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German Pages 213 [220] Year 1999
Lehr- und Handbücher zur Ökologischen Unternehmensführung und Umweltökonomie • «
Herausgegeben von
Dr. Carlo Burschel Bisher erschienene Werke: Baum • Coenenberg • Günther, Betriebliche Umweltökonomie in Fällen, Band I: Anwendung betriebswirtschaftlicher Instrumente Baum • Coenenberg • Günther, Betriebliche Umweltökonomie in Fällen, Band II: Umweltmanagement und ökologieorientierte Instrumente Birke • Burschel • Schwarz, Handbuch Umweltschutz und Organisation Bringezu, Umweltpolitik Jens, Ökologieorientierte Wirtschaftspolitik Pfaffenberger • Strebel, Ökonomische Energienutzung Pfander, Ökologieorientierte Informations- und Steuerungssysteme im Unternehmen Schwaderlapp, Umweltmanagementsysteme in der Praxis Steger, Handbuch des integrierten Umweltmanagements Strebel • Schwarz, Kreislauforientierte Unternehmenskooperationen
Betriebliche Umweltökonomie in Fällen Band II: Umweltmanagement und ökologieorientierte Instrumente Herausgegeben von
Prof. Dr. Heinz-Georg Baum Prof. Dr. Dr. h. c. Adolf G. Coenenberg Prof. Dr. Edeltraud Günther
R. Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - dP-Einheitsaufnahme Betriebliche Umweltökonomie in Fällen / hrsg. von Heinz-Georg Baum ... - München ; Wien : Oldenbourg (Lehr- und Handbücher zur ökologischen Unternehmensführung und Umweltökonomie) Bd. 2. Umweltmanagement und ökologieorientierte Instrumente. 2000 ISBN 3-486-24687-9
© 2000 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0, Internet: http://www.oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 3-486-24687-9
I
Vorwort Die Betriebliche Umweltökonomie widmet sich als noch junge Disziplin der Betriebswirtschaftslehre den Fragestellungen einer Integration ökologischer Aspekte in betriebswirtschaftliche Entscheidungen. Dabei stehen zwei Fragestellungen im Mittelpunkt: • „Warum sind ökologische Aspekte in die betrieblichen Entscheidungsprozesse zu integrieren?" Hierbei ist zunächst die grundsätzliche Frage nach der Notwendigkeit einer betrieblichen Ökologieorientierung zu untersuchen. Dies erfordert eine Analyse der Rahmenbedingungen, die die Ökologieorientierung in Unternehmen beeinflussen. • „Wie sind ökologische Aspekte in die betrieblichen Entscheidungsprozesse zu integrieren?" Hier ist zwischen dem Management der einzelnen Funktionsbereiche und den anzuwendenden Instrumenten zu unterscheiden. Gerade im Hinblick auf den notwendigen Transfer in die betriebliche Praxis kann die Differenzierung und Erweiterung der sogenannten monetären und nicht-monetären Instrumente den Stellenwert der Betrieblichen Umweltökonomie weiter befördern. Die Relevanz der Betrieblichen Umweltökonomie läßt sich zwar theoretisch einfach darlegen und wird grundsätzlich auch in der Praxis kaum bestritten. Bei der tatsächlichen Integration ökologischer Aspekte in unternehmerische Entscheidungsprozesse stößt man jedoch auf Probleme: Häufig sind die entwickelten Konzepte und Instrumente nicht praktikabel und/oder die real existierenden Wettbewerbssituationen werden nicht ausreichend beachtet. Deshalb ist eine anwendungsorientierte Bearbeitung der Fragestellungen der Betrieblichen Umweltökonomie geboten. Im Zuge einer solchen praxisorientierten Ausbildung in der Betriebswirtschaftslehre hielt das Instrument der Fallstudien vermehrt Einzug in die Lehre an Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen für Führungskräfte. Nach einer Marktanalyse der bestehenden Lehrbücher entstand die Idee, aus der betrieblichen Praxis Fälle zum Thema „Betriebliche Entscheidungen und Umweltschutz" zu erheben und für das vorliegende Lehrbuch aufzubereiten. Nicht konstruierte und auf ein Detail fokussierte Fragestellungen, sondern reale Problemstellungen der Praxis mit all ihren Interdependenzen sollen so der Vertiefung, Erweiterung und Anwendung der theoretischen Grundlagen dienen.
Vorwort
2
Aus didaktischen Gründen wurde der Umfang der Fallstudien so gestaltet, daß die Motivation für die Bearbeitung dadurch nicht beeinträchtigt wird. Hierfür wurden Daten und Strukturen verallgemeinert, angepaßt und ergänzt, um jeweils ein in sich schlüssiges Leitthema präsentieren zu können. Für den Einsatz der hier präsentierten Fallstudien in der Lehre sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Lehrkonzepte denkbar, wie folgende Abbildung veranschaulicht: Betonung der... ..Fachkompetenz.
...Sozialkompetenz. Vorstellen einer „Quasi"-Musterlösung' durch den Dozenten
Kontlnuum
Selbständige Gruppenarbeit ohne Eingriff des Dozenten
Dozent als Moderator Abb.:
Kontinuum der Einsatzmöglichkeiten der vorliegenden Fallstudien
Einerseits können die Fälle basierend auf einer „Quasi"-Musterlösung durch den Dozenten in Form einer klassischen Vorlesung vorgestellt werden. Andererseits kann die Gruppenarbeit der Studenten mit der selbständigen Erarbeitung eigener Lösungsvorstellungen ohne Eingriff eines Dozenten im Vordergrund stehen. Das vorliegende Lehrbuch liefert mit seinen Fallstudien die Ausgangsbasis für beide Lehrkonzepte. Es zielt zum einen darauf ab, die Fachkompetenz der Bearbeiter ausbauen. Zum anderen soll durch eine intensive Gruppendiskussion die soziale Kompetenz gefordert werden. Hierdurch wird authentisch die Erfahrung vermittelt, daß Entscheidungen Ergebnisse von oft langwierigen interaktiven Prozessen sind, und mehr als den alleinigen Instrumenteneinsatz bedeuten. Der Dozent wirkt bei dieser pädagogischen Zielstellung lediglich als Moderator, regt die Entwicklung alternativer Lösungswege an und verdeutlicht so, daß es bei der Bearbeitung von Fallstudien und damit von Problemstellungen der betrieblichen Praxis nur selten eindeutige Musterlösungen gibt. Die Fallstudien können in der Ausbildung von Studenten des Hauptstudiums, vornehmlich der Wirtschaftswissenschaften, eingesetzt werden ebenso wie bei ökologieorientierten Studiengängen mit Bezug zu unternehmerischen Fragestellungen. Im Bereich der Weiterbildung sind sie durch ihre Praxisorientierung, welche den
Vorwort
3
nötigen Theoriebezug jedoch nicht vermissen läßt, für Managementseminare im Bereich Controlling und Unternehmensführung geeignet. Die redaktionelle Arbeit, die Koordination der Autoren und das Layout des vorliegenden Lehrbuchs lag in der Hand von Herrn Dipl.-Kfm. Oliver Schill. Seinen Ideen und seinem unermüdlichen Einsatz ist die einheitliche Gestaltung der Fallstudien zu verdanken. Darüber hinaus gilt unser Dank dem R. Oldenbourg Verlag, namentlich Herrn Dipl.-Volksw. Martin Weigert, für die geduldige Zusammenarbeit.
Heinz-Georg Baum Adolf G. Coenenberg Edeltraud Günther
5
Inhaltsübersicht Vorwort
1
Inhaltsübersicht
5
Bearbeitungshinweise
6
Leitthema Standortentscheidung Der Standortentscheidungsprozeß. Eine ökonomische und ökologische Analyse
10
Fallstudie PAPERijätti
39
Leitthema Integriertes Umwelt- und Qualitätsmanagement Umwelt- und Qualitätsmanagementsysteme. Eine Einführung unter besonderer Berücksichtigung der DIN EN ISO 9000 ff., der EG-Öko-Audit-Verordnung und der DIN EN ISO 14001 Fallstudie InterCom IT
76 112
Leitthema Betriebliche Ökobilanzierung Betriebliche Ökobilanzierung. Ein Überblick aus Sicht der Ansatz- und Bewertungsproblematik
140
Fallstudie Wellington
174
Autorenverzeichnis
204
Stichwortverzeichnis
207
6
Bearbeitungshinweise
Ziel Ziel dieses Lehrbuchs ist es, anhand von Fallstudien aus der Praxis Fragestellungen der Betrieblichen Umweltökonomie auf Basis von theoretisch fundiertem Fachwissen der Betriebswirtschaftslehre zu bearbeiten. Im Mittelpunkt steht somit der vielfach geforderte Gedanke des Transfers als Grundlage einer praxisorientierten Lehre. Außau Das Lehrbuch gliedert sich hierfür in einzelne Module, die sich jeweils intensiv mit einem sogenannten Leitthema beschäftigen. Wie nachfolgende Abbildung zeigt, bestehen diese Module aus •
einem Aufsatz, der in das jeweilige Leitthema einführt und fundierte theoretische Kenntnisse im Sinne von Methodenwissen vermittelt,
•
der sich anschließenden Fallstudie, die auf dieser theoretischen Basis aufbauend bearbeitet werden kann.
Dieser Transfer von theoretischem Wissen in die Bearbeitung einer Fallstudie aus der Praxis wird durch gezielte Literaturhinweise unterstützt: Jeder Aufsatz schließt mit kommentierten Verweisen auf Literaturstellen zur Vertiefung des Leitthemas sowie angrenzenden Fragestellungen.
Modul: Leitthema als Motivation und Orientierung für den Transfer
r
Literaturhinweise
Aufsatz zum Leitthema
Fallstudie aus der Praxis
Transfer
Bereitstellung der theoretische Basis: Methodenwissen Abb.:
Aufbau eines Moduls
Anwendung des theoretischen Wissens: Problemlösungskompetenz
Bearbeitungshinweise
7
Darüber hinaus wurde jeder Fallstudie eine Kurzinformation vorangestellt, die in erster Linie den Dozenten auf einen Blick über •
das Leitthema, welches mit der Bearbeitung der Fallstudie intensiv behandelt wird, sowie
•
die damit verknüpften Themengebiete, die mit der Fallstudie optional bearbeitet und diskutiert werden können,
informiert und somit das inhaltliche Potential zur Vermittlung von Fachwissen aufzeigt. Soweit für die Bearbeitung der Fallstudie weitere Literatur (z. B. Gesetze, Verordnungen etc.) empfohlen wird, gibt die Kurzinformation darüber ebenfalls Auskunft. Ergänzend kann die Kurzinformation auch Bemerkungen enthalten, die fiir die Bearbeitung hilfreich sind bzw. den Dozenten auf Besonderheiten hinweisen. Bearbeitung Für die konkrete Bearbeitung der Fallstudien bedeutet die Umsetzung des angestrebten Transfersgedankens, im Gegensatz zu gewohnten Übungsaufgaben zu lernen, mit einer unvollständigen oder unvollkommenen Datenbasis zu arbeiten. Das heißt beispielsweise, •
bewußt Annahmen zu setzen, deren Bedeutung und Einfluß für die erarbeitete Lösung zu untersuchen, zu diskutieren und nachvollziehbar darzustellen;
• bei der Problemlösung in Alternativen zu denken, verschiedene Szenarien zu entwerfen und somit • Entscheidungssituationen unter Risiko bzw. Unsicherheit zu bewältigen. Verbesserungsvorschläge Über Verbesserungsvorschläge freuen sich die Herausgeber und Autoren ebenso wie über kleine Korrekturhinweise! Kontakt Brief:
Technische Universität Dresden Fakultät Wirtschaftswissenschaften Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebliche Umweltökonomie 01062 Dresden
E-Mail:
[email protected]
Website:
http://www.tu-dresden.de/wwbwlbu/index.htm
9
Leitthema
Standortentscheidung
10 Edeltraud Günther, Anke Sturm
Der Standortentscheidungsprozeß Eine ökonomische und ökologische Analyse.
