Theologie des Lebens bei Paulus und Johannes: Ein theologisch-konzeptioneller Vergleich des Zusammenhangs von Glaube und Leben auf dem Hintergrund ihrer Glaubenssummarien. Dissertationsschrift 9783161550416, 3161550412

Ausgehend von exegetischen Beobachtungen an zentralen Texten paulinischer Schriften und des Johannesevangeliums zeigt Na

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German Pages 398 [412] Year 2017

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Einführung
Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand
Glauben und Leben vor dem Hintergrund der Glaubenssummarien
Glaube und Leben bei Paulus
Glauben1 und Leben im Johannesevangelium
Ergebnis
Literaturverzeichnis
Stellenregister
Autorinnenund Autorenregister
Sachregister
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Theologie des Lebens bei Paulus und Johannes: Ein theologisch-konzeptioneller Vergleich des Zusammenhangs von Glaube und Leben auf dem Hintergrund ihrer Glaubenssummarien. Dissertationsschrift
 9783161550416, 3161550412

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Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) · James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) · Tobias Nicklas (Regensburg) J. Ross Wagner (Durham, NC)

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Nadine Ueberschaer

Theologie des Lebens bei Paulus und Johannes Ein theologisch-konzeptioneller Vergleich des Zusammenhangs von Glaube und Leben auf dem Hintergrund ihrer Glaubenssummarien

Mohr Siebeck

Nadine Ueberschaer, geboren 1979; Studium der Ev. Theologie in München und ­Tübingen; Mitarbeiterin im Projekt „Bibel und Literatur“ (Westfälische WilhelmsUniversität Münster); 2010–14 wissenschaftliche Assistentin in Zürich; 2014–16 ­Vikariat; 2016 Abgabe der Dissertation; seit September 2016 Pfarrerin.

ISBN 978-3-16-155041-6 ISSN 0512-1604 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio­ nal­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb. de abrufbar. © 2017 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Sys­temen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­­ papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Für Frank

Vorwort Die vorliegende Studie wurde im April 2016 von der Theologischen Fakultät der Universität Zürich aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. Jörg Frey und Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Weder als Dissertation angenommen und für die Drucklegung geringfügig überarbeitet. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei Prof. Dr. Jörg Frey, der seit meiner Studienzeit mein wissenschaftliches Arbeiten gefördert hat und an dessen Lehrstuhl in München und Zürich ich als Hilfskraft und später als wissenschaftliche Assistentin Einblick in Forschung und Lehre bekommen habe. Er hat das Projekt betreut und mich im eigenständigen Forschen unterstützt. Frau Prof. Dr. Christina Hoegen-Rohls (Münster) danke ich für intensive Gespräche, in denen sie die Entstehung der Studie verfolgt und mit ihrem Mitdenken bereichert hat. Ebenso geht mein Dank an Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Weder, der das Zweitgutachten erstellt und mir mit seinem Interesse an meiner Arbeit wertvolle Denkanstöße gegeben hat. Danken möchte ich auch der Universität Zürich, deren Unterstützung durch den Forschungskredit eine Reduktion meiner Stelle und somit mehr Zeit für die Dissertation ermöglicht hat und die die vorliegende Studie mit dem Jahrespreis 2017 prämiert hat. Den Herausgebern der Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in die erste Reihe sowie Klaus Hermannstädter und Rebekka Zech vom Verlag Mohr Siebeck für die freundliche Begleitung während der Drucklegung. Ein herzlicher Dank geht dabei an Kathrin Hager, die das Manuskript formatiert und die Register erstellt hat. Danken möchte ich auch meiner Familie, die mit Interesse das Entstehen dieses Buches verfolgt hat. Mein besonderer Dank gilt meinem Mann Frank, der mit seinen Ermutigungen und interessierten Nachfragen das Werden dieser Arbeit begleitet hat. Seine Unterstützung und die inspirierenden Gespräche mit ihm haben mein wissenschaftliches Arbeiten beflügelt. Ihm widme ich diese Arbeit. Mannheim, im Juli 2017

Nadine Ueberschaer

Inhalt Einführung ............................................................................................. 1 I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand ................................................................................... 3 1. Die entwicklungsgeschichtliche Zuordnung von Paulus und Johannes ............................................................................................ 6 1.1 Ferdinand Christian Baur ............................................................. 6 1.2 Heinrich Julius Holtzmann ........................................................... 8 1.3 Adolf Jülicher .............................................................................. 9 1.4 Wilhelm Bousset ........................................................................ 10 1.5 Johannes Weiß ........................................................................... 12 2. Die kanonisch-traditionsgeschichtliche Zuordnung .......................... 14 2.1 Dieter Zeller ............................................................................... 14 2.2 Rudolf Schnackenburg ............................................................... 16 3. Die geographische Zuordnung ......................................................... 20 3.1 Rudolf Schnackenburg ............................................................... 20 3.2 Udo Schnelle .............................................................................. 23 3.3 Klaus Berger .............................................................................. 27 3.4 Jürgen Becker ............................................................................ 28 4. Die konzeptionelle Zuordnung ......................................................... 30 5. Auswertung und neue Wege ............................................................ 32

II. Teil: Glauben und Leben vor dem Hintergrund der Glaubenssummarien ........................................................................... 39 1. Die vorpaulinischen Glaubenssummarien ........................................ 39 2. Paulinische Glaubenssummarien ...................................................... 46 3. Das johanneische Glaubenssummarium ........................................... 48

X

Inhalt

III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus .......................................... 51 1. „Der aus Glauben Gerechte wird leben.“ Die Bedeutung von Hab 2,4 für Paulus ........................................................................... 51 1.1 Hab 2,4 in der πίστις Χριστοῦ-Debatte ........................................ 53 1.2 Hab 2,4 im Römerbrief ............................................................... 62 1.2.1 Hab 2,4 in Röm 1,17 ......................................................... 62 1.2.2 Hab 2,4 und der lebendig machende und aus Toten auferweckende Gott in Röm 4 ........................................... 66 1.2.2.1 Der Kontext von Röm 4,16–25 .............................. 66 1.2.2.2 Röm 4,16–22 ......................................................... 69 1.2.2.3 Röm 4,23–25: der Jesus auferweckende Gott ......... 74 1.3 Hab 2,4 im Galaterbrief .............................................................. 77 1.3.1 Hab 2,4 in Gal 3,11 ........................................................... 77 1.3.1.1 Der Kontext von Gal 3,11 ...................................... 78 1.3.1.2 Hab 2,4 in Gal 3,10–12 .......................................... 79 1.3.2 Gal 3,13f. .......................................................................... 82 1.3.3 Gal 2,16.19–21 .................................................................. 85 1.3.4 Gal 6,14f. .......................................................................... 89 1.4 Fazit: Hab 2,4 und die Theologie des Lebens ............................. 91 2. Glaube und Leben im 1 Thess .......................................................... 92 2.1 Glaubenssummarien im 1 Thess ................................................. 92 2.2 Der lebendige Gott, der Jesus aus Toten auferweckt hat (1 Thess 1,9f.)............................................................................ 94 2.3 πιστεύοµεν ὅτι. Das Glaubenssummarium in 1 Thess 4,14 .......... 98 2.4 Lebensgemeinschaft mit dem Lebenden (1 Thess 5,10) ............ 101 2.5 Fazit: Glaubenssummarien und Leben im 1 Thess .................... 107 3. Glaube und Leben im 2 Kor ........................................................... 108 3.1 Glaubenssummarien in 2 Kor 5,11–21 ...................................... 108 3.2 Leben für den Gestorbenen und Auferweckten (2 Kor 5,14f.) ... 111 Exkurs: Die Proexistenz des Apostels und Jesu Sterben und Auferstehungsleben (2 Kor 4,10–12) ........................... 117 3.3 Das soteriologisch qualifizierte Leben als καινὴ κτίσις ............. 119 3.3.1 καινὴ κτίσις als „Neuschöpfung“ des Paulus .................... 119 Exkurs: Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund und Umfeld der paulinischen Rede von καινὴ κτίσις.. 120 3.3.2 Die Lebenden als καινὴ κτίσις (2 Kor 5,17) ..................... 125 3.3.3 Neuschöpfung und neue Erkenntnis (2 Kor 5,16) ............ 129 3.3.4 Neuschöpfung, (Dienst der) Versöhnung und Gerechtigkeit Gottes (2 Kor 5,18–21) ............................. 132 3.3.5 Der Lebensodem der paulinischen Verkündigung ............ 137

Inhalt

XI

3.3.5.1 „... ein Geruch ἐκ ζωῆς εἰς ζωήν“ (2 Kor 2,16) ...... 138 3.3.5.2 Die Gemeinde als Brief Christi, geschrieben mit dem Geist des lebendigen Gottes (2 Kor 3,3) ....... 139 3.4 Fazit: Glaubenssummarien und Leben im 2 Kor ....................... 142 4. Glaube und Leben im Röm ............................................................ 144 4.1 Glaubenssummarien und Leben in Röm 6,3–8; 14,7–9 ............. 144 4.2 Adam, Christus und die Neuheit des Lebens (Röm 5,1–12; 6,1–11) .............................................................. 147 4.2.1 Sünde zum Tod versus Gnade zum ewigen Leben. Die Adam-Christus-Typologie in Röm 5,12–21............... 147 4.2.2 Das Glaubenssummarium und die καινότης ζωῆς ............. 157 4.2.3 Neuheit des Lebens und die ζωὴ αἰώνιος .......................... 167 4.2.4 Die καινότης ζωῆς und das Pneuma .................................. 170 4.2.4.1 καινότης ζωῆς: Zugehörigkeit zum Auferweckten und der Dienst ἐν καινότητι πνεύµατος (Röm 7,4.6) ......................................................... 170 4.2.4.2 Die καινότης ζωῆς und der Nomos des Geistes, der Leben ist in Christus Jesus (Röm 8,1) ............ 174 4.3 Fazit: Glaubenssummarien und καινότης ζωῆς, ζάω und ζωὴ αἰώνιος in Röm 6 ................................................................ 178 Exkurs: Der τύπος διδαχῆς in Röm 6,17 als weiterer Link zu den Glaubenssummarien? Ein kurzer Seitenblick ............... 179 4.4 Das Glaubenssummarium in Röm 14,7–9 ................................. 181 4.5 Fazit: Das Glaubenssummarium in Röm 14,9 ........................... 189

IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium ............. 191 1. Glauben und Leben in Joh 11 ........................................................ 191 1.1 Joh 11,25f.: Spuren von Glaubenssummarien im Joh ................ 191 1.2 Der Kontext des johanneischen Glaubenssummariums: die Lazarus-Perikope ............................................................... 193 1.2.1 Kontext und Abgrenzung der Lazarus-Perikope im Joh ... 193 1.2.2 Die Lazarus-Perikope ...................................................... 196 1.2.2.1 Exposition: Einführung der Protagonisten und Nennung des Themas (11,1–5) ............................. 196 1.2.2.2 Ein retardierender Einschub: Jesus im Gespräch mit den Jüngern (Joh 11,6–16) ............................. 199 1.2.2.3 „Ich bin die Auferstehung und das Leben! – Glaubst du das?“ Jesus im Gespräch mit Martha (Joh 11,17–27) ..................................................... 205

XII

Inhalt

1.2.2.4 Jesus im Gespräch mit der trauernden Maria (Joh 11,28–37) ..................................................... 208 1.2.2.5 „Lazarus, komm heraus!“ (Joh 11, 43): Jesus ruft Lazarus aus dem Tod ins Leben (Joh 11,38–46) ... 211 1.2.3 Das johanneische Glaubenssummarium (Joh 11,25f.) ...... 214 1.2.3.1 Die sprachliche Gestalt und logische Struktur von Joh 11,25f. ........................................................... 215 1.2.3.2 Jesu göttliches ἐγώ εἰμί........................................ 217 1.2.3.3 Der soteriologische Nachsatz (Joh 11,25bc.26ab) 220 1.2.3.4 Fazit: Die Aussage von Joh 11,25f. ..................... 226 1.2.4 ἀνάστασις und/oder µετάβασις? Das johanneische Glaubenssummarium und Jesu Ruf an Lazarus ................ 226 1.2.4.1 „Lazarus, heraus jetzt!“: Jesu Ruf zur ἀνάστασις .. 228 1.2.4.2 „Lazarus, komm heraus!“: Jesu Ruf zur μετάβασις ............................................................ 229 1.2.4.3 „Lazarus, heraus jetzt!“: Jesu Ruf als Ruf aus dem Tod .............................................................. 232 1.2.5. Der Tötungsbeschluss (Joh 11,47–57) ............................ 234 1.3 Fazit: Das johanneische Glaubenssummarium. Analogien zu Paulus und Bezüge innerhalb des Joh ....................................... 236 1.3.1 Das johanneische Glaubenssummarium: Analogien zu Paulus ............................................................................. 236 1.3.2 Das johanneische Glaubenssummarium: Bezüge innerhalb des Joh ............................................................ 243 2. Glauben und Leben in Joh 3 .......................................................... 244 2.1 Kontext und Komposition von Joh 3,3.5.14–16 ........................ 245 2.2 Neuschöpfung, βασιλεία τοῦ θεοῦ, ‚glauben‘ und ‚ewiges Leben‘ in Joh 3 ........................................................................ 251 2.2.1 Neuschöpfung und die βασιλεία τοῦ θεοῦ (Joh 3,3–8) ...... 251 2.2.2 Glauben und ‚ewiges Leben‘ (Joh 3,13–16)..................... 259 2.3 Fazit: Joh 3 und das johanneische Glaubenssummarium ........... 267 3. Glauben und Leben in Joh 5 .......................................................... 268 3.1 Glauben und Leben in Joh 5,19–30 .......................................... 268 3.2 Kontext und Komposition von Joh 5,19–30 .............................. 270 3.3 ‚Glauben‘, ‚ewiges Leben‘, µετάβασις ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν und die Auferstehung in Joh 5,19–30 ......................... 273 3.3.1 ‚Glauben‘, ‚Hören‘ ‚ewiges Leben‘ und die µετάβασις ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν (Joh 5,24f.) .......................... 276 3.3.2 Das Hören der Stimme des Gottessohnes und die ἀνάστασις ζωῆς ................................................................ 280 3.4 Fazit: Joh 5 und das johanneische Glaubenssummarium ........... 283

Inhalt

XIII

4. Glauben und Leben in Joh 6 .......................................................... 285 4.1 Glauben und Leben in Joh 6,26–59(–71) .................................. 285 4.2 Kontext und Komposition von Joh 6,26–59(63.68) ................... 287 4.3 ‚βρῶσις εἰς ζωὴν αἰώνιον‘, ‚Lebensbrot‘, ‚Glauben‘, ‚ewiges Leben‘, ‚Fleisch‘ und ‚Blut‘ Christi (Joh 6,35–59) ................... 290 4.3.1 Die ‚Speise ins ewige Leben‘ (Joh 6,26–29) .................... 290 4.3.2 ‚Lebensbrot‘, ‚Glauben‘, ‚ewiges Leben‘ und die Auferstehung am letzten Tag (Joh 6,30–51abc) ............... 294 4.3.3 ‚Lebensbrot‘, ‚Glauben‘, ‚ewiges Leben‘, ‚Fleisch‘ und ‚Blut Christi‘ (Joh 6,51d–59) .......................................... 301 4.3.4 Die Worte Jesu und das ‚Leben‘ (Joh 6,60–71) ............... 306 4.4 Joh 6 und das johanneische Glaubenssummarium ..................... 311 5. Glauben, Erkennen und ewiges Leben in Joh 17. ........................... 313 5.1 „Das aber ist das ewige Leben, ...“ ........................................... 313 5.2 Kontext und Komposition von Joh 17 ...................................... 314 5.3 ‚Ewiges Leben‘, ‚Erkennen‘ und ‚Glauben‘ in Joh 17 .............. 315 5.3.1 ‚Ewiges Leben‘ und ‚Erkennen‘ in Joh 17,1c–3 .............. 315 5.3.2 Das ‚ewige Leben‘ und die Verherrlichung von Vater und Sohn (Joh 17,4f.) ...................................................... 319 5.3.3 Das ‚ewige Leben‘ und die Worte Gottes (Joh 17,6–8) .... 321 5.3.4 Das ‚ewige Leben‘ in der göttlichen Lebensgemeinschaft (Joh 17,20–23) ................................................................ 324 5.4 Fazit: Joh 17 und das johanneische Glaubenssummarium ......... 326

V. Teil: Ergebnis. Glaube und Leben bei Paulus und Johannes ............................................................................................. 329 Literaturverzeichnis .............................................................................. 343 Quellentexte und Hilfsmittel .............................................................. 343 Sekundärliteratur ............................................................................... 344 Stellenregister ....................................................................................... 376 Autorinnen- und Autorenregister........................................................... 389 Sachregister .......................................................................................... 393

Einführung „Es ist klar: Johannes gehört nicht in die paulinische Schule und ist durch Paulus nicht beeinflußt, sondern er ist eine originale Gestalt und steht in einer anderen Atmosphäre theologischen Denkens.“1 Dieses gewichtige Votum Rudolf Bultmanns in seiner Theologie des Neuen Testaments hatte zur Folge, dass die neutestamentliche Forschung gut dreißig Jahre keine Verhältnisbestimmung von Paulus und Johannes vorgenommen hat. Erst in der 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Theologien beider neutestamentlicher Schriften(sammlungen) erneut miteinander verglichen. Neben der Dominanz synchron orientierter Fragestellungen wurden zudem vermehrt auch historische Haftpunkte gesucht, die Gemeinsamkeiten erklären sollten. Dennoch ist bislang keine Monographie erschienen, die sich eine theologische Verhältnisbestimmung von Paulus und Johannes vornimmt, und das, obwohl Rudolf Bultmann ebenso festgehalten hat, dass „eine tiefe sachliche Verwandtschaft zwischen Johannes und Paulus besteht.“2 Dieser „sachlichen Verwandtschaft“ geht die vorliegende Studie nach. Dazu widmet sie sich einer theologisch-konzeptionellen Verhältnisbestimmung der Theologie des Apostels Paulus und des Evangeliums nach Johannes. Sie nimmt die in der Forschungsgeschichte des Öfteren thematisierte, aber bislang nicht im Detail untersuchte Beobachtung auf, dass sowohl in der Theologie des Paulus als auch nach dem Johannesevangelium das „Leben“ aus Glauben empfangen wird und macht diese zu ihrem Ausgangspunkt. In der Untersuchung zeigt sich, dass Paulus seinen spezifischen Lebensbegriff auf dem Hintergrund der vorpaulinischen Glaubenssummarien entfaltet, indem er diese mit der Lebensterminologie verbindet und damit deutend fortschreibt. Diese nunmehr paulinischen Texte werden deshalb als paulinische Glaubenssummarien bezeichnet und bilden zugleich den Ausgangspunkt für die Frage nach dem Spezifischen des paulinischen Lebensverständnisses. Des Weiteren lässt sich mit den paulinischen Glaubenssummarien erklären, weshalb Paulus im Röm und im Gal Hab 2,4 zitiert. Die u.a. an 1 2

R. B ULTMANN, Theologie, 361. R. B ULTMANN, Theologie, 361.

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Einführung

Hab 2,4 geführte Debatte um die Bedeutung des Syntagmas πίστις χριστοῦ lenkt den Blick darauf, dass das Genitivattribut in den διά bzw. ἐκ πίστεως Χριστοῦ-Belegen den ὅτι-Satz der vorpaulinischen Glaubenssummarien zusammenfasst. Wenn Paulus also seinen Lebensbegriff mit und in den Glaubenssummarien begründet, dann legt es sich nahe, dass er das Prophetenwort aus kommunikationspragmatischem Anlass und bedingt durch die historische Situation aufgenommen hat. Schließlich gelingt es ihm anhand von Hab 2,4 eine heilsgeschichtliche Kontinuität und die Schriftgemäßheit seiner Evangeliumsverkündigung nachzuweisen. Auch das vierte Evangelium bietet eine Kurzzusammenfassung des Glaubens – und dies sehr pointiert an einem narrativen Wendepunkt. Das johanneische Ich-bin-Wort im Kontext der Lazarusperikope, Joh 11,25f., beinhaltet in der Selbstprädikation des Offenbarers und in der typisch johanneischen Form des Ich-bin-Wortes nichts anderes als die Aussagen der vorpaulinischen Glaubenssummarien. Das Interessante für einen Vergleich mit Paulus ist dabei, dass auch das vierte Evangelium das Glaubenssummarium mit einer Lebensterminologie deutet. Aus diesem Grund wird Joh 11,25f. als johanneisches Glaubenssummarium bezeichnet, denn bei ihm handelt es sich um eine prägnante Analogie zu den paulinischen Glaubenssummarien. So fungiert das johanneische Glaubenssummarium dann auch als Ausgangstext für die Frage nach dem Zusammenhang von Glauben und Leben bei Johannes, von dem her weitere Texte diskutiert werden, die ein vertieftes Verständnis der Theologie von Glauben und Leben in diesem Evangelium ermöglichen (Joh 3; 5; 6; 17). Nachdem auf diese Weise beide Konzeptionen eines Lebens aus Glauben besprochen worden sind, werden in einem abschließenden Kapitel summarisch Analogien der theologischen Konzeptionen des Paulus und Johannes dargestellt.

I. Teil

Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

Die Verhältnisbestimmung von Paulus und Johannes1 fristete lange Zeit ein Schattendasein.2 Ein Grund hierfür war das Erscheinen der Theologie des Neuen Testaments Rudolf Bultmanns 1948–1953. Während im 19. und zu Beginn des 20. Jh., angefangen von Ferdinand Christian Baur bis hin zu Wilhelm Bousset eine entwicklungsgeschichtliche Zuordnung der paulinischen zur johanneischen Theologie erfolgte, klaffte nach dem Erscheinen der Theologie Bultmanns eine Lücke in der Bearbeitung dieser Fragestellung bis in die 80er Jahre des 20. Jh. Denn seine These, dass Johannes von Paulus unabhängig sei, wenngleich sie eine „tiefe sachliche Verwandtschaft“3 miteinander verbinde, sowie seine Lokalisierung der johanneischen Theologie in Syrien und ihre Zuordnung zur Gnosis stellte Johannes „in einen anderen traditions- und religionsgeschichtlichen Zusammenhang (...) als Paulus.“4 Dementsprechend kritisierte Bultmann die vorherrschende entwicklungsgeschichtliche Zuordnung der johanneischen zur paulinischen Theologie. Joh repräsentiere weder „den Höhepunkt der über Paulus hinausführenden Entwicklung“5 noch könne die Verhältnisbestimmung zwischen beiden theologiegeschichtlichen Entwürfen „nach dem Schema einer einlinigen Entwicklung der urchristlichen Theologie“6 erfolgen. Paulus habe Johannes nicht als Bindeglied zwischen sich und der Urgemeinde gedient, und ebensowenig bilde er die Denkvoraussetzung für das Corpus 1 Wenn im Folgenden von Johannes (auch Joh) die Rede ist, ist anders als bei Paulus keine Person, sondern das Evangelium gemeint. 2 So stellt K. BERGER, Theologiegeschichte des Urchristentums, 251, fest: „Das Verhältnis von Paulus zum Corpus Iohanneum (…) gilt als eine der Zentralfragen der neutestamentlichen Theologie“. Um so erstaunlicher ist es, dass in den letzten Jahren keine umfangreicheren Untersuchungen erschienen sind, die sich einer Verhältnisbestimmung der beiden neutestamentlichen Schriftenkorpora widmen. Eine Ausnahme bildet die Dissertation von F. X. MONSE, Johannes und Paulus, die 1915 erschienen ist, jedoch aufgrund ihres überholten methodischen Ansatzes in jüngsten Forschungsüberblicken keine Beachtung gefunden hat. Vgl. hierzu J. BECKER, Verhältnis, 475, sowie C. HOEGENROHLS, Johanneische Theologie, 595. 3 R. B ULTMANN, Theologie, 361. 4 So U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 212. 5 R. B ULTMANN, Theologie, 357. 6 R. B ULTMANN, Theologie, 358.

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I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

Johanneum. Sollten die johanneischen Schriften den Paulinismus voraussetzen, müsste es nach Bultmann inhaltliche Berührungspunkte zwischen der johanneischen Theologie und den Deuteropaulinen geben, die die Art und Weise der Fortentwicklung paulinischer Gedanken belegten.7 So kommt Bultmann zu folgendem Fazit: „Es ist klar: Johannes gehört nicht in die paulinische Schule und ist durch Paulus nicht beeinflußt, sondern er ist eine originale Gestalt und steht in einer anderen Atmosphäre theologischen Denkens.“8 Bultmann zufolge kann keine Aussage zu einer „spezielle(n) Beziehung“9 zwischen Paulus und Johannes gemacht werden. Für Gemeinsamkeiten in der Verwendung dualistischer Begriffspaare und Ähnlichkeiten in der Christologie verweist Bultmann stark verallgemeinernd auf die gemeinsame gnostisch geprägte „religionsgeschichtliche( ) Atmosphäre“ des Hellenismus.10 Johannes und Paulus modifizierten teils adaptierend (Erlösermythos), teils antithetisch (kosmischer Dualismus) Denkmuster der Gnosis. Aber selbst der gemeinsame „Gebrauch gemeinchristlicher Terminologie“11 für die Sendung und Hingabe Jesu weise auf die Eigenständigkeit der jeweiligen Schriftencorpora hin, da „die spezifisch paulinische Terminologie bei Johannes fehlt.“12 Auffällig sei zudem das Fehlen der zentralen paulinischen Rechtfertigungsaussagen im Kontext der Antithese ἐξ ἔργων νόµου – ἐκ πίστεως bei Johannes sowie die darin zum Ausdruck kommende „heilsgeschichtliche Perspektive“.13 Wie eine Tangente den Kreis berührten sich Paulus und Johannes lediglich in einem, dafür aber dem entscheidenden Punkt: Beide erkennen in der Sendung Jesu das eschatologische Geschehen,14 das sich in der Gegenwart vollzieht und eine „Wende der Äonen“15 darstellt. Aufgrund ihrer gemeinsamen Sichtweise auf das Christusereignis konstatiert Bultmann eine „tiefe sachliche

7

R. B ULTMANN, Theologie, 358. Vgl. weiter DERS., Art. Johannesevangelium, 846: „Meinte man früher vielfach, das J. als den Höhepunkt einer Entwicklung verstehen zu müssen, die von der Urgemeinde über Paulus zu ihm führt, so muß diese Konstruktion jetzt aufgegeben werden aus der Einsicht, daß die Theologie des J.s nicht als eine Fortbildung der paulinischen verständlich ist.“ 8 R. B ULTMANN, Theologie, 361. 9 R. B ULTMANN, Theologie, 359. 10 R. BULTMANN, Theologie, 358, vertritt die These eines „gnostischen Erlösermythos“, so dass er von der „Sendung des präexistenten Gottessohnes in der Verkleidung eines Menschen“ (a.a.O., 358) spricht. 11 R. B ULTMANN, Theologie, 358. 12 R. B ULTMANN, Theologie, 359, verweist auf die Antithese Fleisch – Geist sowie auf anthropologische Termini (vgl. a.a.O., 359f.). 13 R. B ULTMANN, Theologie, 360. Bultmann erkennt diese zudem in der AdamChristus-Typologie sowie in der Abraham-Argumentation bei Paulus. 14 R. B ULTMANN, Art. Johannesevangelium, 846. 15 R. B ULTMANN, Theologie, 358.

I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

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Verwandtschaft zwischen Johannes und Paulus“.16 Diese Sicht auf Paulus und Johannes sollte für mehr als drei Jahrzehnte prägend bleiben. Erst ab den 1980er Jahren werden die Theologie des Apostels und des Evangelisten in Form von Aufsätzen und einzelnen Kapiteln innerhalb von Kommentaren zum vierten Evangelium erneut miteinander verglichen. Zu nennen sind die Beiträge von Rudolf Schnackenburg, Dieter Zeller, Udo Schnelle, Klaus Berger, Jürgen Becker, Michael Schmidl und Michael Theobald,17 die zwischen 1987 und 2009 publiziert wurden.18 Der folgende Überblick über die Forschungsgeschichte und den gegenwärtigen Forschungsstand systematisiert die bislang erschienen Arbeiten typologisch, indem nach der Art der Verhältnisbestimmung und der damit verbundenen Methodik des Vergleichs gefragt wird. Sie beschränkt sich damit bewusst auf die Ansätze, die explizit auf eine Verhältnisbestimmung von Paulus und Johannes zielen, während Arbeiten zur Rekonstruktion der Geschichte der Christen in Ephesus unberücksichtigt bleiben.19 Der Überblick über die Forschungsgeschichte wird zeigen, dass gerade die neueren Entwürfe ältere Modelle aufnehmen und weiterschreiben. Zugleich ergänzen sie sie durch neuere Fragestellungen. Die Typologisierung fokussiert

16

R. B ULTMANN, Theologie, 361. R. SCHNACKENBURG, Christologie, 221–237 (erneut abgedruckt in DERS., Das Johannesevangelium [HThKNT IV/4], Freiburg u.a. 22000, 102–118), sowie DERS., Ephesus, 41–64; D. ZELLER, Paulus, 167–182; U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 212–228; DERS., Evangelium, 2f.17; DERS., Einleitung, 544; DERS., Theologie, 119–145; K. BER GER , Theologiegeschichte, 251–269; M. SCHMIDL, Methode, 223–254; J. B ECKER , Geisterfahrung, 428–442; DERS., Verhältnis, 473–496; M. T HEOBALD, Johannes, 75f., der aber hier nicht weiter aufgeführt zu werden braucht, da er lediglich in aller Kürze „Berührungen in Motiven, Wortfeldern und Sprachmustern“ (a.a.O., 75) aufführt und zu der Annahme gelangt, dass die „johanneische Theologie und Tradition außerhalb des paulinischen Einflusses entstanden sein und sich entwickelt haben muss“ (a.a.O., 76). Sofern er Parallelen zu Paulus erkennt, nennt er diese in der Kommentierung zur jeweiligen JohStelle, so dass sie dort auch in der vorliegenden Studie erwähnt werden. 18 Vgl. den ausführlichen Forschungsüberblick bei C. HOEGEN-ROHLS, Johanneische Theologie, an den sich die hier skizzierte Forschungsgeschichte anlehnt. 19 Zu diesem letztgenannten Themenbereich gehören insbesondere die Arbeiten von P. TREBILCO, Early Christians; S. W ITETSCHEK, Frühe Christen; M. TELLBE, ChristBelievers. Sie alle legen im Zusammenhang ihrer jeweiligen Rekonstruktion der Geschichte der Christen in Ephesus in gewisser Weise eine Verhältnisbestimmung von Paulus und Johannes vor, doch entspricht ihre Fragestellung nicht der hier verfolgten. Weiter ist J. FREY, Diaspora, 99–132; DERS., Diversität, 235–278, zu nennen. Er möchte außer den Johannesbriefen ebenso die Entstehung bzw. Herausgabe des Johannesevangeliums in Ephesus verorten. Anstelle der eben genannten Arbeiten zu Christen in Ephesus werden hier die Vertreter einer geographischen Verortung referiert, die die lokale Zuordnung dazu nutzen, um theologische Übereinstimmungen und Differenzen zwischen Paulus und Johannes zu erklären. 17

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I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

daher das jeweilige Modell der Verhältnisbestimmung.20 Diese Modelle sollen im Folgenden als entwicklungsgeschichtliche (2.1), kanonischtraditionsgeschichtliche (2.2), geographische (2.3) und konzeptionelle (2.4) Zuordnung bezeichnet und dargestellt werden. Zudem sollen die untersuchten Themen paulinischer und johanneischer Theologie skizziert werden. Im Anschluss daran werden die vorgestellten Vergleiche kritisch gewürdigt, bevor in Aufnahme, Weiterführung sowie Abgrenzung zu ihnen begründet wird, weshalb die vorliegende Studie einen theologisch-konzeptionellen Vergleich intendiert.

1. Die entwicklungsgeschichtliche Zuordnung von Paulus und Johannes 1. Die entwicklungsgeschichtliche Zuordnung von Paulus und Johannes

Ferdinand Christian Baur legte 1867 den Grundstein für eine entwicklungsgeschichtliche Zuordnung von Paulus und Johannes,21 die in den folgenden Jahren von Holtzmann, Jülicher, Bousset und Weiß rezipiert wurde. Die Vertreter einer entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung stimmen darin überein, dass Johannes die „Vollendung paulinischer Gedankenwelt“ und den „Höhepunkt urchristlicher Theologie“ darstelle.22 1.1 Ferdinand Christian Baur In Baurs „Kritische(n) Untersuchungen über die Kanonischen Evangelien“ analysiert er das Johannesevangelium in Bezug auf seine „Stellung (…) zum Bewußtseyn der Zeit“.23 Das vierte Evangelium stellt für ihn die höchste Form der „drei Typen christlicher Lehre“ oder der „drei Hauptformen des christlich-religiösen Bewußtseyns, welche ebensoviele Entwicklungsstufen desselben sind“, dar.24 In ihm erreiche das Christentum seinen „absoluten Punkt“,25 indem es Jesus als wahren Gott verkündige. Die besondere Bedeutung der Person Jesu unterscheide das vierte Evangelium von den Synoptikern und Paulus. Nach Baur repräsentieren die Synoptiker mit ihrer Vorstellung von Jesus als Messias bzw. Sohn Gottes die unterste Stufe christlichen Bewusstseins. Ihr spezifisch christliches Profil 20 In der Folge werden daher einzelne Repräsentanten mehrfach Erwähnung finden, indem ihre Positionen vor dem Hintergrund der vorgenommenen Verhältnisbestimmung dargestellt werden. 21 Vgl. C. HOEGEN-ROHLS, Johanneische Theologie, 598, die bezogen auf Baur die Bezeichnung „entwicklungslogisch“ gebraucht. 22 J. BECKER, Verhältnis, 474. 23 F. C. B AUR, Kritische Untersuchungen, 311. Vgl. ausführlich a.a.O., 311–327. 24 F. C. B AUR, Kritische Untersuchungen, 311. 25 F. C. B AUR, Kritische Untersuchungen, 313.

1. Die entwicklungsgeschichtliche Zuordnung von Paulus und Johannes

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gegenüber dem Judentum sei bestimmt durch die Deutung des Todes Jesu zur Vergebung der Sünden. Paulus lasse das Entwicklungsstadium der Synoptiker hinter sich. Er erhebe Christus zum Glaubensobjekt und Herrn der Gemeinde. Bei Johannes schließlich sei Christus „das Subjekt der evangelischen Geschichte“. Als präexistenter Logos sei er „von Ewigkeit bei Gott (…), und selbst Gott“.26 Es ist also die Christologie, die Baur dazu bringt, Paulus als „den nächsten Maaßstab“27 für Johannes zu nehmen: Johannes entwickle die paulinische Christologie weiter, indem er Jesus vergöttliche.28 Daraus erklärten sich Unterschiede in der Ausgestaltung der Soteriologie. Paulus bilde mit seiner Reflexion über den Tod Jesu als Versöhnung des Menschen mit Gott und der damit verbundenen Bedeutung der Person Jesu die „Voraussetzung“29 für die johanneische Lehre. Nach Paulus partizipiere der Glaubende am Heilstod Jesu, indem er denselben Prozess der Überwindung der Sündenmacht und der Befreiung vom Gesetz wie jener für sich vollziehe. Johannes hingegen lehre, dass sich das Heil im Erscheinen des eingeborenen Gottessohnes verwirklicht habe und der Logos die glaubenden Kinder Gottes „als das Verwandte“ mit sich vereinige.30 Offen bleibt bei Baur das „objektive Verhältniß“31 von Paulus und Johannes. Er bietet keine historische Erklärung, woher Johannes Paulus hätte rezipieren und seine Christologie und Soteriologie weiterentwickeln können – und darin sind ihm die übrigen Vertreter gefolgt, die Baurs entwicklungsgeschichtliche Zuordnung übernehmen. In gewisser Weise kann dies aber auch als Stärke der entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung gesehen werden. Denn darin kommt gewissermaßen gleichsam die Einsicht zum Ausdruck, dass es aufgrund der Quellenlage schwierig ist, eine histo26

F. C. B AUR, Kritische Untersuchungen, 312. F. C. B AUR, Kritische Untersuchungen, 312. 28 F. C. B AUR, Kritische Untersuchungen, 312: „(…) was in Ansehung der Person Christi bei Paulus immer noch ein menschlich-göttliches Verhältniß ist, ist bei Johannes ein absolut göttliches.“ 29 F. C. B AUR, Kritische Untersuchungen, 314: „Nur vom paulinischen Standpunkt konnte man zum johanneischen fortgehen, nicht aber umgekehrt vom johanneischen zum paulinischen sich zurückwenden, und das johanneische Evangelium kann daher nur einer Periode angehören, in welcher man über die paulinische Form des Christenthums schon hinausgegangen war.“ 30 F. C. B AUR, Kritische Untersuchungen, 314: „Mit einem Worte: was dort auf dem anthropologischen Standpunkte des Paulus der im subjektiven Bewußtseyn des Einzelnen sich in sich selbst vertiefende Gegensatz des Fleisches und Geistes, der Sünde und der Gnade ist, ist auf dem metaphysischen Standpunkt des Johannes der objektive Gegensatz der beiden (…) Principien, des Lichts und der Finsterniß, und der Proceß des im Kampfe mit dem Unglauben der Welt sich selbst verherrlichenden, und in dieser Verherrlichung zur absoluten Identität mit sich selbst zurückkehrenden Logos.“ 31 F. C. B AUR, Kritische Untersuchungen, 314. 27

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rische Verhältnisbestimmung vorzunehmen oder auch eine literarische Abhängigkeit nachzuweisen. Letztere wird daher von den Vertretern einer entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung auch ausgeschlossen. 1.2 Heinrich Julius Holtzmann Holtzmann urteilt im zweiten Band seines Lehrbuches der Neutestamentlichen Theologie von 1897 hinsichtlich des Verhältnisses des Joh zu den Paulusbriefen: „In seinen einzelnen Formulierungen stellt der Paulinismus ein durchgearbeitetes und nunmehr dahinten liegendes Entwickelungsstadium dar; in seinen treibenden Gedanken (Freiheit des Glaubens vom Gesetz) und letzten Zielpunkten (Universalismus des Heils) bildet er ein Ferment der joh. Theologie.“32 Der Heilsuniversalismus des vierten Evangeliums „ruht auf einer breiteren und durch den Gang der Geschichte selbst gesicherteren Grundlage als der paulin. Universalismus“.33 Die paulinische Auseinandersetzung mit einem partikularistischen Judentum sei in der johanneischen Soteriologie überwunden. Mit Hilfe der Logos-Lehre stelle der vierte Evangelist nach Joh 3,16 Jesus als Retter der Welt dar, in dessen Sendung sich der Heilswille Gottes vollzogen habe. Die johanneische Glaubensvorstellung versteht Holtzmann als Resonanz auf den Apostel. Wie für Paulus sei auch für Johannes das Gesetz zum Ende gekommen und der Glaube der einzige Heilsweg.34 Die paulinische Rechtfertigungslehre spiegele sich in der Hoffnung auf Heil im Gericht bzw. im Ausgenommensein des Glaubenden von ebendiesem (1Joh 4,17; Joh 5,24). Eine weitere Analogie erkennt Holtzmann in der Auslegung der Abrahamskindschaft als „religiös-sittliche (…) statt fleischlich-nationaler“35 (Joh 8,35–44) und der Begründung des Unglaubens Israels aus der Prophetie Jesajas (Jes 53,1).36 Johannes „vollstreckt (…) nur das Testament des Pls – aber seinem Sinne, nicht seinem Wortlaut gemäß.“37 Die grundlegende Differenz zu Paulus besteht nach Holtzmann in der Soteriologie. Im Johannesevangelium wirke der inkarnierte Logos „durch die ganze Gottesoffenbarung seines Lebens erlösend“38; als Erhöhter eigne ihm dann die Exousia, Juden und Heiden als die Eigenen (Joh 1,11) zu sich zu ziehen. Stattdessen erkläre Paulus die Rettung der Heiden infolge der

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H. J. HOLTZMANN, Lehrbuch, 402. H. J. HOLTZMANN, Lehrbuch, 401. 34 H. J. HOLTZMANN, Lehrbuch, 401, postuliert eine Korrespondenz zwischen Gal 2,16 und Joh 6,28f. sowie Röm 6,16 und Joh 8,34. 35 H. J. HOLTZMANN, Lehrbuch, 402. 36 H. J. HOLTZMANN, Lehrbuch, 401. 37 H. J. HOLTZMANN, Lehrbuch, 402. 38 H. J. HOLTZMANN, Lehrbuch, 402. 33

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Ablehnung Jesu durch Israel heilsgeschichtlich und begründe die Verwirklichung des Heils mit dem Fluchtod Jesu kreuzestheologisch.39 Nach Holtzmann geht die Christologie des Johannesevangeliums über Paulus und die Deuteropaulinen hinaus. Aufgrund der Rezeption der Logoslehre hätten „die Versuche, den Gedanken eines offenbaren und der Welt zugänglichen Gottes anschaulich zu machen, ein dauerndes Ergebnis erreicht“40. Während Paulus den auferstandenen Gekreuzigten verkündige, der in seine prämondiale Herrlichkeit zurückgekehrt sei, erkläre Joh mit Hilfe der Logoslehre auch den irdischen Jesus „nach jener höheren Anschauung“41. Dem Geheimnis um die Person Jesu habe Paulus nach 1 Kor 15,47 mit der Vorstellung eines „,zweiten Menschen‘“ näher zu kommen versucht. Johannes hingegen vertrete die Vorstellung eines „,zweiten Gottes‘“, einer „Gottheit auf Erden im Fleisch“, einer „Gotteserscheinung“.42 Holtzmanns entwicklungsgeschichtliche Zuordnung von Paulus und Johannes weist deutliche Parallelen zu Baur auf. Baur und Holtzmann werten die Soteriologie und Christologie bei Johannes als Weiterentwicklung der paulinischen Lehre: Die Selbstoffenbarung Gottes in Christus wirke die Erlösung. Beide entwickeln diese These mit einer negativen Sicht auf das Judentum, von dem sich Johannes ganz und gar distanziert hätte. Offen bleibt, wie Johannes Paulus kennen und rezipieren konnte. Bei beiden spielt hierbei lediglich der temporale Aspekt eine bedeutende Rolle: Johannes wird eindeutig später datiert als Paulus. 1.3 Adolf Jülicher Pointiert formuliert Adolf Jülicher die Zuordnung: „Der ‚Theologe‘ Johannes steht auf den Schultern des Paulus“.43 Für Jülicher ist der Verfasser des vierten Evangeliums sowie der Johannesbriefe ein Original unter den Schriftstellern des zweiten Jahrhunderts. Seine Schriften spiegelten „halb Abhängigkeit“ und „halb Gegensatz“44 zu Paulus und den Synoptikern wider. Paulus und Johannes stimmten darin überein, dass dem Menschen das Heil allein im Glauben an Christus zugeeignet werde. Allerdings wählten sie unterschiedliche religionsgeschichtliche Modelle für ihre jeweilige soteriologische Konzeption. Paulus deute den Tod Jesu als stellvertretenden Sühnetod, mit dem Christus einen Prozess gegen die Sünde geführt habe. An die Stelle der paulinischen Kreuzestheologie trete dann bei Johannes die Christusmystik: Der Paraklet ermögliche die wechselseitige Immanenz 39

H. J. HOLTZMANN, Lehrbuch, H. J. HOLTZMANN, Lehrbuch, 41 H. J. HOLTZMANN, Lehrbuch, 42 H. J. HOLTZMANN, Lehrbuch, 43 A. J ÜLICHER, Religion, 96. 44 A. J ÜLICHER, Religion, 96. 40

406–408. 412. 412. 413.

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von Erhöhtem und Glaubenden.45 Dabei habe Johannes bewusst diese andere soteriologische Konzeption gewählt, weil es sich bei den soteriologischen Modellen des Paulus um „echte Produkte jüdischer Schriftgelehrsamkeit“ handele, die „das hellenische Denken vielmehr abstoßen mußten als gewinnen“46. Einen weiteren Unterschied postuliert Jülicher für die Eschatologie. Im Gegensatz zu Paulus vertrete Johannes eine präsentische Eschatologie, so dass bei Johannes Glaube und Hoffnung eine Einheit bildeten. Die Vergeistigung des Gottesbegriffs und die daraus folgende gegenwärtige Gottesmystik führten dazu, dass die johanneischen Christen schon jetzt im Sehen und nicht im Glauben wandelten. Wie für Holtzmann ist auch für Jülicher die johanneische Logos-Christologie einzigartig. Er bewertet sie als Zugeständnis an die griechische Philosophie, mit Hilfe derer Johannes die paulinische Tendenz, Christus zu vergotten, weitergeführt habe.47 Jülicher schließt seinen Vergleich mit einem Werturteil. Er präferiert die johanneische gegenüber der paulinischen Theologie als „Vereinfachung und Konzentration“.48 Während Paulus die Bedeutung des historischen Jesus auf dessen Kreuzestod reduziert habe, sei es Johannes, der den Worten, Werken und Geboten des irdischen Jesus sowie seiner geschichtlich individuellen Persönlichkeit nach Paulus Bedeutung verliehen habe. Analog zu Baur und Holtzmann sieht auch Jülicher die Unterschiede zwischen Paulus und Johannes in der Lehre von der Person Jesu und der Deutung seines Todes begründet. Kritisch zu hinterfragen ist Jülichers Vorwurf, Paulus habe die Bedeutung des irdischen Jesus auf dessen Tod reduziert. Dem kann die gattungsspezifische Differenz von Brief und Evangelium entgegengehalten werden. So liegt der Fokus der Gattung Evangelium auf einer Darstellung des Lebens Jesu, während in einem nachösterlichen Brief je nach Fragestellung der irdische hinter den erhöhten Christus zurücktreten kann. 1.4 Wilhelm Bousset Im Anschluss an die zuvor genannten Vertreter einer entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung sieht auch Wilhelm Bousset Johannes „auf den

45 Vgl. A. JÜLICHER, Religion, 96.98. Er bezeichnet den Parakleten als „Prinzip des Fortschritts“ aufgrund seiner Funktion, das Kommende zu offenbaren: „eine hochwichtige Idee, die eine Entwickelung im Christentum, ein Hineinwachsen in immer neue Wahrheit für alle Zukunft rechtfertigt.“ (a.a.O., 96). 46 A. J ÜLICHER, Religion, 96. 47 A. J ÜLICHER, Religion, 98. 48 A. J ÜLICHER, Religion, 98f.

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Schultern des ‚Paulus‘“49 stehen, ohne damit die Originalität des Johannes in Frage zu stellen.50 Als Repräsentant der Religionsgeschichtlichen Schule fordert Bousset für das paulinisch-johanneische Christentum, „dessen gesamtes Werden innerhalb der Kulturwelt des griechisch-römischen Reiches in die hier sich bietenden großen religionsgeschichtlichen Zusammenhänge einzustellen“51. Damit solle verhindert werden, die für Paulus und Johannes prägenden Einflüsse auf alttestamentliche und frühjüdische Traditionen zu reduzieren.52 Nach Bousset teilen Paulus und Johannes dieselbe „Christusfrömmigkeit“ als „Glauben an den Sohn Gottes“.53 Beide tendierten dazu, die christliche Religion zu individualisieren und zu spiritualisieren, indem der Erhöhte als gegenwärtige Größe bei jedem Glaubenden präsent sei. Aufgrund dessen trete „das kultisch Sakramentale (…) in den Hintergrund“.54 Paulus und Johannes verträten eine subordinatianische Christologie, bei der das Wirken Jesu durch den Willen Gottes determiniert sei.55 Wie Jülicher spricht auch Bousset von einer „Christus-Mystik“ des Johannes56 und betont das johanneische Interesse am irdischen Jesus und der LogosChristologie. Besonderes Augenmerk legt Bousset bei der Logos-Lehre auf die Präexistenz Jesu und das damit verbundene johanneische Modell, dass Jesu „irdische(r) Aufenthalt als eine Episode erscheint zwischen Präexistenz und Himmelfahrt“.57 In der Konzentration des vierten Evangelisten auf das irdische Wirken Jesu erkennt Bousset die größte Differenz zwischen Paulus und Johannes. Johannes verweile in seiner Jesusdarstellung beinahe meditativ bei der Gestalt Jesu als „Licht“ und „Mystagoge“, der den Menschen im Glauben mit sich vereinige und in dessen Herrlichkeit sich der Glaubende mystisch versenken könne.58 Daraus folgten Unterschiede in der Soteriologie und der Anthropologie. Während Paulus zwischen einem alten, unter der Todesmacht der Sünde stehenden, erlösungsbedürftigen Menschen und einer neuen Existenz, die ihre Identität durch 49

W. B OUSSET, Kyrios Christos, 180. W. B OUSSET, Kyrios Christos, 180: Johannes sei „ein originales Gebilde von kräftiger Eigenart“. 51 W. B OUSSET, Kyrios Christos, IX. 52 W. B OUSSET, Methodologie, 5: „Selbst die eigentümliche Höhe der paulinischen Litteratur ruht nicht auf der Vertrautheit des Paulus mit alttestamentlicher Frömmigkeit. (…) Die johanneischen Schriften sind endlich vom Boden des alten Testaments aus gar nicht erklärlich, ihre Grundbegriffe sind keineswegs alttestamentlich.“ 53 W. B OUSSET, Kyrios Christos, 180. 54 W. B OUSSET, Kyrios Christos, 180. 55 W. B OUSSET, Kyrios Christos, 180. 56 W. B OUSSET, Kyrios Christos, 180. 57 W. B OUSSET, Kyrios Christos, 180. 58 W. B OUSSET, Kyrios Christos, 181; vgl. a.a.O., 180f. 50

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den Glauben erhält, unterscheidet, sei es bei Johannes „ein einfaches, frohes Hinaufgehobenwerden, ein Sich-Hineinschauen in die Herrlichkeit des Gottessohnes“.59 Das lässt Bousset schließlich zu dem Fazit gelangen, Paulus und Johannes repräsentierten zwar beide eine „Erlösungsreligion“, aber mit unterschiedlichen Akzenten. Bei Paulus bedarf der alte Mensch der Erlösung durch den Kreuzestod Jesu, bei Johannes hingegen müsse der Glaubende von der finsteren Macht des Kosmos, der ungläubigen Welt, erlöst werden.60 Damit erkennt auch Bousset wie bereits zuvor Baur, Holtzmann und Jülicher die größten Differenzen zwischen Paulus und Johannes in der Christologie und Soteriologie. Dabei kann die kritische Anfrage an Jülicher, ob sich die Konzentration auf das irdische Wirken Jesu bei Joh nicht der Gattung verdanke, ebenso an Bousset gestellt werden. 1.5 Johannes Weiß Als letzter Vertreter einer entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung von Paulus und Johannes ist Johannes Weiß zu nennen. Über die entwicklungsgeschichtliche Zuordnung hinaus nennt Weiß Aspekte einer lokalen Zuordnung, denn er nimmt an, dass die Theologien der deuteropaulinischen und der johanneischen Schriften ein Produkt der Tradierung und Fortschreibung paulinischen Gedankenguts in der Provinz Asia seien.61 Daher könne auch nicht von einem „johanneischen Neubau“62 gesprochen werden. Die trotz der gemeinsamen geographischen Verortung erkennbaren Differenzen zwischen den Schriftenkorpora führt Weiß auf den zeitlichen Abstand und die veränderte geschichtliche Situation zurück. Aufgrund der erfolgten Trennung vom Judentum müsse Johannes die paulinische Lehre der Rechtfertigung aus Glauben, statt aus Werken des Gesetzes, nicht mehr thematisieren.63

59 W. B OUSSET, Kyrios Christos, 181. Daher unterscheiden sich nach Bousset der paulinische und der johanneische Dualismus: Paulus lokalisere die Zerrissenheit im Inneren des Individuums, Johannes hingegen verorte die Gegensätze zwischen Jesus und den Glaubenden einerseits und dem ungläubigen Kosmos andererseits. Während Paulus mit seiner Deutung des Todes Jesu als stellvertretendem Sühnetod zur Vergebung der Sünden den im Inneren des Menschen existenten Dualismus für überwindbar erkläre, beharre Johannes auf seinem Dualismus „empirischer Natur“ als „praktische Polemik gegen Judentum, ungläubige Welt“ (a.a.O.,182). 60 W. B OUSSET, Kyrios Christos, 183. 61 J. WEISS, Urchristentum, 611. 62 J. WEISS, Urchristentum, 611. 63 Weiß formuliert die Schattenseite dieser Entwicklung: „In dem Maße als die antijudaistischen Spitzen des Paulinismus zurückgezogen werden, treten die antijüdischen stärker hervor.“ (J. WEISS, Urchristentum, 608). Während er dem Apostel „Liebe“ und

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Wie die zuvor erwähnten Vertreter einer entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung wird für Weiß die Differenz zwischen Paulus und Johannes insbesondere an der unterschiedlichen Soteriologie deutlich. Nach Weiß wirkt bei Johannes die Selbstoffenbarung Gottes in Christus das Heil,64 während für Paulus der Kreuzestod Jesus konstitutiv sei.65 „Aber trotz alledem kann gar kein Zweifel sein, daß die johanneische Lehre und Religion überall auf paulinischen Gedanken und Formeln steht, daß sie die Linien, die bei Paulus angelegt sind, weiter zieht.“66 Dass Paulus die Voraussetzung für Johannes bilde, zeige beispielsweise die Transformation der futurischen Eschatologie des Paulus zu einer präsentischen bei Johannes. Eine weitere Modifikation und Weiterentwicklung sieht Weiß darin, dass Johannes die paulinische Rede vom Sein des Glaubenden in Christus nicht bloß ausgestalte zur „Einigung mit dem erhöhten Christus“,67 sondern darüber hinaus zu einer pneumatisch vermittelten Einwohnung Gottes in den Glaubenden steigere. Diese „Gottesmystik“ des Johannes gehe über die Christusmystik des Paulus hinaus und bilde zugleich den „Schluß des frommen Erlebens“, mit der „etwas Neues in das Christentum“68 eintrete. Darüber hinaus führe sie zu einer grundsätzlichen Spiritualisierung des Gottesbegriffs, der zu einer Höherwertung der Erkenntnis Gottes gegenüber dem Glauben führe. „Wo (…) Wesensdurchdringung vorliegt, gibt es keinen Glauben mehr, sondern Gnosis.“69 Der Vergleich der paulinischen und johanneischen Schriften führt Weiß zu folgendem Fazit: Da „das Christentum in der paulinischen Form seiner Ausprägung zu den sichersten und deutlichsten Voraussetzungen“ des Johannes gehöre, müsse man ihn „als den größten unter den Paulus-Schülern bezeichnen.“70 Die genannten Vertreter einer entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung von Paulus und Johannes werten insbesondere die christologische und soteriologische Konzeption des vierten Evangelisten als Fortschreibung paulinischer Gedanken und erkennen darin zugleich die grundlegenden Diffe„Verständnis“ (a.a.O., 608) für seine Brüder attestiert, konstatiert er im Johannesevangelium eine durchgehende Polemik gegen die Juden (a.a.O., 608f.). 64 J. W EISS, Urchristentum, 618: „Die Religion des Johannes läßt sich als ein Glauben bezeichnen, der auf Jesus, den Gottessohn, als den Heilsmittler gerichtet ist. Dieser ist es, der die vollkommene Gottesoffenbarung gebracht hat, die endgiltig ist und keiner Ergänzung mehr bedarf.“ 65 So folgert J. WEISS, Urchristentum, 619: „Von dem großen Werke, das Jesus in der paulinischen Auffassung mit seinem Tode gestiftet hat, ist bei Johannes auffällig wenig die Rede.“ 66 J. WEISS, Urchristentum, 610. 67 J. WEISS, Urchristentum, 614; vgl. weiter a.a.O., 610.620. 68 J. WEISS, Urchristentum, 621. 69 J. WEISS, Urchristentum, 621. 70 J. WEISS, Urchristentum, 622.

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renzen zwischen Paulus und Johannes. Daneben werden als weitere Unterschiede die Eschatologie sowie die Christus- bzw. Gottesmystik genannt. Trotz der postulierten Abhängigkeit des Johannes von Paulus lehnen sie eine literarische Kenntnis der Briefe durch das vierte Evangelium ab. Mittlerweile stellen die von ihnen betonten Unterschiede in Christologie und Soteriologie jedoch einen zumindest teilweise veralteten Forschungsstand dar, denn insbesondere die Differenzen in der Christologie werden unbedeutender, wenn die Gattungsdifferenz71 zwischen den Briefen des Paulus und Johannes als Evangelium bedacht wird. Zudem ist auch für das Joh eine kreuzestheologische Perspektive nachgewiesen worden.72

2. Die kanonisch-traditionsgeschichtliche Zuordnung 2. Die kanonisch-traditionsgeschichtliche Zuordnung

2.1 Dieter Zeller Dieter Zeller bringt 1983 mit seinem Aufsatz „Paulus und Johannes“ die Frage nach einer Verhältnisbestimmung beider neutestamentlichen Schriften(sammlungen) wieder in die wissenschaftliche Diskussion ein. Der Untertitel des Aufsatzes „Methodischer Vergleich im Interesse einer neutestamentlichen Theologie“73 gibt Einblick in seine Intention: Zeller sucht nach einer einheitlichen Theologie innerhalb des neutestamentlichen Kanons. Er fragt, „ob die Gesamtstruktur beider neutestamentlicher Theologien eine Affinität aufweist“74 und inwiefern Paulus und Johannes dieselben Traditionen vorgefunden hätten, „die gemeinsame Sprache mitbedingen“.75 Zellers Verhältnisbestimmung von Paulus und Johannes ist also kanonisch-traditionsgeschichtlich bestimmt. Er wendet sich sowohl gegen die Sichtweise von Vertretern einer entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung als auch gegen Bultmann, sofern hier die Gemeinsamkeiten zwischen Paulus und Johannes allein mit der religionsgeschichtlichen Atmosphäre in der Spannbreite von Altem Testament, Frühjudentum, Hellenismus und Gnosis begründet werden. Johannes und Paulus stellten kein „Gebräu aus verschiedenen religionsgeschichtlichen Ingredienzien dar“, sondern wiesen ebenso „kohärente( ), sich durchhaltende( ) Strukturen“76 auf. Um diese konstitutiven Strukturen miteinander vergleichen zu können, geht Zeller von „einzelnen paulinischen Theologumena“77 aus, für die er nach Paralle71

Vgl. dazu auch C. HOEGEN-ROHLS, Johanneische Theologie, 612. Vgl. dazu exemplarisch J. FREY, Perspektiven, 53–97; DERS., Edler Tod, 555–584. 73 D. ZELLER, Paulus, 167. 74 D. ZELLER, Paulus, 168. 75 D. ZELLER, Paulus, 168. 76 D. ZELLER, Paulus, 168. 77 D. ZELLER, Paulus, 168. 72

2. Die kanonisch-traditionsgeschichtliche Zuordnung

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len bei Johannes sucht. Hierzu untersucht er die vier thematischen Komplexe „Dualismus“, „Sendungschristologie“, „Glaubensverständnis“ und „Ethik“.78 Die dualistische Sichtweise beider Schriftenkorpora expliziert Zeller anhand des κόσµος-Begriffes. Die negative Weltsicht erhalte ihr Profil vor dem Hintergrund des Christusereignisses bzw. der Verkündigung des Evangeliums. Sofern die Welt den „Licht“-Christus bei Johannes nicht annimmt bzw. dem Evangelium des Paulus keinen Glauben schenkt, wird sie zur „,Finsternis‘“.79 Daher bezeichnet Zeller den paulinischen und johanneischen Dualismus als sog. „,Entscheidungsdualismus‘“, weil beide eine „Glaubensentscheidung“ forderten.80 Die dualistische Redeweise habe nach außen hin ihren Sitz im Leben in der Mission, während sie innergemeindlich identitätsstiftend für die Glaubenden wirke. Eine weitere Gemeinsamkeit erkennt Zeller in der Sendungschristologie, in der sich „Gottes Initiative“ zur „Rettung des gottwidrigen Kosmos“81 manifestiere. Die Sendungschristologie gipfele in der „Selbsthingabe“ des Sohnes, in der dessen „Gehorsam“ gegenüber Gott sowie „seine Liebe zu den Menschen“82 zum Ausdruck komme. Während Paulus das Liebes-Motiv allein auf den Tod Jesu am Kreuz beziehe, appliziere es Johannes auf das gesamte Wirken Jesu. Diese „andere Akzentuierung in der Soteriologie“83 habe dann auch zur Folge, dass Jesus im Johannesevangelium anders gezeichnet werde als bei Paulus. Nach Zeller versteht Johannes das „Jesusereignis im Ganzen als Offenbarung“, so dass er die Herrlichkeit auch des irdischen Jesus betone, wohingegen Paulus Jesus „in Niedrigkeit“ bis zum Tod am Kreuz zeichne.84 In einem dritten Punkt arbeitet Zeller die Gemeinsamkeiten im Glaubensverständnis von Paulus und Johannes sowie den soteriologischen Effekt des Glaubens heraus. Beide Schriftensammlungen verbinden nach Zeller den Glaubensbegriff mit dem Gewinn des Lebens.85 Der Glaube sei dabei dezidiert auf Christus bezogen und abrogiere die Geltung des Gesetzes.86 Zudem werde die Abrahamskindschaft nicht durch nationale Abstammung ermöglicht, sondern im Glauben und durch die Gabe des 78 Vgl. D. ZELLER, Paulus, 169–181. Zeller berücksichtigt neben dem Evangelium auch die Johannesbriefe. 79 D. ZELLER, Paulus, 170. Mit dem Hinweis auf die verschiedenen Glaubensobjekte, Christus bzw. Evangelium, macht Zeller auf die unterschiedlichen Gattungen von Evangelium und Brief aufmerksam. 80 D. ZELLER, Paulus, 171. 81 D. ZELLER, Paulus, 172. 82 D. ZELLER, Paulus, 173. 83 D. ZELLER, Paulus, 174. 84 D. ZELLER, Paulus, 174. 85 D. ZELLER, Paulus, 175f. 86 D. ZELLER, Paulus, 176–178.

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Geistes vermittelt. Paulus und Johannes rekurrierten hier auf frühchristliche Tauftraditionen.87 Zuletzt weist Zeller auf die gemeinsame ethische Dimension der paulinischen und johanneischen Theologie hin. Die Gabe des Geistes bewirke die In-Existenz der Glaubenden in Christus. Das Seinin-Christus müsse im alltäglichen Leben der Glaubenden Gestalt gewinnen, weshalb Paulus das Gesetz Christi und Johannes das Liebesgebot als Kriterium christlicher Existenz verkündigten. Inhaltlich stimmten damit aber beide überein.88 So folgert Zeller, dass ein „fundamentaler Konsens“ zwischen beiden Theologien bestehe, trotz literarischer Unabhängigkeit.89 Gegenüber den zuvor genannten Entwürfen legt Zeller eine recht detaillierte Untersuchung vor, die sich durch ihre Systematisierung auszeichnet. Sie ermöglicht es ihm, ein inhaltlich breites Spektrum paulinischer und johanneischer Theologie abzudecken. Kritisch zu hinterfragen ist sein Anliegen, Paulus und Johannes mit dem Ziel einer einheitlichen Theologie des Neuen Testaments zu vergleichen. Dies steht in der Gefahr, die Eigenständigkeit beider Schriftensammlungen zu wenig zu berücksichtigen.90 Die von Zeller in der Einleitung formulierte Absicht, Gemeinsamkeiten zwischen Paulus und Johannes durch die Verwendung von Traditionen, die beiden vorlagen, zu begründen, löst er kaum ein. Lediglich in Bezug auf die Gotteskindschaft verweist er auf die Rezeption von Tauftraditionen und für die Sendungschristologie auf vorgegebene formelhafte Wendungen.91 Eine solche traditionsgeschichtliche Zuordnung unternimmt Rudolf Schnackenburg und bedient sich hierzu einer philologischen Analyse der Texte. 2.2 Rudolf Schnackenburg Auch Schnackenburg verfolgt eine kanonisch-traditionsgeschichtliche Verhältnisbestimmung. Er weiß sich in seinem Beitrag, der im selben Jahr wie der Aufsatz Zellers erschienen ist, dem Anliegen Eduard Schweizers verpflichtet, nach der „Mitte des Neuen Testaments“ zu fragen,92 und erkennt diese in der „Christusverkündigung“.93 87

D. ZELLER, Paulus, 179. D. ZELLER, Paulus, 180. 89 D. ZELLER, Paulus, 181f. 90 Zudem bleiben historisch kirchenpolitisch beeinflusste Aspekte der Kanonbildung hermeneutisch unreflektiert und es entsteht der Eindruck, dass neutestamentliche Theologie an den Grenzen des Kanons ende. 91 D. ZELLER, Paulus, 172.179. 92 R. SCHNACKENBURG, Christologie, 102. Es handelt sich um einen Beitrag zur Festschrift für Eduard Schweizer. 93 R. SCHNACKENBURG, Christologie, 102f. 88

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Schnackenburg macht deutlich, dass die Christusverkündigung bereits innerhalb des Neuen Testaments große Divergenzen aufweise. Sie seien bedingt durch das spannungsreiche In- und Nebeneinander des Kerygmas vom irdischen Jesus und erhöhten Christus. Zudem verarbeiteten die neutestamentlichen Schriftsteller verschiedene Tradition und schrieben adressatenorientiert. Ihre Zeugnisse stünden unter dem Einfluss der historischen und kommunikativen Situation, in der sie entstanden seien, sowie der Traditionen, die sie rezipierten und der jeweiligen Aussageintention anpassten.94 Für bemerkenswert erachtet Schnackenburg dabei den Versuch des Johannes, seine „höchst entwickelte Christologie“ in der Gattung des Evangeliums darzustellen, da er hiermit einerseits der Darstellungsweise der Synoptiker folge und andererseits „wie Paulus, von dem Wunsch beseelt“ sei, „die Person und bleibende Heilsbedeutung Jesu Christi in voller Klarheit herauszustellen“.95 Aufgrund dessen fokussiert Schnackenburg bei seinem Vergleich von Paulus und Johannes die Christologie der beiden neutestamentlichen Schriftsteller. Dabei geht Schnackenburg von der These aus, dass Paulus und Johannes zwar im „Kerygma vom gekreuzigten und auferstandenen Christus“ Gemeinsamkeiten aufwiesen, dabei aber zugleich „erhebliche Unterschiede“96 existierten. Bevor die Unterschiede in der Christologie betrachtet werden, seien Gemeinsamkeiten aufgelistet, die Schnackenburg nennt und die sich ihm zufolge einem gemeinsamen traditionsgeschichtlichen Hintergrund verdanken. So sei an einem „traditionsgeschichtlichen Zusammenhang“ im Bezug auf die Sendung des Gottessohnes „nicht zu zweifeln“.97 Die identische „formale Struktur der Sätze“98 zeige, dass Paulus und Johannes hierin in der „jüdischen Weisheitsspekulation“ „wurzeln“.99 Ebenso hätten Paulus und Johannes die traditionelle Vorstellung vom Sohn Gottes als Messias rezipiert und je eigenständig akzentuiert. Während Paulus diesen Hoheitstitel mit dem Kreuzesgeschehen verbinde, bestehe die johanneische Eigenart darin, das gesamte Wirken Jesu als Selbstoffenbarung des eingeborenen Sohnes vom Vater darzustellen. Paulus entfalte folglich seine Christologie im Rahmen einer „theologia crucis“, Johannes hingegen als „theologia glo94

R. SCHNACKENBURG, Christologie, 103. Er postuliert, in den Schriften „verbergen sich zeitgeschichtlich-situative und kerygmatisch-theologische Interessen (…), die jenen Prozeß geschichtlich differenzierter und voranschreitender Christusverkündigung widerspiegeln.“ 95 R. SCHNACKENBURG, Christologie, 104. 96 R. SCHNACKENBURG, Christologie, 104. 97 R. SCHNACKENBURG, Christologie, 104. 98 R. SCHNACKENBURG, Christologie, 104: „Gott sandte seinen Sohn, damit…“. Paulus und Johannes stimmten darin überein, dass (1.) Gott der Sender sei, der den Sohn (2.) in die Welt sende aufgrund (3.) seines Heilswillens. Vgl. z.B. 1 Joh 4,9; Röm 8,3. 99 R. SCHNACKENBURG, Christologie, 106.

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I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

riae“.100 Gemeinsam sei Paulus und Johannes zudem die Vorstellung der Präexistenz Christi, die sie aus der Weisheitsspekulation übernommen hätten. Doch auch hier zeige sich, trotz des Rückgriffs auf dieselben Traditionen, ein bedeutender Unterschied. Paulus bleibe mit seiner PräexistenzVorstellung „der jüdischen Tradition eng verbunden“. Er rezipiere sie, um damit Jesu Gegenwart und Mitwirken in Schöpfung und Geschichte Israels auszudrücken. Johannes hingegen intendiere, mit der Präexistenz Christi den „Vorrang“ Christi vor Abraham und Johannes dem Täufer auszusagen. Vor allem aber sei die Präexistenz der „Ausgangspunkt des Weges Christi“101 aus der Herrlichkeit, zu der er nach Ostern zurückkehre und an der die Glaubenden partizipieren sollten. Erneut besteht nach Schnackenburg der grundlegende Unterschied zwischen Paulus und Johannes in der theologia crucis einerseits und der theologia gloriae andererseits. Paulus verbinde in 2 Kor 8,9 den Gedanken der Präexistenz mit dem Kreuzestod Jesu, während Johannes die Herrlichkeit des Präexistenten in der Gestalt des Inkarnierten auszusagen beabsichtige.102 Trotz dieser Differenzen legt Schnackenburg dar, dass Johannes das „Kerygma vom gekreuzigten und auferweckten Christus“103 bewahrt habe. Auch bei ihm finde sich die Vorstellung eines Sterbens Jesu für die Menschen, und auch er rezipiere das Kerygma, dass Jesus am dritten Tage auferstanden sei. Allerdings habe Johannes dieses Kerygma „in seine kategorial anders orientierte Christologie integriert“.104 Diese These nutzt Schnackenburg nun als Ausgangspunkt einer differenzierteren Betrachtung der Unterschiede zwischen Paulus und Johannes, die er zuvor grob auf die theologia crucis bzw. die theologia gloriae zurückgeführt hatte. Ihm zufolge werten Johannes und Paulus den Kreuzestod Jesu verschieden. Bezeichne er bei Paulus ein Sühnegeschehen zur Rechtfertigung des Sünders, repräsentiere er bei Johannes die Verherrlichung des Menschensohnes. Wiederum macht er einen gemeinsamen traditionsgeschichtlichen Hintergrund aus: beide rekurrierten auf das sog. Gottesknechtslied in Jes 52,13ff., aus dem Paulus das stellvertretende Leiden und Johannes die siegreiche Erhöhung rezipierten.105 Aus der unterschiedlichen kreuzestheologischen Perspektive resultiert nach Schnackenburg eine andersartige Verhältnisbestimmung von „Inkarnation und Passion“.106 Während Paulus erst im Kreuzesgeschehen das heilvolle Eingreifen 100

R. SCHNACKENBURG, R. SCHNACKENBURG, 102 R. SCHNACKENBURG, 103 R. SCHNACKENBURG, 104 R. SCHNACKENBURG, 105 R. SCHNACKENBURG, 106 R. SCHNACKENBURG, 101

Christologie, 107f. Christologie, 109. Christologie, 108.110. Christologie, 110. Christologie, 111. Christologie, 111f. Christologie, 114. Vgl. weiter a.a.O., 113–115.

2. Die kanonisch-traditionsgeschichtliche Zuordnung

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Gottes zugunsten der Menschen verorte, integriere Johannes bereits die Inkarnation in einen umfassenden Heilsplan Gottes. Daher betone Johannes, dass sich Gott im irdischen Leben und Wirken Jesu offenbare, während Paulus das Wirken des Erhöhten in der christlichen Gemeinde fokussiere und kaum Interesse am historischen Jesus erkennen lasse.107 Insbesondere in der Eschatologie wirken sich nach Schnackenburg „die Grundpositionen einer theologia crucis und einer theologia gloriae in eklatanter Weise aus.“108 Während bei Paulus das christliche Existenzverständnis von der Erwartung zukünftigen Heils bestimmt sei, habe Johannes die Christusgemeinschaft der Glaubenden in die Gegenwart verlagert.109 Schnackenburgs Entwurf zeichnet sich durch einen detaillierten Vergleich verschiedener Aspekte der Christologie aus. Konsequent verfolgt er seine methodische Herangehensweise einer kanonisch-traditionsgeschichtlichen Zuordnung. Die Nennung zahlreicher traditionsgeschichtlicher Parallelen, mit Hilfe derer er Gemeinsamkeiten zwischen Paulus und Johannes erklärt, stützt seine Argumentation. Darin geht er über Zeller hinaus, der zwar ebenfalls eine kanonisch-traditionsgeschichtliche Zuordnung intendiert, sich dann aber de facto auf einen kanonischen Vergleich beschränkt. Kritisch zu hinterfragen ist Schnackenburgs These, die johanneische und paulinische Christologie würden sich stark voneinander unterscheiden. Wenn man die unterschiedliche Gattung von Brief und Evangelium stärker berücksichtigte, relativierte sich wohl mancher postulierter Unterschied. Das gilt insbesondere für die Betonung des irdischen Wirkens Jesu und der Bedeutung der Inkarnation bei Johannes und auch für dessen kreuzestheologische Perspektive. Sofern die Gattung Evangelium bei Johannes gleichsam eine nachösterliche Biographie Jesu darstellt, muss der Verfasser des Evangeliums Leben und Werk des irdischen Jesus in den Blick nehmen. Aus der kommunikativen Situation der Paulusbriefe wiederum ergibt sich das besondere Interesse an der Gegenwart des erhöhten Kyrios in den Adressatengemeinden des Paulus. In seiner weiteren Arbeit belässt es Rudolf Schnackenburg nicht bei einer kanonisch-traditionsgeschichtlichen Zuordnung von Paulus und Johannes. In seinem einige Jahre später erschienenen Aufsatz „Ephesus: Entwicklung einer Gemeinde von Paulus zu Johannes“ ergänzt er seine bisherigen Überlegungen um den Aspekt einer geographischen Zuordnung.110

107

R. SCHNACKENBURG, Christologie, 115f. R. SCHNACKENBURG, Christologie, 117; vgl. den gesamten Abschnitt a.a.O., 116f. 109 Als weitere Differenzen listet Schnackenburg summarisch die unterschiedlichen christologischen Hoheitstitel auf, vgl. R. SCHNACKENBURG, Christologie, 117f. 110 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 41–64. 108

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I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

3. Die geographische Zuordnung 3. Die geographische Zuordnung

Rudolf Schnackenburg, Udo Schnelle, Klaus Berger und Jürgen Becker111 vertreten das Modell einer geographischen Zuordnung von Paulus und Johannes. Ihre Ansätze verdanken sich einer umfassenderen Rekonstruktion der Geschichte des Urchristentums. Neben biblischen Belegen greifen sie hierzu auf die Überlieferung der Kirchenväter und anderer Schriftsteller aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert zurück. Dabei bewerten sie den Quellenbefund unterschiedlich, so dass der jeweilige von ihnen angenommene Ort variiert, an dem paulinische und johanneische Traditionen miteinander hätten in Berührung kommen können. Während Schnackenburg und Schnelle Ephesus als Zentrum einer paulinischen und johanneischen Schule präferieren, führt Berger die Paulus und Johannes gemeinsamen Traditionen auf die Gemeinde in Damaskus zurück und Beckers Entwurf schließlich verortet Johannes und Paulus allgemein in Syrien. Auffällig ist, dass angefangen mit Rudolf Schnackenburg alle weiteren Vertreter Modelle einer Verhältnisbestimmung vertreten, die theologische und historische Fragestellungen miteinander zu verbinden suchen. So bietet Schnelle neben der geographischen Zuordnung zugleich eine theologische, Klaus Berger beschäftigt sich mit der Christologie und Soteriologie beider neutestamentlicher Entwürfe, und Jürgen Becker nimmt über die lokale Zuordnung hinaus eine konzeptionelle Verhältnisbestimmung vor, die gesondert betrachtet werden soll (vgl. unten 3.4). 3.1 Rudolf Schnackenburg Schnackenburg und Schnelle führen für ihre Verortung in Ephesus biblische und altkirchliche Belege an. So weist Schnackenburg darauf hin, dass Paulus nach den Angaben der Apostelgeschichte mehr als zwei Jahre in Ephesus verbracht habe (Apg 19,8) – und zudem die Erwähnung zahlreicher Mitarbeiter im Zusmmenhang mit Ephesus bzw. der Provinz Asia die Wirkung seiner Verkündigung in Ephesus und der Provinz bezeuge.112 Zudem ließen die Gefangenschaftsbriefe (Phlm; Phil; vgl. auch 2 Kor 1, 8– 11) auf eine Inhaftierung des Paulus in Ephesus schließen.113 Weiter nennt Schnackenburg die Deuteropaulinen als Zeugnisse dafür, wie paulinische

111 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 41–64; U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 212– 228; DERS., Evangelium, 2f.17; DERS., Einleitung, 544; K. B ERGER, Theologiegeschichte 251–269; J. BECKER, Geisterfahrung, 428–442; DERS. Verhältnis, 473–496. 112 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 42.45f. Schnackenburg (a.a.O., 46) fragt, ob nicht auch der Kol aufgrund der dort erwähnten Namen von Mitarbeitern des Paulus ebendiesem zugeschrieben werden müsste. 113 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 46.

3. Die geographische Zuordnung

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Theologie in der Provinz Asia rezipiert und fortgeschrieben wurde,114 und die Rede des Paulus in Milet an die Presbyter aus Ephesus (Apg 20,17–36) sowie der Epheserbrief selber und die Timotheusbriefe gäben Einblick in die Entwicklung des nachpaulinischen Christentums in der Provinz Asia bzw. konkreter in Ephesus. Sie bezeugten eine sich verändernde Ämterstruktur und ein Paulus modifizierendes Kirchenbild angesichts eingedrungener Irrlehrer, wobei sich die Verfasser dieser Schriften auf „die Autorität des Paulus“ beriefen.115 Die sich ausdifferenzierende Ämterentwicklung erreiche einen gewissen Höhepunkt im Brief des Ignatius von Antiochien nach Ephesus, der um 110 n. Chr. dort das Monepiskopat bezeuge, und dessen Adressaten als „,Miteingeweihte von Paulus‘“116 bezeichnet würden. Ignatius sei voller Hochachtung und Wertschätzung für Paulus, mit dessen Gedanken er durch die Kenntnis der Paulusbriefe vertraut sei. Bis hierhin spannte Schnackenburg einen weiten Bogen von Aufenthalt und Tätigkeit des Paulus und seiner Mitarbeiter in Ephesus, wie es die Apostelgeschichte und einige der Paulusbriefe darstellen, sowie der Rezeption und Weiterentwicklung paulinischer Gedanken in der asiatischen Provinz bis zum Beginn des 2. Jh. n. Chr. Im Anschluss daran fragt er nach „Spuren“117 johanneischer Christen in Ephesus. Schnackenburg postuliert, dass das Sendschreiben Johannes des Sehers an die Gemeinde in Ephesus johanneische Tradition rezipiere. Ebenso lokalisiert er die Johannesbriefe in Ephesus. Zum einen seien die in den Briefen erwähnten Dissidenten gut in Ephesus vorstellbar, da in Ephesus gnostische Strömungen ebenso wie Irrlehrer anderer Couleur anzutreffen gewesen seien. Das belegten die Nennung von Nikolaiten in den Sendschreiben der Apokalypse und anderer Irrlehrer im Brief des Ignatius nach Ephesus (6,2; 7,1; 9,1).118 Zudem lege es das Zeugnis des Irenäus nahe, dass die Dissidenten der Johannesbriefe mit der Irrlehre des Kerinth in Zusammenhang gebracht werden könnten. Denn nach Adv. haer. I 26,1 habe Kerinth gelehrt, dass Christus leidensunfähig gewesen sei, was sich mit den Doketismusvorwürfen in 1 Joh 5,6 decke. Damit ist für Schnackenburg „die Herkunft der Joh-Br aus diesem Raum sehr wahrscheinlich“,119 und er geht von der Existenz johanneischer Gemeinden in Ephesus seit dem Ende des 1. Jh. aus, die neben der paulinischen Hauptgemeinde bestanden hätten, ohne dass diese in Konkurrenz zueinander getreten wären. Das selbstständige Nebeneinander unterschied114 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 50, räumt ein, es „bleibt allerdings mangels konkreter Hinweise diskutabel“, ob „Ephesus als Abfassungs- oder Bestimmungsort der Briefe“ zu gelten habe. 115 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 54. 116 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 55. 117 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 56. 118 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 58f. 119 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 59.

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I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

licher christlicher Gemeinden sei durch die Größe von Ephesus möglich gewesen. Für die spätere Zeit belege Joh 21,15–23, dass es zu einer „Verständigung“ der „joh Gemeinde und der durch Petrus repräsentierten Großkirche gekommen“ sei. Diese „Koexistenz der joh Kirche mit der paulinischen Muttergemeinde“120 sieht Schnackenburg in der Überlieferung des Polykarp von Smyrna (ca. 130–150 n. Chr.) und den Zeugnissen des Irenäus über Polykarp bestätigt. Demnach kannte Polykarp Johannes, denn er zitierte „die Bekenntnisformel aus 1 und 2Joh“121 und drückte zugleich seine Wertschätzung für Paulus aus. Dieselbe Kenntnis paulinischer und johanneischer Traditionen bezeugt Irenäus von Lyon.122 „Die Autorität der Gemeinde von Ephesus steht ihm aufgrund der Tatsache fest, daß sie ‚von Paulus gegründet wurde und Johannes in ihr geblieben ist bis in die Zeit Trajans‘“.123 Dabei ist Irenäus für Schnackenburg der Kronzeuge für die Überlieferung, dass johanneische Christen in Ephesus beheimatet gewesen seien. „Zu seiner Zeit (um 180 n. Chr.) hatte sich die Überzeugung von einer joh Präsenz in Ephesus gefestigt.“124 Zudem belege um 190 n. Chr. der Brief des Polykrates von Ephesus an Papst Viktor I. eine lokale Tradition von einem Grab des Apostels Johannes in Ephesus.125 Für weitere Traditionen, die Johannes in Ephesus verorten, verweist Schnackenburg auf Clemens von Alexandrien und die Johannesakten. Die Johannesakten berichten von einer Reise des Johannes durch die kleinasiatischen Städte bis nach Ephesus.126 Und auch die Reisen des Johannes, von denen die Offenbarung erzählt, „illustrieren das Einflußgebiet des Johannes von Ephesus.“ Schnackenburg wertet dies als Indiz für den Einflussbereich des Johannes und kommt zu dem Fazit: „Von der paulinischen Mission ist nichts mehr zu spüren; Johannes hat Paulus aus dem ephesinischen Raum vollständig verdrängt. Ephesus ist jetzt wirklich ganz und gar die Stadt des Johannes geworden.“127 Damit postuliert Schnackenburg, dass sich das johanneische Christentum einerseits in die organisatorischen Strukturen der Großkirche eingegliedert habe, andererseits aber die spezifisch johanneische Lehre ihre prägende Kraft in den theologischen Auseinandersetzungen des 2. und 3. Jh. mit ihrer inkarnatorischen Christologie 120

R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 61. R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 61. 122 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 61f. Vgl. Iren.haer. III 1,1; III 3,1; III 15, 1. 123 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 62, der hier aus Iren.haer. III 3, 4 zitiert. 124 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 62. 125 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 62. Vgl. dazu Eus.h.e. V 24, 2–7. Schnackenburg folgert, die „joh Tradition verdichtet sich zu einer geographisch faßbaren Anschauung vom Leben und Sterben des Johannes in Ephesus.“ (A.a.O., 62f.) 126 Zu den Stellenangaben in Eusebs Kirchengeschichte sowie den Johannesakten vgl. R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 63 mit Anm. 78 und 79. 127 R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 63. 121

3. Die geographische Zuordnung

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derart entfalten konnte, dass sie im Grad der Rezeption die paulinische Tradition verdrängen konnte.128 Es ist historisch möglich, dass in Ephesus ein Traditionsaustausch paulinischer und johanneischer Theologie stattgefunden haben könnte. Dass zumindest die paulinische Theologie dort entscheidende Impulse hinterlassen hat, belegen die Apostelgeschichte ebenso wie die Selbstzeugnisse des Paulus in seinen Briefen und die Theologie der Deuteropaulinen. Dies zeichnet Schnackenburg überzeugend nach. Weniger überzeugend hingegen sind seine Argumente für die Beheimatung johanneischer Christen in Ephesus. Die Unsicherheiten, mit der seine These hier belastet ist, räumt Schnackenburg selber ein.129 3.2 Udo Schnelle Weniger spekulativ als Schnackenburg versucht Udo Schnelle in seinem Aufsatz „Paulus und Johannes“ Ephesus als Berührungspunkt zwischen paulinischen und johanneischen Traditionen nachzuweisen. Dazu rekurriert Schnelle wie Schnackenburg auf die Darstellung des Lukas in der Apostelgeschichte und die authentischen Paulusbriefe, die belegen, dass Ephesus ein bedeutender Ort der paulinischen Mission gewesen ist. Ebenso verweist Schnelle auf die mögliche Entstehung einiger Deuteropaulinen (Eph, Kol, Past) in Ephesus, die die Rezeption und Tradierung paulinischer Gedanken in Ephesus bezeugten.130 Für die Existenz einer kleinasiatischen Johannestradition beruft er sich zwar ebenso wie Schnackenburg ausschließlich auf die altkirchliche Überlieferung, stellt aber weniger spekulative Thesen als dieser auf, um die Kenntnis johanneischer Traditionen in Ephesus zu belegen. So misst Schnelle neben dem Zeugnis des Irenäus131 insbesondere der Papias-Tradition hohen historischen Wert bei. Denn Papias berichte sowohl von einem Presbyter als auch von einem Apostel namens Johannes in Ephesus, ohne einen der beiden für den Verfasser des Evangeliums zu halten. Daraus folgert Schnelle: „Die kleinasiatische Johannestradition war in ihrem frühen Stadium nicht mit der Verfasserfrage des 4. Evangeliums verbunden. Dies erhöht ihre Glaubwürdigkeit“.132 Als weitere Indizien, dass das Johannesevangelium wie die johanneische Tradition insgesamt in Kleinasien beheimatet waren, wertet Schnelle die Frontstellung des Evangeliums gegenüber dem Doketismus 128

R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 64. R. SCHNACKENBURG, Ephesus, 42f. 130 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 225f. 131 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 226. Demnach soll der Apostel Johannes, der Lieblingsjünger des Herrn, in Ephesus das Johannesevangelium verfasst haben. Vgl. Iren.haer. III 1, 1 bei Eus.h.e. V 8,4; Iren.haer. II 22,5 bei Eus.h.e. III 23, 3. 132 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 226. Vgl. Eus.h.e. III, 39, 3–4. 129

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I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

und die Rezeption des Evangeliums durch Aloger und Montanisten. „Es spricht somit nichts dagegen, in Ephesus den Ort zu sehen, wo die paulinische und johanneische Theologie miteinander in Berührung kamen.“133 Dabei schließt Schnelle eine literarische Abhängigkeit des Johannes von Paulus aus: „Eine literarische Benutzung der echten Paulusbriefe durch Johannes lässt sich nicht belegen, die zahlreichen Übereinstimmungen weisen aber darauf hin, dass eine traditionsgeschichtliche Verbindung zwischen Paulus und Johannes, der paulinischen und johanneischen Schule in Ephesus bestand.“134 Johannes habe also „mündliche Tradition“ rezipieren können.135 Schnelle sieht daher „eine geographische und eine theologische Klammer zwischen Paulus und Johannes“.136 Die „theologische Klammer“ verdanke sich der gemeinsamen Deutung des Christusereignisses in seiner „Heilsbedeutung“.137 Demzufolge beginnt Schnelle seinen Vergleich beider Schriftensammlungen dann auch mit der Christologie. Darüber hinaus konstatiert er wesentliche Gemeinsamkeiten in der Anthropologie, Ethik sowie der Beziehung der Glaubenden mit Gott und Christus, dem Gesetz und der Eschatologie.138 Schnelle folgt im Vergleich der Christologie Schnackenburg beinahe bis in den Wortlaut hinein. Als übereinstimmende Gemeinsamkeiten zwischen beiden Traditionen nennt er die Sendungschristologie, die Vorstellung einer Präexistenz Christi sowie die Deutung des Todes Jesu als Lebenshingabe.139 Lediglich in der Bewertung der Kreuzestheologie unterscheidet sich Schnelle grundlegend von Schnackenburg. Gegenüber diesem zeigt er am Text des Johannesevangeliums, dass es von Joh 1,29 an bis zu Jesu letztem Wort am Kreuz (19,30) aus einer kreuzestheologischen Perspektive geschrieben sei.140 In einem späteren Aufsatz arbeitet Schnelle dann her133

U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 226. U. SCHNELLE, Einleitung, 533. 135 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 227. Zugleich nimmt er an, dass es in Ephesus im ausgehenden 1. Jh. n. Chr. eine Sammlung von Paulusbriefen gegeben hätte (a.a.O., 226). In Bezug auf eine paulinische und johanneische Schulbildung argumentiert Schnelle mit der Datierung des Johannesevangeliums Ende des 1. Jh. Das stimme mit den Abfassungsdaten der Deuteropaulinen überein, die „eine literarische Tätigkeit und damit auch die Existenz der Paulusschule bis ca. 100nChr“ (a.a.O., 228) belege. Vgl. weiter DERS., Theologie, 124f.; 139–142. 136 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 225. 137 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 227. 138 Zur Christologie siehe U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 214–217; zur Anthropologie a.a.O., 217–219; zur Ethik a.a.O., 219f.; zur Verbindung der Glaubenden mit Christus und Gott a.a.O., 220f.; zum Gesetz a.a.O., 221–223; zur Eschatologie a.a.O., 223–225. Vgl. hierzu ebenso U. SCHNELLE, Theologie, 142f. 139 Vgl. U. SCHNELLE, Theologie, 142. 140 Vgl. U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 215f.; DERS., Theologie, 140f. Umgekehrt merkt U. SCHNELLE, Theologie, 125, an, dass Paulus trotz seiner Fokussierung auf 134

3. Die geographische Zuordnung

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aus, dass Paulus und Johannes dem auferstandenen Gekreuzigten „fast gottgleichem Status“141 beimessen würden und somit bei beiden das Kreuz „bestimmendes figuratives Element“142 ihrer Christologien sei. Die begriffsorientierte Christologie des Paulus habe Johannes „in eine dramatische Erzählung“ geformt.143 Dass bei Johannes im Gegensatz zu Paulus das Kreuz kein Skandalon, sondern zugleich die Erhöhung darstelle, „zeigt ein fortgeschrittenes Stadium innerhalb der urchristlichen Theologiegeschichte an“, in dem das Kreuzesgeschehen als solches „das Heilsereignis“ sei und nicht bloß ein „Durchgangsstadium“ hin zur „Verherrlichung“ Jesu darstelle.144 Die dualistische Sprache, die den Gegensatz zwischen dem ungläubigen Kosmos und den Glaubenden ausdrücke, stellt nach Schnelle „eine Funktion der Christologie“145 dar. Weder Paulus noch Johannes verträten ein deterministisches Menschenbild. Der Mensch sei frei, das Christusereignis als Heilsereignis im Glauben für sich anzunehmen. Der Glaube beschenke den Menschen mit dem Leben und realisiere sich in der Liebe zum Mitmenschen.146 Die Ethik beider neutestamentlicher Entwürfe erfasst Schnelle mit den Kategorien von „Indikativ“ und „Imperativ“.147 Den Indikativ beziehe Johannes dabei stärker auf das Leben Jesu und sein Handeln an den Jüngern, während Paulus die Lebenshingabe Jesu als Voraussetzung einer neuen Existenz bezeichne. Paulus und Johannes gemeinsam sei die „durchgängig christologische Fundierung“148 der Ethik. Ethische Aspekte umfasse auch die Vorstellung einer „gegenseitigen ‚Inexistenz‘ des Glaubenden in der Gottheit und der Gottheit im Glaubenden.“149 Schnelle argumentiert, dass diese In-Existenz bei Paulus pneumatisch vermittelt sei, wogegen Johannes das Leben Jesu ins Zentrum seiner Erzählung stelle und deshalb die In-

das Kreuz am Leben des irdischen Jesus interessiert ist. Die Herrenmahlsparadosis (1 Kor 11,23b–25) beinhalte wie die Bekenntnistradition (1 Kor 15,3b–5) „narrative Abbreviaturen“, die „in geformter Sprache die entscheidenden Grunddaten der JesusChristus-Geschichte“ festhalten (a.a.O. 125). 141 U. SCHNELLE, Theologie, 143, würdigt, dass Johannes „der einzige neutestamentliche Autor“ sei, der dieses paulinische Konzept „konsequent und umfassend aufnahm“. 142 U. SCHNELLE, Theologie, 142. 143 U. SCHNELLE, Theologie, 145; vgl. auch DERS., Paulus und Johannes, 225; in diesem Beitrag führt er Unterschiede zwischen Paulus und Johannes zum Teil auf die unterschiedlichen Gattungen zurück. 144 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 216. 145 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 217. 146 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 219. 147 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 219. 148 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 220. 149 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 221.

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Existenz nicht als pneumatisch vermittelt gedacht werden könne, weil der Geist erst nachösterlich verliehen würde.150 Für Schnelle „nimmt der 4. Evangelist wie kein anderer ntl. Autor den theologischen Ertrag der paulinischen Gesetzeskritik auf.“151 Für Paulus und Johannes habe das Gesetz angesichts des Christusereignisses jegliche soteriologische Funktion verloren. Trotz unterschiedlicher Akzentuierungen postuliert Schnelle auch für die Eschatologie „eine Kontinuität in den Anschauungen“,152 da sich bei Paulus neben der Dominanz futurischer auch präsentische Aussagen finden ließen und umgekehrt neben der starken Betonung der Gegenwart des Heils, auch das Johannesevangelium und besonders die Briefe die Vollendung des Heils erst zukünftig erwarteten. Diese Fülle an Gemeinsamkeiten zwischen paulinischer und johanneischer Gedankenwelt lässt sich Schnelle zufolge nicht bloß unter „Hinweis auf gemeinsame Traditionen oder vergleichbare religionsgeschichtliche Einflüsse“ erklären,153 sondern erfordert die Annahme, dass Johannes in Ephesus paulinische Traditionen kennen lernen und rezipieren konnte. Johannes stelle also eine „eigenständige Verarbeitung und Weiterführung“ paulinischer Traditionen dar, die Joh seiner „theologischen Zielsetzung und geschichtlichen Situation“154 entsprechend modifiziert und adaptiert habe.155 Schnelle gelangt so zu dem Fazit, „dass Johannes die Mitte und zugleich den kreativen Abschluss der frühchristlichen Theologiegeschichte bildet.“156 Er müsse „als kreative Weiterbildung und Synthese von Paulus und Markus gelesen werden.“157 150

U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 221. Diese Konklusion Schnelles wird allerdings durch die Abschiedsreden des Johannesevangeliums (14–17) widerlegt. In ihnen wird das Sein der Glaubenden in Christus und in Gott thematisiert. Insbesondere die Abschiedsreden sind transparent dafür, dass im Joh die erzählte Zeit mit der nachösterlichen Gegenwart der Adressaten verschmilzt. Für ebendiese nachösterliche Gegenwart wird der Paraklet verheißen, der an die Stelle des irdischen Jesus tritt. Mithin kennt auch das Johannesevangelium die pneumatisch vermittelte Gemeinschaft der Glaubenden mit Gott und Christus, deren Voraussetzung Kreuz und Auferstehung sind. 151 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 222. 152 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 225. 153 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 225. 154 U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 227. Schnelle hält jedoch fest: „Dadurch wird Johannes nicht zum Paulusschüler oder Vollender der paulinischen Theologie.“ 155 Vgl. weiter U. SCHNELLE, Theologie. Er bezeichnet diesen „Prozess der Theologiebildung als kreative Sinnbildung“ (a.a.O., 134), der „das Wagnis einer sprachlichen und gedanklichen Neuformulierung des Christusgeschehens eingeht“ (a.a.O., 134f.). 156 U. SCHNELLE, Theologie, 142. 157 U. SCHNELLE, Theologie, 142. Dieses Votum Schnelles macht ihn nicht zum Vertreter einer entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung, denn er hält an seiner lokalen Zuordnung als entscheidendem Merkmal fest, indem er eine paulinische und johanneische Schule postuliert, die zeitgleich in Ephesus wirkten.

3. Die geographische Zuordnung

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3.3 Klaus Berger Ein zu Schnackenburg und Schnelle differentes Bild entwirft Klaus Berger in seiner „Theologiegeschichte des Urchristentums“.158 Dazu vergleicht er zunächst die Topoi Christologie und Soteriologie und fragt nach dem Geschichtsverständnis von Paulus und Johannes. Die Themen Christologie und Soteriologie gliedert er jeweils in zahlreiche Unteraspekte und zitiert zum Vergleich zahlreiche Schriftstellen aus den Paulusbriefen, dem vierten Evangelium sowie den Johannesbriefen. Im Anschluss daran listet er Unterschiede und Gemeinsamkeiten nochmals zusammenfassend auf,159 bevor er schließlich den „Versuch einer geographischen Verortung“160 der Schriftensammlungen in Damaskus vornimmt. Berger begründet seine These einerseits mit Gal 1,17 und versteht Paulus als „Gemeindeapostel“, der seine Mission im Auftrag der Gemeinde von Damaskus unternommen habe. Andererseits stützt er sich auf die Angaben der Apostelgeschichte: Die Gemeinde von Damaskus ist nach Apg 9,14.20 eine vorpaulinische Gründung. Spätere Versuche, sie durch den Stephanuskreis oder die Apostel gegründet sein zu lassen, verrieten „eine Lücke im historischen Wissen“.161 Berger nimmt nun an, dass Lukas „Lokaltraditionen“162 über die Gemeinde in Damaskus verarbeitet habe, die Affinitäten zur johanneischen Lehre aufwiesen. Er nennt dazu die Taufe in Joh 3 mit Wasser und Geist, die sich mit der Erzählung in Apg 9,17f. decke, sowie die Gemeindestruktur: Weder die Gemeinde in Damaskus (nach Apg 9) noch die johanneischen Christen würden „kirchliche Autoritäten“ kennen.163 Das schlage sich insbesondere in der Sendungschristologie des Johannes nieder, die darin ein Pendant zum apostolischen Selbstverständnis des Paulus darstelle. Paulus wie Christus erhielten ihre Autorität und Legitimation nicht aus sich selbst heraus, sondern durch göttliche Beauftragung.164 Darüber hinaus habe das Johannesevangelium damaszeni158

K. B ERGER, Theologiegeschichte, 251. Folgende Gliederung und Überschriften verwendet K. BERGER, Theologiegeschichte: § 136 Christologie, 252–257; § 137 Soteriologie, 257–260; §138 Geschichtstheologie, 260; § 139 Die hauptsächlichen Differenzen, 260; § 140 Schwerpunkte der Übereinstimmung, 260f.; § 141 Versuch einer geographischen Verortung in Damaskus, 261–263. 160 K. B ERGER, Theologiegeschichte, 261. Berger weist darauf hin, dass die Übereinstimmungen zwischen Paulus und Johannes unabhängig von einer Verortung in Damaskus bestehen und er „das Gesamtergebnis nicht durch die hypothetische Annahme ‚Damaskus‘ (…) belasten“ will. Dennoch müsse versucht werden, die Gemeinsamkeiten „auf der Basis von erweisbaren historischen Kontakten zwischen Christen“ jener Zeit zu erklären. 161 K. B ERGER, Theologiegeschichte, 261. 162 K. B ERGER, Theologiegeschichte, 261. 163 K. B ERGER, Theologiegeschichte, 262. 164 K. B ERGER, Theologiegeschichte, 252–254.263. 159

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I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

sche „Schlagworte“ „in den Ich-bin-Worten christologisiert“.165 Berger verweist hier auf das Licht, das in der von Lk geschilderten Bekehrungsvision eine wichtige Rolle gespielt habe, sowie das Selbstverständnis der Damaszener als „auf dem Weg-Seiende“ (Apg 9,2). Daneben zeige Apg 9,20, dass für Paulus der Hoheitstitel Sohn Gottes dieselbe grundlegende Bedeutung habe wie für Johannes, und das Christusbekenntnis Joh 9,22 „entspricht ziemlich genau Act 9,22“.166 Berger folgert aus diesen Beobachtungen, dass Paulus seine theologische Prägung in Damaskus erhalten habe. Die Analogien seiner Theologie zu der des vierten Evangeliums und der Briefe legten es nahe, die johanneische Tradition ebenfalls im „syrischen Raum“ zu lokalisieren.167 Die Übereinstimmungen zwischen Paulus und Johannes führt er folglich auf „die theologische Ausrichtung der Gemeinde in Damaskus“ zurück und bezeichnet diese als „judenchristliches Substrat“, für das die „Konvergenz von Selbstauffassung und Christologie typisch“ gewesen sei.168 Offen bleiben muss, wie viel historische Wahrscheinlichkeit Bergers Zuordnung für sich beanspruchen kann, insbesondere vor dem Hintergrund seines methodischen Vorgehens, das zuweilen assoziativ erscheint. 3.4 Jürgen Becker Einen weiteren Horizont als die übrigen Vertreter einer geographischen Zuordnung von Paulus und Johannes versucht Jürgen Becker zu eröffnen. Er meint, dass ein Vergleich nur dann möglich sei, wenn nach einem „Gesamtverständnis des Urchristentums“ gefragt würde. Becker selber begreift das Urchristentum als „Kommunikationsgemeinschaft“, die ihre Einheit aus dem Christusereignis und dessen Deutung als „christologisches Ursprungsgeschehen der Endzeit“ erhalten habe. Die Kommunikation zwischen den Gemeinden habe synchrone und diachrone Aspekte umfasst, d.h. dass neben einer direkten Kommunikation ein Gedankenaustausch auch „in geschichtlicher Erstreckung“169 erfolgen konnte. Dieses weite Geschichtsverständnis Beckers trägt der begrenzten Quellenlage Rechnung, die eine Rekonstruktion der Geschichte des Urchristentums nur noch fragmentarisch erlaubt. Er wendet sich damit zugleich gegen die Annahme, es sei in Ephesus zu einem Traditionsaustausch zwischen einer paulinischen und einer johanneischen Schule gekommen, und lehnt darüber hinaus auch ab, 165

K. B ERGER, Theologiegeschichte, 262. K. B ERGER, Theologiegeschichte, 262. 167 K. BERGER, Theologiegeschichte, 263. Berger schließt aber nicht aus, dass das Johannesevangelium in Ephesus hätte veröffentlicht werden können und dort früh Verbreitung gefunden hätte, „ohne daß es dort seinen Ursprung gehabt hätte“. 168 K. B ERGER, Theologiegeschichte, 263. 169 J. BECKER, Verhältnis, 483. 166

3. Die geographische Zuordnung

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zur geographischen Verortung der johanneischen Tradition die altkirchliche Überlieferung heranzuziehen. Letztere halte seiner Meinung nach einer historischen Prüfung nicht stand.170 So verweist Becker zunächst auf die Papiasnotiz (Eus.h.e. III 39,2–7) und stellt deren Intention heraus: Papias erwähne den Apostel und den Presbyter Johannes als zwei glaubhafte Zeugen mündlicher Jesus-Überlieferung, so dass es nur folgerichtig sei, wenn er sie nicht als Verfasser für das Johannesevangelium nenne. Zudem könne aus der Erwähnung des Presbyters kein Rückschluss auf den Verfasser der Briefe und damit evtl. des Evangeliums gezogen werden, da Johannes „ein beliebter jüdischer und christlicher Name“ gewesen sei und es in der Alten Kirche häufig zu „Sekundäridentifikationen von Personen gleichen Namens oder gleicher Bezeichnung“ gekommen sei. Ebendieses Phänomen einer sekundären Identifikation belege dann erstmals Iustin, Iust.dial. 81, für Ephesus als Heimat johanneischer Traditionen. So gelangt Becker zu der Schlussfolgerung: „Aus der Zeit der johanneischen Schriften und aus der Generation danach gibt es keine Zeugnisse, die zum Joh und zu den drei Briefen eine geographische Auskunft geben könnten.“171 Zudem gebe es außer dem johanneischen Kreis selber keine Zeugnisse für die Existenz johanneischer Gemeinden und die Bekanntheit derselben sowie ihrer Werke durch andere neutestamentliche und frühchristliche Schriften. Träfe es zu, dass es in Ephesus zu einem Traditionsaustausch beider Schulbildungen gekommen wäre, müssten sich in den Deuteropaulinen Spuren johanneischer Traditionen finden lassen. Ebenso lasse sich erst „(... vielleicht) mit Justin, (in jedem Fall dann mit) Herakleon und Tatian“172 eine Benutzung des Johannesevangeliums sicher nachweisen.173 Becker folgert daraus, dass die johanneischen Gemeinden ein „erkennbares abgegrenztes Eigenleben“174 führten, so dass „überhaupt keine unmittelbare Beeinflussung“175 zwischen Paulus und Johannes stattgefunden habe. Er selber geht nun davon aus, dass das Johannesevangelium in Syrien entstanden sei176 und Gemeinsamkeiten zwischen Paulus und Johannes folglich auf die Gemeinde von Antiochia zurückgehen könnten, in der Paulus bis 48/49 n. Chr. aktiv war, und die aufgrund der geographischen Nähe die johanneische Schule beeinflusst haben könnte.177 Becker gelangt damit in

170

J. BECKER, Geisterfahrung, 439–441; vgl. weiter DERS., Verhältnis, 484. J. BECKER, Geisterfahrung, 440. 172 J. BECKER, Verhältnis, 484. 173 J. BECKER, Verhältnis, 484. 174 J. BECKER, Johannes 1–10, 41. 175 J. BECKER, Geisterfahrung, 441. 176 J. BECKER, Johannes 1–10, 50f. 177 J. BECKER, Geisterfahrung, 441. 171

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I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

Übereinstimmung mit Bultmann zu der Feststellung: „Der Paulinismus und der johanneische Kreis stehen selbständig nebeneinander.“178 Beckers methodisches Vorgehen zeichnet sich durch intensive Quellenkenntnis und Umsicht bei der Rekonstruktion einer Geschichte des Urchristentums aus. Sein offenes Bild desselben als „Kommunikationsgemeinschaft“179 lässt zwar viele Fragen offen, erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als hilfreich angesichts der Quellenlage. Doch Becker lässt es nicht bei einer geographischen Verhältnisbestimmung von Paulus und Johannes bewenden. Über die diachron orientierte Fragestellung einer lokalen Zuordnung hinaus, plädiert er für einen Vergleich von Paulus und Johannes auf synchroner Ebene, indem er eine konzeptionelle Zuordnung einzelner Textabschnitte vornimmt. Dieser eigene Ansatz wird nun im Folgenden als eigener Abschnitt dargestellt.

4. Die konzeptionelle Zuordnung 4. Die konzeptionelle Zuordnung

Einen Sonderweg180 in der Zuordnung von Paulus und Johannes geht Jürgen Becker in seinem Aufsatz „Geisterfahrung und Christologie“,181 den er mit seiner Kritik bislang vorgelegter Vergleiche begründet.182 Seiner Meinung nach blieben die „zugrunde liegenden Konzepte beider Theologien“ bislang unberücksichtigt, da Johannes und Paulus nicht auf ihr „Christentumsverständnis“ hin untersucht worden seien.183 Zu diesem Zweck vergleicht Becker zwei Textabschnitte miteinander, indem er Gal 3,1–4,7 und Joh 14,1–31 gegenüber stellt. Die Textwahl begründet er damit, dass einerseits Paulus hier sein Christentumsverständnis in der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern argumentativ entfalte und andererseits die Abschieds178

J. BECKER, Verhältnis, 495. J. BECKER, Verhältnis, 483. 180 An dieser Stelle soll zudem auf M. SCHMIDL, Methode, verwiesen werden. Er möchte die Korrelationen zwischen Paulus und Johannes mittels eines wortstatistischen Verfahrens aufdecken, das alle Wörter in ihrem Vorkommen in beiden Schriftencorpora miteinander vergleicht, und dieses dann exegetisch-theologisch auswerten. Als vorläufiges Ergebnis formuliert er, es sei „keine Verarbeitung gemeinsamer Traditionen, sondern später paulinischer Einfluß auf die johanneischen Schriften, insbes. die JohBr“ (a.a.O., 254) nachweisbar. Die Arbeit soll der Vollständigkeit halber erwähnt werden, auch wenn sie hier unberücksichtigt bleibt, da sich ihre Ergebnisse für die vorliegende Untersuchung nicht fruchtbar machen lassen. 181 J. BECKER, Geisterfahrung, 428–442. Einige Ergebnisse dieses Vergleichs arbeitet er dann nochmals in seinem Aufsatz DERS., Verhältnis, 473–496, heraus. 182 Vgl. hierzu ausführlich seinen Forschungsüberblick in J. BECKER., Verhältnis, 473–482. 183 J. B ECKER, Geisterfahrung, 428. 179

4. Die konzeptionelle Zuordnung

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rede in Joh 14,1–31 ebenso das Ziel intendiere, das „theologische Selbstverständnis der nachösterlichen Gemeinde im Sinne des Evangelisten“ darzustellen.184 Dabei ordnet Becker beide Textabschnitte in einen historischen Kontext ein, wie er sich aus seinem bereits erwähnten Verständnis der Geschichte des Urchristentums ergibt.185 Er postuliert, dass Paulus und Johannes hier dasselbe „argumentative Arrangement“186 anwenden, um die konfliktreiche Situation zu bewältigen. Da beide hierbei auf die der jeweiligen „Gemeinde vertraute Geisterfahrung“187 rekurrierten, beschreibt Becker im Folgenden fünf Aspekte paulinischer Pneumatologie und folgert schließlich, dass Johannes zu allen Aspekten über „Variationen“ verfüge.188 Er folgert daraus, dass die „frappierende Übereinstimmung in der Wahl der Argumentationsbasis“ sowie die analoge „inhaltliche( ) Qualifikation derselben (…) für das theologische Gesamtverständnis beider Theologen repräsentativ“189 sei. Neben der konzeptionellen Zuordnung paulinischer und johanneischer Pneumatologie vergleicht er die christologischen Konzeptionen beider Schriften(sammlungen). Während nach Becker Übereinstimmungen in der Deutung Jesu als „endzeitliche Zentralgestalt“190 und dem Glauben als Zugang zum Leben bestehen, erkennt er Differenzen in der „Polarisierung“,191 die die Christologien durchziehen. Während bei Paulus die dualistischen Aussagen, die erst angesichts der Evangeliumsverkündigung entstünden, „Funktionen der Christologie“ darstellten, vertrete Johannes hingegen einen prädestinatianisch begründeten Dualismus, der im Voraus über die Unfähigkeit mancher Menschen zum Heil entscheide.192 Einen weiteren gravierenden Unterschied zu Johannes sieht Becker in der Kreuzestheologie des Paulus. Während Johannes dem Kreuz keine soterio184

J. B ECKER, Geisterfahrung, 429. Vgl. J. B ECKER, Geisterfahrung, 429f. sowie DERS., Verhältnis, 483–485.495. 186 J. BECKER, Geisterfahrung, 431. 187 J. BECKER, Geisterfahrung, 432. 188 J. B ECKER, Geisterfahrung, 432f., geht davon aus, dass bei Paulus 1. Geist und Evangelium das Gottesverhältnis der Glaubenden konstituieren, 2. der Geist eschatologische Gottesgabe sei, mit der sich die Verheißung an Abraham 3. in Christus erfüllt habe, so dass 4. das Gesetz abrogiert sei, da 5. der Geist die „Unmittelbarkeit zu Gott“ (432) herstelle. Analog dazu sei bei Johannes 1. der Geist als nachösterliche Gegenwart Christi bei den Glaubenden der Vermittler von Gotteserkenntnis und -gemeinschaft, 2. wird der Geist vom scheidenden Jesus als endzeitliche Heilsgabe verheißen, 3. erinnert der in den Glaubenden wohnende Geist an die Selbstoffenbarung Jesu, und konstituiert 4. ihren „Heilsstand“, so dass das Gesetz obsolet wird und 5. schließlich integriert der Geist die Glaubenden in das „reziproke Ursprungsverhältnis des Vaters und des Sohnes“ (433). 189 J. B ECKER, Geisterfahrung, 433. 190 J. B ECKER, Geisterfahrung, 434. 191 J. B ECKER, Geisterfahrung, 434. 192 Vgl. J. B ECKER., Geisterfahrung, 434f. 185

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I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

logische Bedeutung als solchem beimesse, sondern das Kreuz bloß eine Wegstation des Gesandten darstelle, komme bei Paulus im Kreuz „Gottes Verhältnis zur Welt“ 193 zum Ausdruck. In der Verkündigung des Evangeliums erfahre dieses vergangene Geschehen eine Vergegenwärtigung, so dass die nachösterliche Bestimmtheit der Glaubenden mit der Gabe des Geistes und der Kindschaft „zeitgleich (…) mit Christi Sendung und seinem Tod“ verbunden seien.194 Johannes hingegen ordne Evangelium und Werk Christi einander anders zu, indem die Selbstoffenbarung des Sohnes erst vollkommen erfüllt sein müsse, bevor die Zeit der Gemeinde als „Zeit des Geistes“ folgen könne.195 Ebenso unterscheide sich die „‚hohe‘ Christologie“196 von Johannes, die den paulinischen Ansatz zur „Gottgleichheit“ Jesu weiterentwickle, sowie die Eschatologie beider grundlegend.197 Becker gelingt es mit seiner konzeptionellen Zuordnung zweier Texte, die beide Einblick in das jeweilige Christentumsverständnis ihrer Verfasser geben, grundsätzliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Paulus und Johannes aufzuzeigen. Damit ermöglicht sein methodisches Vorgehen einen geschärften Tiefenblick auf beide theologischen Entwürfe in ihrer Gesamtheit. Sein synchron orientiertes Modell der Zuordnung lässt eine kanonisch-theologische Zuordnung von Paulus und Johannes zu, ohne diachrone Fragestellungen auszuklammern.

5. Auswertung und neue Wege 5. Auswertung und neue Wege

Der Forschungsüberblick hat gezeigt, dass sich vier verschiedene Modelle der Zuordnung von Paulus und Johannes unterscheiden lassen. An den jüngeren Modellen der Verhältnisbestimmung lässt sich dabei die Tendenz beobachten, verschiedene Aspekte zugleich für einen Vergleich fruchtbar zu machen. So bieten alle Vertreter einer geographischen Zuordnung zugleich eine theologische Verhältnisbestimmung. Demgegenüber überholt erscheint eine entwicklungsgeschichtliche Zuordnung, da sie zum Teil mit ideologischen Vorurteilen, insbesondere gegenüber dem Judentum, belastet ist. Zudem beruhen die erwähnten Differenzen in der Christologie und Soteriologie auf einem Verständnis des Johannesevangeliums, das durch die neuere Forschung überholt worden ist. So weist Schnelle zu Recht darauf

193

J. B ECKER, Geisterfahrung, 435. J. B ECKER, Geisterfahrung, 436. 195 J. B ECKER, Geisterfahrung, 437. 196 J. B ECKER, Geisterfahrung, 437. 197 J. BECKER, Geisterfahrung, 438. Nach Becker sind bei Johannes Sendung und Parusie des Gottessohnes synonym. 194

5. Auswertung und neue Wege

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hin, dass auch das vierte Evangelium eine Kreuzestheologie aufweise,198 womit ein für die Vertreter einer entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung wichtiges Unterscheidungsmerkmal wegfällt. Auch Schnackenburgs Hinweis, dass die neutestamentliche Christusverkündigung aufgrund der historischen Kommunikationssituation und der Orientierung an den Adressaten Unterschiede aufweise, kann für die beobachteten Differenzen des Interesses an der Person Jesu und seiner Darstellung fruchtbar gemacht werden. Denn die unterschiedliche Behandlung der Person Jesu, wie sie von den Vertretern der entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung angemerkt wurde, erklärt sich größtenteils aus der Gattungsdifferenz, die zwischen Evangelium und Briefen besteht. Ein bleibendes Verdienst einer entwicklungsgeschichtlichen Zuordnung jedoch besteht darin, dass ihre Vertreter eine literarische Abhängigkeit des Johannes von Paulus ablehnen, da sich diese in der Tat nicht nachweisen lässt. Diese Einsicht nehmen in gewisser Weise die Vertreter einer geographischen und kanonisch-traditionsgeschichtlichen Zuordnung auf. Denn beide Modelle der Verhältnisbestimmung versuchen Gemeinsamkeiten und Unterschiede durch die Suche nach gemeinsamen Traditionen zu erklären. Dabei ergänzt eine geographische Zuordnung die beobachteten Analogien zwischen Paulus und Johannes mit der Angabe eines Ortes, an dem es zu einem Traditionsaustausch hätte kommen können. Die vorliegende Arbeit hält es für historisch plausibel, dass Ephesus ein solcher Ort hätte sein können, nimmt jedoch auch wahr, dass sich dies insbesondere für das Johannesevangelium nicht mit Sicherheit aussagen lässt. Da hier ein Vergleich theologischer Konzeptionen intendiert ist, ist die Frage eines lokalen Haftpunktes für eine Berührung paulinischer und johanneischer Traditionen allerdings sekundär und wird daher offen gelassen. Weiterführend erweist sich hingegen ein kanonisch-traditionsgeschichtliches Zuordnungsmodell, wie es Schnackenburg und in Ansätzen ebenso Schnelle vertritt. So soll besonders Schnackenburgs Beobachtung aufgenommen werden, dass Joh das Kerygma von Jesu Sterben zugunsten der Menschen und das seiner Auferstehung am dritten Tage bewahrt habe. Ebenso sei auf Schnelles kreuzestheologische Deutung des vierten Evangeliums verwiesen. Als hilfreich erweist sich zudem Schnelles Vermutung, dass das vierte Evangelium mündliche Tradition rezipiert, diese aber seiner theologischen Zielsetzung entsprechend modifiziert habe. Seine These, dass das Joh die paulinische Christologie narrativ inszeniere, soll bei dem hier angestrebten Vergleich berücksichtigt werden, denn damit nimmt er

198 Vgl. dazu U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 215f.; DERS., Theologie, 140f.; sowie exemplarisch H. KOHLER, Kreuz; J. FREY, „theologia crucifixi“, 485–554; DERS., Tod, 555–584.

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I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

die Gattungsdifferenz wahr und berücksichtigt, dass Joh seine Theologie narrativ entfaltet. Die vorliegende Arbeit intendiert eine theologisch-konzeptionelle Verhältnisbestimmung, indem sie davon ausgeht, dass Paulus und Johannes ein gemeinsames theologisches Konzept zugrunde liegt, nach dem das Leben im Glauben empfangen wird.199 Damit nimmt sie Beobachtungen von Zeller, Schnelle und Becker auf, distanziert sich jedoch zugleich von diesen200 und gelangt damit zu einem neuen Ansatz. So geht sie von der Textbeobachtung aus, dass Paulus seinen Lebensbegriff auf dem Hintergrund der in dieser Studie sog. vorpaulinischen Glaubenssummarien entwickelt, indem er diese mit der Lebensterminologie verbindet und deutend fortschreibt. Dadurch wird die Konzeption des „Lebens“ aus dem Glauben auf eine breitere Textbasis gestellt als allein auf das Zitat von Hab 2,4, das Paulus in Röm 1,17 und Gal 3,11 verwendet. Hinzu kommen nun Texte wie 1 Thess 5,10; 2 Kor 5,15; Röm 6,3–8 und 14,7–9, in denen Paulus sein Lebensverständnis entwickelt. Da sich in der fortschreibenden Deutung der traditionellen Glaubenssummarien deutlich ein theologischer Gestaltungswille des Paulus erkennen lässt, mit Hilfe dessen er die soteriologische Bedeutung von Jesu Tod und Auferweckung für die Glaubenden beschreibt, werden sie als paulinische Glaubenssummarien bezeichnet. Sie bilden den Ausgangspunkt für die Analyse der theologischen Konzeption „Leben aus Glauben“ beim Apostel. Vor dem Hintergrund dieser Textbeobachtung lässt sich dann auch erklären, weshalb Paulus im Röm und Gal

199 Dass die Stichworte „Glaube, glauben, Leben, leben“ zu den paulinischen und johanneischen Vorzugswörtern gehören, belegt der Konkordanzbefund. 142mal verwendet Paulus das Substantiv πίστις und 54mal das Verb. 98mal findet sich das Verb πιστεύω im Johannesevangelium, 9mal im 1 Joh. Singulär ist die Verwendung des Substantivs in 1 Joh 5,4. Damit überragen Paulus und Joh die Synoptiker, die insgesamt nur 34 Belege für πιστεύω bieten. Ein vergleichbares Bild ergibt sich für den Begriff der ζωή. Je 5 Belegen bei Mk und Lk, sieben bei Mt und einem Beleg im Eph, stehen Paulus mit 26 und Joh mit 36 Belegen gegenüber. Ähnlich verhält es sich mit dem Verb ζάω: sechs Belge bei Mt; drei bei Mk; acht bei Lk zu 17 Belegen im Joh und 51 bei Paulus. Vgl. zum Lebensbegriff bei Joh J. G. VAN DER W ATT, Use, 217–228, der herausarbeitet, dass Joh „Leben“ und „ewiges Leben“ synonym verwendet und auf das Adjektiv nur dann verzichtet, wenn dies vom Kontext her mitgehört werden muss bzw. wenn es sich um Aussagen zu Vater und Sohn handelt. Vgl. weiter C. HOEGEN-ROHLS, Ewigkeit, 129–152. 200 Vgl. D. ZELLER, Paulus, 175; U. SCHNELLE, Paulus und Johannes, 218f.223f.; J. B ECKER, Geisterfahrung, 434f. Anders als bei Zeller, Schnelle und Becker wird als Gemeinsamkeit die Gegenwart des Lebensbegriffs betont, da hier, der terminologischen Differenzierung bei Paulus und Joh entsprechend, unterschieden wird zwischen der Lebens- und der Auferstehungsterminologie. Im Gegensatz zu Becker wird die vorliegende Studie mit dem Ansatz bei den Glaubenssummarien aufzeigen, dass für die Gabe des Lebens auch bei Joh der Kreuzestod Jesu konstitutiv ist.

