflichtung des rücktritts berechtigten Käufers zur Leistung von Schadensersatz. Hingegen kann es die Treuhandanstalt bzw. das Treuhandunternehmen aber in aller Regel nur begrüßen, wenn der Produktionszweig eines privatisierten Unternehmens auf diesem Wege modernisiert wird. Hier ist die analoge Anwendung des § 281 BGB interessengerecht. Vertretbar erscheint auch, die dem Investor fiir die Maschinen entstandenen Aufwendungen unter den Voraussetzungen der treuhänderischen Geschäftsbesorgung zu ersetzen, falls der Rücktritt in den Zeitraum der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages f