Ueber Bilder und Gleichnisse in der Philosophie: Eine Festschrift [Reprint 2021 ed.] 9783112507988, 9783112507971


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Ueber Bilder und Gleichnisse in der Philosophie: Eine Festschrift [Reprint 2021 ed.]
 9783112507988, 9783112507971

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r Ueber

Bilder und Gleichnisse in der Philosophie.

Eine Festschrift von

Rudolf Eucken, Professor in Jena.

Leipzig, Verlag von Veit & Comp. 1880.

Sr. Excellenz

Herrn wirklichen geheimen Rath

Dr. Seebeck an seinem 75. Aebnvtstage den 8. Januar 1880 in herzlicher und dankbarer Verehrung

überreicht.

Eingestreut unter die philosophische Darstellung finden wir

mehr oder weniger bei allen Denkern Bilder, die sich oft zu entwickelteren Gleichnissen ausspinnen: Vorgänge der an­

schaulichen Welt werden herangezogen, um dem begrifflichen Inhalt irgend welche Unterstützung zu gewähren.

Oft scheinen

solche Bilder ein bloßer Schmuck, den die aus dem Vollen

schaffende Thätigkeit absichtslos wie im Spiel hervorbringt; manchmal tragen sie ein lehrhaftes Gepräge, indem sie dem Draußenstehenden das Verständniß dessen erleichtern sollen, worauf es dem Philosophen ankommt; nicht selten aber auch

treten sie in eine engere Verbindung mit dem Gedanken, indem sie ihn in seinem Aufstreben fördern und zu der Art seiner Ge­

staltung beitragen.

An solchen Bildern geht man gewöhnlich

achtlos vorüber, und wenn ein einzelnes hie und da die Auf­ merksamkeit fesseln möchte, so erscheint das leicht als Abkehr

von der Hauptsache, und wie von einer Verirrung ruft die philo­

sophische Aufgabe das Interesse zu sich zurück.

Und doch ist

vielleicht der Gegenstand einer etwas hingehenderen Betrachtung nicht unwerH, wenn wir nur das -Zerstreute verbinden und in seine Zusammenhänge verfolgen. Denn es könnte sein, daß sich

alsdann sowohl in Art und Eigenthümlichkeit der einzelnen

Denker manche Einsichten ergäben, als auch die Erörterung des Verhältnisses der Bilder zum Gedankeninhalt sich als nicht unwichtig herausstellte.

Mit solcher Untersuchung wenden wir uns namentlich an Diejenigen, welche es nicht für verlorene Mühe halten, ein

wenig Beachtetes, möge es für sich noch so gering sein, in die wissenschaftliche Erörterung aufzunehmen,

und wenn unsere

Sache überhaupt des Schutzes eines Namens bedürfte, so würden wir uns getrost auf einen Leibnitz berufen, der nicht nur

überhaupt die Bedeutung des Kleinen vertheidigte, sondern der auch gerade für unseren Gegenstand mehrfach die lebhafteste

Theilnahme bezeigt hat.

So treten wir denn ohne Zaudern

in die Untersuchung ein.

Als Beitrag zur Charakteristik der Denker sind die Bilder

namentlich deswegen von Werth, weil sie uns dieselben von einer ganz anderen Seite zeigen,

als es die streng wissen­

schaftliche Darlegung thut. Die rein menschliche Art, die Eigen­

thümlichkeit der Empfindung und Anschauung, die Berührung mit den verschiedenen Lebensgebieten und manches andere ge­ langt hier zu sichtbarem Ausdruck.

unwesentlich

für

Und das ist doch nicht

das Gesammtverständniß der Philosophen.

Wer möchte z. B.- in der Vorstellung Plato's die Züge

missen, welche durch seine Bilder und Gleichnisse eingefügt werden?

Aber sofort stellt sich uns eine Einwendung ent­

gegen: eine derartige Betrachtung kann sich leicht in's Anek­ dotenhafte verlieren, davon aber haben wir auch in der Wissen­

schaft heute mehr als genug.

Indessen trifft solcher Vorwurf

die Behandlung, nicht die Sache.

Es ist zu verlangen, daß

alles Einzelne mit der Gesammtheit in Verbindung gebracht

und in seiner Beziehung zur geistigen Eigenthümlichkeit und zur Denkarbeit des Philosophen ergriffen werde.

Wird es in

dieser Weise verstanden, so ist nicht zu befürchten, daß es zer­

streue und von dem Ernst wissenschaftlicher Forschung ablenke.

Jedoch indem wir der einen Gefahr ausweichen, verfallen wir

vielleicht der anderen.

Ein leicht Hingeworfenes nehmen wir

zu schwer und folgern aus dem,

was flüchtiges Spiel sein

sollte, in logischer Verkettung viel zu viel.

Pedantisch in der

Behandlung, verfallen wir der Sache nach in immer weitere Mißgriffe und rufen schließlich sowohl den Geschmack als den

Wahrheitssinn gegen uns auf.

Giebt es ein sicheres Mittel,

zwischen solcher Scylla und Charybdis hindurchzusteuern? Wir

wollen das nicht erörtern und überhaupt keiner lehrhaften Anweisungen uns erkühnen:

was uns an der Aufgabe fest­

halten ließ, war Dieses, daß die eigenthümliche Natur wirk­

lich großer Denker uns einen einigermaßen sicheren Boden zu verbürgen schien. wahrer Größe:

Denn solche Männer werden die Merkmale

Ehrlichkeit und Einfachheit auch an dieser

Stelle bekunden, sie werden, ganz von der zwingenden Kraft der Sache erfüllt, nichts dem Gedanken hinzufügen, was ihnen nicht aus innerster Nothwendigkeit erwüchse.

Wenn sie aber

demnach auch hier nicht für Andere, sondern für sich selber schaffen und auch in den Bildern ihr Wesen und ihre Eigen­ art vertreten, so wird sich von ihren Aeußerungen mit einigem Recht und einiger Sicherheit auf das Innere zurückschließen

lassen. Zunächst mag man fragen, ob sich bei einem Denker Bilder überhaupt oft oder selten finden.

was ja selbstverständlich,

Nicht nur die Individuen,

sondern auch ganze Zeiten weichen

hier erheblich von einander ab, und solcher Unterschied der Zeiten darf als charakteristisch für die jeweilige Art der For­ schung gelten.

Bei allen Philosophen der Uebergangszeit (von

Nicolaus dem Cusaner bis zu Baco), welche auf ein posi­

tives Schaffen ausgehen, finden wir eine Fülle, oft eine Häu­ fung von Bildern.

Das Denken bewegt sich um Bilder und Zwischen den verschiedenen

wird selten ganz frei Von ihnen.

Richtungen läßt sich kaum ein Unterschied entdecken.

cartes ändert sich die Sachlage vollständig.

Bei Des­

Hatte bis dahin

die Bewegung etwas jugendlich Begeistertes, so scheint nun der

Gedanke in das Stadium männlicher Reife zu treten.

überflüssige Schmuck wird abgelegt,

Aller

nicht zu voller Klarheit

Durchgedrungenes vermieden; die Darstellung geht darin auf,

dem begrifflichen Gehalt zu dienen,

der schlichteste Ausdruck

gilt als kürzester Weg für das Beste.

Aehnliches läßt sich von

den Nachfolgern des Descartes behaupten, am meisten von Spinoza, dessen Grundlehren doch Veranschaulichungen aus

der sichtbaren Welt wie herbeizurufen scheinen, und dessen An­

hänger solchen Vortheil reichlich zur Verwendung gebracht haben. Einzig Leibnitz macht hier eine Ausnahme, aber wie sehr er

in der Art der Bilder ein Kind seiner Zeit bleibt, davon wer­

den wir uns bald überzeugen. Im allgemeinen wird man sagen dürfen, daß Häufung von Bildern einen Zwiespalt oder doch eine Unangemessenheit von Inhalt und Form anzeigt, sei es daß der Gedanke einen

entsprechenden Ausdruck noch nicht, sei es daß er ihn nicht mehr finden kann.

Jenes war der Fall im Uebergange zur Neuzeit,

dieses im sinkenden Alterthum.

Daß so aber nicht nur die

Zeiten, sondern auch die durchgehenden Hauptrichtungen vvn

einander abweichen, daran brauchen wir nur zu erinnern.

Je

weiter sich das Denken von der unmittelbaren Welt entfernt,

desto größer wird im allgemeinen das Bedürfniß, wieder eine Art von Verbindung herzustellen.

Bei den einzelnen Philo­

sophen wird daher zwischen einem individuellen und einem

universellen Faetor zu unterscheiden sein. Des weiteren aber kommt es darauf an, wie das Bild beim Einzelnen oder in einer ganzen Epoche zum Gedanken

steht, und was es für ihn leistet.

Namentlich wird das einen

Unterschied machen, ob es darin aufgehe, ihm, sei es veran­ schaulichend,

sei es aufklärend, zu dienen,

oder ob es mit­

bestimmend in seine Gestaltung eingreife.

Auch die Ausführung

des Bildes wird den Gegensatz zeigen,

daß es einmal durch

die Beziehung auf den Gedankeninhalt begrenzt, Mal darüber hinaus weiter entwickelt wird.

ein anderes

In Zusammen­

hang damit steht, daß es oft in dem Augenblick des Auftretens abgeschlossen wird und nun die Aufmerksamkeit nicht länger

beschäftigt, während es nicht selten noch lange nachklingt und das Denken zu sich hinzieht.

Beachtet man solche Verschiedenheiten, so kann man in

der Art der Bilder die großen Wendungen des Gedankens sich bezeugen sehen.

So z.

B. in der griechischen Philosophie.

Zuerst eilt das Bild dem Begriff oft voraus, aber nicht um seinen Platz einzunehmen und ihm den Weg zu versperren,

sondern als Pfadfinder und Bahnbrecher, die Phantasie erweist sich hier als Hebeamme des Gedankens.

Auf der Höhe grie­

chischer Entwickelung ist die Selbständigkeit des Begriffes ge­

sichert, aber wie verschieden sind wieder Plato und Aristo­ teles?

Bei Plato sind die Bilder eng mit dem Gedanken-

Proceß verflochten, das anschauliche Sein ist jederzeit gegen­

wärtig, um dem Begrifflichen einen Widerschein zu geben, meist

in flüchtiger Berührung eines vorübereilenden Bildes, oft aber auch in liebevoller Ausmalung von Gleichnissen, die eine ganze

Welt von Stimmungen wecken und die lange fortwirken.

Auch

Aristoteles verwendet mehr Gleichnisse als ihm diejenigen zutrauen dürften,

welche in ihm vorwiegend einen nüchternen

Verstandesmenschen erblicken, immer

aber

es find diese Gleichnisse

nur skizzirt und stets dem Gedanken streng unter­

geordnet.

Zum Gesammtcharakter der aristotelischen Philosophie

tragen sie daher wenig bei, aber an den einzelnen Punkten er­

weisen sie sich

bei schlichter Sachgemäßheit und genauestem

Zutreffen als sehr wirksam.

Ein schiefes oder unklares Bild

findet sich bei diesem Philosophen nicht. Bei den Stoikern ist ein Sinken unverkennbar.

Hier

entspringt das Bild sorgfältig berechnender Erwägung, und es

wird dem Gedanken nur äußerlich angehängt, zum Zweck, ihn

dem Ausnehmenden verständlicher, man möchte sagen: mund­

gerechter zu machen.

Einzelne Gleichnisse verfestigen sich und

gehen wie Losungsworte von Geschlecht zu Geschlecht. Die Neuplatoniker, vor allem Plotin, bekunden wieder eine größere Art, aber nun entsteht die Gefahr, daß das Bild­

liche

übermächtig werde und die begriffliche Arbeit geradezu

unterdrücke.

Das Denken scheint nicht mehr die Kraft zu

finden und auch nicht mehr das Interesse zu besitzen, das inner­ lich Ergriffene bis zu vollendeter Klarheit der Form durchzu­

bilden, und leicht bleibt, namentlich bei den Späteren, die Er­ kenntniß beim Gleichnisse stehen.

Aber bei aller Abweichung der Epochen und Persönlich-

feiten tritt das Verschiedene doch zu einer gewissen Gemeinsam­ keit zusammen, sobald wir einen specifisch modernen Philosophen daneben betrachten. Leibnitz z. B. verwendet Gleichnisse mit Vorliebe und spinnt sie ost weit aus. Ihm aber dienen sie dazu, seine Gedanken lehrend zu verdeutlichen und auseinanderzusetzen, nicht nur, und nicht einmal in erster Linie, andern gegenüber, sondern zunächst für ihn selber. Denn es ist für ihn die ganze Philosophie ein Deutlichmachen des Verworrenen, ein Aufsteigen zu immer größerer Klarheit; die Ausgabe ist vornehmlich, das im Ganzen schon Vorhandene zu entwickeln, das scheinbar Fremde als ein Bekanntes zu erweisen. Ein Mittel dazu ist nun Veranschaulichung, Aufklärung durch Bilder; dieselben sind so­ mit allererst durch das begrifflich logische Interesse hervorgerufen und beherrscht. Daher zeigen sie viel Klugheit und Scharf­ sinn, aber zugleich recht viel Nüchternheit; indessen hängt das, was zunächst als ein künstliches erscheinen mag, so eng mit der Natur und der Größe des Mannes zusammen, daß es nicht ein äußerlich hinzutretendes und auf die Wirkung be­ rechnetes gescholten werden darf. Wie aber die Stellung des Bildes zum Gedanken, so kann auch manches andere an ihm uns die Eigenthümlichkeit der Philosophen zu erkennen geben. Bei der Ueberfülle des Stoffes beschränken wir uns aber darauf, ein einzelnes auszuwählen: den Inhalt der einzelnen Bilder, die Gebiete, denen dieselben entlehnt sind. Manche Verhältnisse der anschaulichen Welt liegen freilich allen Menschen so gleichmäßig nahe, daß ihre Beachtung und Verwendung den einzelnen nicht kennzeichnen kann, aber daneben gibt es sehr vieles, das eine specifische Richtung der Aufmerksamkeit, sowie ein Vertrautsein mit be-

V

sonderen Gebieten verräth.

Dies ein wenig näher zu verfolgen,

hat namentlich für diejenigen Interesse, welche mit uns der Ueberzeugung sind, daß Art und Inhalt des Denkens auf der

Bestimmtheit des gesummten geistigen Lebens beruhe.

Denn

alsdann gewinnt alles, was zur Erfassung dieser Bestimmt­ heit beitragen kann, auch für die Philosophie Bedeutung.

Für solche Aufgabe aber ist es von Belang,

auch die

Gegenstände und Probleme zu beachten, für welche eine Ver­

wendung von Gleichnissen eintritt.

Man wird von vorn herein

vermuthen dürfen, daß namentlich dasjenige zur sinnlichen Ver­

anschaulichung drängt, was dem Philosophen vor anderem wichtig

ist,

und wenn wir gar wahrnehmen,

daß einzelne Gedanken

oft und auf den mannigfachsten Gebieten einen bildlichen Aus­

druck finden, so hoben wir darin ein deutliches Zeichen, was

den Geist vornehmlich fesselt.

erfüllt und sein Sinnen und Trachten

Denn um in dem Aeußern überall Bilder einer Ge­

dankenwelt zu entdecken,

sein;

muß man von dieser ganz ergrifferr

nur insofern verwandelt sich das Sinnliche wahrhaft in

ein Geistiges, als der Forscher mit mächtigem und ausgepräg­

tem Inhalt an die Erscheinung herantritt.

Wenden wir uns nach solchen Vorbemerkungen nunmehr dem Gegenstände selber zu, so gewahren wir zunächst manche

Unterschiede allgemeinerer Art.

Die einen halten sich bei der

Wahl der Gleichnisse innerhalb geschlossener Gebiete, während andere sich über das ganze Reich des Sichtbaren ausbreiten;

die einen lassen gern das Alltägliche hinter sich, einem Edlen und Hohen, andere verstehen

um sich zu

wenn auch Fernen aufzuschwingen,

eben das

Nächstliegende zu durchgeistigen;

manche kehren zu dem einmal verwandten Bild gern zurück,

r andere bleiben immer neu.

Bei Aristoteles und bei Kant

finden wir die Wiederholung eines Gleichnisses ebenso selten, wie sie bei Plotin und bei Leibnitz häufig ist.

Solches

Wiederkehren von Bildern bekundet, daß sie innerlich beharren

und fortwährend dem Denken gegenwärtig bleiben, womit na­ türlich nicht unerhebliche Gefahren entstehen.

Um nun aber über eine blos hinauszukommen,

wir zu

wählen

allgemeine Betrachtung näherem Eingehen

Männer, die oft zusammengestellt werden:

zwei

Aristoteles und

Leibnitz. — Aristoteles entlehnt seine Gleichnisse weit mehr

dem menschlichen Leben,

den Künsten und Handwerken,

den

Einrichtungen des Staates u. s. w. als der Natur.

Unter

den Künsten stehen hier obenan Malerei und Drama,

unter

den Handwerken Erzarbeit und Bauhandwerk.

Das politische

und bürgerliche Leben wird mannigfach verwerthet, am liebsten

verweilt der Philosoph bei Proceß und Krieg, Wettkampf und Münzwesen.

Beachtenswerth ist bei einem Denker, in dessen

System das Mathematische sehr zurücktritt und der oft dem Vorwurf nicht genügender Kunde desselben ausgesetzt war, die

häufige Heranziehung mathematischer Verhältnisse. Innerhalb der Natur hervor als das Belebte;

gleichungen,

aber

tritt das Unbelebte mehr

oft gibt das Wasser Stoff zu Ver­

sehr wenig der Himmel mit seinen Gestirnen,

nicht selten findet die Thierwelt,

fast nie das Pflanzenreich

Verwendung. Was aber den Inhalt anbetrifft, dem die Bilder dienen,

so

das ethische Gebiet eine hervorragende Stellung, ferner

bemüht sich der Philosoph mit besonderem Eifer, das Walten

der Natur durch Analogien aus dem menschlichen Leben ver­ ständlich zu machen.

Nirgends in seinem System hat sich Bild

und Begriff so eng verschlungen, hier am ehesten begegnen wir Wiederholungen in den Gleichniffen, und die Sinnfälligkeit geht

so weit, daß schon bei ihm selbst,

geschweige denn bei seinen

Anhängern, das sachliche Problem ost dadurch ernstlich beein­

trächtigt, ja gleichsam erdrückt wurde. Auch Leibnitz bekundet eine staunenswerthe Vielseitigkeit der Interessen und Anschauungen, auch ihm gewährt nament­

lich die menschliche Well Stoff zu Gleichnissen,

aber es ist

hier die Welt einer geschichtlichen und gelehrten Cultur mit

ihren verwickelten Verhältnissen, es sind Beziehungen des ge­ selligen, des technischen, des kaufmännischen Lebens, bei denen er zu verweilen liebt; daß ihm die Mathematik viel bietet,

dürfen wir von vorn herein annehmen; auch die Natur bleibt

selbstverständlich nicht ferne, Vorgänge

des

Weltlebens,

aber es sind weniger die großen welche er hier beachtet,

als die

Punkte, an denen sich die Natur mü dem Thun und Ergehen

des Menschen berührt und in dasselbe eingreift.

gelehrte Bildung

des

Mannes

bekundet sich

Die umfassende dabei in der

Fülle des geschichtlichen Stoffes, die ihm zu Gebote steht, un­ erschöpflich finden sich Anspielungen und Beziehüngen; gern

nimmt er Bilder anderer auf,

fetten freilich,

ohne ihnen in

Ausführung oder Sinn eine andere Richtung zu geben.

Auch

hier mochte ihn feine wiederholt bekannte Ueberzeugung leiten, daß

wie bei den güldenen Gefäßen der Egypter es nur darauf ankomme,

das Fremde zu reinigen,

um es daun zu rechtem

Gebrauch zu verwenden.

Wenn wir nun dem Einzelnen einen Blick zuwerfen, so

)

möchten wir hier nach dem Gehalt des durch das Bild Er­

läuterten ordnen, damit deutlicher hervortrete, für welche Gedan­

ken der Philosoph vornehmlich eine Veranschaulichung erstrebt. — Die ganze Art der wissenschaftlichen Erörterung und Abschließung

stellt er in entwickelter Darlegung mit dem Einträgen und

Summiren bei einem kaufmännischen Rechnungsbuch zusammen (Wke. 267 a,b); die Disputanten sind Kaufleuten ähnlich, welche

sich gegenseitig ihre Schulden vorhalten, aber die allgemeine

Prüfung der Bilanz unterlassen (164 b); die Worte als Zeichen der Gedanken gleichen den „Zeddel oder Marken, deren man

sich in großen Handels-Städten,

auch im Spiel und sonsten,

an Statt des Geldes bis zur letzten Abrechnung oder Zahlung bedienet" (Deutsche Schr. I 450).

Für den glücklichen Erfolg

der Forschung kommt es wesentlich darauf an, die „Hülfsvor-

theile" der Methode zu verwerthen, „gleichwie ein Kind mit dem Lineal bessere Linien ziehen kann, als der größte Meister aus freier Hand" (Wke. 421 b).

Je wichtiger die Probleme sind, desto mehr empfiehlt es sich, alles mit großem Fleiß aufzulösen und auf die allereinfältigsten Schlüsse zu bringen, „gleichwie man geringes Geld mit Würfen

annimmt, große Stücke aber, zumal von Gold, lieber zählet, und wenn man Diamanten zu berechnen hätte, gerne die Mühe

nehmen würde, solche an den Fingern abzuzählen, weilen diese Rechnung zwar am schlechtesten doch aber am sichersten ist"

(422 a); überhaupt aber ist es von großer Bedeutung, nicht

durch Abweichung von strenger Ordnung Verwicklungen herbei­ zuführen, „gleichwie man einen Zwirnsknaul zum Gordischen Knoten machen kann,

wenn man ihn unordentlich aufthut"

(422 a). Besonders werthvoll erschienen ihm ferner von Jugend

_________________________________________________ J 16

A

( an Eintheilungen, „die ich gleichsam als ein Netz oder Garn gebrauchet, das flüchtige Wild zu fangen" (420b). Was das Problem des Ursprunges der Erkenntniß an­ belangt, so möchte er den Gegensatz der Extreme überwinden, indem er das Bild von dem Marmor entwickelt, durch dessen Adern gewisse Figuren gleichsam vorgebildet seien. S’il y avait des veines dans la pierre, qui marquassent la fignre d’Hercule preferablement ä d’autres figures, cette pierre y serait plus determinee, et Hercule y serait comme inne en quelque fapon, quoiqu’il fallüt du travail pour decouvrir ces veines et pour les nettoyer par la politure, en retranchant ce qui les empeche de paraltre“ (196a).

Für seine eigne Philosophie macht Leibnitz nicht den An­ spruch, daß sie die letzten Geheimnisse der Natur erschließe, aber er hofft doch einen entscheidenden Schritt über seine Vor­ gänger hinauszukommen, er möchte aus dem Vorzimmer, in dem jene geblieben seien, in das Audienzzimmer eintreten, sans pretendre de penetrer dans l’interieur (z. B. 123.b). Seine speci­ fischen metaphysischen Lehren hat er wohl an allen Hauptpunkten

durch Gleichnisse erläutert. Bekannt und viel erörtert ist das Bild von den Monaden als lebendigen Spiegeln des Universums, welches auf Nicolaus von Eues und Eckhart, sowie das von Körper und Seele als zusammengehenden Uhren, welches auf Geulinx zurückgeht. Daß auch ein solches, was zunächst blos ein todtes Aggregat scheint, in sich lebendiges enthalten könne, wird durch Hinweis auf den Garten voll Pflanzen und den Teich voll Fische veranschaulicht. „Jeder Zweig der Pflanze, jedes Glied des Thieres, jeder. Tropfen seiner Säfte ist noch ein solcher Garten oder ein solcher Teich" (710 b). Unter dem Mechanismus der Natur findet sich (im Gegensatz zu dem

:

A

der menschlichen Kunst) immer wieder ein neuer Mechams mus, wie bei dem Harlekin immer neue Kleider unter den ab­ gelegten (466 b). Von den mannigfachen herkömmlichen Bildern, die ein Beharren im Wechsel versinnlichen, scheint unserm Philosophen besonders zutreffend das vom „Schiff des Theseus", welches in seinen zerfallenden Bestandtheilen immer wieder erneuert und so bis in die Zeit des Demetrius von Phaleron erhalten wurde, .und über dessen Identität oder Nichtidentität (nach Plutarchs Bericht vit. Thes. XXIII) die Philosophen stritten. Es war dies Gleichniß unmittelbar vor Leibnitz durch Clauberg (op. philos. pg. 332) verwandt. Die Veränderung ist. innerlich eine continuirliche, aber sie kann sich nach außen hin als eine in Sprüngen erfolgende dar­ stellen, comme dans une ligne de Geometrie il y a certains points distingues, qu’on appelle sommets, points d’inflexion, points de rebroussement ou autrement; et comme il y a des lignes qui en ont une infinite, c’est ainsi qu’il saut concevoir dans la vie d’un animal ou d’une personne les tems d’un changement extraordinaire, qui ne laissent pas d’etre dans la regle generale; de meme .queles points distingues dans la courbe se peuvent determiner par sa nature generale ou son equation (724 b). Eine Vielheit kleiner Wesen er­

scheint unserer sinnlichen Betrachtung als ein Ganzes, wie bei einem rasch bewegten Zahnrade die einzelnen Zähne nicht mehr zur Wahr­ nehmung gelangen (358 a). Wennman für die letzte Weltbegreifung mit dem Mechanismus meint auskommen zu können, so scheint ihm dies ähnlich, als wenn man ein Buch vollständig erklärt zu Mafien glaubt durch den Nachweis, es sei immer wieder von einem anderen Buche abgeschrieben (147 a). Vor allem möchte

)

V Eucken, Bilder und Gleichnisse.

17

2

er durch Gleichnisse annehmbar machen, daß die Welt trotz aller scheinbaren Unordnung im Einzelnen als Ganzes die

beste sei oder doch sein könne.

Sehen wir von den Bildern

ab, welche er andern entlehnt, wie z. B. die Rechtfertigung

des Bösen als einer für die Gesammtharmonie nothwendigen Disharmonie, so bleiben als für ihn charakteristisch u. a. folgende.

Die Aufgabe, welche er als in der Welt thatsächlich

gelöst erachtet, ist die, möglichst viel Kraft zur Entwicklung zu bringen,

gleichwie es bei gewissen Spielen

darauf an­

kommt, möglichst viel Plätze zu besetzen (148 a). Die an­ geblichen Fehler der ÄSelt erklären sich ihm daraus, „weilen wir nicht in dem rechten Gesicht-Punkt stehen, gleichwie ein

prospectivisch Gemälde nur aus gewisse» Stellen am besten zu erkennen,

von

der Seite

kann" (d. Sch. n 51, s.

aber sich

nicht

auch Wke. 548b).

recht

zeigen

Wie in den

Bewegungen der Planeten Ordnung erst erkannt wurde, seit

man die Sonne als Mittelpunkt annahm, so müssen wir auch

im Denken, um die Harmonie des Weltalls zu finden, „das Auge in die Sonne stellen" (d. Sch. n 52).

Wie ferner in

den Zahlenreihen oder Linien der Mathematik manchmal alles

Verwirrung dünkt, bis man die Formel des Ganzen entdeckt

hat, so geht es auch in der Welt, und es darf sich daher der Philosoph durch Monstra und andere angebliche Fehler nicht Daß auch der Freiheitslehre Leibnitzens manche Bilder dienen, bedarf kaum der Erwähnung; beirren lassen (577a, b).

wie auch sonst bei der Behandlung specifisch ethischer Problem Anschauungen der Außenwelt mitwirken, zeigt u. a. der Ver­

such, die privative Natur des Bösen anschaulich zu machen durch das Bild eines vom Strom abwärts getragenen Schiffes,

___________________________

J

\



s

das durch seinen eigenen nach der Last verschiedenen Träg­

heitswiderstand 684 a). —

die Bewegung verlangsamt

Aus

(s. 627b, 658a,

wir nur

einer übergroßen Menge haben

einiges ausgewählt,

aber vielleicht genügt dieses wenige zur

Begründung der Ueberzeugung, daß die Eigenart des Philo­

sophen an dieser Stelle in sehr bezeichnender Weise zur Geltung komme und sich nach einer Richtung zu. erkennen gebe, welche

das in begrifflicher Erörterung Dargelegte nicht unerheblich zu ergänzen vermag. Bei Denkern,

deren Interessen und Anschauungen sich

nicht so weit ausbreiten,

bekundet oft die Verwendung von

Bildern und Gleichnissen noch unmittelbarer die geistige Eigen­ wie wir wenigstens an einem Beispiel in Kürze

thümlichkeit,

aufzeigen möchten.

Wir wählen die beiden Heroen,

welche

das deutsche Volk auf religiösem Gebiet hervorgebracht hat, und deren einer ebenso hervorragend die spekulative, wie der andere die praktische Seite

Luther.

Eckhart

dieses Gebietes vertritt:

auch hier

bewährt

den

Eckhart und entscheidenden

Grundzug seines Strebens: was immer er an Gleichnissen be­ sitzt, es soll vor allem die wesentliche und innere Einheit der Seele mit Gott in irgend

einer Weise anschaulich machen.

Alles was das Leben an sonstigen Forderungen enthält, das

tritt von dieser entscheidenden Aufgabe zurück oder vielmehr es

wird in dieselbe ausgenommen. Was aber den Stoff der Bilder anbelangt,

so gewährt

ihn vornehmlich die große Natur mit dm Erscheinungen und

elementaren Verhältnissen, die unmittelbar und klar vor aller

Augen liegen.

19

2*

Vor allem ist es die Sonne, bei welcher Eckhart zu verweilen liebt.

Die Sonne wirkt innerlich in den Pflanzen und bildet sie, und doch ist die Kraft der Sonne oben.

göttliche Licht in der Seele (112, 38).

So wirkt das

Die Sonne erleuchtet

wohl die Luft und durchleuchtet sie, sie wirst aber ihre Wurzel nicht darin, denn werm die Sonne nicht mehr gegenwärtig ist, so haben wir auch kein Licht mehr.

den Creaturen (148, 15).

So verhält sich Gott zu

Wenn die Seele dazu kommt, daß

sie sich vereint mit dem Schöpfer, so verlieret sie ihren Namen;

Gott, hat sie in sich gezogen, so daß sie an sich selbst nichts ist, wie die Sonne das Morgenroth in sich ziehet, daß es zu Nichte wird (513, 20; 399, 20). Die Welt ist um der Seele

willen geschaffen, damit ihr Auge geübet und gestärkt werde, göttliches Licht zu ertragen.

Wie der Sonne Schein sich nicht

auf das Erdreich wirft, ohne in der Luft verwandelt und auf andern Dingen ausgebreitet zu sein, denn sonst könnte es des

Menschen Auge nicht ertragen (170, 17).

Wenn Gott dich

bereit findet, so muß er wirken und sich in dich ergießen, in gleicher Weise, wie wenn die Luft lauter und rein ist, so muß sich die Sonne ergießen und kann sich des nicht enthalten

(27, 26).

Auch die Verhältnisse der Sonne zu anderen Ge-

stirnen, zum Monde, zum Morgenstern (dem die Seele in

steter Gottnähe gleichen soll, s. 271) geben zu manchen Bil­ dern Anlaß. — Alsdann beschäftigt ihn das Auge.

So wenig

das lichte Auge etwas in sich dulden kann, so wenig kann die

lautere Seele irgend eine Befleckung dulden (602, 5). Vor allem aber ist es das Verhältniß des Auges zum wahrgenommenen

Gegenstände, worauf er immer wieder zurückkommt und das

V

)

r er in mannigfachster Weise sinnig deutet.

Auch die alte Ver­

gleichung der Seele mit einem Spiegel findet sich bei ihm,

aber hier tritt die äußerst charakteristische Wendung ein, daß gelegentlich der Spiegel als ein lebendiger gedacht (326, 39),

und so der ganze Erkenntnißproceß als ein inneres Vorgehen ge­

faßt wird. Neben dem Licht find die anderen Elemente nicht ver­

gessen.

Alle Dinge sind so klein gegen Gott wie ein Tropfen

gegen das wilde Meer (314, 18).

Wie der Thautropfe im

Meer, so ist alle Creatur in ihrem Schöpfer (662, 30).

Die

sich von dem in's Wasser geworfenen Stein ausbreitenden Kreise versinnlichen einigermaßen das die Welt umfassende und durch­

dringende göttliche Wirken (165, 16).

Wenn Eckhart sich oft

von den Menschen mißverstanden und bekämpft sieht, so meint

er: „mir genüget, daß in mir und in Gott wahr sei, was ich spreche und schreibe", 'und beruft sich auf den Stab^ der im „groben" Wasser krumm scheine, und doch in sich selbst, grade

ist, wie auch in den Augen dessen, der ihn in der Lauterkeit der Luft allein sieht (447, 32).

Sehr oft und in mannigfachen

Wendungen wird das Quellen und Fließen als Bild vom Selbst­ offenbaren Gottes und seinem Eingehen in die Creaturen ge­

braucht, sehr viel mehr als bei den griechischen spekulattven My­

stikern. Ferner gleicht die Seele dem Feuer, das nicht ruhet, bis ’ es den Himmel berühret (405, 18); wie das Feuer das Holz in

sich verwandelt, so werden wir in Gott verwandelt (206, 16).

Die Erde vertritt dem allen gegenüber oft das Wider­

strebende und Stoffliche. — Was aber die allgemeine Stellung der Gleichnisse anbelangt,

so drängt es Eckhart freilich überall, den Gedankeninhatt in ein

l

_______________________________ )

Bild umzusetzen, aber der würde ihm schweres Unrecht thun, welcher behauptete, daß dabei der Begriff dem Bilde einfach auf­

geopfert und der Gedanke in eine niedere Sphäre bleibend hinab­ gezogen würde.

Es strebt wenigstens Eckhart stets nach einer

die Dinge in ihrem wahren und tiefsten Wesen ergreifenden Ein­

sicht, nach einem Erkennen „in der Morgenstunde,, nicht in dem Abendschauen." Durchaus anders steht die Sache bei Luther.

Auch hier

ist es natürlich das religiöse Leben, welches in den Gleichnissen

seinen Ausdruck findet,

aber es' geschieht

dies nicht nach der

spekulativen, sondern nach der praktischen Seite hin, es sind na­ mentlich die Kämpfe des Glaubens und Handelns sowie die re­ formatorische Ausgabe der Zeit,

die sich hier bekunden.

Der

Stoff der Gleichnisse aber wird vor allem den mannigfachen Thätigkeiten des bürgerlichen Lebens entnommen, die Natur findet nur Beachtung, sofern sie sich dem handelnden und empfindenden

Menschen bemerklich macht.

Die Nothwendigkeit des Glaubens

versinnlicht folgendes Gleichniß: „Unser Herr Gott ist wie ein

Drucker, der setzt die Buchstaben zurück; seinen Satz sehen wir und fühlen ihn wohl, aber den Abdruck werden wir dort sehen;

indeß müssen wir Geduld haben" (Tischreden).

Gegen die Ein­

samkeit richtet er mit Albrecht von Mainz die Vergleichung

des menschlichen Herzens mit einem Mühlstein, der des Kornes bedarf.

Die Ceremonien haben im christlichen Leben keine andere

Bedeutung als bei den Bauleuten die Gerüste u. s. w., die nach Vollendung des Baues abgebrochen werden (de libert. Christ, am

Schluß).

Alle Kraft ist für das neue Werk aufzubieten, Henn

„Gottes Wort und Gnvde ist ein fahrender Platzregen, der nicht

wiederkommt,

wo er einmal gewesen ist"

(An die Raths-

Herrn).

Jeder muß an der Arbeit mitwirken, wie bei einer

Feuersbrunst jeder helfen muß (An d. christl. Adel).

damit

Dies Wenige möge zur Charakteristik genügen, wir uns nicht zu weit in'3 Einzelne verlieren.

Es finden sich

aber im Allgemeinen bei Luther Gleichnisse weit seltener; daß er überall das Allegorische bekämpfte und auf den schlich­

ten, einfachen Sinn als das Entscheidende drang, das bezeugt sich auch an dieser Stelle.

Wir sehen demnach jeden einzelnen

Denker seine eigenthümliche Art kundthun, so daß sich eine

überaus große Anzahl eoncreter Zeichnungen entwerfen ließe. Was zum

aber von den Individuen

großen

Theil

auch

ganze

für

bemerkt

ist,

Epochen

Ueberall wird das,

gehende geistige Richtungen.

das

und

gilt

durch­

was den

Menschen innerlich bewegt, die Auffassung und Zurechtlegung des

Aeußeren

dem Verhältniß

bestimmen.

Daneben freilich

des Einzelnen

entstehen

aus

manche

neue

zum Ganzen

Probleme, auf die wir hier aber nicht weiter eingehen möch­

ten.

Nur Das möchten wir anzudeuten nicht versäumen, daß

die Beachtung unseres Gegenstandes namentlich dann Förde­ rung bringen kann,

wenn das Einzelne als Theil der ge­

schichtlichen Gesammtbewegung

seine Würdigung

findet.

So

kann es gelegentlich nicht unwichtig sein, den ersten Ursprung

eines Bildes festzustellen, feiner Ausbreitung, seinen Umwand­ lungen und Kämpfen nachzugehen u. s. w. Vielleicht verrathen sich dadurch Zusammenhänge und Beziehungen,

Aufmerksamkeit entgangen wären.

die sonst der

Man mag ferner darnach

fragen, welche Denker sich auf diesem Gebiet durch Jahrhun­ derte und. Jahrtausende als besonders

hüben,

einflußreich erwiesen

und würde dabei sicherlich Plato und Aristoteles

( den ersten Platz zusprechen müssen.

Für die Culturgeschichte

kann es von einigem Belang sein zu verfolgen, wie der Fort­ schritt in der Erfassung und Beherrschung der sichtbaren Welt, in Naturwissenschaft und Technik,

auf die Wahl der Bilder

eingewirkt hat, namentlich in welchem Umfange und wie rasch

dort erfolgende große Umwälzungen hier zum Ausdrück ge­ kommen sind.

Am anziehendsten ist solche Aufgabe für die Neu­

Gleichnissen aus der Buchdruckerkunst begegnen wir schon

zeit.

im 16. Jahrhundert öfter.

Der Einfluß der eopernikanischen

Lehre zeigt sich erst in der zweiten Hälfte des 17.'Jahrhun­

derts,

aber von da

an sind es gerade sehr hervorragende

Philosophen, Männer wie Leibnitz, Kant, Herbart gewesen, welche die letzten Aufgaben der Philosophie durch Analogien

der neu gewonnenen astronomischen Anschauung deutlich zu

machen suchten.

Bilder aus der neueren Chemie dürften zu­

erst bei Kant erscheinen, auch hier folgt ihm Herbart u. s. w. Solches

Eintreten und Sichausbreiten von Gleichnissen

ist deswegen von Wichtigkeit, weil es auf das Durchdringen

des gesammten Vorstellungskreises, dem das Bild ängehört, schließen läßt. Ueberhaupt aber könnte man sagen,

daß auch die Welt

i

des Bildes ihre Gesammtgeschichte hat.

I

Hunderte tritt Neues ein, verschwindet Altes, findet bald eine

I

langsame Verschiebung, bald eine plötzliche Umwandlung statt, nie

aber dürfte der Zusammenhang

Im Laufe der Jahr-

völlig abbrechen.

Oft

kann dabei eine Anschauung der sichtbaren Welt im Bilde

noch fortbestehen, nachdem sie von der

wissenschaftlichen Er­

kenntniß bereits aufgegeben ist, wie es z. B. öfter beim Licht

der Fall war.

L

Auch im Verhältniß zum Gedankeninhalt wer-

)

den die Gleichnisse leicht zurückbleiben, ost wird sich im Bilde erhalten,

was-in der Sache schon entschwunden ist.

Wenn

z. B. die Griechen das Leben oft mit einer Festversammlung ver­ glichen, so entsprach das ihrer eigenthümlichen Ueberzeugung; die Kirchenväter stehen zu dieser in schroffem Gegensatz, das Bild

aber verwenden mehrere unbedenklich weiter.

So finden sich

bei manchen Philosophen, z. B. bei Leibnitz, ältere Gleich­

nisse, über deren Voraussetzungen ihre eigene Forschung hin­ weggegangen ist.

Soll aus allen solchen Erörterungen aber der Philosophie selber irgend welche Förderung erwachsen,

so muß an jedem

Punkte die Beziehung auf die Denkaufgabe streng festgehalten

werden.

Dies aber kann nur geschehen,

wenn wir über das

principielle Verhältniß des Bildes zum Gedanken einige Klar­ heit besitzen,

und

es wird also nothwendig sein,

auf diese

Frage nunmehr etwas näher einzugehen. Zunächst wird immer im Bewußtsein zu halten sein, daß

jede Verwendung von Daten der sichtbaren Welt für die des Gedankens einen gewissen Zusammenhang, ja letzthin eine innere Verbindung beider Welten zur Voraussetzung hat.

Denn fielen

sie vollständig auseinander, wie könnte dann das für die eine

aufgewiesene irgend etwas für die andere bedeuten? Wie aber solcher Zusammenhang des Nähern zu fassen und von welchen

philosophischen Ueberzeugungen aus er einigermaßen begreiflich zu machen sei, das zu verfolgen reicht weit über unseren Zweck

hinaus; es genüge,' an die allgemeine Voraussetzung erinnert zu haben.

Aber was soll- denn im einzelnen Falle das Bild dem Gedanken gewähren?

Einen eigentlichen Beweis

doch

wohl

nicht, überhaupt nichts Wesentliches, denn es giebt sich immer als etwas Entbehrliches, als eine Art Zuthat.

Aber darum

braucht es noch kein bloßer Zierrath zu sein, der für den In­

halt- gar keine Bedeutung hätte. In solchem Falle wäre jeden­

falls die Frage berechtigt, ob die Bilder auf einem Gebiete, wo es sich um Wahrheit, und um nichts als Wahrheit handelt,

überhaupt zu dulden seien.

Denn was für den entscheidenden

Zweck nichts leistet, das ist nicht nur überflüssig, sondern, als die Aufmerksamkeit von der Hauptsache abziehend,

Dann

hätten

aber

die meisten

schädlich.

großen Denker eine Ver­

irrung begangen, indem sie in ihren Darlegungen den Bil­

dern einen Platz — und ost gar keinen geringen — einräumten. Also ist wohl nicht so einfach zu verurtheilen, sondern die Sache

einer näheren Erwägung zu unterziehen.

Vielleicht hängt es

enger mit der Natur unseres Denkens und Erkennens zusam­

men, wenn von dem Bilde irgendwelcher Nutzen erhofft wird.

Die erste Forderung alles streng wissenschaftlichen Er­ kennens ist,

die unmittelbar gegebene Welt aufzulosen, das

Verworrene zu scheiden, das scheinbar Einfache auf ursprüng­

liche, nur dem Auge des Geistes wahrnehmbare Kräfte zurück­

zuführen.

So gelangen wir zu den Begriffen als discreten

Größen, die in ihrer Reinheit zu bewahren und scharf gegen­ einander abzugrenzen, unerläßliche Voraussetzung jeder ein­ greifenden

philosophischen

und

wissenschaftlichen

Arbeit

ist.

Aber die Welt darf nicht endgültig auseinanderfallen, das für uns Letzte nicht in der Jsolirung beharren; es wird nunmehr

die Synthese zur Aufgabe, es handelt sich darum, die gewonnenen Elemente durch geistige Thätigkeit zu einem Neubau zu fügen

und als Ergebniß solches Unternehmens die Wirklichkeit wieder-

zugewinnen,

die als unmittelbare aufgegeben werden mußte.

Die Philosophie ist insofern die Verwandlung der unmittel­ baren Welt in eine aus ursprünglicher Thätigkeit des Geistes

gestaltete, Und sie hat damit von Natur eine doppelte Aufgabe: eine analytisch-negative und eine synthetisch-positive: Erfüllung

beider

geknüpft sei ,

möglich

und

an

Wie die

welche Bedingungen sie

das zu untersuchen ist nicht dieses Ortes; so­

viel aber ist gewiß, daß das Bild ganz vorwiegend im Dienst der zweiten Aufgabe steht. Es handelt sich hier darum, im Er­

kennen eine Einheit zu gewinnen, die mehr sei als eine bloße Zusammenstellung einzelner Begriffe; das soll nun freilich in

entscheidender Weise durch Arbeit und Kraft des Denkens selber

erreicht werden; aber eine gewisse Hülfe kann ohne Frage das Gleichniß bieten, indem es, wenn auch noch so unangemessen,

in irgend einer Weise die über die vereinzelten Begriffe hinaus­ gehende Einheit des leitenden Gedankens zum Ausdruck bringt.

Es thut dieses

aber,

insofern es ein Mannigfaches in der

Einheit einer Anschauung, verbindet und das Ganze als ein

gegenständliches vorführt. bezeichnet,

Damit wird dem Denken der Punkt

wo eine Synthese zu vollziehen sei,

und es wird

die Aufmerksamkeit dorthin gewissermaßen fixirt. Fertig gegeben ist freilich für das Erkennen dadurch nicht das Mindeste, wir

haben nichts, wobei man abschließen könnte, sondern im Grunde

nur das Postulat einer wahren und innern Synthese;

aber

das ist, auch abgesehen von dem besondern Inhalt des Gleich­

nisses, nicht so geringfügig, daß man es verachten dürfte.

Die

Erkenntnißaufgabe ist eine so große und schwierige, daß alles, was -irgend ist.

welche Hülfe leisten kann,

mit

zu verwenden

Jedenfalls erhellt in diesem Zusammenhänge,

weswegen

r es im Allgemeinen vornehmlich die leitenden positiven Denker,

die großen schöpferischen Geister waren,

die sich der Bilder

gern bedienten. Dann aber ist es auch der besondere Inhalt des Bildes, welcher Förderung bringen kann.

Damit dasselbe überhaupt

zu Stande komme, ist natürlich zwischen sinnlichem Gegenstand und Gedankeninhalt zunächst Berührung und Gleichsetzung in

einem wesentlichen Punkte erforderlich. welches sich damit erschöpft,

Aber das Gleichniß,

wirkt wenig und fesselt die Auf­

merksamkeit nicht. Anregend und befruchtend wird es sich erst dann erweisen,

wenn es neben dem Einigungspunkte auch

manches andere enthält,

dessen Beziehung auf den Gedanken

nicht unmittelbar einleuchtet.

Denn nun erwächst eine Auf­

gabe, weite Aussichten eröffnen sich.

mit dem Bilde heran,

'Eine andere Welt tritt

die einen gewissen Widerstand bietet,

ja vielleicht zum Gedanken, dem sie verknüpft wird, in Wider­

spruch zu gerathen scheint.

Goethe

Und nun bewährt sich das, was

(bei Eckermann III 122) äußert:

„Das Gleiche

läßt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns productiv macht."

Wir erhalten ein Problem, es gilt das Fremde

anzueignen, das Entgegenstehende zu überwinden. hellt sich das Dunkel auf,

aber

Allmählich

alsbald stellen sich

neue

Schwierigkeiten entgegen, und bei allem Fortschreiten der Auf­ lösung bleibt das Bild als Theil einer grundverschiedenen Welt für den Gedanken etwas unendliches,

unerschöpfliches.

Diese

ganze Bethätigung stellt sich zunächst als bloßes Spiel dar, aus dem Bann strenger Nothwendigkeit sind wir heraus, nichts

zwingt uns, auf die Sache überhaupt einzugehen, nichts hindert uns, den Faden da fallen zu lassen, wo es uns gerade beliebt.

Darin aber besteht das Reizvolle, daß solches Spiel doch kein

unnützes äst.

Indem der Gedanke bei diesem Ganzen mit

sinnlichen Vorgängen in Parallele gestellt wird, tritt manches

neue an ihn heran, werden Fragen hervorgerufen, Combina­ tionen veranlaßt, Möglichkeiten eröffnet u. s. w.

Zum min­

desten kann das zur weitern Entwicklung des Gedankens selber

treiben, aber es vermag auch dem begrifflichen Gehalt manches belebende und erweiternde zuzuführen; manche Nüancen und allgemeine

Stimmungen finden Ausprägung,

die sonst nicht

zur Erscheinung gelangt wären; ja vielleicht betritt das im Gan­

zen kühn erfassende Bild zuerst Bahnen, welche sich bald für die

nachkommende begriffliche Forschung als höchst glücklich heraus­ stellen.

Thatsächlich läßt sich in der Geschichte der Philosophie

darthun, daß öfter, in aufstrebenden Epochen die Gleichnisse der

Wissenschaftlichen Erkenntniß voraneilten und ihr vorarbeiteten. Was zunächst bloßes Bild schien, Ahnung tiefster Wahrheit.

das erwies sich später als

So zeigt sich das Gleichniß als

ein werthvolles Mittel, die Gedanken in lebendigen Fluß zu

bringen und der Bewegung neue Kräfte zu gewinnen. ein

eigentliches Beweismoment für die

wird

ebenso entschieden bestritten werden

Daß es dabei

Sache mitbrächte,

müssen, wie zuzugestehen ist, daß immerhin eine Art Unter­ stützung von hier aus erfolgt, ja daß für die subjective Ueber­

zeugung unter Umständen ein

gut

gewähltes Bild

größern

Eindruck machen kann als wissenschaftliche Gründe. Durch das

Gleichniß wird offenbar eine gewisse Analogie hergestellt, die­

selbe trägt dazu bei, das Neue mit Altem zu verknüpfen, das Problematische annehmbarer zu machen: was auf dem einen

Gebiet sich als ein Thatsächliches gibt, scheint auf dem andern

denn doch nicht schlechterdings unmöglich zu sein, die Möglich­ keit verwandelt sich nach und nach in Wahrscheinlichkeit,

und

endlich stellt sich die Sache so dar, als ob das Bild ein Specialfall der in Frage stehenden These wäre und durch sein Dasein

dieselbe unmittelbar erwiese. Hier stoßen wir schon auf die Gefahr, welche das Ganze mit sich

sehen.

bringt, und der müssen- wir nun offen in's Auge

Unleugbar haben die Bilder viel Verwirrung in die

Philosophie gebracht, viel Hemmung verursacht, so daß nicht

nur Individuen, sondern ganze Zeiten sie mit wahrem Unwillen

zurückgewiesen haben.

Worin hat solches seinen Grund?

Mit einem Worte

darin, daß das Denken in der Verbindung mit dem Bilde seine

Überlegenheit nicht behauptet, und daß in Folge davon das­

jenige, was zum Dienst bestimmt war, die Herrschaft gewinnt. Wohl darf das Denken vom Bilde empfangen,

aber es darf

nicht empfangen, ohne zu prüfen und seine Eigenart in der Aufnahme zu behaupten.

Es geschieht aber das Gegentheil,

wenn das Bild, statt von der denkenden Thätigkeit durchdrungen zu werden, sich ihr gegenüber verfestigt und durch unvermerkte

und ungeprüfte Associationen in die Erkenntnißarbeit einfließt.

Dann kann es ein Quell dogmatischer Verirrung werden. Denn das ist ja ein Hauptgrund des Dogmatismus in der

Philosophie,

daß etwas, das nur in und mit der geistigen

Thätigkeit gesetzt ist und nur in der Beziehung auf sie Wahr­ heit hat, vor und neben ihr als ein gegebenes und festes gilt

und wirkt. — Sehen wir etwas näher zu, wie sich solches auf unserem Gebiet im Einzelnen darstellt. Schon die bloße Anwendung eines Bildes gibt eine ge-

der Bestandtheile

wisse Verschiebung

Punkte,

des

Gedankens.

welche in die Vergleichung eintreten,

Die

erscheinen in

hellerer Beleuchtung, sie ziehen die Aufmerksamkeit auf sich und

werden Gegenstand der Erörterung.

Wichtiger aber ist die

besondere Beschaffenheit des Bildes.

Seine Wahl ist nicht

etwas selbstredendes aus

und unverfängliches,

freien Stücken dar,

torisches

Pathos

es

wird

behaupten mag,

es bietet sich nicht

nicht, von

so

oft dies rhe­

außen

aufgedrängt,

sondern es entspringt von innen her, es hat eine specifische Auffassung des Gegenstandes zur Voraussetzung, so immer eine Art These über die Sache.

und enthält

Denn wie könnte

ich überhaupt eine Gleichung zwischen Bild und Gegenstand

herstellen, wenn letzterer nicht als eine bestimmte Größe in die Erwägung einträte? So fordert das Bild eine gewisse Ueberzeugung, ehe es

dieselbe bestärken kann.

Wenn z. B. Baco (Nov. Org. I. 95)

die Empiriker mit den Ameisen vergleicht, die nur zusammen­ häufen, die Dogmatiker mit den Spinnen, die aus sich selber

ihre Netze weben, die wahren Forscher aber mit den Bienen, die aus den Blumen von Garten und Feld ihren Stoff ge­

winnen, um ihn dann selbständig zu verarbeiten, so leuchtet

ein, daß solche Vergleichung nur für den etwas besagt, welcher Bacons Beurtheilung der verschiedenen Richtungen beipflichtet.

Eine Voraussetzung über die Sache liegt immer zu Grunde. Darin eben beruhte es, daß die Bilder für das Verständniß der Denker solche Bedeutung hatten; denn in ihnen mochte oft etwas zu Tage treten, das man in Worten und Begriffen nicht

geäußert-, 4>a§ man vielleicht mit bester Ueberzeugung von sich abgelehnt hätte.

Namentlich dasjenige, was als selbstverständ-

lich gilt, was die Grundlage der Ueberzeugungen ausmacht, ohne

je selbst Gegenstand der Erörterung zu werden, das verräth

sich manchmal im Bilde. Nun aber bringt das Bild wegen seiner Anschaulichkeit die Versuchung mit sich, das, was in Frage steht, als aus­

gemacht zu behandeln, seine Sinnfälligkeit scheint für die Wahr­

heit der Sache Bürgschaft zu leisten.

Namentlich wenn es einer

Theorie gelingt, Verhältnisse des alltäglichen Lebens, der nächsten Umgebung für sich zu verwerthen, so wird leicht damit die Sache selber weiterem Zweifel enthoben.

Daß das Entscheidende: die

Beziehung des einen auf das andere, nicht gesichert ist, das wird dabei oft vergessen. Wie dies bei wichtigen Problemen Hemmung bereitet, da­

für sei nur ein Beispiel angeführt.

Das Wirken der Motive

beim Willen ist seit Plato mit dem Wirken der Gewichte auf der Wagschale verglichen, die Entscheidung fällt nothwendig

nach der Seite der größeren Belastung.

Unter mannigfachen

Deutungen, Umwandlungen und Bekämpfungen hat das Bild ohne Zweifel nicht

unerheblichen Einfluß

Determinismus ausgeübt. —

zu

Gunsten des

Aber treten denn die Motive

fertig heran und wirken sie mechanisch wie Gewichte?

Ja

wäre das ausgemacht, dann wäre es thöricht, noch über Frei­

heit zu streiten.

In Wahrheit ruht das Bild auf einer Vor­

aussetzung, die alles enthält, was nur in. Frage kommen kann, so daß wir uns einfach im Kreise bewegen. Und so geht es überhaupt bei dem Problem der Willensfrei--

heit. Wir sehen die Deterministen sich abmühen, durch alle mög­ lichen Analogien aus der sinnlichen Welt von der Magnetnadel

bis zum Lauf der Gestirne die starrköpfigen Anhänger der Frei-

Heilslehre ihres Irrthums zu überführen» und diese Freiheits­

freunde müßten nicht blos Starrköpfe, sondern Dummköpfe sein, wenn sie sich so mannigfachen und sinnfälligen Gründen ver­ schlössen; nur das eine vorausgesetzt, daß sie die Anwendbarkeit

aller solcher sinnlichen Analogien überhaupt zugäben»

eben aber ist es ja, was im Streite liegt.

Das

Denn wer jenes

zugiebt, der hat inneres Handeln und äußeres Geschehen, That und Proceß auf eine Stufe gestellt und damit die Frage bereits entschieden. Aber nehmen wir den Fall, die Anwendung eines Bildes

stoße auf kein Bedenken, so bleibt festzustellen, wie weit die Gleichsetzung auszudehnen sei.

Denn die Verbindung geht ur­

sprünglich immer auf einzelne Punkte, nur ein Theil des sinn­ lichen Gegenstandes zieht die Aufmerksamkeit auf sich und wird

vom Denken ergriffen.

Darauf eben beruhte die belebende und

befreiende Kraft des Bildes, daß auf Seite des Anschaulichen ein Ueberschuß blieb.

Wie viel nun davon für das Erkennen frucht­

bar gemacht werden kann, das hängt von weiterer Prüfung und Verarbeitung ab, keinenfalls darf einfach jegliches, was im Bilde

gesetzt ist, auf die Sache übertragen werden. dies leicht.

Und doch geschieht

Oft scheint es Aufgabe zu sein, alles einzelne mit

Gründlichkeit zu entwickeln und für ein jedes eine bestimmte Beziehung aufzuweisen. r Nun aber kann im Bilde manches ent­

halten sein, was für seinen Gesammteindruck keineswegs gleich­ gültig ist, was aber, für sich gesondert betrachtet, in der Sache

kein Gegenstück findet.

Das Gleichniß ist als Ganzes entstanden

und muß als Ganzes gewürdigt

werden.

Sucht man an

sämmtlichen einzelnen Punkten Bild und Sache zur Ueberein­

stimmung zu bringen, so wird bald die Ungereimtheit merklich

r

> werden und der gute Geschmack seine Verwahrung einlegen. Größerer Nachtheil aber erwächst

daraus,

wenn

man zum

Vergleichungspunkte unvermerkt immer mehr hinzunimmt und

auf dem einmal betretenen Wege ohne Prüfung weiter geht. Dann entsteht jenes Einfließen fremder Elemente in die Er­

kenntnißarbeit, das die Gleichnisse geradezu schädlich machen kann. Endlich aber erweckt das Gleichniß oft der Sache unberech­

tigte Sympathien oder Antipathien.

Die Vorgänge oder Ver­

hältnisse der anschaulichen Welt bringen leicht, als dem unmittel­ baren Leben näher liegend, gewisse Werthschätzungen mit sich;

diese gehen nun ohne Weiteres auf die Sache selbst über, und es scheint eine These in besserer Stellung, ja in besserem Rechte,

weil das ihr dienende Bild sich dem Menschen einschmeichelt. Es gilt hier dasselbe, was Hobbes von den Worten sagt, daß

sie in der Bezeichnung der Dinge die eignen Affecte, Liebe,

Haß, Zorn u. s. w. mit zum Ausdruck bringen (s. de cive VII, 2). Von Alters her sehen wir die Denker bestrebt, ihre Lehren durch Vergleichung mit dem Lebendigen und Organischen zu em­ pfehlen. Wegen der Höherschätzung dieses Gebietes dünkten sich oft

die Theorien, welche es im Bilde für sich zu gewinnen, wußten, den andern überlegen; eine Ansicht, welche sich als organische be­

zeichnet, hat auch heute die Stimmung von vorn herein für sich, während doch zuerst festzustellen wäre, ob die Analogie auch

zutreffe und die Punkte in sich begreife, welche uns das Lebendige als besonders werthvoll erscheinen lassen.

Aehnlich geht es bei

den der Entwicklung entnommenen Vergleichungen. --Ferner wirft

auch der Gesammteindruck des Bildes aus die Sache eine ge­ wisse Beleuchtung.

Wo wir in jenem etwas, großes und er­

habenes wahrzunehmen meinen, da erscheint auch Gedanke und

r Ueberzeugung in entsprechender Färbung. Ueberall kommen wir hier in Gefahr, durch außer der Sache liegende Gründe uns für oder wider die Sache einnehmen zu lassen, überhaupt aber mit unbestimmten Gefühlen, unzerlegten Gesammteindrücken, ja schließlich mit bloßen Schlagworten zu operiren. Und das ist thatsächlich oft genug geschehen. Ja selbst bei bett letzten

Fragen war es ost weniger das Gewicht der Gründe als der Einfluß bildlicher Veranschaulichung, welcher die Menschen zu einer Weltansicht hinzog. Das gilt z. B. vom Pantheismus, dem aus dem Bilde in hohem Grade Sympathien zufließen. Macht man mit seinem begrifflichen Inhalt Ernst, so hätte wenigstens das Gemüth keine Veranlassung, sich für ihn be­ sonders zu erwärmen. Schließlich aber dürfen wir nicht vergessen, daß solche von den Bildern gewirkte Stimmungen, begrifflich zufällig wie sie sind, gar leicht untereinander in Widerspruch gerathen. Das Große gefällt, aber auch das Kleine, sofern es eine endlose Fülle des Lebens bezeigt; die schweigende Ruhe erregt das Ge­ müth, aber nicht minder die rastlose Bewegung. So wird hier der Denker ein Spielball des Zufalls und der Laune. Wir sehen, wo die Gefahr liegt. Nicht das Hinzukommen des Fremden an sich, sondern die Schwäche des Gedankens in der Aneignung, die Unterdrückung der begrifflichen Arbeit durch das Bild ist es, was Störung und Hemmung bereitet. Solche Gefahr wächst in dem Maaße, als sich das Bild von der Stelle seines Ursprunges entfernt, als es allgemeines Eigenthum wird und wie ein Erbstück durch die Geschlechter geht. Die lebendige Beziehung auf den Gedanken verschwindet dann leicht, das Problematische der Vergleichung weicht an-

35

3

geblicher Augenscheinlichkeit,

ja es wird Wohl gar vergessen

daß es sich blos um ein Gleichniß handle, und das Bild tritt

mit allen Ansprüchen in die Stelle des Begriffes ein.

das alles kommt, ist leicht zu ersehen.

Woher

Es ist einmal nicht so,

daß das einmal Gewonnene mühelos in alle Zukunft beharre, sondern ein fortwährendes Aufbieten neuer Kraft ist erforder­

lich ,

wenn nicht ein jähes Sinken eintreten soll.

Das stete

Gerede von der Sicherheit des Fortschrittes und der Selbstver­

ständlichkeit ununterbrochen aufstrebender Entwicklung erweist

sich auch an dieser Stelle in seiner Nichtigkeit. Es muß vielmehr immer neues Leben zufließen,

immer neu der Kampf aus­

genommen werden, wenn nicht das Erworbene verloren gehen, ja wenn nicht das ursprünglich Segensreiche in seiner Erstar­

rung zum Unheil ausschlagen soll. Dieser allgemeinen Gefahr sahen wir auf unserm Gebiet die besondere hinzutreten,

daß das Bild hinter dem sich um­

wandelnden Gedankengehalt zurückbleibt und damit Vorstellungen

festheftet, die innerlich längst aufgegeben sind. Es war zuerst ein bloßes Bild, wenn die Verursachung der

Vorstellungen im Geiste mit dem Eindruck eines Siegels in Wachs verglichen wurde, doch schon der StoikerChry sippus mußte ener­ gisch dagegen auftreten, daß nicht solche Veranschaulichung als eine

wirkliche Erklärung des Problemes gelte, und trotz unzähliger

Erörterungen hat sich diese Lage erhalten bis auf den heutigen Tag. Gesetzt nun aber, es läge darin wirklich eine Art Erklärung vor,

so würde dieselbe mit allen wissenschaftlichen Theorien der Neu­ zeit in Widerspruch stehen. logische Gebiet,

Es ist aber überhaupt das Psycho­

auf welchem derartige Mißstände von jeher,

nm meisten aber vielleicht seit Herb art," Wurzel geschlagen

haben.

Vorgänge der sinnlichen Welt wurden zunächst blos

zur Vergleichung erwählt, nach und nach ward die Verbindung

eine so enge,

daß der Begriff durch das Bild eine Art Fär­

bung annahm,

bis er sich endlich durch jenes, wegen seiner

Sinnfälligkeit für die subjective Auffassung im Vortheil befind­

liche,

geradezu

verdrängt

sah.

Es tritt dabei

allerdings

oft auch ein Gegenwirken des Begriffes ein, indem das Bild­

liche nach und nach verwischt und am Ende ganz aufgegeben wird.

Auf diesem Wege sind thatsächlich manche wichtige Ter­

mini aus Bildern entstanden, bei denen der sinnliche Ursprung

vollständig vergessen ist.

Aber zwischen den Endpunkten liegt

eine weite Strecke, innerhalb welcher das Bild aufgehört hat, als bloßes Gleichniß zu gelten, und wo es doch noch nicht

voll in einen Begriff umgewandelt ist.

Das Bedenkliche liegt

hier in. dem verborgenen Fortwirken des dem Bewußtsein Ent­ schwundenen, in der versteckten Bildlichkeit, der Vermengung

von Bild und Gedankeninhalt. das Mittelalter erhob,

Als sich die Neuzeit gegen

da war ein Hauptgegenstand der An­

klage die versteckte Bildlichkeit aller wichttgen Begriffe.

Daß aber die hier entstehende Gefahr und Irrung nicht auf einzelne Punkte oder einzelne Zeiten beschränk bleibt, das hat in

der allgemeinen Beschaffenheit unseres Denkens seinen Grund. Es ist eine alte Streitfrage, ob dasselbe sich von sinnlichen Vorstellungen

überhaupt freizuhalten vermöge, und wir können nicht bestrei­ ten, daß es, als psychische Erscheinung des einzelnen Indivi­ duums betrachtet, sich nie ganz von Vorstellungsbildern ablöst. Andererseits aber beruht unserer Ueberzeugung nach alle Wissen­

schaft, namentlich alle Allgemeingültigkeit und Nothwendigkeit des Erkennens, darauf, daß sich das Denken reine Begriffe schafft

r

\

' und mit ihnen arbeitet. Soll dies erreicht werden, so muß dem­ nach eine Erhebung über die Stufe des empirisch-subjectiven Ge­

schehens stattfinden, ein Universales muß. sich durch gemeinsame

Thätigkeit des Menschengeschlechts

ausbilden, und dieses hat

sich auch in dem einzelnen Denker,

sofern

er sich in die

große Aufgabe hineinstellt, als. unmittelbar wirksame Macht zu erweisen.

So aber wird wahres und glückliches Denken nur

möglich sein durch einen steten Kampf und nie ermattende An­ spannung, sein Inhalt muß gegen das jeden Augenblick ein­

dringende Sinnliche immer wieder frisch gesetzt werden.

Das

Bild bringt nun die Gefahr, eben dieses Abzustreifende zu fixiren und damit die Reinheit der Begriffe, die Klarheit

und Schärfe, ja den gejammten wissenschaftlichen Charakter der

Forschung ernstlich zu beeinträchtigen.

Und solche Gefahr ver­

teilt sich auf die Theorien nicht gleichmäßig: je weiter sich

eine wissenschaftliche Ueberzeugung^ vom Sinnlichen entfernt, desto mehr wird sie ihr ausgesetzt sein.

Aber führt dies alles denn nicht dazu, das Bild überhaupt zu verwerfen?

Ist es nicht besser, dem grundsätzlich entgegen­

zutreten, was an jedem einzelnen Punkte Vorsicht verlangt und zu Irrungen verleitet?

Wenn

wir

es wollten,

wir

könnten es nicht.

Wir

leben einmal in der anschaulichen Welt und müssen, soweit auch die Wissenschaft das Erscheinende umbilden mag, immer

wieder zu

ihr

zurückkehren.

So

entsteht ein Verlangen,

ja eine aus unserer innersten Natur entspringende Nothwen­

digkeit, beide Welten in irgend welche Verbindung zu setzen, Inti) eine solche Verbindung finden wir im Bilde. Freilich sind

die Gefahren groß, welche es in sich trägt, aber welches Werth-

l

_______________ )

volle und Förderliche gäbe es, von dem sich nicht ein Gleiches behaupten ließe?

Wer auf alles verzichten wollte, was Irrung

nahelegt, der würde recht arm in der Welt dastehen. Das aber erklärt sich aus dem Allen zur Genüge, wie die Bilder im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende zu unzäh­

ligen Erörterungen und Streitigkeiten Veranlassung geben konn­ ten.

Es war aber natürlich Art und Inhalt des Kampfes

verschieden nach der Stellung, welche sie zum Gedanken ein­ Wollten sie nur nebenbei veranschaulichen und auf­

nahmen. klären,

so stand weniger auf dem Spiel;

falls der Gedanke ein strittiger war,

indessen konnte es,

geschehen,

daß die Er­

örterung sich um das Bild wie um ein Schlagwort bewegte,

und der Kampf um principielle Gegensätze sich in einen Streit über ein Gleichniß zuspitzte. Nebenvorstellungen,

beschwören,

Das Bild kann dabei durch die

welche es erweckt,

Leidenschaften herauf­

die sonst vielleicht in der Tiefe geblieben wären.

So hat z. B. die Vergleichung des Verhältnisses der Philo­

sophie zur Theologie mit dem einer Magd zur Herrin bei stei­ gender Schärfung uud steigender Opposition unzählige Bekennt­ nisse und Auseinandersetzungen veranlaßt.