5. Auswertung und neue Wege

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an jeweils zentraler Stelle Hab 2,4 zitiert, um damit die Schriftgemäßheit seiner Verkündigung zu verteidigen. Von der Textwahrnehmung her, dass Paulus sein Lebensverständnis im Kontext der Glaubenssummarien entwickelt, lässt sich eine frappierende Parallele bei Johannes entdecken. So lässt sich zunächst beobachten, dass auch das Joh Traditionssplitter des ältesten Kerygmas von der Auferweckung Jesu enthält.201 Sie legen die Vermutung nahe, dass das vierte Evangelium die vorpaulinischen Glaubenssummarien kannte und damit dieselben Traditionen wie Paulus verarbeitete – oder aber von diesem übernahm. Dies wird sich nicht mit letzter Sicherheit klären lassen. Allerdings spricht gegen eine direkte Rezeption von Paulus, das Fehlen weiterer Theologumena paulinischen Denkens. Für einen theologisch-konzeptionellen Vergleich ist dies allerdings auch sekundär. Die vorliegende Studie geht davon aus, dass es sich bei Joh 11,25f. um eine typisch johanneische Weiterentwicklung eines vorpaulinischen Glaubenssummariums handelt. Denn in Joh 11,25f. greift das Joh mit den Worten πιστεύω und ἀνάστασις zentrale inhaltliche Elemente der vorpaulinischen Glaubenssummarien auf, gibt ihnen aber analog zu Paulus seine Deutung durch die Verwendung der Lebensterminologie (ζωή, ζάω). Indem sich im unmittelbaren Anschluss hieran im Munde des johanneischen Jesus die Frage anschließt: πιστεύεις τοῦτο?, verstärkt sich noch einmal die Annahme, dass es sich hier um ein Glaubenssummarium handelt. Daher wird Joh 11,25f. als johanneisches Glaubenssummarium bezeichnet, dessen sprachliche Gestalt in Form eines Ich-bin-Wortes sich der narrativen Theologie des Joh verdankt. Die beeindruckende Analogie zu Paulus besteht darin, dass auch das Joh die Lebensterminologie verwendet, um die gegenwärtige soteriologische Bedeutung der vorpaulinischen Glaubenssummarien zu erläutern. Da es sich bei diesem johanneischen Glaubenssummarium um die entscheidende Analogie zu den paulinischen Glaubenssummarien handelt, sollen von ihm ausgehend die theologischen Konzeptionen miteinander verglichen werden. Dabei wird sich zeigen, dass Paulus und Johannes auf der Grundlage ihrer Glaubenssummarien eine Theologie des Lebens entfalten, die sie christologisch begründen. So partizipieren die Glaubenden an Jesu Tod und Auferstehung und erfahren Gottes schöpferisches Handeln an sich, indem sie gegenwärtig mit der soteriologischen Gabe des Lebens beschenkt werden. Hierbei nimmt die theologisch-konzeptionelle Verhältnisbestimmung Einsichten der kanonisch-traditionsgeschichtlichen Verhältnisbestimmung von Paulus und Johannes auf, in-

201 Vgl. Joh 2,22a: ἠγέρθη ἐκ νεκρῶν (vgl. zum dritten Tag Joh 2,19); 12,1: Λάζαρος, ὃν ἤγειρεν ἐκ νεκρῶν Ἰησοῦς; vgl. weiter 12,9.17. Diese Formulierungen, wenngleich nicht allein auf Jesus bezogen, sind Zeugnis für die Aufnahme geprägter Sprache durch Joh.

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I. Teil: Forschungsgeschichte und gegenwärtiger Forschungsstand

dem sie nach Traditionen fragt, die Paulus und Johannes aufgenommen haben. Methodisch werden bei dieser theologisch-konzeptionellen Verhältnisbestimmung sowohl synchrone als auch diachrone Fragestellungen der historisch-kritischen Methoden miteinander verbunden. So wird, wie bereits erwähnt, nach verarbeiteten Traditionen gefragt, und es werden alttestamentliche und frühjüdische Quellen zu einem besseren Verständnis der Texte herangezogen. Dies kommt in der Auseinandersetzung mit den vorpaulinischen Glaubenssummarien zum Tragen, vor allem aber in der Auseinandersetzung mit der Annahme, dass es sich bei dem Paulus und Johannes gemeinsamen Konzept um eine Theologie des Lebens handelt, die auf dem jüdischen Bekenntnis zum lebendigen und lebendig machenden Gott fußt. Daneben trägt die Reihenfolge, in der die paulinischen Glaubenssummarien untersucht werden, der rekonstruierten chronologischen Abfolge der Paulusbriefe Rechnung. Wie sehr in der Exegese der Briefliteratur synchrone und diachrone Fragestellungen ineinander fließen, zeigt daneben auch die Frage nach der jeweiligen historischen Kommunikationssituation zwischen Paulus und seinen Adressaten, die durch eine synchron arbeitende Textanalyse erhellt wird. Während die zu untersuchenden Textabschnitte bei Paulus nicht von literarkritischen Schwierigkeiten belastet sind, versteht die vorliegende Arbeit das Johannesevanglium als Produkt einer sog. johanneischen Schule. So ist grundsätzlich mit mehreren Verfassern bzw. Herausgebern zu rechnen, die unterschiedliche Traditionen und Positionen zusammengefügt haben. Allerdings lassen sich diese, wie die Forschungsgeschichte gezeigt hat, nicht überzeugend rekonstruieren bzw. einzelnen Quellen zuordnen, so dass die vorliegende Arbeit von der literarischen Endgestalt des Evangeliums ausgeht und daher der Einfachheit halber vom „Evangelisten“ spricht, wenn sich dieser in narrativen Kommentaren zu Wort meldet. Sie geht dabei, mit Ausnahme des Nachtragskapitels Joh 21, vom Joh als einer literarischen Einheit aus, ohne dass damit ein Wachstum des Textes sowie die Verarbeitung von Quellen und Traditionen ausgeschlossen würden. Leitend ist dabei die in der Forschung breit vertretene Einsicht, dass die nachösterliche Perspektive, die die narrative Darstellung der vorösterlichen Zeit bestimmt, den hermeneutischen Schlüssel zum Verständnis des Evangeliums bildet. Da der in dieser Untersuchung angestrebte Vergleich theologischkonzeptioneller Art ist, wird die synchrone Textuntersuchung, die sich an sprachlichen Beobachtungen und intra- und intertextuellen Bezügen orientiert, dementsprechend vorherrschend sein. Fragen einer historischen Verhältnisbestimmung können demgegenüber in den Hintergrund treten, denn der Fokus des theologisch-konzeptionellen Vergleichs ist darauf gerichtet,

5. Auswertung und neue Wege

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Paulus und Johannes in ihrem „theologischen Sachanspruch“202 zu interpretieren. – Diesen bringen sie in ihrer theologischen Konzeption von Glaube und Leben bemerkenswert ähnlich zum Ausdruck – um so bemerkenswerter, als diese Konzeption innerhalb des neutestamentlichen Kanons ausschließlich bei Paulus und Johannes zu beobachten ist. Da die vorliegende Studie die theologisch-konzeptionelle Verhältnisbestimmung auf der Grundlage der Glaubenssummarien bei Paulus und Johannes vornimmt, sollen im Folgenden die vorpaulinischen Glaubenssummarien und ihr spezifisches Profil bei Paulus betrachtet werden, um im Anschluss daran die theologische Konzeption zu untersuchen, nach der Leben im Glauben empfangen wird.

202

So J. FREY, Wege, 38. Vgl. ausführlich, DERS., a.a.O., 3–44, mit seiner forschungsgeschichtlichen Darstellung verschiedener Auslegungsmodelle des Johannesevangeliums. Zur notwendigen Synthese synchroner und diachroner Fragestellungen sowie der Unmöglichkeit, die eine von der anderen zu trennen, vgl. C. HOEGEN-ROHLS, Johannes, 6–9.

II. Teil

Glauben und Leben vor dem Hintergrund der Glaubenssummarien In diesem Kapitel soll die Textbasis für das theologische Konzept „Leben aus Glauben“ bei Paulus und Johannes bestimmt werden. Dazu werden zunächst Glaubenssummarien betrachtet, auf deren Basis Paulus seinen Lebensbegriff entfaltet. Denn ein Blick auf die Belegstellen für das Substantiv ζωή und das Verb ζάω zeigt, dass Paulus in 1 Thess 5,10; 2 Kor 5,15; Röm 6,3–8 und 14,7–9 traditionelle Glaubenssummarien aufgreift und diese um die Lebensterminologie deutend fortschreibt. Im Unterschied zu den von ihm aufgegriffenen vorpaulinischen Glaubenssummarien werden die von Paulus um die Lebensterminologie erweiterten im Folgenden als paulinische Glaubenssummarien bezeichnet. Sie bilden neben Hab 2,4 die relevanten Textstellen für die theologische Konzeption eines Lebens aus Glauben. Von da ausgehend wird der Fokus auf das vierte Evangelium gerichtet werden, das, wie es aufzuzeigen gilt, mit Joh 11,25f. ebenfalls über ein johanneisches Glaubenssummarium verfügt.

1. Die vorpaulinischen Glaubenssummarien 1. Die vorpaulinischen Glaubenssummarien

Fragt man nach dem ältesten „Credo“ der frühen Christenheit, trifft man innerhalb des Neuen Testaments auf ein Spektrum wiederkehrender Aussagen, in denen das Sterben und die Auferweckung bzw. das Auferstehen Jesu als zentraler Inhalt des Glaubens formuliert wird. Daher sprach Werner Kramer in diesem Zusammenhang von sog. „Pistisformeln“,1 die Paulus aus der Tradition übernommen habe, Hans Conzelmann hingegen vom „Credo“, das er folgendermaßen definierte: „Es bildet ein kurzes Summarium der Lehre mit dem Hauptbestandteil: Er ist gestorben und auferweckt bzw. erhöht.“2 Beispiele solcher wiederkehrender Aussagen sind 1 Thess 4,14 sowie 1 Kor 15,3–5. In 1 Thess 4,14 heißt es:

1 2

W. KRAMER, Christos, 17. H. CONZELMANN, was glaubte, 68.

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II. Teil: Glauben und Leben bei Paulus und Johannes

14a εἰ γὰρ πιστεύοµεν 14b ὅτι Ἰησοῦς ἀπέθανεν καὶ ἀνέστη, 14c οὕτως καὶ ὁ θεὸς τοὺς κοιµηθέντας διὰ τοῦ Ἰησοῦ ἄξει σὺν αὐτῷ. Bekannter ist der Text 1 Kor 15,3–5:3 ὅτι Χριστὸς ἀπέθανεν ὑπὲρ τῶν ἁµαρτιῶν ἡµῶν κατὰ τὰς γραφὰς καὶ ὅτι ἐτάφη καὶ ὅτι ἐγήγερται τῇ ἡµέρᾳ τῇ τρίτῃ κατὰ τὰς γραφὰς καὶ ὅτι ὤφθη Κηφᾷ εἶτα τοῖς δώδεκα. Zwei wichtige Beobachtungen lassen sich an diesen beiden Textbeispielen machen. Zum einen wird deutlich, dass Paulus hier nicht selber formuliert, sondern vorgegebene Traditionen rezipiert. Dies zeigt sich in 1 Thess 4,144 an der Einleitung πιστεύοµεν ὅτι (ὅτι-citativum) als auch am Subjektwechsel zu ὁ θεός.5 Zudem stärkt die für Paulus singuläre Verwendung des Verbes ἀνίστηµι die Annahme, dass es sich in 1 Thess 4,14 um eine zitierte Überlieferung handelt. Denn die Formulierung der Auferweckungsaussage mit ἀνίστηµι gehört in der Apg zur stereotyp geprägten Rede von der Auferweckung (Apg 2,24.32; 13,34), so dass dort „aufgrund des repetitiven Vorkommens von Formelhaftigkeit“6 gesprochen werden kann. Ebenso steht die vorpaulinische Herkunft von 1 Kor 15,3–5 aufgrund der einführenden Worte des Paulus außer Frage, denn er selber legt Wert darauf, dass er weitergebe, was er selbst empfangen habe (1 Kor 15,3: παρέδωκα γὰρ ὑµῖν ἐν πρώτοις, ὃ καὶ παρέλαβον ...). Während 1 Kor 15,3–5 in der früheren Forschung als ältester Beleg für das Credo des frühen Christentums gehalten wurde, weist die kunstvolle Gestaltung der Formel, die zur Viergliedrigkeit ausgebaut ist, 1 Kor 15,3–5 als spätere Komposition aus, die aus mehreren eigenständigen Traditionen gebildet wurde.7 So werden in 3 Dabei lässt sich besonders gut an 1 Kor 15 erkennen, dass es zutrifft, hier vom Inhalt des Glaubens zu sprechen. So thematisiert Paulus viermal das πιστεύειν bzw. die πίστις der Korinther im unmittelbaren Zusammenhang mit dem vorpaulinischen Glaubenssummarium in 1 Kor 15,3–5 (vgl. 1 Kor 15,2.11.14.17) und greift dazu in 1 Kor 15,14f. explizit auf Auferweckungsaussagen zurück. 4 W. KRAMER, Christos, 28, bezeichnet 1 Thess 4,14 als „Kurzformel“ der Pistisformeln. 5 Vgl. hierzu W. KRAMER, Christos, 25, sowie K. WENGST, Formeln, 45; J. KREMER, Art. ἀνάστασις, 218. Auch P. HOFFMANN, Art. Auferstehung Jesu Christi, 483, geht davon aus, dass Paulus „vorgegebene Traditionen“ verwendet. 6 C. ZIMMERMANN, Namen, 513. 7 So mit J. BECKER, Gottesbild, 117f., den die soteriologische Deutung des Todes Jesu zu unseren Gunsten sowie der Verweis auf die Schriften zu dem Urteil veranlasst, 1 Kor 15,3b–5 gehöre „kaum in die Anfänge christologischer Interpretation.“ (A.a.O., 117). Zu diesem Urteil gelangte bereits vor Becker W. KRAMER, Christos, 28. Während J. BECKER (a.a.O., 118) 1 Kor 15,3b–5 für eine „Kontamination je selbstständiger formelhafter Sät-

1. Die vorpaulinischen Glaubenssummarien

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1 Kor 15,3–5 neben den Heilsakten von Sterben und Auferweckung auch das Begrabenwerden Jesu sowie dessen Erscheinung vor Kephas und den Zwölfen als Zeugen der Auferweckung Jesu zum Ausdruck gebracht. Hinzu treten Deutungen und weitere „Präzisierungen“: Das Sterben Jesu wird gedeutet als Sterben für die Sünden (ὑπὲρ τῶν ἁµαρτιῶν ἡµῶν); Sterben und Auferweckung werden näher bestimmt als κατὰ τὰς γραφάς, wodurch der Inhalt der mehrgliedrigen Formel in eine heilsgeschichtliche Kontinuität zu den Schriften Israels gesetzt wird. Außerdem erhält die Auferweckungsaussage eine Präzisierung aufgrund der Zeitangabe τῇ ἡµέρᾳ τῇ τρίτῃ. Daher legt sich die Annahme nahe, dass 1 Kor 15,3–5 am Ende einer Entwicklung von Aussagen zu Jesu Tod und Auferweckung steht, doch bestätigt die Einführung derselben als Tradition zugleich ihr hohes Alter. Zum anderen zeigt ein Vergleich von 1 Thess 4,14 mit 1 Kor 15,3–5, dass ein Spektrum sprachlicher Varianten möglich ist, mit denen Jesu Tod und Auferstehung formuliert werden konnte. So belegen 1 Thess 4,14 und 1 Kor 15,3–5, dass verschiedene Hoheitstitel in der Aussage zu Jesu Tod stehen können und ebenso unterschiedliche Verben zur Formulierung der Auferstehungsaussage verwendet wurden – ein Phänomen, das sich auch an den Stellen beobachten lässt, an denen allein der Heilsakt der Auferstehung Jesu thematisiert wird. So wird die Auferweckung Jesu sehr variantenreich ausgedrückt: als Aussagesatz: ὁ θεὸς αὐτὸν ἤγειρεν ἐκ νεκρῶν (Röm 10,9) ὁ δὲ θεὸς καὶ τὸν κύριον ἤγειρεν (1 Kor 6,14) ἤγειρεν τὸν Χριστόν (1 Kor 15,15) als Partizipialausdruck mit Gott als pronominalem Subjekt:8 ὁ ἐγείρας (τὸν) Ἰησοῦν (ἐκ νεκρῶν)

ze über das Kreuz bzw. die Auferstehung Christi“ hält, nimmt K. WENGST, Formel, 92– 94, an, dass es sich um „eine vorpaulinische einheitliche Formel“ (a.a.O., 94) handele. 8 Der Partizipialausdruck findet sich in Röm 4,24: τὸν ἐγείραντα Ἰησοῦν τὸν κύριον ἡµῶν ἐκ νεκρῶν; 8,11: τοῦ ἐγείραντος τὸν Ἰησοῦν ἐκ νεκρῶν; 2 Kor 4,14: ὁ ἐγείρας τὸν κύριον Ἰησοῦν; Gal 1,1: τοῦ ἐγείραντος αὐτὸν ἐκ νεκρῶν. Vgl. die Übersicht bei K. W ENGST, Art. Glaubensbekenntnis(se) IV, 392. Zum Vorkommen der Gottesbezeichnung in Form des Partizipialausdrucks in den Deuteropaulinen (Kol 2,12; Eph 1,20) sowie in 1 Petr 1,21 vgl. die Ausführungen bei C. ZIMMERMANN, Namen, 506–512.

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als Relativsatz mit einem auf Jesus bezogenen pronominalen Objekt formuliert (in der Apg und singulär bei Paulus):9 ὃν ὁ θεὸς ἤγειρεν ἐκ νεκρῶν. Die Apg bezeugt daneben die Verwendung des Verbes ἀνίστηµι zur Beschreibung der Auferstehung Jesu,10 wie sie Paulus in 1 Thess 4,14 in der rezipierten Tradition vorgefunden hat. Daneben gehören die Aussage Χριστὸς ἠγέρθη / ἐγήγερται (ἐκ νεκρῶν)11 und die Partizipialwendung Χριστὸς ἐγερθεὶς (ἐκ νεκρῶν)12 zu den bei Paulus belegten Wendungen für die Auferstehung Jesu. Daneben findet sich in Joh 21,14 (Ἰησοῦς ἐγερθεὶς ἐκ νεκρῶν) und 2 Tim 2,8 (Ἰησοῦν Χριστὸν ἐγηγερµένον ἐκ νεκρῶν) eine partizipiale Formulierung mit ἐγείρω.13 Die Evangelienüberlieferung bietet Anklänge an den bei Paulus zu findenden Aussagesatz,14 dass Jesus auferweckt wurde, wobei Joh 2,22 insofern eine Besonderheit darstellt, als auch hier, wie bei Paulus, explizit von der Auferweckung Jesu ἐκ νεκρῶν die Rede ist. Angesichts dieser Vielfalt ist Vorsicht geboten gegenüber jedem Versuch, eine einzige sprachliche Gestalt der Auferweckungsaussage rekonstruieren und damit verbunden einen ältesten Kern der Überlieferung bestimmen zu wollen. Dennoch wurde dieser Versuch unternommen, indem zumindest bestimmte Konstitutiva in der konkreten Ausformulierung der Auferweckungsaussage für die früheste Überlieferungsgestalt benannt 9

Für Paulus ist 1 Thess 1,10 (ὃν ἤγειρεν ἐκ [τῶν] νεκρῶν) zu nennen. Die Formulierung mit Hilfe von Relativsätzen entspricht dem Sprachgebrauch der Apg. Hinter dem auf Jesus bezogenen Relativpronomen stehen in der Apg verschiedene Bezeichnungen Jesu wie ἀρχηγὸν τῆς ζωῆς (3,15); Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ Ναζωραίου (4,10); Ἰησοῦν (5,30); in 10,40 ist das Relativpronomen bezogen auf Ἰησοῦν τὸν ἀπὸ Ναζαρέθ in 10,38; in 13,30 Ἰησοῦν aus 13,23 wie auch in 13,37 unter Bezugnahme auf 13,33. 10 Vgl. Apg 2,24; 13,34. 11 Während in Röm 4,25 und 6,4 das finite Verb im Aorist steht, benutzt Paulus in 1 Kor 15 durchgehend das Perfekt (vgl. 1 Kor 15,4.12.13.14.16.17.20), was sich der Übernahme einer Tradition in 1 Kor 15,4 verdanken dürfte, die das Verb im Perfekt beinhaltete. S. dazu unten. In Röm 4,25 handelt es sich um einen relativen Satzanschluss, bei dem sich das Subjekt des Nebensatzes auf Ἰησοῦν τὸν κύριον ἡµῶν (4,24) bezieht. 12 Röm 6,9 und 7,4 weisen die Ergänzung ἐκ νεκρῶν auf, während sie in 8,34 sowie 2 Kor 5,15 fehlt. 13 C. ZIMMERMANN, Namen, 466 Anm. 295, verweist darüber hinaus auf Mk 16,9.14, wo neben dem Partizip Aorist ἀναστάς (16,9) das Partizip Perfekt passiv ἐγηγερµένον (16,14) für den Auferstandenen verwendet wird. 14 Mk 16,6: Ἰησοῦν ... τὸν Ναζαρηνὸν ... ἠγέρθη; Mt 28,6: ἠγέρθη; Lk 24,6: ἠγέρθη. Die genannten Stellen sind durchweg mit einem Aorist passiv von ἐγείρω formuliert.

1. Die vorpaulinischen Glaubenssummarien

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wurden.15 Dazu gehören die Verwendung des Verbes ἐγείρω im Aorist mit Gott als Subjekt, die Konkretisierung der Rede von der Auferweckung durch den Präpositionalausdruck ἐκ νεκρῶν und die Verwendung des Namens Jesu. Legt man diese Kriterien zugrunde, wäre als ältester Kern der Überlieferung zum einen mit dem Aussagesatz ὁ θεὸς Ἰησοῦν ἤγειρεν ἐκ νεκρῶν und zum anderen mit der partizipialen Gottesprädikation (θεὸς) ὁ ἐγείρας αὐτὸν / Ἰησοῦν ἐκ νεκρῶν zu rechnen. Während die Verwendung des Namens Jesu ein plausibles Kriterium für eine ursprüngliche Form der Formulierung darstellt (es wäre ungewöhnlich, einen Hoheitstitel zu streichen)16, zeigt sich bereits an 1 Kor 15,3–5, dass das Verb ἐγείρω nicht im Aorist17 gestanden haben muss, und der Vergleich von 1 Thess 4,14 mit 1 Kor 15,3–5 belegt, dass die Auferweckung ebenso gut mit ἀνίστηµι formuliert werden konnte. Kein Zweifel wiederum kann daran bestehen, dass das Kerygma von Jesu Tod und Auferstehung eine Gottesprädikation nach sich zog, so dass die Partizipialbezeichnung (θεὸς) ὁ ἐγείρας αὐτὸν / Ἰησοῦν ἐκ νεκρῶν „mit Sicherheit“ als „die älteste spezifisch christliche Bezeichnung Gottes“18 betrachtet werden kann. Allerdings ist es auf der Basis des Textbefundes nicht möglich, die Entstehung von Aussagesatz und partizipialer Gottesprädikation zeitlich zu differenzieren,19 auch wenn es plausibel erscheinen mag, dass die Auferweckungsformel in Form des Aussagesatzes einen Reflex auf die Ostererscheinungen darstellt, der dann mit der Gottesprädikation auf der Grundlage der narrativen Weitergabe des Osterereignisses zeitnah Widerhall in der Liturgie gefunden hat. 20 Ebenso muss 15

Vgl. hierzu J. BECKER, Gottesbild, 118–121; P. HOFFMANN, Art. Auferstehung Jesu Christi, 485f.; K. WENGST, Formeln, 41f.; DERS., Art. Glaubensbekenntnis(se) IV, 392; C. ZIMMERMANN, Namen, 467. 16 Vgl. dazu K. W ENGST, Formeln, 32; G. KEGEL, Auferstehung, 13; W. KRAMER, Christos, 37f. 17 Wenngleich die überwältigende Mehrheit der Belege dafür spricht, dass das Verb im Aorist präferiert wurde, verweist 1 Kor 15,4 jedoch darauf, dass ebenso gut eine Perfektform verwendet werden konnte. Dies wird zudem gestützt durch 2 Tim 2,8, wo ebenfalls ein Bezug zur Auferweckungsformel besteht und die Auferweckung mit einen Partizip Perfekt passiv ausgedrückt ist. 18 C. ZIMMERMANN, Namen, 467. 19 Wenngleich J. BECKER, Gottesbild, 118–121, annimmt, dass die partizipiale Gottesprädikation die älteste Gestalt darstelle. 20 Wenig überzeugend erscheint die Ableitung der Auferweckungsformel aufgrund einer Formparallelität von der Herausführungsformel (so zuletzt C. ZIMMERMANN, Namen, 476f., unter Rekurs auf frühere Arbeiten; vgl. zur Literatur a.a.O., 476f. mit Anm. 343) und die z.T. damit verbundene Annahme (so J. B ECKER, Gottesbild, 118–122) einer Priorität der partizipialen Gottesprädikation vor dem Aussagesatz. Ebenso muss die Annahme, die 2. Benediktion des Achtzehnbittengebets habe die „Ausbildung der frühchristlichen Auferweckungsbezeichnung mitgeprägt“ (C. ZIMMERMANN, Namen, 489) kritisch in Frage gestellt werden, da bei der 2. Benediktion Datierung sowie Verbreitung umstritten sind, und zudem die Rede vom lebendig machenden Gott bei Paulus leichter als genuin

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II. Teil: Glauben und Leben bei Paulus und Johannes

die Frage des historischen Entstehungsverhältnisses der theozentrischen Auferweckungsaussagen im Gegenüber zu den Aussagen „Jesus wurde auferweckt von den Toten“ bzw. der intransitiven Formulierung „Jesus stand von den Toten auf“ unbeantwortet bleiben. Denn aufgrund fehlender außerneutestamentlicher Quellen, die Hinweise zur Form der frühchristlichen Traditionen zur Auferweckung Jesu liefern könnten, muss die Antwort auf die Frage eines zeitlichen Neben- oder Nacheinanders der unterschiedlichen Sprachformen in den neutestamentlichen Texten selber gesucht werden. Dabei hat der Blick in das Corpus Paulinum gezeigt, dass der Apostel über alle genannten Traditionen in seinen Briefen verfügt. Festgehalten werden kann lediglich, dass Paulus bei der Auswahl vorgegebener Traditionen den Aussagesatz „Gott hat Jesus auferweckt aus Toten“ und die partizipiale Gottesprädikation „Gott, der Jesus auferweckte aus Toten“ bevorzugt, während er beim einzigen Beleg für ἀνίστηµι, in 1 Thess 4,14, auf eine anders formulierte Tradition rekurriert.21 Einen weiteren Beleg für die sprachliche Vielfalt des neutestamentlichen Zeugnisses der Auferweckung Jesu stellt der Relativsatz „Jesus, den Gott von den Toten auferweckt hat“ dar. Denn aufgrund seiner konstanten Verwendung in der Apg22 und einmal auch bei Paulus (1 Thess 1,10)23 legt sich die Annahme nahe, dass er ebenfalls eine alte Tradition repräsentiert.24 Ein vergleichbares Bild ergibt sich für die Formulierung der Sterbensaussage. Denn diese findet sich mit Ausnahme vergleichbarer Wendungen in Joh 11,51 und 1 Petr 3,18 ausschließlich bei Paulus. Wenngleich Kramer hierfür die Form Χριστὸς ὑπὲρ ἡµῶν ἀπέθανεν als grundlegend bestimmt,25 zeigt sich doch, dass Paulus, der hier als Hauptzeuge fungiert, paulinische Interpretation der Auferweckung auf der Grundlage des alttestamentlichen Verständnisses Gottes als des Lebendigen sowie der alttestamentlichen und frühjüdischen Überlieferung zur Auferstehung zu erklären ist und zudem insbesondere im Zusammenhang mit der Glaubensthematik Parallelen mit Josef und Aseneth zu erkennen sind. S. dazu die Ausführungen zu Röm 4. 21 Anders bewertet C. ZIMMERMANN, Namen, 522, 1 Thess 4,14. Auch sie nimmt zwar an, dass Paulus Tradition rezipiere, schreibt jedoch die Verwendung des Verbes ἀνίστηµι der Autorschaft des Paulus zu, die sie mit den heidenchristlichen Adressaten des 1 Thess begründet. Kritisch zu hinterfragen ist diese Annahme aufgrund von 1 Thess 1,10, wo Paulus denselben Adressaten gegenüber unter Rekurs auf Tradition von einer Auferweckung Jesu (ὃν ἤγειρεν ἐκ [τῶν] νεκρῶν) sprechen kann. 22 Vgl. Apg 2,24; 13,34. 23 Wobei mit P. HOFFMANN, Art. Auferstehung Jesu Christi, 480, der Relativsatz als „sekundäre Variante“ zu dem Aussagesatz und dem Partizipialausdruck beurteilt werden muss. 24 C. ZIMMERMANN, Namen, 521, möchte hierin eine „Institutionalisierung“ des Sprachgebrauchs erkennen. 25 W. KRAMER, Christos, 22f., mit Verweis auf 1 Kor 15,3; Röm 5,6.8; 14,15.

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sprachlich variabel formuliert und die Aussage jeweils seinem Sprachduktus anpasst. Dies belegt 1 Thess 5,10a ebenso wie 2 Kor 5,15. Daraus kann geschlossen werden, dass der finite Aussagesatz aufgrund seines Vorkommens in 1 Thess 4,14 und 1 Kor 15,3–5 als traditionell zu gelten hat, aber dass es darüber hinaus möglich war, auch das Sterben Jesu sprachlich variabel zu formulieren und damit dennoch den Inhalt der Glaubenssummarien wiederzugeben, so dass auch 2 Kor 5,15 als Glaubenssummarium in den Blick kommt. Aufgrund der sprachlichen Variabilität und Vielfalt der Formulierungen26 von Jesu Tod und Auferstehung, wird in der vorliegenden Studie nicht von „Formeln“ gesprochen, sondern die Bezeichnung „vorpaulinische Glaubenssummarien“ gewählt. Damit wird der Textbeobachtung entsprochen, dass Paulus Traditionen rezipiert und es sich bei den genannten Texten um Zusammenfassungen des frühchristlichen Glaubens handelt, unabhängig davon, ob beide oder aber lediglich einer der Heilsakte thematisiert werden.27 Dies ist schon deshalb möglich, weil die Rede von der Auferweckung Jesu die Kenntnis von dessen Tod bei den Adressaten der jeweiligen neutestamentlichen Schriften voraussetzt. Besonders deutlich wird dies daran, wenn die Auferweckungsaussage durch den Präpositionalausdruck ἐκ νεκρῶν ergänzt wird. Entscheidend für die in der vorliegenden Studie verfolgte Fragestellung ist dabei ein bemerkenswertes Phänomen, das sich beobachten lässt, wenn man die Belegstellen des ζῆν-Wortstammes28 bei Paulus betrachtet. Denn 26

Es sollte zudem kritisch bedacht werden, dass die skizzierten Überlegungen zu einem festgeprägten Sprachgebrauch, der z.T. Formelhaftigkeit aufweist, erst an der griechischen Textüberlieferung der neutestamentlichen Schriften gemacht werden können (vgl. dazu auch K. WENGST, Formeln, 41), während der Sitz im Leben der Auferweckungsformel aufgrund des ihr zugrunde liegenden Initialereignisses der christlichen Verkündigung bereits in der aramäisch sprechenden Urgemeinde zu finden sein wird. Folglich müssen die Glaubenssummarien dem griechisch sprechenden Judenchristentum zugeschrieben werden, das aufgrund missionarischer Bemühungen um Heiden die Auferweckungsaussagen mit der eigens gebildeten Sterbensformel verband. Zum Sitz im Leben in der aramäischsprachigen Urgemeinde vgl. auch W. KRAMER, Christos, 30; K. W ENGST, Art. Glaubensbekenntnis(se) IV, 392; DERS., Formeln, 41f. Vgl. weiter den Forschungsabriss bei P. HOFFMANN, Art. Auferstehung Jesu Christi, 479. P.-G. KLUMBIES, „Ostern“, 164 Anm. 26, möchte sich nicht festlegen, ob die Auferweckungsformel auf die hellenistisch-judenchristliche Gemeinde oder die aramäisch sprechende Urgemeinde zurückgeht. Dies hänge davon ab, „für wie früh man die urchristliche Diskussion um Gott und die älteste erhaltene Weise des theologischen Umgangs mit dem Tode Jesu hält“ (a.a.O., 164). Zur Verbindung von Auferweckungs- und Sterbensformel vgl. K. W ENGST, Art. Glaubensbekenntnis(se) IV, 394; W. KRAMER, Christos, 33. 27 Auch M. HENGEL, Begräbnis, 128, plädiert für ein zeitgleiches Nebeneinander sprachlich variabler Auferstehungsaussagen sowie die gleichzeitige Existenz eingliedriger und zweigliedriger Formeln, da nur letztere „das ganze Heilsgeschehen umfaßten.“ 28 Gemeint sind das Substantiv ζωή sowie die Verben ζάω und συζάω.

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II. Teil: Glauben und Leben bei Paulus und Johannes

dann fällt auf, dass Paulus an entscheidenden Stellen, an denen er seinen Lebensbegriff entfaltet, auf Aussagen der Glaubenssummarien zurückgreift und sie mit der Lebensterminologie verbindet. Daher werden sie im Folgenden als paulinische Glaubenssummarien bezeichnet.

2. Paulinische Glaubenssummarien 2. Paulinische Glaubenssummarien

Betrachtet man vor diesem Hintergrund das Vorkommen einzelner Elemente der vorpaulinischen Glaubenssummarien in den Paulusbriefen, dann lenken 1 Thess 5,10; 2 Kor 5,15; Gal 2,20f.; Röm 6,3–8 und 14,9 das Augenmerk auf ein besonderes Phänomen: In allen genannten Belegen, in denen sich Elemente oder Aussagen der vorpaulinischen Glaubenssummarien finden, werden sie von Paulus mit der Lebensterminologie verbunden und auf diese Weise deutend fortgeschrieben. 1 Thess 5,10: τοῦ ἀποθανόντος ὑπὲρ ἡµῶν, ἵνα εἴτε γρηγορῶµεν εἴτε καθεύδωµεν ἅµα σὺν αὐτῷ ζήσωµεν. 2 Kor 5,15: καὶ ὑπὲρ πάντων ἀπέθανεν, ἵνα οἱ ζῶντες µηκέτι ἑαυτοῖς ζῶσιν ἀλλὰ τῷ ὑπὲρ αὐτῶν ἀποθανόντι καὶ ἐγερθέντι. Röm 6,3–8: ἢ ἀγνοεῖτε ὅτι, ὅσοι ἐβαπτίσθηµεν εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν, εἰς τὸν θάνατον αὐτοῦ ἐβαπτίσθηµεν; 4 συνετάφηµεν οὖν αὐτῷ διὰ τοῦ βαπτίσµατος εἰς τὸν θάνατον, ἵνα ὥσπερ ἠγέρθη Χριστὸς ἐκ νεκρῶν διὰ τῆς δόξης τοῦ πατρός, οὕτως καὶ ἡµεῖς ἐν καινότητι ζωῆς περιπατήσωµεν. 5 εἰ γὰρ σύµφυτοι γεγόναµεν τῷ ὁµοιώµατι τοῦ θανάτου αὐτοῦ, ἀλλὰ καὶ τῆς ἀναστάσεως ἐσόµεθα· 6 τοῦτο γινώσκοντες ὅτι ὁ παλαιὸς ἡµῶν ἄνθρωπος συνεσταυρώθη, ἵνα καταργηθῇ τὸ σῶµα τῆς ἁµαρτίας, τοῦ µηκέτι δουλεύειν ἡµᾶς τῇ ἁµαρτίᾳ· 7 ὁ γὰρ ἀποθανὼν δεδικαίωται ἀπὸ τῆς ἁµαρτίας. 8 εἰ δὲ ἀπεθάνοµεν σὺν Χριστῷ, πιστεύοµεν ὅτι καὶ συζήσοµεν αὐτῷ,

2. Paulinische Glaubenssummarien

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Röm 14,9: εἰς τοῦτο γὰρ Χριστὸς ἀπέθανεν καὶ ἔζησεν, ἵνα καὶ νεκρῶν καὶ ζώντων κυριεύσῃ Bei diesen Texten handelt es sich um oben angesprochene paulinische Glaubenssummarien, da Paulus mit ihnen seine theologische Konzeption eines Lebens aus Glauben entfaltet. Das Besondere dabei ist, dass die Lebensthematik ursprünglich nicht Bestandteil der vorpaulinischen Glaubenssummarien gewesen ist. Denn diese haben weder den ζῆν-Wortstamm verwendet,29 noch haben sie – und das ist der entscheidende Punkt – eine Verbindung zwischen der Auferweckung bzw. der Auferstehung Jesu und dem ‚Leben‘ der Glaubenden hergestellt.30 Es liegt daher die Vermutung nahe, dass Paulus selber die Lebensthematik in die Auferweckungsaussage der Glaubenssummarien eingetragen und dann in ihrem Kontext dazu verwendet hat, um die soteriologische Deutung von Kreuz und Auferstehung für die Glaubenden darzulegen.31 Dieser Eingriff hat für das theologische Denken des Paulus weitreichende Folgen. Denn mit seiner Ausdeutung der vorpaulinischen Glaubenssummarien mit einer Lebensterminologie hat er sie zur Grundlage für 29 Vgl. G. KEGEL, Auferstehung, 14f.22–25, der vier Varianten der Auferstehungsformel rekonstruiert. Diese lauteten ihm zufolge: ἀπέθανεν καὶ ἔζησεν/ἀνέστη/ἠγέρθη/ἐγήγερται. Daher bleibt seine Beurteilung zu Röm 14,9 indifferent, wenn er einerseits, wie in dieser Arbeit vertreten, annimmt, Paulus habe das Verb ζάω aufgrund des Kontextes selber zur Formulierung der Auferstehung Jesu gewählt, es jedoch zugleich für möglich hält, dass Paulus „unter den zur Verfügung stehenden Formeln die mit ἔζησεν“ (a.a.O., 15) gewählt habe. H.-P. HASENFRATZ, Rede, 143, nimmt ebenfalls einen „ζάω-Typ“ an, kann aber für diesen ausschließlich Belege bei Paulus nennen. Auch dies sollte als Indiz dafür gewertet werden, dass es sich hierbei tatsächlich um ein paulinisches Phänomen handelt. 30 Die Bedeutung der Pistis-Formeln als Grundlage für die paulinische Soteriologie erkennt auch P. SIBER in seiner Dissertation aus dem Jahre 1969 unter dem Titel „Mit Christus leben“. Im Unterschied zur vorliegenden Arbeit wendet er diese Einsicht nicht auf die Lebensterminologie insgesamt an, was sichtbar wird an seinem Umgang mit 2 Kor 5,15; Röm 14,7–9. Vgl. dazu a.a.O., 63 Anm. 173; 223. Er zeigt sie lediglich für die paulinischen σύν-Formulierungen auf und wertet diese subsummierend für die Auferstehungshoffnung aus, so dass er, anders als in dieser Arbeit vertreten, auch 1 Thess 5,10 und Röm 6,8 futurisch-eschatologisch deutet und zudem die terminologische Differenzierung, die Paulus vornimmt, trotz luzider Einsichten zu Röm 6 nicht konsequent wahrnimmt. Das belegt seine Deutung zu 1 Thess 5,10, wenn er das „‚Leben( ) mit Christus‘“ einer „‚Auferweckung mit Christus‘“ gleichsetzt (a.a.O., 73). Zudem hegt er kein Interesse am Glauben bei Paulus, so dass er Stellen wie Röm 1,17; Gal 3,11 unberücksichtigt lässt. 31 Auch K. WENGST, Formeln, 47, geht zwar in Bezug auf 2 Kor 5,15 und Röm 14,9 davon aus, dass Paulus für die Verwendung des Verbes ζάω verantwortlich sei, ohne jedoch daraus Schlüsse zu ziehen. Vgl. zu Röm 14,9 auch W. KRAMER, Christos, 25f.

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II. Teil: Glauben und Leben bei Paulus und Johannes

seine eigene theologische Konzeption gemacht, dass ‚Leben‘ im Glauben empfangen werde.32 Diese bewusste theologische und konzeptionelle Veränderung ist nicht zu unterschätzen. Um diese Entwicklung angemessen zu würdigen, werden die Texte 1 Thess 5,10; 2 Kor 5,15; Röm 6,3–8 und 14,7–9 im Folgenden als paulinische Glaubenssummarien bezeichnet, da diese Textstellen Kurzzusammenfassungen des Glaubens bieten, der den Empfangsmodus für das Leben bildet.33

3. Das johanneische Glaubenssummarium 3. Das johanneische Glaubenssummarium

In 1 Thess 5,10; 2 Kor 5,15; Röm 6,3–8 und 14,7–9 entwickelt und entfaltet Paulus das Leben als heilbringenden Effekt des Glaubens auf der Grundlage vorgegebener Aussagen zu Jesu Tod und Auferweckung. Eine Analogie hierzu findet sich im Johannesevangelium in Joh 11,25f.34 Dabei

32 Interessanterweise übersieht das die Studie von J. MÜLLER, Lebensbegriff, der den Fokus auf die sakramentale Lebensvermittlung in der Taufe legt und daher lediglich in einem kurzen Kapitel der Frage nachgeht, wie das Verhältnis von Glaube und Taufe bei der Entstehung des Lebens zu bestimmen sei (a.a.O., 51–55). Er möchte den Glauben letztlich ausschließlich für die ethische Gestaltung des geschenkten göttlichen Lebens fruchtbar machen (a.a.O., 99f.). 33 Diesen dezidierten Bezug zu der theologischen Konzeption, dass Leben im Glauben empfangen wird, übersieht G. DAUTZENBERG, Art. Leben, 529, obwohl er erkennt, dass Leben in „Abwandlungen der ‚Auferstehungsformel‘“ die Auferstehung Christi und die Gemeinschaft der Glaubenden mit ihm bezeichnet. Im Unterschied zu R. BULTMANN, Art. ζάω; L. SCHOTTROFF, Art. ζῶ, ζωή, Sp. 269; sowie J. ZUMSTEIN, Art. Leben, 137, wird die vorliegende Studie aufzeigen, dass auch für das Joh der Glaube an das Kerygma von Jesu Tod und Auferstehung konstitutiv ist für die Gabe des Lebens. Damit lenkt sie zum einen stärker den Blick weg allein von der Sendung Christi als Ermöglichungsgrund des Lebens und zum anderen von der Fixierung auf die Offenbarung des Irdischen bei Joh. Durch die Orientierung an den Glaubenssummarien kann sie daher die theologische Konzeption, dass Leben im Glauben empfangen wird, konkretisieren und das analoge Profil von Paulus und Johannes herausarbeiten. Dabei nimmt sie Beobachtungen von R. B ULTMANN, Art. ζάω, 866, auf, der das Leben in Jesu Auferweckung begründet sieht und hierbei allgemein vom „Kerygma( )“ spricht. Anders als dieser (a.a.O., 870) wird in der vorliegenden Arbeit die von Paulus vorgenommene begriffliche Differenzierung von „leben“ und „auferstehen“ in Bezug auf die Glaubenden wahrgenommen und in die Auslegung einbezogen. 34 Interessanterweise wird das in den Arbeiten von G. KEGEL, Auferstehung, und J. B ECKER, Auferstehung, nicht wahrgenommen, obwohl sie einen Ausblick auf Joh 11 bieten (vgl. dazu G. KEGEL, Auferstehung, 109–112; J. BECKER, Auferstehung, 141– 146). Kegel erkennt hierin lediglich eine Differenz zu Paulus. Diese bestehe in der präsentischen Eschatologie, die an die Stelle der apokalytischen Erwartung einer endzeitlichen Auferstehung der Toten getreten sei. Becker möchte Joh 11,24ff. als „tiefgreifende

3. Das johanneische Glaubenssummarium

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handelt es sich um einen Text, der gewissermaßen als narrative Ausgestaltung der vorpaulinischen Glaubenssummarien verstanden werden kann. Zu erkennen ist dies an den Stichworten „glauben“ und „Auferstehung“. Das Besondere daran ist, dass Joh, wie eben Paulus auch, die Aussagen der vorpaulinischen Glaubenssummarien deutet, indem er sie um die Lebensthematik ergänzt und diese, ebenfalls wie Paulus, sowohl auf die Glaubenden als auch für Jesus anwendet. So heißt es in Joh 11,25f.: 25a ἐγώ εἰµι ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή· 25b ὁ πιστεύων εἰς ἐµὲ 25c κἂν ἀποθάνῃ ζήσεται, 26a καὶ πᾶς ὁ ζῶν καὶ πιστεύων εἰς ἐµὲ 26b οὐ µὴ ἀποθάνῃ εἰς τὸν αἰῶνα. 26c πιστεύεις τοῦτο Damit bildet Joh 11,25f. eine eindrückliche Analogie zu den paulinischen Glaubenssummarien als fortschreibende Deutung der vorpaulinischen Glaubenssummarien.35 Dementsprechend kann Joh 11,25f. als johanneisches Glaubenssummarium bezeichnet werden. Von dieser Stelle ausgehend soll in dieser Studie die theologische Konzeption „Leben aus Glauben“ bei Joh untersucht werden, indem die Texte, die den Zusammenhang von Glauben und Leben thematisieren (Joh 3; 5; 6 und 17) für ein vertieftes Verständnis von Joh 11,25f. betrachtet werden. Bevor jedoch die johanneischen Texte im Anschluss an die Analyse der paulinischen Glaubenssummarien exegesiert werden, soll das Augenmerk zunächst auf Hab 2,4 in Röm 1,17 und Gal 3,11 gerichtet werden. Denn dies sind die einzigen paulinischen Textbelege, in denen Glauben und Leben unter Rückgriff auf das Prophetenzitat in unmittelbarem Zusammenhang thematisiert werden. Dabei gewinnt die Verwendung des Zitats ihre spezifische Aussagekraft wiederum vor dem Hintergrund der vorpaulinischen Glaubenssummarien.

Uminterpretation“ (a.a.O., 142) der Erwartung einer Parusie des Menschensohnes und der endzeitlichen allgemeinen Totenauferweckung verstehen. 35 Ganz anders hingegen H.-P. HASENFRATZ, Rede, 198, der in Joh 11,25f. ein „pneumatisches ‚Gegenbekenntnis‘ zur Pistisformel“ erkennen möchte. Das liegt daran, dass ihm zufolge alle Auferstehungsaussagen (2,22; 20,9; 21,14) „auf joh oder kirchliche Redaktion gehen“ (a.a.O., 197). Zudem verkennt er, dass der joh Jesus zwar schon vor seiner Auferstehung Leben in sich hat, aber der Tod und die Auferstehung Jesu auch im Joh notwendig sind, damit den Glaubenden das Leben zuteil wird. Das wird die Untersuchung der Joh-Texte aufzeigen und begründen.

III. Teil

Glaube und Leben bei Paulus 1. „Der aus Glauben Gerechte wird leben“ Die Bedeutung von Hab 2,4 für Paulus 1. „Der aus Glauben Gerechte wird leben“

Zweimal zitiert Paulus den Satz aus Hab 2,4b,1 um seine zentrale Einsicht der Gerechtigkeit aus Glauben2 und der damit verbundenen Gabe des Le1 Paulus weicht in beiden Zitaten sowohl vom masoretischen Text als auch vom Hauptstrang der LXX-Überlieferung ab. Während der masoretische Text das Nomen ‫ אמונה‬mit dem Personalsuffix der 3. Person Singular maskulinum verbindet (‫באמונתו יחיה‬ ‫)וצדיק‬, bezeugt die Septuaginta-Textüberlieferung ein Personalsuffix der 1. Person Singular maskulinum (ὁ δὲ δίκαιος ἐκ πίστεως µου ζήσεται). Die von Paulus verwendete Form des Zitats von Hab 2,4b wird hingegen lediglich von einem Teil der handschriftlichen LXX-Textüberlieferung geboten (vgl. zur Stelle Duodecim Prophetae, 264; D.-A. KOCH, Text, 69) und weicht vom masoretischen Text ebenso ab wie vom Hab-Zitat in Hebr 10,38. KOCH, Text, 69, versteht diese von der LXX bezeugten Lesarten von Hab 2,4b, die Röm 1,17; Gal 3,11 und Hebr 10,38 entsprechen, als christlich beeinflusste Lesarten, die nicht aus der Entstehungsgeschichte der LXX erklärt werden könnten (so auch K.-F. ULRICHS, Christusglaube, 184). Andererseits muss auch gesehen werden, dass die Peschitta das Nomen ‫ אמונה‬in Hab 2,4b analog zu Paulus ohne Personalsuffix wiedergibt, was bei Koch unberücksichtigt bleibt. Es wäre also auch denkbar, dass der Übersetzung der Peschitta ein alter hebräischer Text zugrunde liegen könnte, so dass die von Paulus verwendete Form von Hab 2,4b nicht als Kreation des Paulus zu verstehen ist, die er aufgrund seiner theologischen Intention selbst gebildet hat, sondern als eine sehr alte Variante des Textes selber. Letztlich lässt sich die Herkunft der Zitat-Form bei Paulus aufgrund der komplexen Textgeschichte aber nicht mehr klären. 2 In der Deutung des Paulus wird der Präpositionalausdruck ἐκ πίστεως adverbiell mit der Verbform ζήσεται verbunden. Syntaktisch wäre es ebenso gut möglich, ἐκ πίστεως attributiv mit dem Subjekt (ὁ δίκαιος) zu verbinden. Der unmittelbare Kontext von Röm 1,17b legt mit dem Präpositionalausdruck ἐκ πίστεως εἰς πίστιν in V. 17a jedoch eine attributive Zuordnung nahe, die die Akzentuierung auf ἐκ πίστεως legt (so auch M. WOLTER, Paulus, 67; J. W. T AYLOR, Faith, 348; vgl. die Diskussion bei K.-F. U LRICHS, Christusglaube, 185–187, der zudem Gal 3,11 einbezieht; anders hingegen R. JEWETT, Romans, 146, der ἐκ πίστεως mit dem Verb verbinden will, „to follow the normal rules of Greek grammar“). Für Hab 2,4 in Gal 3,11 lässt sich vom Kontext her keine klare Entscheidung treffen (vgl. auch K.-F. ULRICHS, Christusglaube, 186). Da jedoch auch hier der Akzent auf der πίστις liegt, ist eine attributive Zuordnung zu bevorzugen. R. B. HAYS, Faith, 151, konstatiert jedoch zu Recht, dass es letztlich keinen Bedeutungsunterschied ausmache, ob ἐκ πίστεως attributiv mit dem Subjekt (ὁ δίκαιος) oder adverbiell mit

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

bens mit der Schrift zu begründen. Es sind diese beiden Stellen in Röm 1,17 und Gal 3,11,3 in denen der Zusammenhang von Glaube und Leben bei Paulus unmittelbar zur Sprache kommt. Von Bedeutung ist dabei, dass dem Zitat, trotz seiner unterschiedlichen Stellung innerhalb des Römerund der Galaterbriefes, beide Male eine gewichtige Rolle innerhalb der Argumentation des Paulus zukommt. Das wird daran sichtbar, dass Hab 2,4 in Röm 1,17 Bestandteil der Propositio des Röm ist und Gal 3,11 Bestandteil eines Syllogismus aus Schriftzitaten (3,10–14),4 mit Hilfe dessen Paulus die Gerechtmachung und das Leben ἐκ πίστεως der Gerechtsprechung ἐν νόµῳ kontrastiert. Dass beide Male neben der mit der Autorität der Schrift begründeten Gerechtmachung aus Glauben die soteriologische Gabe des Lebens akzentuiert wird, zeigt sich, wenn darüber hinaus die inhaltlichen Verknüpfungen von Hab 2,4 zu anderen Textabschnitten innerhalb der beiden Paulusbriefe berücksichtigt werden. Denn dann wird deutlich, dass Paulus hier in nuce eine Theologie des Lebens entwirft, die er zunächst in Röm 4 am Leben schaffenden Handeln Gottes an Abraham und Sarah illustriert, um gleich im Anschluss daran eine Analogie zu Gottes Auferweckungshandeln an Jesus zu ziehen. Im Gal wiederum spricht er davon, dass die Glaubenden Neuschöpfung seien (Gal 6,15). Somit benutzt Paulus das Zitat im Gal wie im Röm dazu zu zeigen, dass der Mensch ausschließlich aus Glauben gerecht wird und ihm daraus eschatologisch und soteriologisch qualifiziertes Leben zuteil wird.5 Weshalb aber verwendet Paulus hierzu das Prophetenwort? Eine Antwort auf diese Frage ergibt sich, wenn die Diskussion um Hab 2,4 in der πίστις Χριστοῦ-Debatte nachvollzogen wird. Denn dann lässt sich die Verbindung von Hab 2,4 zu den Glaubenssummarien erkennen, die ja, wie zu beobachten war, die Grundlage für den Zusammenhang von Glauben und Leben bei Paulus bilden. Somit dient das Hab-Zitat dazu, mit der Verbform ζήσεται verbunden werde: „If there is any material distinction to be found between these statements, it lies in a realm of theological nuances far subtler than Paul could have imagined. In either case, the phrase ἐκ πίστεως specifies the manner in which ὁ δίκαιος shall find life.“ 3 In Gal 3,11 fehlt gegenüber Röm 1,17 die Partikel δέ, was aber keine Bedeutungsveränderung zur Folge hat. 4 Vgl. z.B. M. B ACHMANN, Argumentation, 529ff.; P. M. SPRINKLE, Law, 137. 5 Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang die Deutung von D. HUNN, Habakkuk, da sie paulinische Gedanken in den hebräischen Text von Hab 2,4 einträgt. So will sie mit Hilfe einer Rekonstruktion des historischen Ortes von Hab ‚Leben‘ im Sinne von „eschatological life“ (a.a.O., 238 u.ö.) bzw. als „resurrection life“ (a.a.O., 231) deuten. Sie stellt die These auf, dass „some of the righteous would have died before 539 BCE; and since they were to live to see the fulfillment of the vision, the life they would live must be resurrection life“ (a.a.O., 231). „Paul then sees the eschaton in Habakkuk, because whether or not Habakkuk saw it, that is what follows from his prophecy“ (a.a.O., 232).

1. „Der aus Glauben Gerechte wird leben“

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der Autorität der Schrift die paulinische Theologie des Lebens zu begründen. Dies soll im Folgenden nachgezeichnet werden. Dazu wird zunächst die Diskussion um Hab 2,4 in der πίστις Χριστοῦ-Debatte skizziert, um daran anschließend die Bedeutung von Hab 2,4 im Kontext des Römerund Galaterbriefes darzustellen. 1.1 Hab 2,4 in der πίστις Χριστοῦ-Debatte D. A. Campbell hat Hab 2,4 als „crux interpretum“ für die sog. πίστις Χριστοῦ-Debatte bezeichnet.6 Trotz des umfangreichen Bedeutungsspektrums von Genitivvalenzen handelt es sich in der πίστις Χριστοῦ-Debatte vorwiegend um einen Streit zwischen Vertreten eines genitivus subiectivus auf der einen und Verfechtern eines genitivus obiectivus auf der anderen Seite. Während ein subjektives Verständnis das Syntagma im Sinne der Treue bzw. des Glaubens Christi „christologisch“ deutet, thematisiert ein genitivus obiectivus „anthropologisch“ den Glauben an Christus.7 Daneben existiert ein sog. „third view“, der alternative Deutungen in die Diskussion einbringt. Vertreter des „third view“ verfolgen eine Kontextualisierung der Debatte innerhalb der paulinischen Theologie. Gemeinsam ist ihnen, πίστις Χριστοῦ als Ausdruck für ein objektives heilsgeschichtliches, eschatologisches Ereignis zu begreifen und damit von einer Reduktion auf das menschliche Glauben zu befreien.8 Der Gewinn des πίστις Χριστοῦ-Diskurses besteht darin, dass die Vertreter einer subjektiven Genitivvalenz zu Recht die Mängel einer anthropologischen Lesart aufzeigen konnten, in der das überindividuelle Moment 6

Vgl. dessen Artikel, DERS., Romans 1:17 – A Crux Interpretum for the πίστις Χριστοῦ Debate, erschienen 1994 in JBL 113/2, 265–285. 7 Einen sehr ausführlichen Forschungsüberblick sowie eine breite Diskussion der jeweiligen Argumente der Vertreter eines genitivus subiectivus bzw. eines genitivus obiectivus bietet die Studie von K.-F. ULRICHS, Christusglaube, zu Hab 2,4 (vgl. a.a.O., 183– 190). Einen guten Überblick über die Forschungslage bietet zudem M. C. EASTER, Pistis; vgl. weiter zur christologischen Lesart den Überblick bei D. HELISO, Pistis, 19–26; sowie den Beitrag von D. HUNN, Faithfulness, und jüngst T. SCHUMACHER, Entstehung, 310– 326. 8 Einen Überblick über die Vertreter und ihre Positionen unter der Überschrift „third view“ bietet P. M. SPRINKLE , Πίστις Χριστοῦ, 167–176. Am Ende seines Beitrags fasst er noch einmal Vor- und Nachteile eines „third view“ zusammen (a.a.O, 182–184). Dabei kritisiert er m.E. zu Recht, dass das Syntagma häufig unübersetzt verwendet werde. Dies führe dazu, dass Vertreter des „thied view“ „fill it with whatever theological idea may fit the moment!“ (a.a.O., 183). Zudem fordert er, dass das Verhältnis von dem Substantiv πίστις und dem Verb πιστεύω stärker reflektiert werden müsse, da sich hier Schwächen eines „third view“ als auch eines subjektiven Genitivverständnisses erkennen ließen (a.a.O., 183f.) Als Vertreter, auf die die geäußerte Kritik nicht zutrifft, seien W. SCHENK, Gerechtigkeit, sowie M. WOLTER, Paulus, den Sprinkle unerwähnt lässt, genannt. Die Ansätze beider Exegeten werden in der vorliegenden Studie aufgenommen.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

von πίστις übersehen wurde. Dennoch kann ein subjektives Genitivverständnis nicht überzeugen, da es sich vom Kontext her ad absurdum führt. Weiterführend erwiesen sich daher erst jene Ansätze, die das Syntagma kontextualisierten und damit eine neue, „dritte“ Perspektive ermöglichten. Die hier vertretene Position rekurriert auf Ansätze von Wolfgang Schenk und Michael Wolter, die beide als Vertreter eines „third view“ gelten können. Infolge einer hitzigen Diskussion zwischen J. D. G. Dunn und Richard Hays 9 auf dem SBL Meeting 1991 entstand eine Fülle an Publikationen in Form von Artikeln und Monographien, in denen die angeführten Argumente für eine objektive Genitivvalenz als Gründe für ein subjektives Verständnis vereinnahmt wurden und umgekehrt. Die Diskussion, die bis heute vorwiegend ein Spezifikum der anglophonen Wissenschaft10 geblieben ist, steht schon seit einiger Zeit in der Gefahr, in eine Sackgasse zu geraten, mit der scheinbar endlosen Wiederholung grammatischer Argumente bei gleichzeitigem Beharren, die objektive Deutung stelle eine Erfindung Luthers dar, die die paulinische Soteriologie vom menschlichen „Werk“ des Glaubens abhängig mache. Auf eine Aufarbeitung der Forschungsgeschichte kann im Rahmen der vorliegenden Studie verzichtet werden, da sie das hier verhandelte Thema nur am Rande berührt. Bevor daher der Fokus auf die Diskussion um Hab 2,4 in der πίστις Χριστοῦ-Debatte gerichtet werden soll, sei lediglich Folgendes zur πίστις Χριστοῦ-Debatte angemerkt:

9

Vgl. deren schriftliche Auseinandersetzung in: E. E. Johnson / R. B. Hays (Hgg.), Theology, darin insbesondere J. D. G. DUNN, Once More, 61–81, und R. B. HAYS, ΠΙΣΤΙΣ and Pauline Theology, 35–60. Zuvor hatte Hays bereits 1983 in erster Auflage „The Faith of Jesus Christ“ veröffentlicht, das 2002 in zweiter Auflage erneut erschien. Speziell zu Hab 2,4 hat sich Hays wiederum in seinem 2005 erschienenen Aufsatzband in dem Artikel, DERS., Apocalyptic Hermeneutics, 119–142, geäußert. An jüngeren Arbeiten sei von J. D. G. DUNN zudem auf die beiden Artikel DERS., ΕΚ ΠΙΣΤΕΩΣ, 351–366, aus dem Jahr 2008 sowie auf das Vorwort zum von M. F. Bird und P. M. Sprinkle herausgegebenen Band „The Faith of Jesus Christ“ von 2009 verwiesen (DERS., Foreword, XV– XIX). Vgl. weiter P. J. ACHTEMEIER, Faith, 82–92, der noch einmal auf die Kontroverse zwischen Dunn und Hays eingeht. Er stellt überblicksartig deren jeweilige Positionen dar, um im Anschluss daran offene Fragen an beide zu formulieren. 10 Als Vertreter im deutschsprachigen Raum seien exemplarisch B. SCHLIESSER, Abraham’s Faith, und T. SCHUMACHER, Entstehung, genannt. B. SCHLIESSER, Abraham’s Faith, 263, schlägt einen genitivus relationis vor; T. SCHUMACHER, Entstehung, 326, hingegen deutet das Syntagma im Sinne einer „Zuwendung Jesu zu den Menschen“. Interessant ist Schumachers Studie durch ihre gründliche sprachgeschichtliche Untersuchung des πιστ-Stammes, während die Deutung des Syntagmas innerhalb des paulinischen Kontextes nicht zu überzeugen vermag.

1. „Der aus Glauben Gerechte wird leben“

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Es hat sich gezeigt, dass grammatische Argumente alleine keine Lösung herbeiführen können.11 Trotzdem sind es insbesondere die philologischen Argumente, auf die in der Diskussion nicht verzichtet werden kann. Denn sie können dazu beitragen, sachliche Überlegungen in die Diskussion einzubringen.12 Wirklich weiterführend erweisen sich daher Ansätze, die linguistische Argumente mit einer stärkeren Kontextualisierung der πίστις Χριστοῦ-Belege verbinden. So benennt Silva zu Recht folgende Kriterien, die zur Klärung eines sachgemäßen Verständnisses von πίστις Χριστοῦ zu bedenken sind: „(a) our lexical knowledge of the relevant nouns, and (b) our knowledge of the broad context, both literary and historical.“ 13 Im Fokus der Debatte stehen weiterhin primär jene sieben Belege in den Protopaulinen (Röm 3,22.26; Gal 2,16c.e.20; 3,22; Phil 3,9), bei denen der πίστις ein auf Christus bezogenes Genitivattribut beigeordnet wird. Dieses variiert zwischen „Jesus“ (Röm 3,26), „Jesus Christus“ (Röm 3,22; Gal 2,16c), „Christus“ (Gal 2,16e; Phil 3,9) und „Sohn Gottes“ (Gal 2,20). Bis auf Gal 2,20, wo sich die Formulierung ἐν πίστει findet, stimmen die übrigen sechs Belege darin überein, dass vor dem artikellosen nomen regens πίστις die Präpositionen ἐκ (Röm 3,26; Gal 2,16c) oder διά (Röm 3,22; Gal 2,16a; Phil 3,9) stehen.14 Da neben den genannten Stellen auch alle übrigen ἐκ bzw. διὰ πίστεως-Belege berücksichtigt werden, kommt dem Zitat von Hab 2,4 in Röm 1,17 und Gal 3,11 mit der Wendung ἐκ πίστεως eine entscheidende Rolle in der Frage nach der Genitivvalenz zu. Im Zentrum steht die Frage, ob sich bei Paulus ein christologisches Verständnis von Hab 2,4 11

So stellt M. D. HOOKER, ΠΙΣΤΙΣ, 321, treffend fest, die Frage nach der Genitivvalenz „cannot be settled on the basis of appeals to grammatical construction alone“ – und meint, dass das der einzige Konsens in der Debatte sei. 12 Verwiesen sei hier auf die Arbeit von K.-F. ULRICHS, Christusglaube, 11–34, mit ihrer Besprechung philologischer Möglichkeiten, sowie auf die Beiträge von R. A. HARRISVILLE , ΠΙΣΤΙΣ ΧΡΙΣΤΟΥ; DERS., Before; R. B. MATLOCK, ΠΙΣΤΙΣ, und G. PETERMAN, ∆ικαιωθῆναι, die vom (klassischen) Griechisch bzw. den Zeugnissen der Kirchenväter aus argumentieren oder wie Matlock, der eine Textvariante zu Gal 3,26 fruchtbar machen möchte, für eine Klärung der Genitivvalenz. 13 M. SILVA, Faith, 220. SILVA (a.a.O., 233f.) gelangt aufgrund der genannten Kriterien zu der Einsicht, dass die Genitivvalenz bei πίστις Χριστοῦ objektiv sei. Zudem sei auf die Arbeiten von R. B. MATLOCK, Detheologizing; DERS., Rhetoric; DERS., Saving Faith, sowie Wolter und Schenk verwiesen, die als Vertreter eines sog. „third view“ (s.o.) zu bezeichnen sind. Daneben sei auf den Artikel von S. E. P ORTER / A. W. P ITTS, Πίστις, verwiesen. Wie MATLOCK, Saving Faith, 88f., gelangen auch Porter und Pitts durch Analyse der griechischen Kasuslehre zu einem objektiven Genitivverständnis, so dass sie resümieren: „The use of πίστις as a head term with a prepositional specifier, without an intervening article and followed by an element in the genitive, provides further evidence that, at least from a linguistic standpoint, when Paul used the phrase πίστις Χριστοῦ he was indicating that Christ was the proper object of faith.“ (A.a.O., 53). 14 Vgl. zur Begründung der semantischen Synonymie D. A. CAMPBELL, Meaning, 93– 96; DERS., Faithfulness, 59.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

nachweisen lässt. Wäre dies der Fall, müssten wohl analog hierzu auch die übrigen πίστις Χριστοῦ-Syntagmen sowie die ἐκ bzw. διὰ πίστεως- Belege als „Christ’s faith / faithfulness“ gelesen werden. Im Folgenden werden die Argumente einer solchen christologischen Lesart des Prophetenwortes systematisierend zusammengefasst.15 Vertreter einer messianischen Deutung von Hab 2,4 gehen häufig davon aus, dass alle ἐκ und διὰ πίστεως-Belege bei Paulus auf das Zitat von Hab 2,4 zurückzuführen sind.16 Aus diesem Befund schließen sie, dass Hab 2,4 den hermeneutischen Verstehenshorizont für die paulinischen ἐκ/διὰ πίστεως-Belege sowie das Syntagma πίστις Χριστοῦ bilde.17 Zudem lege die kontextuelle Nähe von Hab 2,4 zu dem Präpositionalausdruck ἐκ πίστεως εἰς πίστιν in Röm 1,17a ein semantisch synonymes Verständnis beider ἐκ πίστεως-Formulierungen nahe.18 Die gedankliche Voraussetzung des Paulus sei, dass Hab 2,3f. bereits in der LXX eine messianische Deutung erfahren habe und das Subjekt ὁ δίκαιος bereits eine im Judenchristentum verbreitete Bezeichnung für Christus gewesen sei, so dass der Apostel es

15

Zugrunde liegen die Arbeiten von R. B. HAYS, Faith; DERS., Apocalyptic Hermeneutics; D. A. CAMPBELL, Meaning; DERS.; Crux Interpretum; DERS., Faithfulness; und D. HELISO, Pistis. 16 Diese Annahme verdankt sich der Beobachtung, dass Paulus die Wendung ἐκ πίστεως sowohl in ihrer Langform mit einem auf Christus bezogenen Genitivattribut (bzw. in Röm 4,16 in Bezug auf Abraham) als auch in ihrer Kurzform ausschließlich im Röm und Gal verwendet, wo er auch Hab 2,4 zitiert. Die bis auf Phil 3,9 ebenfalls ausschließlich hier vorkommenden διὰ πίστεως-Belege stellen semantisch synonyme stilistische Varianten dar. Vgl. zur Begründung der semantischen Synonymie D. A. CAMPBELL, Meaning, 93–96; DERS., Faithfulness, 59. ἐκ πίστεως findet sich in Gal 3,7.8.9. 11.12.24; 5,5; διὰ πίστεως in Gal 2,16; 3,14.26. Im Röm verwendet Paulus die Wendung ἐκ πίστεως in 1,17; 3,26.30; 4,16; 5,1; 9,32; 10,6; 14,23 und die Formulierung διὰ πίστεως in 3,22.25.31. 17 Vgl. D. A. CAMPBELL, Romans 1:17, 268: „Consequently, it is to Hab 2:4 that we should turn if we wish to understand further Paul’s flurry of ἐκ/ διὰ πίστεως phrases, including his πίστις Χριστοῦ phrases, in Romans and Galatians.“; DERS., Meaning, 101, nimmt an: „Thus, it seems reasonable to infer that the motivation for the phrase ἐκ πίστεως, and through it probably for the linguistic structure as a whole, derives from Paul’s famous quotation from the Prophets. This text seems to function as the fundamental linguistic template from which the other phrases, and the structure as a whole, are derived.“ Im Gegensatz hierzu argumentiert die vorliegende Studie, dass Paulus das HabZitat lediglich aufgrund der geprägten ἐκ / διὰ πίστεως-Formulierungen verwendet habe. So nimmt es auch D. A. CAMPBELL, Faithfulness, 58, in seinem späteren Aufsatz an. Letztlich setzt bereits R. B. HAYS, Faith, dieselbe hermeneutische Prämisse wie Campbell voraus, wenn er ausgehend von seiner Deutung von Hab 2,4 die Exegese von Gal 2,20; 3,26 und Röm 3,21–26 für seine Lesart fruchtbar macht (a.a.O., 167–174). Eine Vorgehensweise, die auch der Aufbau der Arbeit von D. HELISO, Pistis, widerspiegelt. 18 Vgl. hierzu die Überlegungen bei D. A. CAMPBELL, Romans 1:17, 277–281.

1. „Der aus Glauben Gerechte wird leben“

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als christologisches Epithet verstanden habe.19 Dies belegten neben Stellen aus dem Neuen Testament ebenso Zeugnisse aus der zwischentestamentlichen Literatur. Zudem wird immer wieder auf Jes 53 als alttestamentlichem Hintergrund für die Vorstellung vom leidenden Gerechten hingewiesen.20 Die Treue Christi fungiere als Medium der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, wie es Röm 1,17a mit Hilfe des ἐκ πίστεως-Ausdrucks formuliere. Damit verhindere die messianische Deutung von Hab 2,4, dass das apokalyptische Ereignis der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes in Abhängigkeit vom menschlichen Glauben gerate.21 Bei näherer Betrachtung stehen die Argumente für ein messianisches Verständnis des Hab-Zitates jedoch auf tönernen Füßen. So hat Wolfgang Kraus überzeugend aufgezeigt, dass Hab 2,4LXX nicht messianisch zu verstehen ist.22 Selbst Heliso muss zugeben, dass auch ein Vergleich der 19

R. B. HAYS, Faith, 151f. Er legt dies erneut ausführlich dar in seinem Artikel Apocalyptic Hermeneutics, wo er die Verwendung „‚The Righteous One‘ as Messianic Designation“ (a.a.O., 121) im äthHen, der Apg, den katholischen Briefen und im Hebr diskutiert, bevor er sich der Verwendung von Hab 2,4 in Röm 1,17 und Gal 3,11 zuwendet (a.a.O., 121–142). F. W ATSON, Faith, betrachtet die Verwendung „‚the Righteous One‘ as a christological title“ (a.a.O., 156) in Apg 3,14; 7,52; 22,14; 1 Petr 3,18 und 1 Joh 2,1. Dabei wendet er gegen ein messianisches Verständnis von ὁ δίκαιος in Hab 2,4 zu Recht ein, dass „The (limited) evidence for ʻthe Righteous Oneʼ as a christological title strongly implies a derivation from Isaiah 53:11. There is no indication in these or other relevant passages that (ὁ) δίκαιος is drawn from Habakkuk 2:4 or is influenced by it any way. If Paul does read this passage christologically, he has done so either on the basis of Isaiah 53:11 or independently“ (a.a.O., 158). 20 D. A. CAMPBELL, Faithfulness, 64f.; zuvor schon R. B. HAYS, Faith, 151–154. Eine christologisch-messianische Lesart will D. HELISO, Pistis, durch einen Vergleich der Versionen von Hab 2,4 in der LXX, 1QpHab, 8HevXIIgr und Heb 10,37f. nachweisen, wobei er anders als die zuvor Genannten eingesteht, dass Paulus Christus nicht als ὁ δίκαιος bezeichnet (a.a.O., 36). Der Einsicht, dass die Argumente für eine christologische Lesart allein auf der Grundlage paulinischer Texte zu schwach ist, entspringt das Vorhaben eines intertextuellen Vergleichs. Er hält einen Einfluss von Jes 53 auf Paulus für möglich (a.a.O., 147f.). 21 Vgl. hierzu R. B. HAYS, Apocalyptic Hermeneutics, 139; D. HELISO, Pistis, mit seiner Deutung der Gerechtigkeit Gottes in Röm 1,17 als „God’s salvific power and presence in and through Christ“ (a.a.O., 120) und D. A. CAMPBELL, Faithfulness, 67–71, womit eine wichtige exegetische Einsicht gewonnen ist, die Grund dafür ist, dass die vorliegende Studie der Deutung des Syntagmas von W. Schenk und M. Wolter folgt. 22 Vgl. die Textanalysen bei W. KRAUS, Hab 2,3–4, 158–166. Ihm ist zudem zu folgen in seiner Kritik an Koch. Während dieser, vgl. D.-A. KOCH, Schrift, 276, darauf verweist, „wie restlos Paulus die Zitataussage in die eigene theologische Gesamtkonzeption integriert“ habe, hat W. KRAUS, Hab 2,3–4, 170, überzeugend aufgezeigt, dass sich die paulinische Verwendung des Hab-Zitates nicht von dessen Bedeutung in der LXX unterscheide. Denn, so hält er in Auseinandersetzung mit Koch fest: „Πίστις ist zwar für Paulus stets mit Jesus verbunden, aber für Paulus hat der Glaube an Jesus Christus nach Gal 3 und insbesondere Röm 4 die gleiche Struktur wie das Vertrauen, das Abraham in Gott

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Versionen von Hab 2,4 in der LXX, 1QpHab, 8ḤevXIIgr und Hebr 10,37f. keine Begründung für eine christologische Lesart liefert.23 Eine weitere Schwäche liegt in der These, Hab 2,4 habe den Verstehenshorizont für alle paulinischen ἐκ und διὰ πίστεως-Belege gebildet. Dass dem Zitat eine wesentliche Funktion innerhalb der paulinischen Theologie zukommt, ist unbezweifelt und zeigt allein die hier vorhandene Verbindung der Glaubens- und Gerechtigkeitsthematik sowie die Akzentuierung der soteriologischen Gabe des Lebens. Anzunehmen, die Adressaten des Paulus hätten die ἐκ und διὰ πίστεως-Stellen vor dem Hintergrund von Hab 2,4 gehört, scheint angesichts der Position des Zitats im Röm zwar möglich, führt sich jedoch für die galatische Korrespondenz ad absurdum, da dort seit Gal 2,16 Formen des Präpositionalausdrucks verwendet werden, bevor in Gal 3,11 Hab 2,4 aufgenommen wird.24 Hätte Hab 2,4 in einer messianischen Deutung solche Relevanz gehabt, dass man aus dem Glauben bzw. der Treue Christi in Form einer „repräsentativen Christologie“25 ebenfalls die Bedeutung des Glaubens und der Gerechtmachung für setzte. Es darf keineswegs in Gegensatz dazu gesehen werden.“ Die Annahmen von R. B. HAYS, Faith, 151f.; D.-A. KOCH, Text, 73 Anm. 25; K.-F. ULRICHS, Christusglaube, 187, es handle sich bei Hab 2,4LXX um einen messianischen Text, können vor dem Hintergrund der Textanalysen von W. KRAUS, Hab 2,3–4, 158–166, nicht überzeugen. 23 D. HELISO, Pistis, 243–254. Die Schwäche dieser Studie besteht darin, dass Heliso entgegen der Ergebnisse seines Vergleichs der Textversionen an einer christologischen Lesart festhalten möchte, obwohl er selber eingesteht, dass sich für 1QpHab, 8HevXIIgr keine messianische Lesart belegen lässt. Für die LXX und Hebr hingegen nimmt Heliso eine solche an, ist sich allerdings immerhin der Schwierigkeiten bewusst (vgl. a.a.O., 246). Da er die Validität der Argumente einer christologischen wie auch einer anthropologischen Lesart der paulinischen ἐκ und διὰ πίστεως-Belege anerkennt, entscheidet er sich selber für „a via media approach“, den er anhand von Gal 2,16 illustriert, „where πίστις Χριστοῦ is read with a christological meaning and the obvious ἡµεῖς εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν ἐπιστεύσαµεν with an anthropological meaning. This enables us to say that human faith in Christ is an acknowledgement of God’s justifying or saving act through or on the basis of the faithfulness of Christ“ (a.a.O., 241). 24 Vgl. dazu auch die ausführliche Argumentation bei J. D. G. DUNN, ΕΚ ΠΙΣΤΕΩΣ, 360–362, der anhand des Gal aufzeigt, welches Verständnis die Adressaten von der ἐκ πίστεως-Wendung bedingt durch den Kontext seit Gal 2,16 haben dürften. Eine messianische Lesart von Hab 2,4 steht in der Gefahr, dem Kontextbezug zu Gal 3,2.5 und dem glaubenden Abraham (Gal 3,6) nicht gerecht zu werden. 25 R. B. HAYS, Faith, 165f. spricht von einer „representative-christology“. Vgl. hierzu auch M. D. HOOKER, ΠΙΣΤΙΣ, 329, obwohl sie sich hier nicht mit einer messianischen Deutung von Hab 2,4 beschäftigt. Anstelle einer repräsentativen Christologie spricht sie von Partizipation und illustriert dies u.a. an Gal 3. Sie argumentiert, dass „the promise was made to Abraham and his seed (V. 16), but it was made on basis of Abraham’s faith; it is fullfilled in Christ, who is Abraham’s seed and therefore shares his faith.“ Der Glaube der Christen sei dann eine Partizipation an Jesu Glauben: „even the believers initial response – his faith – is a sharing in the obedient, faithful response of Christ himself “ (a.a.O., 341). Das vermag nicht zu überzeugen. In M. D. HOOKER, Art. Glaube,

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die Glaubenden hätte ableiten können,26 dann wäre zu erwarten gewesen, dass Paulus in seinem Rekurs auf gemeinsames „Glaubenswissen“ in Gal 2,16 auch auf Hab 2,4 zu sprechen gekommen wäre.27 Und selbst für den Röm sollte der Annahme, in allen ἐκ und διὰ πίστεως-Stellen müsse „Christ’s faith / faithfulness“ mitzuhören sein, mit Zurückhaltung und Skepsis begegnet werden. Dies ist insbesondere für Röm 1,17 der Fall, geht es Paulus hier doch darum, eine Kontinuität zwischen AbrahamGlauben und Christus-Glauben aufzuzeigen. Weiter scheint fragwürdig, ob Paulus und seine Adressatinnen und Adressaten ὁ δίκαιος als christologischen Hoheitstitel verstanden und rezipiert hätten. Es ist zumindest auffällig, dass Paulus an keiner anderen Stelle von Christus als Gerechtem spricht. Hingegen bezeichnet er die Glaubenden als Gerechtgemachte und thematisiert deren Rechtfertigung.28 Während der Apostel das substantivierte Partizip für die Christen benutzt, muss der auf Christus bezogenen christozentrischen Lesart weiter entgegengehalten werden, dass er nirgendwo von der πίστις Jesu spricht oder Christus das Adjektiv πιστός zuordnet.29 Und, last but not least, schenkt Paulus der ζωή Jesu ausschließlich in Relation zu den Glaubenden Aufmerksamkeit.30 951, postuliert sie, dass mit dem genitivus subiectivus an dem „pln. Grundprinzip sola gratia“ festgehalten werde: „Gerechtigkeit wird durch das erreicht, was Gott in Christus getan hat, und die Glaubenden werden durch das gerechtfertigt, was Christus tut (Röm 5,19), nicht durch ihren eigenen G.“ Diese Ansichten spiegeln ihr Verständnis von Röm 1,17 wider: „the righteousness of God is revealed from faith to faith. Believing faith depends on the faith/faithfulness of Christ: it is the response to Christ’s faith, and claims it as one’s own“ (M. D. HOOKER, ΠΙΣΤΙΣ, 339f.). 26 Vgl. zur Kritik einer messianischen Lesart auch F. W ATSON, Faith, der zwar anders als hier vertreten annimmt, dass „Paul’s prepositional faith-formulations all derive from the ἐκ πίστεως of Habakkuk 2:4“ (a.a.O., 162), aber ebenso auf die Verbindung zur Gerechtigkeits-Thematik bei Paulus hinweist und von daher zu dem Schluss gelangt, dass „there is no evidence that Paul found the assertion that ‚the Righteous One will live by faith‘ in Habakkuk, in contrast to overwhelming evidence that he read there that ‚theone-who-is-righteous-by-faith will live‘.“ Er geht davon aus, dass „the entire debate about Paul’s faith-of-Christ formulations hangs on this translation issue“ (a.a.O., 161). 27 Insbesondere dann, wenn man der Deutung von Hab 2,4 bei R. B. HAYS, Faith, 156, folgen würde. Ausgehend von dem von ihm angenommenen drei möglichen Verstehensweisen von Hab 2,4 bei Paulus als „God’s faithfulness, the faith(fulness) of the Messiah, the faith of people in God“, gelangt er zu folgender Deutung von Hab 2,4: „(a) The Messiah will live by (his own) faith(fulness). (b) The rigtheous person will live as a result of the Messiahs faith(fulness). (c) The righteous person will live by (his own) faith (in the Messiah).“ K.-F. ULRICHS, Christusglaube, 189, fragt jedoch zu Recht kritisch, ob das „noch Wahrscheinlichkeit für sich“ habe. 28 Vgl. z.B. 1 Kor 6,11; Gal 2,16.17; 3,8.24; Röm 2,13; 3,20.24.26.28.30; 4,2.5; 5,1.9; 8,30. 29 Dies wird häufig gegen einen genitivus subiectivus vorgebracht; vgl. exemplarisch M. SILVA, Faith, 231, der konstatiert, „Paul never uses πιστεύω with Χριστός as its sub-

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Beachtung hingegen verdient die von Hays und in dessen Rezeption von Campbell in die Diskussion eingebrachte „narrative structure“ des Evangeliums von Tod und Auferstehung Jesu, wenngleich anzumerken ist, dass Hays Annahme des paulinischen Evangeliums als „founded upon the story of a Messiah who is vindicated (= „justified“ ) by God through faith“31 jegliche Textbasis fehlt – es sei denn, man würde Hab 2,4 so interpretieren, dass der messianische Titel ὁ δίκαιος Christus erst aufgrund seiner πίστις zuteil würde.32 Der Hinweis auf eine narrative Grundstruktur jedoch, die dem Syntagma zu Grunde liege, bestätigen die Kontexte, in denen sich die πίστις Χριστοῦ-Formulierungen finden. Daher soll sie für ein anderes Verständnis der Genitivvalenz hier fruchtbar gemacht werden. Denn in der Tat thematisiert der unmittelbare Kontext des πίστις Χριστοῦ-Syntagmas in sprachlicher Vielfalt und mit je eigenem theologischen Akzent den Tod Jesu und setzt dessen Bedeutung in Beziehung zu den Glaubenden.33 So legt sich aufgrund der Beobachtungen zum Kontext der erwähnten πίστις-Stellen eine Deutung des Genitives im Syntagma πίστις Χριστοῦ als genitivus qualitatis nahe, der – wie Michael Wolter es ausdrückt – „die exklusive Bestimmtheit des Glaubens durch seine Ausrichtung auf Jesus Christus zum Ausdruck“34 bringt und nach Gal 2,20 „den Inhalt des Christus-Glaubens“ zusammenfasst, „dass Jesus der ‚Sohn Gottes‘ ist und dass sein Tod als ein Vorgang der Hingabe seines Lebens ‚für mich‘ und damit als eine Tat der Liebe zu deuten ist.“35 Wird nun die Genitivvalenz als genitivus qualitatis ject, nor does he explicitly use πιστός as a predicate of Χριστός“, sowie K.-F. ULRICHS, Christusglaube, 47. Anders z.B. M. D. HOOKER, ΠΙΣΤΙΣ, 335, die hierzu eine äußerst spekulative Deutung von 2 Kor 4,13 vorlegt. 30 Zu nennen sind hier die Stellen, die in der Einzelexegese der Paulustexte diskutiert werden, wie 1 Thess 5,10; 2 Kor 4,10f.; Gal 2,20; Röm 5,10; 6,8.10; 14,9. 31 R. B. HAYS, Faith, 156, der allerdings damit nicht bestreitet, dass der Glaube auf Seiten des Menschen hier ebenfalls für Paulus eine Rolle spiele (vgl. a.a.O., 156f.). Vgl. weiter zur „passion narrative“ D. A. CAMPBELL, Faithfulness, 62, a.a.O., 62–66, sowie DERS., Romans1:17, 267, wenn er annimmt, dass Röm 1,17 „clearly deploys the critical phrase ἐκ πίστεως as an intertextually motivated allusion to the faithful death of Christ“. 32 Die Annahme, Christus müsse gerecht gemacht werden, lehnt selbst M. D. HOOKER, ΠΙΣΤΙΣ, 325, ab. 33 Das trifft darüber hinaus auch für den Ausdruck ἐξ ἀκοῆς πίστεως in Gal 3,2.5 zu, wo Paulus explizit auf Ιησοῦς Χριστὸς ἐσταυρωµένος (Gal 3,1) verweist. Vgl. dazu auch M. D. HOOKER, ΠΙΣΤΙΣ, 337, die diesen Befund jedoch für ein subjektives Genitivverständnis fruchtbar machen möchte (vgl. dazu a.a.O., 337), bei dem es bei dem Syntagma πίστις Χριστοῦ an erster Stelle um „the faith of Christ himself“ gehe, „but which includes, neessarily, the answering faith of belivers, who claim that faith as their own“ (a.a.O., 341). 34 M. W OLTER, Paulus, 77. 35 M. W OLTER, Paulus, 77.

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gedeutet, fungiert das auf Christus bezogene nomen proprium als „Chiffre“, die „zum Ausdruck bringt, dass das eschatische Heilshandeln Gottes unablösbar mit dem Ergehen der Person Jesu von Nazareth verbunden ist“.36 Mit Wolfgang Schenk kann über Wolter hinaus präzisierend festgehalten werden, dass πίστις die „Glaubensbotschaft“ ist, so dass „πίστις Χριστοῦ (...) das Evangelium Christi als die Anerkennung heischende Botschaft“ ist.37 πίστις Χριστοῦ bezeichnet demnach das Evangelium wie dessen Inhalt,38 der geglaubt werden soll. Dies wiederum bedeutet, dass das Genitivattribut des Syntagmas den Inhalt des ὅτι-Satzes der von Kramer sog. vorpaulinischen Pistisformeln wiedergibt, die in der vorliegenden Studie als vorpaulinische Glaubenssummarien bezeichnet werden,39 denn diese thematisieren ebenso Jesu Sterben und Auferwecktwerden.40 Der Ausdruck πίστις Χριστοῦ fungiert demnach als prägnante Zusammenfassung der Heilsereignisse um Kreuz und Auferstehung Christi und damit zugleich als Inhaltsangabe des frühchristlichen Glaubens. Nun sind allerdings der Inhalt der Verkündigung und dessen Annahme im Glauben auf Seiten des Menschen nicht voneinander zu trennen. Darin korrespondiert das Syntagma πίστις Χριστοῦ seinem antithetischen Gegenüber ἔργα νόµου in Gal 2,16, das Regelungen der Tora bezeichnet, die getan werden sollen.41 Demnach muss das Vorkommen des Verbes πιστεύω im unmittelbaren Kontext des Syntagmas auch nicht mehr als redundant

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M. W OLTER, Paulus, 64. W. SCHENK, Gerechtigkeit, 168. 38 W. SCHENK, Philipperbriefe, 312. Ähnlich auch M. W OLTER, Paulus, 77. Damit rückt die Verwendung von πίστις innerhalb des Syntagmas ebenso wie in den übrigen ἐκ und διὰ πίστεως-Stellen in inhaltliche Entsprechung zu Stellen wie Gal 1,23; 3,2.5; Röm 1,5 und 10,8.16, in denen es zu einer Gleichsetzung der πίστις mit dem Evangelium bzw. konkreter der Evangeliumsverkündigung kommt. 39 W. SCHENK, Gerechtigkeit, 170: „Es ist präzis an das gedacht, was W. Kramer formgeschichtlich auch mit einem adäquaten Terminus belegt hat: die ‚Pistisformel‘.“ Vgl. dazu W. KRAMER, Christos, 15–40. 40 So auch K.-F. ULRICHS, Christusglaube, 16, der selber dann jedoch in seiner Studie zu der These gelangt, dass das Syntagma „ein integrierendes Moment zwischen den verschiedenen soteriologischen Modellen“ repräsentiere: „Mit πίστις Χριστοῦ versucht Paulus in Rechtfertigungskontexten die partizipatorisch gedachte Gemeinschaft mit Christus zu formulieren“ (a.a.O., 251), wie er es ansonsten mit der Wendung ἐν Χριστῷ zum Ausdruck bringe. Ulrichs hält fest, dass die partizipatorische Soteriologie „nicht gegen einen starken, christologischen Glaubenbegriff gerichtet sein“ könne. „Ausschließlich durch Christus ist Glaube qualifiziert“ (a.a.O., 251). Den Bezug zu den Glaubenssummarien erkennt auch schon J. D. G. DUNN, Once More, 73, wenn er die participia coniuncta in Gal 2,20 als „versions of the standard pistis-formula“ benennt. 41 Vgl. dazu Punkt III.1.3.1 dieser Arbeit. 37

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empfunden werden,42 wenn πίστις Χριστοῦ nicht mit „Glauben an Christus“ übersetzt wird. Mit der qualitativen Bestimmung des Genitivs kann zugleich der Kritik der genitivus subiectivus-Vertreter, die Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes werde in Abhängigkeit vom menschlichen Glauben gebracht, das objektive Moment in der Ausrichtung des Christus-Glaubens auf die Ereignisse um Kreuz und Auferstehung entgegengehalten werden. Darüber hinaus muss ἐκ πίστεως Ἀβραάµ in Röm 4,16 nicht länger als Glaube Abrahams bestimmt werden, sondern kann analog zum ChristusGlauben inhaltlich qualifiziert werden als Ausrichtung und Inhalt des Abraham-Glaubens.43 Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erweist sich nun sowohl vom Kontext der Protopaulinen als auch vom textlichen Vergleich von Hab 2,4 in der LXX, 1QpHab, 8ḤevXIIgr und Heb 10,37f. eine messianische Deutung des Prophetenwortes bei Paulus als unzutreffend. Viel plausibler erscheint die Annahme, dass Paulus mit dem Präpositionalausdruck ἐκ πίστεως aus Hab 2,4 eine heilsgeschichtliche Kontinuität zwischen Abraham-Glauben und Christus-Glauben herstellt. Denn wenn es zutrifft, dass das Gentitivattribut den Inhalt des ὅτι-Satzes der vorpaulinischen Glaubenssummarien wiedergibt, dann legt es sich nahe, dass Paulus das HabZitat im Gal und Röm gewählt hat, um die heilsgeschichtliche Kontinuität und Schriftgemäßheit des von ihm verkündigten Glaubens unabhängig von den ἔργα νόµου aufzuzeigen: Wie Abraham der Verheißung Gottes glaubte und ihm so Gerechtigkeit und Leben zuteil wurden, ist auch für seine Adressaten das Vertrauen in den Christus-Glauben die conditio sine qua non für die Gerechtmachung und das Leben. Beides ist den Glaubenden, wie im Folgenden die Kontextualisierung von Hab 2,4 im Gal und Röm zeigt, vermittelt durch Jesu Tod und Auferstehung. Denn hierin erweist sich Gott ebenso als Schöpfer an Jesus wie an den Glaubenden, die als Gerechtgemachte Leben empfangen und neue Schöpfung sind. 1.2 Hab 2,4 im Römerbrief 1.2.1 Hab 2,4 in Röm 1,17 In Röm 1,16f. nennt Paulus das Thema seines Briefes an die christlichen Gemeinden in Rom: 16a Οὐ γὰρ ἐπαισχύνοµαι τὸ εὐαγγέλιον, 16b δύναµις γὰρ θεοῦ ἐστιν εἰς σωτηρίαν παντὶ τῷ πιστεύοντι, 42 Vgl. zur kritischen Auseinandersetzung mit dem von Vertretern einer subjektiven Genitivvalenz eingebrachten Einwands einer Redundanz, die die paulinischen Formulierungen bei einer anthropologischen Lesart aufwiesen, R. B. MATLOCK, Rhetoric. 43 So auch M. W OLTER, Paulus, 77, der zu Recht annimmt, dass der genitivus qualitatis hier „die Eigenart des Glaubens kennzeichnen will“.

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16c Ἰουδαίῳ τε πρῶτον καὶ Ἕλληνι. 17a δικαιοσύνη γὰρ θεοῦ ἐν αὐτῷ ἀποκαλύπτεται ἐκ πίστεως εἰς πίστιν, 17b καθὼς γέγραπται· 17c ὁ δὲ δίκαιος ἐκ πίστεως ζήσεται. Als Apostel, der sein Apostelamt empfangen hat, um die ὑπακοή πίστεως (1,5)44 unter allen Völkern aufzurichten, betont Paulus, seinen juden- und heidenchristlichen Adressaten entsprechend,45 die soteriologische Wirksamkeit seiner Evangeliumsverkündigung als Macht Gottes zur Rettung für jeden Glaubenden, und zwar zuerst für Juden und dann für Nichtjuden. Begründend (γάρ) führt er mit V. 17 fort, dass sich im Evangelium die Gerechtigkeit Gottes ἐκ πίστεως εἰς πίστιν offenbart habe, und hängt schließlich mit Hab 2,4 eine biblische Belegstelle an, die seine These als schriftgemäß erweisen soll. Damit vertritt Paulus in Übereinstimmung mit der alttestamentlichen und frühjüdischen Tradition ein Verständnis der Gerechtigkeit Gottes als synonym mit dem heilvollen Handeln Gottes, das das Volk Israel ebenso wie die Völker umfasst.46 Darüber hinaus erscheint Gerechtigkeit als relationaler Begriff, der einerseits das Wesen Gottes kennzeichnet und andererseits denjenigen zum δίκαιος macht, der ἐκ πίστεως ist. Somit erscheint 44

Der Ausdruck findet sich noch einmal im sekundären Schlussteil des Briefes in Röm 16,26 und ist von daher literarkritisch auszuscheiden. Der Genitiv in der Wortverbindung ὑπακοή πίστεως ist als genitivus obiectivus zu bestimmen. Er thematisiert den Gehorsam gegenüber der Glaubensverkündigung, dem Evangelium. Vgl. K.-F. ULRICHS, Christusglaube, 154, der allerdings zugleich einen genitivus epexegeticus in Erwägung zieht und Gehorsam als „Gestalt des Glaubens“ deutet. Bedenkenswert ist die Deutung von F. HAHN, Theologie, Bd. 1, 268, der ὑπακοή πίστεως als „das glaubende Sich-Stellen ‚unter das Gehörte‛ (ὑπακοή = ὑπὸ τὴν ἀκοήν)“ auffasst (vgl. hierzu die verbale Formulierung ὑπακούω τῷ εὐαγγελίῳ in Röm 10,16). Abraham kann daher als Vorbild im Glaubensgehorsam bezeichnet werden, da er der Verheißung Gottes glaubte. Davon zu unterscheiden ist die Vorstellung in jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit (Jdt 8,26; 1 Makk 2,52; vgl. weiter 4 Makk 14,20; 15,28; Weish 10,5; Sir 44,19–22), in denen Abraham als standhaft und treu in der Versuchung gezeichnet wird. 45 Vgl. zu den Adressaten des Röm R. B ERGMEIER, Gesetz, 35f., der neben der Grußliste in Röm 16 auf Röm 4,11; 15,8–12 sowie Röm 1,2f.5f. verweist, um zu zeigen, „dass sich Paulus von Anfang an keineswegs etwa nur an Heiden-, sondern speziell auch an Judenchristen wendet“ (a.a.O., 36). Wie dies die Argumentation des Paulus in Bezug auf die Lebensthematik bestimmt, wird die Exegese von Röm 5f. und 14 zeigen. 46 Vgl. Ps 35(34LXX),24; 98(97LXX),2; 71(70LXX),2.15; Jes 45,8.21; 46,13; 51,5.6.8; 56,1; 62,1f.; 63,1.7; Bar 5,2.4.9; 1QHa 6,26f. (14,15f.); 19,20f.33f. (11,17f. 30f.); 1QS 11,2–5.12–15; 4 Esr 8,36. Weitere Quellenangaben bei J. D. G. DUNN, Romans, 41. Vgl. M. W OLTER, Paulus, 392, und J. W. T AYLOR, Faith, 345, der zusammenfasst: „The revelation of rigtheousness, in the Psalms and Isaiah, happens through the eschatological salvation of Israel and the coming rule of God. It is announced by the prophets, and is received with gladness by the Gentiles.“

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die im Evangelium geoffenbarte Gerechtigkeit Gottes als „Heilsmacht und Heilsgabe“47, die ἐκ πίστεως48 zugänglich ist.49 47

So zutreffend M. W OLTER, Paulus, 392, in Bezug auf Röm 3,26, der damit die Diskussion zwischen R. Bultmann und E. Käsemann, ob die Gerechtigkeit als Gabe oder Macht zu verstehen sei, als falsche Alternative entlarvt. Vgl. weiter a.a.O., 390–393, sowie P. STUHLMACHER, Römer, 32. Zur umstrittenen Deutung des Syntagmas vgl. weiter den ausführlichen Überblick bei D. STARNITZKE, Struktur, 64–72. S.E. vertritt Paulus ein Verständnis von δικαιοσύνη, das „an der Befreiung des Menschen orientiert“ ist (a.a.O., 68). 48 Kontrovers diskutiert wird die Bedeutung des doppelten Präpositionalausdrucks ἐκ πίστεως εἰς πίστιν (an parallelen Konstruktionen vgl. 2 Kor 2,16, Ps 83,8LXX; Jer 9,2LXX). Zur möglichen Bedeutung der Wendung ἐκ πίστεως εἰς πίστιν haben die Arbeiten von C. L. QUARLES, Faith, und J. W. T AYLOR, Faith, einen wesentlichen Beitrag geleistet. Mit ihrer Durchsicht der im Thesaurus Linguae Graecae gefundenen Belege für die Konstruktion ἐκ + A + εἰς + A konnten sie zeigen, dass zum einen die traditionelle Deutung des Ausdrucks als Emphase (so z.B. vertreten von E. KÄSEMANN, Römer, 28. D. ZELLER, Römer, 44, spricht von einem „Pleonasmus“; A. VON DOBBELER, Glaube, 154, bezeichnet sie als „rhetorische Plerophorie“) weder durch biblische noch außerbiblische Belege bestätigt werden kann und zudem die Präpositionen in dieser Kombination ihre ursprüngliche Bedeutung beibehalten. Geht man folglich von einem wörtlichen Verständnis „aus Glauben zu Glauben“ aus, dann legt es sich nahe, den doppelten Präpositionalausdruck im Sinne einer Zeitspanne zu interpretieren. ἐκ πίστεως εἰς πίστιν sagt demnach aus, dass „the temporal frame of the revelation of the righteousness of God (...) extends from the faith of the Old Testament believer to the faith of the New Testament believer“ (C. L. QUARLES, Faith, 19). Quarles folgt damit einer Deutung, die bereits der Kirchenvater Chrysostomus vertreten hat (vgl. a.a.O., 18f.). Demnach fügt sich Quarles’ Interpretation gut in die historische Kommunikationssituation des Röm. Paulus präsentiert die πίστις dort als die Größe, die die Kontinuität zwischen jüdischer und christlicher Identität garantiert. Zugleich erkennt Paulus in ihr das Einheit stiftende Moment zwischen Juden- und Heidenchristen. Beide Aspekte lassen sich am Text belegen. So heißt es pointiert und gleichsam programmatisch im unmittelbaren Kontext in Röm 1,16, dass das Evangelium „eine Kraft Gottes ist zur Rettung für jeden der glaubt, dem Juden zuerst und auch dem Heiden“. Zudem zeigt die Verwendung des Zitats aus Hab 2,4, dass Paulus sein Glaubensevangelium als von den Propheten vorausverkündigt auffasst. Eine Vorstellung, die er erneut in Röm 3,21 anklingen lässt, wenn er die Gerechtigkeit Gottes, die ja nach Röm 1,17 im Evangelium offenbart wird, als vom Gesetz und den Propheten bezeugt bezeichnet. Vgl. zudem das Präskript, in dem Paulus das von ihm verkündigte Evangelium als von den Propheten und den heiligen Schriften vorherverheißen auffasst (1,2) und dessen Inhalt, Jesus Christus, auf das Geschlecht Davids zurückführt (1,3). Weiter zeigen das Abraham-Kapitel Röm 4, in dem sich Paulus zudem auf David als Vorausverkündiger einer Gerechtmachung jenseits der ἔργα νόµου (Röm 4,6–8) bezieht, und das Ringen des Paulus um Israel in den Kapiteln 9–11 mit den zentralen πίστις / πιστεύω-Belegen in Röm 10, 4–10 das apostolische Anliegen, die Untrennbarkeit vom jüdischen Ursprung des Glaubens und seiner neuen Gestalt als πίστις Χριστοῦ aufzuzeigen. Es fällt auf, dass Paulus lediglich in Röm 3,22.26 die πίστις mit einem auf Christus bezogenen Genitivattribut versieht, während er ansonsten von der πίστις allgemein spricht und dann, wenn er πιστεύω näher definiert, es auf den Toten erweckenden Gott bezieht (4,24; 10,9) bzw. auf den Inhalt des Glaubenssummariums in Röm 6,3–8. Die

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Nach der Überzeugung des Paulus bezeugt dies bereits der Prophet Habakuk, wenn er annimmt, dass der Mensch aus Glauben gerecht sei. Zudem sei jedem, der ein aus Glauben Gerechter ist, verheißen, zu leben. So hat Paulus in Röm 1,16f. in nuce nicht nur seine Prothesis, sondern auch deren Schriftgemäßheit dargelegt. Ebendiese in der Propositio erwähnten Aspekte – die Schriftgemäßheit des paulinischen Evangeliums und dessen Inhalt der gerecht machenden und Leben ermöglichenden Gerechtigkeit Gottes, die Juden und Heiden zum Heil bestimmt ist, – illustriert Paulus später in Röm 4 am Beispiel der Erzeltern, indem er Abraham und Sarah als Paradigma für die Verheißung darstellt, dass der aus Glauben Gerechte leben wird.50 Zusammengehörigkeit von jüdischem und christlichem Glauben wird besonders deutlich an Röm 3,30 sowie an der Abraham-Argumentation und der Verwendung der Schriftzitate in Röm 10,5–8.11.13. Vorsicht ist daher gegenüber der Deutung von U. W ILCKENS, Römer, 1. Teilband, 89, geboten, der die These in Röm 1,17 als unvollständig erachtet, wenn hier nicht der Christusglaube hineingelesen würde. Das scheint aber gerade die Pointe der paulinischen Argumentation zu übersehen, nach der sich an Abraham vorwegereignet, was nach paulinischer Theologie erst durch Christusglauben möglich ist. Siehe dazu die Auslegung von Röm 4. Vgl. weiter die Stellen, in denen Paulus positiv (1,16; 2,10) oder negativ (2,9; 3,1) den Vorrang Israels vor den Völkern thematisiert und diesen einerseits im Blick auf Gott bzw. ihren Herrn aufhebt (Röm 3,29; 4; 10,12), andererseits gegenüber seinen christlichen Adressaten aus Juden- und Heidenchristen an die Erwählung Israels erinnert und ihre Ablehnung des Evangeliums als Ermöglichungsgrund für die Annahme der Völker durch Gott deutet (Röm 9–11). Zu einer anderen Deutung als Quarles gelangt J. W. T AYLOR, Faith, 345f., der ἐκ πίστεως εἰς πίστιν im Sinne eines Wachstums des Glaubens unter den Heiden versteht. Dieser Glaube habe seinen Ursprung in „the church among the Jews and is now (...) spreading to the nations“ (a.a.O., 347). Taylors These ist ebenfalls ein temporaler Aspekt inhärent. Er verneint dies allerdings, um sich von Quarles abzugrenzen; deutlich wird dies in seinem Verweis auf Ιουδαίῳ τε πρῶτον καὶ Ἕλληνι in Röm 1,16. Mit seiner These verkennt Taylor jedoch die gesamte paulinische Argumentation, weil er den Glauben nicht bei den „OT believers“ beginnen lässt (Wobei allerdings die von Taylor und Quarles verwendete Rede von „OT believers“ [J. W. T AYLOR, Faith, 347] bzw. „Old Testament believer“ [C. L. QUARLES, Faith, 19] anachronistisch ist.) und ihn dann als „progressing to faith in Christ“ versteht (J. W. T AYLOR, Faith, 347), sondern den Beginn des Glaubens in der judenchristlichen Kirche ansetzt. Anders, wenn auch ebenso unplausibel, bestimmt J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 44, die Subjekte zu ἐκ πίστεως und εἰς πίστιν. Seiner Meinung nach beziehe sich ἐκ πίστεως auf „Gods faithfulness and only the εἰς πίστιν to man’s faith“. Ein solcher unmittelbarer Wechsel der Subjekte scheint allerdings wenig wahrscheinlich. 49 Deren relationale Dimension muss sich im Zusammenleben von Menschen bewähren. Vgl. dazu J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 40f. 50 Indem Paulus im Hab-Zitat den Akzent auf die πίστις legt, was an der Anwendung auf Abraham noch einmal deutlich zutage tritt, deckt sich seine Deutung des Prophetenwortes mit der jüdischen Rezeptionsgeschichte von Hab 2,4. Außer der LXX, die aufgrund des eingefügten Personalpronomens µου sowohl offen ist für eine Deutung, die die Treue Gottes selber als auch die Treue zu Gott aussagt, wird in der Rezeption von Hab

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1.2.2 Hab 2,4 und der lebendig machende und aus Toten auferweckende Gott in Röm 4 In Röm 4 appliziert Paulus Hab 2,4 auf Abraham (und Sarah), bevor er einen weiten heilsgeschichtlichen Bogen zum Glauben der Christen an den Toten erweckenden Gott zieht. Wie in Hab 2,4 die Themen Gerechtigkeit und Leben durch Glauben anklingen, stellt Paulus in Röm 4 am Beispiel Abrahams sowohl die Glaubensgerechtigkeit als auch das Leben als Geschenk des Glaubens dar. Während er bereits hier eine Analogie zur Glaubensgerechtigkeit der Christen herstellt, schweigt er jedoch darüber, wie die Glaubenden auch an der Gabe des Lebens teilhaben. Dies holt der Apostel im Anschluss an Röm 4 in den Kapiteln 5–8 nach, deren für die Untersuchung relevanten Stellen gesondert behandelt werden. Der Fokus soll zunächst auf die Bezüge zwischen Hab 2,4 in Röm 1,16f. und Röm 4 gelegt werden. In Röm 4,16–22 fließen die beiden Aussagen ineinander, dass Gott aufgrund von Glauben gerecht macht und Abraham aus Glauben Leben zuteil wurde, sodass sich in diesen Versen die Auslegung von Hab 2,4 verdichtet. Ihre Klimax erreicht sie in den VV. 23–25, in denen der Apostel die Rede von der Glaubensgerechtigkeit auf die nachösterlich Glaubenden ausdehnt und die Verheißung des Lebens, wie Abraham und Sarah sie erfahren haben, an Gott als den Schöpfer rückbindet, der aus dem Tod Jesu Leben kreiert. Daher soll im Folgenden in zwei Schritten das Augenmerk auf Röm 4,17–25 gerichtet werden, indem zunächst der Fokus auf den lebendig machenden Gott, wie er sich in der Elternschaft Abrahams und Sarahs erweist, gerichtet wird und dann auf Gott als jenen, der Jesus von den Toten auferweckt hat. So lässt sich am Text ablesen, dass die paulinische Lehre von Gerechtigkeit und Leben aus Glauben letztlich in einer Theologie des Lebens begründet ist. 1.2.2.1 Der Kontext von Röm 4,16–25 Bevor Paulus die Aussage von Hab 2,4, dass der aus Glauben Gerechte leben werde, in Röm 4,16–25 an Abraham (und Sarah) illustriert und einen Bogen zu seinen Adressatinnen und Adressaten spannt, legt er zunächst dar, weshalb die Gerechtigkeit aus Glauben kommt. Dazu verbindet er die 2,4 „Glaube/Treue“ zuweilen konkretisiert durch Geradheit (Targum), Gebotserfüllung (MidrQoh 3,9) oder Treue zum Lehrer der Gerechtigkeit (1QpHab). Das zeigt, dass „diese verschiedenen Akzentsetzungen (...) nicht gegeneinander auszuspielen“ sind, „denn sie verstehen sich je als aktualisierende Konkretion dessen, was in Hab 2,4 umfassend mit ‫( אמונה‬πίστις) bezeichnet ist.“ (A. VON DOBBELER, Glaube, 127.) Somit liegt auch hier der Akzent auf ‫ אמונה‬bzw. πίστις wie bei Paulus. Vgl. weiter A. VON DOBBELER, Glaube, 125–131, mit dem ausführlichen Überblick über die jüdische Rezeptionsgeschichte von Hab 2,4.

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Glaubensgerechtigkeit mit der χάρις, um deutlich zu machen, dass sich nach seiner Überzeugung die Glaubensgerechtigkeit jenseits der ἔργα ereignet. Dies führt zu einer Neubewertung der Funktion des νόµος (4,13– 15).51 Paulus argumentiert, indem er auf die Schriften rekurriert. So zitiert er zunächst Gen 15,6LXX, um die Glaubensgerechtigkeit Abrahams zu begründen (4,3).52 In den folgenden beiden VV. 4f. arbeitet Paulus unter Wiederaufnahme des Verbes λογίζοµαι aus Gen 15,6LXX zweierlei heraus: die Anrechnung der Glaubensgerechtigkeit geschieht zum einen aus Gnade und zum anderen aus Glauben an den, der den Gottlosen gerecht macht.53 Auf diese Weise steht nun die Glaubensgerechtigkeit im Gegensatz zum Tun – und dies nicht bloß, weil das Tun einen Lohn nicht aus Gnade zugerechnet bekommt, sondern nach Schuldigkeit (κατὰ χάριν ἀλλὰ κατὰ ὀφείληµα),54 sondern weil das Tun im Blick auf die Glaubensgerechtigkeit obsolet ist.55 In V. 6 sucht Paulus seine Position zu untermauern, indem er 51

Daher ist Röm 4 neben seinen Bezügen zu Hab 2,4 zugleich eine Erklärung zu Röm 3,21f., denn dort hatte Paulus die These vertreten, dass nun ohne Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbart worden sei. 52 Dass Paulus statt verbal ebenso nominal mit πίστις formulieren kann, zeigen Röm 4,5 und 4,9. Bei Röm 4,9 handelt es sich um eine nominale Reformulierung von Gen 15,6 LXX: ἐλογίσθη τῷ Ἀβραὰµ ἡ πίστις εἰς δικαιοσύνην. Auch die jüdische Tradition kennt die Verknüpfung von Hab 2,4 und Gen 15,6, wie ExR 23,5 und im weiteren Kontext auch die Mekh zu Ex 14,31 (Trakatat Beshallah) belegen. Vgl. zu Text und Auslegung A. VON DOBBELER, Glaube, 128f.; er arbeitet heraus, dass in Mekh Leben als „göttliche Vergeltung durch den Glauben“ (a.a.O., 129) dargestellt werde und der Glaube das Signum des Gerechten sei. 53 Mit der Rede von Abraham als Gottlosem konterkariert Paulus das jüdische Abraham-Bild, demzufolge der Stammvater sich als treu in der Versuchung, d.h. der Opferung Isaaks (Gen 22,) erwies (vgl. Sir 44,20: „Er beachtete die Weisung des Höchsten und lebte im Bund mit ihm. An seinem Fleisch wurde der Bund geschlossen, und in der Prüfung wurde er als treu befunden.“; 1 Makk 2,52: „Wurde Abraham nicht in der Versuchung als treu befunden und ihm dies zur Gerechtigkeit gerechnet?“). Zur Auslegung von Gen 15,6 in jüdischer Theologie vgl. T. HIEKE, Art. Abraham, und B. SCHLIESSER, Abraham’s Faith, 152–220. Mit J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 227f., ist festzuhalten, dass die paulinische Neuinterpretation von Gen 15,6 nicht zu der Annahme verleiten sollte, „that Paul here saw himself as alienated from the traditional Jewish self-understanding and making, as it were, a raid into the traditionalists’ territory to steal one of their chief texts away from them. Paul would rather say that he had come to a clearer perception of what the mainstream of God’s covenant purpose was, and with that clearer perception had come the realization that the usual interpretation of Abraham and of Gen 15:6 in particular was a misinterpretation.“ 54 Bei der Terminologie handelt es sich um Kaufmannssprache; vgl. hierzu exemplarisch U. W ILCKENS, Römer, 1. Teilband, 262; J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 228; R. J EWETT, Romans, 312f. 55 Das verdeutlicht Paulus, wenn er behauptet, dass sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet werde (V. 5: τῷ δὲ µὴ ἐργαζοµένῳ πιστεύοντι δέ).

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sich der Autorität Davids bedient.56 Dieser habe einen Makarismus über jenen Menschen ausgesprochen, dem Gott Gerechtigkeit ohne Werke zurechne. Was in dem Verb ἐργάζοµαι bereits angeklungen war, wird nun explizit: Paulus vertritt eine Gerechtigkeit jenseits der Werke des Gesetzes. Das hierfür von ihm zitierte Psalmwort (Ps 31,1f.LXX) nennt den für Paulus entscheidenden Grund für eine Gerechtigkeit ohne Gesetzeswerke (VV. 7f.). Sie entspricht seiner Grundeinsicht in das Sündersein aller Menschen, wie er sie in 3,23 ausgesprochen hatte. Eine solche Gerechtigkeit jenseits der Werke impliziert nach Paulus die Vergebung der Sünden als Nicht-Anrechnen der Sünde.57 Eingeleitet mit der Frage, wem diese Seligpreisung Davids gelte, ob allein den Beschnittenen oder auch den Unbeschnittenen (V. 9), legt Paulus dar, dass Abraham sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet worden sei, bevor er beschnitten war (4,10). Das Zeichen der Beschneidung wertet der Apostel als Siegel der Glaubensgerechtigkeit,58 die Abraham aufgrund seines Glaubens als Unbeschnittener zugerechnet bekommen hat, so dass er Vater aller Glaubenden sei (V. 11: πατέρα πάντων τῶν πιστευόντων), der Beschnittenen und der Unbeschnittenen. Entscheidend hierfür sei der Glaube (4,11f.).59 56

So betont auch J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 229, die Entsprechung zwischen der Aussage von Ps 31LXX und Gen 15,6LXX. 57 Zu Recht hält R. J EWETT, Romans, 316, fest, dass Paulus eine eigenwillige Interpretation des Psalms bietet, indem er das dort thematisierte Schuldbekenntnis nicht aufnehme. Darüber hinaus erweist sich das Zitat von Ps 32 insofern als besonders interessant, als dass es Bestandteil der Lesungen am Versöhnungstag war und der im Psalm formulierte Segen ausschließlich auf Israel bezogen wurde (vgl. dazu a.a.O., 317; Jewett nennt als Belegstellen bJoma 86b; Pesiqta 45 [185b und 186a]). 58 Indem Paulus auf Gen 17 rekurriert, kann er einerseits in Übereinstimmung mit der biblischen Überlieferung zeigen, dass Abraham der Glaube vor seiner Beschneidung zur Gerechtigkeit angerechnet wurde. Andererseits durchbricht er die dortige Erzählung, indem er die Beschneidung nicht als Zeichen für den Bund zwischen Gott und Abraham, sondern für die Glaubensgerechtigkeit bezeichnet. Ähnlich auch R. JEWETT, Romans, 318f.; zuvor bereits J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 232. D. STARNITZKE, Struktur, 172, und jüngst A. J. HULTGREN, Romans, 183, betonen darüber hinaus, dass Paulus mit der Rede von der Beschneidung als ein σηµεῖον mit Nachdruck betone, dass diese sekundär gegenüber und lediglich zeichenhaft für die Glaubensgerechtigkeit stehe „as a ritual subsequent to Abraham’s being declared righteousness“ (A. J. HULTGREN, Romans, 183). 59 Das wird daran deutlich, dass Paulus in V. 11 die Unbeschnittenen als οἱ πιστεύοντες bezeichnet und in V. 12 die Vaterschaft Abrahams über die Beschnittenen daran bindet, dass sie in den Fußstapfen des Glaubens gehen, den Abraham als Unbeschnittener hatte (τοῖς στοιχοῦσιν τοῖς ἴχνεσιν τῆς ἐν ἀκροβυστίᾳ πίστεως τοῦ πατρὸς ἡµῶν Ἀβραάµ). Mit der Betonung, dass Abraham als Gottloser aufgrund seines Glaubens gerecht geworden und die Verheißung mithin aufgrund seiner Glaubensgerechtigkeit ergangen sei, so dass er Vater aller Glaubenden sei, entwirft Paulus ein Abrahambild, das der jüdischen

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In V. 13 verbindet Paulus die Gerechtigkeit aus Glauben, die Abraham als Unbeschnittener empfing, mit der Verheißung an den Erzvater, dass sein Same Erbe der Welt sein solle.60 Wären nämlich jene ἐκ νόµου Erben, dann würde das Gesetz den Glauben leer und die Verheißung hinfällig machen, weil das Gesetz Zorn bewirke (V. 14f.). Wo aber kein Gesetz sei, gäbe es auch keine Übertretung.61 Auf dieser Grundlage erläutert Paulus in den folgenden VV. 16–22, weshalb die Verheißung nicht allein Abraham, sondern ebenso jedem seiner Nachkommen gelte. 1.2.2.2 Röm 4,16–22 16a ∆ιὰ τοῦτο ἐκ πίστεως, 16b ἵνα κατὰ χάριν, 16c εἰς τὸ εἶναι βεβαίαν τὴν ἐπαγγελίαν παντὶ τῷ σπέρµατι, 16d οὐ τῷ ἐκ τοῦ νόµου µόνον 16e ἀλλὰ καὶ τῷ ἐκ πίστεως Ἀβραάµ, 16f ὅς ἐστιν πατὴρ πάντων ἡµῶν. 17a καθὼς γέγραπται ὅτι 17b πατέρα πολλῶν ἐθνῶν τέθεικά σε, 17c κατέναντι οὗ ἐπίστευσεν θεοῦ 17d τοῦ ζῳοποιοῦντος τοὺς νεκροὺς 17e καὶ καλοῦντος τὰ µὴ ὄντα ὡς ὄντα. 18a Ὃς παρ᾿ ἐλπίδα ἐπ᾿ ἐλπίδι ἐπίστευσεν 18b εἰς τὸ γενέσθαι αὐτὸν πατέρα πολλῶν ἐθνῶν 18c κατὰ τὸ εἰρηµένον· 18d οὕτως ἔσται τὸ σπέρµα σου, 19a καὶ µὴ ἀσθενήσας τῇ πίστει 19b κατενόησεν τὸ ἑαυτοῦ σῶµα [ἤδη] νενεκρωµένον, 19c ἑκατονταετής που ὑπάρχων, 19d καὶ τὴν νέκρωσιν τῆς µήτρας Σάρρας· 20a εἰς δὲ τὴν ἐπαγγελίαν τοῦ θεοῦ οὐ διεκρίθη τῇ ἀπιστίᾳ 20b ἀλλ᾿ ἐνεδυναµώθη τῇ πίστει, Überlieferung entgegensteht. Denn diese zeichnet Abraham als Tora-Treuen (Jub 15,1f.; 16,21), der die Tora bereits in der toralosen Zeit gehalten habe (vgl. auch die spätere jüdische Tradition in mQid 4,14 mit Verweis auf Gen 26,5 sowie bJoma 28b). Philo Abr. 3–6, lässt Abraham nach ungeschriebenen Gesetzen handeln. Nach Flav.Jos.Ant. I,183, ergeht die Verheißung Isaaks an Abraham aufgrund seiner Tugend als Lohn. 60 Paulus rekurriert hier auf die Land- und die Mehrungsverheißung aus Gen 18,18 und 22,17. Zu Recht verweist U. W ILCKENS, Römer, 1. Teilband, 269, auf den „universalen, alle Völker mit umfassenden Horizont“ dieser Verheißungen, so dass diese die Kommunikationsstrategie des Paulus stützen konnten, Abraham als Glaubensvater von Juden und Heiden darzustellen. 61 Vgl. hierzu ausführlich die Auslegung zur Adam-Christus-Typologie in dieser Arbeit unter III.4.2.1.

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20c δοὺς δόξαν τῷ θεῷ 21a καὶ πληροφορηθεὶς ὅτι 21b ὃ ἐπήγγελται δυνατός ἐστιν καὶ ποιῆσαι. 22a διὸ [καὶ] ἐλογίσθη αὐτῷ εἰς δικαιοσύνην. Um Abraham tatsächlich als Vater aller Glaubenden auszuweisen und damit die Gerechtmachung aus Glauben als für die Beschnittenen und die Unbeschnittenen zugänglich darzustellen, insistiert Paulus darauf, dass sie aufgrund von Glaube und aus Gnade ergangen sei (V. 16ab). Mit den Stichworten ἐκ πίστεως und χάρις nimmt der Apostel noch einmal Bezug auf die vorangegangene Argumentation, in der er einen Gegensatz zwischen κατὰ χάριν und κατὰ ὀφείληµα aufgestellt und die Verheißung ausschließlich an den Glauben und nicht an das Tun gebunden hat (4,3f.). Daher ist für die Nachkommenschaft Abrahams der Glaube das entscheidende Signum, da er über der Differenzierung beschnitten oder unbeschnitten steht.62 Aus der Sicht des Paulus ist auf diese Weise erwiesen, dass Abraham der Vater aller Glaubenden, Juden wie Heiden, ist und dass das Wesen der Glaubensgerechtigkeit darin besteht, dass sie sich der Gnade Gottes verdankt und sich damit jenseits von Gesetz und Tun verwirklicht. So kann er im Folgenden den Zusammenhang von Glauben sowie der daraus resultierenden Gerechtigkeit und dem Leben entfalten, wie er ihn mit dem HabZitat im Röm 1,17c zum Ausdruck gebracht hat und wie es in der Verheißung in V. 13 angeklungen ist. Wie Paulus die Abrahamüberlieferung bereits hinsichtlich der Gerechtigkeit des Gottlosen aufgrund des Glaubens neu gestaltet hat, so setzt er nun auch mit der Rede vom Lebendigmachen Gottes im Kontext der an Abraham ergangenen Verheißung, Vater vieler Völker zu werden, ganz eigene Akzente. So entwickelt er am Beispiel des Erzvaters seine Theologie des Lebens. Abraham fungiert hierbei als Paradigma der Schrift, an dessen Beispiel Paulus die Verheißung aus Hab 2,4, dass der aus Glauben Gerechte leben werde, bestätigt sieht. Dazu trägt Paulus in Röm 4,17 mit einem doppelten Präpositionalausdruck die alttestamentlich und frühjüdisch bezeugte Gottesprädikation in die Abraham-Überlieferung ein, dass Gott die Toten lebendig macht und das Nicht-Seiende ruft,63 dass es sei.

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Vgl. auch D. STARNITZKE, Struktur, 175. Damit setzt Paulus jene Linie jüdischer Abraham-Überlieferung fort, die Abraham universalistisch als Vater vieler Völker versteht (Flav.Jos.Ant. I,154–155). Vgl. dazu ausführlich T. HIEKE, Art. Abraham, der auch Beispiele für eine partikularistische Sicht bietet (a.a.O. Kapp. 4.1.1–4.1.5). 63 Die Vorstellung, dass Gott ins Sein ruft (V. 17: καλέω), steht in Verbindung zu der Vorstellung von Gottes Schöpfung aus dem Wort in Gen 1, wie sie ja auch in Joh 1 und darüber hinaus in Joh 5 und 11 anklingt, wenn der johanneische Jesus die „Toten“ bzw. Lazarus ins Leben ruft.

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Und das, obwohl sie weder am masoretischen Text noch in der Septuaginta-Überlieferung einen Anhaltspunkt hat.64 Auf diese Weise stellt Paulus in Röm 4 einen Konnex zwischen Gottes gerecht machendem und seinem schöpferischen Handeln her, das sich an Toten erweist (V. 17d: τοὺς νεκρούς). Dazu argumentiert er in den VV. 17f. mit Gen 17,5 und 15,5.65 Aufgrund der Logik und der Intention seiner Argumentation, Abraham als Vater aller Glaubenden darzustellen, legt sich von V. 16 her nahe, ἐθνῶν (VV. 17f.) hier inklusiv auf Juden und Heiden zu beziehen.66 Dabei impliziert die Rede von der Vaterschaft Abrahams die Aspekte der Schöpfung und des Lebens, die Abraham in der Geburt seines Sohnes erfährt, und die es Paulus ermöglichen, in den VV. 23–25 eine 64 Vgl. zur Rede vom lebendig machenden Gott O. HOFIUS, Gottesprädikation; C. ZIMMERMANN, Namen, 427–440.442–445. Zur Rede vom lebendigen Gott im AT vgl. S. KREUZER, Gott. Für Röm 4,17 spricht O. HOFIUS, Gottesprädikationen, 58, von „zwei liturgisch geprägte(n) Gottesprädikationen“. Die nächsten Parallelen finden sich wohl in JosAs 12,2 und 20,7, da dort wie in Röm 4,17 die Gegenwart des lebendig machenden Handelns Gottes thematisiert und dies zudem auf die Bekehrung bezogen wird, sowie in der 2. Benediktion des Achtzehnbittengebets, bei der allerdings sowohl die ursprüngliche Textgestalt als auch die Datierung des Gebetes insgesamt umstritten sind (s. C. ZIMMERMANN, Namen, 434). Zudem ist unklar, ob „die 2. Benediktion von einer eschatologischen Totenauferstehung“ spricht oder „von der grundsätzlichen Macht Gottes über Leben und Tod“ (a.a.O., 434). O. HOFIUS, Gottesprädikation, 60, hingegen lehnt aufgrund des präsentischen Sinns und des Bezugs auf die Bekehrung JosAs als „Sachparallele“ ab. Interessant ist zudem die von C. ZIMMERMANN, Namen, 444, benannte Parallele zu 1 Kön 2,6, wo Hannah nach der Geburt ihres Sohnes in einem Danklied sagt: κύριος θανατοῖ καὶ ζῳογονεῖ, da hier wie in Röm 4 der Kontext eine Schwangerschaft thematisiert, in der sich Gottes Leben gebende Kraft zeigt. Als Parallelen zur Vorstellung, dass Gott das NichtSeiende ins Sein ruft, sind syrBar 21,4; 48,8; JosAs 12,2 zu erwähnen. Die von O. Hofius, a.a.O., 61, zudem angeführte Parallele 2Makk 7,28f. mag nicht zu überzeugen, scheint sie sich doch eher dem Anliegen zu verdanken, die für Röm 4,17 angenommene creatio ex nihilo zu belegen. 65 Beide Verse zitiert er in den VV. 17a und 18b nach dem Wortlaut der LXX. Während Gen 17,5 im Kontext der Erzählung von der Geburt Ismaels feststellenden Charakter hat, handelt es sich bei Gen 15,5 um eine Verheißung, die sich erst in der erzählten Zukunft ereignen wird. Paulus hingegen bezieht scheinbar beides auf die Geburt Isaaks, wenn er im Folgenden die Elternschaft Abrahams und Sarahs thematisiert. Sichtbar wird dies an den Tempora der Verben: In V. 17a handelt es sich um ein Perfekt, in V. 18b um ein Futur. Zu Gen 17,5LXX vgl. auch Sir 44,19a: „Er war der große Vater einer großen Zahl von Völkern“ (vgl. dazu auch D. STARNITZKE, Struktur, 175). 66 Die Vaterschaft Abrahams und ihre universale Anwendung auf Juden und Heiden ist demnach offensichtlich für Paulus das Verbindende an der Land- und der Mehrungsverheißung, die für ihn inhaltlich identisch sind. Folglich spricht Paulus auch nicht von mehreren Verheißungen, auch wenn er sich auf die Land- und die Nachkommensverheißung aus Gen bezieht. Aus diesem Grund wird auch hier im Folgenden weiter von „der“ Verheißung im Singular die Rede sein. Zur Betonung der Vaterschaft Abrahams vgl. C. ZIMMERMANN, Leben, 510f.

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Analogie herzustellen zum Glauben an den Gott, der Jesus aus Toten auferweckt hat. Das Subjekt dieses kreativen Handelns ist dabei stets Gott, der wiederum als Leben schaffender Gott das Objekt des Glaubens Abrahams ist, auf den Abraham trotz aller Hindernisse, die der Mehrungsverheißung entgegenstanden, vertraute (V. 19): „against hope he believed with hope“, so die treffende Übersetzung von A. J. Hultgren für παρ᾿ ἐλπίδα ἐπ᾿ ἐλπίδι ἐπίστευσεν:67 Abraham vertraute, weil er sicher war, dass Gott tun kann, was er verheißen hat (V. 21).68 Dem folgenden V. 22 kommt nun die Funktion eines Scharnierverses zu, indem hier die Gerechtigkeit aus Glauben aufs Engste mit der Lebensthematik verknüpft wird. So beginnt der Vers mit der begründenden Konjunktion διό, um aussagen zu können, dass Abraham sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet worden sei, weil er der Verheißung, d.h. der Leben schaffenden Kraft Gottes vertraute.69 Paulus zeigt also am Beispiel Abrahams auf, was in Hab 2,4 in Kürze formuliert ist, nämlich dass die Gerechtigkeit aufgrund des Glaubens und die Lebensverheißung als soteriologische Gabe desselben nicht voneinander getrennt werden können.70 Damit gelingt es Paulus, Abraham als Beispiel für den aus Glauben Gerechten darzustellen, dem Leben zuteil wird. Abraham steht dabei exemplarisch für jeden Glaubenden, da doch die an ihn, den Vater vieler Völker,

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A. J. HULTGREN, Romans, 189. Dieser Konnex zwischen Röm 1,17 und Röm 4 wird sichtbar an der verbalen Reformulierung der δύναµις θεοῦ in 4,21: ὅτι ὃ ἐπήγγελται δυνατός ἐστιν καὶ ποιῆσαι. Zu Recht weist R. JEWETT, Romans, 333, darauf hin, „that faith is a relational term“, was in dem Ausdruck κατέναντι deutlich wird: „Abraham was convinced that God’s promise was valid, and this conviction placed him in the right relationship with God.“ Einen interessanten Aspekt bringt D. STARNITZKE, Struktur, 177, ein, wenn er κατανοέω in V. 19 als „Fähigkeit der Selbstreflexion“ bezeichnet und in dem Sinne auf den Glauben bezieht, dass der Glaube „eine Klärung des Selbstverhältnisses“ ermögliche. Allerdings versäumt er, einen Bezug zur metaphorischen Redeweise von tot und lebend bei Paulus herzustellen, wofür die Abrahamerzählung als Projektionsfläche dient; s. dazu unten. 69 Paulus formuliert hier elliptisch, indem er lediglich das Verb λογίζοµαι wiederholt, das er zuvor immer mit Bezug auf die δικαιοσύνη verwendet hatte (vgl. 4,3.5.6.9; ebenfalls elliptisch in 4,10). 70 Eindrücklich formuliert E. KÄSEMANN, Römer, 116, wenn er Rechtfertigung und die Erfahrung der Leben schenkenden Kraft Gottes aufeinander bezieht und hier von einer creatio ex nihilo spricht. Diese sei „Vorwegnahme der Auferweckung von den Toten, die wie kein anderes Ereignis creatio ex nihilo genannt zu werden verdient und die eschatologische Wiederholung der ersten Schöpfung darstellt. Wie kaum anderswo enthüllt sich hier die Radikalität der paulinischen Rechtfertigungslehre. Wo ihre Botschaft angenommen wird, verbindet sich damit unvermeidbar ein redigi ad nihilum (...). Man hat dann nichts mehr vorzuweisen, so daß neue Kreatur notwendig und möglich wird“ – auch wenn die vorliegende Arbeit nicht von einer Vorwegnahme der Auferstehung reden würde. 68

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ergangene Verheißung auch für seine Nachkommen gültig ist (V. 16).71 Die nunmehr erfüllte Verheißung bildet an Abraham proleptisch den soteriologischen Universalismus des Evangeliums vom Glauben für Juden und Heiden ab, das Paulus in Röm 1,16 als rettende Kraft Gottes für jeden Glaubenden (παντὶ τῷ πιστεύοντι) bezeichnet hatte.72 Begründet ist dieser Zusammenhang von Glaubensgerechtigkeit und der Gabe des Lebens im Handeln Gottes selbst, dem Paulus das Prädikat, gerecht zu machen (4,5), ebenso beilegt wie lebendig zu machen und das Nicht-Seiende ins Sein zu rufen (4,17).73 „The character of Abraham’s faith is determined by the character of the God in whom he believed“74, so dass gesagt werden kann: Paulus entwirft auf der Grundlage von Hab 2,4 und der von ihm eigenwillig interpretierten Abrahamsüberlieferung eine Theologie nicht allein der Gerechtmachung, sondern darüber hinaus eine Theologie des Lebens. Vor dem Hintergrund dieser Textwahrnehmungen wird sichtbar, dass der Apostel die Erzeltern-Erzählung transzendiert, um sie als Schriftbeweis für seine Prothesis und das darin zitierte Prophetenwort fruchtbar zu machen. Eine Pointe der paulinischen Argumentation besteht dabei darin, dass sich an Abraham proleptisch vorwegereignet hat, wozu bei Paulus ansonsten Tod und Auferweckung Jesu die conditio sine qua non bilden.75 71

Dass dabei weder Paulus noch zuvor die alttestamentliche Überlieferung bei einer individuellen Familiensituation stehen bleiben, ergibt sich alttestamentlich aus dem Anliegen, Abraham als Stammvater Israels zu zeichnen, und paulinisch aus der Absicht, Abraham als Glaubensvater von Juden und Heiden darzustellen. 72 Paulus betont die universale Dimension der an Abraham ergangenen Verheißung, indem Abraham als πατὴρ πάντων τῶν πιστευόντων (4,11) und πατὴρ πολλῶν ἐθνῶν (4,17.18) erscheint. Er hält fest, dass die Abraham zuteil gewordene Verheißung für jeden seiner Nachkommen Bestand habe (4,16). Sprachlich findet die universale Bedeutung dieser Aussagen Ausdruck in der Verwendung von πᾶς und πολύς. Weshalb der Verheißung wie dem Evangelium vom Glauben dieser Universalismus eignet, lässt der Apostel in Röm 4,23–25 anklingen, bevor er ihn anhand der Adam-Christus-Typologie in Röm 5 ausführlich entfalten wird. Auf den Aspekt der Universalität verweist auch D. STARNITZKE , Struktur, 176, allerdings mit etwas anderer Akzentsetzung, wenn er annimmt, „so viele Menschen, wie Abraham als Nachkommen verheißen sind, sollen an das Evangelium von Christus glauben“. 73 Vgl. H. WEDER, Entdeckung, 140. Er konzentriert den Glauben auf die „Lebensmacht“ Gottes und folgert daraus für die Gerechtmachung Abrahams: „Der Glaube, das Vertrauen auf die Lebensmacht ist das einzige, was dieser Macht gerecht wird.“ (a.a.O., 141). 74 J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 236. Damit setzt Paulus das „Leben“ und das „lebendig gemacht Werden“, das Abraham und Sarah erfahren, in Relation zum Wesen Gottes, so dass Leben als relationaler Begriff erscheint. 75 Diese Deutung unterscheidet sich von den gängigen Auslegungen. Grund hierfür ist einerseits, dass Abraham zwar als Paradigma des aus Glauben Gerechten verstanden wird, jedoch kein Konnex zwischen Hab 2,4 und Röm 4 in der Weise hergestellt würde,

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Darin besteht dann letztlich trotz aller Analogie zwischen dem Glauben Abrahams und dem der Christen der grundlegende Unterschied: „die Christen sind durch Tod und Auferstehung Christi in die Gerechtigkeit gestellt“76 und mit der Gabe des Lebens beschenkt. Deutlich zutage tritt dies in V. 23f., in denen Paulus eine Analogie zwischen dem Glauben Abrahams und dem der Christen zieht und im Folgenden das Leben schaffende Handeln Gottes auf die Auferweckung Jesu überträgt. 1.2.2.3 Röm 4,23–25: der Jesus auferweckende Gott In den VV. 23–25 weitet der Apostel die Perspektive von Abraham hin zu sich und seinen Adressaten. 23a Οὐκ ἐγράφη δὲ δι᾿ αὐτὸν µόνον 23b ὅτι ἐλογίσθη αὐτῷ 24a ἀλλὰ καὶ δι᾿ ἡµᾶς, 24b οἷς µέλλει λογίζεσθαι, 24c τοῖς πιστεύουσιν ἐπὶ τὸν ἐγείραντα Ἰησοῦν τὸν κύριον ἡµῶν ἐκ νεκρῶν, 25a ὃς παρεδόθη διὰ τὰ παραπτώµατα ἡµῶν 25b καὶ ἠγέρθη διὰ τὴν δικαίωσιν ἡµῶν. Dazu formuliert er zunächst negativ, dass die Abrahamsüberlieferung nicht allein um Abrahams willen aufgeschrieben worden sei (V. 23a), um dann dass auch der 2. Teil des Prophetenwortes, der das Leben thematisiert, berücksichtigt würde. Daran wird ein allgemeines Phänomen sichtbar: Der Fokus der Forschung liegt auf Fragen zur Gerechtmachung und dem Glauben bzw. der πίστις Χριστοῦ-Debatte (s.o.), während die Lebensthematik ein Stiefkind der Exegese ist. Die Beiträge von C. ZIMMERMANN, Namen, 440–449, sowie DIES., Leben, 510–512, stellen hier eine Ausnahme dar. Gängig ist hingegen die Deutung, die Rede vom lebendig machenden Handeln Gottes in Bezug zum Inhalt des Abrahamglaubens zu setzen und die Verheißung dann erst als in Christus bzw. bei den Christusgläubigen erfüllte aufzufassen (so. z.B. bei U. W ILCKENS, Römer, 1. Teilband, 277f.; M. T HEOBALD, Römerbrief 1–11, 131; K. HAACKER, Römer, 110). O. HOFIUS, Gottesprädikation, 60, postuliert, dass die Rede vom die Toten lebendig machenden Gott „zunächst und primär als eine Aussage über die eschatologische Totenauferweckung verstanden“ werden müsse. Diese Interpretation steht jedoch in der Gefahr, einerseits die Bezüge zum weiteren Kontext in Röm 6–8 zu übersehen. Denn diese belegen, dass Paulus mit der Lebensterminologie die Gegenwart glaubender Existenz beschreibt, so dass sich Gottes lebendig machendes Handeln ebenso in der Gegenwart ereignet. Umso mehr verwundert dies, wenn von Hofius, a.a.O., 60, und U. W ILCKENS, Römer, 1. Teilband, 274f., der Zusammenhang zwischen dem Lebendigmachen und der Bekehrung durchaus wahrgenommen wird. Kritisch zu hinterfragen ist zudem die Tendenz, immer schon ein christologisch begründetes Glaubensverständnis in den Abraham-Glauben hinein zu lesen. Das scheint sich der Eintragung von Gal 3 in Röm 4 zu verdanken. 76 C. ZIMMERMANN, Namen, 445.

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in einem durch die adversative Konjunktion ἀλλά eingeleiteten Satz festzuhalten, dass sie ebenso niedergeschrieben sei für „uns“ (ἡµᾶς).77 Mit diesem Personalpronomen der 1. Person Plural identifiziert Paulus sich und seine Adressaten aus Juden- und Heidenchristen mit den zuvor erwähnten Nachkommen Abrahams (V. 16c). Ihnen soll nach Meinung des Apostels ebenfalls die Gerechtigkeit angerechnet werden.78 Im darauffolgenden Satzteil charakterisiert Paulus das „Wir“ konkret als diejenigen, die an den glauben, der Jesus aus Toten auferweckt hat (V. 24c). Demnach besteht die Analogie zwischen dem Glauben Abrahams und dem der Christen im Vertrauen auf das Leben schaffende und gerecht machende Handeln Gottes: den Christen wird zur Gerechtigkeit gerechnet, dass sie an den Gott glauben, der Jesus von den Toten auferweckt hat.79 Weshalb aus dem Glauben an den Gott, der Jesus aus Toten auferweckt hat, die Gerechtmachung folgt, erläutert Paulus in V. 25, indem er eine traditionelle soteriologische Deutung des Todes Jesu anführt. Demnach wurde Jesus der Übertretungen wegen hingegeben und um der Rechtfertigung willen auferweckt.80 Erneut wird die Theologie81 des Lebens erkennbar, denn die passiven Formulie77 Mit der Vorstellung, dass die Glaubensgerechtigkeit Abrahams nicht allein um Abrahams willen, sondern auch im Blick auf ihn und seine Adressaten von der Schrift verbürgt worden sei, betont Paulus mit Anklang an Gen 15,6LXX nochmals die Schriftgemäßheit seiner Evangeliumsverkündigung. K. HAACKER, Römer, 110, will hierin den „hermeneutischen Ansatz“ erkennen, „von dem her Paulus das Alte Testament heranzieht“: „Die Autorität der Schrift hängt an ihrer Relevanz für die Gegenwart, schließt aber die Erinnerung an vergangene Geschichte nicht aus, sondern ein.“ Ähnlich zuvor auch J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 240. 78 Paulus formuliert in V. 24b elliptisch, so dass das Nomen ‚Gerechtigkeit‘ fehlt. Die Konstruktion µέλλει λογίζεσθαι soll „die infolge göttl. Ratschlusses notwendig eintretende Handlung“ (so W. B AUER, Griechisch-deutsches Wörterbuch, 1016) zum Ausdruck bringen. Mit D.-A. KOCH, Schrift, 323f.; R. JEWETT, Romans, 341, und D. STARNITZKE, Struktur, 180, wird µέλλει als von der Schrift her zukünftig verstanden, so dass es in V. 24 die Gegenwart des Paulus und seiner Adressaten thematisiert. Anders hingegen z.B. E. KÄSEMANN, Römer, 121; J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 240. 79 Damit expliziert Paulus am Beispiel Abrahams und der Übertragung desselben auf die Glaubenden, was er in Röm 3,21–31 sühnetheologisch zur Gerechtmachung durch Glauben ohne Werke lehrhaft dargestellt hatte. Zutreffend hält M. T HEOBALD, Römerbrief, 221, zu Röm 4 fest: „Die Belege zu Abraham sammelt und vermehrt Paulus, konzentriert sie in einem schrifthermeneutisch sehr diszipliniert gearbeiteten Abschnitt (...), der jetzt als ganzer (Röm 4) der voranstehenden Entfaltung der ‚Rechtfertigungslehre‘ (3,21–31) als Schriftbeweis dient.“ 80 Für die VV. 24f. legt sich mit U. W ILCKENS, Römer, 1. Teilband, 278–280, die Annahme nahe, dass Paulus frühchristliche Traditionen rezipiert, aber durchaus eigenständig formuliert. Vgl. weiter K. HAACKER, Römer, 110 (für V. 25); R. JEWETT, Romans, 341f., A. J. HULTGREN, Romans, 191. 81 Demgegenüber sieht D. STARNITZKE, Struktur, 180f., den christologischen Aspekt des Glaubens in Röm 4,24f. hervorgehoben. Mit der Rede von Jesu Sterben und Aufer-

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rungen (V. 24c: τὸν ἐγείραντα; V. 25b: ἠγέρθη) verweisen auf Gott als handelndes Subjekt.82 So illustriert Paulus mit dem in Röm 4 gebotenen Argumentationsverlauf Hab 2,4 zunächst am Beispiel Abrahams, um daran anschließend einen weiten heilsgeschichtlichen Bogen hin zu den Abrahamskindern zu ziehen, die an den Christus von den Toten erweckenden Gott glauben. Während er hier bereits den gerecht machenden Glauben der Nachkommen Abrahams thematisiert, lässt er noch offen, wie auch ihnen die soteriologische Gabe des Lebens zuteil wird. Allerdings lässt die differenzierte Einheit von Rechtfertigung und Leben bei Abraham erahnen, dass Paulus auf dieselbe Begründung zurückgreifen wird, mit der er auch die Gerechtmachung der „Christen“ darlegt: das Sterben und Auferwecktwerden Jesu als Ermöglichungsgrund für die soteriologische Gabe des ‚Lebens‘. Das wird die weitere Untersuchung bestätigen. Auffällig an der Rede von der Leben schaffenden Kraft Gottes in Röm 4 ist die Kontrastierung derselben mit den Toten, dem Nicht-Seienden (4,17) sowie den erstorbenen Leibern Abrahams und Saras (4,19) und der Rede von der Auferweckung Jesu aus Toten (4,24). Während Paulus auf der einen Seite durchgehend Derivate des Wortstammes νεκρ- verwendet,83 drückt er Gottes Fähigkeit, lebendig zu machen, sprachlich sehr variabel aus. Dabei eignen der Rede vom lebendig Machen von Totem und den Bereichen, auf die sich dieses Leben schaffende Handeln bezieht, sowohl „metaphorische als auch (...) nicht-metaphorische“84 Züge. Metaphorisch bezeichnet Paulus die Körper des kinderlosen Paares als abgestorben (4,19) und verwendet für das Werden und Geborenwerden Isaaks die Vorstellung, aus Toten lebendig gemacht zu werden (4,17). Als ‚tot‘ können demnach Bereiche physisch Lebender bezeichnet werden, für die, obwohl physisch lebendig, die lebendig machende Kraft Gottes notwendig ist.85 Indem nach Röm 4 die toten Leiber der unfruchtbaren Erzeltern Sarah und Abraham lebendig gemacht werden und das dadurch ermöglichte Leben als Leben aus dem Tod erscheint, wird metaphorisch und narrativ die gegenwärtige Dimension eines eschatologisch qualifizierten Lebens betont, für das die Abraham-Erzählung als Projektionsfläche dient und das diese gleichsam transzendiert. Mit dieser metaphorischen Redeweise nimmt Pauweckung ist dieser evident, darf jedoch nicht wie bei Starnitzke dazu führen, Gott als handelndes Subjekt zu übersehen. 82 Zu Recht konstatiert C. ZIMMERMANN, Namen, 444, dass das mit dem Verb ἐγείρω beschriebene Handeln „die entscheidende, Christus vorbehaltene Aktion Gottes“ bleibt, während Paulus bezogen auf Abraham das Verb ζῳοποιέω verwendet. 83 Dass dies für Paulus außergewöhnlich ist, bemerkt auch C. ZIMMERMANN, Namen, 443f. 84 C. ZIMMERMANN, Leben, 510. 85 C. ZIMMERMANN, Leben, 511.

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lus vorweg, was er in Kap. 6 auf der Grundlage eines paulinischen Glaubenssummariums und dessen Explikation im Horizont der Rede von der Sünde entfalten wird. Dort findet die bildliche Bezeichnung des Totseins physisch Lebender und der physischen Vergänglichkeit der Glaubenden, die bereits jetzt „wie aus Toten Lebende“ sind (6,13) ihre Fortsetzung, so dass dann auch das verheißene Leben aus Hab 2,4 an der καινότης ζωῆς (6,4) der Glaubenden beschrieben werden wird. Was nun der Apostel in Röm 6 als Neuheit des Lebens bezeichnet, hat ein Pendant in der Rede von der καινὴ κτίσις in 2 Kor 5,17 und Gal 6,15. In ihrem Horizont ist die Verwendung von Hab 2,4 in Gal 3,11 zu verstehen. 1.3 Hab 2,4 im Galaterbrief 1.3.1 Hab 2,4 in Gal 3,11 Nachdem für den Röm gezeigt werden konnte, dass Paulus das Zitat von Hab 2,4LXX am Beispiel Abrahams darlegt und von dort eine Analogie zu den Christen herstellt, stellt sich die Frage, ob dies auch im Gal der Fall ist. Es wird sich zeigen, dass dort der Zusammenhang sogar noch offensichtlicher ist, denn im Gal verwendet Paulus das Zitat direkt im Kontext des Abraham-Kapitels. Dabei ist Paulus’ Argumentation im Gal stark beeinflusst durch die historische Kommunikationssituation des Briefes: Er versucht sein Evangelium gegen den Einfluss von in die Gemeinde eingedrungenen Gegnern zu verteidigen.86 So insitiert er auf der soteriologischen Suffizienz der 86 Gal 3 ist, wie der gesamte Brief, stark bestimmt von der Auseinandersetzung des Apostels mit den galatischen Christen, die unter einem Einfluss stehen, den Paulus als Gefährdung für sein Evangelium ansieht. Dieser Konflikt schlägt sich sogar in der Form des Briefes nieder, der als einziger von den erhaltenen Paulusbriefen kein Proömium zu Beginn des Schreibens aufweist; zudem fehlen Grüße am Briefschluss (vgl. dazu ausführlich C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 137–141; sowie DIES., Augenblickskorrespondenz, zum Genre und Aufbau der Paulusbriefe). Paulus sieht durch nomistische Strömungen die Wahrheit des Evangeliums (2,5) gefährdet. Seiner Meinung nach verdrehen (1,7: µεταστρέφω) diese „Gegner“ das Evangelium Christi und verkündigen ein „anderes Evangelium“ (1,6: ἕτερον εὐαγγέλιον). Vgl. hierzu J. SCHRÖTER, Einheit; sowie DERS., Universalisierung, 33f. Wenngleich nicht mehr rekonstruiert werden kann, wer sich hinter diesen Einflüssen verbirgt, kann dennoch ein Profil der Paulus-Gegner erstellt werden. Aus dem Brief erfährt man, dass sie die Beschneidung gefordert hätten (Gal 5,3; 6,12f.). Darüber hinaus kann aus dem Rekurs auf den antiochenischen Konflikt mit Petrus (2,11–14) vermutet werden, dass zudem die Einhaltung von Speisevorschriften zur Diskussion stand. Schwierigkeiten bereitet die Passage Gal 4,9f., in der Paulus die Versklavung an die Elemente und das Beobachten bestimmter Zeiten thematisiert. Vom Kontext des Briefes und unter Berücksichtigung, dass den στοιχεῖα sowohl im paganen Bereich als auch im zeitgenössischen Judentum Bedeutung beigemessen wurde, legt sich nahe, die Kritik des Paulus mit C. ZIMMERMANN, Gott, 99, auf die „Priorisierung der körperlichen Existenz und ihrer Belange (Beschneidung, Essen)“ zu beziehen, „die sich auch im Einhalten von

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πίστις bzw. des πιστεύειν, die er dem νόµος und den auf das Tun zielenden ἔργα νόµου antithetisch gegenüberstellt und dabei mit dem Beispiel Abrahams sowie Hab 2,4 argumentiert.87 1.3.1.1 Der Kontext von Gal 3,11 In Gal 3,6 kommt Paulus erstmals im Gal auf den Stammvater zu sprechen. Wie in Röm 4 verwendet er auch hier das Zitat von Gen 15,6LXX, um mit der Schrift begründen zu können, dass die Gerechtigkeit aus Glauben komme, und fordert anschließend seine Leser auf zu erkennen, dass οἱ ἐκ πίστεως (Gal 3,7b) Söhne Abrahams sind. Als Subjekt der Gerechtmachung nennt er Gott (V. 8). Im folgenden Versteil identifiziert er die Gerechtmachung aus Glauben mit der an Abraham ergangenen Verheißung, dass in ihm alle Völker gesegnet würden,88 was die Schrift bereits „vorhergesehen“ habe (V. 8a: προϊδοῦσα δὲ ἡ γραφή). Diese in V 8. genannte Verheißung präsentiert Paulus als vorausverkündigtes Evangelium (V. 8c: προευηγγελίσατο), die dann folglich ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ bzw. διὰ τῆς πίστεως zum Ziel kommt (3,14), da jene ἐκ πίστεως zusammen mit dem glaubenden Abraham gesegnet sind (3,9).89 Doch bevor Paulus auf die erfüllte Verheißung zu sprechen kommt, kontrastiert er in Gal 3,10a im Schema von Dtn 27f. dem Segen den Fluch und verbindet diesen mit den Vorschriften des Festzeiten äußert“. Gal 4,9f. wäre dann ein Spiegel für den Wunsch der Galater, die ἔργα νόµου einzuhalten. 87 Vgl. z.B. Gal 2,16; 3,2.5.10–12.24. Es ist in diesem Rahmen nicht möglich und auch nicht notwendig, die Diskussion um das Gesetz bei Paulus und das Verständnis der ἔργα νόµου aufzurollen. Dies bedürfte einer eigenen Studie. Festgehalten werden soll jedoch, dass ein präskriptives Verständnis für ἔργα νόµου angenommen wird, wie es bspw. M. B ACHMANN, Rechtfertigung; DERS., 4QMMT; DERS., Keil; DERS., Praktiken, und R. BERGMEIER (zur Literatur s.u.) vertreten. Das Syntagma wird daher mit „Vorschriften der Tora“ übersetzt, die auf Tun ausgerichtet sind. So betont J. FREY, Judentum, 41, dass diese „,Vorschriften‘“ „auf Befolgung angelegt sind“. Er gelangt zu diesem Urteil auf der Basis einer Analyse von 4QMMT C 27–31, dem einzigen Text, in dem sich ein hebräisches Äquivalent (‫ )מעשי תורה‬zu dem paulinischen Syntagma findet (ein griechisches fehlt). Mit Bachmann werden die Vorschriften der Tora auf „Halakhot (...), die Juden von Nicht-Juden unterscheiden“ (M. B ACHMANN, Bemerkungen, 108) bezogen. Anders hingegen J. FREY, Judentum, der annimmt, dass Paulus mit seiner Rede von den ἔργα νόµου auf „das Leben mit der Tora als Ganzer“ (a.a.O., 41) fokussiert. Zum Gesetzesverständnis bei Paulus sei auf die differenzierten, am Text und seinem Kontext orientierten Studien von R. B ERGMEIER, Gesetz; DERS., Bedeutung; DERS. Tun, sowie jüngst DERS., Gerechtigkeit, verwiesen. 88 Paulus benutzt hierzu ein Mischzitat aus Gen 12,3 und 18,18. Während ἐν σοί mit Gen 12,3LXX übereinstimmt, entspricht die Rede von den Völkern der Formulierung in Gen 18,18, die darüber hinaus τῆς γῆς bezeugt. 89 Während Paulus die Segnung der Völker in V. 8 noch futurisch formuliert, betont er in V. 9 mit dem Präsens des Verbs, dass dieser Segen nun für die Glaubenden eingetreten sei. So auch C. ZIMMERMANN, Gott, 60.

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Gesetzes.90 Dabei versucht Paulus im Folgenden seine Position durch eine Kombination von Schriftzitaten zu begründen, in der er unter anderem auch Hab 2,4 verwendet. 1.3.1.2 Hab 2,4 in Gal 3,10–12 Das Zitat von Hab 2,4 in Gal 3,11 befindet sich innerhalb des Mikrokontextes von Gal 3,10–12: 10a Ὅσοι γὰρ ἐξ ἔργων νόµου εἰσίν, 10b ὑπὸ κατάραν εἰσίν· 10c γέγραπται γὰρ ὅτι 10d ἐπικατάρατος πᾶς ὃς οὐκ ἐµµένει πᾶσιν τοῖς γεγραµµένοις ἐν τῷ βιβλίῳ τοῦ νόµου τοῦ ποιῆσαι αὐτά. 11a ὅτι δὲ ἐν νόµῳ οὐδεὶς δικαιοῦται παρὰ τῷ θεῷ δῆλον, 11b ὅτι ὁ δίκαιος ἐκ πίστεως ζήσεται· 12a ὁ δὲ νόµος οὐκ ἔστιν ἐκ πίστεως, 12b ἀλλ᾿ ὁ ποιήσας αὐτὰ ζήσεται ἐν αὐτοῖς. In diesem Abschnitt verwendet Paulus insgesamt drei Schriftzitate: Dtn 27,26LXX (in V. 10b); Hab 2,4LXX (in 3,11b) und Lev 18,5LXX (in 3,12b). Allerdings kennzeichnet er lediglich Dtn 27,26LXX in V. 10b als Schriftzitat mit den Worten γέγραπται γὰρ ὅτι, während die weiteren Schriftbelege einfach in den Text einfließen. Dabei weicht nicht nur Hab 2,4 vom masoretischen Text und der Mehrheit der Septuaginta-Handschriften ab. Auch Dtn 27,26 weist Unterschiede zur LXX auf. Anstelle von πᾶς ἄνθρωπος heißt es im Gal πᾶς ὃς. Die LXX bezeugt weiter die präpositionale Wendung ἐν πᾶσιν τοῖς λόγοις τοῦ νόµου τούτου, während Paulus das Dativobjekt unmittelbar anschließt und statt von „allen Worten dieses Gesetzes“ von πᾶσιν τοῖς γεγραµµένοις ἐν τῷ βιβλίῳ τοῦ νόµου schreibt, so dass er im Anschluss daran nicht mehr mit ποιῆσαι αὐτούς, sondern mit ποιῆσαι αὐτά formulieren muss. Bei diesen Abweichungen vom LXX-Text von Dtn 27,26 handelt es sich um Bearbeitungen bzw. Formulierungen des 90 Die Kontrastierung von Segen und Fluch kann sich neben Dtn auch der Kontrastierung von Segen und Fluch in Gen 12,1–3 verdanken. Darauf verweist auch J. R. WISDOM, Blessing, 157. Paulus verwendet in 3,10a ein Verb im Präsens, um die Gruppe jener zu bezeichnen, die ἐξ ἔργων νόµου sind. W ISDOM, a.a.O., 161f., baut auf dieser Wahrnehmung des Tempus seine Annahme auf, dass Paulus mit ihnen die „troublemakers“ (a.a.O., 161) und jene Galater bezeichne, die auf deren Beschneidungsforderung eingingen. Dieser Bezug auf Juden- und Heidenchristen innerhalb der christlichen Gemeinde vermeidet die Missinterpretation, hierin allgemein „Juden, die nicht an Christus glauben“, sehen zu wollen, wie H.-J. ECKSTEIN, Verheißung, 123, meint, obwohl er selber die Perspektive auf Juden- und Heidenchristen erweitert. Es ist plausibler, dass Paulus mit ὅσοι ἐξ ἔργων νόµου Christen bezeichnet.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Paulus, von denen her sich dann auch die Änderungen erklären, die Paulus an Lev 185 LXX vorgenommen hat. Wie bereits im Fall von Dtn 27,26 streicht er ἄνθρωπος und fügt stattdessen nach dem Verb αὐτά ein, was wiederum zurückweist auf die γεγραµµένα in V. 10b.91 Diese werden von Paulus in V. 10a konkret als Vorschriften des Gesetzes bezeichnet. Auf den ersten Blick scheint sich Paulus in diesem Abschnitt in widersprüchliche Aussagen zu verstricken, die er allesamt auf die Autorität der Schrift zurückführt. Auffällig ist, dass Paulus mit Hab 2,4LXX und Lev 18,5LXX zwei Schriftzeugnisse anführt, die beide Leben verheißen,92 einmal ἐκ πίστεως und einmal aufgrund des Tuns, und zudem mit Dtn 27,26LXX auf die Notwendigkeit des Tuns hinweist, während er unmittelbar zuvor vom Verfluchtsein93 derer spricht, die aus den Vorschriften des Gesetzes leben. Das Rätsel löst sich, wenn die Argumentation formallogisch als Syllogismus94 erfasst wird:

91 Vgl. D.-A. KOCH, Schrift, 265–268; M. B ACHMANN, Argumentation, 527f., zur Analyse von Gal 3,10–12 und zu den Veränderungen des Textes gegenüber dem Wortlaut der LXX. 92 Dass Paulus auch in Gal 3,11 mit Hab 2,4 eschatologisch qualifiziertes Leben thematisiert, ergibt sich aus dem gesamten Kontext der Rechtfertigung. Dasselbe gilt für die Verwendung von Lev 18,5, wie die Studien von S. GATHERCOLE, Torah, und P. M. SPRINKLE, Law, aufzeigen, die anhand der Analyse von Lev 18,5 in Ez 18,20.33, Neh 9,29 in MT und der LXX sowie in den Schriften von Qumran, den PsSal 14,2f., bei Philo congr. 86–87 und PsPhilo L.A.B. 23 belegen können, dass Lev 18,5 eine Eschatologisierung erfahren hat, bei der „Leben“ das ewige Leben in der kommenden Welt bezeichnet. Vgl. weiter F. AVEMARIE, Tora, 105 mit Anm. 3, und DERS., Paul, 141, der zudem explizit auf Gal 3,21 als Beleg dafür verweist, dass „Paul was fully aware of the soteriological claim that his contemporaries attached to Lev 18:5“. Unhaltbar wird damit die Position von J. D. G. DUNN, Galatians, 175, der in Bezug auf Lev 18, 5 von „life within the covenant“ spricht. Jüngst lehnt N. CHIBICI-REVNEANU, Leben, 111, einen eschatologischen Sinn für das Verb erneut ab unter Rekurs auf den Kontext von Lev 18,5. Sie überträgt die Aussage von Gal 3,12 folgendermaßen: „Der das Gesetz bzw. die darin niedergelegten Vorschriften tut (ὁ ποιήσας αὐτά), wird (bzw. soll) in einem durch Gottes Weisung definierten, nach außen hin abgegrenzten Bereich leben: ζήσεται ἐν αὐτοῖς.“ 93 Zum Fluch im Gal siehe die Studie T. A. W ILSON, Curse, 26–28, der unter Berücksichtigung des doppelten Anathemas in 1,8f. und des bedingten Segens in 6,16 die Ansicht vertritt, Paulus wolle die Galater dazu auffordern, sich von den Agitatoren zu trennen und sich selbst durch die Ausführungen in 3,6–9 als Abrahamssöhne in ihrer Position bestärkt zu fühlen. 94 Auch M. B ACHMANN, Argumentation, 529ff.; P. M. SPRINKLE, Law, 137, verstehen Gal 3,10–12 als Syllogismus. Vgl. weiter die Beschreibung der argumentativen Struktur des Textabschnitts bei D.-A. KOCH, Schrift, 265; F. AVEMARIE, Paul, 140, und R. BERGMEIER , Gerechtigkeit, 42–45. H.-J. ECKSTEIN, Verheißung, 121, bezeichnet Gal 3,10–12 als „argumentum e contrario“.

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praemissa maior (V. 11b): ὁ δίκαιος ἐκ πίστεως ζήσεται praemissa minor (V. 12a): ὁ δὲ νόµος οὐκ ἔστιν ἐκ πίστεως conclusio (V. 11a): ἐν νόµῳ οὐδεὶς δικαιοῦται Paulus beginnt allerdings mit der conclusio (V. 11a), indem er sagt, dass niemand durch das Gesetz gerecht wird. Gerecht, so argumentiert er mit Hab 2,4, sei jemand lediglich ἐκ πίστεως. Das Gesetz aber sei nicht ἐκ πίστεως, sondern verlange, getan zu werden. Daraus folgt nun, dass ein Gegensatz zwischen Glaube und Tun besteht. Dies wiederum bedeutet, dass die Gabe des Lebens nicht durch das Vollbringen der ἔργα νόµου zu erlangen sei, weil das Gesetz unfähig sei zu rechtfertigen, weil es nicht ἐκ πίστεως sei. Hab 2,4 und Lev 18,5 illustrieren also zwei antithetische Soteriologien. Während die eine mit der Wendung ἐκ πίστεως auf „divine agency“ verweist, wie es Sprinkle ausdrückt, fokussiert Lev 18,5 „human agency“. Mit dieser Differenzierung benennt Sprinkle den grundlegenden Unterschied zwischen Glaube als „faith in what God has done in Christ“, so dass Glaube „a human response to God’s prior saving act in Christ“ sei,95 und dem Tun der Gesetzesvorschriften, die den Menschen auf sein eigenes Handeln zurückwerfen würden. Leben kann demzufolge nach Paulus ausschließlich aus Glauben und aus der diesem inhärenten „divine agency“ zuteil werden, während das Gesetz nicht über die Fähigkeit verfügt, lebendig zu machen (3,21). Unter dem Fluch stehen daher jene, die ἐξ ἔργων νόµου sind, weil sie nach Wisdom „disloyal to God’s covenant purpose to bless all nations through Abraham’s desecendants“ seien,96 indem „they maintain ethnic distictions within the community and thus they compel gentiles to observe these Jewish distinctive elements.“97 95

P. M. SPRINKLE, Law, 160. Er versucht im Folgenden (a.a.O., 161–163) seine These durch eine Kontextualisierung der Zitate von Hab 2,4 und Lev 18,5 im AT zu begründen. Dabei gelingt es ihm, nachzuzeichnen, dass das Prophetenbuch mit dem Eingreifen Gottes rechnet und die Tora in Frage stellt, während Lev ein Konzept verfolge, das dem des Dtn entspreche: „blessing will come to those who obey the law“ (a.a.O., 163). Von daher legt sich für ihn die Vermutung nahe, dass „Paul had read these texts in light of their original contexts“ und so zu dem Ergebnis gekommen sei, dass „Habakkuk anticipates God’s intervention as the solution to the failure of the Deuteronomic paradigm“ (a.a.O., 163). Zudem kann er den Vorrang der „divine agency“ in Gal 2,19–21 und 3,2–5 überzeugend nachzeichnen (a.a.O., 155–159). 96 J. R. W ISDOM, Blessing, 174. Er gelangt zu dieser Deutung, indem er parallele Formulierungen zu πάντα τὰ γεγραµµένα ἐν τῷ βιβλίῳ τοῦ νόµου in Dtn 28–30 untersucht und dabei eine Verbindung dieser Wendung mit „the commandments of the law and the curse of the covenant“ (a.a.O.,174) entdeckt (a.a.O., 170–174). Paulus spreche demzufolge einen Fluch über seine Gegner aus, um „the purity and protection of the covenant community and the preservation of covenant loyalty among the Galatians“ (a.a.O., 182) zu sichern. 97 J. R. W ISDOM, Blessing, 182.

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Mit dieser Argumentation gelingt es Paulus ebenso wie im Röm mit Hilfe des Hab-Zitates die soteriologische Suffizienz seines gesetzesfreien Evangeliums darzulegen. Dazu insistiert er gegenüber seinen Adressaten darauf, dass die Gerechtmachung sowie die soteriologische Gabe eschatologisch qualifizierten Lebens ausschließlich ἐκ πίστεως zugänglich seien. Eine zentrale Rolle spielt für ihn dabei neben seinem Rekurs auf das Prophetenwort die Argumentation mit weiteren Schriftzitaten, so dass es ihm letztlich gelingt, seine Verkündigung als schriftgemäß zu erweisen. Allerdings bleibt Paulus hierbei nicht stehen. Wie im Röm geht er auch im Gal noch einen Schritt weiter, wenn er nun auf das Sterben Jesu zu sprechen kommt und damit ein christologisches Argument anführt. Er schlägt einen Bogen zurück zu V. 1, indem er bereits auf Jesus Christus als den Gekreuzigten verwiesen hatte (Ἰησοῦς Χριστὸς ... ἐσταυρωµένος). 1.3.2 Gal 3,13f. Ebenso wie in Röm 4 schließt Paulus seine Ausführung zur Gerechtmachung und der Gabe des Lebens auch in Gal 3 mit einem Verweis auf das Sterben Jesu ab. Anders als im Röm, in dem der Akzent bereits im Abraham-Kapitel auf dem Leben lag und damit Gottes schöpferisches Handeln in der Auferweckung Jesu im Fokus stand, akzentuiert Paulus im Gal zunächst ausschließlich den Tod Jesu:98 13a Χριστὸς ἡµᾶς ἐξηγόρασεν ἐκ τῆς κατάρας τοῦ νόµου 13b γενόµενος ὑπὲρ ἡµῶν κατάρα, 13c ὅτι γέγραπται· 13d ἐπικατάρατος πᾶς ὁ κρεµάµενος ἐπὶ ξύλου, 14a ἵνα εἰς τὰ ἔθνη ἡ εὐλογία τοῦ Ἀβραὰµ γένηται ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ, 14b ἵνα τὴν ἐπαγγελίαν τοῦ πνεύµατος λάβωµεν διὰ τῆς πίστεως. Das Besondere an dieser Stelle ist, dass Paulus in V. 13b das Sterben Jesu in Anpassung an den Kontext unter dem Stichwort κατάρα thematisiert: Christus sei stellvertretend durch seinen Tod am Kreuz für die Menschen99 zum Fluch geworden, so dass die Glaubenden nun nicht mehr unter dem Fluch des Gesetzes stünden (13ab). Diese Vorstellung begründet er mit einer Allusion an Dtn 21,23LXX, derzufolge ein Gehängter / Gekreuzig98

Ein Phänomen, das sich der historischen Kommunikationssituation verdanken dürfte. Denn an Gal 2,21 lässt sich erkennen, dass Paulus neben dem Verweis, dass Gott Jesus aus den Toten auferweckt habe (Gal 1,1) und der Rede von der Neuschöpfung (6,15) den Tod bzw. das Mit-Christus-Sterben (6,14) hervorhebt, um – wie Gal 2,21 eindrücklich zeigt – sein gesetzesfreies Evangelium zu verteidigen und seine Gegner zu widerlegen. 99 Paulus spricht in V. 13a von „wir“ (ἡµεῖς), bei dem sich nahelegt, ἡµεῖς inklusiv auf Juden- und Heidenchristen zu beziehen.

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ter100 von Gott verflucht ist.101 Für Paulus ist auf diese Weise die Zusage von Hab 2,4 aufgrund der soteriologischen Bedeutung des Todes Jesu verwirklicht, die nach Paulus ja bereits in den Schriften vorabgebildet ist: Indem Jesus zugunsten von102 Juden und Heiden zum Fluch wird und wie ein Apostat am Kreuz stirbt, ist die Macht des Fluchs gebrochen und sind die Menschen vom Fluch freigekauft.103 Das Ziel dieses Fluchtodes nennt Paulus in V. 14ab in zwei aufeinanderfolgenden Finalsätzen: damit sich der Segen Abrahams für die Völker in Jesus Christus verwirklichte (vgl. Gal 3,7), indem sie den verheißenen Geist διὰ τῆς πίστεως empfingen.104 Danach wurde Christus zum Fluch und kaufte Juden wie Heiden105 von diesem frei, damit der Segen und damit die Rechfertigung möglich wurde, die allesamt im Glauben in der Gabe des Pneumas empfangen werden.106 Zentral ist dabei die Annahme, dass sich der Segen für die Völker ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (V. 14a) verwirklicht habe. Denn mit diesem Präpositionalausdruck verweist Paulus „auf die durch die

100 Vgl. zur Bedeutung und Rezeption von Dtn 21,23 in Qumran, bei Philo, Josephus und Paulus C. A. EVANS, Hanging, 481–501, der nachweist, dass „the application of Deut 21:22–23 to crucifixion, as practiced in the Roman era, predated the Christian movement and its application of this text to the crucifixion of Jesus“ (a.a.O., 501). Vgl. weiter F. VOUGA, Galater, 77. 101 Paulus hat das ὑπὸ θεοῦ aus dem Zitat von Dtn 21,23LXX gestrichen und bietet zudem das Adjektiv ἐπικατάρατος anstelle des Perfekt passiv κεκατηραµένος in Dtn 27,26LXX. Damit ist bei Paulus das „Subjekt der Verfluchung (...) nicht Gott (...), sondern das Gesetz.“ (F. VOUGA, Galater, 76; vgl. weiter H. SCHLIER, Galater, 142; J. ROHDE, Galater, 144.) Anders hingegen H.-J. ECKSTEIN, Verheißung, 155, der davon ausgeht, dass der Fluch „dem Urteil Gottes entspreche“. (Vgl. zu den Textänderungen J. ROHDE, Galater, 144; im masoretischen Text heißt es: ‫)כי קללת אלהים תלוי‬. 102 So zu Recht F. VOUGA, Galater, 75f., der ὑπὲρ ἡµῶν (V. 13b) nicht im Sinne einer Stellvertretung, „sondern als Bezeichnung der Empfänger einer befreienden Offenbarung: ‚uns zugute‘“ verstehen möchte (a.a.O., 76). Vorsichtiger hingegen H. SCHLIER, Galater, 139, der neben diesem „primär(en) (...) Sinne“ „im weiteren Sinn ein ‚an unserer Stelle‘“ annimmt. 103 Zutreffend bemerkt H.-J. ECKSTEIN, Verheißung, 154, dass Paulus mit dem Bild vom Freikauf aus der Sklaverei, wie es in dem Verb ἐξαγοράζω zum Ausdruck kommt, „das Gegensatzpaar“ von Freiheit und Sklaverei einführt, „das für seine Argumentation in den folgenden Abschnitten (...) konstitutiv sein wird.“ 104 Die parallele Konstruktion der beiden Finalsätze legt nahe, dass der zweite eine Erläuterung zum ersten bildet. Vgl. auch H. SCHLIER, Galater, 140; J. ROHDE, Galater, 145. 105 Dass auch die Heiden vom Fluch freigekauft werden, ergibt sich aus Texten wie Gal 4,3–5.8ff.: sie waren versklavt an die στοιχεῖα τοῦ κόσµου (Gal 4,3). Zudem müsste bei einem exklusiven Bezug auf Juden ein Subjektwechsel von V. 14a zu V. 14b angenommen werden, da sich die paulinische Argumentation ansonsten selber ad absurdum führen würde. In diesem Sinne auch H. SCHLIER, Galater, 136f.; J. ROHDE, Galater, 145; F. VOUGA, Galater, 75. 106 So auch H. SCHLIER, Galater, 140.

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Kreuzesoffenbarung gegebene Möglichkeit (...) der Existenz“:107 Die Glaubenden sind aufgenommen in den „Lebens- und Heilsraum“108 Christi, was in der Taufe seinen rituellen Ausdruck findet; als Glaubende und Getaufte sind sie Söhne (und Töchter) Gottes.109 Indem Paulus hier den Völkersegen mit dem Geistempfang parallelisiert, hält er mit dem zweiten Finalsatz fest, dass der Abraham verheißene Segen für die Glaubenden erfüllt ist in der Gabe des Geistes.110 Mit der Rede von Geist und Glaube schließt Paulus noch einmal an seine zu Beginn des Textabschnitts an die Adressaten gerichteten Fragen an, ob sie den Geist ἐξ ἔργων νόµου oder ἐξ ἀκοῆς πίστεως empfangen hätten und ob Gott sie mit dem Geist versorge und „Machttaten“ in ihnen wirke ἐξ ἔργων νόµου oder ἐξ ἀκοῆς πίστεως (Gal 3,2.5).111 Mit seiner Argumentation hat er diese Fragen einer eindeutigen Antwort zugeführt: Dass sie mit dem Geist versorgt werden und Gott in ihnen wirkt, ereignet sich jenseits des Nomos und seiner Regelungen. Entscheidend ist der Glaube, wie Paulus ihn verkündigt hat und die Galater ihn gehört haben. Darüber hinaus erinnert Paulus seine Adressaten mit der Rede von Geist und Glauben an den Zeitpunkt, als sie zum Glauben gekommen sind und damit an ihre „Lebenswende“,112 die er in Gal 2,16.19–21 thematisiert. Bedenkt man, dass Paulus in Gal 3 mit dem Beispiel Abrahams, dem Rekurs auf Schriftzitate sowie als Höhepunkt mit dem Verweis auf Jesu Fluchtod die Argumentation dafür nachholt, was er in 2,16 als Glaubenswissen behauptet hatte und dann in den VV. 19–21 als Folgen daraus für die glaubende Existenz gezogen hat, dann wird deutlich, weshalb er in Gal 3,11 mit Hab 2,4 argumentiert und neben der Gerechtmachung die damit verbundene soteriologische Gabe des Lebens thematisiert.113 Daher sollen abschließend Gal 2,16.19–21 und 6,14f. skizziert werden, weil darin eine

107 F. VOUGA, Galater, 77. Er selber hält daneben die Deutung des Präpositionalausdrucks als „Bestimmung der Existenz“ für möglich, was m.E. nicht voneinander getrennt werden, sondern in seiner Zusammengehörigkeit bedacht werden sollte. 108 R. FELDMEIER, Macht, 97. 109 H. SCHLIER, Galater, 140, plädiert dafür, die Präposition ἐν „im konkreten Sinn“ zu verstehen und bezieht sie darauf, dass in der Person Jesu der verheißene Abrahamssegen zu den Völkern gelangt sei. Dieser Aspekt widerspricht allerdings auch der vorgeschlagenen Deutung nicht, sondern ergänzt sie. Zu Taufe und Sohnschaft vgl. Gal 3,26–4,7. 110 So auch H. SCHLIER, Galater, 140f.; J. ROHDE, Galater, 145. 111 Vgl. zur Vorstellung, dass Gott als Schöpfer die Glaubenden mit dem Geist versorgt und machtvoll in ihnen wirkt, C. ZIMMERMANN, Gott, 57. Sie bezeichnet den Geist als „eine zusätzliche, auf der Fürsorge Gottes basierende Gabe an seine Schöpfung“, mit der er den Galatern „zu ihrem neuen Leben in Christus verhilft“. 112 So auch C. ZIMMERMANN, Gott, 58. 113 Wenngleich unbedingt zu bedenken ist, dass auch in der Rede vom Geist die Dimension des Lebens mitklingt.

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argumentative Linie erkennbar wird,114 mit Hilfe derer Paulus auch im Gal eine Theologie des Lebens entfaltet, die im Gal ihr besonderes Profil durch die Bezeichnung der Glaubenden als καινὴ κτίσις erhält.115 1.3.3 Gal 2,16.19–21 16a εἰδότες [δὲ] ὅτι 16b οὐ δικαιοῦται ἄνθρωπος ἐξ ἔργων νόµου 16c ἐὰν µὴ διὰ πίστεως Ἰησοῦ Χριστοῦ, 16d καὶ ἡµεῖς εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν ἐπιστεύσαµεν, 16e ἵνα δικαιωθῶµεν ἐκ πίστεως Χριστοῦ καὶ οὐκ ἐξ ἔργων νόµου, 16f ὅτι ἐξ ἔργων νόµου οὐ δικαιωθήσεται πᾶσα σάρξ. In Gal 2,16a formuliert Paulus ein „Glaubenswissen“116 der Judenchristen, das durch deren Zum-Glauben-Kommen an die Gerechtmachung aus Glauben begründet ist. Dieses besteht in der Einsicht, dass kein Mensch aus Werken des Gesetzes, sondern aus „Christusglauben“ gerecht wird (16bc). Aus dieser Erkenntnis folgt nun, dass auch die damaligen Juden Paulus und Petrus an Christus glaubten,117 damit sie aus Christusglauben und nicht aus Werken des Gesetzes gerecht würden (16e). Abschließend wiederholt Paulus noch einmal die in V. 16b aufgestellte These als abschließende Konklusion für den Christusglauben: denn aus Werken des Gesetzes wird kein Fleisch gerecht (16f). Wenngleich sich der gesamte Textabschnitt Gal 2,14c–21 als Rede des Paulus zu erkennen gibt, mit der er auf den Konflikt mit Petrus in Antiochien reagiert, der sich an der aufgehobenen Mahlgemeinschaft zwischen Juden- und Heidenchristen entfacht hatte (Gal 2,11–14b), zeigen dennoch bereits hier die Verwendung des Begriffs ἄνθρωπος (V. 16b) und der Formulierung πᾶσα σάρξ (V. 16f), dass es sich nicht um eine Debatte handelt, die ausschließlich für Judenchristen relevant gewesen wäre. Vielmehr betrifft die Einsicht, dass die Gerechtmachung nicht aus den Werken des Ge-

114 Vgl. zur inneren Relation zwischen Gal 2,14–21 und Gal 3 auch F. VOUGA, Galater, 73. 115 Was Paulus in 2,19–21 und 6,15 beispielhaft von sich selber sagt, trifft grundsätzlich für alle Glaubenden zu. Das zeigt sowohl die Verwendung der 1. Person Plural im unmittelbaren Kontext von 2,19–21 (2,16f.) sowie die gesamte und Allgemeingültigkeit beanspruchende Argumentation in Gal 3. Daher ist es folgerichtig, auch die Rede von der Neuschöpfung auf alle Glaubenden zu beziehen. 116 Darauf verweist das Partizip Perfekt aktiv maskulinum im Nominativ Plural. 117 Paulus verwendet in V. 16d die Konstruktion πιστεύειν εἰς + Akkusativobjekt, um Jesus als Objekt des Glaubens zu benennen.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

setzes, sondern aus dem Glauben kommt, Juden und Heiden gleichermaßen.118 Was Paulus hier thetisch formuliert, begründet er (γάρ) in den folgenden VV. 19–21 erneut wie in Gal 3,13f. christologisch und theologisch. 19a ἐγὼ γὰρ διὰ νόµου νόµῳ ἀπέθανον, 19b ἵνα θεῷ ζήσω. 19c Χριστῷ συνεσταύρωµαι· 20a ζῶ δὲ οὐκέτι ἐγώ, 20b ζῇ δὲ ἐν ἐµοὶ Χριστός· 20c ὃ δὲ νῦν ζῶ ἐν σαρκί, 20d ἐν πίστει ζῶ τῇ τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ 20e τοῦ ἀγαπήσαντός µε 20f καὶ παραδόντος ἑαυτὸν ὑπὲρ ἐµοῦ. 21a Οὐκ ἀθετῶ τὴν χάριν τοῦ θεοῦ· 21b εἰ γὰρ διὰ νόµου δικαιοσύνη, 21c ἄρα Χριστὸς δωρεὰν ἀπέθανεν. Wie es sich auch für die übrigen Lebensbelege zeigen lassen wird, so entfaltet Paulus auch in Gal 2,19–21 seinen Lebensbegriff vor dem Hintergrund des Kerygmas von Jesu Hingabe und seiner Auferstehung,119 jedoch ohne sich eines Glaubenssummariums zu bedienen. Dabei beschreibt er das soteriologisch qualifizierte Leben der Glaubenden – für die der Apostel exemplarisch von sich in der 1. Person Singular redet120 – zunächst negativ als Sterben gegenüber dem Gesetz (19a).121 Dieses in der Vergangenheit erfolgte Geschehen (Aor. ἀπέθανον), das sich zum Zeitpunkt des ZumGlauben-Kommens122 ereignete, bewirkte ein Mit-Christus-Gekreuzigtwerden, das nun die Gegenwart der neuen Existenz bleibend bestimmt (V. 19c: Perf. συνεσταύρωµαι).123 Positiv formuliert korrespondiert dieser Partizipation am Tod Jesu, der ja nach Gal 3,13 als vom Gesetz Verfluchter ge-

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Das bestätigt die Argumentation des Pauls in Gal 4,3–5.8ff., insbesondere die Vorstellung, dass die Heiden an die Weltelemente versklavt gewesen seien. Vgl. dazu auch die Auslegung zu Gal 3,13. 119 Vgl. D. LÜHRMANN, Galater, 45, der allerdings hierin ausschließlich ein christologisches und nicht, wie hier vertreten, auch ein theologisches Argument erkennt. 120 So auch D. LÜHRMANN, Galater, 45; anders J. ROHDE, Galater, 115, der hierin ein „persönliches Bekenntnis des Paulus“ erkennen möchte. 121 Dabei verweist die Wendung διὰ νόµου darauf hin, dass Paulus sich selbst als durch das Gesetz zu Tode gekommen versteht, wie auch Jesus nach Gal 3,13 vom Fluch des Gesetzes verdammt wurde. Vgl. auch J. ROHDE, Galater, 115; F. VOUGA, 61. 122 Darauf deutet der Aorist ἐπιστεύσαµεν in 2,16 hin. 123 So auch J. ROHDE, Galater, 116 mit Anm. 79; H. W EDER, Kreuz, 179f.; D. LÜHRMANN, Galater, 45; F. V OUGA, Galater, 61.

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storben ist, ein Leben für Gott.124 Hiermit ist nicht bloß ein ethischer Lebenswandel benannt, sondern „das neue Leben, das durch das Leben des Auferstandenen im Gläubigen konstituiert wird.“125 „Das neue Leben des ermordeten Ich“, formuliert Lührmann treffend, „ist nun nicht mehr eigenes Leben, es ist Leben für Gott, und nicht mehr das eigene Ich lebt, sondern Christus füllt den Raum dieses Ich aus.“126 Dieses Leben Christi in den Glaubenden verwirklicht sich unter den Bedingungen ihrer physischen Existenz und ihrer Vergänglichkeit.127 Paulus bestimmt es als Leben, das sich im Glauben an den Sohn Gottes ereignet,128 so dass die „aktive Lebensrolle“129 Christi im Glaubenden an die πίστις zurückgebunden ist.130 Die neue Existenz des Glaubenden kann Paulus sowohl als Einwohnung des zum Leben erweckten Christus im Glaubenden (V. 20ab) beschreiben,131 als auch umgekehrt als ein Sein der 124

F. VOUGA, Galater, 61, bemerkt: „Der Dativ commodi θεῷ ist symmetrisch zum Dativ incommodi νόµῳ, so daß Gott und Gesetz als alternative Ausrichtungen der Existenz dargestellt werden“. 125 H.-J., ECKSTEIN, Verheißung, 72. 126 D. LÜHRMANN, Galater, 45. Vgl. hierzu auch H.-J. ECKSTEIN, Verheißung, 71f., der feststellt, dass „Paulus die alte, vergangene (ζῶ δὲ οὐκέτι ἐγώ) und die neue Existenz (ζῇ δὲ ἐν ἐµοὶ Χριστός) antithetisch“ entgegensetzt. 127 So mit H.-J. ECKSTEIN, Verheißung, 75f.; C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 142. 128 Gal 2,20 ist besonders interessant für einen Vergleich von Paulus und Johannes. Denn zum einen ist die Lesart ἐν πίστει ζῶ τῇ τοῦ θεοῦ καὶ Χριστοῦ eine gut bezeugte (so lesen P 46, B, D✻, F, G, (b), MVict.), so dass hier wie in Joh 14,1 der Glaube an Gott und Jesus Christus nebeneinander ausgesagt werden, und zum anderen ist der Gedanke, dass sich Jesus aus Liebe selber hingegeben habe, für Paulus singulär, bei Joh hingegen ein theologisches Leitmotiv (vgl. u.a. Joh 15,13). 129 So C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 142. E. REHFELD, Ontologie, 292, bezeichnet den „innewohnenden Christus selbst als Lebenskraft“ und spricht von einer „ChristInnigkeit“ (a.a.O., 301). Ihm gelingt es mit der Herausarbeitung einer relationalen Ontologie bei Paulus, sowohl eine Deutung von Gal 2,20 als „sakramentalistisch-magisches Mißverständnis der Taufe“ abzuwenden als auch eine „spiritualistisch-individualistische Vereinseitigung des Glaubensverständnisses“ (a.a.O., 301) zurückzuweisen. Er spricht daher in Bezug auf Gal 2,20 von einer sich „verinnerlichende(n) Externrelation zu Christus“ (a.a.O., 305). T. R. J ACKSON, New Creation, 104, bleibt in seiner Argumentation zu Gal 2,20 indifferent, wenn er das Leben der Christen im Glauben an den Sohn Gottes mit der Auferstehung gleichsetzt, aber zugleich unter Verweis auf 1 Kor 15,3f.12–28 diese als „hope“ bezeichnet. Kritisch hinterfragt werden muss zudem, ob die Rede vom Mitgekreuzigtsein mit Christus und dem Leben im Glauben an ihn als „identification“ (a.a.O., 104 u.ö.) zutreffend ist. Paulus scheint mit dem Nebeneinander von ἵνα θεῷ ζήσω und ὃ δὲ νῦν ζῶ ἐν σαρκί, ἐν πίστει ζῶ einserseits und ζῶ δὲ οὐκέτι ἐγώ, ζῇ δὲ ἐν ἐµοὶ Χριστός hier stärker zu differenzieren. 130 Treffend bezeichnet H.-J. ECKSTEIN, Verheißung, 74, die Präpositionalwendung ἐν πίστει als „Angabe der Lebenssphäre“. 131 Diese Einwohnung Christi im Glaubenden ist pneumatisch vermittelt. Vgl. 3,2f.5.14; 4,6. Die Deutung bei F. VOUGA, Galater, 61, der annimmt, „daß der neue

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Glaubenden ἐν Χριστῷ. Damit charakterisiert Paulus die Verbindung von Christus und Glaubenden, die durch die Teilhabe an Jesu Sterben und Auferstehen ermöglicht ist, als reziproke Immanenz. Sie ist daran erkennbar, dass der Glaubende seine Existenz im Glauben an den Sohn Gottes ausrichtet (20d) – und eben nicht am Gesetz (2,17f.; vgl. auch 21b). Letzteres käme Paulus zufolge einer Verwerfung der Gnade Gottes gleich. Diese Gnade manifestiert sich nun im Sterben Jesu, der sich aus Liebe in den Tod gegeben hat (2,21).132 Damit formuliert Paulus in V. 20f. mit Hilfe der aus der Tradition übernommenen Selbsthingabe-Formel das Kerygma von Jesu Sterben, bevor er hierzu im folgenden V. 21 die Sterbensaussage der Glaubenssummarien verwendet. So bestätigt sich auch an Gal 2,19–21 die Beobachtung, dass Paulus die ζῆν-Terminologie für den Auferstandenen verwendet, wenn er die existentielle Bedeutung und Auswirkung des Todes und der Auferstehung Jesu für die Glaubenden erläutert. So spricht er in Gal 2,19–21 nicht von der Auferweckung Jesu, sondern seiner Lebensgemeinschaft mit den Glaubenden. Indem die Glaubenden ebenso wie Jesus (vgl. Gal 3,13) dem Gesetz gestorben und mit ihm gekreuzigt worden sind, partizipieren sie auch am Auferstehungsleben Jesu. Paulus präsentiert also im Gal Leben als Leben aus dem Tod Christi, das den Christen im Glauben zugänglich ist und in das sie in der Taufe inkorporiert werden.133 Mensch in ihm (sic. Paulus) Subjekt ist“, ist jedoch nicht überzeugend. Treffend hingegen J. L. MARTYN, Galatians, 258, der davon spricht, dass der Auferstandene „extends the space of his power by taking up residence in Paul“ (auch wenn ihm in der daraus gezogenen Deutung, dass Paulus nun in „the sphere of Christ’s own faith“ [a.a.O., 258] lebe, nicht zugestimmt wird). Ähnlich auch D. LÜHRMANN, Galater, 45. 132 Vgl. auch 2 Kor 5,14. Dort begründet Paulus das Sterben bzw. die Dahingabe Jesu wie in Gal 2,20 mit der Liebe zum Menschen. 133 Vgl. dazu Gal 3,26–28: Im Lebensraum Christi sind ethnische, geschlechterspezifische und soziale Unterschiede aufgehoben, weil hier die πίστις die Deutung der Wirklichkeit und ihre Gestaltung bestimmt (3,26). Pointiert fasst der Apostel dies in der Rede von der πίστις δι᾿ ἀγάπης ἐνεργουµένη (5,6) zusammen. In der Liebe folgen die Glaubenden letztlich der Proexistenz Christi, die dessen Tod motivierte und die Lebensgemeinschaft mit den Glaubenden ermöglichte. Diese gegenwärtige Lebensgemeinschaft gestaltet sich im futurisch-eschatologischen Horizont der erwarteten ζωή αἰώνιος (6,8), ist aber gegenwärtig bereits in der καινὴ κτίσις (6,15) verwirklicht. Dass die Neuschöpfung Gestalt gewinnt im Glauben, der in der Liebe wirksam ist, zeigt die parallele Struktur von Gal 5,6, ἐν γὰρ Χριστῷ Ἰησοῦ οὔτε περιτοµή τι ἰσχύει οὔτε ἀκροβυστία ἀλλὰ πίστις δι᾿ ἀγάπης ἐνεργουµένη, und 6,15, οὔτε γὰρ περιτοµή τί ἐστιν οὔτε ἀκροβυστία ἀλλὰ καινὴ κτίσις. Den Horizont der paulinischen Argumentation bildet dabei jeweils die aufgehobene Differenz zwischen der περιτοµή und der ἀκροβυστία. Vgl. darüber hinaus die Nähe zu 1 Kor 7,19, wo Paulus anstelle von Neuschöpfung, vom Halten der Gebote Gottes spricht. Vgl. hierzu sowie zu dem Zusammenhang mit Gal 3,28 die Ausführungen bei T. R. J ACKSON, New Creation, 106–111, der angesichts der überwundenen Unterschiede von Juden- und Heidenchristen von „Eschatological Unity“ (a.a.O., 106) und demzufolge zutreffend τὸν Ἰσραὴλ τοῦ θεοῦ in Gal 6,16 „in reference to the eschatological people of

1. „Der aus Glauben Gerechte wird leben“

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Dieses neue Sein der Glaubenden beschreibt Paulus in Gal 6,15 als ‚Neuschöpfung‘ und begründet diese Vorstellung erneut damit, dass der Glaubende mit Christus gekreuzigt worden sei. 1.3.4 Gal 6,14f. 14a Εµοὶ δὲ µὴ γένοιτο καυχᾶσθαι 14b εἰ µὴ ἐν τῷ σταυρῷ τοῦ κυρίου ἡµῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ, 14c δι᾿ οὗ ἐµοὶ κόσµος ἐσταύρωται κἀγὼ κόσµῳ. 15a οὔτε γὰρ περιτοµή τί ἐστιν οὔτε ἀκροβυστία 15b ἀλλὰ καινὴ κτίσις. Wie bereits an Gal 2,19–21 zu beobachten war, so ist es auch nach 6,14 das Kreuz Christi, das die Ausrichtung der glaubenden Existenz bestimmt.134 Ihren κανών (6,16), ihren Maßstab, hat die Neuschöpfung nach Paulus im Kreuz Christi.135 In ihm sind der Kosmos und dessen Ordnungen, wie περιτοµή – als Hinweis auf das Gesetz – und ἀκροβυστία, für den

God as a whole“ (a.a.O., 112) versteht. Vgl. weiter P. N IGH-HOGAN, „No Longer Male and Female“, 21–46; sie legt eine feministische Lektüre von Gal 3,28 vor, indem sie sich auf die Phrase οὐκ ἔνι ἄρσεν καὶ θῆλυ fokussiert. Dabei diskutiert sie differenziert verschiedene Deutungsmöglichkeiten in Auseinandersetzung mit der bisherigen Forschung und verortet den Vers im Corpus Paulinum. Dabei gelingt es ihr, das revolutionäre Moment im Zusammenleben christlicher Gemeinden herauszuarbeiten, jedoch zugleich die damit verbundenen Spannungen zu den Verhaltenskodizes der Umwelt klar zu benennen. Zuzustimmen ist ihr in der Annahme, dass Gal 3,28 vor dem Hintergrund von Gen 1,27LXX gedeutet werden kann, was zudem durch Belege bei Philo gestützt werden kann (insbesondere Philo opif. 134). Vgl. dazu ausführlich a.a.O., 28–30. 134 Bezeichnenderweise verwendet Paulus sowohl in Gal 2,19 als auch in 3,1; 5,14 jeweils eine Perfektform, um die anhaltende Wirkung und Bedeutung der Kreuzigung Jesu bzw. des Mitgekreuzigt-Seins des Glaubenden zum Ausdruck zu bringen. T. KNÖPPLER, Sühne, 154, stellt daher fest: „Paulus redet der Sache nach von einer staurologischen Neuschöpfung, indem er das zentrale Ereignis in dem stellvertretenden Tod Jesu am Kreuz erblickt.“ Diese Deutung rezipiert auch C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 141. 135 C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 135, verhandelt daher treffend die Rede von der Neuschöpfung im Gal unter der Überschrift „Neue Schöpfung als der durch das Kreuz Christi gesetzte Maßstab des Evangeliums“. Sie verweist damit auf den Zusammenhang, der zwischen der Fluchandrohung über jene besteht, die sich einem anderen Evangelium zuwenden (Gal 1,8f.) und dem „bedingten Segen“ (a.a.O., 140) in Gal 6,16. Aufgrund der synonymen Verwendung von πίστις und Evangelium in 1,23 sowie der parallelen Struktur von Gal 5,6 und 6,15 kann präzisierend ebenso von einer Neuschöpfung gesprochen werden, die ihren Maßstab an der πίστις hat. Damit wird der Zusammenhang zwischen Glauben und Leben bzw. Neuschöpfung deutlich, wie er an den Glaubenssummarien sowie den ἐκ bzw. διὰ πίστεως Ἰησοῦ Χριστοῦ-Syntagmen zu erkennen war. Dies erklärt dann auch deren prominente Stellung und gehäufte Verwendung in Gal 2,16 und Gal 3,7.12.14.22.26, wobei in Gal 3 das Christus bezeichnende Genitiv-Attribut auch fehlen kann.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Glaubenden zu ihrem Ende gelangt:136 So wie die Welt für den Glaubenden gekreuzigt ist, da er am Tod Jesu teilhat, so ist auch der Glaubende der Welt gegenüber zu Tode gekommen.137 Paulus nimmt damit Gedanken auf, die er sprachlich variabel in Gal 2,19a als Sterben gegenüber dem Gesetz und auf Christus bezogen in Gal 3,13 zum Ausdruck gebracht hatte. Das daraus resultierende neue Sein der Glaubenden bezeichnet Paulus wie in 2 Kor 5,15–17138 als καινὴ κτίσις. Als Neuschöpfung sind die Glaubenden befreit von der Welt und ihren Ordnungen. Denn mit dem Tod und der Auferstehung Jesu sind sowohl der Fluch des Gesetzes als auch die Versklavung an die Elemente der Welt zu ihrem Ende gekommen. Begonnen hat die Zeit des Geistes (Gal 3,2.4; 4,4– 7),139 der die Glaubenden zu Söhnen und Töchtern Gottes macht. Wie Gott in der Auferweckung Jesu von den Toten schöpferisch an seinem Sohn handelt, so lässt er auch den Glaubenden ein neues Sein zuteil werden: in ihnen lebt der Auferstandene (Gal 2,20). Empfangen wird dieses neue Sein im Glauben an den Gott, der gerecht macht und Leben schenkt (vgl. Gen 15,6 in Gal 3,6; Hab 2,4 in Gal 3,11). Kennzeichen des neuen Seins sind der Glaube, der in der Liebe wirksam ist (Gal 5,6), sowie das Halten der Gebote (1 Kor 7,9).140 An der Rede von einer καινὴ κτίσις der Glaubenden wird deutlich, dass Paulus wie im Röm eine Theologie des Lebens präsentiert. Dabei fungiert das Kerygma, dass Gott Jesus aus Toten auferweckt hat, wie bereits in Gal 1,1 anklingt, als Ausgangspunkt der Theologie des Lebens. Diese begründet Paulus christologisch damit, dass Jesus zugunsten der Glaubenden stirbt (Gal 3,13). Das Kreuz, folgt man der soteriologischen Deutung des Todes Jesu bei Paulus, ermöglicht allererst den Zugang zur christologisch begründeten Sphäre des Lebens bzw. ein Leben für Gott (Gal 2,19f.), indem die Glaubenden mit Christus sterben und der auferstandene Christus in ihnen lebt. So haben die Glaubenden an der Auferweckung teil in der 136

Vgl. D. LÜHRMANN, Galater, 101f.; F. VOUGA, Galater, 157. H. W EDER, Kreuz, 207, bezieht treffend das Gekreuzigtsein der Welt darauf, dass „sie ihre definitorische Macht verloren hat, und ich hinfort nicht mehr auf meine weltliche Identität festgelegt bin. (...) Diese meine weltliche Identität ist gekreuzigt, weil Gott sie im Kreuz überstiegen hat und mir eine neue zukommen ließ: mein Sein als Gegenstand seiner Liebe (...).“ Umgekehrt bedeutet nach Weder die Kreuzigung des Ichs der Welt gegenüber, „daß die Welt meinen Machtansprüchen entnommen ist.“ (A.a.O., 207). 138 Vgl. zur Neuschöpfung in 2 Kor 5,17 Kap. III.3.3–III.3.3.4. dieser Untersuchung. 139 Vgl. S. VOLLENWEIDER, Freiheit, 318f. 140 In Christus bzw. seinem Kreuz sind Beschneidung und Unbeschnittenheit ebenso aufgehoben. Vgl. H. SCHLIER, Galater, 282f.; J. ROHDE, Galater, 276f. Eine Beeinflussung von ebendieser Stelle dürfte auch auf die längere Lesart ἐν γὰρ Χριστῷ Ἰησοῦ οὔτε für Gal 6,15 gewirkt haben. Pointiert bezieht S. SCHEWE, Galater, 198f., die Neuschöpfung unter Verweis auf Gal 3,26–28; 5,6 auf „die egalitäre Gemeinschaft der Christusgläubigen“ und „die Liebe als maßgebliche Handlungsnorm im πνεῦµα-Bereich“. 137

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spirituellen Einwohnung des Auferstandenen in ihnen (Gal 2,19). Paulus beschreibt dies als wechselseitige Immanenz von Christus und Glaubenden. Es handelt sich gewissermaßen um eine Lebensgemeinschaft, an der der Mensch im Glauben partizipiert und im Akt der Taufe inkorporiert wird, so dass er Kind Gottes ist (Gal 3,27f.) und damit in die zwischen Vater und Sohn bestehende Relation integriert wird. Damit erweist sich Paulus auch im Gal als Vertreter eines relationalen Lebensbegriffs. Dieser beruht auf der wechselseitigen Lebensgemeinschaft von Vater, Sohn und Glaubenden. Seinen Ursprung hat er in Gott, der seinen Sohn aus Toten auferweckt hat. Sofern der Auferstandene in den Glaubenden lebt und sie in ihm sind, haben sie Anteil an der schöpferischen Kraft Gottes: sie sind καινὴ κτίσις. Als Neuschöpfung erfüllt sich an ihnen die Verheißung des Prophetenwortes aus Hab 2,4, dass der aus Glauben Gerechte leben wird. 1.4 Fazit: Hab 2,4 und die Theologie des Lebens An der Verwendung von Hab 2,4 in Röm 1,17 und Gal 3,11 sowie der Kontextualisierung des Prophetenwortes innerhalb der jeweiligen Briefargumentationen konnte beobachtet werden, dass Paulus eine Theologie des Lebens vertritt. Indem er dazu auf das Prophetenwort sowie die AbrahamÜberlieferung zurückgreift, stellt er zugleich die Schriftgemäßheit seiner Evangeliumsverkündigung heraus, derzufolge der aus Glauben Gerechte leben wird. Über den Bezug zu Hab 2,4 hinaus steht Paulus damit auf dem Boden der alttestamentlichen und frühjüdischen Tradition, die Gott als lebend und lebendig Machenden bekennt.141 Damit wird eine Aussage über das Sein Gottes gemacht, die darauf zielt, eine „Handlungsaussage“ über die „Wirksamkeit Gottes“142 zu sein. Die nächste Sachparallele zu Paulus ist dabei der Roman „Josef und Aseneth“. Denn hier begegnen nicht allein die beiden Aussagen nebeneinander, dass Gott im Gegensatz zu den toten Götzen (8,5: εἴδωλα νεκρά) lebendig ist (11,10; vgl. 1 Thess 1,9) und lebendig macht, wie sie sich auch bei Paulus finden,143 sondern darüber hinaus wird die Bekehrung der 141

Vgl. zum lebendigen Gott die alttestamentlichen Schwurformeln wie in Dtn 32,40 sowie Jes 49,18; Jer 22,24; Ez 5,11; 14,16.18.20; 16,48; 17,16.19 u.ö., in denen Gott beschwört, dass er lebt; vgl. weiter die Aussagen zum lebendigen Gott in Dan 12,7LXX; Tob 13,1f.LXX; JosAs 19,8 sowie zu Gottes Macht über Leben und Tod in Dtn 32,39f.; Sir 11,14. Hilfreich erweist sich die Systematisierung bei C. ZIMMERMANN, Namen, 388– 398, in der sie verschiedene Kontexte aufzeigt, innerhalb derer die Lebendigkeit Gottes thematisiert wird. Dasselbe gilt für ihre differenzierte Wahrnehmung zur Fähigkeit Gottes, lebendig zu machen (a.a.O., 428–435). 142 C. ZIMMERMANN, Namen, 385. 143 Vgl. zum lebendigen Gott bei Paulus 1 Thess 1,9; 2 Kor 3,3; 6,16; Röm 9,26; 14,11; sowie zum lebendig machenden Gott Röm 4,17; 8,11.

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Aseneth als Erneuerung des Lebens gedeutet. Dazu wird das Verb ἀναζῳοποιέω verwendet (8,9; 27,10). Zudem wird die Bekehrung als Lebendigmachen Toter beschrieben (20,7: ... τῷ θεῷ τῷ ζοποιοῦντι τοὺς νεκρούς) und mit der Verheißung ewigen Lebens verbunden (27,10). So wird Gott nicht allein als Schöpfer aller Dinge bekannt (12,1f.), sondern auch als derjenige, durch dessen Leben die Erneuerung des Lebens in der Bekehrung vollbracht wird. So heißt es in JosAs 8,9 bezogen auf Aseneth: ἀναξωοποίησον αὐτὴν τῇ ζωῇ σου.144 Dem Roman „Josef und Aseneth“ liegt also eine gedankliche Struktur zugrunde, die der des Paulus (und des Johannes) sehr nahe kommt, wie die weiteren Textuntersuchungen zeigen werden. Für den Moment sei auf dem Hintergrund von Röm 4,17; Gal 6,15 festgehalten: auch Paulus spricht metaphorisch vom Tot-Sein physisch Lebender und der Fähigkeit Gottes, aus dem Nichts ins Dasein zu rufen, lebendig und den Menschen im Glauben zu einer Neuschöpfung zu machen. Der grundlegende Unterschied zu JosAs besteht darin, dass Paulus (wie Johannes) das schöpferische Handeln Gottes christologisch begründet: Denn was Paulus bereits in den Schriften vorausverkündigt sieht (vgl. Gal 3,8), erfüllt sich ihm zufolge in Jesus Christus. Das wird daran deutlich, dass Paulus in beiden Briefen die Argumentation mit Hab 2,4 in eine christologische Begründung mit dem Tod Jesu und im weiteren Kontext mit dessen Auferweckung münden lässt. Wie Gott schöpferisch an Christus gehandelt hat, so spricht er auch die gerecht, die an ihn als den Tote erweckenden Gott glauben, und macht sie zu einer Neuschöpfung, die bleibend vom Kreuz Christi geprägt und durch den Geist des Auferstandenen bestimmt ist. Dieses neue Sein empfangen die Menschen im Glauben, wie Gal 2,16; Röm 4,24 oder auch die Argumentation mit dem Beispiel Abrahams (Gal 3,6; Röm 4,3) zeigen. Welche Aspekte und Dimensionen die soteriologische Gabe des Lebens (als Neuschöpfung) umfasst, soll im Folgenden anhand der paulinischen Glaubenssummarium nachgezeichnet werden.

2. Glaube und Leben im 1 Thess 2. Glaube und Leben im 1 Thess

2.1 Glaubenssummarien im 1 Thess Im 1 Thess verwendet Paulus gleich mehrfach Elemente der Glaubenssummarien. So benutzt er in 1 Thess 1,10b den Relativsatz ὃν ἤγειρεν ἐκ [τῶν] νεκρῶν und greift in 4,14 sogar ausdrücklich auf die Überlieferung eines Glaubenssummariums zurück: πιστεύοµεν ὅτι Ἰησοῦς ἀπέθανεν καὶ 144

Vgl. hierzu C. ZIMMERMANN, Namen, 391f.

2. Glaube und Leben im 1 Thess

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ἀνέστη.145 In 5,10 wiederum formuliert er die Sterbensaussage im Sprachhorizont der Glaubenssummarien, indem er eine Partizipialkonstruktion (τοῦ ἀποθανόντος ὑπὲρ ἡµῶν) bildet. Als Ziel des Todes Jesu nennt Paulus die Lebensgemeinschaft (ἵνα ... σὺν αὐτῷ ζήσωµεν) der ‚Wachenden‘ und der ‚Schlafenden‘ mit Jesus. Dabei kann anhand von 1 Thess 5,10 gezeigt werden, dass die Rede von der Lebensgemeinschaft der Glaubenden mit Christus bereits den gegenwärtigen Aspekt der Teilhabe der Glaubenden am Auferstehungsleben Christi akzentuiert, auch wenn der Brief eigentlich eschatologisch ausgerichtet ist und die vollkommene Christusgemeinschaft noch aussteht. Diese verbindet Paulus mit der Parusie Jesu Christi (4,17), die ja auch den Horizont des Briefes bildet.146 Die Aussage des ἅµα σὺν αὐτῷ ζῆν kommt innerhalb des Mikrokontextes 1 Thess 5,1–11 zu stehen, der sich durch die Themenbezeichnung περὶ δέ τῶν χρόνων καὶ τῶν καιρῶν (5,1) als auch durch die Rede vom ἡµέρα κυρίου (5,2) und die Wiederaufnahme des „ἅµα σύν ...“ aus 4,17 als apokalyptisch und als Fortsetzung des Oberthemas Parusie ausweist.147 Die wechselseitige Bezogenheit von 4,13–18 und 5,1–11 gibt darüber hinaus auch die die Textabschnitte abschließende Aufforderung des Paulus an die Adressaten zu erkennen, sich mit dem nun aus dem Christuskerygma abgeleiteten zugänglichen Wissen um das Schicksal der vor der Parusie Verstorbenen sowie dem Ablauf und dem Zeitpunkt der Ereignisse bei derselben zu trösten (παρακαλέω). Im Folgenden soll zunächst 1 Thess 1,9f. im Kontext des Proömiums betrachtet werden. Denn mit der Aussage, dass Gott lebendig sei und Jesus aus Toten auferweckt habe, nennt Paulus die Begründung seiner Theologie des Lebens, wie sie in den Glaubenssummarien ausgesagt und von Paulus als Lebensgemeinschaft mit dem Auferstandenen für die Glaubenden existentiell ausgelegt wird. Im Anschluss daran wird zunächst das Augenmerk auf 1 Thess 4,13–18 gerichtet werden, bevor abschließend der Textabschnitt 1 Thess 5,1–11 untersucht werden soll, in dem Paulus das zuvor in 4,14–17 Grundgelegte unter einem neuen Blickwinkel betrachtet und in 1 Thess 5,10 im Charakter eines paulinischen Glaubenssummariums gestaltet. 145 Dass es sich hier um Tradition handelt, wird angezeigt durch die Einleitung πιστεύοµεν ὅτι, wobei die Konjunktion als ὅτι-citativum fungiert; weiter durch den Subjektwechsel im zweiten Versteil. Zudem spricht die Verwendung des Verbes ἀνίστηµι für die Benutzung von Tradition, da Paulus ansonsten das Verb ἐγείρω im Passiv bevorzugt, ἀνίστηµι hingegen als geprägter Sprachgebrauch für die Auferstehung in der Apg belegt ist (2,24.32; 13,34). Vgl. dazu auch Kap. II. 146 1 Thess 1,9f.; 2,19; 3,13; 4,13–18; 5,23. 147 Vgl. dazu G. HAUFE, Thessalonicher, 90f. mit Anm. 129, der unter Verweis auf 4 Esr 4,3; 6,7ff., aufzeigt, dass die Frage nach den Zeiten und Fristen ein „apokalyptischer Topos“ sei.

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2.2 Der lebendige Gott, der Jesus aus Toten auferweckt hat (1 Thess 1,9f.) Das Schreiben an die Gemeinde in Thessalonich gewährt Einblick in die Situation des Anfangs. So wird die Bekehrung der Thessalonicher als Hinwendung zum wahren und lebendigen Gott beschrieben, der Jesus aus Toten auferweckt hat (1,9f.). Dam Zum-Glauben-Kommen mit einer Neubewertung des Religiösen einhergeht und derart identitätsstiftend wirkt, dass Paulus seine Adressaten schlicht als „Glaubende“ anspricht.148 Auf die konkrete Gestalt glaubender Existenz und ihre Ausrichtung am Bekenntnis kommt Paulus149 im Proömium zu sprechen und rekurriert dabei mit dem Relativsatz ὃν ἤγειρεν ἐκ [τῶν] νεκρῶν (V. 1,10b) auf ein Element der Glaubenssummarien. So dankt Paulus im Proömium des Briefes zunächst für den Glaubensstand der Christen in Thessalonich, mit denen ihn eine enge Beziehung verbunden zu haben scheint, die nach seinen eigenen Worten von dankbarem Gebet der Adressanten für die Gemeinde (1,2f.) und deren gutem Andenken an Paulus und seine Mitarbeiter (3,6) bestimmt ist.150 In 1 Thess 1,3 führt Paulus als Grund seines Dankes eine Trias aus πίστις, ἀγάπη und ἐλπίς an. Er benennt damit bereits die „Grundkoordinaten christlichen Glaubenslebens“, die hier durch die vorangestellten drei Begriffe ἔργον, κόπος und ὑποµονή zu einer Doppeltrias erweitert werden.151 Während Pau148 Vgl. 1 Thess 2,10.13. Ein ähnliches Phänomen tritt zu Tage, wenn Paulus das Nomen mit einem Personalpronomen versieht und dann von „eurem Glauben“ spricht, um auf den Glaubensstand der Thessalonicher anzuspielen (vgl. 1 Thess 1,[3].8; 3,2.5.6. 7.10). Zugleich wird an der Anrede als Glaubende bzw. Brüder (1 Thess 1,4; 2,1.9.14.17; 3,2.7; 4,1.10.13; 5,1.4.12.14.25.26.27) sichtbar, dass dem paulinischen Gebrauch von πίστις eine „soziale Funktion“ eignet, in der der Glaube als „überindividuelles und gemeinschaftsstiftendes Kennzeichen einer Gruppe“ (M. W OLTER, Paulus, 83) fungiert. Außerdem versetzt Glaube den Menschen nach 1 Thess 1,10 in eine neue Bindung: er dient jetzt dem wahren Gott (vgl. Röm 6,22). R. F. COLLINS, Faith, 228, bezeichnet die πίστις als Existenzweise „of the new man“: „It is predicated upon the acceptance of the gospel, the confession of faith, and baptism.“ (A.a.O., 228.) 149 Im 1 Thess werden zwar Mitabsender genannt, doch aus Gründen der Einfachheit wird in diesem Kapitel nur Paulus als Verfasser genannt. 150 Die für die paulinischen Briefe typische Danksagung als Bestandteil des Proömiums reicht im 1 Thess von 1,2 bis 3,10, bevor ab 3,11 die Fürbitte folgt. Dabei betonen insbesondere die Adverbien πάντοτε und ἀδιαλείπτως in 1,2 bereits zu Beginn, wie umfassend dieser Dank ist. Die Beziehung des Paulus zu den Adressaten kommt darüber hinaus darin zum Ausdruck, dass er seinen Mitarbeiter Timotheus zu den Thessalonichern sendet, damit er etwas über den Glaubensstand der Gemeinde erfährt (3,5–7). Vgl. hierzu ausführlich J. B ICKMANN, Kommunikation, 168–188. 151 E. REINMUTH, Thessalonicher, 117: „Ist mit den letzten drei Worten der tätige Glaubensalltag der Gemeinde erfaßt, so mit den ersten seine tatsächliche Substanz.“ (A.a.O., 116.) Vgl. weiter A. VON DOBBELER, Glaube, 212; W. WEISS, Glaube, 199, spricht im Bezug auf die Doppeltrias von „Auswirkungen des Glaubensstandes im aktiven Verhalten“; ganz ähnlich auch T. SÖDING, Trias, 74.

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lus Glaube, Liebe und Hoffnung später auch andernorts zur Beschreibung der Signa christlicher Existenz verwendet,152 dienen die Genitivattribute innerhalb der Doppeltrias im 1 Thess dazu, die Ursache für die konkrete Gestaltung christlichen Lebens in Werk, Arbeit und Geduld zu benennen.153 Doch der Apostel führt die Trias nicht nur an exponierter Stelle im exordium des Briefes an.154 Sie erklingt erneut in der Dyade von πίστις und ἀγάπη in 1 Thess 3,6 und noch einmal vollständig innerhalb seiner paränetischen Ausführungen in 1 Thess 5,8. So erhält sie im 1 Thess eine den Inhalt des Briefes strukturierende Funktion, vor allem aber nutzt Paulus sie dazu, um seine Kommunikationspartner immer wieder an ihr neues Sein als Glaubende zu erinnern bzw. dazu aufzufordern, sich diesem entsprechend zu verhalten. In 1 Thess 1,3 legt Paulus den Akzent auf das letzte Glied der Doppeltrias. Das ist an dessen Ergänzung durch die angeschlossene Genitivverbindung τοῦ κυρίου ἡµῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ und der folgenden präpositionalen Ergänzung ἔµπροσθεν τοῦ θεοῦ καὶ πατρὸς ἡµῶν zu erkennen. Während sich im „Werk des Glaubens“ und der „Mühe der Liebe“ „die gesamte Lebensleistung derer, die sich für das Evangelium und die Ekklesia einsetzen“155, repräsentiert, verweist die Rede von der ὑποµονή auf die Dimension einer standhaften Geduld, die trotz äußerer Bedrängnisse auf Gott hofft.156 Die 152

Vgl. weiter 1 Kor 13,13 sowie die Anklänge an die Trias in 1 Kor 13,4–7; Gal 5,5f. Darüber hinaus verwendet Paulus die Begriffspaare Glaube und Liebe in 1 Thess 3,6 und Phlm 5. 153 Der Genitiv ist ein genitivus auctoris. So auch T. HOLTZ, Thessalonicher, 43; E. VON DOBSCHÜTZ, Thessalonicher-Briefe, 66; T. SÖDING, Trias, 70; B LASS/DEBRUNNER /REHKOPF, Grammatik § 163 Anm. 4. K.-F. U LRICHS, Christusglaube, 84f., konstruiert einen scheinbaren Widerspruch zwischen der hier vertretenen Bestimmung der Genitivvalenz und seiner eigenen Einschätzung der nomina regentia als „Erscheinungsweisen von Glaube, Liebe und Hoffnung“ (a.a.O., 85), doch das vermag nicht zu überzeugen. 154 Das lässt darauf schließen, dass den Thessalonichern die Trias bereits aus der Erstverkündigung des Paulus bekannt gewesen sein dürfte. So auch K.-F. ULRICHS, Christusglaube, 77. Umstritten hingegen ist, ob Paulus die Trias gebildet oder sie vorgefunden hat. Der variable Gebrauch bei Paulus, der zuweilen auch nur Dyaden verwendet, zeigt jedoch, dass es sich nicht um eine starre Form gehandelt haben kann bzw. Paulus flexibel mit ihr umgehen konnte. Zur Traditionsgeschichte der Trias vgl. A. VON DOBBELER, Glaube, 191–201; T. SÖDING, Trias, 38–64; K.-F. ULRICHS, Christusglaube, 77–80; W. WEISS, Glaube, 211–215; O. W ISCHMEYER, Weg, 148–151. 155 T. SÖDING, Trias, 71, der die Deutung allerdings auf das Werk des Glaubens beschränkt. Zum Stichwort ‚Mühe‘ vgl. F. HAUCK, Art. κόπος, 827ff. 156 Dieser Bedeutungsaspekt von ὑποµονή entspricht alttestamentlichem und frühjüdischem Gebrauch, wie z.B. in Jes 40,31; Ps 36,9.34LXX; Mi 7,7; vgl. dazu weiter T. SÖDING, Trias, 73 Anm. 43. Bildlich kommt Paulus in der Rede vom ἱστάνειν ἐν κυρίῳ (3,8), dem er das Wanken im Glauben (3,3) gegenüberstellt, erneut auf die standhafte Geduld aus 1,3 zu sprechen. So beschreibt Paulus glaubende Existenz als Standhaftigkeit in der Bedrängnis und als ein Feststehen im Herrn.

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adverbiale Ergänzung lokalisiert zudem die geduldig hoffende glaubende Existenz „vor“ – ἔµπροσθεν – Gott, um damit die eschatologische Ausrichtung glaubender Existenz zu betonen. Denn hierin wird die Vorstellung sichtbar, dass die Glaubenden bei der Parusie Christi vor Gott und dem Kyrios erscheinen.157 Ebendiese Hervorhebung der „Geduld der Hoffnung“ dürfte sich dem Umstand verdanken, dass die Thessalonicher angefeindet werden158 und die Gemeinde besorgt um das Schicksal der vor der Parusie verstorbenen Glaubenden ist; ihr begegnet Paulus mit einer tröstenden Vergewisserung der Hoffnung auf Heil für Lebende und Verstorbene (4,14–18; 5,9f.), indem er auf Elemente und Inhalte der Glaubenssummarien zurückgreift. Dass Glaube, Liebe und Hoffnung zu den Signa der neuen Existenz der Thessalonicher geworden sind, verdankt sich ihrer Annahme des Wortes, von dessen „Dynamik“159 Paulus im 1 Thess erzählt (1,6–8).160 Dazu berichtet er unter Rekurs auf ein „Kommunikat“161 der Glaubenden in der

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Zum damit verbundenen forensischen Aspekt und der Erwartung eines Gerichts nach Werken vgl. Röm 14,10; 2 Kor 5,10; 1 Thess 4,6: 5,9. Vgl. ausführlich E. B RANDENBURGER , Art. Gericht Gottes, 475. W. WEISS, Glaube, 199. 158 Vgl. 1 Thess 1,6; 2,14. Zur Rekonstruktion der historischen Umstände vgl. K. P. DONFRIED, Cults, der die politische und religiöse Situation (vgl. a.a.O., 353: „mystery cults and royal theology“; „strong Roman presence and domination“) in Thessalonich beschreibt und annimmt: „It is fully possible that the Apostle is concerned that the political opposition and pressure on the young Christians might be so strong that they would be tempted to abandon their faith in Christ“ (a.a.O., 347). 159 So lautet die treffende Bezeichnung bei J. B ICKMANN, Kommunikation, 209, unter der Überschrift „Den Weg des λόγος nachzeichnen – den lebenden und wahren Gott als Maßstab über Leben und Tod verstehen“ zum Textabschnitt 1 Thess 1,6–10. 160 Dabei verwendet er Glaube und Evangelium zuweilen synonym, so dass der Inhalt des Glaubens als identisch mit der paulinischen Evangeliumsverkündigung erscheint. So ist in 1 Thess 1,5 vom εὐαγγέλιον des Paulus und seiner Mitarbeiter die Rede, das in V. 6 als λόγος bezeichnet wird, den die Thessalonicher angenommen hätten. In V. 8a wird dieses Wort mit ὁ λόγος τοῦ κυρίου benannt. In 2,13 präzisiert Paulus dies noch einmal, wenn er das Zum-Glauben-Kommen der Thessalonicher damit begründet, dass sie das gehörte Wort nicht als Menschenwort, sondern als λόγος θεοῦ angenommen hätten, das in ihnen wirke. Dabei scheint auch in der Vorstellung vom Glauben als Annahme des Wortes etwas von der Ambivalenz der glaubenden Existenz der Thessalonicher auf, wie sie bereits in der standhaften Geduld angeklungen war, denn die Annahme der Verkündigung war nach Paulus von der Freude im Geist wie der θλίψις begleitet (1,6). 161 Vgl. J. B ICKMANN, Kommunikation, 209. Paulus greift in V. 9 traditionelles Vokabular auf, das mit M. KONRADT, Gericht, 46, auf die „Rede von der Umkehr“ beschränkt werden muss, die „sprachlich unterschiedlich realisiert“ werden kann. Inhaltliche und terminologische Übereinstimmungen finden sich in Aseneths Bußgebet (JosAs 11,8.10), so beispielsweise die Bezeichnung Gottes als wahr und lebendig sowie in JosAs die Hinwendung Aseneths zu Gott, weil sich die Götzen als nichtig erweisen. Die Verwendung des Verbes ἐπιστρέφω entspricht jüdischem Sprachgebrauch, wie z.B. JosAs 11,11 und

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Achaja und in Mazedonien,162 denen die Thessalonicher zum Vorbild geworden sind (1,7–9): 9a αὐτοὶ γὰρ περὶ ἡµῶν ἀπαγγέλλουσιν 9b ὁποίαν εἴσοδον ἔσχοµεν πρὸς ὑµᾶς, 9c καὶ πῶς ἐπεστρέψατε πρὸς τὸν θεὸν ἀπὸ τῶν εἰδώλων 9d δουλεύειν θεῷ ζῶντι καὶ ἀληθινῷ 10a καὶ ἀναµένειν τὸν υἱὸν αὐτοῦ ἐκ τῶν οὐρανῶν, 10b ὃν ἤγειρεν ἐκ [τῶν] νεκρῶν, 10c Ἰησοῦν τὸν ῥυόµενον ἡµᾶς ἐκ τῆς ὀργῆς τῆς ἐρχοµένης. Die Annahme des Wortes war also bei den Adressaten mit einer Abwendung von den Götzen und einer Hinwendung zum Dienst am lebendigen und wahren Gott verbunden.163 Dabei entsprechen die Zuschreibungen, Gott sei lebendig und wahrhaft, dem jüdischen Bekenntnis zum einen und einzigen und – im Gegensatz zu den Götzen – lebendigen164 Gott.165 Ist mit dem Glauben an Gott das Objekt der πίστις genannt und der Inhalt bislang im Einklang mit dem jüdischen Bekenntnis, erfährt letzteres in V. 10 eine christologische Erweiterung. Demnach erwartet christlicher Glaube die Parusie des Gottessohnes Jesus, den Gott aus Toten erweckt hat (V. 10b: ὃν ἤγειρεν ἐκ [τῶν] νεκρῶν) und der aus dem kommenden Zorn rettet. Paulus nimmt dieses Bekenntnis zu dem lebendigen, aus Toten erweckenden Gott erneut in 4,14 in Form eines Glaubenssummariums auf, um darauf aufbauend eine Belehrung über den Ablauf bei der Parusie Christi anzuschließen. In 1 Thess 5,9f. rekurriert er ebenfalls auf die Aussagen der Glaubenssummarien, verwendet nun aber anstelle der Verben ἐγείρω und ἀνίστηµι das Verb ζάω. Da er hier im Unterschied zu 1 Thess 1,9f. und 4,14ff. nicht TestSeb 9,7f. belegen (vgl. dazu auch E. REINMUTH, Thessalonicher, 121). Im NT dient es zur Bezeichnung der Bekehrung (Gal 4,9; 2 Kor 3,16; Apg 3,19 u.ö.). 162 In V. 8 behauptet Paulus sogar eine Kenntnis ihres Glaubens ἐν παντὶ τόπῳ – stilistisch wohl eher eine captatio benevolentiae. 163 δουλεύειν θεῷ – wie auch sonst von Paulus mit dativus commodi formuliert (vgl. z.B. Röm 7,6.25; 12,11) – bezeichnet das sich in der Hinwendung zu Gott konstituierende Gottesverhältnis. Vgl. hierzu E. REINMUTH, Thessalonicher, 121. 164 Vgl. JosAs 11,10; Flav.Jos.Ant. 8,337.343; 9,256. Neben Paulus ist die Rede vom wahrhaftigen Gott innerneutestamentlich lediglich in Joh 17,3; 1 Joh 5,20 und Apk 3,7 belegt. 165 Diese Wendung ist im NT singulär. Sie könnte sich im 1 Thess aus der Situation heraus erklären, dass dort ein monotheistischer Kabirus-Kult beheimatet war (vgl. hierzu R. B ÖRSCHEL, Konstruktion, 65–59), demgegenüber sich der Glaube der Thessalonicher als ἡ πίστις ὑµῶν ἡ πρὸς τὸν θεόν (1,8) distanzieren und differenzieren musste. Allerdings findet sich die Wendung auch in 4 Makk 15,24; 16,22; Philo Abr. 268.271.273. Vgl. hierzu T. HOLTZ, Thessalonicher, 53 Anm. 144; T. SÖDING, Trias, 46 Anm. 33; A. VON DOBBELER, Glaube, 119 Anm. 75a. Philo qualifiziert die πίστις als höchste Tugend (Abr. 270).

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die zukünftige Heilshoffnung, sondern die gegenwärtige Heilsgewissheit der Glaubenden thematisiert, bestätigt sich die Annahme, dass Paulus die Aussagen der Glaubenssummarien immer dann mit der ζῆν-Terminologie deutet, wenn er das Leben als gegenwärtige soteriologische Gabe des Glaubens thematisiert. Somit muss 1 Thess 5,10 als paulinisches Glaubenssummarium bezeichnet werden. Im Hintergrund steht dabei offensichtlich eine Theologie des Lebens, die das schöpferische Handeln Gottes am auferstandenen Gekreuzigten bekennt und aus deren christologischer Vermittlung die Lebensgemeinschaft der Glaubenden mit dem Lebenden ermöglicht wird. Um dies zu verdeutlichen, werden im Folgenden die Textabschnitte 4,13–18 und 5,1–11 betrachtet. 2.3 πιστεύοµεν ὅτι. Das Glaubenssummarium in 1 Thess 4,14 In 1 Thess 4,14b zitiert Paulus ein ihm überliefertes Glaubenssummarium, um die verunsicherten Thessalonicher auf der Grundlage ihres gemeinsamen Glaubens zu trösten. Dabei geht aus der Argumentation sowie den zahlreichen Ausblicken auf die Parusie Jesu hervor, dass die Gläubigen in Thessalonich Angst um diejenigen Gemeindeglieder hatten, die vor der Wiederkunft Jesu verstorben waren. Auf diese Verunsicherung reagiert Paulus mit folgendem Satz: 14a εἰ γὰρ πιστεύοµεν ὅτι 14b Ἰησοῦς ἀπέθανεν καὶ ἀνέστη, 14c οὕτως καὶ ὁ θεὸς τοὺς κοιµηθέντας διὰ τοῦ Ἰησοῦ ἄξει σὺν αὐτῷ. Dabei ist das Glaubenssummarium eingebettet in den Textabschnitt 1 Thess 4,13–18, in dem Paulus seine Adressaten über das Schicksal der vor der Parusie Verstorbenen belehrt, die der Apostel als Entschlafene (τοὺς κοιµηθέντας 4,14f.) und Tote in Christus (V. 16: οἱ νεκροὶ ἐν Χριστῷ) bezeichnet. Paulus setzt bei den sich aus der Parusieverzögerung ergebenden Glaubenskonflikten der Thessalonicher ein und thematisiert im einleitenden V. 13 via negationis und in Projektion auf die ‚Übrigen‘ (V. 13b: λοιποί), mit denen wohl Nicht-Glaubende gemeint sein dürften, die fehlende Hoffnung der Glaubenden. Dabei legt es sich nahe, die Hoffnungslosigkeit mit den in 3,10 erwähnten ὑστερήµατα τῆς πίστεως zu identifizieren, sind doch die Signa christlicher Existenz Glaube, Liebe und Hoffnung. Für letztere hat der Apostel – seinen Brief mit einer captatio benevolentiae beginnend – ja bereits im Proömium des Briefes gedankt und erwähnt sie dann noch einmal in seiner Schlussparänese. Der erschütterten Hoffnung bzw. dem Mangel an Hoffnung begegnet Paulus nun mit dem obigen Glaubenssummarium. Er rezipiert ein Traditionsstück, wie die grammatikalisch inkorrekte Abfolge eines Konditionalsatzes in der Protasis und dessen

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Fortsetzung als Vergleichssatz in der Apodosis deutlich macht,166 um auf der Basis des Glaubenssummariums eine Analogie zwischen dem Handeln Gottes in der Auferstehung Jesu167 und seinem Handeln an den Entschlafenen abzuleiten. Dabei präsentiert die angeschlossene präpositionale Wendung διὰ τοῦ Ἰησοῦ (V. 14c) eine christologische Begründung: Jesu Tod und Auferweckung sind die Voraussetzung für das daraus abgeleitete Handeln Gottes an den Verstorbenen.168 Dieses Handeln Gottes besteht nach Paulus in einer Zusammenführung der Glaubenden mit dem Auferstandenen (V. 14c). Im Präpositionausdruck σὺν αὐτῷ klingt dabei an, worauf Paulus auch in den folgenden Versen – und dann vor allem erneut in 5,10 – den Akzent setzt: die Gemeinschaft der Glaubenden mit dem Auferstandenen. Während er ebendiese Gemeinschaft hier mit Blick auf die erwartete Parusie als zukünftige Zusammenführung (4,14) und in 4,17 als Begegnung mit dem Herrn beschreibt, die zur Folge hat, dass die Glaubenden allezeit mit dem Herrn sein werden, ist es nach 5,10 die „Seinsgemeinschaft“169 mit Jesus, die bereits gegenwärtig in der Lebensgemeinschaft mit Christus verwirklicht ist. Von diesem Ziel her – der Gemeinschaft mit dem Herrn – erklären sich die apokalyptischen Vorstellungen, die Paulus gegenüber seinen Adressaten unter Berufung auf ein „Herrenwort“ kommuniziert. Paulus greift dabei auf Vorstellungen zurück, die sich kaum bestimmten Traditionen bzw. Schriften zuordnen lassen und daher nur ganz allgemein als „judenchristlich-prophetische( ) Gemeindetradition“ bezeichnet werden können, und 166 T. HOLTZ, Thessalonicher, 189. Zu beachten ist zudem der Indikativ des Konditionalsatzes, der von Holtz, a.a.O., 189f., als Kausalsatz bestimmt wird; ähnlich W. MARXSEN, 1. Thessalonicherbrief, 67; E. J. RICHARD, Thessalonians, 225. 167 Obwohl Paulus hier aktivisch von der Auferstehung Christi spricht, zeigt der anschließende Vergleichssatz an, dass er die Auferstehung auf das Handeln Gottes zurückführt. Dass in V. 14 der Jesus-Name verwendet wird, lässt mit C. A. W ANAMAKER, Thessalonians, 168, auf ein hohes Alter der Tradition schließen. G. D. FEE, Thessalonians, 172f., sieht damit „the risen Jesus who will return for his own at the Parousia“ (a.a.O., 173) bezeichnet. Auch J. E. FRAME, Thessalonians, 168f., versieht V. 14 mit einer überladenen Interpretation, die keinen Anhalt am Text hat, wenn er aus Jesu Sterben und Auferstehen ableitet, „so does the believer die and rise with him mystically“. Uneinigkeit herrscht darüber, ob Paulus hier ein Glaubenssummarium übernommen hat oder nicht. 168 F. LAUB, Thessalonicherbrief, 29, spricht von einer „formelhafte(n) Zusammenfassung des ganzen Heilsgeschehens“. Nach G. HAUFE, Thessalonicher, 83, wirkt die Wendung „vor dem ἄξει zwar stilistisch hart, bezeichnet aber gut paulinisch den Heilsmittler, dessen sich Gott gerade auch bei seinem eschatologischen Handeln an den entschlafenen Christen bedienen wird.“ Ähnlich auch T. HOLTZ, Thessalonicher, 193; G. D. FEE, Thessalonians, 172. Anders C. A. W ANAMAKER, Thessalonians, 169, der die Präpositionalwendung auf die Entschlafenen in „relationship“ zu Christus bezieht und hierin eine Nähe zu ‚den Toten in Christus‘ in V. 16 erkennen möchte. 169 G. HAUFE, Thessalonicher, 86.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

ergänzt sie redaktionell.170 Betont wird die Gleichzeitigkeit und Selbigkeit171 der Heilsteilhabe Verstorbener und Lebender bei der Parusie. Dabei wird die Gleichzeitigkeit dadurch gewährleistet, dass zuerst (V. 16: πρῶτον) die Toten in Christus auferstehen werden.172 Dies ereigne sich beim Hinabsteigen des Herrn vom Himmel, das von einem Befehlswort, der Stimme des Erzengels und der Posaune Gottes173 begleitet werde. Dann folge die gemeinsamen Entrückung Lebender und Toter zur Begegnung mit dem Herrn,174 so dass „wir“ – Paulus formuliert ab V. 17 inklusiv in der 1. Person Plural – πάντοτε σὺν κυρίῳ ἐσόµεθα (V. 17). Somit ist dann 170 G. HAUFE, Thessalonicher, 79. Ähnlich T. HOLTZ, Thessalonicher, 196f., der eine „frühe judenchristliche Bildung“ annimmt, „die nach einem Ausgleich zwischen der jüdisch-traditionellen apokalyptischen Heilserwartung und dem Glauben sucht, durch den Anschluß an Jesus als den Christus zur Heilsgemeinde zu gehören.“ Vgl. weiter W. MARXSEN, Thessalonicher, 67. Dabei ist durchaus nicht sicher, was Paulus unter dem λόγος κυρίου in 4,15 versteht. Da V. 15 in der 1. Person Plural formuliert ist, kann hiermit noch nicht das Herrenwort gemeint sein (so auch W. MARXSEN, Thessalonicher, 67). Dies müsste sich demzufolge in den VV. 16f. finden. 171 So u.a. vertreten von G. D. FEE, Thessalonians, 167; G. HAUFE, Thessalonicher, 83; W. MARXSEN, Thessalonicher, 67, der betont, dass die Lebenden bei der Parusie gegenüber den Verstorbenen „nicht im Vorteil“ seien; C. A. W ANAMAKER, Thessalonians, 171. 172 Möglicherweise verdankt sich die von Paulus gewählte Form des traditionellen Glaubenssummariums in 4,14 mit dem Verb ἀνίστηµι statt des ansonsten von ihm präferierten ἐγείρω der Rede von der Auferstehung der Toten in Christus (4,16). Eine kontextuelle Anpassung vermutet auch G. HAUFE, Thessalonicher, 83. Umgekehrt versteht C. A. W ANAMAKER, Thessalonians, 168, das Verb in V. 16 als Anpassung an V. 14. Dies läuft jedoch sowohl dem Duktus des Textes zuwider als auch insbesondere der Wahrnehmung, dass Paulus in V. 14 Tradition rezipiert. 173 Die mit dem Eschaton verbundene Vorstellung, dass Posaunen erklingen, verwendet Paulus neben 1 Thess 4,16 ebenso in 1 Kor 15,52. Und auch die synoptische Tradition kennt dieses Motiv (Mt 24,31). Vorlaufend ist es bereits in Sach 9,14 und 4 Esr 6,23 belegt. Vgl. zu den Stellen T. HOLTZ, Thessalonicher, 201; F. LAUB, Thessalonicherbrief, 29; G. HAUFE, Thessalonicher, 79. 174 Mit dem Motiv der Wolke (V. 17) präsentiert der Text eine weit verbreitete Vorstellung, nach der Theophanien von Wolken begleitet sind. Neben den alttestamentlichen Belegen in Ex 19,9.16 sei an die Menschensohn-Tradition erinnert, die ausgehend von Dan 7,13 Einzug in die Schriften des Neuen Testaments gefunden hat, wie Mk 13,26; 14,62 und Apk 1,7; 14,14–16 belegen. Ob sich daneben die Rede vom Herabsteigen (vgl. zu diesem Motiv die Überlegungen bei E. J. RICHARD, Thessalonians, 227) des Kyrios dem Einfluss der Menschensohn-Tradition verdankt, ist möglich, aber letztlich nicht nachzuweisen. Weitere Belege nennt T. HOLTZ, Thessalonicher, 202 Anm. 298; vgl. auch G. D. FEE, Thessalonians, 176–178. Das Motiv akzentuiert mithin die Begegnung der Glaubenden mit dem Kyrios. C. A. W ANAMAKER, Thessalonians, 170, spricht von „an assumption to heaven“. Vgl. auch J. P LEVNIK, Destination, 88, der betont, dass die Glaubenden bei der „Einholung“ passiv seien und hierin „the beginning of a transcendent and eternal life with the Lord“ erkennt.

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auch die Selbigkeit der Heilsteilhabe gegeben, weshalb Paulus mit der Aufforderung schließen kann, die Thessalonicher sollten einander trösten (V. 18). Paulus benutzt in V. 14 also ein Glaubenssummarium, um darauf aufbauend einen Trost für die Thessalonicher zu formulieren, und greift hierzu auf vorhandene Traditionen und Verstehenshorizonte zurück. Das Glaubenssummarium bildet dabei den Ausgangspunkt – ein argumentativer Vorgang, der sich vergleichbar auch an 1 Thess 5,10 beobachten lässt, wenn Paulus im Sprachhorizont der Glaubenssummarien den Lebensbegriff verwendet, um so der in 4,13–18 erwarteten zukünftigen Gemeinschaft mit dem Herrn die tröstliche gegenwärtige Lebensgemeinschaft der Glaubenden mit dem Auferstandenen beizustellen. Dieses paulinische Glaubenssummarium soll im Folgenden betrachtet werden. 2.4 Lebensgemeinschaft mit dem Lebenden (1 Thess 5,10) In dem Textabschnitt 1 Thess 5,1–11175 setzt Paulus seine Ausführungen zur Parusie Christi fort, wenn er in Anklang an die alttestamentliche Überlieferung vom Tag des Herrn176 spricht. Im Unterschied zu 1 Thess 4,14– 18 richtet er nun sein Augenmerk auf die Unerwartetheit und Plötzlichkeit des Tages des Herrn. Dazu wählt er das aus der Q-Tradition stammende bekannte Bild des Diebes in der Nacht177 als Vergleich für die Unberechenbarkeit der Wiederkunft Christi. Außerdem veranschaulicht er mit dem apokalyptisch gefärbten Bild der Geburtswehen die Unmöglichkeit, sich dem Tag des Herrn zu entziehen (5,2f.).178

175 Vgl. dazu die detaillierte Gliederung des Textes bei D. LUCKENSMEYER, Eschatology, 278–282. 176 Während T. HOLTZ, Thessalonicher, 212f.; C. A. W ANAMAKER, Thessalonians, 179, den Tag des Herrn mit dem Gerichtstag verbinden, weist G. HAUFE, Thessalonicher, 92, unter Verweis auf 1 Thess 1,10; 5,9 zu Recht darauf hin, dass die damit gemeinte Parusie Christi zum Heil der Glaubenden geschehe. Das geht zudem unmissverständlich aus 1 Thess 4,14–17 hervor. G. D. FEE, Thessalonians, 187, verweist zu Recht darauf, dass der „Tag des Herrn“ mit einer Vorstellung vom Gericht verbunden sei, die Paulus jedoch „will also turn (...) on its head as he goes on in verses 4–8 to make a wordplay on the ‚day/night‘ language“. Zum alttestamentlichen Hintergrund des ‫ יום יהוה‬als Tag des Gerichts vgl. Jes 2,12; 13,6.9; Ez 7,10; 13,5; 30,3; Joel 1,15; 2,1f.11; 3,4; 4,14; Am 5,18.20; Ob 1,15; Zef 1,7.14; Mal 3,19. 177 Vgl. hierzu Lk 12,39f. sowie die Parallelstelle Mt 24,43–51. Das Motiv klingt zudem in Apk 3,3; 16,15 sowie im koptischen EvThom Log 21 an. Mit E. J. RICHARD, Thessalonians, 250, ist von „oral borrowing“ auszugehen. 178 Vgl. zum Bild der Wehen im apokalyptischen Kontext Mk 13,8; äthHen 62,4; 4Esr 4,40–42.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

In den folgenden VV. 4–8 kontrastiert Paulus die Glaubenden179 (wie bereits zuvor in 4,13) den ‚Übrigen‘ (V. 5: οἱ λοιποί) und charakterisiert dabei Zugehörigkeit und Verhalten beider Gruppierungen näher. So werden die Glaubenden als Söhne des Lichts180 und des Tages jenen gegenübergestellt, die der Nacht und der Finsternis angehören (5,6). Indem er in V. 8 den Gedanken nochmals aufnimmt, dass er und seine Adressaten zum Tag Gehörende sind, wird nachdrücklich betont, dass die Glaubenden „aus der Finsternis (der Gottesferne) in das Licht“ Gottes181 getreten seien. Damit vergewissert Paulus seine Adressaten über ihre „existentielle Zugehörigkeit zum eschatologischen Heilsbereich“182 und bestätigt noch einmal, dass für die Glaubenden gilt, was Paulus für die Parusie Christi in 4,13–18 als Zukunftshoffnung verhandelt hatte: sie werden in die Gemeinschaft mit dem Herrn geführt werden. Aus ihrem neuen Sein als Söhne des Lichtes und des Tages folgt schließlich, dass sie gegenwärtig nicht schlafen sollen wie die anderen, sondern wach und nüchtern sein (V. 8). Denn wer zum Tag gehört, kann nicht schlafen oder betrunken sein, da dies bei Nacht geschehe (V. 9). Paulus kontrastiert also mit diesen Bildworten Zugehörigkeitsbereiche, die einander antithetisch gegenüberstehen, und zugleich Verhaltensweisen, die damit verbunden sind. Damit wird innerhalb der „kleine(n) Taufparänese“183 in 1 Thess 5,6–8 mit Hilfe von Bildworten eine Unterscheidung zwischen Getauften und Nicht-Glaubenden vorgenommen und mit deren Zuordnung zu Zugehörigkeitsbereichen eine Trennung zwischen Tod und Leben illustriert. Was hier in Form von Bildern anklingt, wird deutlich in 5,10, wenn Paulus die gegenwärtige Lebensgemeinschaft mit dem Lebenden thematisiert. Als zum Tag Gehörende sollen sie nüchtern sein (V. 8),184 d.h. einen „eschatologische(n) Realismus“ vertreten, „der sich gerade auch durch

179 Hierbei formuliert er in V. 4 noch in der 2. Person Plural und spricht seine Adressaten mit ὑµεῖς und ἀδελφοί an, bevor er dann ab V. 5b sich und seine Mitarbeiter mit einbezieht. 180 Die Bezeichnung Söhne des Lichts findet sich auch in Qumran (‫ ;בני אור‬1QS 1,9; 3,13.24–25; 1QM 1,1.3.11.13–14) sowie bei Lk 16,8 und Joh 12,36. Nachpaulinisch belegt Eph 5,8, dass die Bezeichnung im Zusammenhang mit der Taufe stehen kann (von T. HOLTZ, Thessalonicher, 220f., abgelehnt, obwohl er selber im Folgenden [a.a.O., 221] eine Verbindung zu Gal 3,26f. herstellt). Dass eine solche Verbindung auch für Paulus zutreffen könnte, legt die Rede vom Anlegen der Waffenrüstung nahe, wie Gal 3,27 bestätigt. W. HARNISCH, Existenz, 131, bezeichnet 1 Thess 5,6–8 explizit als „kleine Taufparänese“. 181 So G. HAUFE, Thessalonicher, 94. 182 F. LAUB, Thessalonicherbrief, 31; vgl. ebenso W. MARXSEN, Thessalonicherbrief, 69. 183 W. HARNISCH, Existenz, 131. 184 Bei νήφωµεν in 5,8 handelt es sich um einen Kohortativ.

2. Glaube und Leben im 1 Thess

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unerwartete Todesfälle nicht irritieren läßt“.185 Denn schließlich haben sie in ihrer Taufe – bildlich gesprochen – den Panzer des Glaubens und der Liebe und den Helm der Hoffnung auf Rettung angezogen (ἐνδυσάµενοι). Noch einmal kommt Paulus damit in V. 8 auf die Trias von Glaube, Liebe und Hoffnung als Signa glaubender Existenz zu sprechen. Hier erscheinen sie als der Abwehr dienende militärische Ausrüstung. Was in 1 Thess 1,3 Gegenstand des Dankes für „die grundlegende Verwirklichung christlichen Seins“186 gewesen war, erklingt nun im Kontext der Paränese als ermahnende und zugleich vergewissernde Erinnerung an das, was das gegenwärtige Christsein der Thessalonicher bestimmt und sie für die zukünftige Endzeit wappnet.187 Das Anlegen der Waffenrüstung in der Taufe geschieht also, um den endzeitlichen Angriffen188 widerstehen zu können. Paulus scheint in bewusster Anlehnung an Jes 59,17LXX189 zu formulieren und zugleich ein in alttestamentlichen und frühjüdischen Schriften verbreitetes Metaphernfeld zu rezipieren, in dem „entweder vom endzeitlichen Handeln Gottes geredet wird, der seinem Heilswillen selbst gegen erbitterten Widerstand Geltung verschaffen wird, oder auch vom eschatologischen Kampf der Gerechten in den Wirren der letzten Tage“.190 Indem die Trias 185

G. HAUFE, Thessalonicher, 95. T. HOLTZ, Thessalonicher, 228. 187 Nach T. SÖDING, Trias, 76, „sind es gerade Glaube, Liebe und Hoffnung, die nicht etwa einen eschatologischen Überschwang beflügeln, der die Augen vor der Wirklichkeit verschließt, sondern im Gegenteil zu eben jener realistischen Einschätzung der Gegenwart und Zukunft führen, die nur aus der Perspektive des (im Evangelium verkündeten) Heilswillens Gottes möglich ist.“ 188 Diese benennt Paulus mit der Rede von großer Bedrängnis bei der Annahme des Evangeliums (1,6), der thematisierten Verfolgung (2,14) und der mythologischen Rede vom Versucher (3,5). 189 Dabei legt die Beiordnung der drei Elemente Glaube, Liebe, Hoffnung auf nur zwei Rüstungsgegenstände sowie die Zuordnung des Helms zur Hoffnung eine Allusion an Jes 59,17LXX nahe, wenngleich kein Zitat vorliegt (so mit T. SÖDING, Trias, 77). T. HOLTZ, Thessalonicher, 226, folgert aus der Nähe zu Jes 59,17LXX sowie der Zuordnung von zwei Ausrüstungsgegenständen auf die Trias, dass „Paulus (...) von einer Vorgabe abhängig“ sei. Doch auch dies lässt sich nicht belegen. In Jes 59,17LXX ist Gott das handelnde Subjekt, der als Panzer die Gerechtigkeit und den Helm des Heils anlegt. Ebenso ist auch in Sap 5,18ff. Gott Subjekt der Handlung. Bei Paulus hingegen sind es die Glaubenden selbst, die die schützende Waffenausrüstung tragen. Nicht mit Sicherheit entschieden werden kann, ob der Ersatz von Glaube und Liebe für die Gerechtigkeit als Hinweis auf Stellen wie Gal 5,6, die auf dem Hintergrund der Aussagen zur Gerechtmachung in 2,16 gelesen werden müssen, gedeutet werden kann. Andererseits spricht nichts dagegen, dass Paulus auch schon im 1 Thess die glaubende Existenz in Glaube, Liebe, Hoffnung als Folge der Gerechtmachung verstanden haben könnte, wenngleich es sich hierbei um ein argumentum e silentio handelt, das in die kontrovers diskutierte Frage nach dem Entstehungsdatum der Rechtfertigungslehre führt. 190 T. SÖDING, Trias, 77. 186

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

als in der Zukunft brauchbare Waffenrüstung zugleich die gegenwärtige Existenz der Glaubenden beschreibt, wie sie in 1,3 Gegenstand des Dankgebets gewesen war, kann Paulus sie dafür fruchtbar machen, Gegenwart und Zukunft miteinander zu verbinden. So kann er nach den die Zukunft betreffenden Aussagen in den VV. 9f. nun auch die Gegenwart der Adressaten in den Blick nehmen. Am Ende seiner Paränese schließt er begründend an: 9a ὅτι οὐκ ἔθετο ἡµᾶς ὁ θεὸς εἰς ὀργὴν 9b ἀλλὰ εἰς περιποίησιν σωτηρίας 9c διὰ τοῦ κυρίου ἡµῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ 10a τοῦ ἀποθανόντος ὑπὲρ ἡµῶν, 10b ἵνα εἴτε γρηγορῶµεν εἴτε καθεύδωµεν 10c ἅµα σὺν αὐτῷ ζήσωµεν. Paulus blickt zunächst in die Vergangenheit, wenn er mit dem Aorist ἔθετο in 5,9 betont, dass Gott die Thessalonicher ein für allemal nicht zum Zorn, sondern zum Besitz des Heils191 bestimmt habe. Der folgende Teilvers (V. 9c) schließlich nennt den Ermöglichungsgrund für dieses Heil, indem er auf ihren Herrn Jesus Christus verweist.192 In V. 10a geht Paulus mit einer präpositionalen Wendung auf dessen Sterben ein; dabei handelt es sich um eine Reformulierung der Aussage des Glaubenssummariums in 4,14b.193 Im anschließenden Finalsatz (V. 10bc) verlässt Paulus die Konno191

Vgl. hierzu auch T. HOLTZ, Thessalonicher, 228. Zu Recht verweist W. HARNISCH, Existenz, 149, darauf, „daß die mit διά eingeleitete volle christologische Formel auf das διὰ τοῦ Ἰησοῦ von 1 Thess 4,14b zurückweist“ und damit Christus „als die entscheidende Zwischenbestimmung der Absicht Gottes, allen Glaubenden durch die Befreiung von der ihnen rechtmäßig zustehenden ὀργή zur Rechtfertigung und eben damit zur περιποὶησις σωτηρίας zu verhelfen.“ (A.a.O., 148). 193 C. ESCHNER, Gestorben, Bd. 1, 202f., interpretiert das „Sterben für“ in 1 Thess 5,10a im Deutungshorizont der griechischen Literatur „in Anlehnung an die Vorstellung vom Unheil abwendenden Sterben von Königen vor einer für die Rettung ihrer Untertanen entscheidenden Schlacht“ (a.a.O., 202). Sie geht davon aus, dass Paulus das Gericht auf dem Hintergrund frühjüdischer Schriften als „Kampf Gottes“ (a.a.O., 202) verstehe, in dem die Glaubenden durch den Unheil abwehrenden Tod Jesu, der zur „Bereitstellung einer Schutzrüstung“ (a.a.O., 202) aus Glaube, Liebe und Hoffnung geführt habe, nicht untergingen. „Mit Paulus selbst lässt sich die rettende Bedeutung des Todes Christi als Beschirmung der von ihm Begünstigten vor dem Zorn Gottes im Gericht (vgl. 1,10) beschreiben“ (a.a.O., 203). U. MELL, „Neue Schöpfung“, 357f., interpretiert 1 Thess 5,10 vor dem Hintergrund der antiken Freundschaftsethik, wie sie sich z.B. bei Plato, Symp. 179bc findet. Zur Forschungsgeschichte der ἀποθνῄσκειν ὑπὲρ τινος-Wendungen, ihrer traditionsgeschichtlichen Hintergründe und der paulinischen Rezeption und Interpretation vgl. C. BREYTENBACH, Tradition, zu 1 Thess 5,10, a.a.O., 471f.; R. B IERINGER, Dying. Entgegen der Paulus vorgegebenen Tradition in 1 Kor 15,3 bezieht er das Sterben Jesu gemeinsam mit der „griechischen Tradition des Stellvertretungstodes“ (C. BREYTENBACH, Tradition, 473) auf ein personales Objekt, was B IERINGER (Dying, 167), dahinge192

2. Glaube und Leben im 1 Thess

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tation der Metaphern vom Wachen und Schlafen, so dass die Aussage von V. 10bc einerseits in Spannung steht zu V. 6 und andererseits einen Bogen spannt zum Textabschnitt 4,14–18. Das irritiert zunächst, da Paulus dieselben Vokabeln verwendet wie in 5,6, sie nun aber nicht länger auf zwei Gruppen bezieht, sondern ausschließlich auf die Glaubenden. Dass hier eine Zäsur zur vorhergehenden Rede von den Wachenden und Schlafenden vorliegt und Paulus nun ausschließlich auf die Glaubenden fokussiert, wird vollends deutlich, wenn V. 10c als Reformulierung der Auferstehungsaussage des Glaubenssummariums in 4,14b wahrgenommen wird. Denn hier formuliert Paulus die Auferstehungsaussage, indem er die ζῆν-Terminologie verwendet, und macht sie fruchtbar für eine soteriologische Übertragung der Auferweckungsaussage auf die Glaubenden. Demnach starb Jesus zu ihren Gunsten, damit sie, ob sie wachen oder schlafen, zusammen mit ihm leben. Aus der sachlichen Analogie von 1 Thess 5,9f. mit dem Glaubenssummarium in 4,14b sowie der daraus abgeleiteten Hoffnung auf die gemeinsame Zusammenführung der bereits Verstorbenen und der bei der Parusie Christi noch Lebenden, muss gefolgert werden, dass Paulus am Ende der Paränese die Perspektive auf das gegenwärtige Heil der bereits verstorbenen und der lebenden Glaubenden richtet. Dafür spricht zudem die Verwendung des Verbes ζάω in beiden Textabschnitten 4,13–18 und 5,10. Allerdings gibt es einen Unterschied in der Bedeutung, denn in 4,13–18 ist vom physischen Leben die Rede, während in 5,10 aufgrund der durch die Präposition σύν hergestellten Analogie zum Auferstehungsleben Jesu das soteriologisch qualifizierte Leben der Glaubenden gemeint ist. Indem Paulus nun in 5,10 festhält, dass sowohl die Wachenden als auch die Schlafenden zusammen ebendieses ‚Leben‘ besitzen, legt es sich nahe, den Aorist ζήσωµεν präsentisch zu verstehen194 und als ingressiven Aorist zu deuten, hend auswertet, dass Paulus „(re)Hellenized the syntagm.“ Anstelle von ὑπέρ lesen ‫*א‬, B und die Minuskel 33 περί. Die äußere Bezeugung als auch die Formelhaftigkeit der übrigen ἀποθνῄσκειν ὑπὲρ τινος-Wendungen sprechen dafür, dass die Lesart mit ὑπέρ die ursprüngliche ist. 194 Viele Ausleger (wie z.B. E. VON DOBSCHÜTZ, Thessalonicher-Briefe, 213; J. E. FRAME, Thessalonians, 190; G. HAUFE, Thessalonicher, 97; T. HOLTZ, Thessalonicher, 230) meinen, dass dem Aorist ζήσωµεν in 5,10 aufgrund des eschatologisch orientierten Kontexts eine futurische Dimension inhärent sei. Diese scheinbar grammatikalische Entscheidung ist vom Griechischen her keineswegs zwingend, sondern verdankt sich vielmehr der intendierten Auslegung der Stelle in ihrem Zusammenhang. Deutlich gegen diese Deutung spricht der nochmalige Rekurs auf die Trias in 5,8, die ja die gegenwärtige Existenz der Glaubenden kennzeichnet (vgl. 1,3), und die anschließende Begründung der Bestimmung zum Heil unter Verwendung des Aorists ἔθετο (5,9), der im Zusammenhang mit der Rede von Jesu Sterben für die Menschen als effektiver Aorist zu verstehen ist. W. HARNISCH, Existenz, 150, vermutet neben der futurischen Deutung eine paulinische Abgrenzung von Gnostikern. Während bei diesen die Toten vom Heil ausgeschlossen seien,

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

der zum Ausdruck bringt, dass die Lebensgemeinschaft bereits jetzt begonnen hat und sich in die Zukunft hinein erstreckt.195 Somit tritt an die Stelle der Entrückung bei der Parusie gegenwärtig die Lebensgemeinschaft der Lebenden und der Toten mit dem Auferstandenen. Zu erwähnen ist in dem Zusammenhang zudem eine Beobachtung Paddisons, der auf das ἐν Χριστῷ der Verstorbenen aus 1 Thess 4,16 verweist und daraus folgert, dass „the dead and the alive already share a state of living ‚in Christ‘“.196 Dies bestätigt aufgrund der Korrelation jenes Textabschnitts mit 1 Thess 5,1–10 noch einmal, dass die Lebensgemeinschaft der Toten und der Lebenden mit dem Auferstandenen als präsentisch, über den Tod hinausgehend und auf Vollendung hin offen zu verstehen ist. Was hier anklingt – die unzerbrüchliche, den Tod überdauernde Christusgemeinschaft der Glaubenden als Frucht des Todes und der Auferweckung Christi – wird Paulus erneut in Röm 14,7–9 mit dem Herr-Sein Jesu über Tote und Lebende formulieren. Aufgrund dieser Lebensgemeinschaft ist die gegenwärtige Existenz der Glaubenden soteriologisch qualifiziert und ethisch gefordert, ohne dass Paulus das eine vom anderen trennen würde. Auch das belegt die Rede von der Trias Glaube, Liebe, Hoffnung. Denn mit ihr macht Paulus deutlich, dass die Grundbestimmung christlicher Existenz einerseits verdankt ist (1,3) und zugleich von den Glaubenden zur Abwehr äußerer Angriffe zum Einsatz gebracht werden soll (5,8). 1 Thess 5,9f. zeigt, dass es Paulus in einem futurisch-eschatologisch konnotierten Kontext im Sprachhorizont der Glaubenssummarien möglich ist,197 die gegenwärtige soteriologische Gabe des Todes und des Auferstehungslebens Christi für die Glaubenden mit Hilfe der ζῆν-Terminologie zum Ausdruck zu bringen. So kulminiert seine Paränese mit der tröstenden Zusage in Form eines paulinischen Glaubenssummariums, dass sich die relativiere Paulus diese Differenz, indem er formuliere εἴτε γρηγορῶµεν εἴτε καθεύδωµεν (V. 10). Diese postulierte Auseinandersetzung mit Gnostikern innerhalb des 1 Thess vermag allerdings nicht zu überzeugen, da sich hierfür keine Anhaltspunkte am Text finden. 195 Ebenfalls auf die Gegenwart des Heils verweisen G. W OHLENBERG, Thessalonicherbrief, 109; vorsichtiger F. LAUB, Thessalonicherbrief, 32, sowie jüngst D. LUCKENSMEYER, Eschatology, 312, der unter Verweis auf die Trias sowie die Identität der Glaubenden als Söhne des Lichts seine Position begründet. Der imperative Charakter des Textes verdanke sich seiner Stellung innerhalb der Paränese, lasse jedoch keinen Zweifel daran, dass „insiders live with the Lord“. 196 A. P ADDISON, Hermeneutics, 185. Vgl. hierzu auch M. E. THRALL, Understanding, 293f., die als Aussageabsicht für 1 Thess 4,16 festhält, dass „dead believers enjoy fellowship with Christ prior to their resurrection“ (a.a.O., 294). 197 Zu Recht hält K.-F. ULRICHS, Christusglaube, 75, fest, dass die apokalyptische Dimension des Glaubens lediglich „eine Facette des Glaubensverständnisses des 1. Thessalonicherbriefes“ darstellt.

2. Glaube und Leben im 1 Thess

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Verstorbenen ebenso wie die Lebenden gegenwärtig in einer Lebensgemeinschaft mit dem auferstandenen Lebenden befinden. 2.5 Fazit: Glaubenssummarien und Leben im 1 Thess In 1 Thess 4,14 zitiert Paulus ein Glaubenssummarium, um darauf aufbauend seine Adressaten über das Schicksal ihrer verstorbenen Glaubensgeschwister und die Ereignisse bei der Parusie Christi zu belehren. In 5,9f. schließlich reformuliert er die Aussagen der Glaubenssummarien unter Verwendung der ζῆν-Terminologie, um der zukünftig erwarteten Zusammenführung mit dem Herrn die gegenwärtige Lebensgemeinschaft Lebender und Toter in Christus zu kontrastieren. Damit bestätigt sich am 1 Thess die Annahme, dass Paulus immer dann die Lebensterminologie im Kontext inhaltlicher Aussagen der Glaubenssummarien verwendet, wenn er die gegenwärtige Dimension des eschatologisch qualifizierten Lebens der Glaubenden aussagen will. Die Glaubenssummarien fungieren dabei als sachliche Voraussetzung für die theologische Konzeption, dass das ‚Leben‘ gegenwärtig im Glauben empfangen wird. Ganz offensichtlich liegt hier ein paulinisches Novum vor. Obwohl Paulus Auferstehungsaussagen mit einer ζῆν-Formulierung auch aus der Tradition hätte übernehmen können, scheint es plausibler, dass sie auf ihn selber zurückgehen. Dafür spricht, dass er ansonsten Formulierungen mit dem Verb ἐγείρω präferiert und nur einmal ein Glaubenssummarium rezipiert, das ἀνίστηµι (1 Thess 4,14) verwendet. Die Lebensterminologie zur Beschreibung des Auferstehungslebens Jesu und der soteriologischen Gabe des Lebens aus Glauben verwendet er hingegen ausschließlich dann, wenn er das gegenwärtige Sein der Glaubenden thematisiert. Daher kann festgehalten werden, dass Paulus den Glaubenssummarien durch die Verbindung mit der Lebensterminologie und die Applikation auf die gegenwärtige Existenz der Glaubenden ihr spezifisches Profil gegeben hat. Damit vermeidet Paulus einerseits, von einer bereits geschehenen Auferstehung der Glaubenden zu sprechen, die sich für ihn erst zukünftig ereignet (vgl. 4,16), andererseits gelingt es ihm mit der Vorstellung des ἅµα σὺν αὐτῷ ζῆν das inaugurierte Auferstehungsleben198 der Glaubenden zu bezeichnen, das gegenwärtig ist und über den Tod hinaus besteht. ‚Leben‘ erscheint als

198

Diese Bezeichnung lehnt sich an C. ZIMMERMANN, Leben, 517 Anm. 57, an, die von einer „Inauguration der endzeitlichen Totenauferweckung“ spricht, distanziert sich aber zugleich von ihr, indem die Rede von der Inauguration des Auferstehungslebens auf die von Paulus vorgenommene Differenzierung hinweisen möchte, die er zwischen der gegenwärtigen Gabe des Lebens und einer zukünftig erwarteten Auferstehung der Glaubenden vornimmt.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

soteriologisches Ziel des Sterbens und Auferstehens Christi; mit der Gabe dieses ‚Lebens‘ verbunden ist ein ethischer Lebenswandel der Glaubenden. Dass Paulus die durch Christus ermöglichte Lebensgemeinschaft mit einer Theologie des Lebens begründet, belegen das Subjekt des Relativsatzes in 1,10 sowie der Apodosis in 4,14 als auch die Bestimmung der Thessalonicher zum Heil durch Gott (5,9). Es ist nach Paulus die Leben schaffende Kraft des lebendigen Gottes, der aus Jesu Tod Leben kreiert, das die Glaubenden an Christi Auferstehungsleben beteiligt. ‚Leben‘ erscheint folglich als relationaler Begriff, der das Wesen Gottes bezeichnet und den nachösterlichen Status des Auferweckten beschreibt, aber auch als Inbegriff des soteriologisch-eschatologisch und zugleich ethisch qualifizierten Glaubensstandes der Thessalonicher. Charakteristisch für den 1 Thess ist, dass Paulus darüber schweigt, wie er Jesu Tod und Auferweckung soteriologisch für die Glaubenden deutet. Lediglich in der Rede vom ἀποθνῄσκειν ὑπέρ (5,10) klingt etwas von der Deutung des Todes Jesu an, die der Apostel bei seinen Adressaten als bekannt vorauszusetzen scheint, so dass er sie nicht weiter erläutert. Für den 1 Thess kann festgehalten werden, dass der Glaube an Jesu Tod und seine Auferweckung, in der sich Gott als Schöpfer erweist, die Basis für die Lebensgemeinschaft von Auferstandenem und Glaubenden bildet, und sich in ihr die soteriologische Bedeutung des Glaubens der Thessalonicher manifestiert.

3. Glaube und Leben im 2 Kor 3. Glaube und Leben im 2 Kor

3.1 Glaubenssummarien in 2 Kor 5,11–21 In 2 Kor 5,11–21 kommt Paulus mehrfach auf Elemente und zentrale Aussagen der Glaubenssummarien zu sprechen, um vor diesem Hintergrund das durch Jesu Tod und Auferweckung soteriologisch qualifizierte Leben der Glaubenden als ‚leben für‘ zu beschreiben. Besonders interessant ist dabei, dass der Apostel die ζῆν-Terminologie hier verwendet, um die neue Identität der Glaubenden als ‚Lebende‘ auszudrücken und zudem seine Theologie des Lebens zur Rede von der καινὴ κτίσις (5,17) der Glaubenden fortschreibt. 2 Kor 5,11–6,2 gehört also zu den paulinischen Texten, in denen er den Zusammenhang von Glauben und Leben thematisiert, ohne dabei das Wortfeld πίστις / πιστεύειν direkt zu verwenden, auch wenn es in den Aussagen der Glaubenssummarien mitzuhören ist.199 199

Das bleibt jedoch häufig unerkannt, vgl. z.B. R. B ULTMANN, 2. Korintherbrief, 153f.; P. E. HUGHES, 2 Corinthians, 192–196; A. P LUMMER, 2 Corinthians, 174f.; H. W INDISCH, 2. Korintherbrief, 182–184; C. K. B ARRETT, 2 Corinthians, 168f., setzt zwar V. 15c in Relation zu 1 Kor 15,3, stellt aber in seiner weiteren Exegese keinen Be-

3. Glaube und Leben im 2 Kor

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Die Analyse wird zeigen, dass Paulus die ζῆν-Terminologie dazu verwendet, die gegenwärtige eschatologisch qualifizierte Existenz der Glaubenden als Inauguration ihres Auferstehungslebens zum Ausdruck zu bringen. Der vorliegende Abschnitt ist dabei in besonderem Maß ein Zeugnis für die innovative Kraft paulinischer Theologiebildung. Dies zeigt sich einerseits an der existentialen Applikation der Glaubenssummarien durch die ζῆν-Terminologie und deren Weiterentwicklung hin zu einer Theologie der καινὴ κτίσις. Dabei erweist sich die Rede von einer καινὴ κτίσις aufgrund fehlender vorpaulinischer Belege wahrscheinlich nicht nur sprachlich, sondern auch theologisch als „Neuschöpfung“ des Apostels. Dasselbe gilt zum anderen für die eigenständige Kombination verschiedener Modelle zur Deutung des Todes Jesu,200 durch die Paulus unter Verweis auf die soteriologischen Voraussetzungen der neuen Identität von sich und seinen Adressaten die Infragestellung seines Apostolats zu beseitigen sucht.201 Denn bei 2 Kor 5,11–21202 handelt es sich um einen Abschnitt zug zwischen Glauben und Leben her; ähnlich R. P. MARTIN, 2 Corinthians, 129. H.-J. KLAUCK, 2. Korintherbrief, 53f., erkennt in V. 14 klar einen „urchristlichen Glaubenssatz“ (a.a.O., 53), den er aber nur auf das Sterben bezieht und für die Lebensthematik nicht mehr heranzieht; T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 319, nimmt an, dass sich Paulus an einen Glaubenssatz „anlehnt“, lehnt aber eine soteriologische Qualifizierung des Lebensbegriffs ab (a.a.O., 324), so dass sich für ihn ein anderer Zusammenhang von Glaube und Leben ergibt als der in dieser Studie vertretene. Ebenso versäumt es P. B ARNETT, Corinthians, 287–293, explizit auf den Zusammenhang zwischen Glauben und Leben zu verweisen. Die Konzeption, nach der ‚Leben‘ als soteriologischer „Effekt“ des Glaubens bei Paulus zu verstehen ist, bleibt bei ihm unberücksichtigt. M. E. THRALL, 2 Corinthians, Vol. I, 409, räumt ein, dass Paulus „may be using a traditional formula“, interpretiert jedoch die Lebenden nicht vor diesem Hintergrund und lässt zudem die angehängte Partizipialwendung τῷ ὑπὲρ αὐτῶν ἀποθανόντι καὶ ἐγερθέντι außer Acht. V. F. FURNISH, 2 Corinthians, 310f., weist hingegen explizit darauf hin. Vgl. weiter a.a.O., 326. J. LAMBRECHT, Reconcile, 381, bemerkt zu V. 14: „Paul ist taking up a traditional kernel which he wants to explain and comment in vV. 14c–15.“ 200 Vgl. dazu R. SÄRKIÖ, Versöhnung, 34–36.38, die allerdings aus den verschiedenen Modellen zur Deutung des Todes Jesu in 2 Kor 5 zu einer anderen Deutung sowohl von 2 Kor 5,14b als auch von V. 17 gelangt. 201 Kommunikationspragmatisch appliziert der Apostel die Aussagen zu Jesu Tod, deren Movens und Wirkung, auf sich und die Glaubenden und verbindet damit zwei Aspekte. Einerseits kann er sein Apostolat analog zu Gottes Versöhnung in Christus als διακονία τῆς καταλλαγῆς (5,18) qualifizieren. Andererseits ist es ihm möglich, durch die Vorstellung der Proexistenz Christi, die infolge Jesu Tod und Auferstehung ein Leben für den auferstandenen Gekreuzigten ermöglicht habe, sich und den Adressaten die gemeinsame Ausrichtung ihrer Existenz auf den Auferstandenen und deren Bestimmtheit als Neuschöpfung bewusst zu machen. Diese soll dann auch die Beziehung zwischen dem Apostel und den Korinthern bestimmen. Treffend hält R. SÄRKIÖ, Versöhnung, 33, fest: „Paulus erläutert den Korinthern abwechselnd das theologische Fundament der Versöhnung und apostolische Praxis.“ 202 Die Abgrenzung des Textabschnitts nach hinten ist umstritten.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

innerhalb des zweiten Teils der Apologie des Paulus.203 Der Text ist damit in gewisser Weise transparent für die verschiedenen historischen Kommunikationsphasen der korinthischen Korrespondenz, die vielfältigen Rekonstruktionsversuchen unterliegt.204 Beide Aspekte führen zuweilen dazu, dass die im Text genannten Folgen des Todes und der Auferweckung Jesu nicht primär der Soteriologie, sondern eher der Ethik zugerechnet werden.205 Wenngleich die ethischen Implikationen des Todes und der Auferweckung Jesu für das Zusammenleben der korinthischen Christen mit ihrem Apostel nicht in Frage gestellt werden können, erscheint jedoch eine Begrenzung hierauf als unzulässige Verengung. Denn sie steht in der Gefahr zu übersehen, dass bei Paulus „die unmittelbare Situationsgebundenheit“ hinter die „grundsätzliche( ) theologische( ) Ausrichtung“206 zurücktritt. Daher versteht die folgende Analyse von 2 Kor 5,11–21 die Aussagen zu Jesu Tod und Auferweckung sowie ihre Auswirkungen für die Glaubenden als soteriologische Explikationen und zeichnet nach, wie Paulus die ethischen Schlussfolgerungen in den weiteren Horizont der soteriologischen Aussagen der Glaubenssummarien und den damit verbundenen Interpretationsmodellen des Todes Jesu einordnet.207 Konkret wird die Auslegung von 2 Kor 5,11–21 durch die Untersuchung von Texten wie 2 Kor 2,16; 3,3 und 4,10–12 ergänzt und vertieft, da diese in einer inneren Relation zu Aussagen von 2 Kor 5,11–21 stehen und ein Licht auf die paulinische Verwendung des ζῆν-Wortstammes werfen.

203

Mit T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 306, fasse ich 2 Kor 5,11–6,10 als zweiten Teil der Apologie auf, die insgesamt den Textkomplex 3,1–7,4 umfasst. 204 R. SÄRKIO, Versöhnung, 29f., geht aufgrund der Überlieferung des Textes von seiner Einheitlichkeit aus. 205 So vertreten z.B. von T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, bes. 323f., und J. SCHRÖTER, Versöhner, bes. 279.288. Anders hingegen zutreffend T. KNÖPPLER, Sühne, 152f. 206 So C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 82, in Bezug auf die redaktionelle Voranstellung des sog. Versöhnungsbriefs (2 Kor 1–9) vor den polemischen Tränenbrief (2 Kor 10–13) und die damit verbundenen Spannungen, die sie unter Rekurs auf H.-J. KLAUCK, 2. Korintherbrief, 10, als Indiz für die „Überzeitlichkeit“ der Aussagen des (1 und) 2 Kor wertet. 207 Vgl. H. B OERS, 2 Corinthians 5:14–6:2, 532, der konstatiert, dass „even if these christological and theological statements function as foundations in support of Paul’s ministry, they gain meaning in their own right in Paul’s interpretation of their meanings in the passage“, und zu dem Schluss gelangt, 2 Kor 5,14–6,2 sei „a rare fragment of Pauline Christology, a passage in which Paul not merely appeals to facts about Christ as support for his reasoning, but also interprets the meaning of Christ’s death itself“ (a.a.O., 546), „at the specific level what it means to his readers.“ (A.a.O., 547.)

3. Glaube und Leben im 2 Kor

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3.2 Leben für den Gestorbenen und Auferweckten (2 Kor 5,14f.) Erstmals innerhalb des Textabschnitts 2 Kor 5,11–21 rekurriert Paulus in den VV. 14c.15a auf die Sterbensaussage der Glaubenssummarien, indem er elliptisch jeweils mit der 3. Person Singular des Verbs ἀποθνῄσκω im Aorist formuliert, dabei aber das Subjekt ‚Christus‘ aus V. 14a nicht nochmals erwähnt. Im Anschluss daran reformuliert Paulus das Kerygma der Glaubenssummarien sprachlich variabel, aber deutlich erkennbar unter Verwendung des von ihm vorzugsweise aus der Tradition übernommenen Verbes ἐγείρω mit dem doppelten Präpositionalausdruck ἀποθανόντι καὶ ἐγερθέντι. Im Begründungssatz ab V. 14 (γάρ) lenkt Paulus also unter Rekurs auf Elemente der Glaubenssummarien das Augenmerk seiner Adressaten auf ihr gemeinsames Bekenntnis, um so die Perspektive von der Fokussierung auf sein Apostolat in den VV. 11–13 auf zwei weitere Aspekte zu lenken: zum einen auf die soteriologische Grundlegung seiner eigenen Existenz sowie der seiner Adressaten, zum anderen auf die daraus folgende Lebensgestaltung.208 Damit tritt das paulinische Wirken sowie der aktuelle kommunikative Anlass zunächst in den Hintergrund. Dennoch kommt Paulus mit dem Perspektivwechsel auf das gemeinsame Glaubensbekenntnis seinem Ziel näher, die eigene Integrität als Apostel auszuweisen und eine stabile Grundlage für die Beziehung zwischen den Korinthern und sich selbst zu legen, indem er ihnen sagt: Ihr Sein als καινὴ κτίσις, die ein Ergebnis des schöpferischen, aus dem Tod Jesu Leben schaffenden Handelns Gottes ist, impliziere eine neue Ausrichtung ihrer Existenz, die das Sterben „sich selber gegenüber“ voraussetzt. Die Inhaltselemente der Glaubenssummarien rahmen dabei die Aussagen über die Auswirkungen des Todes Jesu für die Glaubenden und fungieren auf diese Weise als Inklusion derselben: 14c εἷς ὑπὲρ πάντων ἀπέθανεν, 14d ἄρα οἱ πάντες ἀπέθανον· 15a καὶ ὑπὲρ πάντων ἀπέθανεν, 15b ἵνα οἱ ζῶντες µηκέτι ἑαυτοῖς ζῶσιν 15c ἀλλὰ τῷ ὑπὲρ αὐτῶν ἀποθανόντι καὶ ἐγερθέντι. In V. 14 hält Paulus zunächst fest, dass aus dem Tod des ‚Einen‘ der Tod aller gefolgt sei – und formuliert damit die Folge des Todes Jesu in einer

208

Das vorangestellte κρίναντας τοῦτο (V. 14b) kann mit R. SÄRKIO, Versöhnung, 31, dahingehend gedeutet werden, dass „Paulus die Werke Christi sorgfältig reflektiert“ habe und „zusammen mit der urchristlichen Gemeinde zu seinen Ergebnissen gekommen“ sei. Die vorliegende Studie zeigt, dass es die Glaubenssummarien sind, die das gemeinsame Fundament bilden, auf dem Paulus seine Reflexionen entfaltet.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Universalität, die sich bei Paulus nur hier findet. 209 Allerdings wird diese Universalität im ἵνα-Satz in V. 15b scheinbar sogleich modifiziert, indem nun die Folge des Sterbens Jesu anscheinend ausschließlich auf die Lebenden bezogen wird. Indem er hier spezifisch von „den Lebenden“ und nicht mehr von „allen“ spricht, stellt sich die Frage, ob Paulus damit die universale Folge des Sterbens Jesu auf die Glaubenden einschränkt.210 Zweierlei ist hierbei zu bedenken. Zum einen sollte die universale Wirkung des Todes Jesu im Zusammenhang mit der ἀγάπη τοῦ Χριστοῦ211 gesehen werden. Denn diese bildet nach V. 14a nicht allein den Raum,212 in dem der Apostel seinen Dienst an den Glaubenden versieht, sondern muss auch auf die daran anschließende Deutung des Todes Jesu bezogen werden. So rückt die Erwähnung der Liebe als Motiv für den Tod Jesu dessen Sterben in die Nähe der in der hellenistischen Freundschaftsethik verbreiteten Vorstellung eines „Daseins für andere“, das auch den Tod umfassen kann (so beispielsweise auch in Gal

209

Darauf weist auch R. B IERINGER, Dying, 166, hin. Vgl. dazu die weiteren ἀποθνῄσκειν ὑπέρ τινος-Wendungen in 1 Thess 5,10; 1 Kor 8,11fin; 15,3. 210 Der Tod Jesu würde dann nach 2 Kor 5,14f. eine universale Wirkung intendieren, deren Verwirklichung Paulus jedoch expressis verbis nur für die Glaubenden ausspricht, wie beispielsweise auch die Bindung der Neuschöpfung an das Sein in Christus in V. 17 anzeigt. Vgl. hierzu C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 131. C. B REYTENBACH, Versöhnung, 128, kann zugestimmt werden, dass Paulus, wenn er „das Ziel des Kreuzes im Hinblick auf die konkrete Lebensführung erörtert, (...) von der universalen zur ekklesiologischen Perspektive“ wechselt. „Die intentionale Bestimmung kann er universal formulieren, die reale nicht“, so dass ,die Lebenden‘ „die Christen“ bezeichnet. In diesem Sinne deuten auch J. SCHRÖTER, Versöhner, 277; C. ESCHNER, Gestorben, Bd. 1, 266. Vgl. ebenfalls F. HAHN, Theologie, Bd. 1, 217, der betont, „daß die heilstiftende Kraft des Todes Jesu in einem inklusiven Sinn für alle Menschen bestimmt ist. Der Tod Jesu hat universale Gültigkeit, er soll allen Menschen zugute kommen“, und dann folgert: „Natürlich verwirklicht er sich bei denen, die nach 2 Kor 5,15 ‚nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist‘ (...).“ Bei Hahn liegt der Akzent auf der Universalität des Heilsgeschehens. Vgl. dazu auch seine früheren Überlegungen in DERS., Neuschöpfung, 248. Dort setzt er zwar voraus, dass die Bezeichnung „die Lebenden“ die „Zugehörigkeit zu Christus“ voraussetze, versteht dann aber im Folgenden die Aussagen zur Neuschöpfung als universal gültige. 211 V. F. FURNISH, 2 Corinthians, 327, plädiert dafür, die Aussage, dass alle gestorben seien in dem Sinne zu verstehen, „that all without exception are the objects of God’s love“. Vgl. weiter zur Verhältnisbestimmung des Liebesmotivs zum Tod Jesu T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 321. Dagegen überspannt C. ESCHNER, Gestorben, Bd. 1, 245, die Aussage des Textes, wenn sie sagt, das Sterben aller habe „deren Aufenthalt in dem sterbenden Christus zur Voraussetzung“ und damit „zugleich einen Aufenthalt in der dieses Sterben verursachenden Liebe“ zur Bedingung. 212 Vgl. zur räumlichen Dimension des Verbs C. ESCHNER, Gestorben, Bd. 1, 242f.

3. Glaube und Leben im 2 Kor

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2,21 sowie im Joh, insbesondere Joh 15,13).213 Reiht man nun die Aussage aus 2 Kor 5,14 in den Kontext von 5,11–21 sowie in die übrigen paulinischen Belege ein, die den Tod Jesu mit dessen Liebe bzw. mit der Liebe Gottes begründen (Röm 5,8.11; 8,32.35.39), dann fällt als deren gemeinsamer Horizont die Rede von der Versöhnung Gottes mit den Menschen auf.214 Doch auch wenn mit der Liebe das grundlegende Movens des Todes Jesu genannt und mit deren Bezug auf das Versöhnungshandeln Gottes auf das theologische Fundament der christologischen Aussage des Sterbens Jesu verwiesen ist, so erschöpft sich dennoch die in 2 Kor 5,14 vorliegende Deutung des Todes Jesu nicht mit deren Nähe zur hellenistischen Freundschaftsethik. Stattdessen verbindet der Apostel hier verschiedene Facetten unterschiedlicher Deutungsmodelle des Todes Jesu. So klingt in der Rede vom „Sterben für alle“ und der damit verbundenen Folge im vorliegenden Textabschnitt auch das Modell einer Schicksalsgemeinschaft an, in der Christus und die Glaubenden aufs Engste miteinander verbunden sind, so dass sie an seinem Tod Anteil haben.215 Damit rückt 2 Kor 5,14f. auch in die Nähe der Adam-Christus-Typologien in Röm 5,12–21 und 1 Kor 15,21f.45–49, in denen Paulus das Schicksal der gesamten Menschheit durch zwei einander gegenübergestellte Antitypen bestimmt sieht.216 Im Unterschied zur Adam-Christus-Typologie jedoch ist es in 2 Kor 5 Christus selber, der als „corporate personality“217 das Sterben aller repräsentiert, während er ansonsten als πνεῦµα ζῳοποιοῦν (1 Kor 15,45) mit seinem Tod die Gnadenherrschaft zum ewigen Leben (Röm 5,21) initiiert. In 2 Kor 5,14 dominiert also ein Verständnis des Todes Jesu im Sinne einer inklusi-

213 So J. SCHRÖTER, Versöhner, 272. Zum Belegmaterial aus der griechischen Literatur zu dem Motiv eines Todes aus Liebe vgl. C. BREYTENBACH, Tradition, 457f.; U. MELL, „Neue Schöpfung“, 357f.; C. ESCHNER, Gestorben, Bd. 2, 207–209. 214 So auch J. SCHRÖTER, Versöhner, 270, der ebenfalls Röm 5 und 8 als Verstehenshilfe für 2 Kor 5,14 heranzieht; ähnlich auch C. BREYTENBACH, Versöhnung, 180–182. 215 C. K. B ARRETT, 2. Corinthians, 169; C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 129. A. J. M. W EDDERBURN, Baptism, 65, betont dabei zu Recht, dass sich der Tod des Glaubenden in „Jesus’ death of Golgotha“ ereignet habe. 216 T. R. J ACKSON, New Creation, 136–149, möchte mit der Adam-Christus-Typologie das Gestorbensein aller explizieren. Er hält fest, dass „the individual convert, then, is a microcosm of the ultimate act of redemption which God plans for the entire cosmos“ (a.a.O., 148). Ebenso zieht R. B IERINGER, Dying, 168f., in Erwägung, dass „the one-all antithesis is probably an implicit reference to the Adam-Christ parallel.“ 217 R. B IERINGER, Dying, 169; vgl. weiter C. ESCHNER, Gestorben, Bd. 1, 264; P. STUHLMACHER, Erwägungen, 20. Zur Argumentation mit der Adam-ChristusTypologie in Bezug auf 2 Kor 5,14 vgl. u.a. T. R. J ACKSON, New Creation, 138–147; G. SCHNEIDER, „Neuschöpfung“, 369; J. SCHRÖTER, Versöhner, 273–276.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

ven Stellvertretung, indem in seinem Sterben der Tod aller repräsentiert ist.218 Zum anderen sollte in Betracht gezogen werden, dass die Rede von den πάντες in V. 14d von Paulus dazu verwendet worden sein könnte, in der spezifischen Kommunikationssituation von 2 Kor 5 sich selbst und seine Adressaten zu bezeichnen, ohne eine universale Aussage zu intendieren. Als plausibelste Deutung erweist sich damit, die πάντες in V. 15a mit Paulus selber, seinen Adressaten und auch seinen Kontrahenten zu identifizieren.219 Indem Paulus sie nämlich an ihre christologisch begründete Existenz erinnert, bahnt er zugleich den Weg zu seinem Versöhnungsaufruf. Aus diesen Überlegungen heraus legt es sich nahe, dass Paulus die Rede von „allen“ durch die Rede von den ‚Lebenden‘ ablöst, damit aber dieselben meint. Der Wechsel selber verdankt sich allein der historischen Kommunikationssituation und der damit verbundenen Textpragmatik. Insgesamt dreimal thematisiert Paulus in 2 Kor 5,14f. das „Sterben Jesu für“: zweimal mit einem finiten Verb im Aorist, so dass die Vergangenheit dieses Geschehens betont wird (ἀπέθανεν), und einmal durch ein Partizip im Aorist (ἀποθανόντι), dem er ebenfalls ein Partizip im Aorist durch die Konjunktion καί zuordnet, um damit die Auferweckung Jesu auszudrücken (ἐγερθέντι).220 Die Syntax legt dabei nahe, das ὑπέρ in V. 15c nicht allein auf das Sterben Jesu, sondern ebenso auf seine Auferweckung zu beziehen.221 Dies bestätigt sich auch inhaltlich, da sowohl die Bezeichnung οἱ ζῶντες – inklusive der Aussage, dass die Lebenden nicht mehr sich selber, 218

So auch R. B IERINGER, Dying, 172, der allerdings für 2 Kor 5,14 zugleich Aspekte einer exklusiven Stellvertretung erkennen möchte. Gänzlich abzulehnen sind an dieser Stelle jene Deutungen, die den Tod Jesu als Sühne deuten, wie sie sich bei F. HAHN, Neuschöpfung, 248; O. HOFIUS, Gott, 9; C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 128; I. R. KITZBERGER , Perspektiven, 164; T. KNÖPPLER, Sühne, 149–155, finden, da diese Vorstellung weder terminologisch noch sachlich vorliegt. Zur Kritik einer Deutung des Todes Jesu mit den Kategorien der Sühne vgl. C. BREYTENBACH, Tradition, 454 (der damit die von ihm früher vertretene Position in DERS., Versöhnung, 125–129, korrigiert); C. ESCHNER, Gestorben, Bd. 1, 268; J. SCHRÖTER, Sühne, 58–66. 219 C. BREYTENBACH, Tradition, 472f., nimmt an, dass hierin der Tod der Adressaten und der des Paulus ausgesagt sei, und setzt dies in Bezug zu V. 16, der die „fehlerhafte Beurteilung Christi“ (a.a.O., 472) durch den vorchristlichen Paulus thematisiert, sowie zu V. 17, in dem die Aussage, dass das Alte vergangen sei, synonym zur Aussage, der „vorchristliche Paulus ist tot“ (a.a.O., 473), verstanden werden müsse. 220 Zur sprachlichen Gestalt von 2 Kor 5,14f. vgl. die Analyse von R. B IERINGER, Dying, 164f.174. Eine ausführliche Analyse zur sprachlichen Gestalt von 2 Kor 5,14–6,2 findet sich auch bei H. B OERS, 2 Corinthians 5:14–6:2, 529–532, zu 2 Kor 5,14f. vgl. a.a.O., 535; kurz und prägnant bei F. HAHN, Neuschöpfung, 248. 221 Exemplarisch sei auf R. B IERINGER, Dying, 174, verwiesen, der ὑπέρ ebenfalls auf beide Verben bezieht und zu dem Schluss gelangt: „In being raised Christ became the representative to give people a share in his new life“ (a.a.O., 175).

3. Glaube und Leben im 2 Kor

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sondern dem Auferweckten lebten – als auch die Rede von der καινὴ κτίσις, die in V. 17 die consecutio aus den VV. 14f. darstellt, die Auferweckung Jesu voraussetzen und diese aufgrund der thematisierten Konsequenzen als „Auferweckung ὑπέρ“ deuten. Innerhalb von 2 Kor 5,14–15 liegt also die Betonung auf dem letzten Glied ἀλλὰ τῷ ὑπὲρ αὐτῶν ἀποθανόντι καὶ ἐγερθέντι, in dem Jesu Tod und Auferweckung zusammengebunden werden.222 An der sprachlichen Gestalt fällt weiter auf, dass Paulus in V. 14b aus dem Tod Jesu als vergangenem Ereignis auch das metaphorische Sterben aller als in der Vergangenheit liegenden Akt ableitet.223 Damit verstärkt er nochmals die Gegenüberstellung des Sterbens des εἷς zum Sterben der πάντες und stellt heraus, dass „in the first place the one who has died is Christ, although with him all died as well.“224 Zugleich hat die Rede vom Gestorbensein aller „im Kontext der Rede von der καινὴ κτίσις die Funktion, den Schöpfungsgedanken pointiert hervortreten zu lassen“225, der nicht erst in V. 17 laut wird, sondern bereits den gesamten V. 15b prägt, wenn Paulus von den Lebenden spricht, die nicht mehr sich selber leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde. Darüber hinaus gelingt es Paulus auf diese Weise, mit der Bezeichnung der Glaubenden als οἱ ζῶντες und mit ζῶσιν als finitem Verb im Präsens (V. 15)226 die Gegenwart seiner Adressaten durch die ζῆν-Terminologie von der Vergangenheit abzuheben und hiermit das gegenwärtige soteriologisch qualifizierte Sein der Glaubenden zu bezeichnen. Während die Vergangenheit durch das Stichwort ἀποθνῄσκειν bestimmt war, ist es die Gegenwart durch das ‚Leben‘, so dass das Ziel des Sterbens Jesu und dem damit erfolgten Sterben aller darin besteht, dass ‚die Lebenden‘ nicht mehr sich selber leben V. 15b: µηκέτι ἑαυτοῖς ζῶσιν), sondern – wie Paulus mit der Formulierung ἀλλὰ τῷ ὑπὲρ αὐτῶν ἀποθανόντι καὶ ἐγερθέντι zum Ausdruck bringt – dem leben, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde (15c). 222

Ebenso C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 129. Vgl. hierzu C. B REYTENBACH, Tradition, 473, mit dem wichtigen Hinweis, dass Paulus entgegen der „griechischen Tradition des Stellvertretungstodes“, der zum Schutz anderer aus einer bedrohlichen Situation dient und deren Weiterleben ermöglicht, die Ansicht vertritt, dass die Menschen im Tod Christi „vernichtet werden“, indem er Jesu Sterben als „Sterben zur Vernichtung aller Sünder“ (a.a.O., 474) versteht. Allerdings greift Breytenbach mit seiner Gesamtdeutung zu kurz, weil er die gegenwärtig bewirkte soteriologische Gabe des Lebens für die Glaubenden unterbewertet und sie ausschließlich als zukünftig interpretiert. 224 A. J. M. W EDDERBURN, Baptism, 65. 225 C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 129. 226 Der Verbalstamm von ζάω hat bereits unmittelbar zuvor in Form eines substantivierten Partizips im Nominativ Plural Präsens Aktiv zur Bezeichnung einer Gruppe von Personen fungiert. 223

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Der Ausdruck οἱ ζῶντες bezeichnet also die eschatologisch qualifizierte Existenz der Glaubenden,227 so dass er nicht – bedenkt man die Textbeobachtung zu 1 Thess 5,10228 – per se auf physisch Lebende beschränkt werden kann.229 Vielmehr versprachlicht Paulus an beiden Stellen durch die ζῆν-Terminologie den von ihm so verstandenen soteriologischen Effekt des Todes und der Auferweckung Jesu. Paulus appliziert also mit Hilfe der ζῆν-Terminologie die Glaubenssummarien auf die neue Schöpfung der Christen. Folglich nimmt in 2 Kor 5,15b die Bezeichnung οἱ ζῶντες die Rede von der καινὴ κτίσις in V. 17 vorweg: Die Glaubenden sind nach 2 Kor 5,14f.17 ‚Lebende‘, weil sie am Todesschicksal Jesu teilhaben; ihr Leben als Neuschöpfung setzt den Tod sich selbst gegenüber voraus,230 d.h. das Ende eines egozentrierten, sich selbst zum Mittelpunkt erhebenden Lebenswandels, an dessen Stelle – ausgedrückt mit zwei Dativi commodi231 – ein „leben für“ den auferweckten Gekreuzigten tritt. Paulus fordert deshalb die Glaubenden auf, die Proexistenz Christi nachzuahmen.232 Mit der Idee einer Proexistenz nimmt Paulus zugleich einen Gedanken auf, den er zuvor im apostolischen Wir auf sich selber hin entwickelt hatte, und dehnt diesen nun auf alle Glaubenden aus. Dazu argumentiert er wiederum mit Jesu Sterben und Auferstehungsleben.

227

J. LAMBRECHT, Reconcile, 378, spricht von „anticipation of our future resurrection, Paul probably would not yet call it ‚resurrection‘.“ 228 Vgl. Kap. III.2.4 in dieser Studie. 229 So jedoch C. ESCHNER, Gestorben, Bd. 1, 251f. 230 Eindrücklich bringt R. SÄRKIÖ, Versöhnung, 31f., die Diskontinuität zur Sprache, wenn sie schreibt, die „Wende ist so groß, dass man zwischen das Alte und das Neue etwas so Einschneidendes wie den Tod stellen muß.“ G. SCHNEIDER, “Neuschöpfung”, 368, bezeichnet den Tod als „Vernichtung des gegen Gott gerichteten alten Menschen“. Treffend formuliert M. D. HOOKER, Interchange, 12, dass „the gospel demands conformity to Christ’s death“, ohne dass sie den konkreten Zusammenhang zum Inhalt des Evangeliums, wie er in 2 Kor 5,14f.19 anklingt, wahrnimmt (vgl. dazu den Abschnitt III.3.3.3 Neuschöpfung, [Dienst der] Versöhnung und Gerechtigkeit Gottes [2 Kor 5,18–21] in dieser Arbeit). 231 Dasselbe sprachliche Phänomen liegt in 2 Kor 5,13 vor, wenn Paulus über sein Verhalten sagt: εἴτε γὰρ ἐξέστηµεν, θεῷ· εἴτε σωφρονοῦµεν, ὑµῖν. 232 U. MELL, „Neue Schöpfung“, 360, betont in diesem Zusammenhang den Bezug der Präposition ὑπέρ nicht allein auf das Christusereignis im Sinne einer Proexistenz Christi, sondern auch auf die Glaubenden. „Der einzigartige Einsatz für das Leben, den Christi Tod auszeichnete, ist durch die eschatologische Wende auch das besondere Kennzeichen aller Menschen geworden: Leben sie jetzt doch für den, der zuerst für sie gestorben ist und auferweckt wurde“. Von Proexistenz spricht auch C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 124.

3. Glaube und Leben im 2 Kor

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Exkurs: Die Proexistenz des Apostels und Jesu Sterben und Auferstehungsleben (2 Kor 4,10–12) In 2 Kor 4,10–12 gewährt Paulus Einblick in sein Verständnis des apostolischen Dienstes, der für seine Existenz bestimmend ist. Innerhalb eines Peristasenkatalogs (4,8–12) kommt er dabei auf Jesu Sterben und Auferstehungsleben zu sprechen, um die Erfahrungen seines Dienstes gleichsam auf diese hin transparent zu machen. Der Text gliedert sich wie folgt: 10a πάντοτε τὴν νέκρωσιν τοῦ Ἰησοῦ ἐν τῷ σώµατι περιφέροντες, 10b ἵνα καὶ ἡ ζωὴ τοῦ Ἰησοῦ ἐν τῷ σώµατι ἡµῶν φανερωθῇ. 11a ἀεὶ γὰρ ἡµεῖς οἱ ζῶντες εἰς θάνατον παραδιδόµεθα διὰ Ἰησοῦν, 11b ἵνα καὶ ἡ ζωὴ τοῦ Ἰησοῦ φανερωθῇ ἐν τῇ θνητῇ σαρκὶ ἡµῶν. 12a ὥστε ὁ θάνατος ἐν ἡµῖν ἐνεργεῖται, 12b ἡ δὲ ζωὴ ἐν ὑµῖν Im apostolischen Wir thematisiert Paulus in zwei formal, aber nicht inhaltlich parallel aufgebauten VV. seine apostolische Existenz in Relation zu Jesu Sterben und Leben. Der erste Teil wird jeweils mit einem Adverb der Zeit eröffnet; ihm folgt ein mit ἵνα eingeleiteter Finalsatz, der den Zweck des jeweils vorangegangenen V. 10a bzw. 11a angibt. In seinem den Gedankengang zu Ende führenden V. 12 bezieht der Apostel die Todeserfahrung seines Dienstes einseitig auf sich, so dass das darin zutage tretende Leben in den Adressaten wirke. Bildlich spricht Paulus davon, dass er die νέκρωσις233 Jesu in seinem Leib umhertrage, was als Anspielung auf seine Missionsreisen gedeutet werden kann. 234 Denn die Erwähnung des σώµα umfasst einerseits sicherlich die andernorts von Paulus thematisierten körperlichen Misshandlungen, verweist jedoch als Synonym für den Menschen Paulus zugleich darauf, wie Tod und Leben Jesu an der Person des Apostels und dessen Dienst, also seiner Existenz, sichtbar werden.235 V. 10a steht nun im unmittelbaren Zusammenhang mit der Rede vom Schatz in irdenen Gefäßen in V. 7, die wiederum rückbezogen ist auf den Dienst des Apostels, wie er ihn in 2 Kor 3 schildert. V. 11a erläutert die Aussage von 10a insofern, als dass in dem Passiv von παραδίδωµι236 die von außen kommende Gefährdung des apostolischen Dienstes zum Ausdruck kommt, wie sie Paulus in Auseinandersetzung mit Gegnern und jüdi233

Dass νέκρωσις hier das Moment des Sterbens inkludiert, betonen z.B. J. LAMNekrōsis, 309.325; H.-J. KLAUCK, 2. Korintherbrief, 45, der mit „Todesleiden“ übersetzt; T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 263. 234 T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 263. 235 Vgl. dazu auch 2 Kor 13,4 (καὶ γὰρ ἐσταυρώθη ἐξ ἀσθενείας, ἀλλὰ ζῇ ἐκ δυνάµεως θεοῦ. καὶ γὰρ ἡµεῖς ἀσθενοῦµεν ἐν αὐτῷ, ἀλλὰ ζήσοµεν σὺν αὐτῷ ἐκ δυνάµεως θεοῦ εἰς ὑµᾶς), wo Paulus das Sein des nachösterlichen Christus mit dem Verb ζάω beschreibt und eine Analogie zwischen sich und dem Erhöhten herstellt. Das Futur ζήσοµεν ist hier als logisches Futur zu verstehen, da sich bei der Annahme eines eschatologischen Futurs die Schwierigkeit ergibt, wie εἰς ὑµᾶς zu verstehen wäre. Mit H.-J. KLAUCK, 2. Korintherbrief, 101, legt sich die Annahme nahe, εἰς ὑµᾶς im Zusammenhang mit einem Wiedersehen der Korinther bei einem geplanten Besuch zu verstehen. 236 Anders T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 264, der das Verb als Passivum divinum auffasst und annimmt, Paulus stelle hiermit eine „implizite Beziehung zur Passion Jesu“ (ebd.) her. Einen Anklang an die Passion möchte auch H.-J. KLAUCK, 2. Korintherbrief, 46, erkennen. BRECHT,

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

schen Gemeinden erfährt. Zugleich wird mit dem Präpositionalausdruck διὰ Ἰησοῦ noch einmal explizit der Grund für die Todeserfahrung genannt. Ziel dieser Todeserfahrung ist das Offenbarwerden der ζωὴ τοῦ Ἰησοῦ am Leib bzw. im sterblichen Fleisch des Apostels (so in wörtlicher Übereinstimmung die Aussagen in 11b und 12b). Das Auferstehungsleben Jesu soll demnach bereits gegenwärtig237 in der der Vergänglichkeit ausgesetzten physischen Existenz des Apostels manifest werden.238 Paulus fungiert also mit seiner ganzen Existenz selber als Offenbarung von Jesu Sterben und Leben.239 Lambrecht fordert zu Recht, dass „one has to interpret Paul carrying in his body the nekrōsis of Jesus and the twofold mention of Jesus’ life manifested in the apostle (2 Cor 4,10–11) in terms of participation, the natural result or effect of his union with Christ.“240 Und obwohl er zu den οἱ ζῶντες gehört – also zu jenen, die analog zu 2 Kor 237

So auch V. F. FURNISH, 2 Corinthians, 283; J. LAMBRECHT, Nekrōsis, 315f.325; Eschatological Outlook, 340.347; H.-J. KLAUCK, 2. Korintherbrief, 46; P. LAMPE, Identification, 935f.; F. J. MATERA, Suffering, 398; T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1 Teilband, 262; J. SCHRÖTER, Apostolat, 689. Den genannten Ansätzen ist gemeinsam, dass sie zwar die Prolepse des endzeitlichen Heils und mithin die gegenwärtige Erfahrbarkeit des Auferstehungslebens betonen; sie nehmen allerdings nicht wahr, dass dieses Phänomen bei Paulus mit der Verwendung der ζῆν-Terminologie einhergeht. Denn ζωή und ζάω gebraucht der Apostel, wenn er die gegenwärtige eschatologisch qualifizierte Existenz seiner selbst und der Glaubenden beschreibt. Sofern dies übersehen wird, können die genannten Ansätze zwar einräumen, dass gegenwärtig etwas vom Auferstehungsleben Christi in die Existenz der Glaubenden hineinscheine, beziehen die Lebensthematik dann aber viel zu schnell und zu undifferenziert auf die Auferstehung, obwohl Paulus diese terminologisch vom „Leben“ unterscheidet und eindeutig auf die Zukunft bezieht. Abzulehnen ist die Deutung von U. HECKEL, Kraft, 254, der zwar annimmt, dass Paulus hier das Leben des Auferstandenen thematisiere, dessen Offenbarwerden aber stark futurischeschatologisch akzentuiert wissen möchte, was seine Argumentation spätestens in Bezug auf V. 12 inkonsistent werden lässt, wenn er einräumen muss, dass „dieses Leben durch die apostolische Verkündigung (...) an den Korinthern wirksam“ würde. M. THEOBALD, Gnade, 218, möchte hierin das Leben des irdischen Jesus sehen und begründet dies mit der Verwendung des Jesus-Namens; jedoch bezieht Paulus „Leben“ ansonsten immer auf den Auferweckten. 238 H. D. BETZ, Concept, 333, hält 2 Kor 4,10–12 für eine Beschreibung christlicher Existenz allgemein, so dass er die Aussagen nicht auf Paulus beschränkt. Anders allerdings in seinem Artikel, DERS., Mensch, 49, in dem er die Qualifikation des Apostels gerade darin begründet sieht, „dass in seiner (sic. des Paulus) Existenz die Kräfte des Todes und Lebens wirksam sind“. Er interpretiert die Antagonismen von Tod und Leben in der glaubenden Existenz als „Manifestation von Tod und Auferstehungsleben Christi“ (a.a.O., 49), wie er zuvor schon in DERS., Concept, 333, davon gesprochen hatte, dass „the contradictions of human existence are not removed from the life of the Christian, but their presence is to be understood as concomitant manifestations of the death and life of Christ.“ 239 Darauf verweist die zweimalige Verwendung des Verbs φανερόω durch Paulus in den VV. 10b.11b. Zu Recht weist J. SCHRÖTER, Apostolat, 689f., dabei auf die dezidiert theologische Vermittlung dieses Geschehens hin, was u.a. an dem zweifach erwähnten Passivum divinum φανερωθῇ deutlich würde. 240 J. LAMBRECHT, Nekrōsis, 326. Er versteht diese Einheit als „a kind of ontological union with Christ“ (a.a.O., 326). DERS.,

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5,15 im Glauben241 eine derart enge Schicksalsgemeinschaft mit Christus eingegangen sind, dass sie durch die Teilhabe an seinem Tod hindurch nun an seinem Auferstehungsleben partizipieren und damit „Lebende“ sind, – wird an ihm der Tod Jesu wirksam, so dass an seinen Adressaten das Auferstehungsleben Jesu zur Wirkung gelangt. Person und Werk des Paulus erscheinen so als Abbild der Proexistenz Christi, dessen Tod, wie Paulus in 2 Kor 5,15a betont, die Bedingung der Möglichkeit für die Inauguration des Auferstehungslebens der Glaubenden darstellt.

Daher hält Hoegen-Rohls zutreffend fest: „Sind die Glaubenden in das wechselseitige Füreinanderleben eingebettet, sind sie in eben diesem Sinne ἐν Χριστῷ, dann erfahren sie die schöpferische Neuheit der καινὴ κτίσις.“242 Dabei stellt die Interpretation der Lebensbegrifflichkeit mit dem Syntagma καινὴ κτίσις einen paulinischen „Neologismus“243 dar. Denn das Syntagma ist vor und neben Paulus nicht belegt, sondern findet sich erst wieder bei den griechischen Kirchenvätern.244 3.3 Das soteriologisch qualifizierte Leben als καινὴ κτίσις 3.3.1 καινὴ κτίσις als „Neuschöpfung“ des Paulus Es handelt sich bei dem Syntagma καινὴ κτίσις aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Neuschöpfung245 des Paulus, da weder vor noch neben seinen Schriften griechische Äquivalente belegt sind und der aus der rabbinischen Literatur stammende Ausdruck „‫“בריה חדשה‬246 aufgrund der Schwierigkeit der Datierung und der Nachweisbarkeit für die Texte der tanaaitischen Zeit247 nicht zur Herleitung für den paulinischen Sprachgebrauch in 2 Kor 5,17 und Gal 6,15 fruchtbar gemacht werden kann. Auch das verbale Äquivalent in 1QHa 5,28f. (13,11f.) (‫ )אולברו חדשות‬eignet sich aufgrund 241 Während das Glauben in 2 Kor 5,14f. implizit in der Rede von Jesu Sterben und seiner Auferweckung anklingt, verweist Paulus hier in 4,13 mit Rückgriff auf Ps 115,1LXX explizit auf das πνεῦµα τῆς πίστεως als Movens seiner Verkündigung. 242 C. HOEGEN-ROHLS, Wie klingt es, 151. 243 So C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 118. 244 Zu den Belegen bei Clemens von Alexandrien, Tertullian und Augustin sowie weiteren Belegstellen bei den Kirchenvätern vgl. M. V. HUBBARD, New Creation, 2 mit Anm. 2. 245 Vgl. hierzu z.B. M. E. THRALL, 2 Corinthians, Vol. I, 423; C. W. STRÜDER, Identität, 191. Daneben sei zur Neuschöpfung exemplarisch auf die Arbeiten von M. V. HUBBARD, New Creation; T. R. J ACKSON, New Creation; C. H OEGEN-ROHLS, Neuheit, 99– 118; U. MELL, Neue Schöpfung; DERS., „Neue Schöpfung“; G. NEBE, Creation; G. SCHNEIDER, „Neuschöpfung“; P. STUHLMACHER, Erwägungen, verwiesen, die sich intensiv mit möglichen traditionsgeschichtlichen Hintergründen zur paulinischen Rede von der Neuschöpfung beschäftigen. 246 Zu den Belegen in der rabbinischen Literatur vgl. U. MELL, Neue Schöpfung, 182 Anm. 7. 247 U. MELL, Neue Schöpfung, 256; G. SCHNEIDER, Idee, 262; M. E. T HRALL, 2 Corinthians, Vol. I, 422; C. W. STRÜDER, Identität, 190f.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

seiner andersartigen Konnotation als „einer eschatologischen Wende am Ende der Zeit“248 nicht als direkte Parallele für die Rede des Apostels. Ebenso wenig lässt sich die Annahme beweisen, dass Paulus den Ausdruck aus der antiochenischen Gemeinde übernommen habe.249 Der Vergleich mit möglichen traditionsgeschichtlichen Parallelen lässt also einerseits erkennen, dass er in einer gewissen Verbindung zur Tradition steht, andererseits ein innovatives Potential entfaltet, indem er die Neuschöpfung konsequent als „Prolepse des endzeitlichen Heils“250 vertritt, die die Existenz der Glaubenden auf der Grundlage von Jesu Tod und Auferweckung251 soteriologisch und ethisch qualifiziert. Das Moment einer kosmischen Erneuerung tritt demgegenüber in der paulinischen Rede von der καινὴ κτίσις zurück.252 Exkurs: Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund und Umfeld der paulinischen Rede von καινὴ κτίσις Dabei ist der Gedanke einer eschatologischen Erneuerung grundsätzlich nicht neu, sondern im kosmischen oder anthropologischen Sinne ein Phänomen, das sich bereits in der alttestamentlichen und frühjüdischen Literatur findet. So bezeugt Tritojesaja die Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, wobei in Jes 65,17 die Bezeugung zwischen der hebräischen und der griechischen Texttradition weit auseinandergeht. So spricht in 1QJesa und in MT (für 1Q8 lässt sich dies aufgrund der Abbruchkante des Fragments nicht sicher verifizieren, ist aber wahrscheinlich, weil die Textzeugen sonst übereinstimmen) Gott als Subjekt (‫ )הִ ְנ ִנ י‬mit dem Verb ‫ ברא‬im Partizip Qal, während LXX stattdessen Himmel und Erde als Subjekt bietet und statt ‫ ברא‬das Futur ἔσται bezeugt. Beiden Texttraditionen ist aber die Betonung der Neuheit von Himmel und Erde gemeinsam (MT: ‫ שָׁ מַ ִי ם חֲדָ ִשׁ ים וָאָ ֶר ץ חֲדָ שָׁ ה‬/ LXX: ὁ οὐρανὸς καινὸς καὶ ἡ γῆ καινή). Dies trifft ebenfalls auf Jes 66,22 zu, wo in einem ‫ ְנ ֻא ם־ ְי הוָה‬das Moment des Bleibens des neuen Himmels und der neuen Erde verheißen werden.253 Hier stimmen MT und LXX darin 248 So U. MELL, Neue Schöpfung, 111: „Gottes eschatologische Neuschöpfung ist das endzeitliche Ziel seines Handelns mit seiner Schöpfung.“ Vgl. ebenfalls M. E. THRALL, 2 Corinthians, Vol. I, 421. 249 U. MELL, Neue Schöpfung, 316, postuliert eine „hell.-urchristliche Formel soteriologischer Neuorientierung“. Jüngst hat er seine Herleitung nochmals ausführlich dargelegt in DERS., „Neue Schöpfung“, 350–356. 250 C. W. STRÜDER, Identität, 194. U. MELL, „Neue Schöpfung“, 348, spricht von καινὴ κτίσις als einer „Gegenwartsbestimmung“. Vgl. auch F. HAHN, Neuschöpfung, 245, der eine Gegenüberstellung von frühjüdischen Erwartungen der Erlösung und „erfüllter Erwartung“ bei Paulus am Beispiel von 2 Kor 5,14–6,2 vornimmt. 251 Das gilt auch für den Gal. 252 Die Vorstellung einer endzeitlichen Erlösung auch der Schöpfung vertritt Paulus hingegen in Röm 8, dort aber ohne Verwendung des Syntagmas καινὴ κτίσις. Vgl. auch die kritischen Überlegungen bei C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 131; G. NEBE, Creation, 120, der für Gal 6,15; 2 Kor 5,17 konstatiert, dass „these pauline passages do not mean the cosmos, the universe, but the Christians.“ 253 Vgl. zum neuen Himmel und zur neuen Erde innerhalb des NT Apk 21,1–5; 2 Petr 3,13. Unter Verweis auf diese futurischen Erwartungen, wie sie zudem Mt 19,28 und Apg

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überein, dass Gott als Subjekt in der 1. Person Singular erscheint, dessen schöpferisches Handeln nicht mit ‫ברא‬, sondern mit ‫ עשה‬bzw. dessen griechischem Pendant ποιέω ausgedrückt wird. Die Verbindung der paulinischen Rede von der Neuschöpfung mit der jesajanischen Tradition zeigt sich darüber hinaus explizit in 2 Kor 5,17b mit seinen Anklängen an Jes 43,18f.LXX. Gemeinsam ist beiden die Betonung der Diskontinuität zwischen Altem und Neuem.254 Eine Verbindung von kosmischer und anthropologischer Dimension der Neuschöpfung klingt zudem in den Schriften vom Toten Meer an, wobei 1QH 5,28f. in einer gewissen Analogie zum griechischen Syntagma καινὴ κτίσις ‫ ולברוא חדשות‬bezeugt und wie Jes 66,22 die Unvergänglichkeit des Neuen akzentuiert.255 256 Als Bestandteil eines Schöpfungshymnus drückt sich in ihr das Bekenntnis der Qumrangemeinschaft aus, dass die Schöpfung „ihren Abschluß“ findet, „wenn die vergängliche creatio originalis in die ewige creatio nova umgebrochen wird.“257 Daneben sei 1QS 4,25 genannt, das statt ‫ברא‬ das Verb ‫ עשה‬benutzt und vom „Schaffen von Neuem“ (‫ )עשות חדשה‬spricht. Die futurischeschatologische Deutung ergibt sich aus dem Bezug der vorangehenden Präposition ‫עד‬ auch auf die Infinitivkonstruktion.258 Für die Schriften von Qumran ist also der futurischeschatologische Horizont der Neuschöpfung charakteristisch.259

3,20f. bezeugen, betont F. HAHN, Neuschöpfung, 246, die Beonderheit der paulinischen Rede von der Neuschöpfung, die die „Gegenwart des Heils“ thematisiert. 254 Vgl. C. W. STRÜDER, Identität, 194–200 (194f.), der ebenfalls den Aspekt der Diskontinuität betont; T. R. J ACKSON, New Creation, 119: „Although 2 Cor 5: 17 is not a direct quotation, its closest verbal and syntactical parallels are found in Isaiah; in particular, in the frequently used Isaianic contrast between the former/old things and new things.“ Allerdings kann daraus nicht auf die kosmische Dimension der καινὴ κτίσις geschlossen werden, wie es Jackson tut. Ebenso vermag sein Anliegen, die paulinische Rede von der Neuschöpfung in Beziehung zu römischen Staatsideologien unter Augustus zu setzen, die die Pax Romana als „renewed creation“ (a.a.O., 79) propagiert hätten, nicht wirklich zu überzeugen, da, wie er selber zugeben muss, die römischen Quellen kein terminologisches Äquivalent zum griechischen Syntagma aufweisen. 255 Vgl. M. E. THRALL, 2 Corinthians, Vol. I, 421; U. MELL, Neue Schöpfung, 111. 256 11Q19 29,9 belegt in einer status constructus-Verbindung die Rede vom ‫יום הבריה‬, die sich im Kontext der Tempelrolle auf den Bau eines neuen Tempels bezieht. U. MELL, Neue Schöpfung, 111, sowie C. W. STRÜDER, Identität, 192 mit Anm. 38, wollen hierin einen „Tag der neuen Schöpfung“ erkennen. M.E. eignet sich 11Q19 29,9 jedoch nicht als traditionsgeschichtliche Parallele, da hier die entscheidende Neuheitsterminologie fehlt. 257 U. MELL, Neue Schöpfung, 100. 258 U. MELL, Neue Schöpfung, 103. So auch J. MAIER, Qumran-Essener I, 177. 259 Dagegen ist nach P. STUHLMACHER, Erwägungen, 13, die „Neuschöpfung (...) keine bloß zukünftige kosmologische Erwartung, sondern sie ist zugleich im Umkreis des Bundes vorausverwirklicht. Dem entspricht der Befund in den Hodajot.“ Als Belegstelle führt er u.a. 1QHa 19,13–17 (11,10–14) an. Stuhlmacher stützt seine Argumentation v.a. auf E. SJÖBERG, Neuschöpfung, 131–136, (STUHLMACHER, Erwägungen, 14 Anm. 45), der sich wiederum auf K. G. KUHN, Palästina, 192–211, beruft (vgl. hierzu auch C. W. STRÜDER, Identität, 194 Anm. 46). Die These Sjöbergs hat seinerseits H. W. KUHN, Enderwartung, zu begründen versucht, mit dem sich U. MELL, Neue Schöpfung, 83–91, kritisch auseinandersetzt. Mell widerlegt die Annahme einer Neuschöpfung in 1 QHa mit Bezug auf 1 QHa 11,22 (3,21) und dem Hinweis, dass dem dort verwendeten Verb ‫יצר‬

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Daneben belegen auch äthHen 72,1 und Jub 4,26 die Vorstellung einer neuen Schöpfung. Die genauen Textstellen sind zwar in beiden Fällen in Qumran nicht belegt, wohl aber ihre unmittelbaren Kontexte, so dass es keinen Grund gibt, sie nicht als Bestandteil der Qumran-Bibliothek zu betrachten. ÄthHen 72,1 eröffnet das sog. Astronomische Buch, das ein Stück alte Henochtradition repräsentiert,260 nach der Henoch in einer Vision von dem Engel Uriel über die Bewegung der Himmelslichter belehrt wird, wobei Siegbert Uhlig darauf verweist, dass mit „der astronomischen Ordnung (...) nicht nur der Ablauf der Monate und Jahre, sondern die gesamte Heilsgeschichte mit all ihren Perioden erfasst“261 sei. In äthHen 72,1 ist die Rede von der neuen Schöpfung deutlich futurischeschatologisch konnotiert, wenn es dort heißt: „Und er zeigte mir all ihre Vorschrift, wie sie ist, und wie alle Jahre der Welt (sind) und bis in Ewigkeit, bis die neue Schöpfung, die bis in Ewigkeit währt, geschaffen sein wird.“262 Dasselbe gilt für das in die Mitte des 2. Jh. v. Chr. zu datierende Jubiläenbuch,263 das teilweise in Qumran bezeugt ist und zudem nach Berger eine „Affinität (...) zu den Qumranschriften“264 aufweist. In Jub 4,26 heißt es in dem ausschließlich in äthiopischer Sprache erhaltenen Fragment: „Denn vier Orte der Erde gehören dem Herrn: Der Garten Eden und der Berg des Morgens und dieser Berg, auf dem du heute bist, der Berg Sinai, und der Berg Sion wird geheiligt werden in der neuen Schöpfung zur Heiligung der Erde. Deswegen wird die Erde von aller Unreinheit und von aller Sünde geheiligt werden in den Generationen der Welt.“265 Die Vorstellung einer zukünftig erwarteten Erneuerung der Schöpfung findet sich ebenfalls in den apokalyptischen Schriften 4 Esr und im syrischen Baruch (3 Bar), die jedoch beide erst in christliche Zeit zu datieren sind. In 4 Esr 7,75, einer um 100 n. Chr. entstandenen Apokalypse, bittet Esra im Dialog mit dem Engel Uriel im Kontext der dritten geschilderten Vision (6,35–9,25)266 um Auskunft über das Schicksal der Seele nach dem Tod: „Wenn ich Gnade gefunden habe vor dir, Herr, zeige auch deinem Knecht, ob wir nach dem Tod, wenn nun jeder von uns seine Seele zurückgeben muß, in Ruhe aufbewahrt bleiben, bis jene Zeiten kommen, in denen du beginnst, die Schöpfung zu erneuern; oder ob wir sofort gepeinigt werden.“267 3 Bar, wahrscheinlich nach 4 Esr

nicht die Bedeutung neu erschaffen eigne (a.a.O., 85) und ‫ להתחדש‬in 1QHa 19,16 (11,13) einerseits aktivisch übersetzt werden müsse und sich zudem vom Kontext her die Deutung nahe lege, dass „der Qumranfromme an der permanenten Erneuerung der Welt“ teilnehme (a.a.O., 91). Zur Diskussion weiterer Belege aus Qumran, die zwar im weitesten Sinne das Phänomen Neuschöpfung thematisieren, aber letztlich nicht als traditionsgeschichtliche Vergleichsgrößen herangezogen werden können und daher hier nicht erwähnt werden, vgl. C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 110f. 260 S. UHLIG, Äthiopisches Henochbuch, 636. 261 S. UHLIG, Äthiopisches Henochbuch, 638 Anm. g. 262 Übersetzung nach S. UHLIG, Äthiopisches Henochbuch, 638. 263 Vgl. zur Datierung und Überlieferung des Jubiläenbuches C. W. STRÜDER, Identität, 191 mit Anm. 34. Zu Jub 4,26 ist kein griechisches Äquivalent erhalten, so dass allein die äthiopische Version Textgrundlage sein kann. 264 K. B ERGER, Jubiläen, 295. Vgl. weiter a.a.O., 186, mit einer detaillierten Auflistung der in Qumran gefundenen hebräischen Fragmente des Jub. 265 Übersetzung nach K. BERGER (a.a.O., 346). 266 Vgl. zur Textüberlieferung, Datierung und zum theologischen Charakter J. SCHREINER , 4. Esra, 291–306. 267 Übersetzung nach J. SCHREINER, 4. Esra, 352.

3. Glaube und Leben im 2 Kor

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entstanden,268 thematisiert an drei Stellen die zukünftig erwartete Erneuerung. Dabei wird das Objekt der Erneuerung einmal als „Schöpfung“ bezeichnet (32,6) und zweimal als „Welt“ (49,12; 57,2).269 Am nächsten kommt der paulinischen Rede von der Neuschöpfung die alttestamentliche Überlieferung, die eine anthropologische Neuschöpfung bezeugt, wie Ps 51,12 (50,12LXX) und Ez 36,26a. So findet sich in Ps 50,12LXX das Verb κτίζω bzw. in MT ‫ ;ברא‬zudem weisen sowohl der hebräische wie der griechische Text die Neuheitsterminologie (‫חדש‬/ἐγκαινίζω) auf. Gegenstand der Schöpfung ist jeweils das Herz, dem mit parataktischem καί die Bitte um die Gabe eines neuen Geistes beigeordnet ist. Das neue Herz und der neue Geist (‫שׁ ה‬ ֖ ָ ָ‫ לֵ ֣ב חָ ָ֔ד שׁ וְ ֥ר וּחַ חֲד‬/ καρδίαν καινὴν καὶ πνεῦµα καινὸν) werden zudem in Ez 36,26 erwähnt, wobei das neue Herz in V. 26b näher erläutert wird als καρδίαν σαρκίνην, das an die Stelle des zu diesem in Gegensatz stehenden καρδίαν (τὴν) λιθίνην tritt. Mit der Gabe des neuen Herzens und des neuen Geistes vollzieht sich bei Ezechiel die „Neuwerdung des Volkes.“270 „Unter dem neuen Tun Jahwes verändert“ sich der Mensch: er wird befähigt für den „neue(n) Wandel“, der durch Gehorsam gegenüber Gott und das Halten seiner Gebote bestimmt ist.271 272 Sowohl der Psalmbeter als auch das Prophetenwort vertreten eine anthroplogische Dimension der Neuschöpfung, die sich innergeschichtlich verwirklicht und sich darin von der apokalyptisch geprägten Erwartung einer kosmischen (und anthropologischen) Erneuerung im Zusammenhang mit dem Weltende unterscheidet. Darin besteht die größte Nähe zu Paulus.273 Allerdings erschöpft 268

Vgl. dazu die Überlegungen bei A. F. J. KLIJN, Syrische Baruch-Apokalypse, 113f. A. F. J. KLIJN, Syrische Baruch-Apokalypse, 162. 270 W. ZIMMERLI, Ezechiel, 2. Teilband, 878. 271 W. ZIMMERLI, Ezechiel, 2. Teilband, 879. Zu V. 27 bemerkt Zimmerli, dass der Geist die Kraft sei, durch die „das neue Wesen seine volle Kraft gewinnen“ werde. M. GREENBERG, Ezechiel 21–37, 439, betont das extra nos der Erneuerung Israels im Exil, die das Volk durch das Eingreifen Gottes für ein Leben im Land befähigen soll, wozu es selber nicht in der Lage sei. 272 Wie bei Ez spielt auch bei Jer das Herz eine zentrale Rolle bei der Restauration Israels, und hier wie dort ist diese mit dem Halten der Gebote bzw. der Tora verbunden (vgl. Jer 31,31–34MT/38,31–34LXX; Jer 32,37–41). Dabei variieren die Begrifflichkeiten. Überzeugend zeigt M. GREENBERG, Ezechiel 21–37, 439f., an sprachlichen Besonderheiten auf, dass in Ez, anders als in Jer 31,31–34 (für Greenberg der Ursprung der Motive in Ez), „Israels Wiederherstellung nicht mehr die Antwort des gnädigen Gottes auf den menschlichen Wunsch nach Versöhnung“ ist. Sie werde „dem widerspenstigen Israel geradezu aufoktroyiert, weil sie für die Rettung von Gottes heiligem Namen erforderlich war“ (a.a.O., 439; vgl. weiter a.a.O., 436). 273 Zu Recht weisen M. E. THRALL, 2 Corinthians, Vol. I, 422, sowie U. MELL, „Neue Schöpfung“, 349, Belege aus dem rabbinischen Schrifttum, die einen Proselyten mit einem „neugeborenen Kind“ vergleichen, als Analogie zum paulinischen Neuschöpfungsgedanken zurück (zu Literaturangaben vgl. U. MELL, „Neue Schöpfung“, 349 mit Anm. 20). Der entscheidende Unterschied liegt nach Mell darin, dass hier ein Vergleich vorgenommen wird, während bei Paulus „jede Vergleichspartikel“ (a.a.O., 349) fehlt. Anders P. STUHLMACHER, Erwägungen, 16, der hierin eine Neuschöpfungsvorstellung als „Neugeburt“ erkennt und bei seiner Auslegung zur Neuschöpfung bei Paulus (a.a.O., 27– 29) der Eindruck entsteht, dass er hierin durchaus eine Parallele zu den präsentischen, anthropologisch konzentrierten Aspekten der Neuschöpfungsvorstellung bei Paulus zu erkennen scheint, wenn er die paulinische Neuschöpfung vor dem Hintergrund einer von 269

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

sie sich darin, bilden doch Kreuz und Auferweckung die Eckdaten für die paulinische Rede von der καινὴ κτίσις.274 Eine weitere interessante Analogie zur καινὴ κτίσις bei Paulus findet sich im hellenistischen Roman Joseph und Aseneth.275 In ihm ist zwar nicht explizit von der Neuschöpfung die Rede, aber die Bekehrung bzw. das Zum-Glauben-Kommen der Aseneth wird als Wiederbelebung und als Erneuerung bezeichnet. Dies zeigt sich in der Begrifflichkeit wie der Verwendung von ἀναζῳοποιεῖν und von ἀνακαινίζειν im Blick auf die Bekehrung der Aseneth (JosAs 8,9; 15,5), für die sich deren Verwandte bei Gott als τῷ θεῷ τῷ ζῳοποιοῦντι τοὺς νεκρούς (JosAs 20,7) bedanken.276 Erneuerung ist hier wie bei Paulus als in der Gegenwart geschehen vorgestellt, die ermöglicht wird durch das schöpferische Handeln Gottes.277 Zudem erscheint ‚Leben‘ wie bei Paulus als relationaler Begriff,278 der in der Fähigkeit des Lebendigmachens die Gottheit Gottes zum Ausdruck bringt, an der der Mensch infolge seiner Bekehrung Anteil gewinnt (JosAs 8,9). Gemeinsam ist beiden Schriften auch die theozentrische Rede von der Neuschöpfung, wenngleich diese bei Paulus christologisch vermittelt und auf die Bedeutung von Kreuz und Auferweckung bezogen ist.279 In jedem Fall weist aber der hellenistische Roman mit der Rede vom Tote lebendig machenden Gott eine Nähe zu einem christlichen Sprachgebrauch auf, wie er innerhalb des neutestamentlichen Kanons lediglich bei Paulus und Joh zu finden ist.280 Das paulinische Spezifikum der Rede von der Neuschöpfung besteht also darin, dass sie entgegen einer starken apokalyptisch geprägten Tradition, die eine kosmische und anthropologische neue Schöpfung in der Zukunft erwartet, Übereinstimmungen mit einer

ihm sog. „Parallelität von apostolischer Berufung und christlicher Taufe“ (a.a.O., 27) erörtert. 274 U. MELL, „Neue Schöpfung“, 349, erkennt zwar zutreffend „in der Deutung von Christi Totenauferweckung“ den „positive(n) Grund von ‚neuer Schöpfung‘ als Beschreibung einer fundamentalen Zäsur“, übersieht jedoch mit der Betonung auf einer „Wende der Welt“ die anthropologische Akzentsetzung der Neuschöpfung bei Paulus. Diese wiederum erkennt zutreffend T. KNÖPPLER, Sühne, 154, dessen Ablehnung jeglicher Anlehnung des Paulus an verbreitete Neuschöpfungsvorstellungen sich jedoch als zu undifferenziert erweist (vgl. a.a.O., 153f.). 275 Zur Datierung von JosAs zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und 132–135 n. Chr. vgl. C. BURCHARD, Joseph und Aseneth, 614. 276 Vgl. hierzu C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 112f.; C. W. STRÜDER, Identität, 192f.; P. STUHLMACHER, Erwägungen, 17–19; C. ZIMMERMANN, Namen, 352.432f. 277 Vgl. hierzu JosAs 8,3; 12,1f. sowie die Auslegung hierzu bei C. ZIMMERMANN, Namen, 351f.432f. 278 Dabei steht auch bei JosAs das Pneuma in Relation zum Leben (JosAs 19,11). Vgl. hierzu P. STUHLMACHER, Erwägungen, 18f. 279 Darauf verweist auch G. NEBE, Creation, 124, der Paulus in einen weiten Strom von Traditionen stellt, aber zugleich in der Rede von Kreuz und Auferweckung die differentia specifica erkennt. Neben den genannten möglichen traditionsgeschichtlichen Hintergründen nennt Nebe zudem die Mysterienreligionen und möchte einen Link zwischen Initiation und Neuschöpfung in der Taufe herstellen (a.a.O., 125). Das muss allerdings aufgrund mangelnden Quellenmaterials spekulativ bleiben. 280 Darauf verweist auch C. ZIMMERMANN, Namen, 433, und nennt als weiteren Beleg 4Q521 frg.2 II 12, bei dem jedoch kontrovers diskutiert wird, ob es sich um eine bildliche oder reale Auferstehung handelt.

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wesentlich weniger prominent bezeugten Denkweise bietet, die eine sich innergeschichtlich verwirklichende, präsentisch konnotierte Erwartung einer anthropologischen Erneuerung vertritt. Paulus versteht dabei die zukünftig erwartete Äonen-Wende als im Christusgeschehen ereignet und legt den Akzent auf den soteriologischen Gewinn für die Glaubenden. Dabei verweist er durchgängig auf Gott als handelndes Subjekt,281 so dass der Rede von der καινὴ κτίσις „eine Schlüsselfunktion“ zukommt, wie Hoegen-Rohls ausgeführt hat, „da sie den sachlichen Hiat zwischen ἀποθνῄσκειν und ζῆν schöpfungstheologisch überbrückt. Das heißt, Paulus kann durch die Rede von der καινὴ κτίσις begründen, wie und wodurch das inklusive Sterben Jesu zum Leben der Glaubenden wird: indem Gott seine Schöpferkraft aktiviert und aus dem Tode neues Leben schafft.“282

3.3.2 Die Lebenden als καινὴ κτίσις (2 Kor 5,17) Nachdem die vorhergehende Analyse gezeigt hat, dass nach Paulus diejenigen καινὴ κτίσις sind, die für den leben, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde, soll im Folgenden V. 17 besprochen werden, bevor dann weitere Aspekte der Neuschöpfung in den VV. 16.18–21 dargestellt werden sollen. In V. 17 heißt es: 17a ὥστε εἴ τις ἐν Χριστῷ, 17b καινὴ κτίσις· 17c τὰ ἀρχαῖα παρῆλθεν 17d ἰδοὺ γέγονεν καινά „Neuschöpfung“ erscheint in 2 Kor 5,17 als die existenziale Folge der als apokalyptische Äonen-Wende283 gedeuteten Ereignisse um Jesu Tod und Auferweckung. Darauf verweist Paulus sowohl mit den Adverbien µηκέτι (V. 15) und νῦν (V. 16) als auch durch den Anklang an das Prophetenwort Jes 43,18f., dass das Alte vergangen und Neues geworden sei (V. 17).284 281

Zur theozentrischen Struktur vgl. auch exemplarisch R. SÄRKIÖ, Versöhnung, 33.37f., sowie H. B OERS, 2 Corinthians 5:14–6:2, 538f. 282 C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 125, die zudem darauf verweist, dass Paulus „bewusst“ das Nomen κτίσις verwendet habe, da dieses „sowohl den göttlichen Schöpfungsakt, als auch dessen Ergebnis, das vollbrachte Schöpfungswerk, bezeichnen kann.“ 283 Aufgrund der universal intendierten Heilsabsicht des Todes Jesu eignet der Neuschöpfung trotz ihrer anthropologischen Akzentuierung durch Paulus eine kosmische Dimension. Ähnlich J. SCHRÖTER, Versöhner, 286. Die Vorstellung der Neuschöpfung im Zuge einer apokalyptischen Äonenwende kann als weiteres Argument für die Deutung des Todes Jesu vor dem Hintergrund des Denkmodells einer corporative personality bzw. einer Schicksalsgemeinschaft gewertet werden, da dieselbe Vorstellung in der AdamChristus-Typologie in Röm 5,12–21 vorliegt. Vgl. dazu Kap. III.4.2.1 dieser Arbeit. 284 Die Gegenüberstellung von alt und neu und die verwendeten Tempora Aorist (παρῆλθεν) und Perfekt (γέγονεν), mit denen Paulus das definitive Ende des Alten und die die Gegenwart bestimmende Neuheit der Schöpfung zum Ausdruck bringt, führt dazu, dass die Rede von der Neuschöpfung dieselbe temporale Abfolge widerspiegelt, wie sie in der bildlichen Rede vom erfolgten Tod der Glaubenden und ihrer jetzigen Identität als Lebende zu erkennen ist (VV. 14f.).

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Auf diese Weise tritt ein Aspekt der Diskontinuität der Neuschöpfung zu Tage,285 bei der es sich für Paulus nicht um eine bloße Wiederholung des Schöpfungshandelns Gottes handelt, sondern um eine eigene Kreation aus dem soteriologisch gedeuteten Tod Christi heraus, die das ursprüngliche Schöpfungshandeln Gottes überbietet. In diesem eschatologisch qualifizierten Leben manifestiert sich Gottes versöhnendes Handeln in Christus. Das Moment der Kontinuität bilden also allein Gott als der Schöpfer, der die neue Schöpfung verheißen hat, sowie Christus als Schöpfungsmittler, während sich der neu erschaffene Mensch in absoluter Diskontinuität zu seinem Sein außerhalb von Christus versteht, wie es Paulus in 2 Kor 5,14f. dargelegt hatte. Demnach setzte die Neuschöpfung bzw. das soteriologisch qualifizierte Leben das Sterben gegenüber sich selbst voraus, indem die Lebenden am Tod Jesu partizipieren und damit befreit wurden zu einem neuen Sein als Leben aus dem Tod. Dieses charakterisiert Paulus als ‚leben für‘ den gekreuzigten Auferstandenen. Daher betont Paulus in 2 Kor 5,14f.17 die Notwendigkeit eines Sterbens des ‚alten Menschen‘, das sich im Tod Jesu ereignete, als Voraussetzung für das ‚Leben‘. Am Glaubenden ereignet sich das Schicksal Jesu. Das neue Sein als καινὴ κτίσις versetzt die Glaubenden in eine solch enge Bindung zum Auferstandenen, dass Paulus von ἐν Χριστῷ spricht,286 so dass zugleich eine ekklesiale Konnotation der Neuschöpfung im Zusammenhang mit der Taufe mit anklingt.287 Die Schicksalsgemeinschaft in Jesu 285

Zur Forschungsdiskussion im „Trilemma zwischen Ersatz, Überbietung und Wandlung“ vgl. C. W. STRÜDER, Identität, 195f.; vgl. weiter J. B UCHEGGER, Erneuerung, 139, der ebenfalls die Diskontinuität betont, wenn er von einem „Bruch“ und „Neuanfang“ spricht; so auch K. KERTELEGE, „Neue Schöpfung“, 142: „antithetische Überbietung“; E. REHFELD, Relationale Ontologie, 252–254; J. SCHRÖTER, Versöhner, 288. Vgl. weiter C. HOEGEN-ROHLS, Wie klingt es, 150, der es gelingt, anhand klangstilistischer Beobachtungen die Diskontinuität zwischen Altem und Neuem sowie die Betonung der Neuheit bei Paulus nachzuzeichnen. 286 Mit C. W. STRÜDER, Identität, 198, ist τις ἐν Χριστῷ metonym zu καινὴ κτίσις zu verstehen. 287 C. W. STRÜDER, Identität, 199, wendet das Sein in Christus auf die „Zugehörigkeit zur Kirche“ an; ähnlich auch K. KERTELEGE, „Neue Schöpfung“, 142; G. NEBE, Creation, 123. R. SÄRKIÖ, Versöhnung, 33, wendet dagegen zu Recht ein, dass es „nicht nur um eine Zugehörigkeit zu einer christlichen Gruppe“ gehe. Paulus verwende die Bezeichnung In-Christus, „um die Verbindung mit Christus zum Ausdruck zu bringen.“ Zum Verhältnis von Taufe und Sein in Christus vgl. G. SCHNEIDER, „Neuschöpfung“, 368f., der von Taufe als „Einverleibtsein in die Auferstehungsexistenz Christi“ spricht. Vgl. weiter U. SCHNELLE, Gerechtigkeit, 111; DERS., Transformation, 69. Reduktionistisch erweist sich dagegen der Ansatz von P. LAMPE, Rede, 28–30, Neuschöpfung ausschließlich an die Sakramente von Taufe und Abendmahl rückbinden zu wollen; dasselbe Problem besteht bei U. SCHNELLE, Transformation, 69 und DERS., Gerechtigkeit, 111. Positiv dagegen K. KERTELEGE, „Neue Schöpfung“, 141, der explizit auf „Christusglaube und

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Tod und die daraus ermöglichte Teilhabe der Glaubenden an dessen Auferstehungsleben wirkt also in doppelter Hinsicht identitätsstiftend:288 individuell (εἴ τις ἐν Χριστῷ) und sozial (εἴ τις ἐν Χριστῷ).289 In der Folge kann Paulus die Christen in 2 Kor 5,15 mit einem substantivierten Partizip als οἱ ζῶντες bezeichnen, während er sie sonst zumeist οἱ πιστεύοντες nennt.290 Individuell zeigt sich die Neuschöpfung als Erneuerung der Identität der Glaubenden.291 Paulus definiert sie durch die „lokale( ) Zugehörigkeit zum Taufe“ als Voraussetzungen für die Neuschöpfung verweist und von einem „glaubenstheologische(n) Zusammenhang“ (a.a.O., 141) spricht. 288 Abgelehnt dagegen von U. MELL, „Neue Schöpfung“, 350, der eine „Verwandlungsbehauptung des Menschen eindeutig als Über- und ein(en) Bezug zur Tauftheologie als Fehlinterpretation“ wertet. Er möchte die Neuschöpfungs-Vorstellung auf die Bedeutung beschränken, „daß Christlichkeit für Paulus als neue Setzung, Norm bzw. Verfassung konstruiert ist“, was zweifellos für 2 Kor 5,17 und Gal 6,15 zutrifft, aber sich nicht darin erschöpft. 289 Hier wäre die ekklesiale Dimension des ἐν Χριστῷ im Sinne von 1 Kor 12; Röm 12 betont. Darauf verweist auch K. KERTELEGE, „Neue Schöpfung“, 141f. 290 M. E. THRALL, Understanding, 297, fragt, welche anthropologischen Vorstellungen Paulus verwendet, um die Neuschöpfung im Glaubenden zu lokalisieren. Sie stellt hierzu eine Verbindung zum ἔσω ἄνθρωπος in 2 Kor 4,16 her und gelangt zu dem Schluss: „We could suppose that Paul might see this ‚inner person‘ as the human point of origin whence the new creation, the καινὴ κτίσις, begins to develop.“ Der Verweis auf die tägliche Erneuerung des inneren Menschen sollte bei Paulus vom unmittelbaren Kontext her verstanden werden, insbesondere von 2 Kor 4,10f. (siehe dazu weiter unten). Thralls Deutung wird dem Duktus von 2 Kor 5,14–17 jedoch nicht gerecht. Denn hier verweist Paulus explizit auf das „in Christus“ als Ort für die Neuschöpfung. Vgl. die fundierte Analyse von H. D. B ETZ, Concept, der die Rede vom ἔσω ἄνθρωπος durch Vergleich mit antiken Quellen als paulinischen Begriff identifiziert, den dieser erst in der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern im 2 Kor entwickelt habe, und sich für eine Deutung des Ausdrucks vom Kontext her ausspricht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der ἔσω ἄνθρωπος „does not have a higher status than the ἔξω ἄνθρωπος, but both are the two aspects of the same ἄνθρωπος“ (a.a.O., 334). Paulus beschreibe mit den Bezeichnungen innerer und äußerer Mensch „the contradictions of human life in this world“ (a.a.O., 334). Die nächste Parallele hierzu erkennt er in Platos Beschreibung des Sokrates (Plato, Symp. 215a–c). 291 C. W. STRÜDER, Identität, 209, betont zwar, dass sich „ein wirklicher Wandel in der Identität der Gläubigen vollzogen“ habe. Dennoch bleibt seine Rede von einer „Identität im Wandel“ begrifflich schwammig, da in ihr das Moment der Kontinuität bzw. eines Ineinanders von alter und neuer Identität anklingt. Daher soll präzisierend von „Erneuerung der Identität“ gesprochen werden. Mit U. SCHNELLE, Transformation, 71, soll betont werden, dass „nicht nur ein neues Seinsverständnis, sondern das neue Sein (...) im umfassenden Sinn“, „ein effektives Geschehen“ (a.a.O., 72) gemeint sei. Etwas blass erscheint C. STRECKER, Theologie, 454, wenn er die Glaubenden bei Paulus als „Schwellenwesen, die weder hier noch dort sind“ bezeichnet, wenngleich ihm grundsätzlich zugestimmt werden muss bei der Annahme, dass „die Dynamis der Auferstehung Christi (...) bereits jetzt in die Existenz der Christusgläubigen“ einwirkt, sie „transformiert“ und „ihnen eine von den Strukturen und Todesmächten dieser Welt separierte, wenn auch

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Raum des Christusgroßgeschehens“292, der für die Glaubenden einen „Heils- und Lebensraum“293 im „Lebensbereich Christi“294 bildet. In ihrer Zugehörigkeit zu Christus wird ihnen „Heil und Leben als gegenwärtige Kraft vom erhöhten Herrn“295 zuteil, so dass in ihnen die „Auferstehungskräfte“ wirken.296 Wie Gott Christus von den Toten auferweckt hat, so hat er die Glaubenden neu erschaffen, so dass ihre christliche Existenz – die Relation zum πιστεύειν klingt in den Aussagen der Glaubenssummarien an – ihr Auferstehungsleben inauguriert.297 Es ist auffällig, dass Paulus nicht von Auferstandenen spricht. Daran wird erneut deutlich, dass der Apostel auf dem Hintergrund der Glaubenssummarien seine Verwendung der Lebensterminologie entfaltet, um damit die Gegenwart der soteriologisch qualifizierten Existenz auszudrücken. Und sofern die Glaubenden neue Schöpfung sind, in der sich die Vorwegnahme des endzeitlichen Heils ereignet hat, verbürgt die Bezeichnung οἱ ζῶντες den Glaubenden Leben über den physischen Tod hinaus, ohne dass Paulus dies hier – anders in Röm 14,7–9 – explizit sagen muss. In sozialer Hinsicht zeichnet sich der Lebensbegriff des Paulus durch seine Relationalität aus: Die Hineinnahme der Glaubenden in das Aufernoch nicht völlig ungefährdete liminale Existenz bis zur endgültigen Aggregation bei der Wiederkunft des Herrn“ ermöglicht. Er betont damit zu Recht die Anforderungen und Gefährdungen glaubender Existenz, was allerdings zuweilen dazu führt, dass er die Gegenwart des Heils bei Paulus vernachlässigt. Vgl. dazu Kap. III.4.2.2 in dieser Arbeit. Zur Kritik hieran vgl. weiter C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 126. Dieselbe Kritik kann gegenüber S. M. LEE, Cosmic Drama, 300f., geäußert werden, der Neuschöpfung als Prozess verstehen will, in dem das Alte mit und mit vergehe. Genau das widerspricht jedoch der Aussage von V. 17b. 292 So die Deutung der Präpositionalwendung ἐν Χριστῷ bei U. MELL, „Neue Schöpfung“, 356. „Lokal-seinshaft“ deutet auch U. SCHNELLE, Transformation, 69, die Wendung, wenn er ἐν Χριστῷ als „Raum, in dem sich seinshafte Veränderungen vollziehen und gelebt werden“, bezeichnet. Einen Überblick über die Forschungsgeschichte und verschiedene Deutungsmöglichkeiten bietet E. REHFELD, Relationale Ontologie, 233– 241; auf die Notwendigkeit, die Bedeutung des Präpositionalausdrucks vom jeweiligen Kontext her zu erschließen, verweist zu Recht L. KLEHN, Verwendung, 77, der zudem zu Recht auf die „ontologische Dimension“ der Wendung hinweist. 293 R. FELDMEIER, Macht, 97. 294 U. SCHNELLE, Transformation, 72, der zudem vom „Heilsraum des Christus“ spricht und die Neuschöpfung „von den Lebenskräften des Auferstandenen“ bestimmt sieht. K. KERTELGE, „Neue Schöpfung“, 141, redet von einer „Lebensgemeinschaft mit ihm (sic. Christus) und in ihm“. Vergleichbar auch G. SCHNEIDER, „Neuschöpfung“, 368, der das „in Christus“ als „Lebens- und Schicksalsgemeinschaft mit dem Auferstandenen“ auffasst, was zudem eine passende Wiedergabe der Aussagen in 2 Kor 4,10–12 darstellt. 295 F. HAHN, Neuschöpfung, 249. 296 U. SCHNELLE, Transformation, 71. 297 Unzutreffend hingegen R. SÄRKIÖ, Versöhnung, 31, die von „in Christus auferstandenen Menschen“ spricht.

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stehungsleben Christi, auf die Paulus mit dem Präpositionalausdruck ἐν Χριστῷ verweist, lässt die neue Schöpfung der Glaubenden letztlich auch als eine durch Christus ermöglichte Gottesbeziehung untereinander erscheinen.298 Dem Lebensbegriff des Paulus eignet demnach ein relationales Moment, das der Apostel keineswegs auf die vertikale Dimension christlicher Existenz beschränkt. Vielmehr erfahren seine soteriologisch begründeten Aussagen über das Verhältnis Gott-Christus-Mensch eine Ausdehnung auf die horizontale Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen, die, wie V. 16 zeigt, die Erkenntnis betrifft und die sich wiederum gleichermaßen auf Christus und Mitmensch bezieht.299 3.3.3 Neuschöpfung und neue Erkenntnis (2 Kor 5,16) Das neue Sein der Glaubenden als Neuschöpfung umfasst eine neue Weise der Erkenntnis und der damit verbundenen Beurteilung. Paulus thematisiert sie in V. 16 als Konsequenz300 der Lebensausrichtung auf den Auferweckten: 16a Ὥστε ἡµεῖς ἀπὸ τοῦ νῦν οὐδένα οἴδαµεν κατὰ σάρκα· 16b εἰ καὶ ἐγνώκαµεν κατὰ σάρκα Χριστόν, 16c ἀλλὰ νῦν οὐκέτι γινώσκοµεν. Niemanden, οὐδένα, kennt jener κατὰ σάρκα (V. 16a),301 der für denjenigen lebt, der für ihn gestorben und auferweckt worden ist. Dasselbe gelte nun auch für die Erkenntnis Christi, den Paulus einst κατὰ σάρκα (16b) gekannt habe, nun aber nicht mehr auf diese Weise kenne. Was für alle Glaubenden bezüglich der Erkenntnis des Mitmenschen gilt, konkretisiert Paulus – will man mit Schmeller diesen Schluss aus einem argumentum e silentio ziehen – an seiner eigenen Person in Bezug auf seine Beurteilung Christi vor und nach seiner Lebenswende.302 Er scheint 298

Christus fungiert hier, wie I. R. KITZBERGER, Perspektiven, 163f., festhält, als „Schöpfungsmittler“ wie er aus der jüdischen Weisheitstradition bekannt ist. 299 Mit T. KNÖPPLER, Sühne, 153, kann Neuschöpfung als „Verfaßtheit menschlichen Lebens“ bezeichnet werden, die „ihr (sic. der Glaubenden) neues Leben bestimmt“. Er hält damit die ethische und soteriologische Qualifikation der καινὴ κτίσις zusammen. 300 Den konsekutiven Anschluss von V. 16 auf V. 15 ebenso wie von V. 17 auf die VV. 15–16 signalisiert die die VV. 16 und 17 einleitende Konjunktion ὥστε. 301 κατὰ σάρκα ist in beiden Fällen adverbiale Ergänzung. So mit der Mehrheit der Ausleger, vgl. exemplarisch die Begründung und Diskussion bei T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 324f.; F. HAHN, Neuschöpfung, 249. Einen Überblick über die Forschungsgeschichte dieser umstrittenen Stelle, die fälschlicherweise dazu benutzt wurde, die Frage nach dem historischen Jesus für nutzlos zu erklären, bietet O. BETZ, Christuserkenntnis. 302 T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 325f., bezieht die 1. Person Plural auf den Apostel und sieht in V. 16 eine Anspielung auf die Bekehrung des Paulus. Habe dieser Jesus vor seiner Lebenswende als „gescheiterte(n) (...) Messiasprätendent(en)“

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damit zugleich sich und seine Adressaten von jenen Konfliktpartnern abzugrenzen, die nach menschlichen, also nach Maßstäben κατὰ σάρκα, handeln und urteilen.303 Denn die „Kreuzestheologie (...) lehrt, die Wirklichkeit von dem im Gekreuzigten offenbar werdenden Gott her zu verstehen und daran sein Denken und Handeln auszurichten. Menschliche Wertungen, Normen und Klassifizierungen erhalten vom Kreuz Christi her eine neue Deutung, denn Gottes Werte sind die Umwertung menschlicher Werte.“304 Aus dem gemeinsamen Glaubensbekenntnis und dessen existentialer Applikation auf die Glaubenden resultiert für Paulus eine neue Sichtweise, die die bisherige menschliche Erkenntnisweise und die Kriterien zur Beurteilung des Nächsten grundlegend verändert. Die Glaubenden „lassen sich vom Lebensprinzip der ,neuen Schöpfung‘ bestimmen“ als die ihren „Lebenswandel bestimmende Norm“.305 Diese „neue( ) Realität“306 resultiert im Kontext von 2 Kor 5,14f. aus der Deutung des Todes Jesu aus Liebe sowie aus der Teilhabe der Glaubenden an Jesu Tod und Auferweckung, die deren Neuschöpfung ermöglicht.307 Begreift sich glaubende Existenz mithin selber vor dem Hintergrund von Jesu Tod und Auferweckung, dann hat das zur Folge, auch den Nächsten308 als jemanden zu betrachten, für den Christus gestorben ist (vgl. auch Röm 14,15). Zudem dürfte der Vergekannt, so habe „die Erfahrung bei Damaskus dieses Urteil auf den Kopf gestellt“ (a.a.O., 325). Ebenso O. B ETZ, Christuserkennntis, 121f. Schmeller hat zu Recht herausgestellt, dass der zweite Versteil auf Paulus zu beziehen ist. Allerdings ist das erste ἡµεῖς doch eher als Bezeichnung aller Glaubenden zu verstehen. Auch J. SCHRÖTER, Versöhner, 283f., bezieht V. 16b auf den Apostel, bezieht die Erkenntnis κατὰ σάρκα allerdings nicht auf das Messiasbild des Paulus, sondern auf dessen Verfolgertätigkeit. Beides ist plausibel, und aufgrund fehlender Erläuterungen aus dem Text lässt sich die Ansicht des Paulus nicht konkreter rekonstruieren. 303 Dies dürfte identisch mit dem sein, was er in V. 12 als ἐν προσώπῳ καυχάοµαι kritisiert. So mit T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 325. 304 U. SCHNELLE, Transformation, 63. 305 K. KERTELEGE, „Neue Schöpfung“, 141. 306 So J. SCHRÖTER, Versöhner, 285; vgl. hierzu auch die konstruktivistisch-wissenssoziologischen Überlegungen bei P. LAMPE, Rede, der zeigen möchte, dass nach der Theorie des Konstruktivismus dem christlichen Wirklichkeitsverständnis derselbe ontologische Status eignet wie einem naturwissenschaftlichen. K. KERTELGE, „Neue Schöpfung“, 140, bestimmt Neuschöpfung als „neue Lebenswirklichkeit, die ‚das Alte‘ als Ausdruck einer vergangenen ‚Werteordnung‘ überholt“. 307 C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 125, bezeichnet die neue Sichtweise des Glaubens im Kontext der Neuschöpfung als „Ergebnis göttlichen Schaffens“. F. HAHN, Neuschöpfung, 249, betont, dass das neue Erkennen nicht mehr „unabhängig oder gelöst vom Glauben und der Eingliederung in den Leib Christi“ geschehen könne. 308 Treffend hält O. BETZ, Christuserkenntnis, 117f., fest, dass „die Erkenntnis des Christus nicht etwa ein Spezialfall einer neuen Sicht des Menschen allgemein“ sei, „sondern umgekehrt: Das neue Urteil über Christus hat auch das über den Nächsten grundlegend geändert.“

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weis auf die den Tod Jesu begründende Liebe309 sowie die das Ziel des Todes benennende Rede vom Sich-selber-Sterben und dem Leben für den auferweckten Gekreuzigten bei den Korinthern als Appell angekommen sein, die Haltung Jesu zu imitieren. So bemerkt Kitzberger zu Recht, dass bei Paulus dem „Zu-spruch, dass in Jesus Christus eine neue Schöpfung angebrochen ist“, „der Anspruch“ korrespondiere, „dies konkret sichtbar und erfahrbar zu machen.“310 Schröter spricht treffend von einer „christologische(n) Fundierung von Verhaltensnormen, die als Konklusionen aus dem Tod Christi präsentiert werden. Christus nicht mehr κατὰ σάρκα zu kennen, bedeutet demnach, nicht mehr sich selbst zu leben, sondern seinen Tod für andere nunmehr als Dasein für die Gemeinde“,311 und – so wäre zu ergänzen – für den Apostel und den Mitmenschen „umzusetzen“.312 Damit exemplifiziert Paulus an seiner Person allgemeine christliche Verhaltensnormen. Sie sind die lebenspraktische Folge der ihnen vorgeordneten neuen Identität der Glaubenden als Neuschöpfung, die deren Selbstwahrnehmung als auch die Haltung dem Nächsten gegenüber vom Sterben und Auferstehen Christi her begreift. Somit ist die Soteriologie der ethischen Konkretion vorgeordnet. Mit der den Textabschnitt beschließenden Wendung τὰ δὲ πάντα ἐκ τοῦ θεοῦ (V. 18) 313 unterstreicht Paulus, dass sich Jesu Tod und Auferweckung ebenso wie das neue Sein der ‚Lebenden‘ und die damit verbundene neue Sicht des Glaubens, die sowohl das eigene Selbstverständnis als auch die Wahrnehmung des Nächsten revolutioniert, der Initiative Gottes verdanken. Paulus bringt damit noch einmal Gottes schöpferisches Wirken zur Sprache, das den Tod Jesu zur Voraussetzung hat, und qualifiziert im selben Moment die neue Erkenntnis im Glauben als Erkenntnis Gottes, der aus dem Tod Leben schafft. Zugleich leitet der Apostel mit der Wendung τὰ δὲ πάντα ἐκ τοῦ θεοῦ über zu den VV. 18–20 und präsentiert damit die neue Schöpfung der Glaubenden als Folge des Versöhnungshandelns Gottes, das sie zur „Gerechtigkeit Gottes“ macht.

309 Zu Recht möchte K. KERTELGE, „Neue Schöpfung“, 141, eine „Konvergenz“ vom Kriterium der Liebe in V. 14 und der Neuschöpfung in V. 17 erkennen. 310 I. R. KITZBERGER, Perspektiven, 166. Ähnlich auch K. KERTELGE, „Neue Schöpfung“, 143. J. SCHRÖTER, Versöhner, bezieht V. 16ab exklusiv auf den Apostel, was aufgrund der vorhergehenden soteriolgischen Argumentation jedoch nicht zutreffend ist. 311 J. SCHRÖTER, Versöhner, 281f. 312 J. SCHRÖTER, Versöhner, 282. 313 Vgl. zur umstrittenen Deutung von τὰ πάντα, das auch als Terminus technicus für das All fungieren kann, die Ausführungen bei R. P. MARTIN, 2 Corinthians, 152f., der den Ausdruck lediglich auf V. 17 beziehen möchte.