1 Notwendigkeit von Standortentscheidungen
11
2 Standort
12
3 Darstellung des Standortentscheidungsprozesses
13
3.1 Standortentscheidung 3.2 Standortentscheidungsprozeß 3.3 Standortfaktoren 3.3.1 Typologisierungen von Standortfaktoren 3.3.2 Qualitative und quantitative Standortfaktoren 3.3.3 Harte und weiche Standortfaktoren 3.4 Verfahren der betrieblichen Standortplanung
13 13 17 17 20 21 22
4 Umweltschutz als Standortfaktor 4.1 Auswirkungen des Umweltschutzes auf das Anforderungsprofil 4.1.1 Analyse des Untemehmensumfeldes 4.1.2 Analyse der Funktionsbereiche des Unternehmens 4.1.3 Analyse der Untemehmensziele 4.2 Auswirkungen des Umweltschutzes auf den Standortfaktorenkatalog 4.3 Auswirkungen des Umweltschutzes auf die Standortanalyse
24 25 25 27 28 29 31
4.3.1 Umweltschutz und Wettbewerbsfähigkeit 4.3.2 Umweltschutz und Erfolg 4.3.3 Umweltschutz als Restriktion für Managemententscheidungen
32 32 34
5 Fazit
34
6 Literaturhinweise
35
Abkürzungsverzeichnis
36
Literaturverzeichnis
36
Der Standortentscheidungsprozeß
11
1 Notwendigkeit von Standortentscheidungen Viele Unternehmen verfugen über mehrere Produktionsstätten an verschiedenen geographischen Standorten, d. h. sie sind als „Mehrstandortuntemehmen"1 zu bezeichnen. Eine der wichtigsten Aufgaben einer auf die langfristige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichteten Untemehmensfiihrung ist die Entwicklung einer Standortstruktur.2 Dabei ist die räumliche Verteilung der Betriebe eines Unternehmens im nationalen und internationalen Raum zu planen.3 Verantwortlich für die zunehmende Bedeutung von Standortentscheidungen ist nicht nur der zunehmende Druck der Wettbewerber, sondern auch die optimale Verfügbarkeit der Ressourcen und die Existenz guter Absatzchancen für die Produkte oder Dienstleistungen. Ein guter Standort sichert dem Unternehmen eine „Bequemlichkeitsrente", d. h. von zwei unter sonst gleichartigen Bedingungen operierenden Unternehmen realisiert dasjenige mit dem vorteilhafteren Standort und somit den günstigeren Standortbedingungen wesentlich leichter einen bestimmten Erfolg. Dahingegen sind die Nachteile, die aus einem relativ unglücklich gewähltem Standort resultieren, z. B. erhöhte Kosten und somit schlechtere Wettbewerbssituation, gar nicht oder lediglich durch verstärkte Aktivitäten wettzumachen. Allzu große Standortnachteile jedoch sind nie zu kompensieren.4 Völlig unerheblich wäre für die Unternehmen die Wahl des optimalen Betriebsstandorts, wenn in der Realität • „natürliche Homogenität der Fläche • ökonomische Homogenität der Fläche • vollkommene Faktormobilität"5 vorherrschen würden. Da aber diese Kriterien in der Realität nicht zutreffen und zusätzlich • eine „räumliche Verteilung der natürlichen Ressourcen • interne und externe Agglomerationseffekte • Transportkosten • individuelle Präferenzen"6
'
2 5 4 5 6
LÜDER, K./KÜPPER, W. (1982), S. 2. Vgl. LÜDER, K./KÜPPER, W. (1982), S. 2. Vgl. VOLKHOLZ, K. (1975), S. 102 f. Vgl. OLBERT, G. (1976), S. 1 f. OLBERT, G. (1976), S. 1. OLBERT, G. (1976), S. 1.
12
Der Standortentscheidungsprozeß
gegeben sind, muß die Standortfrage für die Unternehmen gelöst werden. 2 Standort In der Literatur wird der Begriff Standort in zwei Richtungen definiert: In der engeren Auslegung wird die geographische Bedeutung des Ortsbegriffs als ein Punkt im Koordinatennetz der Erdoberfläche auf den Standortbegriff übertragen. Unter dem Standort eines Unternehmens wird somit diejenige räumliche Stätte bzw. der geographische Punkt7 verstanden, an dem ein Unternehmen produziert.8 Neben dieser absoluten geographischen Fixierung sollten aber vielmehr die vielschichtigen Beziehungen ausgedrückt werden, die zwischen dem Ort der (zukünftigen) Leistungserstellung und seiner wirtschaftlichen Umwelt bestehen. Aus dieser Perspektive heraus kann man in einer weiten Auslegung den Standort eines Unternehmens als jenes ,3eziehungsgefüge" bezeichnen, das zwischen dem Ort der Leistungserstellung durch das betroffene Unternehmen (Leistungsstätte) und dessen wirtschaftlich relevanten Umfeldgegebenheiten besteht.9 Das Aufgabenumfeld beinhaltet dabei als branchenspezifische Komponenten Lieferanten, Kunden und Wettbewerber. Anteilseigner und Kreditgeber sowie Staat und Öffentlichkeit zählen als regulative Gruppen zum erweiterten Aufgabenumfeld. Das Makroumfeld umfaßt dagegen die generellen Rahmenbedingungen, die eine technologische, ökonomische, gesellschaftliche, ökologische und rechtliche Ausprägung haben können.10 Diesem Beziehungsgefiige muß durch die Standortentscheidung Rechnung getragen werden. Dabei lassen sich die wirtschaftlich relevanten Umfeldgegebenheiten in lokale, kommunale, regionale, nationale sowie internationale aufspalten. Die (optimale) Bestimmung des Standorts ist Gegenstand des Standortentscheidungsprozesses.11
7
8 9 10
"
Umgesetzt ist dieser Gedanke im Standortbezug der EG-Öko-Audit-Verordnung (EMAS I). Der Standort ist demnach gemäß Artikel 2 (k) „Gelände, auf dem die unter der Kontrolle eines Unternehmens stehenden gewerblichen Tätigkeiten an einem bestimmten Standort durchgeführt werden, einschließlich damit verbundener oder zugehöriger Lagerung von Rohstoffen, Nebenprodukten, Zwischenprodukten, Endprodukten und Abfallen sowie der im Rahmen dieser Tätigkeiten genutzten beweglichen und unbeweglichen Sachen, die zur Ausstattung und Infrastruktur gehören." Vgl. EUROPÄISCHE WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT (EWG) (Hrsg.) (1993). Vgl. OLBERT, G. (1976), S. 7. Vgl. OLBERT, G. (1976), S. 7 f. Vgl. GÜNTHER, E. (1994), S. 24 f. Vgl. OLBERT, G. (1976), S. 9.