An den Versuchen,

dieses Bild zu rechtfertigen, umzugestalten, zu bekämpfen könnte man für lange Zeiten die Wendepunkte der geistigen Bewegung verfolgen. Hat einmal ein Gleichniß durchgeschlagen, so werden die

Gegner es nicht einfach bei Seite schieben können, sondern sie

müssen es positiv bekämpfen.

Dabei werden sie versuchen,

den Vergleichungspunkt zu verlegen hervorzukehren, oder sie werden,

und neue Beziehungen

wenn sie dem angefochtenen

ein neues entgegenstellen, dieses in Hinblick auf jenes wählen.

>

r Ein solches Eingehen auf das fremde Bild gereicht aber der

eigenen Sache nicht immer zum Vortheil.

Denn abgesehen

davon, daß derjenige, welcher das Feld zuerst eingenommen hat, es am leichtesten behauptet,

Schwierigkeiten ein.

stellen sich manchmal besondere

Es kann z. B. geschehen, daß mau sich

durch Einführung neuer Züge in Widersprüche verwickelt, in­

dem das Neue zu den Voraussetzungen nicht stimmt.

Die alte

Vergleichung des Geistes mit einem Spiegel entsprang einer Ansicht,

der die Erkenntniß als einfache Reproduction eines

draußen Seienden galt.

Später fügte man dem Spiegel das

Merkmal des lebendigen hinzu, um damit der Innerlichkeit des Erkenntnißprocesses zum Ausdruck zu verhelfen; aber man ge-

rieth dadurch in Widerspruch mit jener Voraussetzung und stellte eine unhaltbare Verbindung her. • Denn was wäre das für ein inneres Geschehen, das darin aufginge, ein äußeres blos abzu­

spiegeln? Solcher Widerspruch durchzieht aber das ganze System Leibnitzens.

So ist es überhaupt bedenklich, sich mit einem

Gleichnisse erst nachträglich und durch Ausbessern des Einzelnen

auseinanderzusetzen, statt ihm, wenn es sein muß, von vorn herein principiell entgegenzutreten. Man geräth dabei leicht un­ vermerkt unter den Einfluß von Gedankenmassen, deren man sich

im Bewußtsein erwehren möchte. — Die Bestreitung wirkt aber natürlich auf die Fassung des Bildes bei dem Vertheidiger zu­ rück.

Oft erhält es erst durch den Kampf eine scharfe Spitze.

Gleichnisse können lange einen harmlosen Charakter tragen und bei allen ohne Anstoß Verwendung finden, bis sie sich Plötzlich

in den Streit gezogen sehen uni) nunmehr Losungswort einer

Partei werden.

Ernstlicher aber als in diesen Fällen wird Bewegung und

Kampf, wenn das Gleichniß nicht so sehr einem in sich gefestig­

ten Gedanken dient, als dem unsichern eine Stütze, dem be­ kämpften ein Beweismoment gewahren soll.

Dann verschmilzt

leicht Bild und Sache so sehr, daß der Angriff gegen das eine unmittelbar das andere mittrifft. So hat es nichts Auffallendes,

wenn die hervorragendsten Denker, ein Plato und ein Plotin,

ein Leibnitz und ein Fichte,

es nicht für unnütz gehalten

haben, Gleichnisse der Gegner eingehender Kritik zu unterziehen.

Namentlich Leibnitz hat solches gern gethan, sei es um zu zeigen, daß die Gleichnisse auf Voraussetzungen ruhen, gegen welche sich der Vertreter selbst sträubt — so verfährt er gegen­

über dem Sensualismus

sei es um nachzuweisen, daß sie,

scharf in's Auge gefaßt und bis zu Ende durchdacht, nicht nur

nicht besagen, was sie sollen,

sondern das gerade Gegentheil

— so geschieht es bei den Gleichnissen, welche dem Pantheis­

mus huldigen.

Ihm selber erging es freilich nicht besser:

die meisten seiner Lieblingsbilder haben harte Angriffe erfahren,

am meisten wohl das von ^^mr wenn auch nicht ersonnene, so

doch

gern verwandte Bild von den beiden Uhren.

hier die Bekämpfung von außen wie von innen. man ein,

Es kam

Dort wandte

daß es sich gar nicht um zwei verschiedene Dinge

handle, was Leibnitz freilich durch seine Darlegungen außer Zweifel gesetzt glaubte; in tieferm Eingehen auf die Sache suchte dagegen u. a. Bayle (dictionn. art. Rorarius) zu zeigen,

daß das Bild den eigenen Annahmen des Philosophen von der Seele nicht entspreche.

Wie solcher Streit um Bilder geradezu Mittelpunkt der

Erörterung werden kann,

davon liefert der Hermotimos des

Lucian ein anziehendes Beispiel.

Skeptiker und Dogmatiker

streiten darüber, ob sichere Entscheidung für eine philosophische Lehre möglich sei. Zunächst stellt der Skeptiker Gleichnisse auf und

verwickelt den Dogmatiker dadurch, dann greift dieser zur selben

Waffe und häuft Analogien über Analogien, aber der Skeptiker er­

weist sie alleals nichtstichhaltig und trägt endgültig den Sieg davon. Bei derartigen Erörterungen ist viel Scharfsinn entwickelt, aber es ist auch schwerlich irgendwo seine Leistungsfähigkeit so

sehr überschätzt.

Wenn der eine, was er an fein gesponnenen

Analogien aufzeigt,

auch für die Sache bewiesen glaubt,

so

meint leicht der andere, diese selbst entscheidend zu treffen, wenn er die Gleichnisse zerstört.

Ist -einmal der Kampf auf dieses

Gebiet verlegt, so ist freilich immer derjenige im Vortheil, der die negative Seite vertritt. Doch es empfiehlt sich vielleicht, statt uns in allgemeinen

Betrachtungen zu ergehen, an einigen concreten Beispielen zu

zeigen, wie sich in Wirklichkeit die Sachlage gestaltet hat. Als solche Beispiele wählen wir einige Principienfragen,

die besonders mächtige Bewegung veranlaßt haben. Gleich die Frage nach Ursprung und Bildung unserer Er­

kenntniß hat unzähligen Gleichnissen das Dasein gegeben.

Hier

wo der Proceß unmittelbar in uns vorgeht und sich doch dem geistigen Auge so

schwer als Ganzes darstellt, schienen die

Denker wie gedrängt, ihren Theorien durch Bilder eine Art Anschaulichkeit zu verleihen.

Aus der endlosen Fülle derselben

hebt sich ein Gegensatz hervor, der die ganze Geschichte durch­ zieht.

Auf der einen Seite findet sich das Bild von der leeren

Tafel, die erst nach und nach von der Erfahrung beschrieben werde. Plato's Vergleichung der Gedächtnißbilder mit den im Wachs

beharrenden Eindrücken (s. Theaetet 191, D) mag den Anlaß



.

dazu gegeben haben, von entscheidender Bedeutung aber ward

die bei Aristoteles erfolgende Zusammenstellung des noch nicht in erfüllter Thätigkeit (hinein) befindlichen Geistes mit

einer noch unbeschriebenen Tafel.

I

Das Bild ruht hier auf der

Voraussetzung, daß der erkennende Geist seinen Inhalt nicht fertig mitbringe, sondern ihn erst im Leben erwerbe; wie dabei aber das von außen kommende sich zu dem aus dem Innern stammenden verhalte, darüber ist nichts behauptet.

Eine ähn­

liche Bedeutung bewahrt das Gleichniß in der aristotelischen

Schule.

Wenn wir im späteren Mittelalter Schlagwörter wie

das der tabula rasa und des nihil est in intellectu quod prius

non fuerit in sensu finden, so müssen wir uns hüten, die speci­

fische Tendenz herauszulesen, welche wir jetzt nach Ausbildung der Gegensätze der neueren Philosophie damit verbinden.

Wo immer aber die aristotelische Ueberzeugung von der

Ursprünglichkeit der geistigen Thätigkeit erschüttert und. auf­ gegeben wurde — und das geschah im späteren Alterthum ähn­ lich wie zu Ausgang des Mittelalters —, da erhielt das Gleich­

niß seine Schärfung im Sinne des Empirismus. schien es zu besagen,

Nunmehr

daß der Geist von Haus aus leer und

unthätig sei, daß er erst von draußen in Bewegung gesetzt werde, und daß er seinen Inhalt daher stückweise als ein leidender empfange.

Damit war nicht mehr blos eine Versinnlichung

des erscheinungsmäßig Vorgehenden gegeben, sondern eine Art

Erklärung ausgestellt,

ersten Blick so

und diese Erklärung mochte sich dem

sehr empfehlen,

daß

der Theorie aus dem

Gleichnisse geradezu einige Unterstützung erwuchs.

Sobald aber die Sache solche Wendung genommen hatte, sahen sich die Gegner der principiellen Anschauung zu kritischem

V

_______

_______________________________________ )

Eingehen

ans

nicht schwer,

das Bild

darzuthun,

gezwungen,

und es

ward

ihnen

daß dasselbe eine roh sinnliche Vor­

stellung vom Wesen und Wirken des Geistes enthalte, daß die

Innerlichkeit der intellektuellen Vorgänge nicht zur Darstellung

komme, und daß das Zusammenschießen des Mannigfachen zur Einheit, die gegenseitige Durchdringung der einzelnen Momente

von hier aus nicht begreiflich gemacht werden könne.

In sol­

cher Weise sehen wir Plotin und Boethius, so auch Tau-

rellus und namentlich Leibnitz das Gleichniß angreifen und

zerstören.

Aber die Gegner des Empirismus gingen ihrerseits von der Abwehr

zu

selbständiger

Aufstellung über.

Und wenn

hier der Eine diesen, der Andere jenen Ausdruck seiner Ueber­ zeugung wählte,

so vereinigten sich Viele, darin, die Ausbil­

dung des Erkennens mit einem Erwecktwerden aus Schlaf und Traum zusammenzustellen. fänglicher Besitz

des

Das Wissen.gilt dann als an­

Geistes; was das

Aeußere leistet,

ist

nichts anderes als der Anstoß,

jenen Besitz auch zum empi­

rischen Bewußtsein zu bringen.

Der Keim dieses Bildes liegt

wohl in der platonischen Lehre von der Wiedererinnerung,

mit besonderer Energie ward es sodann von den Neuplatonikern in Umlauf gebracht, aber auch in Mittelalter und Neu­

zeit erscheint es als eine Art Bekenntniß Derjenigen, welche das^ Wissen letzthin von innen her ableiten wollten.

So die

mittelalterliche Mystik, vor allem Eckhart, so Nicolaus von Eues, Paracelsus, Kepler, so namentlich auch Leibnitz.

Wir sehen hier den Umstand,

daß wir im natürlichen

Dasein verschiedene Grade des bewußten Lebens kennen, und daß wir auf der niederen Stufe etwas irgendwie festzuhalten

l

________________________________ )

vermögen,

was uns erst auf der höheren vollständig gegen­

wärtig ist, wir sehen solchen Umstand dazu benutzt, einiger­

maßen begreiflich zu machen, könne,

daß der Geist etwas besitzen

ohne davon ein klares Bewußtsein zu haben;

man

konnte geltend machen, daß, wenn sonst gewichtige Gründe für

den Ursprung der Erkenntniß aus dem Innern sprächen, der­ selbe nicht schon durch die

scheinbare anfängliche Leere

empirischen Bewußtseins unmöglich gemacht werde.

des

Aber auch

hier hat sich das Gleichniß oft dogmatisch festgesetzt und den Anspruch erhoben, eine Lösung des Problems zu bieten.

Und

in diesem Augenblick trat wieder die Kritik in ihr Recht, wenn sie die Differenzpunkte hervorkehrte.

Das Erwachen ist ein

plötzliches, es versetzt rasch wie augenblicklich in einen anderen Gesammtzustand; der Gewinn der Erkenntniß vollzieht sich all­

mählich im mühsamen Ringen.

Was uns im Traum entgegen­

tritt und als im Schlaf treu bewahrt erscheint, das ist im

Wachen erworben; bei der Erkenntniß aber soll der Inhalt dem Geiste vor aller Thätigkeit zukommen.

Würden wir durch die

Analogie hier nicht weiter dahin getrieben, ein Leben vor dem

Leben anzunehmen, und würden wir mit solcher Annahme nicht

in's Endlose gerathen, ohne etwas zu gewinnen? —Bei solchem

Streit der Bilder war das des Empirismus aber entschieden- im

Vortheil, da es den Gedanken weit mehr in's Einzelne begleitete;

beide Bilder verrathen aber die Uebereinstimmung der Gegner

darin, den Erkenntnißinhalt als ein der Thätigkeit Gegebenes zu fassen, indem sie nur darüber streiten,

ob dieselbe ihn

drinnen oder draußen finde. Wer eine ursprüngliche Entstehung

in und mit der Thäügkeit selber vertheidigte, der würde beide Bilder gleichmäßig zurückweisen; seine eigene Ueberzeugung aber

V

)

in einem Gleichnisse auch nur annähernd darzustellen, darauf

müßte er verzichten, denn die wahre Ursprünglichkeit kann eben­ sowenig durch sinnliche Analogien veranschaulicht werden, als es die Freiheit vermag. Schienen bei dieser Frage Gleichnisse feindlich mit einander

zu ringen, so finden wir bei dem Problem der Realität unseres Wissens die verschiedenen Richtungen oft mit demselben Bilde

beschäftigt und in seiner Behandlung ihre Eigenthümlichkeit kund­ thuend.

Von Alters her haben die Denker die Frage aufge­

worfen, welche Sicherheit wir besitzen, daß nicht der ganze In­

halt unseres Lebens und Denkens einem Traum gleich zu achten sei. Solange wir im Traum befangen sind, halten wir seinen Inhalt für

real, und doch ist er nichtig; könnte es sich mit unserem ganzen Leben nicht auch so verhalten? Schon zu Platons Zeit ward diese

Frage viel erörtert (s. Theaetet 158 B). Plato selber und mit

ihm die Neuplatoniker meinten, daß allerdings die Hingebung an die sinnliche Erscheinung einem bloßen Traumzustand gleiche, daß die Philosophie uns

aber in ein wachendes Dasein erhöbe.