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3.3.4 Neuschöpfung, (Dienst der) Versöhnung und Gerechtigkeit Gottes (2 Kor 5,18–21) In 2 Kor 5,18 legt Paulus die in Jesu Tod und Auferweckung gegründete Neuschöpfung der Glaubenden als Folge des Versöhnungshandeln Gottes aus, in dem Christus als Heilsmittler fungiert. Dies bringen die aufeinander bezogenen VV. 18f. zum Ausdruck: 18a τὰ δὲ πάντα ἐκ τοῦ θεοῦ 18b τοῦ καταλλάξαντος ἡµᾶς ἑαυτῷ διὰ Χριστοῦ 18c καὶ δόντος ἡµῖν τὴν διακονίαν τῆς καταλλαγῆς, 19a ὡς ὅτι θεὸς ἦν ἐν Χριστῷ κόσµον καταλλάσσων ἑαυτῷ, 19b µὴ λογιζόµενος αὐτοῖς τὰ παραπτώµατα αὐτῶν 19c καὶ θέµενος ἐν ἡµῖν τὸν λόγον τῆς καταλλαγῆς Die Aussage von V. 18b (unter Hinzunahme von θεός aus 18a) wird in V. 19a rekapituliert. Liegt in 18a mit dem pronominalen Objekt ἡµᾶς eine persönliche Formulierung vor, ist 19a unpersönlich ausgedrückt, indem der κόσµος als die „Menschenwelt“314 als Objekt der Versöhnung Gottes genannt wird. Indem V. 19b mit dem modal wiederzugebenden Partizip λογιζόµενος erläutert wird, dass die καταλλαγή darin besteht, dass Gott dem Kosmos315 die Übertretungen nicht anrechnet, präsentiert sich V. 19a als eine Verallgemeinerung gegenüber der Aussage in V. 18b, deren Objekt ἡµᾶς am besten auf Paulus und seine Mitarbeiter sowie auf die Adressaten zu beziehen ist.316 Der generalisierende, unpersönlich formulierte V. 19ab lässt sich aufgrund der ihm vorangestellten zwei Konjunktionen ὡς und ὅτι daher am wahrscheinlichsten als vergleichendes Zitat einordnen, bei dem ὅτι als ὅτι-citativum den Doppelpunkt setzt,317 ohne dass daraus gefolgert werden kann, dass Paulus in V. 19a eine Tradition zitiere, die die in 18b gemachte Aussage zusätzlich stützen würde.318

314 So mit O. HOFIUS, Gott, 8, da dies dem Duktus des Textes entspricht, sofern bereits die Neuschöpfung von Paulus anthropologisch gedeutet worden ist; auch R. B IERINGER, 2 Korinther 5,19a, 450f., deutet κόσµος anthropologisch; K. Kertelege, „Neue Schöpfung“, 141; E. REHFELD, Relationale Ontologie, 250; J. SCHRÖTER, Versöhner, 288. 315 Der Plural des Personalpronomens in V. 19b verdankt sich dem Kollektivum κόσµος und unterstützt zudem die anthropologische Deutung des Kosmos-Begriffs. So auch R. SÄRKIÖ, Versöhnung, 35. 316 Vgl. dazu auch T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 333f. 317 Zur Diskussion um die möglichen Bedeutungen von ὡς ὅτι vgl. den Überblick bei R. B IERINGER, 2 Korinther 5,19a, 433–436, der zur selben Deutung gelangt wie in dieser Arbeit vertreten. 318 Ebenfalls skeptisch gegenüber dem Vorliegen von Tradition äußern sich mit überzeugenden Argumenten R. B IERINGER, 2 Korinther 5,19a, vgl. bes. 454–456; J. SCHRÖTER, Gottes Versöhnungstat, 99. Ein Vorliegen von Tradition vermuten V. F. FURNISH, 2

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Es legt sich also nahe, dass V. 18b und 19a inhaltlich übereinstimmen. Dies wiederum hat Folgen für die Auflösung der Syntax von V. 19a, insbesondere durch die Zuordnung des ἦν. Die Annahme, ἦν sei selbständig, führt sich nämlich ebenso ad absurdum wie die Zuordnung zu ἐν Χριστῷ, das im Sinne eines inkarnatorischen Verständnisses („Gott war in Christus“) gelesen oder allgemeiner „Christ as the locus of divine revelation“319 aufgefasst werden könnte. Aufgrund der Verhältnisbestimmung von V. 18a zu V. 19a, erscheint es stattdessen plausibler, ἦν mit καταλλάσσων als Periphrase im Imperfekt zu verstehen, so dass V. 10a zu übersetzen wäre mit „Gott versöhnte in Christus die Welt mit sich“.320 Dabei kommt dem Präpositionalausdruck ἐν Χριστῷ parallel zu διὰ Χριστοῦ in V. 18b instrumentale Bedeutung zu, so dass die präpositionalen Wendungen pointiert zusammenfassen, was Paulus in den VV. 14f. zu Jesu Tod und dessen Auferweckung ausgeführt hatte.321 Versöhnung erscheint demzufolge als „christologisch vermittelte“322 Beziehung zwischen Gott und den Glaubenden, die nach Paulus möglich ist, weil Gott323 die Übertretungen nicht anrechnet.324 Weshalb das so ist, erläutert Paulus in V. 21.325

Corinthians, 318.334; H.-J. KLAUCK, 2. Korintherbrief, 55; C. BREYTENBACH, Versöhnung, 133. 319 So die von R. P. MARTIN, 2 Corinthians, 154, abgelehnte Kommentierung, bei der ἦν auf ἐν Χριστῷ bezogen wird. 320 So auch V. P. FURNISH, 2 Corinthians, 334. Zur Relationierung der verschiedenen Tempi in Bezug auf die Versöhnung (V. 18: Aorist; V. 19: Imperfekt; V. 20: Imperativ Aorist) vgl. seine Auslegung zur Stelle. Einen ausführlichen Überblick über verschiedene Deutungsmöglichkeiten bietet erneut R. B IERINGER, 2 Korinther 5,19a, 437–442, bevor er seine eigene Deutung begründet (a.a.O., 442f.). Anders als hier vertreten nimmt er an, dass das „periphrastische Imperfekt (...) eine unabgeschlossene Handlung in der Vergangenheit“ (a.a.O., 443) bezeichne. 321 O. HOFIUS, Gott, 5, möchte ebenfalls in der Wendung διὰ Χριστοῦ eine Anspielung auf die VV. 14f. erkennen, geht dabei allerdings einen unnötigen Umweg über Röm 5,10. 322 C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 125. Vgl. weiter S. E. P ORTER, Reconciliation, 701. 323 Die aktive Rolle Gottes bei der Versöhnung arbeitet S. E. PORTER, Reconciliation, 705, heraus: „Paul describes God as the agent and goal of reconciliation, in the sense that he is the one who initiates reconciliation and the one toward whom it is directed, all through or by means of the work of Christ.“ 324 Diese sind analog zu Röm 5 als Ausdruck für das Sündersein des Menschen zu verstehen und damit Ausdruck einer Feindschaft gegen Gott. Ähnlich, J. SCHRÖTER, Gottes Versöhnungstat, 102f., der annimmt, dass Paulus die Versöhnungsterminologie gewählt habe, um Gottes Handeln in Christus in Analogie zu setzen zu seinem Dienst als „Friedensgesandte(r)“ (a.a.O., 103). 325 Auf eine ausführliche Wiedergabe der Forschungsdiskussion in ihrer Auseinandersetzung mit dem Syntagma δικαιοσύνη θεοῦ sowie der Frage, wie der Begriff Sünde in 2 Kor 5,21 zu verstehen sei, kann hier mit Verweis auf R. B IERINGER, Sünde, 494–505, verzichtet werden.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

In V. 21 liegt ein Gal 3,13 vergleichbarer Gedanke vor, der scheinbar an einen „fröhlichen Wechsel“ zwischen Christus und den Glaubenden erinnert. Dies legt sich syntaktisch durch die chiastische Struktur nahe. τὸν µὴ γνόντα ἁµαρτίαν ὑπὲρ ἡµῶν ἁµαρτίαν ἐποίησεν, ἵνα ἡµεῖς γενώµεθα δικαιοσύνη θεοῦ ἐν αὐτῷ.

a b c a’ c’ b’

Erklärt Paulus im Gal, Christus γενόµενος ὑπὲρ ἡµῶν κατάρα (Gal 3,13), spricht er hier davon, dass er ὑπὲρ ἡµῶν ἁµαρτίαν ἐποίησεν326 und nennt in dem angeschlossenen Finalsatz den Zweck: ἵνα ἡµεῖς γενώµεθα δικαιοσύνη θεοῦ ἐν αὐτῷ. Die Annahme eines Tausches soll hier jedoch mit Strüder dahingehend präzisiert werden, dass ein „metonymisches Verständnis von ἁµαρτία“ anzunehmen ist, so dass „für Christus eine stellvertretende Identifikation als Sünder“ ausgesagt wird, die er „ὑπὲρ ἡµῶν von Gott zugewiesen bekommt.“327 Wie bereits bei der Rede von der καινὴ κτίσις in V. 17 liegt auch hier der entscheidende Akzent auf dem ἐν αὐτῷ, das das ἐν Χριστῷ aus V. 17 aufnimmt und damit die neue Identität der Glaubenden mit ihrem Sein in Christus begründet. Indem Gott, der das implizite Subjekt von V. 21 ist, die Glaubenden mit Christus identifiziert, eignet ihnen die Bezeichnung δικαιοσύνη θεοῦ, die in ihrer Bedeutung scheinbar bewusst offen ist, denn sie kann sowohl in dem Sinne verstanden werden, dass die Glaubenden Gerechtgemachte seien, und damit stärker ontologisch akzentuiert sein, als auch das ethische Moment eines Lebenswandels ausdrücken, der sich an der Gerechtigkeit Gottes orientiert.328 Da kaum eine Entscheidung 326 T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 338, fasst Gal 3,13 und 2 Kor 5,21 zusammen: „Wie Jesus zum Fluch wurde, um die Verfluchten vom Fluch zu befreien, so wurde er zur Sünde, um die Sünder von der Sünde zu befreien.“ 327 Anders als C. W. STRÜDER, Identität, 205, kann jedoch trotzdem an der Vorstellung eines Tausches festgehalten werden; vgl. dazu C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 133. Interessant erweist sich M. D. HOOKER, Interchange, 8–10, indem sie „interchange“ in 2 Kor 5,21 im Zusammenhang der paulinischen Verteidigung seines Apostolats bestimmt. Sie nimmt an, dass Paulus eine Analogie zwischen Jesu Haltung und seiner eigenen herausstellen möchte. Vgl. weiter zur personalen Identifikation R. B IERINGER, 2 Kor 5,19a, 506–508. Er lehnt die Vorstellung eines Tauschs ab (a.a.O., 510). J. LAMBRECHT, Reconcile, 388, betont ebenfalls die Metonymie von ‚zur Sünde machen‘ und Sünden. 328 C. W. STRÜDER, Identität, 206f., diskutiert beide Verständnismöglichkeiten, möchte sich selber aber nicht positionieren, da die Deutung des Syntagmas δικαιοσύνη θεοῦ in 2 Kor 5,21 immer einer „spekulativen Kontextualisierung“ (a.a.O., 207) bedürfe. Als Erläuterung des Syntagmas δικαιοσύνη θεοῦ in Bezug auf die Glaubenden kann jedoch SCHNELLES Definition von Gerechtigkeit fruchtbar gemacht werden (DERS., Transforma-

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zwischen beiden Aspekten getroffen werden kann, erscheint es am plausibelsten, beide Momente, das ontologische und das ethische, aus dem Syntagma δικαιοσύνη θεοῦ herauszulesen. Auf diese Weise bildet δικαιοσύνη θεοῦ ein Pendant zur Bezeichnung der Glaubenden als καινὴ κτίσις, die ebenfalls beide Aspekte umfasst, indem sie sowohl Ausdruck für ein neues Sein in Christus als auch Maßstab für die moralisch-ethische Orientierung ist.329 Dann jedoch kann 2 Kor 5,21 als Element der im Gal und Röm vorliegenden Rechtfertigungslehre des Paulus verstanden werden, was wiederum die Deutung der πίστις ΧριστοῦBelege als Abbreviatur der Glaubenssummarien noch einmal unterstützt. Denn in 2 Kor 5,11–21 stehen dieselben Strukturelemente im Hintergrund wie im Zitat von Hab 2,4 in Röm 1,17 und Gal 3,11, das in nuce die paulinische Lehre von der Gerechtmachung und dem soteriologischen Effekt des Glaubens, der ζωή, benennt:330

tion, 66): Schnelle bezeichnet Gerechtigkeit als „Seinsbegriff. Gottes bzw. Jesu Christi fremde Gerechtigkeit wird dem Glaubenden (...) verliehen und verändert substantiell seine Existenz.“ Schnelles Charakterisierung des paulinischen Gerechtigkeitsbegriffs ermöglicht es, ontologische und ethische Aspekte zu integrieren. Vgl. auch die Überlegungen bei U. SCHNELLE, Transformation, 72, der Gerechtigkeit in diesem doppelten Sinn ontologisch und ethisch versteht, seine Deutung allerdings zu sehr auf das Geschehen der Taufe verengt. Vage bleibt R. K. MOORE, 2 Cor 5,21, 714f., der verschiedene Genitivvalenzen durchspielt. Eindrücklich spricht K. KERTELGE, Rechfertigung, 106, von der Gerechtigkeit Gottes als „Signatur des ‚Neuen‘ (...), das die Menschheit jetzt ‚radikal‘, d.h. von ihrer neuen Verwurzelung ‚in Chrisus‘ her, bestimmt.“ Das Syntagma ist für ihn daher primär „christologischer Titel“ (a.a.O., 104), der durch „unsere Einigung mit Christus oder besser unser Leben ‚in Christus‘“ (a.a.O., 106) die Neuschöpfung kennzeichnet. 329 Siehe dazu Kap. III.3.3.2. in dieser Untersuchung. Zu einseitig ist jedoch R. B IERINGER, Sünde, 509, der in 5,21b „eine übertriebene, nicht bis ins letzte wörtlich zu verstehende Formulierung“ erkennen will, mit der Paulus sagen wolle, die Glaubenden sollten „in ihm (sic. Christus) und durch ihn ontologisch und moralisch in Gottes Gerechtigkeit verwandelte Menschen werden“. Er steht damit in der Gefahr, mit der Akzentuierung einer „imperativischen Konnotation“ die Rede von der Neuschöpfung in V. 17 und deren gegenwärtige Gültigkeit zu reduzieren, obwohl er zugleich treffend festhält: „‚Gottes Gerechtigkeit werden‘ beschreibt ein neues Sein, das von Gott ohne Zutun der Menschen gewirkt wird.“ (A.a.O., 509.) 330 Dies lehnt U. SCHNELLE, Transformation, 72f., zu Unrecht ab, wenn er behauptet, dass das Gesetz im 2 Kor keine Rolle spiele. Viel plausibler erscheint es jedoch, gerade in der Zusammenstellung von Gerechtigkeit Gottes, Übertretung und Sünde in 2 Kor 5,21, das paulinische Verständnis vom Nomos mitzuhören, da dieselben Begrifflichkeiten im Röm im Zusammenhang mit dem Gesetz erneut anklingen. Zum Verstehen im Sinne einer Lehre der Gerechtmachung vgl. C. BREYTENBACH, Tradition, 448; F. HAHN, Neuschöpfung, 251f.; I. R. KITZBERGER, „Wenn also jemand in Christus ist“, 165; W. REBELL, Christologie, 88; W. T HÜSING, Rechtfertigungsgedanke, 122; skeptisch bleibt K. KERTELGE, Rechtfertigung, 105.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

– das ἐκ πίστεως bringt Paulus in den VV. 14f. durch die Elemente der Glaubenssummarien zur Sprache – die Lebensthematik, die in der Bezeichnung der Glaubenden ebenso wie in der Charakterisierung ihrer Lebensführung thematisiert wird, baut Paulus hier zur Rede von der καινὴ κτίσις aus – ὁ δίκαιος aus dem Zitat von Hab 2,4 ist repräsentiert durch das Syntagma δικαιοσύνη θεοῦ Wie bereits dargestellt, fungiert ἐκ πίστεως als Abbreviatur der Glaubenssummarien, so dass damit auch eine Nähe zur synonymen Verwendung von πίστις und εὐαγγέλιον (Gal 1,23) vorliegt. An 2 Kor 5,11–21 kann nun beobachtet werden, wie Paulus kontextbezogen aufgrund der historischen Kommunikationssituation und dem intendierten kommunikationspragmatischen Ziel bei gleicher Aussageabsicht unterschiedliche Terminologien verwendet. So kann der λόγος τῆς καταλλαγῆς in V. 19c mit den Anklängen an die Glaubenssummarien identifiziert werden, die ihrerseits mit dem Inhalt des Evangeliums identisch sind.331 Mit dem Augenmerk auf dem λόγος τῆς καταλλαγῆς als Grundlage der paulinischen διακονία τῆς καταλλαγῆς (V. 18c) soll der Blick nun noch einmal zurückgewandt werden auf die VV. 18f., um in einer anschließenden Kontextualisierung des Dienstes und der Verkündigung der Versöhnung innerhalb des 2 Kor noch einmal deren Leben intendierende Dimension nachzuzeichnen. In den VV. 18c und 19c thematisiert Paulus seine διακονία τῆς καταλλαγῆς, die ihm und seinen Mitarbeitern von Gott gegeben worden sei. Gott habe unter ihnen das Wort von der Versöhnung eingesetzt. Die in 19c aus V. 18b wieder aufgenommene persönliche Formulierung mit dem Objekt ἡµῖν legt nahe, 19c als Fortführung von V. 18ab zu begreifen, bei der das Partizip Aorist θέµενος die Funktion eines finiten Verbs übernimmt.332 In V. 20 bietet Paulus einen Einblick in den Vollzug des Versöhnungsdienstes, bei dem er sich selbst als Gesandter (πρεσβεύω)333 Christi versteht, durch den Gott ermahnt, wenn er an seine Adressaten appelliert: καταλλάγητε τῷ θεῷ! Auf diese Weise präsentiert sich Paulus zugleich als Versöhnungsmittler, in dessen Dienst sich nicht die eigene, sondern die 331 O. HOFIUS, Gott, 15, gelangt ebenfalls zu dem Ergebnis, das Wort von der Versöhnung mit dem Evangelium zu identifizieren, übersieht dabei jedoch den Zusammenhang mit den VV. 14f. und der dort gegebenen Zusammenfassung des Evangeliums mittels der Anklänge an die Glaubenssummarien als das am nächsten liegende Argument für seine These. 332 So auch T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 332; O. HOFIUS, Gott, 7. 333 Zum Vergleichsmaterial zu πρεσβεύω vgl. C. BREYTENBACH, Versöhnung, 65f.135f.; T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 334f.; J. SCHRÖTER, Versöhner, 295–299.

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Autorität und Vollmacht Gottes zeigt, dessen Versöhnungsangebot Paulus verkündigt.334 Durch den passiven Modus des Imperativs gelingt es dem Apostel, noch einmal die in den VV. 18f. zum Ausdruck gebrachte Initiative Gottes beim Versöhnungshandeln zu unterstreichen. Zugleich zeigt die Aufforderung an, dass das Handeln Gottes einer Antwort bedarf. Handelt es sich nach Paulus bei Gottes Versöhnung mit dem Kosmos um ein Ereignis der Vergangenheit, dessen Dreh- und Angelpunkt in Kreuz und Auferweckung besteht (vgl. V. 18 in Relation zu den VV. 14f.), was er in V. 18 durch die beiden Partizipien im Aorist anzeigt, so verweist V. 19 darauf, dass Gottes Versöhnungstat in Christus in der Verkündigung des Apostels und seiner Mitarbeiter weiter besteht und ihre Relevanz hat.335 Deutlich wird das an der Formulierung im Imperfekt. Grundlage des apostolischen Versöhnungsdiensts ist der λόγος τῆς καταλλαγῆς, der oben bereits mit den Inhalten der Glaubenssummarien in den VV. 14f. identifiziert worden ist. Damit ist bereits in den Aussagen zur Neuschöpfung und der Versöhnung die Leben vermittelnde Intention der paulinischen Verkündigung und seines Dienstes zum Ausdruck gekommen. Verortet man 2 Kor 5,11–21 nun innerhalb des größeren Rahmens der Apologie, dann zeigt sich, dass Paulus dort mehrfach den Aspekt des Lebens im Zusammenhang mit seiner Verkündigung sowie seines Dienstes thematisiert, bevor er diese Aussagen klimaktisch in der Rede von der καινὴ κτίσις bündelt. 3.3.5 Der Lebensodem der paulinischen Verkündigung Ausgehend von den vorliegenden Textbeobachtungen zu 2 Kor 5,11–21 werden vor dem Hintergrund der Glaubenssummarien mit ihrem Zusammenhang von Glauben und Leben im Folgenden die sich mit 2 Kor 5,11– 21 berührenden Linien nachgezeichnet, die das Moment der ζωή bzw. des 334

Dabei sollte der Kreis der Adressaten der Versöhnungsbotschaft nicht auf die korinthischen Christen beschränkt werden, bei denen Paulus seine Botschaft ja bereits ausgerichtet hat, wenngleich der Appell kommunikationspragmatisch gut in die Auseinandersetzungen um seinen Apostolat passt; vielmehr sind die Ausführungen in 2 Kor 5,11– 21 als Zeugnis paulinischer Missionspredigt zu verstehen. Vgl. hierzu HOFIUS, Gott, 5, der den Dienst der Versöhnung aufgrund der analogen Ausdrücke „Dienst des Geists“ und „Dienst der Gerechtigkeit“ in 2 Kor 3,8f. als Predigtdienst identifiziert. Das Verb δίδωµι (V. 18c) verwende Paulus für die „Beauftragung mit dem Amt der Evangeliumsverkündigung“. (a.a.O., 5); sowie T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 335. 335 Anders J. SCHRÖTER, Versöhner, 299–306, der annimmt, dass die bereits erfolgte Versöhnung ausschließlich auf den Apostel zu beziehen sei, dessen Dienst erst die Versöhnung Gottes mit den Menschen ermögliche. Wiederholt vertritt er diese Position in DERS., Gottes Versöhnungstat, 101f. Ähnlich auch C. B REYTENBACH, Versöhnung, 132f.; im Sinne der oben vorgeschlagenen Deutung hingegen C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 132.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

ζῳοποιεῖν in Bezug auf den Dienst und das damit verbundene Selbstverständnis des Paulus sowie die Identität der Gemeinde thematisieren. 3.3.5.1 „... ein Geruch ἐκ ζωῆς εἰς ζωήν“ (2 Kor 2,16) In 2 Kor 2,14–17 bietet Paulus eine zweite Eulogie, in der er im apostolischen Wir den Dienst seiner Verkündigung in Abgrenzung zu seinen Gegnern (V. 16) als ἐκ θεοῦ κατέναντι θεοῦ ἐν Χριστῷ charakterisiert. 14a Τῷ δὲ θεῷ χάρις 14b τῷ πάντοτε θριαµβεύοντι ἡµᾶς ἐν τῷ Χριστῷ 14c καὶ τὴν ὀσµὴν τῆς γνώσεως αὐτοῦ φανεροῦντι δι᾿ ἡµῶν ἐν παντὶ τόπῳ· 15a ὅτι Χριστοῦ εὐωδία ἐσµὲν τῷ θεῷ 15b ἐν τοῖς σῳζοµένοις 15c καὶ ἐν τοῖς ἀπολλυµένοις, 16a οἷς µὲν ὀσµὴ ἐκ θανάτου εἰς θάνατον, 16b οἷς δὲ ὀσµὴ ἐκ ζωῆς εἰς ζωήν. 16c καὶ πρὸς ταῦτα τίς ἱκανός; 17a οὐ γάρ ἐσµεν ὡς οἱ πολλοὶ καπηλεύοντες τὸν λόγον τοῦ θεοῦ, 17b ἀλλ᾿ ὡς ἐξ εἰλικρινείας, 17c ἀλλ᾿ ὡς ἐκ θεοῦ κατέναντι θεοῦ ἐν Χριστῷ λαλοῦµεν. Um das Wesen seines Dienstes zu beschreiben, verwendet Paulus verschiedene Metaphern wie die des θριαµβεύειν (V. 14), dessen Bedeutung kontrovers diskutiert wird, sowie die der ὀσµή (V. 14.16) bzw. der εὐωδία (V. 16). Dabei ist insbesondere das durch das θριαµβεύειν evozierte Bild des Triumphzuges in V. 14 in seiner Aussageabsicht schillernd, denn aufgrund der römischen Praxis bei Triumphzügen ergeben sich verschiedene Identifikationsmöglichkeiten. So kann Paulus einerseits mit einem dort mitgeführten Weihrauchsklaven identifiziert werden, was gut zu den Geruchsmetaphern passen würde; es könnte aber auch den Aspekt spiegeln, dass sich Paulus als Besiegten Gottes zeichnet, um so die Leiden seiner apostolischen Existenz zum Ausdruck zu bringen; eine dritte Möglichkeit wäre gewissermaßen völlig entgegengesetzt: Paulus könnte sich durch die Metapher als Teilnehmer am Triumphzug Gottes darstellen, wobei sich die Teilnahme darin zeigt, dass er die Erkenntnis Gottes verkündet.336 Allen Deutungen ist eine particula veri inhärent, da sie offen sind für eine Ver336

Diese Vorstellung vertritt C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 85f., gestützt auf LIDDa es für diese Deutung keine Quellenbelege gibt, postuliert sie, dass eine „semantische Neubelegung des Verbs (...) der Sprachkompetenz des Paulus durchaus zuzutrauen“ (a.a.O., 86) sei. Ganz ähnlich auch J. KÜGLER, Duftmetaphorik, 149. Vgl. weiter (a.a.O., 144–149) zur Diskussion verschiedener Deutungsmöglichkeiten der Metapher sowie T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 154–159, der ebenfalls zum selben Urteil gelangt wie zuvor Hoegen-Rohls. DELL/SCOTT.

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bindung der Triumphzugsmetapher mit der des Geruchs. Sie ermöglichen also, den Erfolg der paulinischen Verkündigung in seiner Abhängigkeit von Gott zu interpretieren und sie zugleich mit den im 2 Kor mehrfach geäußerten schwierigen Bedingungen seiner apostolischen Existenz zu verbinden. In V. 15 identifiziert sich Paulus als Wohlgeruch Christi, was letztlich einer Selbstidentifikation mit seiner Evangeliumsverkündigung als Geruch der Erkenntnis Gottes (V. 14c) gleichkommt. Deren Inhalt ist Christus (V. 15a). Nach V. 15f. ist diese Verkündigung entweder „aus Leben zum Leben“ oder „aus dem Tod zum Tod“ (V. 16ab). Die beiden doppelten Präpositionalausdrücke ἐκ θανάτου εἰς θάνατον, ἐκ ζωῆς εἰς ζωήν sind nicht prädestinatianisch zu verstehen,337 sondern im Zusammenhang mit dem Wort vom Kreuz in 1 Kor 1,18. Was dort als Torheit des Kreuzes beschrieben wird, ist in 2 Kor 2,16 das Missverstehen des Wohlgeruchs des Evangeliums als „Nachricht von einem menschlichen Tod, Geruch aus Tod“, der „so auch Geruch zum Tod“ wird, „weil die Verweigerung des Glaubens zugleich die Verweigerung von Auferstehung und Leben ist.“338 In der Wendung ἐκ ζωῆς εἰς ζωήν hingegen kommt die Leben schenkende Dimension der Verkündigung in den Blick, indem sie auf das Auferstehungsleben Christi fokussiert – ἐκ ζωῆς – und den soteriologischen Effekt seines Todes mit εἰς ζωήν339 benennt.340 3.3.5.2 Die Gemeinde als Brief Christi, geschrieben mit dem Geist des lebendigen Gottes (2 Kor 3,3) In 2 Kor 5,11–21 stellt Paulus das Leben aus Glauben als Gabe aus der Schicksalsgemeinschaft mit Christi Tod und Auferweckung dar, und in 2,14–17 präsentiert er seine Verkündigung über Jesu Sterben und Auferstehungsleben als über Leben und Tod entscheidend. In 2 Kor 3 führt er das Pneuma als existential erfahrbares Signum und vermittelndes Medium der neuen Existenz der Glaubenden an. Dazu verwendet er die Metapher 337

T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 162. J. KÜGLER, Duftmetaphorik, 143f. 339 Zu kurz greift J. KÜGLER, Duftmetaphorik, 144, allerdings in seiner Deutung des Präpositionalausdrucks ἐκ ζωῆς εἰς ζωήν, wenn er darin lediglich „die Verheißung ewigen Lebens“ erkennen möchte und damit die sich im Verhalten gegenüber der Verkündigung ereignende gegenwärtige Scheidung in Tod und Leben übersieht. Ebenso übersieht J. SCHRÖTER, Gottes Versöhnungstat, 93, dass sich im Augenblick des Zum-GlaubenKommens an das Evangelium Leben ereignet (vgl. z.B. die Rede vom Leben spendenden Pneuma in Gal 3,2, das die Glaubenden ἐξ ἀκοῆς πίστεως empfangen), wenn er das Verhalten der Hörerinnen und Hörer gegenüber der Verkündigung auf deren Bestehen oder Nicht-Bestehen im Gericht bezieht. 340 Mit T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 163, ist festzuhalten, dass der „Akzent“ auf „Rettung und Leben“ liegt. 338

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

des Briefes Christi als Bild für die korinthische Gemeinde, die der lebendige Gott mit dem Geist geschrieben habe (2 Kor 3,3). Die Pneuma-Aussagen in 2 Kor 3 fungieren dabei gewissermaßen als vorangestelltes Explikat zur Rede von der neuen Schöpfung in Kapitel 5. Ganz im Duktus341 der Verteidigung seines Apostolats thematisiert Paulus in 2 Kor 3 die Identität seiner Adressaten, wie er sie in 2 Kor 5 in der Bezeichnung als οἱ ζῶντες und καινὴ κτίσις kulminieren lässt. An die Stelle der in der Antike verbreiteten Empfehlungsschreiben, die Paulus für seine Person ablehnt (3,1), setzt er die korinthischen Christen als von ihm verfasste Briefe Christi, die nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes geschrieben seien. Außerdem seien sie nicht in steinerne Tafeln, sondern in Tafeln fleischerner Herzen eingeschrieben (V. 3: ἐπιστολὴ Χριστοῦ, ἐγγεγραµµένη οὐ µέλανι ἀλλὰ πνεύµατι θεοῦ ζῶντος, οὐκ ἐν πλαξὶν λιθίναις ἀλλ᾿ ἐν πλαξὶν καρδίαις σαρκίναις). Damit weist die korinthische Gemeinde Paulus als Diener eines neuen Bundes aus, der im Dienst der διακονία τοῦ πνεύµατος (3,8) steht.342 Paulus erläutert damit die Bedeutung des Pneuma für die neue Existenz der Glaubenden, indem dieses in seiner lebendig machenden Funktion und seiner Relation zu Gott sowie dem auferstandenen Herrn zur Sprache gebracht wird. Paulus selbst, so hält er in 3,6 fest, kommt dabei nicht weniger als die Rolle eines διάκονος πνεύµατος zu. So erscheint das Pneuma zunächst als Geist des lebendigen Gottes (V. 3: θεοῦ ζῶντος), dem im Gegensatz zum γράµµα, dem Paulus die Funktion des Tötens zukommen lässt, die Fähigkeit des Lebendigmachens eignet.343 Und schließlich identifiziert 341 Auch hier muss die kommunikationspragmatische Situation der Apologie berücksichtigt bleiben. Die Aussagen, die Paulus zur Identität der Gemeinde macht, dienen der Verteidigung seines Apostolats. Ist die Gemeinde Brief Christi, geschrieben mit dem Geist des lebendigen Gottes, dann ist damit Paulus’ Selbstverständnis als Diener eines neues Bundes erwiesen. Vgl. exemplarisch C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 91. 342 Paulus versucht also unter Verweis auf die Identität der Gemeinde seine Befähigung für den Apostolat herauszustellen und sich zugleich von jenen Gegnern abzugrenzen, die sich Empfehlungsbriefe ausstellen ließen. Vgl. hierzu exemplarisch H.-J. KLAUCK, 2. Korintherbrief, 34; A. DE OLIVEIRA, „Ihr seid ein Brief Christi“, 360f; T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 172–174; M. E. T HRALL, 2 Corinthians, Vol. I, 217– 219. 343 Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich, die exegetische Diskussion um die Verhältnisbestimmung zwischen altem und neuem Bund, Dienst des Buchstabens und des Geistes zu erörtern. Exemplarisch verwiesen sei auf J. SCHRÖTER, Altes Testament, der darauf verweist, dass Paulus mit seinen Ausführungen in 2 Kor 3 „innerhalb einer jüdischen Auslegungstradition“ (a.a.O., 50) von Ex 34 steht; es dort „nicht primär um eine theologische Reflexion der Bedeutung des Gesetzes (...), sondern um die grundsätzliche Qualifizierung einer alten, von ‚Mose‘ bestimmten und einer neuen, vom Geist charakterisierten Ordnung“ (a.a.O., 51) gehe. Schröter verhindert mit seiner differenzierten Argumentation, in 2 Kor 3 einen Gegensatz zwischen Gesetz und Evangelium hineinzule-

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der Apostel den Geist mit dem κύριος (3,17). Indem Paulus die korinthischen Christen als Brief Christi bezeichnet, dessen Inhalt das Christusereignis ist und der mit dem Geist Gottes in ihre Herzen eingeschrieben ist, spricht Paulus seine Adressaten auf die Erfahrbarkeit ihrer neuen Existenz aufgrund des Geistes an. Das Pneuma fungiert damit in 2 Kor 3 als Medium einer existentialen Vergewisserung ihrer Neuschöpfung.344 Zugleich legitimiert es den Apostolat des Paulus, der durch das Bestehen der korinthischen Gemeinde ausgewiesen ist.345 Mit der Rede vom Pneuma akzentuiert Paulus die Dimension des ζωοποιεῖν in Antithese zum ἀποκτείνειν, das sein besonderes Profil durch die Verhältnisbestimmung des Geistes zu Gott und Christus erhält. Es erscheint als Energie, die von Gott ausgeht, weil dieser lebendig ist und die Toten erweckt (1,9), wie er zuvor schon Christus auferweckt hat (15,15).346 Pneuma ist der ἀρραβών (1,22) der Glaubenden, der als „endzeitlich schöpferische Kraft Gottes“347 gegenwärtig das Sein der Glaubenden be-

sen. Hermeneutisch fordert er, die „Dialektik von Überbietung und gleichzeitiger Konstatierung eines grundlegenden Gegensatzes“ (a.a.O., 52), die Paulus vorgibt, in der Exegese zu berücksichtigen. Zu beachten ist zudem der Hinweis von K. B ACKHAUS, Bund, 46, dass der Text eine „binnenchristliche( ) Kontroverse“ widerspiegelt. Er darf also nicht als Zeugnis einer paulinischen Abrechnung mit seiner jüdischen Vergangenheit verzerrt werden. Bedenkenswert ist zudem J. DENNIS, Letter, der 2 Kor 3 ebenfalls als binnenchristliche Debatte versteht (a.a.O., 119). Er nimmt eine intertextuelle Lektüre von 2 Kor 3 mit Jer 38,31LXX und Ez 36f.LXX vor und gelangt aufgrunddessen zu dem Urteil, dass „both the letter (3,6) and the old covenant’s (3,7ff.) mediation of death and judgment is not based on some negative evaluation of the Law or Judaism as such“ (a.a.O. 118), sondern Paulus mit den genannten Prophetenbüchern die Ansicht teile, dass der Mensch eine Veränderung erfahren müsse, um dem Willen Gottes entsprechen zu können. „Thus, the law is still operative, but now eschatologically so and by means of the Spirit“ (a.a.O., 119). A. L. A. HOGETERP, Setting, diskutiert Quellen zur Bundestheologie in der alttestamentlichen und frühjüdischen Literatur (a.a.O., 133–138) für die Vorstellung eines alten und neuen Bundes bei Paulus (a.a.O., 142f.). Er nimmt an, der alte Bund sei bei Paulus „enhanced and surpassed by the new covenant, but not terminated in Paul’s theological perspective. (...) As opposed to the idea of the covenantal relationship with God in terms of a unified written code, what Paul wants to bring back into the notion of covenant is the living dimension of revelation“ (a.a.O., 144). Mit der Rede vom lebendigmachenden Geist akzentuiere Paulus eine „inaugurated eschatology“ (a.a.O., 143). 344 C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 91, bezeichnet treffend das pneumatische Erleben der Korinther als „Erfahrung eschatologischer Neuheit.“ 345 C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 88. 346 Zur Rolle des Pneuma bei der Auferweckung Jesu vgl. die späteren Ausführungen des Paulus in Röm 1,4; 8,11. 347 C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 91. U. SCHNELLE, Transformation, 67, nennt das Pneuma „die lebensspendende Macht des Schöpfers“ und „Kontinuum göttlicher Lebensmacht“ (a.a.O., 70).

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stimmt.348 Es ist die Gottesgabe des Auferstehungslebens Christi an die Glaubenden.349 Dabei kann Paulus, ohne weitere Differenzierungen vorzunehmen, vom Pneuma Gottes ebenso wie vom Pneuma Christi bzw. vom πνεῦµα κυρίου (3,17) sprechen, wobei der Akzent dieser Rede jeweils auf der Leben schaffenden Dimension des Pneuma liegt, ist doch der von Gott Auferweckte πνεῦµα ζῳοποιοῦν (1 Kor 15,45).350 Damit präsentiert Paulus das Pneuma als das entscheidende Element, in dem sich die Relationalität des Lebensbegriffs verwirklicht und in dessen Gabe die Relation zwischen Gott und Christus für die Glaubenden geöffnet wird. Aufgrund dieser Funktion und der Relation des Pneuma zwischen Gott, Christus und Glaubenden kann Paulus pointiert formulieren: εἴ τις ἐν Χριστῷ, καινὴ κτίσις (5,17). 3.4 Fazit: Glaubenssummarien und Leben im 2 Kor In 2 Kor 5,14f. rekurriert Paulus mehrfach auf Elemente der Glaubenssummarien, um auf der Basis des gemeinsam Geglaubten das ‚Leben‘ als soteriologische Gabe für die Glaubenden darzustellen und als Maßstab ihres Verhaltens und Urteilens herauszuarbeiten. Dabei spricht der Apostel metaphorisch vom Sterben der Glaubenden als einem Ereignis der Vergangenheit: dieses hat sich im Tod Jesu ereignet, an dem die Glaubenden partizipieren. Dagegen verwendet er die ζῆνTerminologie, um die gegenwärtige eschatologische Qualifizierung glaubender Existenz als ein Leben in Ausrichtung auf jenen, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde, zum Ausdruck zu bringen. Dass die Aussagen zu Jesu Tod und Auferweckung mit Betonung auf dem letzten Glied die paulinischen Ausführungen zu den Lebenden und deren Lebenswandel rahmen, verweist darauf, dass das Osterereignis die Voraussetzung für die Lebensaussagen bildet. Dabei expliziert Paulus das Mitsterben mit Christus als Sterben sich selbst gegenüber, das zu einer neuen Ausrichtung der Existenz befreit. Bei dieser handelt es sich um eine Nachahmung der Proexistenz Christi, das heißt vertikal um eine neue christologisch vermittelte Gottesbeziehung als neue Schöpfung und horizontal um den Maßstab für die „Einschätzung anderer Menschen“351. Auf diese Weise qualifiziert der Apostel ‚Leben‘ soteriologisch wie ethisch.

348 Dieses Sein ist durch das Pneuma sowohl soteriologisch als auch ethisch qualifiziert, was z.B. Stellen wie Gal 5,25; 1 Kor 5,7 u.ö. belegen. 349 U. SCHNELLE, Transformation, 68, redet von der „neue(n) Seins- und Wirkungsweise des Auferstandenen, seine(r) dynamischen und wirkungsmächtige(n) Gegenwart“. 350 H. D. B ETZ, Concept, 333, konstatiert zutreffend, dass „the indwelling of the spirit is identical with the indwelling of Christ“. 351 T. SCHMELLER, 2. Korinther, 1. Teilband, 324.

3. Glaube und Leben im 2 Kor

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Die Teilhabe der Glaubenden an Jesu Tod und Auferweckung begründet ihre neue Identität, die von ihrer Vergangenheit durch den Tod getrennt ist. Sie sind οἱ ζῶντες, weil die Partizipation an Jesu Auferweckung ihr Auferstehungsleben inauguriert. Ihre Seinsbestimmung als καινὴ κτίσις verwirklicht sich durch ihre Zugehörigkeit zu Christus (ἐν Χριστῷ). Aufgrund der in Christus geschehenen Versöhnung Gottes mit der Welt werden die Glaubenden von Paulus als δικαιοσύνη θεοῦ bezeichnet, weil ihnen ihre Übertretungen nicht angerechnet werden. Damit spiegelt 2 Kor 5,14–21 zugleich die zentrale Funktion des Zitats von Hab 2,4 in Röm 1,17 und Gal 3,11 wider. Die in Jesu Tod und Auferstehung erfolgte Versöhnung Gottes aktualisiert sich in der paulinischen διακονία τῆς καταλλαγῆς, die ihrem Wesen nach διακονία τοῦ πνεύµατος ist. Mit dieser Rede vom Pneuma verweist Paulus auf die Leben vermittelnde Wirkung seines Dienstes. Dabei entscheidet dem Selbstverständnis des Apostels nach seine Verkündigung als Wohlgeruch Christi über Leben und Tod, je nachdem, ob sie für seine Hörerinnen und Hörer das Scheitern und Sterben eines Messiasprätendenten352 zum Inhalt hat oder aber die Botschaft vom Auferweckten, an dessen Auferstehungsleben sie aufgrund ihrer im Glauben konstituierten Schicksalsgemeinschaft mit Christus teilhaben. Der Apostel fungiert dabei als Paradigma, an dessen Existenz und Dienst das Sterben und Auferstehungsleben Jesu offenbar werden mit dem Ziel, dass seine Adressaten das Leben empfangen. Dem Pneuma kommt hierbei die Funktion einer existentialen Vergewisserung darüber zu, dass in den Glaubenden die Kraft des Auferstehungslebens Christi wirksam ist, so dass sich in ihrer gegenwärtigen Seinsbestimmung das eschatologische Heil des Lebens und der Neuschöpfung proleptisch ereignet. Paulus kann folglich die Glaubenden metaphorisch als Brief Christi bezeichnen, der mit dem Geist des lebendigen Gottes geschrieben ist. Dabei macht das Pneuma den Lebensbegriff transparent für die ihm inhärente Relationalität, sofern sich Gottes schöpferisches Handeln in der Auferweckung Christi manifestiert, die die christologisch vermittelte Neuschöpfung der Glaubenden ermöglicht und für sie im Pneuma erfahrbar wird. Ausgehend von 2 Kor 5,14f. hat die Analyse der Lebensthematik im 2 Kor die Beobachtung bestätigen können, dass Paulus die ζῆν-Terminologie im unmittelbaren Zusammenhang mit Elementen der Glaubenssummarien verwendet, wenn er das gegenwärtige eschatologisch qualifizierte Leben der Glaubenden in Analogie zum Auferweckungsleben Christi aussagen will. Damit präsentiert Paulus auch im 2 Kor ‚Leben‘ als gegenwärtigen soteriologischen Gewinn des Glaubens, der die Glaubenden aufgrund ihrer 352

Vgl. oben Anm. 105.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Christuszugehörigkeit in eine neue Gottesbeziehung versetzt. Dieser werden sie durch die Gabe des Geistes existentiell vergewissert.

4. Glaube und Leben im Röm 4. Glaube und Leben im Röm

4.1 Glaubenssummarien und Leben in Röm 6,3–8; 14,7–9 In Röm 6 entfaltet Paulus auf der Grundlage von Aussagen der Glaubenssummarien zu Jesu Tod und Auferweckung die καινότης ζωῆς der Glaubenden, indem er die Partizipation an Jesu Schicksal als Begründung für die Transformation der Glaubenden darlegt,353 so dass sich die Glaubenden selber begreifen können ὡσεὶ ἐκ νεκρῶν ζῶντας (6,13). Um die Grundlegung der ζωή der Glaubenden sowie die daraus resultierenden Auswirkungen auf die konkrete Lebensgestaltung argumentativ darzulegen, greift der Apostel in Röm 6 auf das gesamte Repertoire des vorpaulinischen Glaubenssummariums in 1 Kor 15,3–5 zurück, geht jedoch über dieses hinaus, indem er nicht nur von der Auferweckung Jesu, sondern ebenso von dessen Auferstehung spricht und zur Beschreibung seines nachösterlichen Seins das Verb ζάω verwendet. Spezifisch für Röm 6 sind dabei die von Paulus verwendeten συν-Formulierungen, wie συνθάπτω (6,4), σύµφυτοϛ (6,5) συσταυρόω (6,6) und συζάω (6,8), zu denen zudem die Rede vom ἀποθνῄσκειν σὺν Χριστῷ (6,8) zu zählen ist. Sie dienen dem Apostel dazu, die Teilhabe der Glaubenden an Jesu Tod und Auferstehung sprachlich zu erfassen. So kann Paulus in Röm 6,8 mit der Formulierung πιστεύειν ὅτι, wie er sie in 1 Thess 4,14 als Einleitung zu einem traditionellen Glaubenssummarium benutzt, seine Adressaten auch an die gemeinsame Glaubensüberzeugung erinnern,354 dass sie (nach dem voraus353 U. SCHNELLE, Transformation, deutet Kreuz und Auferstehung als Transformation Christi, da dieser nicht im „Status des Todes“ geblieben sei, sondern von Gott den „Status der Gottgleichheit“ (a.a.O., 60) verliehen bekommen habe. Diese Transformation intendiere die „Partizipation der Glaubenden“ (a.a.O., 63): „als Urbild ermöglicht und eröffnet Jesus Christus durch seinen Übergang vom Tod zum Leben das Leben für die Menschen“ (a.a.O., 64). Trotz der grundsätzlichen Zustimmung zu Schnelles hermeneutischem Zugang, die paulinische Theologie in den Kategorien Transformation und Partizipation zu erfassen, muss kritisch eingewandt werden, dass er mit der Bindung ebendieser Kategorien an die Taufe in der Gefahr steht, das Moment des Glaubens zu wenig zu betonen. In der vorliegenden Studie soll der Begriff Transformation auf die Glaubenden angewandt werden, um deren Neuheit des Lebens auf der Grundlage der Partizipation an Jesu Tod und Auferstehungsleben zum Ausdruck zu bringen. 354 Zutreffend R. J EWETT, Romans, 406, der πιστεύειν ὅτι in Röm 6,8 ebenfalls in Bezug setzt zu 1 Thess 4,14 und annimmt, dass es „refers to saving faith in the kerygma of Christ’s death and resurrection.“ Ähnlich W. SCHMITHALS, Römerbrief, 193, der darin einen Verweis auf das „Glaubensbekenntnis“ erkennt. Allerdings hält er V. 8 gemeinsam

4. Glaube und Leben im Röm

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gesetzten Mitgestorbensein mit Christus, V. 8a) mit Christus leben. Dabei zeigt die Verwendung der Formulierung πιστεύοµεν ὅτι (ὅτι als ὅτιcitativum), dass Paulus seine Darlegungen zur Neuheit des Lebens als einem Leben mit dem Auferstandenen und das Selbstverständnis der Glaubenden als ‚aus Toten Lebende‘ auf dem Kerygma der Glaubenssummarien aufbaut und vor diesem Hintergrund entfaltet. Das trifft auch dann zu, wenn Paulus hier von einer formelhaften Sprache abweicht und eigenständig formuliert, wie die Berührungen mit 1 Kor 15,3f. deutlich zeigen. 1Kor 15,3–4 3 παρέδωκα γὰρ ὑµῖν ἐν πρώτοις, ὃ καὶ παρέλαβον, ὅτι Χριστὸς ἀπέθανεν ὑπὲρ τῶν ἁµαρτιῶν ἡµῶν κατὰ τὰς γραφὰς 4 καὶ ὅτι ἐτάφη καὶ ὅτι ἐγήγερται τῇ ἡµέρᾳ τῇ τρίτῃ κατὰ τὰς γραφὰς

Röm 6,3–8

3 ... θάνατον ... 4 συνετάφηµεν ... ἠγέρθη Χριστὸς ἐκ νεκρῶν ... ἐν καινότητι ζωῆς περιπατήσωµεν. 5 ... ἀναστάσεως ... 6 ... ἁµαρτίᾳ· 8 εἰ δὲ ἀπεθάνοµεν σὺν Χριστῷ, πιστεύοµεν ὅτι καὶ συζήσοµεν αὐτῷ

Röm 6 ist also ein weiterer Beleg dafür, dass Paulus die Vorstellung, dass die soteriologische Gabe des Lebens aus dem Glauben kommt, in einem kreativen Umgang mit den Glaubenssummarien entfaltet. Zugleich bestätigt sich erneut die Beobachtung, dass Paulus eine klare begriffliche Differenzierung vornimmt: Er spricht nie von einer bereits geschehenen Auferweckung der Glaubenden, während er zur Beschreibung der Auferweckung Jesu das Verb ἐγείρω und das Nomen ἀναστάσις verwendet sowie daneben ζάω (V. 10) bzw. συζάω (V. 8). Letzteres bezieht sich aber auch auf die Glaubenden, so dass sich auch hier zeigt, dass Paulus die ζῆν-Terminologie dann zur Formulierung der Auferweckung Jesu benutzt, wenn er die Aussagen der Glaubenssummarien zur Beschreibung des gegenwärtigen neuen ‚Lebens‘ der Glaubenden fruchtbar machen möchte.355 mit V. 3 für einen traditionellen „Taufspruch“ (a.a.O., 191). Anders U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 18, der einen Bezug auf ein „Bekenntnis“ ablehnt, da „entsprechende Bekenntnisformeln“ (a.a.O., 18 Anm 65) fehlten. Unplausibel ist die Deutung von J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 322, der mit dem Verb einen „faith-claim“ angezeigt wissen will. 355 Textpragmatisch kommt dabei dem gesamten Textabschnitt Röm 6,1–11 die Funktion zu, die römischen Christen über die existentialen Wirkungen des zentralen Glaubensinhaltes von Jesu Tod, seinem Begrabenwerden und seiner Auferweckung zu vergewis-

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Dasselbe Phänomen spiegelt auch das christologische Lehrstück in Röm 14,7–9 wider, in dem Paulus das Herr-Sein Jesu über Lebende und Tote sowie die Zugehörigkeit der Glaubenden zu ihm als Ziel von Jesu Sterben und Auferweckung darlegt. Im Textbereich Röm 5–8 fällt nun auf, dass sich die Belege für ζωή (12mal) und ζῆν (12mal) ebenso wie für deren Gegenbegriffe θάνατος (21mal) und ἀποθνῄσκειν (17mal) häufen.356 Dabei bildet der Tod als Folge der Sünde die Negativfolie für die Deutung des Todes Jesu als Gestorbensein gegenüber der Sünde (6,10) und der Partizipation der Glaubenden an dessen Sterben und Auferstehungsleben. Die Sünde ist dann auch der Auslöser für den fiktiven Dialog mit den Adressaten in Röm 6,1.357 Paulus ordnet in dieser Auseinandersetzung Tod und Leben als zwei aufeinander folgenden Seinsbestimmtheiten des Menschen die Antagonisten ἁµαρτία und χάριϛ zu. Während er einerseits einen Konnex zwischen Sünde und νόµοϛ herstellt, verknüpft er andererseits die χάριϛ mit dem Christusereignis.358 Pointiert formuliert der Apostel zum Abschluss seiner Ausführungen zur Neuheit des Lebens in Röm 6,23: τὸ δὲ χάρισµα τοῦ θεοῦ ζωὴ αἰώνιος ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ τῷ κυρίῳ ἡµῶν. Damit kommt er noch einmal auf die Gnade Gottes zu sprechen, die sich in der ζωὴ αἰώνιος in Christus Jesus verwirklicht. Durch die Rede vom ewigen Leben in Jesus Christus als einer Gabe Gottes (6,23) sowie durch die Gegenüberstellung vom Sein ὑπὸ νόµον bzw. ὑπὸ χάριν (6,14) ist Röm 6 mit der Adam-Christus-Typologie (Röm 5,12– sern. Sichtbar wird dies an den Verben des Wissens (ἀγνοέω [V. 3], γινώσκω [V. 6], οἶδα [V. 9]), die den in Röm 6,8 zum Ausdruck gebrachten Glaubensinhalt in die Nähe einer Erkenntnis rücken bzw. die kognitive Dimension des Glaubens betonen. C. E. B. CRANFIELD, Romans, Vol. 1, 312, möchte diesen Aspekt bereits in dem Verb πιστεύω anklingen hören, das er im Sinne von ‚fürwahr halten‘ deutet. Die verwendeten Verben sollten jedoch nicht dahingehend missverstanden werden, dass Paulus hier tatsächlich auf ein bereits vorhandenes Wissen seiner Adressaten Bezug nimmt. Vielmehr können sie kommunikationspragmatisch im oben vorgeschlagenen Sinn verstanden werden. A. J. M. W EDDERBURN, Traditions, 338.350, zeichnet in einer differenzierten Argumentation nach, dass Paulus zum Teil an Wissen seiner Adressaten anknüpft, dieses dann aber seiner eigenen weiterführenden Deutung unterzieht. H.-J. ECKSTEIN, Auferstehung, 15, bedenkt diese Möglichkeit zwar, verwirft sie dann aber. 356 Einmal benutzt Paulus zudem das Verb ζῳοποιέω (Röm 8,11). 357 Letztlich muss offen bleiben, ob es sich hier um einen fiktiven Dialog handelt oder ob Paulus tatsächlich auf einen Einwand der römischen Christen eingeht. So auch C. LANDMESSER, Vorrang, 115f. Abzulehnen hingegen ist U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 8, Annahme eines „jüdischen Partner(s)“, dessen Position hierin anklingen würde. 358 Letzteres zeigen neben den συν-Formulierungen die präpositionalen Wendungen εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν (6,3), ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (6,8.11.23) in Röm 6 sowie auch die mit διά konstruierten präpositionalen Wendungen im unmittelbaren Kontext in Röm 5,12–21 an, die auf Christus verweisen (vgl. Röm 5,17.18.19.21).

4. Glaube und Leben im Röm

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21) verbunden. In diesem Begründungsmythos, der an eine apokalyptische Äonenwende erinnert, entfaltet Paulus anhand der schicksalswirkenden Protagonisten Adam und Christus, dass die Herrschaft der Sünde zum Tod durch die Herrschaft der Gnade zum ewigen Leben abgelöst wurde. Da die universal gedachte Überwindung der Sündenherrschaft im Tod durch die Gnadenherrschaft die notwendige Voraussetzung bildet für die konkreten existentiellen Aussagen, die Paulus zur Partizipation der Glaubenden am Schicksal Christi und der damit verbundenen Neuheit des Lebens macht, soll zunächst eine Exegese von Röm 5,12–21 folgen. 4.2 Adam, Christus und die Neuheit des Lebens (Röm 5,1–12; 6,1–11) 4.2.1 Sünde zum Tod versus Gnade zum ewigen Leben. Die AdamChristus-Typologie in Röm 5,12–21 Röm 5,12–21 repräsentiert einen nachgeholten359 Begründungsmythos, mit dem Paulus die thetischen Aussagen untermauert, die er im Zusammenhang mit seiner Deutung des Todes Jesu in Röm 3 gemacht hat. Denn in Röm 3,23f. hat der Apostel ausgeführt, dass alle Menschen gesündigt hätten und es ihnen an der Herrlichkeit Gottes fehle.360 Nun361 jedoch seien sie geschenkweise Gerechtfertigte aufgrund der Gnade durch die Erlösung in Christus.362 Ebendiese These, dass alle Menschen Sünder seien und nun Gerechtfertigte, illustriert er in Röm 5,12–21, indem er Adam und Christus in ihrer

359 Das zeigt u.a. das begründende διὰ τοῦτο an, das einerseits den Beginn des Textabschnitts Röm 5,12–21 markiert, ihn aber darüber hinaus in Relation zum vorhergehenden Textkomplex Röm 1,18–5,11 setzt. Dass Röm 5,12–21 Bezug nimmt auf den gesamten vorhergehenden Textteil, wird auch von U. W ILCKENS, Römer, 1. Teilband, 314; J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 271f.; C. LANDMESSER, Vorrang, 109, vertreten. Lediglich auf Röm 5,1–11 bezieht es u.a. C. E. B. CRANFIELD, Romans, Vol. 1, 271. O. HOFIUS, AdamChristus-Antithese, 75f. weist zu Recht darauf hin, dass διὰ τοῦτο nicht „eine Folgerung (...), sondern einen Abschnitt, der den Realgrund für das dort Gesagte“ einführt. Das unterstützt die vorgeschlagene Rede von einem Begründungsmythos. Allerdings ist dieser gegen O. HOFIUS (a.a.O., 75f.) nicht nur auf Röm 5,1–11 zu beziehen, wie der Zusammenhang mit 3,23f. zeigt, auf den Hofius selber verweist (a.a.O., 76). S. dazu unten. 360 O. HOFIUS, Adam-Christus-Antithese, 81, hat zutreffend gesehen, dass sich δόξα in 3,23 auf das ewige Leben bezieht, was er anhand von Gen 2,8–17LXX aufzeigen kann (a.a.O., 80). 361 Vgl. zum „Nun“ auch Röm 3,21, wo der Apostel die Zeitangabe ebenso heilsgeschichtlich konnotiert. 362 Auf den Zusammenhang von Röm 5,12–21 zu Röm 3,23f. verweisen auch O. HOFIUS, Adam-Christus-Antithese, 75; C. LANDMESSER , Vorrang, 110. Sie verfolgen damit die Intention, einen Heilsuniversalismus für Röm 5,18 zu begründen.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

schicksalsmächtigen Wirkung auf die Menschheit einander gegenüberstellt.363 Der Textabschnitt stellt eine durch sprachliche Signale gegliederte Einheit dar, dessen Wortwahl sich zum Teil stilistischer Vereinheitlichung verdankt364 und dessen Nominalstil die Übersetzung mitunter schwierig macht. Eine Graphik soll den Aufbau des Textes veranschaulichen und damit auf seine „amplifikatorische Struktur“365 aufmerksam machen. Dabei soll das Augenmerk darauf liegen, dass sich die negativen Größen ausschließlich auf der Adam-Seite befinden, der die Christus-Seite mit entsprechenden Gegenbegriffen positiv gegenübersteht. 12

13

∆ιὰ τοῦτο ὥσπερ δι᾿ ἑνὸς ἀνθρώπου ἡ ἁµαρτία εἰς τὸν κόσµον εἰσῆλθεν καὶ διὰ τῆς ἁµαρτίας ὁ θάνατος, καὶ οὕτως εἰς πάντας ἀνθρώπους ὁ θάνατος διῆλθεν, ἐφ᾿ ᾧ πάντες ἥµαρτον· ἄχρι γὰρ νόµου ἁµαρτία ἦν ἐν κόσµῳ, ἁµαρτία δὲ οὐκ ἐλλογεῖται µὴ ὄντος νόµου,

14

ἀλλὰ ἐβασίλευσεν ὁ θάνατος ἀπὸ Ἀδὰµ µέχρι Μωϋσέως καὶ ἐπὶ τοὺς µὴ ἁµαρτήσαντας ἐπὶ τῷ ὁµοιώµατι τῆς παραβάσεως Ἀδὰµ ὅς ἐστιν τύπος τοῦ µέλλοντος.

15

Ἀλλ᾿ οὐχ ὡς τὸ παράπτωµα, εἰ γὰρ τῷ τοῦ ἑνὸς παραπτώµατι οἱ πολλοὶ ἀπέθανον,

16

καὶ οὐχ ὡς δι᾿ ἑνὸς ἁµαρτήσαντος

οὕτως καὶ τὸ χάρισµα· πολλῷ µᾶλλον ἡ χάρις τοῦ θεοῦ καὶ ἡ δωρεὰ ἐν χάριτι τῇ τοῦ ἑνὸς ἀνθρώπου Ἰησοῦ Χριστοῦ εἰς τοὺς πολλοὺς ἐπερίσσευσεν. τὸ δώρηµα·

363 D. HELLHOLM, Universalität, 238, spricht von einem „antithetischen Vergleich“; O. HOFIUS, Adam-Christus-Antithese, 78, beurteilt die „Entsprechung“ als „antithetische“. So vor ihm bereits U. W ILCKENS, Römer, 1. Teilband, 329. 364 Vgl. dazu die kommentierte Übersetzung bei O. HOFIUS, Adam-Christus-Antithese, 69–73. 365 Vgl. dazu D. HELLHOLM, Universalität, besonders 243–253, der detailliert die amplifikatorische Struktur des Textes an dessen sprachlichen Merkmalen herausarbeitet.

4. Glaube und Leben im Röm

τὸ µὲν γὰρ κρίµα ἐξ ἑνὸς εἰς κατάκριµα,

τὸ δὲ χάρισµα ἐκ πολλῶν παραπτωµάτων εἰς δικαίωµα.

17

εἰ γὰρ τῷ τοῦ ἑνὸς παραπτώµατι ὁ θάνατος ἐβασίλευσεν διὰ τοῦ ἑνός,

πολλῷ µᾶλλον οἱ τὴν περισσείαν τῆς χάριτος καὶ τῆς δωρεᾶς τῆς δικαιοσύνης λαµβάνοντες ἐν ζωῇ βασιλεύσουσιν διὰ τοῦ ἑνὸς Ἰησοῦ Χριστοῦ.

18

Ἄρα οὖν ὡς δι᾿ ἑνὸς παραπτώµατος εἰς πάντας ἀνθρώπους εἰς κατάκριµα,

19

20

21

ὥσπερ γὰρ διὰ τῆς παρακοῆς τοῦ ἑνὸς ἀνθρώπου ἁµαρτωλοὶ κατεστάθησαν οἱ πολλοί,

149

οὕτως καὶ δι᾿ ἑνὸς δικαιώµατος εἰς πάντας ἀνθρώπους εἰς δικαίωσιν ζωῆς· οὕτως καὶ διὰ τῆς ὑπακοῆς τοῦ ἑνὸς δίκαιοι κατασταθήσονται οἱ πολλοί.

νόµος δὲ παρεισῆλθεν, ἵνα πλεονάσῃ τὸ παράπτωµα· οὗ δὲ ἐπλεόνασεν ἡ ἁµαρτία, ὑπερεπερίσσευσεν ἡ χάρις, ἵνα ὥσπερ ἐβασίλευσεν ἡ ἁµαρτία ἐν τῷ θανάτῳ,

οὕτως καὶ ἡ χάρις βασιλεύσῃ διὰ δικαιοσύνης εἰς ζωὴν αἰώνιον διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ κυρίου ἡµῶν.

In V. 12 beginnt Paulus mit einem Vergleich, den er jedoch zunächst nicht zu Ende führt. Stattdessen unterbricht er den in V. 12 postulierten SündeTod-Zusammenhang,366 der seit Adam367 die Menschheit bestimmt, indem er in den VV. 13f. eine Verhältnisbestimmung von νόµος, ἁµαρτία und θάνατος vornimmt. In den VV. 15–17,368 eingeleitet durch die adversative 366 Fälschlicherweise kehrt C. LANDMESSER, Vorrang, 113, die Folge von Sünde und Tod um, wenn er sagt, die „Herrschaft des Todes hat wiederum die fatale Folge, daß die Menschen sündigen – es entsteht ein Todeszirkel, den der Mensch nicht durchbrechen kann“. 367 Paulus führt diesen namenlos als ἑνὸς ἀνθρώπος ein. 368 Der Vergleich zwischen Adam und Christus klingt bereits in dem Relativsatz in V. 14 an, in dem Adam als Typos des Zukünftigen bezeichnet wird. Anders jedoch R. S. SCHELLENBERG, Paul, der nachweisen möchte, dass Paulus mit τύπος nicht Adam, sondern dessen παράβασις bezeichne. Er übersetzt dementsprechend: „which (transgression) is a ‚type‘ of what was to come“ (a.a.O., 57). Sein Ansatz überzeugt nicht, da er das maskuline ὅς auf das Femininum παράβασις beziehen muss und zudem ein Bezug auf Adam und Christus vom Folgenden her plausibler erscheint. Eine Schwierigkeit stellt

150

III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Konjunktion ἀλλά, arbeitet er in Form zweier negierter Vergleiche (VV. 15a.16a) und daran anschließender πολλῷ µᾶλλον-Schlüsse die „Analogielosigkeit“369 zwischen Adam und Christus heraus. Ebendiese Analogielosigkeit zwischen den jeweiligen Taten Adams und Christi und ihren Konsequenzen370 führen die VV. 18f. weiter, indem sie die antithetische Entsprechung371 sprachlich mit Hilfe der Formulierungen ὡς – οὕτως καί (V. 18) und ὥσπερ – οὕτως καί (V. 19) umsetzen. In V. 20 kommt Paulus erneut auf die Rolle des νόµος und seiner Relation zur ἁµαρτία zu sprechen. Neu gegenüber den VV. 13f. ist hier der Verweis auf die χάρις. Im Finalsatz V. 21 rekurriert er dann erneut auf die Wendung ὥσπερ – οὕτως καί wie schon in V. 19, um den Textabschnitt Röm 5,12–21 zu einem klimaktischen Abschluss zu bringen.372 Die vergangene Herrschaft der Sünde im Tod stellt er der gegenwärtigen Gnadenherrschaft373 διὰ δικαιοσύνης εἰς ζωὴν αἰώνιον gegenüber. Dabei nennen die angehängte doxologische Wendung διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ κυρίου ἡµῶν ebenso wie die δικαιοσύνη als Inbegriff der Tat Jesu noch einmal den Ermöglichungsgrund für die epochale und eschatologisch qualifizierte Wende vom Tod zum Leben.374 dabei der Begriff τύπος dar. Denn Adam kann eigentlich nicht als Typos bezeichnet werden, da Paulus ja gerade den Gegensatz zwischen Adam und Christus herausstreicht. Vgl. exemplarisch die Diskussion verschiedener Bedeutungen bei R. J EWETT, Romans, 378f.; er beschreibt das Dilemma der Exegese, wenn er konstatiert „Adam has been viewed as the ‚antithetical correspondent‘ to the coming Christ, but such an antithesis does not seem inherent in the term itself.“ (A.a.O., 378.) 369 So treffend C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 168. In V. 16b erweitert Paulus die antithetische Gegenüberstellung von Adam und Christus durch einen den Vergleich begründenden µέν-δέ-Satz. 370 O. HOFIUS, Adam-Christus-Antithese, 62.77, spricht von „Tat“ und „Folge“. 371 Gegliedert wird der Text dabei durch die folgernde Wendung ἄρα οὖν. 372 Nach C. LANDMESSER, Vorrang, 111, bilden die VV. 12.21 „mit den Motiven ‚Tod‘ und ‚ewiges Leben‘ eine diese Verse übergreifende antithetische Inklusion, die den Gegensatz zwischen Adam und Christus und die Opposition von Tod und Leben sprachlich wirkungsvoll hervorhebt.“ 373 Paulus verwendet in V. 21 zweimal das Verb βασιλεύω, das er in den VV. 14.17a mit θάνατος als Subjekt benutzt und in 17b auf die Glaubenden bezieht. 374 Das heißt zugleich, dass Paulus in Röm 5,12–21 metaphorisch von Tod und Leben sprechen kann und dabei zugleich auf die Erfahrung des physischen Todes zurückgreift. Die Rede vom eschatologischen Sünden-Tod und soteriologisch qualifizierten Leben konkretisiert Paulus vor dem Hintergrund des physischen Lebens und seiner Vergänglichkeit. Vgl. dazu C. ZIMMERMANN, Leben, 503f.; C. LANDMESSER, Vorrang, 112f., der allerdings annimmt, dass Paulus in Röm 5,12–21 den Tod „selbstverständlich zunächst“ (a.a.O., 112) auf das Sterben des kreatürlichen Menschen beziehe, was oberflächlich betrachtet zutrifft, in der Gegenüberstellung zur Rede vom ewigen Leben allerdings an Grenzen stößt und den Sinn des Textes zu eng zu fassen versucht. Dieses Problem sieht er selber und versucht es (a.a.O., 113 Anm 12) zu korrigieren. Anders hingegen O. HOFIUS, Adam-Christus-Antithese, 79, der hier den „Tod als die Konsequenz der Sünde“ thematisiert sieht.

4. Glaube und Leben im Röm

151

Dass die Sündenherrschaft durch den Tod (V. 21) und damit die Todesherrschaft (VV. 14.17)375 abgelöst wurde durch die Gnadenherrschaft zum ewigen Leben, verdankt sich nach Paulus „Gottes durch Christus dargereichte(m) Gnadenangebot“.376 Dieses bezeichnet Paulus als τὸ δώρηµα (V. 16), ἡ δωρεὰ ἐν χάριτι (V. 15b), τὸ χάρισµα (VV. 15a. 16b) und ἡ δωρεά τῆς δικαιοσύνης sowie schlicht als ἡ χάρις (V. 17b) und kontrastiert es dem Fehltritt Adams bzw. dessen Sündigen.377 Das gnadenhafte Eingreifen Gottes hat sich nach V. 15 in der Gnade Jesu Christi verwirklicht. Mit dem gehäuften Gebrauch von χάρις in V. 15 verweist Paulus einerseits auf die Initiative Gottes und nennt zugleich mit Christus denjenigen, durch den die Gnade Gottes verwirklicht wurde. „His Roman audiences would take the point that it is the same grace in each instance: Christ’s death and resurrection as the actualization of grace par excellence“.378 Die Gnade durchbricht die Todesherrschaft, die nach Paulus infolge der Gebotsübertretung379 Adams über alle Menschen herrscht, obwohl sie nicht in der gleichen Weise wie Adam gesündigt haben,380 sondern ἐφ᾿ ᾧ πάντες 375 R. J EWETT, Romans, 377, weist darauf hin, dass es in der griechischen und biblischen Literatur keinen Beleg für die Vorstellung einer Herrschaft des Todes gebe, was „illustrates the distinctiveness of Paul’s view. In the Roman imperial context in particular, this verb with its Latin equivalent regnere implies irresistible coercive power.“ 376 C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 166, hier allerdings in Bezug auf „Rechtfertigung, Friede und Versöhnung“ in Röm 5,1. 377 Vgl. dazu die VV. 15.17, wo Paulus vom παράπτωµα spricht. In V. 14 hingegen benutzt er den Begriff παράβασις und in V. 16 verwendet er das Verb ἁµαρτάνω. 378 J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 294. 379 Vgl. dazu die Auswertung von Gen 2,7–17; 3,22–24 bei O. HOFIUS, AdamChristus-Antithese, 80, der anhand der LXX-Überlieferung aufzeigen möchte, dass Paulus den Tod als Strafe für den Fehltritt Adams auffasst. Dies sei neben Röm 5 ebenso an 1 Kor 15,42ff. zu erkennen. Mit C. B URCHARD, 1 Korinther 15,39–41, 252, bezeichnet er Adam als „Kreationsruine“ (zit. n. HOFIUS, a.a.O., 81), der aufgrund seiner Sünde das Ziel der Schöpfung – ewiges Leben – verpasst hätte. Hofius möchte damit aufzeigen, dass Adam nach Gen 2f. „das kreatürliche, physische Leben, nicht dagegen bereits das ewige Leben“ (a.a.O., 80) besaß, zugleich aber zu ebendiesem bestimmt gewesen wäre, so dass nicht ein „‚natürlicher‘ Tod seinem Leben ein Ende setzen sollte.“ (A.a.O., 80.) 380 Der Unterschied zwischen dem Sündigen Adams und der übrigen Menschen besteht darin, dass sie nicht dasselbe bzw. kein konkretes Gebot wie dieser übertreten haben. Vgl. dazu die Überlegungen bei C. E. B. CRANFIELD, Romans, Vol. 1, 283; O. HOFIUS, Adam-Christus-Antithese, 91; D. ZELLER , Römer, 117. Fraglich ist hingegen, ob man wie U. W ILCKENS, Römer, 1. Teilband, 317, in der Übertretung eines „Paradiesgebot(s)“ durch Adam das Überschreiten einer „Vorausgestalt des Mosegesetzes“ erkennen sollte. Das würde gerade der argumentativen Absicht, das Sündersein von Juden und Heiden herauszustellen, wie es Paulus in Röm 1,18–3,20 dargelegt hatte, zuwiderlaufen und zudem der These des Apostels widersprechen, dass auch in der toralosen Zeit die Sünde existierte. Dass mit Adam die Sünde in die Welt und der Tod zur Herrschaft kam, ist eine im frühjüdisch-weisheitlichen und apokalyptischen Denken vielfach bezeugte Vorstellung

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

ἥµαρτον (V. 12). Die Forschung hat ein breites Spektrum an Vorschlägen gemacht, wie diese Wendung wiederzugeben sei und dazu textliches Vergleichsmaterial herangezogen.381 Darunter scheint Dunns Vorschlag, ἐφ᾿ ᾧ πάντες ἥµαρτον als „in that all sinned“382 zu verstehen, als der plausibelste. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es im Griechischen grammatikalisch nicht möglich ist, eindeutig zu bestimmen, worauf sich ἐφ᾿ ᾧ bezieht: Es könnten sowohl ἀνθρωπος, θάνατος als auch κόσµος die Bezugsgröße bilden. Von V. 21, in dem Paulus die Herrschaft der Sünde ἐν τῷ θανάτῳ verortet, scheint es dennoch am plausibelsten, ἐφ᾿ ᾧ auf den Tod zu beziehen. Paulus würde dementsprechend eine räumliche Vorstellung vertreten, wonach sich der Sünder in der Sphäre des Todes befindet. Zentral für den paulinischen Gedankengang ist seine Annahme, dass alle Menschen Sünder seien und deshalb jeder Mensch unter dem Gerichtsurteil (V. 16: κρίµα ... εἰς κατάκριµα) Gottes stehe. Dieses Urteil Gottes hat seinen Maßstab in der Tora, war jedoch schon in der toralosen Zeit383 gültig.384 Dem Gesetz385 kommt nun nach Röm 5,12–21 die Aufgabe zu, die Sünde in Rechnung zu

(vgl. 4 Esr 3,21.26; 7,116.118; und bezogen auf „eine Frau“ Sir 25,24 bzw. namentlich Eva ApkMos 14). Vgl. hierzu auch K. KERTELGE, Adam, 149f.; U. MELL, „Neue Schöpfung“, 359f. 381 Vgl. dazu R. J EWETT, Romans, 375f.. Einen ausführlichen Überblick über die Forschungsdiskussion anhand der grammatischen Auflösungsmöglichkeiten sowie der sog. Erbsündenlehre bietet C. E. B. CRANFIELD, Romans, Vol. 1, 274–279. Die Bedeutung von ἐφ᾿ ᾧ ist unklar. Die Vorschläge reichen von „realm in which humans were sinning, that is, the κόσµος (...) that is mentioned in vv.12 and 13“ (so R. JEWETT, Romans, Vol. 1, 376) über „weil“ (so O. H OFIUS, Adam-Christus-Antithese, 69, als Beispiel für die Mehrheit der Exegeten, obwohl dies nicht aus Texten vor dem 6. Jh. n. Chr. belegt werden kann [vgl. dazu R. J EWETT, Romans, Vol. 1, 375]) und „so dass“ im Sinne einer „konsekutive(n) Folge“ (so z.B. D. HELLHOLM, Universalität, 246). 382 J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 290. 383 Vgl. die Formulierungen ἄχρι γὰρ νόµου und µὴ ὄντος νόµου (V. 13) sowie ἀπὸ Ἀδὰµ µέχρι Μωϋσέως (V. 14). Es legt sich nahe, die paulinische Darstellung der Realität der Sündenmacht und des daraus folgenden Todes für die Zeit vor der Gesetzgebung als Bestandteil der Kommunikationsstrategie des Apostels zu verstehen. Damit verbindet er seine Adressaten aus Juden- und Heidenchristen mittels einer Anthropologie des Sünders. Röm 5,12–21 entspräche damit dem Duktus von Röm 3,23.28–31. 384 O. HOFIUS, Adam-Christus-Antithese, 84, urteilt zutreffend: „Das Gesetz macht den Tod nicht erst zur Konsequenz der Sünde und qualifiziert nicht erst Sünde und Tod negativ eschatologisch, wohl aber bringt es gültig zur Sprache, daß der Tod die Konsequenz der Sünde ist und Sünde und Tod mithin negativ eschatologisch qualifizierte Phänomene sind. Kurz – das Gesetz sagt, was schon zuvor der Fall ist. Fragen wir, wodurch Sünde und Tod negativ eschatologisch qualifiziert sind, so liegt die Antwort in V. 16bα: Gottes ‚Richterurteil‘ (κρίµα) hat das κατάκριµα, die Verurteilung zum Tode verfügt. Dieses κρίµα ist keineswegs das erst in der Tora ergehende Gerichtsurteil.“ 385 Vgl. zum Nomos bei Paulus Kap. III.1.3.1.1.

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stellen.386 Dies wiederum habe zur Folge, dass durch das Gesetz das παράπτωµα zunehme bzw. sich mehre (V. 20: πλεονάζω). Vor diesem Hintergrund hebt sich die Gnade ab: sie ist im Überfluss vorhanden.387 Während Paulus der Sünde den Tod beiordnet, lässt er das Leben mit der Gnade begründet sein. Dabei präsentiert er sowohl die Herrschaft der Sünde zum Tod als auch die Herrschaft der Gnade zum Leben als ein Geschehen mit universaler Bedeutung. Das belegen die synonymen Verwendungen von πολλοί und πάντες in den VV. 15–19. Im bewussten Kontrast zu den universalen Auswirkungen führt Paulus den Grund hierfür betont auf je ‚einen‘ (εἷς) zurück, sei es auf Adam oder aber auf Christus.388 Diese Universalität und die damit verbundene schicksalsbestimmende Wirkung der Taten Adams und Christi, die über Leben oder Tod entscheiden, lässt Paulus als Vertreter eines Unheilsuniversalismus auf der einen und eines Heilsuniversalismus auf der anderen Seite erscheinen. Den Heilsuniversalismus begründet er mit dem universalen soteriologischen Effekt des Kreuzestodes389 Christi nach Röm 5,17f. christologisch und verbindet ihn mit dem Empfang der Gnadengabe.390 386

Im Sinne von „auf die Rechnung setzen“ deuten das Verb ἐλλογέω u.a. auch O. HOFIUS, Adam-Christus-Antithese, 94; R. JEWETT, Romans, 377; D. ZELLER, Röm, 117. 387 Diesen Gedanken formulieren die VV. 15 (περισσεύω) und 20, wobei das Kompositum ὑπερπερισσεύω in V. 20 noch einmal den amplifikatorischen Aufbau des Textes unterstreicht. 388 Dabei bezeichnet Paulus Adam als den „einen“ (V. 15.16.17.18) bzw. als den „einen Menschen“ (V. 19: τοῦ ἑνὸς ἀνθρώπου), Christus als den „einen Menschen Jesus Christus“ (V. 15: ἑνὸς ἀνθρώπος Ἰησοῦ Χριστοῦ) bzw. den „einen, Jesus Christus“ (V. 17) oder ebenfalls nur als den „einen“ (VV. 18f.). 389 Die paulinische Rede vom δικαίωµα dürfte ebenso wie die Rede von der ὑπακοή Christi in V. 19 auf den Kreuzestod Christi anspielen. Vgl. zum Zusammenhang von Gehorsam und Kreuzestod Phil 2,1–11. So auch O. HOFIUS, Adam-Christus-Antithese, 85. 390 An Röm 5,12–21 hat sich die Frage entzündet, ob Paulus einen Heilsuniversalismus vertrete. Während O. HOFIUS, Adam-Christus-Antithese, 87f.; C. LANDMESSER, Vorrang, 114f.; U. W ILCKENS, Römer, 1. Teilband, 325, dies bejahen, lehnt es u.a. D. J. MOO, Romans, 340, ab. Zurückhaltend auch P. STUHLMACHER, Römer, 81f. Einen Mittelweg schlägt R. H. B ELL, Rom 5.18–19, vor. Er nimmt wahr, dass die vermeintlich universalen Aussagen in Röm 5 in Spannung stehen zu anderen paulinischen Texten. Dennoch möchte er für Röm 5,18f. am Heilsuniversalismus festhalten, den er auf ein „mythical concept“ (a.a.O., 432) zurückführt, nach dem alle am Tod Jesu partizipiert hätten, so „that all will come through to salvation“ (a.a.O., 432). Bell betont damit zu Recht als „central focus“ von Röm 5,18f. die soteriologische Wirksamkeit des „reconciling act of Christ“ (a.a.O., 431). Darüber hinaus ist auch denkbar, dass sich die universalen Aussagen der historischen Kommunikationssituation verdanken. Da Paulus im Röm heilsgeschichtlich argumentiert, um die Einheit von Juden- und Heidenchristen zu stärken (vgl. z.B. Röm 1,17f.; 3,29), ist es denkbar, dass er mit den πάντες seine Adressaten aus Juden- und Heidenchristen im Blick hatte (so z.B. auch M. RAPINCHUK, Sin, 433, dessen Vorgehen, die von Paulus thematisierten πάντες im Sinne von „all men without

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So kontrastiert Paulus den Fehltritt Adams, der dazu führte, dass alle starben, der Gnadengabe Gottes in Christus, die „den Vielen“ im Überfluss zuteil wurde (V. 15): Während das Sündigen Adams das verurteilende Urteil Gottes zur Folge hatte, bewirkte das Gnadengeschenk die Erfüllung der Rechtsforderung für die Verfehlungen vieler.391 Wenn es nämlich, fährt Paulus in V. 17 begründend fort, durch den Fehltritt des einen zur Herrschaft des Todes kam, dann werden jene, die das Übermaß an Gnade und das Geschenk der Gerechtigkeit empfangen haben, im Leben herrschen durch Jesus Christus (V. 17: ἐν ζωῇ βασιλεύσουσιν διὰ τοῦ ἑνὸς Ἰησοῦ Χριστοῦ). Paulus folgert daraus, dass die Verurteilung aller Menschen aufgrund des Fehltritts Adams aufgehoben sei durch die Rechtfertigung, die infolge der Rechtstat Christi ‚Leben‘ für alle Menschen bewirkt (V. 18).392 Eine Spitzenaussage bildet dabei die im Neuen Testament singuläre Rede vom Herrschen der Glaubenden ἐν ζωῇ. 393 Denn bemerkenswerterweise distiction“ anstelle von „all men without exception“ [a.a.O., 435] aus dem Sprachgebrauch der LXX herleiten zu wollen, jedoch nicht überzeugt), ohne dass damit die universale Intention des Heilsgeschehens in Frage gestellt werden muss. 391 Gegen die Mehrheit der Ausleger, die δικαίωµα (V. 16) als Anpassung an κατάκριµα verstehen, so dass ein Homoioteleuton vorliegen würde, und δικαίωµα wie in V. 18 als δικαίωσις auffassen, soll mit R. J EWETT, Romans, 382, die Wortwahl des Paulus beibehalten werden und nicht zugunsten von „special translations suggested by the context and theological considerations“ (a.a.O., 382) aufgegeben werden. δικαίωµα ist daher konkordant zu Röm 8,4 mit Rechtsforderung zu übersetzen; der elliptische Stil, der auf Verben verzichtet, lässt es angebracht sein, wie in Röm 8,4 πληρόω zu ergänzen. 392 Mit der Rede von der δικαίωσις ζωῆς, der Rechtfertigung, die Leben ermöglicht (genitivus obiectivus), nimmt Paulus, wie mit der Wendung von der δωρεά τῆς δικαιοσύνης (V. 17) und der Bezeichnung der οἱ πολλοί als δίκαιοι (V. 19), die Verheißung des Zitates aus Hab 2,4 in Röm 1,17 auf, dass der aus Glauben Gerechte leben wird. Vgl. weiter Röm 4,25. 393 Die beiden Futura in den VV. 17f. sind als logische Futura zu deuten, da Paulus hier zwei Epochen der Heilsgeschichte kontrastiert. D. J. MOO, Romans, 340f. mit Anm. 126, erweist sich als widersprüchlich, wenn er zwar zugesteht, dass das Herrschen im Leben „begins with the reception of the gift of righteousness“ (a.a.O., 340), aber zugleich die ζωή bei Paulus ausschließlich als futurisch-eschatologisch konnotierte Größe verstehen möchte. Aufgrund der logischen Futura scheint es wenig plausibel, dass mit βασιλεύω an dieser Stelle die Erwartung einer eschatologischen Mitherrschaft der Glaubenden zum Ausdruck gebracht werden soll, wie sie im Hintergrund von 1 Kor 4,8 zu stehen scheint. Anders jedoch C. E. B. CRANFIELD, Romans, Vol. 1, 288; H. ROOSE, Mitherrschaft, 286f.. Gegen eine eschatologische Mitherrschaft sprechen auch die ethischen Appelle des Paulus in Röm 6 sowie seine dortigen Beschreibungen des neuen Seins der Glaubenden. Die Deutung im Sinne einer eschatologischen Mitherrschaft verdankt sich letztlich der für Paulus bislang quasi nicht erfolgten Untersuchung seines Lebensbegriffs. Und sofern dieser zumeist in eins mit den Aussagen zur Auferstehung der Glaubenden gelesen wird, wird auch der Lebensbegriff unreflektiert mit einer futurisch-eschatologischen Bedeutung belegt. Das bestätigt exemplarisch H. ROOSE, Mitherrschaft, 286f., die Röm 5,12–21 als

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sind an dieser Stelle diejenigen Subjekte des Herrschens, die die Gnadengabe der Gerechtigkeit empfangen haben. Mit Ausnahme von 1 Kor 4,8394 verwendet Paulus das Verb βασιλεύω sonst immer mit den Subjekten Tod und Sünde einerseits und Gnade und Christus andererseits.395 So beschreibt Paulus in Röm 6 mit den Verben βασιλεύω und κυριεύω die zerstörerische Macht des Todes und der Sünde, die durch den Tod Christi überwunden wurde (6,9f.). Folglich werden auch die Glaubenden als Partizipierende an Jesu Tod und Auferweckung von Paulus aufgefordert, die Sünde nicht in sich396 herrschen zu lassen (6,12: βασιλεύω). Zugleich vergewissert der Apostel sie ihres Status unter der Gnade, der verhindere, dass die Sünde über sie herrsche (6,14: κυριεύω). In dem Zusammenhang spricht Paulus von der Sünde als einer personifizierten Größe: Diese „Redeweise, welche die Wirklichkeit nach bestimmten, wenngleich nicht dämonologischen Erfahrungen interpretiert und strukturiert“, ermöglicht es ihm nach Röhser, „Unheilserfahrung zu artikulieren und zu kommunizieren, wonach die bösen Taten des Menschen sich ihm gegenüber verselbständigen und mit vernichtender Gewalt auf ihn zurückschlagen.“397 Röhser differenziert dabei die personifizierte Rede von der Sünde bei Paulus weiter aus, indem er die ἁµαρτία als „Abstraktnomen“398 bezeichnet, das „etwas sehr Allgemeines, Über-Individuelles, etwas, worin die Menschen in negativer Weise ‚solidarisch‘ miteinander verbunden sind“399, sei, und „dessen Folgen auch alle Erläuterung zu 1 Kor 15,20ff. begreifen will und daraus für beide Texte den Schluss zieht: „Es geht um die Auferstehung. (...) Die Christen verdanken ihre zukünftige Auferstehung Christus, der bereits auferstanden ist.“ Differenzierter argumentiert R. J EWETT, Romans, 367, der zumindest für Röm 5,10 unter Hinweis auf 2 Kor 4,10 annimmt (a.a.O., 366), dass „the new life shared with Christ (...) is experienced by the faithful“. Obwohl er annimmt, dass Röm 5,10 „sets the theme for subsequent pericopes that describe the new life in Christ“ (a.a.O., 366), bezieht er die gegenwärtige Rettung im Leben Jesu (Röm 5,10) auf die in 5,3 thematisierten Leiden der Glaubenden. 394 In 1 Kor 4,8 spielt Paulus mit dem Verb auf das von ihm kritisierte Selbstverständnis der Korinther an, bereits gegenwärtig an der Herrschaft Gottes zu partizipieren. Vgl. hierzu C. W OLFF, 1. Korinther, 86f. Den Hintergrund für diese Vorstellung dürfte Dan 7,18 bilden. 395 Vom Herrschen der Sünde handelt Röm 5,21; 6,12, vom Tod Röm 5,14.17, von der Gnade Röm 5,21 und von Christus 1 Kor 15,25. 396 Wörtlich spricht Paulus hier von σῶµα. Aufgrund der Parallele zu ἑαυτούς in V. 13 ist davon auszugehen, dass Paulus hiermit „the whole person“ (D. J. MOO, Romans, 383, zuvor schon C. E. B. CRANFIELD, Romans, Vol. 1, 317) bezeichnet. Anders P. STUHLMACHER , Römer, 87; U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 20, die den Leib als Ort der Sünde betonen. 397 So G. RÖHSER, Paulus, 96. C. GERBER, Waffendienst, 135, betont, dass Paulus „metaphorisch und mythisch“ von der Sünde als „Personifikation“ spricht. 398 G. RÖHSER, Paulus, 97. 399 Zitiert nach G. RÖHSER, Paulus, 97, aus DERS., Stellvertretung im Neuen Testament, SBS 195, Stuttgart 2002, 144.

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gemeinsam zu tragen haben“400. Die Tatsache, dass Paulus von der Sünde als einer personifizierten Größe spricht, sollte jedoch gegen Röhser gerade vor der Beobachtung, dass er sie als Herrscherin versteht, dazu führen, ἁµαρτία auch als eine Macht zu begreifen, in deren „Machtbereich“401 sich der Mensch außerhalb von Christus vorfindet. Dasselbe trifft auf den θάνατος zu, der im Verständnis des Apostels die Konsequenz der Sünde ist und in dessen Sphäre der Mensch versklavt ist. Demgegenüber präsentiert sich das Herrschen im Leben als Eintritt in die Sphäre jenes ‚Lebens‘, das durch Jesu Tod und Auferweckung ermöglicht wurde.402 Dieses Leben hat die Glaubenden dem Todesgeschick der Sünde entrissen, so dass sie nun über die Sünde und den Tod herrschen.403 Was Paulus in Röm 5,17 in einer Spitzenaussage formuliert, erfährt in Röm 6 eine beinahe paradoxe Interpretation, denn hier expliziert er das „Herrschen im Leben“ als δουλόω τῷ θεῷ (6,22) und bezeichnet die von der Sünde Befreiten als der Gerechtigkeit Dienende (6,18). Dabei ist Dienen hier nicht negativ konnotiert. Denn die Möglichkeit des Menschen, sich als Sklave gehorsam in den Dienst der Gerechtigkeit (6,19) zu stellen bzw. Gott zu dienen (6,22), setzt die Befreiung von der Sünde voraus, die die Glaubenden aus ihrem früheren Status als δοῦλοι τῆς ἁµαρτίας (6,17.20) entlässt.404 400

G. RÖHSER, Paulus, 97. So U. SCHNELLE, Transformation, 67. Er unterscheidet den Machtbereich der Sünde und den Machtbereich Christi. Er fasst Sünde in Röm 6–8 als „Gegenbegriff zu Gott und seiner Gerechtigkeit“ auf. Vgl. auch B. R. GAVENTA, Power, 231, der Sünde im Röm als „an upper-case Power that enslaves humankind and stands over against God“ bezeichnet. 402 Darauf verweist der angehängte Präpositionalausdruck διὰ τοῦ ἑνὸς Ἰησοῦ Χριστοῦ (V. 17). 403 U. W ILCKENS, Römer, 1. Teilband, 325, deutet das Herrschen im Leben ebenfalls als Herrschaft über den Tod, erwartet dieses jedoch erst für die Zukunft, was weder dem Duktus von Röm 5 noch dem von Röm 6 gerecht wird. 404 Ein Problem, das sich in diesem Zusammenhang ergibt, ist die Frage nach dem Sündigen von Christen bei Paulus. M. KLINGHARDT, Sünde, will anhand einer sprachlichen Analyse der Derivate des Stammes ἁµαρτ- bei Paulus und vor dem traditionsgeschichtlichen Hintergrund eines Züchtigungsgerichts nachweisen, dass Paulus von ἁµαρτία der Glaubenden nur dann spreche, wenn diese im Horizont eines Züchtigungsgerichts verortet werde, während er ansonsten konkrete Verfehlungen der Christen ohne Verwendung des ἁµαρτ-Stammes ausdrücke (vgl. a.a.O., besonders 74–76). Die Vorstellung einer Sündlosigkeit von Christen bei Paulus hingegen beruhe auf einer falschen Auslegung von Röm 6–8, die verkenne, dass sich Paulus hier „gegen den Vorwurf verwahrt, Heidenchristen seien als Heiden ipso facto Sünder“ (a.a.O., 79). Richtig ist sicherlich, dass die These der Sündlosigkeit der Glaubenden auf einer falschen Interpretation von Röm 6–8 basiert. Allerdings können die Argumente Klinghardts ebenso wenig überzeugen, geht Paulus doch vom Sündersein von Heiden und Juden aus. Aufschlussreich ist die Wahrnehmung des Paulustextes selbst. Grundsätzlich sind die Glaubenden der Herr401

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Röm 6 entfaltet also, wie die Glaubenden teilhaben an dem Befreiungsgeschehen von Sünde und Tod und so in der Neuheit des Lebens wandeln. In diesem Kapitel erfolgt gewissermaßen die existentielle Konkretion dessen, was Paulus in Röm 5,12–21 in einer an eine apokalyptische Äonenwende erinnernden (universal-) heilsgeschichtlichen Darstellung dargelegt hatte. 4.2.2 Das Glaubenssummarium und die καινότης ζωῆς Mit Röm 6,1 knüpft Paulus an den unmittelbaren Kontext der AdamChristus-Typologie an, indem er die Stichworte ἁµαρτία und χάρις aufnimmt. So stellt er zunächst eine rhetorische Frage, die ein mögliches Missverstehen seiner Aussagen zum Verhältnis von Sünde und Gnade (Röm 5,20f.) formuliert:405 „Sollen wir in der Sünde bleiben, damit die Gnade umso größer werde?“ Der Apostel weist dies zurück und erinnert die römischen Christen in einem anschließenden Relativsatz (6,2) daran,406 dass sie der Sünde gestorben seien; wie sollten sie da noch in ihr leben können?407 Im Folgenden benutzt Paulus Elemente der Glaubenssummarien, um die Neuheit des Lebens der Glaubenden mit ihrer Teilhabe an Jesu Sterben und Auferstehungsleben zu begründen. So spricht er in V. 10 davon, dass Christus starb (ἀπέθανεν), und in den VV. 4.9 davon, dass Jesus aus Toten schaft der Sünde und damit dem eschatologischen Tod entnommen. Die imperative Struktur von Röm 6 jedoch zeigt, dass Paulus nicht die bleibende Konfrontation mit der Sünde leugnet, die er dann auch als ἁµαρτία kennzeichnet. C. GERBER, Waffendienst, 138–140, möchte anhand einer Analyse der militärischen Metaphern in Röm 6,12–14 vor dem Hintergrund eines Soldaten im Römischen Reich zeigen, dass Paulus die „unbedrohte Freiheit von der Sünde, das posse non peccare“ (a.a.O., 140) für möglich hält, wenn er an die Lebensgestaltung der Glaubenden in der Neuheit des Lebens appelliert. Für V. 13 erweist sich ihre Deutung als einleuchtend, sofern hier die Parallelen zur freiwilligen Verpflichtung im Militärdienst sichtbar sind. Das Manko ihrer Analyse besteht in der nur bedingt wahrgenommenen Spannung ihrer Ausführungen zum Machtcharakter der Sünde, die ja nach 5,12–21, wie der Tod, schicksalsmächtig ist. 405 Offen bleiben muss, ob es sich hier um einen tatsächlichen Einwand handelt, oder ob Paulus einen solchen fiktiv formuliert als Ausgangspunkt für seine Darlegungen (so auch C. LANDMESSER, Vorrang, 115f.). Letzteres scheint jedoch wahrscheinlicher. 406 Paulus formuliert hier, um Zustimmung werbend, in der 1. Person Plural und inkludiert damit auch sich selber. 407 Die Präposition ἐν gibt eine räumliche Vorstellung frei, die den Menschen im Wirk- oder „Einflussbereich“ (so H.-J. ECKSTEIN, Auferstehung, 10 Anm. 13) der Sünde versteht. So auch K. HAACKER, Römer, 127; ähnlich auch O. MICHEL, Römer, 205; H. SCHLIER, Römerbrief, 191. U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 10, spricht von einem „Bereich dieses Besitzverhältnisses“, das zwischen der Sünde und den Menschen bestand. Paulus rekurriert hier erneut auf die Vorstellung von Machtsphären, wie sie sich in Röm 5,12–21 für den Tod, die Sünde und das Leben beobachten ließen. So auch R. JEWETT, Romans, 396.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

auferweckt wurde (V. 4: ἠγέρθη Χριστὸς ἐκ νεκρῶν; V. 9: Χριστὸς ἐγερθεὶς ἐκ νεκρῶν). Wie in dem vorpaulinischen Glaubenssummarium in 1 Kor 15,3f. thematisiert Paulus zudem, dass Jesus begraben worden sei (V. 4). Dabei zeigt die Formulierung πιστεύοµεν ὅτι in V. 8b, dass Paulus auf Traditionen rekurriert; diese macht er dann aber seinem Argumentationsanliegen fruchtbar. So legt sich die Vermutung nahe, dass die konkrete Ausformulierung der Auferstehungsaussage in V. 8c, in der das Kompositum συζάω verwendet wird, auf Paulus zurückgeht. Dasselbe Phänomen lässt sich an den weiteren Aussagen zum Auferstehungsleben Jesu beobachten (V. 10c.d). So verwendet Paulus im Kontext der Glaubenssummarien durchgängig die ζῆν-Terminologie, wenn er das Auferstehungsleben Jesu mit der gegenwärtigen soteriologischen Gabe des ‚Lebens‘ an die Glaubenden korreliert und auf diese Weise vor dem Hintergrund der Aussagen der Glaubenssummarien seinen Lebensbegriff entfaltet. Röm 6 ist also ein weiterer Beleg für die theologische Konzeption des Lebens aus dem Glauben auf der Grundlage der Glaubenssummarien. Dabei ist analog zur Abfolge von Tod und Auferstehung Jesu in den Glaubenssummarien auch in Röm 6 der Tod bzw. das Gestorbensein und Begraben-Worden-Sein die Voraussetzung für die Neuheit des Lebens der Glaubenden. Wie in Röm 5,12–21 bildet dabei die Auseinandersetzung mit der Sünde den Bezugsrahmen der paulinischen Ausführungen. So stellt Röm 6,1–11 einen wohl strukturierten, in sich geschlossenen Textabschnitt dar,408 der vom nachfolgenden paränetischen Textteil 6,12– 23 abzugrenzen ist.409 In ihm erläutert Paulus, welche Konsequenzen die Neuheit des Lebens für die Lebensgestaltung der Glaubenden hat. Nach einer den fiktiven Dialog eröffnenden Frage (V. 1) entwickelt Paulus seine Argumentation in drei Schritten in den VV. 2–4.5–7 und 8– 10, bevor er in V. 11 die Schlussfolgerung daraus zieht. Dabei erläutern die Textabschnitte 5–7.8–10 die Aussage von V. 4. Dazu wird in der jeweiligen Protasis der Konditionalsätze der Tod Jesu in Bezug gesetzt zu den Glaubenden, während in der Apodosis zum Ausdruck kommt, was die 408 Dabei fungiert V. 1 als den fiktiven Dialog eröffnende Einleitung, während V. 11 den Textabschnitt beschließt, indem hier die Aussage von V. 2 aufgenommen und die eingangs gestellte Frage eine Antwort erhält. Ähnlich H.-J. ECKSTEIN, Auferstehung, 12. 409 Die Mehrheit der Ausleger setzt die Zäsur erst nach V. 14, so u.a. C. E. B. CRANFIELD, Romans, Vol. 1, 297; K. H AACKER, Römer, 126; W. SCHMITHALS, Römerbrief, 184f.; U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 7f.; wie oben vorgeschlagen hingegen J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 306; H.-J. ECKSTEIN, Auferstehung, 11f. Beide Gliederungen haben jeweils gute Gründe für sich. Lässt man den Textabschnitt mit V. 14 enden, ergibt sich einerseits eine Inclusio zu V. 1, andererseits erweist sich V. 15 in Form einer rhetorischen Frage deutlich als neuer Textabschnitt. Die hier vorgenommene Gliederung verdankt sich der Fokussierung auf die Neuheit des Lebens, da der Konsekutivsatz V. 11 die Folge aus den hierzu gemachten Darlegungen zieht.

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Auferweckung für die Glaubenden bedeutet. Im Anschluss an die Konditionalgefüge erinnert Paulus seine Adressaten an ein gemeinsames Wissen (VV. 6a.9a: τοῦτο γινώσκοντες; εἰδότες). Dieses formuliert er im Anschluss an ein ὅτι-citativum, bevor er es abschließend in einem Hauptsatz begründet. Dabei unterscheiden sich die syntaktisch parallel konstruierten Satzgefüge dadurch, dass die VV. 6f. den Tod des Menschen und die Folgen für ihn thematisieren, während die VV. 9f. auf die Auferweckung Jesu und die Konsequenzen für den Auferstandenen fokussieren. 1 a Τί οὖν ἐροῦµεν; b ἐπιµένωµεν τῇ ἁµαρτίᾳ, c ἵνα ἡ χάρις πλεονάσῃ; 2 a µὴ γένοιτο. b οἵτινες ἀπεθάνοµεν τῇ ἁµαρτίᾳ, c πῶς ἔτι ζήσοµεν ἐν αὐτῇ; 3 a ἢ ἀγνοεῖτε ὅτι, ὅσοι ἐβαπτίσθηµεν εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν, b εἰς τὸν θάνατον αὐτοῦ ἐβαπτίσθηµεν; 4 a συνετάφηµεν οὖν αὐτῷ διὰ τοῦ βαπτίσµατος εἰς τὸν θάνατον, b ἵνα ὥσπερ ἠγέρθη Χριστὸς ἐκ νεκρῶν διὰ τῆς δόξης τοῦ πατρός, c οὕτως καὶ ἡµεῖς ἐν καινότητι ζωῆς περιπατήσωµεν. 5 a εἰ γὰρ σύµφυτοι γεγόναµεν τῷ ὁµοιώµατι τοῦ θανάτου αὐτοῦ, b ἀλλὰ καὶ τῆς ἀναστάσεως ἐσόµεθα· 6 a τοῦτο γινώσκοντες b ὅτι ὁ παλαιὸς ἡµῶν ἄνθρωπος συνεσταυρώθη, c ἵνα καταργηθῇ τὸ σῶµα τῆς ἁµαρτίας, d τοῦ µηκέτι δουλεύειν ἡµᾶς τῇ ἁµαρτίᾳ· 7 a ὁ γὰρ ἀποθανὼν b δεδικαίωται ἀπὸ τῆς ἁµαρτίας. 8 a εἰ δὲ ἀπεθάνοµεν σὺν Χριστῷ, b πιστεύοµεν ὅτι c καὶ συζήσοµεν αὐτῷ, 9 a εἰδότες ὅτι Χριστὸς ἐγερθεὶς ἐκ νεκρῶν b οὐκέτι ἀποθνῄσκει, c θάνατος αὐτοῦ οὐκέτι κυριεύει. 10 a ὃ γὰρ ἀπέθανεν, τῇ ἁµαρτίᾳ ἀπέθανεν ἐφάπαξ· b ὃ δὲ ζῇ, ζῇ τῷ θεῷ. 11 a οὕτως καὶ ὑµεῖς λογίζεσθε ἑαυτοὺς [εἶναι] νεκροὺς µὲν τῇ ἁµαρτίᾳ b ζῶντας δὲ τῷ θεῷ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Paulus legt sein Verständnis der Neuheit des Lebens dar, indem er die Taufe thematisiert. Dabei vertritt er in Röm 6,3.4a eine Taufdeutung, die für das Neue Testament singulär ist410, so dass sie sowohl wegen ihrer Einzigartigkeit als auch aufgrund der besonderen Kommunikationssituation des Röm, den Paulus an Gemeinden richtet, die er nicht selbst gegründet hat, bei seinen Adressaten nicht zwingend als bekannt vorausgesetzt werden kann.411 Dennoch ermöglicht der argumentative Ansatz bei der Taufe, die folgenden Ausführungen zum ‚Mitbegraben-Sein‘ (V. 4: συνετάφηµεν), ‚Mitgekreuzigt-Sein‘ (V. 6: συνεσταυρώθη),412 zum Sterben (V. 7f.: ἀποθνῄσκειν) sowie zum Zusammenwachsen mit der Gleichheit des Todes Jesu (V. 5: σύµφυτοι γεγόναµεν τῷ ὁµοιώµατι τοῦ θανάτου αὐτοῦ), in den Erfahrungen der Adressaten zu verankern, und macht mit der metaphorischen Deutung des Sterbe- und Bestattungsprozesses im Akt der Taufe den Tod gegenüber der Sünde existentiell nachvollziehbar.413 Dabei deutet Paulus den Tod der Glaubenden als Tod Christi, in dem sich ihr Tod ereignet hat, so dass das Sterben Jesu als stellvertretendes bzw. repräsentatives verstanden wird.414 Darauf verweisen sowohl die mit Nachdruck formulierte Ex410

Die Vorstellung einer Taufe εἰς τὸν θάνατον ist einzigartig. U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 11, folgert daraus, dass es sich um „eine bestimmte Deutung der üblichen Taufformel V3a“ handele und die Formulierung an die Praxis des Eintauchens anspiele. Letzteres ist wenig überzeugend. Zu Recht macht R. JEWETT, Romans, 396, darauf aufmerksam, dass „there is no evidence that the link between baptism and the death of Christ or the symbolic death of believers was explicitly developed even by Paul himself prior to the writing of Romans“. Ebenso wertet T. KUO-YU TSUI, Baptized, die Erläuterung der Taufe als εἰς τὸν θάνατον als Schöpfung des Paulus (vgl. bes., a.a.O., 399– 401.403). 411 So auch R. JEWETT, Romans, 396. Die Verben des Wissens verweisen dementsprechend nicht auf ein bereits vorhandenes Wissen der Adressaten, sondern Paulus benutzt sie, um seinen Hörerinnen und Hörern etwas zu vermitteln, was für ihn den Status von „Glaubenswissen“ hat. Ähnlich auch S. LÉGASSE, Romains, 398. 412 Betrachtet man das Vorkommen der σύν-Terminologie bei Paulus und in den Deuteropaulinen, erweist sich diese als Sprachschöpfung des Paulus, wie auch von der Mehrheit der Forschung vertreten. Damit bieten die σύν-Formulierungen ein weiteres Indiz dafür, dass Paulus die Lebensterminologie in die Auferstehungsaussage eingetragen hat. 413 Vgl. C. ZIMMERMANN, Leben, 503f., die für die bildliche und nicht-metaphorische paulinische Rede von Leben und Tod insgesamt festhält, dass Paulus „einen der menschlichen Erfahrung entnommenen Bildbereich einsetzt, um neue Erfahrungen, die das herkömmliche Verständnis von Tod und Leben sprengen, in eigener Weise zu artikulieren.“ Das trifft m.E. insbesondere auf die Rede von der Taufe in Röm 6 zu. 414 A. J. M. WEDDERBURN, Traditions, 345, mahnt daher zur Vorsicht, Röm 6 vor dem Hintergrund von Mysterienkulten interpretieren zu wollen mit der Begründung: „Yet missing in all this is any hint that the initiate died (in the past) with the deity, and if he or she is thought to die with the deity in the initiation rite our admittedly scanty sources are completely silent about it.“ Vgl. bereits vorher DERS., Baptism, 394. Dass sich der Tod der Glaubenden im Tod Christi ereignet hat und nicht etwa im sakramentalen Erleben der

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plikation der Taufe mit den Worten εἰς τὸν θάνατον αὐτοῦ ἐβαπτίσθηµεν (6,3) wie auch die Wendung συνετάφηµεν οὖν αὐτῷ (6,4) und die Vorstellung, mit der Gleichheit seines Todes zusammengewachsen zu sein (6,5). In Röm 6,4 verbindet Paulus erstmals die Deutung der Taufe als Begraben-Worden-Sein in den Tod mit einer finalen Zweckangabe415 und stellt mit Hilfe der Sprachfigur ὥσπερ – οὕτως καί eine Analogie zwischen der Auferweckung Jesu und dem Wandel der Glaubenden in der Neuheit des Lebens her: „damit, wie Christus auferweckt wurde aus Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in der Neuheit des Lebens wandeln“. Der Apostel setzt die Auferweckung Jesu in Relation zur Neuheit des Lebens der Glaubenden, bleibt dabei allerdings bei einem „broken parallelism“416 stehen. Denn statt von einer Auferweckung auch der Glaubenden zu sprechen, redet er von deren καινότης ζωῆς. Diese ist einerseits klar soteriologisch qualifiziert, indem sie die „Wirklichkeit der durch die Auferweckung angebrochenen καινὴ κτίσις“417 bezeichnet – von Hodges als „nothing less than eternal life“ bezeichnet.418 Andererseits verweist das Verb περιπατέω auf eine ethische Dimension der Neuheit des Lebens, die Paulus in dem paränetischen Textabschnitt Röm 6,13–23 erläutert.419 In den V. 5–7 vertieft Paulus nun das Verständnis von V. 4,420 indem er in V. 5 nochmals erklärt, was die Teilhabe der Glaubenden an Jesu Tod und Auferweckung bedeutet, und in den VV. 6f. aufzeigt, welche Folgen ihr Sterben mit Christus hat. So belehrt Paulus seine Adressaten in V. 5 darüber, dass sie mit der Gleichheit des Todes Jesu verbunden worden seien.421 Er verwendet hierzu ein Perfekt des Verbes γίνοµαι. So bringt Paulus Taufe geschieht, betont bereits R. C. T ANNEHILL, Dying, 73, in kritischer Auseinandersetzung mit Bultmann. 415 Zu Recht spricht C. LANDMESSER, Vorrang, 117, von der „heilsame(n) Wirkung“ des Sterbens der Menschen. 416 A. J. M. W EDDERBURN, Baptism, 83. 417 U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 12 Anm. 31; ähnlich auch R. JEWETT, Romans, 399. 418 Z. C. HODGES, Acting, 17. 419 Allerdings darf die Neuheit des Lebens nicht auf die Ethik beschränkt bleiben, wie das bei J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 315f.330; M. V. HUBBARD, New Creation, 102f.; T. KUO-YU T SUI, Baptized, 405, der Fall ist, und wozu auch C. LANDMESSER, Vorrang, 118, tendiert. Dagegen wenden sich bereits C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 173, sowie H.-J. ECKSTEIN, Auferstehung, 19. 420 So auch H.-J. ECKSTEIN, Auferstehung, 12. 421 Der Ausdruck σύµφυτοι γεγόναµεν τῷ ὁµοιώµατι ist in seiner Bedeutung viel diskutiert, ebenso, ob ὁµοίωµα in der zweiten Vershälfte zu ergänzen sei. Vgl. dazu die einschlägigen Kommentare. Der Begriff ὁµοίωµα betont hier, dass es allein Jesu Tod ist, in dem sich der Tod der Glaubenden ereignet, und dass dieser Tod damit zugleich vom Sterben der Glaubenden unterschieden ist. Die Rede zielt auf die Zugehörigkeit und die Schicksalsgemeinschaft mit Christus in dessen Sterben. Vgl. dazu H.-J. ECKSTEIN, Auf-

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zum Ausdruck, dass die Verbundenheit mit Jesu Tod in das gegenwärtige Sein der Glaubenden hineinwirkt und dieses bleibend bestimmt. Weiter leitet er daraus die logische Konsequenz ab, dass die Glaubenden ebenso mit der Gleichheit der Auferstehung Christi verwachsen seien. Dabei liegt es nahe, das Futur in V. 5 als gnomisches422 oder logisches Futur zu bestimmen, sofern die Verbundenheit mit der Auferweckung Jesu aus der Perspektive der Partizipation an Jesu Tod und Begräbnis eine zukünftige ist.423 Eine präsentische Deutung des Futurs wird zudem dem Duktus des Textes darin gerecht, dass er eine Erläuterung zur Neuheit des Lebens in V. 4b darstellt. Daher ist V. 5b keine „Zusage künftiger Auferweckung“,424 vielmehr erscheint es im Horizont der VV. 8 und 10 plausibler, die Verbundenheit der Glaubenden mit der Gleichheit der Auferstehung Jesu auf dessen Auferstehungsleben zu beziehen. Diese Deutung wird zudem von V. 11 gestützt. Denn dort fordert Paulus die Glaubenden auf, für Gott Lebende zu sein (ζῶντας δὲ τῷ θεῷ), wie ja auch der Auferstandene für Gott lebt (V. 10: ζῇ). So präsentiert Paulus in V. 5 eine Explikation der Neuheit des Lebens, die am Besten als Inauguration des Auferstehungslebens425 der erstehung, 16; F. HAHN, Theologie, Bd. 1, 281f.; sowie in dessen Folge C. HOEGENROHLS, Neuheit, 172. Die vorliegende Studie ergänzt die zweite Hälfte des V. um ὁµοίωµα, bezieht dies aber nicht auf die Auferstehung, sondern das Auferstehungsleben Christi, um an der temporalen Differenz zur Auferstehung der Glaubenden festzuhalten, die Paulus für die Zukunft erwartet. 422 Die Mehrheit der Exegeten vertritt eine futurische Deutung, wie z.B. J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 318; K. HAACKER, Römer, 128; R. JEWETT, Romans, 402. Das Ringen um die Deutung des ἐσόµεθα spiegeln die Kommentierungen von H. SCHLIER, Römerbrief, 196; W. SCHMITHALS, 188; D. ZELLER, Römer, 125. Im Gegensatz zur hier vertretenen Position wird dort übersehen, dass Paulus das Verb ζάω für den Auferweckten benutzt, so dass er in Bezug auf die Glaubenden weniger deren Auferstehung als ihre glaubende Existenz in Analogie zum Sein des Auferweckten fokussiert. Zutreffend erkennt dagegen D. J. MOO, Romans, 371, dass Paulus damit „the ‚form‘ and power of Christ’s resurrection life in the present“ meinen könne, verwirft diese Deutung dann jedoch wieder. B. FRID, Römer 6,4–5, 198–201, erkennt dasselbe wie Moo, redet jedoch dann undifferenziert auch von einer Auferstehung der Glaubenden in der Gegenwart. Ein logisches Futur vertritt H.-J. ECKSTEIN, Auferstehung, 21; ein gnomisches Futur, das „denotes omnitemporality“ und „is employed to express a general truth“, vertritt T. KUOYU TSUI, Observations, 292, als „a logical temporal sequence that is established in the context.“ 423 Diese Perspektive gesteht auch U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 15, zu, entscheidet sich dann aber für ein eschatologisches Futur. 424 So jedoch K. HAACKER, Römer, 128. 425 Die Rede von der Inauguration des Auferstehungslebens weist auf die von Paulus vorgenommene Unterscheidung hin, die er zwischen der Neuheit des Lebens und der Verbundenheit in der Gleichheit der Auferstehung, die er in den folgenden Versen explizit auf das Leben des Auferweckten bezieht, und der futurisch konnotierten Auferweckung der Glaubenden trifft. Vgl. zur Verwendung des Begriffs Inauguration weiter R. P. CARLSON, Role, 256; T. KUO-YU TSUI, Baptized, 405, die zwar ebenfalls basierend auf

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Glaubenden zu bezeichnen ist. In dieses wirkt der Tod Jesu bleibend hinein, wie das Perfekt in V. 5a (γεγόναµεν) zu erkennen gibt, so dass die Existenz der Glaubenden in der καινότης ζωῆς durch ein liminales Bewusstsein426 charakterisiert ist. Denn bildlich gesprochen ist ihre Existenz durch die bleibenden Wundmale des Todes Jesu bestimmt, die das gegenwärtig begonnene Auferstehungsleben der Glaubenden prägen427 – und das, obwohl ihr „alter Mensch“428 ein für allemal mit Christus gekreuzigt wurde,429 damit er nicht mehr der Sünde diene (V. 6c). Der Gestorbene, so erklärt Paulus in V. 7a, sei von der Sünde „gerechtfertigt“ worden.430 Hierzu verwendet er ein Perfekt, so dass das mit Christus Mitgekreuzigt-Sein als Akt der Vergangenheit in eine gewisse Spannung tritt zur weiterhin wirksamen Befreiung von der Sünde. Die Realität der Sünde, mit der die Glaubenden weiterhin konfrontiert sind, erklärt, weshalb Paulus zwar vom Tod des alten Menschen sprechen kann, die καινότης ζωῆς jedoch nicht einfach mit der endzeitlichen Totenauferstehung gleichsetzt und dennoch daran festhält, dass die Glaubenden bereits jetzt am Auferstehungsleben

Carlson von einer Inauguration der neuen Existenz spricht, diese jedoch auf den ethischen Wandel beschränkt und im Horizont der apokalyptischen Vorstellung der Verwandlung verortet, „in which transformation as the passage from the past existence in sin to the new life in the present is envisaged.“ Auch S. LÉGASSE, Romains, 402, spricht von Inauguration. C. ZIMMERMANN, Leben, 517 Anm. 57, hingegen spricht von einer „Inauguration der endzeitlichen Totenauferweckung“. 426 So auch T. KUO-YU T SUI, Baptized, 405. Vgl. weiter die ausführliche Studie von C. STRECKER, Theologie; sowie DERS., Tod, 276–283. Sowohl Kuo-Yu Tsui als auch Strecker betonen dabei jedoch zu sehr das Mitsterben mit Christus bzw. das Begrabensein, so dass die Verwirklichung der Lebensneuheit entgegen dem paulinischen Text, in dem die Glaubenden aufgefordert werden, sich als ζῶντες δὲ τῷ θεῷ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (Röm 6,11) zu begreifen, zu wenig Berücksichtigung findet. 427 Etwas vage bleibt C. LANDMESSER, Vorrang, 117f., wenn er die Neuheit des Lebens als „Anteilhaben an seiner (sic. Christi) Auferweckung“ beschreibt. Abzulehnen ist Z. C. HODGES, Acting, 11, die die römischen Christen als „people who have been raised“ bezeichnet. 428 C. LANDMESSER, Vorrang, 119, definiert den alten Menschen als „Mensch, der von der Sünde Adams und in der Folge von dessen Sünde auch von der eigenen Sünde und damit vom Tod bestimmt und beherrscht wird“, was treffend die paulinische Identifikation des παλαιὸς ἡµῶν ἄνθρωπος (V. 6a) mit dem σῶµα τῆς ἁµαρτίας (V. 6b) zum Ausdruck bringt. In diesem Sinne z.B. auch R. JEWETT, Romans, 402f., sowie S. LÉGASSE, Romains, 399. 429 Paulus formuliert hier mit einem Aorist, so dass das Mitgekreuzigtsein als ein vergangenes Geschehen erscheint. 430 Das Verb soll mit R. JEWETT, Romans, 405, „in the technical, Pauline sense“ verstanden werden, so dass das Sterben gegenüber der Sünde auf die Gerechtmachung bezogen werden kann. U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 17, will darüber hinaus in V. 7 „eine rabbinisch bezeugte Lehre“ erkennen.

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Christi teilhaben.431 Mit diesen feinen Differenzierungen im Tempusgebrauch und in der verwendeten Terminologie gewährt Paulus Einblick in seine Auffassung von der Neuheit des Lebens. Sie gestaltet sich unter dem eschatolgischen Vorbehalt, dass die Glaubenden sich selbst noch immer als σῶµα νεκρὸν διὰ ἁµαρτίαν (Röm 8,10) erfahren, auch wenn die Herrschaft der Sünde durch die Gnadenherrschaft zum ewigen Leben überwunden ist.432 Den Fokus auf die Gegenwärtigkeit der Neuheit des Lebens als Inauguration des Auferstehungslebens führt Paulus in den VV. 8–10 fort. Explizit präsentiert der Apostel die Neuheit des Lebens hier als Inhalt des Glaubens (V. 8b: πιστεύοµεν ὅτι).433 Er leitet aus dem Mitsterben mit Christus die 431

Die gegenwärtige Partizipation am Auferstehungsleben betont auch H.-J. ECKAuferstehung, 20. Präzise spricht P. STUHLMACHER, Römer, davon, dass die Glaubenden „am Leben des für sie Auferweckten Christus beteiligt“ sind (a.a.O., 85), Paulus aber zugleich „bewusst zwischen Glaubensleben und Auferstehungsexistenz“ unterscheide (a.a.O., 86). 432 Vgl. dazu allein die paränetischen Appelle in Röm 6,12f., die Sünde nicht herrschen zu lassen, sowie die unmittelbar darauf folgende Vergewisserung, dass die Sünde nicht über die römischen Christen herrschen werde, weil sie nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade seien (Röm 6,14), und die daraus abgeleiteten Forderungen, sich nicht mehr als Sklaven der Sünde zur Verfügung zu stellen. Paulus leugnet nicht die Realität der Sünde, mit der die Christen weiterhin konfrontiert sind. Deshalb kann Paulus beinahe paradox von der δόξα sprechen, die nach Röm 6,4 Jesus von den Toten auferweckt hat und welche an den Glaubenden offenbar werden soll (8,18), und zugleich sagen, dass sie aufgrund ihrer Rechtfertigung bereits verherrlicht seien (8,30). Als Begründung hierfür rekurriert er erneut auf die zentralen Aussagen der Glaubenssummarien: 8,34a Χριστὸς [Ἰησοῦς] ὁ ἀποθανών, 8,34b µᾶλλον δὲ ἐγερθείς, 8,34c ὃς καί ἐστιν ἐν δεξιᾷ τοῦ θεοῦ, 8,34d ὃς καὶ ἐντυγχάνει ὑπὲρ ἡµῶν Schließlich kulminieren seine Ausführungen in Röm 8 in der Spitzenaussage, dass von der Liebe Gottes in Christus Jesus nichts trennen kann (8,39). Mit dem Motiv der ἀγάπη τοῦ θεοῦ sowie der Rechtfertigung der Glaubenden und der Rede von der δόξα schließt Paulus den Kreis, den er in Röm 5,1–11 begonnen hatte. Dort sprach er von den Glaubenden als den Gerechtgemachten (5,1.9) und Versöhnten (5,10), die Zugang zu der Gnade Gottes hätten und die sich der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes rühmten (5,2) in der Gewissheit, dass ebendiese Hoffnung nicht beschämt werden würde. Denn die Liebe Gottes, die sich darin dargestellt habe, dass Χριστὸς ὑπὲρ ἡµῶν ἀπέθανεν (5,8), sei in Form des Heiligen Geistes in die Herzen der Glaubenden ausgegossen worden (5,5). 433 Mit R. JEWETT, Romans, 406, soll πιστεύοµεν ὅτι als „a typical formula“, die „usually refers to saving faith in the kerygma of Christ’s death and resurrection“ aufgefasst werden, die dazu dient, „a common ground with the Roman audience“ zu finden. Es handelt sich in Röm 6,8 wie in 1 Thess 4,14 um ein ὅτι-citativum. Das legt zudem der Kontext nahe, der mit den Aussagen zum Sterben, Begraben und Auferwecken zeigt, dass Paulus auf die Glaubenssummarien rekurriert. Letzteres räumt trotz gewisser Vorbehalte auch S. LÉGASSE, Romains, 401, ein. Das Besondere an Röm 6 ist die Übertragung des STEIN,

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Lebensgemeinschaft der Glaubenden mit ihm ab. Dabei gilt für das Futurum des Verbs συζῆν (V. 8c) dasselbe wie für jenes in V. 5: Vom Kontext her kann es nicht anders als ein logisches Futur aufgefasst werden, da sich ansonsten die Rede von der Neuheit des Lebens und die damit verbundenen ethischen Appelle ad absurdum führen würden. Das wird besonders deutlich an den präsentischen Aussagen in V. 11, mit denen Paulus seine Adressaten auffordert, ihr Selbstverständnis in Analogie zu Jesu Sterben und Leben zu setzen und ihr Leben entsprechend zu gestalten.434 Dessen Tod, erklärt der Apostel, war ein Sterben gegenüber der Sünde (V. 10), so dass der Tod nicht mehr über den Auferweckten herrschen kann (V. 9). Damit interpretiert Paulus den Tod im Anschluss an seine Ausführungen in Röm 5,12–21 auch hier als Folge der Sünde. Dieser Sünde-Tod-Zusammenhang ist nach Röm 6,9f. durch Jesu Sterben und Auferweckung endgültig durchbrochen worden.435 Dabei verweist das Partizip ἐγερθείς im Aorist Passiv darauf, dass das handelnde Subjekt letztlich Gott selbst ist, der die Herrschaft des Todes durch die Auferweckung Christi beendet hat und damit die Neuschöpfung der Glaubenden ermöglicht. Zur Beschreibung des nachösterlichen Seins Jesu verwendet Paulus das Verb ζῆν und bestimmt dieses Leben mit einem dativus commodi als ‚für Gott leben‘ (V. 10b: ζῆν τῷ θεῷ). Erneut eröffnet ihm die Formulierung mit dem Verb ζῆν zur Bezeichnung des nachösterlichen Status Christi eine Applikation auf die glaubende Existenz436 als καινότης ζωῆς. So formuliert er in V. 11 die Analogie, die zwischen dem Tod Jesu und seinem nachösterlichen Leben für Gott und dem neuen Sein und Selbstverständnis der Glaubenden bestehen soll; und in dem durch das Adverb οὕτως eingeleiteten Konsekutivsatz fordert er sie dazu auf, sich selbst als νεκροὺς µὲν τῇ ἁµαρτίᾳ ζῶντας δὲ τῷ θεῷ zu begreifen. Dabei weist der angehängte Präpositionalausdruck ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (6,11) nachdrücklich darauf hin, dass sich die Neuheit des Lebens der Glaubenden, in der sie gegenüber der Sünde gestorben sind und fortan für Gott leben, im „Lebens- und Heils-

Glaubensinhaltes auf die Glaubenden, indem „the Christ event became a model for us“ (T. KUO-YU TSUI, Baptized, 399). 434 So auch C. LANDMESSER, Vorrang, 120. 435 Darauf verweist auch das Adverb ἐφάπαξ (V. 10a), das Paulus im Zusammenhang mit dem Sterben Jesu verwendet. 436 Obwohl diese Applikation von Christus auf die Glaubenden in V. 10f. in der Forschung wahrgenommen wird (z.B. bei J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 323.; R. JEWETT, Romans, 407; S. LÉGASSE, Romains, 404; D. J. MOO, Romans, 380; U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 19), hat dies keine Auswirkungen auf die Auslegung der Aussagen der VV. 5.8. Es bleibt unerkannt, dass Paulus immer dann das Verb ζάω mit dem Auferstandenen als Subjekt verwendet, wenn er eine Analogie zum gegenwärtigen soteriologisch qualifizierten neuen Sein der Glaubenden herstellt.