Der Standortentscheidungsprozeß
13
3 Darstellung des Standortentscheidungsprozesses 3.1 Standortentscheidung Unter dem Begriff Standortentscheidung ist die „bewußte - und nicht spontane, emotionale Auswahl einer Standortalternative aus mehreren, jedoch mindestens zwei wählbaren Standortalternativen zu verstehen"12. Eine Standortentscheidung stellt eine Führungsentscheidung des Unternehmens dar. Sie erfüllt nach GUTENBERG13 die Kriterien • „erhebliche Bedeutung für die Vermögens- und Ertragslage" und den Bestand des Unternehmens, • Entscheidungsfindung „aus Kenntnis des Unternehmenszusammenhangs", • „Nichtdelegierbarkeit der Finalentscheidung".14 Hinzu kommt, daß eine Standortentscheidung als konstitutiv bezeichnet werden muß, da sie15 • die Grundlage für weitere Entscheidungen des Unternehmens darstellt, • den Betriebszweck des Unternehmens für längere Zeit prägt und • nur schwer bzw. nur unter hohen Kosten zu revidieren ist16. Eine Standortentscheidung hat somit durch ihre längerfristige Ausrichtung strategischen Charakter;17 der ihr zugrunde liegende Planungshorizont erstreckt sich zumindest auf drei Jahre.1 Als weiteres charakteristisches Merkmal für die Standortentscheidung ist die Entscheidung unter Unsicherheit oder unvollkommener Information zu nennen: Die zukünftigen Entwicklungen der Standortalternativen sind in den seltensten Fällen mit Sicherheit oder einer hohen Wahrscheinlichkeit bekannt.19 3.2 Standortentscheidungsprozeß Da die Wahl des Standorts die Wesensmerkmale einer vorwiegend geistigen Tätigkeit erfüllt und die damit verbundenen Aufgaben insgesamt einen erheblichen Zeitaufwand erfordern, kann von einem Standortentscheidungsprozeß gesprochen
12 13 14 15 16 17 18
"
OLBERT, G. (1976), S. 9. Vgl. GUTENBERG, E. (1962), S. 59 ff. OLBERT, G. (1976), S. 9 f. Vgl. im Folgenden OLBERT, G. (1976), S. 10. Vgl. auch ECKHARDT, K. (1997), S. 463. Vgl. PRÄTORIUS, G. (1992), S. 147. Vgl. OLBERT, G. (1976), S. 10. Vgl. OLBERT, G. (1976), S. 10.
14
Der Standortentscheidungsprozeß
werden.20 Die Wahl eines Standorts ist somit als „Output eines Entscheidungsprozesses", und nicht als „punktueller Akt" zu sehen.21 Nach HEINEN kann der Prozeß der Standortentscheidung in einen Prozeß der Willensbildung und in einen Prozeß der Willensdurchsetzung unterteilt werden,22 wobei im Rahmen der Standortbestimmungslehre lediglich der Willensbildungsprozeß im Mittelpunkt steht. Grundsätzlich soll davon ausgegangen werden, daß dem Standortentscheidungsprozeß die Bestimmung des Leistungsprogramms, der Betriebsgröße sowie der Leistungsverfahren, die am Standort Anwendung finden sollen, vorausgegangen sind.23 Gesucht wird also der zukünftige Standort, an dem ein bereits festgelegtes Produktionsprogramm, ein spezielles Leistungsverfahren und eine geplante Betriebsgröße möglichst optimal bzw. zumindest zufriedenstellend verwirklicht werden können.24 Das nachfolgende Ablaufschema (s. Abb. 1) soll die wesentlichen Inhalte eines Standortentscheidungsprozesses widerspiegeln; dabei kann der Prozeß der Standortentscheidung durch eine anschließende Standortsteuerung und -kontrolle zu einem Standortentscheidungszyklus erweitert werden.25 Den Ausgangspunkt für die Standortentscheidung bildet die Festlegung eines Anforderungsprofils. Unter Standortanforderungen werden die Ansprüche des standortsuchenden Unternehmens verstanden, die an den potentiellen Standort gestellt werden, um das Produktionsvorhaben entsprechend den Zielvorstellungen des Unternehmens verwirklichen zu können. Die gesamten betrieblichen Ansprüche an den zukünftigen Unternehmensstandort können in einem Anforderungsprofil zusammengefaßt werden.26 Aus diesen Anforderungen wird anschließend ein Standortfaktorenkatalog abgeleitet, der die Zusammenstellung aller entscheidungsrelevanten Kriterien für die Standortwahl berücksichtigt. In nächsten Schritt sucht das Unternehmen entweder mit eigenen Mitarbeitern oder mit Unterstützung Dritter (z. B. Beratungsunternehmen) nach verschiedenen Standortalternativen.
20 21 22 23 24 25 26
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
OLBERT, G. (1976), S. 10 f. OLBERT, G. (1976), S. 11. HEINEN, E. (1971), S. 22 f. BEHRENS, K. C. (1971), S. 33. OLBERT, G. (1976), S. 12. GASSERT, H./HORVATH, P. (1995), S. 72. OLBERT, G. (1976), S. 16.