Aber das Problem war damit nicht endgültig erledigt. Es ver­ ursachte zunächst im spätern Alterthum noch viel Streit (s. z. B. AugustinI, 214A), namentlich aber setzte es die neuern Denker

in Bewegung und gab ihnen Gelegenheit, die Eigenthümlichkeit ihrer Ueberzeugungen und ihrer Methoden darzuthun. Descartes

mußte letzthin zur Wahrhaftigkeit Gottes seine Zuflucht nehmen, um den Zweifel zu überwinden. Spinoza suchte der Schwierig­

keit zu begegnen, indem er das Gebiet, auf dem überhaupt Täuschung möglich sei, genau umgrenzte (de int. einend, cp. VIII).

Locke meinte, der vom Traum hergenommene Einwand werde

eigentlich schon dadurch erledigt, daß wenn alles Traum sei,

r auch der Einwand in denselben Hineinfalle; wolle man ihn aber

ernst nehmen, so müsse man darauf halten, daß die Beziehung des Vorgehenden auf unsere Selbsterhaltung, auf Lust und Un­

lust, außer allem Zweifel stehe, und daß damit unsern Ein­ sichten alle Realität gesichert sei, worauf es ankomme (ess. conc. hum. linderst. IV cp. XI).

Indem Leibnitz als Kriterium der

Realität die Verknüpfung der Phänomene (la liaison des phenomenes) aufstellte, konnte er sich nicht verhehlen, daß damit

der Zweifel nicht bis

zur Wurzel vernichtet sei.

Denn die

ganze Verbindung könnte ja lediglich im Traum stattfinden. Sicherheit erhalten wir nur von der Vernunft, welche durch das

Princip der Causalität aus einen realen Grund hingeleitet wird.

Jacobi (s. Hume 186 ff.) glaubte der Sache beizukommen, indem er daran erinnerte, daß der Traum immer ein früheres Wachen

voraussetze, und daher nicht wohl als erstes und ursprüngliches ge­ dachtwerden könne. „ Wer nie gewacht hätte, könnte nie träumen, und

es ist unmöglich, daß es ursprüngliche Träume, einen ursprüng­

lichen Wahn geben könne" (140 a. a. O.).

Die angeführten

Beantwortungen des Problems enthalten vielleicht erhebliche Ein­ wände gegen den Skepticismus, aber es wäre doch ein grober

Irrthum zu glauben, man dürfe die Sache einfach umkehren,

und weil die Zusammenstellung des Erkennens mit einem Traum sich nicht bewähre, kühnlich versichern, es sei damit als dem

Wachen entsprechend und also als real erwiesen.

Denn aus der

Falschheit des einen folgt hier nicht die Wahrheit des andern, da das ganze Bild und die mit ihm gesetzte Disjunction zurück­ gewiesen werden kann.

Und auch so darf die Sache nicht ge­

wandt Werden, daß eben der,

welcher in dem Leben zunächst

nur einen Traum sehe, wegen der nothwendigen Beziehung des-

r selben auf das wache Bewußtsein ein Reales als Grundlage anerkennen müsse; denn es frägt sich ja eben, ob solche Be­

ziehung für das in Rede stehende Problem gelte. So handgreif­

lich hier auch die nachfolgende Betrachtung den Irrthum auf­

weist, Verhältnisse der Erscheinungen untereinander auf das Grundverhältniß von Erscheinung und Sein zu übertragen, so

sind in versteckterer Weise selbst sehr bedeutende Denker ihm

verfallen. Sa namentlich Kant; so auch Herbart, wenn er das Gleichniß bildet: ,> Wie der Rauch auf das Feuer, so deutet der

Schein aufs Sein" (III, 344), denn es bedarf keiner langen Erwägung, um den hier vorliegenden Cirkel zu erkennen.

Nirgends aber dürften die Bilder mehr in die philosophische Thätigkeit eingedrungen sein, als bei den ontologischen Problemen

der Einheit und Vielheit, sowie der Ruhe und Bewegung. Ward überhaupt unsägliche Mühe aufgeboten, das angenommene Ver­

hältniß dieser Principien durch Gleichnisse aufzuklären, so ge-

tvannen solche Versuche namentlich da für die Denkarbeit Be­

deutung, wo man nur ein Glied des Gegensatzes anerkannte und das andere aus demselben abzuleiten suchte.

Dies gilt be­

sonders von dem Problem der Einheit und Vielheit. Obwohl

Plato in ebenso genialer wie scharfsinniger Weise dargethan hatte, daß beides miteinander gesetzt werden müsse und das eine

ohne das andere überhaupt nicht gedacht werden könne, so gab es immer wieder Philosophen, welche sich an das Unmögliche wagten. Je weniger dabei die eigentlichen Mittel der Erkenntniß auslangten, desto mehr sollten Gleichnisse leisten, und wenn nichts anderes,

so vermochten sie wenigstens dieses, den Menschen über die

Schranken seines Wissens zu täuschen.

Und zwar waren es

vornehmlich die Anhänger der Einheitslehre, welche ihrer Ueber-

zeugung durch geschickte Verwendung von Bildern eine für die

Wirkung auf das Subjekt nicht zu unterschätzende Unterstützung zuführten.

Es war aber das Verfahren nach der Art der Denker ein

recht verschiedenes.

ein

Plotin,

möchten

Tieferdringende Geister, wie z. durch

sinnliche

Analogien

B.

anschau­

lich machen, wie aus dem Ureinen eine Vielheit entstehe, ohne die wesentliche Einheit zu zerstören und aus ihr herauszutreten.

Bei näherem Zusehen gewahren wir aber, daß bei solchen Ver­

suchen im Stillen neben dem Einen, Thätigen ein Ausnehmen­ des, Weiterleitendes, Zurückstrahlendes angenommen, und so die Grundvoraussetzung von der Einzigkeitdes Principes aufgegeben ist. Andere ließen die Frage nach dem Ursprünge der Vielheit bei Seite und begnügten sich damit, in Bildern auszumalen, wie

etwas für den ersten Blick auseinanderfallendes im Wesen einen einzigen Gesammtproceß ausmache. Derartige Gleichnisse haben zu Gunsten der Lehre von.der Einheit der Weltvernunst nament­

lich die Stoiker (z. B. Mark Aurel) entwickelt.

Am meisten

aber hat man, aller weiteren Fragen sich überhebend, zu zeigen

unternommen, wie das einmal vorhandene und nicht weiter erklärte

Viele in eine Einheit aufgehen und darin verschwinden könne.

Es schien für solchen Vorgang die sinnliche Welt geradezu un­

erschöpfliche Analogien darzubieten,

und es ist davon in alter

und neuer Zeit viel Gebrauch gemacht, wenn auch in unserer Culturwelt immer noch erheblich weniger als bei den Indern. Alle solche Gleichnisse empfahlen sich durch ihren allgemeinen Eindruck, denn indem sie das Kleine dem Großen einfügten und dem Einzelnen Hingebung, ja Aufopferung an das Ganze zu-

zumuthen schienen, galt eine hohe und edle Weltanschauung als

Eucken, Vilder und Gleichnisse.

49

4

in ihnen bezeugt; das Unbedeutende verschwand aus der Welt, und nur das große Eine blieb übrig.

Es erweist sich hier die

Wahrheit dessen, was Schelling (II 281) ausspricht:

„Der

Mensch hat von Natur Tendenz zum Großen. Das Größte, mag es doch seine Einbildungskraft übersteigen, findet Glauben bei

ihm,

denn er fühlt sich selbst dadurch erhoben."

Aber man

darf auf die Gleichnisse der monistischen Metaphysiker nicht

zu genau eingehen.

Denn dann stellt sich leicht heraus, daß

auch wo sich Einzelnes mit anderem zu einem Ganzen verbindet, es damit noch nicht in eine unterschiedslose Masse verwandelt

wird, sowie daß die Einheit, bei der man abschließend sich be­

ruhigt, nur den Punkt angiebt, wo das Viele für den Blick des Beobachters verschwindet, ohne deswegen wirklich aufgehoben

zu werden.

Endlich aber würde zur Einsicht gelangen, daß alle

Einheit, welche je auf sinnlichem Gebiet gefunden werden könne, unermeßlich verschieden sei von derjenigen, um die es sich bei

dem metaphysischen Problem handle, so daß auch im günstigsten Fall irgendwelche Beweiskraft den Gleichnissen nicht zuerkannt

werden dürfe.

Empfehlen sich die Gleichnisse der Einheitslehre durch den

Antrieb, welchen sie der Einbildungskraft in der Richtung auf

das Große

gewährten, so werden die Anhänger der Vielheit

die Gemüther gewinnen, indem sie das Vorliegende als eine Mannigfaltigkeit in sich fassend, als fein und kunstvoll gebildet erscheinen lassen.

Aber hier gewahren wir, daß das Kleine nur

dann einen bedeutenden Eindruck macht, wenn es sich mit der Vor­

stellung des Lebendigthätigen verknüpft, während das Große ohne nähere Bestimmung-seiner Wirkung sicher ist.

Und um selbst

in jener Verbindung das Kleine als ein werthvolles anzuer-

r seltnen, dafür ist weit mehr geistige Bildung erforderlich als bei dem Großen. Denn die sinnliche Vergegenwärtigung leistet für jenes unvergleichlich viel weniger. Bei solcher Lage war der Antrieb, durch Gleichnisse für den Gedanken einzunehmen, Hier weit geringer, und da man nicht so sehr suchte, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn trotz der vielen Fälle, wo in der sinnlichen Welt ein scheinbar Einheitliches bei näherer Be­ trachtung auseinandergeht, nicht eben viel davon innerhalb der Philosophie zur Verwendung gelangt ist. Wir können daher sagen, daß bei dem Problem der Einheit und Vielheit die Gleich­ nisse die Sachlage zu Gunsten des Monismus verschoben haben. Die Frage wegen Ruhe und Bewegung im Weltall hat viel­ leicht nicht ganz so weite Kreise ergriffen, aber innerhalb derselben hat sie nicht geringeres Schaffen von Gleichnissen angeregt. Am meisten Veranlassung dazu hatten auch hier die-Vertreter der extremen Theorien, denn ihnen stand die Erscheinung am feind­ lichsten gegenüber, ihnen mußte daher am meisten daran liegen, sie auf ihrem eigenen Gebiete für sich zu gewinnen. Dies ist denn auch von beiden Seiten unternommen. Die einen suchten die Ruhe, die andern die Bewegung als bloßen Schein zu erweisen. Die Bilder der letztern hatten, namentlich wenn sie den Gedanken der Einheitslehre mit aufnahmen, den Eindruck der Erhaben­ heit für sich, während die Anhänger des absoluten Werdens die Gemüther dadurch fesselten, daß sie alles Starre aufzulösen und in ein ewig fluthendes Leben hineinzuziehen schienen. Natür­ lich liegt der Grund solcher Wirkung, wie bei allen Gleich­ nissen, nicht in dem sinnlichen Vorgänge als solchem, son­ dern in dem Gedanken, welcher ihn ergreift und durchdringt. Aber zu solch unmittelbarer Wirkung gelangt der Gedanke

51

4

"

s

für das große Ganze eben erst durch die Verbindung mit einem anschaulich gegenwärtigen, so daß das Bild keineswegs bedeu­

Und was nun die Durchführung im Einzelnen

tungslos ist.

anbelangt, so waren die Einen im Stande^ viele Beispiele auf­

zuweisen, wo das was uns bewegt scheint, sich thatsächlich in wenigstens relativer Ruhe befindet, während die Andern ebenso zahlreiches entgegenstellen konnten, wo das, was der rohen Auf­

fassung als ruhend gilt, sich später als bewegt, was als beharrend erscheint, sich in Wahrheit als in Veränderung begriffen zu er­

kennen gibt.

Aber läßt^ sich daraus etwas für das metaphysische

Problem erschließen?

Jene

konnten

die Umwandlung der

Bewegung in Ruhe nur vollziehen, indem sie eine gewisse

Bewegung in tritt der

den Beobachter

hinein verlegten.

So

aber

an einer Stelle eliminirte Begriff an einer andern

wieder ein,

und

wenn

die Bewegung bloßer

Schein sein

sollte, wie wäre denn solcher von der Ruhe her zu verstehen? Eine Sache für Schein

greifen und erledigen.

erklären,

heißt noch nicht sie 6e^

Wenn aber die andern durch ihre Gleich­

nisse Beharren und Ruhe zu entfernen suchten,

wie z. B.

Heraklit, so konnten sie doch den einen Punkt nicht aufheben, an dem das in ewiger Umwandlung Begriffene sich als ein

beharrendes darstelle.

In beiden Fällen mochte das Verhältniß

des Ruhenden und Bewegten sich erheblich verändern, es mochte, was zuerst dem Objekt zuzukommen schien, auf das Subjekt übertragen werden: nie konnte das eine Glied des Gegensatzes

vollständig beseitigt, nie eine das Ganze umfassende Lösung ge­

funden werden.

Darauf aber kommt es bei dem metaphysischen

Problem an.

Im Fortgang unserer Untersuchung möchten wir aus großen V_____________________________________ _ ________________ __________

J

Gebieten nur noch je ein weiteres Problem zur Anführung bringen. Zunächst dürfte die Wirkung, welche Gleichnisse auf die Frage

vom Verhältniß des Körperlichen und Geistigen ausgeübt haben,

einige Beachtung verdienen.

Beschränken wir uns auch hier auf

die äußersten Glieder des Gegensatzes, so ist von vorn herein anzunehmen, daß in dem Kampf der Materialisten und Spiri­ tualisten die letzteren beim Gleichniß im Nachtheil waren.

Denn

wenn sie die Herleitung des Körperlichen von dem Geistigen irgendwie sinnlich darstellen wollten, so konnten sie dieses nicht

wohl anders, als indem sie in dem Bilde für das Geistige ein

Feinsinnliches einsetzten; damit aber acceptirten sie eben die Voraussetzung, die sie grundsätzlich bekämpften. Natürlich war eine solche Verwicklung nicht überall gleich handgreiflich.