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raum“437 Christi verwirklicht, in den sie in der Taufe integriert wurden. Damit akzentuiert Paulus, dass die Neuheit des Lebens nicht anders als in Relation zum auferstanden Gekreuzigten möglich ist, so dass ‚Leben‘ erneut als relationaler Begriff erscheint. Da die Neuheit des Lebens der Glaubenden in Analogie zum Sterben und Auferstehen Jesu gesetzt und deren Teilhabe daran konstitutiv ist, wird zugleich deutlich, dass sich das neue Sein der Glaubenden letztlich Gottes schöpferischem Handeln an Jesus verdankt. Somit ist auch Röm 6 transparent für die Theologie des Lebens bei Paulus. Entscheidend für die Bezeichnung der Glaubenden als ‚Tote für die Sünde, Lebende aber für Gott‘ ist folglich die paulinische Deutung des Todes Jesu als Überwindung der Sündenmacht. Denn wenn sich im Tod Jesu das Sterben der Glaubenden gegenüber der Sündenmacht ereignet hat, können sie nach Paulus nicht mehr länger der Sünde leben. Wie Christus der Sünde gestorben ist, sollen auch sie sich als Tote ihr gegenüber verstehen; wie er aufgrund des lebendig machenden Gottes diesem lebt, sollen438 und können auch sie Gott ‚in Christus Jesus‘ leben. Sie sind ‚wie aus Toten Lebende‘ (V. 13: ὡσεὶ ἐκ νεκρῶν ζῶντας), weil sie an jenem Leben partizipieren, „das Christus selbst aus seinem Tod gewinnt. (...) Καινότης ζωῆς benennt das Faktum, dass aus Tod Leben geworden ist, und zwar: aus dem Tod Jesu Leben Christi.“439 Diese Neuheit des Lebens bestimmt das Sein der Glaubenden, weil sie am Leben des Auferstandenen teilhaben.440 Diese Teilhabe konstituiert sich im Glauben und markiert damit einen Einschnitt in der Existenz des Glaubenden, dessen sichtbares Zeichen die Taufe in den Tod Jesu ist und der Konsequenzen für die Lebensgestaltung der Glaubenden hat,441 die der Apostel in dem paränetischen Textabschnitt Röm 6,13–23 darstellt. Nachdem er in den VV. 1–11 auf der Grundlage 437

R. FELDMEIER, Macht, 97. Vgl. dazu U. SCHNELLE, Transformation, 67, der in den Imperativen in Röm 6–8 „weitaus mehr als eine Forderung“ erkennen möchte. Ihm zufolge benutzt Paulus den Imperativ als „eine Wesensbestimmung“. 439 C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 170. Dementsprechend unzutreffend ist es daher, wenn die καινότης ζωῆς schlicht als ‚neues Leben‘ bezeichnet wird, καινότης also als Adjektiv wiedergegeben wird, (so jedoch D. J. MOO, Romans, 366; W. SCHMITHALS, Römer, 191) oder darin die „Erneuerung des Menschen“ (O. MICHEL, Römerbrief, 205) bzw. eine „Erneuerung des Lebens“ (D. ZELLER, Römer, 124) gesehen wird. 440 Dieser Teilhabe scheint Paulus eine räumliche Dimension beizumessen, wenn er der Neuheit des Lebens die Präposition ἐν voranstellt. Darauf verweist H. SCHLIER, Römerbrief, 194, der von einem „Lebensraum“ spricht. 441 Interessant ist die von T. KUO-YU TSUI, Baptized, 398, hergestellte Verbindung zwischen der Rede von der auferweckenden Herrlichkeit Gottes in V. 4a zum Wandel in der Neuheit des Lebens. Sie bestimmt die δόξα als „power of God“, die nun „the driving force“ für den Lebenswandel der Glaubenden sei. Die Schwäche ihrer Auslegung besteht jedoch darin, dass auch sie die Neuheit des Lebens als „new life“ auffasst. 438

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der Aussagen der Glaubenssummarien die Bedingung der Möglichkeit für die Neuheit des Lebens geklärt hat, widmet er sich in dem folgenden Textteil dem in V. 4 angeklungenen ‚Wandel‘ in der Neuheit des Lebens. Dabei thematisiert Paulus in den VV. 22f. das ‚ewige Leben‘. Im Folgenden soll nun geklärt werden, in welcher Relation die Rede von der ζωὴ αἰώνιος in VV. 22f. zum paulinischen Glaubenssummarium und zur Rede von der Neuheit des Lebens steht. Zu klären ist insbesondere, ob es sich neben der Neuheit der Lebens auch beim ‚ewigen Leben‘ nach Röm 6 um eine gegenwärtige soteriologische Gabe des Glaubens handelt. 4.2.3 Neuheit des Lebens und die ζωὴ αἰώνιος In Röm 6,12–23 ermahnt und ermutigt Paulus seine Adressaten, die Lebensneuheit in ihrer Lebensführung sichtbar werden zu lassen. Als neue Schöpfung442 sind sie befreit von der Sünde und somit befähigt, der Gerechtigkeit (6,18) bzw. Gott zu dienen (6,22). Diesem Dienen kontrastiert Paulus das frühere Sklave-Sein der Glaubenden gegenüber der Sünde bzw. der ἀνοµία, das den Tod nach sich zieht.443 In den VV. 22f. schließlich stellt der Apostel seine Paränese in den Horizont der ζωὴ αἰώνιος. Dabei macht er mit dem vorangestellten Adverb der Zeit νυνί gleich zu Beginn deutlich, dass das Folgende nur unter der Perspektive der eschatologisch qualifizierten Gegenwart verstanden werden kann. 22 a νυνὶ δὲ ἐλευθερωθέντες ἀπὸ τῆς ἁµαρτίας b δουλωθέντες δὲ τῷ θεῷ c ἔχετε τὸν καρπὸν ὑµῶν εἰς ἁγιασµόν, d τὸ δὲ τέλος ζωὴν αἰώνιον. 23 a τὰ γὰρ ὀψώνια τῆς ἁµαρτίας θάνατος, b τὸ δὲ χάρισµα τοῦ θεοῦ c ζωὴ αἰώνιος ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ τῷ κυρίῳ ἡµῶν. In den VV. 22f. bezeichnet Paulus die ζωὴ αἰώνιος einmal als ‚Ziel‘ und einmal als ‚Geschenk Gottes‘.444 Damit gelingt es ihm, seiner kommunika442

Diese Bezeichnung der Glaubenden ist angebracht, insofern ihr alter Mensch mit Christus gekreuzigt wurde und sie nun eine neue Schöpfung aus dem Tod Christi verkörpern. 443 Wenn Z. C. HODGES, Acting, 16, den in V. 23a thematisierten Tod primär auf das Ende des physischen Lebens eines Menschen bezieht, dann greift das zu kurz und ignoriert die metaphorischen Aussagen zum Mitsterben Christi und dem Wandel in der Neuheit des Lebens. 444 In zwei parallel konstruierten Sätzen stellt er in V. 23 Tod und ewiges Leben einander gegenüber. Während er ersteren als Sold der Sünde bezeichnet, betont er den Geschenkcharakter des Lebens. Dass dabei der Akzent auf der ζωὴ αἰώνιος liegt, wird neben der zweifachen Nennung an der unterschiedlichen Länge der beiden Sätze in V. 23 deut-

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tiven Strategie im Rahmen der Paränese entsprechend, zunächst einen futurischen Aspekt der ζωὴ αἰώνιος zu betonen, wenn er sie als Ziel des gegenwärtigen Wandels in der Neuheit des Lebens bezeichnet. Dabei macht jedoch die Rede vom ‚ewigen Leben‘ als Geschenk Gottes deutlich, dass die ζωὴ αἰώνιος ebenso wie die Neuheit des Lebens und das Selbstverständnis der Glaubenden als ‚aus Toten Lebende‘ eine gegenwärtige soteriologische Gabe ist. So verweisen τέλος und χάρισµα in ihrem Zusammenspiel darauf, dass das ewige Leben bereits mit dem Zum-Glauben-Kommen der römischen Christen begonnen hat und über den physischen Tod hinaus in Ewigkeit Bestand hat. ‚Ewiges Leben‘ ist demnach in Röm 6 die Bezeichnung für die soteriologische Gabe, mit der Paulus die Kontinuität zwischen diesseitigem und jenseitigem Heil zum Ausdruck bringt. Damit ist es zugleich das schöpferische Geschenk, das mit der Auferstehung aus den Toten vollendet werden wird.445 Denn diese hatte Paulus im Rahmen des Glaubenssummariums gerade nicht als gegenwärtig bereits geschehene dargestellt, sondern begrifflich differenziert. Demgegenüber ist dem ‚ewigen Leben‘ sowohl eine gegenwärtige als auch eine zukünftige Dimension inhärent.

lich, die durch die angehängte präpositionale Wendung in V. 23b zustande kommt. Vgl. zur sprachlichen Struktur sowie zur Exegese von Röm 6,23 C. GERBER, Waffendienst, 140–142, die für V. 23 noch einmal den Bezug zum römischen Militärdienst fruchtbar macht: „Der Soldat, der stirbt, bevor er aus dem Militärdienst entlassen wird, hat nichts vom jahrelangen Einsatz des eigenen Lebens und seiner Loyalität“ (a.a.O., 141). Vgl. zur Metaphorik auch C. E. B. CRANFIELD, Romans, Vol.1, 329. 445 So auch D. J. MOO, Romans, 408; H. SCHLIER, Römerbrief, 213. R. J EWETT, Romans, 425, versteht ‚ewiges Leben‘ in den VV. 22f. als „fullness of existence for the saints in the present that continues on into the future“. Darin ist ihm zuzustimmen; er selber widerspricht sich jedoch, wenn er zuvor festhält, dass „ζωὴ αἰώνιος refers to life after death“. P. STUHLMACHER, Römer, 90, scheint die vorhergehenden Aussagen des Paulus zur Neuheit des Lebens und der Seinsbestimmtheit der Glaubenden zu ignorieren, wenn er die ζωὴ αἰώνιος als „ewiges Leben an der Seite Jesu“ beschreibt. Interessant ist D. ZELLER, Römer, 44, der ewiges Leben als „Heil“ identifiziert und als „das in der Krisis der Welt von Gott verliehene Über-Leben ohne Ende“ bezeichnet. Mit der Rede von der Krisis kann der Ansatz Zellers aufgenommen werden, um die ζωὴ αἰώνιος in Beziehung zu setzen zu der Äonenwende, die sich im Christusgeschehen ereignet hat, sowie zur damit verbunden Befreiung des Menschen von der Herrschaft der Sünde und des Todes durch die Partizipation am Auferstehungsleben Christi. Was Schnelle für das Verhältnis von Gegenwart und Zukunft in Bezug auf die christliche Existenz feststellt, kann auch auf die paulinische Rede vom ewigen Leben in Röm 6,22f. übertragen werden. U. SCHNELLE, Transformation, 70f., betont die Gegenwärtigkeit der neuen Existenz. Deren zukünftige Perspektive stelle keine „Einschränkung“ (a.a.O., 70) dar. Vielmehr illustriere die „zeitliche Struktur christlicher Existenz und ihre gänzliche Vollendung im zukünftigen Auferstehungsgeschehen“, dass die Glaubenden „in der Gegenwart (...) uneingeschränkt vom Todes- in den Lebensbereich gelangt“ (a.a.O., 71) sind.

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Paulus setzt also einen fulminanten Schlussstrich unter eine Argumentation, die bereits in 5,12–21 begonnen hatte.446 Was er dort in Form einer apokalyptischen Äonen-Wende an den schicksalsmächtigen Gestalten Adam und Christus dargestellt und in Röm 6,3–8 vor dem Hintergrund eines Glaubenssummariums entfaltet hat, bringt er nun mit der Vorstellung des ‚ewigen Lebens‘ als Geschenk Gottes zu Ende. Denn im χάρισµα klingt erneut die Gnade an, von der Röm 5,12–21 mit der Rede von der Gnadenherrschaft zum ewigen Leben gehandelt hatte und unter der die Glaubenden nun ihr Leben führen (6,15). Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Röm 5,12–21 und Röm 6 besteht in der Bedeutung der jeweils am Schluss stehenden präpositionalen Wendungen διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ τοῦ κυρίου ἡµῶν (5,21) und ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ τῷ κυρίῳ ἡµῶν (6,23). Denn wie Paulus damit in Röm 5,21 noch einmal Jesu Sterben und Auferweckung in seiner heilsmittlerischen Funktion zusammengefasst hat, so bringt er ebendies mit dem Präpositionalausdruck ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ τῷ κυρίῳ ἡµῶν in seiner individuell- und ekklesiologischexistentiellen Dimension zur Sprache. Denn ‚in Christus Jesus‘ weist zurück auf die Partizipation der Glaubenden am Tod und Auferstehungsleben Christi, deren sichtbares Zeichen die Taufe ist. Es benennt die Sphäre, in der die Lebensneuheit der ‚aus Toten Lebenden‘ verwirklicht ist: Sie leben Gott ‚in Christus Jesus‘ (6,11). Wenn Paulus nun das ewige Leben als Geschenk Gottes identifiziert, das den Glaubenden in ihrer Lebensgemeinschaft mit Christus zuteil wird, und diese Gemeinschaft wiederum in ihrem Glauben konstituiert weiß (6,8), dann ist die ζωὴ αἰώνιος nach Röm 6 nichts anderes als der gegenwärtige soteriologische Gewinn des Glaubens. Auch daran wird deutlich, dass für das paulinische Verständnis der Neuheit des Lebens ebenso wie des ‚ewigen Lebens‘ der Glaube den Empfangsmodus bildet und beide eine präsentische Heilsgabe darstellen, deren Voraussetzung Jesu Sterben und Auferweckung durch Gott sind. Es wird sich zeigen, dass hierin eine sachliche Analogie zu Johannes besteht. Abschließend zu Röm 6 und der dort thematisierten Neuheit des Lebens, sollen die Pneuma-Aussagen in Röm 7f. skizziert werden, da die καινότης ζωῆς bei Paulus durch den Geist qualifiziert ist und somit ergänzende Aspekte zum Verständnis der Neuheit des Lebens zu erkennen sind.

446 Z. C. HODGES, Acting, 18, stellt ebenfalls eine Verbindung zu Röm 5,12–21 her, insbesondere zu 5,17 und folgert daraus: „The whole gracious bestowal can be described as a ‚justification sourced in life‘“.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

4.2.4 Die καινότης ζωῆς und das Pneuma 4.2.4.1 καινότης ζωῆς: Zugehörigkeit zum Auferweckten und der Dienst ἐν καινότητι πνεύµατος (Röm 7,4.6) In Röm 7,1 wendet sich Paulus mit der direkten Anrede ἀδελφοί erneut an seine Adressaten und spricht sie auf ihr Wissen über das Gesetz an. Was er in Röm 6 als Gestorbensein gegenüber der Sünde entfaltet hatte, erläutert er in Röm 7 als „in den Tod gegeben Sein“ (7,4) gegenüber dem Gesetz. Er nimmt damit einen Gedankengang auf, der bereits in Röm 5,13f.20 in seinen Ausführungen zum Verhältnis von Sünde, Tod und Gesetz präsent war. Dieser klang in 6,14 mit seiner Rede vom Nomos in Opposition zum Sein der Glaubenden unter der Gnade erneut an, ohne dass Paulus jedoch, wie bereits zuvor in der galatischen Korrespondenz (Gal 2,19), von einem zu Tode Gekommensein der römischen Gesprächspartner gegenüber dem Gesetz gesprochen hätte, wie er es in Röm 7,4 tut. Dazu spielt er zunächst in Röm 7,1 auf das in Röm 6,1–11 ausgeführte Gestorbensein der römischen Christen mit Christus an, indem er das Gesetz als eine Größe charakterisiert, deren Gültigkeit auf die Lebenszeit eines Menschen beschränkt sei. Daraus könnten die Adressaten, nachdem sie Röm 5,12–21 und 6 vernommen hatten, durchaus schließen, dass das Gesetz aufgrund ihrer Partizipation am Tod Jesu seinen Herrschaftsanspruch über sie verloren habe. Interessant erweist sich in diesem Zusammenhang die Verwendung des Verbes κυριεύω, das Paulus in Röm 6,9 auf den Tod bezogen hatte, der über Christus nicht mehr herrsche, nachdem dieser der Sünde ein für allemal gestorben sei (6,10), und das er in Röm 6,14 für die Sünde benutzt, um deren Nicht-Herrschen über die Glaubenden aufgrund ihres Seins unter der Gnade statt unter dem Gesetz zum Ausdruck zu bringen. Indem Paulus κυριεύω nun in Bezug auf die Herrschaft des Nomos über den Glaubenden verwendet, klingt erneut der Sünde-Tod-Zusammenhang und die Rolle des Gesetzes darin an, aber auch die paulinische Deutung des Todes Jesu. Bevor Paulus jedoch den Zusammenhang zum Tod Jesu darlegt, verwendet er zunächst zur näheren Explikation des Todes der Glaubenden gegenüber dem Gesetz einen Ehe-Midrasch (Röm 7,2f.), um den Adressaten seine Argumentation mit einer Begebenheit aus dem Alltag zu veranschaulichen:447 Eine Frau sei nur solange durch das Gesetz an ihren Mann gebunden, wie dieser lebt; nach dessen Tod hingegen mache sie sich nicht als Ehebrecherin schuldig, wenn sie die Frau eines anderen Mannes würde, da sie aufgrund des Todes ihres Mannes vom Gesetz befreit sei (VV. 2f.). 447 Das zeigt das begründende γάρ, mit dem Paulus in 7,2 an die zuvor gestellte Frage anknüpft, sowie das folgernde ἄρα οὖν in 7,4, mit dem er die Konsequenz aus dem in 7,3 gegebenen Beispiel betont.

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So erscheint die verwitwete Frau hier als durch den Tod aus der Bindung an das Gesetz Befreite,448 der es möglich ist, schuldlos eine neue Bindung einzugehen.449 In V. 4 erfolgt dann, eingeleitet mit der folgernden Konjunktion ὥστε, die Übertragung des Beispiels aus dem Ehe-Midrasch auf die Glaubenden, die allerdings deutliche Inkohärenzen aufweist.450 Während der EheMidrasch allein den Tod des Mannes und nicht auch den der Frau thematisiert, ist es hier der stellvertretende Tod Jesu,451 der das „in den Tod Gegeben-Sein“ der Glaubenden gegenüber dem Gesetz umfasst. Dabei kann die Aussage, dass die Glaubenden dem Gesetz gestorben seien, als Zuspitzung des Gedankens in Röm 6,2.11 verstanden werden, dass sie der Sünde gestorben seien.452 Ihr Tod gegenüber dem Gesetz also „must be understood to mean that they have been freed from the law’s condemnation“.453 Nach Paulus besteht der Zweck des Todes gegenüber dem Gesetz nun darin,454 dass die Glaubenden nicht mehr dem Gesetz, sondern τῷ ἐκ νεκρῶν ἐγερθέντι zugehören. Wie im Ehe-Midrasch der Tod die Voraussetzung für die Freiheit bildet, ist der Tod gegenüber dem Gesetz die Bedingung für die „Möglichkeit zu neuer Bindung“.455 Durch die im Partizipialstil reformulierte Aussage der Auferweckungsaussage der Glaubenssummarien im dativus commodi erweitert Paulus die Perspektive des Todes Jesu, wie sie in der Rede von dessen Leib präsent war, um dessen Auferstehungsleben

448 Wie die Verwendung des Verbes κυριεύω stellt ebenso die Freiheitsterminologie Bezüge zu Röm 6 her, wo Paulus die Glaubenden als von der Sünde Befreite (6,18.22) bezeichnete. 449 R. JEWETT, Romans, 431, wie zuvor schon S. VOLLENWEIDER, Freiheit, 341f., verweisen darauf, dass es keine jüdischen Quellen gibt, nach denen der Tod des Ehepartners die Freiheit begründe. Eine Ausnahme stellt Dtn 21,14LXX dar, „wo von der Freilassung einer geehelichten Kriegsgefangenen, also faktisch von einer Scheidung, die Rede ist.“ (A.a.O., 342.) Die nächste Parallele findet sich indes bei Paulus selbst in 1 Kor 7,39. 450 Vgl. dazu S. VOLLENWEIDER, Freiheit, 343. 451 Auf diesen weist der Präpositionalausdruck διὰ τοῦ σώµατος τοῦ Χριστοῦ in Anklang an die Herrenmahlsparadosis in 1 Kor 11,23–25 hin. Vgl. hierzu ausführlich C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 69–71; R. JEWETT, Romans, 434. 452 So mit C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 178; R. J EWETT, Romans, 433. 453 C. E. B. CRANFIELD, Romans, Vol. 1, 331. Vgl. weiter D. J. MOO, Romans, 417. 454 Angezeigt durch die Konstruktion εἰς τό mit Infinitiv, hier mit dem Aorist Medium des Verbes γίνοµαι. 455 S. VOLLENWEIDER, Freiheit, 34, folgert daher: „Es geht demnach nur um die Relation von Gesetz und Glaubenden; dem Tod der Christen gegenüber der Verfügungsgewalt des Nomos entspricht das Ende des Gesetzes für die Glaubenden.“ Den von Vollenweider stark gemachten Zusammenhang von Tod und Freiheit betont auch M. V. HUBBARD, New Creation, 105. Auch D. J. MOO, Romans, 414, betont diesen Aspekt und arbeitet wie Vollenweider die damit ermöglichte neue Bindung heraus, wie es zuvor schon C. HOEGENROHLS, Neuheit, 178, in Anlehnung an Vollenweider getan hat.

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und versieht die Zugehörigkeit456 der Glaubenden zum Auferweckten in dem angeschlossenen Finalsatz457 mit dem Ziel, Gott Frucht zu bringen. Hatten die Glaubenden – Paulus formuliert inklusiv in der 1. Person Plural – in der Vergangenheit, als sie ἐν τῇ σαρκί gewesen waren und die Leidenschaften der Sünde durch das Gesetz in ihren Gliedern geweckt worden war, dem Tod (7,5) statt Gott Frucht gebracht,458 sind sie nun459 zum Dienen ἐν καινότητι πνεύµατος befähigt (7,6). Diesen Dienst stellt der Apostel dem Dienen in der παλαιότητι γράµµατος gegenüber (7,6), bei der sowohl ein Gegensatz zwischen Alt- und Neuheit als auch zwischen Buchstaben und Geist besteht. Da Paulus jedoch in V. 14 das Gesetz als geistlich bezeichnet, ist Vorsicht gegenüber einer Deutung geboten, die den Buchstaben mit dem Gesetz identifiziert, Geist und Gesetz als einander ausschließende Größen auffasst und dem Gesetz damit abspricht, pneumatisch zu sein. γράµµα460 ist vielmehr das Gesetz „in isolation from the Spirit (...) whose presence is the true establishment of the law“.461 456

R. J EWETT, Romans, 434, folgert aus derselben Terminologie in 7,3 und 7,4, dass Paulus hier singulär Hochzeitsmetaphorik zur Beschreibung des Verhältnisses von Christus und Glaubenden verwendet. Er möchte darin „physical mysticism“ erkennen. Das trifft m.E. nur bedingt zu. Dominant zu sein scheint wie bereits in Röm 6 die Zugehörigkeit zu Herrschaftsbereichen, die durch bestimmte Größen wie Sünde, Gesetz oder den Auferstandenen charakterisiert sind. 457 Vgl. zur Kombination von εἰς τό und ἵνα BDR § 369,8. 458 Treffend redet S. VOLLENWEIDER, Freiheit, 344, hier von einer „Kreativität“, die Paulus als „Passivität der dem Gesetz Gestorbenen“ identifiziere: „Das ‚für Gott Frucht bringen‘ wird kontrastiert mit dem ‚für den Tod Frucht bringen‘“. 459 Paulus verwendet zur Gegenüberstellung der Vergangenheit und der Gegenwart die temporale Konjunktion ὅτε sowie das zeitliche Adverb νυνί. 460 Paulus vermittelt seinen Adressaten, dass das Dienen in der παλαιότητι γράµµατος abgelöst worden sei durch den Dienst in der Neuheit des Geistes. Und das obwohl – so legt er es in Röm 7,7–24 in der 1. Person Singular dar – das Gesetz ἅγιος (7,12) und πνευµατικός (7,14) und auch das Gebot ἁγία καὶ δικαία καὶ ἀγαθή (7,12) seien. Ja, er kann sogar sagen, dass das Gebot εἰς ζωήν gegeben worden sei, ihm jedoch εἰς θάνατον wurde (7,10). Den Grund hierfür sieht der Apostel in der Sünde, die das Gebot zum Anlass genommen habe, ihn zu täuschen und durch das gute Gebot zu töten (7,1). Vergleichbar mit seinen Aussagen zum Gesetz in Röm 5,13f.20f. bestimmt er in Röm 7,13 die Funktion des Gebotes, mit dem die Sünde einen objektiven Maßstab erhalten hat, an dem sie gemessen werden kann. Wie lebendig die Erinnerung des Paulus an das eigene Versagen aufgrund der Macht der Sünde ist, verdeutlicht das „aktualisierende( ) Präsens“ (C. HOEGEN-ROHLS, Neuheit, 167) in Röm 7,14–25a. Er schildert einen Krieg zwischen dem νοῦς und seinen µέλεσιν (7,23), zwischen Wollen und Vollbringen, und betont, dass er dem Gesetz zugestimmt habe, gut zu sein (7,16), es aber nicht zu tun vermochte, weil das Gesetz geistlich, er hingegen fleischlich und unter die Sünde verkauft gewesen sei (7,14). 461 C. E. B. CRANFIELD, Romans, Vol. 1, 340. J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 366, zieht zwar zu Recht von Röm 7 eine Parallele zu 2 Kor 3 und erkennt eine heilsgeschichtliche Abfolge von altem und neuem Bund, bezieht dabei aber die differenzierte paulinische Gesetzesauffassung im Röm nicht in die Deutung der Stelle ein.

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Erneut sind es die zentralen Aussagen der Glaubenssummarien von Jesu Tod und Auferweckung, die den sachlichen Hintergrund für die noch einmal über die Aussagen in Röm 6 hinausgehende Beschreibung der καινότης ζωῆς der Glaubenden bilden. Neu ist in Röm 7 die Vorstellung, dass Jesu stellvertretender Tod die Tötung der Glaubenden gegenüber dem Gesetz bewirkte.462 Zudem qualifiziert Paulus das Wandeln in der ‚Neuheit des Lebens‘ in Röm 7,4 erneut als Zugehörigkeit zum Auferweckten. Damit präzisiert Röm 7,4 die Beschreibungen der Glaubenden als solche, die der Sünde gegenüber tot sind, in Christus jedoch Gott leben (6,11: νεκροὺς µὲν τῇ ἁµαρτίᾳ ζῶντας δὲ τῷ θεῷ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ), und daher ‚wie aus Toten Lebende‘ sind (6,13: ὡσεὶ ἐκ νεκρῶν ζῶντας). Zudem stellt die Rede vom Dienst in der ‚Neuheit des Geistes‘ eine Weiterführung der Aussagen von Röm 6 dar. Denn der Dienst der Gerechtigkeit (6,18f.) bzw. der Dienst für Gott (6,22) wird als ein solcher erläutert, der sich ἐν καινότητι πνεύµατος verwirklicht.463 Was aber meint Paulus, wenn er von der ‚Neuheit des Geistes‘ spricht? Einerseits verweist er damit darauf, dass die Neuheit, also „the new epoch of the eschatological now (...) by Christ’s death and resurrection“464, durch den Geist bestimmt ist, während die vorchristliche Zeit durch den Buchstaben charakterisiert war. Insofern muss das Dienen in der ‚Neuheit des Geistes‘ inhaltlich mit Hilfe anderer Aussagen des Apostels zum Pneuma erschlossen werden, wie z.B. in Gal 5,22 zu dessen Früchten oder in Röm 8,6 zu dessen „Sinnen“.465 Im Vordergrund steht hier die ethische Dimension der pneumatischen Existenz,466 die jedoch die Wiederherstel-

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Um die Lösung der Glaubenden aus der Bindung an das Gesetz zum Ausdruck zu bringen, benutzt Paulus in V. 6 erneut das Verb καταρέω, das er zuvor in V. 2 innerhalb des Ehe-Midraschs verwendet hatte. 463 Durch die Verbindung zu Röm 6 erhält der Dienst in der Neuheit des Geistes eine ethische Dimension (so z.B. auch J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 366). Anders als in Gal 5,22f., wo Paulus Früchte des Geistes nennt, nennt er in Röm 7 keine konkreten Auswirkungen des Geistes auf die Lebensführung, sondern bleibt relativ abstrakt, wenn er lediglich die charakteristischen Gegensätze zu einer geistbestimmten Existenz thematisiert (7,5). 464 J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 372. 465 Vgl. K. HAACKER, Römer, 153, der mit B AUER/ALAND φρονεῖν τά τινος mit ‚in einem Konflikt auf jemandes Seite stehen‘ wiedergibt und daraus folgert: „Paulus will also sagen: Die vom Fleisch bestimmte und die vom Geist bestimmte Existenz äußern sich beide in einer aktiven Parteinahme für eine dieser beiden Größen; das Sein bestimmt das Verhalten. (...) Das Eintreten für das Fleisch ist tödlich, die Solidarisierung mit dem Geist hingegen bringt Leben und Frieden.“ 466 Vgl. z.B. P. STUHLMACHER, Römer, 96, der von einer vom „Hl. Geist bestimmten Lebensweise“ spricht; R. JEWETT, Romans, 438, erkennt hierin einen „new ethos“.

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lung des Gottesverhältnisses zur Voraussetzung hat.467 Darüber hinaus umfasst die Rede von der Neuheit des Geistes aber noch eine zusätzliche Dimension, die zumeist unberücksichtigt bleibt. Diese tritt zu Tage, wenn man Röm 7,6 in Relation zu 7,4f. setzt und erschließt sich vollständig erst, wenn die Pneuma-Aussagen in Röm 8,9–11 mit berücksichtigt werden, denn so kommt die christologisch-theologische Dimension des Geistbegriffs in den Blick, indem die Neuheit des Geistes in Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zum Auferweckten gesehen wird. Die Rede von der Neuheit des Geistes fungiert dann als Synonym für den Auferweckten.468 Als Pneuma begegnet er den Glaubenden nachösterlich und in der Zugehörigkeit zu ihm gestalten sie ihr Leben als Dienst in der ‚Neuheit des Geistes‘ (7,6).469 Wie Paulus sich dabei das Verhältnis von Gott, Christus, Pneuma und Glaubenden vorstellt, legt er in Röm 8,9–11 dar. 4.2.4.2 Die καινότης ζωῆς und der Nomos des Geistes, der Leben ist in Christus Jesus (Röm 8,1) In Röm 8 expliziert Paulus die pneumatische Dimension der καινότης ζωῆς, indem er den Geist als das Lebens- und Handlungsprinzip470 der Glaubenden darstellt. Befreit vom Nomos der Sünde und des Todes stehen die

467 Vgl. hierzu die antithetische Gegenüberstellung von Fleisch und Geist in Röm 8. Paulus ordnet dieser eine Deutung des Todes Jesu vor (8,3): Im Tod Jesu habe Gott die Sünde verurteilt, damit die Rechtsforderung des Gesetzes in den Glaubenden erfüllt würde (8,4), die nicht κατὰ σάρκα, sondern κατὰ πνεῦµα das Leben gestalteten. (Paulus verwendet hier dasselbe Verb περιπατέω wie in Röm 6,4 für den Wandel in der Neuheit des Lebens.) Der Apostel stellt das Leben nach dem Geist dem Leben nach dem Fleisch antithetisch gegenüber. Während das „Sinnen“ des Fleisches θάνατος (8,6) und ἔχθρα εἰς θεόν (8,7) seien (in Röm 8,8 spricht Paulus zudem davon, dass die ἐν σαρκί-Seienden Gott nicht gefallen könnten), korrespondieren ihm auf der Seite κατὰ πνεῦµα ζωή (8,6.10) und εἰρήνη (8,6) und damit das, was den Status des Gerechtgemachten definiert (vgl. Röm 1,17; 5,1), während Tod und Feindschaft gegen Gott den Zustand des unter die Herrschaft des Todes versklavten Sünders beschreiben (5,10.12). 468 Ähnlich C. HOEGEN-ROHLS , Neuheit, 180, die formuliert: „Der Tod Jesu, durch den sie (sic. die Glaubenden) dem Gesetz gestorben sind, schafft für die Glaubenden eine neue Bindung, die Bindung an den Auferstandenen. In dieser Bindung erfahren sie die Neuheit des Geistes als Neuheit des Lebens ihres auferstandenen Herrn.“ 469 Ähnlich U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 70, der den Geist als „Kraft, durch die wir, mit dem Auferstandenen verbunden und ihm zugehörig“ seien, bezeichnet. 470 Vgl. M. T HEOBALD, Römerbrief 1–11, 230, der den Geist als „Prinzip einer erneuerten, heilen Lebenspraxis“ bezeichnet. Die Deutung des Pneuma als Lebens- und Handlungsmaxime der Glaubenden erklärt zudem die passivische Formulierung, die Rechtsforderung würde erfüllt (πληρωθῇ), wie auch die Vorstellung, dass der Geist die Glaubenden treibe (Röm 8,11: ὅσοι γὰρ πνεύµατι θεοῦ ἄγονται...).

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Glaubenden471 nun unter dem Nomos des Geistes, der Leben ist in Christus Jesus.472 Seit dem Tod Jesu, der die Sünde überwunden hat (8,3),473 herrscht nicht mehr die Gesetzmäßigkeit von Sünde und Tod, die den „Effekt der Begegnung von Tora und Sünde“474 benennt, sondern die „Macht des Geistes, die mit derselben Gesetzmässigkeit in Christus Leben erschafft und die Sünde nun verdammt, mit welcher auch diese einst gewütet hat.“475 Der Geist ist es, der die Rechtsforderung des Gesetzes, die nach Röm 13,8–10 in nichts anderem bestehen kann als der Liebe,476 unter den Glaubenden erfüllt (8,3), und sie „treibt“ (8,14). Paulus präsentiert den Geist als Kraft, die das „völlige Durchdrungen-Sein der neuen Existenz“477 vom Pneuma ausdrückt. Als vom Geist Gottes Getriebene sind sie Kinder Gottes, wie auch Christus κατὰ πνεῦµα ἁγιωσύνης ἐξ ἀναστάσεως νεκρῶν (1,4) zum Sohn Gottes eingesetzt worden ist.478 Paulus bestimmt daher den Geist näher als πνεῦµα υἱοθεσίας, das keine Furcht kennt, und dessen Vater-Anrede Gottes zum Rufen der Glaubenden wird (8,15f.). Vollenweider spricht in diesem Zusammenhang von einer „Kondeszendenz“ des Geistes.479 „Der Abbaruf der gottesdienstlich versammelten Glaubenden verdankt sich dem Zeugnis 471

Die direkte Anrede in der 2. Person Singular kann hier als paradigmatisch für die Anrede an alle Glaubenden verstanden werden, wie sich auch nahe legt, in der 1. Person Singular in Röm 7,8–25a ein exemplarisches Ich zu erkennen. 472 Die weiteren Pneuma-Aussagen werden deutlich machen, dass das πνεῦµα τῆς ζωῆς als Geist Gottes „Lebensgeist“ ist, der zugleich „Geist Christi“ und „Geist des Lebens in Christus“ ist, wie M. THEOBALD, Römer 1–11, 230, treffend festhält. 473 Vgl. zur Sendungschristologie und der Nähe zu Gal 4,4 R. JEWETT, Romans, 482f. Zur Deutung von περὶ ἁµαρτίας im vorgeschlagenen Sinn vgl. exemplarisch A. J. HULTGREN, Romans, 299. 474 S. VOLLENWEIDER, Freiheit, 367. 475 S. VOLLENWEIDER, Freiheit, 368. 476 Vgl. den Zusammenhang von Liebe und Geist in Röm 5,5 sowie die Ausführungen im Gal 5,14, in denen Paulus die Liebe als Erfüllung des Gesetzes Christi deklariert. 477 M. T HEOBALD, Römerbrief, 244. A. J. HULTGREN, Romans, 301, bringt dies in der doppelten Dimension zum Ausdruck, dass „the apostle speaks of belivers as both dwelling within the Spirit and as being possesed by it as a power that lives within them.“ 478 Die Gotteskindschaft wird ihre Vollendung im Mit-Verherrlichtwerden (8,17: συνδοξάζω) als der erhofften Erlösung der gesamten Schöpfung erfahren. Von dieser handelt der folgende Textabschnitt Röm 8,18ff.: Gegenwärtig antizipieren die Glaubenden bereits die Verherrlichung (8,30). Setzt man die Rede von der Verherrlichung in Relation zu der Vorstellung, Christus sei durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt worden, was von den Glaubenden nicht gesagt wird (Röm 6, 4), dann legt es sich nahe, die erwartete Verherrlichung auf die von Paulus leiblich gedachte Auferstehung der Glaubenden zu beziehen. 479 S. VOLLENWEIDER, Geist Gottes, 177. Die kondeszendente Dimension des paulinischen Geistverständnisses bringt Vollenweider darüber hinaus für Gal 4,6 sowie Röm 8,26 zur Geltung.

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des göttlichen Geistes (...), das ‚an unseren Geist‘ ergeht“.480 Dieser Geist verbürgt die Zugehörigkeit zu Christus (8,9). Das Pneuma, das in den Glaubenden wohnt und das ihr Sein bestimmt sowie den Maßstab für ihre Lebensgestaltung bildet, ist der Geist dessen, der Christus von den Toten auferweckt hat. Die formelhafte Gottesprädikation,481 die im Sprachhorizont der Glaubenssummarien steht, wiederholt Paulus noch einmal, um einen Zusammenhang zwischen Gottes kreativem Handeln an Christus und den Glaubenden herzustellen (8,11). Wie Gott Christus aus Toten erweckte, wird er auch die sterblichen Leiber der Glaubenden durch sein Pneuma lebendig machen. Während der Apostel hiermit auf die endzeitliche, leiblich vorgestellte Totenauferstehung fokussiert,482 betont er in V. 10 die Gegenwart des eschatologischen Lebens durch den Geist. Bereits jetzt unter den Bedingungen der physisch vergänglichen und noch immer der Sünde ausgesetzten Leiblichkeit ist der Geist das Leben der Glaubenden: 483 εἰ δὲ Χριστὸς ἐν ὑµῖν, τὸ µὲν σῶµα νεκρὸν διὰ ἁµαρτίαν τὸ δὲ πνεῦµα ζωὴ διὰ δικαιοσύνην (8,10).484 Wie bereits in Röm 8,2 ist der Geist rückgebunden an das Sein der Glaubenden in Christus, das Paulus reziprok auch als 480 S. VOLLENWEIDER, Geist Gottes, 177. So dass das „für Gott offene Zentrum menschlichen Seins (...)“ einer „Relation“ entspringe, „einem immer neu ergehenden schöpferischen Zusprechen Gottes.“ (A.a.O., 178f.) 481 Vgl. hierzu auch W. SCHMITHALS, Römerbrief, 272; R. JEWETT, Romans, 492, erkennt hierin eine „christological formula“. Noch weiter geht A. J. HULTGREN, Romans, 305, der 8,11 als „creedal formula“ bezeichnet. 482 So die Mehrheit der Kommentatoren, wie z.B. C. E. B. CRANFIELD, Romans, Vol. 1, 391; U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 133; J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 432; D. J. MOO, Romans, 493; R. J EWETT, Romans, 492. 483 Vgl. zu Röm 8,10 1 Kor 15,45: ἐγένετο ὁ πρῶτος ἄνθρωπος Ἀδὰµ εἰς ψυχὴν ζῶσαν, ὁ ἔσχατος Ἀδὰµ εἰς πνεῦµα ζῳοποιοῦν. Inhaltlich stimmt dies mit der Aussage in Röm 8,10 überein, dass Christus als lebendig machender Geist identifiziert wird, wenn dies auch im Kontext von 1 Kor 15 futurisch-eschatologisch akzentuiert ist aufgrund der durch die Auseinandersetzung mit enthusiastischen Strömungen bedingten Mahnung des Paulus, dass die Auferweckung von den Toten ein zukünftiges Ereignis darstelle. 484 Die hier vorgeschlagene Deutung versucht die Ambivalenz aufrecht zu erhalten, die der Rede vom σῶµα νεκρός inhärent ist, indem sie an beidem, einem metaphorischen und einem nicht-bildhaften Verständnis festhält. Analog zu Röm 4,19 bezeichnet der tote Leib einen physisch Lebenden, der auf die schöpferische Kraft Gottes angewiesen ist aufgrund der Sünde. Es ist nach Röm 6 der Leib des alten Menschen, der vernichtet und mitgekreuzigt worden ist. Diese Deutung, u.a. vertreten von U. W ILCKENS, Römer, 2. Teilband, 132; M. THEOBALD, Römerbrief 1–11, 229; R. JEWETT, Romans, 492, betont zu Recht, dass der Leib tot ist. Darüber hinaus legt es sich jedoch nahe, in 8,10 mitzuhören, dass die Glaubenden mit der sterblichen Vergänglichkeit ihres Körpers konfrontiert sind. A. J. HULTGREN, Romans, 304, schließt daher, dass „body must have in this context its most elementary meaning – the physical, corporal aspect of the self.“ Desweiteren ist umstritten, worauf sich πνεῦµα hier bezieht, ob auf den göttlichen oder den menschlichen Geist. Die Geistaussagen im unmittelbaren Kontext sowie insbesondere 8,15f. zeigen allerdings, dass es sich hierbei nicht um eine Alternative handeln kann.

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Χριστὸς ἐν ὑµῖν aussagen kann. Das Pneuma erscheint hier als jene Größe, die die Kontinuität von gegenwärtigem und zukünftig erwartetem Heil verbürgt. So ist auch V. 13 Ausdruck dafür, dass der Geist die Glaubenden befähigt, τὰς πράξεις τοῦ σώµατος zu töten.485 Dabei ist das Futur in V. 13 als logisches bzw. gnomisches Futur zu verstehen, wenn das betonte „Jetzt“ des Heils (8,2) ernst genommen und die soteriologische Effizienz des Todes Jesu, die sich in einer Lebensführung κατὰ πνεῦµα der Glaubenden vollzieht, 486 nicht ad absurdum geführt werden sollen.487 Aufgrund des Kontextes kann auch für V. 11 noch einmal eine präsentische Deutung in Erwägung gezogen werden; das Lebendigmachen der Glaubenden wäre dann darauf bezogen, „to animate their lives in the earthly struggle“.488 Auffällig an der Rede über den Geist ist, dass Paulus sowohl vom πνεῦµα θεοῦ als auch vom πνεῦµα Χριστοῦ489 spricht. Das verwundert allerdings dann nicht, wenn man berücksichtigt, dass Paulus durch die Rede vom Pneuma Gottes Wesen als aus Toten Erweckender mit der Zugehörigkeit der Glaubenden zum auferweckten Christus zusammenhält (8,9).490 Noch deutlicher wird es an den Stellen, an denen Paulus Christus mit dem Geist identifiziert (vgl. 2 Kor 3,17; 1 Kor 15,45). Er bringt damit zum Ausdruck, dass „Christ and Spirit are perceived in experience as one“.491 Im Geist wird nachösterlich der Auferweckte und damit zugleich Gott erfahrbar.492 Der Geist repräsentiert also die Macht, durch die die Relationa485 Umstritten ist, was Paulus mit den πράξεις τοῦ σώµατος bezeichnet haben könnte. S. VOLLENWEIDER, Freiheit, 372, vertritt eine weite Deutung, wenn er von der „Herrschaft instinktiver und affektiver Atavismen“ spricht, die eine „als Sünde anzusprechende Egozentrizität in Gang setzt.“ Zudem soll mit J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 449, darauf verwiesen werden, dass σώµα hier als Synonym zu σάρξ fungiert und daher so negativ konnotiert ist, wie es für Paulus singulär ist. Diese Annahme Dunns wird gestützt durch die Textüberlieferung. So bezeugen einige Handschriften σάρξ anstelle von σώµα. 486 Mit S. VOLLENWEIDER, Freiheit, 371, kann die Paränese in Röm 8,12f. als Ermutigung „zur Resonanz für die Dynamik des Pneuma“ gesehen werden, wenngleich Vollenweider selber von der „externen Zukunftsmacht des Geistes“ spricht. 487 Exemplarisch sei verwiesen auf A. J. HULTGREN, Romans, 312, und zuvor R. JEWETT, Romans, 494. 488 A. J. HULTGREN, Romans, 305. 489 So explizit in Röm 8,9, während er in V. 11 vom Geist Gottes als τὸ πνεῦµα τοῦ ἐγείραντος τὸν Ἰησοῦν ἐκ νεκρῶν spricht. 490 M. THEOBALD, Römerbrief, 245, bedenkt hierzu zweierlei: Erstens sei das mit der Rede vom Geist Gottes bzw. Christi „gegebene Neue (...), dass sie dem Missverständnis wehrt, der getötete und auferweckte Christus sei den Glaubenden entzogen, wohingegen er ihnen doch als der Grund ihrer neuen Identität vor Gott zuhöchst nahe ist“, und zweitens lasse die „Kraft des Geistes (...) die Glaubenden der rettenden Macht Gottes in Christus innewerden“. 491 J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 430. 492 Dieses Ineinander christologischer und theologischer Aussagen in den PneumaAussagen klingt auch in der angehängten präpositionalen Wendung διὰ δικαιοσύνην an

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

lität des Lebensbegriffs verwirklicht wird. Am deutlichsten findet dies seinen Ausdruck in der Vorstellung, dass die Glaubenden Kinder Gottes sind und damit in die schöpferische Beziehung zwischen Gott und Christus integriert werden. So steht glaubende Existenz nach Röm 8 unter dem Prinzip des Geistes, der Leben ist in Christus Jesus. Befreit von dem Zusammenhang von Sünde und Tod,493 stehen die Glaubenden nun in einer neuen Bindung: sie gehören zu Christus, in dessen Tod die Sünde verurteilt wurde und in dessen Auferweckung sich der schöpferische Geist Gottes manifestiert hat. Der Geist bildet das Lebensprinzip der Glaubenden, das ihre Lebensgestaltung bestimmt und ihre ζωή bereits jetzt, auch unter den Bedingungen der physischen Vergänglichkeit und der Konfrontation mit der ἁµαρτία soteriologisch qualifiziert als Leben aus dem Tod Christi. Durch die Gabe des Geistes werden die Glaubenden in die familiäre Bindung zwischen Vater und Sohn integriert, die ihre καινότης ζωῆς als Gotteskindschaft qualifiziert. Damit erscheint das Pneuma als jene Macht, durch die sich die Relationalität des Lebensbegriffs verwirklicht. 4.3 Fazit: Glaubenssummarien und καινότης ζωῆς, ζάω und ζωὴ αἰώνιος in Röm 6 ‚Leben‘ erscheint in Röm 6 als soteriologischer Gewinn des Glaubens, wie er nach der paulinischen Deutung von Hab 2,4 ἐκ πίστεως verheißen worden war und bereits von Abraham in der Geburt seines Sohnes erfahren worden ist. Abrahams Glaube an den lebendig machenden Gott sollte nach Paulus nicht nur ihm, sondern auch jenen, die an den Jesus von den Toten auferweckenden Gott glauben, zur Gerechtigkeit gerechnet werden (4,23f.). Damit entfaltet Paulus auf der Grundlage einer Theologie des Lebens einen relationalen Lebensbegriff, der die Leben schaffende Kraft Got(V. 10). Denn mit dieser erklärt Paulus, weshalb der Geist ‚Leben‘ der Glaubenden ist, indem er auf die Gerechtigkeit Gottes verweist. Diese hat sich für ihn nach Röm 3,21–26 im Tod Jesu offenbart, den er in 8,3 seinen Darlegungen zur pneumatischen Existenz der Glaubenden voranstellt. Die Gerechtigkeit, die sich nach Röm 1,16 im Evangelium offenbart, erscheint hier gleichermaßen als „Gabe Gottes“ und „Lebensnorm“ (A. B. DU TOIT, Dikaiosyne, 271). Erfahrbar wird sie in der pneumatischen Existenz. A. B. du Toit arbeitet für Röm 1–5 ein Gerechtigkeitsverständnis heraus, das „die Konkretisierung der Gnadenhandlung Gottes bezeichnet“ und in Röm 6 „die Konkretisierung seines Anspruchs auf den Gläubigen“ (a.a.O., 277). Für Röm 8 ergibt sich aufgrund des Kontextes eine Synthese beider Aspekte. 493 Das bringt zum Abschluss des Textabschnitts Röm 8,13 zum Ausdruck: εἰ γὰρ κατὰ σάρκα ζῆτε, µέλλετε ἀποθνῄσκειν· εἰ δὲ πνεύµατι τὰς πράξεις τοῦ σώµατος θανατοῦτε, ζήσεσθε. Die Futura sind als logische Futura zu verstehen, da hier eine allgemeine Aussage über zwei einander ausschließende Existenz-Konzepte gemacht wird, die zwangsläufige Folgen haben: sterben oder leben.

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tes als in Christi Tod und Auferweckung verwirklicht deutet, sie mit der Überwindung der Todesherrschaft verbindet und auf der Grundlage der Glaubenssummarien auf die Existenz der Glaubenden überträgt. Dazu verwendet Paulus auch für den Auferstandenen das Verb ζάω. Vor dem Hintergrund des Glaubenssummariums in Röm 6,3–8 beschreibt Paulus das im Glauben empfangene neue Sein als καινότης ζωῆς (6,4), das er in Analogie und Relation zum gekreuzigten Auferstandenen versteht. So setzt für Paulus die Neuheit des Lebens eine Teilhabe an Jesu Sterben und Begrabenwerden voraus; im Tod Jesu ereignet sich der Tod des Menschen gegenüber der Sündenherrschaft, und wie Jesus gegenüber der Sünde starb und nun als ‚Lebender‘ für Gott lebt (6,10), so sind auch die Glaubenden ‚Lebende‘ für Gott ‚in Christus Jesus‘ (V. 11: ζῶντας τῷ θεῷ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ). Sie sind und gestalten ihr neues Sein ‚wie aus Toten Lebende‘ (V. 13: ὡσεὶ ἐκ νεκρῶν ζῶντας), so dass der Begriff Neuheit des Lebens auch eine ethische Dimension umfasst. Gegenwärtig empfangen sie die ζωὴ αἰώνιος als ‚Geschenk Gottes‘. Mit der Rede von dieser präsentischen soteriologischen Gabe bringt Paulus die Kontinuität zwischen dem gegenwärtig inaugurierten Auferstehungsleben und dem postmortalen Heil der Glaubenden zum Ausdruck. Denn das ‚ewige Leben‘ ist zugleich das Ziel (V. 22) des Wandelns in der Neuheit des Lebens. Damit ist Röm 6 eine weiterer Beleg dafür, dass Paulus seinen Lebensbegriff vor dem Hintergrund der Glaubenssummarien entfaltet und dabei terminologisch differenziert zwischen der gegenwärtigen Gabe der Neuheit des Lebens oder dem ‚ewigen Leben‘ und einer künftig erwarteten Auferstehung der Glaubenden. So handelt es sich in Röm 6,3–8 um ein paulinisches Glaubenssummarium. Exkurs: Der τύπος διδαχῆς in Röm 6,17 als weiterer Link zu den Glaubenssummarien? Ein kurzer Seitenblick In Röm 6,17 dankt der Apostel Gott, dass die römischen Christen ὑπηκούσατε δὲ ἐκ καρδίας εἰς ὃν παρεδόθητε τύπον διδαχῆς. Diese Stelle wird kontrovers diskutiert, weil umstritten ist, wie τύπος hier zu übersetzen ist und ob Paulus hiermit etwas Positives oder Negatives ausdrückt, da παραδίδωµι bei ihm ansonsten negativ konnotiert ist. Daraus könnte gefolgert werden, dass V. 17b das Ausgeliefertsein an die Sünde (vgl. V. 17a) und damit die Vergangenheit der Glaubenden thematisiere, bevor mit V. 18 deren gegenwärtige Existenz in den Blick genommen würde.494 Vom Kontext her legt sich jedoch eine andere Deutung nahe. Denn in V. 17 liegt eine Verbindung zu den Glaubenssummarien vor. Wie die Ausführungen zu Hab 2,4 und der sog. πίστις-χριστοῦ-Debatte gezeigt haben, klingen diese vor dem 6. Kapitel des Röm in Form der ἐκ πίστεως-Formulierungen an, die im Abraham-Kapitel aufgrund der Intention des Paulus, eine in der πίστις begründete heilsgeschichtliche Kontinuität aufzuzeigen, 494

Heart.

Vgl. hierzu das ausführliche Referat der Forschungspositionen bei R. A. GAGNON,

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

kein auf Christus bezogenes Genitivattribut (4,16) aufweisen. In Röm 6,3–8 schließlich bildeten ihre Aussagen das Fundament, auf dem Paulus seine Argumentation zur Neuheit des Lebens aufbaute. Wenn er nun in V. 17 dafür dankt, dass seine Adressaten einer bestimmten „Lehrgestalt“ gehorsam geworden seien, dann scheint es am plausibelsten, den „Typos“ der Lehre mit dem Inhalt der Glaubenssummarien zu identifizieren. Diese Annahme lässt sich zudem plausibilisieren, wenn die Aussage innerhalb des weiteren Kontextes des Röm verortet wird. So zielt der paulinische Apostolat nach Röm 1,5 darauf, die ὑπακοὴ πίστεως aufzurichten. Wie in 6,17 das Verb ὑπακούω, verwendet Paulus hier das Substantiv ὑπακοή. Was „Glaube“ dabei inhaltlich umfasst, legt er in Röm 1,16f. dar, bevor er mit der Gestalt Abrahams ein Beispiel für die ὑπακοὴ πίστεως bietet: Abraham wird zur Gerechtigkeit gerechnet, dass er an Gott glaubte (4,5), τοῦ ζῳοποιοῦντος τοὺς νεκροὺς καὶ καλοῦντος τὰ µὴ ὄντα ὡς ὄντα (4,17). Sein gerecht machender Glaube steht in Analogie zum christlichen Glauben an den aus Toten erweckenden Gott (4,24f.), dessen Sohn παρεδόθη διὰ τὰ παραπτώµατα ἡµῶν καὶ ἠγέρθη διὰ τὴν δικαίωσιν ἡµῶν (4,25). Was Paulus nun in Röm 4,25 unter Rückgriff auf eine Tradition darlegt, reformuliert er im Rekurs auf die Aussagen der Glaubenssummarien in Röm 6 mit eigenen Worten, verschiebt dabei aber die Perspektive insofern, als dass er nun erklärt, wie die Glaubenden an Jesu heilvollem Tod und seiner Auferweckung teilhaben. Wie die Analyse von Röm 6,8 zeigen konnte, bildet das πιστεύειν hierbei das entscheidende Medium, wie es ja bereits bei Abraham der Fall war, der als Paradigma des Glaubensgehorsams fungierte. In Röm 6,16f. nimmt Paulus nun die Rede von der ὑπακοὴ πίστεως erneut auf. Zwar spricht er nun von der ὑπακοὴ εἰς δικαιοσύνην (6,16) und dem Gehorsam gegenüber dem τύπος διδαχῆς (6,17), doch dies lässt sich vom Kontext her nicht anders als als Glaubensgehorsam explizieren: Gehorsam zur Gerechtigkeit sind die römischen Christen aufgrund ihrer geglaubten Partizipation an Jesu Tod und Auferstehungsleben. Der Gerechtigkeit (6,18) und Gott zu dienen (6,22) sind letztlich Umschreibungen für die Aussage, dass sie ζῶντας δὲ τῷ θεῷ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (6,11) seien, denen das Totsein gegenüber495 bzw. die Befreiung von der Sünde korrespondieren. Dann aber scheint es am plausibelsten, auch den τύπος διδαχῆς auf den Inhalt der Glaubenssummarien und damit letztlich auf die πίστις, wie sie im paulinischen Evangelium laut wird, zu beziehen.496 Die Vorstellung, dass die römischen Christen an jene „Lehrgestalt“497 ausgeliefert worden seien, die Paulus mit dem ansonsten negativ konnotierten Verb παραδίδωµι ausdrückt, muss nicht weiter irritieren, wenn der Kontext berücksichtigt wird, selbst wenn man einbezieht, dass es in den Passionserzählungen der Evangelien ebenfalls in einem negativen Sinn verwendet

495

Paulus bevorzugt hierfür die Verwendung eines dativus commodi bzw. incommodi. Anders Z. C. HODGES, Acting, 14, die im τύπος διδαχῆς „the general format in which Christian instruction was generally given to converts to Christianity“ erkennen möchte. 497 Mit R. A. GAGNON, Heart, 687, ist zu erwägen, τύπος als „imprint stamped“ aufzufassen. Er kann seine Wiedergabe mit Belegen bei Philo und Josephus begründen. Der Vorteil seiner Deutung besteht darin, dass sie „finds rough parallels in the consistent Pauline theme of the Spirit’s work in engraving the inner person; makes use of an image which is closely connected with motifs of ownership; and takes into consideration the preceding material in Romans 6 which presumes a transformation of the individual already accomplished to which the individual gives obedience.“ Anders J. D. G. DUNN, Romans 1–8, 343f., der τύπος auf Christus und nicht auf die Gestalt der Lehre bezieht. 496

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wird.498 Denn Paulus entwirft in Röm 6 eine Reihenfolge von Seinsbestimmtheiten seiner Adressaten als Sklaven der Sünde und als Gehorsame gegenüber der „Lehrgestalt“, 499 wobei letzteres zur Folge hat, dass sie von der Sünde Befreite und der Gerechtigkeit Dienende (6,17f.) sind. Das Ausgeliefertsein an die Lehre der Glaubenssummarien kann dann als Bezeichnung der Zäsur gedeutet werden, die sich zur Vernichtung des Sünders im Mitsterben mit Christus ereignet. Die ‚Übergabe‘ führt dazu, dass der alte Mensch mit Christus gekreuzigt wurde (6,6), um aus dem Tod Christi heraus in der Neuheit des Lebens wandeln zu können.500

4.4 Das Glaubenssummarium in Röm 14,7–9 Als letzter Paulustext soll das Glaubenssummarium in Röm 14,9ab betrachtet werden, denn an ihm kann abschließend gezeigt werden, dass die Verwendung des Verbes ζάω in der Formulierung der Auferweckungsaussage auf Paulus zurückgeht. Zudem kann an Röm 14,9b beobachtet werden, dass Paulus das Verb ζάω dann zur Beschreibung des Auferstehungslebens Jesu verwendet, wenn er eine existentielle Applikation auf die Glaubenden beabsichtigt. Denn die Lebensterminologie ermöglicht es ihm, eine Kontinuität zwischen dem diesseitigen und jenseitigem Heil der Glaubenden auszusagen: Da sie zur Sphäre der Lebensherrschaft ihres Kyrios gehören, ist ihr physischer Tod wesenlos geworden. 7a οὐδεὶς γὰρ ἡµῶν ἑαυτῷ ζῇ 7b καὶ οὐδεὶς ἑαυτῷ ἀποθνῄσκει· 8a ἐάν τε γὰρ ζῶµεν, 8b τῷ κυρίῳ ζῶµεν, 8c ἐάν τε ἀποθνῄσκωµεν, 8d τῷ κυρίῳ ἀποθνῄσκοµεν. 8e ἐάν τε οὖν ζῶµεν 498 Vgl. z.B. Mt 17,22; 20,18f.; 26,2.45; 27,2; Mk 10,33; 14,41; Lk 24,7.20 und in Bezug auf Judas u.a Mt 10,4; 26,16; 27,3f. 499 Vgl. R. JEWETT, Romans, 419, der zwar in Erwägung zieht, dass es sich in V. 17b um eine Glosse handeln könnte, aber ebenfalls annimmt, dass der τύπος διδαχῆς Glaubensinhalte bezeichne. „The context of slavery, within which this possible gloss was placed, strongly suggests that παραδόθητε [sic. bei Jewett statt παρεδόθητε] (...) means that believers are absolutely bound by this teaching, subject to it as slaves to their master.“ 500 Dagegen sieht Z. C. HODGES, Acting, 14f., die Wahl des Verbs durch die Sklavenmetaphorik bedingt und folgert aus V. 18, dass Paulus „only adopted such human terminology due to the weakness of their (sic. der Adressaten) flesh“, obwohl „Paul is not altogether comfortable with describing their Christian obedience as being enslaved to righteousness“. Das überzeugt insofern nicht, als dass Röm 6 insgesamt dominiert ist von Herrschaftsterminologie und Paulus bewusst die Befreiung aus der Versklavung an die Sünde mit der Freiheit zum Dienst an der Gerechtigkeit verbindet. Dass die Metaphorik aus der Sklaverei bzw. dem Militär gerade in Rom die Lebenswelt der Adressaten trifft, ist demgegenüber unbenommen. Vgl. dazu auch R. JEWETT, Romans, 417f.

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8f ἐάν τε ἀποθνῄσκωµεν, 8g τοῦ κυρίου ἐσµέν. 9a εἰς τοῦτο γὰρ Χριστὸς ἀπέθανεν 9b καὶ ἔζησεν, 9c ἵνα καὶ νεκρῶν καὶ ζώντων κυριεύσῃ. Bei Röm 14,7–9 handelt es sich um einen kunstvoll gestalteten Textabschnitt, der aus vier Einheiten besteht: In den ersten drei verwendet Paulus die Verben ζάω und ἀποθνῄσκω in dieser Reihenfolge; in der letzten Sequenz jedoch stehen die Verben umgekehrt (V. 9ab). Diese neue Reihenfolge lässt sich am plausibelsten auf ein paulinisch überarbeitetes Glaubenssummarium zurückführen, das sie ebenfalls zugrundegelegt hat: Christus starb und lebt ‚wieder‘. Die Gattung des Textabschnitts sowie der Sitz im Leben werden in der Forschung kontrovers diskutiert. Darüber hinaus besteht Uneinigkeit darüber, ob dieser Text auf den Apostel zurückgeht oder ob er zur (vorpaulinischen) Tradition gerechnet werden muss. Diejenigen, die ihn auf den Apostel zurückführen, diskutieren, ob Paulus den Text für den Röm verfasst oder ihn als feststehendes Textgefüge in den Kontext einfügt hat. Wird hingegen angenommen, dass Paulus hier Tradition aufnimmt, dann wird unterschiedlich beurteilt, welche Bestandteile zum überlieferten Text gehört haben und welche von Paulus angefügt worden sein könnten.501 Am plausibelsten erscheint die Annahme, dass es sich bei Röm 14,7–9 um ein „christologisches Lehrstück“502 handelt, das auf den Apostel zurückgeht. Denn dafür spricht neben der inhaltlichen Übereinstimmung mit seiner Theologie503 vor allem die Formulierung der Auferweckungsaussage mit dem Verb ζάω. Zwei Beobachtungen stützen diese Überlegung: Bereits ein Blick auf die Textzeugen zeigt, dass schon die ersten Abschreiber darüber irritiert waren, dass Paulus für die Formulierung der ansonsten formelhaft überlie-

501 Auf einen ausführlichen Forschungsbericht kann hier mit Verweis auf den Forschungsüberblick bei M. THEOBALD, Einsamkeit, 142–145, verzichtet werden. 502 So mit M. T HEOBALD, Einsamkeit, 152, der auch den Begriff „Didaché“ (a.a.O., 151) verwendet. Mit Theobald wird hier davon ausgegangen, dass der Text auf den Apostel zurückgeht. Als Sitz im Leben nennt Theobald die Paränese. 503 So auch M. T HEOBALD, Einsamkeit, der bereits im Untertitel seines Beitrags Röm 14,7–9 als „(e)in christologisches Lehrstück“ (a.a.O., 142) bezeichnet. Vgl. weiter a.a.O., 158f. Hier erkennt Theobald zutreffend Gemeinsamkeiten und Unterschiede von 2 Kor 5,14–17 und Röm 14,7–9 und leitet von hier aus eine „Lehrentwicklung“ (a.a.O., 158; vgl. weiter 159f.) ab. Dieser Annahme wird hier allerdings aufgrund der gemachten Beobachtungen zu 1 Thess 5,10 und der Nähe, die 1 Thess 5,10 zu Röm 14,7–9 aufweist, abgelehnt.

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ferten Auferstehungsaussage der Glaubenssummarien504 anstelle der verbreiteten Verben ἀνίστηµι bzw. ἒγείρω im Passiv das Verb ζάω im Aorist verwendet.505 So plausibilisiert schon die Textgeschichte, dass die Verwendung des Verbes ζάω in der Auferweckungsformel Paulus selber zugeschrieben werden muss. Eine weitere Beobachtung besteht darin, dass ζάω in V. 9ab einen terminologischen Bezug zu den vorangehenden Verbformen von ζάω in den VV. 7a.8ab schafft. Es ist also äußerst wahrscheinlich, dass der Text aus der Feder des Apostels stammt.506 Nicht sicher zu klären ist hingegen, ob Paulus das Lehrstück gemeinsam mit dem Röm verfasst hat oder bereits vorher und unabhängig davon formulierte. Doch auch wenn beides denkbar ist, spricht der Bedeutungsüberschuss, der dem Textabschnitt über seine Bezüge zum Kontext hinaus zu eigen ist, eher für letzteres, dass Paulus den Text nicht erst für den Röm geschrieben hat (siehe dazu weiter unten).507 Daher soll im Folgenden zunächst die Bedeutung von Röm 14,7–9 in seinem jetzigen Kontext besprochen werden, bevor im Anschluss daran nach der Aussage des Lehrstücks unabhängig von seiner kontextuellen Einbettung gefragt werden wird.

504 K. WENGST, Formeln, 45f., bezeichnet Röm 14,9 als „Auferstehungsformel“ (a.a.O., 46). Dass Paulus hier Glaubenstradition aufnimmt, wird auch von M. THEOBALD, Einsamkeit, 143; J. D. G. DUNN, Romans 9–16, 808, D. J. MOO, Romans, 845, und R. J EWETT, Romans, 849, angenommen; vgl. weiter auch H. SCHLIER, Römerbrief, 410: „eine( ) Art Glaubensformel“. 505 Einige Textzeugen lesen statt ἔζησεν das Verb ἀνέστη (F G 629 vgww; Or), andere behalten ἔζησεν zwar bei, ergänzen dann jedoch ein vorangestelltes ἀνέστη, so dass sie ἀνέστη καὶ ἔζησεν (‫א‬2 D L Ρ Ψ 0209. 33. 81. 104. 630. 1175. 1241. 1505 sowie der Mehrheitstext u.a.) bezeugen. Dabei sprechen sowohl die äußere Bezeugung für die Lesart ἔζησεν (‫ *א‬A B C 365. 1506. 1739. 1881 vgst co) als auch die oben dargestellten inneren Kriterien für ἔζησεν und dessen Ursprünglichkeit. Dabei hat schon W. KRAMER, Christos, 26.192 mit Anm. 689, darauf hingewiesen, dass Paulus das Verb in die Pistisformel eingefügt habe. Allerdings wertet er dies nicht weiter aus, ebenso wenig wie in seinem Gefolge J. D. G. DUNN, Romans 9–16, 808; R. JEWETT, Romans, 849; C. ZIMMERMANN, Namen, 502. Der bloße Hinweis auf die vorangehenden Verse und die Gegenüberstellung der Verben ‚sterben‘ und ‚leben‘ erfasst ebenso wenig die Aussage des Textes wie der Hinweis von D. J. MOO, Romans, 845, dass Paulus damit „the closest possible link between Christ’s redemptive acts – his death and ‚coming to life‘ – and the two most basic parts of Christian experience – life and death“ hätte herstellen wollen. 506 Dem widerspricht auch nicht die Aufnahme des in der hellenistischen Ethik verbreiteten Gedankens, dass niemand sich selbst lebe und niemand sich selbst sterbe (vgl. zu den Belegen ausführlich M. THEOBALD, Einsamkeit, 153–155). So wertet auch M. THEOBALD, Einsamkeit, 153, den Rückgriff auf vertraute „Einstellungen“ bei den Adressaten als Möglichkeit „für eine kritische Überformung im Licht der Christusbotschaft“. 507 So auch THEOBALD, Einsamkeit, 158.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

In seinem jetzigen Kontext dienen die VV. 7–9 kommunikationspragmatisch dazu, die vorangehende Paränese mit einem paulinischen Glaubenssummarium zu begründen. Denn die Aussagen von 14,7f. kulminieren im paulinischen Glaubenssummarium in V. 9, wie die V. 9 einleitende Wendung εἰς τοῦτο γάρ anzeigt, so dass durch die neue Kontextualisierung V. 9 dabei zugleich die Funktion zukommt, nicht allein die VV. 7f., sondern zugleich die Ausführungen der VV. 1–6 zu begründen. So intendiert das ‚christologische Lehrstück‘ einen Perspektivwechsel, der allerdings mehr umfasst als eine Blickänderung. Indem Paulus das Augenmerk der Glaubenden weg von sich selbst und hin zum Kyrios lenkt, erinnert er sie daran, dass sich ihr Zugehörigkeitsbereich aufgrund ihrer πίστις bzw. ihres πιστεύειν – das Hauptthema in Röm 14 (vgl. V. 1) – geändert hat. Denn wie er bereits in Röm 5–8 ausführlich dargelegt hat, sind die Glaubenden von der Sphäre der Sünde und des Todes in den Bereich des Lebens gelangt. In ihrer Teilhabe an Jesu Tod und Auferstehungsleben wandeln sie nun selbst in der Neuheit des Lebens, dessen Kennzeichen das Pneuma ist (Röm 8). Das Pneuma integriert sie in die schöpferische Lebensgemeinschaft zwischen Vater und Sohn und vergewissert sie unter den Bedingungen ihrer physischen Sterblichkeit und der Konfrontation mit der Sünde ihres gegenwärtigen und zukünftigen Heils. In Röm 14 nun ruft Paulus seinen Adressaten im Kontext der Paränese in Erinnerung, zu wem sie gehören, in wessen Machtbereich sie leben und sterben, und was deshalb den Maßstab ihres Zusammenlebens bildet.508 So sind bereits die vorangehenden VV. 1–6 davon geprägt, den unterschiedlichen Verhaltensweisen von Juden- und Heidenchristen mit einer Theologie der Annahme und der damit verbundenen Zugehörigkeit des Einzelnen zu seinem Herrn und seinem Gott zu begegnen.509 Zur Diskussion standen offensichtlich unterschiedliche Speisetraditionen und die Beachtung bestimmter Tage. Während ersteres den Genuss von Fleisch be508

Trotz der unten nachgezeichneten inhaltlichen Berührungen zu Röm 6, sollte ‚leben‘ und ‚sterben‘ im Machtbereich Christi differenziert werden von der Vorstellung, mit Christus zu sterben und an seinem Auferstehungsleben in der Neuheit des Lebens teilzuhaben. Während die Dativi commodi hier erläutert werden als Zugehörigkeit zum Herrn, sind die Glaubenden in Röm 6,11 Tote gegenüber der Sünde, Lebende aber für Gott. Aufgrund der Differenzierung hinsichtlich des Objekts des Totseins bzw. des Sterbens der Glaubenden in Röm 6 und 14 können die Aussagen in Röm 14,7f. nicht als „collective, mystical experience of life and death in Christ“ gedeutet werden (so jedoch R. JEWETT, Romans, 848). Wenig überzeugend ist auch U. W ILCKENS, Römer, 3. Teilband, 84, der – als Folge seiner Auslegung von Röm 6 – die Zugehörigkeit zum Herrn allein in der Taufe begründet sein lassen will. 509 Dabei scheint Paulus in der Verwendung des Kyrios-Titels in Röm 14 nicht mehr klar zu differenzieren zwischen der Rolle Jesu und Gottes, so dass die folgenden Aussagen mit Ausnahme von 14,9 auf beide bezogen werden können. Theologie und Christologie fallen in Röm 14 beinahe ineinander.

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trifft, was sowohl den Verzehr von Götzenopferfleisch umfassen kann als auch generell im Zusammenhang mit reinen und unreinen Speisen zu verstehen ist und nach V. 21 zudem Weingenuss einschließt, legt es sich nahe, die Wendung κρίνω ἡµέραν παρ᾿ ἡµέραν (14,5) auf die Sabbatobservanz und die Feier weiterer jüdischer Feste zu beziehen. Es geht also um „identity“ und „boundary markers“, die insbesondere in der Diaspora lebenden Juden zur Vergewisserung und Sicherung ihrer Identität dienten.510 Dass dabei nicht eindimensional eine Grenze zwischen Juden- und Heidenchristen gezogen werden kann, ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass hiervon ebenso ehemalige Proselyten betroffen sein konnten und es wahrscheinlich scheint, dass ebenso gut Heidenchristen den Verzehr von Götzenopferfleisch abgelehnt haben können. „Starke“ und „Schwache“ wird es folglich sowohl unter den Heiden- als auch unter den Judenchristen gegeben haben.511 Paulus fordert die Glaubenden auf, den ‚Schwachen‘ im Glauben anzunehmen. Er verwendet hierzu dasselbe Verb, ἀσθενέω (14,1), wie er es auch in Röm 4,19 benutzt, woraus gefolgert werden kann, dass das Schwachsein im Glauben für Paulus durchaus den Charakter eines Mangels an Vertrauen auf Gott hat.512 Der Apostel wendet sich nun ermahnend an beide Gruppierungen innerhalb der römischen Hausgemeinden. Dabei begründet er seine Forderung, einander anzunehmen, damit, dass Gott jeden einzelnen von ihnen angenommen habe,513 und verweist darauf, dass der Mitmensch der οἰκέτης eines anderen ist. Daher sei es selbstüberheblich, 510 So die prominenten Bezeichnungen von J. D. G. DUNN. Zur Thematik insgesamt vgl. dessen Kommentierung der Stelle in DERS., Romans 9–16, 800–802. 511 Vgl. hierzu die Argumentation bei J. D. G. DUNN, Romans 9–16, 802. Innerpaulinisch sei zum besseren Verständnis der Stelle auf 1 Kor 8–10 hingewiesen, was insbesondere von U. W ILCKENS, Römer, 3. Teilband, 86–88, stark gemacht wird. 512 H. SCHLIER, Römerbrief, 402f., der die Schwäche des Glaubens dahingehend präzisiert, dass nicht der Glauben an sich schwach sei, sondern hinsichtlich „seiner Implikationen und Konsequenzen“ (a.a.O., 403). Auf die Verbindung zu Röm 4 verweist auch J. D. G. DUNN, Romans 9–16, 798. 513 Paulus formuliert hier im Singular. In den VV. 1 und 4 verwendet er eine Form des Verbs προσλαµβάνοµαι, so dass die Korrelation zwischen der Aufnahme in die von „Gott den Glaubenden gewährte Gemeinschaft“ (H. B ALZ, Art. προσλαµβάνοµαι, Sp. 423) und der gegenseitigen Annahme auch verbal akzentuiert wird. Kaum überzeugend ist die Position von J. D. G. DUNN, Romans 9–16, 802f., der aus den unterschiedlichen Verben ἐξουθενέω und κρίνω in V. 3 schließen möchte, dass „die Schwachen“ angenommen hätten, dass jene, die sich nicht an Speisevorschriften halten, unter dem Verdammungsurteil Gottes stünden, und deshalb den Verweis, dass Gott „ihn“, also den vermeintlich sog. „Starken“ angenommen habe, lediglich an die Judenchristen gerichtet sieht. Seine Deutung steht in der Gefahr, das Urteil der Heidenchristen gegen das der Judenchristen auszuspielen und erweckt damit den Anschein, den polemischen Unterton um die Rechtfertigung ohne Werke, wie er im Gal vorliegt, in den Röm hineinzuprojizieren.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

über ihn zu richten (14,4). Er bedient sich hier des Bildfeldes von einem Haussklaven, der ausschließlich seinem Herrn verpflichtet ist, und „dem“ er „steht“ oder „fällt“. Dabei klingt in den Verben στήκω und πίπτω mit angeschlossenem dativus commodi etwas von der Standhaftigkeit und „Gewissensverpflichtung“514 des einzelnen an, die Paulus in V. 5 ausdrücklich als Kriterium des eigenen Verhaltens einfordert. Jeder ist seinem ‚Glauben‘ verpflichtet, formuliert er in V. 2, bevor er die Gewissensverpflichtung in V. 5 durch Verweis auf den νοῦς zum Ausdruck bringt515 und schließlich in 14,23 zu der Aussage vorstößt: πᾶν δὲ ὃ οὐκ ἐκ πίστεως ἁµαρτία ἐστίν. Damit erhebt Paulus die neue Sicht des Glaubens zum Maßstab des gegenseitigen Miteinanders, in der jeder seine πίστις vor Gott bewahren solle (14,22) – und dies im Vertrauen darauf, dass es in der Macht seines Herrn steht, ihn „stehen“ zu lassen (14,5), also in seinem Glauben zu bewahren.516 Letztlich, so Paulus, müsse in einem eschatologischen Gericht jeder für sich Verantwortung vor Gott übernehmen, dessen Urteil alle Menschen unterstünden. Mit der Vorstellung eines Offenbarwerdens vor dem Richterstuhl Gottes gelingt es Paulus, das gegenseitige Verurteilen der römischen Christen untereinander ad absurdum zu führen (14,10–12).517 Röm 14,7–9 schließt nun an diese Aussagen der VV. 1–6 an, indem Paulus seine Adressaten mit Hilfe des christologischen Lehrstücks daran erinnert, dass sich ihr ganzes Sein im Herrschaftsbereich des auferstandenen Gekreuzigten vollzieht, so dass sich ihr Verhalten danach zu richten habe. Denn dafür sei Jesu gestorben und wieder lebendig geworden, dass er Herr sei über Lebende und Tote bzw. über Starke und Schwache.518 Im Rückgriff auf in der Popularethik verbreitete Motive macht er deutlich, dass sie sich nicht sich selber lebten und stürben, sondern ihrem Herrn.519 514 „Gewissensverpflichtung“ versucht die Aussage des Satzes ἕκαστος ἐν τῷ ἰδίῳ νοῒ πληροφορείσθω zusammenfassend wiederzugeben. Der Begriff nimmt die Aspekte von νοῦς im Sinne von Urteilsvermögen, Überzeugung, Gesinnung auf und verbindet sie mit der Bedeutung des Verbs. Vgl. dazu auch A. SAND, Art. νοῦς, Sp.1174. 515 Vgl. zum νοῦς H. SCHLIER, Römerbrief, 407f. sowie dessen Auslegung zu Röm 12,2 (a.a.O., 360–362). 516 So auch U. W ILCKENS, Römer, 3. Teilband, 82. Zwar nimmt auch J. D. G. DUNN, Romans, 9–16, 799, an, dass πιστεύω in V. 2 keine andere Bedeutung als sonst auch im Corpus Paulinum habe, lehnt jedoch die oben vorgeschlagene Deutung von V. 4 ab (a.a.O., 804). 517 Das klingt bereits in V. 6 an, in dem Paulus die römischen Christen darauf aufmerksam macht, dass der ‚Starke‘ seinem Herrn isst, wie der ‚Schwache‘ für seinen Herrn nicht isst, und beide Gott danken. 518 Damit wird keine Identifizierung von Starken und Schwachen mit Lebenden und Toten vorgenommen. Die Übertragung, ohne dass damit eine bestimmte Gruppe als Tote oder Lebende bezeichnet werden könnte, ergibt sich aus der Einfügung des Lehrstücks in den jetzigen Kontext. 519 Vgl. dazu Anm. 154.

4. Glaube und Leben im Röm

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Die Glaubenden leben und sterben also in der Sphäre seiner Herrschaft, die damit zugleich den Rahmen bzw. Raum vorgibt, innerhalb dessen sie auch ihr gegenwärtiges Verhalten520 in Glaubensdebatten gestalten sollen. Daher kann Paulus auch noch einmal mit Nachdruck darauf hinweisen, dass die Glaubenden sich im Umgang miteinander bewusst machen sollen, dass Christus für den Glaubensbruder gestorben ist.521 Der alleinige Maßstab für die Lebensgestaltung ist demnach bestimmt durch die Zugehörigkeit der Glaubensgeschwister zum Herrn.522 Darüber hinaus weist Röm 14,7–9 einen Bedeutungsüberschuss auf, der sich nicht befriedigend vom Kontext her erklären lässt. So legt die Rede der Herrschaft des Herrn über Lebende523 und Tote sowie die Vorstellung, dem Herrn zu sterben, die Annahme nahe, dass das christologische Lehrstück eine in sich geschlossene Texteinheit bildet, die ursprünglich unabhängig vom jetzigen Kontext dazu diente, angesichts des Todes verstorbener Glaubensgeschwister Trost zu spenden. Werden die VV. 7–9 für sich betrachtet, dann liegt der Akzent auf der Zusage, dass die Zugehörigkeit zur Lebensherrschaft des Auferstandenen

520 Vor diesem Hintergrund erklärt sich zudem der paulinische Verweis auf die βασιλεία τοῦ θεοῦ (14,17), die nicht Essen und Trinken, sondern δικαιοσύνη καὶ εἰρήνη καὶ χαρὰ ἐν πνεύµατι ἁγίω sei. Beachtet man den Konnex zwischen der Herrschaft Gottes und der Bezeichnung Jesu als Kyrios sowie dem Ziel seines Todes und seiner Auferstehung, nämlich zu herrschen, dann erscheint die Königsherrschaft Gottes als durch Jesu Tod und Auferweckung ermöglicht und sich dann zwischenmenschlich realisierend, wenn die Glaubenden ihr Leben im Machtbereich Christi führen. 521 Er verknüpft in V. 15 den Tod Jesu zugunsten des Bruders mit dem Motiv der Liebe. Die Liebe und das Bewusstsein, dass Christus für den Bruder gestorben ist, sollen nach Paulus das Verhalten des Glaubenden bestimmen. 522 Ein weiterer Aspekt, der sich aus der Zugehörigkeit zum Herrn ergibt, folgt aus VV. 10–13. Indem Paulus dort das Offenbarwerden vor dem Richterstuhl Gottes thematisiert, erhält die Zugehörigkeit zum Herrn den Aspekt der Verantwortlichkeit gegenüber Gott, jedoch stellt dies vor dem Hintergrund der Zugehörigkeit zum Kyrios im Leben und im Sterben für diese kein Schreckensszenario dar, vielmehr verweist es noch einmal darauf, dass glaubende Existenz ihre Selbstzentriertheit aufgegeben hat und sich der Gottheit ausliefert. 523 Die Bezeichnung ‚die Lebenden‘ ist hier also im Unterschied zu 2 Kor 5,15 nicht soteriologisch qualifiziert. Das ergibt sich aus dem Gegenüber zu den ‚Toten‘. Sofern die Herrschaft Christi über Lebende und Tote ausgesagt wird, legt sich nahe, dass hiermit lebende und verstorbene Glaubende bezeichnet werden. Wenig plausibel hingegen erweist sich die Annahme, ἀποθνῄσκω und ζάω metaphorisch zu interpretieren, wie es in Röm 6 und bedingt auch in Röm 5,12–21 nötig ist. Daher kann auch nicht gesagt werden, dass 2 Kor 5,15 „provides a link with the life and death metaphors in 14:7–8“ (R. J EWETT, Romans, 848). Differenzierter argumentiert hingegen M. T HEOBALD, Einsamkeit, 158f.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

auch im Tod bestehen bleibt.524 Die argumentative Grundlage hierfür bildet das von Paulus sprachlich überarbeitete Glaubenssummarium in V. 9ab. Die Glaubenden gehören ihrem Kyrios – ihr Leben, ja selbst ihr Sterben, beide ereignen sich in der Sphäre seiner Herrschaft, die er nachösterlich ausübt.525 Damit ist der Tod nach Paulus wesenlos geworden, denn angesichts ihrer Zugehörigkeit zum Herrn ist der Tod für die Glaubenden nicht mehr länger ein Phänomen der Beziehungslosigkeit.526 Jesu Sterben und 524 Damit tritt Röm 14,7–9 in eine gewisse Nähe zu 1 Thess 5,10, wo Paulus die Lebensgemeinschaft mit dem Auferstanden für lebende und verstorbene Christen im Rückgriff auf die Aussage der Glaubenssummarien ausdrückt, dass Christus für uns gestorben ist. 525 Während die Vorstellung, dass die Glaubenden dem Herrn leben, in ähnlichen Formulierungen, die wie hier mit dativus commodi konstruiert sind, bereits zu hören gewesen waren (Gal 2,19; Röm 6,11; 2 Kor 5,15), erweitert Paulus seine Rede hier erstmals um die Vorstellung, dass der Mensch ‚dem Herrn stirbt‘ (V. 8d) und konkretisiert die Vorstellung eines ‚für den Herrn leben und sterben‘ durch die Zugehörigkeit zu ihm (V. 8g: τοῦ κυρίου ἐσµέν). Im Anschluss daran verbindet er dann den Zweck des Sterbens und „Wiederauflebens“ Christi mit dem Ziel, dass dieser über Tote und Lebende herrsche (14,9). Weshalb aber spricht der Apostel hier von einem „Wiederaufleben“ Jesu statt von dessen Auferweckung? Einen Schlüssel zum Verständnis stellt Röm 6,9f. dar (Auf diesen Zusammenhang verweist auch S. LÉGASSE, Romains, 863f.):

9a 9b 9c 10a 10b 10c 10d

εἰδότες ὅτι Χριστὸς ἐγερθεὶς ἐκ νεκρῶν οὐκέτι ἀποθνῄσκει, θάνατος αὐτοῦ οὐκέτι κυριεύει. ὃ γὰρ ἀπέθανεν, τῇ ἁµαρτίᾳ ἀπέθανεν ἐφάπαξ· ὃ δὲ ζῇ, ζῇ τῷ θεῷ.

Die Nähe zu Röm 14,9 tritt durch die Übereinstimmungen in der Wortwahl zu Tage. Hier wie dort verwendet Paulus die Verben ἀποθνῄσκω, ζάω und κυριεύω in Bezug auf Jesus, den er jeweils als Χριστός bezeichnet. In beiden Fällen ist der Tod Jesu die Voraussetzung für dessen Herrschaft über den Tod bzw. die Entmachtung des Todes, und in beiden Texten benutzt Paulus das Verb ζάω für den nachösterlichen Status Christi. Da Paulus Jesu Tod konstant als Sterben gegenüber der Sünde deutet – was ja ebenfalls in den Glaubenssummarien verankert ist (vgl. 1 Kor 15,3) –, kann dies auch für Röm 14,9 zugrunde gelegt werden. Und wie er in Röm 6 aus dem Leben Jesu für Gott die Aufforderung an die Glaubenden zieht, Gott zu leben, erinnert er sie in Röm 14 daran, ihrem Herrn zu leben. So stehen die Glaubenden sowohl nach Röm 6 als auch nach Röm 14 unter der Lebensherrschaft des Auferstandenen, was mit dem Verb κυριεύω ebenso zum Ausdruck kommt wie in dem durchgehenden Hoheitstitel Jesu als κύριος. In Röm 14,7–9 akzentuiert Paulus mit dem christologischen Lehrstück, dass Jesus in seinem Wiederaufleben den Tod als Folge der Sünde überwunden hat und die Glaubenden folglich durch den physischen Tod nicht mehr aus der Lebensgemeinschaft mit dem Auferstandenen herausgerissen werden können. 526 In diesem Sinn auch U. W ILCKENS, Römer, 3. Teilband, 84; K. HAACKER, Römer, 284.

4. Glaube und Leben im Röm

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Auferstehen hat ihnen die Partizipation an seinem Auferstehungsleben ermöglicht. Auf diese Weise klingt mit dem Verb ζάω, mit dem Paulus hier die Auferweckungsaussage formuliert, zugleich etwas vom soteriologisch qualifizierten ‚Leben‘ der Glaubenden an: Selbst der Tod vermag nicht mehr, sie aus ihrer Zugehörigkeit zum ‚Lebenden‘ heraus zu reißen. 4.5 Fazit: Das Glaubenssummarium in Röm 14,9 Im ‚christologischen‘ Lehrstück in Röm 14,7–9 belehrt der Apostel über die Zugehörigkeit lebender und verstorbener Christen zu ihrem Herrn. Grundlage hierfür bildet ein Glaubenssummarium in V. 9, das die Handschrift des Apostels trägt. Denn es muss angenommen werden, dass er verantwortlich ist für die Formulierung der Auferstehungsaussage mit dem Verb ζάω, da sie eine Anpassung an die Ausdrucksweise in den VV. 7f. darstellt. Im jetzigen Kontext innerhalb des Röm dient das Lehrstück dazu, die Glaubenden daran zu erinnern, dass ihr Verhalten untereinander sich an ihrer Zugehörigkeit zum auferstandenen Gekreuzigten messen lassen muss. Denn seiner Herrschaft unterstehen sie. Darüber hinaus lassen sich noch weitere Bedeutungsaspekte für das Lehrstück wahrnehmen. Sie verdanken sich der Einsicht, dass die VV. 7–9 ursprünglich ein eigenständiges Textstück bildeten. Werden die VV. 7–9 unabhängig von ihrem jetzigen Kontext betrachtet, dann dienen sie dem Trost angesichts des Todes. Denn indem die Herrschaft des „Lebenden“ als dem, der starb und den Tod überwunden hat, über lebende und verstorbene Glaubensgeschwister ausgesagt wird, hat der physische wie der „ewige“ Tod seinen Schrecken verloren. Die im Glauben konstituierte Beziehung zum Auferstandenen kann selbst der Tod nicht mehr aufheben. Christus starb und ist wieder lebendig geworden, damit die Glaubenden unter seiner Lebensherrschaft stehen. An Röm 14,9 lässt sich erneut beobachten, dass Paulus die Auferweckung Jesu immer dann mit dem Verb ζάω formuliert, wenn er die soteriologische Bedeutung des Todes und der Auferweckung Jesu für die Glaubenden zum Ausdruck bringen möchte. Damit rückt Röm 14,7–9 in die Nähe zu 1 Thess 5,10, das als Verstehenshilfe dienen kann. Wie Paulus dort die gegenwärtige Lebensgemeinschaft lebender und verstorbener Christen im Sprachhorizont der Glaubenssummarium begründete und seine Adressaten damit tröstete, dass auch die vor der Parusie Verstorbenen am Auferstehungsleben Jesu partizipieren, so vergewissert er sie auch nach Röm 14,7– 9, dass sie sich unter der Lebensherrschaft des Auferstandenen befinden – ganz gleich, ob sie leben oder sterben. Damit klingt auch in Röm 14,9 etwas von der Teilhabe der Glaubenden am Auferstehungsleben Jesu an, das der Macht des Todes entzogen ist. Die Glaubenden befinden sich im Leben und im Sterben in der Lebensgemeinschaft mit dem ‚Lebenden‘.

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III. Teil: Glaube und Leben bei Paulus

Diesen Aspekt sollte der vierte Evangelist rund 40 Jahre später mit folgenden Worten ausdrücken, wenn er Jesus sagen lässt (Joh 11,25f.): ἐγώ εἰµι ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή· ὁ πιστεύων εἰς ἐµὲ κἂν ἀποθάνῃ ζήσεται, καὶ πᾶς ὁ ζῶν καὶ πιστεύων εἰς ἐµὲ οὐ µὴ ἀποθάνῃ εἰς τὸν αἰῶνα. Neben diesem Bezug zu Röm 14,7–9, lässt sich an Joh 11,25f. noch etwas anderes beobachten: Auch das vierte Evangelium entfaltet seinen Lebensbegriff vor dem Hintergrund des Kerygmas von Jesu Tod und Auferstehung. Da das Joh Traditionssplitter der vorpaulinischen Glaubenssummarien kannte, legt es sich nahe, dass Joh 11,25f. das kreative Zeugnis für eine literarische Neugestaltung eines vorpaulinischen Glaubenssummariums ist. Dabei fällt eines deutlich auf: analog zu Paulus verwendet das Joh die Lebensterminologe für den Auferweckten, wenn die existentielle Bedeutung der Heilsakte auf das Sein der Glaubenden übertragen wird. Daher kann Joh 11,25f. als johanneisches Glaubenssummarium bezeichnet werden, das nun zusammen mit seinem unmittelbaren Kontext, der Lazarus-Erzählung in Joh 11, den Ausgangstext für die folgende Untersuchung des Johannesevangeliums bildet.

IV. Teil

Glauben1 und Leben im Johannesevangelium 1. Glauben und Leben in Joh 11 1. Glauben und Leben in Joh 11

1.1 Joh 11,25f.: Spuren von Glaubenssummarien im Joh An den Paulus-Texten konnte dargestellt werden, dass die vorpaulinischen Glaubenssummarien in ihrer spezifischen paulinischen Rezeption, Deutung und Fortschreibung den Ausgangspunkt für die apostolische Konzeption von Glauben und Leben bilden. Es ließ sich nämlich beobachten, dass Paulus Elemente bzw. Traditionssplitter aus Glaubenssummarien benutzt, um auf ihrer Grundlage seinen soteriologisch qualifizierten Lebensbegriff zu entfalten. Ebendiese Texte, wie 1 Thess 5,10; 2 Kor 5,15–17 sowie Röm 6,3–8 und 14,7–9, wurden deshalb als paulinische Glaubenssummarien bezeichnet und dienten als Textbasis, um den Zusammenhang von Glauben und Leben zu untersuchen. Im Joh weist nun Joh 11,25f. bemerkenswerterweise Gemeinsamkeiten zu den (vor-) paulinischen Glaubenssummarien auf. Dort heißt es: 25a ἐγώ εἰµι ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή· 25b ὁ πιστεύων εἰς ἐµὲ κἂν ἀποθάνῃ ζήσεται, 26a καὶ πᾶς ὁ ζῶν καὶ πιστεύων εἰς ἐµὲ 26b οὐ µὴ ἀποθάνῃ εἰς τὸν αἰῶνα. 26c πιστεύεις τοῦτο Vergleicht man diese Verse zunächst mit den vorpaulinischen Glaubenssummarien, dann fällt auf, dass Joh, ebenso wie es sich für die vorpaulinische Tradition rekonstruieren ließ, Tod und Auferweckung Jesu als Kurzzusammenfassung des πιστεύειν präsentiert. So verwendet Joh 11,25f. gleich dreimal das Verb πιστεύω. Zudem klingen in der Selbstoffenbarung Jesu in Form eines typisch joh Ich-bin-Wortes die Heilsakte des Todes und der Auferstehung Jesu an, da die Rede von der ἀνάστασις den Tod Jesu

1

Da das Joh an keiner Stelle das Substantiv πίστις verwendet, wird hier im Unterschied zu Paulus vom „Glauben“ gesprochen.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

sachlich voraussetzt.2 Somit besteht die eigentliche Sachparallele zu den vorpaulinischen Glaubenssummarien in der Prädikation Jesu als die Auferstehung und der Thematisierung des Glaubens. Für einen Vergleich mit den paulinischen Glaubenssummarien wiederum ist besonders interessant, dass das vierte Evangelium genauso wie der Apostel, die Lebensterminologie verwendet, um die Bedeutung der Geschehnisse um Jesu Tod und Auferweckung in ihrer soteriologischen Bedeutung für die Glaubenden zu entfalten. So bezeichnet das Joh Jesus selbst als die ζωή, so wie Paulus in Röm 14,9 (vgl. weiter Röm 6,8.10) das Verb ζάω benutzt, um die heilvolle Bedeutung des Auferstehens Jesu für die Glaubenden zum Ausdruck zu bringen. Und bei beiden stellt das Leben die Heilsgabe schlechthin dar, denn nach Paulus wandeln die Glaubenden in der καινότης ζωῆς (Röm 6,4) und leben mit Christus (1 Thess 5,10; Röm 6,8); sie haben das Leben im Geist (Röm 8,10), was ihnen nicht allein die Bezeichnung Kinder Gottes (Röm 8,14) beilegt, sondern ebenso dazu führt, dass der Apostel sie οἱ ζῶντες (2 Kor 5,15) nennt, da sie καινὴ κτίσις (5,17) sind. Ebenso identitätsstiftend fungiert auch bei Johannes die Bezeichnung jedes Glaubenden als ὁ ζῶν (Joh 11,26a), und schließlich ist es die ζωὴ αἰώνιος, die die soteriologische Gabe für die Glaubenden3 ist. Ebendies belegen auch Joh 11,25b.26a, die zwar anstelle des Nomens das Verb ζάω bieten, aber hiermit denselben Sachverhalt ausdrücken: der Glaubende lebt über den Tod hinaus, weil er ein Lebender im eschatologisch qualifizierten Sinne ist, so dass er in Ewigkeit nicht sterben wird (V. 26b). Mit der sowohl metaphorischen als auch nicht-metaphorischen Rede vom Sterben des Menschen liegt eine weitere Parallele zu Paulus vor, der, wie Johannes in 11,25f., seinen Lebensbegriff vor der Negativfolie von Tod und Sterben in dieser doppelten Semantik profiliert,4 und dies häufig im Zusammenhang mit Elementen der Glaubenssummarien entfaltet. Damit sind erste Gemeinsamkeiten zwischen den paulinischen Glaubenssummarien und Joh 11,25f. skizziert, die es nahelegen, ebenfalls von einem johanneischen Glaubenssummarium zu sprechen, das eine beeindruckende theologisch-konzeptionelle Analogie zu den paulinischen Glaubenssummarien darstellt. Daher soll die Exegese des johanneischen Glaubenssummariums den Ausgangspunkt für das Thema Glauben und Leben im vierten Evangelium 2

Die ausführliche Begründung hierfür bietet die folgende Exegese der VV. 25f. in ihrem Kontext der Lazarus-Perikope, der für das Verständnis von Joh 11,25f. grundlegend ist. 3 Das belegt sowohl das quantitative Vorkommen der Belege für ζωὴ αἰώνιος als auch ihre quantitative Verwendung. Vgl. dazu grundlegend C. HOEGEN-ROHLS, Ewigkeit, bes. 130f. 4 Vgl. 1 Thess 5,10; 2 Kor 4,10f.; 2 Kor 5,14; Phil 1,21; Röm 5,12.14f.17.21; Röm 6,4–8.11.13; Röm 8,6.10f.13; Röm 14,7f.

1. Glauben und Leben in Joh 11

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sowie anschließend auch für einen Vergleich mit Paulus bilden. Da die Deutung des johanneischen Glaubenssummariums jedoch nur aus dem unmittelbaren Kontext der Lazarus-Perikope erschlossen werden kann, wird zunächst die Wundererzählung in ihrer Gesamtheit in den Blick genommen, bevor dann der Fokus der Exegese auf Joh 11,25f. und dessen Veranschaulichung in der Herausrufung des Lazarus aus dem Grab zu legen ist. Im Anschluss daran werden dann Verbindungslinien zu jenen Texten des vierten Evangeliums ausgezogen, die zu einem vertieften Verständnis des Themas führen, indem sie auf die Zusammenhänge hin befragt werden, die sich von Joh 11 her für das Thema Glauben und Leben im vierten Evangelium ergeben. 1.2 Der Kontext des johanneischen Glaubenssummariums: die Lazarus-Perikope Das johanneische Glaubenssummarium in Joh 11,25f. ist Bestandteil der Wundererzählung über die Herausrufung des Lazarus aus dem Grab. Im Folgenden sollen die einzelnen Abschnitte, in die sich die Erzählung untergliedern lässt, exegesiert werden. Der Fokus liegt dabei immer auf der Frage nach dem Zusammenhang von Glauben und Leben, auf den sich die Erzählung in narrativen Spannungsbögen hin entwickelt und vorweg im Ich-bin-Wort des johanneischen Jesus ausgesagt wird, bevor dann schließlich das Wunder selber zur Sprache kommt. Hierbei werden zugleich Verbindungen zu anderen Textabschnitten im Joh herausgearbeitet, die im Anschluss an Joh 11 untersucht werden sollen. Abschließend soll noch einmal die Frage aufgenommen werden, ob Joh 11,25f. als johanneisches Glaubenssummarium bezeichnet werden kann und zugleich erste Analogien zu Paulus skizziert werden. 1.2.1 Kontext und Abgrenzung der Lazarus-Perikope im Joh Mit Joh 11,1 beginnt ein neuer Textabschnitt. Die Erzählperspektive wechselt von einer Auseinandersetzung Jesu mit „den Juden“ (οἱ Ἰουδαῖοι)5 um seine Identität und seinem im Anschluss daran erzählten Rückzug „jenseits des Jordan“ (10,40) hin zu Lazarus und seinen Schwestern. Wie Joh 10 mit der Feststellung endet, dass viele zum Glauben an Jesus gekommen seien, so schließt auch die positive Reaktion auf die Wundererzählung mit dem Erzählerkommentar, dass viele der Juden, die Zeugen der Herausrufung des Lazarus aus dem Tod gewesen waren, an ihn glaubten (11,45). 5 „Die Juden“ (οἱ Ἰουδαῖοι) sind im vierten Evangelium eine literarische Größe, in der sich die Auseinandersetzung der johanneischen Gemeinde mit jüdischen Gemeinden und / oder dem Umgang mit jüdischen Traditionen widerspiegelt. Nur in diesem Sinne wird der Terminus „die Juden“ in dieser Arbeit verwendet.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Die Selbstoffenbarung Jesu im Zeichen der Herausrufung des Lazarus aus dem Grab ruft jedoch nicht nur den Glauben vieler hervor. Vielmehr ist dieses zugleich als letztes öffentliches Wirken Jesu Anlass für den Beschluss, ihn zu töten (11,53). Diese negative Reaktion auf das Wunder der Herausrufung aus dem Tod ins Leben erzählen die VV. 46–54. Dabei markiert V. 54 das Ende der Wundererzählung selber, da mit dem erwähnten Rückzug Jesu mit seinen Jüngern nach Ephraim ein erneuter Ortswechsel vorliegt, mit dem das öffentliche Wirken Jesu in der Darstellung des vierten Evangeliums endet.6 Die Lazarus-Perikope markiert damit als „größtes“7 Wunder8 innerhalb des Evangeliums den Wendepunkt vom öffentlichen Wirken Jesu hin zu 6

Umstritten ist die Abgrenzung der Texteinheit nach hinten. So sehen C. K. B ARJohannes; J. B ECKER, Johannes, und R. E. BROWN, John (i–xii), die Zäsur bereits nach V. 43 (vgl. dazu die Gliederungen in den jeweiligen Kommentaren), dagegen J. KREMER, Lazarus, 12f., nach V. 46, und H. THYEN, Johannesevangelium, 553, lässt die „Geschichte von den bethanischen Geschwistern und ‚Freunden‘ Jesu“ erst mit 12,11 enden. Bei der Abrenzung nach vorne wird gelegentlich 10,40–42 eine „bridging function“ (R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 80), eine „Überleitungs- oder Brückenfunktion“ (J. FREY, Eschatologie III, 408) zugeschrieben bzw. werden die Verse als „Rahmung“ verstanden (J. FREY, Eschatologie III, 409), jedoch der Beginn der LazarusPerikope selber dennoch in 11,1 belassen. Während J. FREY, Eschatologie III, 409f., die Motive der Rahmung und ihre Bedeutung für das Verständnis der Lazarus-Perikope eigens herausarbeitet und die Lazarus-Perikope als eine konzentrisch aufgebaute Erzählung versteht, bei der die Lazarus-Erzählung mit V. 44 endet, setzt R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 82, sowie DERS., Vorbild 745, die Zäsur erst nach 12,11. Er begründet (DERS., Vorbild, 745, sowie DERS., Narrative Hermeneutics, 80) seine Entscheidung mit der wortwörtlich wiederholten Erwähnung des Glaubens der Juden in 11,45 und 12,11 sowie mit der wiederkehrenden Figurenkonstellation der drei Geschwister in Joh 12 und auch mit der Einführung Marias als derjenigen, die Lazarus gesalbt habe (11,2), was ohne die Erzählung der Salbung in 12,3–8 nicht zu verstehen sei. Zimmermann macht zudem darauf aufmerksam, dass die narrative Darstellung, in der sich die Protagonisten Jesus und Lazarus aufeinander zubewegen würden, nicht mit dem Herausgehen des Lazarus aus dem Grab zum Ziel käme. „A complete communion is not realized until John 12:1–11, where Lazarus and Jesus are reclining at the table, sharing supper (12:1–2).“ (DERS., Narrative Hermeneutics, 81.) Zimmermann macht dabei wichtige Textbeobachtungen, die die Verbindungslinien zwischen den Kapiteln 11 und 12 benennen. Die hier vorgeschlagene Textabgrenzung der eigentlichen Wundererzählung nach V. 54 folgt der Einsicht von M. T HEOBALD, Johannes, 712, dass „der dreifach gestaffelte Schluss (11,45f./47– 53/54) (...) von den Folgen der Tat Jesu“ berichtet, „die weit über Joh 11 hinausreichen, wie auch die drei Geschwister Martha, Maria und Lazarus noch in Kap. 12 auf der Bühne bleiben“. Aufgrund dieser Bezüge zu Joh 12,1–19 wird die Auslegung in dieser Untersuchung auch die inneren Verbindungslinien zu 12,1–19 berücksichtigen. 7 So U. POPLUTZ, Hinführung, 663, die Joh 11 zugleich als das „spektakulärste“ Wunder bezeichnet. 8 Anzumerken ist jedoch, dass Erzählungen von Wiederbelebungen Bestandteil sowohl der jüdischen als auch der griechischen Tradition und natürlich der synoptischen Überlieferung sind, so dass Joh 11 über traditions- und religionsgeschichtliche Parallelen RETT,

1. Glauben und Leben in Joh 11

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den Erzählungen um seine Passion.9 Sie stellt zugleich den Höhepunkt dessen dar, was zuvor im Evangelium über Jesus als den Lebensspender für die Glaubenden ausgesagt worden war. Dafür spricht insbesondere das dichte Netz aus theologischen und christologischen Aussagen innerhalb der Lazarus-Perikope, die allesamt einer soteriologischen Konzentration dienen. Auf diese Weise zielt die Erzählung textpragmatisch darauf, die Glaubenden zu vergewissern, dass ihnen im Glauben an Jesu göttliches ἐγώ εἰµι als Auferstehung und Leben ein Leben zuteil wird, das über den Tod triumphiert.10 Diesen Gedanken entfaltet die Erzählung innerhalb einzelner Textabschnitte, die sich gliedern lassen in die Exposition (VV. 1–5), drei Dialoge (VV. 6–16.17–27.28–37), die Herausrufung des Lazarus aus dem Grab und die Reaktionen auf das Wunder (38–46) sowie auf die Schilderung des Todesbeschlusses (VV. 47–54).11 verfügt. So überliefern die Königebücher Auferweckungen des Elija und Elischa (1 Kön 17,17–24; 2 Kön 4,18–37; vgl. zur Nähe von 1 Kön 17 zu Lk 7,11–17 U. METTERNICH, Auferstanden, 578). In der griechischen Welt wird von Apuleios erzählt, dass ein Arzt namens Asclepiades einen Toten erweckt haben soll (Apul.flor. 19), und Apollonius von Tyana wird nach Philostratos die Erweckung einer am Tag ihrer Hochzeit verstorbenen Braut zugeschrieben, wobei hier allerdings auch von einem „Scheintod“ die Rede ist und gefragt wird, ob ein Lebenszeichen übersehen worden sei (Philostr.vit.ap. 4,45). Zahlreich sind die mythischen Erzählungen, in denen (Halb-)Götter Tote wiederbeleben. Dabei ist z.B. überliefert, dass die Götter Asklepios wegen seiner Erweckungen zürnten (Diod. Sic. 4,71,1–3; Hippocr. Ep. 17). Vgl. zu den genannten Stellen wie zu weiteren Belegen R. ZIMMERMANN, Vorbild, 753, der zu Recht auf den kritischen Umgang mit solchen Überlieferungen hinweist. So konstatiert er, dass die Totenerweckungen, „wenn nicht ohnehin mythische Erzählungen (...), zu dem Bereich der mimetischen Geschichtsschreibung“ zu zählen seien, „den Polybios als unmögliche, krasse Wunder bzw. als ‚Sensationshistorie‘ kritisiert“ habe (a.a.O., 753). Dennoch macht R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 83, zugleich zu Recht darauf aufmerksam, dass „the facticity of miracles and also of resurrections was not contested in the ancient world.“ M. STARE, Stress, 589, ordnet die Lazarus-Erzählung der Gattung der Auferweckungserzählungen zu, „in denen der Wundertäter zur verstorbenen Person gerufen wird“, zu der sie in der biblischen Überlieferung neben den erwähnten Auferweckungen durch Elija und Elischa (1 Kön 17,17–24; 2 Kön 4,18–37) die Auferweckung der Tochter des Jaïrus (Lk 8,40– 42.49–56) sowie die Auferweckung der Tabita durch Petrus (Apg 9,36–42) zählt. 9 Damit läuft die Darstellung ab Joh 12 auf die Passion und Auferstehung Jesu zu. Unterbrochen wird sie durch den Textblock der Abschiedsreden (Joh 13,31–17), die die nachösterliche Gegenwart Jesu in der Gemeinde thematisieren (vgl. hierzu ausführlich C. HOEGEN-ROHLS, Johannes, 91–255; J. FREY, Eschatologie III, 119–222). Beides, Passion und Auferstehung, als auch die nachösterliche Präsenz Jesu in der Gemeinde, setzt die Lazarus-Erzählung sachlich voraus: aus dem Tod Jesu resultiert die Lebensmacht des Erhöhten, der die Auferstehung und das Leben ist. 10 M. THEOBALD, Johannes, 708, weist zurecht darauf hin, dass in der Ostkirche am Palmsonntag die Herausrufung des Lazarus aus dem Grab als „‚kleines Ostern‘“ gefeiert werde und bezeichnet daher die Lazaraus-Perikope zutreffend als „Wunder des Lebens“. 11 Vgl. hierzu ausführlich J. FREY, Eschatologie III, 416–418.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

1.2.2 Die Lazarus-Perikope 1.2.2.1 Exposition: Einführung der Protagonisten und Nennung des Themas (11,1–5) Die ersten fünf Verse der Erzählung übernehmen die Funktion einer Exposition, in der die Protagonisten der Handlung eingeführt werden. Die Leserinnen und Leser erfahren, dass es sich bei Lazarus, Maria und Martha12 um drei Geschwister handelt, die in einem Dorf namens Bethanien13 zuhause sind. Dabei liegt der Akzent von Beginn an auf der Aussage, dass Lazarus krank sei. So lautet der die gesamte Perikope einleitende Satz: Ἦν δέ τις ἀσθενῶν (11,1), und die Aussage wird sowohl nach der Einführung von Maria und Martha (11,2) als auch in der Botschaft der Schwestern an Jesus wiederholt, die als direkte Rede der beiden an ihren Kyrios gestaltet ist (11,3). Besonderes Augenmerk jedoch verdient Joh 11,4. Denn dort erfahren die Leserinnen und Leser aus dem Munde des johanneischen Jesus, worauf die Krankheit des Lazarus zielt:

12 Zu Anspielungen an die synoptische Tradition vgl. M.-É. KIESSEL, Intertextualité, 54, die nach einem Vergleich von Joh 11f. mit Lk 7,11–17; Mk 5,21–43||Mt 9,18–26||Lk 8,40–56; Lk 10, 38–42 sowie der Salbung in Bethanien nach Mk 14,3–9||Mt 26,6–13 zu der Schlussfolgerung gelangt, „que la relation aux Synoptiques s’exprime sous la forme d’allusions ou d’effet d’échos, mais qu’elle est aussi inscrite dans les procédés de composition, qui ont pu être identifiés comme des opérations de transposition, de création de nouvelles scènes, par croisement ou concentration de textes, ou par transmodalisation.“ Zudem lasse sich „le travail de réécriture“ (a.a.O., 55), in der Charakterisierung der literarischen Figuren erkennen. Sie erkennt in der johanneischen Aufnahme und Überarbeitung der synoptischen Texte die Absicht einer „lecture christologique originale unissant croix et glorification“ (a.a.O., 53), die der Verfasser in der Kommunikation mit dem Leser erreichen wolle (vgl. a.a.O., 55). So wertet sie z.B. das Bekenntnis der Martha in 11,27 als „réponse à la question posée en Lc 7,18–20“ (a.a.O., 56). Zu weiteren Beobachtungen von Kiessel vgl. die Anmerkungen zur Textauslegung. Vgl. weiter J. FREY, Eschatologie III, 423f., der von einer „Auf- oder gar Übernahme“ (a.a.O., 423) synoptischer Tradition in Joh 11f. spricht. Zu nennen ist der Textabschnitt zu Maria und Martha in Lk 10,38–42 sowie das Gleichnis vom armen Lazarus in Lk 16,19–31. 13 J. FREY, Eschatologie III, 423, deutet die Bezeichnung des Ortes plausibel als Ergebnis einer Kombination aus der Bedeutung des Dorfes in der markinischen Passionserzählung Mk 11,1 sowie der Salbung Mk 14,3ff.||Mt 26,6ff. und der Identifikation der unbekannten Frau bei der Salbung in Mk 14 und Lk 7,36–50 mit Maria. Darüber hinaus kann mit R. ZIMMERMANN, Vorbild, 751, eine etymologische Herleitung des Namens Bethanien aus dem Hebräischen als „Haus des Armen“ erwogen werden, so dass bereits mit der Lokalisierung der Wundererzählung ein Anklang an das Gleichnis vom armen Lazarus in Lk 16,19–31 vorläge.

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4a αὕτη ἡ ἀσθένεια οὐκ ἔστιν πρὸς θάνατον 4b ἀλλ᾿ ὑπὲρ τῆς δόξης τοῦ θεοῦ, 4c ἵνα δοξασθῇ ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ δι᾿ αὐτῆ. Bereits zu Beginn der Erzählung wird also der Blick der Adressaten auf eine vertiefte Wahrnehmung und Deutung der Krankheit des Lazarus gelenkt. Zugleich erfahren sie, dass nicht der Tod das letzte Wort haben wird, sondern sie vielmehr Zeugen der gegenseitigen Verherrlichung von Vater und Sohn sein werden. Damit rückt die folgende Erzählung unter die Perspektive von Jesu Erhöhung am Kreuz,14 denn dort ereignet sich schließlich die Verherrlichung des Vaters durch den Sohn und des Sohnes durch den Vater. So gibt sich in der Lazarus-Erzählung nicht nur die nachösterliche Perspektive zu erkennen, sondern es zeigt sich zugleich, dass sich ihr Verständnis nur vor dem Hintergrund von Jesu Tod und Auferstehen erschließt. Diese dezidiert nachösterliche Perspektive des Evangeliums ist darüber hinaus in der Exposition greifbar, wenn Maria anachronistisch als diejenige vorgestellt wird, die Jesus gesalbt und seine Füße mit ihrem Haar getrocknet habe (11,2), eine Erzählung, die in der erzählten Zeit erst in Joh 12,3 berichtet wird.15 Daneben weist ein weiteres zentrales Motiv auf den Tod Jesu und seine soteriologische Dimension hin: die Liebe Jesu zu Lazarus und seinen Schwestern.16 So lassen die Schwestern Jesus nicht bloß mitteilen, dass Lazarus krank sei, sondern erinnern ausdrücklich daran, dass der, den er liebhabe, in Not sei (11,3). Offensichtlich kommt in den Worten Marias und Marthas die Hoffnung auf ein rettendes Eingreifen Jesu zum Ausdruck.17 Nachdem die Liebe Jesu zu Lazarus erwähnt wurde, heißt es in V. 5, Jesu liebe alle drei Geschwister, so dass die Liebesaussagen eine inclusio zur Rede von der wechselseitigen Verherrlichung von Vater und Sohn bilden. Durch diese Rahmung erscheint die Liebe Jesu zu Lazarus, Martha und 14

Vgl. Joh 13,31f.; 17,1. Darauf verweisen auch R. BULTMANN, Johannes, 303; R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 404; O. HOFIUS, Auferweckung, 19–22. M. T HEOBALD, Johannes, 727, fasst pointiert die Deutung von V. 4 zusammen: „Die Erweckung des toten Lazarus durch Jesus steht in einem inneren Konnex mit seiner Verherrlichung am Kreuz. Dies klingt hier schon an, weil das Aufleuchten der Herrlichkeit Gottes im Tod Jesu der eigentliche Grund dafür ist, dass auch da Leben ersteht, wo das aus dem Tod erweckende Wort Jesu laut wird – wie hier in der Lazarusgeschichte.“ Vgl. zur Wiederaufnahme des Herrlichkeitsmotivs die Auslegung zu V. 40. 15 Vgl. hierzu Mk 14,3ff.; Lk 7,36–50. 16 Vgl. hierzu O. HOFIUS, Auferweckung, 22; W. E. S. NORTH, Lazarus, 49–57. 17 Vgl. hierzu auch J. FREY, Eschatologie III, 424, der die Mitteilung der Schwestern als Appell „an die besondere Beziehung Jesu zu dem Kranken“ versteht, der „implizit die Bitte, Jesus möge heilend eingreifen“, beinhalte.

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Maria als Begründung für das Schauen der Herrlichkeit Gottes, das sich in der Herausrufung des Lazarus aus dem Grab, dem Übergang aus dem Tod ins Leben, ereignet (11,40–44).18 Damit wird narrativ das Augenmerk der Lesenden auf Jesu Verhalten und Haltung gegenüber den Schwestern gelenkt, denn es lässt sich von den VV. 4–6 her erwarten, dass auch sie in das Geschehen der Verherrlichung von Vater und Sohn einbezogen werden. Mit dem Liebesmotiv in Joh 11,3.5 klingt die heilvolle Bedeutung des Todes Jesu an, die das vierte Evangelium als Ermöglichungsgrund für die im Wunder sichtbare Verherrlichung des Vaters durch den Sohn darstellt. In Joh 11 wird dieser Sachverhalt dadaurch erkennbar, dass die Liebesaussagen V. 4, in dem das Ziel des Wunders benannt wird, rahmen. Zudem verweisen darauf Stellen wie Joh 3,16, wo die Hingabe des Sohnes mit der Liebe Gottes zur Welt begründet wird,19 die sich darin verwirklicht, dass

18 Besonders interessant für einen Vergleich von Paulus und Johannes erweist sich in diesem Zusammenhang das im Kontext der Liebe Gottes zur Welt vorliegende Dahingabemotiv in Joh 3,16, zu dem mit Röm 8,32 eine Parallele vorliegt, die ebenso universal formuliert ist wie Joh 3,16. Desweiteren stimmen Paulus und Johannes darin überein, dass der Grund für das heilvolle Sterben Jesu die Liebe Gottes ist (vgl. Röm 5,8). Vgl. hierzu ausführlich E. E. P OPKES, Theologie, 239ff., der jedoch, obwohl er die zutreffenden Ergebnisse älterer Forschungspositionen übernimmt und zugesteht, dass „die Dahingabe- bzw. Sendungsaussagen Joh 3,16aβ.17a aus vorpaulinischen bzw. paulinischen Traditionen übernommen sind“, im „Motiv der Liebe Gottes zur Welt eine spezifisch johanneische Begründungsstruktur“ (a.a.O., 245) erkennen möchte. Diese These ist angesichts eines Vergleichs mit den paulinischen Texten in Röm 5–8 und ihrer Argumentationsstruktur kritisch in Frage zu stellen. Wenngleich dort nicht wortwörtlich von einer Liebe Gottes zum Kosmos die Rede ist, so ist die Aussage von dessen Liebe jedoch den universalen Aussagen zur Adam-Christus-Typlogie programmatisch vorangestellt, und letztlich gipfelt die Argumentation in einer zweifachen Aussage zur Liebe Gottes und seines Sohnes in Röm 8,37.39. Zudem wäre hier weiter zu fragen, in welchem Verhältnis die Liebes-Aussagen zu den χάρις bzw. χάρισµα-Aussagen in Röm 5 stehen. 19 Neben diesem Bezug zu Joh 3 bestehen weitere Bezüge zu Joh 10,11–19, in denen Jesus von sich als dem guten Hirten spricht, der sein Leben für die Schafe einsetzt, so wie er nach Joh 11 trotz des vorherigen Versuchs, ihn zu steinigen, bereit ist, erneut nach Judäa zu gehen (11,7f.; vgl. hierzu unten die Auslegung zur Stelle), wo das LazarusWunder letztlich zu dem Beschluss führt, ihn zu töten. Hier wie dort besteht das Ziel des Handelns bzw. Sterbens Jesu darin, dass die Schafe bzw. Lazarus ζωὴν ἔχωσιν καὶ περισσὸν ἔχωσιν (10,10). Damit erfüllt Jesus die ἐντολή seines Vaters (10,19), wie die Wundererzählung nach Joh 11,4 der wechselseitigen Verherrlichung bzw. dem Offenbarwerden der Herrlichkeit Gottes dient (11,40). Und wie es in Joh 10 um die Konstitution der einen Herde geht (10,16), so bietet das Evangelium in der Prophezeiung des Kaiphas eine nachträgliche Deutung zu Jesu Selbstbezeichnung als Auferstehung und Leben in 11,25, nach der sein Tod zugunsten des λαός bzw. des ἔθνος (beide Begriffe in 11,50) geschehe und so dazu diene, τὰ τέκνα τοῦ θεοῦ τὰ διεσκορπισµένα συναγάγῃ εἰς ἕν (11,52) (vgl. zur Deutung dieser Aussage die Auslegung zur Stelle). Die soteriologische Bedeutung des Todes Jesu kommt schließlich in der Aussage in Joh 12,32, dass Jesus als

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Jesus aus Liebe zu seinen Freunden stirbt.20 So wird die Erzählung erneut transparent für ihre nachösterliche Erzählperspektive, und die im Wunder demonstrierte schöpferische Kraft Jesu erscheint als Dynamis,21 die das Sterben Jesu voraussetzt. Dass die am Ende der Exposition thematisierte Liebe Jesu zu Lazarus und seinen Schwestern tatsächlich dazu führte, dass Jesus starb, wird in der Äußerung des Thomas (V. 16) im auf die Exposition folgenden Gespräch zwischen Jesus und den Jüngern vorweggenommen.22 1.2.2.2 Ein retardierender Einschub: Jesus im Gespräch mit den Jüngern (Joh 11,6–16) Mit Joh 11,6–16 liegt ein Einschub innerhalb der Wundererzählung vor, der stark retardierend wirkt, denn es kommt zu keiner Handlung, die die Erzählung weiter vorantreiben würde: Trotz der mehrfach erwähnten Liebe Jesu zu Lazarus und trotz der vertrauensvollen und Hilfe erwartenden Hinwendung der Schwestern zu Jesus geht dieser nicht zu Lazarus; stattdessen wird ausdrücklich festgehalten, dass er noch zwei Tage an seinem Aufenthaltsort verweilt.23 Dann allerdings ist es der johanneische Jesus, der die Initiative ergreift und seine Jünger auffordert, mit ihm nach Judäa zu gehen. Erstmals betreten hier die Jünger die Erzählbühne, nachdem von ihnen zuvor keine Rede war. Dass sie lediglich eingeführt werden, um in diesem begrenzten Textabschnitt als Gesprächspartner Jesu bzw. als untereinander Kommunizierende – und damit als Identifikationsfiguren für die Adressatinnen und Adressaten – zu fungieren, zeigt sich auch daran, dass sie danach nicht mehr als Akteure in Erscheinung treten. Ihr Auftritt endet mit der Bemerkung des Thomas in V. 16, derzufolge die Jünger Jesus zwar zu Lazarus begleiten, erzählerisch jedoch die Szenerie verlassen. Das heißt jedoch nicht, dass diese relativ kurze Erwähnung der Jünger zu vernachlässigen wäre. Als Gesprächspartner Jesu auf der Ebene der erzählten Zeit ermöglichen sie mit ihrem formulierten Einwand gegen den Aufbruch nach Judäa (11,8) sowie ihrer falschen Einschätzung der Situation des Lazarus (11,12) die erläuternden und korrigierenden Äußerungen Jesu, in denen sich letztlich der Evangelist zu Wort meldet. Damit jedoch Erhöhter alle zu sich ziehe, nochmals explizit zum Ausdruck. Vgl. weiter H. T HYEN, Johannesevangelium, 509, der ebenfalls Verbindungslinien zu Joh 10 nachzeichnet. 20 Vgl. hierzu Joh 13,1; 15,13–15. 21 Vgl. U. METTERNICH, Aufstehen, 68–71. 22 Vgl. zu weiteren Anspielungen auf Tod und Auferstehung Jesu den Überblick bei R. ZIMMERMANN, Vorbild, 756f. 23 Zu weiteren retardierenden Momenten innerhalb der Erzählung vgl. R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 82.

