Transparente Schätze: Der abbasidische und fatimidische Bergkristallschnitt und seine Werke 9783534406418, 9783534406432, 9783534406425, 3534406419

Die mittelalterlichen Bergkristallgefäße aus den islamischen Reichen der Abbasiden und Fatimiden sind herausragende Meis

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Table of contents :
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Impressum
Inhalt
Einleitung
Dank
Stand der Forschung
Chronologischer Überblick und Karten
I. Einführung
I.1 Bergkristall – Material und Eigenschaften
I.2 Der Bergkristall in antiken und mittelalterlichen Quellen
I.3 Steinschliff und Steinschnitt. Eine historisch-technische Einführung
I.4 Exkurs: Bergkristall und Glas
II. Zeugnisse zur Entwicklung des Steinschnitts
II.1 Steinschnitt in vorislamischer Zeit
II.2 Zeugnisse des Steinschnitts in islamischer Zeit
II.3 Kontinuitäten und Brüche – Überlegungen zur Werkstatttradition
III. Ohne Zweifel fatimidisch?
III.1 Hohl geschnittene Gefäße
III.2 Offene Gefäße – Tassen, Becher und Teller
III.3 Massiv geschnittene Gefäße
III.4 Massiv geschnittene Objekte
III.5 Florale Dekore
III.6 Figürliche Dekore
III.7 Stilisierte und geometrische Dekore
hier noch eine Gruppe vonStücken zu nennen, deren Gestaltung sich am ehestenmit Variationen von kerbschnittartigen Liniendekorenumschreiben lässt. In erster Linie sind dieszylindrische Fläschchen (Taf. T63–T66), die in derEinfachheit ihrer Struktur und technischen Ausführungbesonders schwierig einzuordnen sind undzuweilen ist der Übergang zu extrem stilisierten floralenFormen fließend. Genannt sei hier außerdemein Gefäß in Emmerich mit mandelförmigen Medaillons(Taf. T47) oder ein Flakon in Chicago(Taf. T62), dessen Schnitt an pseudo-kufische Inschriftenerinnert. Neben diesen Gefäßen sei hierauch auf einen Teil der Schachfiguren (bes.Taf. T121–T126) verwiesen. Obgleich sie die Formender „klassischen“ floralen Dekore vage zitieren,sind sie in der schematischen Ausführung ihresDekorschnitts doch so weit von den übrigen Werkendes islamischen Bergkristallschnitts entfernt,dass ihr direkter Zusammenhang mit diesen hinterfragtwerden muss.III.8 Inschriften
III.9 Technische Beobachtungen
III.10 Diskussion
III.11 Stilistische Gruppierung
IV. Die Biografie der Objekte
IV.1 Zwischen Orient und Okzident – Objekte des Transfers
IV.2 Von Kalifen und Kaisern – Der Steinschnitt als Instrument der Macht undRepräsentation
IV.3 Klarheit und Transparenz – Überlegungen zu Wirkung und Montierung
IV.4 Zur Frage von Nutzung und Funktion
IV.5 Von Kaisern und Heiligen –Islamische Bergkristallobjekte im lateinischen Westen
Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Index
Bildnachweis
Tafeln
Überblick der Objektauswahl nach den Orten ihrer Aufbewahrung
Objektinformationen
Backcover
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Transparente Schätze: Der abbasidische und fatimidische Bergkristallschnitt und seine Werke
 9783534406418, 9783534406432, 9783534406425, 3534406419

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Marcus Pilz Transparente Schätze

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Marcus Pilz

Transparente Schätze Der abbasidische und fatimidische Bergkristallschnitt und seine Werke

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Diese Arbeit wurde, in leicht abweichender Form, 2017 als Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität in München eingereicht und entstand mit Unterstützung eines Promotionsstipendiums der Gerda Henkel Stiftung Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf

Titelbild: Detailaufnahme der Bergkristallflasche im Domschatz Halberstadt (Inv. Nr. DS 049, Foto: Marcus Pilz) Mit freundlicher Unterstützung der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnd.d-nb.de abrufbar

wbg Academic ist ein Imprint der wbg © 2021 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Satz: SatzWeise, Bad Wünnenberg Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-40641-8 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-40643-2 eBook (epub): 978-3-534-40642-5

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Inhalt

Einleitung

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Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Chronologischer Überblick und Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Zum Material und seiner Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.1 Bergkristall – Material und Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . I.2 Der Bergkristall in antiken und mittelalterlichen Quellen . . . . . . I.3 Steinschliff und Steinschnitt. Eine historisch-technische Einführung Schleifmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Arbeitsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.4 Exkurs: Bergkristall und Glas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Zeugnisse zur Entwicklung des Steinschnitts . . . . . . . . . . . . . . . II.1 Steinschnitt in vorislamischer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Anfänge – Mesopotamien und der östliche Mittelmeerraum . . Der Steinschnitt im römischen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . Steinschnitt in Persien und Byzanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2 Zeugnisse des Steinschnitts in islamischer Zeit . . . . . . . . . . . Umayyaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbasiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeugnisse des Steinschnitts unter den Fatimiden . . . . . . . . . . . II.3 Kontinuitäten und Brüche – Überlegungen zur Werkstatttradition

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III. Ohne Zweifel fatimidisch? Zur Ikonografie und Chronologie der mittelalterlichen islamischen Bergkristallarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Problematik und Herangehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Typologie I – Objektformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.1 Hohl geschnittene Gefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krüge und Flaschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2 Offene Gefäße – Tassen, Becher und Teller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.3 Massiv geschnittene Gefäße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerundete und zylindrische Flakons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molare Flakons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zoomorphe Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.4 Massiv geschnittene Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knäufe und Schachfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

Typologie II – Der Dekor . . . . . . . . . . III.5 Florale Dekore . . . . . . . . . . . . III.6 Figürliche Dekore . . . . . . . . . . III.7 Stilisierte und geometrische Dekore III.8 Inschriften . . . . . . . . . . . . . . III.9 Technische Beobachtungen . . . . . III.10 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . III.11 Stilistische Gruppierung . . . . . . .

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IV. Die Biografie der Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.1 Zwischen Orient und Okzident – Objekte des Transfers . . . . . . . . . . . IV.2 Von Kalifen und Kaisern – Der Steinschnitt als Instrument der Macht und Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.3 Klarheit und Transparenz – Überlegungen zu Wirkung und Montierung . IV.4 Zur Frage von Nutzung und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.5 Von Kaisern und Heiligen – Islamische Bergkristallobjekte im lateinischen Westen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Literaturverzeichnis . . . Quellen . . . . . . . . Sekundärliteratur . . Ausstellungskataloge

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Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Tafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

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Einleitung

Die bislang meist als fatimidisch bezeichneten Bergkristallgefäße stellen innerhalb der islamischen Kunst des Mittelalters sowohl in ihrer Gestaltung als auch technischen Ausführung einen herausragenden Höhepunkt dar. Verstreut über eine Vielzahl von Kirchenschätzen und Museen in Europa, sowie zahlreiche internationale Sammlungen, wurden diese Steinschnitte bislang nur in punktuellen Studien zu einzelnen Objektgruppen betrachtet. Bei der zentralen Frage nach Herstellungsort und -zeit dieser außergewöhnlichen Objekte stößt man jedoch in nahezu allen Publikation stets auf dieselbe Provenienzangabe: die Bergkristallarbeiten des islamischen Mittelalters seien Werke aus fatimidischen Werkstätten und damit im 10. und 11. Jahrhundert in Ägypten entstanden. Tatsächlich lässt sich der Ursprung dieser Zuschreibung im Wesentlichen auf eine Publikation zurückführen, von der ausgehend sie sozusagen tradiert und bis heute weitgehend unkritisch übernommen wurde. Es handelt sich dabei um den Katalog der großen Ausstellung Muhammedanischer Kunst in München aus dem Jahr 1910. In seiner Einführung zum Kapitel Glas und Kristall resümierte Ernst Kühnel dort: „Alle Bergkristallarbeiten, die dem muhammedanischen Kunstkreise angehören, sind in einer und derselben Epoche angefertigt worden, deren nähere Bestimmung keine sonderlichen Schwierigkeiten mehr bietet: Es ist die Fatimidenzeit Ägyptens. Wir kennen zwei Stücke, deren Inschriften sich auf diese Dynastie, die erste auf el-Aziz Billah (975–996), die andere auf es-Zahir (1021–1036) beziehen, und wir wissen aus alten Berichten, die uns durch Maqrizi übermittelt sind, daß sich in dem 1062 zerstörten Schatz des Mostansir Billah eine große Zahl derartiger Arbeiten befand, von denen einige den Namen des genannten el-Aziz getragen haben sollen. Daraus können wir schließen, daß der Beginn dieser Technik mit der

Gründung Kairos (969) zusammenfiel, daß sie ihre größte Blüte gegen Ende des 10. Jahrhunderts entfaltete, und daß sie etwa um die Mitte des 11. Jahrhunderts wieder erlosch. Einen anderen Fabrikationsort neben Kairo anzunehmen, haben wir keinen Grund, denn es fehlen uns dafür nicht nur sichere Nachrichten, sondern auch stilistische Merkmale, die die Absonderung einer fremden Gruppe nahelegen könnten.“ 1 Bereits die außerordentliche formale Diversität der in der Ausstellung zusammengetragenen Stücke macht diese pauschale Zuschreibung aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar (Abb. 1). Umso überraschender ist es, dass diese These in den vergangenen mehr als 100 Jahren dennoch kaum in Frage gestellt wurde. Mehr als 25 Jahre nach der Münchner Ausstellung kamen jedoch Kühnel selbst Zweifel an seiner eigenen, so absoluten Aussage. Auslöser war die Lektüre von Paul Kahles erstmaliger Übersetzung des Kapitels zu Bergkristall aus dem Steinbuch des Abū Rayḥān Muḥammad ibn Aḥmad al-Bīrūnī (973–1048), in dem dieser ausführlich auf den weitreichenden Handel mit Bergkristall und dessen Verarbeitung im Abbasidenreich eingeht. Gegenüber Kahle äußerte er, dass man nun wohl „alle erhaltenen Arbeiten daraufhin durchsehen müsse, ob sie hinsichtlich der Art des Dekors nicht doch eher auf den Iraq als, wie man bisher annahm, auf Ägypten zu lokalisieren seien. […] Jetzt müsse man die ganze Serie revidieren. Einige, die Inschriften auf bestimmte Fatimiden tragen (Aziz und Zahir), dürften schwerlich im abbasidischen Basra entstanden sein, aber von den anderen sicher die Mehrzahl.“ 2 Leider artikulierte Kühnel diese Bedenken nicht in einem weiteren akademischen Rahmen und sie blieben, im wahrsten Sinne des Wortes, nur eine Fußnote in der Forschungsliteratur. In der breiteren Rezeption wurde die fatimidische Provenienz auch weiterhin weit-

München 1910, Glas und Kristall, ohne Seitenangabe. Bei den genannten Quellen handelt es sich um eine Zeile im Reisebericht des Nāṣir-i Ḫusrau sowie um den durch al-Maqrizi überlieferten Bericht der Plünderung der Fatimidenschätze (siehe dazu Kap. II.2 dieser Arbeit). Kühnel lehnte sich bei dieser Zuschreibung an Gaston Migeons Ausführungen von 1907 an. Bei den beiden fraglichen Objekten handelt es sich um den Krug mit dem Namen des al-ʿAzīz (reg. 975–996) im Schatz von San Marco in Venedig (siehe Taf. T4) und um den technisch wenig anspruchsvollen Bergkristallring mit der Nennung des az-Zāhir (reg. 1021–1036) in Nürnberg (siehe Taf. T106). 2 Die Aussage Kühnels gibt Kahle in einer Fußnote seiner Übersetzung von al-Bīrūnīs Kapitel zu Bergkristall wieder. Siehe Biruni/Kahle 1936, S. 332, Fn. 3. 1

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Einleitung

Abb. 1: „Ausstellung von Meisterwerken Muhammedanischer Kunst in München 1910“, Abteilung „Kristall und Glas“, Taf. 164 (o. S.)

gehend unkritisch übernommen. Als frühe Ausnahmen seien hier die beiden zweifellos maßgeblichsten Kenner der Materie angeführt, deren einschlägige Publikationen bis heute die Grundlage jeder Beschäftigung mit diesen Objekten bilden. Es sind dies Carl Johan Lamm (1902–1981) und Kurt Erdmann (1901–1964). Lamm stellte in seinem opus magnum Mittelalterliche Gläser und Steinschneide8

arbeiten aus dem Nahen Osten 1929/30 bereits mehr als hundert Bergkristallarbeiten zusammen und schuf damit das bis heute wichtigste Vergleichswerk zu dieser Objektgruppe. Obgleich Lamm der Text al-Bīrūnīs noch nicht bekannt war, schloss er aus eigenen Quellenrecherchen – deren Textexzerpte er zudem seinem Werk beifügte – sowie aus stilistischen und technischen Überlegun-

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Einleitung

gen, dass die fatimidischen Arbeiten auf älteren Vorläufern fußen müssten und leitet sein Kapitel zum Steinschnitt folglich mit Beispielen aus „vorfatimidischer Zeit“ ein, wobei er aber die Gruppe der „fatimidischen“ Stücke (d. h. jener Objekte mit einem, dem Krug des al-ʿAzīz vergleichbaren Schnittdekor) nicht explizit antastet. 3 Die vorsichtig differenzierende Haltung Lamms gegenüber Kühnels Zuschreibung findet ein nochmals zurückgenommenes Echo bei Erdmann, der in seinem Vorschlag einer Chronologie des Kristallschnitts 1951 zwar auch in vorfatimidische Zeit zurückgeht, jedoch an Ägypten als zentraler Provenienz festhält. Obgleich auch dieser Autor in seinem Resümee die Notwendigkeit einer umfassenden, vergleichenden Untersuchung der Objekte betonte und die alleinige Zuschreibung an die Fatimiden für nicht mehr haltbar erachtete, kam es in der Folge weder zum Einen, noch zum Anderen. Begonnene Vorhaben detaillierterer Untersuchungen von Erdmann selbst, sowie in jüngerer Zeit durch Ernst Grube (1932– 2011) gelangten durch den Tod ihrer Autoren nicht über ein vorbereitendes Stadium hinaus. Diese Lücke in der Grundlagenforschung zumindest teilweise zu schließen ist die Zielstellung des vorliegenden Bandes. Ausgangspunkt und notwendige Basis dieses Vorhabens war das intensive, unmittelbare Studium einer ersten Gruppe von Werken. Nur in dieser detaillierten Untersuchung von Objekten vor Ort war es möglich, sich mit den technischen und gestalterischen Eigenschaften und Besonderheiten der Bergkristallarbeiten vertraut zu machen und damit die Grundlage für die anschließende Bewertung einer größeren Zahl von Objekten zu schaffen. Gerade Details der technischen Ausführung erschließen sich aus fotografischen Abbildungen nur unzureichend, zumal von einer Vielzahl der Objekte zu Beginn dieses Projektes keine qualitativ befriedigenden Aufnahmen verfügbar waren. Diese ersten Untersuchungen konzentrierten sich naheliegenderweise auf die in deutschen Sammlungen und Kirchenschätzen erhaltenen Bergkristallschnitte des islamischen Mittelalters. Dieser Bestand ist aus

mehreren Gründen von besonderer Bedeutung. So zeichnet er sich etwa durch eine außergewöhnliche formale Vielfalt aus, die nahezu alle bekannten Objekt- und Dekortypen umfasst. Zudem lässt sich die Geschichte der Stücke vielfach weit zurückverfolgen und sie befinden sich oftmals noch immer in erhaltenen mittelalterlichen Schatzzusammenhängen. Diese Konzentration zu Beginn des Projektes ermöglichte die detaillierte Analyse einer formal wie technisch repräsentativen Objektgruppe, wodurch wiederum wichtige Erkenntnisse und Rückschlüsse für den Gesamtbestand getroffen werden konnten. In einem zweiten Schritt erfolgte die umittelbare Untersuchung einer Auswahl von Objekten in internationalen Sammlungen. 4 Auf dieser breiten Materialbasis war es möglich, erstmals einen fundierten Überblick über den Bestand zu gewinnen, der die Grundlage aller weiteren Überlegungen darstellt. Dabei sollen jedoch nicht nur die unmittelbaren Forschungsergebnisse sowie die daraus entwickelten Hypothesen zu Provenienz und Datierung der islamischen Bergkristallarbeiten vorgestellt werden; Ziel ist es vielmehr, die Objekte und ihre Entstehung in einen weiteren Rahmen einzubinden, der etwa auch die praktischen Aspekte ihrer Fertigung einschließt. Daher beginnt die Arbeit in Abschnitt I mit einer grundlegenden Einführung zum Material und seiner Bearbeitung. In diesem Kapitel soll sich der Leser mit den technischen Grundlagen vertraut machen, auf die im Weiteren immer wieder Bezug genommen wird. Teil dieses einführenden Abschnittes ist auch ein Exkurs zum Verhältnis von Bergkristall und Glas, zwei Materialien die auf vielfältige Weise verbunden sind und die im Laufe der Arbeit immer wieder einander gegenübergestellt werden. Abschnitt II widmet sich den historisch-technischen Voraussetzungen, auf denen die Steinschneider des islamischen Mittelalters aufbauen konnten. Dazu wird zunächst ein Überblick zu den relevanten vorislamischen Traditionen des Steinschnitts im östlichen Mittelmeerraum sowie Mesopotamien gegeben, ehe in einem nächsten Schritt

3 Aufgrund der erhaltenen Quellen hielt Lamm eine Produktion von Kristallgefäßen in Syrien sowie dem Irak für möglich. Siehe Lamm 1929/30, I, bes. S. 181. 4 Im Rahmen des Projektes war es möglich zahlreiche Bergkristallobjekte in Europa, den USA und Kanada eingehend zu untersuchen, sodass alle in dieser Arbeit explizit herangezogenen Beispiele auf eigenen Erkenntnissen am jeweiligen Objekt beruhen. Auf Basis der umfangreichen gesammelten Daten bereitet der Autor derzeit eine Corpus-Veröffentlichung zu den Bergkristallarbeiten des Islamischen Mittelalters vor.

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Einleitung

mittelalterliche Quellenbefunde zum islamischen Steinschnitt zusammengetragen werden. Das letzte Kapitel dieses Abschnitts beschäftigt sich schließlich mit dem Versuch einer Rekonstruktion der Geschichte der islamischen Steinschneidetradition aus den erhaltenen historischen Quellen. Abschnitt III konzentriert sich ganz auf das erhaltene Material und seine Analyse. Da die Bergkristallobjekte aus gewachsenem Stein gefertigt wurden, verschließen sie sich bislang weitgehend naturwissenschaftlichen Methoden der Datierung. Ihre Montierungen sind, wenn überhaupt vorhanden, durchweg wesentlich spätere Hinzufügungen, die bestenfalls die Bestimmung eines terminus ante quem erlauben. Auch schriftliche Quellen können die Situation nur teilweise aufklären, da sie sich für den Kontext der Entstehung der Objekte im islamischen Orient nur in relativ geringer Zahl erhalten haben und Texte wie Inventare im Mittelalter in der Regel nur recht vage von Bergkristallgefäßen sprechen, sodass sie selten eine konkretere Vorstellung zur tatsächliche Gestalt der genannten Stücke zulassen. Die Quellen, die hier vor allem erstmals in größerem Rahmen intensiv befragt werden sollen, sind daher die Objekte selbst, ihre Gestalt, ihr Dekor und die Technik ihrer Ausführung. Gerade vor dem Hintergrund der spärlichen Quellenlage, die bislang auch durch archäologische Befunde nicht wesentlich bereichert werden konnte, bleibt die eingehende stilkritische Untersuchung, die im Zentrum von Abschnitt III steht, vorerst die einzige Möglichkeit einer Annährung an die Bergkristallarbeiten. Ziel der Arbeit ist deshalb explizit auch nicht die präzise Datierung einzelner Stücke, die unter den beschriebenen Voraus-

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setzungen sowie in Anbetracht der zufälligen Erhaltung des Materials kaum möglich ist. Es soll vielmehr darum gehen, mit der eingehenden Analyse von Ikonografie, Stil und Technik und einer daraus begründeten chronologischen Gruppierung der Objekte eine Grundlage für weitere Überlegungen auch jenseits dieser Arbeit zu schaffen. Dies ist freilich nur unter Einbeziehung einer repräsentativen Anzahl der erhaltenen Bergkristallarbeiten möglich, die am Ende dieses Bandes in einem Tafelteil vorgestellt werden. Das dort zusammengetragene Vergleichsmaterial erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, was in Anbetracht der teils starken Überformungen einzelner Stücke und ihrer in der Regel isolierten Erhaltung im Moment auch kaum möglich ist. Während einzelne Bestände, wie in Spanien oder Deutschland, in der Vergangenheit bereits intensiver und flächendeckender erforscht wurden, konzentrierte sich die Forschung etwa in Italien zumeist auf einige wenige bekannte Stücke, während große Teile des Bestandes vernachlässigt wurden. Auch hier möchte die vorliegende Arbeit ein Bewusstsein für die Komplexität des erhaltenen Materials schaffen, um so zum Ausgangspunkt weiterer Forschungen zu werden. Abschnitt IV versucht schließlich die wechselnde und vielfältige Geschichte sowie die Nutzung und Interpretation der Objekte von ihrer Entstehung im islamischen Orient, über ihre Adaption im lateinischen Westen bis ans Ende des Mittelalters, nachzuvollziehen. Dieser Abschnitt bezieht sich dabei immer wieder auf Stücke in Deutschland, die sich aufgrund ihrer historischen Prominenz, ihrer Erhaltung und Erforschung in besonderer Weise zu einer solchen Analyse eignen.

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Dank

Die Realisierung dieser Arbeit wäre ohne die Anregung und Unterstützung zahlreicher akademischer Lehrer, Kollegen und Freunde nicht möglich gewesen. Vor allem aber gilt dies auch für die zahlreichen Museen und Sammlungen sowie deren Mitarbeiter, die mir großzügigen Zugang zu ihren Objekten gewährten und so die Schaffung der materiellen Grundlagen dieses Projektes erst möglich machten. Schließlich sei hier in besonderer Weise der Gerda Henkel-Stiftung gedankt, deren Promotionsstipendium die finanzielle Grundlage für die umfangreichen Objektrecherchen in Deutschland sowie in Europa bereitstellte, während mir das Metropolitan Museum of Art im Rahmen eines Fellowship den Abschluss des Projektes ermöglichte. Die Anzahl der Einzelpersonen, denen ich für ihre ideelle wie materielle Unterstützung zu Dank verpflichtet bin, ist so groß, dass es mir hier nicht möglich ist, sie alle namentlich zu nennen, wofür ich die nicht genannten um Entschuldigung bitten möchte. An erster Stelle gilt mein Dank Professor Avinoam Shalem, der mich nicht nur auf die Thematik dieser Arbeit aufmerksam machte, sondern mich als Betreuer auch mit zahlreichen Anregungen immer wieder aufs Neue motivierte, inspirierte und mir stets neue Blickwinkel auf die Objekte und ihre Kontexte eröffnete. Ihm verdanke ich auch den Kontakt zu Dr. Jens Kröger, der dieses Projekt ebenfalls von Beginn an begleitete. Er teilte immer wieder in großzügigster Weise sein umfangreiches Wissen und seine enzyklopädische Objektkenntnis mit mir, machte mir das islamische Glas als wich-

tigste Vergleichsgruppe zugänglich und ermöglichte mir sowohl direkt wie indirekt den Zugang zu zahlreichen Sammlungsbeständen und Archivmaterialien. Über Jahre hinweg immer wieder mit diesen beiden außergewöhnlichen Wissenschaftlern arbeiten zu dürften empfinde ich als ein besonderes Privileg. Für ihre Hilfestellung bei meiner Annäherung an das Material selbst sowie seine Bearbeitung gilt mein besonderer Dank Käthe Klappenbach (Potsdam), Federica Cappelli (Florenz) sowie Jürgen Christmann in Idar-Oberstein, der mir Einblick in seine Werkstatt gewährte und mein technisches Verständnis des Steinschnitts entscheidend vertiefte. Wesentliche Impulse erhielt ich während der Arbeit an diesem Projekt auch immer wieder im Gespräch mit Kuratoren und Sammlungsleitern. Insbesondere gilt mein Dank hier Matthias Exner (München †), Kjeld von Folsach (Kopenhagen), Birgitta Falk (Aachen), Franz Kirchweger und Paulus Rainer (Wien), Charles Little (New York), Filiz Cakir Phillip (Toronto) und Mariam Rosser-Owen (London). Abschließend möchte ich meiner Familie sowie den vielen Freunden und Kollegen danken, die mir stets geduldig mit Rat, Unterstützung und Hilfe zur Seite standen. Ganz besonders gilt dies für Nadine Rottau, Petra Payer, Werner Pich, Judith Csiki, Samuel Wittwer, Marcus Köhler, Wassilena Sekulova, Mateo Urena-de Vivanco, Gregory Bilotto, sowie Aalia Mohamed und Sebastian Kaim.

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Stand der Forschung

Die Erforschung der Bergkristallarbeiten des islamischen Mittelalters als einer zusammenhängenden Objektgruppe reicht bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück. Als erste bedeutende Zusammenstellung ist hier auf Gaston Migeons „Manuel d’Art Musulman“ von 1907 zu verweisen, dessen Kapitel XII sich mit Cristeau de roche et pierres gravées beschäftigt und, ausgehend vom Krug des al-Aziz, bereits die Argumentation für Kühnels These liefert. 1 Im Jahr 1910 trug dann die Ausstellung der „Meisterwerke muhammedanischer Kunst“ 2 in München erstmals eine Gruppe von immerhin 12 orientalischen Bergkristallobjekten zusammen und machte diese Objektgattung damit einem weiteren Publikum bekannt. Mit Verweis auf die damals zwei inschriftlich datierbaren Stücke in Venedig und Nürnberg 3 bezeichnete Ernst Kühnel in seinem eingangs zitierten Katalogtext die gesamte Gruppe der Bergkristallobjekte als fatimidisch und datiert sie in einen Zeitraum zwischen der Gründung Kairos (969) und der Mitte des 11. Jahrhunderts. Diesem Produktionsort wies er das gesamte Spektrum der bekannten Objekte, von Krügen über Flakons, Knäufe, Schachfiguren, Becher, Flaschen und Gefäßen in Tierform zu. Aufgrund des damaligen Forschungsstandes wurden z. B. auch der große zweihenklige, facettierte Bergkristallkrug des Kunsthistorischen Museums in Wien sowie weitere verwandte Stücke zu dieser Gruppe gezählt, an deren europäischer Provenienz heute kein Zweifel mehr besteht. 4 Daneben stellte er die These einer

unmittelbaren Abhängigkeit des Glasschnitts von den Bergkristallarbeiten auf und führte als Beleg die sogenannten Hedwigsgläser an. 5 1912 folgte der umfangreiche Artikel Robert Schmidts im Jahrbuch des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer, in dem die Verbindung der Hedwigsgläser mit dem fatimidischen Steinschnitt aufgenommen und als weitere Vergleichsstücke nun bereits 83 Bergkristallobjekte aus deutschen und europäischen Sammlungen vorgestellt wurden. Auch Schmidt benannte in seinem Aufsatz das fatimidische Ägypten als Entstehungsort der Bergkristalle und hatte „an der Abhängigkeit des Glasschneiders von dem Vorbilde des Kristallschneiders kein[en] Zweifel.“ 6 Daneben vermutete er für zumindest einen Teil der kleineren Flakons eine ursprüngliche Funktion als Parfümfläschchen 7 und schuf damit geradezu einen Topos, dem sich die meisten späteren Autoren bis heute anschließen. 1925 wiederholte Ernst Kühnel seine These von 1910 und wies die mittelalterlichen Bergkristallgefäße in europäischen Schatzkammern „sämtlich einem Zentrum und einer geschlossenen Periode“ zu, nämlich Ägypten zwischen 970 und 1170, wobei er aber für die tierförmigen Stücke von Anfang an eine Verwendung als Reliquiengefäße annahm. 8 1926 folgte ein kurzer Artikel Margaret Longhursts zu den islamischen Bergkristallobjekten des Victoria and Albert Museums, wobei sie ausdrücklich auf die Arbeit Schmidts verwies. Zum ersten Mal wurde hier, wenn auch auf engem Raum, ein Sammlungs-

Migeon 1907, S. 371–380. Die besprochenen Titel finden sich über Autorennamen und Jahr in der Bibliografie dieser Arbeit, wobei die Ausstellungskataloge separat unter dem Ausstellungsort aufgeführt sind. (z. B. „München 1910“ für „Friedrich Sarre und Fredrik Robert Martin: Meisterwerke muhammedanischer Kunst in München. (Ausst.Kat.) München 1910“). 3 Die Kanne in Venedig (Tesoro di San Marco) trägt den Namen des Kalifen al- Azīz (975–996), der halbmondförmige Bergkristallring in Nürnberg ʿ (Germanisches Nationalmuseum) den des az-Zāhir (1021–1036). Da dieser außer der Inschrift aber undekoriert ist, hat er als Vergleichsstück wenig Bedeutung. Lamm nennt hier noch zusätzlich die beschädigte Kanne in Fermo, deren Inschrift auf al-Hākim (996–1021) bezogen wurde; alle drei finden sich bei Lamm 1929/30, Bd. II auf Tafel 67, sowie in Bd. I auf S. 192 ff.; erst 1956 gelang es D. S. Rice, den Krug im Museo degli Argenti in Florenz überzeugend auf die Zeit zwischen 1000 und 1008 zu datieren (siehe Rice 1956). 4 München 1910, Kat.Nr. 2086. Für diese Stücke, wie sie auch noch Lamm in Bd. I beispielsweise auf den Tafeln 82 und 83 aufführt, werden heute meist Unteritalien oder Frankreich als Entstehungsorte angenommen. Siehe dazu etwa Wien 2002, S. 25 ff. 5 München 1910, o. S. 6 Schmidt 1912, S. 75. 7 Schmidt 1912, S. 71. 8 Kühnel 1925, S. 173 f. 1

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bestand dieser Objektgruppe geschlossen vorgestellt und auf eine Reihe von Vergleichsstücken aus anderen Beständen verwiesen, die jedoch nicht abgebildet sind. Auch hier ist ausschließlich von „fatimidischen“ Objekten die Rede, wobei, wie bereits in München 1910, auch ein Bergkristallkrug europäischer Provenienz zur islamischen Gruppe gezählt wird. 9 Der nächste Markstein der wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesen beiden Materialgruppen verbindet sich mit dem Namen des schwedischen Gelehrten Carl Johan Lamm, der sich seinerseits ausdrücklich auf Schmidt berief. Mit seinem zweibändigen Werk über Mittelalterliche Gläser und Steinschnittarbeiten aus den Jahren 1929/30 legte er die erste umfangreiche Darstellung zu diesem Themengebiet mit einem außergewöhnlich umfangreichen, mehr als 140 Bergkristallobjekte umfassenden Katalog mit separatem Abbildungsband vor. Da es ihm nicht möglich war, alle Objekte selbst zu untersuchen und der weit überwiegende Teil der Abbildungen aus Zeichnungen besteht, sind viele Stücke jedoch ungenau oder auch missverständlich wiedergegeben. In seinen Überlegungen zu einer Datierung verwies Lamm bereits auf die große Zahl seit dem Mittelalter belegbarer Stücke in Deutschland. Darüber hinaus ging er bei seinen Thesen zu Datierung und Provenienz der Bergkristallarbeiten differenzierter vor als Kühnel, indem er für einige Stücke einen vorfatimidischen Ursprung für wahrscheinlich hielt. 10 Obwohl das Werk heute in vielerlei Hinsicht als veraltet und überholt angesehen werden muss, wird doch immer wieder auf die Abbildungen und Angaben bei Lamm zurückgegriffen, da es sich dabei bis zur vorliegenden Arbeit um die umfangreichste Zusammenstellung islamischer Bergkristallarbeiten handelt. Walter Holzhausen differenzierte in seinem 1931 erschienenen Aufsatz zu Bergkristallarbeiten des Mittelalters nochmals deutlich und versuchte neben der islamischen auch die byzantinische und

westeuropäische Steinschnitttradition in die Diskussion einzubeziehen, wobei er eine wechselseitige Beeinflussung dieser Bereiche betonte. Während er für den fatimidischen Steinschnitt die sasanidischen Einflüsse besonders hervorhob, gelang es ihm in überzeugender Weise, für die von nahezu allen früheren Autoren bis hin zu Lamm fraglos als orientalisch eingeordneten facettierten Bergkristallgefäße eine europäische Provenienz zu bestimmen. 11 Auf die bereits von Kühnel postulierte enge Verbindung zwischen Glas- und Steinschnitt verwies auch ein 1935 erschienener Artikel Wilfred Buckleys. In diesem stellte er einen in Persien gefundenen Glaskrug vor und verwies auf die starken Parallelen zu den fatimidischen Bergkristallkrügen. Aufgrund des archäologischen Befundes und der großen formalen und technischen Ähnlichkeiten sah der Autor in dem Glasobjekt einen Vorläufer zu den Kristallarbeiten und hielt eine Entstehung in Persien oder dem Irak für möglich, womit er in gewisser Weise die Thesen Lamms stützt. 12 1940 legte Kurt Erdmann seinen ersten umfangreichen Aufsatz über Islamische Bergkristallarbeiten vor. Ausgehend von den bei Lamm aufgeführten Objekten, stellte Erdmann hier 14 neue Stücke vor. Bezüglich der Datierung verwies der Autor besonders auf jene Exemplare, für die sich durch die Montierung ein einigermaßen gesicherter terminus ante quem bestimmen lässt, was für einzelne Objekte eine vorfatimidische Datierung nahelegt. Wie schon bei Lamm, wird auch bei Erdmanns Aufzählung der fraglichen Stücke die Bedeutung der Kristalle in deutschen Sammlungen deutlich. 13 Daneben verwies er auf die stilistische Vielfalt, die einen zeitlich und regional größeren Provenienzbereich nahelegt und zeigte damit auch die Notwendigkeit einer umfassenden Untersuchung auf. Im Falle der Schachfiguren verwies Erdmann in einem kurzen Text zu den Bergkristallarbeiten der Sammlung des heutigen Museums für Islamische Kunst in Berlin von 1942 auf tulunidische Dekorformen und hielt damit eine Entstehung im aus-

Longhurst 1926, S. 149 und 151. Lamm 1929/30, Bd. 2, S. 183 ff. 11 Holzhausen 1931. Zur Diskussion der Herkunft dieser Objekte siehe auch Anm. 4. 12 Buckley 1935, bes. S. 66. Zwar vermutete Lamm 1929/30 mögliche Ursprünge für den Steinschnitt in Irak oder Persien, in dem von Buckley besprochenen Glaskrug sah er aber eine ägyptische Arbeit nach dem Vorbild der Kristallgefäße, die wohl auf dem Handelsweg nach Persien gelangt sei (Lamm 1935, S. 13). Auf die technische und stilistische Verwandtschaft von Glas- und Bergkristallschnitt wird aber auch in späteren Artikeln immer wieder eingegangen. Siehe z. B. Saldern 1955, S. 257–270. 13 Erdmann 1940, S. 140 f. 9

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gehenden 9. Jahrhundert für möglich. Konzentrierter ging der Autor 1951 auf die Datierungsfrage ein. Ausgehend von den durch einen terminus ante quem datierbaren Stücken sowie Beobachtungen an den Objekten selbst, entwickelte Erdmann eine chronologische Abfolge in sechs Stufen, die vom 9. Jahrhundert und somit aus einer abbasidischen Tradition kommend, ihren Höhepunkt um 1000 unter den Fatimiden erreichte und in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts allmählich erlosch. Innerhalb dieser Abfolge gelang es dem Autor, auch die Schach- und Tierfiguren überzeugend einzuordnen. Jedoch betonte er gleichzeitig die Notwendigkeit einer umfassenden, detaillierten Untersuchung der Objekte selbst, um eine belastbare Chronologie aufzustellen. In jedem Falle ließe sich aber die pauschale Bezeichnung der Bergkristallobjekte als „fatimidisch“ nicht mehr halten, so Erdmann. 14 Anschließend daran ging er 1953 noch einmal besonders auf die Bergkristallkannen und verwandte größere Gefäße ein. Dabei zeigte er die notwendige Voraussetzung einer weit zurückreichenden Steinschnitttradition auf, ohne die derart technisch perfekte Stücke wie in Venedig undenkbar seien, wobei er auf Ähnlichkeiten zu sasanidischen Arbeiten verwies. Als mögliche Vorstufen im Glasschnitt sah Erdmann die sicher vorfatimidischen Funde in Samarra, sowie eine Reihe persischer Glasfunde. Aufgrund dieser Vergleiche hielt er die bereits von Buckley 1935 gemachten Vermutungen für wahrscheinlich, in irakischen und persischen Glasschnittarbeiten Vorstufen zu den ägyptischen Kristallobjekten zu sehen. Erdmanns These einer vorfatimidischen Steinschnitttradition, auch innerhalb Ägyptens, schloss sich 1954 Ralph Pinder-Wilson an. In seinem Artikel ging er neben den Bergkristallarbeiten des British Museum besonders auf die zoomorphen Objekte ein und verwies bei deren Dekor auf stilistische Ähnlichkeiten mit dem „bevelled style“ 15 in Samarra und somit auf starke vorfatimidische Einflüsse. 1956 schlug David Storm Rice für einen kleinen Krug im Museo degli Argenti in Florenz eine Datie-

rung in das frühe 11. Jahrhundert vor. Aufgrund stilistischer Beobachtungen schloss er an diese Datierung auch eine Chronologie der sechs damals bekannten Bergkristallkannen an, die jedoch nur wenig überzeugen kann, da sie sich lediglich auf einen kleinen Ausschnitt des Dekors bezieht und diesen zudem in äußerst suggestiven Zeichnungen wiedergibt. 16 Allerdings wies Rice, wie bereits Erdmann 1940, auf das Fehlen einer umfangreicheren, vergleichenden Studie zu Schnitttechnik und Dekor hin, ohne die die Erstellung einer einigermaßen belastbaren Chronologie der Objekte kaum möglich sei. Als weitere Indizien für eine vorfatimidische Steinschnitttradition stellte Erdmann 1959 neben anderen Stücken zwei archäologische Funde aus Iran und Irak vor. Die beiden Objekte, ein vollständiger und ein beschädigter Flakon, zeigen einen Dekor, der sich stark von den sicher fatimidischen Stücken unterscheidet. Die Fundumstände machen zwar keine klare Datierung möglich, dennoch könnten diese Funde, zusammen mit ähnlichen Stücken in London oder Dresden, ein Hinweis auf den aus den Quellen überlieferten Steinschnitt im Iran oder Irak sein, auf den der Autor bereits 1953 hingewiesen hatte. 17 1971 bis 1973 publizierte Hans Wentzel seine Hypothesen über den Brautschatz der Theophano. Neben den Stücken, die traditionell mit Karl dem Großen in Verbindung gebracht werden, gibt es keinen anderen Herkunftszusammenhang, dem so viele der in Deutschland erhaltenen Bergkristallobjekte zugeschrieben werden. Die Zusammenstellung Wentzels zeigt aber sofort die Problematik dieser Überlieferungen auf. In seiner Hypothese ging der Autor von einer „Toilettengarnitur“ aus, in die nahezu alle in Deutschland vorhandenen Bergkristallgefäße eingereiht werden. Ungeachtet wesentlicher formaler und stilistischer Unterschiede behauptete Wentzel sogar, die Objekte entstammten „der gleichen Serie“ und würden „einen kompletten Satz“ darstellen. 18 Im stark reduzierten Dekor mancher Stücke sah er einen „pseudo-islamischen“ Stil, den er auf in Konstantinopel arbeitende ägyptische

Erdmann 1951, S. bes. 142–146. Pinder-Wilson 1954, S. 85. 16 Storm Rice 1956, S. 92 f. Ein siebtes, bis dahin unbekanntes Exemplar einer Bergkristallkanne wurde 2008 bei Christies versteigert und durch Edmund de Unger erworben (siehe Christies 2008). Siehe auch Abb. 79 dieser Arbeit. 17 Zu dem Stück in Bagdad schreibt Erdmann, es sei „1939 während der dritten Kampagne der Grabungen in Wasit in der Moschee Al-Hajjaj gefunden worden […] und zwar 4 m über dem Boden der ersten Moschee in einer Schicht ilkhanidischer Zeit.“ Erdmann 1959, S. 202. 18 Wentzel 1972, S. 45 ff. 14 15

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Steinschneider zurückführte. 19 Bezug nehmend auf Wentzel sprach sich 1979 auch Joseph Philippe für einen wesentlichen byzantinischen Einfluss bei der Entstehung der Bergkristallgefäße aus und stellte die alleinige Zuschreibung der Objekte an das fatimidische Ägypten in Frage. Mit Blick auf die römische Steinschneidetradition und die mehrfach belegte Tätigkeit byzantinischer Handwerker für muslimische Herrscher, hielt er eine solche Konstellation auch bei den Bergkristallen für möglich, zumal die Levante selbst ja bis zur muslimischen Eroberung byzantinisch beherrscht war. Wie bereits Lamm und Erdmann ging 1988 auch Pinder-Wilson von einer langen Steinschnitttradition in Ägypten, sowie in Mesopotamien und Iran unter den Sasaniden aus. Da keine entsprechenden Stücke überliefert sind, verwies auch er auf die Zeugnisse des sasanidischen Glasschnitts. Den weit überwiegenden Teil der erhaltenen Bergkristallarbeiten schrieb er allerdings weiterhin einem oder mehreren ägyptischen Produktionszentren zu, wobei er sich der 1951 von Erdmann vorgeschlagenen Chronologie anschloss. Die These einer vorislamischen Tradition nahm Avinoam Shalem in seinem Artikel zu Bergkristalllampen von 1994 auf und verwies wiederum auf Byzanz, wo gerade Bergkristall als Material für Lampen verwendet worden sei. Anhand zahlreicher Textstellen arbeitete er dabei auch die vielfältige Symbolik und die Paradieskonnotation des Materials im christlichen wie islamischen Kontext heraus. Neben der Frage nach dem Bedeutungsgehalt der Bergkristallobjekte ging 1995 auch Sophie Makariou der Fragestellung der Datierung nach. Dabei stellte sie eine Reihe von Stücken aus deutschen Beständen an den Anfang ihrer Betrachtung, da sich für diese der früheste terminus ante quem feststellen ließe. Beginnend mit einer Betrachtung der Beziehungen zwischen den Fatimiden und dem byzantinischen Reich versuchte sie die Wege verschiedener Objekte in den Westen nachzuvollziehen. Diese Fragestellung war auch ein zentraler Punkt in Avinoam Shalems 1996 (2. Auflage 1998) publizierten Dissertation zu islamischen Objekten in westlichen Kirchenschätzen, wobei er neben Bergkristallen noch eine ganze Reihe weiterer Materialgruppen

einbezog. Schon aufgrund der Fragestellung der Arbeit ging der Autor nicht weiter auf die Diskussion zu Datierung, Chronologie und Provenienz der Objekte ein, sondern widmete sich hauptsächlich deren Weg nach Europa und ihrer Adaption und Nutzung im Westen. Dabei steht die „Christianisierung“ der Stücke durch ihre neue religiöse Funktion sowie durch Montierungen im Mittelpunkt. Zwar wird im abschließenden Katalog ein großer Teil der in Deutschland erhaltenen Bergkristallobjekte aufgeführt, jedoch bleiben die Beschreibungen, schon aufgrund der Fülle der betrachteten Objekte aus den verschiedensten Materialien, nur summarisch. 1998 publizierte Anna Contadini im Rahmen eines Bandes zu fatimidischen Kunstwerken in den Sammlung des Victoria and Albert Museums ihre Überlegungen zu den Bergkristallobjekten, wobei sie zwar auf die Pluralität der technischen und stilistischen Einflüsse eingeht und eine abbasidische Provenienz für einen Teil der Objekte für möglich hält, gleichzeitig aber an der geschlossenen Zuschreibung der Bergkristallkrüge festhält. In ihrem Text geht sie zudem erstmals auf die mögliche technische Ausführung der Stücke ein. Im Rahmen des Pariser Kongresses zu Kunst und Geschichte des fatimidischen Ägypten im Jahr 1999 erschien ebenfalls eine Reihe von Aufsätzen zu den Bergkristallobjekten. Dabei wiederholte Anna Contadini in ihrem Beitrag im Wesentlichen die Aussagen ihrer vorangegangenen Publikation und schloss sich hinsichtlich der Zuschreibung weitgehend den bereits von Erdmann vorgebrachten Argumentationen zu stilistischen und technischen Einflüssen sowie Wechselwirkungen zwischen Glas- und Steinschnitt in einem weiter gefassten persisch-irakischen Raum an. Im selben Rahmen erschien ein Artikel von Manuel Casamer und Fernando Valdés zu den Bergkristallobjekten in Spanien. Darin stellten sie die ersten Ergebnisse ihres Projektes zur Katalogisierung der etwa 40 in Spanien erhaltenen Stücke vor, wobei diese in drei Gruppen untergliedert werden. 20 Neben den Flakons und einem Flaschenfragment in Astorga gingen die Autoren besonders auf die Schachfiguren ein, deren mögliche Provenienz diskutiert wird. Die Frage einer Entstehung eines Teils der Bergkristallobjekte in den lange Zeit mus-

Wentzel 1973, S. 49 ff. Dieser Herstellungskonstellation schreibt Wentzel auch die Hedwigsgläser zu. Der Katalog der spanischen Stücke wurde bisher nur in Teilen publiziert, jedoch stellte Fernando Valdés das Material für die vorliegende Arbeit großzügig zur Verfügung. 19

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limisch beherrschten Teilen Westeuropas, in Spanien oder Sizilien, ist auch Thema des Beitrages von Avinoam Shalem im selben Band. Ausgehend von einem in Kristall geschnittenen Löwenkopf in Karlsruhe diskutierte er auch für zwei weitere deutsche Objekte eine mögliche Entstehung im normannischen Sizilien. In einem ebenfalls 1999 in der Publikation des Bamberger Symposions erschienenen Aufsatz beschäftigte sich Shalem schließlich eingehend mit den Bergkristallgefäßen im Typus der sogenannten Zahnfläschchen. Anschließend an Erdmann verwies er dabei auf formale Ähnlichkeiten zu Funden aus Samarra, was eine Datierung ins 9. oder 10. Jahrhundert sowie eine Entstehung in Mesopotamien möglich erscheinen lässt. Darüber hinaus vermutete er für einen Teil der Objekte bereits eine Produktion als Behälter für geweihte oder zumindest stark religiös konnotierte Substanzen wie Balsam. Während Kühnel bereits 1925 für die tierförmigen Bergkristallobjekte eine ursprüngliche Funktion als Reliquienbehälter vorschlug, ohne dies näher zu begründen, untermauerte Shalem seine These über den Vergleich mit Glasobjekten sowie durch eine ganze Reihe schriftlicher Indizien. Noch intensiver ging Sophie Makariou 2006 auf die religiös-symbolischen Konnotationen der Bergkristallgefäße ein. Dabei stellt sie der schiitischen Lichtsymbolik der fatimidischen Kalifen die Verehrung Christi im Geheimnis der Transsubstantiation im Westen gegenüber. In beiden Fällen wurde jeweils Bergkristall als das ideale Medium zur Darstellung einer metaphysischen Idee erkannt, was vielen islamischen Bergkristallgefäßen auch zu ihrem „zweiten Leben“ in europäischen Kirchen verholfen hätte. In einem Artikel in der Festschrift für Jens Kröger aus dem Jahr 2007 stellte Fernando Valdés, bezogen auf drei in Spanien erhaltene Flakons, unter anderem Überlegungen zur möglichen Herstellung der Objekte an. Eine wesentliche These zielte, bezogen auf Erdmanns Artikel von 1959, darauf, in den technisch schwächeren Stücken weniger Symptome eines allgemeinen Niedergangs des Steinschnitts in späterer Zeit, als vielmehr ein niedrigeres Qualitätsniveau zu sehen, das in fatimidischer Zeit für eine weniger exklusive Käuferschicht gefertigt wurde. Dies würde nicht nur mit schriftlichen Quellen übereinstimmen sondern könnte zudem die relativ schlechte Qualität des Ausgangsmaterials dieser Stücke erklären. Im gleichen Jahr ging Shalem noch

einmal ausführlich auf die Aspekte der Adaption und Assemblage im Hinblick auf islamische Objekte in westlichen Kirchenschätzen ein. Ausgehend vom Ambo Heinrichs II. in Aachen analysierte er dabei auch eine Reihe von Objekten, in denen Bergkristallgefäße montiert sind. Vor dem Hintergrund solcher Objekte stellt er die These eines hybriden Stils als eigenem ästhetischen Konzept auf und differenzierte drei Stufen der Kombination verschiedener Stile oder Kunstwerke nach dem Grad der Bewusstheit dieses Prozesses. Eine ähnliche Argumentation verfolgen auch Anna Contadini und Gia Toussaint in ihren Beiträgen von 2010. Dabei lag das Hauptaugenmerk Toussaints auf den Bergkristallflakons in deutschen Kirchenschätzen. Im Fokus standen Überlegungen zu Materialtransparenz und Sichtbarkeit der Reliquien in den Kristallgefäßen. Die Objekte wurden hier primär in ihrer Wahrnehmung im europäischen Kontext behandelt, während Fragen der Entstehung und der Wege in den Westen in den Hintergrund traten. 2013 stellten Jeremy Johns und Elise Morero in einem Aufsatz die wichtigsten schriftlichen Quellen zum islamischen Steinschnitt zusammen und gingen der Frage nach dessen Verbreitung nach, wobei sie die von Shalem 1999 vorgeschlagene Existenz von Steinschneidewerkstätten auf Sizilien in Frage stellten. Der Artikel präsentierte zugleich erste Ergebnisse und Überlegungen von Johns’ Forschungsprojekt zur Technik des mittelalterlichen Steinschnitts an der Universität Oxford. Ebenfalls 2013 konnte Stephan Pradines archäologische Evidenzen in Ostafrika präsentieren, die den weitgespannten Handel mit Bergkristall belegen, der in mittelalterlichen Quellen beschrieben wird. Damit gewinnen Berichte wie der des al-Biruni neues Gewicht und es stellt sich mit neuer Brisanz die bereits 80 Jahre zuvor durch Kühnel aufgeworfene Frage nach Werken des offenbar äußerst umfangreichen Steinschnitts in abbasidischer Zeit. 2015 legte Anna Contadini eine weitere Arbeit zum Thema vor, in der sie sich auf den fatimidischen Bergkristallschnitt und die entsprechenden schriftlichen Quellen konzentriert und nochmals ihre Überlegungen zur Technik von 1998 referiert. Unter anderem geht sie erneut auf die enge Beziehung zwischen Bergkristall- und Glasschnitt ein, hält aber insgesamt an der Zuschreibung sämtlicher erhaltenen Bergkristallgefäße an fatimidische Werkstätten fest. 17

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Der 2017 publizierte Aufsatzband einer Mainzer Tagung von 2015 versammelt eine ganze Reihe relevanter Aufsätze, unter denen besonders der Beitrag von Mark Horton u. a. hervorzuheben ist, der die verschiedenen archäologischen Befunde zum mittelalterlichen Bergkristallhandel in Ostafrika vorstellt. Im selben Band findet sich zudem ein Beitrag von Elise Morero u. a. zur Herstellungstechnik der „fatimidischen“ Bergkristallkrüge, der detaillierte Untersuchungen von Bearbeitungsspuren mit experimentellen Versuchen verbindet. 2018 erschien Deborah Freeman Fahids Band zu Spielsteinen aus der islamischen Welt, in dem ein Kapitel den Beispielen aus Bergkristall und anderen Hartsteinen gewidmet ist. In der Einführung zu diesem Abschnitt referiert sie kurz die einschlä-

gige Foschungsgeschichte und verweist neben Ägypten und dem Irak auch auf den Iran und Afghanistan als mögliche Produktionszentren. 21 In einem 2019 erschienen Aufsatz publizierte Fernando Valdés zudem mögliche archäologische Evidenz für eine Bergkristallverarbeitung im islamischen Spanien. 2017 fand unter der Leitung von Avinoam Shalem und Cynthia Hahn schließlich erstmals eine Konferenz statt, die sich unter dem Titel Seeking Transparency gezielt mit dem Steinschnitt in Spätantike und Mittelalter beschäftigte. In diesem Rahmen konnte die aktuelle Forschung unmittelbar in einem größeren Expertenkreis diskutiert werden. Die Ergebnisse erschienen 2020 in einem Tagungsband unter gleichem Titel. 22

Freeman Fahid 2018, S. 163–195. Darunter auch ein Beitrag des Autors. Aufgrund von Überschneidungen in der Veröffentlichung konnten dieser Band und seine Beiträge hier noch nicht detaillierter aufgeführt werden.

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Chronologischer Überblick und Karten

Das byzantinische Reich zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung unter der Herrschaft Justinians um 560 mit dem benachbarten Sasanidenreich 622 Auswanderung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina; Beginn des islamischen Kalenders 637 Arabische Eroberung der Sasanidischen Hauptstadt Ktesiphon 660 Ausrufung Muʿ āwiya I. zum Kalifen (Umayyaden) 661 Damaskus wird Hauptstadt des umayyadischen Reiches

749 Ausrufung Abu ’l-Abbas asSaffah zum Kalifen (Abbasiden)

629 Dagobert I. wird König der Franken (Merowinger) 642 Arabische Eroberung Ägyptens

636 Tod des Isidor von Sevilla

732 Abwehr der arabischen Expansion durch Karl Martell in der Schlacht bei Tours und Poitiers 751 Krönung Pippins zum König der Franken (Karolinger)

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Zeittafel

Das abbasidische Reich um 800 756 Ausrufung des Umayyaden Abd ar-Rahman I. zum Emir von Cordoba 762 Gründung Bagdads als neuer Hauptstadt des abbasidischen Reiches 786–809 Herrschaft Hārūn arRaschīds als fünfter abbasidischer Kalif

800 Krönung Karls des Großen zum Kaiser

784 Baubeginn der großen Moschee in Cordoba

836 Errichtung Samarras als neuer Hauptstadt 847–861 Herrschaft al-Mutawakkils als zehnter abbasidischer Kalif

843 Teilung des Frankenreichs im Vertrag von Verdun 862–886 Herrschaft Muhammad I. von Cordoba

868 Ahmad ibn Tulun, Statthalter von Ägypten, löst sich vom abbasidischen Reich

892 Rückkehr des Kalifats nach Bagdad 910 Ausrufung al-Mahdīs zum ersten fatimidischen Kalifen (Fatimiden)

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Zeittafel

Das fatimidische Reich um 1000 919–936 Herrschaft König Heinrichs I. (Luidolfinger/ Ottonen)

929 Abd ar-Rahman III. läßt sich zum Kalifen von Cordoba ausrufen 934–940 Herrschaft ar–Rādīs als zwanzigster abbasidischer Kalif 945 Faktische Entmachtung der abbasdischen Kalifen durch die Buyiden

973 Kairo wird Hauptstadt der Fatimiden

962–973 Herrschaft Kaiser Ottos I. 972 Hochzeit Ottos II. mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu

975–995 Herrschaft des al-ʿAzīz als fünfter fatimidischer Kalif

1031 Untergang des Kalifats von Cordoba 1055 Eroberung Bagdads durch die Seldschuken

1014–1024 995–1021 Herrschaft Kaiser Herrschaft al-Hākims als sechster fatimidischer Kalif Heinrichs II. 1021–1036 Herrschaft az-Zāhirs als siebter fatimidischer Kalif 1036–1094 Herrschaft al-Mustansirs als achter fatimidischer Kalif 1099 Einnahme Jerusalems im ersten Kreuzzug

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I. Einführung Zum Material und seiner Bearbeitung I.1 Bergkristall – Material und Eigenschaften Bergkristall ist eine besonders reine Varietät von Quarz (SiO2), einem der häufigsten Mineralien der Erdkruste, das in Form von Quarzsand auch ein Grundmaterial zur Glasherstellung bildet. Neben seiner völlig reinen Varietät kommt Bergkristall auch in leichten Färbungen vor. Charakteristisch sind fahnen- oder wolkenartige Einschlüsse und Risse, die während des Entstehungsprozesses sowie aufgrund innerer Spannungen zustande kommen und daher keine Aufschlagstellen aufweisen. Großformatige, völlig klare Partien ohne derartige Störungen sind verhältnismäßig selten. Auf der Härteskala nach Friedrich Mohs wird Bergkristall mit einer Härte von 7 angegeben. 1 Die Dichte von Bergkristall beträgt 2,65 g/cm3. Aufgrund seiner Härte und kristallinen Struktur lässt er sich nicht mit Hammer und Meißel bearbeiten, da er sofort splittert. Möglich ist nur das Schneiden oder Schleifen unter Verwendung von Schleifmitteln wie Korund oder Diamant, die eine größere Härte aufweisen. 2 Bergkristall kommt auf allen Kontinenten vor. Ergiebige Fundstätten außerhalb Europas liegen etwa in Madagaskar, Indien, Brasilien und Nordamerika. 3 In Europa bieten vor allem die Zentralmassive der Alpen mit ihren kieselsäurereichen Gesteinen ideale Bedingungen für seine Entstehung. Bergkristall bildet sich in „Klüfte“ genannten Hohlräumen in seiner charakteristischen Form als hexagonale Kristallspitzen. 4 Die einzelnen Kristalle können unter idealen Bedingungen eine beträchtliche Größe erreichen. Der Bericht eines Fundes von 1719 ist hier ein gutes Beispiel. In diesem Jahr entdeckte

man am Zinggenstock im Berner Oberland das vielleicht umfangreichste, jemals in den Alpen gefundene Vorkommen. An einer Fundstätte gewann man dort etwa 100 Tonnen Bergkristall, wobei das größte Exemplar acht Zentner, also 400 kg, wog. An anderer Stelle sind sogar Einzelstücke mit bis zu 700 kg überliefert. 5 Wie auch Amethyst, gehört Bergkristall zu den makrokristallinen Quarzen, deren Kristallstruktur mit bloßem Auge erkennbar ist. Die zweite Gruppe bilden die mikrokristallinen Quarze wie Achat, Onyx oder Sardonyx. 6 Die hier genannten Mineralien stellen aber nur eine kleine Auswahl aus der großen Gruppe der Quarze dar. Ihre farbliche Vielfalt reicht vom völlig klaren Bergkristall bis zu stark farbigen Achaten. Diese unterschiedlichen optischen Erscheinungsformen führten zu einer Vielzahl historischer Bezeichnungen farbiger Quarzvarietäten, die im Laufe der Zeit nicht immer einheitlich verwendet wurden und daher oftmals uneindeutig sind. So findet sich beispielsweise in zahlreichen mittelalterlichen Quellen für Bergkristall auch die Bezeichnung Beryll, die heute ein völlig anderes Mineral bezeichnet. 7 Daher soll hier kurz eine Begriffsklärung zu jenen Mineralien vorgenommen werden, die für den Steinschnitt im vorliegenden Kontext von besonderer Bedeutung sind und daher in dieser Arbeit an verschiedenen Stellen thematisiert werden. Chalzedon bezeichnet zum einen eine bläulichweißgraue Quarzvarietät, zum anderen bildet er den Oberbegriff für die gesamte Gruppe der mikrokristallinen Quarze. 8 Diese kommen sowohl einfar-

Die Mohs’sche Skala hat 10 Stufen, wobei Diamant mit 10 den höchsten Wert einnimmt. Glas beispielsweise liegt zwischen 5 und 6. Korund (Al2O3) ist ein häufig vorkommendes Mineral mit einer Mohs-Härte von 9 und einer Dichte von 3,97–4,05 g/cm3. Die reinsten Varietäten der Korund-Gruppe sind Rubin und Saphir. Die Korunde ohne Edelsteinqualität werden als Schleifmittel verwendet. Schumann 2014, S. 98. 3 Freiburg 1997, S. 22. 4 Hahnloser/Brugger-Koch 1985, S. 4. 5 Freiburg 1997, S. 22 sowie Rykart 1989, S. 340. Das Naturkundemuseum Bern zeigt eine 2005 am Planggenstock im Kanton Uri gefundene Kristallgruppe mit 300 kg, deren zentrale Spitze eine Länge von 107 cm aufweist. 6 Schumann 2014, S. 132. 7 Braun 1940, S. 104. 8 Schumann 2014, S. 142. Mit 6,5–7 liegt die Mohs-Härte der Chalzedone knapp unter der des Bergkristalls. Siehe auch Rykart 1989, S. 343 ff. 1

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Einführung

big, als auch gebändert, also als Schichtung unterschiedlicher Varietäten vor. Zu diesen gebänderten Quarzen zählt neben dem „echten“ Chalzedon vor allem der Achat. Anders als der Kristall entsteht der Achat als kugelige oder mandelförmige Einlagerung in Hohlräumen. Das führt zur charakteristischen streifigen oder gebänderten Zeichnung. Füllt sich der Hohlraum völlig mit Achatmasse, so spricht man von einer Mandel. Bleibt ein Hohlraum erhalten, so können sich darin Kristalle wie etwa Bergkristall oder Amethyst bilden und man spricht von einer Druse. 9 Zwar kommt Achat auch natürlich in einer Vielzahl von Farben vor, meist sind seine Lagen aber weißlich-grau. Aufgrund seiner porösen Beschaffenheit ist er jedoch, anders als die makrokristallinen Quarze, gut färbbar. Diese Eigenschaft war bereits in der Antike bekannt und wurde auch

intensiv angewendet. 10 Nicht zuletzt darin liegt wohl ein wesentlicher Grund für die verwirrende Menge unterschiedlicher Bezeichnungen, die stets nur auf der optischen Erscheinungsform und Farbe der Mineralien beruhen. Ein gutes Beispiel ist hier die rötlich-braun bis schwarz geschichtete Varietät, die oft als „Sardonyx“ bezeichnet wird und in der Spätantike sowohl zum Schnitt von Gemmen und Kameen als auch für Gefäße verwendet wurde. Zwar tritt diese auch in einigen natürlichen Vorkommen auf, war aber bereits in der Antike meist künstlich gefärbter Achat. 11 Da Achat im Mittelmeerraum kaum vorkommt, musste er bereits in der Antike importiert werden. Antike Quellen nennen vielfach Indien als Herkunftsort, für die Spätantike kommen aber auch Lagerstätten in Bulgarien in Frage. 12

I.2 Der Bergkristall in antiken und mittelalterlichen Quellen Die besonderen Eigenschaften des Bergkristalls, vor allem seine Klarheit und Härte, erregten bereits früh das Interesse der Gelehrten. Bis ins Mittelalter zählte er dadurch zu den meistgeschätzten und meistverwendeten Edelsteinen. So fand der Kristall auch Eingang in die Steinbücher oder Lapidarien, in denen seit der Antike das Wissen um die Entstehung, die Eigenschaften und Wirkungen der verschiedenen Mineralien gesammelt wurden. Die Vorläufer dieser literarischen Gattung lassen sich bis in die altorientalischen Überlieferungen Mesopotamiens zurückverfolgen. 13 Charakteristisch ist seit diesen frühesten erhaltenen Anfängen auch die Vermengung von Naturbeobachtung mit verschiedensten magischen Vorstellungen, die sich besonders markant im unmittelbaren Nebeneinander von realen und mythologisch-magischen Steinen äußert. Gleiches gilt für die enge Verknüpfung von Mineralogie und Astrologie, die sich in zahlreichen Lapidarien von der Antike bis ins Mittelalter nach-

weisen lässt. Besonders auffällig innerhalb dieser Werke ist die zumeist kritiklose Bewahrung überkommener Informationen, von den frühesten Werken bis in solche des Mittelalters und der Renaissance sowie deren Vermischung mit unmittelbaren Naturbeobachtungen. Aus diesem Grund folgt hier eine Auswahl besonders einflussreicher Schriften dieser Gattung, die auch im Weiteren immer wieder herangezogen werden. 14 Bereits die Bezeichnung des Bergkristalls verweist in die griechische Antike und deren Vorstellungen über den Ursprung und die Beschaffenheit des Minerals. Der Begriff Kristall geht auf das griechische κρύσταλλος zurück und wird von κρύος für Kälte, Frost oder Eis abgeleitet. So unterscheidet etwa Hippokrates (ca. 460–375 v. Chr.) zwischen „Wasser-Kristall“ und „Kristall-Stein“. 15 Die Verbindung der beiden Materialien liegt auf der Hand: Zur Zeit des Hippokrates stellten Bergkristall sowie Eis die einzigen festen und völlig klaren Stoffe dar.

Schumann 2014, S. 148. Giuliani/Schmidt 2010, S. 89 f. 11 Plinius XXXVII, Cap. XXIII. Sowie Giuliani/Schmidt 2010, S. 96. Für den experimentellen Nachweis der Technik des Achatfärbens bereits in der minoischen Bronzezeit siehe auch Yule/Schürmann 1981, S. 278 f. 12 Plinius nennt auch Armenien als Herkunftsregion, wobei es sich aber wohl lediglich um eine Zwischenstation handelte. Siehe Zwierlein-Diehl 2008, S. 16 f. sowie Bühler 1973, S. 4 f. 13 Siehe dazu etwa Horowitz 1992 oder Simkó 2014. 14 Zu einem Überblick arabischer und europäischer Steinbücher des Mittelalters siehe Steinschneider 1897. 15 Rykart 1989, S. 320 sowie Freiburg 1997, S. 20. 9

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Der Bergkristall in antiken und mittelalterlichen Quellen

Zudem fühlt sich der Bergkristall stets kühl an. So vermutete auch Diodorus (1. Jahrhundert v. Chr.) die Entstehung des Kristalls aus gefrorenem Wasser. 16 Diese Ursprungsvorstellung führt Plinius der Ältere (23–79 n. Chr.) im 37. Buch seiner Naturgeschichte aus. Dort heißt es: „er [der Bergkristall] wird durch eine heftige Kälte verfestigt; man findet ihn wenigstens nur dort, wo die winterlichen Schneemassen am meisten starren und es ist sicher, dass er aus Eis besteht.“ Jedoch entstünde er ausschließlich aus Schnee und Regenwasser. 17 Damit benennt Plinius auch ein weiteres Indiz für die Entstehung des Kristalls aus Eis: Es ist seine Herkunft aus hochgelegenen, unwegsamen Gebirgsgegenden. So berichtet der antike Autor „[…] dass die Kristalle in Höhlen der Alpen wachsen, häufig derart abgelegen, dass man sie, am Seil hängend, herausziehen muss. Erfahrenen Leuten sind Anzeichen und Merkmale [zum Auffinden solcher Hohlräume] bekannt.“ 18 Einer der frühesten schriftlichen Hinweise auf eine Verarbeitung des Minerals findet sich wiederum bei einem griechischen Autor, nämlich dem Aristotelesschüler Theophrast (ca. 372–287 v. Chr.), dessen Steinbuch in der Folge eine wesentliche Grundlage sowohl der europäischen, als auch der orientalischen Tradition dieser Schriften bilden wird. Auf die Entstehung der Steine aus den vier Elementen wird dort nur allgemein eingegangen, die verschiedenen Mineralien werden anschließend, unter praktischen Gesichtspunkten gruppiert, aufgeführt. Den Bergkristall erwähnt Theophrast jedoch nur beiläufig als Material für den Siegelschnitt, was sowohl auf dessen verhältnismäßige Seltenheit zu dieser Zeit, als auch auf seine Härte zurückzuführen ist, die eine Bearbeitung besonders schwierig macht. 19 Im Gegensatz dazu widmet Plinius dem Kristall zwei ganze Abschnitte in seiner Naturgeschichte und bietet eine Fülle von Informationen zu den

verschiedensten Aspekten. Außer Platon, Theophrast und einer Vielzahl weiterer Quellen, enthalten die Beschreibungen auch persönliche Beobachtungen des Plinius und man kann ihre Bedeutung, vor allem für die Lapidarien des europäischen Mittelalters, kaum überschätzen. 20 Als Fundorte des Bergkristalls nennt Plinius neben den Alpen Kleinasien, Zypern sowie Inseln vor der Küste Arabiens. Besonders hoch geschätzt sei zudem der Kristall aus Indien. 21 Bemerkenswert ist, dass Plinius auch die sechsseitige Form des natürlichen Kristalls kannte, er also rohe, noch unbearbeitete Kristalle gesehen hatte. In späteren Quellen findet sich dieses Wissen zumeist nicht mehr und deutet damit auf die veränderten Verhältnisse der Produktion und Materialversorgung hin, weil das Rohmaterial beispielsweise bereits an anderer Stelle vorbearbeitet wurde, ehe es die Werkstätten der Steinschneider erreichte. Zwar merkte schon Solinus (3.–4. Jahrhundert n. Chr.) zur Entstehung des Bergkristalls aus Eis kritisch an, dass dieser auch in heißen, völlig eisfreien Regionen vorkomme (Plinius selbst nennt beispielsweise Arabien), was Marbod von Rennes (1035–1123) 500 Jahre später noch einmal aufnehmen wird, doch bleibt die These des Plinius zumindest für die überwältigende Mehrheit der europäischen Autoren der nachfolgenden Jahrhunderte die unumstößliche Autorität. 22 In der Enzyklopädie des Isidor von Sevilla (um 560–636) ist die Informationsfülle der antiken Quelle bereits auf wenige Angaben verkürzt. Neben dem Zusammenhang von griechischer Etymologie und dem Ursprung des Minerals wiederholt Isidor auch die Fundstätten in Asien, auf Zypern sowie in den Alpen. 23 Darüber hinaus übernimmt er von Plinius noch zwei weitere Details. Zum einen die Verwendung des Bergkristalls als Brennlinse, zum anderen die Verarbeitung des Materials zu Trinkgefäßen. 24 Könnte Isidor mit solchen Gefäßen, zu-

Rykart 1989, S. 320. Plinius/König 1994, Cap. IX, S. 29 u. 31. 18 Plinius/König 1994, Cap. X, S. 31. 19 De Lapidibus (Peri Lithon) siehe Theophrast/Caley 1956, S. 51. 20 Di Venosa 2005, S. 11 f. 21 Plinius/König 1994, Cap. IX, S. 29 22 Caius Julius Solinus: Collectanea rerum memorabilium. Siehe Hahnloser 1985, S. 10 sowie Di Venosa 2005, S. 12, auch Marbod/Riddle 1977, S. 77. Anderslautende Hypothesen zur Entstehung und Natur des Kristalls verbreiteten sich erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts, siehe dazu etwa Rykart 1989, S. 321 f. 23 Isidor/Barney 2006, S. 325. 24 Plinius/König 1994, XXXVII, Cap. X, S. 33 sowie Isidor/Barney 2006, S. 325. 16 17

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mindest in der eigenen Anschauung, tatsächlich noch vertraut gewesen sein, so war das Wissen um ihre Herstellung 200 Jahre später in Europa bereits verloren. Dennoch übernahm auch Hrabanus Maurus (um 780–856) die Angaben Isidors in nahezu identischer Form. 25 Die späteren Autoren des Mittelalters, wie etwa Hildegard von Bingen (1098– 1179), der Presbyter Theophilus (Anfang 12. Jahrhundert) oder Albertus Magnus (1206–1280), referieren vom antiken Wissen nurmehr die Entstehung des Kristalls und seine Verwendung als Brennlinse, während sich die übrigen Informationen offenbar bereits verloren hatten. 26 Als besonders prägendes Werk für die Lapidarien des späteren Mittelalters sei hier auch noch auf das poetische Steinbuch De lapidibus des bereits genannten Marbod von Rennes (1035–1123) verwiesen, wenngleich es auch nur wenige Informationen zum Kristall bietet. Wohl kein anderes Werk dieser Gattung wurde in späterer Zeit so oft übersetzt und bearbeitet. Zugleich ist De lapidibus ein gutes Beispiel für den konstanten Wissenstransfer zwischen Orient und Okzident, da der Autor selbst seine Kenntnis von Übersetzungen der Werke des Qusta ibn Luqa (820–912) bezeugt. 27 Den vielleicht größten nachantiken Einfluss auf die europäischen Lapidarien hatte in diesem Transferprozess ein Werk, dessen Herkunft aus der islamischen Welt den westlichen Autoren lange verborgen blieb. Es handelt sich dabei um das sogenannte Steinbuch des Aristoteles, eines der frühesten erhaltenen Lapidarien der islamischen Welt, das seit dem 12. Jahrhundert auch in Europa in zahlreichen lateinischen Übersetzungen Verbreitung fand. 28 Wie in Europa schöpften auch die Autoren der

islamischen Welt aus den überlieferten antiken Quellen, wobei hier deutlich die griechische Tradition mit Werken wie dem des Theophrast im Vordergrund stand, deren Texte über byzantinische und wohl vor allem nestorianisch-syrische Vermittlung in den frühislamischen Reichen verbreitet wurden. 29 Von der reichen mittelalterlichen Literatur, die im islamischen Raum zu Edelsteinen entstand, lassen sich die frühesten Texte bislang nur über Verweise in späteren Kompendien nachweisen. 30 Der vielleicht bedeutendste und zugleich früheste arabische Autor zu Edelsteinen scheint Abū Mūsā Dschābir ibn Hayyān gewesen zu sein, dessen Lebenszeit sich nur vage in das achte Jahrhundert verorten lässt. Ihm lassen sich allein acht, nur dem Titel nach bekannte Werke zum Thema zuweisen, darunter auch ein monografischer Text zu Bergkristall. 31 Bislang konnte jedoch keines dieser Werke aufgefunden werden. So setzt die erhaltene Literatur erst in der Mitte des 9. Jahrhunderts ein. In Anbetracht der griechischen Quellen dieser Texte überrascht es kaum, dass sich das bedeutendste dieser Werke als eine Schrift des Aristoteles ausgibt. Der Autor des pseudo-Aristoteles ist nicht bekannt, jedoch wird er bereits bei Autoren des 9. Jahrhunderts zitiert. 32 Eine Entstehung des Textes im Umfeld des Abū Zaid Ḥunain ibn Isḥāq alʿ Ibādī (808–873) erscheint wahrscheinlich. Selbst ein nestorianischer Christ, war ibn Isḥāq vorwiegend in Bagdad als wissenschaftlicher Autor und Übersetzer griechischer Schriften ins Arabische tätig. 33 Ähnlich wie in den nachantiken europäischen Schriften sind die Angaben des pseudo-Aristoteles zum Bergkristall (billaur) wenig detailliert und gerade auf die Fragen von Herkunft und Ursprung

Maurus 1852, Sp. 472. Marbod/Riddle 1977, S. 77; Hildegard/Riethe 1979, S. 70 (hier nur die Entstehung); Theophilus/Brepohl 1999, S. 276; Albertus/Best 1973, S. 35. Die im europäischen Mittelalter hinzukommenden Informationen zur Heilwirkung des Steins sowie die technischen Informationen des Theophilus sollen an anderer Stelle behandelt werden. 27 Di Venosa 2005, S. 19. Marbod beschreibt in insgesamt 732 Hexametern 60 Steine. Qusta ibn Luqa erscheint in europäischen Quellen meist als Costa ben Luca. 28 Di Venosa 2005, S. 15. 29 Di Venosa 2005, S. 13. Ein anschauliches Beispiel dieses Prozesses ist die Wiener Dioscurides-Handschrift, die um 512 in Konstantinopel entstand und zahlreiche Anmerkungen späterer Besitzer in hebräischer, persischer, arabischer und türkischer Sprache aufweist. Siehe dazu Mazal 1981; auch der oben genannte Qusta ibn Luca gehörte zu diesem Vermittler-Kreis. 30 Aus den bislang erschlossenen Quellen lassen sich bereits mehr als 50 Steinbücher rekonstruieren. Zu den erhaltenen arabischen Manuskripten siehe Tifashi/Abul Huda 1998, S. 3 ff. sowie Ritter 1935. 31 Tifashi/Abul Huda 1998, S. 5. 32 Tifashi/Abul Huda 1998, S. 3 sowie Thorndike 1964, S. 653 ff. 33 Aristoteles/Ruska 1912, S. 46. Ruska selbst wollte das Werk unmittelbar ibn Ishaq zuschreiben während Ullmann Qusta ibn Luqa al-Ba’labakki (820–912) als Autor vermutet. Siehe Ullmann 1970, S. 128. 25

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Der Bergkristall in antiken und mittelalterlichen Quellen

des Materials wird nicht eingegangen. Stattdessen verweist er auf die Ähnlichkeit des Kristalls mit Glas und nennt die Verwendung als Brennlinse. 34 Muhammad ibn Ahmad at-Tamīmī (2. Hälfte 10. Jahrhundert) bezieht sich ausdrücklich auf den pseudo-Aristoteles und fügt dessen Informationen die Angabe von Fundstätten auf Inseln vor China und Indien hinzu, von wo der Kristall auch importiert würde und nennt zudem Vorkommen auf der Hochebene Ägyptens. 35 Jedoch verwendet at-Tamīmī nun die Bezeichnung maha statt billaur für den Bergkristall, die im pseudo-Aristoteles noch eine weiße (klare) Varietät des Rubins (jākūt) meinte. 36 Beide Begriffe finden sich dann nebeneinander in der zweifellos reichhaltigsten Quelle zum Kristall aus dem islamischen Mittelalter, dem Steinbuch des Abū ’r-Raiḥān Muḥammad ibn Aḥmad al-Bīrūnī (973–1048). 37 Unter anderen nennt al-Bīrūnī auch den pseudo-Aristoteles als eine seiner Quellen, äußerst sich dabei aber bereits kritisch zur vermeintlichen Autorenschaft. Ähnlich wie Plinius bringt er den Kristall zwar aufgrund seiner Klarheit mit Wasser und Luft in Verbindung, hat wie der pseudo-Aristoteles jedoch keine detaillierteren Vorstellungen zu dessen Entstehung. Allerdings zitiert er eine Reihe von Indizien, die eine ursprünglich flüssige Natur des Kristalls belegen und ist über Zuträger zumindest vage über die kristalline Gestalt des Minerals unterrichtet: Der Kristall werde unter Tage in hexagonaler Form gefunden, mit glatten Seiten, wie von

einem Handwerker bearbeitet. 38 Außerdem nennt er, anders als seine Vorgänger, eine ganze Reihe von Fundstätten. So finde sich der Bergkristall in Arabien und Armenien ebenso wie auf Madagaskar und den Malediven, in Kaschmir sowie auf Ceylon. 39 Auf al-Bīrūnīs reichhaltige Angaben zum Handel sowie zur Verarbeitung des Bergkristalls wird im nächsten Abschnitt dieser Arbeit noch ausführlich eingegangen. Ist Plinius als Quelle für die frühen arabischen Steinbücher offenbar nicht von Bedeutung, so bezieht sich Ahmad ibn Yusuf al-Tīfāchī (1184–1253) bereits zu Beginn seines Kapitels zum Bergkristall ausdrücklich auf diesen Autor. Zwar wird auch hier eine Entstehung des Kristalls aus Wasser beschrieben, jedoch weicht diese so deutlich von der des Plinius ab, dass die Frage nach der tatsächlichen Kenntnis des antiken Textes offen bleiben muss. 40 Als Fundstätten werden Arabien, Armenien und China, aber auch Europa genannt. Zudem schreibt al-Tīfāchī von neu entdeckten Vorkommen nahe Marrakesch. Hinsichtlich der Bezeichnung des Materials folgt al-Tīfāchī nun wieder dem etwa 300 Jahre älteren pseudo-Aristoteles indem er den Bergkristall ausschließlich als billaur benennt. Ähnlich wie in Europa ist auch in den Quellen des islamischen Orients im Verlauf des Mittelalters ein deutlicher Wandel in den enthaltenen Informationen zu verfolgen, indem parallel zum Verlust des antiken Wissens zunehmend neue, magische oder heilende Wirkungen des Minerals erscheinen.

Aristoteles/Ruska 1912, S. 170. Billaur: [‫ ]ﺍﻟﺒڵﻮﺭ‬Die Ethymologie des Begriffes wird meist auf das griechische βηρυλλος zurückgeführt. Siehe Käs 2010, S. 430; dort auch weitere Hypothesen. 35 Tamīmī /Schönfeld 1976, S. 98. Zu den Kristallvorkommen in Ägpten siehe Aston 1994, S. 65: Kristallvorkommen finden sich in der östlichen Wüste, nördlich von Assuan. 36 Tamīmī /Schönfeld 1976, S. 98 sowie Aristoteles/Ruska 1912, S. 143. Maha: [‫ ]ﻣﺎﺓ‬Zu den Nennungen der beiden, oftmals synonym verwendeten Begriffe in den Quellen siehe auch Käs 2010, S. 428 f. sowie 1059 f. 37 Bīrūnī/Kahle 1936, S. 325. Bīrūnī bietet auch eine ethymologische Herleitung zur Bezeichnung Maha, bei der er von der optischen Ähnlichkeit des Materials zu Wasser ausgeht. 38 Bīrūnī/Kahle 1936, S. 336. Diese Verblüffung über die perfekte Gestalt des natürlichen Kristalls findet sich in gleicher Weise bei Plinius. Siehe Plinius/König 1994, Cap. IX, S. 31: „[…] eo magis quod neque in mucronibus eadem species est et ita absolutus laterum lavor est, ut nulla id arte posit aequari.“ 39 Bīrūnī/Kahle 1936, S. 332 ff. 40 Tifachi/Abul Huda 1998, S. 11 sowie S. 166. 34

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I.3 Steinschliff und Steinschnitt. Eine historisch-technische Einführung Die Bearbeitung von Steinen reicht weit in die Geschichte, bis an die Anfänge menschlicher Kultur zurück und entsprechend alt sind auch die grundlegenden Techniken dieser Bearbeitung. Anfangs formte man Steine wie etwa Flint durch Abschlagen zu Werkzeugen. Spätestens seit dem Neolithikum glättete man die Objekte durch Schleifen und entwickelte schließlich die Technik zum Durchbohren

Abb. 2: Abklatsch der Grabstele des Daktylokoiloglyphos Doros von Sardes, 2. Jh. n. Chr. (Österreichische Akademie der Wissenschaften)

des Steins. 41 Mag schon ein Obsidianbeil ebenso als praktisches Gerät wie als Schmuck seines Trägers

gedient haben, wurden die Techniken der Steinbearbeitung auch von Beginn an zur Herstellung reiner Schmuckstücke verwendet, so etwa in ihrer einfachsten Form als Perlen. Auch oder gerade nachdem der Steinschliff nach dem Auftreten anderer Materialien ausschließlich zur Herstellung von Schmuckgegenständen und Schatzobjekten verwendet wurde, arbeitete man kontinuierlich an seiner technischen Verfeinerung und es entstanden bald Siegel und Gemmen sowie einfache Gefäße. 42 Die bedeutendste Innovation war hier zweifellos die Verwendung rotierender Werkzeuge. Mit den bis dahin verwendeten ruhenden Werkzeugen, beispielsweise Schleifsteinen, auf denen man das zu formende oder zu glättende Werkstück rieb, ließen sich nur einfache gerundete Objekte wie Perlen oder Cabochons fertigen. Erst das Umlegen des schon lange gebräuchlichen, bogenbetriebenen Drillbohrers, seine stabile Fassung in ein Gestell sowie die Verwendung von daran befestigten Schneide- und Schleifplatten aus Metall und Stein ermöglichten die Herstellung komplexerer Objekt- und Dekorformen. 43 Nun konnte das Werkstück ruhig in der Hand gehalten und an das rotierende Werkzeug herangeführt werden, was ein deutlich präziseres Arbeiten begünstigte. Das früheste Bildzeugnis eines solchen Werkzeuges findet sich auf der Grabstele des Daktylokoiloglyphos Doros von Sardes aus dem 2. Jahrhundert n. Chr., die im lydischen Philadelpheia (Alasehir in der heutigen Westtürkei) zu Tage kam (Abb. 2). 44 Jedoch scheint das Wissen um diese technische Innovation zumindest im europäischen Mittelalter weitgehend verloren gegangen zu sein, während die Kenntnis dieser Techniken und Werkzeuge im byzantinischen Reich sowie in den seit der muslimischen Expansion islamischen Gebieten offenbar stets präsent blieb und weiter gepflegt und entwickelt wurde.

Fischer 1968, S. 21. Siehe hierzu Abschnitt II dieser Arbeit. 43 Zur Rekonstruktion eines solchen Gerätes siehe Müller 2000. Auf die historische Entwicklung dieser Technik sowie ihre Methoden wird an späterer Stelle ausführlich eingegangen. Siehe auch Onassoglou 1985, S. 186. 44 Zwierlein-Diehl 2008, S. 16 ff., Abb. 5 und 6. Das Original der Stele aus dem 2. Jahrhundert ist verschollen, jedoch hat sich im Besitz der Kleinasiatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien ein Abklatsch erhalten. Die in Hexametern verfasste Inschrift lautet: Achtzehnjährig liege ich, Freund, in diesem Grab, Doros von Sardes, / der Siegelringschneider; mein Vater war der Lyder Marion, meine Mutter / war Lakonierin (oder: „hieß Lakaina“); rein, ohne Kypris / hab’ ich mein Leben gelebt, aber [nun hat mich] die Erde [geborgen] den [toten] / keuschen Jüngling. 41

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Steinschliff und Steinschnitt. Eine historisch-technische Einführung

Die Begriffe von „Steinschliff“ und „Steinschnitt“ sind in der Literatur nicht klar unterschieden. Daher soll dies zunächst für die folgenden Ausführungen versucht werden. Die Problematik einer solchen Definition liegt darin, dass es sich eigentlich bei jeglicher Steinbearbeitung um ein Schleifen handelt. Sei es das Sägen oder Bohren des Steins, nie schneidet sich das eigentliche Werkzeug tatsächlich in das Material. Es dient lediglich als Träger eines Schleifmittels, welches das Werkstück nach und nach zerreibt. Am deutlichsten wird dies an der zahnlosen Steinsäge. Nicht die Säge selbst schneidet, sondern das beigegebene Schleifmittel. So erklärt sich auch die im Nachfolgenden beschriebene Verwendung von Werkzeugen aus Holz, Bein oder weichen Metallen wie Kupfer und Blei. Die Qualität des Materials liegt hier nicht in seiner Härte, sondern in seiner Eignung, ein Schleifmittel optimal aufzunehmen. Wenn im Folgenden trotzdem sowohl der Begriff „Steinschliff“ als auch „Steinschnitt“ verwendet wird, muss die Definition also im Grunde eine künstliche sein und ich möchte sie daher aus dem Arbeitsprozess ableiten. Dabei erfolgt zunächst die Zurichtung des Werkstückes und die Ausarbeitung der Objekt- bzw. Gefäßform und im Anschluss die Anbringung des Dekors. Mit dem Steinschliff werde ich analog dazu die Herstellung der äußeren Form eines Gegenstandes bezeichnen, die auf einem ruhenden oder auch rotierenden Schleifstein erzeugt wird. Bei Hohlgefäßen ist hier allerdings auch die Aushöhlung des Werkstücks einbezogen, also die gesamte Fertigung des „Rohlings“. Ein glattes oder facettiertes Gefäß kann also völlig oder zumindest weitestgehend als Schleifarbeit hergestellt werden. Dies gilt zudem für Objekte mit einfachen, meist geometrischen Verzierungen, die sich mittels desselben Schleifsteins herstellen lassen. Mit dem Begriff Steinschnitt bezeichne ich hingegen die Anbringung des Dekors mittels des rotierenden „Zeigers“ an der oben beschriebenen, liegenden Welle. Diese Definition greift bereits den Ausführungen zur Organisation der Werkstatt voraus, wo die beiden beschriebenen Bereiche in der praktischen Durchführung deutlich unterschieden wurden. 45 Diese technisch eigentlich unsaubere Trennung

werde ich dennoch verwenden, um im Folgenden die beiden wesentlichen Arbeitsbereiche voneinander zu unterscheiden. Dies ist sinnvoll, da der größere Teil der im Folgenden betrachteten Objekte als massive Stücke gearbeitet und verziert wurden. Erst im letzten Schritt brachte man dann eine einfache zylindrische Bohrung ein. Damit unterscheiden sie sich deutlich von den wirklichen Hohlgefäßen, bei denen der Dekorschnitt auf dem bereits hohl ausgearbeiteten Gefäßkörper angebracht wurde. Diese Arbeit stellte nicht nur wesentlich höhere technische Ansprüche an den Kristallschneider, sondern setzte auch eine deutlich umfangreichere und stärker spezialisierte Werkstatt voraus. Während zu den Mineralien, die für den Steinschnitt Verwendung fanden, für ihre vermutete Entstehung und Wirkung sowie ihre Bedeutung, eine Reihe von Quellen aus Antike und Mittelalter erhalten ist, stellt sich dies für die Fragen von Technik und Werkzeugen der Bearbeitung völlig anders dar. Schriftliche Quellen zur praktischen Durchführung der Hartsteinbearbeitung und besonders des Gefäßschnitts sucht man vergebens. Eine Ausnahme, die für das europäische Mittelalter zumindest die grundlegendsten Techniken zur Herstellung glatter Schmucksteine darstellt, wird im Folgenden immer wieder herangezogen werden. Es handelt sich dabei um die schedula diversarum artium des Presbyter Theophilus, die vermutlich Anfang des 12. Jahrhunderts entstand. Von dem technischen Stand, den die orientalischen Steinschneidearbeiten des Mittelalters aufweisen, sind die Beschreibungen des Theophilus zwar weit entfernt, da er sich ausschließlich mit Techniken des Steinschliffs beschäftigt und ihm rotierende Werkzeuge jenseits des Drillbohrers offenbar unbekannt sind. Jedoch stellen die dort beschriebenen Techniken und Materialien die Grundlagen der Hartsteinbearbeitung dar und waren noch im 17. Jahrhundert allgemein gebräuchlich. 46 Der bislang einzigartige archäologische Fund einer mittelalterlichen Werkstatt zur Bergkristallbearbeitung in Köln hat die Beschreibungen des Theophilus weitgehend bestätigt, da sich dort praktisch alle von ihm beschriebenen Werkzeuge und Materialien fanden. Neben einer großen Anzahl von kleinformati-

45 Diese Arbeitsteilung lässt sich vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit nachweisen. Als Beleg sei hier etwa auf einen Vertrag der Brüder Saracchi mit dem Münchner Hof von 1573 verwiesen, in dem einem Bruder die Ausarbeitung der groben äußeren Form obliegt, einem zweiten die Fertigstellung des Rohlings und dem dritten der Dekorschnitt. Siehe dazu Charleston 1964, S. 99. 46 Irmscher 1997, S. 24 sowie Charleston 1964.

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Einführung

gen Materialresten kamen auch kleine Cabochons, Perlen sowie Fragmente glatter Knäufe zutage, wie sie sich an zahlreichen mittelalterlichen Goldschmiedearbeiten finden. Durch die Fundumstände lässt sich die Werkstatt auf das 12. Jahrhundert datieren und entspricht so auch zeitlich der vermuteten Entstehung des Traktates des Theophilus. 47 Was die Fertigung von Hohlgefäßen betrifft scheint es so, als wäre sie in allen Epochen, von der Antike bis in die frühe Neuzeit, wie ein arcanum, ein Geheimwissen, behandelt worden. Und tatsächlich ist dies bei näherer Betrachtung auch durchaus nachvollziehbar. Bereits das Rohmaterial für solche Objekte war besonders kostbar und schwer zu beschaffen, da man nur besonders große und reine Kristallblöcke verwenden konnte. Größere Einschlüsse und Störungen im Material hätten bei der dünnen Ausarbeitung der Gefäßwandung ein unberechenbares Risiko dargestellt. Zur Bearbeitung bedurfte es höchsten handwerklichen Könnens und langer Erfahrung, die nur durch intensives Arbeiten mit dem Material in hoch spezialisierten, konstant arbeitenden Werkstätten zu erlangen waren. Damit diese Voraussetzungen, die dauerhafte Versorgung einer Anzahl spezialisierter Handwerker und die Bereitstellung von ausreichend Rohmaterial, gewährleistet werden konnte, benötigte man einen finanzstarken Patron und eine entsprechende Infrastruktur. Bereits diese Bedingungen machten die Herstellung von Hohlgefäßen zu einer äußerst exklusiven kunsthandwerklichen Technik, die man nicht ohne weiteres erlernen oder übertragen konnte. Schon die Voraussetzungen zum Betrieb einer solchen Werkstatt waren also so komplex, dass ihre Anzahl stets überschaubar geblieben und auf wenige Zentren konzentriert gewesen sein dürfte. Die offensichtliche Geheimhaltung der Bearbeitungstechniken spiegelt sich auch im mangelnden technischen Wissen der antiken und mittelalterlichen Autoren. 48 Ein gutes Beispiel ist hier die während des Mittelalters sowohl in Europa als auch im

Orient tradierte Legende, dass sich der Kristall, aber auch andere Edelsteine durch warmes Tierblut erweichen ließen und man sie so leichter bearbeiten könne. 49 Dabei muss betont werden, dass der Hartsteinschnitt zu Lebzeiten des Plinius im römischen Reich durchaus verbreitet war und sich auf einem hohen technischen Stand befand, der Autor also durchaus Zugang zu entsprechenden Handwerkern hätte haben können. Ganz offensichtlich wurde er aber bewusst über die tatsächlichen Techniken im Unklaren gelassen und vertraute auf die unrichtigen Informationen zu dieser vorgeblichen Methode. Auch für die Renaissance sind die Quellen zur Technik des Steinschnitts spärlich und vieles lässt sich nur indirekt erschließen. Umso wertvoller sind die wenigen europäischen Bildzeugnisse sowie die gut dokumentierten Steinschneider-Werkstätten Chinas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, deren Techniken noch weitgehend den für die Antike und die frühe Neuzeit belegten entsprachen. Zudem zeugt die Einheitlichkeit und Konstanz der angewendeten Techniken und Materialien zwischen China und Europa, sowie von der Antike bis in die Neuzeit, von einer gewissen Universalität über geografische und zeitliche Grenzen hinweg, sodass sie mit einiger Gewissheit auf den im Fokus dieser Arbeit stehenden Zeitraum des islamischen Mittelalters übertragen werden können, für den sich kaum schriftliche und keinerlei archäologische Befunde erhalten haben. 50

Schleifmittel Wie bereits beschrieben, fungieren bei allen nachfolgend umrissenen Techniken des Steinschnitts die Werkzeuge stets nur als Träger eines Schleifmittels. Im eigentlichen Sinne „schneiden“ also nicht die Werkzeuge, sondern das mit Wasser oder Öl beigegebene Schleifmittel. Diesem Material kommt demnach im gesamten Prozess die entscheidende Bedeutung zu. Vereint sind Werkzeug und Schleifmittel in Form von Sandsteinplatten verschiedener

Siehe hierzu Berthold 2008. Irmscher 1997, S. 26 49 Plinius/König 1994, § 59, S. 51 (hier bezogen auf den Diamant); Thorndike 1964, S. 767; Maurus 1852, Sp. 473; Theophilus/Brepohl 1999, S. 276; Heraclius/Ilg 1873, S. 8 u. 60 (in verschiedenen Variationen); Tamimi/Schönfeld 1976, S. 100 (entstellt). 50 Siehe hierzu auch die experimentellen Versuche zur minoischen Glyptik bei Yule/Schürmann 1981, bes. S. 277. Zur Entwicklung des Steinschnitts siehe Abschnitt II dieser Arbeit. Siehe besonders Nott 1941 für die Technik der Jadebearbeitung in China. An dieser Stelle möchte ich ganz besonders Herrn Jürgen Christmann, Edelsteinschleifer-Meister in Vollmersbach/Idar-Oberstein für seine Geduld und bereitwillige Auskunft während meines Besuches in seiner Werkstatt im Herbst 2013 danken. 47

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Steinschliff und Steinschnitt. Eine historisch-technische Einführung

Körnung, die anfänglich dem Formen und Schärfen von Werkzeugen dienten. Beigegebenes Wasser erzeugt auf der Oberfläche des Steins einen feinen Schleifschlamm, der das Material des Werkstückes nach und nach abträgt und zudem kühlend wirkt. Da der gewachsene Sandstein jedoch nicht immer in jeder Feinheit verfügbar war, benötigte man andere Träger für feinere Schleifmittel. Dies konnte fein ausgewaschener Sand oder der Abrieb des vorangegangen Arbeitsganges sein, also auch der Abrieb des Werkstückes selbst. Hier bieten gerade Werkzeuge oder Platten aus relativ weichen Materialien den Vorteil, dass die Schleifmittel sich besser an ihnen anlagern. Bei den Metallen sind für das Mittelalter Eisen und in besonderer Weise Kupfer belegt, an dem Schmirgel oder Korund unter Beigabe von Öl besonders gut haften und so eine ideale Schleiffläche bilden. Bereits Plinius und Dioskurides empfehlen „Naxium“ als Schleifmittel, womit wohl der Schmirgel gemeint ist, der auf der Kykladen-Insel Naxos als natürliches Gestein vorkommt. 51 Dabei handelt es sich um ein Gemenge aus Korund, Magnetit, Hämatit und Quarz, das dort bis heute abgebaut wird. Korund kommt als Mineral auf allen Kontinenten relativ häufig vor und ist in seiner Struktur dem Rubin und dem Saphir verwandt. Mit einer Mohsschen Härte von 9 ist er nach dem Diamant das härteste Mineral und eignet sich somit besonders gut als Schleifmittel. 52 So überrascht es wenig, dass auch orientalische Autoren wie der pseudo-Aristoteles oder al-Tīfāchī Schmirgel zu diesem Zweck empfehlen. 53 Offenbar scheint sich die Kenntnis dieses Materials seit der Antike gemeinsam mit der Technik des Steinschnitts sowohl im Orient als auch in Europa verbreitet zu haben, denn Schmirgel und Korund finden sich ebenso im Traktat des Theophilus Presbyter als auch in der Handwerksordnung der venezianischen Kristallschleifer von 1284, wo die Bedingungen ihres Er-

werbs gemeinsam mit dem des Bergkristalls geregelt werden. 54 Für das Polieren wurden entsprechend feinere Schleifmittel verwendet, zu denen wiederum der Materialabrieb der vorausgegangenen Arbeitsgänge dienen konnte.

Die Arbeitsschritte Sägen, Schleifen und Bohren Aufgrund seiner kristallinen Struktur splittert und zerspringt der Bergkristall, sodass eine bildhauerische Bearbeitung im klassischen Sinne nicht möglich ist. Daher muss bereits die erste Zurichtung des Werkstücks durch Sägen erfolgen. Da auch hier das verwendete Schleifmittel, also Sande oder zerstoßene härtere Mineralien, die Schneidewirkung erzeugen, konnte man die Werkzeuge gegebenenfalls auch aus weichen Materialien wie Holz herstellen. 55 Theophilus beschreibt in seinem Traktat detailliert die Halterung des Werkstücks und die Konstruktion einer Führung für eine Säge aus Eisen. Aufgrund der guten Haftung von Korund an Kupfer dürften hier aber bereits seit der Antike auch Kupferbänder gebräuchlich gewesen sein. 56 Durch Sägen ließ sich die gewünschte äußere Form des Werkstücks zunächst nur annähernd erreichen. Die noch immer kantige äußere Form musste im nächsten Arbeitsschritt durch Schleifen gerundet werden. Die einfachste und älteste Technik einer Formung und Glättung der Oberfläche ist das Reiben auf einem flachen Stein. Ähnlich wie beim Sägen konnten hier zudem Metallplatten oder Holzbretter mit entsprechenden Schleifmitteln Verwendung finden. Ausgehend von einem groben Schleifstein, verwendete man von Arbeitsschritt zu Arbeitsschritt feinere Körnungen. Die Verwendung solcher liegender

51 Plinius XXXVI, 51–54; Dioskurides/Aufsesser 2002, S. 342 sowie Irmscher 1997, S. 24. Korund aus Armenien wird auch bei Theophrast genannt. Theophrast/Caley 1956, S. 54. 52 Schumann 2014, S. 98; Onassoglou 1985, S. 186 sowie Müller 2000, S. 198. 53 Aristoteles/Ruska 1912, S. 151 (als Fundort gibt der pseudo-Aristoteles jedoch Inseln im chinesischen Meer an) sowie Tīfāchī/Abul Huda 1998, S. 93 ff. In fatimidischer Zeit berichtet al-Aswānī auch von Schmirgel zur Edelsteinbearbeitung, den man zwischen dem zweiten und dritten Nilkatarakt finde (Halm 2003, S. 52). 54 Brugger-Koch 1985, S. 5 sowie 14. Es ist hier explizit von smeriglo die Rede. Für 1450 ist zudem eine venezianische Lieferung von Schmirgel nach Burgund belegt. Siehe hierzu Wien 2002, S. 30. 55 Fischer 1968, S. 21. Die einfachsten Formen dieser Techniken sind beispielsweise für Neuseeland dokumentiert, wo bis zur Entdeckung durch James Cook 1769 keine Metalle bekannt waren. 56 Theophilus/Brepohl 1999, S. 278; Irmscher 1997, S. 24.

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Einführung

Schleifflächen konnte durch den Fund der mittelalterlichen Steinschleiferwerkstatt in Köln belegt werden. 57 Seit dem 15. Jahrhundert sind in Europa auch aufrecht rotierende Schleifsteine aus Sandstein bezeugt. Diese Sandsteinscheiben hatten ein Gewicht von bis zu zwei Tonnen und wurden durch Wasserkraft betrieben. Die Schleifer arbeiteten hier im Liegen. Bis ins 20. Jahrhundert wurden in solchen „Schleifmühlen“ Schmuck- und Gebrauchsgegenstände wie Messerhefte aus Achat und anderen Gesteinen gefertigt. Eine kleinformatigere Weiterentwicklung stellt das seit dem 16. Jahrhundert nachweisbare „Handzeug“ dar, bei dem der Schleifstein über ein senkrecht stehendes Treibrad von einem Gehilfen bedient wurde. 58 War die äußere Form des Werkstücks erreicht, so folgte für ein Gefäß das Aushöhlen des Blockes. Bereits in der Kölner Werkstatt des 12. Jahrhunderts fanden sich Bergkristallknäufe, die offenbar beim Durchbohren zerbrochen waren. Doch belegen auch diese Funde zumindest teilweise die Beschreibung des Theophilus. So sollte nach dem mittelalterlichen Autor zum Durchbohren eines Kristalls die entsprechende Stelle zunächst mit einem spitzen Hammer aufgeschlagen werden, bevor der Bohrer angesetzt wurde. In frühester Zeit fanden hier vermutlich einfache Holzstäbe mit einem Schleifmittel oder einer Spitze aus Flint als Spitzbohrer Verwendung. Im islamischen Orient werden für kleinformatige Bohrungen eiserne Spitzbohrer mit Diamantspitzen erwähnt. 59 Schon früh lassen sich aber auch Hohlbohrer nachweisen, die etwa aus Bambus oder Vogelknochen bestehen konnten, bevor Metall zur Verfügung stand. 60 Die Verwendung von Hohlbohrern aus Metallblech dürfte schnell allgemein üblich geworden sein und blieb es durch das Mittelalter bis in die Neuzeit. Wesentlicher Vorteil dieser

Technik ist der deutlich geringere Aufwand an Zeit und Schleifmittel, da weniger Material abgearbeitet werden muss als bei der Verwendung eines massiven Stabbohrers. Außerdem konnte der gewonnene Bohrkern als Rohmaterial für kleinere Objekte weiterverwendet und so der Materialverlust reduziert werden. Eine ganze Reihe europäischer Arbeiten des Mittelalters belegen diese Technik. 61 Sollte die Bohrung jedoch der erste Schritt zur Aushöhlung eines Gefäßes sein, waren dem Einsatz des Hohlbohrers bereits gewisse Grenzen gesetzt. Da der Bohrkern ausgebrochen werden musste, konnte nur ein Zylinder mit begrenztem Durchmesser verwendet werden, da beim Herausbrechen des Kerns sonst das ganze Werkstück zerbrechen konnte. Für größere Durchmesser musste der Vorgang entsprechend oft mit jeweils größerem Bohrdurchmesser wiederholt werden. Das Bohren der Steine darf in seiner technischen Schwierigkeit nicht unterschätzt werden und bildete bis in die Moderne einen eigenen Berufszweig. 62 Gerade bei diesem Arbeitsgang lässt sich die eingangs erwähnte Konstanz bei Technik und Werkzeugen anschaulich belegen, da hier teilweise noch bis ins 20. Jahrhundert einfachste Drill- oder Bogenbohrer gebräuchlich waren, wie sie sich bereits auf antiken Darstellungen finden. 63 Die weitere Aushöhlung des Gefäßraumes wurde wiederum als Schleifarbeit ausgeführt, wie die Bearbeitungsspuren an zahlreichen Objekten belegen. Welche Werkzeuge gerade für die Ausarbeitung enghalsiger Gefäße zum Einsatz kamen, lässt sich heute nur mehr vage rekonstruieren. 64 War der bereits dünnwandige Rohling hergestellt, folgte die Anbringung des Dekorschnitts auf der Außenwand. Wie bereits eingangs erwähnt, wurden einfachere Kristallarbeiten in umgekehrter Reihenfolge zunächst dekoriert und abschließend mit einer simplen Stiftbohrung versehen.

Siehe Berthold 2008, bes. S. 276 ff. Irmscher 1997, S. 26. Verwiesen sei hier auch auf eine Episode im Theuerdank von 1517, in dem der künftige Kaiser Maximilian I. mit einem Schuh unter einen Schleifstein gerät. Maximilian besuchte die Edelsteinschleifereien von Freiburg im Jahre 1473 mit seinem Vater Friedrich III. 59 Aristoteles/Ruska 1912, S. 149 sowie Tifashi/Abul Huda 1998, S. 97. 60 Fischer 1968, S. 29. Siehe auch Onassoglou 1985, S. 180; Müller 2000, S. 197. 61 Hahnloser/Brugger-Koch 1985, Taf. 179. Deutlich ist hier an einer Arbeit des 13. Jahrhunderts die Verwendung von mindestens 2 Bohrdurchmessern erkennbar. 62 Müller 2000, S. 200. 63 Fischer 1968, S. 21 f. sowie Müller 2000, Abb. 4. 64 Siehe hierzu etwa Contadini 1998, S. 25. 57

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Steinschliff und Steinschnitt. Eine historisch-technische Einführung

Dekorschnitt und Polieren Unter Steinschnitt soll in dieser Arbeit ausschließlich die Anbringung des Oberflächendekors verstanden werden, der – wie bereits im antiken Gemmenschnitt – mit einem fest gelagerten, rotierenden Werkzeug hergestellt wurde, das in eine Art Drehbank eingespannt war. Bearbeitungsspuren deuten darauf hin, dass diese Technik bereits um 2000 v. Chr. in Mesopotamien entwickelt wurde. 65 Nun bewegte man das Werkstück an der metallenen Spitze des sogenannten Zeigers, der auswechselbar war und je nach Anforderung verschiedene Formen hatte. Neben einfachen Scheiben in unterschiedlicher Größe und Dicke konnte ein breites Spektrum kegel- oder kugelförmiger, aber auch komplexer geformter und verkröpfter Werkzeuge eingespannt werden (Abb. 3). 66 Diese Technik erlaubte ein wesentlich präziseres und detaillierteres Arbeiten als es mit ruhenden Werkzeugen möglich war und stellte damit die wesentlichste Innovation in der Technik der Hartsteinbearbeitung dar. Die früheste Darstellung einer solchen Drehbank mit einfachem Bogenantrieb findet sich auf dem bereits erwähnten kaiserzeitlichen Grabmal des Daktylokoiglyphos Doros (Abb. 2, S. 28) Sardianos. 67 In nahezu identischer Form fand sie aber auch noch im 19. und 20. Jahrhundert in Indien und China Verwendung. Soweit sich dies rekonstruieren lässt, stellten auch hier Kupfer und Eisen sowie später Stahl in Verbindung mit Korund die bevorzugte Materialkombination dar. Für großformatigere Arbeiten muss bereits früh eine gewisse technische Weiterentwicklung beim Antrieb der Spindel erfolgt sein. Trieb der Gemmenschneider diese anfangs selbst durch einen einfachen Bogen an, erfordern so umfangreiche und großflächige Arbeiten, wie sie sich im Hohlschnitt vielfach finden, eine konstante Bewegung des Werkzeuges mit hoher Geschwindigkeit. So ist etwa in Europa seit dem frühen 16. Jahrhundert die Verwendung großer, von Gehilfen betriebener Schwungräder oder auch eines Fußantriebes belegt. 68 Der Antrieb mit Gehilfen ist etwa im Hintergrund eines Gemäldes zu erkennen, das Dionisio

Abb. 3: Zeichnung verschiedener Zeigerformen mit ihrem jeweiligen Schnittbild (Zeichnung: Josef Welzel)

Miseroni (1607–1661), einen der bedeutendsten Steinschneider seiner Zeit, umgeben von Mitgliedern seiner Familie sowie mit Erzeugnissen seiner Werkstatt zeigt (Abb. 4). Das im Steinschnitt erzeugte Relief lässt sich zunächst grob in Hoch- und Tiefschnitt unterteilen. Im Tiefschnitt oder Intaglio wird das Motiv in die Oberfläche eingeschnitten (Abb. 5). Diese Technik reicht bis in die Anfänge des Steinschnitts zurück und bleibt bis in die Moderne die dominierende Dekorationsform auf Edelstein, aber auch auf Glas.

Siehe hierzu Yule/Schürmann 1981; Onassoglou 1985, S. 186 ff.; Müller 2000. Die genannten Grundformen Scheibe, Kugel und Kegel lassen sich über ihre charakteristischen Bearbeitungsspuren bereits an Siegeln des 2. vorchristlichen Jahrtausends nachweisen. Siehe Onassoglou 1985, S. 173 ff. 67 Zwierlein-Diehl 2008, S. 16 ff., Abb. 5 und 6. 68 Siehe auch Charleston 1964, S. 89. 65

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Einführung

Abb. 4: Karel Škréta: Dionisio Miseroni im Kreise seiner Familie, Prag um 1653 (Nationalgalerie Prag)

Charakteristisch ist hier das relativ flach gehaltene Relief, das in der Regel nicht mehr auspoliert wird und sich so mit seiner matten Oberfläche von dem klaren Grundmaterial abhebt. Im Gegensatz dazu arbeitet man im Hochschnitt die gesamte umliegende Fläche ab, sodass der Dekor erhaben auf der Rücklage steht (Abb. 6). Beim Hochschnitt, der an den mittelalterlichen islamischen Arbeiten die Regel ist, müssen häufig 90 Prozent der Oberfläche abgetragen werden, sodass diese Technik gegenüber dem Tiefschnitt ungleich aufwändiger und besonders im Falle eines Hohlgefäßes auch sehr viel riskanter ist. Sobald nämlich die Abarbeitung der Oberfläche nicht völlig gleichmäßig geschieht, besteht hier das Risiko, die Gefäßwand zu durchbrechen, womit im Falle von Hartstein das gesamte Objekt verloren ist. Zudem wurden die Hochschnittdekore in der Regel auch vollständig auspoliert, was den Arbeitsaufwand nochmals erhöht. Daher findet sich diese 69

Siehe hierzu Lamm 1929/30, Bd. I, S. 509 f.

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Technik jenseits des mittelalterlichen islamischen Steinschnitts nur selten. Häufig sind auch beide Techniken kombiniert, indem ein im Hochschnitt ausgearbeitetes Dekorelement noch eine Binnenzeichnung im Linearoder Schrägschnitt enthält. Schließlich sei hier auch kurz das Gravieren mit einem Diamantstift genannt, das sich bis in die Antike zurückverfolgen lässt und auch noch für das spätere Mittelalter belegt ist. 69 An den im Rahmen dieser Arbeit behandelten orientalischen Objekten lässt sich diese Technik jedoch nicht nachweisen. Den Abschluss des Herstellungsprozesses bildet das Polieren des Werkstücks. Erst in diesem Arbeitsschritt wird die Transparenz des Bergkristalls wieder voll sichtbar, während das Material im angeschliffenen Zustand matt-grau erscheint (Abb. 7). Wurde gerade an den Kristallgefäßen der Renaissance der Kontrast zwischen polierter Oberfläche

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Steinschliff und Steinschnitt. Eine historisch-technische Einführung

Abb. 5: Schnittbild eines europäischen Intaglio des 17. Jahrhunderts (Objekt in Privatbesitz)

Abb. 6: Schnittbild eines islamischen Hochschnitt-Reliefs (Taf. T4, Tesoro di San Marco, Venedig)

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Einführung

Abb. 7: Detail eines unpoliertes Fragments eines islamischen Bergkristallgefäßes (Taf. T26, British Museum, London)

und unpoliertem, mattem Intaglio als dekoratives Mittel eingesetzt, gibt es dies an mittelalterlichen Stücken sowohl im Orient als auch in Europa kaum. Man wollte offenbar stets die völlige Klarheit des Bergkristalls sichtbar machen und polierte daher jede sichtbare Stelle der Objekte. Grundlegend lässt sich feststellen, dass das Polieren mit denselben Werkzeugen erfolgte wie das Schleifen, wobei immer feinere Schleifmittel zum Einsatz kamen. Objekte die, wie in der Kölner Werkstatt, nur auf ruhenden Steinplatten geformt wurden, ließen sich auch auf liegenden Flächen polieren. Theophilus empfiehlt für das Polieren des

Kristalls eine Bleiplatte und später Bocksleder sowie feines Ziegelmehl, was die archäologischen Befunde in Köln bestätigen. 70 Bei komplexeren Oberflächen wie einem in Hochschnitt gefertigten Dekor kommen in den letzten Arbeitsgängen noch heute Zeiger aus weichen Metallen oder Holz zum Einsatz, deren Form den zuvor verwendeten Zeigern gleicht, um so alle ausgearbeiteten Zwischenräume zu erreichen. Gerade im Fall der islamischen Steinschneidearbeiten mit ihren großen Relieftiefen kann mit größter Wahrscheinlichkeit ebenfalls von dieser Technik ausgegangen werden. 71

Theophilus/Brepohl 1999, S. 276. Bei Heraclius findet sich eine sehr ähnliche Beschreibung, die dort aber irrtümlich zum Schneiden des Kristalls dienen soll. Siehe Heraclius/Ilg, S. 38 sowie zu Köln Berthold 2008, S. 178 f. 71 Tifashi/Abul Huda 1998, S. 97. Al-Tifashi berichtet etwa von Holzplatten und gebranntem Achat zum Polieren von Edelsteinen. Siehe auch Charleston 1964, S. 98. 70

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Exkurs: Bergkristall und Glas

I.4 Exkurs: Bergkristall und Glas Abschließend ist hier noch ein kurzer Blick auf die Beziehung zwischen Bergkristall und Glas zu werfen. Dies erscheint unumgänglich, da Glas im weiteren Verlauf dieser Arbeit immer wieder das entscheidende Referenzmedium darstellen wird. Wie bereits von zahlreichen Autoren festgestellt wurde, lassen sich beide Materialien gerade hinsichtlich ihrer Bearbeitung kaum getrennt voneinander betrachten. Daher soll diese Gegenüberstellung auch hier, im Abschnitt zu Material und Technik, vorgenommen werden. Die enge Verbindung zu Bergkristall, sowie zu kostbaren und seltenen Steinen im Allgemeinen, reicht bis zu den Anfängen der Glasherstellung zurück und lässt sich auch in den mittelalterlichen Quellen verfolgen, wo Glas stets fester Bestandteil der Lapidarien war und als eine Art Stein angesehen wurde. So beschreibt etwa al-Bīrūnī (973– 1048) den Bergkristall als eine Art von Mineralglas und das Glas als eine Art künstlichen Bergkristall. 1 Grundlage dieser immer wieder postulierten Beziehung zwischen Glas und Kristall sind nicht nur gemeinsame optische Eigenschaften, sondern auch weitgehend identische Bearbeitungstechniken. 2 Wesentlich zum Verständnis dieses technischen Aspektes ist, dass die heute geläufigste Verarbeitung des Materials, nämlich das Glasblasen, erst kurz vor der Zeitenwende entwickelt wurde. Zunächst presste man die weiche Glasmasse in ein Model oder formte sie zu recht massiven Gefäßen, die in ihrer Optik große Ähnlichkeiten zu Steingefäßen aufwiesen und häufig auch wie diese geschliffen wurden. 3

Die Ursprünge der Glasherstellung liegen wohl in Mesopotamien und der Levante, einer Region die offenbar auch für lange Zeit eine wichtige Quelle von Rohglas für Werkstätten im gesamten östlichen Mittelmeerraum blieb. 4 Zahlreiche Kunstwerke der Antike bezeugen die Verwendung farbiger Glasflüsse zur Imitation kostbarer Steine. Den Höhepunkt dieser Entwicklung stellen sicher die als Kameogläser bezeichneten geschnittenen Gefäße dar. In ihrer Materialität beziehen sie sich klar auf Werke des Steinschnitts, indem durch einen farbigen Überfang die Schichtung des Achates nachgeahmt wird. 5 War man bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt in der Lage, opake Gläser in unterschiedlichen Farben herzustellen, so bildete die Produktion völlig klaren Glases noch lange eine besondere Herausforderung. Wann diese erstmals gelöst wurde lässt sich nicht feststellen, jedoch schreibt Plinius in seiner Naturgeschichte, dass das Glas damals bereits in erstaunlicher Weise an die Klarheit des Bergkristalls herangekommen sei. Besonders interessant ist seine Bemerkung, dass es einem Wunder gleiche, wie die klaren Glasgefäße in ihrem Preis stets stiegen, ohne dabei den Wert des natürlichen Kristalls zu vermindern. 6 Beide Materialien fanden also bereits in der Antike gleichermaßen ihre Käufer, wobei die exklusiven Bergkristallgefäße hier sicher den Boden für die Nachfrage nach den preisgünstigeren Gläsern bereitet hatten und diesen auch als Vorbilder dienten. Wie eingangs beschrieben, findet sich das Motiv, die beiden optisch so ähnlichen Materialien in Beziehung zueinander zu setzen, auch in den mit-

Bīrūnī/Kahle 1936, S. 334. Zu entsprechenden Vergleichen bei pseudo-Aristoteles, al-Baitar und Qazwini siehe auch Tamimi/Schönfeld 1976, S. 183. Zur Entwicklung und Beziehung der Bearbeitungstechniken auf Hartstein und Glas seit der Antike siehe Charleston 1964. 3 Hier sei besonders auf das pharaonische Ägypten verwiesen. Siehe dazu Nolte 1968. Zur Herstellungstechnik der Gefäße S. 29 ff., zum Aspekt der Materialimitation besonders S. 10 ff. sowie Oppenheim 1970, S. 9 ff. Zu den Anfängen der Glasblaskunst (etwa ab 30 v. Chr.) siehe Stern 2001, S. 36 f. 4 Die frühesten Zeugnisse einer Glasverarbeitung in Mesopotamien lassen sich auf etwa 1500 v. Chr. datieren. Siehe Oppenheim 1970, S. 22 ff. sowie S. 203. Zu den archäologischen Befunden früher Produktionsstätten siehe Henderson 2013, S. 270 ff. Die Herstellung des Rohglases ist meist von dessen Verarbeitung getrennt. Zur Verdeutlichung des Umfanges der Glasproduktion in der Levante sei auf einen Fund in Hadera im heutigen Israel verwiesen. 1992 kamen dort Öfen zur Rohglasproduktion zu Tage, die auf das 7. Jahrhundert datiert werden können. Die 16 rechteckigen Wannenöfen hatten ein Fassungsvermögen von je etwa acht bis zehn Tonnen (siehe Stern 2001, S. 261). Das Rohglas wurde in Form von Barren über weite Distanzen gehandelt, weshalb Spuren einer Glasverarbeitung nicht unbedingt auch seine Herstellung in derselben Region voraussetzen. Einen anschaulichen Beleg dafür bildet der Wrackfund von Serce Limani (11. Jahrhundert v. Chr.), dessen Ladung etwa zwei Tonnen noch unverarbeiteten Rohglases beinhaltete (Henderson 2013, S. S70). Wie Glasbarren im Wrack von Uluburun (ca. 1300 v. Chr.) belegen, reicht dieser Handel zudem bereits bis in die Bronzezeit zurück (New York 2008, S. 289 ff.). 5 Zur Imitation kostbarer Steine sei hier etwa auf die Totenmaske des Tutanchamun (14. Jahrhundert v. Chr.) verwiesen, an der zahlreiche farbige Glasflüsse verarbeitet wurden. Zu den Kameogläsern siehe Corning 1982. 6 Plinius/König 1994, Cap. X, S. 33: „[…] mire his ad similitudinem accessere vitrea, sed prodigii modo, ut suum pretium auxerint, crystalli non deminuerint.“ 1

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Einführung

telalterlichen Quellen des Orients. Bereits der pseudo-Aristoteles nennt den Bergkristall im 9. Jahrhundert einen „Stein wie Glas“ und behandelt das Glas folglich unmittelbar anschließend an sein Kapitel zu Kristall. 7 Auf al-Bīrūnīs Beschreibung des Kristalls als eine Art natürliches Mineralglas und des Glases als eine Art künstlichen Bergkristalls wurde ebenfalls bereits hingewiesen, wobei hier jedoch anzumerken ist, dass ihm physikalische Unterschiede der beiden Materialien, wie etwa die verschiedenen Schmelzpunkte, durchaus bewusst waren. 8 Ebenso war ihm offenbar zumindest in Ansätzen die Komplexität des Herstellungsprozesses bekannt, da er von der Notwendigkeit berichtet, das Glas zu entfärben und es von Verunreinigungen und Einschlüssen zu befreien. Ähnlich wie schon in der Antike stellte Glas auch im mittelalterlichen Orient ein Massenprodukt dar und selbst in seinen klaren Varietäten wurde es in solchen Mengen produziert, dass al-Bīrūnī explizit dies als Grund für seinen geringen Preis erwähnt. 9 Zahlreiche archäologische Funde belegen das Ausmaß dieser Produktion und die Vielfalt ihrer Produkte während des gesamten Mittelalters. 10 Neben dem einfachen Gebrauchsglas finden sich auch zahlreiche Beispiele, die mit verschiedensten Dekorationstechniken veredelt wurden. Die mit Abstand aufwändigste Gruppe dieser veredelten Gläser zeigt ein besonders ausgeprägtes, geschnittenes Hochrelief, bei dem lediglich das Motiv erhaben stehen blieb und die gesamte übrige Oberfläche, oftmals mehr als 90 Prozent, abgearbeitet wurde. Die Unmöglichkeit einer eindeutigen naturwissenschaftlichen Datierung erlaubt hier nur eine stilistische Chronologisierung des Bestandes, die

1961 von Prudence Oliver Harper versucht wurde. 11 Die bis heute wichtigste Vergleichsgruppe zur Datierung islamischer Glasschnitte stellen dabei die Funde von Samarra dar. Gegründet als Residenzstadt durch den achten abbasidischen Kalifen alMutasim (794–842), bestand Samarra in dieser Funktion lediglich zwischen 836 und 892, sodass sich gerade die besonders hochwertigen Fragmente zeitlich relativ gut einordnen lassen. 12 Bestätigt und ergänzt wurden die Erkenntnisse aus den Grabungen von Samarra zudem durch einzelne weitere Funde, wobei hier besonders auf den Schatzfund von Famensi in China verwiesen sei, für den sich ein terminus ante quem von 874 ergibt. Die 20 dort gefundenen Glasobjekte stellen weitgehend Importprodukte dar, unter denen sich auch exakte Gegenstücke zu Objekten aus Samarra finden. 13 Die Funde von Samarra und eine Reihe stilistisch eng verwandter Fragmente bezeugen das herausragende technische Können der abbasidischen Glasschleifer, wobei die Objekte im Hochrelief-Schnitt stets nur einen exklusiven, relativ kleinen Anteil der Fundmengen ausmachen, was für ihren besonderen Wert spricht. So wurden zur Herstellung der Reliefdekore an einzelnen Gefäßen bis zu 40 Prozent der Materialstärke abgetragen. 14 Eine noch eindrucksvollere technische Leistung dokumentiert eine völlig klare Scherbe mit grünem Überfang im Museum für Islamische Kunst in Berlin (Abb. 8). Sie weist eine Relieftiefe von bis zu 2,5 mm bei einer Gesamtstärke der Wandung von nur rund 3,5 mm auf. Der Materialabtrag liegt dort also sogar bei bis zu 70 Prozent (Abb. 9). 15 Die starke Krümmung dieser 1936 von Ernst Kühnel in Kairo erworbenen Scherbe lässt an den zylindrischen Hals einer Flasche

Aristoteles/Ruska 1912, S. 170. Biruni/Kahle 1936, S. 334. In ähnlicher Weise wiederholen auch ibn-Baitar (13. Jahrhundert, siehe Tamimi/Schönfeld 1976, S. 183) und Qaswini diese Bemerkung. Letzterer bezeichnet den Kristall sogar als die schönste, reinste und härteste Art des Glases (siehe Qaswini/Ruska 1896, S. 9). 9 Biruni/Kahle 1936, S. 345. 10 Zu den archäologischen Befunden früher Produktionsstätten siehe Henderson 2013, S. 270 ff. Siehe auch die umfangreichen Glasfunde in Samarra (Lamm 1928) oder Nishapur (Kröger 1995). 11 Harper 1961. 12 Samarra liegt etwa 130 km nördlich von Bagdad am Ostufer des Tigris. Innerhalb weniger Jahre entstand hier ein Siedlungsgebiet mit 33 km Länge und durchschnittlich 2 km Breite. Mit der Machtübernahme von al-Muntasir (reg. 861–862) setzte bereits der Niedergang Samarras ein. 883 wurde der Kalifensitz verlegt und die Stadt weitgehend aufgegeben. Die Ruinen der Stadt wurden zwischen 1911 und 1914 von Ernst Herzfeld ergraben. Zur Geschichte und Entwicklung Samarras siehe Northedge 2005, zu den Glasfunden Lamm 1928 sowie Kröger 1995, S. 6 f. 13 Zu weiteren Fundstellen siehe Kröger 1995, S. 3 ff. Zum Schatzfund von Famensi siehe Koch 1995, zu den Glasfunden bes. S. 798 ff. sowie zu weiteren Glasfunden in China siehe Jiayao 1991. 14 Die nachfolgenden Maße wurden durch den Autor bestimmt und bezeichnen jeweils die maximale Dicke der Scherbe sowie die durchschnittliche Tiefe des Reliefs: Museum für Islamische Kunst Berlin, Inv.Nr. SAM 998.2: 3/1 mm, Inv.Nr. Sam 606.1: 1,8–2/0,8 mm (beide aus Samarra), Corning Museum of Glass, Inv.Nr. 55.1.144: 2/1,7 mm. 15 Inv. Nr. I. 6369. Siehe auch Kröger 1999b, S. 326. 7

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Exkurs: Bergkristall und Glas

Abb. 8: Fragment eines islamischen Glasgefäßes mit grünem Überfang (Museum für Islamische Kunst, Berlin)

Abb. 9: Profilansicht des Fragments (Museum für Islamische Kunst, Berlin)

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Einführung

denken. Dass man für diese enorm aufwändigen Arbeiten nur Glas bester Qualität verwendete, belegt auch der außerordentlich gute Erhaltungszustand derartiger Funde, die trotz jahrhundertelanger Lagerung im Boden meist kaum angegriffen sind. 16 Welche technische Herausforderung die Herstellung hochwertiger Gläser im Mittelalter bedeutete, verdeutlichen die in den Quellen immer wieder erscheinenden Berichte über den Verlust von Kenntnissen in diesem Bereich. So beschreibt etwa der Kairoer Autor at-Tamīmī (2. Hälfte 10. Jahrhundert) ausführlich ein besonders reines, klares Glas, dass er als „pharaonisches Glas“ bezeichnet. Es stamme aber nicht etwa aus Ägypten, sondern ursprünglich aus Basra im Irak, wo man es zur Herstellung exakt geschliffener Gefäße verwendet habe, die dem Bergkristall ähnlich gewesen seien. Das Wissen um seine Herstellung sei aber schon lange vergessen und man finde auch kaum noch etwas davon. 17 Es kann also bezweifelt werden, ob alBīrūnī in der oben zitierten Stelle dieses Material meinte. Da er, wie auch spätere Quellen, dennoch von der Existenz sehr reinen, farblosen Glases berichtet, für das meist der Vergleich zu Bergkristall herangezogen wird, stellt sich die Frage, wie man sich dieses konkret vorstellen muss oder inwieweit der Begriff der „Klarheit“ in unterschiedlichen Zeiten vor dem Hintergrund der jeweiligen technischen Möglichkeiten verwendet und definiert wurde. Ergänzend zu at-Tamīmī sei hier auf den Reisebericht des Nāṣir-i Ḫusrau verwiesen, der sich zwischen 1047 und 1050 in Kairo aufhielt. Dieser beschreibt ein besonders reines und klares Glas, das in Kairo erzeugt würde. Bezeichnenderweise vergleicht er es aber nicht etwa mit dem Bergkristall, sondern mit Smaragd, was auf eine deutliche grünliche Färbung hinweist. 18 Dennoch erscheint

es im Hinblick auf die Produktion aber auffällig, dass man in Quellen des islamischen Mittelalters eine Fülle voneinander unterschiedener und einzeln benannter Sorten und Qualitäten von Glas findet. 19 At-Tamīmīs Bemerkung, dass man vom pharaonischen Glas kaum noch etwas finde, bezieht sich zudem wohl nicht nur auf daraus gefertigte Gefäße, sondern auch auf das Material in Form von Rohglas oder Glasbruch, aus dem nach dem Einschmelzen wiederum neue Gefäße gefertigt werden konnten. In diese Richtung lässt sich eine Stelle bei al-Bīrūnī interpretieren, in der er beklagt, dass man wohl schon zur Zeit des Kalif al-Mutawakkil (reg. 847–861) nicht mehr zur Erzeugung von Rubinglas in der Lage gewesen sei. 20 So hätte der Preis dieses Glases bereits den des echten Rubins erreicht. Auch hier spielt zweifellos die neuerliche Verarbeitung alten Materials eine besondere Rolle, da man dieses Glas nach anderen Quellen durchaus nicht nur zu Schmucksteinen, sondern auch zu Gefäßen verarbeitete, deren Bruchstücke dann, nach Gewicht bewertet, als kostbarer Rohstoff für neue Arbeiten dienten. 21 Die beiden letztgenannten Beispiele lenken den Blick auf eine Funktion des Glases, die bis an dessen Ursprung zurückreicht und eingangs nur kurz berührt wurde: den Aspekt der Imitation kostbarer farbiger Steine. Al-Bīrūnīs Beispiel zeigt, wie im Extremfall die Glasimitation an den Wert des tatsächlichen Edelsteins heranreichen konnte. Es zeigt aber auch, in welchem Maße dem imitierenden Effekt von Glas im islamischen Orient, wie schon in der Antike, ein Eigenwert zugemessen wurde, der weit über unseren heutigen Begriff der „Imitation“ hinausgeht. Zudem wurde dabei offenbar auch die besondere technische Leistung explizit gewürdigt. 22

Lamm 1928, S. 50 f. sowie Kröger 1999b, S. 322. Tamimi/Schönfeld 1976, S. 102. Siehe zum pharaonischen Glas auch Shalem 2012, S. 29 f. mit späteren Quellen. Verwiesen sei hier außerdem auf einen in Kairo gefundenen Krug aus klarem Glas, der sich aufgrund seiner Fundumstände dem späten 9. Jahrhundert zuweisen lässt. Siehe Scanlon 2001, S. 102, Nr. 43 f. 18 Husrau/Melzer 1993, S. 64. 19 Shalem 2012, dort auch zu Buntgläsern und ihren Bezeichnungen, zum klaren Glas besonders S. 25 ff. Lamm wies auf das beinahe völlige Verschwinden farblosen Glases gegen Ende der Fatimidenzeit hin. Siehe Lamm 1928, S. 65. 20 Als Beispiel eines frühen Rubinglases sei hier etwa auf das Fragment einer Glasschale im Schatz von San Marco verwiesen. Siehe Hahnloser 1971, Nr. 119 sowie Shalem 2012, S. 33 f. 21 Biruni/Kahle 1936, S. 353. Zu Rubinglas siehe auch Shalem 2012, S. 33 f. Zum Verkauf von Glas nach Gewicht auch Husrau/Melzer 1993, S. 64. Die unmittelbarste Beziehung zwischen Bergkristall und Glas, nämlich die Verwendung des Minerals selbst in der Herstellung von Glasflüssen und Emailglas findet sich ebenfalls bereits bei Biruni. Biruni/Kahle 1936, S. 349. 22 Siehe Shalem 2012. Shalem nennt auch zahlreiche erhaltene Beispiele orientalischer Buntgläser, dessen bedeutendste Sammlung sich sicher im Schatz von San Marco in Venedig erhalten hat. 16 17

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Exkurs: Bergkristall und Glas

Tatsächlich erscheint in den Quellen das Motiv der „Fälschung“ deutlich seltener, als dies etwa bei den mittelalterlichen europäischen Autoren der Fall ist. 23 Man könnte dies dahin gehend interpretieren, dass mit dem hohen technischen Können der orientalischen Glaswerkstätten auch eine weiter verbreitete Kennerschaft einher ging, die sehr wohl zwischen Stein und Glas unterscheiden konnte. Dementsprechend zeigt sich im mittelalterlichen Europa ein völlig anderes Bild. Bedingt durch eine weit weniger entwickelte Glasindustrie sollte Bergkristall hier noch lange das einzig verfügbare, völlig klare und farblose Material bleiben. Daneben dürfte aber auch intensiv farbiges Glas noch für Jahrhunderte ein ähnlich rares Gut geblieben sein wie die echten Edelsteine. Der hohe Anteil wiederverwendeter, oftmals antiker Edelsteine an zahlreichen mittelalterlichen Goldschmiedearbeiten verdeutlicht diese Situation ebenso, wie die Wiederverwendung antiken sowie importierten Glases durch mittelalterliche Handwerker. 24 Durch die Seltenheit beider Materialien, scheint die Kenntnis um ihre Unterscheidung nur wenig ausgeprägt gewesen zu sein, sodass europäische Quellen immer wieder vor betrügerischen Fälschungen von Edelsteinen aus farbigem Glas warnen. Tatsächlich war man in Europa erst im 16. Jahrhundert wieder in der Lage farbloses Glas in größeren Mengen herzustellen und entsprechend der vergleichsweise gering ausgeprägten technischen Fähigkeiten finden sich in früheren Quellen auch kaum Spezifizierungen zu Sorten oder Qualitäten, wie dies im Orient der Fall ist. 25 So blieb Bergkristall bis weit in die frühe Neuzeit das einzig verfüg-

bare, völlig farblose Material. Erst im 17. und 18. Jahrhundert führten die verbesserte Glastechnik sowie die Anwendung der bis dahin nur dem Bergkristall vorbehaltenen Schnitttechniken auf dem wesentlich günstigeren Material zum Niedergang des europäischen Bergkristallschnittes. 26 Wie bereits früher angesprochen, führte die Wechselwirkung zwischen den beiden Materialien auch in der Kunstgeschichte früh zu Überlegungen über ihr Verhältnis im islamischen Mittelalter. Wohl im Blick auf die europäische Entwicklung schrieb Ernst Kühnel im Katalog der Münchner Ausstellung Muhammedanischer Kunst 1910, die Glasobjekte seien „[…] im Anschluss an die Bergkristallarbeiten und als Ersatz für diese in Ägypten unter den letzten Fatimiden und in der Ayubidenzeit entstanden.“ 27 1912 ergänzte Robert Schmidt: „[…] seit dem Altertum hat sich der Glasschnitt stets als eine Folgeerscheinung der Steinschneidekunst erwiesen.“ 28 Tatsächlich lässt sich diese kategorische, lineare Einschätzung vor dem Hintergrund von Funden wie in Samarra und des seitdem hinzu gekommenen Vergleichsmaterials nicht mehr halten, zumal hier auch mittelalterliche Quellen widersprechen. Schließlich ergibt sich aber aus dieser Annahme die Frage nach der Konstanz einer Tradition des Steinschnitts seit dem Altertum, die den Glasschnitt immer wieder befruchtete. Dem soll in den nächsten Kapiteln nachgegangen werden, in denen Glasobjekte die wichtigste Vergleichsgruppe darstellen und damit die enge Beziehung beider Materialien immer wieder aufs Neue dokumentieren.

Siehe etwa Maurus/Fellner 1879, S. 229 oder Herclius/Ilg 1873, I, XIV, S. 40. So berichtet etwa Theophilus von der Verwendung antiken Glasmosaik-Materials bei der Herstellung von Email und farbigen Fenstergläsern. Für Fensterglas konnte diese Praxis analytisch nachgewiesen werden. Bei Emails finden sich außerdem Gläser, deren Herstellungsprozess dem des islamischen Mittelalters entspricht. Es handelt sich dabei um wohl importierte Soda-Kalk-Gläser, im Gegensatz zum sogenannten „Waldglas“ (Kalium-Kalk-Glas) des europäischen Mittelalters. Röhrs 2015, S. 72 f. 25 Die europäischen Gläser des Mittelalters weisen bedingt durch die Herstellungstechnik meist eine gelblich-bräunliche oder grünliche Färbung sowie zahlreiche Luftbläschen auf. 26 Als einen Hinweis auf diese Entwicklung sei hier nur auf den Hof Kaiser Rudolfs II. verwiesen, der mit Künstlern wie den Miseroni ein herausragendes Zentrum des Steinschnitts darstellte. Vor diesem Hintergrund wurde dort auch der Glasschnitt so weit entwickelt, dass der Kaiser schließlich 1609 seinem Kammeredelsteinschneider Caspar Lehmann ein besonderes Privileg für den Glasschnitt erteilte. Siehe Charleston 1964, S. 90 f. 27 München 1910, o. S. (Einführung zu Bergkristall und Glas). 28 Siehe Schmidt 1912, S. 53 sowie München 1910, Bd. 3, Glas und Kristall, S. I. 23

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II. Zeugnisse zur Entwicklung des Steinschnitts II.1 Steinschnitt in vorislamischer Zeit Die Anfänge – Mesopotamien und der östliche Mittelmeerraum Die Bearbeitung von Stein reicht bis zu den Anfängen der menschlichen Kultur zurück und es scheint, dass sich Objekte und Gefäße aus Stein, und besonders solche aus edlen farbigen Steinen, über alle zeitlichen und geografischen Grenzen hinweg anhaltend hoher Wertschätzung erfreuten. 1 Wie im vorangegangenen Kapitel ausgeführt wurde, sind für die in dieser Studie behandelten Stücke und ihre Herstellungstechnik jedoch nicht grundsätzlich alle Objekte aus Hartstein von Interesse. Vielmehr soll im Folgenden versucht werden, die Entwicklungslinien nachzuvollziehen, die in ihrer stetigen wechselseitigen Beeinflussung schließlich jene Technologie hervorbrachten, mit der auch die Bergkristallobjekte des islamischen Mittelalters geschaffen wurden. Dies kann im Rahmen dieser Arbeit gerade für die früheste Entwicklung nur kursorisch und in Schlaglichtern geschehen. Versucht man den Anfängen des Steinschnitts nachzugehen, so steht am Beginn dieser Entwicklung der Siegelschnitt. Verarbeitete man seltene Buntsteine schon seit frühester Zeit zu Perlen, indem man sie mit einfachen Bohrern durchlochte, setzte der Wunsch zu einer komplexeren Bearbeitung der Oberfläche solcher Steine einen technischen Innovationsprozess in Gang, der in einer stetigen Weiterentwicklung schließlich die Meisterwerke des Steinschnitts der römischen Kaiserzeit sowie des islamischen Mittelalters hervorbrachte. Das erste Produkt dieser Innovation waren Siegelzylinder, deren Fertigung sich in Mesopotamien bis ins vierte Jahrtausend vor Christus zurückverfolgen lässt. Aufgrund der großen Zahl erhaltener, kontrolliert ergrabener und datierbarer Beispiele stellen

die Siegelsteine ein Medium dar, an dem sich die Entstehung und frühe technische Entwicklung des Steinschnitts besonders gut nachvollziehen lässt. Zunächst aus relativ weichen Gesteinen wie Hämatit, Lapislazuli, Marmor oder Serpentin gefertigt, waren sie nicht im eigentlichen Sinne geschnitten, sondern konnten noch mit einfachen Drillbohrern sowie Gravierstiften mit einer Spitze aus Quarz oder Flint bearbeitet werden. 2 Den um 2000 v. Chr. zunehmend häufiger verwendeten harten Mineralen wie Bergkristall, Amethyst, Carneol und anderen Chalcedonen waren diese einfachen Werkzeuge nicht mehr gewachsen, sodass man hier bereits von der Innovation der liegenden Welle mit auswechselbaren Zeigern und damit dem Anfang des eigentlichen Steinschnitts ausgehen kann. Dass dieser technische Schritt bereits zu so früher Zeit erfolgte, konnte vielfach durch Analysen der Werkzeugspuren sowie experimentelle Rekonstruktion nachgewiesen werden. 3 Mit der Verwendung von Siegelsteinen scheint sich auch die Technik ihrer Herstellung in den Raum des östlichen Mittelmeeres verbreitet zu haben, wie zahlreiche Funde aus minoisch-mykenischen Zusammenhängen belegen. 4 In einem um 1550 v. Chr. datierten Grab in Mykene kam mit einer kleinen Schale, deren Griff die Form eines Entenkopfes zeigt, auch ein frühes Beispiel für den Gefäßschnitt in Bergkristall zutage (Abb. 10). Ein nächstes, um 1450 v. Chr. datierbares Beispiel, ein Rhyton, wurde in Kato Zakros auf Kreta gefunden. Zumindest für dieses letztgenannte Stück kann aufgrund seines Materials auch von einer Fertigung auf Kreta ausgegangen werden. Einen Hinweis auf den Verbreitungsweg der für diese Objekte erforderlichen Technologie geben zudem Funde von Bergkristallgefäßen in Zentralanatolien, die sogar

Zu altorientalischen Vorstellungen über Mineralien siehe etwa Simkó 2014. Fischer 1968, S. 23 sowie Gorelick/Gwinnett 1987 und 1992, S. 58 f. 3 Siehe hierzu Yule/Schürmann 1981, Onassoglou 1985, S. 186 ff. sowie Müller 2000. 4 In diesem Zusammenhang erfolgte auch der Übergang von der zylindrischen Siegelform Mesopotamiens hin zu flachen Siegelsteinen, womit die Grundlage für die Entstehung des griechisch-römischen Gemmenschnitts gelegt war. Corning 1982, S. 6 sowie Fischer 1968, S. 11 und 23. Zum bronzezeitlichen Handel im östlichen Mittelmeer siehe New York 2008, bes. S. 161 ff. sowie S. 289 ff., mit Funden von Perlen und Siegelzylindern aus Bergkristall im Schiffswrack von Uluburun (ca. 1300 v. Chr., Kat. Nr. 189 a–c sowie 231 a–b). 1

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Steinschnitt in vorislamischer Zeit

Abb. 10: Bergkristallschale in Entenform, gefunden in Mykene, Grab O, Grabbereich B, 16. Jh. v. Chr. (Archäologisches Nationalmuseum Athen)

bis in das 18./19. Jahrhundert vor Christus zurückreichen. 5 Mit dem Ende der mykenischen Kultur scheint der Gefäßschliff in Griechenland zum Erliegen gekommen zu sein und wurde dort, anders als der Siegelschnitt, wohl nie mehr aufgenommen. 6 So spricht noch Theophrast (um 371–287 v. Chr.) in seinem Steinbuch nahezu ausschließlich über den Siegelschnitt, unter dessen Materialien er auch den Bergkristall nennt. 7 Etwa in jenem Zeitraum, als in Mesopotamien die Technik des Steinschnitts zur Bearbeitung von Hartsteinsiegeln entwickelt wurde, bestand im pharaonischen Ägypten offenbar bereits eine hoch entwickelte Tradition des Gefäßschliffs. Dort finden sich im dritten vorchristlichen Jahrtausend bereits weit ausgearbeitete Hohlgefäße aus so harten Mineralien wie Granit, Basalt, Flint und Obsidian, es wurden aber vereinzelt auch schon Quarze wie Amethyst und Bergkristall verarbeitet (Abb. 11). 8

Reliefs geben eine Idee von der Herstellung der größeren Objekte, deren Aushöhlung offenbar mit stehenden Bohrwerkzeugen erfolgte (Abb. 12). 9 In Anbetracht des engen Austauschs zwischen dem pharaonischen Ägypten und Mesopotamien kann man hier wohl von einer wechselseitigen, sowohl stilistischen wie auch technischen Beeinflussung ausgehen, an der sehr wahrscheinlich auch wandernde Handwerker beteiligt waren. 10 Im sechsten vorchristlichen Jahrhundert wurden sowohl Mesopotamien als auch Ägypten Teile des persischen Achämenidenreiches, was den Prozess des künstlerischen Austausches in der Region weiter beförderte. Zeigen sich nun einerseits persische Einflüsse in den Formen ägyptischer Gefäße, so belegen andererseits die zahlreichen, bei Ausgrabungen in Persepolis zutage gekommenen Gefäße und Gefäßfragmente aus verschiedenen Mineralen, wie etwa diversen Chalzedonen und Lapislazuli, die anhal-

5 Zur frühen Fertigung von Bergkristallgefäßen siehe Oliver 1973, für die genannten Beispiele S. 29 sowie zu den Funden in Mykene Bevan 2007, S. 129. Bei Bevan auch ein allgemeiner Überblick zum frühen Gefäßschliff im östlichen Mittelmeer. 6 Bühler 1966, S. 16 f. 7 Theophrast/Caley 1956, S. 51. Zur antiken Herstellung und Verwendung von Gemmen siehe auch Plinius/König 1994, Cap. III u. IV, S. 19–22. 8 Oliver 1973, S. 29; Aston 1994, S. 64 ff.; Rykart 1997, S. 326. Für einen Überblick zur Fertigung von Steingefäßen im pharaonischen Ägypten siehe zudem Khouli 1978 sowie Lilyquist 1995. Als ein Beispiel für den technischen Stand des Gefäßschliffs sei hier etwa auf ein intaktes Bergkristallgefäß und weitere Fragmente aus einem Grab der ersten Dynastie (3. Jahrtausend v. Chr.) im Ägyptischen Museum in Kairo (Inv. 11966 u. 11964) sowie ein wohl in der 12. Dynastie (ca. 1844–1759 v. Chr.) entstandenes Beispiel in New York verwiesen (Brooklyn Museum, Inv. 37.108E). 9 Siehe zur Technik (allerdings primär zur Bearbeitung weicherer Steine) Khouli 1978, Bd. II S. 789 ff., Abb. in Bd. III, Taf. 145–148 sowie Bevan 2007, S. 40 ff. Zu einem experimentellen Rekonstruktionsversuch siehe Stocks 2003, S. 139–168. 10 Bevan 2007, S. 19 ff. sowie Potts 1989.

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Zeugnisse zur Entwicklung des Steinschnitts

Abb. 11: Bergkristallfläschchen, ägyptisch, ca. 1844-1759 v. Chr. (Brooklyn Museum, New York)

tende Bedeutung des Steinschliffs und den intensiven Handel mit seinen Produkten. 11 Praktisch alle genannten Beispiele früher Hartsteingefäße weisen ungeachtet ihrer unterschiedlichen Formen eine glatte Wandung auf und entstanden somit größtenteils, wenn nicht vollständig, als Schleifarbeiten. In der Folge der Eroberungen Alexanders des Großen kam es unter der Herrschaft der Ptolemäer (ab 323 v. Chr.) in Ägypten und besonders in Alexandria wohl erstmals zur Vereinigung von Gefäßschliff und Reliefschnitt, indem dort neben flachen Kameen auch zuerst die sogenannten Kameogefäße entstanden, die sich im römischen Reich größter Beliebtheit erfreuten (Abb. 13). 12 Als Beispiel für die hohe Wertschätzung des ptolemäischen Steinschnitts in Rom sei hier nur auf Meisterwerke wie die Gemma Augustea, den sogenannten Grand Camée de France oder auch auf die Achatgefäße verwiesen, die Kaiser Hadrian während seiner Ägyptenreise als Geschenke erhielt. 13

Abb. 12: Ausschnitt eines Wandreliefs mit der Herstellung von Steingefäßen, Sakkara, Ägypten (nach Khouli 1978) Zu den Funden in Persepolis siehe Schmidt 1957, S. 81 ff. sowie Taf. 47–65. Zu den in Persepolis gefundenen ägyptischen Gefäßen siehe etwa Taf. 47 u. 48, zum persischen Einfluss auf den Steinschnitt siehe Bühler 1966, S. 17 sowie Segall 1966, S. 6. 12 Zum Kameenschnitt im Umfeld des Ptolemäischen Hofes siehe Zwierlein-Diehl 2008, S. 14 f. Zum Gefäßschnitt unter den Ptolemäern siehe Alcouffe 1984, S. 81. Ein frühes Beispiel der technischen Symbiose von Steinschliff und Steinschnitt könnte eine Achatschale mit Intagliodekor darstellen, die sich heute im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe befindet (Inv. Nr. I 146, Bühler 1973, Nr. 12, S. 41 u. Taf. 6). Zu den Kameogefäßen siehe Bühler 1973, S. 12 sowie Nr. 18, 35, 67, 68 sowie 72–74. Zu den vergleichbaren kaiserzeitlichen Kameogläsern siehe Corning 1982. 13 Zur Gemma Augustea (Kunsthistorisches Museum, Wien, Inv. Antikensammlung, IXa 79) siehe Zwierlein-Diehl 2008, Nr. 6, S. 98–123. Zum Grand Camée de France (Cabinet de Medailles, Paris, Inv. 264) siehe Giuliani/Schmidt 2010. Zu Hadrian siehe Alcouffe 1984, S. 81. Gefäße aus Bandachat, die 11

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Steinschnitt in vorislamischer Zeit

Abb. 13: Sog. Mantuanisches Onyxgefäß, römisch, 1. Jh. n. Chr. (Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Kunstmuseum des Landes Niedersachsen)

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Zeugnisse zur Entwicklung des Steinschnitts

Der Steinschnitt im römischen Reich Die zweifellos wichtigste Quelle für den Steinschnitt der Antike stellt das bereits mehrfach zitierte 37. Buch der Naturgeschichte des Plinius (23/24– 79 n. Chr.) dar. Plinius d. Ä. beginnt seine Ausführungen zum Steinschnitt mit einem langen Abschnitt zu Gemmen und Siegelsteinen und knüpfte damit sicher nicht zufällig an die älteste Tradition des Steinschnitts an. Der erste geschnittene Stein den er beschreibt soll ein Achat gewesen sein, auf dem die neun Musen und Apollo dargestellt waren. Gefasst war dieser in einen Ring des König Phyrros I. (um 319/18–272 v. Chr.), eines jüngeren Zeitgenossen des Theophrast (um 371–287 v. Chr.) dessen Steinbuch auch die Verwendung von Bergkristall im Siegelschnitt belegt. 14 An den Beginn der Begeisterung für edle Steine in Rom setzt Plinius den Sieg des Pompejus über Mithridates VI. von Pontus im Jahre 63 v. Chr. Die reiche Beute die nach diesem Ereignis nach Rom gelangte, enthielt etwa die Vasa Murrina, deren Ursprung nach Plinius im Orient und besonders im parthischen Reich liege. 15 Um welches Material es sich bei den Vasa Murrina handelt, ist indes unklar. Vorgeschlagen wurde etwa Flussspat, wobei sich offenbar kein antikes Gefäß aus diesem Mineral erhalten hat. 16 Möglicherweise bezeichnet der Begriff jedoch Gefäße aus Achat, die tatsächlich den weitaus größten Teil der erhaltenen antik-römischen Steingefäße ausmachen. 17 Neben dem von Plinius genannten Sieg des Pompejus, der den Schatz des Mithridates nach Rom brachte,

dürfte noch ein zweites Ereignis die Begeisterung der Römer für kostbare Steine und daraus gefertigte Objekte befeuert haben. Diesmal war es der römische Sieg in der Schlacht von Actium 31 v. Chr., mit dem nicht nur die Schätze der Ptolemäer nach Rom gelangten, sondern mit Alexandria auch das vielleicht wichtigste Zentrum des Steinschnitts unter den unmittelbaren Einfluss des römischen Reiches kam. Bezeichnenderweise wird auch bei dieser Gelegenheit wiederum ein murrinischer Kelch besonders hervorgehoben, den Augustus nach dem Sieg für sich beanspruchte. 18 In der Rangfolge der zeitgenössischen Wertschätzung stehen die Murrina bei Plinius an erster Stelle. Ihnen folgen an zweiter Stelle die Gefäße aus Bergkristall, zu denen der Autor relativ umfangreiche Angaben, sowohl zur Gewinnung des Materials als auch seiner Verarbeitung, macht. So berichtet er etwa, dass man die reinsten Stücke des Kristalls lieber undekoriert lasse und geschnittene Dekore vor allem dazu dienten, Einschlüsse und Fehler im Kristall zu kaschieren. 19 Erhaltene Gefäße, die vom außerordentlichen technischen Niveau dieser Produktion zeugen, sind heute über Sammlungen in der ganzen Welt verstreut und Funde bis nach Köln belegen ihre hohe Wertschätzung und Verbreitung im gesamten römischen Reich (Abb. 14). Gemeinsam ist den Stücken der weitgehende Verzicht auf Dekor, was sich mit der Angabe des Plinius deckt. 20 Lediglich am Ansatz des Griffes finden sich bei einzelnen Beispielen florale Dekorformen, wie sie auch bei Silbergefäßen des ersten Jahrhunderts vor-

sich im römischen Reich besonderer Beliebtheit erfreuten, lassen sich ebenfalls besonders früh in Ägypten nachweisen, wie ein Grabfund aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. belegt. Siehe Bühler 1973, Nr. 1, S. 39 u. Taf. 1. Das Stück befindet sich heute im Museum of Fine Arts in Boston (Inv. Nr. 21.300 B 11612). Bühler verweist zudem auf einen Fund von acht Achatgefäßen im oberägyptischen Quift (ebenda S. 39 f. u. Taf. 1–3). 14 Plinius/König 1994, Cap. I, S. 19 sowie Theophrast/Caley 1956, auf S. 51 erscheint dort auch der Bergkristall als eines der zum Siegelschnitt verwendeten Materialien. 15 Plinius/König 1994, Cap. VII u. VIII, S. 27 ff., eine Beschreibung der Beute des Pompejus in Cap. VI, S. 23 ff. 16 Bei Flussspat handelt es sich um ein relativ weiches Material, das vor seiner Bearbeitung erst mit einem Harz getränkt werden musste. Die geringe Härte mag eine Erklärung für die vereinzelte Erhaltung dieser Objekte sein. Tatsächlich sind nur drei Stücke in der Literatur überliefert. Zur Technik und Erhaltung der Murrina siehe Bühler 1966, S. 30 ff. Eine Darstellung der Diskussion um die Identifizierung des Materials in Del Bufalo 2016, S. 11–44. 17 Einen guten Überblick zu den erhaltenen Achatgefäßen bietet Del Bufalo 2016. Sie finden sich in nahezu allen ehemals römischen Gebieten. So kam etwa in einem Grab in Köln ein schlanker Becher aus diesem Material zu Tage (Römisch-Germanisches Museum Köln, Inv. 68, 59.10). Plinius erwähnt Gefäße aus Achat in Cap. LIV. Zudem solche aus Smaragd in Cap. II sowie aus Granat in Cap. XXV u. XXX. 18 Bühler 1966, S. 23. 19 Plinius/König 1994, Cap. X, S. 33. 20 Bühler zählt 31 antike Gefäße aus Bergkristall ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Siehe Bühler 1973, S. 3. Als besonders eindrucksvolle Beispiele seien hier genannt: eine zweihenkelige Bergkristalltasse im Römisch-Germanischen Museum Köln (Inv. Varia 337) sowie ein großformatiger Skyphos in Venedig (San Marco). Während diese Stücke undekoriert und aus vollkommen reinem Kristall geschliffen sind, hat sich in Neapel ein Beispiel mit floralem Reliefdekor erhalten, das mit seinem deutlich weniger qualitätvollen Material ebenfalls die Angaben des Plinius stützt (das Gefäß stammt aus Santa Maria Capua Vetere. Siehe De Caro 2007, S. 127).

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Steinschnitt in vorislamischer Zeit

kommen. Dieser Gestaltung folgen auch die Gefäße aus Achat, deren Gefäßwandungen ebenfalls weitgehend glatt belassen oder nur durch einfache Rillen oder Bänder gegliedert sind. Ein gemeinsames Merkmal der qualitätvollsten erhaltenen Stücke aus beiden Materialien ist zudem die Präzision des Schnitts, sowie die dünne Ausarbeitung der Wandungen auf bis zu 2 Millimeter. Zudem können einzelne erhaltene Gefäße mit bis zu 75 cm gewaltige Durchmesser erreichen. 21 Die Bevorzugung bestimmter Materialien scheint dabei wechselnden lokalen Moden gefolgt zu sein. Erfuhr zur Zeit des Nero in Rom neben den Murrina gerade der Bergkristall besondere Wertschätzung, bevorzugte man in Ägypten und überhaupt im Orient offenbar eher den Onyx und buntfarbige Achate. 22 Plinius selbst geht auch auf die enge Beziehung zwischen dem Bergkristall und der sich damals gerade stark entwickelnden Glasverarbeitung ein. 23 Mit der zunehmenden Fähigkeit der Glasmacher, völlig reine, kristallklare Gläser herzustellen, übertrug sich die Vorliebe für den natürlichen Kristall offenbar auch auf dieses Material, wobei die Bergkristallgefäße in Form und Gestaltung zweifellos Vorlagen für die exklusiveren der Glasgefäße bildeten. Nach Plinius stellte die Zeit Neros (reg. 54–68) den Höhepunkt der römischen Begeisterung für Edelsteingefäße dar und tatsächlich konzentrieren sich auch die erhaltenen Quellen auf das 1. und 2. Jahrhundert. Später werden murrinische Gefäße oder solche aus Bergkristall nur noch selten erwähnt, was darauf hinweist, dass das Interesse an ihnen allmählich nachließ und die Produktion in

der Folge einen gewissen Niedergang erlebte. 24 Vielleicht ist dies in Zusammenhang mit dem weiteren Aufschwung der Glasindustrie zu sehen, deren Leistungsfähigkeit etwa die Kameogläser eindrucksvoll dokumentieren. Obgleich Hartsteingefäße spätestens im ersten Jahrhundert offenbar auch in Rom selbst gefertigt wurden, blieben der Orient und besonders Alexandrien weiterhin eine wichtige Quelle für Gefäße und Objekte aus Hartsteinen. 25 So berichtet etwa die Historia Augusta, dass Lucius Verus (130–169) seine Gäste bei einem Bankett mit Murrina sowie Gefäßen aus alexandrinischem Bergkristall beschenkte. 26 Großformatige Gefäße aus diesem Material sind primär in den Quellen überliefert. Ein einzigartiges Zeugnis des antiken Kristallschliffs stellt daher ein Skyphos mit einer Breite von 33,5 cm in Venedig dar (Abb. 15), demgegenüber die Mehrzahl der erhaltenen Stücke aus kleinen Fläschchen mit meist zylindrischem oder amphorenartigem Körper besteht. 27 Funde derartiger Stücke in Gräbern sowie etwa in Pompeji lassen auf eine Herstellung im ersten Jahrhundert schließen und ihre formale Gestaltung verweist zuweilen noch auf ältere ägyptische Vorläufer. 28 Auch wenn man hier von einer extrem zufälligen Erhaltung ausgehen muss, dürfte das Mengenverhältnis erhaltener Gefäße aus Bergkristall und Achat wohl in etwa der ursprünglichen Produktion entsprechen, da das Interesse an Objekten aus Buntstein wie Bandachat im Gegensatz zu Kristall offenbar auch in späterer Zeit noch ungebrochen anhielt. Nach einem mutmaßlichen Niedergang des Steinschnitts im 2. und

21 Zu den Achatgefäßen verweist Alcouffe auf sechs formal ähnliche zweihenkeligen Sardonyxschalen der Antike in Venedig (San Marco, Inv. Nr. 70, Dm. 21 cm), Paris (Louvre, Dm. 10,6 cm sowie Bibliotheque Nationale, Dm. 16 cm), Florenz (Museo degli Argenti, Inv. 1921, n. 498, Dm. 8,7 cm), Ottawa (National Gallery of Canada, Br. 42,5 cm) sowie Wien (Weltliche Schatzkammer, Br. 75 cm). Siehe Köln 1984, S. 137 ff. mit Abb. Für einen Überblick zu diesen Objekten siehe auch De Bufalo 2016. 22 Plinius/König 1994, Cap. VII, S. 31. Siehe auch Alcouffe 1984, S. 81. 23 Plinius/König 1994, Cap. X, S. 33. 24 Zu verweisen wäre hier beispielsweise auf die Erwähnungen von Bergkristallgefäßen bei Martial (ca. 40–104) und Juvenal (1./2. Jahrhundert); Martial/Barié 2002, Ep. IX 22, IX 23, X 66 oder XIV 111 sowie Juvenal/Adamietz 1993, Satire VI, 155–156. Siehe auch Bühler 1966, S. 25. 25 Mit den Kameogläsern scheint Alexandria auch im Glasschnitt ein führendes Zentrum gewesen zu sein, Perkins 1963, S. 56 f. Siehe auch Zwierlein-Diehl 2008, S. 87 sowie Corning 1982, S. 8. 26 Bühler 1966, S. 23–25, Anm. 101: Historia Augusta, Lucius Verrus V: Donatos etiam calices singulis per singulas portiones, murrinos et crystallinos Alexandrinos, quotiens bibitum est, data etiam aurea atque argentea pocula et gemmata. 27 Zu dem Stück in San Marco siehe Hahnloser 1971, Nr. 5, S. 6 u. Taf. III. Einen guten Überblick über die erhaltenen Formen bietet Bühler 1973, Nr. 36, 37, 42–57. 28 Zu dokumentierten Fundumständen etwa Oliver 1973, S. 32 oder eine Gruppe von Grabfunden in Berlin (Antikensammlung, Inv. 30891) siehe Schwarzmaier 2012, Nr. 119, S. 214 f. Die Berliner Stücke stammen aus einem Grab nördlich von Rom und lassen sich auf den Anfang des 1. Jahrhunderts n. Chr. datieren. Zum Vergleich mit ägyptischen Formen sei hier auf die zahlreichen Beispiele aus Alabaster aber auch auf ein Beispiel aus Bergkristall in New York verwiesen (Brooklyn Museum, Inv. 37.108E, ca. 1844–1759 v. Chr.). Vergleichend zu den Gefäßen bei Bühler (1973, Taf. 14 u. 15) siehe etwa Aston 1994, Fig. 17 u. 18.

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Zeugnisse zur Entwicklung des Steinschnitts

Abb. 14: Undekorierte Bergkristallschale, römisch, 1. Jh. n. Chr. (Römisch-Germanisches Museum Köln)

Abb. 15: Bergkristallskyphos, römisch, 1. Jh. n. Chr. (Schatz von San Marco, Venedig)

3. Jahrhundert, scheint es in der Zeit Konstantins (reg. 306–337) zu einem neuerlichen Aufschwung in der Gefäßherstellung gekommen zu sein, wobei wohl die Verlegung der Residenz nach Konstantinopel von wesentlicher Bedeutung war. Durch diese 29

Ostverschiebung näherte sich das Reichszentrum nun den alten Zentren des Steinschnitts im persisch-mesopotamischen Raum sowie in Ägypten an, was das Interesse an den Werken dieser Kunst neu gefördert haben dürfte. 29 Im Westen erlosch die

Bühler verweist hier etwa auf den Grabfund der Kaiserin Maria, Gattin des Honorius (395–423) in S. Petronilla in Rom. Dort kamen 1544 fünf

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Steinschnitt in vorislamischer Zeit

ehemals aus dem Orient eingeführte Technik des Steinschnitts wohl spätestens mit dem Untergang des weströmischen Reiches Ende des 5. Jahrhunderts, während die Tradition in ihrer Ursprungsregion offenbar ungebrochen weiter bestand. 30

Steinschnitt in Persien und Byzanz 31 In den vorangegangenen Abschnitten dieses Kapitels wurde bereits mehrfach eine grundlegende Problematik bei der Beschäftigung mit Hartsteingefäßen angedeutet. Derartige Objekte wurden zu allen Zeiten und in allen Reichen von Europa bis nach Asien außerordentlich geschätzt. Dementsprechend waren sie im Handel sowie im Austausch diplomatischer Geschenke stets hoch begehrt. Dies belegen die oben angesprochenen Funde ägyptischer Gefäße in Persepolis ebenso wie die Überführung der Ptolemäerschätze nach Rom im 1. Jahrhundert v. Chr. Dem Transfer von Werken des Steinschnitts dürfte nicht selten die mehr oder minder freiwillige Wanderung von Werkstätten gefolgt sein, wie sich dies in anderen Bereichen vielfach nachweisen lässt. 32 Daraus ergibt sich ein nur schwer entwirrbares Wechselspiel von stilistischen und technischen Einflüssen über weite Distanzen und teils auch Epochen hinweg. Dafür sei hier nur auf ein besonders illustratives Beispiel aus dem Glasschliff verwiesen, auf das an späterer Stelle noch näher eingegangen werden wird. Es handelt sich dabei um die Dekoration der Oberflächen verschiedenster Gefäße mit regelmäßig gesetzten, flachen Facetten. Offenbar entstand dieser Dekortyp im ersten nachchristlichen Jahrhundert in Unteritalien, von wo aus er sich mit zahlreichen Variationen rasch im

gesamten römischen Reich verbreitete, wie Funde von Dura-Europos im heutigen Syrien bis nach Köln belegen. 33 Während die Kenntnisse zur Herstellung und Verarbeitung entfärbten Glases in Europa nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches weitgehend verloren gingen, wurden diese Traditionen ebenso wie der Steinschnitt in den ehemals östlichen Reichsteilen und ihren angrenzenden Gebieten nahezu ungebrochen weitergeführt. Aus dieser technischen und vielfach auch formalen Kontinuität – etwa dem weitgehenden Verzicht auf geschnittenen Dekor – ergibt sich gerade für die Hartsteingefäße eine erhebliche Problematik in der Abgrenzung „römischer“ und „byzantinischer“ Arbeiten. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, setzt sich diese Schwierigkeit in der Untersuchung „byzantinischer“ und „sasanidischer“ Hartstein- und Glasbearbeitung fort. So weisen etwa zahlreiche „byzantinische“ Gefäße Formen auf, die sich deutlich an Vorbildern aus dem sasanidischen Reich orientieren. Ähnlich unscharf ist die Abgrenzung zu frühislamischen Werken. Wie schon im ersten Abschnitt dieses Kapitels, erweisen sich auch hier Siegelsteine und Kameen als die einzig verlässlichen Zeugnisse von Existenz und Niveau des Steinschnitts in den betrachteten Regionen. Doch auch in dieser Objektgruppe stellen sich vielfältige, kaum zu beantwortende Fragen von wechselseitiger Beeinflussung und dem Austausch von Handwerkern. Die Ostgrenze des römischen und später byzantinischen Reiches war stets umkämpft, auch wenn die Protagonisten dieses Konfliktes wechselten. Waren es zunächst die Parther, so traten an deren Stelle 227 n. Chr. die Sasaniden (siehe Karte auf S. 19). 34

Achatvasen zutage, die in die Sammlung des Fulvio Orsini gelangten, heute aber nur noch in einer Nachzeichnung überliefert sind (Cod.vat.lat. 2376, 1616, f. 56–65v.). Stilistisch weist Bühler diese Stücke dem 5. Jahrhundert zu. Siehe Bühler 1966, S. 25. 30 Im Glasschnitt lässt sich diese Entwicklung in analoger Weise nachvollziehen. Siehe dazu Charleston 1964, S. 87. 31 Ich verwende hier ganz bewusst den Begriff „Persien“, den ich im Sinne der antiken und spätantiken Reiche der Achämeniden, Parther und Sasaniden verstanden wissen möchte, deren Territorien sowohl Mesopotamien als auch den Iran und weitere Gebiete umfassten. 32 Siehe etwa zum Bevölkerungsaustausch zwischen byzantinischem und sasanidischem Reich Morony 2004, bes. S. 162 ff. u. S. 178 f. oder New York 1978, S. 17. Zur Tätigkeit byzantinischer Baumeister und Künstler im sasanidischen Reich siehe Rice 1964, S. 513 ff. Zum diplomatischen Austausch zwischen Byzanz und dem Sasanidenreich siehe auch Mazza 2004. 33 Stern 2001, S. 137; Perkins 1963, S. 69; Trier/Naumann-Stecker 2016, S. 136. Als Handelsgut gelangten derartige Gefäße bis nach Skandinavien, wo sie etwa bei Grabungen in Dänemark zu Tage kamen, oder nach China, wie Grabfunde in Xinjiang belegen. Siehe dazu Fuxi/Brill 2009, S. 59, Abb. 2.11 und 2.12. 34 Die enorme Schlagkraft der sasanidischen Heere zeigte sich in drei Siegen über die Römer sowie Einfällen in Syrien und Anatolien, allein zwischen 244 und 260 n. Chr. Den Höhepunkt dieser militärischen Erfolge bildete zweifellos die Gefangennahme Kaiser Valerians und seiner Armee durch Schapur I. im Jahre 260 n. Chr. In Erinnerung an dieses Ereignis ließ der Perserkönig bei Naqsch-e Rostam ein Felsrelief fertigen, dass einen Bericht des Feldzuges in persicher, pathischer und griechischer Sprache wiedergibt. Erst unter dem Eindruck der Hunneneinfälle Ende des vierten Jahrhunderts trat der römisch-sasanidische Konflikt vorübergehend in den Hintergrund, bevor die Konflikte unter Chosrau I. (reg. 531–579) erneut aufflammten. Chosrau II. (reg. 590–628) konnte die sasanidische Herrschaft bis nach Syrien und Ägypten ausdehnen, bevor unter seinen Nach-

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Zeugnisse zur Entwicklung des Steinschnitts

Abb. 16: Zentrales Medaillon der Schale Chosrau I., sasanidisch, 6. Jh. (Bibliothèque Nationale de France, Paris)

Beide Reiche umfassten ein weitgespanntes Territorium, das von Mesopotamien und dem heutigen Iran bis nach Zentralasien und ins heutige Pakistan reichte und 651 n. Chr. wiederum an die islamischen Heere fallen sollte. Geradezu symbolhaft für die kulturelle Kontinuität zwischen den Reichen der Parther und Sasaniden ist ihre gemeinsame Hauptstadt Ktesiphon im Herzen Mesopotamiens, der auf dem anderen Ufer des Tigris wiederum die alte seleukidische Residenz Seleukia gegenüberlag. So liegt auch die Vermutung nahe, dass es kein Zufall ist, dass Plinius gerade das Partherreich als Ursprungsort der Vasa Murrina benennt. 35 Tatsächlich weisen die Indizien darauf hin, dass sich die Tradition des Steinschnitts und Gefäßschliffs in Mesopotamien seit ihren Anfängen behaupten konnte und bis in die Zeit der Achämeniden weiter gepflegt wurde. Zu nennen wären hier etwa die

Funde von über 600 Steingefäßen, darunter auch Fragmente von solchen aus Bergkristall, in Persepolis. 36 Wie bereits oben ausgeführt, muss man diese persische Tradition wohl in einer stetigen Interaktion mit Ägypten sehen, für die neben dem Austausch diplomatischer Geschenke, die sicher Steingefäße beinhalteten, vor allem die Einfälle der Assyrer im 7. vorchristlichen Jahrhundert sowie die Unterwerfung und Besetzung Ägyptens durch den Achämeniden Kambyses II. (reg. 529–522 v. Chr.) von größter Bedeutung waren. 37 So fallen etwa die frühesten Funde von Achatgefäßen dort gerade in den Zeitraum zwischen diesen Ereignissen. Ein weiteres wesentliches Moment für die Verbreitung des Steinschnitts dürften schließlich die Eroberungen Alexanders des Großen darstellen, aus denen in Mesopotamien die Dynastie der Seleukiden und in Ägypten 323 v. Chr. jene der Ptolemäer hervorging.

folgern der Niedergang des Reiches einsetzte, das wenig später im Zuge der islamischen Expansion endgültig zusammenbrach. Zur Geschichte des sasanidischen Reiches siehe Schippmann 1990 sowie Morony 2004, S. 163 f. 35 Plinius/König 1994, Cap. VII u. VIII, S. 27 ff. 36 Schmidt 1957, 91, Pl. 65, fig. 7–11. Gemessen an der großen Zahl von Gefäßen aus meist weicheren Gesteinen machen die Beispiele aus Bergkristall nur eine kleine Gruppe aus. Siehe auch Bühler 1973, S. 8 f. sowie Simpson 2005, S. 108 f. Unter den zahlreichen in Persepolis gefundenen Tabletts aus weicheren Gesteinen sei hier besonders auf ein Beispiel verwiesen, dessen Griff in Form eines Entenkopfes gebildet ist (Nationalmuseum Teheran, Inv. 2335) und damit deutlich an die ältere, in Mykene gefundene Bergkristallschale erinnert. Siehe dazu Bevan 2007, S. 129 sowie London 2005, Nr. 149. 37 Schmidt 1957, S. 81 f. sowie Bühler 1966, S. 17. Mit dem Sieg des Kambyses in der Schlacht von Pelusium 525 v. Chr. wurde Ägypten persische Satrapie.

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Steinschnitt in vorislamischer Zeit

Abb. 17: Achatplatte, wahrscheinlich vom Prachteinband der Bamberger Apokalypse, wohl spätsasanidisch oder frühislamisch (Residenz München, Schatzkammer)

Ein 1931 bei Quift in Oberägypten zu Tage gekommener Fund enthielt neben relativ einfach gearbeiteten Schalen aus Achat auch ein stark hellenistisch beeinflusstes Rhyton aus diesem Material, für das schon ein persischer, vielleicht parthischer oder sasanidischer Ursprung in Erwägung gezogen wurde. 38 Gesichert ist für die Sasaniden zumindest der Siegelschnitt auf einem bemerkenswert hohen Niveau, von dem sich zahlreiche Beispiele erhalten haben, die in ihrer Gestaltung immer wieder deutliche Anleihen bei griechisch-römischen Vorbildern zeigen. 39 Einzelne weitere Objekte können darüber hinaus als Hinweis auf eine umfangreichere Herstellung von Steinschneidearbeiten angesehen wer-

den. Eines ist die sogenannte Schale des Chosrau, in der ein zentrales Bergkristallmedaillon mit der Darstellung eines sasanidischen Königs von weiteren Bergkristall- und farbigen Glasscheiben mit stilisierten Blütenmotiven umgeben ist (Abb. 16). Die einzelnen Elemente werden von einer gitterartigen Goldfassung zusammengehalten, die wiederum an ein in Susa gefundenes Objekt erinnert, das als Mittelstück ebenfalls eine kleine Bergkristallplakette mit floralem und geometrischem Schnitt enthält. Diesem Stück wiederum lässt sich eine Achatplatte in München zur Seite stellen, deren Dimensionen (L. 23 cm, B. 16 cm) die bisher genannten Stücke deutlich übertrifft (Abb. 17). 40

38 Bühler 1973, S. 8, Nr. 8 u. Taf. 2. Ein ähnliches Gefäß, dessen Tierkopf nochmals deutlich feiner und naturalistischer gearbeitet ist, fand sich 1970 in China, innerhalb eines Hortes aus der Tangdynastie, der zudem sowohl byzantinische als auch sasanidische Münzen enthielt (7.–8. Jahrhundert). Das Stück mit einer Länge von 15,6 cm befindet sich heute im Shaanxi History Museum in Xian. Für dieses Objekt wurde ein sogdischer oder sasanidischer Ursprung vorgeschlagen. Siehe dazu Parlasca 1975, New York 1978, S. 37, Fig. 5a sowie Thorp/Vinograd 2001, S. 222, Abb. 6–37. Tatsächlich lassen sich in chinesischen Grabfunden mehrfach byzantinische und sasanidische Objekte nachweisen. Besonders sei hier auch auf den Fund einer wohl sasanidischen Silberkanne in Guyuan verwiesen. Ebd., S. 183, Abb. 5–30. 39 Zum sasanidischen Siegelschnitt siehe etwa Ritter 2017, London 1976, S. 119 f. oder New York 1978 S. 141 ff. 40 Die Schale des Chosrau befindet sich heute in der Bibliothéque National in Paris (Inv. 379), die Schale aus Susa (Inv. Sb 3795) mit einem weiteren dort gefundenen Vergleichsstück aus Jadeit (Inv. Sb 3792) im Louvre. Siehe dazu auch New York 1978, fig. C und Nr. 29. Zu dem Stück in der Schatzkammer der Münchener Residenz siehe Shalem 2002, der eine spätsasanidische oder frühislamische Provenienz vorschlägt. Siehe außerdem Shalem 1994a, S. 77, dort auch weitere islamische Quellen zu sasanidischen Schatzstücken.

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Zeugnisse zur Entwicklung des Steinschnitts

Auch wenn bisher keine Gefäßschnitte aus Hartstein einer eindeutig sasanidischen Provenienz zugewiesen werden konnten, so steht diese Zuschreibung doch für eine Gruppe von Kannen im Raum, die in ihrer Form sasanidischen und frühislamischen Bronze- und Silbergefäßen nahestehen. Stets weist ein hochovaler Körper auf niedrigem Fuß am oberen Ende eine ringförmige Einschnürung auf, die in einen konischen Hals überleitet. Die Form der Mündung sowie des Griffes kann ebenso variieren wie der verwendete Stein. Zwei Beispiele von nahezu identischen Maßen im Schatz von San Marco illustrieren diese Unterschiede. 41 Während an der Kanne aus kleinteiligem gelbem Achat (Abb. 18) auch die Form der Mündung den persischen Gefäßen ähnelt und der Griff die zwar stark stilisierte aber dennoch dynamische Form einer Raubkatze zeigt, ist die Mündung bei dem zweiten Stück aus dunklem Sardonyx kreisrund und der Griff zu einem gleichmäßigen Steg reduziert, dessen zoomorphe Gestaltung fast nur noch im linearen Dekorschnitt präsent ist. Eine ähnliche Stilisierung zeigt der Griff einer Kanne in Florenz, während dieser bei einem weiteren Stück in London wohl verloren ging. 42 Anhand der beschriebenen Unterschiede wurde für einzelne Stücke auch eine Fertigung in Byzanz nach sasanidischen Vorbildern vorgeschlagen. 43 Wie bereits angedeutet, sind die „byzantinischen“, überwiegend aus Achat geschliffenen Steingefäße aufgrund ihrer engen stilistischen Anlehnung an ältere römische Vorlagen sowie des weitgehenden Verzichts auf geschnittenen Dekor nur sehr vage von diesen abzugrenzen. Daher soll hier auf die undekorierten Stücke nicht weiter eingegangen werden. Eindeutig byzantinischer Pro-

venienz ist etwa eine mehrpassige Schale aus relativ weichem Serpentin im Schatz von San Marco in Venedig, die auf ihrem Boden die erhaben geschnittene Darstellung des Heiligen Demetrius zeigt (Abb. 19). Gerade dieses Stück orientiert sich aber formal wiederum eng an sasanidische Vorbildern, wo sich die gestreckte, mehrpassige Form vielfach in Silber findet (Abb. 20). 44 Weiterhin wird eine Gruppe von Schalen als byzantinisch angesehen, die auf ihrer Wandung eine geschnittene Blattreihe zeigen. Das prominenteste dieser Stücke ist zweifellos der sogenannte Kelch des Kaisers Romanos in Venedig (Abb. 21), an den sich weitere Schalen in Edinburgh und Madrid anschließen lassen. 45 Trotz der wenigen eindeutig als byzantinisch bestimmbaren Gefäße kann für Byzanz von einer ungebrochenen Fortführung der antiken Steinschneidetradition ausgegangen werden. Stücke wie die Serpentinschale in Venedig oder einzelne der oben beschriebenen Krüge belegen dabei den nachhaltigen Austausch mit dem benachbarten Sasanidenreich. Abschließend soll nun noch ein kurzer Blick auf eine Gruppe von Glasgefäßen geworfen werden, die bereits zu Beginn dieses Abschnittes angesprochen wurden. Es handelt sich um die Gefäße mit jenem Facettendekor, dessen Verwendung in zahlreichen Variationen einen Zeitraum von der Antike bis ins frühe Mittelalter sowie eine Verbreitung von Italien bis nach Mesopotamien umfasst. Im Kontext der vorliegenden Studie sind sie von besonderem Interesse, da die dickwandigen Glasschalen aus sasanidischer Zeit aufwändig und mit großer Präzision geschliffen wurden und damit sowohl technisch als auch in ihrer Materialität stark an Steingefäße erinnern (Abb. 22). 46 Waren die Facettenauf römischen

Hahnloser 1971, Nr. 11 (Sardonyx) u. 12 (gelblich-brauner Achat): „Opera Persiana del IV/V secolo (?).“ Zum Vergleich siehe die sasanidischen Silbergefäße in Washington (Freer and Sackler Gallery, Inv. S1987.117), New York (Metropolitan Museum, Inv. 67.10a, 69.224 sowie 62.78.2) sowie New York 1978, Nr. 13, 18, 21,22 u. 24. Der zoomorphe Griff findet sich etwa an einem sasanidischen Silberkrug in Cleveland (siehe New York 1984, S. 95, Abb. 5g) oder einem frühislamischen Bronzekrug in New York (Metropolitan Museum of Art, Inv. 47.100.90). 42 Museo degli Argenti, Inv. 1921, Nr. 777 (Florenz 1972, S. 108, Nr. 11) sowie London, V&A, Inv. 397–1872. 43 Siehe dazu etwa Alcouffe in New York 1984, Nr. 5, S. 90–95. 44 Hahnloser 1971, Nr. 74, S. 74. Die Heiligendarstellung findet ihre Entsprechung in zahlreichen derartigen Darstellungen auf Kameen, die wohl als Amulette getragen wurden. Siehe Bonn 2010, S. 223, mit zahlreichen Abb. auf S. 224 ff. Als weiteres Beispiel sei hier noch auf eine 10-passige Achatschale aus Saint Denis in der Bibliotheque National in Paris verwiesen (Inv. Camee 373). Siehe Paris 1991, S. 158 f., Nr. 24. Die genannten sasanidischen Silberschalen finden sich etwa in New York (Metropolitan Museum, Inv. 1992.233), Washington (Freer and Sackler Gallery, Inv. S1987.137) oder Riggisberg (Abegg-Stiftung, Inv. 8.123.65). Siehe dazu etwa Harper 1998. Verwiesen sei hier auch auf eine mehrpassige Glasschale im Schatz des Shoso-in (Harada 1932, Plate LIII). 45 Für Venedig, San Marco, siehe Hahnloser 1971, Nr. 41, S. 59 sowie Del Bufalo 2016, Nr. 240. Für Edinburgh, National Museum of Scotland (Inv. K.2012.79) siehe Del Bufalo 2016, Nr. 253. Für Madrid, Museo del Prado (Inv. O00044) siehe Del Bufalo 2016, Nr. 257. 46 Besonders sei hier auf ein Beispiel in Berlin, Museum für Islamische Kunst (Inv. Nr. I 2/62), verwiesen, dessen Material als Kalksinter identifiziert wurde. Es handelt sich damit um das bislang einzige derartige Gefäß in Stein. Zur Überlieferung der Technik und der Frage der Beeinflussung siehe Stern 2001, S. 337 f. und kontrastierend dazu Perkins 1963, S. 56. Zum sasanidischen Glasschnitt allgemeiner Simpson 2007. 41

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Steinschnitt in vorislamischer Zeit

Abb. 18: Achatkanne, sasanidisch ?, 5.–9. Jh. (Schatz von San Marco, Venedig)

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Zeugnisse zur Entwicklung des Steinschnitts

Abb. 19: Serpentinschale, byzantinisch, wohl 12.–13. Jh. (Tesoro di San Marco, Venedig)

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Steinschnitt in vorislamischer Zeit

Abb. 20: Silberschale, sasanidisch, wohl 6.–7. Jh. (The Metropolitan Museum of Art)

Gläsern oft noch locker gesetzt, so rücken sie auf den sasanidischen Schalen zu einer dichten, wabenartigen Struktur zusammen. Durch Handel oder diplomatischen Verkehr gelangten derartige Gefäße schließlich bis nach Japan, China und Korea. 47 In einer weiteren Variation wurden die lockerer gesetzten Facetten mancher Gefäße von ringförmigen Einschnitten umgeben, sodass sie noppenartig hervortreten. Bei anderen Beispielen ist die Oberfläche um diese Noppen dann vollständig abgearbeitet und sie stehen als stark erhabene Scheiben auf der Gefäßwandung. 48 Dieser Dekor wiederum könnte durchaus auch in Byzanz gebräuchlich gewesen sein, jedenfalls wird zahlreichen Objekten mit diesem Schliff traditionell ein byzantinischer Ursprung zugewiesen (Abb. 23). 49 Der mehrmals angesprochene, belegbare Austausch von Handwer-

kern macht auch hier eine klare Abgrenzung praktisch unmöglich, jedoch wird man für einige der als byzantinisch angesehenen Stücke einen sasanidischen Ursprung in Erwägung ziehen müssen. Dass sich derartige sasanidische Glasschnitte unmittelbar auf Bergkristallarbeiten beziehen könnten erscheint wahrscheinlich, jedoch finden sich dafür bislang kaum Belege. Während eine flache Bergkristallschale mit dem charakteristischen Facettendekor aus dem Schatz der Kathedrale von Beauvais nur als Zeichnung überliefert ist, verwahrt der Louvre mit der sogenannten Vase der Eleonore von Aquitanien aus dem Schatz von Saint Denis ein geschliffenes Bergkristallgefäß, das wiederholt als sasanidisch angesprochen wurde. 50 Jedoch lässt sich der Schliff der ungewöhnlich kleinen Facetten dieses Stückes nur schwer mit der außerordentlichen

Ein facettiertes Gefäß dieses Typs fand sich im Grab des Kaisers Ankan (reg. 531–535), ein weiteres blieb im Shoso-in in Nara erhalten. Siehe Nara 1965, Pl. 83, S. 81 f., Fukai 1977, S. 39 sowie Stern 2001, S. 338. Weitere derartige Gefäße finden sich weltweit in zahlreichen Sammlungen. Zu datierbaren sasanidischen Gläsern siehe auch Whitehouse 2005, S. 10 ff. Zu archäologischen Funden in Kish und Niniveh siehe Harden 1934, S. 131–136, bes. S. 132, Nr. 6, Fig. 4 u. 6 sowie Simpson 2003, S. 146–151, bes. S. 148. 48 Zur Verdeutlichung dieser Varianten siehe Fukai 1977, S. 34 ff., Abb. 17. Weitere Beispiele bei Whitehouse 2005, Nr. 50–52 aber auch Nr. 54 und 55 oder Krüger 2012. Zu verweisen wäre bei den Scheibendekoren auch auf mögliche Ursprünge in achämenidischer Zeit. Siehe Schmidt 1957, S. 93, fig. 18. Siehe außerdem zum selben Motiv im frühen islamischen Glasschnitt Kröger 1995, S. 129 ff. 49 Siehe etwa die Stücke im Schatz von San Marco, Hahnloser 1971, Nr. 72, 78, 80 oder 81. 50 Zu dem Stück aus Beauvais Lamm 1929/30, Taf. 53,3 sowie S. 148. Zu dem Stück im Louvre (Inv. MR 340) siehe etwa Beech 1992 oder Simpson 2007, S. 75 ff. 47

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Zeugnisse zur Entwicklung des Steinschnitts

Abb 21: Achatschale als Kuppa eines Kelches, wohl byzantinisch, 5.–10. Jh. (Tesoro di San Marco, Venedig)

Präzision der Glasschalen in Zusammenhang bringen, sodass seine Zuschreibung fraglich bleiben muss. Abschließend ist festzustellen, dass das technische Wissen um die Hartsteinbearbeitung sowohl im byzantinischen als auch im sasanidischen Reich bis zur Ankunft des Islam gepflegt wurde. Ob der Gefäßschliff in Mesopotamien zu diesem Zeitpunkt

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noch ausgeübt wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, für Byzanz steht dies jedoch außer Zweifel. Somit lässt sich in dieser Region eine ungebrochene, vielfach verzweigte Tradition des Steinschnitts verfolgen, die von seinen Anfängen bis ins frühe Mittelalter reicht und damit die Grundlage für die weitere Entwicklung in islamischer Zeit bildete.

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Steinschnitt in vorislamischer Zeit

Abb. 22: Glasschale, sasanidisch, wohl 6.–7. Jh. n. Chr. (Schatz des Shōsō-in, Nara)

Abb. 23: Glasschale als Kuppa eines kelchförmigen Reliquiars, byzantinisch ?; Montierung um 1343 (Domschatz, Halberstadt)

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Zeugnisse zur Entwicklung des Steinschnitts

II.2 Zeugnisse des Steinschnitts in islamischer Zeit Umayyaden Mit dem Auftreten des Islam sollte sich das Kräfteverhältnis in der Levante und im Orient grundlegend verändern. Wo sich bislang Byzantiner und Sasaniden gegenübergestanden und in einem langwierigen Konflikt aufgerieben hatten, trat nun eine neue Macht auf, die die Schwäche beider Imperien zu nutzen wusste. 51 Erstreckte sich der muslimische Einflussbereich bereits beim Tod des Propheten 632 n. Chr. über die gesamte arabische Halbinsel, so eroberten seine unmittelbaren Nachfolger, die ersten vier Kalifen Abu Bakr (reg. 632–634), ‘Umar ibn alChattāb (reg. 634–644), ‘Uthmān ibn ‘Affān (reg. 644–656) und Alī ibn Abī Tālib (reg. 656–661), in einer nie gesehenen Geschwindigkeit ein weitgestrecktes Territorium das im Norden bis nach Anatolien und Armenien, im Westen bis ins heutige Libyen und im Osten bis nach Afghanistan reichte. Noch im Jahrzehnt des Todes des Propheten fielen Palästina, Syrien und weite Teile des Sasanidenreiches mit der Hauptstadt Ktesiphon an die muslimischen Heere. Ab 640 n. Chr. folgte die Eroberung Ägyptens. Damit hatte der Islam in einer kulturell extrem dichten und fruchtbaren Region Einzug gehalten und weite, zuvor durch immer wieder verschobene Grenzen getrennte Gebiete unter seiner Herrschaft vereint. Für die weitere Entwicklung der islamischen Kultur und Kunst sollte sich gerade das Erbe der Sasaniden als besonders folgenreich erweisen. Die Schätze, die 637 n. Chr. in Ktesiphon erbeutet wurden, waren von geradezu märchenhaften Ausmaßen und die arabischen Historiker des Mittelalters überliefern hierzu eine Fülle von Informationen. 52 In Syrien und im Sasanidenreich dürf-

ten die Eroberer auch erstmals in größerem Umfang mit Werken des Steinschnitts in Berührung gekommen sein. Wie im vorigen Abschnitt dargestellt wurde, ist in diesen Kontexten kaum von Gefäßen die Rede aber ihre Existenz kann doch als sicher angenommen werden. 661 n. Chr. traten die Umayyaden als erste Dynastie der islamischen Geschichte die Herrschaft über das stetig expandierende, multikulturelle, multiethnische und multireligiöse Reich an und bestimmten Damaskus zu ihrer Hauptstadt. 53 Damit traten die neuen Herrscher zunächst in die griechisch-römische Tradition der Levante ein. Die dortige christlich-byzantinische Kultur bildete den Nährboden für einen regen kulturellen Austausch, der an zahlreichen Bauten der Umayyaden noch heute ablesbar ist und auch in den Werken muslimischer Geschichtsschreiber nachvollzogen werden kann. Nur am Rande sei hier auf die mit reichem, vielfach figürlichem Stuckdekor, Mosaiken und Fresken, sowie mit Bädern nach römischen Vorbildern konstruierten Schloss- oder vielmehr Villenanlagen in Khirbet al-Mafjar und Qusayr Amra verwiesen, oder auf die vielfach zitierte Lieferung von Material und Arbeitern aus Byzanz für den Bau der großen Moschee von Damaskus. 54 Gerade die vermutlich zwischen 724 und 743 n. Chr. entstandenen Fresken in Qusair Amra verdeutlichen den internationalen und multikulturellen Anspruch der Umayyaden. Neben Jagd- und Badeszenen sowie einer Fülle weiterer Motive fällt hier besonders eine Reihe sechs großfiguriger, mit griechischen und arabischen Inschriften versehener Königsdarstellungen auf. Die stark beschädigten Fresken zeigen, soweit die Inschriften noch lesbar sind, Caesar, also

Im Verlauf des letzten großen Krieges zwischen Byzanz und den Sasaniden, der nach der blutigen Machtergreifung des Phokas (reg. 602–610) ausgebrochen war, sollten die Perser unter Chosrau II. (reg. 590–628) tief in das byzantinische Territorium vordringen und weite Teile Mesopotamiens, Syriens, Armeniens und Ägyptens erobern, ehe Heraclius (reg. 610–641) die schrittweise Rückeroberung gelang, in deren Folge Chosrau schließlich ermordet wurde. Besonders in Ägypten war die byzantinische Herrschaft zusätzlich durch religiöse Spannungen zwischen der Reichskirche und den weitgehend unterdrückten Kopten geschwächt. Siehe etwa Yeomans 2006, S. 4–13. 52 Anon./Qaddumi 1996, S. 168, § 181. Zum Transfer einzelner Schatzstücke aus den Schatzkammern der Sasaniden an die Umayyaden und weiter an die Abbasiden siehe auch S. 194 f., § 256. Siehe dazu außerdem Shalem 1994a. 53 Weber/Al-Khamis 2014, S. 24. 54 Anon./Qaddumi 1996, S. 65, § 9. Siehe auch Rice 1964, S. 517 f. Zu Khirbet al-Mafjar siehe Hamilton 1988. Zu Qusayr Amra siehe Fowden 2004 sowie Weber/Al-Khamis 2014, S. 37 f. An dieser Stelle sei auch darauf verwiesen, dass diese bereitwillige Übernahme byzantinischer Formen und Elemente durch die Umayyaden von Zeitgenossen auch durchaus kritisch gesehen wurde. So äußerte sich etwa Ubān, der Sohn des dritten Kalifen Uthmān zur umayyadischen Restaurierung der unter seinem Vater errichteten Prophetenmoschee in Medina und des dabei angebrachten Mosaikschmucks: „Wir erbauten sie in der Art der Moscheen, ihr bautet sie in der Art der Kirchen.“ Zit. nach Cutler 1999, S. 635 f. Der Einsatz byzantinischer Architekten und Künstler lässt sich bereits unter den Sasaniden belegen. Siehe dazu New York 1978, S. 17 sowie Rice 1964, S. 513 ff. 51

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in diesem Falle den byzantinischen Kaiser, Roderich, den westgotischen König, Chosrau, den Herrscher der Sasaniden sowie den Negus, den Herrscher Äthiopiens. 55 Die Namen von Roderich (reg. 710–711) und Chosrau II. (reg. 591–628) sind wohl weniger personal, sondern eher als Synonyme ihrer Reiche zu verstehen, die zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Darstellung bereits dem Reich der islamischen Kalifen einverleibt waren und hier gleichsam dessen Ausdehnung von Spanien bis nach Persien repräsentieren. Als Erbauer der Anlage gilt Prinz al-Walīd ibn Yazīd, der 743 n. Chr. als elfter Kalif der Umayyaden den Thron besteigen sollte. Im Zusammenhang mit dem exzessiven Weinkonsum des al-Walīd findet sich auch einer der frühesten Verweise auf die Verwendung von Bergkristallgefäßen in islamischer Zeit. So soll er die größte jemals existierende Bergkristallschale als Trinkgefäß verwendet haben. 56 Allerdings gibt es von dieser Schale keine nähere Beschreibung, sodass ihre Herkunft offen bleiben muss. Ähnlich ist die Situation bei der zweiten Nennung eines prominenten Bergkristallobjektes, das bezeichnenderweise wieder mit al-Walīd verbunden ist. Es handelt sich dabei um eine Lampe, die dieser für den Mirhab der großen Moschee in Damaskus gestiftet haben soll und die dort verblieb bis sie der Abbaside al-Amīn (reg. 809–813) für sich beanspruchte. Sie wurde später durch eine gläserne Lampe ersetzt. 57 Tatsächlich sind diese Nennungen so isoliert, dass kaum von einer eigenständigen Produktion großformatigerer Gefäße aus Bergkristall oder anderen Steinen unter den Umayyaden ausgegangen werden kann. 58 Deutlich wahrscheinlicher erscheint, dass solche Objekte entweder als diplomatische Geschenke von Byzanz nach Damaskus gelangten, falls sie nicht vor Ort von byzantinischen Handwerkern gefertigt wurden, oder sie sich bereits bei der Machtübernahme der Umayyaden in deren neuem Machtbereich befanden. Ein im Schatz von

San Marco in Venedig erhaltener spätantiker Skyphos aus Bergkristall (Abb. 15, S. 48) kann vielleicht eine Vorstellung vom Trinkgefäß des al-Walīd geben, während die Form der erwähnten Lampe spekulativ bleiben muss. 59 Bezeichnenderweise scheinen die Umayyaden auch an der Glasproduktion nur wenig Interesse gezeigt zu haben, die sich seit der Antike meist parallel zum Steinschnitt entwickelt hatte und in späterer Zeit zum wichtigsten Referenzmedium werden wird. Entsprechende archäologische Befunde zeigen jedenfalls recht einfaches Gebrauchsglas ohne aufwändige Dekorationen durch Schliff und Schnitt. Eine gewisse Stagnation in der Entwicklung der Glasproduktion der Levante, die sich bereits unter byzantinischer Herrschaft beobachten lässt, scheint sich damit auch unter der neuen Herrschaft fortgesetzt zu haben. 60 Das reiche künstlerische Erbe des al-Walīd und seine Königsreihe in Qusayr Amra täuschen über den Zustand der Dynastie zu diesem Zeitpunkt hinweg. Nur sechs Jahre nach der Ermordung al-Walīds 744 n. Chr. gingen die Umayyaden von Damaskus unter und an ihre Stelle traten die Abbasiden, die mit der Errichtung ihrer neuen Hauptstadt Madinat al-Salam oder Bagdad auch neue Impulse für die Entwicklung der islamischen Kunst setzen sollten.

Abbasiden Mit der Verlegung der Hauptstadt des Kalifats an den Tigris (762 n. Chr.), nur 35 Kilometer nördlich von Ktesiphon, der alten Hauptstadt der Sasaniden, rückte deren kulturelles Erbe deutlich stärker in den Vordergrund (siehe Karte S. 20). 61 Und so ist es wohl kein Zufall, dass hier bald eine ganze Reihe von Erwähnungen des Steinschnitts einsetzt und parallel dazu offenbar auch die Glasproduktion eine bemerkenswerte Leistungsfähigkeit erreicht. Finden sich hier zunächst Berichte über ältere Schatzstücke

55 Fowden 2004, S. 197–226, bes. 203 ff. Die noch im griechischen zu entziffernden Inschriften lauten demnach: […] ΣΑΡ, ΡΟΔΟΡΙΚ, ΧΟΣΔΡΟΙΣ sowie ΝΙΗΓΟ. Besonders deutlich formuliert ist der Anspruch Walids in der Handhaltung der Herrscher, die alle in Richtung der links rechtwinklig anschließenden Wand weisen, auf der nach Fowden eine dynastische Darstellung der Umayyaden zu sehen ist. Siehe dazu S. 175–196. 56 Anon./Qaddumi 1996, S. 177, § 210 und S. 179, § 216. 57 Nach al-Ghuzuli († 1412). Siehe hierzu Shalem 1994a, S. 2 sowie Lamm 1929/30, Bd. I, S. 513. 58 Zu Siegelsteinen aus umayyadischer Zeit siehe London 1976, S. 119. 59 Hahnloser 1971, Nr. 5 sowie Taf. III, Höhe 15,7 cm, Breite 33,5 cm. 60 Stern 2001, S. 338. Weitere Literatur dort in Fn. 361. 61 Zur arabisch-muslimischen Rezeption der sasanidischen Großkönige siehe Fowden 2004, S. 208 ff.

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aus Hartstein, die, teils noch aus sasanidischer Zeit, über die Schatzkammern der Umayyaden an die Abbasiden gelangten 62, so scheint spätestens unter Hārūn ar-Raschīd (reg. 786–809) eine Steinschneidewerkstatt für den Bagdader Hof tätig gewesen zu sein. Berichtet wird hier zunächst von Bechern aus Jaspis und Bezoar, auf denen sich der Name des arRaschīd befand. 63 Korrespondierend dazu wird eine Schale aus „pharaonischem Glas“ erwähnt, die ebenfalls den Namen des Kalifen in Hochrelief trug. 64 Der Hinweis auf diese Glasschale ist in unserem Kontext besonders interessant, da die explizite Erwähnung eines Dekors in Hochrelief, wie er sich auch auf praktisch allen erhaltenen Bergkristallarbeiten findet, einer Definition des pharaonischen Glases im Steinbuch des at-Tamīmī (2. Hälfte 10. Jahrhunderts) entspricht. Demnach handelte es sich dabei um ein „[…] altes iraqisches Glas von […] durchsichtiger Substanz und ohne Unreinheiten, aus welchem man in alten Zeiten Gefäße aus exakt geschliffenem, festen Glas herzustellen pflegte, das in der Durchsichtigkeit und Reinheit seiner Substanz dem Kristall ähnlich ist.“ 65 Nach atTamīmī handelte es sich also um ein dem Kristall besonders ähnliches Glas, das bereits im 10. Jahrhundert nicht mehr hergestellt werden konnte. Von der Wertschätzung des nächsten abbasidischen Kalifen für Steinschneidearbeiten und nun auch explizit solchen aus Bergkristall war bereits andeutungsweise die Rede. Al-Amīn (reg. 809–813) ließ nach al-Ghuzūlī die Bergkristalllampe aus der Moschee von Damaskus entfernen und zu sich bringen. Bei dem gläsernen Ersatz, der in der Folge nach Damaskus gesandt wurde 66, dürfte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um ein Stück aus jenem kristallgleichen „pharaonischen Glas“ gehandelt haben, dass bereits unter Hārūn ar-Raschīd produziert wurde.

Mitte des 9. Jahrhunderts trug man am Hof des Kalifen al-Mutawakkil (reg. 847–861) bereits Speisen in Schalen aus Bergkristall auf 67 und zur Verwendung dieses Materials heißt es im etwa zeitgleich entstandenen Steinbuch des pseudo-Aristoteles lapidar: „Man macht Gefäße daraus, die von großem Wert sind.“ 68 Die Beiläufigkeit mit der hier von Gefäßen die Rede ist, also jener Objektgattung, die die höchsten Anforderungen an die ausführenden Handwerker stellt, scheint auf einen technisch bereits hoch entwickelten Steinschnitt zu verweisen, sodass man im 9. Jahrhundert wohl bereits von einer etablierten Werkstatttradition ausgehen muss, die mit großer Wahrscheinlichkeit bis ins 8. Jahrhundert zurückreicht. Ob der Beginn dieser abbasidischen Werkstätten nun unmittelbar auf noch aktive Reste der sasanidischen Glas- und Steinschneidetradition aufbaute oder ob hier auch byzantinische Einflüsse 69 eine Rolle gespielt haben könnten, lässt sich nicht nachvollziehen, jedoch scheint ihre Etablierung schon bald nach der Gründung Bagdads erfolgt zu sein und die Blüte der Stadt und des Reiches unter den Kalifen al-Mahdi (reg. 775–785) und Hārūn ar-Raschīd (reg. 786– 809) dürfte für diese Entwicklung die idealen Bedingungen geschaffen haben. Daneben ist im Zusammenhang mit den möglichen Einflüssen dieser frühen islamischen Werkstatt auch bemerkenswert, dass beim Sturz des letzten Tahiriden Muhammad ibn Tahir 873 n. Chr. in dessen Schatzkammern in Nishapur ebenfalls Bergkristallgefäße besonders erwähnt werden. 70 Wenn sich in diesen frühen Quellen auch keine näheren Angaben zu Dekoren finden, so lassen die Glasschale des Hārūn ar-Raschīd und die zitierte Stelle bei at-Tamīmī doch mindestens für einen Teil der abbasidischen Bergkristallobjekte ebenfalls einen geschnittenen Dekor ver-

Anon./Qaddumi 1996, S. 194 f., § 256 oder S. 76, § 30. Die Becher fanden sich im Schatz der Fatimiden. Siehe Anon./Qaddumi 1996, S. 233, § 38. Beim Bezoar handelt es sich eigentlich um eine Art Magenstein aus unverdaulichen Materialien wie Haaren, der bei Wiederkäuern vorkommt. Die Steinbücher des Mittelalters zählen ihn jedoch stets bei den Steinen auf und man schrieb ihm eine schützende Wirkung vor Gift zu. Siehe hierzu Anon./Qaddumi 1996, S. 176, § 204 oder auch Aristoteles/Ruska 1912, S. 147. 64 Die Schale wurde 1058 in Bagdad geraubt. Siehe Anon./Qaddumi 1996, S. 195 f., § 261. 65 Tamīmī/Schönfeld 1976, S. 102. 66 Shalem 1994a, S. 2 sowie Lamm 1929/30, Bd. I, S. 513. 67 Anon./Qaddumi 1996, S. 79, § 34. 68 Aristoteles/Ruska 1912, S. 171. 69 Zu denken wäre hier an byzantinische Handwerker, die an den Bagdader Hof gelangten. Dass im Zusammenhang mit ar-Raschīd gerade Jaspisgefäße genannt werden, könnte man ebenfalls als einen Verweis auf die byzantinische Vorliebe für Gefäße aus Buntstein interpretieren. 70 Biruni/Kahle 1936, S. 339 f. Hier wird auch besonders der Wert dieser Stücke betont. 62 63

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muten, was der Beobachtung an den erhaltenen Stücken entsprechen würde. Auch unter späteren Abbasidenkalifen blieben Gefäße aus Bergkristall offenbar besonders kostbare und begehrte Objekte. 924 wird von einer großen Bergkristallschale als Geschenk des Kalifen alMuqtadir (reg. 908–932) berichtet 71 und 939 n. Chr. schenkte ar-Rāḍī (reg. 934–940) seinem Favoriten Abū al-Hussein Bajkam eine große Flasche und einen Becher aus Bergkristall. 72 Als letzterer Kalif 940 n. Chr. stirbt, finden sich in seinem Nachlass zahlreiche Bergkristallobjekte von besonderer Qualität und auch der zuvor beschenkte Abū al-Hussein Bajkam, der türkische Kommandeur des Kalifen, hinterließ bei seinem Tod im selben Jahr derartige Objekte. 73 Gemeinsam ist all diesen Berichten die Betonung des hohen Wertes der Bergkristallgefäße, was sie zu besonders herausgehobenen Geschenken machte. Einen einzigartigen Einblick in die Umstände und den Umfang des abbasidischen Steinschnitts zu Beginn des 11. Jahrhunderts gewährt das Steinbuch des al-Bīrūnī (973–1048). Der Autor berichtet dort von einem weitgespannten Handelsnetz für unbearbeiteten Bergkristall, mit Basra als Zentrum. So treffe dort Rohmaterial aus Ostafrika, von Madagaskar, den Malediven sowie aus Kaschmir ein und würde unmittelbar nach dem Eintreffen von Experten begutachtet, die auf jedem Stück die geeigneten Formen verzeichneten, die daraus zu schneiden wären. 74 Zwar erwähnt der Autor lediglich Werkstätten, die den Kristall sofort vor Ort verarbeiteten, aber allein der Umfang des Bedarfs, auf den dieser internationale Handel mit Bergkristall schließen lässt, kann als Hinweis auf weitere Verarbeitungsorte angesehen werden. Jedoch entstand bereits in den Werkstätten von Basra eine Fülle von Produkten wie Gefäße und Becher, aber auch Schachfiguren und Spielsteine. 75 Bagdad hingegen erscheint

bei al-Bīrūnī lediglich als Handelsplatz für Bergkristallobjekte. 76 Die Verhältnisse, die al-Bīrūnī beschreibt, können mit einigem Recht bereits für das 10. Jahrhundert angenommen werden und ihre Anfänge reichen wohl bis in das 9. Jahrhundert zurück, als mit einer wachsenden Nachfrage nach großformatigeren Objekten, wie sie sich auf der Tafel des al-Mutawakkil oder im Schatz des Muhammad ibn Tahir fanden, auch der Bedarf nach großen, möglichst reinen Kristallblöcken wuchs. In Anbetracht der Seltenheit größerer Stücke völlig reinen Kristalls, dürften die im näheren Umfeld erreichbaren Quellen rasch erschöpft gewesen sein, weshalb man auf den Fernhandel zurückgreifen musste. Funde auf der Komoreninsel Mayotte vor Ostafrika bestätigen den Handel mit Bergkristall aus Madagaskar, vermutlich bereits seit dem 9. Jahrhundert. 77 Es ist zu vermuten, dass der Bergkristall auf Mayotte vorbearbeitet wurde, um unnötige Transportlasten auf der weiteren Verschiffung zu vermeiden. Dabei dürfte es, wie auch bei der von al-Bīrūnī beschriebenen Arbeit der Experten in Basra, vorrangig darum gegangen sein, unreines Material auszusondern, das bei einer Verarbeitung zu dünnwandigen Gefäßen das Bruchrisiko unnötig erhöhte. Zugleich könnten diese Vorbearbeitung, sowie die Tatsache dass der Bergkristall auf Madagaskar als Alluvialgestein vorkommt, also von der Erosion zutage gefördert und dabei bereits natürlich abgeschliffen wird, eine Erklärung für die offenbare Unkenntnis der natürlichen Kristallform in den islamischen Quellen des Mittelalters bieten. Der Fund des Wracks eines Handelsschiffs aus dem 10. Jahrhundert in den Gewässern vor Java belegt zudem al-Bīrūnīs Aussage, dass Bergkristall auch Bestandteil des mittelalterlichen Ostasienhandels war. So fanden sich in dem Wrack neben chinesischen Keramiken, islamischen Glaswaren und

Anon./Qaddumi 1996, S. 132, § 126. Anon./Qaddumi 1996, S. 89 f., § 65. Lamm zitiert noch eine weitere Quelle, die ar-Radi als Sammler von Bergkristallobjekten erwähnt. Lamm 1929/ 30, Bd. I, S. 515. 73 Anon./Qadduni 1996, S. 191, § 244 sowie S. 217, § 333. 74 Biruni/Kahle 1936, S. 332. 75 Biruni/Kahle 1936, S. 333. 76 Biruni/Kahle 1936, S. 340 f. 77 Der Befund auf Mayotte lässt sich über Keramikfunde auf einen Zeitraum vom 9.–11. Jahrhundert datieren, was dem hier rekonstruierten Zeitraum entsprechen würde. Die Archäologen stießen auf der Insel auf Gruben mit großen Mengen von Bergkristallabschlägen, einem Material, das auf Mayotte selbst nicht vorkommt. Siehe Pradines 2013, bes. S. 61 ff., zu weiteren Fundstätten auch Horton 2017. 71

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einer Fülle weiterer Produkte auch Blöcke unbearbeiteten Bergkristalls sowie Objekte aus diesem Material, unter denen besonders ein fischförmiger Flakon heraussticht. 78 Über das hohe Niveau, das der Steinschnitt unter den Abbasiden erreichte, kann also kaum ein Zweifel bestehen. So stellt sich nun die Frage, welche Objekte man sich konkret als Produkte dieser Werkstätten vorstellen soll, oder ob sich vielleicht einzelne der erhaltenen Steinschneidearbeiten einem solchen Ursprung zuordnen lassen. Da eindeutige archäologische Befunde zu Hartsteingefäßen aus abbasidischer Zeit fehlen, kommt hier wieder dem Glas als Vergleichsmedium besondere Bedeutung zu. Und für die Datierung von Glas aus dem islamischen Mittelalter ist wiederum eine Fundstätte, nämlich Samarra, von zentraler Bedeutung. Gegründet als Residenzstadt durch den achten abbasidischen Kalifen al-Mutasim (reg. 833–842), bestand die Hofhaltung in Samarra lediglich zwischen 836 und 883, sodass sich die Fragmente zeitlich relativ gut einordnen lassen. 79 Die Ruinen der Stadt wurden zwischen 1911 und 1914 von Ernst Herzfeld ergraben. Ein Teil der Funde befindet sich heute in den Beständen des Museums für Islamische Kunst in Berlin. Für die vorliegende Fragestellung sind dabei zwei Fragmente von besonderem Interesse. Es handelt sich um relativ kleine Glasscherben, die einen Schnittdekor in Hochrelief zeigen. Aufgrund ihrer Fundumstände lassen sie sich mit größter Wahrscheinlichkeit der Zeit der Hofhaltung in Samarra zuordnen. Da geschnittene Glasobjekte, anders als Produkte des Steinschnitts, in gewissem Umfang ein Massenprodukt darstellten, scheint es zudem wenig wahrscheinlich, dass sie als „Antiquitäten“ nach Samarra gelangten. Besonders markant

ist aber das Motiv ihres Dekors, das sie zusätzlich aufs Engste mit ihrem Fundort verbindet. Das erste, sehr klare Glasfragment zeigt einen auf dem Rad geschnittenen Dekor aus nebeneinanderliegenden, gerundeten Blättern, die durch ein Kreismotiv miteinander verbunden sind (Abb. 24). 80 Es scheint sich bei der Scherbe um das Bruchstück eines Tellers oder einer flachen Schale gehandelt zu haben. Ein zweites, grünliches und deutlich dickwandigeres Fragment zeigt einen Ausschnitt desselben Motivs (Abb. 25). 81 Hier sind die Formen deutlich detailreicher ausgearbeitet. Man erkennt zwei Kreismotive und im Zentrum der Scherbe die Mittelrippe des Blattes. Über dem linken Kreismotiv ist die Linie zu erkennen, an der die beiden Lanzetten aneinanderstoßen. Denselben Dekor zeigt eine Glasschale im Schatz von San Marco, bei der die Blätter aber in geradlinigen, giebelartigen Spitzen enden. 82 Alle drei Beispiele zeigen den sogenannten „Samarrafries“ wie er sich vielfach als Baudekor in Samarra findet (Abb. 26). 83 Man kann ihn also durchaus als eine charakteristisch abbasidische Schmuckform bezeichnen. Nun findet sich ein nahezu identischer Dekor auch auf einem Werk des Steinschnitts, sodass sich die stilistische und technische Verwandtschaft beider Medien hier gut nachvollziehen lässt. Es handelt sich dabei um eine Schale aus dunklem Sardonyx in den Sammlungen des Louvre, die bereits 1929/30 durch Lamm als „vorfatimidisch“ publiziert wurde (Abb. 27). 84 Auch hier erscheint der schon beschriebene Blattkranz aus geraden Lanzetten, die wie an der venezianischen Glasschale in einer giebelartigen Spitze enden. Noch deutlicher ist die Ähnlichkeit der technischen Ausführung im Vergleich mit der grünlichen Berliner Scherbe.

Liebner 2014, S. 85–214, bes. S. 173–177. Zu dem Flakon existieren zwei Gegenstücke im British Museum in London (Inv.-Nr. 1953, 0218.2) sowie in der Eremitage in St. Petersburg (Inv.-Nr. CA-9993), siehe dazu auch Kap. III.3, S. 107 dieser Arbeit, sowie Taf. T97–T98. 79 Samarra liegt etwa 130 km nördlich von Bagdad am Ostufer des Tigris. Zur Entwicklung Samarras siehe Northedge 2005, bes. S. 97 ff., zu seiner Geschichte auch Herzfeld 1948. Zu den Funden von Samarra treten auch einzelne Stücke in China und Japan, für die sich ein gesicherter terminus ante quem bestimmen lässt. Siehe dazu Fukai 1977 und Jiayao 1991. Zudem sei hier auf Grabungsfunde aus Kairo verwiesen, darunter ein Krug mit geschnittenem Dekor aus dem späten 9. Jahrhundert. Siehe Scanlon 2001, Nr. 43 f. 80 Inv. Nr. SAM 998.2. Siehe auch Lamm 1928, Nr. 236. 81 Inv. Nr. SAM 9.47.7. 82 Hahnloser bezeichnete die Glasschale wohl aufgrund ihrer Fassung als byzantinische Arbeit (Hahnloser 1971, Nr. 63), wobei dann von der Nachahmung eines abbasidischen Vorbildes auszugehen wäre. 83 Das Motiv findet sich in Samarra vielfach in Stuck sowie in Marmor. Siehe hierzu Herzfeld 1923, Bd. 1, S. 28 ff. u. Taf. XVII sowie eines der Marmorfragmente in Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. I. 7741. In der Folge verbreitete sich der „Samarrafries“ offenbar im weiteren Reich und findet sich etwa im Stuckdekor der Kairoer Moschee (errichtet 876–879) des Ahmad ibn-Tulun, des nominellen abbasidischen Statthalters in Ägypten. 84 Lamm 1929/30, Taf. 64, 12, S. 190 f. Zu der Schale in Paris (Inv. MR 129) siehe etwa Paris 2001, S. 107, Nr. 29. 78

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Abb. 24: Glasfragment mit „Samarrafries“, abbasidisch, 9. Jh. (Museum für Islamische Kunst, Berlin)

Abb. 25: Glasfragment mit „Samarrafries“, abbasidisch, 9. Jh. (Museum für Islamische Kunst, Berlin)

Ist das Motiv auf den bisher genannten Beispielen nur in einem relativ flachen Relief ausgeführt, zeigt es sich an einem zweiten Steinschnitt deutlich markanter und ist dort außerordentlich tief ausgearbeitet. Dieses bemerkenswert große Objekt aus Bergkristall befindet sich wiederum im Schatz von

San Marco (Taf. T22). 85 Auch hier zeigt sich das Motiv der nebeneinanderliegenden, durch ein Kreismotiv verbundenen Lanzetten (Abb. 28). Besonders schlank gebildet, treten sie in starkem, scharf geschnittenem Relief hervor. Sonst ist das Gefäß nur noch durch eine umlaufende Inschrift

Hahnloser 1971, Nr. 123 sowie Taf. XCVI. Der Durchmesser des Kristalls beträgt 17 cm, die Höhe beinahe 40 cm. Siehe auch Lamm, Taf. 68, 17, S. 202 f. sowie Köln 1984, S. 272, Nr. 36. Tatsächlich zeigt das Gefäß eine geläufige orientalische Lampenform, die etwa in Venedig noch bis ins 17. Jahrhundert gebräuchlich war.

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Abb. 26: Marmorfragment mit „Samarrafries“, Samarra, 836-892 (Museum für Islamische Kunst, Berlin)

sprach. 86 Jedoch scheint dies vor allem dem damaligen Stand der Forschung zu entsprechen, der gerade qualitätvolle islamische Bergkristallarbeiten generell einem fatimidischen Kontext zuschreiben wollte. Vor dem Hintergrund der genannten Beispiele und Quellen erscheint eine Entstehung in einem abbasidischen Kontext deutlich wahrscheinlicher. In der Qualität des Schnitts und im ausgeprägten Hochrelief des Dekors steht das Stück allerdings den übrigen erhaltenen Bergkristallgefäßen unter technischen Gesichtspunkten deutlich näher als der Schale in Paris. Sowohl dieser Aspekt, als auch die

Abb. 27: Achatschale, wohl abbasidisch; Montierung um 1665 (Musée du Louvre, Paris)

unter dem oberen Rand dekoriert. Lamm identifizierte das Objekt als eine Lampe und schrieb sie einer ägyptischen Werkstatt der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts zu, während sich Erdmann für eine Entstehung gegen Ende des 10. Jahrhunderts aus86

enorme Größe des Gefäßes und die Reinheit des Kristalls, sprechen für eine herausgehobene Werkstatt, die sicher in einem höfischen Umfeld arbeitete. Das Stück gibt damit einen guten Eindruck vom Entwicklungsstand des Steinschnitts unter abbasi-

Lamm 1929/30, S. 203; Hahnloser 1971, S. 111; Köln 1984, S. 272. Siehe auch Shalem 1994, S. 1 f.

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Abb. 28: Detail des Bergkristallgefäßes Taf. T22, wohl abbasidisch (Tesoro di San Marco, Venedig)

discher Herrschaft, auf dem die Werkstätten der Fatimiden aufbauten und durch den sich die souveräne technische Meisterschaft von Werken wie dem Krug des al-Aziz (Taf. T4) in Venedig erklären lässt. Neben einer Produktion von Bergkristallgefäßen in Basra sowie im Umfeld des Kalifenhofes legt al-Bīrūnīs Erwähnung der Gefäße im Schatz des ibn Tahir in Nishapur auch indirekt die Möglichkeit einer Produktion solcher Steinschneidearbeiten in Khurasan nahe. 87 Ein Stück in London könnte diese Hypothese stützen. So findet sich im British Museum ein Becher aus Bergkristall, der aus Qazvin stammen soll, obgleich die genauen Fundumstände nicht gesichert sind (Taf. T20). Verschiedentlich wurde hier auf Nishapur als möglichen Herstellungsort verwiesen, da dort bereits eine hoch ent-

wickelte Glasindustrie belegt ist. 88 Daneben sei hier noch ein Stück genannt, das auch Lamm als „wahrscheinlich iraqenisch“ ansah. Es befindet sich heute in St. Petersburg (Taf. T23). 89 Lamms Zuschreibung basierte hauptsächlich auf Vergleichen mit Malereien aus Samarra. Neben den Ranken und Füllhornmotiven (Abb. 29), die sich in ähnlichen Formen auch auf dem Londoner Kristallbecher finden, sei hier noch besonders auf das schmale Dekorband am „Hals“ des Objektes verwiesen, das in seinen auseinander erwachsenden, zangenartigen Blattformen wiederum an Motive aus dem Stuck von Samarra sowie an eine Variation des „Samarrafrieses“ erinnert. 90 Die genannten Beispiele veranschaulichen, dass an Glas- und Steinschneidearbeiten, trotz gewisser

Biruni/Kahle 1936, S. 339 f. British Museum, Inv. 1954, 1013.1. Siehe London 1976, S. 120 u. 125, Nr. 102. Der Dekor des Bechers weist deutliche Parallelen zu Fresken aus Nishapur auf (siehe z. B. die Paneele in New York, Metropolitan Museum, Acc.No. 40.170.176.). Zum Glas von Nishapur siehe Kröger 1995. 89 Lamm 1929/39, Taf. 68, 5 sowie S. 199 f. Eremitage St. Petersburg, Inv. EG-938. 90 Siehe Herzfeld 1923, z. B. Abb. 70, 72, 81 oder 84 sowie bes. Abb. 151. 87

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Abb. 29: Detail des Bergkristallgefäßes Taf. T23, abbasidisch (The State Hermitage Museum, St. Petersburg)

Unterschiede in der praktischen Verarbeitung, ganz ähnliche Motive und Techniken zur Anwendung kamen. So soll abschließend noch ein kurzer Blick auf den Dekor weiterer in Samarra gefundener Fragmente aus geschnittenem Glas geworfen werden. Gegenüber der Gruppe einfacher gestalteter oder gar undekorierter Glasfunde machen diese nur einen verhältnismäßig kleinen Teil aus, jedoch dokumentiert ihre Qualität eine ausgeprägte handwerkliche Meisterschaft. An erster Stelle wären hier fünf Fragmente einer Schale mit Tierfries zu nennen (Abb. 30). 91 Im Profil zeigt sich deutlich, wie dünnwandig das verwendete Glas ist und wie die Linien des Dekors im Hochrelief ausgearbeitet wur-

Abb. 30: Fragmente einer Glasschale aus Samarra, abbasidisch, 9. Jh. (Museum für Islamische Kunst, Berlin)

Abb. 31: Profilansicht eines der Fragmente (Museum für Islamische Kunst, Berlin)

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Inv. Nr. Sam 606.1–5. Siehe dazu Kröger 2002.

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Abb. 32: Fragment eines Bergkristallgefäßes als Kelchfuß, abbasidisch, wohl 9. Jh.; Montierung Rhein/Mosel, 13. Jh (Taf. T15, Musèe du Louvre, Paris)

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Abb. 33: Fragmente eines Glasgefäßes aus Samarra, abbasidisch, 9. Jh. (Museum für Islamische Kunst, Berlin)

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den (Abb. 31). Die Tierdarstellungen sind stark stilisiert und mit einfachen linearen Schnitten gegliedert. Bei der Binnenzeichnung innerhalb der Tierdarstellung ist dabei der Hochschnitt durch den Tiefschnitt ersetzt. Sowohl hinsichtlich des Motivs als auch der verwendeten Technik finden die Fragmente aus Samarra ihr nächstes Vergleichsstück in der sogenannten „Türkisschale“ im Schatz von San Marco (Abb. 101, S. 135). Jedoch erreicht diese nicht die Qualität und Reliefschärfe der Berliner Fragmente. 92 Auch hier lässt sich ein Bergkristallfragment mit ähnlich stilisierten Tierdarstellungen anführen, das ursprünglich vielleicht den Halsansatz einer bauchigen Flasche bildete und später in einen Kelchfuß umgearbeitet wurde (Abb. 32). 93 Die übrigen mit Reliefschnitt dekorierten Scherben aus Samarra zeigen häufig Ausschnitte aus floralen Formen mit fächerförmigen Palmetten oder Halbpalmetten (Abb. 33). 94 Aufgrund ihrer starken Fragmentierung lassen sich in diesen Fällen keine Zusammenhänge mehr rekonstruieren, jedoch finden sich sehr ähnliche Motive auch auf Fragmenten und Gefäßen in anderen Sammlungen. 95 Zur charakteristischen Stilisierung von Tierdarstellungen gibt es zu der Schale in San Marco in Venedig ebenfalls noch eine ganze Reihe weiterer Parallelen, auf die jedoch erst im Rahmen der stilistischen Diskussion in Kapitel III.10 eingegangen werden soll.

Zeugnisse des Steinschnitts unter den Fatimiden Unter der Regierung des 18. Abbasidenkalifen alMuqtadir (reg. 908–932) kam es Anfang des Jahres 910, fern von Bagdad, in Kairouan im heutigen Tunesien, zur Ausrufung des ersten Fatimidenkalifen al-Mahdī (reg. 910–934), der sich zugleich zum Herrscher des Maghreb erklärte. Nach Anfängen im syrischen Salamīya sowie in Basra, kam der Auf-

stieg der bereits seit Mitte des 9. Jahrhunderts im Verborgenen wirkenden Sekte der Ismailiten damit zu einem ersten spektakulären Höhepunkt. Dieser Aufstieg einer schiitischen Sekte zur konkurrierenden Kalifendynastie wäre ohne die zunehmende Schwäche der Abbasiden seit dem 9. Jahrhundert kaum denkbar gewesen. Er schien sich bereits in der ersten militärischen Begegnung zwischen den Truppen des Bagdader Kalifen und den Ismailiten im Jahre 900 n. Chr. abzuzeichnen, aus der Letztere siegreich hervorgingen. Mit dem Sturz des letzten Aghlabiden-Emirs 909 erlangten die Fatimiden nicht nur die Herrschaft über Kairouan und weite Gebiete des Maghreb, sondern auch über Sizilien, das mit Unterbrechungen für mehr als 200 Jahre unter ihrer Oberherrschaft bleiben sollte. 96 Nach einer ersten Eroberung Alexandrias 914 sollte es aber noch weitere 55 Jahre dauern, bis sich die Fatimiden mit der Eroberung Fustats durch Ǧauhar aṣ-Ṣiqillī endgültig in Ägypten etablieren konnten. Mit der Übersiedlung des vierten Fatimidenkalifen alMuʿ izz (reg. 953–975) in die neugegründete Palaststadt Kairo am 10. Juni 973 entstand dort ein neues Herrschaftszentrum, das sich anschickte, die Abbasiden auch in der Prachtentfaltung der Hofhaltung zu überflügeln (siehe Karte auf S. 21). 97 Der persische Reisende Nāṣir-i Ḫusrau, der sich zwischen 1047 und 1050 in Kairo aufhielt, berichtet detailreich über die wirtschaftliche Blüte der fatimidischen Hauptstadt und die Pracht ihrer Paläste. Nāṣir-i Ḫusrau verdanken wir auch die Erwähnung einer Bergkristallverarbeitung im fatimidischen Ägypten. Jedoch ist seine Beschreibung so summarisch und flüchtig, dass sie kaum einen Rückschluss auf das Niveau dieser Werkstätten sowie die Art ihrer Produkte erlaubt. So berichtet er, im Lampenbasar nördlich der Amr-Moschee von Fustat, unter einer Fülle anderer Luxuswaren aus Schildpatt und

Hahnloser 1971, Nr. 117 sowie Taf. LXXXIX u. XC. Die von Erdmann auf das 9. Jahrhundert datierte Glasschale zeigt auf ihrer Unterseite eine Inschrift, die als „Khurasan“ gelesen wurde. Dies könnte auf die Region im Osten Persiens verweisen, in der Türkis gewonnen wurde. Tatsächlich galt die Schale selbst lange als echter Türkis. Der Überlieferung nach gelangte sie 1492 als Geschenk des persischen Schahs nach Venedig. Siehe Köln 1984, S. 217 ff., Nr. 28. Daneben ist aber auch eine Entstehung der Schale in Khurasan in Betracht zu ziehen. So findet sich etwa 1022 ein Bericht von der Erbeutung einer Türkisschale bei Unruhen in Medina. Das Stück wurde dabei Pilgern aus Khurasan geraubt und gelangte später in den Schatz des Fatimidenkalifen az-Zahir. Siehe Anon./Qaddumi 1996, S. 193, § 253. 93 Musèe du Louvre, Inv. MR 296, siehe Paris 2001, S. 110 f. u. 115, Nr. 30. 94 Siehe Lamm 1928, Taf. VI. Museum für Islamische Kunst, Inv. SamKat 246 a–c. 95 Siehe z. B. Corning Museum of Glass, Inv. 68.1.59 oder 73.1.24. 96 Zum Aufstieg der Fatimiden siehe die detaillierte Monografie von Heinz Halm. Zum Sieg von 900 siehe Halm 1991, S. 59 f., zur Herrschaft der Aghlabiden seit 800 und ihrem Sturz S. 97 ff., zur Proklamation al-Mahdīs zum Kalifen S. 139 f., zu Abfall und Wiedereroberung Siziliens S. 166 f. 97 Halm 1991, S. 183 und Halm 2003, S. 19. 92

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Elfenbein auch geschnittene Bergkristallobjekte gesehen zu haben. Deren Material komme aus dem Maghreb sowie, in noch größerer Reinheit, aus einer Gegend nahe des Roten Meeres. In diesem Zusammenhang wäre auch auf das Steinbuch des atTamīmī zu verweisen, das in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts von Fundstätten auf der „Hochebene Ägyptens“ berichtet. 98 Zumindest scheint die Erwähnung bei Ḫusrau auf eine gewisse Verbreitung des Steinschnitts auch für einen breiteren Markt hinzuweisen, wie sie durch al-Bīrūnī etwa zeitgleich für Basra belegt ist. Jedoch lassen die vergleichsweise wenigen Worte Ḫusraus eher nicht auf eine Produktion schließen, die auch so exklusive und technisch anspruchsvolle Objekte wie dünnwandige Hohlgefäße umfasste. Tatsächlich sind die schriftlichen Erwähnungen des Steinschnitts und besonders von Stücken aus Bergkristall für die fatimidische Zeit deutlich seltener als unter den Abbasiden. Ein früher Hinweis zur Verwendung von Steinschneidearbeiten aus Bergkristall findet sich in den letzten Jahren des 10. Jahrhunderts in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kairoer Kalifenhof. So schenkte Sitt alMulk, nach einem von al-Maqrīzī überlieferten Bericht, ihrem Bruder al-Hākim (reg. 996–1021) im Jahre 997 unter anderem dreißig Pferde mit goldenen Zaumzeugen, von denen darüberhinaus eines mit Juwelen verziert war und ein weiteres in mehreren Teilen aus Bergkristall bestand. 99 Gefäße werden erst 1050/51 beim Tode von Abdah, einer Tochter des vierten fatimidischen Kalifen al-Muʿ izz (reg. 953–975) in deren Nachlass erwähnt. Unter zahlreichen anderen Kostbarkeiten fanden sich dort auch ein Krug und ein Becken aus Bergkristall. 100 Ein interessantes Detail dieser Beschreibung besteht darin, dass berichtet wird, wie sehr der damalige Wesir al-Yāzūrī und die Würdenträger des Hofes, diese Stücke wegen ihrer

Schönheit und ihres Wertes, also ganz sicher auch wegen ihrer besonderen technischen Qualität, bewundert hätten. Als aber später neunzig Krüge und Becken aus dem besten und reinsten Bergkristall aus den Schatzkammern des Kalifen selbst gebracht worden seien, erschienen den Höflingen die Stücke aus dem Besitz der Abdah nur noch gewöhnlich. 101 Diese Episode sowie das Fehlen sonstiger Erwähnungen solcher Gefäße scheinen darauf hinzuweisen, dass diese außerhalb der Schatzkammern des Kalifen kaum verbreitet waren und daher entsprechendes Erstaunen und Bewunderung hervorriefen. Dass dies offenbar nicht nur für die Menge der Hofgesellschaft, sondern selbst für den Wesir als höchsten und einflussreichsten Beamten des Kalifen galt, lässt es relativ unwahrscheinlich erscheinen, dass Gefäße aus dem kostbaren Material am Kairoer Hof so gebräuchlich waren, wie es die Quellen für die Abbasiden berichten. Wenn größere Hohlgefäße selbst am Kalifenhof eine solche Seltenheit darstellten, wird man, wie schon eingangs erwähnt, bei den von Ḫusrau im Kairoer Basar gesehenen Stücken eher an kleinere und relativ massive Gegenstände denken müssen, wie sie auch in Basra in großen Mengen gefertigt wurden. 102 Sollten sich die Handwerker dieser, für einen größeren Markt arbeitenden Werkstätten nicht schon in vor-fatimidischer Zeit in Kairo angesiedelt haben, wie von manchen Seiten vermutet wurde, so wäre hier an eine Zuwanderung abbasidischer Handwerker seit dem letzten Drittel des 10. Jahrhunderts zu denken. Mit der Etablierung des fatimidischen Hofes bestanden in Kairo seit 972 nicht nur ideale Bedingungen für eine Ansiedlung des Steinschnitts, sondern die Herrschaft der Fatimiden dürfte auch zahlreiche ismailitische Handwerker und Künstler aus dem geschwächten Abbasidenreich nach Ägypten gelockt haben. Dass sich darunter auch Steinschneider auf der Suche

Halm 2003, S. 21 f. und 36 sowie Ḫusrau/Melzer 1993, S. 63. Nach der Übersetzung Udo von Melzers heißt es dort: „Ich sah […] schöne Bergkristalle aus dem Maghrib, von trefflichen Meistern bearbeitet. Man erzählt, dass in der Nähe des Meeres von Qulzum [dem Roten Meer] ein Bergkristall gefördert worden sei, der den des Maghribs noch an Schönheit und Durchsichtigkeit übertreffe.“ Siehe Tamīmī /Schönfeld 1976, S. 98. Daneben müssen auch weitere Quellen in Afrika selbst in Betracht gezogen werden. Hinweise darauf geben etwa Münzfunde auf Sansibar. Siehe dazu Guérin 2010, S. 160 f. 99 Anon./Qaddumi 1996, S. 104, § 78. Genau genommen ist hier ein Sattel aus Bergkristall genannt, dessen Gestalt aber nicht weiter beschrieben wird. Siehe Anon./Qaddumi 1996, S. 293, § 87, Anm. 2). Zu den Umständen und Hintergründen dieser Geschenke siehe Halm 2003, S. 168. 100 Anon./Qaddumi 1996, S. 224, § 357 (nach al-Ghuzūlī). 101 Anon./Qaddumi 1996, S. 224, § 358. 102 Vielfach wird hier auf die Erwähnung eines Bergkristallgefäßes als Khol-Behälter in der Kairoer Geniza (Goitein/Friedmann 2011, S. 783) verwiesen, jedoch ist dies dort die einzige Nennung eines Bergkristallschnittes, was eher gegen eine umfangreiche Produktion solcher Objekte in Kairo zu sprechen scheint. 98

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nach neuen Patronen befanden, erscheint unter diesen Umständen keineswegs abwegig. 103 Während die schriftlichen Quellen zum Steinschnitt für das fatimidische Ägypten also recht spärlich sind und auf eine eher beschränkte Produktion hindeuten, haben sich andererseits drei über Inschriften datierbare Objekte erhalten, von denen zumindest zwei der höchsten Entwicklungsstufe des Steinschnitts im islamischen Mittelalter angehören. Das früheste dieser drei Objekte ist der bereits im vorigen Abschnitt erwähnte Krug des al-ʿAzīz im Schatz von San Marco in Venedig (Taf. T4). 104 Das etwa 18 cm hohe, birnenförmige, enghalsige Gefäß ist einschließlich des flachen, geraden Griffes aus einem Block Bergkristall geschliffen. Die einzelnen Segmente des Objektkörpers sowie der undekorierte Bereich um den Griff sind durch erhabene Stege voneinander abgesetzt. Die Wandung des Körpers trägt einen symmetrischen Dekor, der aus zwei nach vorn gewandten, sitzenden Raubkatzen auf den Seiten und einem baumartigen Gebilde aus floralen Formen auf der Vorderseite besteht (Abb. 34). Über diesem Dekor verläuft eine Inschrift, die den Segen Gottes für den fünften fatimidischen Kalifen Abū Manṣūr al-ʿAzīz bi-’llāh (reg. 975–996) erbittet. 105 Das Gefäß muss also innerhalb der ersten 20–25 Jahre der Kairoer Herrschaft der Fatimiden entstanden sein. Somit kann bereits die hohe Qualität dieser Arbeit als ein Beleg für die Übernahme qualifizierter Handwerker oder einer vollständigen Werkstatt aus dem Abbasidenreich angesehen werden, wo diese Kunst Ende des 10. Jahrhunderts bereits auf eine lange Tradition zurückblicken konnte und nach al-Bīrūnī in beträchtlichem Umfang gepflegt wurde. Gerade für jene „Massenproduktion“, auf die der umfangreiche

Import von Rohmaterial nach Basra schließen lässt, gibt es in Ägypten aber keinerlei Hinweise. Vielmehr stellen die Bergkristallarbeiten in Nāṣir-i Ḫusraus Bericht Objekte dar, die nur kurz, in einer Reihe mit weiteren kostbaren Materialien wie Schildpatt oder Elfenbein, genannt werden. Diesem Eindruck entspricht auch die Tatsache, dass sich im Steinbuch des at-Tamīmī – der nicht nur ein Zeitgenosse des al-ʿAzīz war, sondern auch Umfeld im des Kairoer Kalifenhofes schrieb – keinerlei Hinweise auf eine Verarbeitung des Materials im Fatimidenreich finden. 106 Offenbar ist zumindest der technisch anspruchsvolle Steinschnitt erst unter alʿAzīz in Kairo etabliert worden und auch dann entstanden die kostbaren, dünnwandigen Hohlgefäße offenbar exklusiv für den Kalifen selbst. Sollte dies der Fall sein, so würde der Krug in Venedig weniger ein Werk der „fatimidischen Kunst“ darstellen, als vielmehr das Werk eines Zweiges der abbasidischen Werkstatttradition, die nach ihrer Übersiedelung am Kairoer Hof tätig war. Dem entspräche auch die Eigenart des Dekorstils der Bergkristallgefäße, der sich nur schwer an andere Werke der fatimidischen Kunst anbinden lässt, jedoch deutlich in einer Entwicklungslinie mit zahlreichen weiteren Bergkristallobjekten steht. 107 Das chronologisch nächste Stück befindet sich heute im Museo degli Argenti in Florenz und weist große formale Ähnlichkeiten zum Krug des al-ʿAzīz auf (Taf. T5). 108 Mit 15,5 cm etwas kleiner als dieser, zeigt es auf der Front wiederum einen Palmettenbaum und auf den Seiten Vogeldarstellungen anstelle der Raubkatzen (Abb. 35). Die Inschrift ist nun auf den oberen Rand des Dekorfeldes, sowie auf die Seiten des Gefäßes verteilt. Interessanterweise wird hier kein Kalif genannt, sondern der Text weist den Krug als Geschenk an einen nur

Die politische und militärische Schwäche der abbasidischen Kalifen zeigte sich im 10. Jahrhundert besonders im Konflikt mit den Qarmaten. 923 gelang diesen die Eroberung und Plünderung Basras, nur zwei Jahre später geschah dasselbe in Kufa. Seit 924 waren die Bagdader Kalifen kaum noch in der Lage die Pilgerkarawane nach Mekka zu schützen und 930 überfielen und plünderten die Qarmaten schließlich sogar Mekka und raubten den schwarzen Stein der Kaaba. Siehe Halm 1991, S. 225 ff. Bereits 975 konnten die Fatimiden die nominelle Oberherrschaft über Mekka erreichen und die reguläre Pilgerkarawane demonstrativ wiederherstellen. Siehe Halm 2003, S. 113 ff. Tatsächlich war gerade Basra eines der frühen Zentren der ismailitischen Mission und verfügte über eine bedeutende Gemeinde. Siehe Halm 2003, S. 263. Zur Verarbeitung des Bergkristalls in Kairo und der Frage einer Zuwanderung von Handwerkern siehe auch Pradines 2013, S. 67 f. 104 Hahnloser 1971, Nr. 124 sowie Taf. XCVIII u. XCIX. 105 „Möge der Segen Gottes auf dem Imam al- Azīz bi-’llāh ruhen“, zit. nach Wien 1998, Nr. 106, S. 133 f. ʿ 106 Ḫusrau/Melzer 1993, S. 63; Halm 2003, S. 36; Tamīmī/Schönfeld 1976, S. 98; At-Tamīmī trat 970 in die Dienste des Ya qūb ibn Killis, Wesir unter alʿ ʿAzīz, und starb 980. 107 Siehe hierzu Abschnitt III.5. 108 Museo dei Argenti, Inv. 1917, III, n. 2. Siehe Venturelli 2009, S. 64 f., Nr. 20. 103

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Abb. 34: Detail des Bergkristallkruges Taf. T4, fatimidisch, 975–996 (Tesoro di San Marco, Venedig)

durch seinen Titel genannten Amtsträger aus. David Storm Rice las diese Inschrift als „für den General der Generäle persönlich“ und ordnete diesen Titel Husain ibn Ǧauhar zu, dem Sohn des Gründers Kairos Ǧauhar aṣ-Ṣiqillī. Ibn Ǧauhar trug diesen zuvor nie verliehenen Titel seit seiner Erhebung

zum fatimidischen Wesir unter al-Hākim (reg. 996– 1021) im Jahr 1000. Er hatte das Amt bis 1008 und dann nochmals 1010 bis 1011 inne, bevor er am 21. Januar des Jahres 1011 von den türkischen Gardisten des Kalifen ermordet wurde. 109 Demnach datierte Rice den Bergkristallkrug auf den Zeitraum

109 Rice 1956, S. 89: „For the Commander of Commanders personally.“ (li-qā’id al-quwwād khāṣṣatan). Der Titel „Wesir“ wurde am fatimidischen Hof nicht verwendet. Siehe Halm 2003, S. 235 ff. Hier sei auch auf eine Lüsterschale im Museum für Islamische Kunst in Kairo (Inv. 12297–14389) verwiesen, deren Inschrift einen gewissen Ghabān als Träger desselben Titels nennt, den Anna Contadini mit einem Offizier im Dienste des al-Hakim

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Abb. 35: Detail des Bergkristallkruges Taf. T5, fatimidisch, 1000–1011 (Museo degli Argenti, Florenz)

zwischen 1000 und 1008. Er ist von herausragender Qualität, wie bei seiner Restaurierung zutage kam. So beträgt die Dicke der Gefäßwand lediglich zwischen 1 und 2,5 Millimeter. 110 Die Zueignung der Inschrift spricht dafür, dass es sich bei dem relativ kleinen Gefäß um ein Geschenk des Kalifen an seinen höchsten Beamten handelte. Vor dem Hintergrund des von al-Ghuzūlī berichteten Erstaunens der Kairoer Hofgesellschaft über ein einzelnes Berg-

kristallgefäß im Jahre 1050/51 scheint somit auch der Florentiner Krug den herausragenden Rang und die Seltenheit derartiger Stücke zu bestätigen. 111 Schließlich hat sich noch ein drittes datierbares Stück erhalten, das sich heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg befindet. Dabei handelt es sich nicht um ein Gefäß, sondern um einen massiven, sich nach oben hin verjüngenden, im Profil achtseitigen Ring aus Bergkristall, der in sei-

identifiziert. Dieser hatte den Titel unmittelbar im Anschluss an ibn Ǧauhar von 1011–1013 n. Chr. inne, siehe Contadini 1998, S. 80. Der von Rice identifizierte Adressat erscheint jedoch allein aufgrund seiner außergewöhnlich langen Amtsdauer als wahrscheinlicherer Empfänger des Gefäßes. 110 1998 zerbrach der Krug in über 80 Teile, konnte aber durch Federica Cappelli restauriert werden. Siehe Cappelli 2004, zu den Materialstärken bes. S. 36. 111 Anon./Qaddumi 1996, S. 224, § 357.

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Abb. 36: Bergkristallring, montiert in einem gotischen Reliquiar, fatimidisch, 1021–1036; Montierung Venedig 14. u. Wien 19 Jh. (Taf. T106, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg)

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ner Inschrift den Namen des siebten Fatimidenkalifen az-Zāhir (reg. 1021–1036) trägt (Abb. 36, Taf. T106). Insgesamt lautet sie „Gottes ist die [reine] Religion. ʿAlī aẓ-Ẓāhir li-ʾ Iʿ zāz Dīn Allāh, dem Gott ein langes Leben schenken möge.“ 112 An der unteren, massivsten Stelle weist der Ring eine kubische Verdickung mit einem eingetieften Band sowie einer senkrechten Bohrung auf, die ursprünglich offenbar dazu gedacht waren, eine Befestigung aufzunehmen. Als Gegenstück befindet sich an der oberen, dünnsten Stelle des Rings eine kugelförmige Verdickung. Der ursprüngliche Zweck dieses Objektes ist unklar. Anschließend an das 997 von Sitt al-Mulk an ihren Bruder al-Hākim verschenkte Zaumzeug, wurde auch in dem Nürnberger Ring schon ein Pferdeschmuck vermutet, während eine andere These in ihm den bekrönenden Aufsatz einer Standarte sah. 113 Da die Bearbeitung des Kristalls aber von nur geringer technischer Qualität ist und er außer der Inschrift keinerlei weiteren Dekor trägt, ist er für eine Bewertung der übrigen Bergkristallarbeiten ohne Bedeutung. Dass, basierend auf damals nur einem bekannten, datierbaren Objekt, nämlich dem al-ʿAzīz-Krug in Venedig, seit Anfang des 20. Jahrhunderts praktisch alle erhaltenen Bergkristallobjekte als fatimidische Arbeiten angesehen wurden, hat eine weitere gewichtige Ursache in dem durch al-Maqrīzī über-

lieferten Bericht der Plünderung der Kairoer Schatzkammern in den Jahren 1067 bis 1069. 114 Dabei wird in einer langen Reihe der verschiedensten Schätze auch die geradezu unglaubliche Zahl von 18 000 Bergkristallobjekten genannt, darunter auch eine Karaffe und ein Krug, die den Namen des alʿAzīz trugen. Das mit sieben und neun ägyptischen ratl (etwa drei und vier Litern) angegebene Volumen dieser Gefäße macht deutlich, dass die erhaltenen Stücke wohl eher kleine Exemplare darstellen. 115 Bezeichnenderweise erscheint hier im Kontext der Steinschnitte nur der Name des al-ʿAzīz, unter dem die Herstellung solcher Gefäße vielleicht nicht nur in Ägypten eingeführt wurde, sondern auch ihre größte Blüte erlebte. Selbst wenn eine oder mehrere Kairoer Werkstätten bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts gearbeitet haben sollten, erscheint es kaum vorstellbar, dass sie in knapp 100 Jahren eine Produktion von hunderten oder gar tausenden von Stücken hervorbrachten, ohne dass dies von den Zeitgenossen beachtet worden wäre. Viel näher liegt hingegen die Vermutung, dass sich in den Schatzkammern der Fatimiden neben Stücken aus lokaler Produktion auch zahlreiche Werke der wesentlich älteren und eindeutig bezeugten abbasidischen Kristallwerkstätten befanden, die im Laufe der Zeit neben vielen anderen Schätzen aus Bagdad nach Kairo gelangt waren. 116

II.3 Kontinuitäten und Brüche – Überlegungen zur Werkstatttradition Wie schon früher in dieser Arbeit erwähnt, haben sich zur Struktur und Organisation der orientalischen Steinschneidewerkstätten des Mittelalters keine Quellen erhalten. Die einzigen konkreten Angaben, die sich mit der Verarbeitung des Bergkristalls beschäftigen, sind die bereits zitierten Beschreibungen al-Bīrūnīs zum Handel in Basra und zur Begutachtung der dort eintreffenden Kristallblöcke vom Anfang des 11. Jahrhunderts. Zu De-

tails der weiteren Bearbeitung, zu Werkzeugen oder genaueren Angaben zur Technik schweigen die orientalischen Autoren ebenso wie die der griechischrömischen Antike oder die des mittelalterlichen Europa. Die wenigen Ausnahmen wurden in den vorangegangenen Kapiteln angeführt. Auch archäologische Quellen, die diese Lücke füllen könnten, fehlen bislang. Zwar kam bei Grabungen in Köln 2005 eine Werkstatt des 12. Jahrhunderts zu Tage,

Nach Hahnloser 1959, S. 133. Beide Überlegungen zitiert bei Hahnloser 1959, S. 134. 114 Maqrizi/Kahle 1935; Halm 2003, S. 404 ff. 115 Halm 2003, S. 407. 116 Verwiesen sei hier nur auf die prominenten Stücke aus dem Besitz des Hārūn ar-Raschīd (reg. 786–809). So sind in den Schatzkammern der Fatimiden Becher aus Bezoar bezeugt, die den Namen des abbasidischen Kalifen trugen sowie dessen Zelt. Siehe Anon./Qaddumi 1996, S. 233, § 38. und § 355 112 113

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in der Bergkristall bearbeitet wurde, jedoch entstanden dort nur einfachste Schmucksteine. 117 Die vorgefundenen Materialien decken sich weitgehend mit den Angaben im Traktat des Theophilus. Jedoch sind die dort beschriebenen Techniken der Formung und Politur der massiven Bergkristallstücke auf ruhenden Sandstein- und Bleiplatten weit entfernt vom Niveau der Produktion in den islamischen Kalifenreichen des 9.–11. Jahrhunderts. 118 Einen Eindruck vom Aufbau und der Arbeitsweise einer größeren Schleifer- und Steinschneiderwerkstatt bietet ein Blick nach China, wo solche Werkstätten auch Anfang des 20. Jahrhunderts noch mit den archaischen Techniken arbeiteten, wie sie sich für das Mittelalter und die frühe Neuzeit rekonstruieren lassen. Charles Stanley Nott beschrieb 1941 eine solche Werkstatt zur Bearbeitung von Jade. 119 Er beginnt im Hof des Gebäudes, in dem einerseits mittels einer großen, handbetriebenen Steinsäge der grobe Zuschnitt der Jadeblöcke erfolgte und andererseits die Schleifmittel präpariert wurden. Zur Herstellung der unterschiedlichen Körnungen, die für die einzelnen Arbeitsgänge, vom Zusägen des Rohmaterials bis hin zum feinen Dekorschnitt und zur abschließenden Politur der Oberflächen, benötigt wurden, dienten Handmühlen und Mörser. Die nächsten Arbeitsschritte erfolgten dann an der „Maschinerie“ der Werkstatt. Unter Aufsicht des Meisters wurde der Block zunächst an einer handbetriebenen Kreissäge in die grobe Form gebracht und dann an einem großen, rotierenden Schleifstein weiter ausgearbeitet. Eiserne und hölzerne Schleifscheiben dienten hier dem Glätten der Oberflächen. Als nächstes folgte das Aushöhlen des Gefäßes. Allerdings finden sich gerade zu diesem entscheidenden Arbeitsgang außer der Verwendung zylindrischer Hohlbohrer keine weiteren Angaben. Während all diese Arbeiten von spezialisierten Assistenten ausgeführt wurden und der Meister sie dabei höchstens beaufsichtigte, übernahm er nun selbst das Werkstück. Für die mittelalterlichen eu-

ropäischen Werkstätten sei hier auf die belegte Trennung von „Hohlwerkern“ zur Fertigung der eigentlichen Gefäße und von Dekorschneidern für ihre Verzierung verwiesen. 120 Die Anbringung des Dekors erfolgte nun an einer Drehbank mit auswechselbaren, unterschiedlich geformten Zeigern sowie mit einem Diamantbohrer. Für diesen komplexen Arbeitsgang konnte der Meister das Objekt mit beiden Händen sicher an den Zeiger heranführen, während Assistenten diesen in gleichmäßiger Bewegung hielten. 121 Nachdem der eigentliche Steinschnitt abgeschlossen war, begann die Glättung und Politur der Oberflächen, die nach Nott häufig dieselbe Zeit in Anspruch nahm, wie der Schnitt des Dekors selbst. Nach Metallzeigern mit immer feineren Schleifmitteln, kamen schließlich in vier Polierschritten Werkzeuge aus Holz und Leder zum Einsatz. Wie in Kapitel I.3 dargestellt, entsprechen diese Arbeitsschritte im Wesentlichen noch der heutigen Praxis und lassen sich nach den wenigen, meist indirekten Quellen auch für frühere Epochen erschließen. Für die Werkstätten des islamischen Mittelalters, die teils von beträchtlicher Größe gewesen sein müssen, scheint die Struktur und Arbeitsteilung wie sie Nott beschreibt überaus plausibel. Tatsächlich ist die außerordentliche Qualität der erhaltenen Hohlgefäße sowie die überlieferte Produktivität dieser Werkstätten nur als ein Ergebnis der Zusammenarbeit hochqualifizierter und spezialisierter Meister für die einzelnen Arbeitsschritte vorstellbar, die ihr Erfahrungswissen in der Beherrschung des Materials konstant an einen engen Schülerkreis weitergaben, denn das technische Niveau der Arbeiten resultierte keineswegs aus der Verwendung bestimmter Werkzeuge, sondern allein aus der über Generationen erworbenen Erfahrung der jeweiligen Meister. Dieser Schluss bedeutet aber auch, dass der hohe Stand des Steinschnitts nur unter einer Reihe idealer Bedingungen gehalten und verfeinert werden konnte. An erster Stelle stand hier die konstante Versorgung mit Materialien, wo-

Siehe Berthold 2008 sowie Burianek/Höltken 2017. Theophilus/Brepohl 1999, S. 276 ff. 119 Siehe Nott 1941, S. 22–34. Jade ist mit einer Mohshärte von 6–7 etwas weicher als Bergkristall, jedoch sind die Werkzeuge und Techniken der Bearbeitung im Wesentlichen dieselben. 120 Zur Arbeitsteilung im europäischen Steinschnitt der Renaissance siehe auch Charleston 1964, S. 99. 121 In Anbetracht der Komplexität des Schnitts sowie der Dimensionen einzelner erhaltener Steinschneidearbeiten des islamischen Mittelalters ist die Verwendung eines bogenbetriebenen Bohrers hier kaum vorstellbar. 117

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bei die verschiedenen Schleifmittel ebenso bedeutsam waren, wie der Bergkristall selbst. Quellen wie al-Bīrūnī berichten von den teils enorm weiten Wegen, auf denen diese Mineralien in die Werkstätten der Steinschneider gelangten, sodass bereits die Materialversorgung einen erheblichen finanziellen Aufwand bedeutete. Gerade für die Fertigung dünnwandiger Hohlgefäße muss im Prozess der ständigen Perfektionierung zudem ein beträchtlicher Materialverlust angenommen werden, was die Kosten für den Unterhalt einer solchen Werkstatt weiter in die Höhe trieb. Es ist kaum abzuschätzen wie viele Gefäße bei der Herstellung zerbrachen, ehe es gelang Stücke von der Qualität der fatimidischen Krüge in Venedig oder Florenz herzustellen. Gerade diese Art von Objekten scheint daher eigentlich nur im direkten Umfeld des Kalifenhofes vorstellbar, wo die beschriebenen Idealbedingungen, also konstante Materialversorgung und gesicherte Bedingungen für die Handwerker, über mehrere Generationen hinweg gewährleistet werden konnten. War dies nicht mehr der Fall, ging das zuvor mühsam und langwierig erworbene Erfahrungswissen nach spätestens einer Generation ohne entsprechend intensive Praxis weitgehend verloren. Der gleichermaßen hochentwickelte Glasschnitt kann hier aufgrund der unterschiedlichen Materialeigenschaften nur einen teilweisen Ersatz geboten haben. 122 Daher kann man die Entwicklung des Steinschnitts im islamischen Mittelalter kaum als eine konstante Aufwärtsbewegung hin zu einer stetigen technischen Perfektionierung annehmen. Dafür wurden Phasen der politischen Stabilität und beträchtlicher ökonomischer Prosperität allzu oft von politischem Chaos und Verfall unterbrochen, der auch an den Werkstätten der Steinschleifer und -schneider nicht spurlos vorüber gegangen sein kann. Die Handwerker, die kleinere, meist massive Stücke wie Spielfiguren oder die zahlreich erhaltenen kleinen Fläschchen für einen breiteren Markt herstellten, dürften von diesen Wechselfällen weit weniger getroffen worden sein, da sie weniger materialintensiv arbeiteten und mit einfachen Produkten wie etwa

Siegelsteinen leicht auf einen größeren Markt ausweichen konnten. Für die hochspezialisierten Werkstätten im Umfeld der Höfe, die auf Material von besonderer Qualität und in beträchtlicher Menge angewiesen waren, war dies kaum möglich. Blickt man unter diesem Gesichtspunkt noch einmal auf die Quellen zum Steinschnitt unter Abbasiden und Fatimiden, so ergibt sich für die Entwicklung dieser Kunst ein äußerst wechselhaftes Bild. Während der Umayyade al-Walīd (reg. 743–744) vielleicht noch antike oder byzantinische Gefäße verwendete, dürften zumindest für Hārūn arRaschīd (reg. 786–809) bereits eigene Steinschneider tätig gewesen sein, die seinen Namen im technisch anspruchsvollen Hochrelief auf Bechern und Schalen anbrachten. Ob diese Handwerker aus Byzanz oder den ehemals sasanidischen Gebieten kamen, muss dabei offen bleiben. Jedoch ist festzustellen, dass die mit der Gründung Bagdads unter alManṣūr (reg. 754–775) eingeleitete Konsolidierung des Abbasidenreiches mit dem Tod des ar-Raschīd zu einem vorläufigen Ende kam. 810 brach zwischen den Brüdern al-Amin und al-Maʾ mūn der offene Konflikt um das Erbe des Vaters aus. Im Verlauf des daraus resultierenden Bürgerkrieges wurde Bagdad 812 von den Truppen al-Maʾ mūns über Monate hinweg belagert und mit Katapulten beschossen. Dabei wurde auch der zentrale Kalifenpalast weitgehend zerstört, der in der Folge nie mehr wiederaufgebaut werden sollte. 123 In dieser Situation der inneren Schwäche kam es zum faktischen Abfall des Maghreb, wo sich die Aghlabiden nun nur noch formell der Oberherrschaft Bagdads unterstellten, ehe sie von den Fatimiden gestürzt wurden. 124 Mit dem Einzug al-Maʾ mūns (reg. 813–833) in Bagdad im Jahr 819 stabilisierte sich die Lage des Reiches und die Hofhaltung in der Hauptstadt wurde wieder aufgebaut. Unter al-Maʾ mūn und seinen Nachfolgern kam es zu einer neuerlichen kulturellen Blüte. Im Umfeld des Hofes al-Mutawakkils (reg. 847– 861) entstand nun das Steinbuch des pseudo-Aristoteles, in dem erstmals unmittelbar von der Her-

Die Mohs’sche Härte von Bergkristall beträgt 7, während die von Glas etwa bei 6 liegt. Siehe Le Strange 1901, S. 32 f. u. 303 ff. Die Beschreibung der Belagerung findet sich bei al-Tabari. Die Hauptkuppel der Ruine stürzte schließlich 941 ein. Die beiden Phasen des Bürgerkrieges im 9. Jahrhundert konzentrierten sich auf die Zeiträume von 811–819 sowie 865–870. Siehe dazu Marsham 2009, S. 253, zum Konflikt zwischen al-Amin und al-Maʾ mūn bes. S. 259 ff. 124 Seit 800 herrschten im Maghreb die Aghlabiden, denen in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts auch die Eroberung Siziliens gelang. 909 flüchtete schließlich der letzte Aghlabiden-Emir vor den Truppen des Fatimiden al-Mahdī. Siehe Halm 1991, S. 97 ff. 122 123

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stellung von Gefäßen aus Bergkristall die Rede ist, während andere Quellen von ihrer Verwendung bei Hofe berichten. 125 Die Errichtung Samarras und die Pracht der dortigen Paläste illustrieren den Wohlstand und das künstlerische Niveau dieser Zeit, in der wohl auch der Steinschnitt seinen ersten Höhepunkt erlebte. Mit der Ermordung al-Mutawakkils 861 begann eine neuerliche Phase der Machtstreitigkeiten und des Bürgerkrieges, während derer auch Bagdad 865 wiederum über Monate hinweg belagert wurde. 126 Der Abfall Ägyptens unter den Tuluniden 868, die in der Folge zudem Syrien und Palästina besetzten, schwächte die Abbasiden schließlich so sehr, dass der 13. Kalif al-Muʿ tazz (reg. 847–869) die Soldforderungen seiner Truppen nicht mehr erfüllen konnte und 869 von diesen ermordet wurde. 127 Unter al-Muʿ taḍid (reg. 892–902) war der faktische Herrschaftsbereich der Abbasiden auf den Irak sowie Teile Syriens und des Iran zusammengeschmolzen, während vor diesem Hintergrund ab 900 der Aufstieg der Fatimiden einsetzte. 128 Diese Phase der politischen und ökonomischen Krise, deren Folgen den Kalifenhof ganz unmittelbar betrafen, muss auch auf die Werkstätten im Umfeld dieses Hofes Auswirkungen gehabt haben. Erst zu Beginn des 10. Jahrhunderts erholte sich das abbasidische Kalifat wieder. Unter dem 17. Kalifen alMuktafī (reg. 902–908) gelang nicht nur die weitgehende Vertreibung der Fatimiden aus dem abbasidischen Territorium, sondern 905 auch die Rückeroberung Ägyptens. 129 Es ist kaum anzunehmen, dass die Werkstätten der Steinschneider am Bagdader Hof nach über 30 Jahren der Krise noch in ihrer alten Form bestanden und tatsächlich fehlen in diesem Zeitraum auch jegliche schriftlichen Hinweise auf den Steinschnitt. Möglicherweise wandten sich die Handwerker al-Mutawakkils während der Krisenjahre einer

kleinteiligeren Produktion für einen größeren Markt zu und waren damit an der Begründung jener „Massenproduktion“ von Spielfiguren und einfachen Gefäßen beteiligt, von der al-Bīrūnī mehr als 150 Jahre später berichten wird. Auch wenn dies der Fall gewesen sein sollte und sich zu Beginn des 10. Jahrhunderts rasch wieder eine höfische Werkstatt zusammenfand, dürfte diese kaum in der Lage gewesen sein, unmittelbar an das technische Niveau der Zeit des al-Mutawakkil anzuknüpfen. Erst unter den Kalifen al-Muqtadir (reg. 908– 932) und ar-Rāḍī (reg. 934–940) finden sich wieder Berichte von Bergkristallgefäßen als Geschenken der Kalifen und diese Erwähnungen dürften den Neubeginn jener Produktion markieren, die alBīrūnī auf ihrem Höhepunkt beschreibt. Die Kalifen selbst hatten die reale politische Macht zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend an wechselnde türkischstämmige Militärs verloren und so erscheint es geradezu paradigmatisch, dass Bergkristallobjekte von besonderer Qualität nicht nur im Nachlass des ar-Rāḍī, sondern auch in großer Zahl in dem seines türkischen Heerführers und Gouverneurs von Bagdad Abū al-Hussein Bajkam erwähnt werden. 130 Zu einer dauerhafteren Stabilisierung der Verhältnisse in Bagdad kam es erst 945 mit der faktischen Machtübernahme durch die persischstämmigen Buyiden unter denen die Kalifen endgültig zu machtlosen Symbolfiguren wurden. Dem gleichzeitigen Aufstieg der Fatimiden konnten aber auch die Buyiden kaum etwas entgegensetzen. Die Tradition der Herstellung von Bergkristallgefäßen im Umfeld des Bagdader Hofes dürfte mit dem Fall der Buyiden 1055 erloschen sein, jedenfalls finden sich nach al-Bīrūnī keine Hinweise mehr auf eine solche Tradition. 131 Das Zentrum der anspruchsvollen Produktion von Hohlgefäßen scheint sich jedoch schon kurz

Aristoteles/Ruska 1912, S. 171 sowie Anon./Qaddumi 1996, S. 79, § 34. Le Strange 1901, S. 311 f. Zum Bürgerkrieg von 861–865 und seinen Umständen siehe Marshad 2009, S. 283 ff. 127 868 erklärte sich der ehemalige türkische Militärsklave Ahmad ibn Tulun (835–884) zum Statthalter Ägyptens und löste sich von den Abbasiden, indem er die Zahlung von Steuern verweigerte. Wie auch im Fall des Maghreb wurde die abbasidische Oberhoheit von den de facto unabhängigen Tuluniden nur noch formell anerkannt. Siehe auch Halm 1991, S. 87. 128 Halm 1991, S. 60 ff. 129 903 konnten die Truppen der Abbasiden den kurzlebigen fatimidischen „Mahdi-Staat“ am Orontes beseitigen und der Fatimide al-Mahdī floh über Ägypten in den Maghreb. Siehe Halm 1991, S. 81 ff. 130 Anon./Qaddumi 1996, S. 132, § 126 sowie S. 89 f., § 65 und zu den Schätzen des Bajkam S. 191, § 244 sowie S. 217, § 333. 131 Nennungen bei späteren Autoren sind meist relativ eindeutig als Übernahmen aus älteren Werken erkennbar (als Beispiel sei hier nur auf alQaswīnī (um 1203–1283) verwiesen. Siehe Qaswīnī/Ruska 1896, S. 9). Zudem bieten auch die erhaltenen Objekte keinerlei Anlass für die Annahme der weiteren Existenz einer solchen Produktion. Zum Fall der Buyiden siehe Halm 2003, S. 386. 125

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nach der Gründung Kairos in diese neue Metropole verlagert zu haben. Der Krug des al-Aziz kann in seiner herausragenden Qualität als Beleg für die Übersiedlung einer abbasidischen Werkstatt nach Kairo angesehen werden und wirft zudem ein Licht auf den Stand dieser Produktion unter den Buyiden. Einen vergleichbaren quantitativen Umfang wie alBīrūnī ihn beschreibt, hat der Steinschnitt unter den Fatimiden wohl nicht mehr erreicht. Zumindest sprechen die erhaltenen Quellen dagegen. Vielmehr scheinen die aus dem Abbasidenreich übernommenen Handwerker nun weitgehend exklusiv für die Fatimidenkalifen gearbeitet zu haben, die die Produkte dieser „Palastwerkstatt“ dann gezielt als besonders nobilitierende Geschenke einsetzten. Ob die Kairoer Werkstatt ihr hohes Qualitätsniveau auch über die Herrschaft des al-Hākim (reg. 996– 1021) hinaus bewahren konnte, erscheint fraglich, denn unter seinem Nachfolger az-Zāhir (reg. 1021– 1036) trat in Kairo eine ähnliche Situation ein, wie gut 150 Jahre zuvor am Hof der Abbasiden. Seit 1024 kam es zu Unruhen unter den Truppen, da der Hof infolge von Missernten kaum mehr zur Zahlung des Soldes in der Lage war. Die Anarchie reichte schließlich so weit, dass die schwarzen Sklaven das Bankett des Kalifen zum Opferfest überfielen und dort selbst höchste Würdenträger ungestraft ausraubten. Auch unter dem Nachfolger alMustanṣir (reg. 1036–1094) blieb die Lage so prekär, dass der junge Kalif bei seinem Erscheinen vor den Soldaten von diesen mit Steinen beworfen wurde und man gar eine Lanze nach ihm schleuderte. 132 Den Höhepunkt dieser Ereignisse stellte schließlich die über mehr als 15 Monate andauernde Plünderung der Schatzkammern des Kairoer Kalifenpalastes durch die marodierenden Truppen ab 1067 dar. 133 Die Produktion von Bergkristallgefäßen für den Kalifenhof dürfte aber zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen gewesen sein. Vielmehr ist anzunehmen, dass sich die höfischen Werkstätten schon in der ersten Phase der Krise unter az-Zāhir aufzulösen begannen. Nāṣir-i Ḫusrau erlebte bei seinem Aufenthalt in Kairo zwischen 1047 und 1050 die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm, aber auch er berichtet nur von nicht näher definierten Steinschneidearbeiten auf dem Kairoer Basar. Die Werk132 133 134

stätten, die dort noch mit Produkten für einen weiteren Käuferkreis ihr Auskommen fanden, dürften schließlich nach 1067 ihre Arbeit eingestellt haben, als die Märkte von den Schätzen der Kalifen regelrecht überschwemmt wurden, was zweifellos einen dramatischen Preisverfall zur Folge hatte. Auf der Suche nach neuen Patronen scheint es nun nicht abwegig, dass der Blick einzelner Handwerker auch nach Sizilien ging, das bis in die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts noch unter fatimidischer Herrschaft gestanden hatte. Nach der Eroberung Palermos durch die Normannen 1072 entstand dort eine neue Hofhaltung, die bestrebt war, sich auch durch Kunstpatronage zu legitimieren und in der Folge zahlreiche Künstler aus dem östlichen Mittelmeer anzog. 134 Im Licht der historischen Abläufe sowie der Quellen lässt sich für den islamischen Gefäßschnitt des Mittelalters abschließend etwa folgende Entwicklung rekonstruieren: Nach Anfängen im 9. Jahrhundert, oder möglicherweise bereits unter Hārūn arRaschīd (reg. 786–809), konnte der Steinschnitt mit der technisch besonders anspruchsvollen Herstellung von dünnwandigen Bergkristallgefäßen bis zum Ende der Herrschaft al-Mutawakkils (reg. 847– 861) eine erste Blüte erreichen. Nach einer Unterbrechung dieser hochstehenden Produktion setzte sie zu Beginn des 10. Jahrhunderts neuerlich ein, wobei dieser Neuanfang zunächst gewiss nicht unmittelbar an das Qualitätsniveau des 9. Jahrhunderts anschließen konnte. Um die Mitte des 10. Jahrhunderts war man wohl wieder zur Herstellung dünnwandiger Gefäße in der Lage. Auf diesem Stand wanderte ein Zweig der Werkstatt nach Kairo ab, wo er mindestens bis in die Regierungszeit des Kalifen al-Hākim (reg. 996–1021) tätig war. In Bagdad dürfte zumindest der anspruchsvolle Hohlschnitt spätestens in der Mitte des 11. Jahrhunderts zum Erliegen gekommen sein, ehe dies auch in Kairo der Fall war. Neben dieser Herstellung von komplexen, dünnwandigen Gefäßen für höfische Auftraggeber, gab es aber stets auch eine parallele Produktion einfacherer Steinschneidearbeiten für einen breiteren Markt. Die gebräuchlichsten Erzeugnisse waren

Halm 2003, S. 320 ff. sowie S. 348 f. Halm 2003, S. 404 ff. Siehe dazu etwa Wien 2004 oder, konkreter zum Steinschnitt Shalem 1999.

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wohl kleinformatige Objekte und Behälter, wie sie sich vielfach erhalten haben. Diese, hinsichtlich des technischen Anspruchs und des Materialbedarfs, deutlich weniger aufwändige Produktion dürfte die

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beschriebenen Krisen wesentlich besser verkraftet haben und nahm wohl auch immer wieder Kräfte aus den höfischen Werkstätten auf.

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III. Ohne Zweifel fatimidisch? Zur Ikonografie und Chronologie der mittelalterlichen islamischen Bergkristallarbeiten

Problematik und Herangehensweise Bei den Bergkristallobjekten des islamischen Mittelalters handelt es sich um eine höchst diverse und uneinheitliche Objektgruppe. Diese enorme Vielfältigkeit wurde in der Forschungsgeschichte durch die immer wieder erfolgte Übernahme und damit Verfestigung der Annahme nur eines Ursprungsortes und eines eng gesetzten Zeitraumes ihrer Entstehung überdeckt. Die in seinem Vorwort zu den Bergkristallarbeiten im Katalog der Ausstellung der Meisterwerke Muhammedanischer Kunst in München 1910 gemachte Aussage Ernst Kühnels, alle Stücke würden dem fatimidischen Ägypten entstammen, beherrscht bis heute die Wahrnehmung der Objekte außerhalb eines überschaubaren Expertenkreises. Dabei kam es, möglicherweise kriegsbedingt, nie zu jener Revision, die Kühnel selbst für nötig befand, nachdem er sich 1937 erstmals mit dem durch Paul Kahle übersetzten Abschnitt zu Bergkristall aus dem Steinbuch al-Bīrūnīs vertraut gemacht hatte. 1 Bis heute scheint die übergreifende Bezeichnung aller Bergkristallarbeiten als „fatimidisch“ in geradezu verblüffender Weise den grundlegenden Blick auf die Objekte verstellt zu haben, deren enorme Vielfalt in Formfindung und Dekor, aber auch in technischer und gestalterischer Ausführung bei näherer Betrachtung in geradezu frappierender Weise deutlich ist. Jenseits dieser forschungsgeschichtlich bedingten Problematik weist die formale Vielfalt der Objekte aber noch auf ein weiteres Problem hin. In Anbetracht der in Kapitel II.2 vorgestellten schriftlichen Quellen, die von einer umfangreichen Verarbeitung von Bergkristall in Basra, sowie von hunderten, wenn nicht gar tausenden

von Bergkristallobjekten in den Schatzkammern der fatimidischen Kalifen berichten, hat sich nur eine dramatisch geringe Zahl dieser Arbeiten erhalten. Dem Versuch einer stilkritischen Gruppierung sind bei dieser Zufälligkeit der Erhaltung einzelner Stücke, noch dazu weitab ihres mutmaßlichen Entstehungsortes, zweifellos Grenzen gesetzt. Und dennoch ist die eingehende, unvoreingenommene Betrachtung und eine daraus resultierende gründliche Analyse von Formen, Stil und Ikonografie der einzige Weg sich dem möglichen Ursprung und der Entwicklung der Objekte anzunähern. Wie im vorigen Kapitel dargestellt, kann aus den Quellen durchaus ein gewisses zeitliches Gerüst zur Entwicklung des Steinschnitts abgeleitet werden, das sich auch mit den historischen Abläufen des 9.–11. Jahrhunderts in Deckung bringen lässt, jedoch fehlen dort in der Regel jegliche weitere Beschreibungen, die eine detailliertere Vorstellung der erwähnten Objekte geben könnte. Zudem verschließt sich das Material selbst, zumindest bislang, befriedigenden naturwissenschaftlichen Analysemethoden. Doch selbst wenn sich diese fänden, bleibt vorerst offen, welche Fragen sie beantworten könnten. Die hypothetisch vorhandene Möglichkeit einer Bestimmung der Herkunft des Rohmaterials etwa verspräche in Anbetracht des bei al-Bīrūnīs beschriebenen und inzwischen auch archäologisch belegbaren weitreichenden Handels mit Bergkristall während des Mittelalters keine weiteren Informationen zur Beantwortung der Frage nach Ort und Zeit seiner Verarbeitung. Eine Untersuchung der Bearbeitungstechnik erscheint hinsichtlich der offenbaren Kontinuität von Materialien und Techniken der Hartsteinbearbeitung ebenfalls wenig aussichtsreich. 2

„[…] was hier [bei Biruni] über die Herkunft und Bearbeitung des Bergkristalls gesagt werde […] sei ganz neu und man werde alle erhaltenen Arbeiten daraufhin durchsehen müssen, ob sie hinsichtlich der Art des Dekors nicht doch eher auf den Iraq als, wie man bisher annahm, auf Ägypten zu lokalisieren seien. […] Jetzt müsse man die ganze Serie revidieren. Einige, die Inschriften auf bestimmte Fatimiden tragen (Aziz und Zahir), dürften schwerlich im abbasidischen Basra entstanden sein, aber von den anderen sicher die Mehrzahl.“ Diese Aussage Kühnels gibt Kahle in einer Fußnote seiner Übersetzung von Birunis Kapitel zu Bergkristall wieder. Siehe Biruni/Kahle 1936, S. 332, Fn. 3. 2 Die bisher möglichen Untersuchungsmethoden erlauben zumindest theoretisch eine solche Bestimmung des Fundortes des Rohmaterials. Siehe 1

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Die Archäologie konnte zur Frage der Herstellung und Provenienz der hier betrachteten Objekte bislang gleichermaßen kaum unmittelbare, belastbare Ergebnisse beibringen. Weder fanden sich bei Grabungen Objekte oder Bruchstücke in relevanter Zahl, noch Spuren der Werkstätten, in denen die mutmaßlich tausende von Gefäßen und Objekten gefertigt worden sein könnten. 3 Dies erklärt sich wohl vor allem aus der Exklusivität der dort entstandenen Werke und dem enormen Wert, den schon das Rohmaterial hatte. Wie zuvor angedeutet, existierte sicher niemals eine allzu große Zahl von Werkstätten, die zur Herstellung technisch anspruchsvoller, dünnwandiger Gefäße in der Lage waren. Bereits das Rohmaterial war ein teures Importgut und jeder Abfall der Produktion, aber auch die Fragmente zerbrochener Stücke bildeten zweifellos einen wertvollen Rohstoff innerhalb der Werkstatt, sei es zur Herstellung kleiner und kleinster Objekte wie Perlen oder auch als Schleifmittel für die verschiedenen Arbeitsschritte. Selbst Bruchstücke von Bergkristall dürften also noch zu kostbar gewesen sein, als dass man sie achtlos beiseite geworfen hätte. So kann es vielleicht schon als Glücksfall gelten, dass überhaupt einzelne Scherben erhalten blieben. 4 Und was für den „Abfall“ gilt dürfte umso mehr für die fertigen Produkte der Steinschneidekunst dieser Zeit gelten. Abgesehen von wenigen größeren Stücken handelt es sich bei der weit überwiegenden Mehrzahl der erhaltenen Bergkristallarbeiten um kleinformatige Objekte, die man allein schon aufgrund ihres kostbaren, zu allen Zeiten und in allen Gegenden in höchstem Maße geschätzten Materials stets sorgsam aufbewahrte und weitergab. Zudem bildeten sie bis in die Neuzeit ein begehrtes und weit gehandeltes Gut, wie die zahlreichen Stücke in den mittelalterlichen Schätzen Europas belegen. Der östliche Mittelmeerraum bot hier mit seinem dichten Netz von Handelswegen und vielfältigen politischen und kulturellen Verbindungen einen idealen Verbreitungs-

raum, worauf im letzten Abschnitt dieser Arbeit eingegangen wird. Bleibt also in Ermangelung ausführlicherer Quellen und archäologischer Befunde nur die stilkritische Analyse um sich diesen Objekten anzunähern, so stellen sich auch dieser gewisse Probleme entgegen. Neben der schon mehrfach angesprochenen zufälligen Erhaltung der Stücke, lassen sich in ihrem Dekor nur begrenzte Verbindungen zu anderen künstlerischen Medien wie Malerei, Metall, oder Schnitzkunst in Holz und Elfenbein herstellen. Und selbst beim Glas, das stilistisch und technisch dem Bergkristall ohne Zweifel am nächsten steht, finden sich nur wenige unmittelbare Vergleichsstücke. Die Ähnlichkeit zwischen Glas- und Bergkristallobjekten bleibt daher weitgehend auf Details des Dekors und technische Aspekte beschränkt. Gerade diese Tatsache – die offenbar weitgehende ikonografische und stilistische Eigenständigkeit der Bergkristallarbeiten – lenkt den Blick auf einen weiteren Aspekt der Werkstätten. Waren diese, zumindest wenn sie die technisch höchst anspruchsvollen Hohlgefäße fertigten, vermutlich nur auf wenige Zentren beschränkt, dürften die Meister ihrer Kunst nicht weniger begehrt gewesen sein als ihre Werke und man muss wohl von einer relativ hohe Mobilität dieser Künstler ausgehen. Dass diese Mobilität bei der Komplexität der Werkstätten schwieriger umsetzbar war als beispielsweise für Maler oder Elfenbeinschnitzer wurde bereits geschildert, jedoch dürften gerade beim Aufbau einer neuen Werkstatt Meister aus verschiedenen Zentren zusammengekommen sein, von denen jeder in gewissem Maße eigene Einflüsse einbrachte. So ist es vielleicht unter diesem Gesichtspunkt wenig verwunderlich, dass der Dekor und die gesamte Gestaltung der Bergkristallobjekte einen in gewisser Weise hybriden Stil repräsentieren, der sich dem unmittelbaren Anschluss an andere Kunstgattungen des islamischen Mittelalters meist entzieht. So soll im Folgenden versucht werden, die Gestaltung und Dekoration der erhaltenen Stücke zu-

Oberhänsli/Mullis 2000. Anbetracht der Häufigkeit des Materials stellt sich allerdings das Problem der Beschaffung entsprechender Vergleichsproben. Für Untersuchungen zur Bearbeitungstechnik siehe Morero/Procopiou 2013 sowie 2017. 3 Die dokumentierten archäologischen Befunde beschränken sich bislang auf je ein Stück aus dem irakischen Wasit (Nationalmuseum Bagdad, siehe Taf. T64) sowie aus dem iranischen Gurgan (Nationalmuseum Teheran, siehe Taf. T63). Beide Stücke sind lediglich durch Erdmann publiziert und ihr Material konnte bislang nicht überprüft werden. Siehe Erdmann 1959, Abb. 3 u. 4 sowie Abdul Khaliq 1976, S. 299 u. 280. Der bislang einzige Fund einer mittelalterlichen Werkstatt zur Bergkristallbearbeitung kam in Köln zutage. Siehe Berthold 2008 sowie Burianek/Höltken 2017. Verwiesen sei hier außerdem auf jüngste Funde in Spanien, die jedoch kein überzeugendes Bild einer dortigen Bergkristallverarbeitung geben können. Siehe Valdés/Zamorano 2019, bes. S. 430 f. 4 Zu erhaltenen Gefäßfragmenten siehe etwa Taf. T24–T33.

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Hohl geschnittene Gefäße

nächst unter formalen und stilistischen Gesichtspunkten zu gruppieren und durch die Einbeziehung technischer Beobachtungen die Grundlage für eine Diskussion des erhaltenen Materials zu schaffen. Zentrum und Ausgangspunkt dieser Diskussion bil-

den dabei die dünnwandigen Hohlgefäße, die allein aufgrund ihrer außerordentlichen technischen Meisterschaft als Repräsentanten der jeweils höchsten technischen und gestalterischen Entwicklung der jeweiligen Werkstätten angesehen werden können.

Typologie I – Objektformen Wie eingangs erwähnt, zeichnen sich die hier behandelten Bergkristallarbeiten in besonderer Weise durch formale Vielfalt aus: von den relativ grob gearbeiteten, massiven Objekten wie Schachfiguren bis hin zu fragilen Hohlgefäßen von unerreichter Meisterschaft, die Wandungsstärken von unter zwei Millimetern aufweisen. Das umrissene Spektrum der Objekte teilt sich, gemäß der Bearbeitungstechnik, grundsätzlich in zwei Gruppen. Zunächst sind dies jene Stücke, die in ihrer äußeren Form aus dem Block geschnitten und mit einem Dekor versehen wurden, bevor man in einem letzten Schritt gegebenenfalls eine einfache zylindrische oder leicht geweitete Bohrung einfügte. Dieser Gruppe gehört der weit überwiegende Teil der erhaltenen Bergkristallarbeiten des islamischen Mittelalters an (Taf. T36–T101). Wie bereits dargestellt wurde, konnten diese auch von weniger spezialisierten Handwerkern hergestellt werden, die ein größeres Spektrum von Schmucksteinen oder Siegeln bearbeiteten, da der Dekorschnitt auf dem massiven Kristall kaum technische Risiken mit sich brachte. Im Gegensatz dazu entstanden die wirklichen Hohlgefäße ohne jeden Zweifel in wenigen, herausgehobenen Werkstätten, in denen bereits der vorbereitende Hohlschliff zu außerordentlicher Meisterschaft entwickelt war und wo eine zweite Gruppe hochspezialisierter Handwerker den Dekorschnitt auf den äußerst empfindlichen, dünnwandigen Gefäßen ausführte. Die Ergebnisse dieser Arbeit wa-

ren fragile Meisterwerke, deren technische Perfektion auch Jahrhunderte später noch erkannt und wertgeschätzt wurde. Von diesen haben sich nur knapp über ein Dutzend erhalten. Dies spiegelt sicher vor allem die Zerbrechlichkeit der Gefäße, kann aber vielleicht auch einen Eindruck vom ursprünglichen Mengenverhältnis gegenüber der weniger anspruchsvollen Produktion geben. Während die massiv geschnittenen Objekte von einer größeren Zahl von Werkstätten ohne bedeutenden Materialaufwand und mit geringem Verlustrisiko für einen weiteren Käuferkreis hergestellt werden konnten, stellten die zeitgleich geschaffenen delikaten Hohlgefäße die exklusive Produktion einer sehr kleinen Anzahl von Werkstätten dar, die, wie früher in dieser Arbeit dargestellt, wohl nur in einem höfischen Umfeld denkbar sind. Sicher existierte von beiden Gruppen ein Vielfaches der erhaltenen Stücke, wie auch die mittelalterlichen Quellen berichten, doch dürften die massiv geschnittenen Objekte als Produkte kommerzieller Werkstätten stets den weitaus größeren Teil der Bergkristallverarbeitung ausgemacht haben. Die nachfolgend beschriebenen Objekttypen beschränken sich auf weitgehend erhaltene Beispiele, deren ursprüngliche Gestalt sich noch einigermaßen sicher bestimmen lässt. Kleinere Fragmente werden hier nicht berücksichtigt, sind jedoch in den Tafeln an entsprechender Stelle aufgenommen.

III.1 Hohl geschnittene Gefäße Anders als die massiv geschnittenen Objekte, die zweifellos in unterschiedlichen Qualitätsstufen für verschiedene Käuferschichten gefertigt wurden, waren die hohl geschnittenen Gefäße bereits aufgrund ihrer enorm langwierigen, komplexen und riskanten Herstellung außerordentliche Luxusprodukte und durchweg Werke herausragender Meis-

ter. Im Nachfolgenden soll daher auf diese zentrale Gruppe innerhalb des erhaltenen Materials und ihre formalen Vorläufer eingegangen werden, soweit sich diese bestimmen lassen. Blickt man unter diesem Gesichtspunkt auf die übrigen Werke des Gefäßschliffs der Spätantike und des Mittelalters, so fällt in Anbetracht der formalen Vielfalt der isla83

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Ohne Zweifel fatimidisch?

mischen Bergkristallgefäße auf, dass hier gerade jener Gefäßtypus fehlt, der unter den sonstigen Werken am häufigsten vertreten ist: die einfache, henkellose Schale. Dass sich kein derartiges Stück erhalten hat, obgleich zumindest eine Quelle im abbasidischen Kontext Schalen aus Bergkristall nennt, ist in der Tat verblüffend und es stellt sich die Frage, ob gerade all diese Stücke verloren gingen oder ob die islamischen Werkstätten möglicherweise dezidiert an Formen interessiert waren, die sich von den Stücken aus byzantinischer Produktion unterschieden und somit die Eigenständigkeit ihrer Werkstätten unterstreichen wollten. 5 Die im Folgenden aufgestellte formale Gruppierung der Objekte spiegelt sich im Tafelteil dieser Arbeit, auf dessen entsprechenden Abschnitt jeweils verwiesen wird. Stücke, die formal völlig allein stehen, wie etwa die „Lampe“ in der Eremitage in St. Petersburg (Taf. T23), sind hier nicht berücksichtigt.

Krüge und Flaschen Aufgrund der Datierbarkeit von zwei Bergkristallkrügen und ihrer daraus resultierenden Bedeutung für die gesamte Gruppe von sieben Krügen, soll mit diesen Stücken begonnen werden. Sie befinden sich heute in Venedig, Florenz, Fermo, London, Paris sowie in der Keir Collection. 6 Alle Krüge folgen in ihrer äußeren Gestalt einem einheitlichen Muster. Der Gefäßkörper hat stets eine annähernd birnförmige Gestalt mit abgeflachtem Boden, wobei der Übergang zwischen Wandung und Boden durchaus unterschiedlich gelöst ist. Während etwa die Krüge in London und Fermo hier einen etwas stärker gerundeten, harmonischen Übergang aufweisen (Taf. T2, T6), wirkt dieser am Krug des al-ʿAzīz in Venedig sowie jenem im Louvre kantiger (Taf. T4, T7), wozu bei diesen Stücken noch ein umlaufender Steg beiträgt. Gemeinsam ist allen noch intakten Krügen darüber hinaus ein niedriger konischer Fuß, sowie über dem Hals eine unterschiedlich ausgeprägte Erweiterung zu einem trop-

fenförmigen Ausguss, der nach oben hin stets völlig gerade und nahezu horizontal abschließt. Der Griff setzt unten stets an der Stelle des größten Durchmessers oder knapp darüber an und verläuft dann gerade, wenn auch mit einer leichten Neigung, als flache Platte nach oben. Dabei ist die Griffplatte nicht aus der eigentlichen Gefäßform heraus entwickelt, sondern wirkt wie ein angesetztes, eigenständiges Teil. Dem entspricht auch die obere Anbindung an den Gefäßkörper, die über einen gebogenen Steg erfolgt, der sowohl in seiner Dimensionierung wie auch Gestaltung deutlich von der Griffplatte abgesetzt ist. Wie beim unteren Ansatz des Griffes mündet der Steg nicht in die Gefäßform ein, sondern wirkt wiederum wie ein nachträglich angesetztes Stück an Metall- oder auch Keramikgefäßen. Nur am al-ʿAzīz-Krug in Venedig hat sich auf diesem Verbindungssteg ein kleines Tierfigürchen, ein sitzender Steinbock oder ein Mufflon, erhalten (Abb. 37). Reste bezeugen einen solchen Aufsatz auch in Florenz, London und Paris, wobei diese Spuren noch erkennen lassen, dass hier jeweils unterschiedlich geformte Figürchen angebracht waren. Charakteristisch für alle Krüge ist schließlich die Gliederung des Gefäßkörpers durch umlaufende, mehr oder minder ausgeprägte Stege, die auch die Dekorfläche rahmen und von dem stets undekorierten Bereich unter dem Griff absetzen. Die enge formale Entsprechung zu Metallarbeiten findet sich auch in einem Bericht aus der Plünderung der Fatimidenschätze in Kairo, wo von einem Bergkristallkrug die Rede ist, dessen Form explizit mit jener bronzener Wasserkannen mit konischem Fuß verglichen wird. Überhaupt werden in den Quellen zu Bergkristallarbeiten Krüge am häufigsten erwähnt und diese, gerade bei al-Maqrīzī, immer wieder zusammen mit offenbar sehr ähnlich gestalteten Glaskrügen genannt. 7 Tatsächlich zeigen einzelne erhaltene Beispiele aus Glas eine nahezu identische Form des Gefäßkörpers und seiner Gliederung, wobei sie eher der harmonischer gerundeten Form entsprechen. Die

Ein noch unpoliertes, relativ dickwandiges Fragment im British Museum gehörte möglicherweise zu einer noch während der Bearbeitung zerbrochenen Schale (Inv. 1959, 0515.1, siehe Taf. T26). 6 Venedig, Schatz von San Schatz Marco (Hahnloser 1971, Nr. 124); Florenz, Museo degli Argenti (Inv. 1917, n. 2, siehe Venturelli 2009, Nr. 20); Fermo, Diözesanmuseum (siehe Contadini 2015, S. 147); London, Victoria and Albert Museum (Inv. 7904–1862, siehe Contadini 1998, Pl. 7); Paris, Musée du Louvre (Inv. MR 333, siehe Paris 1991, Nr. 26, S. 163 ff.). An dieser Stelle sei auch noch auf ein weiteres Stück in der David Sammlung in Kopenhagen verwiesen, dessen Körper völlig undekoriert ist (Inv. 27/1999, siehe Folsach 2001, Nr. 368). Da es sich somit nur schwer an die übrigen hier besprochen Objekte anbinden lässt, kann es im Rahmen dieser Arbeit nicht diskutiert werden. 7 Anon./Qaddumi 1996, S. 239, § 409. Zu Glaskrügen im Fatimidenschatz siehe auch Halm 2003, S. 404 ff. 5

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Abb. 37: Bergkristallkrug, fatimidisch, 975–996; Montierung 16. Jh. u. später (Taf. T4, Tesoro di San Marco, Venedig)

bedeutendsten sind sicher der „Buckley-Ewer“ in London (Abb. 38), ein Stück mit grünem Überfang in Corning (Abb. 39), sowie ein in Fustat gefundenes Exemplar (Abb. 40), dessen archäologischer

Kontext auf eine Entstehung im 9. Jahrhundert hinweist und damit auch die geläufige Datierung der beiden anderen Beispiele in Frage stellt. 8 Der wichtigste Unterschied dieser Glasexemplare ist die ab-

London (Victoria and Albert Museum, Inv. C. 126–1936); Corning (Museum of Glass, Inv. 85.1.1); Kairo (Museum of Islamic Art, Inv. 71.6.34, siehe Scanlon 2001, S. 104: „Late 9th century“, Abb. S. 102 u. Taf. I). Weitere Exemplare dieser formalen Gruppe in unterschiedlichen Ausführungen und

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Abb. 38: Glaskrug, wohl iranisch, 10 Jh.? (Victoria and Albert Museum, London)

weichende Gestaltung des Griffes, der zumeist nicht als gerade Platte ausgebildet ist, sondern die Form eines gleichmäßigen schmalen Steges hat, auf dessen höchster Stelle ein Schmuckaufsatz angebracht ist. 9 Anders als bei den Bergkristallgefäßen ist dieser aber nicht in der Richtung des Steges orientiert, sondern sitzt quer zu diesem. Am erhaltenen Bei-

spiel in London ist dieser scheibenartige Aufsatz in Form zweier stark stilisierter, einander zugewandter Vögel gestaltet. Sowohl dieses Stück als auch jenes in Corning wurden in Persien erworben und könnten auch dort entstanden sein, wo sich etwa mit Nishapur eines der großen Zentren der Glasverarbeitung im islamischen Mittelalter befand. 10 Die

Dekoren finden sich etwa in Kopenhagen (David Sammlung, Inv. 51/1981 u. 11/1976), Berlin (Museum für Islamische Kunst, Inv. I 35/61) oder Corning (Museum of Glass, Inv. 55.1.116 oder 66.1.12). Die Datierung der geschnittenen Glaskrüge um 1000 beruht primär auf ihrer Verwandtschaft zu den Bergkristallkrügen, deren Datierung wiederum nie in Frage gestellt wurde. 9 Vereinzelte, nur in Bruchstücken erhaltene Beispiele in Glas zeigen eine ähnlich durchbrochene Struktur wie die an den Bergkristallkrügen. Der Aufsatz des Griffes ist jedoch wie beim Glaskrug des V&A (Abb. 38) quergestellt. Siehe etwa ein Fragment in Corning, Inv. 55.1.142. Siehe Whitehouse 2010, Nr. 392. 10 Buckley 1935 sowie Whitehouse 2010, S. 296 ff., Nr. 522. In Nishapur wurde ein formal eng verwandter Krug mit aufgelegtem Fadendekor ergraben. Siehe Kröger 1995, S. 111 f., Nr. 160. In Corning befindet sich auch ein noch stärker stilisierter Griff-Aufsatz, Inv. 59.1.467.

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Hohl geschnittene Gefäße

Abb. 39: Glaskrug mit grünem Überfang, wohl iranisch, 10. Jh. ? (The Corning Museum of Glass, Corning)

Assoziation zu Metallgefäßen, die bei den Glaskrügen noch deutlicher ist als bei den Bergkristallexemplaren, findet ihre Entsprechung in Bronze11

und Silberkannen, die sich in Vorstufen bis in die sasanidische Zeit verfolgen lassen (Abb. 41–42). 11 Jedoch zeigt gerade die Fülle formal verwandter

Siehe Erdmann 1953, S. 190 ff. sowie New York 1978, Nr. 18, S. 60 f. (Metropolitan Museum, Inv. 67.10) sowie Fig. 22a (Metropolitan Museum, Inv.

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Abb. 40: Glaskrug, gefunden in Fustat (Umzeichnung), wohl ägyptisch, 9. Jh. (Museum of Islamic Art, Kairo)

Stücke, wie verbreitet dieser Formtypus über einen langen Zeitraum hinweg war. Zu den persischen Metallkrügen ist anzumerken, dass die Aufsätze auf den Griffen sich meist auf florale Formen zurückführen lassen, wenn sie nicht völlig abstrakt gestaltet sind. 12

Ein einziges erhaltenes Stück weicht von der beschriebenen Form ab. Es befindet sich heute in San Lorenzo in Florenz und bezeugt einen noch größeren technischen Anspruch als die birnenförmigen Krüge, da sich der Durchmesser des zylindrischen Körpers unter einem ebenfalls zylindrischen Hals

47.100.90). Beispiele aus Bronze etwa in Kopenhagen (David Sammlung, Inv. Nr. 10/1992 u. 28/1987) oder bei Melikian-Chirvani 1982, S. 35, Fig. 2 u. 11, Khorasan, 10.–11. Jahrhundert. 12 Siehe ein Beispiel in London, wo auf dem Griff ein palmettenartiges Blatt sitzt (V&A Inv. 434–1906, Khorasan 8. Jahrhundert.). Die abstrakten, meist balusterartigen Aufsätze, teils auch als stilisierte Granatäpfel erkennbar, finden sich vor allem an späteren Stücken. Siehe Melikian-Chirvani 1982, S. 85.

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Abb. 41: Bronzekrug, wohl iranisch, 8. Jh. (The Metropolitan Museum of Art, New York)

Abb. 42: Silberkrug mit Vergoldungen, sasanidisch, 6.–7. Jh. (The Metropolitan Museum of Art, New York)

auf beinahe das dreifache erweitert (Abb. 43). 13 Die annähernd waagrechten, durch drei konzentrische Stege strukturierten Schultern dürften den Prozess des Aushöhlens dabei nochmals erheblich verkompliziert haben. Der Boden des Gefäßes zeigt einen eingezogenen konischen Fußring, ähnlich den übrigen Krügen. Der Griff ist verloren und sein Ansatz am äußersten Rand der Gefäßschulter wurde sorgfältig ausgeschliffen. Jedoch belegen die Form dieser Reparaturstelle sowie die ehemals unter dem Griff liegende, undekorierte Fläche im Halsbereich, dass dieser die Form einer relativ breiten, flachen Platte hatte. Die obere Einmündung des Griffes in den Hals lässt sich nicht mehr nachvollziehen, da dieser Bereich durch eine spätere Montierung verdeckt wird. Das formal nächste Vergleichsstück fin-

det sich wiederum in Corning, obgleich dort der Hals stärker konisch ausgebildet ist (Abb. 44). 14 Der Griff besteht in Corning aus einem breiten Steg, der mittig in zwei parallele Bänder geteilt ist. Auch hier finden sich weitere verwandte Objekte sowohl aus Glas wie Metall, die die Verbreitung der Form belegen, wenngleich auch der Krug in Corning die einzige Parallele mit HochschnittDekor darstellt. 15 Schließlich sei hier noch auf ein Fragment in Arolsen verwiesen, das ursprünglich möglicherweise ebenfalls den Körper eines Kruges bildete (siehe Taf. T17). Von leicht gepresster, bauchiger Gestalt, sind an einer Seite des Gefäßes deutlich Spuren einer ehemals vorhandenen, relativ breiten Handhabe zu erkennen, die sorgfältig abgeschliffen wur-

Bertani/Nardinocchi 1995, S. 30, Nr. 3. Corning (Museum of Glass, Inv. 59.1.489). Siehe Whitehouse 2010, S. 300 ff., Nr. 532 mit weiterer Literatur und Vergleichsstücken, vor allem Nr. 389A. 15 Ein formal vergleichbares Stück in Corning (Museum of Glass, Inv. 62.1.2) zeigt etwa einen umlaufenden Fadendekor. 13

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Abb. 43: Bergkristallkrug, wohl abbasidisch; Montierung wohl frühes 16. Jh. (Taf. T8, Tesoro di San Lorenzo, Florenz)

den. Zwar können Beispiele aus Glas hier eine vage Vorstellung von der möglichen Gestalt des Gefäßes geben, jedoch muss die Form eines zu ergänzenden Halses rein spekulativ bleiben. 16 Dem Krug in San Lorenzo formal ähnlich und wie dieser technisch nochmals anspruchsvoller als die birnenförmigen Krüge, sind die Flaschen, bei denen sich der Körper unter einem langen zylin-

drischen Hals deutlich erweitert. Dabei lassen sich zwei Typen unterscheiden, deren erster einen Körper mit kantigem Querschnitt aufweist, während dieser beim zweiten Typus kugelförmig gebildet ist. Der erste Typ hat sich in zwei Exemplaren in Florenz und Venedig erhalten. 17 Die Flasche in Florenz (Abb. 45) entspricht in ihrer Form zahlreichen

16 Zu möglichen formalen Vergleichsstücken: Corning (Museum of Glass, Inv. 79.1.201), New York (Metropolitan Museum of Art, Inv. 39.40.101) oder Kuwait (The al-Sabah Collection, Inv. LNS 92 G). Siehe Carboni 2001. 17 Florenz, San Lorenzo (siehe Bertani/Nardinocchi 1995, S. 44, Nr. 10); Venedig, San Marco (siehe Hahnloser 1971, Nr. 128).

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Abb. 44: Glaskrug mit grünem Überfang, wohl abbasidisch, 10. Jh. ? (The Corning Museum of Glass, Corning)

erhaltenen Beispielen aus Glas (Abb. 46). 18 Wie bei diesen erweitert sich der Hals leicht konisch zum

Körper hin, während dieser sich nach unten verjüngt. Analog zu den Krügen gliedern umlaufende

18 Siehe Erdmann 1953, S. 195 ff. Exemplare wurde wiederum in Nishapur gefunden (Kröger 1995, Nr. 227, siehe auch Nr. 108 u. 109). Weitere Beispiele aus Glas etwa in Berlin (Museum für Islamische Kunst, Inv. I 3/59), Kopenhagen (David Sammlung, Inv. 2/1972 u. 10/1963), Corning (Museum of Glass,

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Abb. 45: Bergkristallflasche, wohl 10. Jh.; Montierung um 1555 (Taf. T9,Tesoro di San Lorenzo, Florenz)

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Abb. 46: Glasflasche, abbasidisch, 9.–10. Jh. (The David Collection, Kopenhagen)

Stege den Gefäßkörper in einzelne Bereiche, in die auch der Dekor eingefügt ist. Auffällig ist zudem eine Abstufung im Bereich um den Halsansatz, während das Gefäß am Boden wiederum einen konischen Standring sowie im Zentrum einen kleinen ringförmigen Steg aufweist. Mit einer Höhe von etwa 22 cm gehört die Flasche in Florenz zu den größeren der erhaltenen Bergkristallgefäße. An dieser Stelle sei auch nochmals auf die Erwähnung

einer Bergkristallflasche als Geschenk des abbasidischen Kalifen ar-Rāḍī (reg. 934–940) verwiesen. 19 Das zweite Stück in Venedig (siehe Taf. T10) zeigt an Hals und Körper eine parallel-zylindrische Form, während die Gliederung der Oberfläche durch umlaufende Stege sowie die Verteilung des geschnittenen Dekors auf Körper und Hals dem Stück in Florenz entspricht. Die Form ist in ihrer Struktur denkbar einfach, sodass sich auch hier

Inv. 53.1.8, 55.1.128 u. 55.1.127), London (Victoria and Albert Museum, Inv. 2516–1910), New York (Metropolitan Museum, Inv. 40.170.129 oder 63.159.5) oder Kuwait (The al-Sabah Collection, Inv. LNS 8 G, siehe Carboni 2001, Cat. 55, Iran 10.–11. Jahrhundert). 19 Anon./Qaddumi 1996, S. 89 f., § 65.

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Abb. 47: Bergkristallflasche, wohl 10. Jh.; Montierung 12.–14. Jh. (Taf. T12, Domschatz Halberstadt)

problemlos vergleichbare Gefäße aus Glas anführen ließen. Wie schon im Fall der florentiner Flasche haben sich jedoch keinerlei technisch enger verwandte Stücke erhalten, sodass der Vergleich beliebig bleiben muss. Verwiesen sei hier zudem auf die Fragmente eines dünnwandigen, zylindrischen Gefäßes im Schatz der Abtei von Conque in Frankreich (Taf. T11). 20 Da sich lediglich drei Teile der Wan20

Siehe Shalem 1996, S. 211, Nr. 55 sowie Garland 2010, S. 88, Abb. 10.

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dung erhalten haben, lässt sich nur die Form des Körpers nachvollziehen, während die Gestalt des wahrscheinlichen Halses offen bleiben muss. Auf die ehemalige Existenz einer Handhabe gibt es keinerlei Hinweise, sie kann aber auch nicht völlig ausgeschlossen werden. Unter den Flaschen mit kugelförmigem Bauch stellt das Beispiel in Halberstadt (Abb. 47) das am vollständigsten erhaltene Stück dar und repräsen-

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Abb. 48: Glasflasche, abbasidisch, 9.–10. Jh. (The Corning Museum of Glass, Corning)

tiert zugleich einen außerordentlichen Höhepunkt des Gefäßschliffs. So musste der mittelalterliche Meister das Gefäß durch den schlanken Hals mit ca. 20 Millimetern Durchmesser und einer Länge von etwa 70 Millimetern aushöhlen und polieren,

wobei der Körper einen Durchmesser von knapp 90 Millimetern aufweist. Der Übergang vom Hals zur Gefäßschulter zeigt eine ähnliche leichte Abstufung, wie sie sich bei den Flaschen in Florenz und Venedig beobachten lässt. An dem Halberstädter 95

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Stück ist der Hals an dieser neuralgischen Stelle, knapp oberhalb des Ansatzes gebrochen, wurde aber wohl noch im Mittelalter mit einer Reparatur gesichert. Bei den beiden weiteren Vergleichsstücken ist der Hals an derselben Stelle gebrochen und hat sich nicht erhalten. Dennoch dürften beide Fragmente in Astorga und Capua (siehe Taf. T13, T14) demselben Typus entsprochen haben, zu dem sich umfangreiches Vergleichsmaterial aus Glas erhalten hat (Abb. 48). 21 In beiden Fällen verweist ein großer Teil des Vergleichsmaterials auf einen Ursprung in Persien, wobei auch in Samarra Fragmente vergleichbarer Gefäße zutage kamen, von denen sich jedoch kaum ein Stück enger an die Beispiele aus Bergkristall anbinden lässt. 22 Hier ist noch ein Fragment anzuschließen, bei dem sich die ursprüngliche Form des Gefäßes nicht mehr sicher bestimmen lässt, es handelt sich aber wohl um den oberen Teil einer bauchigen Flasche

mit einem Teil des Halses, wobei der Übergang zwischen beiden nicht ganz so abrupt ist wie bei den übrigen Beispielen (Abb. 32, S. 67). Kombiniert mit einer Bergkristallkuppa europäischer Provenienz, ist das Fragment zu einem Kelch montiert, der wohl bis ins 17. Jahrhundert Teil des Schatzes von Saint Denis war. 23 Auch in dieser Gruppe gibt es ein formal alleinstehendes Beispiel. Heute im Domschatz von Capua (siehe Taf. T16), zeigt es einen relativ kurzen Hals über einem leicht gestreckten, ovalen Körper. 24 Die Form des Fläschchens ähnelt samanidischen Bronzegefäßen des 10. Jahrhunderts sowie den bereits erwähnten sasanidischen Metallgefäßen. Für die Frage der Datierung dieses Gefäßtyps sei hier auch auf den Schatzfund von Famensi verwiesen, in dem sich ein vor 874 nach China gelangtes Glasfläschchen vergleichbarer Gestalt fand. 25

III.2 Offene Gefäße – Tassen, Becher und Teller Von der oben umrissenen Gruppe setzt sich unter technischen Gesichtspunkten eine zweite Gruppe dünnwandiger Gefäße ab, deren offene Form die Bearbeitung stark vereinfacht. Der Schliff des Rohlings und seine Aushöhlung waren hier nicht durch einen engen Hals behindert. Dennoch weisen die erhaltenen Beispiele deutliche Unterschiede hinsichtlich ihrer Ausarbeitung auf. Mit zwei Beispielen ist in dieser Gruppe von Bergkristallarbeiten der Gefäßtypus der einhenkeligen Tasse vertreten (Abb. 49 sowie T19). So sehr sich beide in der Qualität der technischen Ausführung sowie im Dekor unterscheiden, so folgen sie in ihrem Aufbau doch einem einheitlichen Muster. Der Körper besteht aus einer Halbschale mit einem relativ hohen, glatt belassenen und durch einen

Steg abgesetzten Lippenrand. Auf Höhe dieses Steges schließt ein ringförmiger Henkel an. Dieser ist von einer weit über den Ring herausragenden Daumenplatte überdeckt, die sich nach hinten leicht trapezförmig erweitert, bevor die Seiten abknicken und in einer Spitze enden. Während ähnliche Gefäßformen in anderen Materialien vorkommen, kommt doch keines dieser Beispiele den Stücken aus Bergkristall wirklich nahe. Meist ist der Körper insgesamt breiter und mit steilerer Wandung angelegt, wie dies etwa bei einem Glasgefäß in New York der Fall ist, und es fehlt die ungewöhnlich große Daumenplatte. 26 Zudem weist keines der im Typus vergleichbaren Glasgefäße einen geschnittenen Dekor auf. Auch in Metall kommt die Form der einhenkeligen Tasse oder Schale mit Henkel vor, wie Bei-

Siehe z. B. Carboni 2001, Cat. 2.35, Whitehouse 2010, S. 158 f. oder Goldstein 2005, S. 194 ff. (alle Beispiele datiert in das 9.–10. Jahrhundert). Siehe Kröger 1995 Nr. 170–172 sowie 225–227. Zu Samarra siehe Lamm 1928, Nr. 203–207. 23 Paris (Musée du Louve, Inv. MR 296). Siehe Paris 2001, S. 110 f. u. 115, Nr. 30. 24 Lipinsky 1964, S. 420 ff. 25 Beispiele aus Bronze etwa in Kopenhagen (David Sammlung, Inv. 24/1991) oder London (Victoria and Albert Museum, Inv. M.38.1959). Zu dem Stück in Famensi siehe Jiayao 1991, S. 123 sowie Abb. 2. Siehe hierzu außerdem eine Flasche in London (Victoria and Albert Museum, Inv. M.38–1959, mglw. Khorasan 10. Jahrhundert), Abb. in Melikian-Chirvani 1982, S. 41. Zu den sasanidischen Gefäßen siehe New York 1978, Nr. 13 und 22 (National Collection Teheran, Inv. 579 und 577) sowie Nr. 21 (Museum of Fine Arts, Boston, Inv. 58.94). 26 New York (Metropolitan Museum of Art, Acc.No. 69.223, mglw. Iran oder Irak, 9./10. Jahrhundert). Siehe dazu auch Stücke in Kuwait (The al-Sabah Collection, Inv. LNS 95 G, siehe Wien 2011, Abb. 51, S. 87 sowie Inv. LNS 11 KG, siehe Carboni 2001, Cat. 3.15), oder eine ganze Reihe von Beispielen in Corning (Mueum of Glass, Inv. 79.1.231, 71.1.20, 79.1.230, siehe Whitehose 2014, Nr. 804, 885 u. 892. 21

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Offene Gefäße – Tassen, Becher und Teller

Abb. 49: Bergkristalltasse, wohl abbasidisch; Montierung vor 1014 (Taf. T18, Dom St. Marien, Aachen)

Abb. 50: Bronzetasse, iranisch, 10. Jh. (Herat National Museum)

spiele in Herat oder Kuwait belegen. 27 Das Stück in Herat (Abb. 50), das auf das 10. Jahrhundert datiert wird, sei hier besonders hervorgehoben. Der Gefäß-

körper weicht zwar von der einfachen Form der Bergkristallarbeiten ab, jedoch ist die Gestaltung des Griffes in gleicher Weise gelöst. Zusätzlich ist

27 Kuwait (The al-Sabah Collection, Inv. LNS 799M, siehe Wien 2011, Abb. 49, S. 87) oder Melikian-Chirvani 1982, S. 29, Fig. 3. In Berlin findet sich auch ein Beispiel in Keramik (Museum für Islamische Kunst, Inv. I 73/62, Iran 10. Jahrhundert).

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Abb. 51: Bergkristallbecher, wohl iranisch, 9.–10. Jh. (Taf. T20, British Museum, London)

Abb. 52: Glasbecher, iranisch, 9.–10. Jh. (The Metropolitan Museum, New York)

auf diesen Griff noch ein weiteres Element aufgesetzt, das im Zusammenhang mit den eingangs beschriebenen Krügen von Interesse ist. Auf der Daumenplatte sitzt ein Löwenfigürchen, dessen Vorderläufe auf dem Tassenrand aufliegen. Vielleicht klingt hier eine Gestaltungstradition an, der auch die Bergkristallkrüge angehören, wenn dort ebenfalls Tierfigürchen auf den Griffen sitzen.

konischen Körper, aber die Wandung ist deutlich stärker durch umlaufende Stege gegliedert. Während etwa in London der Lippenrand durch eine knapp über dem Dekor liegende Wulst gebildet wird, ist dieser in Hannover als hoher glatter Rand gearbeitet, was den Bechern aus Glas entsprich (Abb. 52). Der Boden ist in Hannover völlig gerade und mündet in einen zylindrischen Sockel von nur 23 Millimetern Durchmesser, der kaum als Standfläche gedient haben kann, weshalb in dem Stück bereits eine Lampe vermutet wurde. 31 Tatsächlich finden sich auch keine unmittelbaren Spuren, die auf die frühere Existenz einer heute abgearbeiteten flachen Fußplatte schließen ließen. Außerdem ist hier noch ein meist als Lampe angesprochenes Stück in Venedig anzuführen, das mit etwa 400 Millimetern Höhe das größte erhaltene Bergkristallgefäß in dieser Studie darstellt (Taf. T22). Sonst weitgehend unbeschädigt, wurde offenbar zu einem nicht mehr bestimmbaren Zeitpunkt das untere Ende des zylindrischen Gefäßes abgearbeitet. Die Form dieses Stückes hat keine unmittelbare Parallele, könnte jedoch tatsächlich in einer bis heute fortdauernden formalen Tradition

Zwei weitere Objekte sind als konische Becher geformt. Das erste dieser Stück befindet sich in London und soll aus Persien stammen (Abb. 51). 28 Die gerade, sich nach oben weitende Wandung wird von einem geschnittenen Dekor überzogen. Den Übergang zum gerundeten Boden markiert ein ausgeprägter Steg wie er sich etwa auch an den Krügen findet. Der Fuß ist wie ein Gegenstück zum Boden gewölbt. Vergleichbare Becher aus Glas, mit geschnittenem Dekor, haben sich in zahlreichen Exemplaren erhalten, wenngleich diese auch meist einen weniger ausgeprägten Fuß aufweisen. 29 Das zweite bekannte Beispiel in Hannover (siehe Taf. T21) ist mit dem ersten nur begrenzt zu vergleichen. 30 Zwar hat auch dieses Gefäß einen geraden,

London, Britisch Museum, Inv. 1954, 1013.1. So etwa in Corning (Museum of Glass, Inv. 79.1.211, 79.1.265, 59.1.476 u. 55.1.121), Kopenhagen (David Sammlung, Inv. 17.1964) oder Kuwait (The alSabah Collection, Inv. LNS 31 KG, siehe Carboni 2001, Nr. 20a). 30 Hannover, Museum August Kestner, Inv. W.M. XXIa, 28a. 31 Siehe vergleichend dazu eine Glaslampe im Museum für Islamische Kunst in Berlin, Inv. I 2337, oder ein Becher mit hohem Fuß in Kuwait (The alSabah Collection, Inv. LNS 398 G, siehe Carboni 2001, Cat. 41). 28

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Massiv geschnittene Gefäße

von Glaslampen stehen, wie dies etwa Avinoam Shalem vermutete. 32 Abschließend sei noch auf die beiden erhaltenen Teller in Venedig und Aachen verwiesen (Taf. T34, T35), die sich in ihrer Materialität und technischen Ausführung allerdings weitgehend dem Vergleich mit den übrigen beschriebenen Objekten entziehen. Von ähnlichen Abmessungen zeigen beide Stücke auch einen vergleichbaren Aufbau. Dabei sitzt die leicht gewölbte Tellerscheibe auf einem relativ hohen, ringförmigen Sockel, der in Venedig im Profil eine Einschnürung aufweist, während er in Aachen

von zylindrischer Gestalt ist. Der geschnittene Dekor beschränkt sich auf ein umlaufendes Band auf der Fahne und lässt die Mitte der Tellerplatte leer. Anders als sämtliche übrigen bisher beschriebenen Stücke sind sie aus Kristall von deutlich geringerer Qualität und mit zahlreichen Einschlüssen gefertigt. Zudem sind beide von außerordentlich hoher Materialdicke, was in Anbetracht der relativ einfach zu bearbeitenden Form umso erstaunlicher ist. Aufgrund der Materialstärke sowie der einfachen Form erscheint die unmittelbare Anbindung an die übrigen islamischen Bergkristallarbeiten eher schwierig.

III.3 Massiv geschnittene Gefäße Wie bereits eingangs erwähnt, bilden die massiv geschnittenen Objekte – d. h. jene, die zunächst geformt und dekoriert und gegebenenfalls erst im letzten Schritt mit einem eingebohrten Hohlraum versehen wurden – die bei weitem größere Gruppe der erhaltenen Bergkristallarbeiten des islamischen Mittelalters. Anders als die Hohlgefäße entstanden sie vermutlich in einer Vielzahl von Werkstätten und wurden in durchaus unterschiedlichen Qualitäten ausgeführt. Wie bei den Hohlschliffen stellen auch hier Glasobjekte die wichtigste und ergiebigste Vergleichsgruppe hinsichtlich der formalen Gestaltung dar. Die Objekte der nachfolgenden Gruppen weisen eine einfache zylindrische oder leicht konische Bohrung auf, die bei den Stücken mit hochovalem Umriss zusätzlich leicht geweitet wurde. Mit ihren Bohrungen sind sämtliche Objekte dieser Abteilung als Gefäße verwendbar. Den Abschluss bilden dann tatsächlich massive Objekte ohne intendierte Gefäßfunktion. Dies sind zunächst Knäufe und anschließend Schachfiguren.

Gerundete und zylindrische Flakons Diese Gruppe umfasst zwei Lösungen, bei denen der Gefäßkörper einmal eine abgeflachte, gerundete Form zeigt sowie im zweiten Fall von zylindrischer Gestalt ist. Die Anzahl der gerundeten Flakons ist relativ

überschaubar. Wichtigste gemeinsame Merkmale sind ein meist ovaler, sich nach unten verjüngender Körper und ein, zumeist nur im Ansatz erhaltener, Hals. Das wesentlichste Unterscheidungsmerkmal zwischen den Stücken ist die Gestaltung der Schultern in gerundeter oder gerader Form, wobei diese Unterschiede deutlich größer sind als die Gemeinsamkeiten. Eine Ausnahme bilden dabei drei, in ihrer hochovalen Umrissform nahezu identische Stücke in London, Dallas sowie Washington (Taf. T36, T37, T38). An allen drei Beispielen fehlt ein Hals und sie enden in nahezu identischer Weise, sodass sich hier die Frage stellt, ob sie nicht möglicherweise in dieser Form gefertigt wurden. Einzigartig ist die Gestaltung der Gefäßschultern in Washington (Taf. T38), die flache, ovale Aufsätze tragen, die möglicherweise ursprünglich eine Montierung halten sollten. Zudem weist keines der Stücke eine Standfläche oder irgendwelche Hinweise auf einen ehemals vorhandenen Fuß auf. Während ein weiteres Stück in Assisi (Taf. T39) weitgehend der Form der drei oben genannten Beispiele folgt, lässt sich die leicht asymmetrische Gestalt eines Gefäßes in Essen (Taf. T40) nur eingeschränkt mit diesen Stücken vergleichen. Dies gilt weiterhin für eine Reihe von Gefäßfragmenten, deren ursprüngliche Form sich nicht mehr völlig erschließt. Ungewöhnlich ist ein Beispiel in Kuwait (Taf. T42), das gerundete Schultern zeigt, über denen ein zylindrischer, völlig ungegliederter Hals aufsteigt. Dies ist inso-

32 Zu einem Rekonstruktionsvorschlag siehe Shalem 1994, Fig. 4. Eine formal ähnliche venezianische Glaslampe des 15. oder frühen 16. Jahrhunderts besitzt etwa das Metropolitan Museum of Art in New York (Acc. No. 14.83).

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weit eigenartig, als die Mehrzahl der kleineren Bergkristallfläschchen einen konischen Hals mit zwei umlaufenden Halsringen aufweist, der sich bei der hier besprochenen Gruppe in einem Fall vollständig (Taf. T44), an anderen Beispielen fragmentarisch (Taf. T46) erhalten hat. Analog zu den Halsringen zeigen zwei Stücke gerade, durch zwei umlaufende Stege betonte Schultern (Taf. T44, T46). Dieses Element weist auch ein heute becherförmiges Stück in Emmerich auf (Taf. T47). Jedoch lässt sich in diesem Fall aufgrund der starken Überarbeitung nicht mehr bestimmen, ob dieses Stück ehemals einen Hals besaß und die Aushöhlung möglicherweise nur eine Stiftbohrung war, wie dies bei den meisten Objekten dieser Gruppe der Fall ist. 33 Lediglich bei den drei zuerst genannten Flakons (Taf. 37–38) sowie dem Exemplar in Kuwait wurde diese Bohrung zusätzlich geweitet. Sämtliche hier beschriebenen Objekte entziehen sich dem Vergleich mit anderen Stücken. Sie scheinen nicht aus einer wechselseitigen Beeinflussung mit Glasgefäßen entstanden zu sein, wie beispielsweise die Krüge. In ihrer Massivität und ihrem verhältnismäßig kleinen Hohlraum erscheinen sie explizit als Steingefäße und stellen diese Materialität in besonderer und unverwechselbarer Weise zur Schau. Demgegenüber stellen die Flakons mit zylindrischem, walzenartigem Körper eine weitgehend einheitliche und innerhalb der erhaltenen Bergkristallschnitte des islamischen Mittelalters die größte Objektgruppe dar. Über einem konischem Fuß stehend, münden sie oben in einen leicht konischen Hals (Abb. 53). Die einzelnen Elemente sind durch umlaufende Ringwülste voneinander abgesetzt oder zusätzlich durch solche gegliedert. Charakteristisch sind ein oder zwei Ringe im unteren Bereich des Halses, wo sie aller Wahrscheinlichkeit nach als Befestigung einer Montierung dienten. Der Reliefdekor zieht sich stets als streng begrenztes Band um die Mittelpartie des Körpers. Dieses grundlegende Schema tritt jedoch mit einer großen Vielfalt an Variationen und Abwandlungen auf. So kann das Profil etwa zwischen einer völlig geraden Form mit parallel laufenden Wandungen (Taf. T53 oder T58) und einer wie leicht gebläht wirkenden Gestalt

Abb. 53: Bergkristallfläschchen, wohl abbasidisch (Taf. T58, Museum Schnütgen, Köln)

(Taf. T50 oder Taf. T62) variieren. Ebenso weisen einzelne Stücke einen gestuften, fließenderen Übergang zwischen Körper und Hals auf (Taf. T48), während dieser bei der Mehrzahl der Stücke durch eine gerade Schulterplatte deutlich abgesetzt ist. Der untere Abschluss der Gefäße wurde in späterer Zeit meist abgearbeitet, um sie in eine Montierung einzupassen. Exemplarisch sei hier jedoch auf zwei Beispiele verwiesen, die sich in diesem Be-

33 Am Boden des Hohlraums dieses Gefäßes zeichnen sich deutlich die Spuren eines zylindrischen Hohlbohrers ab, jedoch wäre die Einbringung einer solchen Bohrung auch der erste Schritt zur weiteren Aushöhlung gewesen.

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Abb. 55: Fragment eines Glasfläschchens, islamisch, 9.–11. Jh. (The Corning Museum of Glass, Corning)

Abb. 54: Fragment eines Bergkristallfläschchens, wohl abbasidisch (Taf. T59, Victoria and Albert Museum, London)

reich offenbar weitgehend intakt erhalten haben. Der erste Flakon in Köln (Abb. 53) zeigt als Abschluss eine kleine, am Boden leicht konkav ausgearbeitete Platte, die als Standfläche wenig Stabilität bietet. Im Gegensatz dazu finden sich an einem Gefäßfragment in London Reste einer flachen Fußplatte (Abb. 54). Die erste Lösung erscheint an einer Reihe weiterer Stücke, sodass man sie für das erhaltene Material wohl als die Norm annehmen muss. Die Ausbildung einer Fußplatte korrespondiert hingegen mit erhaltenen Glasfläschchen, die trotz man-

cher Abweichungen die nächsten Vergleichsobjekte zu den Bergkristallflakons darstellen (Abb. 55). 34 Hinsichtlich der Gliederung des Gefäßkörpers lässt sich schließlich noch eine Reihe von Stücken ausmachen, die sich so deutlich von den beschriebenen formalen Variationen absetzen, dass sie hier als eigene Untergruppe angesprochen werden sollen. Bisher sind vier Objekte dieser Form bekannt geworden. Davon befindet sich je eines in London, in Granada, in Bagdad sowie in Teheran (Taf. T63– T66). Während die gliedernden Ringwülste bei den oben beschriebenen Stücken einheitlich als dünne, in sich unstrukturierte Stege erscheinen, weisen die vier zuletzt genannten Objekte über der dekorierten Mittelpartie des Gefäßkörpers eines oder zwei breitere Bänder auf, die ihrerseits durch einfache Schnitte dekoriert sind. 35 Neben einer einzelnen Ringwulst um den nahezu zylindrischen Hals ist auch der Schnittdekor so eigenständig gestaltet,

Corning (Museum of Glass, Inv. 53.1.45, 53.1.47, 76.1.188 sowie 76.1.203, siehe Whitehouse 2010, Nr. 383–386). Besonders verwiesen sei hier auf ein Beispiel aus Kairo, dessen Fundumstände auf das 9.–10. Jahrhundert verweisen sowie einen weiteren, wesentlich einfacher gearbeiteten Flakon aus blauem Glas aus dem 10. Jahrhundert. Siehe Scanlon 2001, S. 103, Nr. 43 f. sowie 42b. 35 Die Stücke befinden sich im British Museum, dem Museum der Alhambra, sowie den archäologischen Museen von Bagdad und Kairo. Siehe dazu Erdmann 1959, S. 202 sowie Abb. 2–4. Bei dem Stück in Teheran ist die sonst dekorierte Mittelpartie des Körpers lediglich facettiert. Bei den Gefäßen in Bagdad und Teheran konnte die Identifizierung des Materials als Bergkristall nicht überprüft werden. 34

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dass hier mit großer Wahrscheinlichkeit von einer abweichenden Provenienz ausgegangen werden kann. Eine einzigartige Besonderheit stellen die dokumentierten archäologischen Fundzusammenhänge der Stücke in Teheran und Bagdad dar (Taf. T63, T64). 36 Das erste Gefäß kam in Gurgān, im Nordosten Irans, nahe des kaspischen Meeres zutage, das spätestens im 11. Jahrhundert ein mittelalterliches Zentrum der Glasverarbeitung in der Region darstellte. 37 Das zweite Stück wurde 1939 in Wasīt im Ostirak, innerhalb der Moschee von Al-Hajjaj in einer Schicht ilkhanidischer Zeit gefunden. In beiden Fällen ist die Entstehungszeit der Gefäße allerdings mit großer Sicherheit deutlich früher anzusetzen als ihr Fundzusammenhang nahelegt. Auf diese Frage wird in Kapitel III.10 näher eingegangen.

Molare Flakons Die sogenannten „Zahnfläschchen“ oder molaren Flakons erhielten ihre Bezeichnung aufgrund ihrer vier Füße, die an die Wurzeln eines Backenzahnes erinnern. Die erhaltenen Beispiele zeigen, trotz der einheitlichen Grundstruktur, eine Vielfalt von Variationen, die sie vor dem Hintergrund der zahlreich erhaltenen Vergleichsbeispiele aus Glas als Vertreter verschiedener Entwicklungsstufen dieses Gefäßtyps erscheinen lassen. Gemeinsam ist allen Bergkristallgefäßen dieser Gruppe ein mehr oder weniger ausgeprägter kubischer Körper, auf dessen vier Seiten hochovale, gewölbte Schilde sitzen, welche die Unterseite des Körpers überragen und so die charakteristischen vier Füße bilden (Abb. 56). Die Schilde weisen in ihrer Mitte stets einen oder zwei horizontale Stege auf. Aus der ebenen Schulter des Körpers, die von den Schilden nicht überragt wird, steigt ein konischer Hals mit einem oder zwei Halsringen auf, wie dies bei der Mehrzahl der beschriebenen, massiv geschnittenen Gefäße der Fall ist. Der größte Teil der erhaltenen Beispiele ist unterschiedlich stark beschädigt. Es fehlen einzelne oder sämtliche der überragenden Schildspitzen oder auch der Hals. Eines der besterhaltenen Beispiele befindet sich in

Abb. 56: Bergkristallfläschchen in molarer Form, wohl abbasidisch; Montierung 11. Jh. (Taf. T74, St. Severin, Köln)

St. Severin in Köln (Abb. 56), auch wenn dieses Stück nicht den voll ausgeprägten Typus repräsentiert. Zum Verständnis dieser Objekte soll im Folgenden kurz auf die formale Genese der molaren Flakons anhand des Vergleichsmaterials aus Glas eingegangen werden. Anders als bei jeder anderen hier beschriebenen Gefäßform ist diese Vergleichsgruppe außergewöhnlich groß und kam in den unterschiedlichsten Qualitäten und Ausführungen an einer Vielzahl von Orten zutage. Während Lamm in den Fläschchen noch ein ägyptisches Exportprodukt sehen wollte, lässt sich dies aufgrund ihrer Häufigkeit und Verbreitung kaum noch halten. Vielmehr scheinen sie in den meisten Glaszentren des Orients hergestellt worden zu sein. 38 Auch wenn die Vielzahl der Fundstätten eine konkrete geografische oder zeitliche Zuordnung dieses Gefäßtypus prak-

Das Material der beiden Gefäße ist nicht gesichert. Erdmann gibt es als Bergkristall an, jedoch konnte dies vom Autor nicht überprüft werden. Erdmann 1959, S. 202. Eine wirkliche Bewertung der Glasproduktion in Gurgān und ihrer zeitlichen Einordnung scheint derzeit aufgrund mangelnder Publikation des Materials nicht möglich. Die genannte Datierung auf das 11. Jahrhundert basiert auf ergrabenen Glasöfen. Siehe Kröger 1995, S. 3 f. sowie 32 f. 38 Glatte vierseitige Fläschchen siehe Lamm 1928, Taf. II, Nr. 79 sowie Kröger 1984, Nr. 26–27, geschliffene Fläschchen siehe Lamm 1928, Taf. VII, Nr. 183, 218, 218a und 216 sowie Kröger 1984, Nr. 147–157 und Carboni 2001, S. 124. Die beschriebene Entwicklung lässt sich dort in der Abfolge 36 37

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Abb. 58: Glasfläschchen in ausgeprägter molarer Form, islamisch, 9.–10. Jh. (The Corning Museum of Glass, Corning)

Abb. 57: Glasfläschchen in einfacher molarer Form, islamisch, 9.–11. Jh. (The Corning Museum of Glass, Corning)

tisch unmöglich macht, lassen sich die folgenden Ausführungen auch an Beispielen aus dem Grabungskontext von Samarra nachvollziehen, die die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Ausformungen der „Zahnfläschchen“ belegen. 39 Den Ausgangspunkt dieser formalen Entwicklung muss man wohl in schlanken, viereckig-pris-

matischen Fläschchen mit steilem Trichterhals sehen. In ihrer einfachen, in die Form geblasenen Gestalt stellen sie sicher einen Grundtypus dar, der zu islamischer Zeit bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken konnte. 40 Bedingt durch das Einblasen in die Form weisen die Fläschchen in der Regel einen relativ massiven Sockel auf, während sich der tropfenförmige Hohlraum eher in der oberen Hälfte des Körpers befindet. Zahlreiche Beispiele belegen die Gestaltung der glatten Außenwände durch einfache lineare Schliffdekore. Zuweilen ist der Hals über einem eingeschnittenen Ring auch sechsseitig geschliffen. Der lineare Dekor des Gefäßkörpers folgt in den meisten Fällen einem einheitlichen Muster, bei dem sich etwa auf halber Höhe des Körpers ein umlaufender Einschnitt sowie ein Diagonalkreuz auf jeder Fläche finden. 41 In

o-m-e-f-l-b nachvollziehen. Eine ganze Reihe von Beispielen in den verschiedenen Formen brachten etwa die Grabungen in Fustat 1964–80 oder Nishapur zutage. Siehe Scanlon 2001, S. 92 ff. und Kröger 1995, S. 135–137 39 Siehe Lamm 1928, S. 60 f. 40 Lamm 1928, S. 13, zur Genese der Zahnfläschchen S. 60. 41 Robert Schmidt wollte eine Verbindung der Zahnfläschchen zu koptischen Amuletten mit menschlicher Gestalt erkennen. Er vermutete, diese „[…] relativ sehr kunstlose[n] Glasschnittarbeiten haben die in der Kaiserzeit mit dem größten Raffinement geübte Technik [des Glas- und Steinschnitts] im mittelalterlichen Ägypten am Leben erhalten und die technische Möglichkeit für die Wiedererweckung dieser Kunst abgegeben, die sich nun, im 10. Jahrhundert, mit der Bearbeitung des Bergkristalls befasste und rasch eine zweite, glänzende Blüte zeitigte.“ Schmidt 1912, S. 74.

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einem nächsten Schritt wurde die durch diesen Dekor vorgegebene Form plastisch herausgearbeitet, indem man im unteren, massiven Teil des Körpers den Raum zwischen den Kreuzspitzen herausschliff. Damit war bereits die Grundgestalt, die „Zahnform“ mit den charakteristischen vier Spitzfüßchen erreicht. Die Rohlinge scheinen nun auch vielfach massiv gegossen worden zu sein, da nun nicht nur die äußere Form, sondern auch der Hohlraum durch den Schleifer hergestellt wurde. 42 Neben dem einfachen linearen Schliffmuster auf dem Gefäßkörper gibt es aber auch stärker skulptural gearbeitete Beispiele. Bei diesen wurden die Kanten der Eckpartien konkav eingeschnitten, wobei man in der Regel zwei horizontale Rippen stehen ließ. 43 Die nun bereits schildartig wirkenden Eckpartien wurden dann auch im oberen Teil weiter herausgearbeitet, sodass sie geschweift erscheinen (Abb. 57). Da durch diesen Schliff ein Grat zwischen den Schilden entsteht, erwecken diese nun den Eindruck, nicht mehr an der Ecke des Flaschenkörpers, sondern auf seiner glatten Seite zu sitzen. Diese Entwicklungsstufe ist an dem eingangs genannten Beispiel in Köln (Abb. 56) sichtbar, indem die vermeintlichen Kanten des kubischen Körpers nur einen stumpfen Winkel aufweisen. Allerdings erhielt der zunächst vermutlich nur technisch bedingte Eindruck geschweifter Schilde, die auf den Flächen eines eigentlich kubischen Gefäßkörpers sitzen, offenbar einen eigenen ästhetischen Wert. Dementsprechend wurden die Schilde immer weiter ausgearbeitet und erscheinen zunehmend wie eigenständige, nachträglich angefügte Elemente (Abb. 58, vergl. Taf. T76–T79). Jedoch repräsentieren diese Abstufungen nicht nur unterschiedliche stilistische, sondern auch qualitative Stufen im Arbeitsaufwand. So entstanden zweifellos verschiedene Ausprägungen des Typus parallel. Jedoch ist für die Beispiele aus Bergkristall wiederum von einer gewissen Sonderrolle auszugehen, da hier bereits das Rohmaterial von hohem Wert war und somit einen höheren Aufwand in der Ausarbeitung rechtfertigte.

Zoomorphe Objekte Die Gruppe der zoomorphen Objekte teilt sich, von einer Ausnahme abgesehen, in zwei Darstellungen, solche in Löwen- und jene in Fischform. Die Ausnahme bildet das Fragment eines vogelförmigen Flakons in Kairo, der gemeinsam mit drei weiteren Objekten abschließend besprochen werden soll. Von den Gefäßen in Löwenform sind bislang fünf eng verwandte Beispiele bekannt geworden (siehe Taf. T80–T84). Gemeinsam ist allen die liegende Körperhaltung sowie eine gerade zylindrische Bohrung, die frontal, unmittelbar in die Brustfläche gesetzt wurde. Ansonsten weisen die Stücke große Unterschiede auf. Die genannten fünf Stücke befinden oder befanden sich in Sulmona (Taf. T80), London (Taf. T81), Köln (Abb. 59) sowie in Paris (Taf. T83) und Münster (Taf. T84). Bei letzterem Stück wurde der Kopf abgetrennt und verändert wieder aufgesetzt, sodass der Vergleich hier nur eingeschränkt möglich ist, jedoch lassen die sonstigen Übereinstimmungen vermuten, dass er ehemals den übrigen vier Figürchen entsprach. Neben der Gestaltung des Kopfes, mit charakteristischen Schlappohren sowie ohne Angabe der Augen, stellt jene der Läufe der Löwen eine weitere Gemeinsamkeit dar, indem sie bei vier Beispielen (nicht in Paris) an den Schenkeln in Halbpalmetten münden. In Köln und London erscheint an den Vorderläufen ein mandelförmiges Element, das auch das Stück im Louvre aufweist. Völlig isoliert stehen ein weiterer Löwe in London sowie ein äußerst grob und summarisch gearbeitetes Stück in Berlin. 44 Die Löwen-Flakons haben keine unmittelbaren Gegenstücke in anderen Materialien. Parallelen finden sich nur in einzelnen Elementen wie etwa der bartartigen Schraffur am Maul, die sich zuweilen auch an Löwendarstellungen in Bronze sowie an einem völlig singulären Löwenköpfchen aus Bergkristall in Berlin (Taf. 85) beobachten lässt. 45

Carboni 2001, S. 72 sowie Abb. bei Kröger 1995, S. 135 f. Abb. bei Kröger 1995, S. 137. Dort auf das 9.–10. Jahrhundert datiert. 44 Das Stück in London befindet sich in der Sammlung des Petrie Museum (Inv. 25300), jenes in Berlin im Museum für Islamische Kunst (Inv. 4649). Die Löwen unter der „Lampe der Hl. Kunigunde“ in Bamberg, die Erdmann noch zu dieser Gruppe rechnete, erweisen sich bei näherer Untersuchung als unvollständige Figürchen, die nur eine ausgearbeitete vordere Körperhälfte aufweisen. Erdmann 1940, S. 136. 45 Siehe eine fatimidischen Statuette in Kairo (Museum für Islamische Kunst, Inv. 4305, Abb. in Wien 1998, S. 115) sowie – deutlich später – ein 42 43

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Abb. 59: Bergkristallgefäßin Löwenform, wohl abbasidisch (Taf. T82, St. Ursula, Köln)

Weisen die Löwenflakons zumindest hinsichtlich ihres Dekors Verbindungen zum Schnitt der Hohlgefäße auf, so ist dies bei den fischförmigen Gefäßen (Taf. T86–T98) nicht der Fall. Auch diese Stücke lassen sich zunächst in zwei Gruppen aufteilen, deren erste außerordentlich homogen erscheint (Taf. T86– T92). Außer einem als Wulst gebildeten Kiemenrand und den hervortretenden Flossen zeigen diese Objekte keinerlei geschnittenen Dekor, während bei der zweiten die Flossen durch eingeschnittene Linien weiter strukturiert sind. Ein weiterer Unterschied liegt im verschiedenen Volumen der Körpergestalt. Die von Lamm als stärker stilisiert beschriebene erste Gruppe weist einen blasenartigen Körper mit ovalem Querschnitt auf. Abgesetzt durch einen geschwungenen Steg, schließt eine sich verjüngende Kopfpartie an, die in einer kreisrunden Wulst mündet, die die Mündung des zylindrischen Hohlraums umfasst. Das besterhaltene dieser Stücke befindet sich im Schatz von St. Servatius in Quedlinburg, wo es kopfüber in eine einfache Silberfassung eingesetzt ist (Abb. 60). Die Bauch- und Rückenflossen erscheinen dort in nur andeutender Stilisierung als runde oder ovale Erhebungen, während die Schwanzflosse symmetrisch zweigeteilt gestaltet ist. Sonst zeigt die Oberfläche an Kopf und Körper keine weitere Gestaltung und ist völlig glatt belassen. Den Hohlraum bildet eine einfache zylindrische Boh-

Abb. 60: Bergkristallgefäß in Fischform, abbasidisch ? (Taf. T86, Domschatz Quedlinburg)

rung, die sich zur Öffnung hin leicht weitet. Bei zwei weiteren, nicht so vollständig erhaltenen (oder sichtbaren) Stücken lässt sich dieselbe Gestaltung noch gut erschließen (Taf. T87, T88). Leicht von dieser Form abweichend sind vier Objekte, deren besterhaltenes Beispiel im Borghorster Stiftskreuz montiert ist (Taf. T89). Dem entsprechen drei nahezu identische Stücke in London (Abb. 61), Quedlinburg (Taf. T91) und Enna (Taf. T92). Etwas kleiner

Räuchergefäß in New York (Metropolitan Museum of Art, Inv. 51.56, Iran 12. Jahrhundert) und ein Aquamanile in Paris (Louvre, Inv. 7883, wohl Spanien, 12.–13. Jahrhundert). Das Stück in Berlin befindet sich im Museum für Islamische Kunst, Inv. I 4650.

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Abb. 61: Fragment eines Bergkristallgefäßes in Fischform, abbasidisch ? (Taf. T90, Victoria and Albert Museum, London)

und kompakter als die oben beschriebenen, sind hier die Rückenflossen als längliche Stege und die Bauchflossen in Tropfenform, mit leicht konkaver Oberfläche ausgeführt. Die zweite Gruppe weist einen etwas flacheren Körper und naturalistischer gestaltete Flossen auf (Abb. 62 sowie Taf. T93–T96). Während die Form ansonsten den zuletzt beschriebenen zwei Beispielen in Quedlinburg und London nahekommt, zeigen sie zusätzlich noch linear eingeschnittene Strukturen. So finden sich an der länglichen Rückenflosse und den vorderen, dreieckigen Bauchflossen parallele oder kreuzförmige Linierungen, während die Schwanzflosse wieder an allen Stücken verloren ist. Nur in einem Fall, in Berlin, ist auch das Auge durch eine eingeschliffene Facette angedeutet. Gemeinsam sind all diesen Stücken –soweit sich dies noch erkennen oder rekonstruieren lässt– zwei Details, die vielleicht einen Hinweis auf die ursprüngliche Verwendung der Objekte geben können. Zum einen gibt es eine mutmaßliche Standfläche, die beim ersten Typus durch die drei angedeuteten Bauchflossen, beim zweiten durch die geraden Unterseiten der beiden parallelen, dreieckigen Bauchflossen gebildet wird. In dieser Position ist der röhrenförmige Hohlraum wie bei den Löwenfigürchen annähernd waagrecht. Zum anderen weisen oder wiesen offenbar die Mehrzahl der Stücke um die Öffnung herum eine ringförmige Wulst

Abb. 62: Bergkristallgefäß in Fischform, abbasidisch ?; Montierung 11. Jh. u. später (Taf. T93, St. Severin, Köln)

auf, die das Anbringen einer Montierung an dieser Stelle und somit das aufrechte Hängen der Objekte ermöglichte. Diese Art der Montierung findet sich noch heute bei dem Beispiel in Köln (Abb. 62). Gefäße in Form von Fischen haben eine lange Tradition. So kamen bereits bei Grabungen in einer Palastanlage Pharao Amenophis III. (ca. 1401–1363 v. Chr.) in Ägypten Gefäße in Fischform zu Tage. Zwar bestehen diese aus opaker Glasmasse, jedoch zeigen sie bereits eine formale Stilisierung, die den Beispielen aus Bergkristall nicht unähnlich ist. 46 Daneben bietet aber gerade die blasenförmige Gestalt der ersten Gruppe auch eine starke Assoziation zu Glasbläserarbeiten und damit zu einem in der römischen Antike durchaus verbreiteten Gefäß-

Siehe hierzu Nolte 1968, S. 134 u. 137 sowie Taf. XXVIII und XXIX. Dort besonders das Stück in New York (Brooklyn Museum, Inv. 37.316 E), jenes im Ägyptischen Museum in Kairo (Inv. J. 32974), sowie in London (British Museum, Inv. 55193 1921–10–8, 127).

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typ. 47 Gefäße aus Glas und Metall, die eine Fischform zitieren, finden sich zwar auch in islamischem Kontext, jedoch weisen diese in der Regel eine deutlich andere und nochmals abstraktere Art der Stilisierung auf (Abb. 63). 48 Umso ungewöhnlicher sind drei erhaltene Beispiel von nahezu identischen Dimensionen mit einem eigenwillig kastenförmigen Körper und extrem stilisiertem, floralem Schnittdekor (Taf. T97, T98), deren Zugehörigkeit zu den hier betrachteten islamischen Steinschneidearbeiten aber durch einen archäologischen Befund belegt ist. 49 Abschließend sei auf ein absolutes Einzelstück verwiesen, das sich heute in Kairo befindet. Es handelt sich dabei um ein nur fragmentarisch erhaltenes Gefäß in Vogelform. 50 Gemeinsam hat das Stück mit den übrigen zoomorphen Gefäßen die horizontale Bohrung, die frontal in die Brust des Vogels geführt ist. Die einzigen weiteren Bergkristallobjekte in Form plastischer Vogeldarstellungen sind eigentlich Fläschchen des „herzförmigen“ Typs, deren Profil durch jeweils zwei nach außen blickende, stilisierte Vögel gebildet wird (Taf. T99–T101). 51 Jedoch sind sie gewissermaßen nur flankierende Elemente des eigentlichen Gefäßes, dessen Oberfläche zwischen den Körpern sichtbar ist und das nach oben in einen konischen Hals mündet. Damit entspricht er in seiner Gestaltung den Beispielen an den geraden Flakons, hat sich jedoch nur in einem Fall, in Weissenau (Taf. T100), erhalten. Ein drittes Objekt, das diesen zugesellt werden kann, befindet sich heute im Domschatz von Enna (Taf. T101). Mit seiner zylindrischen Stiftbohrung könnte es ursprünglich in etwa der Form des Weissenauer Beispiels entsprochen haben. Auch innerhalb dieser Gruppe setzt sich eines deutlich von den übrigen ab. Es ist der

Abb. 63: Glasfläschchen in stilisierter Fischform, ägyptisch, 10.–12. Jh. (The Corning Museum of Glass, Corning)

Flakon in Quedlinburg (Taf. T99), dessen Gestaltung mit langen gebogenen Schnäbeln und deutlich aufwändigerem Schnittdekor weniger abstrakt wirkt, obgleich auch hier kaum von Naturalismus gesprochen werden kann. Wie bereits im Fall der Löwen und der Mehrzahl der Fische zeigen die Vogeldarstellungen keine Augen.

Beispiele finden sich in verschiedenen Museen wie etwa in New York (Metropolitan Museum of Art, Inv. 15.43.168, 17.194.137 sowie 17.194.135) oder Corning (Museum of Glass, Inv. 55.1.94 sowie 79.1.107). Siehe dazu auch Kenesson 1999 oder Carboni 2001, S. 109. 48 Für Beispiele aus Glas siehe etwa Carboni 2001, Cat. 2.40a–2.40g. 49 Liebner 2014, S. 85–214, bes. S. 173–177. Das dritte, im Tafelteil dieser Arbeit nicht abgebildete Stück dort auf Fig. 2.3-18. 50 Kairo (Museum für Islamische Kunst, Inv. 15440). 51 Siehe dazu Erdmann 1953a mit einem weiteren, heute verschollenen Stück, das offenbar nahezu identisch zu dem Gefäß in Weissenau (Taf. T100) war. 47

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III.4 Massiv geschnittene Objekte Die massiv geschnittenen Objekte ohne intendierte Gefäßfunktion bilden eine abschließende Gruppe, die sich in mehrfacher Hinsicht von den zuvor beschriebenen Stücken absetzt. Dies gilt bereits für das ringförmige (Taf. T106) Objekt im Germanischen Nationalmuseum, dessen fatimidische Provenienz und Datierung in die Regierungszeit des az-Zāhir (reg. 1021–1036) durch die erhaben gearbeitete Inschrift belegt ist. 52 Unter den Bergkristallschnitten des islamischen Mittelalters ist dieses Objekt singulär und bereits seine ursprüngliche Funktion ist eine bislang ungeklärte Frage, wenngleich auch eine Durchbohrung im unteren Bereich auf eine Nutzung als Bekrönung eines anderen Objektes hindeuten könnte. Im Übrigen setzt sich diese Gruppe aus vier Knäufen zusammen, von denen sich zwei bis heute erhalten haben, sowie aus einer relativ großen Anzahl von Schachfiguren. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, lassen sich diese Objekte nur schwer an den islamischen Bergkristallschnitt anschließen, sollen hier aber dennoch aufgeführt werden, da sie traditionell dieser Provenienz zugeschrieben werden.

Knäufe und Schachfiguren Die Knäufe stellen trotz ihrer geringen Zahl eine höchst diverse Gruppe innerhalb der Bergkristallarbeiten dar (Taf. T102–T105). Die einzige echte Gemeinsamkeit stellt die unterschiedlich stark gepresste Kugelform der Knäufe mit ihrer zentralen Bohrung dar. An dreien der Stücke war die Bohrung ehemals mit hoher Wahrscheinlichkeit an beiden Enden durch Wülste eingefasst, die sich nur in Bamberg teilweise erhalten haben (Taf. T105). Korrespondierend dazu weisen die Beispiele aus Kairo und Berlin in diesem Bereich Abarbeitungen auf (Taf. T103, T104). In ihrer weiteren Gestaltung und Oberflächengliederung unterscheiden sie sich jedoch in hohem Maße. Während ein Stück in Essen (Taf. T102) auf seiner in Segmente untergliederten Oberfläche ausschließlich florale Formen zeigt, weist jenes in Kairo (Taf. T103) eine Inschrift

Abb. 64: Zeichnerische Darstellung der in Spanien erhaltenen Schachfiguren aus Bergkristall (Museu de Lleida: Nr. 1-4, 8-12, 21-30; Museo Catedralicio, Ourense: Nr. 5, 7, 13-18; Monasterio San Millán de Cogolla: Nr. 6, 19, 20)

auf. Zwei weitere sind mit Tierdarstellungen verschiedenen Typs und in deutlich unterschiedlicher Stilisierung versehen. Diese Vielfalt macht einen unmittelbaren Vergleich der Stück praktisch unmöglich und erlaubt nur eine vage Einordnung im Rahmen der folgenden Kapitel. 53 Demgegenüber stellen die Schachfiguren mit insgesamt mehr als 60 bekannten Beispielen rein zahlenmäßig die umfangreichste Objektgruppe dar (Taf. T107–T156). In ihrer formalen Gestaltung entsprechen die in Hartstein geschnittenen Figuren jenen aus Bein oder Holz, die sich in verhältnis-

52 Nürnberg (Germanisches Nationalmuseum, Inv. KG 695). Siehe die Übersetzung der Inschrift bei Hahnloser 1959, S. 133: „Gottes ist die reine Religion. Ali ez-Zahir li-i’zaz din illahi, dem Gott ein langes Leben schenken möge.“ 53 Auf ein weiteres Stück, das Teil des ungarischen Krönungsszepters in Budapest ist, sei hier nur am Rande verwiesen, da dieses Objekt in seinem Dekor keinerlei Hinweis auf eine islamische Provenienz enthält. Siehe dazu Tóth 2000.

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Massiv geschnittene Objekte

mäßig großer Zahl aus der islamischen Welt erhalten haben. 54 So schematisch die Spielsteine in ihrer klaren geometrischen Gestaltung auch wirken (Abb. 64), so zeigen sie bei näherer Betrachtung doch zahlreiche Unterschiede. Geht man von ursprünglich einheitlichen Figurensätzen von 16 bzw. 32 Stücken aus, so ist festzustellen, das jeder bekannte Erhaltungszusammenhang aus Figuren einer Vielzahl von Spielsätzen zusammengesetzt ist, die sich in ihrer Form, Größe, Gestaltung und Dekoration deutlich unterscheiden lassen. Offenbar konnten die Bauern dabei von unterschiedlicher Gestalt sein, während die übrigen Figuren der klassischen Form folgen. So berichtet etwa al-Bīrūnī (973–1048) mit Verwunderung, dass man in einer Mine Kristalle gefunden habe, die aussähen „[…] wie die Figuren des Nardspieles und die Bauern des Schachspiels, achteckig und sechseckig, wie durch Kunstarbeit geglättet.“ 55 Zweifellos spricht Bīrūnī hier von der natürlichen, hexagonalen Wuchsform der Kristalle und wirft zugleich ein aufschlussreiches Licht auf das erhaltene Material, denn tatsächlich findet sich eine Gruppe von zehn Spielsteinen mit konischer, sechseckiger Form im katalonischen Lleida (Abb. 65, Taf. T136, T137). 56 Zum selben Zusammenhang gehören 15 Figuren, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in eine französische Privatsammlung gelangten. Sie befinden sich heute in Kuwait (Taf. T138– T152). Zehn dieser Stücke sind offenbar zusammengehörig und stellen die qualitativ hochwertigsten unter den Schachfiguren dar. Die drei Bauern dieser Gruppe sind von leicht konischer, an der Oberseite gerundeter Form und stellen damit offenbar einen zweiten Typus dieser Figur dar (Taf. T145–T147). Weitere, in der Form ähnliche, in der dekorativen Gestaltung jedoch deutlich abweichende Bauern finden sich in Beständen in Spanien, Deutschland und der Schweiz (Taf. T121–T126). Ein besonderes Problem für Schachfiguren aus Bergkristall stellt die Unterscheidung der Parteien innerhalb eines vollständigen Spielsatzes dar. Wie bereits angedeutet wurde, ist die Erhaltung der Fi-

Abb. 65: Figur eines Bauern aus Ager, wohl islamisch (Taf. T.136, Museu de Lleida, Lleida)

gurensets außerordentlich fragmentarisch und ein Vergleich des erhaltenen Materials erbringt in dieser Hinsicht keine weiteren Verbindungen. Zu dieser Fragestellung wurden bereits mehrere Erklärungsvarianten vorgebracht, die sich aber in keinem Fall befriedigend belegen lassen. So wurde etwa vermutet die Parteien könnten in dekorierten und undekorierten Figuren bestanden haben. 57 Dies erscheint äußerst unwahrscheinlich, da sich bislang keine formal zueinander passenden Figuren gefunden haben. So unterscheiden sich etwa in Osnabrück erhaltene dekorierte und undekorierte Exemplare in ihrer formalen Gestaltung so stark, dass sie kaum als zusammengehörig angesprochen werden können (vergleiche Taf. T107–T121). Zudem fehlen in den ansonsten besonders umfangrei-

Zur Entwicklung der arabischen Formtypen siehe Wichmann 1960, S. 19 ff. Für Beispiele siehe Kluge-Pinsker 1991 sowie Freeman Fahid 2018. Biruni/Kahle 1936, S. 336. 56 Die Stücke in Lleida stammen ursprünglich aus der Kollegiatskirche San Pedro in Ager. 15 der Figuren gelangten von dort um die Jahrhundertwende in die Sammlung der Comtesse de Béhague in Paris. Siehe Lamm 1929/30, Taf. 77 sowie Freeman Fahid 2018, S. 170 ff. 57 Murray 1913, S. 765. 54 55

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Ohne Zweifel fatimidisch?

chen spanischen Beständen glatte Figuren nahezu vollständig. 58 Die Osnabrücker Figuren gaben schließlich Anlass für eine weitere Hypothese, da sich auf dem Boden von zwei der dortigen Figuren eine farbige Auflage erhalten hat (Taf. T111, T117). Jedoch muss hier zum einen offen bleiben, wann diese aufgebracht wurde, zum anderen erscheint ihre optische Wirkung durch den Kristall zu schwach um als Unterscheidungsmerkmal wirklich tauglich zu sein. 59 Tatsächlich lassen sich unter den Osnabrücker Figuren jedoch vier Stücke ausmachen, die auf ihrer Unterseite einen ringförmigen Einschnitt

aufweisen. Es sind dies zwei Läufer, ein Springer sowie eine Königin (Taf. T110, T111, T114, T107). Auch wenn vorerst offen bleiben muss, inwieweit diese Markierung zur Lösung des genannten Problems beitragen kann, so stellen diese vier Figuren doch zweifelsfrei eine zusammengehörige Gruppe dar, zu der noch ein König (Taf. T108) zu zählen ist. Zwar entspricht dieser in seiner Dekoration völlig der etwas kleineren Königin, jedoch zeigt er auf seiner Unterseite nicht die charakteristische Markierung. Möglicherweise gehörte er also bereits zur Gegenpartei.

Typologie II – Der Dekor Wie in den vorigen Kapiteln beschrieben, entziehen sich zahlreiche Bergkristallobjekte dem unmittelbaren formalen Vergleich mit Stücken in anderen Materialgruppen. Häufig lässt sich diese Lücke allerdings mit Details des geschnittenen Dekors schließen, der die Bergkristallarbeiten des islamischen Mittelalters charakterisiert und gewissermaßen definiert. Die bei weitem häufigste Motivik stellen dabei vielfältige Ausformungen von Rankendekoren mit Palmetten und Halbpalmetten dar. Fehlen häufig direkte Vergleichsstücke für ganze Dekormodi, so lassen sich einzelne Elemente doch vielfach auf Vergleichsmaterial nachvollziehen und ermöglichen damit die Darstellung einer stilisti-

schen Entwicklung. Neben diesem deutlich ablesbaren Wandel der einzelnen Formen, auf den im Folgenden im Detail eingegangen werden soll, lässt sich aber auch die Herausbildung immer komplexer werdender, aus diesen Elementen bestehender Strukturen beobachten, deren Höhepunkt die komplexen Palmettenbäume auf den Fronten der Bergkristallkrüge darstellen. Eine zweite bedeutende Gruppe, die sich ebenfalls gut an den Glasschnitt anbinden lässt, bilden Tierdarstellungen. Die beiden letzten Unterkapitel dieser Dekorstudie beschäftigen sich schließlich mit abstrakten Schnittdekoren sowie Inschriften.

III.5 Florale Dekore Florale Dekore mit Palmetten und Halbpalmetten haben im 8. Jahrhundert bereits eine lange Tradition im östlichen Mittelmeerraum, jedoch tritt zu den spätantiken und byzantinischen Ausformungen der floralen Motive in der einschlägigen islamischen Tradition noch ein weiterer starker Einfluss, der für die hier diskutierte Entwicklung von besonderer Bedeutung ist. Dieser rückte mit der Verlegung der abbasidischen Hauptstadt nach Bagdad im Jahre 762 wohl noch einmal verstärkt ins

Blickfeld. So befanden sich nur 35 Kilometer stromabwärts, an den Ufern des Tigris, die Ruinen der über 100 Jahre zuvor eroberten sasanidischen Hauptstadt Ktesiphon. Das Machtzentrum der muslimischen Kalifen rückte also aus der römischbyzantinisch geprägten Levante in die zentrale Region des letzten persischen Großreiches, dessen kulturelle Einflüsse in der Folge immer wieder spürbar sind. Ausgehend von Motiven wie dem charakteristischen Flügelpaar als Bestandteil der

Aus Spanien stammen lediglich die fünf undekorierten Figuren, die sich heute in Kuwait befinden. Siehe Lamm 1929/30, Taf. 77 sowie Freeman Fahid 2018, S. 176, cat. 73–76. 59 Nach Murray sollen auch die zehn floral dekorierten Stücke aus Ager (jetzt Kuwait) ursprünglich auf einer Basis aus rotem Glas montiert gewesen sein. Jedoch liefert er dafür keine weiteren Anhaltspunkte. Siehe Murray 1913, S. 765. 58

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Florale Dekore

Abb. 66: Boden einer Glasschale, abbasidisch, 9.–10. Jh. (The Corning Museum of Glass, Corning)

Krone der persischen Großkönige, wurde für die in diesem Kapitel diskutierten Dekorformen bereits von anderer Seite auf sasanidische Einflüsse verwiesen. 60 So findet sich die sasanidische Flügelkrone etwa im Königsfresko von Qusair Amra (zw. 724 u. 743) oder auf Münzbildern der umayyadischen Kalifen Muʿ āwiya (reg. 661–680) oder abd al-Malik (reg. 685–705). Sie wurde aber ebenso als dekoratives und wohl auch triumphales Element verstanden und ist etwa in den Mosaiken des Felsendomes in Jerusalem oder in den Reliefs der Fassade von Mschatta dargestellt. 61 Dass dieses Motiv der sasa-

nidischen Kunst auch Eingang in abbasidische Dekorformen fand, vermutete bereits Ernst Herzfeld bei seinen Untersuchungen zu den Stuckdekorationen von Samarra. 62 Hinzu kommt das offenbar noch lange präsente Wissen um diese charakteristische Kronenform, das sich über seine anhaltende Verwendung auf Münzen nachvollziehen lässt. So findet sich das Motiv auch Ende des 8. Jahrhunderts, also beinahe 150 Jahre nach dem Untergang des Sasanidenreiches, noch auf Prägungen der abbasidischen Gouverneure des persischen Tabaristan. 63

Zur ikonografischen Entwicklung der Flügelkrone siehe Fontana 2012 (bes. S. 95 m. Fußnoten), zum Nachleben des Motivs siehe Kröger 1999a. Fowden 2004, S. 203, Fontana 2012, S. 96 ff. sowie Kröger 1999a, S. 194 f. 62 Herzfeld 1923, S. 48 f., Abb. 66 u. 67. 63 Die abbasidischen Kalifen vermieden offenbar die Verwendung von Kronen und verliehen diese stattdessen ihrerseits zur Auszeichnung Untergebener. Siehe dazu Drews 2009, S. 94 f. 60 61

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 67: Detail des Bergkristallkruges Taf. T8, wohl abbasidisch (Tesoro di San Lorenzo, Florenz)

In islamischer Zeit wandelt sich das Flügelmotiv zu einer relativ einheitlich stilisierten Struktur, bei der sich eine spitzwinklige Dreiecksfläche an eine Volute anschließt, womit sich gewissermaßen bereits eine vegetabile Form ankündigt. Die Dreiecksform der Halbpalmette zeigt als Binnenzeichnung zunächst eine einfache Linierung, die meist parallel zur Längsseite verläuft, zuweilen aber auch der Wölbung der Volute folgt. Die Abstam64

mung des Motivs von der älteren Flügelform ist gerade bei diesen Ausbildungen noch besonders deutlich ablesbar. Bezeichnenderweise erscheinen diese Formen der Halbpalmette auf Beispielen des Glasschnitts des 9. und 10. Jahrhunderts häufig anstelle der Flügel von Vogeldarstellungen (Abb. 66). 64 In dieser Verwendung ist das Motiv auch auf einem der Bergkristallgefäße vertreten (Abb. 67). Im 9. Jahrhundert treten beide Typen der Bin-

Zu weiteren Beispielen dieser Form im Kontext von Vogeldarstellungen siehe etwa Whitehouse 2010, Nr. 296, 308, 424 od. 430 od. 431.

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Florale Dekore

Abb. 68: Glasschale, wohl Nishapur, 9.–10. Jh. (The British Museum, London)

nenzeichnung aber auch in anderen dekorativen Kontexten auf. Die fächerförmige, der Form der Volute folgende Gestaltung zeigt etwa eine wohl iranische Glasschale (Abb. 68), die in ihren eng beieinander liegenden Halbpalmetten noch deutlich an das sasanidische Flügelpaar erinnert. 65 Auf einem Bergkristallfläschchen in Borghorst (Taf. T48) findet sich ein ganz ähnliches Paar fächerförmiger Halbpalmetten, die nun jedoch über Ranken mit einer vollständigen Fächerpalmette verbunden wurden und somit eindeutig als vegetabile Formen identifiziert sind. Auf Glasfragmenten aus Samarra erscheint diese Halbpalmettenform schließlich auch im Kontext von Tierdarstellungen sowie in einem komplexeren Rankendekor (vergl. Abb. 30, S. 66 und 33, S. 68). 66 Parallel dazu scheinen die Halbpalmetten mit gerader, linearer Binnenzeichnung eine ähnliche Entwicklung durchlaufen zu haben. So erscheinen sie etwa auf einem in Fustāt gefundenen Glaskrug des 9. Jahrhunderts als einzelne dekorative Ele-

mente im Kontext einer Inschrift (vergl. Abb. 40, S. 88). 67 Gerade im Bergkristallschnitt geschieht die Überführung der linearen Halbpalmette in komplexe, vegetabile Dekore aber in einer Fülle und einem Variantenreichtum, der auf Glas nicht so nachvollziehbar ist. Dabei lässt sich häufig die Kombination verschiedener Halbpalmettenformen beobachten (Abb. 69 sowie Taf. T42–T43). Neben jenen mit linearen Binnenzeichnungen tritt nun eine dritte Form auf, die auch in ihrer inneren Entwicklung noch deutlicher als vegetabiles Element charakterisiert ist. Dabei ist die dreiseitige Umrissform der Halbpalmette nicht durch parallel verlaufende Linien strukturiert, sondern ist in ihrer Fläche klar in zwei Einzelelemente unterteilt (Abb. 70). Aus der Volute erwächst ein langgezogenes Blatt, das der Längsseite der Form folgt. In den Raum zwischen diesem Blatt, das zuweilen auch eine Art Mittelrippe zeigt, und die Volute schmiegt sich eine kleine Dreiecksform. Ein Stück wie die Tasse des Aachener Ambo (Abb. 71) wirft die Frage auf, ob

Die Schale in London (British Museum, Inv. 1964 10–12 1) weist in ihrem Dekor große Ähnlichkeit zu einem in Fustāt gefundenen Stück auf, das sich aus seinem Fundkontext auf das 9. Jahrhundert datieren lässt. Siehe Scanlon 2001, Nr. 43a. Zur Überführung des Motivs des Flügelpaares in die Form einer gesprengten Palmette siehe auch Kröger 1999a, S. 197 ff. sowie für eine parallele Entwicklung im christlichen Kontext Fontana 2013, S. 100 f. 66 Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. Sam I. 47.3 bzw. Sam Kat 246a sowie Sam 606.4. Siehe vergleichend auch Fragmente aus Nishapur (siehe Kröger 1995, Nr. 194 oder 197) sowie in Corning (Museum of Glass, siehe Whitehouse 2010, Nr. 311, 335, 442 oder 443). 67 Zu dem Krug in Fustāt siehe Scanlon 2001, Nr. 43 f. In dekorativen Kontexten erscheint das Motiv auch auf Glasfragmenten in Corning (Museum of Glass, siehe Whitehouse 2010, Nr. 446, 448, 452 oder 523). 65

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 69: Detail des Bergkristallfläschchens Taf. T51, wohl abbasidisch (ehem. Stiftskirche St. Anastasius und Innocentius, Gandersheim)

es sich hier möglicherweise um eine Variante handelt, die zunächst in der vollständigen Palmettenform entwickelt wurde, jedoch finden sich dafür keine weiteren Indizien. 68 Objekte wie eine grüne Glasschale in Corning deuten aber darauf hin, dass die dreigliedrige florale Halbpalmette ebenfalls bereits im 9. Jahrhundert vorkommt. 69 Eine Schale in Corning zeigt ein Paar floraler Halbpalmetten als Bekrönung einer komplexen

Struktur, deren Zentrum ein giebelartiges Motiv einnimmt, das wie der Umriss einer Palmettenform ohne Binnenzeichnung wirkt. Obgleich diese dreiseitige Form auf Glasschnitten zuweilen auch isoliert zu finden ist, tritt sie häufig als bekrönendes Element über einem Stabmotiv auf (vergl. Abb. 68) und scheint damit auf eine sasanidische Urform zurückzugehen, bei der ein Stab von einem Pinienzapfen bekrönt ist. 70

Im Glasschnitt erscheint diese Palmettenform eher selten. Siehe etwa Whitehouse 2010, Nr. 438 oder 540. Whitehouse 2010, Nr. 490, vergl. auch Nr. 367, 389 oder 543. 70 Isoliert findet sich diese Umrissform etwa auf Glasfragmenten in Corning, Museum of Glass. Siehe Whitehouse 2010, Nr. 334, 397 oder 437. In Kombination mit anderen Motiven tritt sie auf einer Vielzahl von Beispielen auf, wie etwa einer roten Glasschale in Venedig (Schatz von San Marco, siehe Hahnloser 1971, Nr. 119) sowie auf zahlreichen Beispielen in Corning (Museum of Glass, siehe etwa Whitehouse 2010, Nr. 296, 334, 377 od. 441). 68

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Florale Dekore

Abb. 71: Detail der Bergkristalltasse Taf. T18, wohl abbasidisch (Taf. T18, Dom St. Marien, Aachen)

Abb. 70: Detail des Bergkristallfläschchens Taf. T16, wohl abbasidisch (Tesoro del Duomo, Capua)

Im Bergkristallschnitt lassen sich die beschriebenen Grundformen von Palmetten und Halbpalmetten in immer weiterer Differenzierung der Einzelelemente bis in fatimidische Zeit verfolgen. So zeigt etwa der Krug des al-ʿAzīz in Venedig ebenfalls eine dreigliedrige Halbpalmettenform, die nun aber wesentlich kleinteiliger ausgearbeitet ist. Anstelle der einfachen Schrägschnitte, die die einzelnen Elemente der Blattform auf früheren Beispielen voneinander absetzen (Abb. 70), sind diese in Venedig oder Florenz (Abb. 76 u. 77) nun weitgehend aus der geschlossenen Umrissform herausgelöst, indem die Steinschneider selbst kleinste Zwischenräume völlig ausarbeiten. 71 Innerhalb dieser Entwicklung setzt sich aber eine Gruppe ab, die sich offenbar an den Fächerpalmetten orientiert, wie sie die Glasfragmente aus Samarra zeigen (Abb. 33, S. 68). Dabei weisen die

Blattformen eine äußerst reiche und kleinteilige Binnenzeichnung auf, die jedoch ausschließlich in linearen Schnitten ausgeführt ist (Abb. 72 u. 73). Innerhalb der noch völlig geschlossenen Umrisslinie der Palmetten und Halbpalmetten sind die einzelnen Elemente durch eine Vielzahl von Zierschnitten und Punktfacetten dekoriert und bilden damit einen Dekor, der sich in dieser Form auf Beispielen des Glasschnitts nicht nachweisen lässt. Vielmehr erinnert die Flächigkeit des Dekors, der bereits Lamm „iraqenisch“ erschien, an den optischen Effekt der großflächigen geschnittenen Stuckreliefs in Samarra. 72 Zwischen diesen zwar üppigen, in ihrer Binnenstruktur aber nur in flachem, linearem Schnitt ausgeführten Blattformen und den fragilen Gebilden der fatimidischen Beispiele reiht sich schließlich noch eine Gestaltung ein, die, ähnlich wie dies auch im Stuck von Samarra zu beobachten ist, die lineare Zeichnung durch eine Rundung der Einzelformen ersetzt. Obgleich die geschlossene Umrissform weiterhin gewahrt bleibt, erhalten die einzelnen Bestandteile der Blätter nun ein stärkeres eigenes Volumen und sind durch tiefe Schrägschnitte definiert (Abb. 74 u. 75). Einen markanten Unterschied zu den fatimidischen Stücken stellt das Belassen der kleinen Materialinseln in den Zwischenräumen der

Verwiesen sei hier auch nochmals auf die in Kairo gefundene Schale aus dem 9. Jahrhundert. Siehe Scanlon 2001, Nr. 43a. Zum sasanidischen Ursprung der Form und ihren antiken Vorlagen siehe Kröger 1999a, S. 197 f. 71 Für ergänzende Beispiele im Glasschnitt siehe Whitehouse 2010, Nr. 425, 444 od. 545. Zusätzlich sei auf den Buckley-Krug (Abb. 39) sowie ein in Kairo gefundenes Fläschchen verwiesen (Scanlon 2001, Nr. 43g). 72 Die besonders reiche Gestaltung der Blattformen findet sich auf Krügen in Venedig, London und Dallas (Dallas Museum of Art, Keir Collection, vgl. Taf. T1-T3), einem Gefäß in St. Petersburg (Eremitage, vgl. Taf. T23), einer besonders dünnwandigen Scherbe in Kopenhagen (Taf. T24) zwei ovalen Gefäßen in London und Dallas (Dallas Museum of Art, Keir Collection, vgl. Taf. T36, T37) sowie – etwas entfernter – einem Becher in London (British Museum, vgl. Taf. T20).

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 73: Detail des Bergkristallkruges Taf. T2, wohl abbasidisch (Victoria and Albert Museum, London)

Abb. 72: Detail des Bergkristallkruges Taf. T1, wohl abbasidisch (Tesoro di San Marco, Venedig)

Abb. 74: Detail des Bergkristallgefäßes Taf. T38, wohl abbasidisch (Freer Gallery of Art, Washington)

Abb. 75: Detail der Bergkristallflasche Taf. T9, wohl abbasidisch (Tesoro di San Lorenzo, Florenz)

Abb. 77: Detail des Bergkristallkruges Taf. T5, fatimidisch, 1000–1011 (Museo degli Argenti, Florenz)

Abb. 76: Detail des Bergkristallkruges Taf. T4, fatimidisch, 975–996 (Tesoro di San Marco, Venedig)

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Florale Dekore

Einzelformen dar, die bei den späteren Beispielen dann vollständig ausgearbeitet sind. Mit der Flasche im Schatz von San Lorenzo (Taf. T9) findet sich diese Variante auch auf einem qualitativ herausragenden Werk des Kristallschnitts. Nur in einem einzigen Fall finden sich im Rankenwerk des Dekors auch Früchte. Dies sind Trauben auf dem Krug in Fermo, die in einer eigenwillig stilisierten Form dargestellt sind. Die geschlossene Umrissform erscheint als ein sich nach unten verjüngendes Oval, das eine leichte Einschnürung erahnen lässt. Die einzelnen Beeren sind nur durch Reihen von eingeschliffenen Facetten angedeutet. Tatsächlich haben sich auch auf Glas kaum weitere Vergleichsbeispiele für eine solche Darstellung erhalten. Ein Exemplar findet sich in der David Sammlung in Kopenhagen. Zumindest entfernt lassen sich die derart stilisierten Trauben zudem mit ähnlichen Motiven im Stuck von Samarra vergleichen. 73 Der genannte Bergkristallkrug in Fermo (Taf. T6) setzt sich jedoch auch in den Formen seines floralen Dekors so deutlich von den übrigen erhaltenen Gefäßen ab, dass er als Zeugnis einer eigenständigen Entwicklung angesprochen werden kann. Fächerpalmetten verbinden sich dort mit lilienartig ausgebildeten Halbpalmettenformen, die in einer gewissen Verwandtschaft zu den Dekoren der Kugelfläschchen in Halberstadt und Astorga (Taf. T12, T13) erscheinen. Die Unterschiede zwischen diesen Stücken suggerieren allerdings eine längere Entwicklung dieser Formen, die sich aufgrund des wenigen erhaltenen Materials nicht mehr nachvollziehen lässt. Parallel zu diesem Entwicklungsprozess der Einzelelemente ist auch bei der Verbindung der Palmettenelemente durch Triebe oder Ranken eine zunehmende Komplexität sowie eine immer organischere Zusammenstellung zu beobachten. Am Beginn jener Entwicklung, die zu den komplexen Lebens- oder Palmettenbaummotiven auf den Vorderseiten der Bergkristallkannen führt, stehen sa-

Abb. 78: Detail des Bergkristallkruges Taf. T2, wohl abbasidisch (Victoria and Albert Museum, London)

sanidische Darstellungen von Baum- und Weinstockmotiven, die ihrerseits wieder in assyrisch-babylonische Zeit zurückreichen. 74 Die engere Entwicklung geht wohl von dem oben beschriebenen sasanidischen Stabmotiv aus, das sich in islamischer Zeit zunehmend zu einer organischen, vegetabilen Form entwickelt. 75 Die bereits mehrfach angeführten Glasschalen in Corning (vergl. Abb. 66, S. 111) dokumentieren diesen Prozess und zuweilen erscheint auch auf Bergkristallarbeiten noch eine Erinnerung an das ursprüngliche Stabmotiv, das in seiner Mitte ein ring- oder perlenartiges Gebilde zeigt (siehe Taf. T38, T54, T56 oder T58). Innerhalb der Bergkristallschnitte stellen Formen wie auf den Gefäßen in Capua (Abb. 70) oder in Borghorst (Taf. T48) wohl die früheste Form dar, indem dort ein Halbpalmettenpaar mit einer vollen Palmette verbunden wird. Diese Grundform konnte dann beispielsweise zu Friesen erweitert werden (Abb. 71). In einem nächsten Schritt rückt die Palmette selbst ins Zentrum (Abb. 69 u. 70) und die Ranken erwachsen nun nicht mehr nur aus der logischen unteren Seite, sondern auch aus der Blattspitze. Mit der Möglichkeit, Halbpalmetten kettenartig auseinander sprießen zu lassen, können Flächen nun mit einer komplexen Palmettenstruktur gefüllt werden (siehe Taf. T40, T42, T43). 76 Wie bei

Kopenhagen (David Sammlung, Inv. 70/1964), etwas entfernter auch London (Victoria and Albert Museum, Inv. C.62–1971). Zu Samarra siehe Herzfeld 1923, S. 190 ff., Abb. 274 u. 282b. 74 Komplexere Rankendekore finden sich auf sasanidischen Silbergefäßen wie etwa den Vasen in Berlin (Museum für Islamische Kunst, Inv. I 4968) oder London (British Museum, Inv. ME 124094) sowie auf einer Schale in New York (Metropolitan Museum of Art, Inv. 59.130.1). Zu den älteren mesopotamischen Vorbildern siehe etwa die assyrischen Elfenbeinschnitzereien in New York (Metropolitan Museum of Art, Inv. 59.107.1). 75 Zum Motivwandel siehe auch Kröger 1999a, S. 194 ff. sowie 198 ff. 76 Die Idee einer Folge auseinander erwachsender stilisierter Halbpalmetten findet sich auch in dem von Ernst Herzfeld definierten 2. Stil von Samarra aus der Zeit des al-Mutawakkil, wobei es sich auch dort um keine Folge gleichförmiger Wiederholungen, sondern um stetige Variationen 73

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 79: struktureller Vergleich der Palmettenbäume der Bergkristallkrüge in Venedig (A, al-Aziz, Taf. T4), Florenz (B, Taf. T5), Paris (C, Taf. T7), Fermo (D, Taf. T6), Venedig (E, Taf. T1) und London (F, Taf. T2) nach Rice 1956.

den dreiteiligen Formen sind auch diese Strukturen zunächst noch sehr kompakt konstruiert und erst allmählich scheint sich diese Konstruktion durch zwischengeschaltete längere Ranken aufzulockern und damit weiter in Richtung der „klassischen“ Palmettenbäume zu entwickeln, wie sie die Vorderseiten der Bergkristallkrüge zeigen. Dabei spielt offenbar auch das von Lamm als „Füllhornmotiv“ beschriebene Element (Abb. 78) eine bedeutende Rolle. Dabei verbreitert sich eine Ranke, bevor sie abrupt in einem gerade Schnitt endet. Aus dem Füllhornmotiv erwachsen dann in der Regel zwei neue Ranken oder es kommt unmittelbar danach zur Verzweigung einer einzelnen Ranke. Auf einem Gefäßfragment in Arolsen erscheint das Motiv in Kombination mit einfachen linearen und floralen Halbpalmettenformen (Taf. T17), es findet sich

aber ebenso auf einer ganzen Reihe weiterer Gefäße aus allen Entwicklungsstufen und Varianten des floralen Dekors, 77 wobei es in den späteren Beispielen zunehmend zu verkümmern scheint. Die erhaltenen Gefäße dokumentieren die nahezu unbegrenzte Variationsfülle und immer weiter entwickelte Komplexität, die mit diesen Elementen möglich wird. Den Höhepunkt stellen zweifellos die Palmettenbäume der erhaltenen Bergkristallkrüge dar, deren Konstruktion in gewisser Weise stets auch die Komplexität der Einzelelemente zu spiegeln scheint (Abb. 79). Während auf dem wohl frühesten Beispiel in Venedig (Abb. 79 E) noch zwei Strukturen nebeneinander stehen und jeweils eindeutig aus einer Art Stamm erwachsen, wie dies auch bei den meisten der oben genannten sasanidischen Vorbilder der Fall ist, 78 sind die nach-

eines Grundmotivs handelt. Siehe Herzfeld 1923, S. 42 ff. Derartige Motive sind zudem an Holzelementen aus der ibn-Tulun Moschee in Kairo nachweisbar. Siehe Herzfeld 1923, Abb. 57. 77 Siehe Taf. T1–T4, T9, T13, T17, T20, T23, T24. 78 Siehe New York 1978, S. 65 sowie sasanidische Silbergefäße wie etwa die Vasen in Berlin oder London (Museum für Islamische Kunst, Inv. I 4968; British Museum, Inv. ME 124094 u. WAA 124094).

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Figürliche Dekore

folgenden Strukturen stets um ein zentrales, medaillonartiges Gebilde entwickelt. Korrespondieren die Palmettenbäume in London (Abb. 79 F) oder Dallas (Taf. T3) in ihrem komplexen Aufbau mit der kleinteiligen Binnenzeichnung der Blattformen (Abb. 73), so entspricht die klare Struktur der fatimidischen Beispiele (Abb. 79 A u. B) der technisch anspruchsvollen aber hinsichtlich des Binnendekors deutlich reduzierten Gestaltung der dortigen Halbpalmetten (Abb. 76 u. 77). Zum Verständnis der hier beschriebenen Abfolgen muss angemerkt werden, dass diese Entwicklungen

keineswegs völlig linear verliefen und die neu entstandenen Formen die älteren wohl nie vollständig ablösten. Die zahlreichen Beispiele, die Kombinationen aus unterschiedlichen Formen aufweisen, belegen deren weitere Existenz, auch wenn sie vielleicht nur noch seltener verwendet wurden. Ein weiterer wichtiger und für die Frage der Abfolge dieser Entwicklungen vielleicht der entscheidende Aspekt ist zudem jener, der in Kapitel 9 dieses Abschnitts diskutierten technischen Ausführung, der neben der parallelen Existenz verschiedener Gestaltungsformen auch unterschiedliche Qualitäten innerhalb der jeweiligen Gruppe belegen kann.

III.6 Figürliche Dekore Betrachtet man das abbasidische Glas als wichtigste Vergleichsgruppe, so erscheinen auf den Fragmenten aus Samarra, sowie auf verwandten Stücken in Venedig und Corning, Tierdarstellungen als dominierende Elemente des Dekors (Abb. 80). 79 Im Gegensatz dazu finden sich diese auf den Bergkristallobjekten in der Regel eingebettet in oder kombiniert mit ausgreifenden floralen Dekorationen. 80 Aufgrund der geringen Anzahl erhaltener Beispiele lässt sich hier keine ähnlich übergreifende Entwicklung nachzeichnen wie im vorigen Abschnitt. Daher sollen die Darstellungen im Folgenden einzeln besprochen und hinsichtlich verwandter Gestaltungselemente aufeinander bezogen werden. Ausgehend von den abbasidischen Schalen aus Samarra, Venedig und Corning lässt sich für das 9. Jahrhundert eine Reihe charakteristischer Elemente bestimmen, die diese stark stilisierten Tierdarstellungen verbindet. So ist etwa der Halsbereich stets in einer schrägen Linierung als eine Art Mähne angegeben und der Kopf ist neben einem langen, federartigen Fortsatz wesentlich durch ein zentrales, punktförmig freigestelltes Auge definiert. Der übrige Körper ist durch eine Umrisslinie angegeben

und zeigt keine weitere innere Gliederung. Lediglich die Läufe sind noch einmal durch flächige Bereiche hervorgehoben. Vogeldarstellungen weisen auf diesen frühen geschnittenen Gläsern häufig ganz ähnliche Elemente auf, wie etwa ein Beispiel in Corning zeigt (Abb. 66, S. 111). 81 Zu einem punktförmigen, den Kopfbereich beherrschenden Auge treten ein schraffierter Halsbereich und eine in sich ungestaltete, durch die Umrisslinie definierte Körperfläche. Die Flügel erscheinen in der Form einfach strukturierter Halbpalmetten und weisen eine identische Linierung auf wie der Halsbereich und die Schwanzpartie. Zumindest entfernt verwandt zu dieser summarischen Darstellung erscheinen die Vögel auf einem Gefäßfragment aus Bergkristall in San Lorenzo in Florenz, die vielleicht dank ihrer größeren Dimensionen und des anderen Materials detaillierter ausgearbeitet sind als die Beispiele in Glas (Abb. 67, S. 112). 82 Das Auge ist hier tropfenförmig gebildet, wie dies etwa auch auf einem Glasfragment aus Samarra 83 der Fall ist, während die Schraffur der Umrisslinie sowie die ungestaltete Körperfläche ebenso an die Darstellungen in Corning erinnern,

Harper 1961, S. 13 ff. Die Türkisschale im Schatz von San Marco datiert Harper auf die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts, für die grüne Schale in derselben Sammlung hielt sie sogar eine Entstehung im 8. Jahrhundert für möglich, was aufgrund der schlechten Schnittqualität unter technischen Gesichtspunkten aber wenig belastbar erscheint. Das Fehlen pflanzlicher Motive auf diesen Gefäßen verbindet sie zudem mit einer größeren Gruppe iranischer Gläser, auf denen sich ebenfalls nur selten eine Mischung figürlichen und ornamentalen Dekors findet. Siehe Kröger 1999, S. 221. 80 Als ungewöhnliche Ausnahme sei hier besonders auf das als Kelchfuß montierte Fragment in Paris (Musée du Louvre, Inv. MR 269, siehe Taf. T15) verwiesen, das zumindest auf dem erhaltenen Abschnitt des Körpers isolierte Tierdarstellungen zeigt. 81 Siehe außerdem weitere Beispiele in Corning (Museum of Glass, etwa Inv. 55.1.134, 55.1.125 oder 59.1.451, siehe Whitehouse 2010, Nr. 266, 388 u. 331). 82 Verwiesen sei hier auch auf ein Gefäßfragment mit vergleichbaren Vogeldarstellungen und Inschrift in Madrid (Museo Arqueologico, In. 62.317). 83 Siehe Kröger 1995, S. 143, Fig. 10. 79

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 80: Seitenansicht der Glasschale auf Abb. 66, S. 111, abbasidisch, 9.–10. Jh. (The Corning Museum of Glass, Corning)

wie der seltsam unverbunden hinter dem Rücken stehende Flügel in Form einer Halbpalmette. Deutlich organischer wirkt in dieser Hinsicht ein sonst immer noch stark stilisierter, pfauenartiger Vogel auf einem heute verschollenen Bergkristallknauf aus Berlin (Abb. 81). Gegenüber den Beispielen aus Corning und Florenz ist der palmettenartige Flügel nun in die Körperform integriert und die Körperfläche zeigt mit einer Reihe punktförmiger Facetten eine Gestaltung, die bei den weiteren Tierdarstellungen auf Bergkristallarbeiten charakteristisch werden wird und sich ebenfalls auf geschnittenem Glas beobachten lässt. 84 Wesentlich naturnäher als Greifvogel oder Papagei mit gebogenem Schnabel gestaltet ist ein Beispiel auf einem ovalen Gefäßfragment in Dallas (Abb. 82). Kopf und Hals sind, vom punktförmigen

Auge abgesehen, undekoriert. Der halbpalmettenartige Flügel nimmt hier die Gestaltung des umgebenden floralen Dekors auf und wird wie in Berlin von einer Reihe von Punktfacetten begleitet. Der lange, gerade Schwanz zeigt eine dreireihige, rasterartige, geometrische Gliederung. Dieses Element sowie die Gestaltung des Flügels verbinden diese Darstellung mit den beiden halbplastischen Vögeln, die die Seiten eines Bergkristallobjektes im Domschatz von Quedlinburg bilden (Taf. T99). 85 Bei den weiteren Vogeldarstellungen auf Bergkristallobjekten verschwindet die Verwendung von Halbpalmetten anstelle der Flügel völlig und wird durch eine kleinteilige ornamentale Füllung ersetzt. So verbindet etwa der Greifvogel auf dem Krug in London (Abb. 89, S. 126) eine dreibahnige, rasterartige Gestaltung des Schwanzes, die in ihrer kleinteiligen

84 Diese Gestaltung der Körperfläche zeigen ein Fragment aus Samarra (siehe Kröger 1995, Fig. 10) oder mehrere in Corning (Museum of Glass, siehe Whitehouse 2010, Nr. 328–330), vollständig mit Punktfacetten gefüllt ist etwa die Körperfläche auf zwei Fragmenten in Corning (Museum of Glass, Inv. 55.1.146 u. 79.1.307, siehe Whitehouse 2010, Nr. 403 u. 409). 85 Siehe vergleichend auch die Flügelgestaltung auf einem Glasfragment in Corning (Museum of Glass, Inv. 59.1.448, siehe Whitehouse 2010, Nr. 425).

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Figürliche Dekore

Abb. 81: Detail des Bergkristallknaufs Taf. T104, wohl abbasidisch (ehem. Zeughaus, Berlin)

Ausarbeitung dem Beispiel in Dallas nahesteht, mit einer geradezu naturalistisch anmutenden Flügelgestaltung. Der großformatigere Körper dieses Vogels ist nun dicht an dicht mit Punktfacetten ausgefüllt, der Kopf durch eine doppelte Linie abgegrenzt und abgesehen vom Augenpunkt und dem Schnabel glatt belassen. Ebenfalls nur durch das punktförmige Auge gestaltet ist die Kopffläche des Vogels auf dem Krug in Fermo (Abb. 83). Sowohl der gebogene Schnabel als auch die lebhaft gestalteten Fänge machen das Tier ohne Zweifel als Greifvogel kenntlich. Der Körper ist, wie in London, durch dichte Reihen von Punktfacetten ausgefüllt, während Flügel und Schwanz summarischer durch lineare Schnitte dekorativ gegliedert sind. Wesentlich kleiner im Format zeigen die Vögel auf einer Bergkristallflasche in Florenz dieselbe Kopfgestaltung wie in Fermo (Abb. 84). Die leicht aufgestellten Flügel muten in ihrer Zeichnung dabei ebenso naturnah an, wie die nach hinten gewendeten Köpfe der Tiere. Von der übrigen Gruppe der Vogeldarstellungen setzen sich schließlich zwei Beispiele deutlich ab. So zeigt der Krug des Louvre zwar ebenfalls einen Greifvogel, der aber in seiner gestalterischen Ausführung und Qualität völlig anders geartet ist (Abb. 85). Am deutlichsten wird dies am Kopf des Tieres, wo anstelle des punktförmigen Auges lediglich eine doppelte Linie eingeschnitten ist, durch die sich mit dem oberen Umriss des Kopfes ein mandelförmiges Element bildet, das in dieser Form

Abb. 82: Detail des Bergkristallgefäßes Taf. T37, wohl abbasidisch (Dallas Museum of Art, Dallas)

auch auf Fragmenten im Musée Cluny (Taf. T25) zu finden ist. Flügel und Schwanz sind in ähnlicher Weise gerastert und der Körper zeigt eine seltsam ungleichmäßig gesetzte Reihe von Punktfacetten. Das zweite außergewöhnliche Stück ist der Krug des Museo degli Argenti in Florenz mit seinen straußenartigen Vögeln (Abb. 86). Trotz des kleinen Formates sind diese Darstellungen von einer außergewöhnlich detaillierten Ausführung, die sie in extremer Weise von jenen im Louvre absetzt. 121

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 83: Detail des Bergkristallkruges Taf. T6, wohl abbasidisch (Museo Diocesano, Fermo)

Zwar ist das Auge des Vogels auch hier nicht mehr als Punkt gebildet, jedoch stattdessen in einer filigranen, zeichnerischen Linie wiedergegeben, die aus dem Umriss des Kopfes abgeleitet ist. Während der untere Teil der Körperfläche mit Punktfacetten gefüllt ist, stehen über dieser vier durch Linien angedeutete Federn. Die kleinteilige Zeichnung dieser Darstellung und ihre meisterliche technische Aus122

führung bezeugen das außerordentliche Niveau der fatimidischen Werkstätten, denen dieses Stück durch Rice zugewiesen werden konnte. 86 Während sich einzelne der Vogeldarstellungen zumindest entfernt und in individuellen Elementen mit jenen auf Gläsern des 9. Jahrhunderts in Verbindung bringen lassen, ist dies bei den übrigen Tierdarstellungen auf Bergkristallgefäßen kaum

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Figürliche Dekore

Abb. 84: Detail der Bergkristallflasche Taf. T9, wohl abbasidisch (Tesoro di San Lorenzo, Florenz)

möglich. Zudem entziehen sich die frühen Darstellungen vierbeiniger Tiere auf Gläsern (siehe Abb. 80), im Gegensatz zu jenen auf Bergkristall, in der Regel jeglicher Artbestimmung. Eine Ausnahme bildet hier ein Paar sich gegenübersitzender Tiere am Hals des Gefäßfragmentes von San Lorenzo in Florenz (Abb. 87). Zwei Elemente setzen diese Darstellungen deutlich von den übrigen erhaltenen Beispielen ab. Zum einen ist dies das Fehlen der

charakteristischen Punktfacetten in der Körperfläche, zum anderen die ungewöhnlich summarische Zeichnung des Kopfes, die diese Tiere eher in Richtung der Beispiele auf Glas rückt. An den Krügen in Venedig und London (Abb. 88, 89, S. 126) sind die dargestellten gehörnten Tiere trotz ihrer Stilisierung recht eindeutig als Mufflon bzw. Wildschaf sowie als Ziege oder Antilope zu bestimmen. Anders als in San Lorenzo sind

Rice 1956. Als Vergleichsbeispiel auf Glas sei hier etwa ein Fragment aus Corning angeführt (Museum of Glass, Inv. 59.1.448). Eine vergleichbare Gestaltung der Federn zeigt ein weiteres Glasfragment in Corning (Museum of Glass, Inv. 68.1.59–18), siehe Whitehouse 2010, Nr. 427.

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 85: Detail des Bergkristallkruges Taf. T7, fatimidisch ? (Musée du Louvre, Paris)

die Körper in beiden Fällen dicht an dicht mit Punktfacetten ausgefüllt, wovon, wie bei den Vogeldarstellungen, die Köpfe ausgenommen sind. In Venedig (Abb. 88) übernehmen alle Linien sowie die Läufe die dichte Schraffur aus dem umgebenden Rankenwerk und an den Hinterläufen erscheint zudem prominent eine entsprechende Fächerpalmette. Dem gegenüber sind die Läufe des Tieres in

London deutlich komplexer mit Linien und Punktfacetten gestaltet und damit den Schwanzfedern des darüber dargestellten Greifvogels angenähert (Abb. 89). 87 Ein kreisförmiges Element über dem Vorderlauf findet sich in abgewandelter Ausformung auch in Venedig, während die Halbpalmette am Hinterlauf in London zu einer nurmehr angedeuteten Blattform geschrumpft ist. 88 Auffällig er-

87 Bei der Gestaltung der Läufe mit kleinen Punktfacetten und Linien sei auch besonders auf die Schalenfragmente aus Samarra verwiesen, die ein ähnliches Motiv zeigen. Siehe Abb. 100, S. 134. 88 Verwiesen sei hier auf den Dekor des sog. Corning Ewers (Museum of Glass, siehe Abb. 39, S. 87), dessen Gestaltung dem des Londoner Bergkristallkruges am nächsten kommt. Wenngleich sich auch signifikante Unterschiede in der Ausführung ausmachen lassen, so weisen die Komposition sowie zahlreiche Details (etwa die verkümmerten Halbpalmetten an den Hinterläufen) verblüffende Gemeinsamkeiten auf.

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Figürliche Dekore

Abb. 86: Detail des Bergkristallkruges Taf. T5, fatimidisch, 1000–1011 (Museo degli Argenti, Florenz)

scheinen nun aber drei Rippenlinien, die in die gepunktete Körperfläche gesetzt sind. Dem Londoner Tier ähnelt die Darstellung einer aufrecht sitzenden Raubkatze, vielleicht eines Geparden, auf dem Krug der Keir Collection (Dallas) in mancher Hinsicht (Abb. 90). Vor allem die kleinteilig gezeichneten Läufe sowie das stark reduzierte Blattmotiv über dem Hinterlauf sind vergleichbar gestaltet und unterscheiden sich damit deutlich von der zweiten Darstellung einer Raubkatze auf dem Krug des al-ʿAzīz in Venedig, wo an dieser Stelle eine voll ausgebildete Halbpalmette sitzt (Abb. 91). Gemeinsam ist diesen beiden Darstellungen neben der Haltung aber besonders die Gestaltung des Kopfes, der wie bei den übrigen Tierdarstellungen auch, ohne eine flächige Binnenzeichnung belassen ist. In beiden Beispielen ist das punktförmige Auge von einem floralen, rankenartigen Motiv überspannt, das unmittelbar aus dem Umriss des Kopfes entwickelt ist. Und auch die Ohren der Katzen erscheinen nicht als separate Elemente, sondern sind in die Gesamtform eingezeichnet. Als markantester stilistischer und technischer Unterschied erscheint schließlich die geradezu auf die Spitze getriebene Betonung der Linie in Venedig. Die gesamte Darstellung wirkt wie aus einer einzigen, fließenden und schwingenden Linie ent89

Abb. 87: Detail des Berkristallkruges Taf. T8, wohl abbasidisch (Tesoro di San Lorenzo, Florenz)

wickelt, und nicht aus einer Addition aneinandergesetzter Flächen, wie dies bei den übrigen Tierdarstellungen der Fall ist. Abschließend ist noch eine Gruppe von drei Greifendarstellungen anzusprechen, die sich in ihrer Gestaltung kaum mit den bisher beschriebenen Figuren in Verbindung bringen lassen. Das erste, beinahe bis zur Unkenntlichkeit stilisierte Beispiel in Dresden (Taf. T73) erinnert mit seinen einfach gesetzten Schnitten am ehesten an die frühen Vogeldarstellungen, wie sie sich etwa auf einer grünen Glasschale in Corning finden. 89 Zu anderen Darstellungen auf Bergkristall gibt es hingegen keinerlei Verbindung. Technisch und gestalterisch klarer erscheint der schreitende Greif auf einem Bergkristallknauf in Bamberg (Taf. T105). Völlig unverbunden ist das Wesen hier dreimal hintereinander gezeigt. Die Körperfläche ist mit Punktfacetten ausgefüllt, von denen eine auch das Auge in der ansonsten glatt belassenen Kopffläche bildet. Der über dem Rücken aufgestellte Flügel erinnert nur vage an eine Palmettenform. Ebenso ungewöhnlich ist die Darstellung der vier

Whitehouse 2010, S. 278, Nr. 490 (Corning Museum of Glass, Inv. 55.1.136).

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 88: Detail des Bergkristallkruges Taf. T1, wohl abbasidisch (Tesoro di San Marco, Venedig) Abb. 89: Detail des Bergkristallkruges Taf. T2, wohl abbasidisch (Victoria and Albert Museum, London)

Abb. 90: Detail des Bergkristallkruges Taf. T3, wohl abbasidisch (Keir Collection, Dallas Museum of Art, Dallas)

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Abb. 91: Detail des Bergkristallkruges Taf. T4, fatimidisch, 975–996 (Tesoro di San Marco, Venedig)

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Stilisierte und geometrische Dekore

hintereinander stehenden Beine, deren Länge zudem nach vorn ansteigt. Die nebeneinandergesetzten Beine sowie eine Art Halsband verbinden das Bamberger Stück schließlich mit dem dritten Beispiel im Domschatz von Capua (Taf. T155). Der Greif ist dort zwar in größerem Format, aber gemessen an den übrigen Tierdarstellungen, von wenig gelungener Zeichnung. So weist der Körper in seiner Mitte eine starke Einschnürung auf, über der wiederum ein

aufgerichteter Flügel steht, der nun aber ausschließlich in seiner Umrissform wiedergegeben ist. Tatsächlich überwiegen bei diesen drei Darstellungen die Unterschiede in der Gestaltung bei weitem die Gemeinsamkeiten. So verschließen sich die drei Greifen jedem unmittelbaren Bezug zu den übrigen Beispielen und stehen damit nicht nur hinsichtlich ihrer Motivik als Fabelwesen außerhalb der erhaltenen Tierdarstellungen auf Bergkristallobjekten.

III.7 Stilisierte und geometrische Dekore Neben der beschriebenen floralen und figürlichen Motivik, die den charakteristischen Dekor der Kerngruppe der Bergkristallarbeiten des islamischen Mittelalters ausmacht und diesen Bestand auch deutlich gegenüber Werken anderer Entstehungszusammenhänge abgrenzt, haben sich auch einzelne Stücke und kleine Gruppen mit abweichenden Gestaltungen erhalten, die sich über verwandte Objekte im Glasschnitt ebenfalls einer islamischen Provenienz zuweisen lassen. Zunächst sei in diesem Zusammenhang auf das Motiv des „Samarrafrieses“ verwiesen, der in der zeitweiligen Residenz der abbasidischen Kalifen vielfach im Baudekor präsent ist. Wie bereits in Kap. II.2 aufgezeigt wurde, findet sich dieser Fries, der wohl eine stilisierte Blattreihe darstellt, mit charakteristischen Details wie der Verbindung der einzelnen Lanzetten durch ein Kreismotiv, im Steinschnitt sowohl an einer Achatschale im Louvre, als auch an einem Bergkristallgefäß in San Marco in Venedig (siehe Abb. 27–28, S. 64 u. 66). 90 In Samarra gefundene Glasfragmente dokumentieren die Verwendung dieses Frieses zudem im Glasschnitt (siehe Abb. 24–25, S. 63), mit einem intakt erhaltenen Beispiel wiederum in Venedig. 91 Während das Kristallgefäß in San Marco den Fries in einer besonders qualitätvollen und detaillierten Umsetzung zeigt, findet er sich im Bergkristallschnitt ansonsten nur in stark reduzierter Form. Dazu ist auch ein zangenartiges Motiv zu rechnen, das sich als ein aus dem Fries isoliertes Element darstellt. Dabei ist das charakteristische, kreisförmige Verbindungs-

stück des klassischen Samarrafrieses, von zwei halben Blättern flankiert. Eine Reihe dieser Formen umgibt in St. Petersburg den Hals des dortigen Objektes (Taf. T23). Zudem findet es sich noch an zwei weiteren Stücken, nämlich in zentraler Position an dem Gefäßfragment in Astorga (Taf. T13) sowie als stilisierte Schwanzquaste auf dem Krug der Keir Collection (Taf. T3 sowie Abb. 90).

Abb. 92: Detail der Schachfigur Taf. T154, wohl abbasidisch (Domschatz Halberstadt)

Paris (Musée Du Louvre, Inv. MR 129). Venedig (Schatz von San, siehe Marco Hahnloser 1971, Nr. 123). Die Fragmente aus Samarra befinden sich in Berlin (Museum für Islamische Kunst, Inv. SAM 998.2 sowie SAM 9.47.7). Zu der Glasschale in Venedig siehe Hahnloser 1971, Nr. 63. Erdmann sah in der Glasschale selbst eine byzantinische Arbeit des 11. Jahrhunderts unter islamischem Einfluss. Siehe Hahnloser 1971, S. 70. 90 91

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Abb. 93: Detail der Schachfigur Taf. T153, wohl abbasidisch (Domkammer Münster)

Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch auf den Schnittdekor zahlreicher Schachfiguren zu verweisen, den Lamm als „Palisadenmotiv“ bezeichnete. 92 Der summarische Schnitt dieser Stücke macht eine Einordnung ihres Dekors meist schwierig, jedoch zeigen die „Palisaden“ an zwei qualitätvolleren Beispielen in Halberstadt (Abb. 92) und Münster (Abb. 93) deutliche Ähnlichkeit zu den erwähnten Stücken des Glasschnitts. Zwar verzichteten die Steinschneider, wohl aus Gründen der Arbeitsökonomie, auf die typische Verbindung der Blätter, jedoch entsprechen sowohl der Mittelsteg der Lanzetten als auch deren oberer Abschluss bekannten Varianten des Samarrafrieses. 93 Ein weiterer, auch im Glasschnitt geläufiger Dekortyp besteht aus scheibenartigen Elementen, die stark ausgearbeitet auf der Gefäßoberfläche stehen.

Die bekannteste Variante stellen dabei die wohl sowohl in byzantinischen wie auch islamischen Werkstätten gefertigten Gefäße mit Scheibendekoren dar, die möglicherweise aus einer sasanidischen Motivtradition heraus entstanden. Dabei zeigt die leicht konkave Oberfläche der Bosse in ihrem Zentrum eine kleine, kegelförmige Erhebung (vgl. Abb. 23, S. 57). 94 In gleichmäßiger linearer Verteilung finden sich derartige Scheiben auf einem dreiseitigen oder „herzförmigen“ Flakon in Capua (Taf. T46). Entlang der Seiten sind die Scheiben zu sichelförmigen Elementen reduziert, die den Übergang zwischen den identisch gestalteten Vorder- und Rückseiten herstellen. In der Spitze zeigt dasselbe Objekt jedoch keine runde oder ovale Scheibe, sondern ein tropfenartiges Element, bei dem eine eingeschliffene Rille einen inneren Bereich und eine äußere

Lamm 1929/30, Taf. 76, S. 216. Verwiesen sei hier zudem auf einen weiteren geläufigen Dekortyp des islamischen Glasschnitts, der zuweilen als Arkadenmotiv interpretiert wird. Siehe dazu etwa Whitehouse 2010, Nr. 274A oder 370A. 94 Siehe zu dieser Dekorform im Kontext des frühen islamischen Glases mit Beispielen etwa Kröger 1995, S. 129 ff. oder Whitehouse 2010, S. 76 sowie Nr. 124, 125 oder 140. Siehe außerdem Kap. II.1, S. 52 ff. dieser Arbeit. 92 93

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Stilisierte und geometrische Dekore

Einfassung abtrennt. In Anbetracht der Einzigartigkeit dieses Objektes erstaunt es umso mehr, dass sich in demselben Sammlungskontext in Capua ein zweites Bergkristallgefäß erhalten hat, das eben dieses tropfenförmige Motiv in mehrfacher Wiederholung und Variation, sowie in Kombination mit einem Palmettenmotiv zeigt (Abb. 70, S. 115). Besonders bei diesem Stück, einer enghalsigen Flasche mit hochovalem Körper, wird die Verwandtschaft zu einem seit der Antike geläufigen Dekormotiv deutlich, das zuweilen als Lotossamen interpretiert wird. Es findet sich auf einer Vielzahl antiker römischer Glasgefäße und fand seinen Weg auch in die islamische Kunst des Mittelalters, wo es ab dem 10. Jahrhundert vielfach auf Bronzegegenständen aus dem östlichen Iran erscheint. 95 Verwiesen sei an dieser Stelle auch auf die vergleichbaren Motive, die sich an den Vorderläufen der Löwenfigürchen in London, Köln und Paris finden (Abb. 59, S. 105 sowie Taf. T81–T83). Abschließend ist hier noch eine Gruppe von

Stücken zu nennen, deren Gestaltung sich am ehesten mit Variationen von kerbschnittartigen Liniendekoren umschreiben lässt. In erster Linie sind dies zylindrische Fläschchen (Taf. T63–T66), die in der Einfachheit ihrer Struktur und technischen Ausführung besonders schwierig einzuordnen sind und zuweilen ist der Übergang zu extrem stilisierten floralen Formen fließend. Genannt sei hier außerdem ein Gefäß in Emmerich mit mandelförmigen Medaillons (Taf. T47) oder ein Flakon in Chicago (Taf. T62), dessen Schnitt an pseudo-kufische Inschriften erinnert. Neben diesen Gefäßen sei hier auch auf einen Teil der Schachfiguren (bes. Taf. T121–T126) verwiesen. Obgleich sie die Formen der „klassischen“ floralen Dekore vage zitieren, sind sie in der schematischen Ausführung ihres Dekorschnitts doch so weit von den übrigen Werken des islamischen Bergkristallschnitts entfernt, dass ihr direkter Zusammenhang mit diesen hinterfragt werden muss.

III.8 Inschriften Ein auch für die Forschungsgeschichte außerordentlich bedeutendes Element in der Gestaltung des Schnittdekors der Bergkristallgefäße stellen Inschriften dar, die sich auf einer Reihe von Objekten unterschiedlicher Form und technischer Ausführung erhalten haben. Dabei muss sich diese Betrachtung hier auf eine exemplarische Auswahl beschränken, für die ausreichendes Vergleichsmaterial zur Verfügung steht. Inschriften, seien sie nun durch die Nennung von Herrscher-, Auftraggeber- oder Handwerkernamen personalisiert oder als neutrale Segenswünsche für den Besitzer formuliert, sind in zahlreichen Medien der islamischen Kunst geläufig. 96 Auffällig bei der Verwendung der Inschriften ist, dass sie bei-

nahe ausschließlich auf den qualitätvollen, dünnwandigen Hohlgefäßen in Venedig, Florenz, Fermo und Paris (Taf. T4–T6 sowie Taf. T7, T9, T10) in Kombination mit dem ansonsten charakteristischen floralen Dekor erscheinen. 97 Auf den technisch einfacheren, massiv geschnittenen Gefäßen hingegen bildet die Inschrift meist den einzigen Schnittdekor, wobei der Gefäßtypus weitgehend identisch mit jenen Stücken ist, die floralen Dekor tragen (siehe z. B. Taf. T67). 98 Die Trennung von Schrift und reinem Rankendekor scheint daher zumindest für die einfacheren Objekte die Regel dargestellt zu haben, was auch der Beobachtung im naheliegendsten Vergleichsmedium, nämlich dem Glasschnitt, entspricht. So hat sich eine ganze Reihe von kleinen

Antike Glasgefäße dieses Typs etwa in Köln (Römisch-Germanisches Museum, Inv. Glas 967, ebenda auch eine entsprechende Bronzeflasche, Inv. Metall 925) oder bei Saldern 2004, Nr. 234–237 (dort auf S. 273 ff. auch Weiteres zum Lotusdekor in der Antike). Zu den Beispielen aus islamischer Zeit siehe etwa eine 14 cm hohe Flasche in Berlin (Museum für Islamische Kunst, Inv. I. 8458), ein Stück in London (Victoria and Albert Museum, Inv. M.38–1959, Khorasan 10. Jahrhundert?), eines in Kopenhagen (David Sammlung, Inv. 34/2000, Khorasan 10.–11. Jahrhundert) oder eines in New York (Metropolitan Museum of Art, Inv. 1998.234, Khurasan 12. Jahrhundert). Siehe auch Melikian-Chirvani 1982, S. 28 u. 41. Das Motiv erscheint auch im islamischen Glasschnitt, etwa auf einem Fragment in Corning (Museum of Glass, Inv. 66.1.4, siehe Whitehouse 2010, Nr. 316). 96 Siehe etwa Contadini 1998 zu Tirazstoffen S. 52 ff. und zu Keramik S. 80 f. Zu Glas siehe Whitehouse 2014, S. 134 ff. 97 Eine Ausnahme hierzu bildet beispielsweise ein massiv geschnittenes Gefäßfragment mit Stiftbohrung in Madrid (Archäologisches Museum, Inv. 63.317). 98 Glasfläschchen des zylindrischen Typs mit floralem Dekor haben sich kaum erhalten. Zu nennen wäre hier ein Beispiel in Corning (Museum of Glass, Inv. 76.1.188, siehe Whitehouse 2010, Nr. 383) sowie ein Fragment das in Kairo ergraben wurde (siehe Scanlon 2001, Nr. 43g). 95

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Abb. 94: Detail der Inschrift des Bergkristallkruges Taf. T4, fatimidisch, 975–996 (Tesoro di San Marco, Venedig); Transkription: ‫( ﺑﺮﻛﺔ ﻣﻦ ﺍﻟﻠﻪ ﻟﻺﻣﺎﻡ ﺍﻟﻌﺰﻳﺰ ﺑﺎﻟﻠﻪ‬Möge der Segen Gottes auf dem Imam al-ʿAzīz bi-’llāh ruhen)

Glasflakons erhalten, die in ihrem Gefäßtypus, sowie in der Verwendung der Schrift unmittelbare Parallelen zu den Beispielen aus Bergkristall aufweisen (siehe Abb. 55, S. 101). Die isolierte Verwendung von Inschriften ist zudem besonders bemerkenswert, da die früheste Erwähnung des Steinschnitts im abbasidischen Reich ebenfalls nur Inschriften als Dekor nennt, nämlich den Namenszug des Kalifen Hārūn ar-Raschīd (reg. 786–809). 99 Obgleich sich von diesen frühen Stücken keines erhalten zu haben scheint, könnten die kleineren Bergkristallgefäße, ungeachtet der stets anonymen Segenswünsche ihrer Inschriften, eine Tradition repräsentieren, die bis in die Anfänge des islamischen Steinschnitts zurückreicht. Lediglich zwei der erhaltenen Objekte tragen Namen von Kalifen und lassen sich somit eindeutig zuweisen und datieren. Dies sind der Krug des alʿAzīz (reg. 975–996) im Schatz von San Marco (Taf. T4) in Venedig sowie der Bergkristallring des az-Zāhir (reg. 1021–1036) im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg (Taf. T106), der in mancher Hinsicht eine Ausnahme innerhalb der hier betrachteten Stücke bildet. Zunächst ist das Objekt formal absolut einzigartig, zum anderen setzt die grobe Ausführung des Schnitts den Ring deutlich von der handwerklichen Qualität der Gefäße ab. Dieser Unterschied wird gerade in der Gegenüberstellung der beiden Inschriften besonders deutlich

(Abb. 94–95). 100 Während die Buchstaben in Venedig vollständig ausgearbeitet und freigestellt sind, wirkt die Schrift in Nürnberg kerbschnittartig und ist tatsächlich fast vollständig in einem relativ flachen Schrägschnitt ausgeführt. Zeitlich zwischen den beiden genannten Stücken steht der kleine Krug in Florenz (Taf. T5), der sich über die Titelnennung in seiner Widmungsinschrift zumindest mittelbar einer Person, nämlich Husain ibn Ǧauhar zuweisen lässt (Abb. 96). 101 Gegenüber dem Schriftzug in Venedig ist jener in Florenz nochmals detaillierter ausgearbeitet. Die Schrift erscheint weniger kantig, die Enden der Hasten sind etwa durch Zierschnitte bereichert und besonders der Buchstabe ʿ ain sticht durch seine dekorative, dreipaßartige Gestaltung hervor. Einzigartig ist bei diesem Gefäß außerdem die Verteilung der Inschrift über den Gefäßkörper. Zwei kürzere Partien finden sich auf den Seiten des Kruges, während der mittlere Abschnitt auf der Vorderseite, über dem zentralen Lebensbaummotiv, angebracht ist. Diese Position als Fries über dem Dekor bildet unter den erhaltenen Stücken ansonsten die Regel. Wie am Krug des al-ʿAzīz gilt dies auch für die beiden übrigen Krüge mit Inschriften in Fermo und Paris (Taf. 6 und 7). In den beiden letzteren Fällen wünschen die Inschriften einem nicht namentlich genannten Besitzer Segen und Wohlergehen. 102 Die Schrift ist dabei wieder einfacher gestaltet als in Florenz, was der sonstigen

Genannt werden Becher aus Jaspis mit dem Namen des Kalifen im Schatz der Fatimiden. Siehe Anon./Qaddumi 1996, S. 233, § 38. Die Inschrift in Venedig zitiert nach Wien 1998, Nr. 106, S. 133 f. Jene in Nürnberg zitiert nach Hahnloser 1959, S. 133. 101 Husain ibn Ǧauhar diente in der Funktion eines Wesirs von 1000–1008 sowie von 1010–1011. Zur Zuschreibung siehe Rice 1956. Die Inschrift zitiert nach Rice 1956, S. 89: „For the Commander of the Commanders personally“. 102 Dommuseum Fermo: „Segen und Glück unserem Herrn, dem siegreichen König“ („blessing and joy to our lord the victorious king“), siehe Rice 1956, 99

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Stilisierte und geometrische Dekore

Abb. 95: Detail der Inschrift des Bergkristallrings Taf. T106, fatimidisch, 1021–1036 (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg); Transkription: ‫ﻟﻠﻪ ﺍﻟﺪﻳﻦ ﻋﻠﻲ ﺍﻟﻈﺎﻫﺮ ﻻﻋﺰﺍﺯ ﺩﻳﻦ ﺍﻟﻠﻪ ﺍﻃﺎﻝ ﺍﻟﻠﻪ ﺑﻘﺎﺀﻩ‬ (Gottes ist die reine Religion. Ali ez-Zahir li-i´zazdinillahi, dem Gott ein langes Leben schenken möge)

Abb. 96: Umzeichnung der Inschrift des Bergkristallkruges Taf. T5, fatimidisch, 1000–1011 (Museo degli Argenti, Florenz); Transkription: ‫ﻟﻘﺎﺋﺪ ﺍﻟﻘﻮﺍﺩ ﺧﺎﺻﺔ‬ (Dem Kommandante der Kommandanten persönlich)

Abb. 97: Detail der Inschrift des Bergkristallgefäßes Taf. T22, wohl abbasidisch (Tesoro di San Marco, Venedig); Transkription: ‫ﺩﻭﻟﺔ ﺩﺍﺋﻤﺔ ﻭﻧﻌﻤﺔ ﻛﺎﻣﻠﺔ ﻭﺳﻼﻣﺔ ﻟﻤﻮﻻﻧﺎ‬ (Andauernde Kraft und Segen und Wohlergehen unserem Herrn)

Abb. 98: Umzeichnung der Inschrift der Bergkristallflasche Taf. T9, wohl abbasidisch (Tesoro di San Lorenzo, Florenz); Transkription: (‫ﻋﺰ ﺩﺍﺋﻢ ﻭﺳﺮﻭﺭ ﻭﻧﻌﻤﺔ ﻭﻫﻨﺎ)ﺀ( ﻭﺑﻘﺎ)ﺀ‬ (Andauernder Ruhm und Freude und Gunst und Behaglichkeit und Bestand)

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 99: Abrollung der Inschrift des Bergkristallfläschchens Taf. T70, wohl abbasidisch (Rautenstrauch-Joost Museum, Köln); Transkription: ‫ﺑﺮﻛﺔ ﻟﺼﺎﺣﺒﻪ‬ (Segen dem Besitzer)

technischen Ausführung der jeweiligen Gefäße entspricht. Die bisher genannten Beispiele lassen sich relativ gut miteinander vergleichen, da die Schriften in nahezu identischen Dimensionen gestaltet sind. Deutlich anders verhält sich dies mit dem größten erhaltenen Bergkristallgefäß des islamischen Mittelalters im Schatz von San Marco (Abb. 97). Hier zeigen die Hastenenden ebenfalls zahlreiche Zierschnitte, jedoch lässt sich dieses Stück allein schon aufgrund der außergewöhnlichen Monumentalität des Schriftbandes kaum mit einem anderen erhalten Beispiel vergleichen. 103 Tatsächlich erweist sich die Inschrift bei näherer Betrachtung als weit weniger sorgfältig gearbeitet, als dies etwa bei den beiden eingangs beschriebenen Krügen der Fall ist. So sind zahlreiche Details trotz der Dimensionen weitgehend im Schrägschnitt ausgeführt und die oberflächliche Behandlung von Binnenflächen steht in einem schroffen Gegensatz zur Schnitttiefe des äußeren Umrisses.

Besonders zu verweisen ist schließlich noch auf die beiden Flaschen mit Inschriften, die die technisch bedingte Qualität der Schrift geradezu exemplarisch vorführen. Während diese in Florenz die Gefäßschulter in klarer Schlichtheit überzieht (Abb. 98), ist sie am Hals des Fläschchens in Venedig (Taf. T10) beinahe bis zur Unkenntlichkeit reduziert und entspricht damit auch der Mehrzahl der zylindrischen Fläschchen. Deren Beschriftungen sind meist nur mit Schwierigkeiten zu lesen, jedoch weisen sie im direkten Vergleich zahlreiche Parallelen auf, sodass sich die Inschrift auf der Mehrzahl der erhaltenen Stücke als ein Segenswunsch für den nicht identifizierten Besitzer bestimmen lässt (Abb. 99). 104 In Anbetracht dieser höchst unterschiedlichen technischen Ausführung sowie aufgrund technischer Gegebenheiten des Steinschnitts erscheint es kaum möglich, die Inschriften stilistisch einzuordnen oder gar auf diesem Wege zu datieren. Vielmehr dürften die Unterschiede zumeist eher die Fähigkeiten des jeweiligen Handwerkers widerspiegeln, als beabsichtigte stilistische Varianten. 105 Zusammenfassend lässt sich anmerken, dass die Schriften auf den Bergkristallgefäßen stets deutlich von den floralen Dekoren abgesetzt sind. Außer am Stück des Museo degli Argenti in Florenz, wo der Duktus der Schrift besonders dekorativ gestaltet und der Text selbst über die Oberfläche des Kruges verteilt ist, bildet dieses Element stets einen eigenständigen, in sich geschlossenen Bestandteil der gestalterischen Komposition der Objekte.

S. 91, sowie Paris (Musée du Louvre, Inv. MR 333): „Segen, Zufriedenheit und [Wort fehlt] seinem Besitzer“ („bénédiction satisfaction et […] à son possesseur“), siehe Paris 1991, S. 163. 103 Es war im Zuge der Recherchen für die Arbeit nicht möglich das Gefäß selbst unmittelbar zu untersuchen, weshalb die Höhe des Schriftbandes hier nur mit 6–7 cm geschätzt werden kann. 104 Die Inschrift in Florenz zitiert nach Erdmann 1940, S. 126. Jene in Venedig: „Segen und … und Ruhm.“ Zitiert nach Hahnloser 1971, S. 117. Neben dem abgebildeten Beispiel wiederholt sich diese Inschrift in geringen Variationen auf den Gefäßen in London (Victoria and Albert Museum, Inv. A. 11– 1942, Taf. T71), New York (Metropolitan Museum, Inv. 31.18.2, Taf. T69) sowie mindestens einem der Glasfläschchen in Corning (Museum of Glass, Inv. 76.1.203, siehe Whitehouse 2010, Nr. 386). 105 Tatsächlich lassen sich mehrere der Inschriften auf kleineren Gefäßen nur unvollständig oder gar nicht entziffern, sodass in ihnen zuweilen schon reine pseudo-Inschriften vermutet wurden. Siehe Whitehouse 2010, Nr. 384 u. 385. Zum Vergleich und zur Illustration der Schwierigkeit einer stilistischen Bestimmung sei etwa auf die Ähnlichkeit zwischen den dekorativen Details der Inschriften auf den Bergkristallgefäße und der Inschrift auf einer geschnittenen Glasschale verwiesen, die in Fustat gefunden wurde und sich auf die Zeit um 900 datieren lässt. Siehe Scanlon 2001, Nr. 43c.

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Stilisierte und geometrische Dekore

III.9 Technische Beobachtungen Die in Kapitel III.5 dargelegte Entwicklung des für die islamischen Bergkristallarbeiten prägenden floralen Dekors begründet die Chronologisierung des erhaltenen Materials, die im nächsten Kapitel versucht werden soll, nur zum Teil. Immer wieder stehen Motivtypen in Anbetracht der zufälligen Erhaltung der Objekte zu vereinzelt, um sie allein durch die Anbindung an ikonografische Vergleichsbeispiele innerhalb einer chronologischen Entwicklung des Bergkristallschnitts zu verorten. Einen wesentlichen weiteren Hinweis für die Beantwortung dieser Frage bietet ein genauer Blick auf die Technik, die bei der Fertigung der einzelnen Objekte angewandt wurde. Diese erschließt sich kaum aus Fotografien sondern muss vor Ort an den Stücken selbst studiert werden. 106 Wie zu Beginn dieser Arbeit beschrieben, lassen sich im Steinschnitt zwei wesentliche Techniken unterscheiden. Die erste, zweifellos ältere und technisch deutlich einfachere, ist das Intaglio, bei dem, wie bei den antiken Gemmen, ein mehr oder weniger komplexer Dekor in die Oberfläche des Materials eingeschnitten wird. Dabei lassen sich wiederum zwei Techniken unterscheiden: zum einen der lineare Schnitt, bei dem das Rad senkrecht auf die Oberfläche gesetzt wird, sowie der Schrägschnitt, bei dem sich eine nahezu vertikale Schnittkante ergibt, während die gegenüberliegende Seite des Schnitts in einer Schräge ansteigt (siehe dazu auch Kap. I.3). Die zweite, technisch deutlich komplexere und ungleich zeitaufwändigere Technik ist die des „echten“ Hochreliefschnitts, wie sie etwa bei den antiken Kameen Verwendung fand. Dabei bleibt die Darstellung in erhabenem Relief stehen, während das umgebende Material abgearbeitet wird. Auch hier wird aber zunächst der Schrägschnitt angewandt, bevor die Rücklagen des Dekors sorgfältig auf ein einheitliches Niveau abgearbeitet werden. Die erhabenen Dekorflächen erhalten ihre Binnenstruktur dann zumeist durch lineare Schnitte (siehe etwa Abb. 69, S. 114 u. 71, S. 115). Die wohl aufwändigste Anwendung dieser Technik zeigen die im islamischen Mittelalter entstandenen Hohlgefäße aus Bergkristall und verwandte Objekte aus Glas, bei

denen der Dekor in einer weiteren Steigerung der technischen Komplexität ausschließlich in linearem Hochrelief ausgeführt ist und auch kleinste Binnenflächen bis auf das Niveau der umgebenden Rücklage abgetragen wurden (siehe dazu etwa die fatimidischen Krüge in Venedig und Florenz, Taf. T4 u. T5; Abb. 76 u. 77, S. 116). Jedoch stellen diese Werke auch innerhalb der Gesamtgruppe herausragende Meisterwerke dar, die zweifellos für das unmittelbare Umfeld der Kalifen entstanden. Ein wesentlicher Anteil der erhaltenen Objekte weist im Gegensatz dazu ein Nebeneinander eines ganzen Spektrums deutlich unterschiedlicher technischer Ausführungen auf. So lässt sich an den meisten Beispielen die beschriebene Mischung von Intaglio und Hochrelief beobachten. Während die qualitätvollsten Stücke praktisch ausschließlich in filigranem, linearen Hochschnitt gearbeitet sind, weisen viele der kleineren Objekte in weiten Teilen und gerade in den Binnenflächen vorwiegend Intaglio und Schrägschnitt auf. Damit versuchten die Handwerker bei wesentlich geringerem Aufwand ähnliche optische Effekte zu erreichen. Diese Unterschiede spiegeln nicht nur eine kontinuierliche technische Entwicklung, sondern auch eine parallele Produktion ganz unterschiedlicher Qualitäten, bei denen die hochwertigsten Stücke für höfische Auftraggeber entstanden, während kleinere, einfacher gearbeitete Gefäße auch einem breiteren Markt zugänglich waren. Die schon mehrfach zitierten Stellen bei al-Bīrūnī sowie Ḫusrau belegen die Existenz einer solchen marktorientierten Produktion. 107 Der Versuch einer Chronologisierung der erhaltenen Bergkristallobjekte kann also nur in einer kombinierten Betrachtung von Ikonografie und Technik sinnvoll sein, da man davon ausgehen kann, dass die einfachere Produktion sich in ihrer Gestaltung in der Regel an den kostbaren Vorbildern der höfischen Produktion orientierte. Dieser Annahme soll im Folgenden in mehreren Beispielen nachgegangen werden. Aufgrund der in Kapitel I.4 dargestellten engen Beziehung zwischen Glas und Bergkristall, sei hier zunächst nochmals auf die frühesten datierbaren

106 Die nachfolgenden Beobachtungen basieren auf der persönlichen Untersuchung an mehr als 100 Bergkristallgefäßen des islamischen Mittelalters, sowie zahlreichen entsprechenden Glasschnitten, in den angegebenen Sammlungen. 107 Siehe Biruni/Kahle 1937 und Ḫusrau/Melzer 1993, S. 63.

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 100: Detail der Glasfragmente auf Abb. 30, abbasidisch, 9. Jh. (Museum für Islamische Kunst, Berlin)

Funde geschnittenen Glases aus Samarra (Residenz ca. 836–883) eingegangen. Unter den reichen Glasfunden, die bei den Grabungen Herzfelds zu Tage kamen, stellen in Hochrelief geschnittene Beispiele eine vergleichsweise kleine, nur in Fragmenten erhaltene Gruppe dar und dokumentieren damit die Seltenheit und den hohen Wert von Objekten in dieser zeitaufwändigen Bearbeitungstechnik. Waren offenbar schon geschnittene Gefäße aus Glas verhältnismäßig rare Kostbarkeiten, so galt dies zweifellos umso mehr für solche aus Bergkristall oder anderen kostbaren Steinen. Bereits der enorme Wert des Materials mag erklären, warum derartige Bergkristallgefäße bisher kaum im Rahmen dokumentierter Grabungszusammenhänge bekannt wurden. 108 Auch in Samarra fehlen Steinschneidearbeiten völlig, obwohl ihre Existenz für das 9. Jahrhundert

in den Quellen belegt ist. Die Fragmente geschnittenen Glases aus Samarra dokumentieren dabei durchaus unterschiedliche Qualitäten in der Ausführung und lassen sich zudem durch weitere Beispiele ergänzen. Als besonders charakteristisches Motiv zeigen zwei Fragmente den sogenannten Samarrafries in deutlich unterschiedlicher technischer Ausführung (siehe Abb. 24 u. 25, S. 63). 109 Während der Schnitt in einem Fall sehr summarisch ist und die einzelnen Blätter nur als konkave Mulden definiert sind, zeigt das zweite Fragment eine wesentlich differenziertere Ausarbeitung, bei der die Mittelrippe des Blattes durch einen minimalen Steg angegeben ist und das verbindende Kreismotiv im Schrägschnitt freigestellt wurde. Auf die technisch und ikonografisch nahezu identische Achatschale im Louvre wurde bereits in Kap. II.2 hingewiesen (siehe Abb. 27, S. 64). Für die Entwicklung des Steinschnitts sind aber andere Fragmente aufschlussreicher. Das eindrucksvollste Beispiel des Glasschnitts aus Samarra stellt sicher eine Reihe von Fragmenten dar, die ehemals eine Schale mit einer umlaufenden Folge stilisierter Tiere bildeten (siehe Abb. 30, S. 66). 110 Die Tierdarstellungen sind in einer Kombination aus relativ flachem Hochrelief und Intaglio erstellt. So ist das umliegende Material ebenso abgearbeitet wie die Binnenfläche des Körpers, während etwa die Läufe oder der Halsbereich durch einzelne lineare Schnitte gegliedert sind (Abb. 100). Die Kopfpartie zeigt ebenfalls eine Ausarbeitung, bei der es sich allerdings nur um einen kreisrunden, flachen Schrägschnitt zur Herausstellung des zentralen, punktförmigen Auges handelt. Zwar wurde das Schneiderad an diesen Fragmenten vielfach schräg angesetzt, jedoch hat man die Rücklagen durchgängig mit großer Sorgfalt auf ein einheitliches Niveau abgetragen, was sich an den Bruchkanten der Scherben gut ablesen lässt (vgl. Abb. 31, S. 66). Deutlich gröber und einfacher ist im Vergleich dazu eine blaue Glasschale im Schatz von San Marco gearbeitet, die ganz ähnliche Tierdarstellungen zeigt

Vergleichend sei hier auf antike Bergkristallgefäße verwiesen, die sich, wenn sie denn je unter die Erde gelangten, meist als Grabbeigaben fanden. Gerade diese Fundoption entfällt allerdings im islamischen Kontext. Beispiele für antike Bergkristallgefäße aus Grabzusammenhängen finden sich etwa in Berlin (Antikensammlung, siehe Schwarzmaier 2012, S. 214 f., Nr. 119) oder Köln (Römisch-Germanisches Museum, siehe Abb. 14, S. 48). Erdmann verwies 1959 auf je einen Fund aus Gurgan/Iran (Taf. T63) sowie Wasit/Irak (Taf. T64), deren Kontext im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht überprüft werden konnte. 109 Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. Sam 998.2 sowie Sam I. 47.7. 110 Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. Sam 606.4. Siehe auch Lamm 1928, Taf. VI, Nr. 243. Die ursprüngliche Wandungsstärke der Schale betrug etwa 2 mm, wovon im Bereich des Dekors ca. 40 Prozent abgetragen wurden. 108

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Stilisierte und geometrische Dekore

Abb. 101: Glasschale im Schatz von San Marco, abbasidisch, 9.–10. Jh. (Tesoro di San Marco, Venedig)

(Abb. 101). 111 Während die Gestaltung der Tiere zunächst analog zu den Fragmenten aus Samarra erscheint, zeigt die nähere Untersuchung, dass der Dekor hier praktisch ausschließlich im Schrägschnitt gearbeitet wurde. Das Material der Rücklage sowie der Binnenflächen wurde also nicht weiter abgearbeitet. Diesem Befund einer deutlich einfacheren technischen Ausführung des Schnitts entspricht auch die wesentlich größere Wandungsstärke des venezianischen Beispiels gegenüber den Scherben aus Samarra. Derartige technische Unterschiede lassen sich vielfach an geschnittenem Glas nachweisen und dürften weniger eine weiterentwickelte Technik dokumentieren, als vielmehr unterschiedliche, parallel entstandene Qualitäten einer oder mehrerer Werkstätten, die jedoch ganz offenbar nach denselben gestalterischen Mustern arbeiteten. Betrachtet man allerdings nochmals die Stücke aus Samarra, so ist festzustellen, dass ein Nebeneinander von linearem Hochrelief in den Umfassungslinien der Tierkörper sowie von Flächen mit linearem Intaglio an Hals und Läufen offenbar vom Künstler intendiert war und so auch auf dem weniger qualitätvollen Stück in Venedig 111 112

nachgeahmt wurde. Beide Beispiele wurden also in derselben Technik und mit denselben Werkzeugen bearbeitet, wobei in Samarra deutlich größerer Wert auf die Präzision des Schnitts sowie auf die zeitaufwändige Abarbeitung der Rücklagen und Binnenflächen gelegt wurde. Gerade dieser letztgenannte Arbeitsschritt erhöhte aber nicht nur den Zeitaufwand in erheblichem Maße, sondern brachte auch ein enormes Bruchrisiko mit sich, da im Falle der Fragmente aus Samarra auf über 90 Prozent der Oberfläche 30–40 Prozent der Materialstärke abgetragen werden musste. Anders als das Stück in Venedig zeigen die Schalenfragmente aus Samarra auch einzelne florale Motive, indem aus dem Maul der Tiere eine schraffierte Spiralranke erwächst, die in einer Fächerpalmette mündet, deren einzelne Blätter durch breite Schrägschnitte definiert sind. Ganz ähnlich gestaltete, aber merklich komplexere Fächerpalmetten zeigt auch eine Reihe weiterer Samarra-Fragmente aus grünlichem Glas (siehe Abb. 30 sowie 33, S. 68). 112 Dort waren diese Elemente aber offenbar Teil eines komplexen und dichten floralen Dekors. Die Qualität der Fragmente steht deutlich hinter denen der

Hahnloser 1971, Nr. 117, Taf. XC. Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. SamKat 246a und b, bzw. Sam I. 47.3.

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 102: Detail eines Glasfragments aus Samarra (zu Abb. 33, S. 68), abbasidisch, 9. Jh. (Museum für Islamische Kunst, Berlin)

Tierschale zurück. Zum einen ist das Material mit 5–6 Millimetern wesentlich dicker, während die Schnitttiefe weiterhin ca. 1 Millimeter beträgt. Zum anderen wurde der Dekor praktisch ausschließlich im Schrägschnitt ausgeführt, weshalb in den Rücklagen noch gut einzelne Materialinseln erkennbar sind, die man offenbar nur nachlässig abarbeitete (Abb. 102). Ein drittes Fragment aus klarem Glas zeigt ähnliche Formen, bei denen die einzelnen Blattelemente jedoch mit einem größeren individuellen Volumen ausgearbeitet sind (Abb. 103). 113 In der technischen Ausführung steht dieses Fragment zwischen den beiden zuvor besprochenen. Wie schon mehrfach angedeutet, scheinen sich also durchaus unterschiedliche Dekorvarianten parallel entwickelt zu haben, wobei sich die qualitätvollsten Stücke durch eine besonders sorgfältige Ausführung eines aufwändigen Hochreliefs auf besonders dünnwandigem Material auszeichnen. Daher muss die Erstellung einer ikonografischen Chronologie idealerweise anhand der qualitätvollsten Beispiele erfolgen, da die breitere Produktion sich zwar offenbar an diesen orientierte, einzelne lokale Werkstätten aber wohl auch länger einem gewohnten Stil gefolgt sein dürften. Gegenüber dem Glas, das in abbasidischer Zeit bereits ein leicht verfügbarer Werkstoff war und dessen Qualität nur in eingeschränktem Maße Rückschlüsse auf die Werkstatt erlaubt, in der es verarbeitet wurde, bietet der Steinschnitt erhebliche Vorteile. 114 Dessen Materialien, sei es nun Bergkristall oder auch Achat, waren bereits als Rohstoffe von beträchtlichem Wert und nur in begrenztem Maße verfügbar. Gerade größere

Abb. 103: Detail eines Glasfragments aus Samarra, abbasidisch, 9. Jh. (Museum für Islamische Kunst, Berlin)

Arbeiten dürften daher nur in wenigen, hochspezialisierten Werkstätten entstanden sein, die sich auf beträchtliche Ressourcen stützen konnten. Während die Glasschneider bei der Bearbeitung ihres Materials bereits aufgrund der Verarbeitungstechnik von einem Hohlgefäß ausgehen konnten, musste dieses für die Steinschneider erst in mühevoller und langwieriger Arbeit aus einem massiven Block herausgeschliffen werden. Anders als beim Glas war ein solcher „Rohling“ damit schon vor seiner weiteren Bearbeitung von beträchtlichem Wert und wurde dementsprechend auch in allen weiteren Arbeitsgängen mit größter Sorgfalt behandelt. Eine flüchtige oder nachlässige Ausführung des Schnitts kann also zumindest für die hohl geschnittenen Gefäße ausgeschlossen werden. Diese Objekte repräsentieren damit zweifellos das jeweils höchste Niveau des Steinschnitts ihrer Zeit, weshalb auch das nächste Kapitel stets von diesen Stücken ausgeht (Taf. T1–T23). Die eingangs beschriebenen Glasfragmente scheinen mit ihrem weitgehend als Hochrelief ausgeführten Dekor eine Entwicklung vorzugeben, die in den fatimidischen Krügen ihren Höhepunkt erreichen wird. Offenbar erfolgte diese Entwicklung von vorwiegend in Schrägschnitt ausgeführten Arbeiten hin zu einer immer stärkeren und immer komplexeren Ausarbeitung des Hochreliefs. Ein gutes Beispiel bietet hier etwa eine kleine Flasche

Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. Sam I. 47.4. Die Materialstärke beträgt ca. 2–3 mm. In den Samarrafunden lässt sich allerdings beobachten, dass die qualitätvollere technische Ausführung (dünneres Material und sorgfältigere Ausarbeitung des Dekors) eher auf farblosem Glas zu finden ist. Siehe dazu auch Kap. I.4 dieser Arbeit.

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Abb. 104: Detail des Bergkristallfläschchens Taf. T58, wohl abbasidisch (Museum Schnütgen, Köln)

im Domschatz von Capua (Abb. 70, S. 115 sowie Taf. T16). Während man den Zwischenraum der einzelnen Dekorelemente sorgfältig in einer Tiefe von etwa 2 Millimetern abarbeitete, sind diese Elemente in sich ausschließlich durch Linear- bzw. Schrägschnitte gegliedert. Der aus der hängenden Palmette aufsteigende Trieb teilt sich bereits nach wenigen Millimetern, um dann in zwei liegende Halbpalmetten zu münden. Besonders auffällig an diesem Motiv ist, dass die keilförmige Fläche zwischen den beiden Trieben nicht wie die Rücklage des Dekors abge-

arbeitet ist, sondern nur durch Schrägschnitte abgegrenzt wurde. Das Belassen dieser kleinen Zwickelfüllungen im Randbereich des Dekors findet sich vielfach an den kleineren Bergkristallgefäßen und korrespondiert mit der vereinfachten Binnengestaltung der Halbpalmetten (Abb. 104 sowie Abb. 69– 71, S. 114–115). Es kann somit als zusätzliches Indiz für die Zusammengehörigkeit dieser früheren Gruppe des Palmettendekors gelten. 115 Zur charakteristischen Mischung von Hochrelief und Schrägschnitt auf den Fragmenten in

Dieses Merkmal findet sich neben der Flasche in Capua an einer ganzen Reihe weiterer, auch in den übrigen Gestaltungselementen eng verbundener Objekten (Siehe Taf. T48, T49, T51, T53–T58 sowie Taf. T61).

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Samarra gibt es aber auch ein verwandtes Beispiel aus Bergkristall. Es handelt sich dabei um das Fragment einer Kanne im Schatz von San Lorenzo in Florenz. Mit seinem schlanken, zylindrischen Hals und dem ebenfalls zylindrischen Körper stellt dieses Gefäß zweifellos ein herausragendes Meisterwerk des Gefäßschliffs dar (Taf. T8). Die nur schwach abfallenden Schultern dürften den Handwerker bei der Aushöhlung des dünnwandigen Gefäßkörpers vor erhebliche Probleme gestellt haben. Ebenso meisterlich ist der mit ca. 2 Millimetern besonders tiefe Dekorschnitt des Kruges ausgeführt. Am Hals sitzen sich zwei löwenartige Tiere gegenüber, bei denen die Binnenfläche des Körpers auf das Niveau der Rücklage abgearbeitet ist, während der Kopf wie in Samarra ausschließlich durch Intaglioschnitte sowie durch den in Schrägschnitt freigestellten Augenpunkt definiert ist (siehe Abb. 87, S. 125). Ganz ähnlich sind die Vogeldarstellungen gearbeitet, die, in Medaillons eingestellt, auf dem Gefäßkörper angebracht sind (siehe Abb. 67, S. 112). Neben dem Kopf mit einem tropfenförmigen Auge, sind auch der Fuß des Tieres sowie der Flügel in Form einer Halbpalmette in ihrer Binnenzeichnung ausschließlich in Intaglio und Schrägschnitt ausgeführt. Das die Medaillons gleichermaßen rahmende und zusammenfassende Band ist ebenfalls nur durch lineare Schnitte und runde sowie längliche Facettenschliffe gegliedert. In seiner technischen Präzision und Schnitttiefe ist das Gefäß mit Stücken wie der Flasche aus Capua (Taf. T16) eng verwandt. Die beschriebene Verteilung von Hoch- und Schrägschnitt findet sich auch an den Tierdarstellungen der Krüge in Venedig und London (Abb. 88 u. 89, S. 126), obgleich diese bereits deutlich weniger streng stilisiert sind, als dies noch bei der Kanne in Florenz der Fall ist. Zudem ist die lineare Binnenzeichnung im Bereich von Kopf und Läufen nun wesentlich kleinteiliger, was sich auch in den floralen Motiven dieser Gefäße spiegelt. Obgleich die Palmetten und Halbpalmetten nun besonders detailliert ausgestaltet sind, geschieht dies weiterhin ausschließlich im Linear- und Schrägschnitt (siehe Abb. 72 u 73, S. 116). Die bereits in Kap. III.5 be-

schriebene, immer weiter gehende Ausarbeitung der Einzelformen, bei der zunächst noch Materialinseln zwischen den Blättern stehenbleiben, ist bereits in Samarra (Abb. 103) nachweisbar, ehe diese in einem späteren Schritt ebenfalls ausgeschliffen werden. 116 Die Tierdarstellungen auf dem Krug in London sind zwar bereits deutlich naturnäher gestaltet als bei den früheren Beispielen, jedoch fehlt diesen noch, vielleicht aufgrund der geringen Größe, die Aushöhlung der Körperfläche. Gegenüber den bisher beschriebenen Stücken zeigen die beiden fatimidischen Krüge eine deutliche Steigerung im Niveau der technischen Bearbeitung. Dort verschwindet der Schrägschnitt praktisch vollständig. Waren die Ränder des Dekors in den früheren Beispielen in der Regel schräg geführt, so sind sie nun nahezu vertikal und einzelne Motive, beispielsweise am Krug des al-ʿAzīz, erscheinen sogar leicht hinterschnitten (vgl. Abb. 6, S. 35). Analog dazu werden nun auch kleinste Materialinseln und Zwischenräume vollständig abgearbeitet, sodass die einzelnen Elemente des Dekors wie freigestellt erscheinen (siehe Abb. 76 u. 77, S. 116). Zudem nimmt die Schnitttiefe gegenüber den Krügen in London und Venedig deutlich zu und beträgt am al-ʿAzīzKrug in manchen Bereichen bis zu 4 Millimeter. Am kleineren Krug des Palazzo Pitti erschloss sich die außerordentliche Qualität der technischen Ausführung während der Restaurierung des Stücks. Dort wurden über 50 Prozent der Wandungsstärke in eindrucksvollem Ebenmaß abgeschliffen. 117 An Beispielen aus Glas lässt sich sogar eine noch filigranere Ausarbeitung beobachten. Der Grund dafür könnte zum einen in der leichteren Bearbeitbarkeit des Materials liegen, zum anderen an dessen Wiederverwertbarkeit. Während bei einem in allzu gewagter Schnitttechnik zerstörten Steingefäß das gesamte Material, einschließlich des bereits geleisteten hohen Aufwandes der Aushöhlung, unwiederbringlich verloren war, konnte ein geblasenes Glasgefäß nach einer Beschädigung oder Zerstörung neuerlich eingeschmolzen werden. Das Material ging also nicht verloren. Als Extrembeispiel für die technischen Leistungen der Glasschneider des islamischen Mittelalters sei hier nur

116 Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. Sam I. 47.4 (siehe Abb. 103). Leider ist der Dekor zu fragmentarisch um sich ein genaueres Bild der verwendeten Technik sowie der Ikonografie zu machen. 117 Für detaillierte Informationen zu diesem Stück danke ich der Restauratorin Federica Cappelli/Florenz (zur Restaurierung siehe auch Cappelli 2004).

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Diskussion

auf ein Fragment in den Beständen des Museums für Islamische Kunst in Berlin verwiesen. Die ehemals etwa 3,5 Millimeter Wandungsstärke des farblosen, grün überfangenen Glases wurde dort in den Rücklagen auf bis zu 30 Prozent ausgedünnt (siehe Abb. 8 u. 9, S. 39). Von der immer stärkeren Ausprägung des Hochreliefs, wie man sie an den Bergkristallgefäßen bis in fatimidische Zeit beobachten kann, lassen

sich durchaus auch Parallelen zur Elfenbeinschnitzerei des 10. Jahrhunderts ziehen. Wie Anthony Cutler darstellte, ist die technische Entwicklung zu immer anspruchsvolleren Reliefschnitten dort als ein Reflex auf byzantinische Vorlagen zu sehen. Eine Vorliebe für diese Ästhetik könnte eine im Steinschnitt bereits angelegte Tendenz vielleicht noch gefördert und verstärkt haben. 118

III.10 Diskussion Wie in Kapitel II.2 dieser Arbeit aufgezeigt wurde, besteht beim mittelalterlichen Bergkristallschnitt in der islamischen Welt eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Quellenhinweisen zum Umfang der Produktion zu unterschiedlichen Zeiten und dem erhaltenen Material. Nur drei Objekte lassen sich mit einiger Gewissheit als Produkte fatimidischer Werkstätten ansprechen. Für die von mittelalterlichen Autoren sowohl indirekt als auch direkt bezeugte Existenz des Steinschnitts unter den abbasidischen Kalifen wurden jedoch aufgrund des Fehlens jeglicher eindeutiger Inschriften oder archäologischer Befunde bisher keine Werke beansprucht. Wie schon zu Beginn dieses Abschnitts beschrieben, übernahm man im wesentlichen Kühnels Urteil von 1910, dass alle Bergkristallarbeiten zweifelsfrei einer Epoche und einem Ort, nämlich dem fatimidischen Ägypten zuzuweisen wären und auch Erdmann, der 1951 eine differenziertere Chronologie der Bergkristallarbeiten vorschlug, konnte sich nicht von Ägypten als deren wesentlichem Entstehungsort trennen. Diese Annahme ist aber aufgrund der aufgezeigten stilistischen und technischen Vielfalt sowie des erhaltenen Quellenmaterials nicht mehr haltbar und wurde nach Kahles Publikation von al-Bīrūnīs Ausführungen zur Bergkristallverarbeitung in Basra auch von Kühnel selbst relativiert. Die von ihm vorgeschlagene neuerliche und unvoreingenommene Sichtung des Materials ist bislang nur in Ansätzen geschehen. 119 In den vorangegangenen Kapiteln dieser Arbeit wurde

bereits die enorme Diversität in den Objekt- und Dekorgestaltungen der „fatimidischen“ Bergkristallarbeiten und ihre häufig eindeutig vor-fatimidischen Vergleichsobjekte vorgestellt. Die in dieser vergleichenden Untersuchung der einzelnen Elemente gewonnenen Erkenntnisse sollen nun mit der in Kapitel II.3 versuchten quellenbasierten Hypothese zur Entwicklung des Steinschnitts zu einem Gesamtbild zusammengeführt werden. Dabei bildet weiterhin Glas das wichtigste, wenn auch nicht unkomplizierte Vergleichsmaterial, für das Harper 1961 im Journal of Glass Studies ihren Vorschlag einer Chronologie des islamischen geschnittenen Glases vorlegte, dem seitdem nichts vergleichbar Umfassendes mehr an die Seite gestellt wurde. Die Chronologie und mehr noch die Frage der Provenienz mittelalterlichen geschnittenen Glases aus der islamischen Welt ist noch immer problematisch, da geschnittene Gläser innerhalb der gesamten Fundmengen beispielsweise in Samarra oder Fustāt/Kairo nur einen relativ geringen Anteil ausmachen, was für den Wert und die verhältnismäßige Seltenheit dieser aufwändig gearbeiteten Gefäße spricht. Ein weiteres Problem stellt der intensive Handel innerhalb der islamischen Welt dar. Das abbasidische Reich etwa umspannte im 9. und 10. Jahrhundert mit Mesopotamien, Persien und Ägypten ein weites Territorium mit einer Fülle möglicher Produktionsstätten sowie verschiedenster stilistischer und technischer Traditionen, die in einem regen Austausch gestanden haben dürften

Cutler 1999, S. 645 f. Die Aussage Kühnels gibt Kahle in einer Fußnote seiner Übersetzung von Birunis Kapitel zu Bergkristall wieder. Siehe Biruni/Kahle 1936, S. 332, Fn. 3: „[…] man alle erhaltenen Arbeiten daraufhin durchsehen müsse, ob sie hinsichtlich der Art des Dekors nicht doch eher auf den Iraq als, wie man bisher annahm, auf Ägypten zu lokalisieren seien. […] Jetzt müsse man die ganze Serie revidieren. Einige, die Inschriften auf bestimmte Fatimiden tragen (Aziz und Zahir), dürften schwerlich im abbasidischen Basra entstanden sein, aber von den anderen sicher die Mehrzahl.“ 118

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Ohne Zweifel fatimidisch?

und sich in einem dauernden Prozess wechselseitig beeinflussten. Harper setzt an den Beginn ihrer Chronologie eine Gruppe stilistisch recht einheitlicher Gläser, die ausschließlich isolierte Tierfiguren zeigen und datiert diese auf das 8. und 9. Jahrhundert. 120 Eine zentrale Position nimmt dabei die türkise Glasschale in San Marco ein (Abb. 101, S. 135), deren Tierdarstellungen eine enge Verwandtschaft zu den in Samarra gefundenen Fragmenten einer Schale aus klarem Glas aufweisen, die jedoch hinsichtlich ihrer Materialstärke und Schnittschärfe deutlich qualitätvoller sind (Abb. 100, S. 134). Die Schale in Venedig zeigt auf ihrem Boden die Bezeichnung Khurasan, die auf das östliche Persien verweist. Dort befanden sich nicht nur Lagerstätten von Türkis, worauf die Inschrift wohl hindeuten soll, sondern mit Nishapur auch ein bedeutendes Zentrum der Glasherstellung. Betrachtet man die dort gemachten Funde, so machen Stücke mit relativ flachem Relief aus linearen oder schräg gesetzten Schnitten einen bedeutenden Anteil aus. 121 Fragmente, die sich technisch mit den oben beschriebenen Stücken in Verbindung bringen lassen, sind hingegen eher selten. 122 Dennoch werfen sie die Frage nach der Provenienz der Objekte aus Samarra und Venedig auf, zumal für eine Schale (Abb. 66, S. 111 u. 80, S. 120) sowie eine Flasche in Corning ebenfalls eine persisch/iranische Provenienz angenommen wird. 123 Nishapur ist aber auch für den Steinschnitt von besonderem Interesse, da al-Bīrūnī von einer Sammlung von Bergkristallgefäßen berichtet, die sich 873 ebendort in den Schatzkammern des letzten Tahiriden Muhammad ibn Tahir fand. 124 In Nishapur selbst kamen keine Hinweise auf eine Verarbeitung von Bergkristall zu Tage, jedoch weist ein in Wasit im Irak gefundener Bergkristallflakon (Taf. T64) einen Dekor in einfachem Linearschnitt auf, der in seiner Technik und summarischen Auffassung des Dekors tatsächlich Ähn-

lichkeiten zu Glasschnitten aus Nishapur aufweist, sowie zu solchen, die, daran anschließend, als persisch angesehen werden. 125 Ein weiteres Fläschchen in Teheran, das in Gurgan gefunden wurde (Taf T63), könnte ein weiteres Indiz für die mögliche persische Provenienz einer ganzen Gruppe von formal ähnlichen Bergkristallgefäßen darstellen. 126 Jedoch ist bei al-Bīrūnī eindeutig von besonders kostbaren Gefäßen die Rede, womit diese kleinen Flakons kaum gemeint sein können. Blickt man auf den Bestand der dünnwandigen Hohlschliffe, so stechen dort zwei Gefäße heraus, die als einzige erhaltene Beispiele keinen floralen Dekor aufweisen, sondern auf ihrem Körper entweder schreitende Huftiere (Taf. T15) oder Vogeldarstellungen in rahmenden Medaillons zeigen (Taf. T8), die sich, wie in Kap. III.6 gezeigt wurde, mit der Schale in Corning (Abb. 66 u. 80) und weiteren vergleichbaren in Verbindung bringen lassen. Details wie etwa die Schraffur der Umrisslinien der Tierdarstellungen oder die charakteristische Verwendung von Facetten und einfachen bzw. gekreuzten Linien in dekorativen Bändern oder an den Beinen der Vögel ähneln den Darstellungen auf einem geschnittenen, wohl aus Persien stammenden Glaskrug in Corning (Abb. 39, S. 87), der meist auf die Zeit um 1000 datiert wird. Jedoch basiert diese Datierung primär auf der formalen Ähnlichkeit des Kruges mit den Stücken aus Bergkristall, deren vermeintlich fatimidische Provenienz nie angezweifelt wurde. 127 Der Fund eines geschnittenen Glaskruges in Fustāt (Abb. 40, S. 88), der sich über seine Fundumstände auf das 9. Jahrhundert datieren lässt, stellt diese Zuschreibung jedoch grundsätzlich in Frage. 128 Nicht nur ist die Form des Gefäßes nahezu identisch zu jenem in Corning, sondern sein Reliefschnitt belegt bereits ein hohes technisches Können, das auch die Entstehung des Glaskruges in Corning zu einem deutlich früheren Zeitpunkt möglich erscheinen lässt.

Harper 1961, S. 25 f. sowie S. 28. Zum geschnittenen Glas in Nishapur siehe Kröger 1995, S. 120 ff. 122 Siehe etwa Kröger 1995, Nr. 192 oder 193. 123 Siehe Whitehouse 2010, Nr. 296 (Inv. 53.1.109) sowie 388 (Inv. 55.1.125). Beide Stücke wurden wohl im Iran erworben. Harper datiert dieses Stück auf die zweite Hälfte des 9. Jahrhundert, Harper 1961, S. 12 f. sowie S. 28. 124 Biruni/Kahle 1936, S. 339 f. 125 Siehe Kröger 1995, Nr. 199, 202–204 oder 219–224 sowie Whitehouse 2010, Nr. 256, 269 oder 271. 126 Zu den Stücken aus Wasit und Gurgan siehe Erdmann 1959, S. 202. 127 Whitehouse 2010, Nr. 522, bes. S. 299. 128 Scanlon 2001, Nr. 43 f. 120 121

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Diskussion

Die Tierdarstellungen auf dem Krug, ein Greifvogel, der ein gehörntes Tier, vielleicht ein Gazelle, anfällt, weisen starke Ähnlichkeiten zu dem Bergkristallkrug in London auf (Abb. 89 sowie Taf. T2), wobei die Tiere dort vollkommen in einen dichten Rankendekor eingebettet sind. Whitehouse, der diese Ähnlichkeit ebenfalls beschrieb, stellte in Anbetracht der wohl iranisch-persischen Provenienz des Glaskruges in Corning die Frage nach einem möglichen persischen Einfluss auf die Werkstatt, in der der Londoner Bergkristallkrug entstand. 129 Tatsächlich ist eine Wanderung von Handwerkern innerhalb des abbasidischen Territoriums wahrscheinlich und die charakteristische Kombination von zoomorphen und vegetabilen Motiven in London könnte auf eine derartige Mischung verschiedener Einflüsse hindeuten. In Kapitel III.5 wurde für die Blattformen in London sowie deren Auftreten an bestimmten weiteren Gefäßen bereits auf Ähnlichkeiten zu Glasfragmenten aus Samarra verwiesen (siehe Abb. 33, S. 68). 130 Vor diesem Hintergrund scheint die Existenz einer hochentwickelten Bergkristallwerkstatt, in der Meister verschiedenster Herkunft für den Kalifenhof tätig waren, durchaus wahrscheinlich und deckt sich zudem mit der Erwähnung von Bergkristallgefäßen am Hof des alMutawakkil (reg. 847–861). 131 Somit würde der Dekor des Kruges in Corning eine Vorstufe zu jenem in London darstellen, in dessen Gestaltung gewissermaßen zwei dekorative Traditionen verschmelzen. Die erste besteht in den Tierdekoren, wie sie auf den Glasgefäßen in Corning oder Venedig, aber auch in den klaren Schalenfragmenten aus Samarra repräsentiert sind. Die zweite Dekortradition besteht aus einer primär floralen Motivik und ist in dem Palmettenbaum repräsentiert, der die Vorderseite des Kruges einnimmt und mit seinen Ranken den gesamten Körper umfasst. Wie in Kapitel III.5 dargestellt, sind die komplexen Palmettenbäume auf den Krügen in Vene-

dig, London oder Dallas (Taf. T1–T3) selbst die Ergebnisse einer längeren Genese von Palmettenstrukturen, deren Entwicklungsschritte etwa an den Gefäßen in Capua (Taf. T16), Gandersheim (Taf. T51) oder Quedlinburg (Taf. T43) ablesbar sind. Bemerkenswerterweise scheint es sich dabei aber um eine ausschließliche Entwicklung innerhalb des Bergkristallschnitts zu handeln, da sich vergleichbare Strukturen auf geschnittenem Glas nicht finden. 132 Auch wenn sich diese früheren Entwicklungsstufen der Palmettendekore primär auf technisch einfacheren, massiv geschnittenen Beispielen erhalten haben, so belegen das Fläschchen in Capua (Taf. T16), Fragmente in London (Taf. T26) und das Gefäßfragment in Arolsen (Taf. T17) doch deutlich, dass diese Gruppe einst auch komplexere hohl geschnittene Gefäße umfasste. Während die oben beschriebenen Stücke um den Krug in London in der Flächigkeit und dem Detailreichtum ihres Dekors geradezu exemplarisch einen höfischen Stil zu verkörpern scheinen, stellt ein Gefäß wie das Fragment in Arolsen offenbar eine parallele Entwicklung dazu dar, die zwar einzelne Elemente wie etwa das „Füllhornmotiv“ aufnimmt, sich aber sonst zu eigenständigen Dekoren wie auf dem Kugelfläschchen in Capua (Taf. T14) entwickelt. Der Krug in Dallas (Taf. T3) stellt gegenüber den beiden eng verwandten Stücken in Venedig (Taf. T1) und London (Taf. T2) sicher das späteste Exemplar dieser Gruppe dar. Gegenüber den anderen beiden Beispielen sind die Löwendarstellungen dort bereits deutlich aus dem floralen Dekor herausgelöst und werden nur noch von einem Fries alternierend eingerollter Ranken mit Halbpalmetten gerahmt. Ganz ähnlich ist der Dekor an dem Krug in Fermo organisiert, dessen zentraler Palmettenbaum von zwei großen Vogeldarstellungen flankiert wird, die von vergleichbaren Kaskaden von Spiralranken hinterfangen werden (Taf. T6). Die

Whitehouse 2010, S. 300. Zu dieser Gruppe gehören die Krüge in Venedig, London und Dallas (Dallas Museum of Art, Keir Collection, Taf. T1–T3), ein Gefäß in St. Petersburg (Eremitage, Taf. T23), eine besonders dünnwandige Scherbe in Kopenhagen (David Sammlung, Taf. T24) zwei ovale Gefäße in London und Dallas (Victoria und Albert Museum sowie Dallas Museum of Art, Taf. T36, T37) sowie – etwas entfernter – einem Becher in London (British Museum, Taf. T20). 131 Siehe Kap. II.2 und II.3. Für ein Gefäß dieser Gruppe in St. Petersburg (Eremitage, Taf. T23) hielt bereits Lamm eine „iraqenische“ Entstehung für wahrscheinlich. Siehe Lamm 1929/30, Nr. 68, 5, S. 199 f. 132 Der sogenannte Buckley-Krug des Victoria and Albert Museums (Abb. 38) stellt hier eine gewisse Ausnahme dar, da er Halbpalmettenformen zeigt, die bereits den fatimidischen Gefäßen nahestehen, was für Harpers Datierung dieses Stückes in das 10. Jahrhundert spricht. Soweit dies noch nachvollziehbar ist, weicht er in der übrigen Gestaltung jedoch soweit ab, dass eine fatimidische Provenienz ausgeschlossen werden kann. 129

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Ohne Zweifel fatimidisch?

Abb. 105: Variationen eines „Kielbogenmotivs“ auf den Gefäßen Taf. T2, T4 sowie T9

Abgrenzung des Dekorfeldes nach oben sowie zur rückseitigen Griffzone geschieht dort durch ein breites Band, das ausschließlich durch große Punktfacetten rhythmisiert ist und damit an ähnliche Gestaltungen an dem Gefäßfragment in St. Lorenzo (Taf. T8) erinnert. Die Blattformen des Kruges in Fermo verbinden ihn lose mit dem Fläschchen in Halberstadt (Taf. T12) und einem Fragment in Astorga (Taf. T13), unterscheiden sich aber ansonsten so stark von allen übrigen Gefäßen, dass sie als eine eigenständige Entwicklung angesehen werden müssen, die wohl parallel zum Krug in Dallas oder etwas später anzusetzen ist. 133 Beide Dekorvarianten beschränken sich auf außerordentlich qualitätvolle Stücke und finden kein Echo in den einfacher gearbeiteten Objekten, die wahrscheinlich für einen breiteren Markt entstanden. Dies könnte auf eine weitgehend exklusive, abgeschlossene Produktion, etwa im Rahmen einer Hofwerkstatt hindeuten. Beide Werkstatttraditionen scheinen nach einer ge-

wissen Zeit abgebrochen zu sein. Während aber die Dekorformen des Kruges in Fermo völlig verschwinden, scheinen die des Londoner Kruges in veränderter Form weitergetragen zu werden. Das bedeutendste Beispiel dieser Entwicklung stellt die Flasche in S. Lorenzo in Florenz dar (Taf. T9), die in ihren vereinfachten Formen den reichen Stil des Londoner Kruges mit der parallelen Dekortradition der einfacheren Gefäße, wie etwa des Fragmentes in Capua (Taf. T14) zu verbinden scheint. Möglicherweise stellen die Florentiner Flasche sowie das eng verwandte ovale Gefäß in Washington (Taf. T38) wiederum Werke einer Hofwerkstatt dar, die sich in der Übernahme von Details wie dem Füllhornmotiv oder einem zentralen Medaillon mit Kielbogenabschluss bewusst auf Vorgänger wie den Londoner Krug bezieht (Abb. 105). Dass gerade dieses letztgenannte Element auch höchst prominent auf der Front des al-ʿAzīz-Kruges in Venedig (Taf. T4) erscheint, spricht für den Ursprung der fatimidischen Werkstatt aus der abbasidischen Tradition heraus, am wahrscheinlichsten durch abgewanderte Handwerker. Ein weiteres

Zur Dekorgruppe der Stücke in Fermo, Halberstadt und Astorga ist auch noch eine Glasscherbe in Corning (Museum of Glass, Inv. 76.1.265) hinzuzufügen, die ursprünglich wohl ebenfalls zu einem Kugelfläschchen gehörte. Siehe Whitehouse 2010, Nr. 360.

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Stilistische Gruppierung

Indiz für die Konstanz einer Werkstatttradition, die bis in die mutmaßlich erste abbasidische Hofwerkstatt des 9. Jahrhunderts zurückreicht, stellt die in Kapitel III.5 beschriebene Verwendung des Füllhornmotivs dar, das sich ebenso auf dem Krug in London (Abb. 78, S. 117), der Flasche in Florenz (Taf. T9) sowie, ausgehend von dem Mittelmedaillon (Abb. 105), am Krug des al-ʿAzīz findet. Während die weitgehend erhaltenen dünnwandigen Hohlgefäße in ihrem Dekor stets einheitlich gestaltete Halbpalmetten aufweisen, weicht nur eine kleine Gruppe von Stücken von dieser Regel ab. Diese Ausnahmen bilden die außerordentlich qualitätvolle, einhenklige Bergkristalltasse im sogenannten Heinrichskelch in München (Taf. T19) sowie die Gefäßfragmente in Conque (Taf. T11), denen noch Fragmente in London an die Seite gestellt werden können (Taf. T26). Die Handhabe der Münchner Tasse flankieren zwei streng geometrisch entwickelte Gevierte auseinander erwachsender Halbpalmetten, die durch ein Band miteinander verbunden sind, das sich gleichermaßen als Abgrenzung zum Lippenrand um die gesamte Schale spannt. In diesen Gevierten finden sich die linear gezeichneten Palmetten nun in Kombination mit jener voll entwickelten „naturalistischen“ Form, wie sie auch auf den fatimidischen Stücken zu finden ist. Das zentrale Dekorfeld der Tasse zeigt schließlich nur noch diesen Formtypus. Damit steht die Tasse den beiden fatimidischen Krügen sowohl in technischer als auch stilistischer Hinsicht wohl am nächsten und verbindet deren Motivik mit Blattformen, die bis in die frühe Entwicklung der hier behandelten Tradition des Bergkristallschnitts zurückreichen. Abschließend ist noch auf zwei Stücke zu verweisen, die sich von den bisher angeführten Gefäßen vor allem durch die eigenwillige gestalterische und tech-

nische Ausführung des Dekorschnittes absetzen, während der Hohlschliff dieser Beispiele offenbar von anhaltend hoher Qualität ist. Dies ist zunächst der Bergkristallkrug des Louvre in Paris (Taf. T7). Ungewöhnlich ist dort nicht nur die Gliederung des Dekors auf dem Gefäßkörper, wo etwa ein schwach entwickelter Palmettenbaum (Abb. 79 C, S. 118) zwischen zwei breiten, doppelreihigen Bändern aus Rankenwerk steht, die den gesamten unteren Teil des Körpers umfassen, sondern auch die Ausgestaltung der Einzelelemente. Zwar folgt die Ausarbeitung der einzelnen Blattformen den fatimidischen Beispielen, jedoch ist deren Form insgesamt seltsam unorganisch entwickelt. Blattenden rollen sich hier nicht nur ein, sondern können auch abrupt nach hinten abknicken, während andere Elemente in ihrem groben Schnitt wie unfertig wirken. Ebenfalls ungewöhnlich erscheinen die seltsam geometrischen, rautenförmigen Elemente auf den Gefäßseiten, die sich kaum mit den floralen Elementen der Halbpalmetten verbinden. Sowohl aufgrund der vollentwickelten Blattformen als auch aufgrund der Gefäßform, die mit ihrem abgeflachten Boden den fatimidischen Krügen näher steht als jenen in London oder Fermo, ist in dem Stück in Paris wohl eher eine spätere Entwicklung zu sehen. Details der Dekorgestaltung, wie etwa die etwas ungelenke Führung der Ranken oder die eigenwillig umgeknickten Blattspitzen, zeigt schließlich auch ein Fläschchen in Venedig (Taf. T10). Beide Objekte scheinen die letzte Phase des mittelalterlichen islamischen Bergkristallschnitts zu repräsentieren, wobei offen bleiben muss, ob sie als Werke desselben Umfeldes angesehen werden können, in der die beiden gesichert fatimidischen Krüge entstanden und somit eine Phase des technischen Niedergangs markieren, oder ob sie möglicherweise wiederum Werke eines abgewanderten Werkstattzweiges darstellen.

III.11 Stilistische Gruppierung Zusammenfassend möchte ich das erhaltene Material in vier wesentliche Gruppen unterteilen. Von diesen Gruppierungen, die jeweils aus stilistisch eng verwandten Stücken gebildet sind, erscheinen mir drei als abbasidisch. Dabei seien ausdrücklich auch die östlichen, iranisch/persischen Gebiete des abbasidischen Reiches mit möglichen Produktionsorten einbezogen. Hinzu kommen die Arbeiten, die

ich einer fatimidischen Produktion zuordnen möchte. Daneben lassen sich weitere Komplexe ausmachen, die den genannten verwandt sind, ohne sich ihnen unmittelbar anzuschließen. Sie könnten etwa einem weiteren, bislang nicht lokalisierten Zweig der Werkstatttradition angehören. Abgesehen von den beiden fatimidischen Krügen, lässt sich für keines der übrigen Gefäße eine 143

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Ohne Zweifel fatimidisch?

konkrete Datierung bestimmen. Dennoch soll im Folgenden versucht werden, für das erhaltene Material aufgrund der in den früheren Kapiteln dargestellten quellenbasierten Hypothese zur Chronologie des islamischen Steinschnitts sowie den Überlegungen zu einer stilistisch-technischen Entwicklung, eine mögliche Abfolge vorzuschlagen, die einen Zeitraum von der ersten Hälfte des 9. bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts umspannt. Aufgrund der extrem fragmentarischen Erhaltung des Bestandes verschließt sich eine Reihe von Stücken einer klaren Zuordnung. Zudem sind nur wenige Rückschlüsse auf den ursprünglichen Umfang der jeweiligen Gruppen möglich, jedoch ist etwa für die dünnwandigen Hohlgefäße aufgrund ihrer Fragilität eine geringere Wahrscheinlichkeit der Erhaltung anzunehmen als für die kleineren massiv geschnittenen Stücke. Insofern stechen einzelne Gruppen besonders heraus wenn sie sich vorwiegend aus Hohlschnitten konstituieren. In diesen Fällen muss es tatsächlich als fraglich angesehen werden ob jemals eine entsprechende Produktion auf niedrigerem qualitativen Niveau existierte. Korrespondierend dazu scheint sich die Werkstatttradition der massiv geschnittenen Stücke rasch weitgehend verselbständigt zu haben und parallel zur exklusiven, wohl höfischen Produktion in größerer Konstanz gearbeitet zu haben. Ausgehend von den Befunden des Glasschnitts wären die Achatschale in Paris (Abb. 27, S. 64), die Gefäßfragmente in Paris (Taf. T15) und Florenz (Taf. T8) sowie wohl auch der Knauf aus Berlin (Taf. T104) als früheste erhaltene Beispiele des abbasidischen Bergkristallschnitts zu nennen. Sie setzen sich durch das Fehlen von Ranken und Palmettenstrukturen deutlich vom übrigen Bestand ab, wobei die Hohlschliffe bereits eine eindrucksvolle technische Qualität aufweisen. Gruppe I stellt daran anschließend die erste größere Stilgruppe dar, bei der einheitliche Dekormuster auf einer Anzahl von Stücken wiederkehren, für die auch bereits mehrere Werkstätten wahrscheinlich erscheinen. Hierzu gehört ein wesentlicher Teil der erhaltenen massiv geschnitten Gefäße, deren Dekore sowohl Halbpalmetten mit linearer wie dreiteiliger Binnenzeichnung, häufig 134

auch in Kombination, umfasst (Taf. T40, T42–T45, T48–T51). Die einzigen Hohlschnitte in dieser Gruppe stellen die Tasse in Aachen (Taf. T18), das Fläschchen in Capua (Taf. T16), sowie das Fragment in Arolsen (Taf. T17) dar. Gefäßfragmente in London (Taf. T26) und Corning (Taf. T27–T29) belegen, dass diese Anzahl ehemals deutlich größer gewesen sein dürfte. Unter den massiven Objekten ist hier zudem der Knauf aus Essen (Taf. 102) zu nennen. Die Zusammensetzung dieser Gruppe deutet darauf hin, dass ihre Werke für unterschiedlichste Käuferkreise entstanden, jedoch fehlen die herausragenden Stücke, die in einer Hofwerkstatt zu erwarten wären. Hier lässt sich eine Reihe weiterer Arbeiten anschließen, die in ihrer Gestaltung so unmittelbar den oben genannten Beispielen folgen, dass sie trotz ihrer veränderten Blattform als weitgehend ungebrochene Fortsetzung und Weiterentwicklung angesehen werden können. Das zentrale Stück stellt hier der relativ dickwandige Körper eines Kugelfläschchens in Capua (Taf. T14) dar, um den sich eine Reihe zylindrischer Flakons (Taf. T53–58) gruppiert. Gemeinsam ist all diesen Stücken eine geschweifte, kompakte Blattform und eine, gegenüber den früheren Beispielen, deutlich bewegtere und komplexere Struktur der Ranken. Zudem weisen alle Stücke ein Ring- oder Perlenelement auf, das jeweils den zentralen Trieb der Komposition umfasst und sich damit an Beispiele aus dem Glasschnitt des 9. und 10. Jahrhunderts anschließen lässt. 134 Etwas entfernter lassen sich hier auch die Schachfiguren in Kuwait (Taf. T138–T144) sowie der technisch wesentlich gröber ausgeführte Teller in Aachen (Taf. T35) anfügen, für den jedoch eine Entstehung nach islamischen Vorbildern in einem anderen Kontext durchaus möglich erscheint. Die in dieser Gruppe zusammengefassten Arbeiten dürften den zeitlichen Bogen von der ersten Verbreitung des Bergkristallschnitts im abbasidischen Reich bis hin zu jener umfangreichen Produktion umspannen, deren späten Höhepunkt alBīrūnī um 1000 beschreibt. Es handelt sich dabei wohl gerade nicht um eine höfische Produktion, die offenbar schon sehr früh zu herausragenden technischen Leistungen gelangte (siehe oben; Taf. T8, T15, T104), sondern um Werke, die für eine breitere Käuferschicht in kommerziellen

Siehe etwa die Glasschale in Corning (Museum of Glass, Inv. 53.1.109, Abb. 66).

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Stilistische Gruppierung

Werkstätten entstanden. Wie weiter oben ausführlich dargestellt wurde, konnten diese auch Krisenzeiten weitgehend unbeschadet überstehen und so eine grundlegende technische und künstlerische Tradition am Leben erhalten. Gruppe II beinhaltet mit je einem Krug in Venedig (Taf. T1), London (Taf. T2) und Dallas (Taf. T3) sowie dem Objekt in St. Petersburg (Taf. T23) vier der Meisterwerke des Hohlschliffs, die durch ihren Dekor aus besonders kleinteiligen und reich gestalteten Palmetten mit zwei hochovalen, massiv geschnittenen Gefäßen in London (Taf. T36) und Dallas (Taf. T37) verbunden sind. Ein Becher in London (Taf. T20) scheint eine Vorstufe zum Dekor der übrigen Stücke darzustellen. Verwiesen sei hier außerdem auf eine Gefäßscherbe in Kopenhagen (Taf. T24) mit einer Dicke von weniger als 1 Millimeter. Die außerordentlich hohe Qualität dieser Stücke sowie das völlige Fehlen entsprechender Dekorformen auf technisch einfacheren Stücken legt die Vermutung nahe, dass es sich hier um Werke einer dezidiert höfischen Werkstatt handelt. Korrespondierend mit der wirtschaftlichen und kulturellen Blüte unter al-Mutawakkil (reg. 847–861) und der dokumentierten Existenz von Steinschneidearbeiten in diesem Kontext könnte die Gruppe im 9. Jahrhundert im unmittelbaren Umfeld des Kalifenhofes entstanden sein. Diese Hofwerkstatt wäre in den zunehmenden Wirren nach dem Tod des alMutawakkil untergegangen, wobei die Handwerker wohl von einfacheren, lokalen Werkstätten aufgenommen wurden. Gruppe III beinhaltet als zentrales Objekt die Flasche in Florenz (Taf. T9), die in ihrer technischen Qualität an die Krüge in Gruppen II anschließt. Details des Dekors wie etwa die stark stilisierten Füllhörner sowie die Blattformen deuten ebenfalls auf diesen Bezug hin, während die klare Struktur im Aufbau des umlaufenden Dekores ebenso an Vorbildern der späteren Entwicklungsstufe von Gruppe I orientiert zu sein scheint. Die stärker aus dem Volumen ihrer Bestandteile heraus definierten Blattformen finden sich auch auf dem ovalen, massiv geschnittenen Gefäß in Washington (Taf. T38), das sich formal auf Stücke aus Gruppe II bezieht, mit dem Kreiselement auf halber Höhe des zentralen 135

Rankentriebs jedoch ein charakteristisches Detail der späteren Beispiele von Gruppe I aufnimmt. Aufgrund der Gestaltung ihrer Palmettenformen können hier auch noch ein Gefäßfragment in Saint Riquier (Taf. T61) sowie der Vogelflakon in Quedlinburg (Taf. T99) hinzugezählt werden. Die herausragende Qualität der Flasche in Florenz gegenüber den Objekten in Gruppe I könnte Gruppe III als Werke einer neu gebildeten höfischen Werkstatt ausweisen, die bewusste Anleihen bei Gruppe II nahm, um sich in deren Tradition zu stellen. Diese Stücke bilden sowohl technisch als auch ikonografisch eine unmittelbare Vorstufe zu den Werken in Gruppe IV. Verwiesen sei in diesem Kontext auf die neuerliche Nennung von Bergkristallgefäßen unter den Kalifen al-Muqtadir (reg. 908–932) und ar-Rādī (reg. 934–940). 135 Gruppe IV dokumentiert in ihren Dekorformen gegenüber Gruppe III einen weiteren Schritt der stilistischen Entwicklung. Die technisch-stilistische Verwandtschaft sowie die Übernahme markanter Elemente wie etwa der stilisierten Füllhörner oder des zentralen Kielbogenmedaillons von der Flasche in Florenz (Taf. T9) auf dem wohl zwischen 975 und 996 entstanden Krug des al-Azīz in Venedig (Taf. T4) legt einen engen Werkstattzusammenhang nahe. Dieser erklärt sich möglicherweise aus der Abwanderung von Handwerkern einer abbasidischen Werkstatt an den seit den 970er Jahren aufblühenden Kairoer Kalifenhof, der somit unmittelbar auf der langen und hoch entwickelten abbasidischen Steinschneidetradition aufbauen konnte. Als Zeugnis dieser Übernahme kann die Tasse in München (Taf. T19) gesehen werden, die in ihrem Dekor sowohl linear gezeichnete Halbpalmetten als auch solche des voll entwickelten „fatimidischen“ Typs zeigt. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts entsteht in der Kairoer Hofwerkstatt der Krug in Florenz (Taf. T5). Eine stilistisch entsprechende einfachere Produktion scheint völlig zu fehlen obwohl etwa ein Fragment in Corning (Taf. T30) eine Ahnung von weiteren Objekten dieser Gruppe geben kann. In welchem Umfang unter fatimidischer Herrschaft überhaupt eine Produktion für einen breiteren Markt bestand, lässt sich aus der singulären Nennung bei Nāṣir-i Ḫusrau (in Kairo zwischen 1047 und 1050) kaum erschließen. Möglicherweise orien-

Anon./Qaddumi 1996, S. 89 f., § 65. Dort wird explizit eine Flasche aus Bergkristall als Geschenk des Kalifen genannt.

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tierten sich diese Werkstätten auch an der abbasidischen Produktion, von der al-Bīrūnī berichtet (siehe Gruppe I). Dafür könnten auch die Formen des Knaufs in Kairo (Taf. T103) sprechen. Von diesen vier Gruppen, die sich auch in einem historischen Kontext in eine organische Abfolge bringen lassen, setzen sich mehrere Stücke deutlich ab, unter denen sich aber wiederum zwei Objektzusammenhänge ausmachen lassen. Alle weisen sie bekannte Motive auf, wandeln diese aber in eigenwilliger Form ab. So verweist etwa das Füllhornmotiv auf dem Fragment eines Kugelfläschchens in Astorga (Taf. T13) auf Gruppe II, während die Blattformen in einer so deutlich unterschiedlichen Weise gestaltet sind, dass hier von einem anderen Werkstattzusammenhang ausgegangen werden muss. Ein Fläschchen in Halberstadt (Taf. T12) bildet mit seinem dreimal wiederholten Rankenmotiv und einem Fries giebelförmiger „Umrisspalmetten“ um den Hals wohl das früheste, der Krug in Fermo (Taf. T6) mit seinem komplexen Dekor das späteste Stück. In der Anordnung des Dekors auf dem Gefäßkörper zeigt dieser so deutliche Ähnlichkeiten mit dem Krug der Keir Collection in Gruppe II (Taf. T3), dass eine gegenseitige Beeinflussung

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wahrscheinlich erscheint. Die Ausschließlichkeit dieses Dekors auf dünnwandigen Hohlschnitten könnte wiederum als Beleg einer exklusiven Produktion im Umfeld eines Hofes gelesen werden. Darauf dass es auch abseits des Kalifenhofes potenzielle Patrone solcher Werkstätten gegeben haben könnte, verweist etwa al-Bīrūnīs Bericht von Bergkristallgefäßen im Zusammenhang mit Muhammad ibn Tahir (873) in Nishapur. Schließlich sei noch auf den Krug in Paris (Taf. T7) verwiesen, der sowohl in der Konzeption des Rankenwerks als auch dessen Verteilung auf dem Gefäßkörper eine so stark von den übrigen Beispielen abweichende Gestaltung zeigt, dass er als das zentrale Stück einer weiteren Werkgruppe angesehen werden muss. Details in der Blattgestaltung, wie etwa die markanten umgeknickten Spitzen der Halbpalmetten oder die eigenwillig lineare Entwicklung einzelner Dekorelemente findet sich so auch auf einem Fläschchen in Venedig (Taf. T10) und hat vielleicht einen Vorläufer im rahmenartig angelegten Dekor der Tasse in München (Taf. T19) in Gruppe IV. Verwiesen sei hier außerdem auf eine Gruppe von Fragmenten in Paris (Taf. T25), deren Tierdarstellungen Ähnlichkeiten zum Krug des Louvre aufweisen.

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IV. Die Biografie der Objekte IV.1 Zwischen Orient und Okzident – Objekte des Transfers Die in den Reichen der Abbasiden und Fatimiden entstandenen Bergkristallobjekte sind beredte Zeugnisse eines konstanten Transfers von Wissen und Material. Wie in dieser Arbeit gezeigt wurde, ist die islamische Tradition des Steinschnitts in eine lange Reihe älterer und jüngerer Entwicklungen dieser hochkomplexen Technik eingebunden; einer Technik, deren Übermittlung bis heute allein durch die unmittelbare Weitergabe in der Praxis erworbener Kenntnisse und Erfahrung möglich ist. Die Fragilität dieser Überlieferungslinie führte immer wieder zu Brüchen, die durch erneuten mühsamen und langwierigen Erwerb des verlorenen Erfahrungswissens ausgeglichen werden mussten. Somit kann man davon ausgehen, dass die in Abschnitt II dieser Arbeit dargestellte Traditionsfolge von der Antike bis ins Mittelalter, zumindest in ihren jeweiligen Anfängen, vor allem eine Geschichte mehr oder minder freiwillig wandernder Handwerker und Werkstattverbände war und immer wieder von signifikanten Schwankungen in den jeweiligen technischen Möglichkeiten gekennzeichnet wurde. 1 Die Linie dieser Überlieferung lässt sich aus Mesopotamien und Ägypten nach Rom und Byzanz verfolgen, ehe sie in islamischer Zeit, auf möglichen Resten einer sasanidischen Tradition, unter der Herrschaft der abbasidischen Kalifen zu einer neuen, nie mehr erreichten Perfektion gebracht wurde. Wohl durch wandernde Handwerker ins fatimidische Ägypten übermittelt, könnte der Fall der Kairoer Kalifen auch einen wichtigen Impuls zur Entwicklung des europäischen Steinschnitts des 12. Jahrhunderts gegeben haben, der in der Frühen Neuzeit seine letzte große Blüte erlebte. 2 Jenseits dieses technischen Aspektes war jedoch auch das Material selbst, aus dem die Handwerker an verschiedenen Orten sowohl die überragenden Meisterwerke, als auch die vielen einfacheren Stücke

schufen, Zeugnis eines weitreichenden Handelsnetzes, das um 1000 bis nach Ostafrika und in den Fernen Osten reichte. Quellen aus dem islamischen Mittelalter berichten von der Verwendung chinesischer Keramiken an den muslimischen Höfen von Persien bis nach Ägypten. Funde chinesischer Seladon- und Porzellanwaren und die vielfach zu beobachtenden Einflüsse solcher Produkte auf die Gestaltung von Keramiken aus islamischen Werkstätten treten hinzu und werden durch entsprechende Funde von Waren aus der islamischen Welt in China ergänzt. 3 Die großen Handelsrouten versorgten die Hauptstädte der Kalifen jedoch nicht nur mit Seide und chinesischer Keramik, sondern eben auch mit verschiedensten Rohstoffen wie etwa Bergkristall oder notwendigen Schleifmitteln wie Korund. 4 So erscheinen die Bergkristallobjekte vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Quellen geradezu als emblematische Objekte des Transfers von Wissen und Material: Rohstoffe aus Asien und Afrika wurden in den Werkstätten des abbasidischen Reiches sowie später auch des fatimidischen Kairo von Handwerkern aus Persien, Mesopotamien, der Levante und Ägypten verarbeitet, ehe sie als diplomatische Geschenke, Handelsgut oder Beutestücke nach Byzanz, Unteritalien und Zentraleuropa gelangten. Doch die lange und wechselvolle Reise der Objekte begann keineswegs erst, als diese den islamischen Orient verließen. Während kleinformatige Stücke sicher von Beginn an für einen größeren Markt entstanden und vermutlich rasch Verbreitung durch den Handel fanden, scheinen auch die kostbarsten und exklusivsten Stücke des Gefäßschnitts bereits zwischen den Zentren der islamischen Reiche und besonders zwischen Bagdad und Kairo zirkuliert zu sein. Die Berichte über die

Siehe dazu auch Cutler 1999, bes. S. 640 ff. Zur Geschichte des europäischen Steinschnitts seit dem Mittelalter siehe Wien 2002, S. 25 ff. 3 Zum Handel zwischen China und der islamischen Welt siehe etwa Jiayao 1991, S. 134 f. So fanden sich etwa in Samarra zahlreiche Stücke chinesischer Keramik (siehe Stücke in den Beständen des Museums für Islamische Kunst, Berlin, Inv. SAM 838 u. 839 oder I 1150) und umgekehrt Gläser aus dem islamischen Orient in der 874 verschlossenen Krypta der Pagode von Famensi in China und andernorts in Asien. Siehe dazu Jiayao 1991, S. 123 ff., Koch 1995, bes. S. 498 ff. sowie zum Wrackfund eines Handelsschiffs des 10. Jahrhunderts vor Java Liebner 2014. 4 Siehe dazu Kap. I.1 und I.2 dieser Arbeit. 1

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Die Biografie der Objekte

Schätze der fatimidischen Kalifen erzählen von einer Fülle kostbarer und exotischer Objekte, unter denen auch immer wieder prominente Stücke aus dem abbasidischen Reich erscheinen und hier ganz besonders solche, die mit Hārūn ar-Raschīd (reg. 786–809) verbunden waren. 5 So kann man sicher davon ausgehen, dass auch ein erheblicher Teil der bei der Plünderung der Fatimidenschätze (1067– 1069) vorgefundenen Bergkristall- und Glasobjekte aus den Werkstätten der Abbasiden stammte und in den vorangegangenen knapp hundert Jahren auf den verschiedensten Wegen nach Kairo gelangt war. 6 Innenpolitische Spannungen und Revolten sowie die daraus resultierende politische und militärische Schwächung der abbasidischen Kalifen im 10. Jahrhundert ermöglichten nicht nur den Aufstieg der Fatimiden zur Großmacht in Ägypten, der Levante, Nordafrika und Teilen der arabischen Halbinsel, sondern dürften auch einen schleichenden aber stetigen Abfluss von Schätzen aus den Bagdader Palästen gefördert haben, die in der Folge ihren Weg in die Schatzkammern der Kairoer Kalifenresidenzen fanden. 7 Nur so lässt sich die geradezu fantastische Anzahl von hunderten oder gar tausenden von Bergkristallgefäßen im Bericht der Plünderungen erklären, die kaum in den nicht einmal 100 Jahren entstanden sein können, während derer eine Werkstatt von Steinschneidern für die Kalifen von Kairo tätig war. Aber schon lange vor der von al-Maqrīzī detailreich überlieferten Plünderung der Fatimidenschätze, in deren Folge die Stücke über die Märkte Ägyptens, Nordafrikas, der Levante und Mesopotamiens verstreut wurden, kam es zweifellos zu einem geordneten Transfer von Bergkristallobjekten im Rahmen des Austausches diplomatischer Geschenke. 8 Dabei können Bedeutung und Umfang dieses Austausches zwischen den Kalifenreichen und Konstantinopel wohl kaum überschätzt werden. Obwohl die umayyadischen Kalifen ihr Reich in hohem Maße auf vormals byzantinischem Territo-

rium etablierten und schließlich sogar in Damaskus, im Herzen der ehemals byzantinischen Provinz Syrien ihre Hauptstadt einrichteten, blieb Konstantinopel in den folgenden Jahrhunderten weiterhin eine Großmacht im östlichen Mittelmeerraum. Wurde die Machtposition der oströmischen Kaiser auch immer wieder angefochten, so steht die prägende Kraft der byzantinischen Kultur und Herrschaftsformen für die frühen islamischen Reiche außer Frage. In der Architektur der Umayyaden sind die Spuren dieses Austausches unübersehbar und die Herrscherdarstellungen in den Fresken von Qusair Amra dokumentieren in anschaulicher Weise die herausragende Bedeutung des byzantinischen Kaisers für Legitimierung und Selbstinszenierung der umayyadischen Kalifen. 9 Gerade in den höfischen Formen und im Zeremoniell behielt Byzanz auch in der Folge einen vorbildhaften Charakter für die islamischen Höfe des Mittelalters. Aufgrund gemeinsamer Grenzen und andauernder Konflikte hatte der Austausch zwischen den Höfen der Kalifen sowie der byzantinischen Kaiser stets beträchtlichen Umfang. Mit der Etablierung des fatimidischen Gegenkalifates in Kairo kam Byzanz zudem eine Mittelposition zwischen den konkurrierenden Ansprüchen der Kalifen zu. Besonders augenfällig wurde dies etwa in der immer wieder wechselnden Nennung des abbasidischen oder fatimidischen Kalifen in der Moschee von Konstantinopel. 10 Während kleinformatige, einfachere Steinschneidearbeiten zu allen Zeiten hoch geschätzte und im gesamten Mittelmeerraum sowie darüber hinaus gehandelte Objekte waren, dürften gerade die kostbaren dünnwandigen Gefäße, aufgrund des Prestiges derartiger Stücke seit der Antike sowie des enormen finanziellen und organisatorischen Aufwandes ihrer Herstellung, schon früh eine wichtige Position als Medium der Diplomatie zwischen Konstantinopel und Bagdad eingenommen haben. Mögen es anfangs die oströmischen Kaiser gewesen

Gefäße mit dem Namen des ar-Raschīd sowie dessen Zelt siehe Maqrizi/Kahle 1935, S. 346 f. und Anon./Qaddumi 1996, S. 233, § 38, S. 223, § 355. Zur Plünderung der Kairoer Fatimidenschätze siehe Maqrizi/Kahle 1935 sowie Halm 2003, S. 404 ff. 7 Zum Aufstieg der Fatimiden und seiner Begleitumstände siehe Halm 1991. 8 Maqrizi/Kahle 1935, S. 345. Maqrizi berichtet von zwei Stücken mit dem Namen des al-Aziz, die in Tripolis zum Verkauf angeboten wurden. Zum Thema des Geschenkaustausches siehe auch Shalem 1998, S. 37 ff. 9 Die Fresken entstanden wohl zwischen 724 und 743 unter Prinz al-Walīd ibn Yazīd (ab 743 der 11. Kalif der Umayyaden). Sie zeigen neben dem byzantinischen Kaiser den sasanidischen Großkönig, den westgotischen König, den Negus von Äthiopien sowie zwei weitere, nicht mehr bestimmbare Figuren. Zu den Königsdarstellungen siehe Fowden 2004, S. 197–226, bes. 203 ff. 10 Siehe Halm 2003, S. 275 sowie Cutler 1999, S. 637. 5

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Abb. 106: Ambo Heinrich II. in der ehem. Pfalzkapelle in Aachen, vor 1014

sein, die mit Gefäßen aus kostbaren Steinen ihre kulturelle Überlegenheit zur Schau stellten, so waren die Abbasiden bald in der Lage, diese Geste der Superiorität zu erwidern. Dabei erscheint es durchaus naheliegend, dass gerade der gezielte diplomatische Einsatz von Steinschneidearbeiten durch die Byzantiner einen nicht zu unterschätzenden Impuls für die Förderung dieser Kunst unter den abbasidischen Kalifen darstellte. Die offenbar höchst dynamische Entwicklung des Steinschnitts im Umfeld des abbasidischen Hofes brachte bald Werke hervor,

deren erhaltene Zeugnisse eine technische Meisterschaft dokumentieren, die in diesem Medium auch in späteren Epochen einzigartig bleiben sollte. Es ist also tatsächlich kaum vorstellbar, dass man in Bagdad und später in Kairo versäumte, diese Gelegenheit zur Demonstration technisch-künstlerischer Überlegenheit gegenüber den Byzantinern zu nutzen. Somit ist davon auszugehen, dass der Hof in Konstantinopel bereits lange vor den Plünderungen der Fatimidenschätze im Besitz von Werken der islamischen Steinschneidewerkstätten war. Der he149

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Die Biografie der Objekte

rausragende Wert derartiger Objekte stellt wohl auch eine Erklärung für ihr weitgehendes Fehlen in archäologischen Kontexten dar. Bereits das Material aus dem sie gefertigt waren, war so kostbar, dass man selbst Bruchstücke sorgfältig aufbewahrte und nach Möglichkeit weiterverwendete. 11 Nähert man sich nun der Frage, auf welchen Wegen die ersten Bergkristallgefäße aus dem islamischen Orient nach Europa gelangt sein könnten, so geht der Blick zunächst nach Aachen, wo sich mit dem Ambo Heinrichs II. (Kaiser von 1014–1024) der früheste gesicherte terminus ante quem für die Präsenz solcher Objekte in Europa ergibt (Abb. 106). Aufgrund der Stifterinschrift, die Heinrich als König nennt, lässt sich die Entstehungszeit dieses Werkes auf die ersten Jahre des 11. Jahrhunderts eingrenzen. Neben einer byzantinischen Achatschale, deren Gegenstück bereits vor dem 18. Jahrhundert verloren ging, bilden zwei Bergkristallobjekte den zentralen Schmuck des Kanzelkorbes. 12 Es handelt sich dabei um eine Tasse (Taf. T18) und einen Teller (Taf. T35) von denen zumindest erstere zweifellos in einer Werkstatt der islamischen Welt gefertigt wurde. Versucht man nun zu rekonstruieren, wann und wo dieses Stück entstand und auf welchen Wegen es nach Aachen gelangt sein könnte, so scheint die „klassische“ Hypothese einer Herkunft aus dem fatimidischen Ägypten relativ unwahrscheinlich. Auch ungeachtet der im vorigen Abschnitt vorgeschlagenen zeitlichen Einordnung wäre das Stück als fatimidische Arbeit erst nach 970 entstanden und müsste, da sich keinerlei Hinweise auf einen direkten Kontakt Heinrichs mit dem fatimidischen Hof finden, auf Umwegen in seinen Besitz gelangt sein. Der naheliegendste Weg eines solchen Objektes hätte von Kairo über Byzanz geführt, was das Zeitfenster zwischen dem letzten Viertel des

10. Jahrhunderts und den ersten Jahren des 11. Jahrhunderts zumindest fragwürdig erscheinen lässt, falls man für diesen Transfer nicht die einzige durch Heinrich II. im Jahr 1002 empfangene byzantinische Gesandtschaft annimmt. 13 Wahrscheinlicher ist wohl, dass sich die Bergkristallarbeiten, ebenso wie die Achatschale des Ambo, zu Beginn des 11. Jahrhunderts bereits länger in Westeuropa befanden. Diese Hypothese wurde schon in den 1970er Jahren durch Hans Wentzel publiziert, der dabei auf die Hochzeit Ottos II. mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu verwies und in einer Fülle von Objekten, insbesondere Hartsteingefäßen byzantinischer und islamischer Herkunft, Stücke aus dem Brautschatz der Theophanu sehen wollte. 14 Wie bereits gezeigt wurde, kann man sicher davon ausgehen, dass der byzantinische Hof im 10. Jahrhundert im Besitz abbasidischer Bergkristallarbeiten war und diese seinerseits gezielt als diplomatische Geschenke einsetzte. Besonders sei dabei auf den Teller am Aachener Ambo (Taf. T35) hingewiesen, dessen Materialqualität und technische Ausführung so stark von den Werken der abbasidischen Werkstätten abweicht, dass hier auch eine byzantinische Provenienz nach islamischen Vorbildern in Erwägung gezogen werden muss. Jedoch erscheint es zu kurz gegriffen, den Fokus in diesem zweifellos umfangreichen und enorm bedeutsamen Transfer von Kunstwerken zwischen Konstantinopel und dem ottonischen Hof in solchem Maße auf den vermeintlichen „Brautschatz“ der Theophanu zu legen. Die Hochzeit der byzantinischen Prinzessin mit Otto am 14. April 972 stellte keineswegs den Beginn, sondern vielmehr das Ergebnis intensiver diplomatischer Kontakte zwischen den beiden kaiserlichen Höfen dar. 15 Welche Bedeutung dabei gerade Steinschneide-

Das wertvolle importierte Material dürfte auch dann noch als Rohstoff für andere Zwecke, etwa in der Glasherstellung oder zur Herstellung von Schleifmitteln, Verwendung gefunden haben. Hier sei auch auf den Stiftsschatz von Quedlinburg verwiesen, in dem bis heute unter anderem Fragmente eines zerbrochenen Gefäßes verwahrt werden (Taf. T33). 12 Zum Besatz des Kanzelkorbes siehe Schomburg 1998 sowie Doberer 1957, S. 313. Die Inschrift lautet: HOC OPUS AMBONIS AURO GEMMISQUE MICANTIS / REX PIUS HEINRICUS CELAESTIS HONORIS ANHELUS / DAPSILIS EX PROPRIO TIBI DAT SANCTISSIMA VIRGO / QUO PRECE SUMMA TUA SIBI MERCES FIAT USIA. Zitiert nach Doberer 1957, S. 317. Aus der Nennung Heinrichs als König ergibt sich ein Datierungszeitraum zwischen 1002 und 1014, jedoch ist eine Entstehung bald nach Heinrichs Krönung wahrscheinlich. Siehe dazu etwa Toussaint 2012, S. 305. 13 Toussaint 2012, S. 301. 14 Siehe Wentzel 1971 und 1972. Siehe zur Frage nach den möglichen Übermittlungswegen von Objekten aus der islamischen Welt in ottonischer Zeit auch Shalem 1998, S. 44 ff. Shalem zitiert etwa Widukind, der im 10. Jahrhundert von einer „sarazenischen“ Gesandtschaft am ottonischen Hof berichtet. Als Geschenke werden dort Glas, Elfenbein, Teppiche, Balsam sowie exotische Tiere genannt. Zudem ist eine Delegation aus dem muslimischen Spanien am Hof Ottos I. dokumentiert. In diesen Quellen erscheint stets Spanien als der einzige direkte Kontakt in die islamische Welt, während es keinerlei Hinweise auf Kontakte zu den Höfen in Bagdad oder Kairo gibt. Zu Shalems Kritik an Wentzel siehe außerdem S. 45. 15 Zur Vorgeschichte der Ehe und der Brautwahl der Theophanu siehe Köln 1991, S. 149 ff. Die Hochzeit erfolgte in Rom. Otto II. (955–983) war zu 11

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arbeiten als Symbolen imperialer Superiorität und Legitimität zukam, wird im nächsten Kapitel eingehender erörtert. An dieser Stelle soll der Verweis auf den Aachener Ambo genügen, der mit einer geradezu verschwenderischen Fülle verschiedenster Werke des Steinschnitts unterschiedlichster Herkunft und Datierung geschmückt ist. So reicht die Vielfalt dieses Reichtums von antiken Gemmen und Kameen über die genannten byzantinischen und islamischen Gefäße aus Achat und Bergkristall bis hin zu Schachfiguren aus Achat. 16 In ihrer Einzigartigkeit sowie aufgrund des Mangels an vergleichbaren Objekten, dürften sämtliche der am Ambo angebrachten Werke den mittelalterlichen Betrachtern als einzigartige, wundersame Meisterwerke erschienen sein, die sich den technischen Möglichkeiten im Europa des 11. Jahrhunderts vollkommen entzogen. Dadurch erlangten sie zweifellos einen Nimbus, der ihre politische Symbolik mit wachsendem zeitlichen Abstand weit überragte und noch lange fortwirken sollte. Bedeutsam für die Frage nach dem Weg der islamischen Bergkristallgefäße bis nach Aachen ist die bemerkenswerte Häufigkeit, in der solche Objekte gerade in den drei von den Ottonen besonders bevorzugten Frauenstiften von Essen, Gandersheim und Quedlinburg zu finden sind, denen allen auch zeitweise ottonische Prinzessinnen, nämlich Witwen, Töchter, Enkelinnen und Nichten der Kaiser, vorstanden. 17 Die den Ottonen am engsten verbundene Eigenstiftung Quedlinburg ist dabei mit dem größten Bestand solcher Gefäße besonders hervorzuheben, aber auch in Essen findet sich das Fragment eines islamischen Bergkristallgefäßes noch heute unter einem von Theophanu, der Enkelin Ottos II., gestifteten Vortragekreuz (Abb. 107). 18 Der unmittelbare Vergleich der Bergkristallarbeiten in den ottonischen Stiften erbringt aber noch ein weiteres Indiz für die Hypothese einer Ver-

bindung zwischen diesen Stücken. So fällt auf, dass all diese Objekte stilistisch eng verwandt sind und die Flakons in Essen, Gandersheim und Quedlinburg ebenso wie die Stücke am Aachener Ambo jeweils besonders frühe Formen des floralen Dekors mit ausschließlich linear gefiederten Halbpalmetten (Taf. T18 sowie Taf. T40) oder einer Mischung aus diesen und der einfachen vegetabilen Form (Taf. T43, T51) zeigen. Damit entstammen sie alle der im vorigen Kapitel postulierten Gruppe I und könnten damit bereits im 9. oder frühen 10. Jahrhundert entstanden sein. Neben molaren Gefäßen in Essen und Quedlinburg (Taf. T76, T75) fallen gerade in letzterem Schatz besonders die beiden fischförmigen Gefäße auf (Taf. T86, T91), die sich mit ihrem völligen Fehlen geschnittenen Dekors so deutlich von den übrigen Werken des islamischen Steinschnitts absetzen, dass ihre Herkunft aus der islamischen Welt insgesamt zweifelhaft erscheinen muss. 19 In Anbetracht des hier vorgestellten Kontextes wäre daher für diese Stücke auch ein möglicher byzantinischer Ursprung in Erwägung zu ziehen, denn zwei weitere, formal nahezu identische Stücke in Deutschland könnten ebenfalls den Schätzen der Ottonen und somit einer byzantinischen Quelle entstammen. So gehörte das heute in Emmerich am Niederrhein verwahrte Stück (Taf. T87) ehemals dem Frauenstift Hochelten (gegr. 967 oder 968), einer Gründung des mächtigen und mit Otto I. in einem Vertrauensverhältnis stehenden sächsischen Grafen Wichmann I. Die Ottonen zeigten sich Wichmanns Stiftung immer wieder eng verbunden und gewährten dem Stift Privilegien, die schließlich 970 in der Verleihung der Reichsunmittelbarkeit ihren Höhepunkt fanden. 20 Damit wurde Hochelten rechtlich den Stiften in Gandersheim, Quedlinburg und Essen gleichgestellt. Als zweites Stück sei hier auf das Borghorster Stiftskreuz (Abb. 108) verwiesen, das neben einem

diesem Zeitpunkt bereits seit 967 Mitkaiser Ottos I. und wurde mit dem Tod seines Vaters 973 alleiniger Herrscher. Spätestens seit 984 regierte dann Theophanu mit ihrer Schwiegermutter Adelheid für ihren noch unmündigen Sohn Otto III. 16 Zu Steinschmuck und Ikonografie des Ambos siehe etwa Schomburg 1998, Doberer 1957 oder Toussaint 2012. 17 In Essen (gegr. um 850) regierten nacheinander Mathilde (vor 973–1011, Tochter Liudolfs, des ältesten Sohnes Ottos I.), Sophia (1011–1039, Tochter Ottos II.) sowie Theophanu (1039–1058, Enkelin Ottos II.); in Gandersheim (gegr. 852) amtierten wiederum Sophia (1002–1039) sowie Adelheid (1039– 1043, Tochter Ottos II.); in Quedlinburg (gegr. 936 durch Otto I.) regierten nacheinander Mathilde, die Mutter Ottos I. (936–966), Mathilde, Tochter Ottos I. (966–999) und wiederum Adelheid (999–1044), die von 1039–1043 in Personalunion auch als Äbtissin von Gandersheim fungierte. 18 Die Montierung des Quedlinburger Kristalls ist nicht ursprünglich, bezieht sich aber wohl in ihrer Inschrift auf eine ältere Fassung. Siehe Berlin 1992, Nr. 11, S. 74 f. Zum Theophanukreuz siehe Kurtze 2017, Nr. 3, S. 138 ff. 19 Siehe hierzu auch Kap. III.3 der vorliegenden Arbeit, S. 105 f. 1991 vermutete bereits Lafontaine-Dosogne für diese Gefäße einen byzantinischen Ursprung. Siehe Köln 1991, S. 82. 20 Lemmens 1983, S. 7 ff.

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Abb. 107: Sog. Theophanu-Kreuz, Mitte 11. Jh. (Taf. T76, Domschatz, Essen)

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Abb. 108: Stiftskreuz aus Borghorst, St. Nikomedes, um 1050 (Taf. T48 u. T89)

frühen islamischen Flakon ebenfalls ein fischförmiges Gefäß enthält (Taf. T89). Borghorst wurde 968 gegründet und vom Essener Stift aus besiedelt. So überrascht es wenig, dass auch Borghorst sowohl von Otto I. wie seinem Sohn mit Privilegien bedacht wurde. 1048 kam es wegen des Vorwurfs der 21

Verschwörung zum Konflikt zwischen der Borghorster Stifterfamilie der Billunger 21 und Kaiser Heinrich III. (reg. 1046–1056). Bei dem Kreuz, das den Kaiser als Stifter und die Borghorster Äbtissin Berta als Mitstifterin nennt, handelt es sich wohl um eine kaiserliche Sühnestiftung nach dem Tod

Hermann Billung war ein jüngerer Bruder Wichmanns, des Stifters von Hochelten.

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Die Biografie der Objekte

des Billungers Thietmar in diesem Konflikt. So erscheint es durchaus wahrscheinlich, dass es sich bei den beiden Bergkristallen mit der Heilig-Blut-Reliquie im zentralen Flakon um älteren Stiftsbesitz handelte, den vielleicht die ersten Nonnen bereits aus Essen mitgebracht hatten. 22 Neben der Route über Byzanz kommen in Anbetracht des erhaltenen Materials allerdings auch die Handelswege über das Mittelmeer für die Übermittlung von Steinschneidearbeiten aus dem islamischen Orient in Frage. Zunächst ist hier Italien mit seinen bedeutenden Seerepubliken zu nennen. 23 Vor allem aber stand Sizilien vom 9. bis ins 11. Jahrhundert ganz unmittelbar unter islamischer Herrschaft, ehe es durch die Normannen erobert wurde. Auch nach diesem Ereignis blieb ein starker islamischer Einfluss erhalten, der nicht nur in der normannischen Kunst seinen Niederschlag fand, sondern auch in einer ganzen Reihe von Bergkristallgefäßen in sizilianischen und unteritalienischen Kirchenschätzen dokumentiert ist. 24 An zweiter Stelle ist Spanien zu nennen, das bereits im 8. Jahrhundert unter muslimischer Herrschaft stand und bis zu seiner endgültigen Rückeroberung durch die christlichen Könige 1492 eine herausgehobene Kontaktstelle des kulturellen Austausches zwischen der christlichen und muslimischen Hemisphäre darstellte. 25 Auch nach der Machtergreifung der Abbasiden im Jahr 750 konnten sich umayyadische Herrscher in Spanien behaupten und 929 ließ sich ʿAbd ar-Rahmān III. in Cordoba gar zum Gegenkalifen ausrufen. Wie im Fall der konkurrierenden Kalifate von Bagdad und Kairo verhinderte der ideologisch-politische Gegensatz zwischen Bagdad und Cordoba keineswegs

den kulturellen Austausch zwischen diesen Reichen. In Anbetracht der hohen Wertschätzung des Steinschnitts überrascht es daher nicht, dass die Produkte der abbasidischen Werkstätten ihren Weg auch nach Spanien fanden. 26 Während die Provenienz der unterschiedlich geformten Gefäße aufgrund ihres Dekors weitgehend außer Frage steht, lässt sich eine andere Objektgruppe deutlich schwerer an das Niveau des islamischen Steinschnitts anschließen. Es sind dies die Schachfiguren, von denen sich etwa zwei Drittel des insgesamt erhaltenen Materials auf spanische Bestände zurückführen lassen. 27 Lediglich ein Teil der heute in Kuwait befindlichen Stücke (Taf. T138–T144) scheint Gruppe I anzugehören und lässt sich somit stilistisch abbasidischen Werkstätten zuweisen. Die übrigen erhaltenen Schachfiguren weisen einen wesentlich gröberen und unregelmäßigeren Schnitt auf. Dies verwundert umso mehr, als sie meist aus Bergkristall von hoher Qualität gefertigt wurden. Vor dem Hintergrund der Leistungsfähigkeit der abbasidischen Werkstätten erscheint es in der Tat kaum vorstellbar, dass derart hochwertiges Material so nachlässig bearbeitet wurde. Dass Schachfiguren aus Bergkristall in Spanien um 1000 durchaus verbreitet waren belegt etwa das Testament des Grafen Ermengol I. von Urgell (974– 1010), in dem dieser solche Objekte an die Kirche „Sancta Egidio Neumausensi“, wohl St. Gilles bei Arles, stiftet. Ein zweites Vermächtnis, das der Witwe des älteren Bruders Graf Ermengols zuzuschreiben ist, bestimmt ebenfalls „eschaci christalini“ nach St. Gilles. 28 Zwar haben sich die in den Testamenten genannten Figuren in Arles nicht erhalten, aber in der ehemaligen Stiftskirche des katalo-

Münster 2012, S. 148 ff. Genua, Pisa, Amalfi und vor allem Venedig waren Zentren des Handels mit Konstantinopel, der Levante und Ägypten. Auffällig ist allerdings, dass gerade die kleineren Stücke, die bereits im islamischen Orient zweifellos für den Handel entstanden, in Mittel- und Oberitalien praktisch vollständig fehlen. Die Gefäße in Venedig (Taf. T1, T4, T10, T22), Fermo (Taf. T6) und Florenz (Taf. T5, T8, T9) entstammen sicher einer höfischen Produktion und gelangten wohl erst nach der Plünderung der Fatimidenschätze (1067–1069) und besonders mit der Beute des vierten Kreuzzuges, nach 1204 nach Europa. 24 Zur mittelalterlichen Geschichte Siziliens und der Kunst der Normannen siehe etwa Wien 2004. Bergkristallgefäße fanden sich bislang im Domschatz von Capua (Taf. T14, T16, T46) sowie auf Sizilien in Agrigent (Taf. T49), Piazza Armeria (Taf. T56), Novara di Sicilia (Taf. T67) sowie Enna (Taf. T92, T101). Zur möglichen Existenz einer Werkstatt zur Bergkristallbearbeitung auf Sizilien siehe auch Shalem 1999. 25 Tatsächlich verweisen die einzig überlieferten direkten diplomatischen Kontakte zwischen den Ottonen und der Islamischen Welt ausschließlich nach Spanien. Siehe Shalem 1998, S. 44. 26 Einen Überblick zu den in Spanien erhaltenen Bergkristallgefäßen stellte Fernando Valdés zusammen (Valdés o. J.). Siehe auch Valdés 2007 und 2019. Außer den Schachfiguren haben sich in Spaninen noch neun weitere Gefäße oder ihre Fragmente erhalten. Zu islamischen Objekten in spanischen Kirchenschätzen siehe auch Shalem 1998, S. 78 ff. 27 Siehe hierzu auch Kap. III.4 dieser Arbeit, S. 108 f. sowie Freeman Fahid 2018, S. 163–175. 28 Zit. nach Wichmann 1960, S. 283. 22 23

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nischen Ager, im unmittelbaren Herrschaftsgebiet Graf Ermengols, fand der Abt Don Juan Sobrino im Jahr 1575 noch immer 44 Schachfiguren aus Bergkristall vor. Sobrino brachte diese ebenfalls mit dem Grafen von Urgell in Verbindung, sie stellten aber wohl die Stiftung eines Lehensmannes der Grafen von Urgell, des 1072 verstorbenen Arnau Mir de Tost, des Herrn von Ager dar. 29 Von diesen scheinen sich 34 Stücke bis heute erhalten zu haben, darunter jene in Kuwait. 30 Graf Ermengol I. selbst war als einer der prominentesten katalonischen Heerführer in den Kämpfen der Reconquista aktiv, sodass anzunehmen ist, dass der Graf und seine Gefolgsleute derartige Spielfiguren während ihrer zahlreichen Feldzüge von muslimischen Gegnern eroberten, was auch den durchweg fragmentarischen Bestand erklären könnte, der selten mehr als 6 oder 7 zusammengehörige Figuren aufweist. 31 Überraschenderweise findet sich der einzige größere Komplex von Schachfiguren außerhalb Spaniens ausgerechnet in Osnabrück (Taf. T107– T121), einem Ort fernab der Kontaktzonen des Mittelmeerraumes. Wie die Stücke dorthin gelangten ist bis heute ungeklärt, da sie sich vor dem 17. Jahrhundert nicht nachweisen lassen. 32 Jedoch ist es verlockend, auch für diese Stücke eine mögliche Verbindung nach Spanien herzustellen. Tatsächlich reiste der katalonische Graf Ermengol, dessen Name so markant im Zusammenhang mit Schachfiguren aus Bergkristall fällt, 998 zu einer Synode nach Rom, um dort einen Streit um die Besetzung eines katalonischen Bistums entscheiden zu

lassen. An derselben Synode nahm auch Kaiser Otto III. teil. 33 Auch wenn nichts darauf hindeutet, dass Ermengol den Kaiser mit kostbaren Schachfiguren aus Bergkristall beschenkte, so zeigt diese Episode doch einen Weg auf, der die Osnabrücker Figuren mit den spanischen Beständen in Verbindung bringen könnte. Tatsächlich wirft die Verteilung der erhaltenen Schachfiguren mit einem Hauptbestand in Spanien und einer weitgehend isolierten Gruppe in Deutschland 34 in Kombination mit dem kruden Schnitt der meisten dieser Stücke die Frage nach einer möglichen spanischen Produktion auf, die nach Mustern aus abbasidischen Werkstätten arbeitete. Quellen zu einer mittelalterlichen Steinschneidetradition im muslimischen Spanien fehlen zwar bislang, jedoch könnte auch das weitgehende Fehlen solcher Stücke in italienischen Beständen als ein Indiz dienen. 35 Wären die Spielfiguren als Handelsgut aus der Levante nach Spanien gelangt, so erschiene es vor dem Hintergrund des reichen Bestandes dort zumindest überraschend, dass nicht zumindest einzelne Exemplare auch nach Italien gelangten. 36 Dort findet sich aber nur in Capua eine einzelne Figur (Taf. 155), die in ihrer Gestaltung zudem völlig singulär ist. Nur dreißig Jahre nach der Plünderung der fatimidischen Schatzkammern (1067–1069), die eine Fülle von Objekten auf die Märkte der Levante und Nordafrikas brachte, kam es schließlich zur Eroberung Jerusalems im Rahmen des ersten Kreuzzuges (1099). Daher sah man auch in diesen Ereignissen bereits einen möglichen Weg, auf dem Bergkristallgefäße gerade in die nordalpinen Kirchenschätze

Sobrino besuchte die Kirche im Zuge einer Visitation und fand dort: „Una caxa de fusta ab quaranta quatre peces de crestall. Diuse son squacs. No se sab quils donà creuse los donà lo comte d’Urgell.“ Zitiert nach Villaneuva 1821, S. 141 f. Zur Provenienz der Figuren in Ager siehe Freeman Fahid 2018, S. 172 f. 30 19 der Figuren aus Ager befinden sich heute im Diözesanmuseum von Lérida, 15 weitere sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Pariser Sammlung Behague nachweisbar, aus der sie später nach Kuwait gelangten. Siehe dazu Lamm, S. 220, Taf. 77, Wichmann 1960, S. 283 sowie Jenkins 1983, S. 60 und Freeman-Fahid 2018, S. 163 f. 31 Ermengol I. (auch Armengol) von Urgel wurde am 2. Juni 1010 in der Schlacht von Aqabat al-Baqar getötet. Siehe Scales 1994. S. 76 u. 194. Die Figuren in Kuwait (Taf. T138–T152) erhalten mit zehn Stücken den mit Abstand vollständigsten zusammenhängenden Satz. Die übrigen aus Ager stammenden Figuren gehörten ehemals zu zwei oder drei weiteren Sätzen. Die fünfzehn Stücke in Osnabrück stammen aus ursprünglich mindestens vier unterschiedlichen Sätzen. 32 Die erste Erwähnung der Schachfiguren findet sich im Tagebuch des Pariser Kanonikers Claude Joly. Siehe Joly 1670, S. 180. 33 Siehe Mansi, Florenz 1774, Sp. 227. 34 Neben den spanischen Beständen und jenem in Osnabrück existieren noch einzelne Figuren in historischen Kontexten in St. Maurice in der Schweiz (Taf. T125), in Hildesheim (Taf. T126), Münster (Abb. 110 sowie Taf. T153) und Capua (Taf. T155). 35 Zu einem möglichen archäologischen Hinweis auf eine Bergkristallverarbeitung in Spanien siehe Valdés/Zamorano 2019. 36 Eine spanische Provenienz vermutete für einen Teil der Figuren bereits Lamm (Lamm 1929/30, S. 216). Bei der Verteilung der erhaltenen Stücke in Italien ist zudem auffällig, dass sich kleinere, einfacher gearbeitete islamische Bergkristallobjekte fast ausschließlich in Unteritalien nachweisen lassen. 29

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Die Biografie der Objekte

Deutschlands und Frankreichs gelangt sein könnten. 37 Die Zuschreibung einzelner Stücke an diesen Kontext scheint mit gewisser Sicherheit allerdings erst für den vierten Kreuzzug möglich, der 1204 in der Plünderung Konstantinopels seinen Höhepunkt fand. Die Fassade von San Marco stellt mit ihren zahlreichen byzantinischen Spolien bis heute zweifellos das prominenteste und sichtbarste Zeugnis des vierten Kreuzzuges dar. Aber auch der Schatz der Kirche erscheint mit seinen zahlreichen Stücken aus byzantinischen und islamischen Werkstätten in weiten Teilen als ein Produkt der Ereignisse von 1204. 38 Die außerordentliche Qualität der vier in San Marco verwahrten Bergkristallgefäße lässt ihre Herkunft aus den kaiserlichen Schatzkammern und Kirchen Konstantinopels durchaus wahrscheinlich erscheinen. Besonders gilt dies für das Reliquiar des Heiligen Blutes (Abb. 114, S. 168 sowie Taf. T10), das 1283 erstmals in einem venezianischen Inventar nachweisbar ist. 39 Die Plünderung Konstantinopels bereicherte aber nicht nur die kirchlichen und wohl auch weltlichen Schatzkammern in Italien. Unter den geist-

lichen Kreuzfahrern befand sich mit Konrad von Krosigk (gest. 1225) auch der Bischof Halberstadts, der seine Kathedrale bei seiner Rückkehr mit einer reichen Beute bedachte. So dürfte die besonders qualitätvolle Bergkristallflasche im dortigen Domschatz (Taf. T12) auf die Stiftung Konrads zurückgehen. 40 Wie im Fall des Heilig-Blut-Reliquiars in Venedig könnte damit die von Shalem postulierte „Christianisierung“ der islamischen Bergkristallgefäße in einzelnen Fällen bereits lange vor deren Ankunft im lateinischen Westen erfolgt sein. Auf welch unterschiedliche Weisen die Bergkristallobjekte seit dem 10. Jahrhundert auch immer ihre Wege nach Europa fanden, sie gelangten in den nachfolgenden Jahrhunderten nahezu vollständig in kirchliche Schätze, in denen sie sich vielfach bis heute befinden. Dort dokumentieren sie nicht nur die vielfältigen Transformationen, die sie von ihrer Entstehung unter den Kalifen von Bagdad und Kairo bis in die Schatzkammern Europas erlebten, sondern sie erzählen auch von ihren wechselhaften Schicksalen und Interpretationen innerhalb ihres neuen, europäischen Kontextes. 41

IV.2 Von Kalifen und Kaisern – Der Steinschnitt als Instrument der Macht und Repräsentation Von der Antike bis weit in die frühe Neuzeit und darüber hinaus gehörten Steinschneidearbeiten in jeglicher Form zu den begehrtesten Objekten herrschaftlichen Sammelns und Repräsentierens. Innerhalb der Steinschneidearbeiten sind hinsichtlich ihrer Quantität und Prominenz in Europa sicher die Gemmen und Kameen an erster Stelle zu nennen. Meist antik-römischen Ursprungs, waren sie gerade im Mittelalter als Symbole imperialer Kontinuität und Legitimation nicht nur im Westen,

sondern auch im Orient begehrt. 42 Für das europäische Mittelalter genügt ein Blick auf die großen Goldschmiedearbeiten des 11. und 12. Jahrhunderts, die überreich mit geschnittenen Steinen der Antike geschmückt sind. 43 Dass die Kenntnisse um die Herstellung derartiger Objekte zu diesem Zeitpunkt in Westeuropa verloren waren, dürfte ihren Nimbus als Erbe der antiken Imperatoren noch gesteigert haben und umgab sie zudem mit einer geradezu magischen Aura. 44

Mainz 2004, S. 216 ff. Siehe etwa Mainz 2004, S. 225 f., Hahnloser 1971, bes. S. XIII oder New York 1984, S. 21. 39 Hahnloser 1971, S. 116 f., Nr. 128. 40 Siehe Janke 2006, S. 205 ff., Nr. 18. Konrad von Krosigk hatte das Bistum Halberstadt von 1201–1209 inne. Zur Plünderung Konstantinopels und dem damit verbundenen Transfer von Objekten siehe Shalem 1998, S. 76 ff. 41 Siehe dazu Shalem 1998. 42 Siehe etwa den Abguss eines antiken Kameos mit arabischer Umschrift (Karabacek 1893) oder eine timuridische Zeichnung der Tazza Farnese in Berlin (Staatsbibliothek zu Berlin, siehe Belozerskaya 2012). Verwiesen sei hier für Europa auch auf die Verwendung und Nachahmung antiker Gemmen als Siegel unter den Karolingern. Siehe dazu auch Zwierlein-Diehl 2008a, S. 242 f. 43 Dazu Zwierlein-Diehl 2007. Als „größte geschlossen erhaltene, mittelalterliche Gemmensammlung“ sei hier auch auf den um 1200 entstandenen Dreikönigenschrein in Köln verwiesen, den heute noch 304 Gemmen und Kameen schmücken. Vor der französischen Revolution waren es allein 226 Gemmen, von denen heute noch 142 vorhanden sind. Siehe Zwierlein-Diehl 2008a, S. 246. 44 So glaubte etwa Albertus Magnus, dass sich die Bilder auf den Steinen unter gewissen Planetenkonstellationen natürlich bildeten und nahm dies 37

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Von Kalifen und Kaisern – Der Steinschnitt als Instrument der Macht und Repräsentation

Die antike Tradition des Steinschnitts war jedoch keineswegs erloschen, sondern hatte sich mit dem spätantiken Kaisertum in den östlichen Mittelmeerraum und damit gewissermaßen wieder in das Umfeld ihrer Entstehung verlagert. Sah man im lateinischen Westen in den großen Kameen einen symbolhaften Ausdruck antiken Kaisertums, so verfügten die oströmischen Kaiser in der Fortsetzung der antiken Steinschneidetradition gewissermaßen über einen visuellen, materiellen Beleg ihrer Legitimität. Objekte und Gefäße aus kostbaren Steinen wurden so zu Symbolen kaiserlicher Superiorität, die zweifellos mit größtem Bedacht gewählt und in genau dosierten Mengen als diplomatische Geschenke versandt wurden, um so ihre maximale Wirkung zu entfalten. Der außerordentliche Wert, der solchen Stücken zugemessen wurde, lässt sich wohl an kaum einem anderen Kunstwerk so deutlich ablesen wie an dem bereits im letzten Kapitel thematisierten Ambo Heinrichs II. in der Pfalzkapelle in Aachen, dem zentralen Ort des mittelalterlichen Kaisertums des Westens. Hier wurden die kaiserlichen Nachfolger Karls des Großen gekrönt und hier rang man in der Symbolik der Architektur und der Ausstattung um eine gleichrangige Legitimierung aus der imperialen Tradition der Antike. 45 Eine zumindest teilweise Erfüllung fand dieses Streben unter Otto I. in der Vermählung seines Sohnes mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu im Jahre 972. Auch wenn die Fülle der Objekte, die bereits mit diesem Ereignis in Verbindung gebracht wurden, nur zum Teil tatsächlich aus diesem Kontext stammen dürften, so ist doch festzustellen, dass die Übergabe einer leibhaftigen Prinzessin, wenn auch keiner „purpurgeborenen“, also einer kaiserlichen Tochter, wie sich Otto I. dies wohl erwünscht hatte, den Höhepunkt langer diplomatischer Bemühungen darstellte. 46 Im Zuge dieser Verhandlungen dürfte gerade Steinschneidearbeiten eine zentrale Funktion zugekommen sein,

da die byzantinische Seite über solche Objekte, ebenso wie durch die letztendliche Auswahl der Braut, nochmals ihre Superiorität gegenüber den Kaisern des Westens betonen konnte. Als Heinrich II. am 7. Juni 1002 in Mainz zum König des ostfränkischen Reiches erhoben wurde, war seine Nachfolge Ottos III. (980–1002), des Sohnes der Theophanu, keineswegs unumstritten. Um seinen Anspruch zu untermauern, hatte er zuvor den Zug, der den Leichnam des Kaisers aus Italien brachte, im bayerischen Polling bei Weilheim empfangen und in der Folge die Herausgabe der Herrscherinsignien erzwungen. 47 In Anbetracht seiner schwierigen politischen Situation erscheint es nur folgerichtig, dass Heinrich seine Legitimität in jeder Weise herauszustellen suchte. Der Aachener Ambo nahm hier sowohl im übertragenen wie auch im wörtlichen Sinne eine zentrale Position ein. Indem er ursprünglich in einer Linie mit dem unteren, der Jungfrau Maria geweihten Altar der Pfalzkapelle, sowie dem davor liegenden Grab Ottos III. aufgestellt war, präsentierte sich der in der Inschrift gegenwärtige Heinrich als legitimer Erbe des geheiligten und besonders gesegneten Kaisertums: „Dies Werk des von Gold und Edelsteinen strahlenden Ambos / gibt der fromme König Heinrich, nach himmlischer Ehre strebend, / dir, heiligste Jungfrau, aus seinem Besitz, / damit ihm durch deine Bitte der Höchste Gnade gewähre.“ 48 Die eminente Symbolik der Steinschneidearbeiten kommt gerade in der zentralen Partie des Ambo besonders sinnfällig zur Geltung. Diese zeigte in der Mittelachse, eingespannt zwischen die Worten REX und VIRGO in den beiden Inschriftenbändern, einen zentralen antiken Adlerkameo, der von zwei byzantinischen Achatgefäßen begleitet wurde und damit sowohl auf die beanspruchte römische Kaiserwürde, wie auf die zusätzlich legitimierende Verbindung der Ottonen zum byzantinischen Kaisertum verwies. 49 Steinschneidearbeiten bildeten hier

für den Dreikönigs- oder Ptolemäerkameo an, der sich ehemals am Kölner Dreikönigenschrein und heute im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet (Inv.Nr. IX a 81). Siehe dazu Belozerskaya 2012, S. 82 f. 45 Zur Verwendung antiker Spolien und ihrer Deutung siehe etwa Brenk 1987 sowie Toussaint 2012, S. 300 f. u. 309. 46 Die Vermählung erfolgte am 14. April 972 in Rom. Theophanu (um 960–991) war eine Nichte des Kaisers Johannes I. Tzimiskes. Siehe Köln 1991, S. 152 f.; zu byzantinischen Steinschneidearbeiten unter den Ottonen siehe etwa Wentzel 1971, 1972 sowie 1973. Köln 1991, S. 79 ff. 47 Guth 2002, S. 28 ff. sowie Toussaint 2012, S. 305 ff. 48 Zu Otto III. und seinem Verhältnis zu Aachen siehe Berlin 2001, S. 796 ff. Zum Ambo: Doberer 1957, S. 338 ff. sowie Maas 2013, S. 112 ff., bes. Abb. 82, mit grafischer Darstellung der Position des Ambo im Kontext der übrigen ottonischen Ausstattung. Die Inschrift lautet im Original: [HOC] OPVS AMBONIS AVRO [GEMMISQVE MICANTIS / REX PI]VS HEINRICVS CELAE[STIS HONORIS ANHELVS / DAPSILIS EX PROPRIO TIBI DAT SANCTISSIMA VIRGO / QVO PRE]CE SVMMA TVA SIBI [MERCES FIAT VSIA]. 49 Dabei handelte es sich nach Appuhn um jenen Adlerkameo, der sich heute in Wien befindet (Kunsthistorisches Museum, Inv. IXa 26). Siehe

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Die Biografie der Objekte

Abb. 109: Sog. Heinrichskelch (Taf. T19, Schatzkammer der Residenz, München)

gleichsam die Materialisierung einer in der antiken Tradition fußenden imperialen Sukzession, die die westlichen Kaiser seit Otto I. in gleicher Weise für sich beanspruchten. Der Besitz der Objekte selbst wurde damit zur legitimierenden Botschaft und diesen legitimierenden Besitz demonstrativ zur Schau zu stellen war gerade an diesem Ort von größter symbolischer Bedeutung. Dies gilt umso mehr, als die ursprüngliche Aufstellung des Ambo auf Augenhöhe eine unmittelbare Betrachtung der kostbaren Objekte ermöglichte. 50 Flankiert wurde der zentrale antike Kameo in Aachen aber von zwei Steinschneidearbeiten aus Bergkristall, von denen zumindest eine sicher, die

andere möglicherweise islamischen Ursprungs ist. Die Versuchung ist nun groß, den Rahmen der legitimierenden Botschaft des Ambo noch weiter zu stecken und die islamischen Reiche am Mittelmeer mit einzubeziehen, die zu Beginn des 11. Jahrhunderts die unumstrittenen Großmächte dieser Region waren. Da sich aber bislang keine Hinweise auf einen direkten diplomatischen Kontakt der Ottonen mit den islamischen Höfen von Kairo oder Bagdad fanden, erscheint eine so weitreichende Symbolik etwas weit gegriffen. Wie im vorigen Kapitel dargestellt, gelangten die beiden Bergkristallobjekte höchstwahrscheinlich über Byzanz nach Aachen und dürften somit in den Augen der Zeit-

Appuhn 1966 und Zwierlein-Diehl 2008, Nr. 4, S. 84–91. Als größter intakt erhaltener Kameo der Antike passt das Stück exakt in eine Aussparung im hölzernen Kern des Ambo, die im Rahmen der Restaurierungsarbeiten zwischen 1926 und 1937 zutage kam (eine Abbildung des freigelegten Holzkorpus bei Doberer 1957, S. 312, fig. 138). Zum Anspruch der imperialen Ebenbürtigkeit der Ottonen mit den byzantinischen Kaisern, besonders unter Otto III. siehe Berlin 2001, S. 798 ff. 50 Siehe dazu die Rekonstruktion bei Maas 2013, Abb. 82.

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Von Kalifen und Kaisern – Der Steinschnitt als Instrument der Macht und Repräsentation

genossen, ebenso wie die Achatschalen, wohl eher auf das oströmische Kaisertum verwiesen haben. Mit der ostentativen Gabe ottonischer Erbstücke „EX PROPRIO TIBI“, aus seinem Besitz, an die Aachener Kirche präsentierte sich Heinrich zugleich als rechtmäßiger Nachfolger und Erbe des zu Füßen der Kanzel bestatteten Otto III. und reklamierte zudem die von den Ottonen beanspruchte Ebenbürtigkeit mit den byzantinischen Kaisern für sich selbst. Heinrich II. knüpfte aber auch an die Tradition an, seinen imperialen Anspruch durch die gezielte Schenkung kostbarer exotischer Steinschneidearbeiten im Reich zu kommunizieren, wie dies die ottonischen Herrscher vor ihm mit den hochadligen Frauenstiften in Quedlinburg, Gandersheim, Essen oder auch Hochelten getan hatten, in denen die Töchter der führenden Familien des Reiches, nicht selten unter der Leitung kaiserlicher Prinzessinnen, lebten. Als Belege dafür lassen sich etwa die Bergkristalltasse des „Heinrichskelchs“ aus dem Schatz der Alten Kapelle in Regensburg (Abb. 109) sowie der Bergkristallknauf (Taf. T105) und ein heute verlorener fischförmiger Flakon im Domschatz von Bamberg nennen, Heinrichs sicherlich bedeutendster Stiftung. 51 Für die so bedachten Institutionen stellten diese Objekte herausragende Dokumente kaiserlicher Gunst dar, worauf selbst Jahrhunderte später noch stolz verwiesen wurde. So bezeichnen etwa die Inschriften auf den im 13. Jahrhundert geschaffenen Montierungen eines fischförmigen Kristallgefäßes in Quedlinburg (Taf. T186) oder einer Schachfigur in Münster diese ausdrücklich als Geschenke Ottos III. (Abb. 110). 52 Erscheint es also bereits zweifelhaft, ob sich die ottonischen Kaiser des islamischen Ursprungs der aus Byzanz erhaltenen Bergkristallgefäße bewusst waren, so kann man

wohl sicher davon ausgehen, dass dieser Aspekt für die Empfänger der kaiserlichen Gaben in Quedlinburg oder Münster kaum noch relevant war. Vielmehr dürfte der zentrale Wert der Objekte, neben den enthaltenen Reliquien, in ihrer Bedeutung als Unterpfand kaiserlicher Gunst und erlangter Privilegien gelegen haben, die durch die Seltenheit derartiger Stücke noch gesteigert wurde. 53 In welchem Maße der kaiserliche Hof in Konstantinopel beim Einsatz von Steinschneidearbeiten als Mittel der Diplomatie davon ausgehen konnte, dass diese als eindeutige kulturelle und technische Superioritätsgesten verstanden wurden, belegt ein Blick auf den Stand der Hartsteinbearbeitung im mittelalterlichen Westeuropa. Hier gestattete der Fund einer Werkstatt des frühen 12. Jahrhunderts im Umfeld des Kölner Domes einen bislang einzigartigen Einblick. In weitgehender Übereinstimmung mit den Angaben des etwa zeitgleichen Traktates des Theophilus Presbyter fanden sich dort lediglich einfache Sandstein- und Bleiplatten auf denen die Bergkristalle in mühevoller Arbeit gerieben und so geformt und geglättet wurden. 54 Ohne die Kenntnis rotierender Werkzeuge war man lediglich zur Herstellung einfachster Formen wie etwa Cabochons in der Lage. Das Stiftskreuz von Borghorst (Abb. 108, S. 153) macht diese dramatische Diskrepanz der technischen Entwicklung in den eingelassenen Bergkristallen überdeutlich. So steht dort dem zentralen Flakon mit filigran geschnittenem Palmettendekor ein nur grob gerundeter und polierter Cabochon im oberen Kreuzarm gegenüber. Tatsächlich sollte es noch bis weit ins 13. Jahrhundert dauern, ehe man in Europa wieder zur Herstellung technisch anspruchsvollerer Hartsteinobjekte in der Lage war. 55 Gegenüber Abbasiden und Fatimiden verhielt

Der Heinrichskelch erscheint in einem Inventar von 1525: „Mer ain altfrenkischer Kelch mit einer pathen ist aus klar parille, der spiegl mitt in der Pathen auch parille, vnd in der pathen drey saffir, zwen praßim vnd ain pehamisch amatist vnd wigt der kelch sambt der pathen ungeuerlich 2 marck, hat kaiser Hainrich lassen machen“ (Hauptstaatsarchiv München, HL Regenspurg, fol. 38r), sowie in einem Bericht von 1753: „Heil. Kaysers Henrici Cristallener-Becher, dessen Fuß von Silber und vergoldet ist […] aus welchem Becher am Festtage Henrici alle Leuthe zum Gedächtniß trincken dürfen.“ Siehe Bamberg 2002, S. 89. Zur Bedeutung der Stiftung Bambergs siehe ebenda S. 30 ff. 52 Die Inschrift in Quedlinburg lautet: CAPIL[US] S[ANCTAE] MARIE OTTO T[ERCIUS] IMP[ERATO]R (Haar der Heiligen Maria – Otto III. Kaiser). Siehe Labusiak 2015, S. 46. Adelheid, die Schwester Ottos III. amtierte in Quedlinburg als Äbtissin und der Kaiser selbst weilte dort wiederholt zu Ostern. Die Inschrift in Münster lautet: I(N)CLVSV(M) SA(NCT)I L(A)T(E)T HI(C) DE SA(N)GVINE PAVILI, CESAR SVITCHERO QV(OD) PO(N)TIFIC(I) DEDI(T) ODDO (Hierin verborgen ist Blut vom heiligen Paulus, das Kaiser Otto dem Bischof Suitger geschenkt hat). Siehe Jászai 1991, S. 77 f., Nr. 39. 53 Hier sei auch auf das „Schachspiel Karls des Großen“ in Osnabrück verwiesen, das dort erstmals im 17. Jahrhundert belegt ist und als Beweis der behaupteten Gründung des Bistums durch Karl angesehen wurde. 54 Zu dem Kölner Fund siehe Berthold 2008 sowie Burianek/Höltken 2017. Zu den Techniken der mittelalterlichen Hartsteinbearbeitung siehe Theophilus/Brepohl 1999 sowie Kap. I.2 dieser Arbeit. 55 Zur Wiedergeburt des Steinschnitts in Mitteleuropa siehe Hahnloser 1973. 51

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Die Biografie der Objekte

Abb. 110: Pokal des 13. Jahrhunderts mit aufgesetzter Schachfigur (Taf. T153, Domkammer, Münster)

sich dieses technologische Wissensgefälle völlig anders. Zweifellos bildete das enorme Prestige des Steinschnitts seit der Antike auch einen starken Impuls zur Entwicklung dieser Kunst am abbasidischen Hof und es erscheint durchaus denkbar, dass Hartsteingefäße als Geschenke einer byzantinischen Gesandtschaft Hārūn ar-Raschīd (reg. 786–809) dazu anregten, seinen Namen auf solchen Gefäßen anbringen zu lassen, wie es Jahrhunderte später etwa Lorenzo de Medici auf den antiken

Meisterwerken seiner Sammlung tun sollte. 56 Wie später in Florenz bildete diese Aneignung jedoch nur einen ersten Schritt, dem die Einrichtung eigener Hofwerkstätten folgte. Und es sollte nicht lange dauern, ehe die Handwerker in Bagdad ihre Vorbilder in Konstantinopel einholten und mit der immer weiteren Verfeinerung des Hohlschliffs sowie des immer anspruchsvolleren Reliefschnitts schließlich übertrafen. Auf diesem Schauplatz des künstlerischen Wettstreits hatte sich der bereits in den Fres-

Lorenzo de Medici ließ die Hartsteingefäße seiner Sammlung mit der Inschrift LAV . R . MED versehen. Zur Sammlung Lorenzos siehe Helfenstein 2013.

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Von Kalifen und Kaisern – Der Steinschnitt als Instrument der Macht und Repräsentation

ken von Qusair Amra bildlich formulierte Anspruch der muslimischen Kalifen auf Ebenbürtigkeit oder gar Überlegenheit gegenüber den Byzantinern eindeutig erfüllt. 57 Im Bewusstsein dieser Überlegenheit dürften aber auch die Herrscher Bagdads mit diesen höchst prestigeträchtigen Stücken im diplomatischen Verkehr äußerst sparsam umgegangen sein. Während kleinformatige, technisch weniger anspruchsvolle, massiv geschnittene Objekte sicher auch über den Handel nach Konstantinopel gelangten, bildeten die besonders qualitätvollen, hohl geschnittenen Gefäße zweifellos herausragende Höhepunkte der Geschenksendungen an die byzantinischen Kaiser. Daher dürften sie wohl auch nur in begrenzter Zahl nach Konstantinopel gelangt sein und finden sich daher auch nicht unter jenen Stücken, die bereits unter den Ottonen nach Mitteleuropa kamen. Der Steinschnitt und seine exklusiven Meisterwerke erscheinen somit als ein besonders kraftvolles und international verstandenes Medium der Diplomatie zwischen den Machtzentren der Abbasiden, Byzantiner und Ottonen. Jedoch ist festzustellen, dass das Gefälle in den jeweiligen technischen Möglichkeiten spätestens seit Mitte des 9. Jahrhunderts bereits auf der ersten Transferstufe dafür gesorgt haben dürfte, dass man in Bagdad keine große Notwendigkeit sah, die Meisterwerke der abbasidischen Werkstätten nach Konstantinopel zu senden. Dieselbe Einschätzung mag sich dort wiederholt haben, sodass, gemessen an der Leistungsfähigkeit des Steinschnitts unter den Abbasiden, schließlich nur islamische Objekte von eher mäßiger Qualität bis ins Reich der Ottonen gelangten. Auf die ostentativ-repräsentative Funktion der geschnittenen Hartsteingefäße an den Kalifenhöfen

finden sich in den erhaltenen Quellen immer wieder Hinweise, in denen sie in einer Reihe mit Gefäßen aus anderen besonders kostbaren Materialien wie Gold oder chinesischer Importkeramik genannt werden, die zu dieser Zeit, ebenso wie noch Jahrhunderte später, zu den luxuriösesten Gebrauchsobjekten an fürstlichen Höfen zählten. 58 Besonders deutlich wird die gezielte Verwendung der Gefäße im Kontext repräsentativer Geschenke jedoch in jenen Fällen, in denen sie den Namen des Herrschers tragen. Damit treten sie an die Seite der kostbaren Tiraz-Stoffe, die innerhalb der höfischen Repräsentation von Rang und Gunst von zentraler Bedeutung waren. 59 Bemerkenswert ist, dass bereits die chronologisch früheste Erwähnung des Steinschnitts im Umfeld des abbasidischen Hofes auf diese höchst repräsentative Funktion der Steingefäße verweist, indem Hārūn ar-Raschīd seinen Namen auf Bechern aus Jaspis anbringen ließ. 60 Aber auch in den Berichten von der Plünderung der Fatimidenschätze in Kairo werden Gefäße erwähnt, in deren Inschriften der fatimidische Kalif al-ʿAzīz namentlich genannt wird und tatsächlich hat sich ja ein solches Stück in Venedig erhalten (Taf. T4). 61 Waren schon die Steingefäße an sich innerhalb des zeremoniellen Geschenkaustauschs Objekte von größter Strahlkraft, so potenzierte sich diese Wirkung noch über die „Personalisierung“ einzelner Stücke, die damit zu individuellen Zeugnissen besonderer Gunst des Herrschers wurden. Die vermutliche Exklusivität der Produktion extrem dünnwandiger Hohlgefäße für den Kalifen selbst gab diesen Objekten auch innerhalb der höfischen Hierarchien in Bagdad und mehr noch in Kairo größte Bedeutung und sie finden sich etwa als Geschenke an Günstlinge oder höchste Hof-

Siehe Kap. II.2 dieser Arbeit, S. 58 f. Zu den Königsdarstellungen in Qusair Amra siehe Fowden 2004, S. 197–226. Dass diese Ebenbürtigkeit durchaus auch von byzantinischer Seite erkannt wurde, kann ein Schreiben des Patriarchen Nikolaus I. von Konstantinopel (912–925) illustrieren, das wohl an den abbasidischen Kalifen al-Muqtadir gerichtet war. Dort heißt es: „Es gibt zwei Herrschaften, die der Sarazenen und die der Römer, die über allen Herrschaften der Welt stehen und gleich zwei Lichtern am Firmament strahlen […].“ Zit. nach Cutler 2009, S. 636 f. Die hohe Attraktivität von Bergkristallgefäßen aus dem islamischen Orient für die Byzantiner illustriert auch der bei Mas`ūdī überlieferte Bericht von der Entführung eines byzantinischen Patriziers, den man mittels kostbarer Objekte aus der islamischen Welt, wie Textilen und eines Kelches aus Bergkristall, auf ein Schiff lockte. Siehe dazu Cutler 1999, S. 637. 58 Siehe Anon./Qaddumi 1996, S. 217, § 333 oder S. 79, § 34. Zum mittelalterlichen Export chinesischer Keramik und den entsprechenden Funden in Samarra und Nishapur siehe Wilkinson 1973, S. 54. 59 Zu Tirazstoffen im fatimidischen Kontext siehe etwa Contadini 1998, S. 39 ff. Zu Textilien im diplomatischen Austausch zwischen Byzanz und der islamischen Welt siehe zudem Cutler 1999, S. 641. 60 Anon./Qaddumi 1996, S. 233, § 38. 61 Maqrizi/Kahle 1935, S. 345 sowie Halm 2003, S. 407. Der Krug mit der Namensnennung des al-Aziz im Schatz von San Marco in Venedig ist jedoch wesentlich kleiner, als der in den Berichten beschriebene. 57

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Die Biografie der Objekte

beamte. 62 Besonders aufschlussreich ist in dieser Hinsicht der kleine Bergkristallkrug, der sich heute im Museo degli Argenti in Florenz befindet (Taf. T5). Er trägt eine dezidierte Widmungsinschrift, deren Zielperson David Storm Rice als Husain ibn Ǧauhar identifizieren konnte. Dieser trug in seiner Amtszeit (1000–1008 sowie 1010– 1011) als höchster Beamter des fatimidischen Kalifen al-Hākim (reg. 996–1021) den Ehrentitel qā’id al-quwwād, was man etwa als „Befehlshaber der Befehlshaber“ übersetzen kann. 63 Husain ibn Ǧauhar hatte lange eine herausragende Vertrauensposition bei al-Hākim inne, ehe er durch eine Intrige gestürzt und von den türkischen Gardisten des Kalifen ermordet wurde. In die Zeit seiner geradezu unumschränkten Macht fällt wohl die Herstellung des nur 15,5 Zentimeter hohen Bergkristallkruges. Den besonderen Rang dieses Objektes als Geschenk des Kalifen unterstreicht die herausragende Stellung des Empfängers. Der Nimbus dieser Gefäße wurde offenbar noch weiter durch die seltenen Gelegenheiten gesteigert, zu denen ein solches Stück überhaupt die persönlichen Schatzkammern der fatimidischen Kalifen verließ oder dadurch dass es, wie in diesem Fall, sogar gezielt für einen bestimmten Empfänger gefertigt wurde, um ihn besonders auszuzeichnen. Bereits an anderer Stelle wurde in dieser Arbeit auf den bei al-Ghuzūlīs überlieferten Bericht hingewiesen, wie erstaunt die Kairoer Hofgesellschaft im Jahre 1050/51 beim Anblick eines einzelnen Bergkristallgefäßes war, während bei einer anderen Gelegenheit zahlreiche dieser kostbaren Gefäße in noch erstaunlicherer Qualität aus der Schatzkammer des Kalifen gebracht worden seien. 64 Trotz aller Ausschmückung durch den späteren Autor darf man die darin beschriebene außerordentliche Seltenheit dieser Objekte wohl durchaus so interpretieren, dass gerade die technisch besonders anspruchsvollen, dünnwandigen Hohlgefäße weitgehend exklusiv für den Kalifen gefertigt wurden, um dann umso effektvoller als imperiale Gunstbeweise eingesetzt zu werden. Und tatsächlich bezeichnet auch al-

Qazwīnī (um 1203–1283) die Benutzung von Bergkristallgefäßen noch als Privileg der Könige. 65 Möglicherweise gab es für das Husain ibn Ǧauhar gewidmete Gefäß bereits Vorläufer in abbasidischer Zeit. Dort hatte nicht nur ein ganz ähnlicher Ehrentitel für den höchstrangigen Würdenträger des Kalifen, nämlich „amīr al umarā“, also Emir der Emire, eine lange Tradition, sondern es werden, zumindest im Besitz eines Trägers dieses Titels, auch explizit Bergkristallgefäße von ganz besonderer Qualität erwähnt. Dabei handelte es sich um Abū alHussein Bajkam, einen türkischstämmigen Militärführer und Gouverneur von Bagdad, der seine führende Position von 938–941 innehatte, ehe er eines gewaltsamen Todes starb. 66 Jedoch lässt sich die tatsächliche Machtfülle der beiden führenden Männer an den Höfen in Kairo und Bagdad kaum vergleichen, da die formal regierenden abbasidischen Kalifen in der Zeit Bajkams schon jede faktische Macht verloren hatten. Und auch wenn der Steinschnitt im abbasidischen Reich wohl insgesamt weniger exklusiv war als unter den Fatimiden, so erfüllten die Produkte dieser Kunst schon allein aufgrund ihres herausragenden materiellen Wertes ihre Rolle als distinguierende Statussymbole der höchsten Hofkreise. Dieser besondere Nimbus der Bergkristallgefäße als Sinnbilder eines überbordenden Luxus beruhte nicht nur auf dem Wert ihres weitgereisten Materials sowie ihrer technischen Perfektion oder Seltenheit. Mindestens ebenso sehr lag ihr Reiz zu allen Zeiten in ihrer Empfindlichkeit und dem völligen Verlust ihres Wertes wenn eines der Gefäße zerbrach. Daher ist wohl auch die Kritik an diesen Objekten als geradezu emblematischen Symbolen von Verschwendungssucht und übertriebenem, maßlosem Luxus ebenso alt, wie die Geschichte ihrer Produktion. In der Naturgeschichte Plinius des Älteren hat der Bergkristall zwar eine führende Rolle unter den dort beschriebenen kostbaren Materialien, jedoch wird die Kritik des Autors am Ende seines entsprechenden Kapitels deutlich. Dort folgt anschließend

Anon./Qaddumi 1996, S. 132, § 126 oder S. 89 f., § 65, Rice 1956, S. 89: „For the Commander of Commanders personally“ (li-y khāṣṣatan). Der Titel „Wesir“ wurde am fatimidischen Hof nicht verwendet. Siehe Halm 2003, S. 235 ff. 64 Anon./Qaddumi 1996, S. 224, § 357 u. § 358. 65 Qazwini/Ruska 1896, S. 9. Zum Vergleich sei auf den pseudo-Aristoteles verwiesen, der in der Mitte des 9. Jahrhunderts ohne alle Einschränkungen von der Verarbeitung des Kristalls zu Gefäßen berichtet. Siehe Aristoteles/Ruska 1912, S. 170. 66 Anon./Qadduni 1996, S. 217, § 333. 62 63

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Klarheit und Transparenz – Überlegungen zu Wirkung und Montierung

als Material Bernstein, zu dem Plinius bemerkt, dass dieser nun tatsächlich zu keinerlei praktischem Zweck zu gebrauchen sei, während man aus dem Kristall immerhin noch Trinkgefäße schleifen könne. 67 Die außerordentliche Fragilität der dünn geschliffenen Kristallgefäße fand auch Eingang in die Dichtung. So heißt es etwa in einem Epigramm Martials: „Noch während du befürchtest, kristallene Becher zu zerbrechen, zerbrichst du sie schon.“ 68 Die Klage über die Nutzlosigkeit der Bergkristallgefäße setzt sich im islamischen Mittelalter fort und findet in einer bei al-Bīrūnī überlieferten Erzählung ihren pointierten Ausdruck. Ort der Handlung ist der Palast des Muhammad ibn Tahir (reg. 862–873) in Nishapur, das soeben (873) durch Ya’qūb ibn al-Laith al-Saffārī eingenommen wurde. Der siegreiche Feldherr lässt sich nun von seinem unterworfenen Gegner durch dessen Schatzkammern führen. Den Höhepunkt bildet ein Raum, der die kostbarsten und seltensten Stücke der Sammlung enthält, darunter auch Gefäße aus Bergkristall. Als der Eroberer die enormen Preise dieser Objekte erfährt, lässt er sie von einem Sklaven zerschlagen und verlangt daraufhin nach seiner kup-

fernen Trinkschale. Nachdem er getrunken hat, lässt er sie zu Boden fallen und spricht zu ibn Tahir: „[…] hat dir die Verschwendung der Gelder für jene Gefäße Nutzen gebracht? Und hat mir geschadet, dass ich aus anderen trinke? Konntest du nicht für ihren Preis Männer dingen, die dich gegen mich verteidigen?“ 69 Die besondere Bedeutung von Bergkristallgefäßen für die Repräsentation von fürstlicher Macht und Reichtum sollte schließlich in der frühen Neuzeit noch einmal einen Höhepunkt erleben, wovon bis heute die zahlreichen Werke der Miseroni, Fontana oder Saracchi zeugen. 70 Zu diesem Zeitpunkt scheinen die während des Mittelalters nach Europa gelangten Bergkristallgefäße aus den Reichen der Abbasiden und Fatimiden ihren früheren Nimbus als Symbole kaiserlicher Gunst und Legitimation bereits weitgehend eingebüßt zu haben. Nur einzelne Meisterwerke der islamischen Werkstätten, die bis in die Neuzeit in profanen Sammlungen verblieben, dokumentieren in ihren auch nachmittelalterlichen, kostbaren Fassungen noch die Wertschätzung, die ihnen als technischen Meisterwerken weiterhin entgegengebracht wurde.

IV.3 Klarheit und Transparenz – Überlegungen zu Wirkung und Montierung Die meistgeschätzte Eigenschaft des Bergkristalls war in Antike und Mittelalter zweifellos seine Klarheit, die ihn mit Wasser und Eis verwandt erscheinen ließ. Die zentrale Bedeutung dieses Aspektes wird auch dadurch verdeutlicht, dass man im mittelalterlichen Steinschnitt stets größten Wert auf die vollständige und gründliche Politur aller sichtbaren Oberflächen der Kristallobjekte legte. Während der Bearbeitung erscheint der angeschliffene Kristall matt und opak und erst die Politur vermag die Brillanz des Materials wiederherzustellen. Dieser Prozess umfasst zahlreiche, äußerst zeitintensive Arbeitsgänge, weshalb die Entscheidung, auch derart komplexe Reliefoberflächen wie die der islamischen Bergkristallgefäße vollständig und bis in kleinste Zwischenräume zu polieren, zweifellos sehr be-

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wusst getroffen wurde. Erst die Steinschneider der frühen Neuzeit gaben diese Prämisse in ihrer Absolutheit auf und verwendeten in ihren überwiegend als Intaglio ausgeführten Reliefs gezielt den Kontrast zwischen polierter und unpolierter Kristalloberfläche. 71 Tatsächlich ist dieser Kontrast für die Lesbarkeit der Reliefs von entscheidender Bedeutung. Im Fall der islamischen Bergkristallgefäße konnte diese Lesbarkeit aufgrund der völlig polierten Oberfläche nur durch den scharfkantigen und besonders tiefen Schnitt des Reliefs erreicht werden, in dessen Verwendung sich auch deutliche Entwicklungen ablesen lassen, wie in Kapitel III.9 dieser Arbeit dargestellt wurde. Obgleich die Reliefoberflächen der islamischen Bergkristallgefäße also durch die Politur ihre Klar-

Plinius/König 1994, Cap. XI, S. 33. Martial/Barié 2002, Ep. XIV 111, S. 1014/1015. Siehe zu Bergkristallgefäßen auch Ep. IX 22 u. 23. Biruni/Kahle 1936, S. 339 f. Zum Steinschnitt der frühen Neuzeit siehe: Wien 2002 oder Madrid 2015. Siehe Kap. I.3 dieser Arbeit, S. 34 sowie Abb. 5.

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Die Biografie der Objekte

heit wiedererlangt haben, so gewähren sie dennoch keinen ungehinderten Blick auf die enthaltene Substanz. Vielmehr verunklärt das Hochrelief den unmittelbaren Durchblick und umgibt vor allem bei den kleineren Gefäßen zumeist gerade den unteren Teil des Hohlraumes vollständig. Ganz offenbar war also die Klarheit des Materials eine Qualität, die in den Augen der Benutzer im islamischen Mittelalter nicht unbedingt mit völliger Transparenz, also dem ungehinderten Blick auf den Inhalt einhergehen musste. Interessant sind in diesem Zusammenhang einige bei al-Bīrūnī zitierte Verse, in denen der Dichter vom Einswerden des Weines mit dem kristallenen Becher spricht, sodass man meinen könnte, der Wein allein stünde über der Hand. 72 Der entscheidende Moment ist dort also nicht einfach die ideale Sichtbarkeit der enthaltenen Substanz durch den Kristall hindurch, sondern die scheinbare Verwandlung des Kristalls selbst durch seinen Inhalt. So wie der Kristall in den Augen der damaligen Betrachter selbst schon zu Stein gewordenes Eis und damit eigentlich Wasser war, erfuhr er nun durch seinen Inhalt eine neuerliche Transformation, die ihn bei al-Bīrūnī geradezu eins mit dem Wein werden lässt. Gerade die völlige Farblosigkeit des Materials machte es dabei zum idealen Medium für diese Verwandlung, in der es gleichsam die Natur der enthaltenen Materie annimmt. Dieser Blick auf die Bergkristallgefäße gibt ihnen eine eigenständige Relevanz, die weit über eine bloße Funktion als, wenn auch kostbares, Behältnis hinausgeht. Der Bergkristall wird selbst zum Teil dessen, was er enthält, sei es nun der Wein in den Versen des Dichters oder die segenbringende Substanz, die viele der Gefäße wohl nicht erst im lateinischen Westen aufnahmen. 73 Montierungen erscheinen unter diesem Gesichtspunkt nicht nur als unnötiges, sondern eigentlich als störendes Beiwerk, das den Blick auf die Transformation des Kristalls durch seinen Inhalt behindert. Tatsächlich stellt sich die Frage nach ursprünglich intendierten Montierungen bei den mittelalterlichen Bergkristallarbeiten der Abbasiden und Fatimiden in besonderer Weise, da sich bislang kein einziges authentisch erhaltenes Beispiel dazu gefun72 73 74 75

den hat. Bei zwei Objekten könnte sich ihre Goldmontierung jedoch zumindest auf frühere Vorbilder beziehen. Diese sind einerseits der Bergkristallkrug des Louve (Taf. T7), dessen lose aufliegender Deckel von einer filigranen, am Griff befestigten Goldkette gehalten wird, sowie andererseits eine Flasche im Domschatz von Halberstadt (Abb. 121, S. 176), deren Hals von einer in Gold gearbeiteten Hülse mit Deckel abgeschlossen wird. In beiden Fällen sind die Montierungen mit dichtem Goldfiligran bedeckt, dessen Provenienz sich jedoch nicht eindeutig bestimmen lässt. Gerade für die markante Goldschmiedearbeit der Montierung in Halberstadt, die zusätzlich auch einen Steinbesatz aufweist, wurde bereits ein byzantinischer Ursprung vermutet. 74 Wenngleich es sich also vermutlich auch in diesen Fällen um spätere Zutaten handelt, so könnten sie sich bei einer angenommenen Entstehung in Byzanz doch noch auf früher Vorhandenes beziehen. Im Gegensatz dazu entstanden die übrigen erhaltenen Montierungen in so großem zeitlichen und geografischen Abstand, sowie in derart veränderten Kontexten und Nutzungen, dass Bezüge auf frühere Zustände praktisch ausgeschlossen werden können. Hinzu kommt, dass nur wenige der erhaltenen Stücke ihre ursprüngliche Gestalt vollständig bewahren konnten. Beschädigungen, Reparaturen und Anpassungen an neue Nutzungen oder eben auch formale Konventionen veränderten sie teilweise bis zur Unkenntlichkeit (vergleiche etwa Taf. T15, T77, T84). 75 Aus der Menge des erhaltenen Materials erlaubt also nur eine kleine Zahl von Objekten noch Überlegungen dazu, ob und wie sie im Kontext ihrer Entstehung für Montierungen irgendwelcher Art bestimmt gewesen sein könnten. Geht man dabei davon aus, dass eine solche Montierung den Kristall selbst so wenig wie möglich beeinträchtigen sollte, so ist zunächst an das technisch Notwendige zu denken. Als exemplarisches Beispiel mag hier der Krug des al-Azīz in Venedig dienen (Taf. T4). Bei ihm handelt es sich wohl um das besterhaltene der größeren Gefäße, das offenbar noch völlig intakt ist und seine originale Oberfläche vollständig bewah-

Biruni/Kahle 1936, S. 326. Als Dichter wird Abu’l-Fadl al-Kaskarī genannt. Siehe dazu das nächste Kapitel. Zu dem Krug des Louvre siehe Paris 1991, Nr. 26, S. 163 ff., zu der Flasche in Halberstadt siehe Meller 2008, S. 62, Nr. 8 Siehe dazu auch die Stücke in Dresden (Stadtmuseum, Inv. SMD 1973/52.4, Taf. T55) oder Köln (Rautenstrauch-Joost Museum, Inv. SO 539, Taf. T70).

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ren konnte. Vom niedrigen zylindrischen Fuß bis zum flachen Griff mit der bekrönenden Tierfigur ist das gesamte Gefäß aus einem einzigen Block Quarz geschliffen. Es ist zu vermuten, dass der Krug ohne jede Montierung nach Venedig gelangte, da alle heute noch zu sehenden Hinzufügungen dort entstanden. Es sind dies ein dreibeiniger Fuß, der mit seinem Ring den dünn geschliffenen Fußring des Kristalls umfasst, sowie ein Metallband, das unter den Griff eingelegt und mittels Stiften in originalen Bohrungen der Griffplatte fixiert wurde. Möglicherweise erschien die schlanke kristallene Handhabe den Venezianern zu fragil und sollte so verstärkt werden. Beide Ergänzungen sollten das kostbare Kristallgefäß offenbar vor möglichen Beschädigungen bei der Benutzung bewahren. 76 Tatsächlich stellen aber die genannten Bohrungen, die sich auch in den übrigen erhaltenen Griffplatten der Krüge in London, Florenz und Paris finden (Taf. T2, T5, T7), die einzigen sichtbaren Hinweise auf einen möglichen ehemaligen Edelmetallbesatz dar. Die einzige Quelle, die etwas ausführliche Informationen zu den Gefäßen und ihrer Verwahrung bietet, nämlich der von al-Maqrīzī überlieferte Bericht der Plünderung der Fatimidenschätze, erwähnt keinerlei Montierungen und berichtet lediglich von seidengefütterten und goldverzierten Bambusfutteralen, in denen die Kristallbehälter aufbewahrt wurden. 77 Für die Fülle der übrigen Objekte fehlen selbst derartige Nachrichten, ihre praktische Benutzung und Funktion muss, auch aufgrund des meist sehr kleinen Volumens, weitgehend spekulativ bleiben und soll im nachfolgenden Kapitel diskutiert werden. Was bei den Krügen vielleicht als praktische Zutat denkbar wäre, ist im Fall der zahlreichen kleinformatigen Gefäße unumgänglich. Deren zweifellos kostbarer Inhalt musste durch einen irgendwie gearteten Verschluss geschützt und sicher im Gefäß verwahrt werden. Auch hier sei zunächst auf ein mutmaßlich in ursprünglichem Zustand erhaltenes Gefäß hingewiesen, dass sich heute im Museum Schnütgen in Köln befindet (Abb. 111). 78 Der zentrale Bereich des zylindrischen Körpers ist von einem flächigen Dekorband bedeckt, das durch

Abb. 111: Weitgehend intakt erhaltenes Bergkristallfläschchen (Taf. T58, Museum Schnütgen, Köln)

tiefe Rillen sowie umlaufende Ringwülste sowohl nach oben wie auch nach unten hin begrenzt ist. Auf der Unterseite verjüngt sich der Körper zu einem kleinen, kreisrunden Sockel. Oben folgt über zwei umlaufenden Ringen auf der Gefäßschulter ein sich konisch weitender Hals. Dieser schließt an seinem oberen Rand jedoch nicht etwa glatt ab,

Die Montierungen stammen wohl aus dem 16. Jahrhundert. Siehe Wien 1998, S. 133, Nr. 106 sowie Hahnloser 1971, S. 112 f., Kat.-Nr. 124. Maqrizi/Kahle 1935, S. 346. 78 Während an zahlreichen Beispielen deutlich spätere Eingriffe und Veränderungen ablesbar sind, weist der Flakon in Köln eine außerordentlich intakte, einheitlich polierte Oberfläche auf. 76 77

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Die Biografie der Objekte

Abb. 112: Detail der Mündung des Bergkristallfläschchens auf Abb. 111

sondern verjüngt sich zunächst noch einmal in einer Schräge, bevor eine konkav geschliffene Wölbung zur zentralen Bohrung überleitet (Abb. 112). Die Form dieses oberen Randes erscheint für eine praktische Verschlussmontierung ungeeignet, zumal die stabile Befestigung eines solchen Verschlusses erst an den beschriebenen Halsringen möglich wäre, also den gesamten Halsbereich umgreifen müsste. 79 Diese Halsringe, die sich an der weit überwiegenden Zahl der erhaltenen Flakons finden, scheinen aber primär einen anderen Zweck erfüllt zu haben. Sie dienten wohl vor allem der Aufnahme einer Halterung, an der die Fläschchen aufgehängt werden konnten. Tatsächlich hat die Sockelplatte des Stückes in Köln nur einen Durchmesser von 16 Millimetern und ermöglicht damit keinen stabilen Stand. Nur bei drei erhaltenen Beispielen ist hier eine regelrechte Fußplatte ausgebildet, die diesem Zweck gerecht wird (Taf. T59, T62, T63). 80 Die

Mehrzahl der Objekte muss man sich wohl hängend vorstellen. Vielleicht trugen ihre Besitzer sie bei sich, um der dem Kristall und seines möglichen Inhaltes zugesprochenen Wirkungen teilhaftig zu werden. Blickt man auf vergleichbare Gefäße aus anderen Epochen und Kontexten, so erscheinen die aus der römischen Kaiserzeit erhaltenen Bergkristallfläschchen als besonders aufschlussreiche Beispiele. Auch sie verfügen oft über keine aus dem Material selbst gearbeitete stabile Standfläche und müssen daher ebenfalls als hängende Objekte gedacht werden. Bei einem solchen, heute in der Antikensammlung in Berlin befindlichen Stück, hat sich zudem die originale Goldmontierung erhalten (Abb. 113). 81 Das Gefäß erinnert in seiner Form an eine Amphore mit filigran geschwungenen Henkeln. An diesen sind mit Ringen goldene Ketten befestigt, die in einem weiteren Ring zusammenlau-

An anderen Beispielen, etwa in London (Victoria and Albert Museum, Inv. A 45–1928, Taf. T60) oder in Bad Gandersheim (Stiftskirche, Taf. T51) bietet sich die Form des oberen Randes mit einer schlanken Erweiterung eher zu einer unmittelbar dort befestigten Montierung an. 80 London (Victoria and Albert Museum, Inv. A 46–1928, Taf. T59). Ein dem Kölner Stück vergleichbarer Sockel findet sich etwa noch in Borghorst (St. Nikomedes, Taf. T48) oder London (British Museum, Inv. 1894, 0517.1, Taf. T65). 81 Berlin, (Antikensammlung, Inv. 1981.17, siehe Kunze 1992, Nr. 165, S. 301). Ergänzend dazu ein weiteres Beispiel in Riggisberg (Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 9.45.81). Weitere Beispiele ungefasster Gefäße bei Bühler 1973, bes. Nr. 37, 42, 56 oder 57. 79

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Klarheit und Transparenz – Überlegungen zu Wirkung und Montierung

fen. An diesem ist eine dritte Kette angebracht, die mit dem Verschluss des Fläschchens verbunden ist. Dieser besteht aus einem in die Bohrung des Kristalls eingepassten Zylinder aus Goldblech, der von einer Deckplatte mit etwas größerem Durchmesser abgeschlossen wird. Denkt man sich diesen Stopfen ergänzt um eine organische, heute verlorene Dichtungsmasse, so würde er das Gefäß dicht abschließen, ohne die Wirkung des Kristalles durch eine ausgreifende Montierung übermäßig zu beeinträchtigen. 82 Wenn die Überlegungen zur ursprünglichen Montierung auch weitgehend spekulativ bleiben müssen, so ist der wechselnde Umgang mit den Objekten in ihrem zweiten, europäischen Leben doch durch eine ganze Reihe verschiedenster Montierungen über einen Zeitraum von mehr als 500 Jahren dokumentiert. Als frühestes Beispiel ist hier die Anbringung der Objekte am Ambo Heinrichs II. in Aachen zu nennen (Abb. 106, S. 149), dessen Entstehung bald nach 1002 anzusetzen ist. Aufgrund ihres außerordentlichen materiellen und symbolischen Wertes, sind die beiden Bergkristallobjekte, eine Tasse und ein Teller, ebenso wie die beiden byzantinischen Achatschalen, vollkommen ihrer eigentlichen Funktion entkleidet und werden, korrespondierend zum ehemals zentralen Kameo, wie monumentale Schmucksteine verwendet. Alle vier Gefäße wenden dem Betrachter ihre eigentlichen Außen- bzw. Unterseiten zu. Im Fall der Achatschalen, die keinerlei geschnittenen Dekor zeigen, wirkt allein das Farbenspiel des Steins. Bei den Bergkristallobjekten blickt man jedoch unmittelbar auf den geschnittenen Dekor, der in der eigentlichen Funktion primär durch die glatte Innen- bzw. Oberseite gesehen wurde. Gerade dieser Dekor, der sich unter den übrigen Steinschnitten am Ambo nur mit dem zentralen antiken Adlerkameo vergleichen ließ und im damaligen Westeuropa technisch nicht mehr nachvollziehbar war, bildete offenbar einen wesentlichen Aspekt, der in der Präsentation besonders betont werden sollte. Dies gilt umso mehr, als der Ambo ehemals annähernd auf Augenhöhe stand und die Objekte so aus größerer Nähe betrachtet werden

Abb. 113: Antikes Bergkristallfläschchen mit Goldmontierung, wohl Rom, 1. Jh. n. Chr. (Antikensammlung, Berlin)

konnten. 83 In ihrer Funktion als Sinnbilder von Legitimität, imperialer Sukzession und Ebenbürtigkeit der ottonischen Herrscher mit den byzantinischen Kaisern, mussten die Steinschneidearbeiten maximal sichtbar und in Betonung ihrer jeweiligen besonderen Qualitäten präsentiert werden. 84 Dieser Prämisse folgen auch die übrigen erhaltenen Montierungen des 11. Jahrhunderts, für die eine Herkunft aus dem Umfeld der Ottonen zumeist überaus plausibel erscheint. Es sind dies ein molares Gefäß (Taf. T76 sowie Abb. 107, S. 152) und ein heute verlorener Knauf (Taf. T102), die zwei Kreuzen in Es-

Bei dem Beispiel in Riggisberg (Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 9.45.81) ist der obere Rand des Halses als Gegenstück zum Verschluss noch mit einer schmalen Goldhülse eingefasst. 83 Siehe Doberer 1957, S. 337 ff. sowie Maas 2013, Abb. 82. 84 Im Zuge der Restaurierung des Ambo in den 1920er Jahren wurde die gesamte Metallverkleidung entfernt und im darunterliegenden Holzkern kamen Öffnungen im Bereich der Hartsteingefäße zutage, die in der ursprünglichen Aufstellung möglicherweise der Belichtung dieser Objekte dienten und deren optische Wirkung somit noch verstärkten. Siehe Doberer 1957, fig. 138. 82

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Die Biografie der Objekte

Abb. 114: Heiligblut-Reliquiar in San Marco, Bergkristall wohl abbasidisch; Montierung 13. Jh. (Taf. T10, Tesoro di San Marco, Venedig)

sen untergesetzt waren, die Theophanu, die Enkelin Ottos II. stiftete, sowie zwei Gefäße, die in das auf Kaiser Heinrich III. zurückgehende Borghorster Stiftskreuz (Abb. 108, S. 153 sowie Taf. T48, T89)

eingelassen sind. Alle drei Kreuze dürften etwa im selben Zeitraum, zwischen 1039 und 1056/58, entstanden sein. 85 Während die orientalischen Kristallobjekte den Essener Kreuzen untergesetzt sind und wie Sockel fungieren, sind sie in Borghorst in den Kreuzstamm selbst eingelassen. Ihre außergewöhnliche Montierung in genau angepassten Aussparungen im Holzkorpus des Kreuzes, erlaubt das Hindurchströmen des Lichtes und betont so in besonderer Weise die Transparenz des Kristalls. In der Verwendung der Bergkristalle im Kontext von Kreuzen kommt zudem die christliche Allegorese des Materials in besonderer Weise zum tragen, die im folgenden Kapitel ausführlicher behandelt werden soll. In besonderer Weise sei hier zudem auf das Heiligblut-Reliquiar in Venedig verwiesen, bei dem das Bergkristallgefäß lediglich von dünnen Bändern aus Goldblech umfangen ist und dadurch beinahe schwebend erscheint (Abb. 114). 86 Die demonstrative Zurschaustellung des exotischen Gefäßes ist hier gleichsam auf die Spitze getrieben, indem sich die Montierung, ausgehend von einem Sockel in gotischen Formen, zu einem filigranen Käfig entwickelt, der das Stück zwar umfasst, es dabei aber kaum zu berühren scheint. Diese wohl im 13. Jahrhundert entstandene Fassung stellt einen Höhepunkt in der ostentativen Präsentation der Bergkristallgefäße dar, markiert aber zugleich auch einen Moment, von dem an gerade die kleineren Objekte zunehmend in geläufige Fassungstypen der jeweils zeitgenössischen Goldschmiedekunst eingepasst werden. Um sie gotischen Reliquienmonstranzen einzufügen, wurden an zahlreichen erhaltenen Beispielen die charakteristischen umlaufenden Ringwülste abgeschliffen und nur das Dekorband um den Gefäßkörper unverändert erhalten. Ein heute im Kunstgewerbemuseum Berlin befindliches Reliquiar des 16. Jahrhunderts, das im Rahmen eigener Untersuchungen zerlegt werden konnte, illustriert die wechselseitige Anpassung von Kristallgefäß und Montierung, wobei schließlich nur das geschnittene Dekorband des Kristalls sichtbar bleibt und das übrige Gefäß in der Fassung verschwindet (Abb. 115). 87 Bei anderen Beispielen wurde die dekorierte

Der Datierungszeitraum ergibt sich aus den Regierungszeiten der Äbtissin Theophanu (1039–1058) und Kaiser Heinrichs III. (1039–1056). Hahnloser 1971, S. 116 ff., Kat.-Nr. 128. 87 Das Reliquiar stammt wohl aus Spanien und gelangte über den Kunstmarkt nach Deutschland. Seit 1937 befindet es sich in Berlin (Kunstgewerbemuseum, Inv. 1937, 23). 85

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Klarheit und Transparenz – Überlegungen zu Wirkung und Montierung

Mittelpartie der Gefäße gänzlich herausgeschnitten, wodurch sie, wie die undekorierten Bergkristallzylinder europäischer Produktion, problemlos in vorhandene gotische Reliquiare eingesetzt werden konnten (Taf. T55). Inwieweit diese Änderungen an bereits beschädigten Stücken vorgenommen wurden, um sie weiterhin nutzbar zu machen, oder ob hier allein die praktische Verwendung ausschlaggebend war, lässt sich nicht mehr feststellen, jedoch belegen die vielen, in dieser Weise fragmentierten Bergkristallgefäße des islamischen Mittelalters einen deutlich anderen Stellenwert dieser Objekte. Diese veränderte Relation dürfte wesentlich von der Tatsache bestimmt gewesen sein, dass die Objekte im 13., 14. oder sogar 15. Jahrhundert bereits einen beträchtlichen Teil ihres mittelalterlichen Prestiges eingebüßt hatten. Waren sie im 11. Jahrhundert schon allein aufgrund ihres Materials noch bewunderte, exotische Einzelstücke, so entwickelte sich der europäische Steinschnitt im 13. und 14. Jahrhundert derart weiter, dass Bergkristallgefäße als solche kaum mehr Staunen hervorgerufen haben dürften. Allein der charakteristische Dekorschnitt blieb eine Besonderheit der alten Stücke, weshalb man diesen auch bei den größten oben beschriebenen Eingriffen in die Substanz der Objekte zu erhalten suchte. Einzelne Objektkomplexe, wie etwa der Reliquienfund aus der Dresdner Sophienkirche, gewähren einen, wenn auch fragmentarischen Einblick in den Bestand eines spätmittelalterlichen Kirchenschatzes. 1910 fand man dort bei Bauarbeiten im Chorraum einen Kasten, in dem unter anderem die Bergkristallzylinder mehrerer Reliquiare lagen (Abb. 116). Offenbar waren die Gefäße mit den Reliquien ihren kostbaren Fassungen entnommen und dann unter dem Boden der Kirche verborgen worden. Der genaue Zeitpunkt und die Umstände dieser Ereignisse sind nicht mehr zu fassen, jedoch dürften sie sich im Zuge der Reformation und der 1539 erfolgten Aufhebung des Klosters abgespielt haben. 88 Neben Stücken aus mittelalterlicher europäischer Produktion enthielt der Fund auch zwei Gefäße islamischer Provenienz, von denen eines zu einem Zylinder umgearbeitet wurde (Taf. T55). Deutlich anders verhält es sich im Fall der größeren, extrem aufwändig gearbeiteten Gefäße, deren herausragender Wert und besondere technische Qualität auch weiterhin anerkannt und verstanden 88

Abb. 115: Reliquiar mit Bergkristallfläschchen und -schachfigur; Montierung 16. Jh. (Taf. T54 u. T124, Kunstgewerbemuseum, Berlin)

wurden. Allein aufgrund ihrer Dimensionen blieben sie herausgehobene Einzelstücke auf deren Montierung man größte Sorgfalt verwendete. Der Schatz von San Marco in Venedig illustriert dies an drei Objekten in besonders anschaulicher Weise. Während der bereits beschriebene Krug des al-Azīz (Taf. T4) noch im 16. Jahrhundert mit einer nur

Siehe Bruck 1912, S. 10 sowie Hunecke 1999, S. 20 ff.

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Die Biografie der Objekte

Abb. 116: Gefäße aus dem Reliquienfund der Sophienkirche in Dresden (2. v. r. Taf. T55, 3. v. r. Taf. T73)

sparsamen, primär auf seinen unbeschadeten Erhalt angelegten Montierung versehen wurde, lassen zwei andere Objekte einen deutlich größeren Aufwand erkennen. Eines entsprach in seiner Form ehemals dem genannten Krug. Nachdem der Griff des Gefäßes verloren war, entschloss man sich, um oder bald nach 1200, zu einer aufwändigen Fassung, die zwar die ursprüngliche Funktion als Kanne aufnahm, sie jedoch in gänzlich anderer Weise interpretierte (Abb. 117). 89 Der Kristallkorpus sitzt nun auf einem hohen Fuß und wird von einem schlanken Hals überragt, wobei die Weitung des Kristalls zum Ausguss von der Montierung aufgenommen und als nodusartige Verdickung in die Gesamtform integriert wurde. Ein elegant geschwungener Griff in Form eines Drachens und eine schlanke, langgezogene Tülle verbinden die beiden Teile der Montierung. Trotz der umfangreichen Ergänzungen vermied man es weitgehend, den Kristall in seiner Wirkung zu beeinträchtigen. Er wird vom Metall jeweils nur wenige Millimeter überdeckt und sowohl Tülle als auch Griff sind so schmal, dass sie den Dekor kaum stören. Man vermied offensichtlich sogar, den Kristall anzubohren. Um die Tülle

dennoch funktionsfähig zu machen, liegt ihr Zulauf erst auf der Höhe der oberen Montierung. 90 Das zweite Stück aus Venedig ist ein zylindrisches Bergkristallgefäß von beträchtlicher Größe, das vielleicht ursprünglich als Lampe diente (Abb. 118). 91 Da sich der eigentliche Zweck des Gefäßes in Europa nicht mehr erschloss, versah man das Objekt wohl Mitte des 13. Jahrhunderts mit einem filigran- und edelsteinverzierten Fuß und Deckel, sowie mit zwei schlanken Griffen. Auch hier wurde aber genau darauf geachtet, dass weder der Blattfries im unteren Teil, noch die arabische Inschrift unter dem Rand beeinträchtigt wurden. 92 Diese Sorgfalt in der Montierung und das Bestreben die Wirkung des Kristalls trotz der Hinzufügungen möglichst wenig zu stören, findet sich auch bei den übrigen hohl geschnittenen Gefäßen und sie ist auch noch an den Montierungen des 16. und 17. Jahrhunderts zu beobachten, wofür hier abschließend noch drei Beispiele genannt werden sollen. Anders als die übrigen bisher beschriebenen Stücke, die bereits im Mittelalter in kirchliche Sammlungen gelangten und spätestens zu diesem Zeitpunkt „christianisiert“ wurden, geschah dies

In ihrem Katalogartikel zu dem Objekt datiert Danielle Gaborit-Chopin die Fassung anhand stilistischer Vergleiche und verortet sie ins Rheinland oder nach Limoges. Das Stück wäre dann erst später nach Venedig gelangt. Siehe Köln 1984, S. 230 ff., Nr. 31, bes. S. 234 f. Der untere Ansatz des Griffes ist noch gut zu erkennen. Siehe auch Hahnloser 1971, S. 113 ff., Kat.-Nr. 125. 90 Eine runde Öffnung im Boden wurde wohl zu einem späteren Zeitpunkt angebracht. Ihr Zweck ist unklar. 91 Durchmesser 17 cm, Höhe knapp 40 cm. Siehe zur Frage der Funktion Shalem 1994. 92 Siehe Hahnloser 1971, S. 111 f., Kat.-Nr. 123. 89

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Abb. 117: Fragment eines Bergkristallkruges; Montierung um 1200 (Taf. T1, Tesoro di San Marco, Venedig)

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Die Biografie der Objekte

Abb. 118: Bergkristallgefäß; Montierung Venedig, 13. Jh. (Taf. T22, Tesoro di San Marco, Venedig)

bei den beiden zunächst thematisierten Objekten erst in der frühen Neuzeit, sodass sie mit ihren dezidiert profanen Montierungen bis heute einen guten Eindruck von der Präsenz und Präsentation dieser mittelalterlichen Objekte in den fürstlichen Kunstkammern der Zeit vermitteln. Das chronologisch frühere Beispiel befindet sich heute im 172

Schatz von San Lorenzo in Florenz (Abb. 119). Es handelt sich um eine ca. 22 Zentimeter hohe Flasche mit leicht konischem, zylindrischen Körper und einem ebenfalls leicht konischen Hals. Wie im Fall des Kruges in San Marco überdecken die emaillierten Goldfassungen den Kristall nur minimal. Typisch ist auch die Fußmontierung, die diesen be-

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Klarheit und Transparenz – Überlegungen zu Wirkung und Montierung

sonders gefährdeten Bereich des Kristalls schützt. Sie umgreift den aus dem Kristall geschliffenen Fußring nur um wenige Millimeter und lässt auch von der Unterseite den gesamten Boden des Gefäßes frei. Die ebenfalls aus Gold gefertigte Halsmontierung besteht aus einer friesartig gestalteten Manschette, die den oberen Rand des Kristalls umfasst und eine Inschrift in schwarzen Lettern trägt, die den Besitzer des Gefäßes nennt: „COSMUS MED. FLOREN. ET SENARUM DUX II. D. D.“ Gemeint ist hier Cosimo I. (reg. 1537–1574), wie zwei seiner bevorzugten Embleme mit dem dazwischen gesetzten Wappen der Medici auf dem Deckel des Gefäßes bestätigen. Elisabetta Nardinocchi wies die Arbeit dem Florentiner Goldschmied Bernardo Baldini zu und datierte sie auf etwa 1555. 93 Als Cosimo die Montierung mit seinem Namen an dem Kristall anbringen ließ, hatte das Sammeln von Hartsteingefäßen bei den Medici bereits eine lange Tradition, die bis auf Piero di Cosimo (1416–1469) zurückreicht und unter dessen Sohn Lorenzo dem Prächtigen (1449–1492) ihren sichtbarsten Ausdruck fand, indem dieser in die Stücke seiner Sammlung die Inschrift „LAV – R – MED“ eingravieren ließ. 94 Die erhaltenen Objekte bilden noch heute eine der bedeutendsten Sammlungen antiker und mittelalterlicher Edelsteingefäße. Während diese aber zum größten Teil bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Reliquiare umgewandelt worden waren und sich seit 1532 in der eigens errichteten Tribuna der Reliquien in San Lorenzo befanden, muss sich das islamische Gefäß noch länger in der Sammlung Cosimos befunden haben, ehe es ebenfalls dem Reliquienschatz von San Lorenzo eingegliedert wurde. 95 Als Kenner des Steinschnitts erkannte Cosimo zweifellos die herausragende technische Qualität des Stückes, das er mit der gleichermaßen dezenten wie distinguierten Montierung ganz in der Tradition seines Vorfahren Lorenzo demonstrativ für sich beanspruchte.

Die zweite große Sammlung von Edelsteingefäßen in Europa war die der Habsburger, deren bedeutendste Stücke sich noch heute im Kunsthistorischen Museum in Wien befinden. 96 In der frühen Neuzeit scheinen die kaiserlichen Sammlungen zumindest zwei Bergkristallobjekte aus dem islamischen Mittelalter beinhaltet zu haben, die im Laufe der Zeit jedoch ihren Weg in andere Bestände fanden. 97 Eines dieser beiden Gefäße, das in seiner ursprünglichen Gestalt dem Typus des al-Azīz-Kruges in Venedig entsprach, befindet sich heute im Domschatz von Fermo in den italienischen Marken (Abb. 120). An diesem Krug fehlt aber nicht nur der Griff, sondern es wurde vor der Montierung auch die Weitung des Ausgusses abgetrennt. Die wohl weitgehend um 1625 in Freiburg entstandenen Fassungsteile aus emailliertem Gold fallen dem Zeitgeschmack gemäß umfangreicher aus, als dies 70 Jahre zuvor in Florenz der Fall gewesen war. Der Kristallkorpus steht nun auf einem hohen, profilierten Fuß, der mit emaillierten Rosetten besetzt ist. Die konisch zugeschliffene Halspartie wird von einer Hülse umschlossen, die bis unmittelbar über den geschnittenen Dekor reicht. Darüber folgt eine zylindrische Deckelkappe, deren gewölbter oberer Abschluss von einem filigran durchbrochenen Aufsatz bekrönt wird. Vor allem diesen oberen Teil der Montierung schmücken reiche polychrome Emails, deren wichtigstes Element die beiden Wappen der Häuser Medici und Habsburg auf der Halsmanschette darstellen. Durch sie wurde das mittelalterliche Gefäß zum dynastischen Geschenk bei der Hochzeit Erzherzog Leopolds V. von Österreich mit Claudia de Medici im Jahre 1626. 98 Doch auch dieses Objekt sollte nicht mehr lange in einer fürstlichen Sammlung verbleiben. In der Zwischenzeit nach Florenz gelangt, wurde das Gefäß bereits 1649 durch Vittoria della Rovere, die Tochter Claudias und damalige Großherzogin der Toskana, in ein Re-

Bertani/Nardinocchi 1995, S. 44. Eine Eingrenzung des möglichen Zeitraumes der Entstehung der Montierung ergibt sich auch aus der Inschrift, die Cosimo als Herzog von Florenz und Siena nennt. Cosimo I. eroberte Siena 1555 und erhielt 1569 den Titel eines Großherzogs. Siehe ebd. 94 Die frühesten Hinweise auf ein solches Interesse finden sich in einem Inventar für Piero di Cosimo aus dem Jahr 1456, in dem Gefäße aus Bergkristall, Chalzedon und Jaspis genannt werden. Siehe dazu Florenz 1972, S. 5 u. 165 sowie Helfenstein 2013, S. 420. 95 Die Stiftung der Gefäße als Reliquiare erfolgte durch eine Bulle Papst Clemens VII. am 16. November 1532. Siehe dazu Florenz 1972, S. 25–27. 96 Siehe dazu Wien 2002. 97 Das zweite Stück wurde im Jahre 1938 durch das Kunsthistorische Museum veräußert und gelangte später in die Freer Gallery des Smithonian Institute in Washington (Purchase No. F1949.14). 98 Zu diesem Themenkomplex sei auch auf einen derzeit in Vorbereitung befindlichen Aufsatz des Autors dieses Bandes verwiesen. Zur kulturellen und künstlerischen Bedeutung Claudias als Fürstin von Tirol siehe auch Weiss 2004. 93

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Die Biografie der Objekte

Abb. 119: Bergkristallflasche; Montierung Florenz um 1555 (Taf. T9, Tesoro di San Lorenzo, Florenz)

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Klarheit und Transparenz – Überlegungen zu Wirkung und Montierung

liquiengefäß umgewandelt und als solches nach Fermo verschenkt. 99 Als letztes Beispiel sei nun auf ein Kristallgefäß verwiesen, das aller Wahrscheinlichkeit nach den entgegengesetzten Weg nahm, vor dem Hintergrund der Reformation aus einem kirchlichen Schatz in eine fürstliche Kunstkammer überführt wurde und sich bis heute im Besitz der Fürsten von Arolsen-Waldeck befindet (Taf. T17). 100 Es handelt sich dabei um ein rundes Gefäß in leicht gestauchter Kugelform. Ob die große Öffnung ursprünglich ist, oder das Objekt erst nach einer möglichen Beschädigung in diese Form gebracht wurde, lässt sich aufgrund der Montierung nicht feststellen, jedoch ist am Gefäßkörper noch deutlich der ausgeschliffene Ansatz einer Handhabe sichtbar. Wohl um 1546 wurde das Kristallgefäß mit weiteren Bergkristallelementen zu einem Deckelpokal gefasst. Mit reichem Dekor im Zeitgeschmack versehene Verbindungselemente aus vergoldetem Silber ließen so ein eigenwilliges Kompositobjekt entstehen. Eine emaillierte, durch den Boden des Kristallgefäßes sichtbare Plakette verweist mit den dargestellten Wappen auf die Hochzeit Graf Wolrads II. von Waldeck und Anastasia Günthera von Schwarzburg-Blankenburg im Jahre 1546, zu welcher der Pokal vielleicht als Verlobungs- oder Hochzeitsgeschenk diente. Die Form der übrigen in dem Objekt verwendeten Bergkristalle legt die Vermutung nahe, dass es sich dabei, und somit wohl auch bei dem islamischen Stück, um Objekte aus aufgehobenem Kirchenbesitz handelt, auf den Wolrad II. nach der bereits 1526 in der Grafschaft eingeführten Reformation Zugriff hatte. Damit kam diesem Stück in der Selbstdarstellung der Grafen von Waldeck eine besondere Rolle zu, da es demonstrativ deren neu hinzugewonnene Machtposition als Herren der nunmehr reformierten Kirche zur Schau stellte und somit die Symbolik der Stücke im 11. Jahrhundert unter umgekehrten Vorzeichen aufnahm. Waren diese noch Belege besonderer Gunst der Herrscher gegenüber bevorzugten kirchlichen Stiftungen gewesen, so dienten sie nun zur Demonstration fürstlicher Macht über die Kirche. Anhand der genannten Beispiele des 13. bis 17. Jahrhunderts lässt sich die anhaltende Wert-

Abb. 120: Bergkristallkrug; Montierung 1. Viertel 17. Jh. (Taf. T6, Museo Diocesano, Fermo)

schätzung gerade für die größeren, technisch besonders anspruchsvollen Bergkristallgefäße des islamischen Mittelalters feststellen, deren besondere Qualität wohl noch bis ins 18. Jahrhundert erkannt wurde. In allen Fällen legte man offenbar größten Wert auf eine möglichst geringe Beeinträchtigung und maximale Sichtbarkeit des Kristalls und seines geschnittenen Dekors. Vor allem das virtuos ausgeführte Hochrelief dieses Dekors war trotz der

99 In Fermo hat sich die zugehörige Authentik erhalten: ASAF, fondo Archivio Storico del Capitolo Metropolitano della Chiesa Cattedrale di Fermo, IX, Rubrica 1, f. 1 (1581 in copia – 1900), Patente di autenticità della Reliquia di San Cesonio, Pitti 15 ottobre 1649. 100 Siehe dazu Erdmann 1940, S. 131 f., Abb. 5 u. 6.

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Die Biografie der Objekte

Abb. 121: Detail der Halsmontierung von Taf. T12, wohl byzantinisch oder deutsch, 12.-Anfang 13. Jh. (Taf. T12, Domschatz Halberstadt)

Blüte des europäischen Steinschnitts der frühen Neuzeit noch immer ein Alleinstellungsmerkmal dieser mittelalterlichen Objekte, da die europäischen Arbeiten des 16. und 17. Jahrhunderts überwiegend im technisch weit weniger riskanten Intaglio verziert wurden. Besonders deutlich wird die Bedeutung dieses technischen Unterschiedes für die Wertschätzung der islamischen Steinschnitte in einem Inventareintrag der Tribuna der Uffizien in Florenz. Dort wird der kleine Krug, der sich heute im Museo degli Argenti befindet (Taf. T5), 1704 folgendermaßen beschrieben: „Una Caraffa di cristallo di monte lavorato di sbalzo rilievo a uccelli e fogliami con manico simile a staffa lavorato come sopra con cerchio alla facca d’oro smaltate di nero […]“. 101 Das wesentliche Distinktionsmerkmal gegenüber der langen Reihe europäischer Bergkristallgefäße in diesem Inventar ist gerade jenes sbalzo relievo, ein Begriff der eigentlich eine Relieftreibarbeit in Metall bezeichnet. Offenbar empfand der Schreiber des Inventars die Technik des Hochreliefs auf Berg-

101

BdU – ms. 82 (1704). Nr. 2333.

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kristall als so ungewöhnlich, dass er sich bei seiner Definition dieses Vergleichs einer eigentlich materialfremden Technik bediente. So hoch auch die frühneuzeitliche Würdigung der besonderen technischen Qualitäten des Dekorschnitts gewesen sein mag, die Formen dieses Dekors blieben den Künstlern späterer Jahrhunderte offenbar fremd. In keinem einzigen Fall nehmen die Montierungen Elemente des Reliefschmucks auf, obgleich sich an mittelalterlichen Goldschmiedearbeiten durchaus vergleichbare Details, wie etwa Friese aus Halbpalmetten, finden. Wurde den größeren Gefäßen aufgrund ihres hohen technischen Niveaus, vielleicht aber auch wegen ihrer nahezu vollständigen Reliefverzierung bis ins 17. Jahrhundert besondere Sorgfalt in der Montierung zuteil, scheint dies für die zahlreichen kleineren Gefäßen seit dem 13. Jahrhundert nicht mehr der Fall gewesen zu sein. Um sie in gängige Typen von Ostensorien einzupassen, wurden sie abgeschliffen oder sogar massiv zugeschnitten. We-

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Zur Frage von Nutzung und Funktion

sentlich war nun offenbar nurmehr jener zentrale Teil des Gefäßes, der den geschnittenen Dekor trug. Dieser mag dann für die zeitgenössischen Betrachter in seiner exotischen Fremdheit noch immer als

Beleg für das hohe Alter des Behältnisses gesehen worden sein und damit auch als zusätzlicher Träger von Authentizität für seinen segenbringenden Inhalt gedient haben. 102

IV.4 Zur Frage von Nutzung und Funktion Seit Beginn des wissenschaftlichen Interesses an den islamischen Bergkristallarbeiten stellt sich die Frage nach ihrer ursprünglichen Funktion und Nutzung. Gerade die formale und gestalterische Vielfalt der Objekte und das Fehlen klarer Belege lassen hier keine eindeutigen Aussagen zu. So hielt sich beispielsweise auch Ernst Kühnel in seiner Einführung zur Abteilung „Glas und Kristall“ im Katalog zur Münchner Ausstellung 1910 mit entsprechenden Hypothesen zurück. 103 Dennoch verfestigte sich in der nachfolgenden Literatur die pauschale Annahme einer ursprünglichen Funktion, gerade der kleineren Gefäße, als Parfümflakons. 104 Diese seither meist unkritisch wiederholte Annahme soll im Folgenden sowohl im Blick auf islamische Quellen als auch aus technisch-praktischer Sicht hinterfragt werden. Einführend jedoch noch ein paar Überlegungen zum Verhältnis von Glas und Kristall. Dabei stellt sich zunächst einmal die grundlegende Frage, ob es sich bei den Behältern aus Bergkristall schlicht um luxuriösere Ausführungen von Gebrauchsgefäßen handelte, wie sie sich vielfach auch aus Glas erhalten haben, oder ob bereits das Material eine besondere Funktion und Wirkung signalisierte. Wesentlich in diesen Überlegungen ist, dass man in den Reichen der abbasidischen und fatimidischen Kalifen in der Lage war völlig reines und klares Glas herzustellen, was sich durch zahlreiche Funde ebenso belegen lässt, wie durch schriftliche Quellen. So bezeichnet denn auch al-Bīrūnī in seinem Steinbuch den Bergkristall als eine Art Mineralglas und das Glas als eine Art künstlichen Bergkristall. 105 Das Kriterium einer bereits optischen Alleinstel-

lung des völlig klaren Bergkristalls gegenüber stets leicht farbigen Gläsern, das sich für das europäische Mittelalter konstatieren lässt, kann so also nicht übernommen werden. Zahlreiche Fragmente belegen zudem, dass auf Glas sehr ähnliche und teilweise sogar identische Dekortechniken angewandt wurden wie auf Bergkristall. Es wäre den hoch entwickelten Glaswerkstätten in den mittelalterlichen Kalifenreichen also ohne große Probleme möglich gewesen, die Bergkristallgefäße optisch identisch in Glas zu imitieren, was wohl auch geschah. 106 Gerade die Möglichkeit der Herstellung völlig reinen „Kristallglases“ trug im frühneuzeitlichen Europa wesentlich zum Niedergang des Kristallschnitts bei, während im islamischen Orient die Verarbeitung beider Materialien offenbar parallel perfektioniert wurde. Es scheint sich dort sogar jenes Phänomen wiederholt zu haben, das bereits Plinius für das Nebeneinander von Glas- und Kristallverarbeitung in der römischen Kaiserzeit beschreibt, wo es in Anbetracht der Produktion kristallgleichen Glases einem Wunder gleichgekommen sei, dass die Glasgefäße in ihrem Preis stets steigen würden, ohne aber dabei den Wert des natürlichen Kristalls zu vermindern. 107 Beispiele wie der „Corning-Krug“ (Abb. 39, S. 87) belegen zudem noch die Möglichkeit einer ästhetischen Bereicherung des Glases, etwa durch einen farbigen Überfang. Vor diesem Hintergrund verfügte der Bergkristall tatsächlich über keinerlei unmittelbar sichtbare Qualitäten, die ihn von den meisterlich geschnittenen Gläsern abgehoben hätten. Warum also betrieb man dennoch diesen Aufwand, wenn man derartige Gefäße mit wesentlich

Siehe dazu auch Kap. IV.5, S. 186 f. Sarre 1912, Bd. 3, Glas und Kristall, S. I. 104 Diese Interpretation scheint vor allem auf Lamm zurückzugehen. Siehe Lamm 1928, S. 59 f. 105 Biruni/Kahle 1936, S. 334. Siehe auch Kap. I.4 dieser Arbeit. 106 Verwiesen sei hier nur auf zylindrische Flakons mit Inschrift, die sich auch in Ausführungen aus Glas erhalten haben. Siehe dazu Kap. III.3, S. 101. 107 Plinius/König 1994, Cap. X, S. 33: „Mire his ad similitudinem accessere vitrea, sed prodigii modo, ut suum pretium auxerint, crystalli non deminuerint.“ 102 103

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Die Biografie der Objekte

geringerem Materialaufwand aus Glas hätte herstellen können? 108 Hier lassen sich nun zwei Erklärungsmodelle anführen. Das Erste zielt auf den besonderen Luxus einer Elite, für die ökonomische Erwägungen nebensächlich waren. In diesem Kontext würde sich die Frage nach der Identifizierung des Materials als Bergkristall tatsächlich kaum stellen, da man sich hier sehr wahrscheinlich in der Gesellschaft von Kennern befunden hätte, denen die Unterscheidung von Glas und Bergkristall bereits bei der ersten Berührung möglich wäre. In dieses Bild lassen sich die meisterlich geschnittenen Hohlgefäße und Kannen problemlos einordnen. 109 Schwieriger wird es bei den zahlreichen weniger qualitätvollen Stücken, die man wohl mit jener Art von Gegenständen identifizieren kann, die Nāṣir-i Ḫusrau im 11. Jahrhundert auf dem Basar von Kairo sah. 110 Sie dürften dort mehr oder minder Seite an Seite mit nahezu gleichartigen Glasarbeiten gestanden haben, die mit farbigen Auflagen möglicherweise sogar eindrucksvoller dekoriert waren. Hier drängt sich nun ein zweiter Erklärungsansatz auf: Könnten in diesem Fall nicht sichtbare Eigenschaften des Bergkristalls ausschlaggebend gewesen sein? Diese Möglichkeit würde die erste zudem in keiner Weise ausschließen. Vielmehr wäre dort eine Verbindung beider Motivationen am wahrscheinlichsten, da sich die positive Wirkung des Materials auf dessen Inhalt übertragen hätte. Die Bergkristallgefäße wären dann in einem höfischen Kontext sowohl Dokumente einer hoch entwickelten und seltenen handwerklichen Meisterschaft, als auch mit besonderen Kräften und Eigenschaften ausgestattete Gebrauchsgegenstände. Tatsächlich findet sich in mittelalterlichen islamischen Quellen eine ganze Reihe von Stellen, die dem Bergkristall, ganz in der Tradition der Antike, besondere Wirkungen zuschreiben. Glaubte man im

4. Jahrhundert noch, durch das Tragen von Bergkristall die besondere Gunst der Götter gewinnen zu können, so finden sich astrologische Vorstellungen der Spätantike, wie etwa die Verbindung des Bergkristalls mit dem Planeten Jupiter oder mit der Sonne, auch in Werken der islamischen Welt. 111 Im Laufe der Zeit schrieb man dem Bergkristall aber auch die verschiedensten medizinischen Wirkungen zu. So helfe er nach at-Tamīmī gegen Zittern sowie Schwindsucht bei Kindern, könne bei Müttern den Milchfluss anregen, sowie bei Augenverletzungen reinigend wirken. 112 Bei al-Bīrūnī tritt noch eine günstige Wirkung gegen die Folgen des Trinkens hinzu und nach al-Tīfāchī und ibn alBayṭār soll Kristall den Träger vor Alpträumen schützen. 113 Wenn nicht der Kristall in pulverisierter Form angewendet werden sollte, so glaubte man seit der Antike, dass sich die besonderen Wirkungen eines Materials dann besonders gut übertragen ließen, wenn man Speisen oder Getränke damit in Berührung brachte, also etwa aus entsprechenden Gefäßen trank. So heißt es noch im 13. Jahrhundert bei al-Qazwīnī, die Könige benützten Gefäße aus Bergkristall in der Überzeugung, dass es gesund sei aus solchen zu trinken. 114 Die Verwendung von Bergkristallgefäßen als Trinkgeschirr bestätigt auch alBīrūnī, der in seinem Kapitel zu Bergkristall mehrfach Bezüge zum Weingenuss herstellt. 115 Zumindest ein Teil der Bergkristallgefäße dürfte also tatsächlich als Trinkgefäße im Umfeld des Kalifenhofes verwendet worden sein. Gleichzeitig legen aber sowohl die Beschreibungen al-Bīrūnīs, als auch alMaqrīzīs Bericht über die Schätze der Fatimiden die Vermutung nahe, dass größere Bergkristallgefäße auch in ihrem Ursprungskontext außerordentliche Schatzstücke darstellten, die man sorgfältig aufbewahrte und in Futteralen vor Beschädigungen schützte. Nach al-Maqrīzī waren diese in verschie-

108 Tatsächlich werden von al-Maqrizi bei der Beschreibung der 1062 geplünderten Fatimidenschätze neben Gefäßen aus Bergkristall auch solche aus „Kristallglas“ genannt. Siehe Lamm 1929/30, Bd. I, S. 511. 109 Hierzu auch Anekdoten bei al-Biruni, die von Bergkristallgefäßen in den Schatzkammern verschiedener Herrscher handeln. Siehe Kahle/Biruni 1936, S. 339 ff. Der Bergkristall erscheint bei Berührung deutlich kälter als Glas, sodass eine Unterscheidung der Materialien mit etwas Erfahrung tatsächlich problemlos möglich ist. 110 Ḫusrau/Melzer 1993, S. 63. 111 In der Lithica des Orpheus heißt es, Gebete würden in besonderer Weise erhört, wenn man einen Bergkristall bei sich trüge. Siehe Thorndike 1964, S. 294. Zu magisch-astrologischen Vorstellungen in der arabischen Mineralogie siehe Ruska 1913, bes. S. 347. 112 Tamimi/Schönfeld 1976, S. 100. 113 Biruni/Kahle 1936, S. 329, Tifashi/Abul Huda 1998, S. 168 sowie Baitar/Sontheimer 1840, S. 289. Siehe dazu auch Käs 2010, S. 431. 114 Lamm 1929/30, Bd. I, S. 509 sowie Qazwini/Ruska 1896, S. 9. 115 Biruni/Kahle 1936, S. 126 f.

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Zur Frage von Nutzung und Funktion

denen Formen aus Bambus gefertigt, mit Seide gefüttert und mit Gold verziert. Vermutlich waren sie genau an die Form des jeweiligen Objektes angepasst um dieses optimal zu schützen, wie es auch an den meisterlich gefertigten Futteralen in den frühneuzeitlichen Schatzkammern Europas beobachtet werden kann. 116 Bereits diese Sorgfalt verdeutlicht die besondere Wertschätzung und den hohen Wert, den man diesen Gefäßen zumaß. Man muss also zweifellos bereits für den Entstehungskontext der Bergkristallgefäße zwischen Gebrauchs- und reinen Schatzstücken unterscheiden. Zu welcher Gruppe die erhaltenen Bergkristallkrüge zu zählen sind, lässt sich schwerlich entscheiden. Zudem scheint auch hier durchaus eine Entwicklung stattgefunden zu haben, in der die ehemals wohl recht verbreiteten Objekte zu immer exklusiveren Kunstwerken wurden, die schließlich unter den Fatimiden nur noch dem Kalifen und seinem engsten Umkreis zugänglich waren. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist der kleine Krug des Museo degli Argenti in Florenz (Taf. T5). 117 Wie bereits in Kapitel IV.2 dargestellt, handelte es sich dabei höchstwahrscheinlich um ein Ehrengeschenk des Kalifen für seinen verdienten Minister. Objekte in der technischen Perfektion wie sie der Florentiner Krug aufweist, dürften also zumindest außerhalb des Kalifenpalastes außerordentlich selten und kostbar gewesen sein und es erscheint schwer vorstellbar, dass Husain ibn Ǧauhar diese persönliche Auszeichnung des Kalifen als schlichten Gebrauchsgegenstand verwendete. Wahrscheinlicher ist hier wohl eine eher seltene zeremonielle Benutzung, bei der dieser als besonderer Gunstbeweis des Kalifen demonstrativ zur Schau gestellt wurde. Deshalb ist es wohl unwahrscheinlich, dass die extrem fragilen Krüge jenseits weniger zeremonieller Gelegenheiten tatsächlich benutzt wurden. Ihre Ausarbeitung auf Wandungsstärken von ein bis zwei Millimetern lässt sie in der Tat eher als handwerkliche Bravourstücke erscheinen. Sie werden ihren Platz vermutlich zumeist wohlverwahrt in ihren Futteralen in den Schatzkammern gehabt ha-

ben, wo sie hohen Gästen als Belege des geradezu märchenhaften Reichtums der Kalifen gezeigt oder zu zeremoniellen Anlässen ausgestellt wurden. So kann man vielleicht auch in der stabilisierenden Metallmontierung am Griff des Kruges des al-ʿAzīz in Venedig (Taf. T4) einen Hinweis auf die Fragilität dieser Objekte sehen. Gerade in Venedig, wo man seit dem späten 13. Jahrhundert selbst wieder mit dem Steinschnitt in Bergkristall vertraut war, scheint man eine solche Verstärkung für notwendig befunden zu haben und tatsächlich fehlen ja an etlichen Beispielen gerade die originalen Handhaben. 118 Ob sich einzelne der erhaltenen Bergkristallgefäße aber auch als jene Gebrauchsgegenstände aus Bergkristall identifizieren lassen, die es nach Ausweis der Quellen zweifellos gab, ist schwieriger zu beantworten, da sich ihre ursprüngliche Anzahl und qualitative Vielfalt in Anbetracht der geringen Erhaltung kaum mehr abschätzen lässt. Jedoch erscheint eine praktische Verwendung für Objekte wie etwa die beiden erhaltenen Tassen in Aachen und München (Taf. T18 u. T19) durchaus vorstellbar. Bereits die mittelalterlichen Quellen weisen darauf hin, dass die dünnwandigen Hohlgefäße stets nur den exklusiven Höhepunkt der Produktion darstellten. Die Gefäße, die Nāṣir-i Ḫusrau auf dem Kairoer Lampenbasar sah, dürften daher eher den zahlreich erhaltenen kleineren Fläschchen entsprochen haben, deren unterschiedliche Größe und Schnittqualität die verschiedenen Käuferschichten spiegelt, die derartige Objekte aufgrund der besonderen Wirkkraft erwarben, die man dem Material zuschrieb. Trinkgefäße, wie der Becher des British Museum in London, mögen auch darunter gewesen sein, jedoch stellt sich die Frage der Benutzung bei den kleinen Fläschchen in anderer Weise, da diese in der Regel nur kleinste Volumen fassen. 119 Was die zumeist robusten kleinen Bergkristallflakons aber einst enthielten, lässt sich nur vermuten. Die im vorigen Kapitel aufgeführten Beispiele aus der Antike vermitteln einen Eindruck von der möglichen Verschlussform der meisten Gefäße. 120 Für

Maqrizi/Kahle 1935, S. 346. Die exakt der teils hoch komplexen Objektform folgenden Lederetuis des 17. und 18. Jahrhunderts haben sich in zahlreichen Sammlungen erhalten. Siehe etwa Dresden, Grünes Gewölbe, Inv. E 185, E 205. 117 Zur Zuschreibung siehe Rice 1956, S. 89 ff. 118 So fehlen heute etwa die Griffe der Krüge in Venedig (Taf. T1), Fermo (Taf. T6) sowie dem der Keir Collection (Taf. T3), außerdem an der Kanne aus dem Schatz von San Lorenzo (Taf. T8) sowie an dem Gefäß in Arolsen (Taf. T17). 119 London, British Museum, Inv. 1954, 1013.1. 120 Stücke mit erhaltener Fassung und Verschluss finden sich in Berlin (Antikensammlung, Inv. 1981.17) oder in Riggisberg (Abegg-Stiftung, Inv. 9.45.81). 116

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Die Biografie der Objekte

die Gruppe zoomorpher Objekte stellt sich diese Frage jedoch in anderer Weise, da die Bohrungen dort stets waagrecht liegen und ein völlig dichter Verschluss schwieriger zu realisieren ist. Gerade im Fall der löwenförmigen Exemplare, bei denen die Bohrung zentral in die Fläche der Brust gesetzt ist, bietet sich keine naheliegende Möglichkeit einer Montierung an. Das in seiner Zweitverwendung als Reliquienbehälter erhaltene Stück aus Münster (Taf. T84) illustriert diese Schwierigkeit anschaulich. So konnte die Öffnung nur mit einer um den gesamten Körper herumgreifenden Montierung verschlossen werden und auch dies gelang nur unzureichend und ein Verschluss mittels eines Pfropfens aus Pflanzenfasern erscheint für die kostbaren, transparenten Bergkristallgefäße wenig wahrscheinlich. Die Hypothese der Fläschchen als Parfümflakons besitzt für den mittelalterlichen Orient jedoch eine Dimension, die über eine bloße kosmetische Funktion hinausreicht. Substanzen wie etwa dem schon bei Plinius genannten Balsam von Mekka maß man in islamischer Zeit höchsten Wert und eine geradezu amuletthafte Wirkung zu. 121 1999 vertrat Avinoam Shalem zudem die These, dass ein Teil der erhaltenen Behälter bereits im Orient für eine christliche Käuferschaft als Behälter für segenspendende Substanzen gefertigt worden sein könnte, was in Anbetracht der enormen Bedeutung christlicher Gemeinden und ihrer, gerade im fatimidischen Ägypten, teils enorm einflussreichen Mitglieder äußerst wahrscheinlich ist. 122 Zudem ist festzustellen, dass der Glaube an eine amuletthafte, apotropäische Wirkung bestimmter Substanzen keineswegs nur auf die christliche Bevölkerung beschränkt war, sondern bereits früh auch von Muslimen adaptiert wurde. Wie Josef Meri zeigen konnte, entwickelten sich unter dem Eindruck des Christentums und in geringerem Umfang des Judentums, auch im frühen Islam gewisse Formen eines Reliquienkultes. Von zentraler Bedeutung ist hierbei das Konzept des „Baraka“, einer Segenskraft,

die an bestimmte Personen, Orte oder Dinge gebunden ist, sich durch Berührung aber auf andere Substanzen oder Personen übertragen kann. Die daraus resultierenden Vorstellungen waren dabei jenen im Christentum sehr ähnlich. So glaubte man etwa an die Unverweslichkeit des Körpers des Propheten sowie mancher seiner Gefährten, einzelner Märtyrer oder Personen mit einem heiligmäßigen Leben. 123 Von ihren Gräbern ging Baraka aus und der Besitz solcher „Reliquien“ konnte auch in der islamischen Welt eine legitimierende Wirkung haben. 124 Besondere Segenskraft schrieb man Haaren und Nägeln des Propheten zu, zusätzlich aber auch allem, mit dem er in Berührung gekommen war. Hadithen berichten davon, wie Anhänger und Angehörige des Propheten Haare und sogar seinen Schweiß und das Wasser seiner rituellen Waschungen sammelten und als besondere Quelle von Segen und Heilung aufbewahrten. Vermengt mit duftenden Substanzen verwendete man kleine Mengen davon bei der Salbung von Toten, um diesen den Zugang zum Paradies zu sichern. In ähnlicher Weise soll auch der Umayyadenkalif Mu’awiya (reg. 661– 680) Nägel des Propheten in einem Fläschchen verwahrt und die Anweisung gegeben haben, man möge sie bei seinem Tod pulverisiert über seine Augen und seinen Mund streuen, um ihn so ihres Baraka teilhaftig zu machen. 125 Im fatimidischen Kontext treten Substanzen hinzu, die mit dem Baraka des Imam-Kalifen aufgeladen waren. Dabei konnte es sich sogar um Staub von einer Stelle handeln, an der dieser gestanden hatte. 126 Zwar finden sich in diesen Quellen keinerlei Hinweise auf die Art der Behälter, in denen solche Substanzen aufbewahrt wurden, doch lässt ihre hohe Wertschätzung die kleinen Bergkristallfläschchen als durchaus wahrscheinliche Behältnisse erscheinen. Ganz offensichtlich wurde ja ein großer Teil der Gefäße bereits angefertigt, um hängend aufbewahrt und vermutlich auch getragen zu werden. Dafür sprechen nicht nur fehlende Standflächen, sondern auch die stets

Shalem 1999a, S. 296 f. Shalem 1999a. Shalem bezieht sich hier primär auf die molaren Gefäße. 123 Meri 2010, S. 98. 124 1154 überführten die Fatimiden den Kopf des Prophetenenkels Husain nach Kairo und banden den Schrein auch in ihre aufwändigen Prozessionen ein. Siehe Meri 2010, S. 100 f. Im schiitischen Kontext ist auch Erde aus Karbela mit Baraka aufgeladen und findet in Form kleiner Täfelchen beim Gebet Verwendung. 125 Meri 2010, S. 104 f., zu Baraka in Körpersubstanzen sowie „Kontaktreliquien“ des Propheten siehe auch S. 101 f. sowie S. 106 ff. 126 Halm 1991, S. 308. Siehe dazu auch Cutler 1999, S. 637. 121

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Von Kaisern und Heiligen – Islamische Bergkristallobjekte im lateinischen Westen

vorhandenen Halsringe, die sich zur Anbringung einer Befestigung besonders anboten. In einer solchen amulettartigen Verwendung spiegelte der Wert der Gefäße dann nicht nur den hochgeschätzten Inhalt, sondern auf einer spirituellen Ebene hätte sich das Baraka der enthaltenen Substanz zudem mit den magisch-medizinischen Vorstellungen zur Wirkung des Bergkristalls verbunden. Schließlich erflehen ja auch die Inschriften auf einigen der Bergkristallgefäße nochmals Baraka für ihre Besitzer. 127 Zieht man derartige Aspekte in Erwägung, so erschiene die Nutzung der Gefäße als Reliquienbehälter im christlichen Kontext weniger als eine Zweitverwendung, sondern vielmehr als die Fortsetzung einer Funktion, die zumindest ein Teil der Stücke bereits im Kontext ihrer Entstehung erfüllte. Eines der erhaltenen Objekte, das ursprünglich zweifellos als Trinkgefäß die eingangs genannten positiven Wirkungen des Bergkristalls an seinen Benutzer vermitteln sollte, diente jedoch auch nach seiner „Christianisierung“ weiterhin einem ganz ähnlichen Zweck. In der als Kelchschale montierten einhenkeligen Bergkristalltasse, die sich heute in der Schatzkammer der Münchner Residenz befindet, sah man seit dem Mittelalter eine Berührungsreliquie des als heilig verehrten Kaisers Heinrich II. (Abb. 109, S. 158). Als solche wurde das Gefäß bis zur Säkularisierung am Gedenktag Heinrichs be-

nutzt, um den Gläubigen daraus Wein und damit verbunden den besonderen Segen des Heiligen zu spenden. 128 Der Legende nach benutzte Heinrich selbst den Kelch als Trinkgefäß, was in Anbetracht des ganz ähnlichen, jedoch zweifellos älteren Stückes am Aachener Ambo (Taf. T18) als durchaus denkbar erscheint. Wie in der islamischen Welt bestand auch im europäischen Mittelalter die Überzeugung einer positiven medizinischen Wirkung des Bergkristalls, die Trinkgefäße aus diesem Material über ihr Prestige hinaus besonders attraktiv machte. So wirkt der Bergkristall etwa bei Hildegard von Bingen in verschiedensten Anwendungen gegen Sehschwäche, Geschwüre und verschiedene innere Beschwerden. 129 In seiner bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts tatsächlich praktizierten Bestimmung als Trinkgefäß verkörpert sich im Heinrichskelch eine einzigartige Kontinuität, in der die Benutzung des Gefäßes lediglich von einer profanen, wohl aber auch schon durch einen starken Materialglauben bestimmten Sphäre, in jene des sakralen überführt wurde. An die Stelle der primär medizinisch gedachten positiven Wirkungen trat die segnende Kraft des Heiligen, die der Bergkristall in seiner reichen christlichen Ausdeutung noch zu verstärken vermochte. Wie kein anderes der erhaltenen Bergkristallobjekte steht der Heinrichskelch damit an der Schnittstelle zwischen Orient und Okzident, ursprünglicher profaner und neuer sakraler Existenz.

IV.5 Von Kaisern und Heiligen – Islamische Bergkristallobjekte im lateinischen Westen Bereits mit der Ankunft der Bergkristalltasse in Europa und mehr noch mit ihrer Aufnahme in einen Kirchenschatz, als verehrtes Objekt aus dem Besitz des heiliggesprochenen Kaisers, setzte eine Neuinterpretation des islamischen Kristallgefäßes als Kelch Heinrichs II. ein (Abb. 109, S. 158). Neben dem hochentwickelten, im Westen unbekannten technischen Niveau des Steinschnitts und der exotischen Form des Stückes, war vor allem das Material selbst hier in hohem Maße symbolisch aufgela-

den. Während Autoren des islamischen Mittelalters wie etwa al-Bīrūnī den Bergkristall stärker unter analytischen Gesichtspunkten betrachteten, die sich freilich, wie schon in der Antike, in geradezu unauflösbarer Weise mit überkommenen medizinisch-magischen Vorstellungen verbanden, wurden derartige Überlieferungen zur selben Zeit im christlichen Europa nahezu vollständig von theologischen Ausdeutungen des Materials überformt. So bezeichnet al-Bīrūnī den Bergkristall als ein

Siehe dazu Kapitel III.7, S. 130 ff. Bezeichnenderweise findet sich eine sehr ähnliche Bitte um Segen auch auf byzantinischen Objekten, wie etwa Ringen und Amuletten. Siehe dazu Cutler 1999, S. 636. 128 Der Heinrichskelch erscheint in einem Bericht von 1753: „Heil. Kaysers Henrici Cristallener-Becher, dessen Fuß von Silber und vergoldet ist […] aus welchem Becher am Festtage Henrici alle Leuthe zum Gedächtniß trincken dürfen.“ Siehe Bamberg 2002, S. 89. 129 Hildegard/Riethe 1979, S. 70. 127

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Die Biografie der Objekte

natürliches Glas, während das Glas einem menschengemachten Kristall vergleichbar sei und berichtet mit Erstaunen, dass man Kristalle unter Tage in hexagonaler Form, mit glatten Seiten finde, als seien sie von einem Handwerker bearbeitet. 130 Die ebenmäßige Gestalt der Kristalle, ebenso wie ihre völlige Klarheit und Härte faszinierten im islamischen Orient ebenso wie im christlichen Europa. Dort bildeten diese Eigenschaften aber sofort einen Ansatzpunkt für die christliche Allegorese: War die Zahl der sechs Seiten nicht ein Sinnbild der Perfektion und hatte Gott nicht auch die Schöpfung der Welt in sechs Tagen vollbracht? 131 Und war nicht der Kristall selbst ein unmittelbares Werk Gottes, da seine Beschaffenheit doch jegliches menschliches Können so weit übertraf? Tatsächlich war das technische Wissen um die Herstellung klaren Glases im mittelalterlichen Europa ebenso verloren wie die technischen Kenntnisse zu einer komplexeren Bearbeitung harter Steine wie des Bergkristalls. Mit seiner geradezu transzendenten Klarheit bildete der Kristall somit für lange Zeit nicht nur das einzig verfügbare, völlig klare Material, sondern stellte auch die geradezu ideale Verkörperung einer reichen christlichen Lichtmetaphorik dar, die, in der Bibel angelegt, immer aufs Neue von Theologen aufgenommen und ausgeschmückt wurde. 132 Die biblischen Texte, die die Grundlage seiner theologischen Ausdeutung bilden, sprechen jedoch nur zum Teil über das tatsächliche, reale Mineral, während andere Stellen primär seine hervorragenden Eigenschaften im Vergleich zu übernatürlichen, himmlischen Phänomenen zitieren. Zur ersten Gruppe zählt die Nennung im Buch Hiob (Kap. 28,18), wo die menschliche Suche nach dem Verständnis der Weisheit Gottes unter anderem mit der Suche nach Edelsteinen verglichen wird. Während man diese unter großen Mühen finden könne, wäre die göttliche Weisheit für den Menschen unerreichbarer als alle Schätze und Edelsteine (unter denen auch der Kristall genannt ist), die ihr daher an Wert nicht gleichkommen könnten. Demgegenüber verspricht Gott bei Jesaja (Kap. 54,12) die Zinnen der Stadt seines auserwählten Volkes aus

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Bīrūnī/Kahle 1936, S. 336. Beda/Wallis 2013, S. 272 f., hier im Kontext des Beryll (Apc. 21, 20). Siehe dazu etwa Assunto 1963, S. 59 f. Beda/Wallis 2013, S. 11. Beda/Wallis 2013, S. 11 ff.

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Kristallen zu erbauen und ihre Tore aus Rubinen, womit zweifellos auch auf die besondere Härte dieser Steine Bezug genommen wird. Die zweite Gruppe bilden Stellen bei Hesekiel sowie in der Offenbarung des Johannes. Der Prophet Hesekiel (Kap. 1, 22) vergleicht den Kristall mit dem Himmel in seiner Vision der Herrlichkeit Gottes, wobei ihn dieser Anblick in erschreckender Weise überwältigt. Die Offenbarung nennt den Kristall zweimal unmittelbar. In beiden Stellen wird Wasser mit dem Mineral verglichen: einmal (Kap. 4,6) das gläserne Meer vor dem Thron Gottes (θάλασσα ὑαλίνη ὁμοία κρυστάλλῳ), dann (Kap. 22,1) der klare Strom des Wassers des Lebens. Schließlich (Kap. 21,11) vergleicht Johannes das Licht Gottes im Abglanz des himmlischen Jerusalem mit einem kristallgleichen Jaspis (ἰάσπιδι κρυσταλλίζοντι). All diesen Stellen gemein ist die Betonung der wesentlichsten Eigenschaften des Bergkristalls, nämlich seiner im Idealfall völligen Klarheit und seiner Härte. Der Schrecken des Hesekiel beim Anblick des kristallgleichen Himmels mag dabei zudem auf den blendenden Glanz des glatten Kristalls bezogen sein. Bereits die Kirchenväter Ambrosius von Mailand (339–397) und Hieronymus (347–420) deuteten den Kristall, primär basierend auf den oben genannten Stellen der Apokalypse, in seiner Härte und Klarheit als Sinnbild der Glaubensstärke sowie der inneren Reinheit und Sündlosigkeit. Dass die Offenbarung mit ihrer Exegese durch so herausragende Kirchenlehrer wie Ambrosius gerade im 4. Jahrhundert solche Aufmerksamkeit erfuhr, hat durchaus auch zeithistorische Gründe. So glaubte man in den inneren Konflikten des römischen Reiches, in den Einfällen der ihrerseits vor den Hunnen zurückweichenden Goten sowie schließlich im Tod Kaiser Valens 378 in der Schlacht von Adrianopel (Edirne) Vorzeichen der nun anbrechenden Endzeit zu erkennen. 133 Aufbauend auf den Schriften der Kirchenlehrer wurde die Allegorese des Minerals in den folgenden Jahrhunderten immer weiter ausgeschmückt, wobei die Wahrnehmung, selbst am Rande der Apokalypse zu stehen, für Jahrhunderte ein immer wiederkehrendes Motiv bleiben sollte. 134

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Von Kaisern und Heiligen – Islamische Bergkristallobjekte im lateinischen Westen

Beda Venerabilis (672/73–735) deutete in seinem Kommentar zur Offenbarung den Kristall als Sinnbild der Taufe und des reinen Glaubens. So wie dieser, nach Plinius und Isidor, aus Wasser und Eis entstanden sei, das sich schließlich zu einem Edelstein verhärtet habe, so schaffe das Wasser der Taufe den neuen, wahrhaft glaubenden Menschen, dessen Seele rein ist wie der Kristall, in dem nichts verborgen bleiben kann. 135 In karolingischer Zeit nahm der Fuldaer Abt und spätere Erzbischof von Mainz Hrabanus Maurus (um 780–856) in seinem enzyklopädischen Werk De universo die Deutungen des Beda zum Bergkristall auf und baute sie noch weiter aus. 136 In der vermuteten Entstehung des Kristalls, in seiner Verwandlung aus Wasser in Eis und schließlich in seiner Verhärtung zu Stein sah Maurus nun auch ein Sinnbild für die Stärke der Engel und ein Symbol für die Fleischwerdung Gottes in Christus. Während es für die Engel die demütige Gottesschau ist, die ihre Natur so fest und klar wie den Kristall werden lässt, ist die christologische Deutung noch deutlicher aus der Metamorphose des Minerals entwickelt. Die göttliche Zeugung, die wunderbare Geburt sowie Leiden der Passion, reflektieren dabei die Stufen dieses Prozesses, an dessen Ende der auferstandene Christus in seiner Natur der unveränderlichen Festigkeit und Klarheit des Kristalls gleicht. 137 Die Dominanz dieser christologischen Deutung spiegelt sich in einer Reihe von Bergkristallgefäßen, die Reliquien des Blutes Christi enthalten sollen. Das eindrucksvollste Beispiel dieser Gruppe stellt sicher der zentrale Bergkristallflakon des um 1050 entstandenen Borghorster Stiftskreuzes dar (Abb. 108, S. 153), dessen Inhalt gleichsam durch die direkt darüber angebrachte Darstellung der Kreuzigung gespeist wird. 138 Während die Reliquie dort, ebenso wie im Gandersheimer Flakon (Taf. T51) durch eine textile Umwicklung verhüllt ist, scheint das heilige Blut in einem Reliquiar in Venedig (Abb. 114,

S. 168) unmittelbar sichtbar und verleiht dem eigentlich reinen, klaren Kristall eine rötlich-braune Farbe. Diese Verwandlung des Kristalls durch seinen Inhalt erinnert damit unmittelbar an das bei alBīrūnī beschriebene Bild des Kristalls, der gleichsam mit der enthaltenen Materie (dort ist es der Wein) verschmilzt. 139 Diese Idee eines scheinbaren Einswerdens des Kristalls und seines Inhaltes ist bei den mittelalterlichen europäischen Autoren zwar nicht so explizit angelegt, jedoch erscheint der Gedanke einer solchen Verschmelzung in Anbetracht der oben beschriebenen, geradezu überbordenden christologischen Deutung des Minerals naheliegend. Unter diesem Gesichtspunkt sei auch auf eine Stelle im Jüngeren Titurel (um 1260–1275) des Albrecht von Scharfenberg verwiesen, wo die christologische Deutung des Kristalls sogar ethymologisch, nämlich durch den vermeintlichen Zusammenhang der griechischen Worte Christos und Christallos, begründet ist. 140 In Weiterführung dieses Gedankens wird der Bergkristall bei Albrecht selbst zum keuschen und reinen Material, das gegenüber der Hitze der Unkeuschheit ebenso unempfindlich sei wie die Jungfrau Maria, durch die mit Christus das göttliche Licht in die Welt trat. 141 In einer solchen Interpretation kann der Bergkristall selbst zum Stellvertreter, zur abstrakten Darstellung der Gegenwart Christi werden. Ist es in Borghorst noch die Reliquie, die den Kristall zum Christus-Stein werden lässt, so finden sich im 12. Jahrhundert mehrfach Kreuze, die in ihrem Zentrum oder in den Kreuzarmen, also anstelle des figürlichen Körpers Christi, eingelassene Bergkristalle zeigen (Abb. 122). Diese gezielte Inszenierung von Reinheit und leuchtender Klarheit scheint dabei unmittelbar die biblischen Worte Christi zu illustrieren: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh. 8,12). 142 Von besonderer Bedeutung ist dabei die Tatsache, dass es sich

Beda/Wallis 2013, S. 133 f. u. 263. Die Deutung als Sinnbild der reinen Seele, in der nichts verborgen ist, findet sich bei Beda auch zum Glas (Apc. 21,18, S. 266 f.). Zu den unmittelbaren Quellen des Beda siehe ebd. 2013, S. 22 ff. 136 Friess 1980, S. 12. 137 Maurus 1852, De universo, Kap. IX, Sp. 472 f. 138 Siehe Toussaint 2011, S. 110 f. Weitere Heiligblut-Reliquien sollen sich in den Gefäßen in Gandersheim (Taf. T51), Quedlinburg (Taf. T43) und Weissenau (Taf. T100) befinden. 139 Siehe Kap. IV.4. 140 Engelen 1978, S. 338. 141 Engelen 1978, S. 338 u. 335 f. 142 Zu den Hildesheimer Scheibenkreuzen siehe Knapp 2000, Nr. D 25–27, S. 509 ff. oder Speyer 1992, S. 462. Weitere Beispiele finden sich etwa mit einem Kreuz aus dem Welfenschatz in Berlin (Kunstgewerbemuseum, Inv. W 10, Niedersachsen 1. Viertel 12. Jahrhundert), einem in Köln, St. Maria 135

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Die Biografie der Objekte

bei den erhaltenen Beispielen dieser Gruppe zumindest teilweise um Vortragekreuze handelte, denen man also tatsächlich ganz physisch nachfolgen konnte. Das wesentlich ältere Borghorster Stiftskreuz könnte in der theologischen Begründung dieses Kreuzestypus eine zentrale Rolle eingenommen haben, stellt es doch nicht nur das früheste Beispiel einer derartigen Montierung von Bergkristallen dar, sondern ist mit seinem zentralen Flakon auch eines der frühesten Reliquiare überhaupt, das seinen Inhalt zumindest mittelbar sichtbar werden lässt. Es ist wohl kein Zufall, dass ein zweites, vermutlich etwas später entstandenes Beispiel für diese Entwicklung mit Theophanu (um 997–1058), der Äbtissin des Stiftes Essen, verbunden ist. Diese Theophanu war eine Enkelin Ottos II. und seiner byzantinischen Gattin gleichen Namens und gehörte damit zum engsten Kreis der ottonischen Herrscherfamilie. 143 Sie dürfte daher in besonderer Weise mit derartigen Bergkristallgefäßen und ihrer Verwendung als Reliquienbehälter vertraut gewesen sein, die sich mindestens seit zwei Generationen im Besitz der Herrscherfamilie befanden. So ist dem von Theophanu gestifteten Kreuz in Essen ein möglicherweise ehemals als Reliquien-Depositorium dienendes molares Gefäß als Sockel untergesetzt (Abb. 107, S. 152 u. Taf. T76). Das Zentrum bildet jedoch ein großer Bergkristall-Cabochon, durch den der Blick unmittelbar auf Splitter des Kreuzes Christi fällt. Verwandelt die noch verhüllte Reliquie in Borghorst den Kristall selbst in das Blut Christi, so wirkt dieser in Essen, ganz im Sinne der

Deutung des Hrabanus Maurus, wie eine Beglaubigung der Reliquie, in deren Passionssymbolik auch das untergesetzte molare Bergkristallgefäß einbezogen ist. Wie in Borghorst kann dieses Kristallgefäß gleichsam als Kelch gelesen werden, der das Blut des nurmehr symbolisch präsenten Gekreuzigten auffängt. 144 Die Kombination von Christusreliquien und Bergkristall in den Fläschchen in Borghorst sowie in Gandersheim könnte damit den theologischen Anstoß zu ihrer innovativen, geradezu bildtheologischen Montierung gegeben haben, die dann in Werken wie dem Theophanu-Kreuz ihr Echo fand. 145 Die bereits in ottonischer Zeit über Byzanz in den Westen gelangten Gefäße bilden somit die Vorläufer einer Entwicklung, die sich in größerem Rahmen erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts und nochmals verstärkt durch die Ankunft einer Vielzahl byzantinischer Reliquien und Reliquiare nach der Plünderung Konstantinopels 1204 voll entfaltete. 146 Ruhten die Reliquien im lateinischen Westen bis dahin meist in hermetisch verschlossenen Gefäßen, so entstanden seit dem späten 12. Jahrhundert zunehmend Reliquiare, die ihren Inhalt dem Betrachter durch einen schützenden Bergkristall hindurch präsentierten (Abb. 123). Die Übertragung der christologischen Symbolik auf die Heiligen bildete dabei kaum ein Problem, sah doch schon Beda Venerabilis in seiner Auslegung der Apokalypse die Brennlinsenwirkung klarer Edelsteine als ein Sinnbild des reinigenden Glaubensfeuers in der Nachfolge der Heiligen. 147 Dieses neue

Lyskirchen (ehem. St. Georg, Ende 11., Anfang 12. Jahrhundert) oder dem Vortragekreuz von Hesselbach in Darmstadt (Hessisches Landesmuseum, Inv. Kg. 43,I, erstes Drittel 12. Jahrhundert). Siehe zu den letzteren beiden Speyer 1992, S. 281 f. und 395 f. 143 Als Äbtissin des Stiftes Essen war sie 1039 ihrer Tante Sophia, der Tochter Ottos I. und der Theophanu nachgefolgt, die zugleich als Äbtissin in Gandersheim fungiert hatte. 144 Zum Theophanu-Kreuz und der Bedeutung der von Theophanu gestifteten Reliquiare für die beschriebene „Innovation der Sichtbarkeit“ siehe Kurtze 2017, S. 70 ff. sowie Kat.-Nr. 3. Das zweite bedeutende, von Theophanu gestiftete Reliquiar enthält einen Kreuznagel, der unter einer Bergkristallplatte ebenfalls unnmittelbar sichtbar ist. Siehe dazu ebd., Kat.Nr. 4, bes. S. 148 f. 145 Beuckers vermutet, dass es sich bei dem in einem Inventar des 12. Jahrhunderts genannten „si illum magnum aureum“ um ein Tafelreliquiar gehandelt haben könnte, in das der Kristall vielleicht in ähnlicher Weise eingelassen war, wie dies in Borghorst der Fall ist. Siehe Beuckers 2006, S. 107 ff. In Gandersheim amtierte von 1002–1039 Sophia, eine Tochter Ottos II. und der Theophanu. Von 1011–1039 war sie in Personalunion auch Äbtissin des Stiftes Essen, ehe ihre Nichte Theophanu ihr in diesem Amt nachfolgte. Zur engen Verbindung der Ottonen nach Gandersheim siehe auch Popp 2010, S. 61 ff. 146 In Byzanz waren die Reliquien vielfach unmittelbar montiert und wurden den Gläubigen auch so gezeigt. Ein anschauliches Beispiel für die byzantinische Verehrung der bloßen Reliquie stellt der Schädel des Jakobus Minor dar, der wohl durch Bischof Konrad von Krosigk nach 1204 in den Halberstädter Domschatz gelangte. Der Schädel war mit unmittelbar aufgenagelten, teilweise emaillierten Zierbeschlägen geschmückt. Siehe Meller 2008, Nr. 10, S. 66. Hingegen dokumentiert das in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstandene Armreliquiar des Heiligen Nikolaus mit einer byzantinischen Fingerreliquie im selben Schatz das zeitgenössische Bedürfnis nach einem besonderen Schutz der Reliquie im Westen. Siehe Meller 2008, Nr. 24, S. 104 und Toussaint 2005 sowie 2011, S. 147 ff. bzw. S. 167 ff. 147 Beda/Wallis 2013, S. 273, hier im Kontext des Beryll (Apc. 21, 20). An dieser Stelle sei auch auf eine Gruppe von Reliquiaren mit ausgehöhlten Bergkristallcabochons verwiesen, deren Anfänge möglicherweise bereits ins späte 12. Jahrhundert zurückreichen. Beispiele dieses Typs finden sich

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Von Kaisern und Heiligen – Islamische Bergkristallobjekte im lateinischen Westen

Abb. 122: Scheibenkreuz (Flabellum), um 1140 (Dommuseum Hildesheim)

Bedürfnis nach transparenten Reliquiengefäßen, das zu diesem Zeitpunkt nur durch ein Material, nämlich Bergkristall, in ebenso überzeugender wie sinnfälliger Weise befriedigt werden konnte, dürfte auch einen beträchtlichen Anteil an der Entwick-

lung des mittelalterlichen Steinschnitts in Europa gehabt haben. Bezeugen das Traktat des Theophilus und die Funde der Kölner Bergkristallwerkstatt des frühen 12. Jahrhunderts nur begrenzte Fähigkeiten in der Bearbeitung des Materials, so ist Mitte des

etwa in Hildesheim (Domschatz, Inv. DS 20, Ende 12. Jahrhundert) und Berlin (Kunstgewerbemuseum, Inv. 88.633, um 1220). Siehe auch Hahnloser/ Brugger-Koch 1985, Nr. 184, 187 oder 188–190.

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Die Biografie der Objekte

Abb. 123: Reliquiar mit ausgehöhltem Bergkristall, Ende 12. Jh. (Dommuseum Hildesheim)

13. Jahrhunderts bereits eine Zunft der Cristalliers et Perriers, der Kristall- und Steinschneider, in Paris nachweisbar. 148 Mit der wachsenden Verfügbarkeit von Bergkristallgefäßen europäischer Produktion hatten die älteren Gefäße islamischen Ursprungs zumindest einen Teil ihrer Exklusivität eingebüßt. Jedoch stachen sie deutlich aus der Menge dieser glatten oder facettierten Stücke heraus. Mit ihrem

komplexen Reliefschnitt dokumentierten sie noch immer ein weit überlegenes technisches Können, das sie in die Nähe der erhaltenen antiken Gemmen und Kameen gerückt haben dürfte, für die noch Albertus Magnus (um 1200–1280) teilweise eine natürliche Entstehung als möglich erachtete. 149 Wie hoch gerade dieser Schnittdekor geschätzt wurde, der den Blick auf die enthaltenen Reliquien ja eher

148 Zu den Funden in Köln siehe Berthold 2008 und Burianek/Höltken 2017, zur Entwicklung des mittelalterlichen Steinschnitts in Europa BruggerKoch 1985, S. 3 f. 149 Albertus Magnus glaubte, dass sich die Bilder auf den Steinen unter gewissen Planetenkonstellationen natürlich bildeten und nahm dies etwa für den Dreikönigs- oder Ptolemäerkameo an, der sich ehemals am Kölner Dreikönigenschrein und heute in Wien befindet (Kunsthistorisches Museum, Inv. IX a 81). Siehe dazu Belozerskaya 2012, S. 82 f.

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behinderte, belegen etwa die stark abgearbeiteten Flakons in Berlin oder Dresden, bei denen nur dieser Bereich erhalten blieb. So war es gerade der Dekor, der diese Stücke von europäischen Kristallschliffen absetzte und ihnen, sowie ihrem Inhalt, einen Nimbus der antichità und altehrwürdigen Authentizität verlieh. Hinzu kam sicher auch die spirituelle Kraft, die man jenen Materialien zuschrieb, die mit den Reliquien in Berührung gekommen waren. In einzelnen Fällen konnte so auch der Kristall selbst zur Reliquie werden, wie dies etwa für die Bergkristalltasse im Heinrichskelch der Alten Kapelle in Regensburg dokumentiert ist. Wie bereits beschrieben, durften die Gläubigen am Festtag des heiliggesprochenen Kaisers aus dem Kelch trinken, um so des besonderen Segens teilhaftig zu werden, der bei der Benutzung der Tasse durch Heinrich II. auf dieses Gefäß übergegangen war. 150 Ähnlich verhielt es sich wohl zumindest in der frühen Neuzeit mit den Schachfiguren im Domschatz von Osnabrück, über die ein reisender Pariser Kanoniker in der Mitte des 17. Jahrhunderts berichtete, sie stammten aus dem Besitz Karls des Großen. 151 Auch wenn offen bleiben muss wann diese Zuschreibung entstand, so belegt doch bereits die bloße Erhaltung dieser Gruppe loser Spielfiguren eine besondere Wertschätzung derartiger Objekte. Dass diese weit vor eine mögliche Deutung als Kontaktreliquien zurückreicht, belegen weitere Schachfiguren, die etwa am Aachener Ambo sowie auf dem Schrein des Heiligen Mauritius in St.-Maurice d’Agaune (Taf. T125) montiert sind. Vor diesem Hintergrund könnte man auch in dem Osnabrücker Bestand zunächst einen Vorrat kostbarer Schmucksteine sehen, die dort letztendlich nie zur Verwendung kamen. Die Zuschreibung an Karl wäre dann erst wesentlich später entstanden, als man sich die Objekte in ihrer Fremdartigkeit nicht anders erklären konnte. 152 Während die islamischen Bergkristallobjekte in katholischen Gebieten vielfach bis ins 17. und 18. Jahrhundert neu montiert wurden, wie etwa die barocke Neugestaltung des Reliquiars in Weisse-

Abb. 124: Bergkristallfläschchen der Weissenauer Heilig-Blut-Reliquie, wohl abbasidisch, mit Goldmontierung, süddeutsch 1709 (Taf. T100, Pfarrkirche St. Peter, Weissenau)

Siehe Bamberg 2002, S. 89. Borchers 1974, S. 10 (Taf. T107–T121). 152 Zur Schachfigur in St. Maurice siehe Schädler 2009. Besonders sei hier auf zwei Stücke in Osnabrück hingewiesen, die auf ihrer Unterseite eine bernsteinfarbene Auflage tragen, bei der es sich um den Rest der Harzklebung einer älteren Montierung handeln könnte. Der Abbé Joly beschrieb die Figuren als „les uns estans ronds, les autres quarrés, et les autres pointus, sans ressembler aux nostres d’apresant“ (teils rund, teils viereckig und teils spitz, sie sind ohne Ähnlichkeit mit den unsrigen heutzutage), siehe Borchers 1974, S. 10. 150 151

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Die Biografie der Objekte

Abb. 125: Bergkristallgefäß der Gandersheimer HeiligBlut-Reliquie, wohl abbasidisch, mit provisorischem Fuß, wohl 17. Jh. ? (Taf. T51, Stiftskirche St. Anastasius und Innocentius, Gandersheim)

nau dokumentiert (Abb. 124), verloren sie mit der Reformation in den nun protestantischen Gebieten einen wesentlichen Teil ihrer spirituellen Dimension. Der weitere Umgang mit den Reliquien und ihren Gefäßen wirft ein letztes Schlaglicht auf ihre Deutung im späten Mittelalter. Waren die Gefäße im späten 10. und 11. Jahrhundert als kostbare kaiserliche Stiftungen nach Quedlinburg, Gandersheim oder Essen gelangt, so war es vor allem dieser geradezu urkundenhafte Charakter der Stücke, der auch nach der Reformation ihren weiteren Bestand garantierte. So verwehrten beispielsweise die evangelischen Kanoniker und Stiftsdamen in Gandersheim ihrem Landesherrn im 16. Jahrhundert wie-

derholt den Zugang zu jenem Raum, in dem der Kirchenschatz mit seinen Reliquiaren verwahrt lag, denn „durch freiwillige Ubergebung der schlussel [zu den Kleinodien, würde] aller gewalt und freiheit, so man zuvore zu einem ding […] gehabt, mit genslich ubergehen und vorlasenn.“ 153 Für Stifte wie Gandersheim waren die Schatzstücke auch, oder gerade, nach dem Verlust ihres ursprünglichen Zwecks historische Dokumente ihres Alters, ihrer Würde und vor allem ihrer überkommenen Privilegien. Der Erhalt eines solches Schatzes wurde damit gewissermaßen zum Unterpfand der eigenen Rechtsstellung und Souveränität. Und auch als es im 17. Jahrhundert aus wirtschaftlichen Gründen zum Verkauf von Teilen des mittelalterlichen Kirchenschatzes kam, wurden die Reliquien selbst in ihren Stoffumhüllungen sorgfältig aufbewahrt. Das islamische Bergkristallgefäß, das die prominenteste unter diesen Reliquien enthielt, blieb trotz des Verlustes seiner Montierung als einziges repräsentatives Reliquienbehältnis erhalten. Vermutlich war die Reliquie des Heiligen Blutes in ottonischer Zeit bereits in diesem Kristall nach Gandersheim gelangt und die ungewöhnliche Form und Dekoration des Gefäßes mag die besondere Herkunft und Bedeutung des Reliquiars auch noch barocken Betrachtern vermittelt haben. Dass das Heilig-Blut-Reliquiar aber in dieser Form auch noch präsentiert und genutzt wurde, belegt darüber hinaus die Tatsache, dass man nochmals einen, wenn auch provisorisch anmutenden Fuß für den Bergkristallflakon schuf (Abb. 125). 154 So tritt in der Begründung der nachreformatorischen Bewahrung des Gandersheimer Bergkristallflakons eine historische Dimension in den Vordergrund, die die Objekte seit ihrer Entstehung in den Reichen der abbasidischen und fatimidischen Kalifen begleitete. Stets waren sie neben einer Fülle sich wandelnder medizinischer, magischer und theologischer Deutungen ihres Materials vor allem Symbolobjekte von Macht und herrschaftlichem Privileg. Kalifen und Kaiser nutzten die kostbaren Gefäße sowohl als Zeichen ihrer besonderen Würde wie als nobilitierende Gaben an ihre engsten Vertrauten oder besonders begünstigte Stiftungen. Für

Zitiert nach Heilmann 2009, S. 48. Ähnliche Konstellationen lassen sich auch in anderen reformierten Stiften wie etwa Quedlinburg oder auch St. Michael in Lüneburg beobachten. Siehe zu Lüneburg Marth 1994, zu Quedlinburg Labusiak 2015, S. 7 ff. Zu Halberstadt Seyderhelm 2010. Allgemeiner zum Thema der Kirchenschätze in reformierten Kontexten Fritz 1997. 154 Zur nachreformatorischen Geschichte des Gandersheimer Schatzes siehe Heilmann 2009. 153

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die Empfänger waren sie sichtbare Zeichen der empfangenen Gunst und Dokumente der damit verknüpften Privilegien. Ihre, auch Jahrhunderte später noch, außergewöhnliche technische Ausführung und ihr exotischer Dekor hoben sie aus der Menge der einfacheren europäischen Bergkristallarbeiten heraus. Auch wenn die Herkunft der Stücke im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten sein sollte, so dürften die an der Form und Gestaltung der Objekte unmittelbar ablesbaren Besonderheiten ihnen eine ähnliche Aura und antichitá verliehen haben, wie dies bei den antiken Gemmen und Kameen der Fall war.

Spätestens mit ihrem Übergang in den Kirchenschatz hatten die ehemals häufig für eine mehr oder minder profane Nutzung entstandenen Objekte eine durchgreifende Sakralisierung erfahren, die auch das Material gleichsam theologisch transformierte. Die Reformation drängte diese inhaltliche Überformung nun wieder zurück und ließ schließlich den historischen Charakter der Objekte wieder als ihre herausragende Qualität in Erscheinung treten, die schließlich in ihre moderne Erforschung mündete.

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Schlussbetrachtung

Seit Ernst Kühnels Einordnung der islamischen Bergkristallobjekte als Werke einer fatimidischen Werkstatt im Jahr 1910 hat diese außergewöhnliche Objektgruppe die Aufmerksamkeit einer Vielzahl von Forschern erregt. Umso erstaunlicher ist es, dass dieses Interesse in mehr als hundert Jahren keine umfassende, monografische Studie hervorgebracht hat. Autoren wie Carl Johan Lamm oder Kurt Erdmann schufen mit ihren Schriften wesentliche Grundlagen für weitere Forschungen und vor allem trugen sie unermüdlich Material zusammen und bildeten damit überhaupt erst ein Corpus von bekannten Objekten, das eine vergleichende Untersuchung möglich machte. Dass diese Analyse dennoch nie realisiert wurde und weitere Generationen, trotz einer Vielzahl historischer Quellen und eines so diversen Objektbestandes, scheinbar fraglos am Dogma des fatimidischen Ursprunges der Bergkristallarbeiten festhielten, scheint nur schwer nachvollziehbar. Gemessen an den tausenden von Objekten, von denen al-Maqrīzī in den Schatzkammern der Fatimiden berichtete und der beträchtlichen abbasidischen Produktion, von der man zwischen der ersten Erwähnung einer Verwendung von Bergkristall zur Herstellung von Gefäßen im Text des pseudoAristoteles im 9. Jahrhundert und der Massenproduktion zu Zeiten des al-Bīrūnī ausgehen kann, hat sich lediglich eine beklagenswert kleine Zahl von Objekten erhalten. Und dennoch sind diese Werke die zentralen Dokumente für die Rekonstruktion ihrer eigenen Geschichte. Diese Dokumente zu erschließen, sie lesbar zu machen, war das Ziel dieser Arbeit. Wenn auch die hier vorgeschlagene chronologische Abfolge aufgrund des wenigen erhaltenen Materials sowie des Fehlens eindeutiger Quellen eine Hypothese bleiben muss, so ließ die detaillierte Auseinandersetzung mit dem erhaltenen Material in dessen zunächst verwirrender Vielfalt doch nach und nach ein klareres Bild entstehen. Der frappierende stilistische und kompositorische Kontrast zweier Werke wie der Bergkristallkrüge im Schatz von San Marco bildet dabei den Rahmen einer Entwicklung, die in den übrigen erhaltenen Stücken wie in Schlaglichtern nachvollziehbar wird, wenn190

gleich sich auch einzelne Objekte bislang aufgrund ihrer isolierten Erhaltung einer Einordnung in diese Entwicklung entziehen. Absicht dieser Arbeit war nicht, eine scheinbar unumstößliche Kategorisierung aufzustellen, wie dies Ernst Kühnel 1910 mit so nachhaltigem Erfolg gelang. Als Ziel rückte vielmehr immer stärker die Erschließung dieser enorm vielfältigen und komplexen Objektgruppe ins Zentrum, die bislang weitgehend im Schatten ihrer monolithischen Zuschreibung verborgen lag. Die Komplexität der Objekte, ihrer Entstehung, Geschichte und der vielfältigen individuellen Geschichten, die ihre Überarbeitungen, Verwandlungen und Montierungen erzählen, konnte hier nur in Schlaglichtern behandelt werden, jedoch kamen dabei bereits überraschende Parallelen und Kontinuitäten zutage, die die Bergkristallarbeiten des islamischen Mittelalters aufs engste mit den vielfältigen Traditionen des Steinschnitts seit der Antike verbinden. Diese beginnen mit der Technik ihrer Fertigung und reichen bis zu Aspekten ihrer Interpretation, die den Steinschnitt und seine Werke als ein herausragendes, über Epochen und Kulturen hinweg verständliches Medium von imperialer Macht und kultureller Überlegenheit erkennbar werden lassen. Der Blick auf die Objekte als individuelle Dokumente erschließt dabei vielfältige Kapitel ihrer Geschichte zwischen den mittelalterlichen Kalifenhöfen und den Kirchenschätzen Europas. Zweifellos sind bisher nicht alle erhaltenen Bergkristallarbeiten des islamischen Mittelalters bekannt geworden und so manches Stück mag noch in einem Kirchenschatz verborgen sein. So verbindet sich mit dieser Arbeit die Hoffnung, Impulse für die weitere Auseinandersetzung mit dieser Objektgruppe zu geben, die möglicherweise weitere Stücke oder bislang unbeachtete Quellen zutage bringen wird, die das hier skizzierte Bild um neue Elemente und Details ergänzen und vielleicht auch korrigieren können.

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Index Aachen, Ambo Heinrich II. 99, 113, 144, 150 f., 157 ff., 167, 181, 187 Abbasiden 59 ff., 69 ff., 147 ff., 154, 161 ʿAbd al-Malik (Kalif) 111 ʿAbd ar-Rahmān III. (Kalif) 154 Achämeniden 43, 50 Achat 23 f., 23, 37, 44, 46 f., 50 ff., 127, 134, 144, 150 f., 157, 167 Adlerkameo (Wien) 157 f., 167 Ager 155 Agrigent 154 al-Amīn (Kalif) 59 f., 77 al-ʿAzīz (Kalif) 65, 71, 75, 79, 81, 84, 115, 125, 130, 138, 142 f., 145, 161 al-Bīrūnī, Abū ’r-Raiḥān Muḥammad ibn Aḥmad 27, 37 ff., 60 f., 65, 70 f., 75, 77 ff., 109, 133, 139 f., 163 f., 177 f., 181 f. Albertus Magnus 26, 156, 186 Alexander der Große 44, 50 Alexandria 44, 56 f., 69 al-Ghuzūlī 60, 70, 73, 162 al-Hākim (Kalif) 70, 72, 75, 79, 162 al-Mahdī (Kalif) 60, 69, 78 al-Maqrizi 70, 75, 84, 148, 165, 178 al-Muqtadir (Kalif) 61, 69, 78, 145 al-Mutasim (Kalif) 38, 62 al-Mutawakkil (Kalif) 60 f., 78, 141, 145 al-Qazwīnī 162, 178 al-Tīfāchī, Ahmad ibn Yusuf 27, 31, 178 al-Walīd (Kalif) 59, 77 Ambrosius von Mailand 182 Amethyst 23 f., 42 f. Anatolien 42, 58 Apokalypse, Offenbarung des Johannes 51, 182 f., 184 Arolsen 89, 118, 141, 144 ar-Rāḍī (Kalif) 61, 78, 93, 145 Assisi 99 Astorga 96, 117, 127, 142, 146 Astrologie 24, 178 at-Tamīmī, Muhammad ibn Ahmad 27, 30, 40, 60, 70 f., 178 Augustus (Kaiser) 46, az-Zāhir (Kalif) 69, 75, 79, 108, 130, 131 Bagdad 26, 59 f., 69, 75, 77 ff., 101 f., 110, 147 ff., 154, 156, 160 ff. Bajkam, Abū al-Hussein 61, 78, 162 Bamberg 51, 104, 108, 125, 127, 159 Baraka 180 f. Basra 40, 61, 65, 69 f., 75, 81, 139 Beda Venerabilis 183 f.

Berlin 38, 62, 69, 104, 106, 108, 117 f., 120, 139, 144, 166, 168, 187 Beryll 23, 184 Billunger 153 f. Borghorst 105, 113, 117, 151, 153, 159, 168, 183 f. Buckley-ewer 85, 115, 141 Buyiden 78 f., Byzanz 26, 28, 49, 52, 55 f., 58 ff., 77, 84, 110, 128, 139, 147 ff., 154, 156 ff., 164, 184 Capua 46, 96, 117, 127 ff., 137 f., 141 f., 144, 155 Chalzedon 23 f., 43 Chicago 129 China 27, 30, 33, 38, 55, 76, 96, 147 Conque 94, 143 Cordoba 154 Corning 85 f., 89, 114, 117, 119 f., 125, 140 ff., 144 f., 177 Dallas 99, 119 ff., 125, 141 f., 145 Damaskus 58 ff., 148 Diodorus 25 Dioskurides 31 diplomatische Geschenke 49 f., 55, 59, 147 ff., 157 ff. 161 Dresden 125, 169, 187 Drillbohrer 28 f., 42 Dura-Europos 49 Eleonore von Aquitanien 55 Elfenbein 70 f., 82, 139 Emmerich 100, 129, 151 Enna 105, 107 Erdmann, Kurt 64, 139, 190 Eremitage (St. Petersburg) 65, 84, 127, 145 Ermengol I. von Urgell 154 f. Essen 99, 108, 144, 151, 153 f., 159, 168, 184, 188 Facetten 49, 52, 55, 106, 115, 117, 120 ff., 138, 140, 142 Famensi 38, 96 Fatimiden 41, 65, 69 ff., 77 ff., 84, 147 ff., 159, 161 ff., 178 f. Fermo 84, 117, 121, 129 f., 141 ff., 146, 173, 175 Florenz 52, 71, 77, 84, 88, 90, 93, 95, 115, 119 f., 123, 129 ff., 138, 142 ff., 160, 162, 165, 172 ff., 176, 179 Füllhornmotiv 65, 118, 141 ff., 146 Fustāt 69, 85, 113, 139 f. Gandersheim 141, 151, 159, 184, 188 Gemmen 24, 28, 33, 46, 133, 151, 156, 186, 189 Granada 101

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Index

Habsburg 173 Halberstadt 94 f., 117, 128, 142, 146, 156, 164 Hannover 98 Hārūn ar-Raschīd (Kalif) 60, 77, 79, 130, 148, 160 f. Heilig-Blut-Reliquiar 154, 156, 168, 188 Heinrich II. (Kaiser) 150, 157, 159, 181, 187 Heinrich III. (Kaiser) 153, 168 Hieronymus 182 Hildegard von Bingen 26, 181 Hippokrates 24 Hochelten 151, 159 Hofwerkstatt 142 f., 144 f., 160 Hrabanus Maurus 26, 183 Ḫusrau, Nāṣir-I 40, 69 ff., 79, 133, 145, 178 f. ibn Ǧauhar, Husain 72, 130, 162, 179 ibn Tahir, Muhammad 60 f., 65, 140, 146, 163 Indien 23 ff., 27, 33 Intaglio 33, 36, 133 f., 138, 163, 176 Isidor von Sevilla 25 f., 183 Ismailiten 69 Jade 51, 76 Japan 55, 62 Jerusalem 111, 155, 182 Kairo 38, 40, 69 ff., 75, 79, 84, 104, 107 f., 139, 145 ff., 154, 156, 158, 161 f., 178 f. Kairouan 69 Kameogläser 37, 47 Karl der Große (Kaiser) 157, 187 Kaschmir 27, 61 Keir-Collection 84, 99, 119 f., 121, 125, 127, 141fr., 145 f. Khurasan 65, 140 Köln 75, 101 f., 104, 106, 129, 159, 165 f., 185 Konrad von Krosigk (Bischof) 156 Konstantinopel 48, 148 ff., 156, 159 ff., 184 Kopenhagen 117, 145 Korund 23, 31, 33, 147 Kreuzzüge 155 f. Ktesiphon 50, 58 f., 110 Kuwait 99 f. 109, 144, 154 f. Lampe 59 f., 64, 69, 84, 98 f., 170, 179 Lapidarium (Steinbuch) 24 ff., 37, 43, 46, 60 f., 70 f., 77, 81, 117 Lleida 109 London 52, 65, 84 ff., 98 f., 101, 104 ff., 119 ff., 123 ff., 129, 138, 141 ff., 165, 179 Madagaskar 23, 27, 61 Maghreb 69 f., 77 Malediven 27, 61 Marbod von Rennes 25 f. Martial 47, 163

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Medici 160, 173 Mesopotamien 24, 33, 37, 42 f., 50, 52, 56, 139, 147 f. Miseroni 33, 163 Muʿ āwiya (Kalif) 111, 180 München 51, 143, 145 f., 179 Münster 104, 128, 159, 180 Murrina, Vasa Murrina 46 f., 50 Mykene 42 Nero (Kaiser) 47 Nishapur 60, 65, 86, 140, 146, 163 Normannen 79, 154 Nürnberg 73, 75, 130 Offenbarung des Johannes, Apokalypse 51, 182 f., 184 Onyx, Sardonyx 23 f., 47, 52, 62, Osnabrück 109 f., 155, 187 Ostafrika 61, 147 Otto I. (Kaiser) 151, 153, 157 Otto II. (Kaiser) 150 f., 168, 184 Otto III. (Kaiser) 155, 157, 159 Ottonen 150 f., 157 ff., 161, 167, 184, 188 Pakistan 50 Palisadenmotiv 128 Paris 64, 84, 104, 129 f., 143 f., 146, 165, 186 f. Parther 49 f. Persepolis 43, 49 f. Persien 49, 59, 86, 96, 98, 139 f., 147 Pharaonisches Glas 40, 43, 60 Plinius d. Ä. 25, 27, 30 f., 37, 46 f., 50, 162 f., 177, 180, 183 Plünderung der Fatimidischen Schatzkammern 71, 75, 79, 84, 148 f., 155 f., 161, 165, 184 pseudo-Aristoteles 26 f., 31, 38, 60, 77 pseudo-kufisch 129 Ptolemäer 44, 46, 49 f. Qusair Amra 58, 111, 148, 161 Quedlinburg 105 ff., 120, 141, 145, 151, 159, 188 Reconquista 155 Reformation 169, 175, 188 f. Rom, römisches Reich 30, 42, 44, 46 ff., 51 f., 58 f., 75, 106, 110, 129, 147, 155 ff., 166, 177, 182 Saint Riquier 145 Säkularisierung 181 Samarra 38, 41, 62, 65, 69, 78, 96, 103, 111, 113, 115, 117, 119, 127, 134 f., 138, 140 f. Samarrafries 62, 134 San Lorenzo (Florenz) 88, 90, 117, 119, 123, 138, 172 f., San Marco (Venedig) 40, 47, 52, 59, 62, 127, 130, 132 f.,140, 156, 169, 172, 190 Sardonyx, Onyx 23 f., 47, 52, 62 f., 69, 71,

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Index

Sasaniden 49 ff., 55 f., 58 ff., 77, 87, 96, 110 f., 113 f., 117 f., 128, 147 Schachfiguren 61, 83, 99, 108 f., 128 f., 144, 151, 154 f., 159, 187 Schleifmittel 23, 29 ff., 36, 76 f., 82, 147 Schrägschnitt 34, 115, 130, 132 ff. Seleukia, Seleukiden 50 Serpentin 42, 52 Siegel, Siegelsteine, Siegelschnitt 25, 28, 42 f., 46, 49, 51, 77, 83 Sizilien 69, 79, 154 Spanien 59, 109, 154 f. Spielsteine 61, 109

St. Petersburg 65, 84, 127, 145 Syrien 58, 78, 148 Teheran 101 f., 140 Theophanu (Kaiserin) 150, 157 Theophanu (Äbtissin in Essen) 151, 168, 184 Theophilus, Presbyter 26, 29 ff., 36, 76, 159, 185 Theophrast 25 f., 43, 46 Tiraz 161 Tuluniden 78 Uffizien, Florenz 176 Umayyaden 58 ff., 148, 180 Washington 99, 142, 145 Weissenau 107, 187 f.

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Bildnachweis © Hellenic Ministry of Culture and Sports/ Archaeological Resources Fund. National Archaeological Museum, Athens / Department of Collections of Prehistoric, Egyptian, Cypriot and Near Eastern Antiquities, inv. no. P 8638 (Abb. 10). © Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin, Inv. Nr. 1981 17N (Abb. 113). © Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen zu Berlin, Inv. Nr. 1937, 23 (Abb. 115). © Museum für Islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin, Ident. Nr. I. 6369 (Abb. 8), SAM 998.2 (Abb. 24), SAM 9.47.7 (Abb. 25), I. 7741 (Abb. 26), Sam 606.1–5 (Abb. 30, 100), SamKat 246 a–c (Abb. 33), Sam 1.47.4 (Abb. 103), I. 6372 (T32), I. 4649 (T85), I. 4650 (T85), I. 1012 (T122), I. 4827 (T123), I. 4836 (T94); Abbildungssammlung Erdmann, (Abb. 28), (Abb. 81), (T5), (T13), (T22), (T43), (T47), (T55), (T63), (T64), (T100) © Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Kunstmuseum des Landes Niedersachsen, Foto: Museum, Inv. Nr. Gem 300 (Abb. 13). © The David Collection, Copenhagen, Inv. Nr. 5–1987 (T24), Inv. Nr. 10–1963 (Abb. 46). © Collection of The Corning Museum of Glass, Corning, NY, 76.7.7, Gift of Carl Berkowitz and Derek Content (T28), 79.7.18, Bequest of Jerome Strauss (T31), 59.7.3 (T30), 68.1.81 (T27), 53.1.45 (Abb. 55), 85.1.1, Purchased with funds from the Clara S. Peck Endowment Fund (Abb. 39), 59.1.489, Fragment lent by the Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Museum für Islamische Kunst (Abb. 44), 53.1.109 (Abb. 66 u. 80), 71.1.7 (Abb. 48), 68.1.59 (T29), 53.1.60 (Abb. 57), 59.1.484 (Abb. 58), 51.1.136 (Abb. 63). © The Keir Collection of Islamic Art on loan to the Dallas Museum of Art, K.1.2014.1.A-B (T3), K.1.2014.100 (T41), K.1.2014.102 (T37), K.1.2014.1326 (T96). © Domschatz Essen, Foto Jens Nober (T40); Foto Christian Diehl (Abb. 107, T76). © Bad Gandersheim, Portal zur Geschichte – Sammlung Frauenstift Gandersheim, Inv. Nr. 079t (T51). © Jutta Brüdern, Braunschweig (Abb. 125, Sammlung Frauenstift Gandersheim). © Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Domschatz Halberstadt, Inv. Nr. DS080, Foto U. Sieblist (T154), Inv. Nr. DS049 (Abb. 47), Titelabbildung und Detail (Abb. 121), Foto: Marcus Pilz. © Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, Inv. Nr. WM XXIa 28a (vormals Museum August Kestner, Hannover), Foto Kerstin Schmidt (T21).

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© Dommuseum Hildesheim, Inv. Nr. DS 20 (Abb. 123), Inv. Nr. DS 27 (Abb 122). © Rheinisches Bildarchiv Köln: Museum Schnütgen, Köln, Inv. Nr. F 51 (T58, Abb. 53, 111), Inv. Nr. F 52 (T114), Inv. Nr. G 19 (T52); Bergkristall-Löwe, St. Ursula, Köln (T82, Abb. 59). © Römisch-Germanisches Museum/Rheinisches Bildarchiv Köln, Anja Wegner, Inv. Nr. Varia 337 (Abb. 14). © The al-Sabah Collection, Dar al-Athar al-Islamiyyah, Kuwait, Inv. LNS 3 HS (T42), Inv. LNS 2 HSa (T148), Inv. LNS 2 HSb (T149), Inv. LNS 2 HSc (T150), Inv. LNS 2 HSd (T151), Inv. LNS 2 HSe (T152), Inv. LNS 1 HSa (T138), Inv. LNS 1 HSb (T139), Inv. LNS 1 HSc (T142), Inv. LNS 1 HSd (T143), Inv. LNS 1 HSe (T140), Inv. LNS 1 HSf (T141), Inv. LNS 1 HSg (T144), Inv. LNS 1 HSh (T145), Inv. LNS 1 HSi (T146), Inv. LNS 1 HSj (T147). © Museu de Lleida: diocesà i comarcal, Jordi V. Pou; MLDC 1865 (T78), MLDC 1473 (T127–137, Abb. 65). © Trustees of the British Museum, 1953,0218.2 (T98), 1894,0517.1 (T65), FBIs.13 (T72), FBIs.12 (T81), 1954,1013.1 (T20, Abb. 51), 1959,0515.1 (T26), 1964 10–12 1 (Abb. 68). © Victoria and Albert Musueum, London, 7904–1862 (T2, Abb. 89), 1163–1864 (T36), A. 46–1928 (T59, Abb. 54), A. 45–1928 (T60), A. 11–1942 (T71), M. 110–1966 (T95), A. 20–1926 (T90, Abb. 61), 669:1, 2–1883 (T156), C. 126–1936 (Abb. 38). © Bayerische Schlösserverwaltung, Residenz München, Schatzkammer, Maria Scherf/Rainer Herrmann, Inv. ResMüSch 7 (Abb. 109), Inv. ResMüSch.0006 (Abb. 17). © Bischöfliches Generalvikariat Münster, Abtlg. Kunst und Kultur, Kunstpflege: Domkammer Münster: Inv. Nr. E.5 (T77), Inv. Nr. E.6 (T84), Inv. Nr. E.34 (Abb. 93, 110, T153); Borghorst, St. Nikomedes, Foto: Stephan Kube, Greven (Abb. 108). © Brooklyn Museum, New York, Charles Edwin Wilbour Fund, 37.108E, Bag-Shaped Vase, ca. 1844–1759 B.C.E. (Abb. 11). © The Metropolitan Museum of Art, Purchase, Mr. and Mrs. C. Douglas Dillon Gift and Rogers Fund, 1967, 67.10a, b (Abb. 42), Anonymous Gift, 1992, 1992.233 (Abb. 20), Gift of Richard Ettinghausen, 1978, 1978.549.1 (Abb. 41), Gift of George D. Pratt, 1931, 31.18.1–31.18.2 (T53/T69), Gift of J. Pierpont Morgan, 1917, 17.190.504 u. 17.190.522a (T89/T57), Gift of George D. Pratt, 1931, 31.125 (T44), Purchase, Rogers Fund and Jack A. Josephson, Dr. and Mr. Lewis Balamuth, Mr. and Mrs. Alwin W. Pearson Gift,

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Bildnachweis

1947.45 (Abb. 52), Foto: Marcus Pilz, Gift of Stephen V. Grancsay, 1942, 42.50.148 (T45), Gift of J. Pierpont Morgan, 1917, 17.190.504 (T88). © Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Monika Runge Inv. Nr. KG 695 (Abb. 36, T106). © Musée Cluny, Paris, Inv. Cl. 11661, Foto: Marcus Pilz (T25). © RMN-Grand Palais (musée du Louvre) / Daniel Arnaudet, Inv. MR 129 (Abb. 27), MR 296 (Abb. 32, T15). © Musée du Louvre, Paris: dist. RMN – Grand Palais/ Hughes Dubois, Inv. MR 333 (T7).

© 2007 Musée du Louvre/Claire Tabbagh/Collections Numériques, Inv. OA 7799 (T83). © Národní galerie Praha/Nationalgalerie Prag, Inv. Nr. O 560 (Abb. 4). © The State Hermitage Museum. Photo: Leonard Kheifets, Yuri Molodkovets, Inv. Nr. EG-1359 (T23, Abb. 29), Inv. Nr. SA-9993 (T97). © Domschatz Quedlinburg, Foto Elmar Egner, (Abb. 60, T33, T75, T86, T91, T99). © Freer Gallery of Art, Smithonian Institution, Washington, D.C.: Purchase – Charles Lang Freer Endowment, F 1949.14 (T38).

Bildzitate Balzano 1910, S. 90 (T80); Bruck 1912, Abb. 2 (Abb. 116); Casamer/Valdés 1999, S 372 (Abb. 64); Florenz 1972, S. 117 (Abb. 98), Abb. 42 (T5); Garland 2010, Abb. 10 (T11); Hahn 2020, Plate 15, © Kim Benzel (Abb. 16); Hahnloser 1971, Taf. III (Abb. 15), Taf. LXII (Abb. 19), Taf. CI (T1), Taf. XCVI (Abb. 97), Taf. XCVIII (T4), Taf. CIV (T10); Harada 1931, Taf. LII (Abb. 22); Khouli 1978, Bd. III, Taf. 147, Ausschnitt (Abb. 12); Köln 1984, S. 99 (Abb. 18), S. 144 (Abb. 21), S. 222 (T34), S. 225 (Abb. 37), S. 227 (Abb. 91), S. 232 (Detail, Abb. 72 u. 88), S. 217 (Abb. 101), S. 273 (Abb. 118),

S. 231 (Abb. 117); Köln 1991, Abb. 13 (T48), Abb. 14 (T89); London 1976, S. 126 (T68); Melikian-Chirvani 1982, Fig. 3 (Abb. 50); München 1910, Taf. 164 (Abb. 1); Palermo 2006, S. 130 (Abb. 120, Taf. T6), S. 312 (T56), S. 314 (T49), S. 317 (T101), S. 323 (T14), S. 325 (T16); Rice 1956, S. 93 (Abb. 79), S. 89 (Abb. 96); Scanlon 2001, S. 102, Fig. 43 f. (Abb. 40); Wien 1998, S. 132 (T103); Zwierlein-Diehl 2008, S. 16: Photo Georg Petzl (Abb. 2), S. 19: Zeichnung von Josef Welzel auf Basis einer Zeichnung von Martin Seitz (Abb. 3)

Bei den übrigen Abbildungen handelt es sich um Aufnahmen des Autors mit freundlicher Genehmigung der jeweiligen Institution: Dom St. Marien, Aachen (T18, T35, Abb. 49, 71, 106); Sammlung der Fürsten von Waldeck und Pyrmont, Bad Arolsen (T17); Domschatz Bamberg (T105); Kunstgewerbemuseum, Staatliche Museen zu Berlin (T54, T124); Museum für Islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin (Abb. 9, 31); Pfarrkirche St. Johann, Burtscheid (T79); Tesoro del Duomo, Capua (T46, Abb. 70); The Art Institute, Chicago (T62); Stadtmuseum Dresden (Taf. T73); Stiftskirche Emmerich (Taf. T87); Museo Diocesano, Fermo (Abb. 83); Museo degli Argenti, Florenz (Abb. 35, 77, 86); Tesoro di San Lorenzo, Florenz (T8, T9, Abb. 43, 45, 67, 75, 84, 87, 119); Stiftskiche Bad Gandersheim (Abb. 69); Dom-

schatz Halberstadt (T12, Abb. 23, 92, 121); Domschatz Hildesheim (T126); Museum Schnütgen, Köln (Abb. 104, 112); Katholische Kirchengemeinde St. Severin, Köln (T74, T93, Abb. 56, 62); RautenstrauchJoost Museum, Köln (T70, Abb. 99); The British Museum, London (Abb. 7); Schatzkammer der Residenz, München (T19); The Metropolitan Museum of Art, New York (T89); Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (Abb. 95); Domschatz Osnabrück (Taf. T107–T111, 113–121); Kloster St. Marienstern, Panschwitz-Kuckau (T50); Musée du Louvre, Paris (Abb. 85); Abbaye de Saint Riquier (T61); Tesoro di San Marco, Venedig (Abb. 6, 34, 76, 94); Pfarrkirche St. Peter, Weissenau (Abb. 124); aus dem Archiv des Autors: Abb. 5.

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Tafeln

Die nachfolgende Auswahl von Objekten dient der vergleichenden Illustration der Arbeit. Aus diesem Grund wurde bei den Abbildungen größtenteils auf die Wiedergabe der Montierungen verzichtet. Die Maßangaben beziehen sich ausschließlich auf die Bergkristallobjekte. Auf relevante Detail- oder Gesamtaufnahmen in den Textillustrationen wird gegebenfalls verwiesen. Literaturangaben finden sich in den Fußnoten des Textes. Nicht mehr erhaltene oder auffindbare Stücke sind mit einem „ehem.“ vor der letzten bekannten Ortsangabe markiert. Die abgebildeten Beispiele stellen eine Auswahl dar und sollen dem Leser einen repräsentativen Eindruck von der formalen Vielfalt der hier behandelten Objekte geben. Ein breiter angelegter Katalog dieses Materials befindet sich derzeit in Vorbereitung.

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wbg Pilz / p. 211 / 9.3.2021

Tafeln

Überblick der Objektauswahl nach den Orten ihrer Aufbewahrung Deutschland Aachen T18, T35 Arolsen T17 Bamberg T105 Berlin T32, T54, T85, T94, T104, T122–T124 Borghorst T48, T89 Burtscheid T79 Dresden T55, T73 Emmerich T47, T87 Essen T40, T76, T102 Gandersheim T51 Halberstadt T12, T154 Hannover T21 Hildesheim T126 Köln T52, T58, T70, T74, T82, T93, T114 München T19 Münster T77, T84, T153 Nürnberg T106 Osnabrück T107–T113, T115–T121 Panschwitz-Kuckau T50 Quedlinburg T33, T43, T75, T86, T91, T99 Weissenau T100

Venedig

Frankreich Conque T11 Paris T7, T15, T25, T83 Saint Riquier T61

Iran Teheran

T63

Irak Bagdad

T64

Italien Agrigent T49 Assisi T39 Capua T14, T16, T46, T155 Enna T92, T101 Fermo T6 Florenz T5, T8, T9 Novara di Sicilia T67 Piazza Armeria T56 Sulmona T80

T1, T4, T10, T22, T34

Schweiz Saint Maurice d’Agaune

T125

Spanien Astorga T13 Granada T66 Lleida T78, T127–T137 Dänemark Kopenhagen

T24

Großbritannien London T2, T20, T26, T36, T59, T60, T65, T71, T72, T81, T90, T95, T98, T156 Rußland St. Petersburg

T23, T97

Ägypten Kairo T68, T103

Kuweit T42, T138–T152 Vereinigte Staaten Chicago T62 Corning T27–T31 Dallas T3, T37, T41, T96 New York T44, T45, T53, T57, T69, T88 Washington T38

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Objektinformationen

T1: Venedig, Tesoro di San Marco, Inv. Tesoro 86 (ohne Montierung, vergl. Abb. 72, 88, 117) H. 175 mm · Dm. 105 mm

T2: London, Victoria and Albert Museum, Inv. 7904–1862 (vergl. Abb. 73, 89, 105A) H. 195 mm · Dm. 140 mm

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T1 – T2

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T3: The Keir Collection of Islamic Art on loan at the Dallas Museum of Art, Inv. K.1.2014.1.A-B (vergl. Abb. 90) H. ca. 190 mm · Dm. 165 mm

T4: Venedig, San Marco, Inv. Tesoro 80 (vergl. Abb. 37, 76, 91, 94, 105C) H. 180 mm · Dm. 125 mm

T3 – T4

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wbg Pilz / p. 214 / 9.3.2021

T5: Florenz, Museo degli Agenti, Inv. 1917, Nr. 2 (vergl. Abb. 77, 86) H. 155 mm · Dm. 125 mm

T6: Fermo, Museo Diocesano (vergl. Abb. 83) H. ca. 167 mm · Dm. 105 mm

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T5 – T6

wbg Pilz / p. 215 / 9.3.2021

T7: Paris, Musée du Louvre, Inv. MR 333 (vergl. Abb. 85) H. 240 mm · Dm. 135 mm

T8: Florenz, Tesoro di San Lorenzo, Inv. 1945, N. 3 (vergl. Abb. 43, 67, 87) H. ca. 150 mm · Dm. 90 mm

T7 – T9

T9: Florenz, Tesoro di San Lorenzo, Inv. 1945, N. 2 (vergl. Abb. 75, 84, 105B) H. ca. 200 mm · Dm. 110 mm

215

wbg Pilz / p. 216 / 9.3.2021

T10: Venedig, San Marco, Inv. Santuario 63 (ohne Montierung, vergl. Abb. 114) H. 100 mm · Dm. 40 mm

T11: Conque, Abteischatz H. 100 mm Dm. ca. 100 mm

T14. Capua, Tesoro del Duomo H. ca. 80 mm · Dm. 82mm

T17: Arolsen, Sammlungen der Fürsten Waldeck H. ca. 80 mm · Dm. 120 mm

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T12: Halberstadt, Domschatz, T13: Astorga, Inv. Nr. DS049 Museo de la Catedral (vergl. Abb. 47, 121) (ohne Montierung) H. ca. 150 mm · Dm. 94 mm H. 104 mm · Dm. ca. 91 mm

T15: Paris, Musée du Louvre, Inv. MR 296 (vergl. Abb. 32) H. 90 mm · Dm. 125 mm

T18: Aachen, Dom St. Marien (vergl. Abb. 71, 106, siehe Auch T35) H. ca. 55 mm · Dm. 94 mm (Schale)

T16: Capua, Tesoro del Duomo (vergl. Abb. 70) H. 120 mm · Dm. 65 mm

T19: München, Schatzkammer der Residenz, Inv. ResMüSch 7 (vergl. Abb. 109) H. ca. 48 mm · Dm. 86 mm (Schale)

T10 – T19

wbg Pilz / p. 217 / 9.3.2021

T20: London, The British Museum, Inv. 1954, 1013.1 H. 82 mm · Dm. 65 mm

T21: Hannover, Niedersächsisches Landesmuseum, Inv. W.M. XXIa, 28a H. 100 mm · Dm. 83 mm

T22: Venedig, Tesoro di San Marco, Inv. Tesoro 99 (teilweise ohne Montierung, vergl. Abb. 28, 97, 118) H. 400 mm · Dm. 170 mm

T23: St. Petersburg, The State Hermitage Museum, Inv. EG 938 (ohne Montierung, vergl. Abb. 29) H. 65 mm · L. 220 mm

T20 – T22

217

wbg Pilz / p. 218 / 9.3.2021

T24: Kopenhagen, The David Collection, Inv. 5/1987 H.78 mm T25: Paris, Musée Cluny, Inv. Cl. 11661 H. ca. 22–27 mm

T26: London, The British Museum, Inv. 1959, 0515.1 H. 70 mm

T27: Corning, The Corning Museum of Glass, Inv. 68.1.59–81 H. 21 mm

T29: Corning, T30: Corning, T31: Corning, T28: Corning, The Corning Museum of Glass, The Corning Museum of Glass, The Corning Museum of Glass, The Corning Museum of Glass, Inv. 68.1.59 Inv. 59.7.3 Inv. 79.7.18 Inv. 76.7.7 H. 34 mm H. 26 mm H. 56 mm H. 38 mm

218

T24 – T31

wbg Pilz / p. 219 / 9.3.2021

T32: Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. I 6372 H. 24 mm

T34: Venedig, San Marco, Inv. Tesoro 102 Dm. 201 mm

T32 – T35

T33. Quedlinburg, Stiftskirche St. Servatius H. 15–20 mm

T35. Aachen, Dom St. Marien (siehe auch T18) Dm. 158 mm

219

wbg Pilz / p. 220 / 9.3.2021

T36: London, Victoria and Albert Museum, Inv. 1163–1864 H. 110 mm

T37: The Keir Collection of Islamic Art on loan at the Dallas Museum of Art, Inv. K.1.2014.102 (vergl. Abb. 82) H. 107 mm

T38: Washington, Freer Gallery of Art, Inv. F. 1949.14 (vergl. Abb. 74) H. 105 mm

T39: Assisi, Basilica di Santa Chiara (ohne Montierung) H. ca. 100 mm

220

T40: Essen, Domschatz H. ca. 90 mm

T41: The Keir Collection of Islamic Art on loan at the Dallas Museum of Art, Inv. K.1.2014.100 H. 78 mm

T42: Kuwait, The al-Sabah Collection, Inv. LNS 3 HS H. 105 mm

T36 – T42

wbg Pilz / p. 221 / 9.3.2021

T43: Quedlinburg, ehem. St. Servatius H. 92 mm

T44: New York, The Metropolitan Museum of Art, Inv. 31.125 H. 70 mm

T47: Emmerich, T48: Borghorst, St. Nikomedes St. Martini (ehem. Hochelten), (ohne Montierung, Inv. H 11 (ohne Montierung) vergl. Abb. 108) H. 90 mm H. ca. 125 mm

T43 – T50

T45: New York, The Metropolitan Museum of Art, Inv. 42.50.148 H. 59 mm

T49: Agrigent, Tesoro della Cattedrale H. ca. 70 mm

T46: Capua, Tesoro del Duomo H. 85 mm

T50: Panschwitz-Kuckau, Kloster St. Marienstern H. ca. 38 mm

221

wbg Pilz / p. 222 / 9.3.2021

T51: Bad Gandersheim, St. Anastasius und Innocentius, Inv. 079t (vergl. Abb. 69, 125) H. 112 mm

T55: Dresden, Stadtmuseum, Inv. SMD 1973/52.4 (vergl. Abb. 116) H. 62 mm

222

T52: Köln, Museum Schnütgen, Inv. G 19 H. 71 mm

T56: Piazza Armeria, Tesoro della Cattedrale H. 106 mm

T53: New York, The Metropolitan Museum of Art, Inv. 31.18.1 H. 51 mm

T57: New York, The Metropolitan Museum of Art, Inv. 17.190.522a H. 69 mm

T54: Berlin, Kunstgewerbemuseum, Inv. 1937,23 (ohne Montierung, vergl. Abb. 115, siehe auch T124) H. 95 mm

T58: Köln, Museum Schnütgen, Inv. F 51 (vergl. Abb. 104, 112) H. 107 mm Auch Abb. 53

T51 – T58

wbg Pilz / p. 223 / 9.3.2021

T59: London, Victoria and Albert Museum, Inv. A 46–1928 H. 90 mm

T60: London, Victoria and Albert Museum, Inv. A 45–1928 H. 148 mm

T61: Saint Riquier, Trésor de l’abbaye B. ca. 45 mm

T55 – T61

223

wbg Pilz / p. 224 / 9.3.2021

T62: Chicago, The Art Institute, Inv. 1962.91 H. ca. 95 mm

T66: Granada, Museo de la Alhambra, Inv. 4620 H. 75 mm

224

T63: Teheran, wohl Archäologisches Nationalmuseum H. 95 mm (?)

T67: Novara di Sicilia, Abazia S. Maria H. 95 mm

T64: Bagdad, Irakisches Nationalmuseum, Inv. 43207 H. 60 mm

T68: Kairo, Museum of Islamic Art, Inv. 15446 H. 91 mm

T65: London, The British Museum, Inv. 1894, 0517.1 H. 125 mm

T69. New York, The Metropolitan Museum of Art, Inv. 31.18.2 H. 36 mm

T62 – T69

wbg Pilz / p. 225 / 9.3.2021

T70: Köln, Rautenstrauch-Joost Museum, Inv. SO 539 (vergl. Abb. 99) H. 39 mm

T71: London, Victoria and Albert Museum, Inv. A 11–1942 H. 30 mm

T73: Dresden, Stadtmuseum, Inv. SMD 1973/52,3 H. 55 mm

T75: Quedlinburg, St. Servatius H. 44 mm

T72: London, The British Museum, Inv. FBIs. 13 H. 72 mm

T74: Köln, St. Severin (siehe auch T93) H. 65 mm

T70 – T76

T76: Essen, Domschatz (vergl. Abb. 107) H. 67 mm

225

wbg Pilz / p. 226 / 9.3.2021

T77: Münster, Domkammer, Inv. E5 H. 54 mm

T78: Lleida, Museu de Lleida H. 41 mm

T79: Burtscheid, St. Johann H. 58 mm

T81: London, The British Museum, Inv. FBIs. 12 L. 60 mm

226

T80: ehem. Sulmona, Domschatz

T82: Köln, St. Ursula (ohne Montierung, vergl. Abb. 59) L. 69 mm

T77 – T82

wbg Pilz / p. 227 / 9.3.2021

T83: Paris, Musée du Louvre, Inv. A.O.7799 L. 43 mm

T84: Münster, Domkammer, Inv. E6 L. 58 mm

T85: Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. I. 4650 B. 34 mm

T87: Emmerich, St. Martini (ehem. Hochelten), Inv. H9 L. ca. 63 mm

T86: Quedlinburg, St. Servatius (vergl. Abb. 60) L. ca. 95 mm

T89: Borghorst, St. Nikomedes (ohne Montierung, vergl. Abb. 108) L. 70 mm

T83 – T88

T88: New York, The Metropolitan Museum of Art, Inv. 17.190.504 L. ca. 109

227

wbg Pilz / p. 228 / 9.3.2021

T90: London, Victoria and Albert Museum, Inv. A 20–1926 L. 53 mm

T93: Köln, St. Severin (ohne Montierung, siehe auch T74) L. 65 mm

T91: Quedlinburg, St. Servatius L. 49 mm

T94: Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. I. 4836 L. 54 mm

T92: Enna, Tesoro del Duomo L. 61 mm

T95: London, Victoria and Albert Museum, Inv. M. 110–1966 L. 50 mm

T96: The Keir Collection of Islamic Art on loan at the Dallas Museum of Art, Inv. K.1.2014.1326 L. 58 mm

228

T90 – T96

wbg Pilz / p. 229 / 9.3.2021

T97: St. Petersburg, The State Hermitage Museum, Inv. CA-9993 L. 100 mm

T99: Quedlinburg, St. Servatius H. 125 mm

T102: ehem. Essen, Domschatz Dm. ca 70 mm

T97 – T105

T98: London, The British Museum, Inv. 1953, 0218.2 L. 98 mm

T100: Weissenau, St. Peter (ohne Montierung, vergl. Abb. 124) H. 150 mm

T103: Kairo, Museum of Islamic Art, Inv. 15445 · Dm. 80 mm

T101: Enna, Tesoro del Duomo H. 65 mm

T104: ehem. Berlin, Zeughaus, Inv. 2090 · Dm. 85 mm

T105: Bamberg, Domschatz, Inv. 2720/2–67 Dm. 68 mm

229

wbg Pilz / p. 230 / 9.3.2021

T106: Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. KG 695 (vergl. Abb. 36, 95) Dm. 177 mm

T107: Osnabrück, Domschatz H. 46 mm

T108: Osnabrück, Domschatz H. 53 mm

T109: Osnabrück, Domschatz H. 41 mm

T110: Osnabrück, Domschatz H. 37 mm

T111: Osnabrück, Domschatz H. 36 mm

T112: Köln, Museum Schnütgen, Inv. F 52 H. 41 mm

T113: Osnabrück, Domschatz H. 46 mm

T114: Osnabrück, Domschatz H. 38 mm

230

T106 – T114

wbg Pilz / p. 231 / 9.3.2021

T115: Osnabrück, Domschatz H. 53 mm

T116: Osnabrück, Domschatz H. 48 mm

T117: Osnabrück, Domschatz H. 41 mm

T118: Osnabrück, Domschatz H. 39 mm

T119: Osnabrück, Domschatz H. 44 mm

T120: Osnabrück, Domschatz H. 43 mm

T121: Osnabrück, Domschatz H. 33 mm

T122: Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. I. 4827 H. 31 mm

T123: Berlin, Museum für Islamische Kunst, Inv. I 1012 H. 46 mm

T124: Berlin, Kunstgewerbemuseum, Inv. 1937, 23 (ohne Montierung, vergl. Abb. 115) H. 44 mm

T125: Saint Maurice d’Agaune, Trésor de l’abbaye H. 32 mm

T126: Hildesheim, Domschatz, Inv. DS 4 H. 38 mm

T115 – T126

231

wbg Pilz / p. 232 / 9.3.2021

T127: Lleida, Museu de Lleida (ehem. Ager) H. 40 mm

T128: Lleida, Museu de Lleida (ehem. Ager) H. 42 mm

T129: Lleida, Museu de Lleida (ehem. Ager) H. 47 mm

T130: Lleida, Museu de Lleida (ehem. Ager) H. 38 mm

T131: Lleida, Museu de Lleida (ehem. Ager) H. 36 mm

T132: Lleida, Museu de Lleida (ehem. Ager) H. 45 mm

T133: Lleida, Museu de Lleida (ehem. Ager) H. 45 mm

T134: Lleida, Museu de Lleida (ehem. Ager) H. 43 mm

T135: Lleida, Museu de Lleida (ehem. Ager) H. 37 mm

T136: Lleida, Museu de Lleida (ehem. Ager) H. 38 mm

232

T137: Lleida, Museu de Lleida (ehem. Ager) H. 24–26 mm

T127 – T137

wbg Pilz / p. 233 / 9.3.2021

T138: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 1 HSa H. 68 mm

T139: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 1 HSb H. 66 mm

T140: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 1 HSe H. 53 mm

T141: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 1 HSf H. 60 mm

T142: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 1 HSc H. 55 mm

T143: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 1 HSd H. 54 mm

T144: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 1 HSg H. 42 mm

T145: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 1 HSh H. 34 mm

T146: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 1 HSi H. 32 mm

T147: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 1 HSj H. 32 mm

T148: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 2 HSa H. 54 mm

T149: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 2 HSb H. 38 mm

T138 – T149

233

wbg Pilz / p. 234 / 9.3.2021

T150: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 2 HSc H. 32 mm

T151: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 2 HSd H. 36 mm

T152: Kuwait, The al-Sabah Collection (ehem. Ager), Inv. LNS 2 HSe H. 36 mm

T153: Münster, Domkammer, Inv. E 34 (vergl. Abb. 110) H. 46 mm

T154: Halberstadt, Domschatz, Inv. Nr. DS080 H. 69 mm

234

T155: Capua, Tesoro del Duomo H. 78 mm

T156: London, Victoria and Albert Museum, Inv. 669: 1, 2–1883 H. 63 mm

T150 – T156