Der Standortentscheidungsprozeß
Abb. I:
15
Ablaufschema des Standortentscheidungsprozesses (in Anlehnung an: GASSERT, H./HORVATH, P. (1995), S. 72)
Jeder dieser Standorte wird einer Standortanalyse unterzogen. Dabei werden zunächst die Standortbedingungen, d. h. die „Gegebenheiten eines Standortes", die aufgrund der betrieblichen Ansprüche für das standortsuchende Unternehmen bedeutsam sind, analysiert. Die Summe der Standortbedingungen einer beliebigen Standortalternative wird als „ B e d i n g u n g s p r o f i l " bezeichnet. Wichtig dabei ist, daß die Standortbedingungen lediglich die räumlichen Eigenschaften meinen, die aufgrund der Standortanforderungen für das standortsuchende Unternehmen wesentlich sind, z. B. die Infrastruktur am Standort. Somit umfaßt das Bedingungsprofil nicht das gesamte „Zustandsbild" einer Standortalternative.27 Die Standortanalyse mündet in die eigentliche Phase der Standortentscheidung ein.
27
Vgl. O L B E R T , G. (1976), S. 17.
16
Der Standortentscheidungsprozeß
Grundsätzlich können beim Standortentscheidungsprozeß zwei Vorgehensweisen bzw. Ansätze unterschieden werden: 1. Der erste Ansatz versucht, die verschiedenen Arten von standortbestimmungsrelevanten Einflußgrößen, die vom Unternehmen bei der Standortentscheidung zu beachten sind, zu identifizieren. Diese Vorgehensweise wird der „Standortfaktorenlehre" zugeordnet. Einer der wichtigsten Vertreter dieser Richtung ist z. B. BEHRENS mit seiner grundlegenden Arbeit über die .Allgemeine Standortbestimmungslehre"28. Im Ablaufschema des Standortentscheidungsprozesses spiegelt sich dieser Ansatz in der Festlegung des Standortfaktorenkatalogs wider. 2. Der zweite Ansatz konzentriert sich auf die Erarbeitung von quantitativen Entscheidungsmethoden und -modellen zur Lösung der Standortwahl. Hierzu werden vereinfachende Prämissen bezüglich Zahl und Art der Einflußfaktoren (Standortfaktoren) getroffen, die natürlich den komplexen Tatsachen nicht entsprechen können.29 Im Ablaufschema des Standortentscheidungsprozesses wird diese Methode insbesondere bei der eigentlichen Standortentscheidung relevant.30 Der gesamte Standortentscheidungsprozeß gilt als abgeschlossen, wenn eine Alternative gefunden ist, deren Standortbedingungen die Standortanforderungen des planenden Unternehmens zumindest befriedigend erfüllen.31 Die Standortentscheidung wird somit als „Optimierungsproblem" verstanden, bei dem die Standortalternativen „hinsichtlich der Erfüllung der Untemehmensziele beurteilt, ausgewählt und kontrolliert werden"32. Zu bemerken ist, daß Standortentscheidungen häufig nur bei „akuten Engpaßsituationen"33 getroffen werden. Ein Grund hierfür ist, daß Standortprobleme oft nicht rechtzeitig als solche erkannt werden, sondern lediglich ihre Symptome (z. B. Absatzrückgang) wahrgenommen werden.34 Nach SALIN hängt dies mit einer sog. ,3eharrungstendenz der Unternehmen" zusammen: Sie äußert sich darin, daß Unternehmen zuerst versuchen, die „Rationalität des alten Standortes" zu wahren, d. h. eine Anpassung des Unternehmens an die veränderten Umfeldbedingungen bzw. auf der Mikro-Ebene eine (teilweise) Beeinflussimg der Umfeldbedingungen versuchen, bevor eine Standortveränderung angestrebt wird.35 28 29 30
31 32 33 34 35
Vgl. BEHRENS, K.C. (1971). Vgl. OLBERT, G. (1976), S. 4 f. Solche quantitativen Entscheidungsmethoden werden beispielhaft im Kapitel 3.4 dieses Artikels vorgestellt. Vgl. OLBERT, G. (1976), S. 16. GASSERT, H./HORVATH, P. (1995), S. 72. PRÄTORIUS, G. (1992), S. 147. Vgl. PRÄTORIUS, G. (1992), S. 147. Vgl. PRÄTORIUS, G. (1992), S. 148.
Der Standortentscheidungsprozeß
17
Gemäß der beiden, bereits vorgestellten prinzipiellen Ansätze (Standortfaktorenlehre und Erarbeitung von quantitativen Entscheidungsmethoden) sollen zuerst verschiedene Typologisierungen von Standortfaktoren vorgestellt werden, bevor auf Verfahren der betrieblichen Standortplanung eingegangen wird.36 3.3 Standortfaktoren 3.3.1
Typologisierungen von Standortfaktoren
Systematisierung nach
WEBER
Der Begriff Standortfaktor kann auf W E B E R (1909) zurückgeführt werden. Dieser definiert einen Standortfaktor als „einen seiner Art nach scharf abgegrenzten Vorteil, der für eine wirtschaftliche Tätigkeit dann eintritt, wenn sie sich an einem bestimmten Ort oder auch generell an Plätzen bestimmter Art vollzieht"37. Standortfaktoren sind demnach die „Merkmale eines geographischen Ortes", die diesen für „die Durchführung einer industriellen Produktion attraktiv machen"38. Diese Definition von Standortfaktoren als generelle „wirtschaftliche Vorteile" wird aber von WEBER auf Kostenvorteile eingeengt. Alle Einflüsse, die ein bestimmter potentieller Standort auf die Absatzlage ausüben kann, werden von ihm von vornherein nicht berücksichtigt.39 Der optimale Standort ist somit nach WEBER derjenige, bei dem die geringsten Kosten anfallen. WEBER
schlägt die folgende Systematisierung der Standortfaktoren vor:
1. „nach dem Umfang ihrer Geltung" in a) „generelle Standortfaktoren, die für jede industrielle Produktion mehr oder weniger von Bedeutung sind" (z. B. Höhe der Grundrechte, Arbeitskosten), und b) „spezielle Standortfaktoren, die nur bei bestimmten Industriezweigen ins Gewicht fallen" (z. B. klimatische und geologische Bedingungen);
36 37 38 39
Vgl. Kapitel 3.4 dieses Artikels. WEBER, A. (1909), S. 16. Vgl. BEHRENS, K. C. (1971), S. 7. Vgl. BEHRENS, K. C. (1971), S. 7.