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wird die Erzählung transparent für die Adressaten des Evangeliums und ihre Belehrung durch den Evangelisten, so dass sowohl der Finalsatz ἵνα πιστεύσητε (11,15) als auch die Aufforderung des Thomas ἄγωµεν καὶ ἡµεῖς ἵνα ἀποθάνωµεν µετ᾿ αὐτοῦ (11,16) als an die Leserinnen und Leser des Evangeliums adressiert verstanden werden können. Dabei beginnt der Textabschnitt gewissermaßen in slow motion, was nach der Situationsschilderung in den VV. 1–4, in der mehrfach das Kranksein des Lazarus thematisiert worden war, bei den Leserinnen und Lesern Unverständnis erzeugen dürfte. Obwohl die Adressaten wissen, dass die Krankheit des Lazarus nicht zum Tod führen soll, steigert das Bleiben Jesu an seinem Aufenthaltsort die Spannung beinahe ins Unerträgliche. Jesus erscheint als derjenige, der seine Hilfe verweigert bzw. scheinbar grundlos hinauszögert. Von der angekündigten wechselseitigen Verherrlichung von Vater und Sohn ist jedenfalls nicht mehr die Rede, und die temporalen Angaben δύο ἡµέρας und ἔπειτα µετὰ τοῦτο (11,6f.) akzentuieren die Länge der Abwesenheit Jesu von Lazarus und dessen Schwestern, die doch wohl eine baldige Reaktion Jesu erwartet hatten, wie aus V. 3 geschlossen werden kann. Vor dem Hintergrund des dann Erzählten übernehmen die Zeitangaben hingegen die Funktion, das Wunder der Auferweckung zu steigern und erfüllen damit dieselbe Aufgabe wie die weiteren temporalen Angaben in 11,7.17.39. Auf die Aufforderung Jesu, erneut nach Judäa zu gehen, reagieren die Jünger mit Unverständnis. Sie geben zu bedenken, dass die Ἰουδαῖοι dort versucht hätten, Jesus zu steinigen (11,8). Dieser Jünger-Einwand stellt einen Bezug zu Joh 10,31 her, wo erzählt wird, dass die Juden Jesus aufgrund seiner Behauptung, dass er und der Vater eins seien (10,30), hätten steinigen wollen. Durch diese Verbindung der Lazarus-Perikope mit Joh 10 gelingt es dem Evangelisten, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass es letztlich auch in der nun folgenden Erzählung um die Frage der Identität Jesu und um seine Relation zum Vater geht. Mit dem Hinweis der Jünger auf die Tötungsabsicht der Juden wegen der angemaßten Gottgleichheit Jesu rückt der Evangelist die Erzählung unter eine theologisch-christologische Perspektive, wie sie pointiert im Ich-bin-Wort Jesu (11,25) zum Ausdruck kommen wird. Zugleich stellt V. 8 einen weiteren Beleg dafür dar, dass die Erzählung nicht unabhängig vom Tod Jesu betrachtet werden kann. Eben darauf verweist auch V. 9a. Denn dort erinnert der johanneische Jesus seine Gesprächspartner ebenso wie die späteren Adressaten des Evangeliums mit der Frage οὐχὶ δώδεκα ὧραί εἰσιν τῆς ἡµέρας daran, dass die Zeit seines Wirkens begrenzt ist und sein Tod nahe bevorsteht. Nach den rätselhaften und mehrdeutigen Aussagen der VV. 9b–10, die mit Be-

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cker als „weisheitliche Lebensregel“24 bezeichnet werden können, erfolgt in V. 11b mit dem Wechsel zum praesens historicum die Rückkehr zur eigentlichen Erzählung:25 Im Fokus steht nun wieder Lazarus, der nament24

J. BECKER, Johannes 11–21, 357. Anders B. LINDARS, John, 391, der eine Deutung der VV. 9f. als „general teaching“ ablehnt und sie deshalb auf Jesus bezieht. Ebenso bereits R. B ULTMANN, Johannes, 304, wobei bei beiden eine Deutung von V. 10 fehlt. Allerdings räumt Bultmann, a.a.O., 304 mit Anm. 3, ein, dass das Wort „ursprünglich (...) eine Mahnung an die Hörer war“. 25 In der bildhaften Sprache vom „Licht dieser Welt“ klingt Jesu Selbstprädikation als τὸ φῶς τοῦ κόσµου aus Joh 8,12 und 9,5 an (in 9,5 abweichend von 8,12 die Formulierung φῶς εἰµι τοῦ κόσµου). Da das Licht hier stets auf Christus bezogen ist, legt es sich nahe, die Aussage in den VV. 9f. als Anrede an die Jünger bzw. die nachösterliche Gemeinde zu verstehen (vgl. hierzu auch M. THEOBALD, Johannes, 728f., der annimmt, dass das „Gleichnis“ neben Jesus auch auf die Jünger bezogen sei; vgl. ähnlich bereits zuvor R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 407f., der V. 9 auf Jesus und erst V. 10 auf die Jünger bezieht). V. 9 stellt dann eine Zusage an die Adressaten des Evangeliums dar, dass Christus als Licht der Welt in der Anfechtung und Bedrohung durch die Umwelt als Licht bei ihnen sein wird. Nachösterlich kann V. 10 auch im Zusammenhang mit Joh 9,4 gelesen werden, wo auf die Notwendigkeit des Wirkens Jesu hingewiesen wird, solange es Tag ist. Joh formuliert dort auffälligerweise in der 1. Person Plural, was als Hinweis darauf zu verstehen ist, dass die johanneischen Christen nachösterlich das Werk Jesu fortsetzen sollen (vgl. zu Joh 9,4 auch U. SCHNELLE, Johannes, 186, der mit dem Plural ebenfalls Jesus, Jünger sowie die Gemeinde bezeichnet sieht). Nimmt man diesen Bezug ernst, dann thematisiert Joh 11,10 in Relation zu den VV. 8.16 sowie zu den VV. 50.53 und 57 die Kreuzesnachfolge (so bereits U. SCHNELLE, Evangelium, 210; M. THEOBALD, Johannes, 729) ebenso wie die Weiterführung der Leben eröffnenden Zuwendung Jesu zu den Menschen durch die johanneischen Christen. Wie Jesus als das Leben im Joh als Licht für die Menschen bezeichnet wird (1,4), ist es auch die Aufgabe seiner Nachfolger, sein Lebenswerk in der Verkündigung zu bewahren. Die Metapher des Tages wäre dann eine Umschreibung für die Christusgegenwart, während das Bildwort von der Nacht „der beklagenswerte Zustand dessen“ ist, der Jesus als Licht der Welt nicht hat (M. THEOBALD, Johannes, 729). Anders R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 85, der die Bildfeldtradition im Sinne einer „tension between life and death“ verstehen möchte und daraus folgert, dass das Umhergehen bei Nacht im vierten Evangelium den Weg in den Tod beschreibe, wie er ja auch Jesus bevorstehe. Ganz auf Jesus und seinen Weg in den Tod bezieht auch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 369, die VV. 9f. (Er wendet sich damit kritisch gegen R. Schnackenburg und M. Theobald.). Eine letzte Rätselhaftigkeit und Mehrdeutigkeit der VV. 9f. lässt sich jedoch auch angesichts der vorgeschlagenen Deutung aufgrund des bildhaften Charakters der Aussagen nicht leugnen. Daher ist Vorsicht geboten gegenüber jedem Versuch einer allzu stringenten Interpretation der bildhaften Aussagen. Der Text erweist sich demgegenüber sperrig. So ist kritisch zu bedenken, dass die Metapher der Nacht in 9,4 anders konnotiert ist als hier. J. FREY, Eschatologie III, 428, der selber für V. 10 einen Bezug zu Joh 18,6 herstellen möchte, indem er προσκόπτω in Relation setzt zu dem Niederfallen der σπεῖρα angesichts der Selbstoffenbarung Jesu, bemerkt zu Recht: „Die schillernde Metaphorik hält stets mehrere Blickwinkel offen“. Und auch R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 83, hält im Blick auf die narrativen Techniken, die charakteristisch für das vierte Evangelium sind, zutreffend fest: „The narratological devices make it necessary for the reader to submerge himself or herself

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lich erwähnt und näher bestimmt wird als ὁ φίλος ἡµῶν (11,11). An die Jünger gewandt erläutert Jesus, dass Lazarus schlafe und er gehe, um ihn aufzuwecken. Damit wird noch einmal ein Bezug zu V. 9a hergestellt, der auf die begrenzte noch verbleibende Zeit des Wirkens Jesu hinwies, so dass nun deutlich wird, dass diese jetzt noch genutzt werde. Die Reaktion der Jünger folgt unmittelbar. Sie missdeuten Jesu Rede vom Schlaf des Lazarus als euphemistisch und leiten daraus positiv ab, dass er gerettet werden könne (11,12). Der darauf folgende Erzählerkommentar korrigiert ihre Meinung, indem er die Aussage Jesu in V. 11 auf den Tod des Lazarus bezieht und die falsche Deutung der Jünger noch einmal benennt (11,13). Diese für das Joh charakteristische literarische Technik des Missverständnisses steigert das im Folgenden erzählte Wunder, da es sich hierbei nicht bloß um eine Krankenheilung handelt, wie sie zuvor schon des Öfteren Gegenstand der Darstellung war,26 sondern um ein Herausrufen aus dem Tod ins Leben. Durch den Anschluss an den korrigierenden Erzählerkommentar entfalten die Worte Jesu in den VV. 14f. noch einmal nachdrücklicher ihre Wirkung. So spricht Jesus nun in παρρησίᾳ (V. 14). Er erklärt, dass der Freund gestorben sei und – angeschlossen mit paraktaktischem καί – dass er sich freue, nicht dort gewesen zu sein um der Jünger willen (δι᾿ ὑµᾶς). Dies erläutert der folgende Finalsatz: die Abwesenheit Jesu vom kranken Freund soll den Glauben der Jünger wecken (ἵνα πιστεύσητε; 11,15).27 ever deeper in the process of understanding. It is especially the open, unexplained elements that urge the recipient to search for a deeper meaning. The narrative resists an instantaneous, simple solution and thus succeeds in pushing onwards to higher levels of understanding.“ Zimmermann spricht von „calculated provocations“. 26 Vgl. Joh 4,50–54; 5,1–17; 9. Interessant ist dabei, dass es auch bei der Heilung des Jungen in Kap. 4 um die Gabe des Lebens geht (vgl. hierzu R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 414). Besonders interessant sind Joh 4,50.54. Denn hier sagt der johanneische Jesus einmal in direkter Anrede zum Vater ὁ υἱός σου ζῇ, was danach wortwörtlich in der Erinnerung des Vaters wiedergegeben wird. Die Gabe des Lebens erfolgt auf das Wort Jesu hin und bewirkt den Glauben des Vaters. Damit steht das Lazarus-Wunder in einer gewissen Verbindung zu der hier erzählten Fernheilung, was die Gabe angeht als auch die Art und Weise, auf die hin es sich ereignet, nämlich auf das Wort Jesu. Ebenso interessant erweist sich ein Vergleich mit der Heilung des Gelähmten in Joh 5, die beinahe als Fortsetzung des schöpferischen Handelns von Vater und Sohn dargestellt wird, wie es auch in Joh 11 zum Ausdruck kommt. Vgl. zu Joh 5 E. STRAUB, Alles, insb. 157.160.165, auch wenn deren Deutung, dass in Joh 11 „nicht die Lebensgabe selbst im Fokus der Erzählung“ stehe, „sondern die Zukunft, die einem bereits Glaubenden über das Ende seines irdischen Daseins hinaus verheißen ist“ (a.a.O.,157), hier nicht geteilt wird. 27 Zugleich klingt in der hier geäußerten Freude Jesu für die Jünger (V. 15: χαίρω δι᾿ ὑµᾶς) etwas von der in Joh 14,28 sowie 16,22 thematisierten Freude an, die der Tod Jesu für sie bedeutet. Damit drückt V. 15 implizit und ohne dass die Adressaten es auf der Ebene der erzählten Zeit wissen könnten, etwas von der soteriologischen Bedeutung des Todes Jesu aus, wie sie im johanneischen Glaubenssummarium deutlich wird. Anders

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Auf diese Weise nimmt der Evangelist eine christologische Korrektur vor, die in 11,25 explizit werden wird und hier nur implizit anklingt. Demnach soll Jesus nicht als bloßer Wunderheiler (v)erkannt werden, sondern als derjenige, der Tote erwecken kann, weil er in der Vollmacht des göttlichen ἐγώ εἰµι auftritt. Dabei bildet jeweils das πιστεύειν den Empfangsmodus, in dem diese Christuserkenntnis ergriffen werden kann, weshalb das Wunder nach V. 15 auf Glauben zielt und in den VV. 25f. dreimal auf das Glauben verwiesen wird.28 Nach dieser Jüngerbelehrung kehrt der Dialog zwischen Jesus und den Jüngern wieder zurück zum ersten Gesprächsgang, in dem Jesus zum Aufbruch nach Judäa aufgefordert hatte (11,7). Im Gegensatz zum zunächst geäußerten Jüngereinwand (11,8) ist es nun Thomas Didymus, der seine Mitjünger auffordert, mit Jesus zu gehen. Als besonders interessant erweist sich hierbei der angeschlossene ἵνα-Satz, der von einem ἀποθνῄσκειν µετ᾿ αὐτοῦ spricht. Die Bedeutung dieses Satzes ist schillernd. Einerseits wird in ihm vorweggenommen, dass die Herausrufung des Lazarus aus dem Grab den Beschluss zur Folge hatte, sowohl Jesus als auch Lazarus zu töten (11,53; 12,10). Zugleich wird mit V. 16 die Konsequenz der Nachfolge Jesu benannt, die sich in der Verfolgung durch die Umwelt manifestiert und sich über Lazarus hinaus auf die Jünger insgesamt und damit auch auf die johanneischen Christen ausdehnt. Daneben legt sich jedoch noch eine andere Deutung nahe, die stärker den soteriologischen Aspekt des Todes Jesu berücksichtigt und von einer Vorstellung eines „Mit-Christus-Sterbens“ ausgeht, wie es sich auch in 2 Kor 5,14; Röm 6,3 findet.29 „Sterben“ würde demnach ein Nachvollzielegt R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 87, den auch von ihm wahrgenommenen Konnex zu Joh 16,21f. aus, wenn er in der Freude Jesu „a paradoxical refraction of the usual valuations, as we see them also in the formulation ‚lifting up‘ on the cross (12: 32– 33)“, erkennen möchte. 28 Zugleich wird man in der thematisierten Abwesenheit Jesu einen Hinweis auf die nachösterliche Situation der Adressaten erkennen müssen, die durch die physische Abwesenheit Jesu gekennzeichnet ist und in der für die Adressaten das Glauben an die Stelle eines Schauens getreten ist (vgl. Joh 20,29). 29 D. SYLVA, Thomas, 13, lehnt diese Deutung ab mit der Begründung, dass „this Pauline construct appears to be inconsistent with the evidence in this Gospel.“ Das wird in der Auslegung von Joh 3 zu überprüfen sein. R. E. BROWN, John (i–xii), 424, spricht von „an ironical truth, for in Pauline terminology all Christians have died with Christ“. D. SYLVA, Thomas, 33, möchte im Verhalten des Thomas „a denial (...) of Jesus’ affirmation of life beyond death“ erkennen, während M. THEOBALD, Johannes, 730, urteilt: „Völlig verschlossen ist ihm (sic. Thomas) dagegen die erst nach Ostern mögliche Einsicht in die Einzigartigkeit des Sterbens Jesu, das seine Jünger nicht mit ihm teilen können.“ Während Sylvas Deutung m.E. das in der Äußerung des Thomas erklingende Paradox von Leben und Sterben, wie es das Joh mit der Abfolge der VV. 15f. zum Ausdruck bringt, übersieht, verwundert Theobalds Position vor dem Hintergrund anderer Textpas-

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hen bzw. ein Partizipieren am stellvertretenden Tod Jesu bedeuten, wobei sowohl das Sterben der Jünger als auch Jesu vor dem Vorstellungshintergrund hellenistischer Freundschaftsethik gedeutet werden kann.30 Ob sich die Denkfigur eines Nachvollziehens des Todes Jesu neben Paulus auch als konstitutiv für das vierte Evangelium erweist, werden die weiteren Textbeobachtungen zeigen müssen. Betrachtet man abschließend noch einmal den Dialog zwischen Jesus und den Jüngern im Ganzen, dann fällt auf, dass er wesentlich durch drei ἵνα-Sätze strukturiert wird, die jeweils das Ziel der folgenden Handlung bzw. der Erzählung zur Sprache bringen: 11 Λάζαρος ὁ φίλος ἡµῶν κεκοίµηται· ἀλλὰ πορεύοµαι ἵνα ἐξυπνίσω αὐτόν. 15 καὶ χαίρω δι᾿ ὑµᾶς ἵνα πιστεύσητε, ὅτι οὐκ ἤµην ἐκεῖ· 16 ἄγωµεν καὶ ἡµεῖς ἵνα ἀποθάνωµεν µετ᾿ αὐτοῦ. So begegnet in 11,11 im Munde des johanneischen Jesus das gegenüber den Jüngern erklärte Vorhaben, zu Lazarus zu gehen, um ihn aufzuwecken. Nachdem er sie über den wahren Zustand des Freundes aufgeklärt hat, formuliert er das Ziel der gesamten Handlung bzw. der Erzählung: sie soll Glauben bewirken (11,15).31 Und schließlich ist es einer der Jünger, Thomas Didymos, der auf das intendierte πιστεύειν hin die Absicht erklärt, mit Jesus zu sterben (11,16). Damit finden sich bereits in diesem Textab-

sagen, wie z.B. 12,24f. Daher ist R. B ULTMANN, Johannes, 305, zuzustimmen, der in V. 16 die „Wahrheit“ aufscheinen sieht, „daß die Jünger das Schicksal Jesu für sich übernehmen müssen“. Dem folgt auch H. THYEN, Johannesevangelium, 520. Zuzustimmen ist J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 371 mit Anm. 41, dass es sich bei der erklärten Absicht des Thomas nicht bloß um „blinde Ergebenheit“, sondern um „connaissance de la foi“ handle. Damit ist der Ansicht von B. LINDARS, John, 392, Thomas habe nicht verstanden, dass „the disciple must share the death and Resurrection of his Master“, so dass es sich deshalb in V. 16 um „another case of unwitting irony“ handle, ebenso zu widersprechen wie auch F. J. MOLONEY, John, 337, der die Äußerung als Teil eines „ongoing misunderstanding of the disciples“ deutet. Wenn U. SCHNELLE, Johannes, 211, urteilt, dass Thomas als ein Jünger dargestellt werde, „der seinem Glauben vornehmlich mit Worten, nicht aber mit Taten Ausdruck verleiht“, dann erscheint die hierin mitzuhörende Kritik im Horizont des Thomas-Bekenntnisses in Joh 20,28 als unzutreffend. 30 Vgl. dazu ausführlich J. SCHRÖTER, Sterben, 263–287; DERS., Sühne, 64, der vom „Modell des bewahrenden Lebenseinsatzes“ spricht, „das seine nächsten Analogien im paganen griechischen Bereich besitzt“, sowie R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 85. Allerdings wird hier der damit verbundenen Annahme SCHRÖTERs, Sterben, 286f., dass der Tod Jesu im Joh nicht zur Vergebung der Sünde geschehe sowie die damit verbundene Deutung von Joh 1,29; 6,51 nicht geteilt. S. dazu die Auslegung von Joh 3 und 6 in dieser Arbeit. 31 So auch R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 84.

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schnitt32 nicht nur die Angaben, worauf die Handlung zuläuft und was sie intendiert, sondern auch die Inhalte des Glaubenssummariums und dessen, was dann im Grabwunder narrativ inszeniert wird. Zudem lässt sich in den ἵνα-Sätzen die christologische Konzentration der Erzählung erkennen, da in all diesen Aussagen die verborgene Identität und das Ziel des Wirkens Jesu anklingen, die ihn letztlich als den „Lebensspender“ im Angesicht des Todes zeichnen.33 Ebendies ist Gegenstand des nun folgenden Dialogs zwischen Martha und Jesus. 1.2.2.3 „Ich bin die Auferstehung und das Leben! – Glaubst du das?“ Jesus im Gespräch mit Martha (Joh 11,17–27) Mit V. 17 liegt ein Orts- und Szenenwechsel vor, mit dem ein neuer Erzählabschnitt beginnt, in dessen Zentrum ein Gespräch zwischen Martha und Jesus steht. Dem Erzählabschnitt vorangestellt ist die Aussage, dass Jesus Lazarus findet, als dieser bereits seit vier Tagen im Grab liegt. Mit dieser Zeitangabe, die vielleicht in bewusster Übersteigerung zu Jesu dreitägigem Verbleib im Grab gestaltet ist, wird die Unwiderrufbarkeit des Todes von Lazarus betont. Nach menschlichem Ermessen ist unbezweifelbar, dass hier jede Hilfe zu spät kommt. Nun wird nach V. 1 erneut das Dorf erwähnt, in dem Lazarus und seine Schwestern zuhause sind: Bethanien dient nun als Schauplatz der folgenden Erzählung. Durch die nähere Lokalisierung des Dorfes, das sich nach Angabe des vierten Evangeliums fünfzehn Stadien von Jerusalem entfernt befindet, wird ein Bezug zur Passion Jesu und seiner Auferstehung hergestellt. Damit kommt V. 18 dieselbe Funktion zu, die schon die übrigen Passionsverweise im vorhergehenden Text übernommen hatten. Das Erzählte will im Horizont des Sterbens und Auferstehens Jesu gelesen werden. Nach dem geschilderten Ortswechsel betreten nun auch neue literarische Figuren die Bühne der Erzählung. In V. 19 werden die Ἰουδαῖοι eingeführt, die zu Martha und Maria gekommen seien, um sie wegen Lazarus zu trösten. Sie werden im Folgenden noch mehrfach erwähnt, bevor ein Teil von ihnen am Ende der Wundererzählung (11,45) als Zeugen der Auferweckung die Protagonisten für den gattungsspezifischen Chorschluss bilden, während ein anderer Teil von ihnen nicht glaubt, sondern zu den Pharisä32

Die anhand der Finalsätze beobachtete Korrelation zwischen ἐξυπνίξω, πιστεύω und ἀποθνῄσκω kann als stützendes Argument für die Validität der beiden vorgeschlagenen Deutungsmöglichkeiten von V. 16 gewertet werden. 33 Treffend erklärt R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 84, „the correct understanding of death and life“ zum Gegenstand von Joh 11. „In the close connection of these elements to the person of Jesus, the narrative ultimately reaches for a correct understanding of Jesus himself and especially his death and resurrection.“

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ern geht und damit den Todesbeschluss gegen Jesus auslöst.34 Nach diesen drei einleitenden Versen mit Angaben zu den literarischen Figuren, dem Ort sowie dem zurückliegenden Todeszeitpunkt, schwenkt der Fokus der Erzählung auf die beiden Schwestern Martha und Maria. Das Verhalten beider wird als sehr unterschiedlich beschrieben: Während Martha als Erste von der Ankunft Jesu hört und ihm daraufhin entgegengeht, bleibt Maria im Haus sitzen.35 Damit ist erzählerisch die Situation für die Begegnung zwischen Martha und Jesus geschaffen, so dass der Dialog zwischen beiden beginnen kann (11,21). Martha spricht Jesus als κύριος an und äußert ihm gegenüber ihr Vertrauen in seine Heilungskräfte. So jedenfalls lässt sich ihre Äußerung deuten, dass Lazarus nicht gestorben wäre, wenn Jesus bei ihm gewesen wäre. Martha scheint sogar noch einen Schritt weiter zu gehen, wenn sie angesichts des Todes ihres Bruders die Gewissheit (οἶδα) äußert, dass Gott Jesus auch jetzt (καὶ νῦν) „noch“ geben würde, worum er ihn bäte (11,22). Damit klingt in ihren Worten die Hoffnung an, dass ihrem Herrn etwas von Gott ermöglicht werden könne, das nicht einmal durch den Tod eingeschränkt wird.36 Martha fungiert jedoch nicht als Repräsentantin der im Grabwunder dargestellten johanneischen Auffassung eines gegenwärtigen Hinübergehens aus dem Tod ins Leben. Dies wird an ihrer Reaktion auf die Verheißung Jesu, dass ihr Bruder auferstehen werde (11,23), deutlich. Denn Martha bezieht die Zusage Jesu gemeinsam mit der jüdischen Tradition37 auf eine Auferstehung ἐν τῇ ἐσχάτῃ ἡµέρᾳ (11,24).38 Dieses Wissen um eine zukünftig erwartete Totenauferstehung erfährt in dem angeschlossenen Selbstoffenbarungswort Jesu und dessen Erläuterung für jeden Glaubenden eine Modifikation. So spricht der johanneische Jesus in einem für das vierte Evangelium charakteristischen ἐγώ εἰµί-Wort von sich selbst als ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή und macht eine soteriologische Zusage für die Gegenwart, die einzig das πιστεύειν voraussetzt. Dabei liegt der 34 Dass sie nicht der Grund für die Tötungsabsicht, sondern lediglich deren Auslöser sind, geht aus Stellen wie z.B. 10,33; 11,47 hervor, die als Gründe für den Todesbeschluss die von Jesus beanspruchte Würde sowie sein zeichenhaftes Wirken nennen. 35 Es wäre jedoch falsch, hierin einen Anklang an die synoptische Tradition (Lk 10,38–42) erkennen zu wollen, in der Martha als die Aktive und Maria als die Passive dargestellt wird. Schließlich scheint nach V. 20 lediglich Martha vom Kommen Jesu gehört zu haben. Marias Reaktion hingegen entspricht der ihrer Schwester. Sobald sie von Jesu Anwesenheit erfährt, steht sie schnell auf (V. 29: ἠγέρθη ταχύ), um zu Jesus zu gehen. 36 R. ZIMMERMANN, Vorbild, 746, erkennt hierin zutreffend „eine Vorwegnahme“ des Gebets Jesu am Grab. 37 Vgl. hierzu Jes 26,19; Dan 12,2; 2 Makk 7,9.14; 12,43f.; äthHen 46,6; 48,9f.; 51,1; 4 Esr 7,32; 3 Bar 21,23f; 42,7f.; 50,2. 38 Diese leugnet das Johannesevangelium nicht. Vgl. dazu die Auslegung zu Joh 6.

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Fokus hier nicht mehr allein auf Lazarus, sondern auf allen Glaubenden, wie an dem Adjektiv πᾶς in V. 26 zu erkennen ist. Doch bevor das johanneische Glaubenssummarium ausführlich besprochen wird, soll zunächst der weitere Erzählverlauf ausgelegt werden. Dieser wird durch ein Bekenntnis Marthas fortgesetzt, das in weiten Teilen mit dem Epilog des Evangeliums in 20,31 übereinstimmt, wie die folgende Darstellung zeigt: Joh 11,27: ναὶ κύριε, ἐγὼ πεπίστευκα ὅτι σὺ εἶ ὁ χριστὸς ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ ὁ εἰς τὸν κόσµον ἐρχόµενος.

Joh 20,31: ἵνα πιστεύ[σ]ητε ὅτι Ἰησοῦς ἐστιν ὁ χριστὸς ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ

So wird Jesus in Joh 11,27 wie in 20,31 als ὁ χριστός und υἱὸς τοῦ θεοῦ bezeichnet. In beiden Hoheitstiteln klingt das johanneische Bekenntnis zu Wesen und Funktion Jesu an. Die Übereinstimmungen mit dem Epilog signalisieren, dass Martha hier ein Bekenntnis spricht, in dem das Joh „seine Adressaten gründen will.“39 In diesem Sinne lässt sich auch das zusätzliche Glied ὁ εἰς τὸν κόσµον ἐρχόµενος verstehen. Mit ihm stärkt Joh das Bekenntnis zu dem in die Welt gekommenen und Fleisch gewordenen Sohn Gottes, was als bewusste Stoßrichtung gegen die doketischen Tendenzen in der johanneischen Gemeinde begriffen werden kann.40 Entscheidend am Bekenntnis der Martha ist ihre Aussage σὺ εἶ,41 denn damit bejaht sie Jesu Selbstprädikation als Auferstehung und Leben und 39

J. FREY, Eschatologie III, 436. Vgl. weiter M. THEOBALD, Johannes, 736, der das von FREY (Eschatologie III, 436) so bezeichnete Perfectum intensivum (a.a.O., 436) πεπίστευκα (11,27) treffend mit „ich glaube fest“ übersetzt. 40 Wie der 1 Joh bezeugt, führte die Leugnung der Menschwerdung Jesu zur Separation einiger früherer Gemeindeglieder. Daher scheint es plausibel, dass der Glaube an Jesus als Auferstehung und Leben an das Bekenntnis zu dessen Menschwerdung zurückgebunden wird, um jedwedem doketischen Ansinnen entgegenzuwirken. Anders jedoch M. T HEOBALD, Johannes, 736, der hierin eine Anspielung auf die Präexistenz Jesu erkennen möchte. 41 Anders R. ZIMMERMANN, Vorbild, 746f., sowie zuvor DERS., Narrative Hermeneutics, 92f., der die Antwort der Martha für ein defizitäres Bekenntnis hält, da es keine Antwort auf die Frage Jesu darstelle und zudem ihr Verhalten am Grab davon zeuge, dass sie die Notwendigkeit des Todes als Voraussetzung für das Schauen der Herrlichkeit Gottes negiere. Dennoch spricht Martha ein vollgültiges Bekenntnis, so dass ihr erneuter Zweifel auf dem Weg zum Grab zeigt, dass Glaube angesichts des Todes herausgefordert wird. J. FREY, Eschatologie III, 453, hingegen hält an der „Gültigkeit“ des Bekenntnisses der Martha fest. Frey und Zimmermann gelangen zu diesem unterschiedlichen Urteil aufgrund ihrer differenten Einschätzung, ob das vierte Evangelium anhand der literari-

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infolgedessen auch seine soteriologische Bedeutung, die der Nachsatz V. 25f. in Bezug auf die Glaubenden formuliert.42 So stellt ihr Bekenntnis gleichsam ein „Echo auf seine Selbsterschließung“ dar.43 Mit den Jesus entgegengebrachten Würdebezeichnungen wird sie als Zeugin für das gesamte Heilshandeln Jesu präsentiert. Ihrem Bekenntnis zufolge hat sie dessen wahre Identität erkannt und vertraut ihr, so dass sie noch vor der Schilderung der Herausrufung des Lazarus aus dem Grab zur Glaubenszeugin derselben wird.44 Obwohl Marthas Vertrauen in das Leben schaffende Wesen Jesu bereits auf dem Weg zum Grab angesichts der konkreten Trauer um den verstorbenen Bruder und angesichts der Realität des Todes nicht wiederholt wird, wird sie dennoch zur Identifikationsfigur für die Leserinnen und Leser des Evangeliums, denen wie Martha im Glauben das Leben zugesagt ist. Zugleich übernimmt sie eine aktive Zeuginnen-Rolle: Sie geht zu ihrer Schwester und teilt ihr mit, dass Jesus sie rufen lasse (11,28). Damit beginnt ein neuer Erzählabschnitt, in dem es zum Gespräch zwischen Jesus und Maria kommt, das durch die Anwesenheit und Reaktionen der Ἰουδαῖοι begleitet wird. 1.2.2.4 Jesus im Gespräch mit der trauernden Maria (Joh 11,28–37) Mit Joh 11,28 liegt erneut einen Szenenwechsel vor. Er ist dadurch markiert, dass Martha von Jesus fortgeht zu ihrer Schwester und diese nicht bloß über die Anwesenheit Jesu informiert, sondern ihr gegenüber behauptet, dass der Lehrer sie habe rufen lassen (V. 28). Damit betritt Maria erstmals aktiv die Bühne der Erzählung. schen Figuren eine Entwicklung im Glauben aufzeigen will oder nicht. Während Frey dies ablehnt, hält R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 97, die drei Geschwister für „different prototypes of faith“, wobei „a clear progression from Martha to Mary and finally to Lazarus“ erkennbar sei. Darin ist Zimmermann trotz seiner Beurteilung des Martha-Bekenntnisses zuzustimmen. R. ZIMMERMANN, Vorbild, 748, hält dabei bereits den Namen Lazarus für „Programm“, da Lazarus hebr. Elazar bzw. Eleazar entspreche: „Gott hilft“. Überzeugend ist auch Zimmermanns differenzierte Wahrnehmung, was die prototypische Funktion der Glaubensmodelle der Geschwister anbelangt. So hält er fest, dass es sich hierbei um „idealtypische Modelle, die in Reinform so nicht vorkommen“ (a.a.O., 758), handele. 42 M. T HEOBALD, Johannes, 736, hebt hervor, dass es eine Frau ist, die dieses Bekenntnis ablegt und folgert daraus, dass dies „bezeichnend“ sei für „das gemeindliche Selbstverständnis des johanneischen Kreises“. 43 M. THEOBALD, Johannes, 736. 44 Möglicherweise verdankt sich die Vorordnung des Glaubens der Martha vor dem Grabwunder jener innerjohanneischen Kritik, mit der der johanneische Jesus einem Glauben aufgrund von Wundern begegnet. Zudem übernimmt ihr Bekenntnis eine paradigmatische Funktion für die nachösterliche Gemeinde, die lediglich auf das überlieferte Wort Jesu hin glauben kann, ohne zu sehen.

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Als besonders interessant erweist sich bei der Darstellung Marias die Formulierung ἠγέρθη ταχὺ καὶ ἤρχετο πρὸς αὐτόν (V. 29). Dies lässt sich im übertragenen Sinn so verstehen, dass sich an Marias Haltung, sich zu erheben und zu Jesus zu kommen, in nuce abbildet, was an Lazarus geschieht: er wird aufgeweckt und kommt aus dem Grab heraus.45 Dabei fällt eine weitere Parallele in der Darstellung des Geschwisterpaares auf. Demnach ereignet sich die „Auferweckung“ bei beiden dadurch, dass Jesus sie ruft. Im Unterschied zu Lazarus jedoch erfolgt Jesu Ruf an Maria nicht direkt, sondern vermittelt durch ihre Schwester. Darin bildet sich auf der Ebene der erzählten Zeit im Verhalten der Maria paradigmatisch das vom vierten Evangelisten intendierte Verhalten der johanneischen Christen ab, in deren Verkündigung nachösterlich die Stimme Jesu erklingt. Nachdem sich Maria erhoben hat und zu Jesus geht, erfahren die Leserinnen und Leser, dass sich Jesus noch immer an dem Ort befindet, an dem er mit Martha gesprochen hat (11,31). Durch den Erzählerkommentar wird szenisch vorbereitet, dass Maria Jesus dort begegnet, wo er sich ihrer Schwester als Lebensspender offenbart hat. Umso ironischer erscheint vor diesem Hintergrund das Missverstehen der Ἰουδαῖοι, die Marias Aufbruch zum Geber des Lebens als Gang zur Totenklage missdeuten (11,31). Sprachlich unterstrichen wird dies durch die Wiederaufnahme des „Auferweckungs-Motivs“ aus V. 29, das hier jedoch mit ἀνίστηµι statt mit ἐγείρω formuliert ist (ταχέως ἀνέστη καὶ ἐξῆλθεν).46 Die Juden hingegen meinen, Maria gehe, um zu weinen, so dass sie sie begleiten und damit zugleich die Voraussetzung geschaffen ist, dass sie zu Zeugen der Herausrufung des Lazarus aus dem Tod ins Leben werden. Schließlich wird die Begegnung Marias mit Jesus geschildert (11,32). Als sie ihn sieht, wirft sie sich ihm zu Füßen und bringt damit ihre Ehrerbietung Jesus gegenüber zum Ausdruck. Mit denselben Worten47 wie zuvor ihre Schwester Martha (V. 21) äußert sie ihr Vertrauen in die heilenden Kräfte Jesu: „Herr, wenn du hier gewesen wärest, wäre mein Bruder nicht gestorben.“ Trotz des sich darin aussprechenden Glaubens, dass Jesus durch eine Heilung hätte rettend eingreifen können, greift das Vertrauen der Maria zu kurz.48 Dass sich Jesus auch jetzt noch, angesichts des Todes ihres Bruders, als Herr über den Tod erweisen könnte, scheint ihr fremd zu 45

So auch R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 97; vgl. auch C. K. B ARRETT, Johannes, 395, der neben der wortwörtlichen Bedeutung darauf hinweist, dass „‚Kommen zu Jesus‘ ein wichtiger Gedanke für Joh ist“. 46 Vgl. dazu die Auslegung zu V. 29 mit Anm. 44. 47 Allerdings weicht die Wortstellung der VV. 21 und 32 voneinander ab. Während es in V. 21 heißt: κύριε, εἰ ἦς ὧδε οὐκ ἂν ἀπέθανεν ὁ ἀδελφός µου, lautet V. 32: κύριε, εἰ ἦς ὧδε οὐκ ἄν µου ἀπέθανεν ὁ ἀδελφός. 48 Daneben legt es sich nahe, in den Stimmen der Schwestern die johanneische Gemeinde reden zu hören. Auch sie muss mit der Abwesenheit Jesu umgehen.

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sein. Dies legt zumindest der Hinweis auf ihr Weinen nahe – und nicht nur sie weint, sondern mit ihr auch die Juden. Dass auch ihr Weinen letztlich darin begründet ist, dass sie Jesus als Wundertäter verkennen und nicht als in der Vollmacht des Vaters handelnden Sohn Gottes,49 der wie der Vater Leben in sich hat und Tote lebendig machen kann (Joh 5,21.26),50 geht aus V. 37 hervor. Denn dort wird ihnen die Frage in den Mund gelegt, ob Jesus nicht hätte bewirken können, dass Lazarus nicht gestorben wäre. Mit dem Verweis auf die Blindenheilung in Joh 9 wird dabei eine Verbindung zu einem Heilungswunder Jesu hergestellt. Allerdings sollte dieses Missverstehen Jesu nicht voreilig als Unglaube abgeurteilt werden, da den hier erwähnten literarischen Figuren auf der Ebene der erzählten Zeit51 Jesu Selbstoffenbarung als die Auferstehung und das Leben noch nicht zuteil geworden ist. Daneben muss erwogen werden, ob das vierte Evangelium mit der literarischen Technik des Missverstehens seine Leserinnen und Leser nicht zu dem vertieften Verständnis führen möchte, dass es sich auch bei der Blindenheilung um ein Semeion handelt, in dem sich Jesu Identität als „Licht und Leben der Menschen“52 erschließt. Dementsprechend ist auch eine Deutung der in den VV. 33.35 und 38 geschilderten Emotionen Jesu im Sinne eines Zorns über den Unglauben53 abzulehnen. Vielmehr legt sich aus dem Verständnis der Wendung ἐνεβριµήσατο τῷ πνεύµατι καὶ ἐτάραξεν ἑαυτόν als Hendiadyoin54 sowie unter Berücksichtung der weiteren Vorkommen von ταράσσειν im Joh nahe, Jesu Affekte damit zu erklären, dass „he found himself face to face with the realm of Satan which, in this instance, was represented by death.“55 Diese Interpretation wird unterstützt von der Erwähnung, dass Jesus weinte (V. 35), sowie deren Deutung durch die Juden: ἴδε πῶς ἐφίλει αὐτόν (V. 36). Der Zorn und die Erschütterung angesichts des Todes lassen Jesus weinen, weil er Lazarus liebt. Mit dem Motiv der Liebe, das hier nach den VV. 3 und 5 erneut thematisiert wird, ist ein Bogen zu den übrigen Aussagen des Evangeliums gespannt, 49

Dass allerdings genau hierin das Ziel der Erzählung besteht, an Jesus als den Offenbarer und Gesandten Gottes zu glauben als den, „der ihm das Leben zusagt“, betont M. LABAHN, Jesus, 464. 50 Vgl. hierzu die Auslegung zu Joh 5 in Kap. IV.3. 51 Das gilt zumindest für den unmittelbaren Kontext der Lazarus-Perikope. Dass die Ἰουδαῖοι natürlich bereits in den Kapiteln 5 und 6 als fiktives Publikum der Reden Jesu über seine Lebensmacht fungierten, kann für die Lazarus-Erzählung als in sich geschlossene Erzähleinheit außer Acht gelassen werden. 52 R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 423. 53 So jedoch R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 421f.; U. SCHNELLE, Johannes, 214; M. THEOBALD, Johannes, 738. 54 So mit J. FREY, Eschatologie III, 438, wonach sich ἐνεβριµήσατο τῷ πνεύµατι und ἐτάραξεν ἑαυτόν gegenseitig erklären. 55 R. E. BROWN, John (i–xii), 435; vgl. weiter a.a.O., 425f., sowie J. FREY, Eschatologie III, 439.

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die den Leben ermöglichenden Tod Jesu für seine Freunde mit der Liebe begründen.56 Aufgrund dieser Liebe, die Jesus letztlich selber in den Tod treibt, und des Zornes angesichts der Todesmacht des Satans, erweist sich der johanneische Jesus als der Leben schenkende Sohn Gottes. Die Erschütterung über die vernichtende Herrschaft des Todes lässt Jesus fragen, wohin sie Lazarus gelegt hätten. Mit der folgenden Aufforderung: „Herr, komm und sieh!“ (V. 34),57 wird Jesu Gang zum Grab des Lazarus vorbereitet.58 1.2.2.5 „Lazarus, komm heraus!“ (Joh 11, 43): Jesus ruft Lazarus aus dem Tod ins Leben (Joh 11,38–46) Mit der nochmaligen Schilderung des ἐµβριµάοµαι ἐν ἑαυτῷ59 kommt Jesus zum Grab des geliebten Freundes (V. 38). Mit dem erneuten Ortswechsel beginnt der vorletzte Textabschnitt der Wunder-Erzählung. In ihm wird erzählt, wie Jesus Lazarus aus dem Tod ins Leben ruft. Bevor das Wunder der Herausrufung berichtet wird, erfahren die Leserinnen und Leser, wie das Grab des Lazarus aussieht. Es handelt sich um eine Höhle, „auf“60 der ein Stein liegt (V. 38). Diese Beschreibung ist mehr als szenische Staffage, denn sie eröffnet erzählerische Bezüge zu der Darstellung von Jesu leerem Grab in Joh 20, die für die Deutung der Lazarus-Perikope konstitutiv sind.61 So ist es nach V. 39 Jesus, der dazu auffordert, den Stein vor dem Grab des Lazarus wegzunehmen, während Joh in 56

Anders J. FREY, Eschatologie III, 439, der zwar den Bezug zu den VV. 3 und 5 zugesteht, aber dennoch in der Deutung der Juden (V. 36) eine „Oberflächlichkeit“ erkennen möchte, mit der der Evangelist im Zusammenhang mit V. 37 „jene christologische Fehlhaltung“ artikuliere, „die durch die Lazarus-Erzählung korrigiert werden soll.“ (A.a.O., 440.) 57 Das Subjekt der an Jesus gerichteten Aufforderung verbirgt sich in der 3. Person Plural des Verbes λέγω. Vom Kontext her können damit sowohl die Juden als auch die Juden und Maria bezeichnet sein. 58 Die folgende Schilderung, dass Jesus geweint habe (11,35), weist nochmals auf die Liebe Jesu zu Lazarus hin, wie die Juden richtig erkennen (11,36). C. K. B ARRETT, Johannes, 397, verweist hier – wenngleich nicht expressis verbis – zu Recht auf die soteriologische Dimension der Liebe, wenn er Joh 15,9 zitiert. So auch W. E. S. NORTH, Lazarus, 50f. Zugleich betont das Joh die Menschlichkeit Jesu, wenn es Jesus weinend darstellt (vgl. U. SCHNELLE, Johannes, 214). 59 Anders als hier heißt es in V. 33 ἐνεβριµήσατο τῷ πνεύµατι statt ἐν ἑαυτῷ. 60 Zu Recht weist R. ZIMMERMANN, Vorbild, 752, auf die merkwürdige Doppelung von Präfix und Präposition hin (11,38: λίθος ἐπέκειτο ἐπ᾿ αὐτῷ), die er m.E. zutreffend „im Horizont der johanneischen Raummetaphorik von ‚oben-unten‘“ als „bewusste Verstärkung der Raumsemantik“ auffasst, „nach der Jesus ‚von oben‘ (ἄνωθεν anōthen, vgl. Joh 3,31; 8,23) kommt und das neue Leben von oben die Sphäre des Todes durchbricht (vgl. Joh 3,3.7).“ 61 Vgl. dazu J. FREY, Ich, 275, sowie DERS., Leiblichkeit, 726 mit Anm. 115.

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20,1 mit einem maskulinen Partizip Perfekt Passiv im Singular (ἠρµένον) ohne Nennung eines Subjektes formuliert. Aus dem Vergleich mit der Lazarus-Perikope legt es sich nahe, dieses Passiv als Passivum divinum zu verstehen. Was Jesus am Grab des Lazarus veranlasst, um ihm dem Weg ins Leben „freizulegen“, wird vom Evangelium bei der Auferstehung Jesu auf Gott als handelndes Subjekt zurückgeführt. Damit klingt bereits in V. 39 implizit an, dass Jesus in der Vollmacht Gottes agiert, bevor es in den VV. 41f. explizit zum Ausdruck kommen wird. Jener schöpferisch-rettenden Kraft stellt sich zunächst jedoch ausgerechnet Martha entgegen. Obwohl sich Jesus vor ihr selbst als die Auferstehung und das Leben offenbart hatte und sie ihr Vertrauen in sein Wesen und das daraus resultierende Heil für die Glaubenden mit einem hohen christologischen Bekenntnis bejaht hatte, versucht sie Jesus davon abzuhalten, das Grab öffnen zu lassen: „Herr, er riecht schon“, entgegnet sie Jesus und erinnert ihn daran, dass es schon der vierte Tag sei, dass er tot ist.62 Unter erneuter Verwendung des historischen Präsens, das die Erzählung verlebendigen soll, lässt Joh Jesus sagen: „Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?“ Mit dieser Frage des johanneischen Jesus wird erzählerisch aufgenommen, was in V. 4 als Ziel der Wunder-Erzählung genannt worden war.63 Nun tritt deutlich zutage, worin sich das Schauen der Herrlichkeit Gottes vollzieht: in der µεθάβασις aus dem Tod ins Leben.64 Nachdem Jesus diese Frage gestellt hat, die erneut den Glauben der Martha – und in deren Funktion als Identifikationsfigur für die Adressaten

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Wörtlich bietet das Joh: „τεταρταῖος γάρ ἐστιν“, was eine übertragende Übersetzung ins Deutsche erfordert. Vgl. hierzu auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 412; R. ZIMMERMANN, Vorbild, 754. 63 Dort allerdings ist dieses zu der Vorstellung einer wechselseitigen Verherrlichung von Vater und Sohn erweitert, die hier jedoch ebenso vorliegt, da im Wirken des Sohnes als Verherrlichung des Vaters zugleich Jesus selber verherrlicht wird. 64 Damit vergegenwärtigt das vierte Evangelium, was für die alttestamentliche und frühjüdische Tradition für das Eschaton erwartet wurde, wie Jes 35,2; 66,18 belegen. G. KITTEL, Art. δόξα, 253, verweist zudem auf einen Midrasch (Tanch Buber 20 p 18): „Im kommenden Aeon, wenn ich meine Schekina zum Zion geführt habe, werde ich mich in meinem ‫ כבוד‬enthüllen für ganz Israel, und sie werden schauen und leben in Ewigkeit.“ Hier liegt eine ebenso enge Korrelation vom Schauen der Herrlichkeit und ewigem Leben vor, zu dem Lazarus auf den Ruf Jesu hin vordringt. Ebenso betont R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 424, dass die Rede von der Herrlichkeit in V. 40 hier auf die „Macht Gottes, der über Tod und Verwesung gebietet“, hindeute und im Sehen der Herrlichkeit Gottes sichtbar werde, „daß Jesus durch Gott zur Totenerweckung überhaupt bemächtigt ist.“ Pointiert formuliert J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 377, dass die „vision de la gloire de Dieu et accès à la ‚vie éternelle‘ sont une seule et même chose.“ Für ihn zeigt sich in der δόξα „la réalité de Dieu“.

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des Evangeliums auch deren Glauben – zur Disposition stellt, wird der Stein vom Grab weggenommen (V. 41). Vor dem geöffneten Felsengrab65 erhebt der johanneische Jesus im Gestus des Gebets seine Augen nach oben und spricht ein Gebet, dessen Inhalt von zentraler Bedeutung für die gesamte Theologie, Christologie und Soteriologie des vierten Evangeliums ist. Denn in nur zwei Sätzen fasst das Joh im Munde Jesu seine Christologie zusammen, die untrennbar mit seiner Theologie verbunden ist, und macht mit dem Verweis auf den Glauben auf dessen soteriologische Dimension aufmerksam (VV. 41f.). Dabei lenkt das Gebet Jesu die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser auf die permanente Verbindung zwischen Vater und Sohn,66 die hier einerseits als Hören des Vaters auf den Sohn beschrieben wird und andererseits darin zum Ausdruck kommt, dass Jesus der Gesandte Gottes ist. Letzteres, die Sendung des Sohnes durch den Vater, erhebt Joh zum Gegenstand des Glaubens.67 So erklärt der johanneische Jesus, dass er nur deshalb noch einmal öffentlich mit Gott spreche und ihm für seine Erhörung danke, damit das mit ihm am Grab stehende Volk glaube, dass Gott ihn gesandt habe.68 Daraufhin lässt das vierte Evangelium Jesus mit lauter Stimme rufen: Λάζαρε, δεῦρο ἔξω (V. 43). Der Verstorbene,69 dessen Füße und Hände mit Binden gebunden sind und dessen Gesicht mit einem Schweißtuch umwickelt war, kommt daraufhin aus dem Grab. Wenngleich zurück im Leben, trägt Lazarus die Zeichen des Todes noch an sich, indem er die Leichengewänder noch trägt. Um vom Tod ins Leben hinüberzugehen, bedarf es einer weiteren Aufforderung Jesu: „λύσατε αὐτὸν καὶ ἄφετε αὐτὸν ὑπάγειν“. Darin besteht die Differentia specifica zwischen der Darstellung der Auferstehung des Lazarus und der Erzählung vom leeren Grab Jesu. 65 Vgl. zu Gräbern und Grabformen R. ZIMMERMANN, Vorbild, 752; C. K. B ARRETT, Johannes, 398. 66 Mit M. THEOBALD, Johannes, 743, kann von einer „personalen Eintracht“ von Vater und Sohn gesprochen werden. 67 Vgl. Joh 6,29; 11,42; 17,8.21; negativ Joh 5,38. In Joh 16,27.30 variiert die Terminologie, wenn statt ἀποστέλλω das Verb ἐξέρχοµαι verwendet wird. Zugleich kennt das Joh umgekehrt die Vorstellung, dass wer an Jesus glaubt, an den glaubt, der ihn gesandt hat (Joh 5,24; 12,44). Damit kommt letztlich in der wechselseitigen Rede vom Glauben an den Gesandten, der aus Gott hervorgegangen ist, und dem Glauben an den Sendenden die Einheit von Vater und Sohn zum Ausdruck und somit die göttliche Vollmacht in der Jesus als Lebensspender in Person agiert. 68 Vgl. hierzu auch Joh 17,3.8 sowie ausführlich die Auslegung zur Stelle in Kap. IV.5 dieser Arbeit. R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 426, urteilt daher, dass der joh Jesus bete, damit die Menschen „das Wunder als Zeugnis Gottes für seine Sendung begreifen.“ So auch U. SCHNELLE, Johannes, 215. 69 Joh verwendet zur Bezeichnung des Toten ein substantiviertes Partizip Perfekt Aktiv im Nominativ Singular des Verbes θνῄσκω (ὁ τεθνηκώς).

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Während Lazarus noch vom Tod gezeichnet ist und Jesus dafür sorgen muss, dass er von den Leichenbinden und dem Schweißtuch befreit wird, erfahren die Leserinnen und Leser von Joh 20 lediglich, dass die Leinenbinden und das Schweißtuch im leeren Grab liegen.70 Bei letzterem verweist Joh sogar mit einem narrativen Detail auf die sich darin widerspiegelnde Souveränität Jesu über den Tod, wenn er erzählt, dass das Schweißtuch nicht bei den Leinenbinden gelegen habe, ἀλλὰ χωρὶς ἐντετυλιγµένον εἰς ἕνα τόπον (20,7). Anders als der Sohn Gottes, dem es von Vater verliehen ist, Leben in sich zu haben und der deshalb sein Leben hingeben und wieder an sich nehmen kann, so dass seine Auferstehung durch seine Teilhabe am Wesen Gottes ermöglicht ist, ist Lazarus auf das Wort Jesu angewiesen – und damit sachlich auf die Selbstoffenbarung Jesu im johanneischen Glaubenssummarium. Dies soll im Folgenden ausführlich besprochen werden, um vor seinem Hintergrund anschließend zu fragen, welche Deutungsaspekte sich vor dem Hintergrund des johanneischen Glaubenssummariums für die Herausrufung des Lazarus aus dem Grab ableiten lassen. 1.2.3 Das johanneische Glaubenssummarium (Joh 11,25f.) Das johanneische Glaubenssummarium in Joh 11,25f. stellt den hermeneutischen Schlüssel zum Verständnis der Lazarus-Perikope dar, sofern die hier vorliegende Selbstoffenbarung Jesu als ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή und die daran angeschlossenen „bedingte(n) Heilszusage(n)“71 erzählerisch in der Herausrufung des verstorbenen Freundes Jesu ins Leben entfaltet werden. Daher sollen zunächst die sprachliche Gestalt des Glaubenssummariums sowie dessen Bedeutungsaspekte besprochen werden, bevor die Herausrufungs-Szene ausgelegt werden wird, um von dort aus Bezügen zu weiteren Evangelientexten nachzugehen und so zu einem umfassenden Bild des Themas Glauben und Leben bei Joh zu gelangen.

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Damit enthät die Lazarus-Perikope sowohl Gemeinsamkeiten mit der Grablegung Jesu, da beide nach jüdischem Brauch bestattet werden (Joh 11,38; 20,1) und die Köpfe beider mit einem Schweißtuch eingewickelt sind (11,44; 19,40), als auch den erwähnten Unterschied. Vgl. hierzu auch U. SCHNELLE, Johannes, 216; J. FREY, Leiblichkeit, 726 mit Anm. 115. 71 J. FREY, Eschatologie III, 435.

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1.2.3.1 Die sprachliche Gestalt und logische Struktur von Joh 11,25f. 25a ἐγώ εἰµι ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή 25b ὁ πιστεύων εἰς ἐµὲ 25c κἂν ἀποθάνῃ ζήσεται, 26a καὶ πᾶς ὁ ζῶν καὶ πιστεύων εἰς ἐµὲ 26b οὐ µὴ ἀποθάνῃ εἰς τὸν αἰῶνα

A B A’ B’

Das johanneische Glaubenssummarium besteht aus einem für das Joh charakteristischen prädizierten ἐγώ εἰµι-Wort, bei dem Jesus als Subjekt der „neutestamentliche(n) Offenbarungsformel“72 durch zwei mit der Konjunktion καί verbundenen determinierten Prädikatsnomen näher bestimmt wird. So spricht der johanneische Jesus von sich selber als ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή.73 Im Unterschied zu den zuvor im Evangelium genannten Ich-binWorten74 werden hier zum ersten Mal zwei abstrakte Prädikatsnomina angeschlossen.75 Auf diese Selbstoffenbarung folgt ein viergliedriger „soteriologischer Nachsatz“76 in Form eines synthetischen Parallelismus membrorum,77 der 72 So die Bezeichnung des ‚Ich-bin‘ im Titel von H. ZIMMERMANN, Das absolute ἐγώ εἰµι. Zimmermann gelingt es, anhand der Verwendung im AT und der LXX aufzuzeigen, dass ἐγώ εἰµι in der LXX „häufig (...) ein abgeschliffenes Wort“ sei, dem „keineswegs ausschließlich sakrale Bedeutung zukommt“ (a.a.O., 69). Anders hingegen verhalte es sich mit den Stellen, „wo das absolute ἐγώ εἰµι sich eindeutig als die Wiedergabe der Offenbarungsformel zu erkennen gibt.“ Zimmermann nennt Jes 43,10; 45,18 (vgl. a.a.O., 67f.). Er versteht die prädizierten Ich-bin-Worte im Joh als „Entfaltung“ des Ich-bin (a.a.O., 273), in denen Jesus als „der Offenbarer Gottes“ (a.a.O., 271) präsentiert werde. Nach Zimmermann können alle Bildworte auf „den Begriff des Lebens, zurückgeführt werden“ (a.a.O., 272), womit sie darauf hinwiesen, wer Jesus sei und was er gebe (a.a.O., 272). 73 Obwohl καὶ ἡ ζωή in einigen wichtigen Handschriften (Nestle/Aland28 nennt: Papyrus 45, einen Lektionar mit dem Evangelientext nach der Leseordnung der byzantinischen Kirche, den Sinai-Syrer sowie den Kirchenvater Cyprian) ausgelassen ist, ist die längere Lesart dennoch nach äußeren Kriterien aufgrund der anderen gewichtigen Zeugen, die καὶ ἡ ζωή bieten, sowie nach inneren Kriterien aufgrund der Wiederaufnahme und Weiterführung der Lebensthematik in V. 25f. als ursprünglich zu bewerten. So auch R. B ULTMANN, Johannes, 307 Anm. 5; R. E. BROWN, John (i–xii), 424f.; R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 415. Zu literarkritischen Eingriffen in Joh 11,25f. vgl. den Forschungsüberblick bei J. FREY, Eschatologie III, 449f., sowie H. THYEN, Johannesevangelium, 525f. 74 Vgl. Joh 6,35.38.51; 8,12; 10,7.11. 75 Vgl. dazu J. FREY, Eschatologie III, 448, der in der Verwendung der Abstrakta gegenüber „Begriffe(n) der Lebenswelt (Brot, Licht), allgemeine(n) Metaphern (Tür, Weg) oder biblisch geprägte(n) Symbolbegriffe(n) (Hirte, Weinstock)“ einen Unterschied zu den zuvor genannten Ich-bin-Worten erkennt. So auch R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 88. 76 J. FREY, Eschatologie III, 448.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

die existentielle Bedeutung der Selbstoffenbarung Jesu für die Glaubenden erläutert. Mit dem substantivierten Partizip ὁ πιστεύων liegt ein Subjektwechsel vor, so dass nun der Glaubende in den Fokus des Interesses rückt, allerdings in seiner Relation zu Jesus. Diese im Glauben konstituierte „Gemeinschaft mit Jesus“78 findet sprachlich ihren Ausdruck in der Konstruktion von πιστεύω + εἰς und angeschlossenem pronominalen Akkusativobjekt ἐµέ. Dieselbe verbale Wendung findet sich erneut im zweiten Abschnitt des „einladende(n) Verheißungswort(es)“.79 Allerdings wird die Partizipialkonstruktion hier ergänzt um das Adjektiv πᾶς sowie um das vorangestellte substantivierte Partizip ὁ ζῶν, so dass nun verallgemeinernd von jedem, der lebt und glaubt, die Rede ist (πᾶς ὁ ζῶν καὶ πιστεύων εἰς ἐµέ). Da „one article governs the two participles“,80 legt sich die Annahme nahe, dass beide Partizipien synonym gebraucht sind. An die VV. 25b.26a schließen die Verheißungen an, die „vom Gegensatz Leben-Sterben her gestaltet“ sind,81 mit dem Ziel, die „Zusage ewigen ‚Lebens‘ (...) zweimal“82 laut werden zu lassen. So formuliert das vierte Evangelium in V. 25c positiv, dass der an Jesus Glaubende selbst dann (κἂν), wenn er stirbt, leben werde, und „negativ“ heißt es vom Lebenden und Glaubenden in V. 26b, dass er in Ewigkeit nicht stirbt. Gemeinsam ist beiden Verheißungen also die Zusage des Lebens, wobei das Glauben jeweils die conditio sine qua non für die soteriologische Gabe des Lebens bildet. Insgesamt bilden die VV. 25f. eine strukturierte sprachliche Einheit, bei der bereits die bloße Voranstellung der Selbstoffenbarung Jesu in der Abfolge von ἀνάστασις und ζωή vor dem Verheißungswort deutlich macht, dass für das Joh die Zusagen im soteriologischen Nachsatz die Selbstprädikation Jesu voraussetzen. Daher soll im Folgenden zunächst die Selbstprädikation Jesu näher betrachtet werden, bevor im Anschluss daran eine Auslegung des soteriologischen Nachsatzes erfolgt.

77

So auch R. E. BROWN, John (i–xii), 425; J. FREY, Eschatologie III, 449; C. DIETZFELBINGER , Johannes, 345; R. Z IMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 89. Anders hingegen R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 415. 78 R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 416; vgl. weiter ders., wenn er schreibt, dass „Glauben seinem Wesen nach Bindung“ an Jesus sei. Auch Schnackenburg verweist dafür auf die Formulierung mit πιστεύω und angeschlossenem Akkusativobjekt. 79 C. DIETZFELBINGER, Johannes, 345, der darauf aufmerksam macht, dass Joh 11,25f. „in seiner Doppelheit (...) positiv formuliert“ sei und sich damit von den Ich-bin-Worten in 14,6; 15,5 unterscheide, die ein „drohendes Element“ aufweisen. 80 R. E. BROWN, John (i–xii), 425. 81 C. DIETZFELBINGER, Johannes, 345. 82 M. THEOBALD, Johannes, 735.

1. Glauben und Leben in Joh 11

217

1.2.3.2 Jesu göttliches ἐγώ εἰµί Aus dem Aufbau des johanneischen Glaubenssummariums kann geschlossen werden, dass nach Joh die soteriologischen Zusagen in den VV. 25bc.26ab allein aufgrund der besonderen Würde Jesu, die in dem ἐγώ εἰµι zum Ausdruck kommt, gemacht werden können.83 Denn in Anlehnung an die alttestamentliche Selbstoffenbarung Gottes84 in Ex 3,14 mit ‫אֶ הְ יֶה ֲא שֶׁ ר‬ ‫ אֶ הְ יֶה‬im hebräischen Text bzw. mit Ἐγώ εἰµι ὁ ὤν in der Übersetzung der 83

Richtig schreibt daher R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 416, zur Stellung des Ich-bin-Wortes vor der soteriologischen Zusage: „das machtvolle Ich-bin-Wort steht unverrückbar davor: Nur durch Jesus wird dieses Leben entbunden und den Glaubenden geschenkt; er ist nicht nur der Offenbarer, sondern auch der Geber dieses unzerstörbaren Lebens.“ 84 Treffend schreibt H. T HYEN, Art. Ich-Bin-Worte, Sp. 174: „Weil für die LXXÜbersetzer des Jesajabuches ebenso wie für die erörterte frühjüd. Exegese der Targumim u. der Rabbinen unter dem Eindruck von Ex. 3,14 das ‚Ich-Bin‘ zur förmlichen Bezeichnung, ja fast zum Namen Gottes geworden ist (...), macht die Intertextualität zwischen Johannes u. Jesaja evident, daß Jesus mit dem ἐγώ εἰµι nicht eine beliebige Botenformel der Umwelt in den Mund gelegt wird, sondern daß sich darin der einzigartige ‚Ich Bin‘ von Jes. 43,10f in Zeit u. Geschichte zu Wort meldet, damit er sei, wer immer er sein will, wie er es einst Mose am Horeb verheißen hatte“. Dabei hält Thyen fest, a.a.O., Sp. 175, „daß Jesus sich nicht schlechthin mit Gott identifiziert. Wie seine Wunder will auch er selbst vielmehr als das ‚Zeichen‘ begriffen sein, in dem sich das rettende Handeln des Vaters offenbart.“ Dieser Deutung folgt R. ZIMMERMANN, Christologie, 132, indem er „ontologischen Spekulationen“ gegenüber skeptisch ist. Er macht darauf aufmerksam, dass die prädikativen Ich-bin-Worte Motive aufweisen, „die in der Bildfeldtradition Israels vielfach mit religiösem Tiefensinn belegt waren“ und gelangt so zu dem Schluss: „Die metaphorische Identifikation Jesu mit derartigen Begriffen ist dann – ganz vergleichbar zum elliptischen ἐγώ εἰµι – eine christologische Vereinnahmung atl. Sprachformen der Gottesrede.“ Zimmermann weist zu Recht daraufhin, dass der „Bildbereich des Lebens“ (vgl. Joh 6,35.48.51; 8,12; 11,25; 14,6) „eine Schlüsselstellung“ einnimmt (R. ZIMMERMANN, Christologie, 132). Da jedoch nach alttestamentlicher und frühjüdischer Tradition Gott allein Geber des Lebens sei, werde „auch im Horizont dieses übergeordneten Bildbereichs Jesus durch die Ich-bin-Worte in den Bereich Gottes hineingestellt“ (a.a.O., 133; vgl. weiter DERS., Jesus, 115. In diesem Artikel zeichnet Zimmermann anhand des Hirtenbildes in Joh 10 nach, wie das Joh alttestamentliche Bilder für Jesus benutzt und ihn damit „selbst zum Abbild des Höchsten“ macht.). Auch in der vorliegenden Studie wird an einer Differenz zwischen Vater und Sohn festgehalten und nicht von einer Identität beider ausgegangen. Dennoch erlaubt es Joh 5,26 – auch ohne ontologische Spekulationen – von einer Wesensverwandtschaft und -einheit von Vater und Sohn zu sprechen. Eine ausführliche Untersuchung des Bildfeldes „Leben“ bietet auch J. G. VAN DER W ATT, Family, 201–245, wobei er auch die Ich-bin-Worte analysiert. Er hält zutreffend fest, dass Jesus zum Lebensspender für die Glaubenden werde, „because the Father disposes over life, and gives it to Jesus“ (a.a.O., 205). Das besondere Profil seiner Analyse besteht darin, dass er das aufgrund der Relation von Vater und Sohn vermittelte ewige Leben der Glaubenden im Horizont einer Familienmetaphorik verortet: „In the presence of the Father and the Son a person lives and becomes part of God’s family. Life implies an existence with God here and now“ (a.a.O., 206).

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Septuaginta und Gottes Selbstdeklaration in Jes 43,10f. mit dem Satz ‫כִּ י־ ֲא ִנ י‬ ‫ הוּא‬und der Wendung ‫ אָ ֹנכִ י אָ ֹנכִ י יהוה‬im hebräischen Text bzw. ἐγώ εἰµι und ἐγώ in der griechischen Wiedergabe85 repräsentiert das Joh Jesus in den Ich-bin-Worten als in der Einheit mit dem Vater Befindlichen, der dessen Werk und soteriologischen Willen verwirklicht.86 Mit Zumstein kann gesagt werden, dass „Jésus parle ici en tant que Révélateur, comme celui qui représente totalement Dieu, comme l’envoyé investi par le Père et lui obéissant totalement.“87 Somit kommt in Jesus als demjenigen, der Gott „exegesiert“ (ἐξηγήσατο; Joh 1,18), ja selber Logos ist, letztlich Gott selbst zu Wort, ohne dass damit die besondere Funktion Jesu als Heilsmittler, der darin von Gott unterschieden ist, negiert würde. Vielmehr verweist das sich der Autorität Gottes bedienende ἐγώ εἰµι darauf, dass die christologisch realisierte Soteriologie des vierten Evangeliums theologisch begründet ist.88 Ebendieses Phänomen lässt sich dann auch in der Darstellung der Herausrufungs-Szene beobachten, in der das Joh Jesus ein Gebet sprechen lässt, bevor er Lazarus aus dem Grab ruft.89 Damit macht das Evangelium deutlich, dass die Relation und die Wesensverwandtschaft zwischen Vater und Sohn der Grund für das Leben schaffende Handeln Jesu sind.90 So sind

85 Vgl. hierzu auch J. FREY, Eschatologie III, 446f.; H. THYEN, Johannesevangelium, 525. U. SCHNELLE, Johannes, 139f., verweist zudem auf plausible Parallelen in der weisheitlichen Überlieferung wie Sir 24,18; Prov 8,22ff.35f. sowie in der synoptischen Tradition. 86 Zu weiteren Motiven innerhalb des Evangeliums, die die besondere Relation zwischen Vater und Sohn thematisieren, vgl. den Überblick bei J. G. VAN DER W ATT, Salvation, 110–112, auch wenn die von van der Watt vertretene Annahme, dass es sich bei der joh Soteriologie um eine Reaktion auf einen Konflikt zwischen Mose-Jüngern und joh Christen handele (a.a.O., 102), eine Verkürzung darstellt und in manchen Punkten wenig plausibel ist. Dies betrifft insbesondere die Auswertung der Familienmetaphorik, da sich diese bereits bei Paulus findet. 87 J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 373. 88 Dasselbe Phänomen klang bereits in Joh 11,3 an, wo das Joh bereits in der Exposition erklärte, dass die Wundererzählung der wechselseitigen Verherrlichung von Vater und Sohn diene, da ebendiese Verherrlichung des Sohnes mit dessen Kreuzigung als Erhöhungsgeschehen verbunden ist als dem Geschehen „seiner Stunde“. Treffend urteilt daher H. HEGERMANN, Art. δοξάζω, 843, „letztlich verherrliche der Vater sich selbst, ‚seinen Namen‘, im Jesusgeschehen“. 89 Damit wird letztlich aufgenommen, was in der vertrauensvollen Äußerung der Martha Jesus gegenüber schon angeklungen war: ὅσα ἂν αἰτήσῃ τὸν θεὸν δώσει σοι ὁ θεός (11,22). 90 Wenngleich im vierten Evangelium die Vollmacht Jesu betont wird, mit der er sein Leben geben und auch wieder an sich nehmen kann, ist es nach Joh 5 jedoch deutlich, dass Gott der Ursprung seiner Lebensmacht ist. Wie Gott lebendig ist, hat er es auch dem Sohn gegeben, Leben in sich zu haben. Vor diesem Hintergrund kann dann auch die

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es gerade die absoluten und prädizierten ἐγώ εἰµι-Worte Jesu,91 in denen Jesus „zuallererst“ darauf antwortet, „wer er ist, woraus folgt, was er für die Glaubenden ist“.92 Ebenso verhält es sich auch im vorliegenden Fall, wobei es von wesentlicher Bedeutung ist, dass das determinierte Prädikatsnomen ἡ ἀνάστασις vor der Selbstprädikation Jesu als ἡ ζωή genannt wird. Denn daran wird deutlich, dass sowohl das im Folgenden geschilderte Wunder als auch die heilvolle Bedeutung Jesu als Auferstehung und Leben lediglich vor der sachlichen Voraussetzung von Jesu Tod und Auferstehung erzählt werden kann.93 Erst der im Ich-bin-Wort präsente gekreuzigte Auferstandene wird zum Lebensspender für die Glaubenden, so dass auch die übrigen Textstellen, die Jesu Leben schaffende Macht aussagen, aufgrund der nachösterlichen Erzählperspektive des Evangeliums im Horizont von Jesu Sterben und Auferstehen gelesen werden müssen.94 Diese Deutung wird gestützt durch eine weitere Textbeobachtung. So fällt auf, dass die zweite Selbstprädikation Jesu als „Leben“ hier erstmals im Evangelium absolut gebraucht wird. Während der johanneische Jesus Selbstprädikation Jesu als Auferstehung im johanneischen Glaubenssummarium auf Gott als denjenigen, der die Auferstehung ermöglicht, zurückgeführt werden. 91 Vgl. zu den Ich-bin-Worten im Joh H. THYEN, Art. Ich-Bin-Worte, 147–213; DERS., Johannesevangelium, 525f.; J. FREY, Eschatologie III, 445–447; U. SCHNELLE, Johannes, 139f.; R. ZIMMERMANN, Christologie, 121–134. Die genannten Vertreter fassen ἐγώ als Subjekt auf, εἰµι als Prädikat und die angeschlossenen Metaphern als Prädikatsnomina. B ULTMANN hingegen klassifizierte die Ich-bin-Worte als „Rekognitionsformeln“ (vgl. DERS., Johannes, 167 mit Anm. 2), wonach ἐγώ nicht Subjekt, sondern Prädikatsnomen ist: „ἐγώ εἰµι, sagt, daß in seiner Person (sic. Jesus) das da ist, wonach sie (sic. die Hörer) fragen“ (a.a.O., 167). Einzig Joh 11,25 sowie 14,6 versteht er als „Identifikationsformel(n)“ (a.a.O., 168, in Anm. 2 zu 167). Treffend nimmt U. SCHNELLE, Johannes, 140, eine vermittelnde Position ein, indem er festhält, dass in den Ich-bin-Worten Jesu Identität ebenso wie dessen soteriologische Bedeutung ausgesagt würde. So auch M. THEOBALD, Johannes, 734. Vgl. zum traditions- und religionsgeschichtlichen Hintergrund der Ich-bin-Worte sowie deren Funktion und Bedeutung im Joh den Lexikonartikel von H. ROOSE, Ich-bin-Worte, bes. unter den Punkten 2. und 4. 92 U. SCHNELLE, Johannes, 140. Diesen Aspekt wird die Exegese von Joh 6 erneut aufnehmen, wo Jesus als „Brot des Lebens“ beschrieben wird. Vgl. hierzu Kap. IV.4 dieser Arbeit. 93 Dem widersprechen auch nicht Texte wie Joh 4,50–53 und 5,24–29, in denen von der Leben schenkenden Fähigkeit des irdischen Jesus berichtet wird, da sie sich allesamt als nachösterliche Rückprojektionen in das Erdenwirken Jesu erweisen. Anders jedoch deutet J. G. VAN DER W ATT, Family, 214, die Reihenfolge von Auferstehung und Leben. Das liegt daran, dass er annimmt, gegenwärtig würde der joh Jesus Menschen auferstehen lassen, und er dadurch die Zusammenstellung von Auferstehung und Leben als „explanatory expansion“ (a.a.O., 214) deutet. 94 Mit C. K. B ARRETT, Johannes, 393, kann hierzu gesagt werden, dass „Jesus (...) die Realisierung des ewigen Lebens in der Erfahrung der Christen“ sei.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

zuvor von sich selbst als dem Brot des Lebens (Εγώ εἰµι ὁ ἄρτος τῆς ζωῆς; 6,48) spricht und im Zusammenhang mit der Selbstoffenbarung als Licht der Welt verheißt, dass wer ihm nachfolgt, das Licht des Lebens habe (ἕξει τὸ φῶς τῆς ζωῆς; 8,12), bezeichnet er sich hier selber erstmals als „das Leben“. Nicht zufällig dürfte sich daher der zweite absolute Gebrauch von ζωή innerhalb eines Ich-bin-Wortes erst wieder in den die nachösterliche Situation der Gemeinde reflektierenden Abschiedsreden finden, wo die soteriologische Funktion Jesu darin zum Ausdruck kommt, dass er sich als Weg, Wahrheit und Leben prädiziert, durch die die Glaubenden Zugang zu Gott haben (ἐγώ εἰµι ἡ ὁδὸς καὶ ἡ ἀλήθεια καὶ ἡ ζωή; 14,6).95 Die soteriologische Bedeutung Jesu, die aus seiner Selbstoffenbarung als ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή für die Glaubenden resultiert, bringt das Joh im Nachsatz zum Ausdruck. 1.2.3.3 Der soteriologische Nachsatz (Joh 11,25bc.26ab) Die Bedeutung des soteriologischen Nachsatzes in Joh 11,25bc.26ab ist nicht allein für ein adäquates Verstehen des johanneischen Glaubenssummariums und der Herausrufung des Lazarus aus dem Grab entscheidend, sondern für das Verständnis von Glauben und Leben im vierten Evangelium insgesamt. Was also sagt das Joh hier aus? 25b ὁ πιστεύων εἰς ἐµὲ 25c κἂν ἀποθάνῃ ζήσεται, 26a καὶ πᾶς ὁ ζῶν καὶ πιστεύων εἰς ἐµὲ 26b οὐ µὴ ἀποθάνῃ εἰς τὸν αἰῶνα

A B A’ B’

Zunächst einmal kann festgestellt werden, dass terminologische Berührungen zwischen der Selbstprädikation Jesu und den Verheißungsworten vorliegen, so dass sich die Aussagen der Heilzusagen aus Jesu Offenbarung als ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή erschließen. Dabei fällt jedoch auf, dass Joh in 11,25c.26a jeweils das Verb ζάω verwendet, nicht aber die Verben ἀνίστηµι oder ἐγείρω benutzt.96 So wird zwar Jesus als Auferstehung prädiziert, aber es fehlt eine derartige Aussage für die Glaubenden unter Verwendung der Verben ἀνίστηµι oder ἐγείρω. So heißt es in V. 25c, dass der Glaubende selbst dann leben werde (ζήσεται), wenn er stirbt. Während dem Glaubenden hier das Fortbestehen des Lebens angesichts des physisch-kreatürlichen Todes zugesagt wird (A/B), bringt Joh 11,26 zur Sprache, dass der Glaubende bereits jetzt in 95

Vgl. zum Bezug der Ich-bin-Worte zur Lebensthematik M. STARE, leben, 269–272. Deshalb kann es nicht überzeugen, wenn R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 415, behauptet, dass ἡ ζωή „nur“ expliziere, „was schon in ‚Auferstehung‘ gesagt ist; es schließt das Innere des ersten Prädikats auf“. Joh scheint hier feiner zu differenzieren. 96

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einem eschatologisch qualifizierten Sinn als Lebender97 bezeichnet werden muss, so dass er in Ewigkeit nicht sterben werde (A’/B’). Daraus folgt notwendigerweise, dass ἀποθνῄσκω in B und B’ unterschiedlich konnotiert sind, denn dass die johanneische Gemeinde mit der Erfahrung konfrontiert ist, dass Mitglieder sterben (vgl. V. 25c; 21,23), gehört zu den grundlegenden Erfahrungen einer Gemeinde der dritten Generation. Demnach scheint das Joh ἀποθνῄσκω in 11,26b metaphorisch zu verwenden, so dass es sich nahe legt, die Aussage von V. 26b im Sinne eines ewigen Todes98 zu interpretieren, der dem Glaubenden nichts mehr anhaben kann.99 Denn „im Glauben an Jesus erschließt sich dem Menschen ewiges Leben, das ihm in Ewigkeit nicht genommen wird.“100 So bezeichnet das vierte Evangelium im Unterschied zu der unterschiedlichen Konnotation des Verbes ἀποθνῄσκω mit ζάω die soteriologische Gabe des Lebens, die dem Glaubenden gegenwärtig zuteil wird und die über den Tod hinaus Bestand hat. Weshalb aber spricht das vierte Evangelium hier nicht in Anlehnung an die Selbstprädikation Jesu von einer Auferstehung respektive Auferweckung der Glaubenden, die Jesus doch für diese bedeutet? Wäre es nicht näherliegend, in V. 25c anstelle von ζήσεται mit ἀναστήσεται zu formulieren? Schließlich verheißt der johanneische Jesus der Schwester des Verstorbenen doch, dass dieser auferstehen werde (11, 23), und zudem heißt es

97 So auch R. E. BROWN, John (i–xii), 425; B. LINDARS, John, 395; F. J. MOLONEY, John, 338; anders R. BULTMANN, Johannes, 308 mit Anm. 2; R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 415. Wird die soteriologische Deutung von ὁ ζῶν negiert, dann muss der Textabschnitt als synonymer Parallelismus bestimmt werden. Überzeugend sind die Argumente bei R. E. BROWN, John (i–xii), 425, der als Gründe für eine soteriologische Deutung von ὁ ζῶν neben dem bereits erwähnten Sachverhalt, dass beiden Partizipien nur ein einziger Artikel vorangestellt ist, darauf hinweist, dass „the verb ‚to live‘ is related to zōē, ‚life‘, the term which is John’s standard word for eternal life.“ 98 U. SCHNELLE, Johannes, 212, folgert zutreffend, dass „Tod“ hier den Ausschluss aus der durch Glauben konstituierten „Lebensgemeinschaft“ bezeichnet. Vgl. auch J. FREY, Eschatologie III, 451, der von einem „ewigen Tod“ spricht, und auch R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 89 mit Anm. 29, verweist auf die Rede vom „zweiten Tod“ in Apk 2,11; 20,6; 21,8. 99 Zutreffend R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 89, der annimmt, dass V. 26 „takes up this life given in faith and indicates that this new life is indestructible. With empathetic negation (‚will certainly not die‘), any threat to life is rejected.“ 100 So zutreffend M. T HEOBALD, Johannes, 734, der als „Grundduktus“ des Ich-binWortes „die praesentia salutis in der von Jesus gestifteten Glaubensbeziehung“ erkennt. Vgl. auch J. KREMER, Lazarus, 69, der den Aussagegehalt von 11,25f. wie folgt zusammenfasst: „Jetzt schon, nicht erst in der Zukunft bei der allgemeinen Auferstehung (...) entreißt Jesus den Gestorbenen, der an ihn glaubt, dem Tod und gibt ihm Leben.“ Und J. G. VAN DER W ATT, Familiy, 215, hält zutreffend für Joh 11,26 fest: „Such a person has life that will never end. The believer might die physically, but will not die spiritually.“

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

in Joh 12 mehrfach, dass Jesus Lazarus aus Toten auferweckt habe (VV. 1.9.12).101 Aufgrund dessen, dass Lazarus als Auferweckter bezeichnet wird und die Zusage von Joh 11,25f. in der Herausrufung des Lazarus aus dem Grab narrativ inszeniert wird, legt es sich nahe, hinter der Verwendung des Verbes ζάω in Joh 11,25c.26a einen bewussten theologischen Gestaltungswillen zu vermuten. Wie das Verb in Joh 11,25f. die Kontinuität zwischen dem diesseitigen und jenseitigen Heil zum Ausdruck bringt und im unmittelbaren Zusammenhang mit der Aussage der Martha in V. 24 zeigt, „que l’attente d’une résurrection future peut trouver sa réalisation en vie éternelle dès le present“,102 so belegt die Rede von Lazarus als dem aus Toten Erweckten, dass die gegenwärtige Gabe des ewigen Lebens, wie sie das Joh vielfach thematisiert,103 sich qualitativ nicht unterscheidet von einer Auferstehung am letzten Tag. Dass dabei die Vorstellung einer solchen Auferstehung auch im vierten Evangelium präsent ist, bezeugen Stellen wie Joh 6,39f.54,104 in denen diese eindeutig futurisch-eschatologisch konnotiert ist, wie die Zeitangabe (ἐν) τῇ ἐσχάτῃ ἡµέρᾳ sowie der futurische Gebrauch des Verbes erkennen lassen. Ebenso zeigt der Hinweis darauf, dass auch Lazarus weiterhin sterblich ist (12,10), dass das vierte Evangelium trotz seiner ausgeprägten präsentischen Eschatologie an einer futurisch-eschatologischen Auferstehungshoffnung festhält.105 Daraus kann geschlossen werden, dass das johanneische Glaubenssummarium aus101 Und dass Joh ansonsten durchaus das Verb ἀνίστηµι in Bezug auf die Glaubenden verwendet, ist an Joh 6,39f.44.54 zu sehen – aber dort eben rein futurisch konnotiert. 102 So M.-É. KIESSEL, Intertextualité, 55, die darin ein Novum gegenüber der synoptischen Tradition erkennen möchte. 103 Vgl. Joh 3,36; 5,24; 6,47.54 sowie die Formulierungen mit dem Konjunktiv (3,15f.; 5,40; 6,40), die ebenfalls präsentisch zu verstehen sind. 104 Unzutreffend ist daher O. HOFIUS, Auferweckung, 27, wenn er die Rede vom jüngsten Tag, den das vierte Evangelium in Zukunft erwartet, zugunsten einer präsentischen Auslegung negiert und sagt: „Sind aber Auferstehung und Leben in Jesus und nur in ihm präsent, dann ist der ‚Jüngste Tag‘ da, wo Jesus ist, und dann findet man beides – die ἀνάστασις wie die ζωή – hier schon und jetzt schon, indem man ihn findet, d.h. an ihn glaubt“. 105 Zu Recht macht U. SCHNELLE, Johannes, 212f., darauf aufmerksam, dass Joh 11,25f. nicht dazu benutzt werden könne, um daraus einen „grundsätzlichen Gegensatz“ (a.a.O., 213) zwischen präsentischen und futurisch-eschatologischen Heilsaussagen im Joh ableiten zu wollen. Daraus jedoch zu schließen, dass lediglich die im Folgenden erzählte Auferweckung des Lazarus „die starke Betonung der präsentischen Eschatologie“ notwendig mache (a.a.O., 213), übergeht die allgemein gehaltene Sprachgestalt, insbesondere das Adjektiv πᾶς in V. 26. Umgekehrt ist es unzureichend, wenn man wie R. B ULTMANN, Johannes, 307, annimmt, dass die frühjüdische Vorstellung einer Auferstehung derart transformiert werde, dass die „künftige Auferstehung gleichgültig wird gegenüber der gegenwärtig im Glauben erfaßten.“ Dagegen sprechen die für die Zukunft erwarteten Heilsgüter.

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schließlich das Verb ζάω verwendet, um die präsentische soteriologische Gabe des Lebens aussagen zu können, ohne damit eine Auferstehung am letzten Tag zu negieren und dennoch seine Adressaten zugleich zu vergewissern, dass sich das im Glauben inaugurierte Auferstehungsleben qualitativ nicht von dem Auferstehungsleben unterscheidet, von dem das Joh im Zusammenhang mit einer Auferstehung (ἐν) τῇ ἐσχάτῃ ἡµέρᾳ spricht. Daraus ergibt sich zweierlei. Einerseits bleibt Lazarus in der narrativen Darstellung des Evangeliums der einzige, der als Auferweckter bezeichnet wird. Andererseits fungiert er aufgrund des Sachverhalts, dass an ihm in Form der Wundererzählung die für jede Glaubende und jeden Glaubenden106 gültige Zusage aus Joh 11,25f. illustriert wird, als Paradigma für eine Herausrufung aus dem Tod ins Leben, die sich im Glauben ereignet und die das vierte Evangelium in Joh 5,24 als µεταβάσις ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν bezeichnet.107 Das Joh spielt also souverän mit der Mehrdeutigkeit des Erzählten und eröffnet damit Interpretationsfreiräume, die ihre Grenzkoordinaten aus dem Gespräch mit anderen Evangelientexten erhalten.108 Während die Rede von Lazarus als Auferwecktem das Joh zunächst in einen Gegensatz zu Paulus zu stellen scheint, der ja gerade die Lebensterminologie verwendete, um die Gegenwärtigkeit des Heils von der zukünftig erwarteten Auferstehung der Glaubenden zu unterscheiden, zeigt ein näheres Betrachten der Textabschnitte in Joh 5 und 6 sowie das Zusammenspiel der oben genannten Aussagen, dass die Analogien zwischen beiden überwiegen. Obwohl das vierte Evangelium terminologisch undifferenzierter ist, wenn es die Gabe des ewigen Lebens im Bezug auf Lazarus – und zwar 106

Darauf verweist das πᾶς in Joh 11,26. Daher sollte das Herausrufungs-Wunder auch nicht ausschließlich auf Lazarus bezogen werden. Zutreffend urteilt daher R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 414, dass das Wunder der Auferweckung des Lazarus „über diesen singulären Fall hinaus etwas Bleibend-Gültiges offenbart.“ 108 Das übersieht R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 89, der annimt, dass „resurrection (...) is the life given now and present in Jesus“ (vgl. dazu auch DERS., Vorbild, 758). Damit übergeht er die feine terminologische Differenzierung zwischen Auferstehung und Leben bzw. dem Verb ‚leben‘ anstelle einer Auferstehungsaussage in Bezug auf alle Glaubenden, die er zuvor durchaus wahrgenommen hat, wenn er schreibt: „It is striking that the actual terminology of resurrection has only been used for concepts of future resurrection on the last day. Only in the ‚I Am‘ saying in 11:25 is ἀνάστασις taken up and immediately supplemented with ζωή, which then remains a leading term in the subsequent text.“ (A.a.O., 89.) Diese scheinbaren Spannungen lösen sich, wenn die Lebensterminologie in ihrer Funktion, die gegenwärtige soteriologische Gabe zu bezeichnen, ernst genommen wird und bedacht wird, dass sie die Kontinuität zwischen diesseitigem und jenseitigem Heil, das sich qualitativ nicht voneinander unterscheidet, zum Ausdruck bringt. 107

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

ausschließlich in Bezug auf Lazarus! (so dass das Grabwunder als Auferstehung diskutiert werden muss) – als Auferweckung bezeichnet, lässt sich doch auch hier in Übereinstimmung mit Paulus erkennen, dass es die Lebensterminologie ist, die zur Bezeichnung der gegenwärtigen soteriologischen Gabe verwendet wird, und dass diese die Kontinuität zwischen gegenwärtigem und zukünftigem Heil beschreibt. Ebenso erwarten beide neutestamentliche Entwürfe eine Auferstehung am Ende der Zeiten. Zudem muss bedacht werden, dass sich die Rede von der Auferweckung des Lazarus analog zu den synotischen Wundererzählungen als auch der Verwendung des Verbes ἐγείρω in Joh 5,8 dem Sprachgebrauch der Wundererzählungen verdankt und von Joh bewusst doppelsinnig benutzt werden kann. Vor diesem Hintergrund bestätigt sich erneut die Überlegung, dass das Joh in seinem Glaubenssummarium bewusst ausschließlich das Verb ζάω anstelle von ἀνίστηµι oder ἐγείρω verwendet, da hier eine für alle Glaubenden gültige Zusage vorliegt, die die gegenwärtige und futurische Bedeutung Jesu und des Glaubens an ihn in der Vollmacht seines Ich-bin zum Ausdruck bringt. Das Verb ζάω bezeichnet damit die präsentische Heilsgabe, die die Identität des Glaubenden derart bestimmt, dass dieser als ὁ ζῶν bezeichnet wird. Gleichzeitig erhält damit auch das Futur ζήσεται (11,25c) insofern eine präsentische Dimension,109 als dass „Leben“ die Kontinuität gewährleistende Größe zwischen gegenwärtigem und postmortalem Heil ist. „Leben“ ist hier das inaugurierte Auferstehungsleben der Glaubenden.110 Vor diesem Hintergrund erschließt sich dann aber auch, weshalb Joh Jesus als ἡ ἀνάστασις bezeichnet. Denn das den Glaubenden zuteil werdende ewige Leben erscheint im Kontext der Rede von Jesus als der Auferstehung sowie der Thematisierung eines ewigen, geistlichen Todes in V. 26b als Leben aus dem Tod Jesu, das durch die Schöpfermacht Gottes ermöglicht wird und die Todverfallenheit des Menschen überwunden hat.111 Die-

109 So auch O. HOFIUS, Auferweckung, 28, der annimmt, dass ζήσεται hier aussage: der Glaubende „hat schon jetzt und so für immer das ewige Leben.“ 110 Anders J. FREY, Eschatologie III, 452, nach dessen Ansicht Joh 11,25ab ein „futurisch-eschatologischer Satz“ sei. So sei „in dem auffällig futurisch formulierten ζήσεται offenkundig nicht einfach das Leben gemeint, das der πιστεύων εἰς ἐµέ im Glauben schon jetzt besitzt bzw. das dem Glaubenden nach Joh 3,15f.; 5,24 etc. gegenwärtig zuteil wird. Vielmehr muß hier an ein ,Aufleben‘ gedacht werden, das im Falle des leiblichen Todes (κἂν ἀποθάνῃ) dem Glaubenden zuteil wird, d.h. an das Leben aufgrund der ἀνάστασις νεκρῶν“ (a.a.O., 451f.). Den futurischen Aspekt betont auch K. WENGST, Johannesevangelium 11–21, 25–27. 111 Mit R. ZIMMERMANN, Vorbild, 756, soll daher in Bezug auf Joh 11,25f. gefolgert werden: „Die Transformation des Todes in das Leben erfolgt nicht einfach oder glatt. Es

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se Deutung erscheint um so plausibler, wenn die narrativen Bezüge zwischen der Darstellung des Grabes des Lazarus und dessen Eintritt ins Leben sowie derjenigen des Grabes des auferstanden Jesus berücksichtigt werden. Ebendiese Aspekte nehmen Joh 3 und 17 auf, so dass sie in diesem Zusammenhang vertieft werden sollen. Summa summarum lässt sich festhalten, dass eine frappierende Analogie zwischen der paulinischen Entfaltung der vorpaulinischen Glaubenssummarien in Bezug auf die Lebensthematik besteht, die sich sonst innerhalb des neutestamentlichen Kanons112 nur noch bei Joh findet.113 Aus diesen Beobachtungen ergibt sich eine weitere, dieses Mal überlieferungsgeschichtliche Überlegung. Denn überlieferungsgeschichtlich führen die an Joh 11,25f. gemachten Beobachtungen zu der Annahme, dass das Selbstoffenbarungswort mit seinem soteriologischen Nachsatz ursprünglich einmal selbständig überliefert worden ist. Aufgrund seiner typisch johanneischen Sprachgestalt als Ich-bin-Wort legt es sich nahe, es der Gemeindetradition zuzurechnen.114 Die Lazarus-Erzählung mit ihren Anklängen an die synoptische Tradition – und damit durchaus unter Aufnahme älteren Materials – ist dann wahrscheinlich erst sekundär als Rahmen für Joh 11,25f. geschaffen worden. Damit kommt die Eigenständigkeit von Joh 11,25f. zum Vorschein, die als weiteres Argument für dessen Bezeichnung als johanneisches Glaubenssummarium gewertet werden kann. Aufgrund der Analogie zu den vorpaulinischen Glaubenssummarien, die ebenfalls die Eckdaten von Tod und Auferstehung und diese zudem als Inhalt des Glaubens thematisieren, kann erwogen werden, dass auch das johanneische Glaubenssummarium seinen Sitz im Leben in der Tauffeier bzw. dem Bekenntnis hat.115 Darauf deutet zudem V. 26c mit der Wendung πιστεύεις τοῦτο hin, denn damit endet V. 26 mit der Frage Jesu an Martha, ob sie dies glaube. Diese betont ist vielmehr eine paradoxe Überwindung aus der vollen Anerkennung der Tiefe und Bedrohung des Todes.“ Vgl. weiter DERS., Narrative Hermeneutics, 90. 112 Was eine ihrer Besonderheiten gegenüber den anderen neutestamentlichen Schriften darstellt. Diese verfügen zwar selber über die Rede vom ewigen Leben, aber zum einen in einer sehr viel geringeren Dichte und zum anderen ausschließlich als futurischeschatologisches Heilsgut (vgl. Mk 10,17||Lk 18,18; Lk 10,25; Mt 19,16; 25,46; Mk 10,30||Lk 18,30). 113 Vgl. hierzu auch die Auslegung zur Passage in Röm 14,7–9, die besonders enge Bezüge zu Joh 11,25f. aufweist: hier wie dort erscheint Leben als die Heilsgabe, die über den Tod hinaus Bestand hat; begründet ist es im Glauben, der den Menschen in eine unzerstörbare Beziehung zu seinem Kyrios setzt (das erkennt auch M. T HEOBALD, Johannes, 735). 114 So auch J. FREY, Eschatologie III, 434. R. B ULTMANN, Johannes, 307 mit Anm. 1, hingegen ordnet Joh 11,25f. den „Offenbarungsreden“ zu, und M. T HEOBALD, Johannes, 735, schreibt das Wort dem Evangelisten zu. 115 Vgl. dazu den Abschnitt zu den Glaubenssummarien unter Kap. II dieser Arbeit.

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an das Ende gestellte Frage nach dem Glauben führt dazu, dass der Akzent der Aussage auf dem Glauben als Empfangsmodus des zugesagten Lebens liegt.116 1.2.3.4 Fazit: Die Aussage von Joh 11,25f. In Joh 11,25f. macht das vierte Evangelium eine für jeden Glaubenden gültige Heilzusage. Diese gründet in dem ἐγώ εἰµι Jesu als der „neutestamentlichen Offenbarungsformel“117, die in Anklang an die alttestamentliche Selbstoffenbarung Gottes Jesu göttliche Bevollmächtigung und sein Wesen als Lebensspender zum Ausdruck bringt. Dabei betonen die Prädikationen Jesu als ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή, dass dessen heilvolle Bedeutung an sein Sterben und Auferstehen rückgebunden ist. Hierbei bildet das Glauben den Empfangsmodus für die soteriologische Gabe, die aus Jesu Tod und Auferstehung resultiert. Diese beschreibt das vierte Evangelium mit dem Verb ζάω. Es ist ein Leben für das der leibliche ebenso wie der ewige, spirituelle Tod „wesenlos“118 geworden sind und das derart identitätsstiftend ist, dass Joh die Partizipien ὁ ζῶν und πιστεύων synonym verwenden kann. Welche Deutungsaspekte ergeben sich aus diesen Überlegungen für die Szene, in der Jesus Lazarus aus dem Grab ruft, in der das johanneische Glaubenssummarium narrativ inszeniert wird? 1.2.4 ἀνάστασις und/oder µετάβασις? Das johanneische Glaubenssummarium und Jesu Ruf an Lazarus Auf der theologisch-christologisch begründeten Grundlage, wie sie im ἐγώ εἰµι und den angeschlossenen Prädikatsnomina Jesu als ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ 116

U. SCHNELLE, Johannes, 212, erkennt in Joh 11,25f. „das joh. Credo“, und zutreffend sprechen R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 416, und M. THEOBALD, Johannes, 736, daher im Blick auf Joh 11,25f. von einer „Kurzformel des Glaubens“, was hingegen C. K. B ARRETT, Johannes, 394, ausschließlich für V. 27 zur Diskussion stellt. Er bezeichnet V. 27 als „urchristliches Glaubensbekenntnis oder Credo“. Vgl. auch J. FREY, Eschatologie III, 436, der von einem „pefectum intensivum“ spricht und hierin einen „rhetorisch gesteigerten Ausdruck des Verbalinhalts“ erkennen möchte. Frey erkennt hierin ein „Bekenntnis( ) in johanneischer Terminologie“. Die Mehrheit der Autoren übergeht allerdings die bekenntnisartige Bedeutung von Joh 11,25f. 117 Vgl. H. ZIMMERMANN, ἐγώ εἰµι. 118 J. B ECKER, Evangelium 11–21, 361. Der Tod ist, wie er zutreffend festhält, „wesen- und bedeutungslos geworden, denn wer Jesus im Glauben hat, hat bereits Anteil durch ihn am ewigen Leben.“ Das heißt nicht, dass das vierte Evangelium damit die Realität des Todes bestreiten oder seine Trauer auslösende Wirkung negieren würde. Vielmehr kann mit R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 90, festgehalten werden: „The transformation of death into life does not occur simply or clearly; rather it is paradoxically overcome through the full recognition of the depth and threat of death.“

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ζωή zum Ausdruck kommt, ergeht Jesu Ruf an Lazarus. Denn wie der johanneische Jesus in 11,25 in der Sprachform des ἐγώ εἰµι die Autorität beansprucht, dass sich in ihm Gott offenbare, so wird hier als Ermöglichungsgrund für Jesu Leben schaffendes Wort seine Verbindung zu Gott genannt, die im Gebet ihren Ausdruck findet.119 Wie dort die zentrale soteriologische Gabe das über den Tod hinaus Bestand habende Leben ist, ist es hier Lazarus, der zurück ins Leben kommt. Und wie in Joh 11,27 die Selbstoffenbarung Jesu in Form des Wortes das Bekenntnis der Martha zu Jesu Identität und Würde bewirkt, so reagiert auch nach Joh 11,46 ein Teil der Juden, die Zeugen des Grabwunders waren, mit Glauben, der der erklärten Absicht Jesu zufolge Glaube daran sein soll, dass Gott ihn gesandt habe (11,42).120 Dabei erscheint gerade der selber ganz passiv und lediglich auf das Wort Jesu hin sich Bewegende Lazarus als Paradigma des Glaubenden, der ausschließlich auf die Stimme Jesu hört.121 Es stellt sich dann aber die Frage, was sich im Ruf Jesu an Lazarus ereignet. Handelt es sich um eine µετάβασις aus dem Tod ins Leben, wie es in Joh 5,26 heißt, oder fungiert die Herausrufung des Lazarus als proleptisches Beispiel für eine ἀνάστασις, die das vierte Evangelium nach Joh 6,39f.54 für den letzten Tag erwartet, oder ermöglicht die narrative Darstellung des vierten Evangeliums mehrere Deutungen des Grabwunders? Um Antworten auf diese Fragen bekommen zu können, muss dreierlei bedacht werden. Zum einen muss die an Joh 11,25c.26a gemachte Beobachtung, dass das vierte Evangelium innerhalb des Glaubenssummariums ausschließlich das Verb ζάω, nicht aber die Verben ἀνίστηµι oder ἐγείρω verwendet, berücksichtigt werden. Zum anderen darf jedoch nicht übersehen werden, dass Jesus Martha verheißt, ihr Bruder werde auferste119

Mit R. B ULTMANN, Johannes, 311, muss festgehalten werden, dass die in der Sendung des Sohnes zum Ausdruck kommende Vollmacht zugleich bedeutet, dass er „nichts von sich aus tut, sondern der nur tut, was ihm der Vater gegeben hat.“ Und mit C. K. B ARRETT, Johannes, 399, kann gesagt werden, dass dieser „Glaube, daß Gott in der demütigen Zurückhaltung Jesu gesehen wird, (...) für das Denken des Evangeliums fundamental“ sei. 120 Vgl. auch U. SCHNELLE, Johannes, 215, der feststellt: „Das Wunder beglaubigt die Sendung des Sohnes, seine im ‚Ich-bin-Wort‘ ausgesagte Vollmacht, und führt gerade dadurch zum Glauben.“ 121 Als interessant erweist sich hierbei, dass Lazarus die ganze Zeit über passiv dargestellt wird. Das wirft ein interessantes Licht auf das johanneische Glaubensverständnis. Mit R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 96f., der eine narrative Analyse der Charaktere von Martha, Maria und Lazarus vornimmt, sei darauf aufmerksam gemacht, dass Glauben am Paradigma des Lazarus ein passiver Akt auf Seiten des Menschen ist, der sich dem Ruf Jesu verdankt. „Lazarus ‚simply‘ receives life through Jesus without any words or actions on his side and thus he becomes the prototype of the person of faith who, in the Johannine sense, correctly believes in the resurrection and thus in Jesus as the giver of life.“ Vgl. weiter DERS., Vorbild, 749.

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hen (11,23: ἀναστήσεται ὁ ἀδελφός σου) und sich diese Zusage auf narrativer Ebene im Grabwunder ereignet. Und schließlich muss der Frage nachgegangen werden, wie der Tod des Lazarus vor dem Hintergrund der Sterbensaussagen in 11,25f. zu deuten ist? Diesen drei Aspekten soll im Folgenden nachgegangen werden. 1.2.4.1 „Lazarus, heraus jetzt!“: Jesu Ruf zur ἀνάστασις Einige Textbeobachtungen sprechen dafür, dass es sich bei der Herausrufung des Lazarus aus dem Grab nach der johanneischen Darstellung um eine Auferstehung handelt. Dafür spricht zum einen die an Martha ergangene Verheißung, dass ihr Bruder auferstehen werde (11,23), die aufgrund des engen Kontextbezuges auf das Grabwunder bezogen werden muss. Daneben legt sich diese Deutung auch aus der formelhaften Rede von Lazarus als dem, den Jesus (aus Toten: vgl. 12,1.9) auferweckt habe, (12,17) nahe. Daraus kann gefolgert werden, dass das Joh mit Hilfe der Wundererzählung Lazarus als proleptisches Paradigma122 einer leiblichen Auferstehung zeichnet, die für die anderen Glaubenden ein zukünftiges Ereignis darstellt.123 Dass das vierte Evangelium eine solche Auferstehungshoffnung gemeinsam mit Teilen der frühjüdischen Tradition am Ende der Zeiten erwartet, geht aus Joh 6,39f.54 eindeutig hervor, und es ist die Aufgabe der Exegese von Joh 5, zu klären, ob auch Joh 5,29 in diesem Sinne verstanden werden kann.

122 So J. FREY, Eschatologie III, 455, der allerdings aufgrund der wahrgenommenen weiterhin bestehenden Sterblichkeit des Lazarus von einer „episodische(n), proleptischzeichenhafte(n) ‚Wiederbelebung‘“ (a.a.O., 458) spricht. Dagegen wendet sich R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 100f. Vgl. weiter W. E. S. N ORTH, Lazarus, 99, die die Herausrufung des Lazarus aus dem Grab als „a little model of the eschaton“ bezeichnet. Wenig überzeugend ist allerdings ihre Deutung der Stimme Jesu als „loud trumpetcalls“ (a.a.O., 100) in Anlehnung an 1 Thess 4,16 und Mt 24,31. So bereits zuvor J. KREMER, Lazarus, 77. 123 Eine andere Deutung schlägt J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 373, vor. Er nimmt an, dass „Le Jésus joh révèle une nouvelle compréhension de la résurrection dont celle de Lazare est le signe“ (a.a.O., 373), demzufolge die Auferstehung „le don qui est fait ici et maintenant dans la foi“ (a.a.O., 374 Anm. 55) sei. Inhaltlich ist Zumstein vollkommen zuzustimmen, wenn er als Quintessenz aus Joh 11,25f. formuliert: „C’est ici et maintenant dans la foi que le croyant a reçu le don définitif du salut qui lui ouvre un avenir coram Deo que rien ne peut plus menacer.“ (A.a.O., 374 Anm. 55.) Damit beschreibt er als „Auferstehung“, was in der vorliegenden Studie als Inauguration des Auferstehungslebens von einer zukünftigen Auferstehung differenziert wird, da somit m.E. eher dem Sachverhalt entsprochen werden kann, dass das Joh mit Hilfe der Lebensterminologie im Unterschied zu der für alle erwarteten Auferstehung die Gegenwärtigkeit des Heils benennt. Zumstein hingegen spricht von „la vie-résurrection“ (a.a.O., 375).

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Darüber hinaus legt es sich nahe, dass das Joh am Beispiel des Lazarus die soteriologische Zusage des Glaubenssummariums ὁ πιστεύων εἰς ἐµὲ κἂν ἀποθάνῃ ζήσεται (11,26ab) erzählerisch darstellt. Denn die Tatsache, dass Lazarus als bereits beigesetzter Verstorbener, der Totenkleidung trägt, beschrieben wird, präsentiert ihn – auf der wörtlichen Ebene der Wundererzählung – als physisch Toten. Auch dies führt zu der Annahme, dass es sich bei dem Grabwunder um eine Auferstehung handelt. Neben dieser möglichen Deutung des Grabwunders als Auferstehung bietet das vierte Evangelium jedoch mehr Hinweise darauf, dass die Herausrufung des Lazarus keine ἀνάστασις im eigentlichen Sinne, sondern eher eine µετάβασις aus dem Tod ins Leben erzählerisch veranschaulicht. 1.2.4.2 „Lazarus, komm heraus!“: Jesu Ruf zur µετάβασις Betrachtet man das Grabwunder vor dem Hintergrund der Überlegungen zum johanneischen Glaubenssummarium sowie im Zusammenspiel mit anderen Evangelientexten, dann legt es sich nahe, hierin anstelle einer Auferstehung eine µετάβασις aus dem Tod ins Leben zu vermuten. Dafür spricht allererst, dass das vierte Evangelium im Glaubenssummarium in Joh 11,25f. in Bezug auf die Glaubenden ausschließlich das Verb ζάω verwendet, nicht jedoch mit den Verben ἀνίστηµι oder ἐγείρω formuliert. Des Weiteren belegte ein Blick auf Joh 6,39f.54, dass das Joh die Erwartung einer zukünftigen Auferstehung überliefert. Der entscheidende Unterschied zu der im Grabwunder illustrierten „Auferstehung“ ist die Zeitangabe, nach der sich eine allgemeine Totenauferstehung erst [ἐν] τῇ ἐσχάτῃ ἡµέρᾳ ereignet. Zudem scheint es plausibel, trotz der stereotypen Rede von Lazarus als dem aus Toten Erweckten, Joh 12 als Argument für eine Deutung des Grabwunders als µετάβασις aus dem Tod ins Leben fruchtbar zu machen, denn der Hinweis darauf, dass die Hohenpriester Lazarus töten wollen, mit dem herausgestellt wird, dass auch Lazarus weiterhin physisch sterblich sei (12,10), ist nur dann sinnvoll, wenn die Heilsvollendung, die Joh mit dem in Kapitel 6 beinahe formelhaften Gebrauch einer Auferstehung am letzten Tag ausdrückt, noch aussteht. Wird weiter die Nähe zu Joh 5,24f.124 bedacht, in der sich die µετάβασις aus dem Tod ins Leben „νῦν“ ereignet, indem die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören, dann kann weiter gefolgert werden, dass Lazarus hier als Paradigma jedes Glaubenden fungiert, an dem sich in der Begegnung mit der Stimme bzw. dem Wort des Sohnes Gottes der Übergang aus dem Tod ins Leben ereignet.125 124 Anders J. FREY, Leiblichkeit, 721. Er möchte eine größere Nähe des Grabwunders „zu der eindeutig futurischen Aussage 5,28f.“ erkennen. 125 Vgl. dazu R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 100f., der diesen Aspekt für die Adressaten des Evangeliums fruchtbar machen möchte, jedoch die Erwartung einer

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Dabei fällt bei einem Vergleich mit Joh 5,24 auf, dass das vierte Evangelium eben gerade nicht von einer ἀνάστασις spricht, sondern von einer µετάβασις ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν (5,24)126 – und damit die Lebensterminologie verwendet, um den gegenwärtigen soteriologischen Status der Glaubenden auszudrücken. Daraus muss geschlossen werden, dass auch das Grabwunder eher eine µετάβασις als eine ἀνάστασις darstellt.127 Damit ist noch einmal auf die Verwendung des Verbes ζάω im Glaubenssummarium zurückzukommen, das im Grabwunder narrativ inszeniert wird. Denn die genaue Analyse des Glaubenssummariums hat gezeigt, dass das vierte Evangelium mit „Leben“ die gegenwärtige soteriologische Gabe an die Glaubenden benennt, der insofern eine futurische Dimension inhärent ist, als dass „Leben“ die Kontinuität zwischen dem diesseitigen inaugurierten Auferstehungsleben und dem postmortalen Heil der Glaubenden beschreibt. Aufgrunddessen sind πιστεύων und ὁ ζῶν synonym, und der Konjunktion καί kommt eine explikative Funktion zu. Wird vor diesem Hintergrund ein Bezug zum Grabwunder hergestellt, dann erscheint Lazarus aufgrund seiner weiterhin bestehenden physischen Vergänglichkeit als „der Lebende“ (11,26), der in Ewigkeit nicht sterben wird,128 denn im Glauben ist er bereits aus dem Tod ins Leben hinübergekünftigen Auferstehung für das vierte Evangelium ablehnt. So auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 424, wenn er die Auferweckung des Lazarus im Zusammenhang mit 11,25f. als „Zeichen für Jesu Macht“ deutet, „das wahre, den Tod überdauernde Leben den Glaubenden zu schenken.“ 126 Allerdings formuliert das vierte Evangelium in 5,24 verbal (µεταβαίνω). 127 Dem widerspricht auch nicht, dass das vierte Evangelium in 5,29 von einer ἀνάστασις ζωῆς spricht und somit die Lebensterminologie auch mit der Vorstellung einer Auferstehung verbindet, da der entscheidende Unterschied hier in der Verwendung des Begriffs ἀνάστασις besteht. Zudem stellt die erwartete Auferstehung ein zukünftiges Ereignis dar, während Lazarus im Jetzt der Erzählzeit aus dem Grab gerufen wird. 128 Diese beiden Deutungsmöglichkeiten der Lazarus-Perikope legen es nahe, in ihr eine Reaktion auf die Erfahrung zu sehen, dass Menschen aus der johanneischen Gemeinde sterben, sei es infolge ihrer kreatürlichen Vergänglichkeit oder durch Verfolgung. So auch R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 99; P. F. ESLER / R. A. P IPER, Lazarus, 111, die in dem Tod von Christus-Nachfolgern und nicht in der ausbleibenden Parusie (a.a.O., 109f.) das Hauptanliegen der Lazarus-Perikope erblicken. Interessant ist ihre Beobachtung, dass gerade das Evangelium des Lebens den Tod nicht ausblendet, sondern dessen Realität an literarischen Figuren darstellt, die in besonderer Nähe zu Jesus gezeichnet werden, wie Lazarus (und bzw. der Lieblingsjünger [21,21–23]) und seine Schwestern, aber auch Petrus (21,18f.) und Johannes der Täufer (3,29) (a.a.O., 108f.). Vgl. weiter J. FREY, Eschatologie III, 459, der zu Recht Kritik übt an jedem Versuch einer einseitigen historischen Rekonstruktion, die Anlass für die Abfassung der LazarusPerikope hätte sein sollen, und stattdessen daraufhin hinweist, dass „ihre Botschaft allein im Rahmen des Evangeliums, v.a. in der Verschränkung mit der Passionsgeschichte“ erkennbar werde. Es könne bloß konstatiert werden, „daß die johanneische Adressatengemeinde um die Realität des Todes in der Gemeinde weiß und von diesem elementaren

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gangen.129 Daran wird zweierlei deutlich. Zum einen zeigen die für eine Deutung des Geschehens als µετάβασις bzw. ἀνάστασις erwähnten Texthinweise, dass das Joh selber mit mehreren Sinnebenen130 spielt und damit eine Bandbreite an Interpretationen ermöglicht.131 So erscheint es aufgrund einiger Textbeobachtungen plausibel, dass Lazarus als proleptisches Paradigma einer leiblichen Auferstehung fungiert, die die Adressaten des Joh zukünftig erwarten.132 Daneben legen andere Texthinweise nahe, dass an Lazarus exemplarisch narrativ dargestellt wird, wie sich im Glauben eine µετάβασις aus dem Tod ins ewige Leben ereignet, das an vielen Stellen im Evangelium die präsentische Heilsgabe für die Glaubenden bezeichnet.133 In diesem Fall präsentiert das Grabwunder keinen Einzelfall, sondern es bildet sich in ihm zeichenhaft ab, was das johanneische Glaubenssummarium jedem Glaubenden verheißt: dass der an Chrisus Glaubende in Ewigkeit nicht sterben werde, da ihm der leibliche Tod ebenso wenig wie der „ewige Tod“ etwas anhaben können. Das vierte Evangelium illustriert also beide Verheißungen aus dem johanneischen Glaubenssummarium am Beispiel des Lazarus,134 wobei der Akzent deutlich auf einer Deutung des menschlichen Problem in einem Maße berührt ist, das eine theologische Verarbeitung dessen fordert.“ 129 Vgl. M. T HEOBALD, Trauer, 440, der im Bezug hierauf davon spricht, dass Lazarus, obwohl er gestorben ist, „in dem ihm schon geschenkten ‚ewigen Leben‘ geborgen ist.“ 130 Pointiert spricht R. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium 5–12, 415, von einem Spiel des Evangelisten auf den „Ebenen des Vordergründig-Ereignishaften und des Hintergründig-Zeichenhaften.“ 131 Vgl. hierzu die differenzierte Argumentation bei H. T HYEN, Johannesevangelium, 537f., der Joh 11 für eine „‚symbolische Erzählung‘“ (a.a.O., 538) hält, bei der die Herausrufung des Lazarus aus dem Grab als Vorabbildung der endzeitlichen Totenauferweckung fungiert und die zugleich die „gegenwärtige Teilhabe am ewigen Leben“ (a.a.O., 537) narrativ darstellt. Vgl. neben Thyen bereits zuvor B. LINDARS, John, 395. 132 Vgl. hierzu P. F. ESLER / R. A. P IPER, Lazarus, 112, die jedoch anders als die hier vorgeschlagene Deutung bei der prototypischen Bedeutung der Auferweckung des Lazarus stehen bleiben. Zutreffender C. K. B ARRETT, Johannes, 393, der die Auferstehung des Lazarus als Ereignis wertet, das für alle Glaubenden „in bezug auf die Sünde bereits stattgefunden“ hat, aber „erst am jüngsten Tag vollendet sein wird“. Dass das Joh Lazarus als Auferweckten bezeichnet, zeigt, dass es begrifflich hier weniger präzise und klar differenziert als Paulus. Dass damit jedoch keine Bedeutungsverschiebung gegenüber Paulus vorliegen muss, lässt sich daran erkennen, dass Joh das Verb ἐγείρω analog zur synoptischen Tradition innerhalb der Wundererzählungen (Mt 8,15; 9,25; Mk 2,12) verwendet. Vgl. dazu U. METTERNICH, Aufstehen, 71. 133 Vgl. z.B. Joh 3,15f.; 5,24. 134 Obwohl die hier vorgeschlagene Deutung des Glaubenssummariums z.T. von J. ZUMSTEIN abweicht (s. dazu die Auslegung zu 11,25f. mit Anm. 122), kann mit ihm, DERS., Jean 1–12, 378, gefolgert werden, dass es sich bei dem Grabwunder um eine „pleine manifestation de la réalité salvatrice de Dieu par l’agir du Jésus joh dans l’aujourd’hui de l’histoire“ handelt.

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Grabwunders als µετάβασις zu liegen scheint, da Lazarus ja noch einmal wird sterben müssen. Zum zweiten weisen die wechselseitigen Bezüge zwischen dem johanneischen Glaubenssummarium und dem Grabwunder einerseits als auch zwischen der Herausrufung aus dem Grab und anderen Evangelientexten darauf hin, dass das vierte Evangelium ζάω und ζωὴ αἰώνιος nicht zur Beschreibung des kreatürlichen Lebens verwendet, sondern soteriologisch qualifiziert und dementsprechend θάνατος und ἀποθνῄσκω ebenfalls in einem übertragenen, metaphorischen Sinn benutzt. Denn wie sonst sollte Lazarus als Beispiel des Glaubenden und mithin Lebenden fungieren, der in Ewigkeit nicht mehr stirbt? Daraus ergibt sich dann aber als weitere Frage, wie der Tod des Lazarus zu verstehen ist. 1.2.4.3 „Lazarus, heraus jetzt!“: Jesu Ruf als Ruf aus dem Tod Jesus ruft Lazarus aus der Grabhöhle und damit aus dem Tod heraus. Wie aber ist dieser Tod zu verstehen? Welche Deutung legt sich vor dem Hintergrund des Glaubenssummariums und seines unmittelbaren Kontextes, der Lazarus-Perikope, sowie anderer Evangelientexte nahe? Wird die Herausrufung aus dem Grab als Auferstehung begriffen, so legt es sich nahe, den Tod des Lazarus als Folge der physischen Vergänglichkeit zu verstehen. Wird hierin hingegen ein Hinübergehen vom Tod ins Leben gesehen, das sich im Hier und Jetzt ereignet und soteriologisch konnotiert ist, dann muss beim Tod des Lazarus ein metaphorischer Gebrauch des Begriffs θάνατος bzw. der Rede vom Sterben des Lazarus vorliegen. Letzteres liegt aufgrund der Tatsache, dass Lazarus der kreatürliche Tod noch bevorsteht, nahe, weshalb oben eine Deutung als µετάβασις präferiert wurde. Das Phänomen einer metaphorischen Verwendung von Tod und Sterben ließ sich bereits im johanneischen Glaubenssummarium beobachten und ebenso an Joh 5,24 ablesen. Denn wenn es dort heißt, dass jemand in Ewigkeit nicht stirbt (11,26b), dann kann einerseits nicht der physische Tod gemeint sein, da ja explizit gesagt ist, dass der Lebende – also der Glaubende – nicht sterben werde und selbst der ins Leben gerufene Lazarus weiterhin sterblich ist (12,10). Andererseits wirft die Überlegung, dass πᾶς ὁ ζῶν (11,26a) soteriologisch konnotiert ist, die Frage auf, ob die Identität des Lebenden dessen Tod voraussetzt. Diese Frage wird umso dringlicher angesichts dessen, dass Lazarus als Verstorbener und Toter dargestellt wird, der erst auf Jesu Ruf hin ins Leben tritt. Daher soll gefragt werden, ob das vierte Evangelium analog zu Paulus die Vorstellung vertritt, dass jemand, der nicht im soteriologisch

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qualifizierten Sinn als ὁ ζῶν bezeichnet wird, „tot“ ist? Dieser Frage wird im Rahmen der Exegese zu Joh 5,24f. nachzugehen sein. Daneben ergibt sich jedoch noch als weitere Problemstellung, ob der Tod des Lazarus aufgrund der vielfältigen Anspielungen und Korrelationen zum Tod Jesu in Bezug gesetzt werden muss zu Jesu Sterben. Kennt das vierte Evangelium ebenso wie Paulus in Röm 6 die Vorstellung eines MitChristus-Sterbens? Einen Hinweis hierauf könnte die Aufforderung des Thomas Dydimus an seine Mitjünger, mit Jesus zu sterben, bieten (11,16) sowie das vom johanneischen Jesus benannte Ziel des Todes des Lazarus: ἵνα πιστεύσητε (11,15). Erlaubt diese Verbindung von ‚glauben‘ und ‚sterben‘, die sich in anderer Weise in Jesu Selbstprädikation als die Auferstehung und das Leben und der daran angeknüpften an den Glauben gebundenen Heilszusage ebenfalls findet, in Lazarus neben der oben vorgeschlagenen Deutung das Paradigma eines Jüngers zu erkennen, der mit Jesus stirbt und dadurch des eschatologisch qualifizierten Lebens teilhaftig wird?135 Werden allein Joh 5 und 11 berücksichtigt, dann lässt sich diese Frage keiner eindeutigen Antwort zuführen. Ob sie positiv beantwortet werden kann, hängt vielmehr davon ab, ob die Rede eines γεννᾶσθαι ἄνωθεν in Joh 3, die ein anderes Bild als Joh 11 für den Eintritt in ein neues Leben darstellt,136 die Vorstellung eines Sterbens voraussetzt, das in Relation zu Jesu Sterben steht. Damit eröffnet sich aber noch ein weiterer Horizont, der den Zusammenhang von Tod und Sünde bzw. Gericht betrifft, wie er sich in Joh 3 und 5 zeigt, so dass dieser Aspekt bei der Untersuchung der entsprechenden Textabschnitte bedacht werden soll. Demnach könnten in Joh 11 die Leichenbinden und das Schweißtuch des Lazarus als Zeichen des Todes Metaphern für die Gefangenschaft des Menschen in der Sünde sein, für die „Fesseln des Todes“,137 die Jesu Befreiungsruf notwendig macht.138 135

Wenngleich R. B ULTMANN, Johannes, 308, diesen Zusammenhang mit Joh 3 und die Partizipation am Sterben Jesu nicht explizit macht, und seine Auslegung der Auferweckung des Lazarus als Eingehen auf den „primitive(n) Glaube(n) derer (...), die des äußerlichen Wunders bedürfen“ (a.a.O., 309), abzulehnen ist, kann dennoch mit ihm gefolgert werden, dass es sich bei der ζωή um eine Gabe handelt, die „jenseits der menschlichen Möglichkeiten steht. Die Bereitschaft für sie ist die bereite Übernahme des irdischen Todes, d.h. die Preisgabe des Menschen, so wie er sich kennt und sich will.“ (A.a.O., 308.) Vgl. auch C. K. B ARRETT, Johannes, 394. 136 Vgl. M. T HEOBALD, Johannes, 743f., der im Herausrufen aus dem Grab ein „faszinierendes Bild für das, was am Menschen geschieht, wenn er von Jesus zum Glauben erweckt wird“, erkennt und dann auf Joh 3,3.5 verweist. 137 M. THEOBALD, Johannes, 744. So bereits früher J. KREMER, Lazarus, 79. 138 J. FREY, Eschatologie III, 454, spricht sich dezidiert dagegen aus, das Grabwunder „auf die jetzt im Glauben vermittelte Gabe des ‚Lebens‘ (vgl. Joh 5,24) zu beziehen (...). Lazarus ist nicht in erster Linie ein Bild für die schon immer im Bereich der Sünde und des Todes befindlichen Menschen, die im glaubenden Hören der Stimme des Gottessoh-

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Wie sehr das vierte Evangelium neben den bereits erwähnten Anspielungen auf Jesu Tod das Grabwunder mit einer Deutung des Todes Jesu verknüpft, zeigen die VV. 47–57, die den Todesbeschluss gegen Jesus damit begründen, dass er Lazarus auferweckt habe. 1.2.5. Der Tötungsbeschluss (Joh 11,47–57) In diesem letzten Textabschnitt, der die Reaktion auf das Wunder der Auferweckung des Lazarus schildert, fokussiert das vierte Evangelium nochmals pointiert die Bedeutung des Sterbens Jesu. Zunächst wird konstatiert, dass viele der Ἰουδαῖοι an Jesus glaubten (11,45: Πολλοὶ οὖν ἐκ τῶν Ἰουδαίων ... ἐπίστευσαν εἰς αὐτόν), die Zeugen des den Tod überwindenden Wortes Jesu gewesen waren. Damit akzentuiert das Joh, dass es gerade die Leben schaffende Kraft des gesandten Gottessohnes ist, die das Vertrauen der Kinder Israels gewinnt. Von ihnen zu unterscheiden ist eine Menge jener Ἰουδαῖοι, die das Miterlebte den Pharisäern berichtet (V. 46). Diese zeichnet das vierte Evangelium ebenso wie die Hohenpriester139 als ängstlich gegenüber der politischen Reichweite, die sie dem Wirken Jesu beimessen. So erwähnt das vierte Evangelium hier die Besatzungsmacht der Römer, deren Eingreifen nes das Leben empfangen (vgl. 5,25), sondern er ist ‚gestorben‘ (...), so daß sich die Zusage ἀναστήσεται nur auf ein konkret leibliches ‚Herauskommen‘ (11,44; vgl. 5,29) beziehen kann, das entweder jetzt, in der erzählten Szene, oder eben ‚am letzten Tag‘ geschieht.“ Trotz der von ihm auch jüngst präferierten Deutung des Grabwunders als proleptischer Auferstehung (vgl. DERS., Leiblichkeit, 721) erkennt Frey an, dass in der Lazarus-Perikope Jesu „gegenwärtige Macht zur Gabe ‚ewigen‘ Lebens und die Zusage der eschatologischen Überwindung des Todes“ (a.a.O., 722), zum Ausdruck kämen. K. W ENGST, Johannesevangelium 11–21, 27, hingegen lehnt eine Deutung des Grabwunders als „Zeichen für das gegenwärtige Leben im Glauben“ ab. Zutreffend hingegen J. KREMER, Lazarus, 77f., der das Grabwunder sowohl als „Vorwegnahme dessen, was am Ende der Tage geschieht“ (a.a.O., 77), und zugleich als „Veranschaulichung dessen, was sich nach Joh 5,25 schon gegenwärtig ereignet“, versteht (a.a.O., 77). Dabei gelangt er zu der Einsicht: „Wenn die kirchliche Tradition diesen Ruf also allegorisch auf die Befreiung des Sünders bezieht (...), liegt dies ganz auf der Linie des Evangelisten.“ (A.a.O., 77f.) Allerdings verwundert es, dass Kremer annimmt, Lazarus kehre in das „alltägliche Leben“ (a.a.O., 79) zurück. Ähnlich bereits zuvor R. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium 5–12, 427f., dem zufolge Lazarus „in das gewöhnliche Leben“ zurückkehrt. So richtig an dieser Ansicht ist, dass Lazarus sein alltägliches Leben fortführt, so defizitär ist jedoch hieran, dass die soteriologische Komponente und das neue Sein des Glaubenden zu wenig gewürdigt wird. 139 Historisch ist zu der johanneischen Darstellung anzumerken, dass zur Zeit Jesu im hier beschriebenen Synhedrion die Saduzzäer und ihre Anhänger die Mehrheit bildeten. U. SCHNELLE, Johannes, 218, weist daher daraufhin, dass dies bei Joh „die stereotype Voranstellung von ἀρχιερεῖς“ veranlasst hätte. Dass Joh hier im Unterschied zu Mk 14,1 die Pharisäer erwähnt, kann mit Schnelle auf deren durchgehend negative Darstellung im vierten Evangelium zurückgeführt werden. Vgl. weiter C. K. B ARRETT, Johannes, 401.