Wenn z. B.

bei den Neuplatonikern, bei Scotus Erigena u. a. öfter das Körperliche als eine Vergröberung des Geistigen, als Verdich­ tung, als Schatten u. s. w. bezeichnet wurde, so war der Wider­

spruch augenscheinlich; er versteckte sich dagegen mehr, wenn das

Körperliche, wie es bei Leibnitz geschieht, als bloße Erscheinung gilt, welche im Subjekt aus den thatsächlich allein vorhandenen

vielen geistigen Wesen entstehe.

Aber wenn Leibnitz Gleichnisse

ersinnt, die begreiflich machen sollen, daß ein und dasselbe nach dem Standort des Beobachters sich uns bald als körperliches,

bald als geistiges geben könne, so ist die Möglichkeit,

den

Standort zu verändern, eben der sinnlichen Welt entnommen, welche zum Verschwinden gebracht werden soll, und sie ist für

uns nur in ihr denkbar.

Kurz mit allem Scharfsinn läßt sich

das Widersprechende des Verfahrens, die alleinige Wesenheit des Geistigen mittelst Analogien der sinnlichen Welt zur Dar­

stellung zu bringen, wohl verdecken, aber nicht beseitigen.

—----------------------------------------------

Günstiger ist die Lage der Materialisten.

Denn wenn

sie ihre Lehre durch Vorgänge der Außenwelt anschaulich machten, so blieben sie innerhalb des von ihnen für allein real erklärten

Gebietes; ihre Aufgabe aber mußten sie darin finden, Vorgänge aufzuzeigen, bei denen annähernd ähnliches geschehe, wie bei der behaupteten Entstehung des Geistigen aus dem Körperlichen. Indem man aber solches aufsuchte, bemühte man sich nicht darum,

die Innerlichkeit, das Fürsichleben des geistigen Seins durch Analogien begreiflich zu machen, — es wäre das freilich auch ver­

lorne Mühe gewesen —, sondern es ist durchgehend die Ver­

bindung eines Mannigfachen zur Einheit und die dabei erfolgende Umwandlung des Inhalts, welche die Aufmerksamkeit beschäftigt.

Darauf bezügliche Gleichnisse finden wir denn auch in Fülle.

Das berühmteste ist vielleicht das uralte von der Seele als der Harmonie des Körpers.

Der Satz mag seinen ersten Keim in

einer pythagoreischen Bezeichnung der Seele als Harmonie haben, die weitere Bestimmung als Harmonie des Körpers und die

darin liegende materialistische Tendenz erhielt er erst später,

und letztere trat in ihrer vollen Schärfe vielleicht erst in der Bekämpfung hervor, die das Bild bei Plato fand. Das Nicht­

zutreffen desselben ist von diesem in ausführlicher Erörterung dargethan; den entscheidenden Punkt traf aber erst Plotin,

indem er zeigt, daß die Harmonie selber ihrem Wesen und Ursprung nach die Seele voraussetzt, also nicht wohl dazu ver­

wandt werden kann, dieselbe in Wegfall zu bringen. sprach sich Fichte aus (I 437):

Aehnlich

„die Gleichnisse, die sie an­

führen, um ihr System begreiflich zu machen, z. B. das von der Harmonie, die aus dem Zusammenklang mehrerer Instrumente

entstehe, machen gerade die Vernunftwidrigkeit desselben begreif-

(

s

)

Der Zusammenklang und die Harmonie ist nicht in den

lich.

Instrumenten; sie ist nur in dem Geiste des Zuhörers, der in

sich das mannigfaltige in Eins vereinigt; und wenn nicht ein

solcher hinzugedacht wird, ist sie überhaupt nicht." So erkennen wir deutlich den Fehler, etwas das nur unter

Voraussetzung eines zu Grunde liegenden Einheitlichen statt­

findet, zur Ableitung eben dieses Vorausgesetzten zu verwenden. Die in neuerer Zeit von den Anhängern des Materialismus aufgebrachten Bilder dürften den Cirkel vielleicht besser verstecken,

nicht aber ihn in Wahrheit vermeiden.

Daß auch bei der Behandlung großer ethischer Fragen das von uns erörterte Element mitwirkt, das gewahrten wir bei

dem Problem der Willensfreiheit; an dieser Stelle möge noch ein weiteres Beispiel zur Anführung kommen: die Verwendung

von Gleichnissen zur Erklärung und Rechtfertigung des Welt­ übels.

Hier schien die Aufgabe darin zu bestehen, aus der

allgemeinen Erfahrung Fälle herbeizubringen, wo etwas zunächst

als verfehlt und hinderlich geltendes sich, im Ganzen oder dem letzten Ergebnisse nach betrachtet, als förderlich und vernünftig

erweise.

Ein historisches Bild ist hier die Vergleichung der

Welt mit einem Kunstwerk.

Dasselbe geht namentlich durch das

ganze Alterthum, aber auch Kirchenväter und Mittelalter ge­

brauchen es gern, und in der Neuzeit ist es nicht erloschen. Wie im Kunstwerk einzelne Theile, die für sich werthlos er­

scheinen möchten, dem Ganzen wichtiges leisten, ja wie selbst Disharmonien und überhaupt Gegensätze erforderlich sind, um dem Ganzen Kraft und Spannung zu verleihen, so könnte

auch im Weltall das scheinbar Unnütze und Störende sich letzt­ hin in der Harmonie des Ganzen rechtfertigen.

V

In Epos und

, , J

r Tragödie sind neben den Helden auch gemeine Naturen noth­

wendig, das Gemälde muß auch dunkle Stellen enthalten, das

Bildwerk auch die minder edlen Theile des Körpers zum Aus­ druck bringen, vornehmlich aber muß die Musik Disharmonien verwenden, alles dieses, damit nicht nur das Bessere lichtvoll hervortrete, sondern damit das Ganze durch den Gegensatz ge­

winne.

Darnach wäre die Erfassung der Welt als Totalität

eines Kunstwerkes das Mittel über das Böse hinwegzukommen. Aber sehen wir näher zu, was das Gleichniß eigentlich, be­ sagt, und wie weit es zutrifft. Gewiß kann etwas im Zusammen­

hang eine erheblich .andere Bedeutung annehmen als es für sich

hatte, aber es frägt sich, ob das schon zur Lösung der vor­ liegenden Frage genüge.

Das Böse, was zum Verschwinden

gebracht werden soll, verschwindet doch nur für den, welcher

das Mannigfache vollständig zur Einheit zusammenzufassen ver­ mag ; wie aber würde es dem gehen, der beim Theile abschließen

müßte?

Uns

Und das ist doch wohl für uns Menschen der Fall.

würde Disharmonie einfach

Disharmonie bleiben, und

wir müßten zunächst unsere menschliche Natur ablegen, um uns

jener versprochenen Harmonie erfreuen zu können.

Aber an­

genommen, es wäre eine Erhebung zum Ganzen möglich, so müßten wir uns zur Welt und ihrem Leide eben verhalten, wie es in der ästhetischen Anschauung der Aufnehmende zum

Gegenstände thut, d. h. wir müßten nicht selbst mit in den Kampf

verwickelt sein, müßten das Vorgehende nicht als unser Geschick

tragen, müßten überhaupt nicht in der Welt, sondern außer und über der Welt stehen. Die einzelnen Theile des Kunstwerkes haben in der ästhetischen Anschauung nicht selbständiges Dasein

und eignen Werth, sondern was sie sind und bedeuten, das

kommt ihnen zu als Theilen eines Ganzen;

würde man im

Weltall das Lebendige und Vernünftige, das Handelnde und Empfindende ebenso in das Ganze aufgehen lassen können? Wenn Leibnitz in mehreren oben erwähnten Gleichnissen

auszuführen sucht, daß die scheinbare Unordnung in der Welt nur Folge unseres Standpunktes sei, so leitet ihn ein ähnlicher

Gedanke, nur ist es weniger das Schöne als das Zweckmäßige der Gesammtleistung, was er als letztes Ergebniß zu gewinnen glaubt.

Auch hier ist das Böse blos Sache unserer Ansicht,

und das Gleichniß muß von allen denen zurückgewiesen werden,

welche solche Voraussetzung nicht theilen. So zeigte es sich uns durchgehend als gefährlich, Bilder in

die Gedankenarbeit selber einzuführen, als verderblich, sie an die

Stelle begrifflicher Erörterung zu setzen.

Ueberall stießen wir

auf einen wesentlichen Unterschied der sinnlichen Anschauung

und der wissenschaftlichen Begreifung des Weltalls.

Aber damit

ist das, was wir oben über den förderlichen Einfluß und die

Nothwendigkeit der Bilder behaupteten, nicht umgestoßen.

Es

braucht der Philosoph seine Begriffe nicht ängstlich gegen die

Eindrücke der unmittelbaren Welt abzuschließen, er darf, ja er

muß unter Umständen beide Gebiete verknüpfen, wenn er nur dem vielen Fremden gegenüber die Selbständigkeit des Den­ kens behauptet und sich durch die bunte Fülle des Zuströmenden

nicht in der Treue gegen die eigene Ausgabe beirren läßt. Alles Aeußere vermag dem Geiste zu frommen,

wenn er es

durchdringt und in seine eigene Innerlichkeit aufnimmt. aber muß bestanden werden.

anderer Gelegenheit bemerkt:

Darauf

Auch hier gilt, was Hegel bei

„ die Natur des Geistes

ist es

noch in viel höherem Sinne, als der Charakter des Lebendigen

überhaupt, nicht ein anderes Ursprüngliches in sich aufzuneh­

men, oder nicht eine Ursache sich in ihn kontinuiren zu lassen,

sondern sie abzubrechen und zu verwandeln" (IV, 229). Und so ist es überhaupt mit dem Leben.

Was mannigfaches an

Aufgaben und Geschicken dem Menschen zufallen kann,

nur

Den wird es zerstreuen und sich selber entfremden, der es nicht

in den Zusammenhang idealen Strebens aufzunehmen und mit tiefinnerlicher Arbeit zu ergreifen vermag. die

Gunst des

Schicksals,

oder scheuen

Wem aber durch wir uns nicht zu

sagen: durch göttliche Gnade Solches zu Theil geworden, den

kann alles von

außen Herantretende nur in seinem eigenen

Wesen 'heben und ihm damit zu reinem Segen gereichen. Die Gleichnisse haben namentlich in solchen Zeiten eine

geschichtliche- Bedeutung gewonnen und den allgemeinen Cha­ rakter des Denkens bestimmt, wo man daran verzweifelte, mit

den naturgegebenen Mitteln die unerläßlichen Forderungen un­ seres geistigen Seins zu befriedigen.

Auf den Flügeln der

Gleichnisse hoffte man ost sich in eine jenseitige Welt empor­

schwingen zu können, als deren matter Abglanz allein diese Welt und dieses Leben gelten dürfe, und neben deren Licht

Alles verblasse, was wissenschaftliches Erkennen zu erreichen vermöge. Soweit dies besagen soll, daß unser Dasein auf unerforschlicher Tiefe ruhe, und daß Welt und Leben nur inso­

fern ein Großes für uns enthalten, als sie in einem weiteren

und geistigen Zusammenhänge erfaßt werden, stimmen wir voll­ ständig bei und beklagen Diejenigen als innerlich verarmt, die

in dem unmittelbar Gegebenen ihr letztes Ziel finden; jeder Schritt

weiter bringt

aber

die Gefahr, aus der Vernunft

herauszufallen, indem man über sie hinaus strebt.

Tiefe muß

r Tiefe bleiben, die Wurzel des Lebens nicht an die Oberfläche

gezerrt werden.

Leicht sinkt man in ein Sinnliches und Nie­

driges, wenn nicht die Schranken, die einmal unserer Natur gesetzt sind,

ehrfurchtsvolle Anerkennung finden.

Was uns

innerlich bewegen und umwandeln soll, das muß Gegenstand unserer hingebenden Thätigkeit werden, das muß alle unsere

Kräfte wachrusen und erfüllen; solches aber wird nur bei dem­ jenigen geschehen können, was in unserer Welt sich bezeugt und

hier unser Mitwirken verlangt. Bei aller geistigen Umwandlung und Vertiefung der Welt muß daher immer die Beziehung auf das Vorliegende erhalten bleiben, darf nie eine Entfremdung durch

Flucht in ein Jenseits stattfinden, wenn wir nicht da unsere Pflicht versäumen wollen, wo wir zu wirken berufen sind, so lange es Tag ist.

So darf Der glücklich gepriesen werden,

dem es gelang, durch Leben und That zu vereinen, was leider so oft auseinandergeht: kraftvoll-freudiges Wirken in dem un­

mittelbaren Dasein und innere Verklärung alles Erfahrenen in einer höheren Welt des Geistes.

Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.

Verlag von VEIT & COMP. in Leipzig,

Geschichte und Kritik der

Grundbegriffe der- Gegenwart. Von

Rudolf Eucken. gr. 8.

1878.

geh.

M. 5. —

iDer Verfasser hat sich zur Aufgabe gestellt, zur Würdigung und Kritik des Geisteslebens der Gegenwart beizutragen. Er erörtert die für Bildung und Wissenschaft wichtigsten Begriffe, z. B. Erfahrung, Gesetz, Cultur, Humanität, Idealismus und Realismus u. a. in der Weise, dass durch ihre genetische Ent­ wickelung sowohl ihr eigener Inhalt wie ihr Zusammenhang mit den bewegenden Mächten der Vergangenheit und Gegenwart möglichst klar hervortritt. Das Buch will nicht nur eine historische Darstellung, sondern einen Beitrag zu einer« vertiefenden Aufklärung über Inhalt und Eigen­ art des gesummten geistigen Lebens der Gegenwart bieten.

Geschichte der

philosophischen Terminologie. Im Umriss dargestellt von

Rudolf Eucken. gr. 8.

1879.

geh- M. 4. —

V. Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.