18
Der Standortentscheidungsprozeß
2. nach ihrer räumlichen Wirkung" in a) „Regionalfaktoren", die die Betriebe an geographisch konkrete Punkte binden (z. B. RohstoffVorkommen), b) „Agglomerativfaktoren", die zu einer räumlichen Konzentration der Unternehmen fuhren (z. B. erhöhter Bedarf in Ballungsgebieten), und c) „Deglomerativfaktoren", die räumlich dezentralisierend wirken (z. B. Lohnkostenvorteile); 3. „nach Art ihrer Beschaffenheit in" a) „natürlich-technische Standortfaktoren" (z. B. klimatische und geographische Bedingungen), und b) „gesellschaftlich-kulturelle Standortfaktoren" (z. B. Kulturangebot," regionale Unterschiede des Zinsniveaus").40 Bezüglich der Ableitung seiner Standorttheorie nimmt WEBER jedoch einen Ausschluß der speziellen und die gesellschaftlich-kulturellen Standortfaktoren vor.41 Systematisierung nach
BEHRENS
Eine weitere bedeutsame Systematisierung wird von BEHRENS (1971) in seiner Arbeit „Allgemeine Standortbestimmungslehre" vorgenommen.42 Er unterteilt die Standortfaktoren in die beiden großen Bereiche • Gütereinsatz und Standort: Beschaffung und Fertigung (kostenwirksame Faktoren) sowie • Absatz und Standort (erlöswirksame Faktoren). Zu den kostenwirksamen Standortfaktoren zählt er im einzelnen: • Faktoren des externen Gütereinsatzes (Beschaffung) a) Beschaffungspotential, d. h. die Möglichkeit, den Bedarf an Beschaffungsgütern zufriedenstellend zu decken. Dazu gehören als Faktoren im einzelnen: Betriebsraum, Anlagegüter, Arbeitsleistungen, Fremddienste, Materialien und Waren, Kredite, Leistungen der Gebietskörperschaften. b) Beschaffungskontakte, die z. B. über Vermittlung der Wirtschaftsbehörden und -verbände entstehen.
40 41 42
Vgl. die Darstellung bei BEHRENS, K. C. (1971), S. 7 f., sowie WEBER, A. (1909), S. 16. Vgl. BEHRENS, K . C . (1971), S. 8. Vgl. BEHRENS, K . C . (1971), S. 47 ff.
Der Standortentscheidungsprozeß
19
• Faktoren des internen Gütereinsatzes (Fertigung) Standortfaktoren, die die Produktion beeinflussen, sind die geologischen Bedingungen, die klimatischen Verhältnisse sowie die technische Agglomeration. Die erlöswirksamen Standortfaktoren werden analog zu den kostenwirksamen unterteilt in: • Absatzpotential, wozu der Bedarf, die Kaufkraft, die Absatzkonkurrenz, die Absatzagglomeration, der Herkunfts-Goodwill sowie staatliche Absatzhilfen gerechnet werden, und • Absatzkontakte, die z. B. durch Makler und Werbeagenturen aufgebaut werden können. orientiert sich bei seiner Standortbeurteilung am Rentabilitätsgrad;43 je höher die Rentabilität eines Standortes ist, umso günstiger fallt die Bewertung aus. BEHRENS
Systematisierung nach
KATONA/MORGAN
Als weitere Systematisierungsmöglichkeit soll die Unterteilung der Standortfaktoren nach KATONA und M O R G A N (1952) erwähnt werden.44 Sie unterscheiden die Standortfaktoren in • Pull-Faktoren, die bewirken, daß ein (neuer) Standort für ein Unternehmen attraktiv erscheint, und in • Push-Faktoren, die ein Unternehmen zur Aufgabe eines (bisherigen) Standortes veranlassen. Für die Standortwahl sind primär die Pull-Faktoren - im Vergleich zu den PushFaktoren - ausschlaggebend. Die Push-Faktoren gewinnen hauptsächlich in Großstädten und Ballungsgebieten an Bedeutung.45 Systematisierung im World Competitiveness Report Da die Attraktivität eines Standortes zunehmend vom internationalen Kontext abhängt, kann der „World Competitiveness Report" 46, der die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes bestimmt, einen guten Anhaltspunkt für die unternehmerische Standortentscheidung bieten. Jährlich werden 49 Länder (25 OECD-Länder und 24 Schwellenländer) gemäß den acht Standortfaktoren
43 44 45 46
Vgl. BEHRENS, K.C. (1971), S. 48. Vgl. KATONA, G./MORGAN, J. N. (1952), S. 82, sowie die Darstellung bei KAISER, K.-H. (1979), S. 33 f. Vgl. KAISER, K.-H. (1979), S. 34. INSTITUTE FOR MANAGEMENT DEVELOPMENT (Hrsg.) ( 1995).
20
Der Standortentscheidungsprozeß
• Domestic Economy, • Internationalization, • Government, • Finance, • Infrastructure, • Management, • Science and Technology, • People beurteilt. Diese werden in 378 Einzelkriterien nochmals untergliedert, wobei sowohl „harte", d. h. statistische Daten, als auch „weiche" Informationen, z. B. über Befragungen, in das Untersuchungsdesign einfließen. Unabhängig von der gewählten Systematisierung erfordert eine umfassende Analyse eine Unterscheidung nach der Art der Verfügbarkeit der Informationen. Hier werden zum einen qualitative und quantitative und zum anderen weiche und harte Standortfaktoren unterschieden. 3.3.2
Qualitative und quantitative Standortfaktoren
(1960) unterteilt die Menge aller möglichen Standortfaktoren in sog. quantitative und qualitative Standortfaktoren.47 Unter den quantitativen Faktoren werden dabei alle kosten- und erlöswirksame Faktoren gefaßt, d. h. alle direkt meßbaren Einflußgrößen, wie z. B. Personal-, Beschaffungs- und Transportkosten sowie staatliche Fördermaßnahmen und Absatzerlöse. Qualitative Standortfaktoren dagegen sind nicht direkt quantifizierbar und müssen durch das Unternehmen bewertet werden. Die Gewichtung und Bewertung der qualitativen Faktoren ist dabei keineswegs objektiv; es fließen vielmehr diverse subjektive und persönliche Einschätzungen und Werthaltungen der Entscheidungsträger im Unternehmen ein. Beispiele für qualitative Standortfaktoren sind die Qualifikation des Arbeitskräftepotentials, die Infrastruktur oder die Absatzmöglichkeiten des Standortes. MEYER
Eine Standortentscheidung sollte somit keinesfalls nur auf Basis einer reinen Kosten- und Erlösbetrachtung erfolgen. Die Folge davon wäre eine unvollständige Standortanalyse, die falsche Ergebnisse liefern würde. Die quantitativen und qualitativen Faktoren sind parallel zu berücksichtigen.48 Dabei kann gerade die Beachtung qualitativer Faktoren bei einer Standortentscheidung ein auf der Basis monetärer Größen getroffenes Ergebnis durchaus in Frage stellen. 47 48
Vgl. MEYER, W. (i960), S. 95, sowie HANSMANN, K.-W. (1987), S. 71. Vgl. PRÄTORIUS, G. (1992), S. 147 f.
Der
Standortentscheidungsprozeß
3.3.3
Harte und weiche Standortfaktoren
21
Die Einteilung in „harte" und „weiche" Standortfaktoren bestimmt sich nach dem Kriterium der „Rechenbarkeit" 49 : Unter harten Faktoren werden ökonomische, unter weichen Faktoren dementsprechend nicht-ökonomische Standortfaktoren verstanden. Allerdings ist eine trennscharfe und eindeutige Bestimmung eines Faktors als harter bzw. weicher Standortfaktor nicht möglich, da es zwischen harten und weichen Faktoren keine generellen, sondern lediglich graduelle Unterschiede gibt. 50 Hinzu kommt, daß sich harte und weiche Standortfaktoren gegenseitig beeinflussen und nicht getrennt betrachtet werden können. Ein Unternehmen entscheidet sich somit in der Regel für den Standort, der einen - für das Unternehmen - optimalen „Kompromiß aus guten und weniger zufriedenstellenden" 51 harten und weichen Standortfaktoren darstellt. Schlecht quantifizierbar, subjektive Einschatzungen sind ma ßgeblich
Mentalität der Bevölkerung/ Arbeitseinstellung
Image als Wirtschaftsstandort
.Unternehmensfreundlichkeit" der V e r w a l t u n g
Quantifizierbarkeit und B e d e u t u n g subjektiver Einschätzungen
Soziales Klima
W eiche Faktoren Freizeitwert
Harte Faktoren
Stadtbild/ Innenstadtattraktivität
Verwaltungshan deln/-flexibilität> -Schnelligkeit Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitnehm er
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Verkehrsanbindung Steuern/ Abgaben/ Subventionen Gut quantifizierbar, große Relevanz von Fakten
Flächenverfügbarkeit
Ummittelbare Relevanz
Abb. 2:
berufliche Ausbildungseinrichtungen regionaler Absatzmarkt
Kulturangebot
Forschungseinrichtungen, wissenschaftliche Kooperationsmöglichkeiten
R e l e v a n z für die Betriebsoder U n t e r n e h m e n s t ä t i g keit
Kontinuum der harten und weichen Standortfaktoren (Quelle: GRABOW, B./HENCKEL, D./HOLLBACH-GRÖMIG,
Keine direkte, nur mittelbare Relevanz
B. u. a. (1995), S. 65)
Als wichtigste harte Standortfaktoren können Lohnkosten, Grundstücks- und Gebäudekosten, Material-, Energiekosten, Steuern und Abgaben, Subventionen sowie 49 50 51
DILLER, C. (1991), S. 28. Vgl. DILLER, C. (1991), S. 29. GRABOW, B./HENCKEL, D./HOLLBACH-GRÖMIG, B. u. a. (1995), S. 72.
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Der Standortentscheidungsprozeß
Absatzkosten und -erlöse genannt werden. Bei den weichen Standortfaktoren spielen insbesondere das politische und ökonomische Klima einer Stadt bzw. Region sowie der Wohn- und Freizeitwert für die qualifizierten Arbeitskräfte eine Rolle (s. Abb. 2).52 3.4 Verfahren der betrieblichen Standortplanung Der zweite Ansatz innerhalb des Standortentscheidungsprozesses orientiert sich an Verfahren, mit Hilfe derer die Standortentscheidung vorbereitet werden soll. Diese gehen davon aus, daß sich das betriebliche Standortproblem durch • mehrere Standortalternativen, • mindestens einen Standortfaktor und • die Suche nach dem günstigsten Erfüllungsgrad auszeichnet.53 Für die geeignete Positionierung eines Betriebes stehen dabei verschiedene Verfahren zur Verfügung.54 Die Vorgehensweise bei der Anwendung der gängigsten Verfahren sowie deren Vor- und Nachteile sind in Abbildung 3 dargestellt. Neben den bereits oben genannten Standortentscheidungsmodellen (ein- und zweidimensionales quantitatives Verfahren), für die „harte", d. h. quantifizierbare Faktoren (Kosten- und Erlösgrößen) notwendig sind, kommen des weiteren Instrumente der Investitionsrechnung, z. B. Kapitalwert- oder Annuitätenmethode, in Betracht.55 Bei diesen Verfahren wird die Standortentscheidung als „langfristige Investitionsentscheidung geprägt von den Erwartungen (der Investoren, Anmerkung der Verfasser) über die Rentabilität dieser Investitionen"56 begriffen. Da Standortentscheidungen auch immer Entscheidungen unter Unsicherheit darstellen, kann zusätzlich - zur Bewältigung der unvollkommenen Informationen - das Instrument der Sensitivitätsanalyse eingesetzt werden.57
52 53 54 55
56 57
Vgl. DILLER, C. (1991), S. 26 ff. Vgl. HELLMIG,G.(1991), S. 35 f. Vgl. HELLMIG,G.(1991),S.35f. Vgl. PRÄTORIUS, G. (1992), S. 146. Als Kosten fließen hierbei die standortabhängigen Kosten ein. Vgl. auch ECKHARDT, K. (1997), S. 464. ECKHARDT, K. (1997), S. 464. Vgl. GASSERT, H./HORVATH, P. (1995), S. 74.
Der Standortentscheidungsprozeß
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Der Standortentscheidungsprozeß
4 Umweltschutz als Standortfaktor Wird nun der Umweltschutz als Standortfaktor in den Standortentscheidungsprozeß aufgenommen, so kann dies Konsequenzen für jeden der bereits aufgezeigten Schritte haben. Die Ökologieorientierung eines Unternehmen beeinflußt im besonderen das Anforderungsprofil, das an einen Standort gestellt wird. Hier ist beispielsweise die Existenz eines funktionierenden Sekundärrohstoffinarktes für ein Unternehmen, das Zeitungspapier ausschließlich auf Altpapierbasis produziert, zu nennen. Abgeleitet aus dem Anforderungsprofil kann sich durch die Berücksichtigung des Umweltschutzes durchaus eine Veränderung bisheriger Standortfaktoren ergeben (z. B. Kostenstrukturen). Darüber hinaus kann aber auch eine Erweiterung des Standortfaktorenkatalogs erforderlich werden (z. B. das Vorliegen eines bestimmten Stands der Umwelttechnik). Die eigentliche Suche nach Standortalternativen orientiert sich an dem Standortfaktorenkatalog und erfordert daher methodisch keine Änderung bei einer zusätzlichen Berücksichtigung von Umweltaspekten. Bei der Standortanalyse wird die Vorgehensweise methodisch ebenfalls nicht verändert, allerdings ergeben sich durch die Ökologieorientierung eines Unternehmens Verschiebungen in den Schwerpunkten der Analyse. Die Bedeutung des Umweltschutzes bei der eigentlichen Standortentscheidung hängt schließlich davon ab, ob der Umweltschutz auf oberster Unternehmensebene verankert ist und die Ergebnisse der Standortanalyse auch entsprechend in die Entscheidung einfließen. Aufgrund subjektiver Betroffenheit der Entscheidungsträger kann der Umweltschutz bei der eigentlichen Entscheidung sogar sehr stark bewertet werden.58 Nun stellt sich allerdings die Frage, aufweiche Art und Weise der Umweltschutz in die einzelnen Stufen des Standortentscheidungsprozesses Eingang finden kann. Hierzu ist folgende Vorgehensweise zielführend: Für das Anforderungsprofil können drei Analyseebenen unterschieden werden (Auswirkungen des Umweltschutzes auf das Anforderungsprofil): Zunächst ist die Frage zu beantworten, warum der Umweltschutz in unternehmerische Entscheidungen Eingang finden soll (Analyse des Unternehmensumfeldes). In einem zweiten Schritt soll aufgezeigt werden, wie ein Unternehmen in allen Funktionsbereichen ökologieorientiert handeln kann (Analyse der Funktionsbereiche des Unternehmens). Schließlich müssen Standortentscheidungen immer im Einklang mit dem betriebswirtschaftlichen Zielkatalog eines Unternehmens stehen; somit sind die Auswirkungen des Umweltschutzes auf die Unternehmensziele, und hierbei insbesondere auf die Formalziele Erfolgspotential, Erfolg und Liquidität, zu untersuchen (Analyse der Unternehmensziele).
58
Vgl. GÜNTHER, E. (1994), S. 64 ff.
Der Standortentscheidungsprozeß
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Bei der Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten im Rahmen der Erstellung des Standortfaktorenkatalogs zeigt sich, daß Umweltschutz sowohl als Pull- als auch als Push-Faktor wirken kann (Auswirkungen des Umweltschutzes auf den Standortfaktorenkatalog). Im Rahmen der Standortanalyse ist zu untersuchen, inwieweit Umweltschutzaspekte auf die Ziele und die Restriktionen des Standortentscheidungsprozesses wirken (Auswirkungen des Umweltschutzes auf die Standortanalyse). 4.1 Auswirkungen des Umweltschutzes auf das Anforderungsprofil 4.1.1 Analyse des Unternehmensumfeldes Es ist üblich, im Hinblick auf eine strategische Entscheidung, wie sie auch am Ende eines Standortentscheidungsprozesses steht, das Unternehmen im Kontext seines aufgabenspezifischen und globalen Umfeldes zu analysieren (s. Abb. 4).59 Für ökologieorientierte Entscheidungen ist der Einfluß der Anspruchsgruppen auszuloten, die umweltschutzbezogene Forderungen an das Unternehmen herantragen. Das globale Umfeld (Makroumfeld) setzt die Rahmenbedingungen rechtlicher, ökonomischer, technologischer, gesellschaftlicher und ökologischer Art. Das aufgabenspezifische Umfeld ist wesentlich durch die verschiedenen Märkte beschrieben, mit denen das Unternehmen in Transaktionen steht, wie Kapitalmarkt, Absatzmarkt und Beschaffungsmarkt. Nach dem Stakeholder-Approach von F R E E M A N sind dazu vor allem Anspruchsgruppen wie Kunden, Lieferanten, Wettbewerber, Anteilseigner sowie Kreditgeber zu zählen.60 Ihre Ansprüche beeinflussen die unternehmerischen Entscheidungen, wobei nach F R E E M A N dem betrieblichen Management die Aufgabe zukommt, die Interessengegensätze zwischen Unternehmen und Stakeholdern auszugleichen. „Die unternehmerische Zielfunktion spiegelt dann den auf Verhandlungsbasis getroffenen Konsens und die erzielte Machtverteilung wider."61
59 60
"
Vgl. FREEMAN, R. E. (1984), S. 25. Vgl. FREEMAN, R. E. (1984), S. 25. GÜNTHER, E./WITTMANN, R./STURM, A. (1997), S. 185.
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Der Standortentscheidungsprozeß
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