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sie angesichts des Glaubens der Menge an Jesus befürchten. Interessant ist dabei die universal formulierte Äußerung, πάντες πιστεύσουσιν εἰς αὐτόν im Munde der Gegner Jesu. Damit lässt Joh sie indirekt nachträglich die überzeugende Wirkung der Zeichenhandlungen Jesu bestätigen. Darauf folgt eine Prophezeiung des Kaiphas, der nach Joh ein Hoherpriester ist. Seine Worte werden als Reaktion auf die Äußerungen der Pharisäer und der anderen Hohenpriester dargestellt: Er votiert dafür, dass es besser sei, ein einzelner sterbe, als dass das ganze Volk vernichtet würde. Damit lässt Joh Kaiphas den Tod Jesu indirekt als Heilsgeschehen deuten (11,49f.) und verwendet darüber hinaus dasselbe Verb, ἀπόλλυµι, das es bereits in 3,16 benutzt hat, um das eschatologische Zugrundegehen zur Sprache zu bringen. Diesem Zugrundegehen kontrastiert das vierte Evangelium das ἀποθνῄσκειν ὑπὲρ τοῦ λαοῦ, wobei mit dem Begriff λαός die universale Gemeinschaft jener bezeichnet wird, denen Jesu heilvoller Tod zugute kommt.140 In den VV. 51f. folgt ein erzählerischer Kommentar, der zum einen die Aussage des Kaiphas explizit als Prophezeiung charakterisiert und zum anderen seine Andeutung über den heilvollen Tod Jesu aufnimmt und weiterführt. So ist nun von einem ἀποθνῄσκω ὑπὲρ τοῦ ἔθνους die Rede, womit nochmals das Sterben Jesu für das jüdische Volk hervorgehoben und zugleich die Heilsbedeutung des Todes Jesu universal geweitet wird hin auf die „zerstreuten Kinder Gottes“.141 140 Vgl. J. FREY, Heiden, 309–318. Er hält fest: „Dieser λαός wird nicht durch die physische Zugehörigkeit zum Gottesvolk, sondern durch das stellvertretende Sterben des ‚einen Menschen‘ ὑπὲρ τοῦ λαοῦ Jesus konstituiert. Diese Verwendung der beiden Termini, die von der traditionellen Unterscheidung zwischen ἔθνος und λαός abweicht, ist in sich durchaus stimmig und trifft sich mit jenen neutestamentlichen Tendenzen, die alttestamentliche Aussagen über das erwählte Gottesvolk auf die christliche Heilsgemeinde übertragen.“ (A.a.O., 311.) In diesem Sinne bereits C. K. B ARRETT, Johannes, 403f. 141 Diese Deutung ergibt sich aus dem Gebrauch der Bezeichnung τέκνα τοῦ θεοῦ im 1 Joh (vgl. 1 Joh 3,1f.[10]), die die Adressaten als Heilsgemeinschaft aus Juden- und Heidenchristen im Blick hat. Allerdings darf bei einer solchen Deutung nicht übersehen werden, dass hierin zunächst eine alttestamentliche Hoffnung anklingt, die eine Sammlung des Gottesvolkes erwartete, so dass es sich demnach in Joh 11,52 um Disporajuden handeln müsste. Auf diesen Sachverhalt verweist auch J. FREY, Heiden, 316, zeigt aber anhand eines Vergleichs von 11,52 mit 10,16 auf, dass die hier vertretene Deutung legitim ist, sofern das Joh die Bildung einer „Heilsgemeinde“ intendiere, „die durch Jesu Sterben neu konstituiert wird und aus den durch Jesus zum Glauben geführten Gliedern aus der αὐλή, dem jüdischen ἔθνος, und darüber hinaus den von außerhalb der αὐλή in die Herde seiner Nachfolger Gerufenen besteht. Der für Joh 11,52 erhobene Sinn wird durch 10,16 bestätigt und präzisiert.“ (A.a.O., 321.) Vgl. auch J. DENNIS, Restoration, 86, der in Bezug auf Joh 11,51f. festhält, „John has connected the effects of Jesus’ death with the story of Israel and has therefore provided his community with a new identity as the restored people of God“, indem er eine Soteriologie abfasse, deren Motive und Terminologie „recall the crises but also the restoration hopes of Israel“. Alttestamentliche Stellen,

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Schließlich wird in V. 53 der Beschluss des Synhedrions mitgeteilt, Jesus töten zu wollen. Und mit der Erwähnung Ἦν δὲ ἐγγὺς τὸ πάσχα τῶν Ἰουδαίων (V. 55) lässt das vierte Evangelium die Wundererzählung enden und leitet zum Beginn der Passion Jesu über. Damit rückt das erzählte Wunder, in dem Jesus Lazarus aus dem Tod ins Leben ruft, retrospektiv unter die Perspektive des Todes Jesu. Indem der Todesbeschluss des Synhedrions bzw. dessen heilvolle Deutung als Prophezeiung im Munde des Kaiphas begegnet, stellt das vierte Evangelium den Tod Jesu zugleich unter das göttliche δεῖ, durch das es auch in den synoptischen Berichten charakterisiert ist. Der nachösterlichen Gesamtperspektive der johanneischen Darstellung, die in der Lazarus-Perikope immer wieder aufscheint, verdankt sich, dass die abschließenden Bemerkungen zur heilvollen Deutung des Todes Jesu in die Wundererzählung und damit in die Selbstprädikation Jesu in 11,25 zurückprojiziert werden müssen. Damit jedoch erfährt die Annahme, dass in Jesu Rede von sich als der Auferstehung dessen Sterben mitgehört werden müsse, ein zusätzliches Argument, so dass sich auch von den VV. 45–57 her die Bezeichnung von Joh 11,25f. als johanneisches Glaubenssummarium bestätigt. Daneben stellt sich von den VV. 47–57 her erneut die Frage, ob das vierte Evangelium aufgrund der Verknüpfung von Jesu Tod und dessen heilvoller Deutung, die besonders in seiner Selbstoffenbarung als ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή laut wird, mit dem Tod bzw. der Herausrufung des Lazarus aus dem Tod analog zu Paulus die Vorstellung eines Mitsterbens mit Jesus vertritt. Vor diesem Hintergrund soll nun ein kurzes Fazit zum johanneischen Glaubenssummarien und seinen Analogien zu Paulus gezogen werden, bevor die dann bereits in der Auslegung zu Joh 11 erwähnten Textbezüge innerhalb des Evangeliums, die ein vertieftes Verständnis des Zusammenhangs von Glauben und Leben ermöglichen bzw. noch offene Fragen beantworten, noch einmal überblicksartig aufgeführt werden und es noch einmal um die Fragestellung geht, unter der sie im Folgenden betrachtet werden sollen. 1.3 Fazit: Das johanneische Glaubenssummarium. Analogien zu Paulus und Bezüge innerhalb des Joh 1.3.1 Das johanneische Glaubenssummarium: Analogien zu Paulus Die Auslegung der Lazarus-Perikope konnte die Bezeichnung von Joh 11,25f. als johanneisches Glaubenssummarium bestätigen. In der typisch johanneischen Form eines Ich-bin-Wortes, das Jesus als bevollmächtigten die hierfür den Hintergrund bilden könnten, sind Jes 43,5; Jer 23,2f.; Ez 34,12; 37,21 sowie aus der zwischentestamentlichen Literatur PsSal 8,28; 4 Esr 13,47. Vgl. hierzu sowie zu weiteren Belegen C. K. B ARRETT, Johannes, 403.

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Offenbarer Gottes präsentiert, bringt das Evangelium die zentrale Einsicht in die Bedeutung von Jesu Tod und Auferstehung zum Ausdruck und rückt zugleich die gesamte Lazarus-Perikope in die nachösterliche Perspektive. Sowohl die beiden determinierten Prädikatsnomina ἡ ἀνάστασις und ἡ ζωή als auch die soteriologischen Nachsätze zeigen die rettende Wirkung der Geschehnisse um Jesu Kreuzigung und Auferstehung auf, die in der Identität Jesu als „ἐγώ εἰµι“ begründet ist und für die Glaubenden in der Vergewisserung besteht, derart an Jesu Wesen als „dem Leben“ teilzuhaben, dass selbst der leibliche Tod keinen Abbruch dieser Lebensgemeinschaft mehr darstellt. In ihrer neuen Identität als „Lebende“ sind sie der Macht des Todes142 entnommen, so dass ihnen die Zusage gilt, in Ewigkeit nicht zu sterben. Grundlage und Voraussetzung dieser Lebensteilhabe ist das πιστεύειν, das sich in der Begegnung bzw. dem Ruf Jesu aus dem Tod ins Leben ereignet. Das johanneische Glaubenssummarium stellt damit eine unmittelbare Analogie zu den paulinischen Glaubenssummarien dar. So finden sich in beiden die zentralen Stichworte der vorpaulinischen Glaubenssummarien wie ‚glauben‘ und ‚Auferstehung‘, auch wenn Letzeres in den vorpaulinischen Pistisformeln verbal formuliert worden war. In Differenz zu Paulus erscheint es zunächst so, dass scheinbar allein Jesus als handelndes Subjekt genannt wird, während Paulus durch die von ihm zumeist143 rezipierte passive Formulierung der Auferweckungsaussage auf Gott als Agens hinweist. Dass dies nur auf den ersten Blick einen Widerspruch darstellt, konnte die Auslegung der typisch johanneischen Verwendung des ἐγώ εἰµι als „neutestamentlicher Offenbarungsformel“, in der das vierte Evangelium Jesus unter Anklang an die alttestamentliche Selbstvorstellungen Gottes in dessen Vollmacht auftreten lässt, sowie der Auslegung des Grabwunders, bei dem die Relation zwischen Vater und Sohn in einem Gebet Jesu zum Ausdruck kommt, aufgezeigt werden. Daneben lässt sich an Joh 11,25f. ein Phänomen beobachten, das zu den Spezifika der beiden neutestamentlichen Entwürfe des Paulus und der johanneischen Schule gehört. So verwenden Paulus und Johannes die Lebensterminologie, um die soteriologische Relevanz der Geschehnisse um Kreuz und Auferstehung Jesu für die Glaubenden zu beschreiben. Während jedoch an den Paulus-Texten gezeigt werden konnte, dass die Benutzung der Lebensterminologie auf die Autorschaft des Apostels zurückgeht und er hiermit eine deutende Fortschreibung der Glaubenssummarien bzw. ein142

Diese Deutung des Todes als Macht auch in Joh 11,26 verdankt sich der Schilderung der Affekte Jesu auf dem Weg zum Grab des Lazarus. S. die Auslegung zur Stelle in dieser Studie. 143 Eine Ausnahme bildet 1 Thess 4,14, wo es heißt: „εἰ γὰρ πιστεύοµεν ὅτι Ἰησοῦς ἀπέθανεν καὶ ἀνέστη ...“.

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zelner Elemente derselben vorgenommen hat, lässt sich die Verwendung der Lebensterminologie beim vierten Evangelium lediglich konstatieren, ohne dass sie sich als Abhängigkeit von Paulus oder als eine johanneische Rezeption eines paulinischen Konzepts einordnen ließe.144 Wenn man bedenkt, dass das Joh Elemente des ältesten Kerygmas von Jesu Auferweckung kannte und tradierte, dann legt sich die Annahme nahe, dass Joh 11,25f. eine narrative Inszenierung der vorpaulinischen Glaubenssummarien repräsentiert. Ohne diese historische Fragestellung, die nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden kann, weiter zu verfolgen, soll stattdessen die hier vorliegende theologisch-konzeptionelle Analogie für einen synchron orientierten Vergleich fruchtbar gemacht werden. Dabei ist bemerkenswert, dass bei Paulus und im Johannesevangelium das πιστεύειν an Jesu Tod und Auferstehung bzw. an eine dieser beiden Aussagen die Bedingung für die Teilhabe am Leben darstellt.145 So akzentuieren die Partizipien von πιστεύω in Joh 11,25f. Glauben als Empfangsmodus für das Leben, und das jeweils an das Verb mit der Präposition εἰς angeschlossene pronominale Akkusativobjekt ἐµέ bezieht sich zurück auf Jesu Offenbarung als Auferstehung und Leben als Glaubensobjekt. Gemeinsam ist Paulus und Johannes also, dass bei beiden das Kerygma von Jesu Tod und Auferstehung, wie es der Inhalt der vorpaulinischen Glaubenssummarien ist, den hermeneutischen Horizont für die Lebensthematik bildet. Darüber hinaus lässt sich an Joh 11,25f. beobachten, was auch an Röm 14,7–9 zu erkennen war: Paulus und Johannes benutzen Derivate des 144 Es legt sich nahe, dass bei Joh hier eine spezifische Weiterführung der vorpaulinischen Glaubenssummarien vorliegt, auch wenn dies letztlich nicht bewiesen werden kann. Dafür, dass auch das vierte Evangelium die frühchristliche stereotype Formulierung von Jesu Auferweckung gekannt haben wird, sprechen die Formulierung ἠγέρθη ἐκ νεκρῶν in Joh 2,22 und ἐγερθεὶς ἐκ νεκρῶν in Joh 21,14 in Bezug auf Jesus sowie die Wendungen ὃν ἤγειρεν ἐκ νεκρῶν in 12,1.9 und ἤγειρεν αὐτὸν ἐκ νεκρῶν in 12,17, die sich beide auf Lazarus beziehen. Vgl. weiter die Verwendung des Verbes ἐγείρω in 2,19f. Vgl. dazu Kap. II dieser Arbeit. 145 Darauf, dass die Bezeichnung Jesu als Auferstehung dessen Tod voraussetzt, verweisen neben der Rede von der Auferstehung selber die zahlreichen Passionsverweise in der Lazarus-Erzählung, wie 11,8f.16 und die Rede von der Verherrlichung sowie verdichtet in 11,45–57. Vgl. auch C. K. B ARRETT, Johannes, 394, der zu Recht festhält, „Leben ist Leben durch die Auferstehung, und dies meint Leben durch den Tod, der von der Auferstehung vorausgesetzt wird.“ Die Passionsverweise richten das Augenmerk der Leserinnen und Leser darauf, dass sich das erzählte Wunder von der Wiederbelebung des Lazarus wie das Selbstoffenbarungswort Jesu und die damit verbundene Lebenszusage an jede Glaubende und jeden Glaubenden erst aus der nachösterlichen Perspektive, d.h. von dem Tod Jesu her, verstehen lassen. Damit ist die in das Leben des irdischen Jesus projizierte Erzählung mit ihren Dialogen transparent für die Situation und Kommunikation zwischen Joh und seinen Adressaten.

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Wortfeldes „Leben / leben“146 nicht allein für die Glaubenden, sondern ebenso für Jesus, wenn sie eine Korrelation zwischen dem Auferstehungsleben Jesu und dem soteriologisch qualifizierten Leben der Glaubenden zum Ausdruck bringen. So spricht Paulus davon, dass Jesus ἔζησεν (Röm 14,9), und im Johannesevangelium ist Jesus nicht allein die ἀνάστασις, sondern ebenso ἡ ζωή (Joh 11,25f.). Das heißt, dass beide die ζάωTerminologie dann für Christus verwenden, wenn sie die soteriologische Bedeutung seines Auferstehens auf die Glaubenden applizieren.147 Der Lebensterminologie kommt bei Paulus und Johannes dabei die Funktion zu, die gegenwärtige soteriologisch qualifizierte Gabe des Lebens der Glaubenden zu beschreiben – die selbstverständlich auf eine Fortdauer über den leiblichen Tod hinaus angelegt ist. Das haben die Textanalysen der Paulustexte eindeutig ergeben, und für das vierte Evangelium lässt sich derselbe Sachverhalt bereits an Joh 11,25f. ablesen – so dass der Bezeichnung jedes Glaubenden mittels des substantivierten Partizips als ὁ ζῶν in 11,26a die Funktion zukommt, die soteriologisch qualifizierte eschatologische Existenz des Glaubenden zu bezeichnen. Es legt sich daher nahe, die beiden Partizipien ζῶν und πιστεύων in V. 26a als Synonyma aufzufassen, so dass der Konjunktion καί eine explikative Funktion zukommt. Dabei ist nicht allein bei Joh, sondern ebenso bei Paulus die Heilsgabe der ζωή derart identitätsstiftend, dass beide die Glaubenden als die Lebenden bezeichnen.148 Dieses gegenwärtig verliehene Leben unterscheidet sich soteriologisch gesehen nicht149 von dem postmortalen Auferstehungsleben, von dem Joh 11,25 angesichts des noch ausstehenden physischen Todes des Menschen als zukünftige Verheißung spricht.150 Vielmehr lässt die durchgehende Verwendung des Verbes ζαώ darauf schließen, dass das vierte Evangelium hiermit den Aspekt der Kontinuität zwischen der gegenwärtigen soteriolo146

So verwendet Paulus in Röm 14,9 die Verbform ἔζησεν, während Johannes in 11,25 und dem Ich-bin-Wort in 14,6 sowie in 5,26 das Substantiv für Jesus benutzt und in 6,51.57 und 14,19 ebenso das Verb auf Jesus bezieht. 147 Röm 14,9; Joh 11,25 sowie in dem Ich-bin-Wort Joh 14,6, aber auch in 6,51.57 und 14,19. 148 Vgl. 2 Kor 5,15; Röm 6, 11.13. 149 Das heißt nicht, dass das vierte Evangelium keine futurisch-eschatologischen Erwartungen beinhalten würde. Aber mit FREY, Eschatologie III, 178, kann bezüglich der Eschatologie in den Abschiedsreden wie dem hohepriesterlichen Gebet und unter Berücksichtigung des 1 Joh gefolgert werden, dass „diese verheißene Heilsvollendung (...) gegenüber dem gegenwärtigen Heilsstand nichts schlechthin Neues“ ist, „sondern nur die Aufhebung des Vorläufigen in das Bleibende, die Vollendung des im leiblichen Leben im Glauben empfangenen ‚ewigen Lebens‘ in der postmortal-jenseitigen Christusgemeinschaft und der unverhüllten Schau seiner δόξα (vgl. Joh 17,24; 1 Joh 3,2).“ Vgl. weiter DERS., Leiblichkeit, 723. 150 Dies zeigt das Futur ζήσεται an.

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gisch qualifizierten Existenz der Glaubenden und deren postmortalem Weiterleben betont.151 Ebenso konnte an den untersuchten Paulus-Texten gezeigt werden, dass der Apostel mit Hilfe der Lebensterminologie das gegenwärtige Heil der Glaubenden beschreibt, das über den Tod hinaus Bestand hat (1 Thess 5,10; Röm 14,7–9). Weiter fällt an Joh 11,25f. auf, dass dem dem Glaubenden verliehenen Leben ein relational-ontologisches Moment eignet, sofern sich die Lebensgabe in der durch das Glauben konstituierten Relation zu Jesus ereignet und ebendieses Leben eine Teilhabe am Leben spendenden Wesen Jesu inkludiert: da Jesus ἡ ζωή ist, ist auch jeder Glaubende ὁ ζῶν.152 Damit bildet die relational-ontologische Dimension der Lebensgabe bei Joh eine Analogie zu der paulinischen Rede eines συζῆν der Glaubenden mit Christus (1 Thess 5,10; Röm 6,8; vgl. weiter 2 Kor 5,15) und der Beschreibung der Glaubenden als ζῶντας δὲ τῷ θεῷ ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ (Röm 6,11). Dabei ist die Vorstellung, dass die Glaubenden ἐν Χριστῷ seien, wesentlich für das Verständnis des Apostels, so dass er in 2 Kor 5,17 pointiert formuliert: ἐν Χριστῷ καινὴ κτίσις. Wie ζάω wird auch ἀποθνῄσκω sowohl metaphorisch als auch im eigentlichen Sinn gebraucht. Während nämlich in V. 25 mit ἀποθνῄσκω das Sterben des kreatürlichen und der Vergänglichkeit unterworfenen Menschen thematisiert wird, kann die Wendung οὐ µὴ ἀποθάνῃ εἰς τὸν αἰῶνα gar nicht anders als in einem übertragenen Sinn verstanden werden. Denn zum einen betont V. 25, dass auch der Glaubende dem natürlichen Tod ausgeliefert bleibt, zum anderen weist die Information, dass auch Lazarus, den Jesus doch gerade ins Leben gerufen hat, wird sterben müssen,153 darauf hin, 151

Anders FREY, Eschatologie III, 451, der von einem „Aufleben“ spricht. Seine Deutung verdankt sich der Annahme, dass es sich in Joh 11,25 um „futurisch-eschatologische( )“ (a.a.O., 452) Aussagen handele und ζήσεται daher auf „das Leben aufgrund der ἀνάστασις νεκρῶν“ (451f.) bezogen werden müsse, „wie es in Joh 11 proleptisch am Bild des Lazarus verdeutlicht“ (a.a.O., 452) werde. Dabei ist sich Frey durchaus der Gegenwartsrelevanz des Erzählten bewusst, so dass er von der gegenwärtigen Gabe des ewigen Lebens sprechen kann und die Auferstehung als „unbegrenzte Fortsetzung der Gemeinschaft mit Christus“ (a.a.O., 460) bezeichnet. Aufgrund seiner Auseinandersetzung mit der Leugnung futurisch-eschatologischer Erwartungen im vierten Evangelium tritt dieser Gegenwartsbezug jedoch zuweilen im Unterschied zur hier vorgelegten Deutung der Lazarus-Perikope in den Hintergrund. Kritisch gegenüber einer Deutung als „revivification“ äußert sich auch R. ZIMMERMANN, Narrative Hermeneutics, 100f., der jedoch anders als die hier vorgelegte Deutung keine Unterscheidung von der zukünftigen Auferweckung annimmt. 152 Ebendieser Aspekt, dass das ewige Leben Partizipation am Leben Jesu ist, wird im Kontext von Joh 6 und 17 darzulegen sein. 153 Vgl. dazu Joh 12,10 sowie die Aussage in Joh 8,31, dass derjenige, der Jesu Wort bewahren wird, den Tod in Ewigkeit nicht sehen werde. Auch hier liegt ein metaphorisches Verständnis vor, das bildhaft von einem anderen als dem physischen Tod spricht.

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dass ἀποθνῄσκω in V. 26 etwas anderes als das natürliche Sterben jedes Menschen meinen muss. Daher legt es sich nahe, für V. 26 die Vorstellung eines „ewigen Todes“ anzunehmen, von dem das vierte Evangelium hier via negationis spricht, ohne ihn näher zu definieren, beispielsweise als Sündentod. Dass eine solche Vorstellung bei Joh präsent zu sein scheint, kann dennoch vorsichtig erschlossen werden. Denn wenn in Jesu Offenbarung als Auferstehung und Leben dessen Gabe und Bedeutsamkeit154 für den Glaubenden zur Sprache kommt und ἀποθνῄσκω hier metaphorisch verstanden ist sowie ζαώ in V. 26 den Heilsstatus des Glaubenden beschreibt, dann muss daraus geschlossen werden, dass das vierte Evangelium ein Verfallensein des Menschen an den Tod vorauszusetzen scheint. Weshalb sonst sollte er der Auferstehung und des Lebens, die Christus für ihn bedeuten, bedürfen? Dass diese Todverfallenheit des Menschen, die in Jesu Sterben und Auferstehen überwunden ist (V. 25), zudem in Korrelation zur Sünde steht, lässt sich aus einer Zusammenschau der Selbstprädikation Jesu als ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή und der Täuferaussage in Joh 1,29 ἴδε ὁ ἀµνὸς τοῦ θεοῦ ὁ αἴρων τὴν ἁµαρτίαν τοῦ κόσµου schließen. Denn die Hinwegnahme der Sünde, von der 1,29 spricht, ist an den Tod des Passalamms gebunden, als das Jesus im vierten Evangelium stilisiert wird,155 und sofern Jesu Sterben im vierten Evangelium in der Rede von seiner Erhöhung immer in eins mit seiner Auferstehung gesehen wird,156 klingt der heilvolle Tod Jesu zur Vergebung der Sünde und der Befreiung von der Todverfallenheit ebenfalls so in dessen Ich-bin-Wort als ἡ ἀνάστασις in 11,25 an. Hierin bestehen weitere Analogien zu Paulus. Denn ebenso wie in Joh 11,25f. bilden auch bei Paulus der Tod bzw. das Sterben die Negativfolie, auf deren Hintergrund die Lebensthematik entfaltet wird. Eine weitere Analogie, nämlich die der Korrelation von Sünde und Tod,157 kann auf der Grundlage von Joh 11 und unter Berücksichtigung von Joh 1,29 zwar vermutet, muss aber erst durch die Exegese von Joh 3 und 5 bestätigt werden, um ein begründetes Urteil treffen zu können. Eine weitere Frage ist, ob sich ähnlich wie für ζαώ auch für ἀποθνῄσκω ein partizipatorischer Aspekt ableiten lässt. Haben die Glaubenden nach 154 Vgl. R. B ULTMANN, Johannes, 307, ohne dass damit dessen Verständnis der Ichbin-Worte geteilt würde. 155 Vgl. Joh 19,31, demzufolge Jesus nach dem vierten Evangelium am Rüsttag zum Passa stirbt und damit an dem Tag, an dem die Passalämmer geschlachtet werden. 156 Vgl. hierzu Joh 3,14; 8,28; 12,32–34; vgl. weiter J. FREY, Mose, 125; DERS., Eschatologie III, 277–280. Dieses Phänomen, dass das vierte Evangelium in der Rede von der Erhöhung Jesu dessen Tod und Auferstehung bzw. seine Rückkehr zum Vater in eins fallen lässt, kann als zusätzliches Argument für die Annahme gewertet werden, dass die Rede von Jesus als der Auferstehung in 11,25 die Vorstellung seines Sterbens beinhaltet. 157 Vgl. Röm 5,12.21; 6,2.9–11.13.16.20f.23.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

dem Zeugnis des vierten Evangeliums teil an Jesu Tod, so wie es sich als Denkfigur in Röm 6 bei Paulus beobachten lässt? Diese Frage muss auf der Basis von Joh 11,25f. zunächst offen gelassen werden, wird sich jedoch unter Berücksichtigung weiterer Evangelientexte einer Antwort zuführen lassen. Im Blick auf Joh 11,25f. kann zunächst lediglich festgehalten werden, dass im Glauben eine wie auch immer geartete Bindung an den Tod Jesu gegeben ist, denn es ist nach Joh 11,25f. ja ein πιστεύειν an Jesus als die Auferstehung und das Leben. Neben den bereits genannten Analogien zu den paulinischen Glaubenssummarien, lässt sich weiterhin auf einen gemeinsamen Sitz im Leben verweisen. Wie bereits die vorpaulinischen Glaubenssummarien ihren Sitz im Leben mit hoher Wahrscheinlichkeit in Taufe und Bekenntnis hatten, so lassen sich diese sozialen Orte auch für Joh 11,25f. vermuten. Das legt insbesondere die abschließende Frage Jesu an Martha nahe: πιστεύεις τοῦτο?, woraufhin Martha ein umfassendes Bekenntnis ablegt, das im Wesentlichen dem Bekenntnis entspricht, das das Evangelium bei seinen Adressaten hervorrufen möchte (Joh 20,31). Interessant für einen Vergleich mit den paulinischen Glaubenssummarien ist hierbei, dass auch das vierte Evangelium im unmittelbaren Kontext der zentralen Aussagen seines Glaubenssummariums den Christus-Titel für Jesus verwendet, der ebenso bei Paulus fester Bestandteil seiner Glaubenssummarien ist und sich der Rezeption früherer Tradition verdanken dürfte.158 Neben diesem Hoheitstitel Jesu sei in Joh 11,27 zudem auf die Anrede Jesus als Sohn Gottes und die daran anschließende Wendung ὁ εἰς τὸν κόσµον ἐρχόµενος hingewiesen. Während die Würdigung Jesu als Sohn Gottes nochmals den relationalen Aspekt zwischen Vater und Sohn betont, der zentral für das ἐγώ εἰµί war, akzentuiert die abschließende Wendung zweierlei. Einerseits klingt in ihr die Gesandten-Christologie des vierten Evangeliums an – und mit ihr erneut etwas von der Autorität Jesu als Bote und Stellvertreter des Vaters sowie von dem mit der Sendung verbundenen Auftrag des Sohnes. Daneben jedoch dürfte sich die Beschreibung Jesu als des in die Welt Kommenden dem antidoketischen Bestreben des Evangeliums und des 1 Joh verdanken. Denn wenn das Joh am Ende dieser aus der nachösterlichen Perspektive formulierten Deutung Jesu als die Auferstehung und das Leben die Gesprächspartnerin Jesu dessen Inkarnation thematisieren lässt, dann stellt es damit einerseits die Identität zwischen dem Gekreuzigten und dem Auferstandenen159 heraus und betont andererseits nochmals nachdrücklich, dass die Offenbarung Jesu als Auferstehung mitsamt ihren soteriologischen Zusagen an die Glaubenden nicht adäquat zu 158

Vgl. hierzu Kap. II dieser Arbeit, sowie W. KRAMER, Christos, 131. Vgl. dazu auch die eindrückliche Schilderung der Szene zwischen dem auferstandenen Jesus und dem zweifelnden Thomas in Joh 20,24–29. 159

1. Glauben und Leben in Joh 11

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erfassen ist ohne die Rückbindung an sein Sterben. Damit weist das Bekenntnis der Martha ebenfalls darauf hin, dass Joh 11,25f. in Analogie zu den vorpaulinischen Glaubenssummarien die Heilsakte von Tod und Auferstehung Jesu als das zentrale Kerygma, das es zu glauben gilt, thematisiert und in beeindruckender Übereinstimmung mit den paulinischen Glaubenssummarien die Lebensterminologie für Jesus sowie für die zentrale soteriologische Gabe verwendet. Joh 11,25f. ist aufgrund dieser Analogien zu den paulinischen Glaubenssummarien160 als johanneisches Glaubenssummarium zu verstehen. 1.3.2 Das johanneische Glaubenssummarium: Bezüge innerhalb des Joh Nachdem die grundlegenden theologisch-konzeptionellen Analogien zwischen dem johanneischen Glaubenssummarium in Joh 11,25f. und den (vor)paulinischen Glaubenssummarien genannt worden sind, sollen noch einmal die Bezüge zu weiteren Texten des Evangeliums angesprochen werden, die sich bei der Auslegung von Joh 11 ergeben haben und die ein vertieftes Verständnis von Glauben und Leben im vierten Evangelium ermöglichen bzw. Fragen klären können, die bei der Auslegung der LazarusPerikope offen geblieben sind. Diese Bezüge sind es, die im Folgenden die Exegese der weiteren Texte bestimmen sollen. So soll an Joh 3 der Bezug zwischen der von Thomas Dydimus an seine Mitjünger gerichteten Aufforderung, mit Jesus zu sterben, als Notwendigkeit eines Sterbens gegenüber der Situation des spirituellen Totseins und eines γεννᾶσθαι ἄνωθεν aufgezeigt werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Bedeutung des Todes Jesu und dessen Relation zum Vater. Joh 5 nimmt die Beobachtungen zum Verhältnis zwischen Vater und Sohn auf und vertieft sie. Damit übernimmt dieser Text die Funktion, Jesu ἐγώ εἰµι als ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή aus Joh 11,25 sowie dessen Gebet, dass die Verbindung zwischen Vater und Sohn sowie die Sendung des Sohnes durch den Vater zum Gegenstand hat, zu erläutern. Die Bezüge zwischen der in Joh 5 thematisierten Stimme des Sohnes Gottes, der die Toten ins Leben ruft und Jesu Herausrufen des Lazarus aus dem Grab sollen dabei einem vertieften Verständnis zugeführt werden. Weiter lässt sich an Joh 5 aufzeigen, weshalb eine Deutung des Grabwunders als µετάβασις zu präferieren ist und dass das vierte Evangelium eine Auferstehung für alle Glaubenden als zukünftiges Geschehen erwartet. Ebendieser Aspekt soll im Anschluss mit der futurischen Erwartung der Auferstehung in Joh 6 ins Gespräch gebracht werden. Denn an Joh 6 lässt sich die Gegenwärtigkeit der soteriologischen Gabe des Lebens im Gegen160

Als weitere Analogie sei zudem auf den gemeinsamen Sitz im Leben in der Tauffeier bzw. dem Bekenntnis hingewiesen.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

über zur zukünftig erwarteten Auferstehung am letzten Tag nachzeichnen sowie noch einmal pointiert die Bedeutung des Todes Jesu als conditio sine qua non für seine Rede von sich als Auferstehung und Leben illustrieren. In diesem Kapitel lässt das Joh Jesus in einer bildreichen Rede erläutern, woran sich Glaube nachösterlich orientiert und wie er so am zugesagten Leben partizipiert. Diesen Gedanken nimmt Joh 17 abschließend noch einmal auf, wenn dort quasi eine Definition von ewigem Leben geboten wird. Als qualitativer Höhepunkt der Aussagen zum ewigen Leben, soll daher die Analyse von Joh 17,3 den Abschluss der Untersuchung von Glauben und Leben im Joh bilden. In der Zusammenschau mit der theologisch-konzeptionellen Analogie des Glaubenssummariums in Joh 11,25f. zu den paulinischen Glaubenssummarien bilden die Ergebnisse der Textanalysen dann die Grundlage für einen abschließenden Vergleich des Themas Glauben und Leben bei Paulus und Johannes.

2. Glauben und Leben in Joh 3 2. Glauben und Leben in Joh 3

Mit dem Syntagma ζωὴ αἰώνιος bezeichnet das vierte Evangelium die Heilsgabe schlechthin. Erstmals begegnet es in Joh 3,15f. Betrachtet man den Text und seinen unmittelbaren Kontext (VV. 13f.) näher, so fällt auf, dass das Joh auch hier die Gabe des Lebens an das Glauben bindet und mit der Erhöhung Jesu zusammenschließt, die die Heilsakte seines Sterbens und Auferstehens sowie seiner Rückkehr zum Vater umfasst. Damit kann Joh 3,14–16 als eine Erläuterung zum Glaubenssummarium in Joh 11,25f. verstanden werden, denn hier wie dort werden die Relation Jesu zum Vater, dessen Sterben und Auferstehen sowie das dadurch ermöglichte Leben, das im Glauben empfangen wird, thematisiert. Darüber hinaus stellt das Joh hier eine sachliche Entsprechung zwischen „glauben“ und der Rede von einem γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. einem γεννᾶσθαι ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος in den VV. 3.5 her.161 Durch diese Korrelation der VV. 15f. zu den VV. 3.5 kommt der Auslegung dieser Textpassage noch eine weitere Funktion zu. Denn wenn geklärt ist, wie das vierte Evangelium das γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος versteht, dann erfährt nicht allein das Grabwunder eine vertiefte Deutung, sondern es lassen sich auch zwei weitere Fragen, die sich bei der Auslegung von Joh 11 ergeben haben, einer Antwort zuführen. So soll geklärt werden, ob die jo161 Darüber hinaus wird die Vorstellung eines γεννᾶσθαι ἐκ τοῦ πνεύµατος in den VV. 6.8 erneut aufgenommen und in V. 6 dem γεννᾶσθαι ἐκ τῆς σαρκὸς gegenübergestellt. Ebenso wird das Bild eines γεννᾶσθαι ἄ νωθεν in V. 7 erneut aufgegriffen.

2. Glauben und Leben in Joh 3

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hanneische Vorstellung eines γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος ein Sterben des „alten Menschen“ voraussetzt und ob dieses Sterben in einer solchen Verbindung zum Tod Jesu steht, dass mit den Bildworten in Joh 3,3.5 eine Parallele zur Aufforderung des Thomas, mit Jesus zu sterben (11,16), vorliegt. Sollte dies der Fall sein, dann ließe sich zweitens aus Joh 3 Aufschluss über das Todesverständnis des Joh gewinnen, so dass geklärt werden kann, wem gegenüber der Glaubende stirbt, wenn er zum Glauben kommt bzw. sich an ihm das γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος ereignet. Vor diesem Hintergrund ist dann noch einmal zu fragen, wie der Tod des Lazarus gedeutet werden kann und welche ergänzenden Deutungsaspekte sich daraus für die Aussage in Joh 11,26 ergeben, dass jeder, der an den johanneischen Jesus glaubt, in Ewigkeit nicht sterben werde. 2.1 Kontext und Komposition von Joh 3,3.5.14–16 Die Vorstellung eines γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος (Joh 3,3.5) sowie die Rede von der ζωὴ αἰώνιος (3,15f.) als soteriologischer Gabe, die im Glauben empfangen wird, entfaltet das vierte Evangelium im Rahmen einer nächtlichen Unterhaltung zwischen Jesus und Nikodemus.162

162

Verschiedene Überlegungen zur Historizität des Nikodemus (vgl. dazu R. E. BROWN, John [i–xii], 129f.; M. T HEOBALD, Johannes, 246) können nicht überzeugen, da sie zu einem hohen Grad hypothetisch bleiben müssen. Zu Recht macht F. C. MOLONEY, John, 97, darauf aufmerksam, dass der Plural, den das Joh in V. 2 in der Rede des Nikodemus verwendet, deutlich macht, dass „not only a personal opinion but a doctrinal declaration“ vorliege. Das legt m.E. nahe, in Nikodemus eine literarische Gestalt zu erkennen. Im Joh wird er dreimal erwähnt: Joh 3; 7,50–72; 19,39–42. Möglich ist eine symbolische Deutung über den Namen als „Sieger aus dem Volk“, was erklären würde, weshalb er im Joh an zwei weiteren zentralen Stellen und in besonderer Funktion als Vertreter der religiösen Gruppe der Pharisäer bzw. des Hohen Rates, zu denen er gehört, erscheint bzw. als derjenige, der den joh Jesus in der Salbung vor dem Begräbnis in seiner Königswürde anerkennt. An ihm würde sich zeigen, dass das Volk siegt, da Jesus für das Volk stirbt (11,50; 18,14). Damit würden sowohl das Motiv des Todes Jesu als auch die damit verbundene Inthronisation desselben als König in seine Herrschaft, wie sie in Joh 3 Thema sind, in 19,39–42 erneut aufgenommen und erzählerisch einer abschließenden Deutung zugeführt. Vgl. weiter die detaillierte Analyse der literarischen Figur des Nikodemus und ihrer Funktion im Joh bei C. GRAPPE, Nuits, der Nikodemus ebenfalls als Identifikationsfigur versteht. Er nimmt an, dass die narrativen Leerstellen „laissent la possibilité au lecteur d’achever lui-même le parcours de Nicodème, homme représentant de ses frères, et de le transformer en passage, passage inconcevable sans l’eau et l’Esprit offerts dans le baptême, passage infranchissable sans l’amour du Fils de l’Homme à jamais seul intermédiare entre les mondes“ (a.a.O., 284). Nach einer umfangreichen Diskussion verschiedener Motive und Aspekte der narrativen Darstellung des Nikodemus, stellt er daher die These auf, „que le parcours narratif de Nicodème s’enracine historiquement dans la vie même du milieu johannique qui aurait célébré, dans la nuit pascale,

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Deren Abgrenzung nach vorne variiert, je nachdem, ob Joh 2,23–25 als Exposition zu der Erzählung hinzugenommen wird oder nicht.163 Schwierig ist eine Abgrenzung nach hinten sowie eine Gliederung der Erzählung,164 da der Dialog ohne narratives Signal in einen Offenbarungsmonolog Jesu übergeht und der Lehrer Israels wortlos die erzählerische Bühne zu verlassen scheint.165 Wird zudem berücksichtigt, dass der anschließende Dialog zwischen Johannes dem Täufer und seinen Jüngern ebenso in einen Monolog des Täufers übergeht, dass in beiden „sprachliche und motivische Anklänge“166 an Joh 3,1–21 bestehen und dieser Textabschnitt zudem mit le passage, par le Fils, de ce monde au Père, et accueilli á cette occasion, par le baptême, de nouveaux croyants en son sein“ (a.a.O., 284f.). 163 Als Exposition zum folgenden Text erkennen Joh 2,23–25 z.B. R. E. B ROWN, John (i–xii), 129; J. FREY, Eschatologie III, 243; M. T HEOBALD, Evangelium, 239; und auch F. C. MOLONEY, John, 89f. J. ZUMSTEIN, Jean 1–2, 112f., und J. R. MICHAELS, John, 172, arbeiten den engen Bezug von Joh 2,23–25 zu Joh 3 (und F. C. MOLONEY die Relationen zwischen Nikodemus und Johannes dem Täufer) heraus. Anders O. HOFIUS, Wunder, 34, der einen unmittelbaren Anschluss von 3,1–21 an 2,23–25 ablehnt, da er Nikodemus nicht als Repräsentanten der „Vielen“ dort versteht, sondern in der Präsentation des Nikodemus eine „Steigerung“ erkennt: Nikodemus sei als „der ernsthaft fragende Einzelne, der mit ganzem Einsatz seiner Person nach einem Gott wohlgefälligen Leben strebt“ ebenso wie die „Vielen“ Exempel für die „vor Gott verlorene( ) Menschenwelt“. Diese negative Wertung des Vertreters des Judentums wird in dieser Arbeit nicht geteilt. Dies widerspricht der im Epilog formulierten Intention des Evangeliums sowie der Tatsache, dass Nikodemus auch in Joh 7,50–72; 19,39–42 als ‚heimlicher‘ Sympathisant und Nachfolger Jesu erscheint. 164 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung verschiedener Gliederungsvorschläge bei J. FREY, Eschatologie III, 243–245. 165 J. FREY, Eschatologie III, 243, weist zurecht darauf hin, dass Nikodemus zwar in V. 11a zum letzten Mal direkt angesprochen werde, aber darüber hinaus bis V. 14 die „Frage nach der Möglichkeit der Neugeburt“ (a.a.O., 243), die zuvor Gegenstand der Unterhaltung war, weiterhin präsent ist. Des Weiteren kann geltend gemacht werden, dass Nikodemus ebenso in den pluralischen Anreden in V. 11bf. angesprochen sein kann, wenn man annimmt, dass er hier als Repräsentant für die literarische Figurengruppe der Pharisäer bzw. der ἄρχων τῶν Ἰουδαίων, als dessen Mitglied er in 3,1 eingeführt wird, fungiert. So kann Nikodemus durchaus weiterhin als stummer Adressat vorgestellt werden. So hält F. C. MOLONEY, John, 90, fest: „At best Nicodemus remains in the background, listening to Jesus’ brief discourse (vV. 11–21).“ Auch O. HOFIUS, Wunder, 35, erkennt das Ende des Dialogs erst in V. 21. Das erscheint m.E. plausibler als verschiedene andere Abgrenzungsversuche wie z.B. von U. SCHNELLE, Johannes, 85, der die Zäsur zwischen Dialog und Monolog nach V. 12 zieht, oder M. T HEOBALD, Johannes, 243, der einen Einschnitt zwischen den VV. 15 und 16 annimmt. Nach R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 375–377, endet das Nikodemusgespräch bereits nach V. 12. Allerdings nimmt er aufgrund literarkritischer Überlegungen, die sich mit der Entstehung einzelner Textabschnitte von Joh 3 beschäftigen, Umstellungen vor: nach den VV. 1–12 behandelt er zuerst die VV. 31–36 und daran anschließend die VV. 13–21 als „das johanneische Kerygma“ (a.a.O., 393). 166 J. FREY, Eschatologie III, 244.

2. Glauben und Leben in Joh 3

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3,22–24 ebenso über eine Exposition verfügt wie Joh 3,1–21 mit 2,23–25, dann legt es sich nahe, Joh 2,23–3,36 als Texteinheit wahrzunehmen, die durch einen parallelen Aufbau aus Exposition, Dialog und Monolog sowie inhaltliche Verknüpfungen charakterisiert ist.167 Nicht zufällig dürfte daher die Täuferrede mit der erneuten Thematisierung der ζωὴ αἰώνιος – dem zentralen Begriff aus Joh 3,15f. – und deren negativer Abgrenzung zur ὀργή Gottes enden. Mit 4,1 beginnt dann ein neuer Textabschnitt, der durch einen Subjekt- und in den VV. 2f. zudem durch einen Ortswechsel markiert ist. Betrachtet man den Aufbau des Dialogs zwischen Nikodemus und Jesus näher, so fällt auf, dass es drei Gesprächsgänge zwischen Nikodemus und Jesus gibt, innerhalb derer sich der Redeanteil Jesu immer weiter ausdehnt. Während auf Nikodemus insgesamt nur drei VV. kommen (3,2.4.9), widmet das Joh Jesus größere Textabschnitte, die jeweils mit einem zweifachen Amen beginnen.168 So lässt ihn das vierte Evangelium zunächst in V. 3, dann in einem zweiten Redegang in den VV. 4–8 und schließlich in den VV. 10–21 reden. Dabei wirkt der Einstieg in das Gespräch überaus holprig, so dass der erste Leseeindruck einen Bruch zwischen den VV. 2 und 3 vermuten lässt. Denn es erschließt sich zunächst einmal nicht, weshalb der johanneische Jesus darauf, dass Nikodemus Aussagen zur vermeintlichen Identität Jesu macht,169 mit einer Belehrung darüber reagiert,170 wie der Mensch die βασιλεία τοῦ θεοῦ sehen bzw. in sie eingehen könne (VV. 3.5).171

167

So mit J. FREY, Eschatologie III, 244. Vgl. hierzu auch R. E. BROWN, John (i–xii), 136; J. FREY, Eschatologie III, 244. Umgekehrt argumentiert M. T HEOBALD, Johannes, 244, der bemerkt, dass die Redebeiträge des Nikodemus „immer kürzer“ würden, was ihm als Anzeichen dafür dient, dass der Dialog „letztendlich scheitert.“ 169 Diese werden unterschiedlich beurteilt. M. T HEOBALD, Johannes, 248, möchte hierin ein „christologisches ‚Bekenntnis‘“ erkennen, wobei verwundert, dass er das Gespräch dann für gescheitert hält (a.a.O., 244). J. R. MICHAELS, John, 179, deutet die Anrede des Nikodemus, die der der Jünger Jesu entspreche, in dem Sinne, dass Nikodemus „a potential disciple“ sei. Zurückhaltender hingegen F. C. MOLONEY, John, 91; U. SCHNELLE, Johannes, 80; J. FREY, Eschatologie III, 245f. Vgl. weiter die kritische Beurteilung des Nikodemus bei O. HOFIUS, Wunder, 38f. 170 Abzulehnen ist die Annahme von HOFIUS, Wunder, 39, dass Nikodemus eine Frage gestellt haben müsse, da sonst die dialogische Struktur der Unterhaltung gestört sei. Diese will er mit R. B ULTMANN , Johannes, 94, verstehen als die „eine( ) Frage, die das Judentum, dessen ‚Lehrer‘ er ist, an Jesus zu richten hat und an ihn richten soll; er kommt mit der Frage nach dem Heil.“ 171 Mit R. E. BROWN, John (i–xii), 138, legt es sich nahe, in Joh 3 eine Parallele zu Lk 18,18 zu sehen: „John’s scene is not so unique as might first seem.“ 168

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Nikodemus kommt in der folgenden nächtlichen172 Unterredung nur noch die Rolle des Fragenden zu. Hierbei verwendet das Joh die literarische Technik des Missverständnisses,173 die auf der Ebene der narrativen Darstellung ermöglicht, im Munde Jesu die Notwendigkeit des γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος als Zugang zur Königsherrschaft Gottes zu explizieren, bevor dann ab V. 15 an die Stelle der aus der synoptischen Tradition vertrauten Rede vom Reich Gottes der johanneische Heilsbegriff der ζωὴ αἰώνιος tritt und das γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος mittels des Verbes πιστεύω beschrieben wird.174 172 Der erzählerische Hinweis, dass das Gespräch nachts stattfindet, wird unterschiedlich gedeutet. Während O. HOFIUS, Wunder, 36, annimmt, dass das nächtliche Kommen des Nikodemus zum joh Jesus die „Vorliebe der Rabbinen für nächtliches Studium und nächtliche Diskussionen“ widerspiegele als auch dessen Sehnsucht, in geheimer Unterredung die Mysterien des Reiches Gottes enthüllt zu bekommen (HOFIUS, a.a.O., 37, zitiert hier J. JEREMIAS, Die Abendmahlsworte Jesu, Göttingen 41967, 123), wird hier mit U. SCHNELLE, Johannes, 79, die Deutung bevorzugt, dass Nikodemus in der Nacht zu Jesus kommt, „um so seine Hinwendung zu Jesus zunächst zu verbergen“ (ähnlich auch M. THEOBALD, Johannes, 246, mit dem zutreffenden Hinweis auf Joh 19,38f., wo im Kontext der Bestattung Jesu durch Josef von Arimathäa und Nikodemus erneut auf die in Joh erzählte Begegnung bei Nacht verwiesen wird und dort explizit das Motiv der Furcht vor den Juden erwähnt wird; R. E. BROWN, John [i–xii], 130, hält eine Kombination aus beidem für möglich: „the nighttime visit may have been a stealthy expedient ‚for fear of the Jews‘ [xix 38]; or it may reflect the rabbinic custom of staying up at nigt to study the Law“). Weiter macht U. SCHNELLE, Johannes, 80, darauf aufmerksam, dass das Motiv der Nacht darauf hinweise, „daß Nikodemus noch vom Bereich des Lichtes und der Erkenntnis getrennt ist, denn er ordnet Jesus trotz aller Wertschätzung mit der Klassifizierung als ‚Lehrer‘ noch in menschliche Kategorien ein.“ Ebenso deutet F. C. MOLONEY, John, 91, die Motivik von Nacht und Licht aus und erkennt im Kommen des Nikodemus zum joh Jesus „a significant movement toward believing“ und bemerkt, dass sich das Verhalten des Nikodemus als Repräsentant der Juden damit vom Verhalten der οἱ Ἰουδαῖοι in Joh 2,18–20 unterscheide. Auch C. K. B ARRETT, Johannes, 226, deutet die Nacht metaphorisch; wie Schnelle erkennt er in der Anrede Jesu als διδάσκαλος, mit der die Ansprache als Rabbi erneut aufgenommen wird, den Willen des Nikodemus, „Jesus als Lehrer anzuerkennen, ihm gleichrangig (...). Die Worte ἀπὸ θεοῦ stehen an betonter Stelle und legen wahrscheinlich nahe, daß Jesus mehr ist als ein Lehrer, vielleicht ein Prophet“ (a.a.O., 226). Die Vorstellung, dass Jesus ein Prophet sein könnte, entnimmt Barrett zudem der Wendung ἐὰν µὴ ᾖ ὁ θεὸς µετ᾿ αὐτοῦ (V. 2) und nennt als alttestamentliche Beispiele Mose (Ex 3,12) und Jeremia (Jer 1,19) (a.a.O., 227). Ganz ähnlich wie Barrett auch O. HOFIUS, Wunder, 37. R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 380, bezieht die Zeitangabe sowohl auf das Kommen zum Licht, als auch auf die Furcht des Nikodemus und schließlich auf die Sitte, die Tora des nachts zu studieren. 173 Vgl. zur Rolle des Nikodemus und den literarischen Techniken des Joh U. SCHNELLE, Johannes, 80. 174 Diese Beobachtung führt U. SCHNELLE, Johannes, 80, zu der Annahme, dass in den VV. 3.5 eine „joh. Schultradition“ vorliege. Dass das Joh hier auf Tradition zurückgreift, erscheint aufgrund der ansonsten fehlenden Reich-Gottes-Terminologie im Joh sehr plausibel. Für traditionell hält auch M. T HEOBALD, Johannes, 244, die VV. 3.5 und rechnet

2. Glauben und Leben in Joh 3

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Dabei zeigt ein Blick auf die sprachliche Struktur die „auffällige Parallelität“175 zwischen den VV. 3.5.15 und 16 auf, die nahelegt, eine „semantische Entsprechung“176 für die Vorstellung eines γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος und dem Zum-Glauben-Kommen anzunehmen. 3,3 ἐὰν µή τις γεννηθῇ ἄνωθεν, οὐ δύναται ἰδεῖν τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ 3,5 ἐὰν µή τις γεννηθῇ ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος, οὐ δύναται εἰσελθεῖν εἰς τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ 3,15 ἵνα πᾶς ὁ πιστεύων ἐν αὐτῷ ἔχῃ ζωὴν αἰώνιον 3,16 ἵνα πᾶς ὁ πιστεύων εἰς αὐτὸν µὴ ἀπόληται ἀλλ᾿ ἔχῃ ζωὴν αἰώνιον Während im gesamten Evangelium nicht mehr von der βασιλεία τοῦ θεοῦ die Rede sein wird, führt das Joh mit dem Syntagma ζωὴ αἰώνιος die soteriologische Gabe ein, auf die sich die gesamte Soteriologie des vierten Evangeliums konzentriert.177 Dabei erreicht die Lebensthematik einen narrativen Höhepunkt im Lazarus-Wunder als der erzählerischen Explikation des johanneischen Glaubenssummariums. Danach erscheint die Lebensthematik noch einmal an exponierter Stelle innerhalb des sog. hohepriesterlichen Gebets Jesu, in dem das vierte Evangelium gewissermaßen eine Definition ‚ewigen Lebens‘ bietet (Joh 17,2), bevor im Epilog abschießend festgehalten wird, dass die Evangeliendarstellung auf ebendieses Leben zielt: ἵνα πιστεύ[σ]ητε ὅτι Ἰησοῦς ἐστιν ὁ χριστὸς ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ, καὶ ἵνα πιστεύοντες ζωὴν ἔχητε ἐν τῷ ὀνόµατι αὐτοῦ (Joh 20,31). Daher legt es sich nahe, in der Ablösung der Reich-Gottes-Verkündigung durch die Zusage des ‚ewigen Lebens‘ einen bewussten theologischen Gestaltungswillen zu sie der „mündlichen Tradition seiner (sic. des Evangelisten) Gemeinde“ zu. Fraglich erscheint seine Rekonstruktion einer vermeintlich ursprünglichen Gestalt eines JesusLogions, die hinter Joh 3,3.5 sowie Mt 18,3; Mk 10,15 und Lk 18,17 stehe und die der Gestalt von Mt 18,3 „am nächsten komme“ (a.a.O., 244; vgl. hierzu auch die kritischen Überlegungen bei R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 381; J. FREY, Eschatologie III, 249f. mit Anm. 43, der zu Recht darauf aufmerksam macht, dass das Verhältnis von Mt 18,3 und Mk 10,15 nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann). Mit einer hier verarbeiteten Tradition rechnen ebenso R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 381, sowie F. C. MOLONEY, John, 93. 175 J. FREY, Eschatologie III, 260. 176 J. FREY, Eschatologie III, 261. Vgl. hierzu auch O. HOFIUS, Wunder, 75. 177 J. FREY, Eschatologie III, 261, meint zutreffend, dass das Joh mit der Rede vom ‚ewigen Leben‘ „quasi definitorisch seine eigene soteriolgisch-eschatologische Terminologie im Munde Jesu“ einführt.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

erkennen, so dass nach der spezifischen Bedeutung und dem johanneischen Verständnis der ζωὴ αἰώνιος zu fragen ist. Darüber hinaus lässt sich noch etwas anderes an den VV. 15f. aufzeigen. Indem hier Glaube als Glaube an Jesus (πιστεύω εἰς αὐτόν) und das ewige Leben als Leben ‚in ihm‘ (ἐν αὐτῷ) näher bestimmt wird, zeigt sich aus der Retrospektive, dass der bei der ersten Lektüre des Textes empfundene Bruch zwischen den VV. 2 und 3 bewusst intendiert zu sein scheint, um das Augenmerk von Beginn an auf die Frage nach dem Wesen und der Identität Jesu zu lenken. Damit kommt der johanneische Jesus von den Aussagen der VV. 15f. aus betrachtet als Lebensspender in den Blick, an dessen Leben schaffender Kraft und Wesen der Mensch im Glauben teilhat, so dass eine noch größere sachliche Entsprechung zu dem johanneischen Glaubenssummarium mit seinem betonten ἐγώ εἰµι vorliegt, als diese ohne Berücksichtigung des Kontextes zu erkennen gewesen ist. Welche Funktion dabei den Aussagen der VV. 13f. zukommt, die neben der himmlischen Herkunft ebenso wie V. 16 den Tod und die Auferstehung bzw. die Rückkehr Jesu zum Vater thematisieren, wird in der Auslegung des Textabschnittes zu diskutieren sein. Vor dem Hintergrund dieser Textbeobachtung, die die Bedeutung von Jesu Sterben und Auferstehen für die soteriologische Gabe der ζωὴ αἰώνιος signalisieren, ist auch noch einmal dem Phänomen nachzugehen, dass hier zwar die Rede von der βασιλεία τοῦ θεοῦ zugunsten der Rede vom gegenwärtigen ‚ewigen Leben‘ in Jesus abgelöst wird,178 dieser aber gerade in der Passionserzählung des Joh als βασιλεύς bekannt wird179 und von seiner βασιλεία die Rede ist.180 Kann hieraus geschlossen werden, dass sich das Sehen bzw. das Eintreten in das Reich Gottes als gegenwärtiger Besitz des ‚ewigen Lebens‘ dann verwirklicht, wenn Jesus aufgrund seiner Erhöhung in die Königswürde eingesetzt wird?181 Welche Bedeutungsaspekte ergeben sich daraus für die Rede des γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος? Hierin könnte 178

Damit unterscheidet sich das vierte Evangelium von der synoptischen Tradition, in der die ζωὴ αἰώνιος eine rein futurisch erwartete Größe ist (vgl. Mk 10,17||Lk 18,18; Lk 10,25; Mt 19,16; 25,46 sowie die Belege für ζωή in Mt 7,14; Mt 18,8f.). Dabei kennt auch die synoptische Tradition die Verbindung des Lebensbegriffs mit der Rede von der βασιλεία τοῦ θεοῦ, formuliert hier jedoch ohne das Epitheton αἰώνιος (vgl. Mk 9,43.45 in Relation zu 9,47, wo an die Stelle der Lebensterminologie der Reich-Gottes-Begriff tritt). Eine Ausnahme bildet Lk 18,29f., da hier die Reich-Gottes-Thematik verbunden wird mit der Rede von der ζωὴ αἰώνιος. 179 Das merkt auch C. K. B ARRETT, Johannes, 229, an, jedoch ohne diese Beobachtung auszuwerten. Vgl. dazu J. FREY, Eschatologie III, 271–276. 180 Vgl. zur βασιλεία Joh 18,36; zur Rede von Jesus als βασιλεύς 18,33.37.39; 19,3.12. 15.19.21 in der Passionsdarstellung, aber darüber hinaus auch 1,49 sowie 12,13.15 in den Zitaten. Vgl. weiter J. FREY, Herrlichkeit, 656f. 181 Dies meint J. FREY, Eschatologie III, 274.276, der von der „Herrschaft des Gekreuzigten“ spricht.

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ein zusätzliches Argument für die vorgeschlagene Annahme eines notwendigen Mit-Jesus-Sterbens liegen, wie es sich von Joh 11,16 her nahe legt. Auf einen weiteren zu bedenkenden Aspekt lenkt der Kontext das Augenmerk: die Frage nach dem Verhältnis von ‚ewigem Leben‘ und Gericht bzw. dem Zorn Gottes, die in den VV. 17–21 und 36 thematisiert werden, da durch sie die Rede vom ‚ewigen Leben‘ expliziert wird. Die nun folgende Auslegung des Textes fokussiert die Bezogenheit der VV. 3.5.15f. aufeinander, um so die innere Korrelation von γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος, was im Folgenden als Neuschöpfung bezeichnet und begründet werden soll, ,βασιλεία τοῦ θεοῦ‘, ‚glauben‘ und ‚ewigem Leben‘ in Joh 3 nachzuzeichnen. Dabei werden die VV. 17–20.36 mit in die Deutung einbezogen. 2.2 Neuschöpfung, βασιλεία τοῦ θεοῦ, ‚glauben‘ und ‚ewiges Leben‘ in Joh 3 2.2.1 Neuschöpfung und die βασιλεία τοῦ θεοῦ (Joh 3,3–8) In zwei Gesprächsgängen zwischen Nikodemus und Jesus spricht der johanneische Jesus von einem ‚Geboren-Werden‘182 des Menschen, das in den VV. 3 und 7 durch das Adverb ἄνωθεν erläutert wird. In den VV. 5.6.8 hingegen wird es durch den Präpositionalausdruck ἐκ τοῦ πνεύµατος expliziert, dem in V. 5 noch ein ἐξ ὕδατος καί183 vorangestellt ist. 182 Das Verb γεννᾶσθαι kann mit ‚zeugen‘ oder ‚geboren werden‘ übersetzt werden (vgl. dazu C. K. B ARRETT, Johannes, 227; O. HOFIUS, Wunder, 40f.). Daher werden hier beide Übersetzungsmöglichkeiten verwendet (vgl. auch A. KRETZER, Art. γεννάω, 586: „γεννάω umfaßt den Akt der Zeugung [durch den Vater] wie der Geburt [durch die Mutter]“). F. C. MOLONEY, John, 98, hingegen votiert zugunsten von „born“, da dann ἄνωθεν sowohl raummetaphorisch als auch temporal auf die Geburt bezogen werden könne, was er für das joh Verständnis hält. Vgl. dazu auch die Belege im 1 Joh: 1 Joh 2,29; 3,9; 4,7; 5,1.4.18, wobei insbesondere 1 Joh 5,4 eine interessante Vergleichsstelle ist, werden doch auch hier wie in Joh 3 das Gezeugtsein und der Glaube in Relation zueinander gesetzt. 183 R. B ULTMANN, Johannes, 98 Anm. 2, hielt ὕδατος καί für eine „Einfügung der kirchlichen Redaktion“, was jedoch aufgrund der textlichen Überlieferung nicht überzeugt. Vgl. hierzu auch ausführlich U. SCHNELLE, Johannes, 81. F. C. MOLONEY, John, 99, vermutet ebenfalls, dass es in einem späteren Stadium in der Geschichte der joh Gemeinde eingefügt worden sei, „to make an explicit reference to the ritual of water baptism, a public sign that externally marked the internal experience and commitment to the beliefs of the Johannine community.“ R. E. BROWN, John (i–xii), 143, wiederum argumentiert, dass das Wasser-Motiv bereits Bestandteil des ursprünglichen Textes hätte sein können, ohne jedoch einen Bezug zur Taufe gehabt zu haben. Er verweist hierzu auf Texte, in denen Wasser und Geist ebenfalls gemeinsam thematisiert werden, wie Ez 36,25f; 1QS IV 19–21 (a.a.O., 140), und dort die für die Endzeit erwartete „pouring forth of God’s spirit“ (a.a.O., 140) beschreiben (vgl. dazu auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 383f. mit weiteren Quellenangaben). Erst später sei dieses Motiv im Joh analog zu

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

3,3a ἀµὴν ἀµὴν λέγω σοι, 3b ἐὰν µή τις γεννηθῇ ἄνωθεν,

3,7 δεῖ ὑµᾶς γεννηθῆναι ἄνωθεν

3c οὐ δύναται ἰδεῖν τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ 3,5a ἀµὴν ἀµὴν λέγω σοι, 5b ἐὰν µή τις γεννηθῇ ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος,

3,6 ... καὶ τὸ γεγεννηµένον ἐκ τοῦ πνεύµατος... 3,8 ... οὕτως ἐστὶν πᾶς ὁ γεγεννηµένος ἐκ τοῦ πνεύµατος

5c οὐ δύναται εἰσελθεῖν εἰς τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ Der Präpositionalausdruck ἐξ ὕδατος καί dürfte sich zum einen dem folgenden Textabschnitt verdanken, in dem die Tauftätigkeiten Jesu und Johannes des Täufers diskutiert werden (VV. 22–26), zum anderen kann er als Hinweis auf den Sitz im Leben dieser Erzählung verstanden werden, wonach die johanneische Vorstellung eines Geboren-Werdens aus dem Geist mit der Taufpraxis verbunden ist, so dass die Erzählung wahrscheinlich in der Taufunterweisung verwendet wurde.184 Im Unterschied jedoch zur verbreiteten frühchristlichen Auffassung der Taufe als Wiedergeburt,185 bezeichnet das Joh das Geboren-Werden186 aus

Mt 18,3||Mk 10,15||Lk 18,17 als Hinweis auf die Taufe reinterpretiert worden. Im Hintergrund steht die Frage, ob der Nikodemus-Dialog einen historischen Kern aufweist oder ganz und gar eine johanneische Komposition ist. Überzeugend ist die Argumentation bei J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 115, für den ὕδατος καί zum ursprünglichen Textbestand gehört: Hiermit werde das Wesen der christlichen Taufe im Unterschied zur Johannestaufe charakterisiert, ohne dass jedoch die Taufe „constitue la pointe de l’argumentation. En fait, à l’aide du motif du baptême (VV. 6–8), l’auteur implicite veut montrer que l’accès au salut n’appartient pas au domaine des possibilités humaines, mais qu’il advient par la seule grâce de Dieu.“ Aufgrund dessen werde auch ausschließlich die Pneuma-Thematik weiterhin entfaltet. Ganz ähnlich wie Zumstein bereits R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 383. 184 So auch M. T HEOBALD, Johannes, 244. Auch hierin besteht eine Nähe zum Sitz im Leben des Glaubenssummariums in Joh 11,25f. 185 Dabei variiert die Terminologie. Während in Tit 3,5 die Wiedergeburt mit dem Nomen παλιγγενεσία ausgedrückt wird, verwendet 1 Petr 1,3.23 das Verb ἀναγεννάω, ebenso belegt bei Iust.1 apol. 61,4; 66,1.; Iust.dial 138,2 und Act Thom 132. Vgl. dazu weiter M. THEOBALD, Johannes, 244, sowie DERS., Herrenworte, 80–86, und mit weiteren Belegen a.a.O., 83 Anm. 113; sowie J. R. MICHAELS, John, 180.

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Wasser und Geist als ‚Geburt von oben‘.187 Wenngleich das Adverb ἄνωθεν beide Konnotationen umfasst, also ‚von oben‘ und ‚von neuem‘, ist hier die raum-metaphorische Deutung zu bevorzugen, da sie sich vom unmittelbaren Kontext (vgl. die VV. 12–14), aber auch von anderen Texten des Evangeliums her nahe legt.188 Dabei scheint jedoch das Joh bewusst 186 Die Annahme, dass sich der Konjunktiv γεννηθῇ „auf einen der irdisch-geschichtlichen menschlichen Existenz zeitlich vorlaufenden Akt göttlicher Prädestination bezieht“ (T. POPP, Grammatik, 114), haben O. HOFIUS, Wunder, 43f. mit Anm 53 und in dessen Rezeption J. FREY, Eschatologie III, 256f., als unzutreffend herausgestellt. Vgl. zur Begründung BDR § 373,1. So vertreten ebenfalls von T. P OPP, Grammatik, 114. 187 Vgl. C. K. B ARRETT, Johannes, 230, der zutreffend festhält: „das Adverb und der Adverbialsatz entsprechen einander im wesentlichen, obwohl die Einführug von ‚Wasser und Geist‘ frische und präzisere Vorstellungen beibringt.“ 188 Vgl. z.B. Joh 3,31; 6,33.38.50f.58.62; 8,23;19,11.23. Eine raum-metaphorische Deutung vertreten auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 381; U. SCHNELLE, Johannes, 80; J. FREY, Eschatologie III, 256–258, und J. R. MICHAELS, John, 180. Allerdings hält Schnelle dennoch an einer „Mehrschichtigkeit“ auch bei Joh fest, da er annimmt, dass die joh Vorstellung der ‚Zeugung aus Gott‘ im Sinne einer Wiedergeburt verstanden worden sei. Schnelle nimmt damit eine Harmonisierung mit der übrigen frühchristlichen Überlieferung vor, die m.E. nicht vollzogen werden muss, wenn man hierin ein joh Spezifikum erkennt. Ganz ähnlich wie Schnelle argumentierte zuvor schon C. K. B ARRETT, Johannes, 227. Er verweist auf die Textüberlieferung und möchte anhand der lateinischen deutlich machen, dass Joh 3 im Zusammenhang der Taufe als ‚Wiedergeburt‘ verstanden worden sei. Er plädiert dann im Folgenden dafür, das Adverb ἄνωθεν sowohl lokal als auch temporal zu verstehen (vgl. auch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 115, der beide Deutungsaspekte verbindet, wenn er von „la ‚nouvelle naissance d’en haut‘“ spricht), wobei Barrett in Joh 3 eine raum-metaphorische Deutung präferiert. Dies stellt allerdings kein Argument für das Verständnis von Joh 3 dar, sondern bezieht sich auf dessen Rezeption (vgl. hierzu auch die kritischen Überlegungen bei R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 381). M. T HEOBALD, Johannes, 244, hingegen nimmt, wie auch hier vertreten, an, „dass der Evangelist es war, der ein ihm vorgegebenes ‚Wieder‘ durch das ‚Von oben‘ ersetzt hat. Dieses entspricht auch genau der christologischen Herkunftsbezeichnung ‚vom Himmel‘ in V. 13.“ Einen anderen Schluss aus dem Vorliegen einer Tradition zieht O. HOFIUS, Wunder, 42f. Er interpretiert das Adverb im Sinne von ‚von neuem‘, da in Joh 3,3.5 ein „Jesus-Logion verarbeitet“ (a.a.O., 42) worden sei, in dem an die Stelle der „Wendung ‚wieder wie Kinder werden‘ nunmehr der Ausdruck ‚von neuem geboren werden‘ getreten ist“ (a.a.O., 42). Die weitere Argumentation bei O. HOFIUS, Wunder, 43, für seine Deutung des Adverbs überzeugt nicht. Denn er nimmt an, dass die Reaktion des Nikodemus in V. 4 zeige, dass der joh Jesus von einem „Neu-Werden des Menschen gesprochen“ habe; hierin ein Missverstehen des Nikodemus zu vermuten, sei unzulänglich. Das verwundert bei der ansonsten negativen Bewertung des Nikodemus bei Hofius. Ebenso wenig einleuchtend ist seine Annahme: „Das ganze weitere Gespräch gewinnt erst sein besonderes Profil, wenn Jesus in V. 3b die Heilsteilhabe unter die Bedingung stellt, daß der Mensch völlig neu werden muß, und wenn dieses Postulat einer gänzlich neuen Existenz in diesem Satz nicht schon ausdrücklich mit dem Gedanken verbunden ist, daß solche Existenz ‚von oben her‘, d.h. von Gott selbst geschenkt wird.“ (A.a.O., 43.) Die Notwendigkeit eines Neu-Werdens des Menschen kann nicht mit der Deutung des Adverbs entschieden werden, denn ein Sein ‚von oben‘ stellt im Kontext des Verbes

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mit der Doppeldeutigkeit des Adverbs zu spielen, da sie ihm ermöglicht, sein Verständnis des Geboren-Werdens weiter zu entfalten, indem Nikodemus die Aussage des johanneischen Jesus missversteht.189 Denn in der Nachfrage, wie denn ein alter Mensch geboren werden könne, wenn er doch nicht ein zweites Mal in den Mutterleib zurückkehren und geboren werden könne, zeigt sich, dass Nikodemus von einer notwendigen Wiedergeburt im Sinne einer Neugeburt ausgeht (V. 4). Diese Vorstellung korrigiert der johanneische Jesus in einem zweiten, parallel zum ersten (V. 3) aufgebauten Amen-Wort (V. 5), indem er das ‚Geboren-Werden‘ als aus Wasser und Geist näher erläutert.190 Dabei wird in der Rede vom Geist vorweggenommen, was in den VV. 15f. explizit thematisiert werden wird: das ‚Geboren-Werden‘ als schöpferisches Geschehen, das die Partizipation am Leben ermöglicht. Denn der Geist ist es, der nach johanneischem Verständnis lebendig macht (vgl. Joh 6,63).191 Auf den Geist rekurrieren schließlich auch die VV. 6–8 in einer Art und Weise, die nun beide Aspekte des ‚Geboren-Werdens‘ als ‚Geboren-Werden‘ ‚von oben‘ und ‚aus dem Geist‘ miteinander verbinden: 6a τὸ γεγεννηµένον ἐκ τῆς σαρκὸς 6b σάρξ ἐστιν, 6c καὶ τὸ γεγεννηµένον ἐκ τοῦ πνεύµατος 6d πνεῦµά ἐστιν. 7a µὴ θαυµάσῃς 7b ὅτι εἶπόν σοι· 7c δεῖ ὑµᾶς γεννηθῆναι ἄνωθεν. 8a τὸ πνεῦµα ὅπου θέλει πνεῖ 8b καὶ τὴν φωνὴν αὐτοῦ ἀκούεις, γεννάω ebenso die Notwendigkeit einer Neuschöpfung des Menschen heraus. Eine eigene Deutung bietet F. C. MOLONEY, John, 92, der annimmt, dass „Jesus’ words to Nicodemus ask for a birth that combines both the horizontal experience of time and the vertical experience of the inbreaking of God ‚from above‘.“ 189 Vgl. M. THEOBALD, Johannes, 250. 190 U. SCHNELLE, Johannes, 80, weist zu Recht für V. 3 darauf hin, der Zugang zum Reich Gottes „liege nicht in der Verfügungsgewalt des Menschen (...). Gott selbst schafft dafür die Grundlage.“ Dasselbe trifft logischerweise aufgrund der parallelen Gestaltung auch auf V. 5 zu, hier sogar noch stärker, indem das Pneuma als Wirkmacht eingeführt wird. Damit wird ein wesentlicher Aspekt benannt, der die Unverfügbarkeit und damit Geschenkhaftigkeit des Geschehens betont. Den Geschenkcharakter betonen auch O. HOFIUS, Wunder, 50; M. T HEOBALD, Johannes, 249. Vgl. in diesem Sinne auch J. ZUM STEIN, Jean 1–12, 114f. 191 Mit U. SCHNELLE, Johannes, 83, kann der Geist als „Lebensprinzip“, „Wirkprinzip bzw. Schöpfermacht“ bezeichnet werden. J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 116, bezeichnet das Pneuma treffend als „l’intervention de Dieu dans le monde pour donner à ses créatures la vie authentique.“ Bedacht werden muss dabei mit C. K. B ARRETT, Johannes, 225, dass diese Aussagen zum Pneuma erst nach Jesu Tod und Auferstehung möglich sind.

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8c ἀλλ᾿ οὐκ οἶδας πόθεν ἔρχεται 8d καὶ ποῦ ὑπάγει· 8e οὕτως ἐστὶν πᾶς ὁ γεγεννηµένος ἐκ τοῦ πνεύµατος Das Joh stellt τὸ γεγεννηµένον ἐκ τῆς σαρκός und τὸ γεγεννηµένον ἐκ τοῦ πνεύµατος antithetisch gegenüber (V. 6a.c) und attestiert beiden einen entsprechenden Status: während der aus dem Fleisch Geborene Fleisch ist, ist der aus dem Geist Geborene Geist. Wie das Joh in den VV. 11–14 erklären wird, handelt es sich hierbei um einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen zwei Zugehörigkeits- bzw. Herkunftsbereichen, die hier auf den Menschen bezogen erläutert werden. Während der Mensch seiner kreatürlichen irdischen Herkunft nach σάρξ ist, ist der aus dem Geist Geborene πνεῦµα (6b.d).192 Eine Verstehenshilfe hierzu bietet Joh 1,13: οἳ οὐκ ἐξ αἱµάτων οὐδὲ ἐκ θελήµατος σαρκὸς οὐδὲ ἐκ θελήµατος ἀνδρὸς ἀλλ᾿ ἐκ θεοῦ ἐγεννήθησαν Demnach sind nach johanneischer Auffassung die aus dem Pneuma Geborenen ἐκ θεοῦ ἐγεννήθησαν und damit Kinder Gottes (Joh 1,12: τέκνα θεοῦ).193 „The begetting through Spirit (...) seems to be a reference to the outpouring of the Spirit through Jesus when he has been lifted up in crucifixion and resurrection (...). The resurrected Jesus speaks of the disciples as his brothers and tells them that his Father is now their Father because he breathes on them and they are recreated by the Holy Spirit they receive (...).“194 Die ‚aus Wasser und Geist Geborenen‘ gehören nicht länger der 192 R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 385, erklärt die hier vorliegende Antithese von ‚Fleisch‘ und ‚Geist‘ zutreffend folgendermaßen: „das ist kein innermenschlicher (platonischer) Dualismus von körperlich-sinnlicher und seelisch-geistiger Sphäre des Menschen, sondern der Gegensatz der menschlich-geschöpflichen, irdisch-vergänglichen Existenz und der absoluten, geistigen, unzerstörbaren Lebensmacht Gottes. Die σάρξ in diesem Sinne ist unfähig und untauglich, dem Menschen zu seinem wahren, eigentlichen, ewigen Leben zu verhelfen; das vermag nur das göttliche πνεῦµα (...).“ Schnackenburg verweist dazu auf Joh 6,63. Ganz ähnlich und fast zeitgleich R. E. B ROWN, John (i–xii), 141. 193 Auch U. SCHNELLE, Johannes, 80, und J. R. MICHAELS, John, 180, ziehen Joh 1,13 als Interpretationshilfe heran. Schnelle spricht davon, dass der Mensch „vom Geschöpf zum Kind Gottes“ (ebd.) werde, womit er T. P OPP, Grammatik, 114, rezipiert, der hier von einem „Wechsel der Existenzweise“ spricht. 194 R. E. BROWN, John (i–xii), 140. J. G. VAN DER W ATT, Salvation, 122–124, versucht die Geburt ‚von oben‘ im Kontext des antiken Familienverständnisses zu verorten: „According to ancient documents, the responsibilities of a child toward his / her parents were linked to the privilege of birth (...), while the parents also had responsibilities of

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Sphäre des Vergänglichen und des Todes an,195 sondern sind dadurch charakterisiert, dass sich ihre gegenwärtige Existenz einem aus Gott ‚Geboren-Werden‘ verdankt, wie es in der Taufe sinnlich erfahrbar wird,196 „so daß die mit ἐκ benannte Ursprungsbezeichnung (...) zugleich eine Wesensaussage darstellt.“197 Der Geist bringt die Menschen „in die Sphäre seiner eigenen Wirksamkeit“ und teilt „ihnen seine Eigenschaften“ mit.198 Der aus dem Geist Geborene „est dans le monde, sans plus lui appartenir.“199 Ebendieses Geschehen ist ein Widerfahrnis,200 das für den Menschen unergründbar bleibt, wie Joh mit Hilfe des Gleichnisses vom Wind erläutert, der weht, wo er will, und dessen ‚Stimme‘ der Mensch zwar hören kann, aber nicht weiß, woher er kommt und wohin er geht.201 Als aus Gott bzw. dem Geist Geborene sind die Menschen daher ‚von oben‘ geboren, da Gott im Kontext eines dreistöckigen Weltbildes und nach der johanneischen Raummetaphorik der himmlischen Welt zugehört, der auch der Geist angehört, da er von dort gesandt wird. Als aus Wasser und Geist Geborener hat der Mensch Zugang zur Königsherrschaft Gottes, die er sieht (V. 3: ὁράω) bzw. in die er hineingeht

loving and caring for their child. Birth was an important means of determining one’s identity (...) as well as honour.“ (A.a.O., 223.) Das führt bei VAN DER W ATT (a.a.O., 124.126f.) dazu, dass er insbesondere die mit der Geburt ‚von oben‘ verbundenen Folgen für die Lebensgestaltung und das Miteinander in der „Familie Gottes“ betont. 195 Vgl. dazu ganz ähnlich bereits J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 115, der meint, dass „la chair (σάρξ) caractérise l’être humain dans son caractère éphémère, dans ses possibilités intramondaines. (...). Ainsi, si l’être humain tient la sphère de la chair pour le seul fondement et le seul horizon de son existence, il est livré aux ténèbres et à la mort.“ Und auch J. R. MICHAELS, John, 186, hält fest, dass die aus dem Geist Geborenen Geist seien, „they ‚have eternal life‘ (compare vV. 15–16) and are consequently no longer mortal (compare 8 :51; 11 :26).“ Ebenso spricht O. HOFIUS, Wunder, 51, in Bezug auf ‚Fleisch‘ vom „Bereich einer dem Tod verfallenen heillosen Existenz“. 196 Ein Bezug zur Taufe fehlt, wenn ‚Wasser und Geist‘ als Hendiadyoin interpretiert werden. Dem wird nicht gefolgt, vgl. aber dazu die Diskussion der Argumente für eine solche Deutung bei O. HOFIUS, Wunder, 49f., der beide Interpretationen für möglich hält. 197 U. SCHNELLE, Johannes, 82f. Vgl. ähnlich auch O. HOFIUS, Wunder, 51. M. THEOBALD, Johannes, 249, spricht von einem „vorgängigen Sein“. Vgl. weiter a.a.O., 252. 198 C. K. B ARRETT, Johannes, 232. 199 J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 116. 200 Auch O. HOFIUS, Wunder, 52, spricht von „Widerfahrnis“. 201 Vgl. zur Unergründbarkeit bzw. Verborgenheit des Geschehens der geistlichen Geburt R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 387, und in dessen Rezeption M. T HEOBALD, Johannes, 253f. Vgl. weiter C. K. B ARRETT, Johannes, 232; O. HOFIUS, Wunder, 52; F. C. MOLONEY, John, 93. Das Bild vom „Wind als Veranschaulichung der Unbegreiflichkeit des göttlichen Waltens“ (so M. THEOBALD, Johannes, 254) wird ebenfalls verwendet in Koh 11,5; Sir 16,21; 4 Esr 4,5f.10f.

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(V. 5: εἰσέρχοµαι).202 Mit diesen Verben spannt das Joh einen Bogen von den Zeichen Jesu, die viele sahen und glaubten (vgl. 2,23: πολλοὶ ἐπίστευσαν εἰς τὸ ὄνοµα αὐτοῦ θεωροῦντες αὐτοῦ τὰ σηµεῖα ἃ ἐποίει), hin zu der christologischen Aussage, dass jeder, der glaubt, in ihm ‚ewiges Leben‘ habe (V. 15).203 Damit gestaltet das vierte Evangelium einen sich steigernden Spannungsbogen, innerhalb dessen es seine Leserinnen und Leser zur Erkenntnis Jesu als Geber und Gabe des Heils zugleich hinführt.204 Aus der Zusammenschau von Joh 3,3.5f. mit Joh 1,13 lässt sich als Verständnis für die Geburt ‚von oben‘ ‚aus Wasser und Geist‘ festhalten, dass es sich hierbei um ein geistgewirktes Geschehen handelt, das eine pneumatische Existenz der Glaubenden bewirkt. Sie sind nun „neue Schöpfung“.205 Sinnlich erfahrbar wird dieses Schöpfungsgeschehen im Akt der Taufe, mit dem ein qualitativer Bruch206 zur vorherigen Existenz des Menschen markiert wird, denn nun ist er ein aus Gott Gezeugter. Daraus kann vor dem Hintergrund des johanneischen Glaubenssummariums gefolgert werden, dass für den aus Wasser und Geist Geborenen seine physische Kreatürlichkeit, die sowohl den Aspekt seiner Abstammung und seines Werdens als auch seinen leiblichen Tod umfasst, bedeutungslos geworden ist. Denn der Tod kann dem aus Gott Gezeugten nichts mehr anhaben, da seine Existenz durch den lebendig machenden Geist bestimmt ist. Wichtig ist dabei, dass diese Neuschöpfung207 in absoluter Diskontinui-

202 Darin stimmt das Joh mit der Terminologie der Synoptiker überein. Vgl. zum ‚Sehen‘ des Reiches Gottes Lk 9,27 und zum ‚Hineingehen‘ Mk 9,47; Mt 5,20; Lk 23,42 u.ö. Vgl. dazu auch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 113 mit Anm. 24. 203 Vgl. hierzu M. THEOBALD, Johannes, 248, der das ‚Sehen‘ in V. 5 als „kräftigen Kontrapunkt“ zum ‚Sehen‘ der Zeichen in 2,23 deutet, auf die Nikodemus in 3,2 anspielt. Damit verweise der Evangelist darauf, dass sich das „‚Sehen des Gottesreiches‘ (bzw. jetzt besser nicht-räumlich: das Sehen des Herr- und Königseins Gottes) nur auf Jesus und seine Person selbst beziehen: auf das gläubige Wahrnehmen (vgl. 6,40) dessen, dass in und mit ihm Gottes Wirklichkeit selbst Raum greift.“ 204 Damit ist bereits in Joh 3 präsent, was im ‚Lebensbrot-Dialog‘ in Joh 6 breit entfaltet wird. 205 So auch der Gedanke bei C. K. B ARRETT, Johannes, 228, der zur Thematik des Gezeugtseins in Joh 3 festhält: „Die Neuheit und Diskontinuität werden in bewundernswerterweise durch die neue Terminologie eindrücklich gemacht.“ 206 Vgl. dazu die Ausführungen zu den sozialen Folgen der Taufe bei M. THEOBALD, Johannes, 249: „Sozial erfuhren die Konvertiten sie (sic. die Taufe) als tiefen Einschnitt in ihrem Leben. In die Gemeinde Jesu einzutreten, schloss für sie den Bruch mit der eigenen Vergangenheit ein, den Bruch mit dem religiösen Milieu, aus dem sie stammten wie mit den Menschen – Verwandten und Freunden –, die sie bis dahin begleiteten.“ 207 Von Neuschöpfung spricht U. SCHNELLE, Johannes, 83, unter Verweis auf 2 Kor 3,17; 5,17. Ebenso verweist O. HOFIUS, Wunder, 75, auf 2 Kor 5,17. Den Terminus Neuschöpfung verwendet auch M. THEOBALD, Johannes, 253: „radikale Neuschöpfung aus göttlichem Lebensgeist“. Und bereits zuvor R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 383:

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tät zum vorherigen Sein des ‚von oben‘ Geborenen steht, da es sich um die spirituelle Neuschöpfung des Menschen handelt, der in seinem geschöpflichen So-Sein ‚fleischlich‘ ist. Daher legt sich die Annahme nahe, dass das γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος den Tod des ,alten Menschen‘ inkludiert und einen „radikalen Existenzwandel“208 umfasst. Diese Deutung wird gestärkt durch die Argumentation der VV. 13–15,209 die in dem begründenden V. 16 kulminiert.210

„Neuschaffung durch den Geist Gottes“. Vgl. weiter T. POPP, Grammatik, 115: „göttliche Neuschaffung“. 208 M. THEOBALD, Johannes, 253. 209 Auf eine ausführliche Diskussion der VV. 11f. kann hier verzichtet werden. Verwiesen sei auf U. SCHNELLE, Johannes, 84, der hierin das nachösterliche Zeugnis der joh Gemeinde erkennt, die zum Ausdruck bringt, dass sie Jesu Rede versteht. In diesem Sinne verstehen auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 389; C. K. B ARRETT, Johannes, 232; F. C. MOLONEY, John, 94; M. T HEOBALD, Johannes, 256, und J. ZUMSTEIN, Jean 1– 12, 117, den Plural in V. 11 und 12. Anders R. E. BROWN, John (i–xii), 132, der vermutet, dass „Jesus picks up the ‚we know‘ from v. 2 and turns it against Nicodemus.“ Das nimmt auch O. HOFIUS, Wunder, 57, an. Er vermutet, dass Jesus dem menschlichen Wissen die Offenbarung seines „Persongeheimnis(ses)“ entgegensetzt. Den Plural deutet er mit der „Figur der Heterosis“ als Singular. Für die Deutung von τὰ ἐπίγεια und τὰ ἐπουράνια (V. 12) wird in dieser Studie U. SCHNELLE, Johannes, 84, gefolgt: „Handeln die ‚irdischen Dinge‘ vom Eintritt des Menschen in die Heilssphäre, so die ‚himmlischen Dinge‘ vom Wirken des Offenbarers, das in V. 13–21 geschildert wird.“ Ganz ähnlich wie bei Schnelle ist auch die Argumentation bei O. HOFIUS, Wunder, 58, der seine Deutung mit der Sprachgestalt von V. 12 begründet: V. 12a sei ein Realis, der anzeige, dass Jesus über das ‚Irdische‘ bereits gesprochen habe, so dass Hofius hierzu auf die VV. 3b.5b–8 verweist. Bei V. 12b hingegen handelt es sich um einen Eventualis, so dass das ‚Himmlische‘ auf den Inhalt der VV. 13ff. zu beziehen sei. Noch pointierter argumentiert J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 117f., der die Rede von τὰ ἐπίγεια mit der Frage verbindet: „comment l’être humain accède-t-il au salut?“, und die Rede von τὰ ἐπουράνια mit der Frage: „comment le salut vient-il à l’être humain?“. Anders deutet F. C. MOLONEY, John, 94, die Rede von „den irdischen Dingen“. Er möchte darin eine Anspielung an die Vorstellung „of a life ‚in the Spirit‘“ erkennen, wie sie der ‚Lehrer Israels‘ aus der Überlieferung kennen sollte: Jes 40,7; 44,3; 59,21; Ez 11,19f.; 36,26f.; 1QS 3,13–4,26 u.ö. Der Fokus dürfte allerdings bei der Erwähnung von ‚Wasser und Geist‘ in Joh neben der nicht zu bestreitenden Bedeutung der alttestamentlichen und frühjüdischen Tradition darauf liegen, dass sich nach joh Darstellung in Jesus erfüllt, was der Täufer in 1,26.33 verkündigte und was den Unterschied zwischen Jesus und dem Täufer markiert. Damit geht es um die christliche Taufe im Unterschied zur Johannestaufe (vgl. dazu C. K. BARRETT, Johannes, 230, auch wenn dessen Taufdeutung nicht gefolgt wird). 210 Ähnlich M. T HEOBALD, Johannes, 243, der die begründende Konjunktion γάρ in V. 16 als Signal dafür bewertet, „dass jetzt eine Explikation dessen erfolgt, was Pointe des voranstehenden Menschensohn-Worts ist“. So auch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 121.

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2.2.2 Glauben und ‚ewiges Leben‘ (Joh 3,13–16) In den VV. 13–15 gibt das Joh eine Antwort211 auf die letzte Frage des Nikodemus, die er in Bezug auf das γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος gestellt hatte: πῶς δύναται ταῦτα γενέσθαι (V. 11)? Dazu greift das Joh die Raum-Metaphorik auf, wie sie sich in der Rede eines ‚Geboren-Werdens von oben‘ fand, bezieht diese nun aber auf den johanneischen Jesus. 13a καὶ οὐδεὶς ἀναβέβηκεν εἰς τὸν οὐρανὸν 13b εἰ µὴ ὁ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καταβάς, ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου. 14a Καὶ καθὼς Μωϋσῆς ὕψωσεν τὸν ὄφιν ἐν τῇ ἐρήµῳ, 14b οὕτως ὑψωθῆναι δεῖ τὸν υἱὸν τοῦ ἀνθρώπου, 15a ἵνα πᾶς ὁ πιστεύων ἐν αὐτῷ ἔχῃ ζωὴν αἰώνιον. 16a οὕτως γὰρ ἠγάπησεν ὁ θεὸς τὸν κόσµον, 16b ὥστε τὸν υἱὸν τὸν µονογενῆ ἔδωκεν, 16c ἵνα πᾶς ὁ πιστεύων εἰς αὐτὸν µὴ ἀπόληται 16d ἀλλ᾿ ἔχῃ ζωὴν αἰώνιον So erscheint Jesus als der Menschensohn, der in seiner Inkarnation einst ὁ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καταβάς (13b) war und nun als einziger in den Himmel hinaufgestiegen ist und dort als der nachösterlich Erhöhte verweilt.212 Da211

So mit R. E. BROWN, John (i–xii), 145; J. FREY, Eschatologie III, 260, sowie J. ZUMSTEIN, Jean, 120. 212 So mit R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 406f., der seine Deutung mit der Verwendung des Menschensohn-Titels bei Joh sowie mit der sehr gut bezeugten textkritischen Variante ο εν τω ουρανω begründet; ganz ähnlich auch C. K. B ARRETT, Johannes, 234; vgl. weiter U. SCHNELLE, Johannes, 85. Anders O. HOFIUS, Wunder, 60 Anm. 122, der das Perfekt ἀναβέβηκεν im Sinne einer „Feststellung“ verstehen möchte, und J. R. M ICHAELS, John, 196, der in der Rede vom Hinaufsteigen keine nachösterliche Perspektive erkennt, sondern stattdessen annimmt, dass lediglich eine Aussage über den joh Jesus vorliege, der „both an ‚ascending‘ and a ‚descending‘ Son of man“ (a.a.O., 197) sei. Dies vermag, ebenso wenig wie seine Überlegungen, wann der joh Jesus zwischen Joh 1 und 3 in den Himmel hinaufgestiegen sei, zu überzeugen. Allerdings kann MICHAELS, John, 194, zu seiner Beobachtung zugestimmt werden, dass die Rede vom Auf- und Absteigen des Menschensohnes anzeige, weshalb der joh Jesus autorisiert sei, über die ‚himmlischen Dinge‘ zu sprechen: Sie ist „a statement about his unique relationship to God.“ Dabei nimmt er Joh 1,18.51 als Interpretationshilfe in Anspruch. Anders M. THEOBALD, Johannes, 260, der das Perfekt nicht auf Jesus bezieht. S.E. zeigt das Perfekt lediglich an, „dass bislang niemand Einlass in die himmlische Welt erhalten hätte.“ Er möchte damit einen Widerspruch zu der zukünftigen ‚Erhöhung‘ vermeiden, da er einen „vorösterlichen Standort des Sprechers“ (a.a.O., 260) postuliert. Jüngst vertreten M. N. P IERCE und B. E. REYNOLDS, Perfect Tense-Form, eine präsentische Deutung des Perfekts mit der Begründung: „When the verbal aspect of ἀναβέβηκεν is considered primary (and not the time value), the ‚problem‘ of the perfect is removed. The grammatical arguments of verbal aspect and the relative time value of the participle καταβάς make it reasonable to translate ἀναβέβηκεν with a present time value and thus conclude that Jesus, the Son of

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

mit ist die Perspektive nun eindeutig nachösterlich geprägt.213 Im folgenden V. erhält diese Bewegung des Hinab- und Heraufsteigens eine soteriologische Deutung,214 indem die erst infolge der Menschwerdung Jesu mögliche Erhöhung als Kreuzigung und Rückkehr zum Vater in Analogie gesetzt wird zur Erhöhung der ehernen Schlange durch Mose. Die Analogie, die hier gezogen wird, bezieht sich auf die Erhöhung und die Gabe des Lebens (Num 21,8f.).215 Letzteres betont der durch die Konjunktion ἵνα

Man, did not ascend prior to his descent nor must ἀναβέβηκεν indicate a past ascent“ (a.a.O., 155). 213 J. FREY, Eschatologie III, 286, nimmt an, dass die VV. 11–21 insgesamt „weithin aus der nachösterlichen Retrospektive“ das Christusereignis zum Ausdruck bringen. Er macht dies an drei Punkten deutlich: der Rede von der Erhöhung (V. 14), der Hingabe (V. 16) sowie der Sendung (V. 17) des Sohnes. 214 Vgl. R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 405: „Der ,Menschensohn‘ hat seinen Weg der Katabasis auf diese Erde und der Anabasis in die himmlische Welt nicht für sich selbst unternommen, sondern um Gottes universale Heilsabsicht für die todverfallene Welt zu verwirklichen.“ 215 So auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 408.410; J. FREY, Eschatologie III, 277; vgl. aber weiter DERS., Mose, 122, der auch das Motiv des ‚Sehens‘ als Form der Heilsvermittlung als Analogie für möglich hält; M. T HEOBALD, Johannes, 262, sowie F. C. MOLONEY, John, 101, der allerdings zu Recht erwähnt, dass das ‚Sehen‘ hier durchaus einen weiteren Vergleichspunkt bilden könnte (was M. T HEOBALD, Johannes, 263, ausdrücklich ablehnt). Dies erwägt zwar auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 408, mit Verweis auf Joh 19,37, lehnt jedoch ab, dass das Motiv des Sehens für „eine Theorie über das, was ‚glauben‘ heißt, ausgenutzt werden“ dürfe. Wenngleich Schnackenburgs Zurückhaltung gegenüber einer Theoriebildung zum Glauben zugestimmt werden kann, ist dennoch bemerkenswert, dass vom Sehen der Zeichen (2,23) hin zum Sehen der Gottesherrschaft (3,3) ein Bogen gespannt wird, der mit der Anspielung auf Num 21,8f. und der damit verbundenen kreuzestheologischen Deutung in den folgenden Versen durchaus einen Weg bereitet zu Joh 19,37 als Zitat aus Sach 12,10 über 9,37 bis hin zu 20,25. Damit würde in Joh 3,14 antizipiert, dass das ‚glaubende Sehen‘ erst im Blick auf den auferstandenen Gekreuzigten zum Ziel kommt. Den Bezug zu Joh 19,37 hält auch J. FREY, Eschatologie III, 278, für möglich, wenngleich er anders als die hier vertretene Ansicht ἰδεῖν und πιστεύειν an dieser Stelle explizit nicht aufeinander bezieht. J. R. MICHAELS, John, 197, sieht den Vergleich zunächst in der Erhöhung, gesteht allerdings wenig später zu, dass „the only real correspondence is between the verb ‚live‘ in Numbers and ‚eternal life‘ in John“ (a.a.O., 199), wobei er zu Recht betont, dass sich ‚leben‘ in Num auf die Heilung beziehe, während im Joh die soteriologische Gabe des ‚ewigen Lebens‘ thematisiert werde. J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 120, möchte neben der Erhöhung und dem soteriologischen Aspekt noch das ‚δεῖ‘ als Analogie herausstellen, was nicht grundsätzlich gegen den Text von Num 21,8 spricht, ihm aber auch nicht notwendigerweise zu entnehmen ist. Anders O. HOFIUS, Wunder, 61f., demzufolge „der Vergleichspunkt ausschließlich die von Gott selbst angeordnete und mithin notwendige ‚Erhöhung‘ ist, die zur Rettung derer geschieht, die um ihrer Sünde willen rechtens dem Tod verfallen sind.“ Er steht inhaltlich jedoch trotz der Einengung auf die ‚Erhöhung‘ mit dem Verweis auf die soteriologische Bedeutung derselben den übrigen Ansätzen nahe. Ähnlich C. K. B ARRETT,

2. Glauben und Leben in Joh 3

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eingeleitete Finalsatz, der als Ziel der sich unter dem göttlichen δεῖ216 stehenden Erhöhung des Menschensohns das ‚ewige Leben‘ nennt. Empfangen wird diese jedem zugängliche – darauf verweist das Adjektiv πᾶς (V. 15a) – soteriologische Gabe gegenwärtig im Glauben.217 Ihren Ermöglichungsgrund bilden das Sterben und Auferstehen Jesu respektive seine Rückkehr zum Vater.218 Diese Deutung von ὑψόω ergibt sich aus dem Kontext, aus dem geschlossen werden kann, dass, wenngleich „mit der ‚Erhöhung‘ auch die Kreuzigung gemeint ist, (...) diese in der joh. Sicht doch eine theologische Hintergründigkeit, die den Gedanken der ‚Verherrlichung‘ schon impliziert“219, erlangt. Denn wenn bedacht wird, dass die Erhöhnung die Begründung dafür ist, dass ein Mensch aus ‚Wasser und Geist‘ geboren wird und das Pneuma nach Joh eine nachösterliche Gabe darstellt, dann legt es sich nahe, die Auferstehung respektive die Rückkehr Jesu zum Vater in der Rede von der Erhöhung Jesu mitzuhören.220 Johannes, 234. Auch H. WEDER, Asymmetrie, 441, betont, dass sich der Vergleich primär auf die Erhöhung beziehe, dem der der Rettung untergeordnet sei. 216 Dass dieses δεῖ (vgl. auch Joh 12,34) dem in Mk 8,31 und damit der synoptischen Leidensankündigung gleichkommt, vertreten auch R. E. B ROWN, John (i–xii), 146; K. B ARRETT, Johannes, 234; O. HOFIUS, Wunder, 62; U. SCHNELLE, Johannes, 86; J. FREY, Eschatologie III, 277; J. R. MICHAELS, Gospel, 198. 217 Vgl. zur Bedeutung des Glaubens als Empfangsmodus für die Geburt ‚von oben‘ O. HOFIUS, Wunder, 59. Treffend verweist er darauf, dass das ‚ewige Leben‘ aus dem Glauben an den „Gekreuzigten“ empfangen wird, wobei zu ergänzen ist: an den Gekreuzigten und Auferstandenen. Hofius will für die VV. 13–17 eine chiastische Struktur erkennen, die jedoch nur bedingt vorliegt, wenn man die Erhöhung nicht allein auf den Kreuzestod, sondern auch auf die Auferstehung und Rückkehr Jesu zum Vater bezieht, ohne dass damit eine Identifizierung der verschiedenen Heilsakte vorgenommen wird, wogegen sich O. HOFIUS, Wunder, 62, wiederum zu Recht wehrt. 218 O. HOFIUS, Wunder, 59, spricht hier zutreffend von einer „christologischen“ Begründung. Vgl. weiter R. E. BROWN, John (i–xii), 146: „When Jesus will be lifted up in crucifixion and ascension, his communication of the Spirit will constitute a flowing source of life for those who believe in him“. Siehe auch J. FREY, Eschatologie III, 279. 219 R. SCHNACKENBURG, Johannesevangelium 1–4, 409, mit Hinweis auf Jes 52,13. Vgl. weiter F. C. MOLONEY, John, 101, der ganz ähnlich wie Schnackenburg auslegt. Auf Jes 52,13 verweisen zudem R. E. BROWN, John (i–xii), 146; C. K. B ARRETT, Johannes, 234; J. R. MICHAELS, John, 198f. 220 O. HOFIUS, Wunder, 59, lässt die Rückkehr zum Vater zunächst außer Acht, wenn er die Rede von der Erhöhung ausschließlich auf den Kreuzestod Jesu bezieht (so auch J. FREY, Eschatologie III, 277). Eine Korrektur dessen nimmt er selber vor, O. HOFIUS, Wunder, 78. Vgl. auch a.a.O., 74, wo er erwähnt, dass das Joh die Inkarnation hierbei mitdenke, allerdings liegt m.E. der Akzent der VV. 14–16 auf der Kreuzigung und Auferstehung Jesu respektive seiner Rückkehr zum Vater (so auch R. E. BROWN, John [i–xii], 146), deren sachliche Voraussetzung die Inkarnation Jesu bildet (vgl. auch M. THEOBALD, Johannes, 258, der die ‚Erhöhung‘ als „Rückkehr in den Himmel“ bezeichnet und in „der Rede vom ‚Erhöht-Werden‘ Tod und Auferstehung Jesu“ [a.a.O., 263] thematisiert sieht). Auch J. R. MICHAELS, John, 199f., bezieht das Verb ὑψόω auf die notwendige

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

V. 16 greift den Aspekt der Hingabe221 Jesu als Ermöglichungsgrund des ‚ewigen Lebens‘ noch einmal auf.222 Erneut wird auf diese als vergangenes Geschehen zurückgeblickt, wie der Aorist des Verbes δίδωµι in V. 16b zeigt. Als Agens dieser Hingabe erscheint nun Gott, und als Movens der Hingabe des einziggeborenen Sohnes wird die Liebe223 Gottes Kreuzigung und Auferstehung. Dagegen will U. SCHNELLE, Johannes, 85, die Erhöhung ausschließlich auf die Kreuzigung bezogen verstanden wissen, verweist aber zugleich auf die spezifisch joh Relation von Erhöhung und Verherrlichung (a.a.O., 86). 221 Dass das Verb auf die Hingabe Jesu am Kreuz zu beziehen ist, vertreten auch H. W EDER, Asymmetrie, 446; O. HOFIUS, Wunder, 65; J. FREY, Eschatologie III, 286– 288; J. R. MICHAELS, John, 202. J. FREY, Eschatologie III, 287, gelingt es anhand der Verwendung des Verbes im Joh im Vergleich mit der Benutzung des Kompositums παραδιδόναι sowie durch Berücksichtigung von Joh 3,17 und 1 Joh 4,9f. nachzuweisen, dass in 3,16 nicht die Sendung bzw. Menschwerdung Jesu, sondern dessen Kreuzestod thematisiert wird. Er selber positioniert sich allerdings im Folgenden (a.a.O., 288) vorsichtiger, wenn er es für möglich hält, „daß der Evangelist eine Formulierung wählte, die zwischen der Kreuzesaussage V. 14f. und der Sendungsaussage V. 17 zu vermitteln und beide Sachverhalte zusammenzufassen vermochte.“ Dennoch plädiert auch Frey (a.a.O., 288) dafür, in 3,16 „eine primär kreuzestheologische Intention“ zu vermuten. Auch F. C. MOLONEY, John, 101, nimmt an, dass „the broader context of vV. 13–15, leading into V. 16, certainly provides a message of God’s love and the cross as the gift of the Son.“ Er folgt hierin der Deutung bei R. E. B ROWN, John (i–xii), 147. Mit J. R. MICHAELS, John, 202, kann gesagt werden: „The ‚giving‘ includes all that the ‘sending’ does and more, for in sending his ‚One and Only‘ into the world, God gave him up to death on a cross.“ Dagegen bezieht U. SCHNELLE, Johannes, 86f. mit Anm. 94, das Verb δίδωµι auf „die Inkarnation und Sendung des Sohnes“, zu der auch der Kreuzestod gehört. Dass hier die Sendung des Sohnes thematisiert werde, sieht Schnelle durch einen Vergleich von V. 16 mit Röm 8,32 sowie von V. 17 mit Gal 4,4; Röm 8,3; 1 Joh 4,9f.14 begründet (a.a.O., 86). Als traditions- und religionsgeschichtlichen Hintergrund verweist er mit Hinweis auf Sap 9,9f.17; Sir 24,4.12ff; Philo agr. 51 „auf die jüdisch-hellenistische Weisheitsliteratur“ (a.a.O., 87). Auch M. T HEOBALD, Johannes, 270f., möchte das Verb nicht allein, sondern auch auf den Kreuzestod beziehen, was dann zur Folge hat, dass er unter anderem Joh 6,32 nicht kreuzestheologisch deutet. Einen „Mittelweg“ geht auch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 121, der allerdings annimt, dass „le croix est le point culminant“ bei der Gabe des Sohnes, zu der auch dessen Sendung in die Welt gehört. 222 O. HOFIUS, Wunder, 63, deutet den Kreuzestod als „Geschehen heiligender Sühne“. So auch T. KNÖPPLER, Sühne, 244f., und J. FREY, „theologia crucifixi“, der allerdings in einem späteren Artikel (DERS., Tod) weitere Deutungsaspekte des Todes Jesu im Joh herausarbeitet. Dass der Begriff Sühne nicht ohne Weiteres als Deutekategorie mit dem Textbefund überein gebracht werden kann, zeigt auch J. SCHRÖTER, Sühne, auf. 223 Dabei weisen die beiden Aoriste ἠγάπησεν und ἔδωκεν darauf hin, dass sich diese Liebe im Geschehen des Kreuzestodes Jesu manifestiert hat, als „un acte historique unique“ (J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 121). Vgl. weiter O. HOFIUS, Wunder, 64. Zur Bedeutung des Liebesmotivs in Joh 3,16 vgl. J. FREY, Eschatologie III, 288f. H. WEDER, Asymmetrie, 442, betont zu Recht, dass in V. 16 die Liebe Gottes das δεῖ aus V. 14 erkläre: „Was vorher mit einem blossen ‚Müssen‘ beschrieben wurde, das zugleich die weltliche Unbegreiflichkeit und die Unvermeidbarkeit des Kreuzestodes zum Ausdruck bringt, wird jetzt mit Rückgriff auf die Liebe Gottes begründet.“

2. Glauben und Leben in Joh 3

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zum Kosmos angeführt,224 bevor in einem weiteren Finalsatz erneut und in universaler Weite225 das Ziel der Hingabe des Sohnes formuliert wird: damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde gehe,226 sondern das ewige Leben habe (V. 16c.d).227 Diesen Leben eröffnenden johanneischen Glauben hat Zumstein zutreffend beschrieben als „confession de la présence aimante et créative de Dieu“ im johanneischen Jesus.228 Zwei Dinge fallen auf: Zum einen die raum-metaphorische Analogie,229 die zwischen der Erhöhung Jesu und dem ‚Geboren-Werden von oben‘ der Glaubenden gezogen wird, und die im Glauben konstituierte personale Relation230 zu Jesus, in der der Glaubende Leben hat ἐν αὐτῷ231 (V. 15a), 224

So konstatiert O. HOFIUS, Wunder, 59, zutreffend: „Das erste Satzpaar (V. 13 und 14f.) hat den Menschensohn und seinen Weg zum Thema, das zweite Satzpaar (V. 16 und V. 17) Gott und sein Handeln in seinem Sohn.“ Vgl. zum Handeln des Vaters auch R. E. BROWN, John (i–xii), 147. 225 Auch J. FREY, Eschatologie III, 288, betont die Liebe und den Universalismus, der in 3,16 zum Ausdruck kommt. 226 Zu Recht betont J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 122, „que tout être humain sans exception se trouve dans la perdition (πᾶς ... ἀπόληται).“ Vgl. weiter M. T HEOBALD, Johannes, 271. 227 O. HOFIUS, Wunder, 66, trägt dagegen mit seiner Deutung an dieser Stelle einen Prädestinatianismus in das joh Denken ein und will damit die Wendung πᾶς ὁ πιστεύων εἰς αὐτόν (V. 16c) als Erläuterung zum Kosmos-Begriff verstehen. Demnach sei der Kosmos, dem die Liebe Gottes gilt, „nicht die gesamte Menschheit in ihrer numerischen Totalität, sondern es sind jene, die der Vater dem Sohn ‚aus der Welt gegeben hat‘ (17,6; vgl. 15,19)“. Kritisch in Frage zu stellen ist sowohl die Annahme einer Prädestination bei Joh, wenn nicht bedacht wird, wie es historisch bedingt zu solchen Aussagen gekommen sein soll, als auch damit verbunden die Frage nach dem joh Glaubensverständnis. Selbst wenn das vierte Evangelium die Notwendigkeit des Pneumas beim Akt der Geburt ‚von oben‘ sowie die Unmöglichkeit auf Seiten des Menschen, in das Reich Gottes einzugehen und damit ein passives Glaubensverständnis und das Geschenkhafte der Neuschöpfung formuliert, so versteht es dennoch den Unglauben als Akt aktiver Ablehnung (vgl. 3,19f.; vgl. hierzu F. C. MOLONEY, John, 102, der von „self-judgment“ spricht) und sich selber als Zeugnis, das zum Glauben führen will. Hier zeigt sich, dass an das Joh nicht der Anspruch herangetragen werden darf, dogmatische Topoi wie Glaube und Prädestination stringent durchzubuchstabieren und diesen zu entsprechen. Vgl. auch die Kritik an Hofius bei U. SCHNELLE, Evangelium, 88; M. T HEOBALD, Johannes, 270; J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 121f. mit Anm. 73. Vgl. als differenzierte Argumentation zu Prädestinatianismus und Liebesmotiv die Überlegungen bei J. FREY, Eschatologie III, 288–290.297 sowie insbesondere 300; J. R. MICHAELS, John, 204. 228 J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 122, wobei hier anders als bei Zumstein nicht von der Leben spendenden Kraft Jesu von Nazareth (a.a.O., 122: „dans la personne de Jésus de Nazareth“), sondern aufgrund der nachösterlichen Perspektive von der Leben spendenden Kraft des Auferstandenen joh Jesus gesprochen werden soll. 229 So bereits M. T HEOBALD, Johannes, 258. 230 Vgl. dazu H. WEDER, Asymmetrie, 451, der festhält, dass die „Relation des Glaubens zu Gott (...) Lebendigkeit in sich trägt.“

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

„d.h. in der bleibenden Gemeinschaft mit ihm“232. Beide Beobachtungen tragen dazu bei, die zuvor angenommene Überlegung zu bestätigen, dass die Geburt ‚von oben‘ das Sterben des „alten Menschen“ beinhalte. Denn es zeigt sich, dass Jesus zum Lebensspender für die Glaubenden aufgrund seiner Erhöhung wird, die die Heilsakte der Inkarnation sowie die Heilsakte seines Sterbens und Auferstehens und seiner Rückkehr zum Vater umfasst. Im Glauben an ihn (Verb + Präposition εἰς + Akkusativobjekt [hier pronominal: αὐτόν]) entsteht eine Bindung an den johanneischen Jesus, die den Glaubenden analog zum paulinischen ἐν Χριστῷ in den „Lebens- und Heilsraum“233 Jesu integriert, so dass er Leben hat in ihm (V. 15a).234 Diese im Glauben konstituierte und an den Tod und die Auferstehung Jesu gebundene Relation zwischen Jesus und den Glaubenden, die zum Besitz des ‚ewigen Leben‘ führt, kann als weiteres Argument dafür dienen, dass die Geburt ‚von oben‘ den Tod des „alten Menschen“ umfasst. Denn wenn die durch Glauben konstituierte Bindung an Jesus derart eng an dessen Sterben und Auferstehung gebunden ist,235 dann erscheint es sehr plausibel, dass der Mensch im Glauben nicht allein an Jesu Leben partizipiert, sondern ebenso an dessen Tod. Diese Deutung ist umso plausibler, wenn bedacht wird, dass mit Joh 3,16 die Hingabe im Sterben eine besondere Akzentuierung erhält. Mit dieser Beobachtung verbindet sich eine weitere: In Joh 3 wird die Rede von der βασιλεία τοῦ θεοῦ abgelöst durch das ‚ewige Leben‘, das die Glaubenden ‚in Christus‘ haben. Und ebendieser ist es, der erst wieder innerhalb der Passionserzählung und letztlich als Gekreuzigter als

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Die Wortstellung legt nahe, den Präpositionalausdruck ἐν αὐτῷ auf das Verb πιστεύω zu beziehen. Da allerdings πιστεύω bei Joh nie mit ἐν + Dativobjekt konstruiert wird, hingegen die Vorstellung einer reziproken Immanenz von Jesus und Glaubenden im vierten Evangelium belegt ist (vgl. dazu Joh 6,56; 15,4–10) und der joh Jesus ‚Leben in sich hat‘ (vgl. 1,4; 5,26), lebendig macht (5,21) und von sich selber als ‚der Auferstehung und dem Leben‘ spricht (11,26; vgl. weiter 14,6 sowie ferner 8,12), erscheint es geboten, ἐν αὐτῷ auf ἔχῃ ζωὴν αἰώνιον zu beziehen. So auch J. R. MICHAELS, John, 199f.; vgl. weiter R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 410; C. K. BARRETT, Johannes, 235; J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 121. 232 O. HOFIUS, Wunder, 64. Ganz ähnlich R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 410, der von einer „Aufnahme in seine (sic. Jesu) Lebensgemeinschaft“ spricht sowie von einer „personalen Relation und Partizipation“ (DERS., Johannes 5–12, 438). U. SCHNELLE , Johannes, 86, redet von einer „Gemeinschaft mit Gott“. 233 R. FELDMEIER, Macht, 97. Vgl. weiter O. HOFIUS, Wunder, 63, dass Jesus in seinem Tod „die von Gott Getrennten mit sich selbst und eben darin mit dem Vater (12,24.32; 17,19)“ verbinde. 234 Vgl. J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 121, der das ‚ewige Leben‘ als „vie en pleinitude“ bezeichnet und anmerkt, dass dieses Leben „est inséparable de l’appartenance au Christ“. 235 Vgl. R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 410.

2. Glauben und Leben in Joh 3

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βασιλεύς236 bezeichnet wird. Daraus kann gefolgert werden, dass der Glaubende Zugang zum Reich Gottes bzw. zum ‚ewigen Leben‘ durch den Tod Jesu hat. Damit jedoch ergibt sich noch ein weiterer Deutungsaspekt für das Sterben des „alten Menschen“ im geistgewirkten Akt der Geburt ‚von oben‘. So beinhaltet die Vorstellung eines Mit-Jesus-Mitsterbens das Sterben gegenüber der Sünde. Diese Annahme wird gestützt durch folgende Textbeobachtungen: Nach Joh 3,18 wird der ‚von oben‘ Geborene nicht gerichtet werden, weil er an den Namen des einziggeborenen Sohnes geglaubt hat. Dieses Geschehen wird beschrieben als ein Zum-Licht-Kommen (vgl. V. 20b, dort negativ formuliert) und als Gehorsam gegenüber dem Sohn (vgl. V. 36, ebenfalls negativ formuliert). Das Gericht wiederum ist nach Joh im Unglauben begründet (V. 18c), der ein Verbleiben in der Finsternis ist (VV. 19c.20ab), vom Leben ausschließt und sich im „Tun böser Werke“237 niederschlägt.238 Nach Joh 3,36 bleibt auf demjenigen, der gegen236

Vgl. Joh 12,13.15; 18,33.37.39; 19,3.14f.; 19,19 und negativ in 19,21. Vgl. darüber hinaus die Aussage im Mund Nathanaels Joh 1,49 und den Vorverweis in 6,15. Interessant bei Letzterem ist, dass Jesus hier mit dem Hinweis darauf, dass das Passa nahe war (Joh 6,4) im Kontext der Lebensbrotrede als Passalamm gezeichnet wird, das nach 1,36 das Lamm Gottes ist, das die Sünde der Welt trägt. Dieser Zusammenhang ist bei den folgenden Aussagen zum Gericht und dem Zorn Gottes (Joh 3,17–21.36) zu bedenken. 237 Die Wendungen φαῦλα πράσσειν und ἔργα πονηρά (VV. 19f.) sind mit J. FREY, Eschatologie III, 299, – aufgrund des Vergleichs mit Joh 6,28f. als positivem Gegenbeispiel – als „Ausdruck der sündigen Grundausrichtung“ zu verstehen und zugleich im Horizont eines Gerichts nach Werken auch ethisch auszudeuten, indem das Vorhandensein böser Werke als Grund für das „Nein zum Licht“ (so M. THEOBALD, Johannes, 274; vgl. auch J. FREY, Eschatologie III, 300) verstanden werden soll. 238 Vgl. zum Gerichtsgedanken bei Joh die interessanten Überlegungen bei M. MORGEN, Le déja-là. Er vergleicht Joh 3,17–21 mit Joh 12,47f. und gelangt dabei zu folgendem Fazit: „L’évangéliste mêle habilement l’eschatologie présente et future. Dans l’un et l’autre cas, au début du ministère comme à la fin, il s’agit de faire ressortir l’importance de la relation du croyant au Christ comme le critère essentiel du salut, et, selon une suite logique, le juge-condamnation comme conséquence du refud du croire“ (a.a.O., 147). Zutreffend beobachtet er, dass die beide Apekte von Heil und Gericht „manifestent la venue eschatologique de Dieu dans l’Ancien Testament. L’évangile de Jean s’inscrit dans cette perspective en soulignant la mission du Fils et sa réception“ (a.a.O., 148). Damit arbeitet Morgen die christologische Profilierung des joh Gerichtsgedankens treffend heraus. Dabei heben diese Aussagen die universale soteriologische Zusage aus Joh 3,16 ebenso wenig auf wie die Unverfügbarkeit und den dem Menschen widerfahrenden Akt des ‚Geboren-Werdens‘. Vielmehr können diese Aussagen als Reflexion der johanneischen Christen verstanden werden, die nach einer Erklärung für den Unglauben ihrer Umwelt suchten. Vgl. zum Heilsuniversalismus von Joh 3,16 H. W EDER, Asymmetrie, 452–454, der im Anschluss daran (a.a.O., 454–457) neben der Menschwerdung Jesu als Ausdruck der Liebe zu Recht die Bedeutung des Kreuzes hierbei betont. Die Gerichtsaussagen erklärt Weder treffend, indem er davon ausgeht: „Sofern der Glaube Anschluss an die

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

über dem Sohn ungehorsam ist, d.h. nicht glaubt, der Zorn Gottes. Dieser Unglaube nun ist nach Joh 16,9 Sünde, die jedoch nach Joh 1,36 getragen wird vom Lamm Gottes. An dieser kurz skizzierten Zusammenschau der genannten Textstellen lässt sich erkennen, dass nach Joh die pneumatische Geburt ‚von oben‘ ein Sterben gegenüber der Sünde – oder anders formuliert: gegenüber dem spirituellen Totsein – inkludiert, da der Mensch im πιστεύειν aus dem Bereich der Finsternis in den des Lichts eintritt. Da das Joh die Vorstellung, dass der Glaubende durch den Tod Jesu Zugang zum ‚ewigen Leben‘ hat, erstmals innerhalb seiner Darstellung im Kontext der Rede eines γεννᾶσθαι ἄνωθεν bzw. ἐξ ὕδατος καὶ πνεύµατος entfaltet, legt sich die Annahme nahe, dass sich im Glauben eine Neuschöpfung des Menschen ereignet, die in der Taufe sinnlich erfahrbar wird. Joh begründet diese Neuschöpfung des Menschen christologisch, indem er den Tod und die Erhöhung des Sohnes als Ermöglichungsgrund für die Neuschöpfung darstellt. Der Mensch empfängt die soteriologische Gabe des ewigen Lebens, die an die Stelle der traditionell zukünftig erwarteten βασιλεία τοῦ θεοῦ tritt. Dafür spricht zudem die raum-metaphorische Analogie zwischen der Erhöhung und der Geburt ‚von oben‘. Während sich Jesus nach der johanneischen Darstellung gerade durch seinen Tod hindurch als derjenige erweist, der aufgrund seiner himmlischen Herkunft Leben in sich hat, lebendig macht und die Vollmacht besitzt, sein Leben hinzugeben und wieder an sich zu nehmen (10,18), verfügt der Mensch gerade nicht darüber, weil er als σάρξ hiervon kategorial unterschieden ist. Er bedarf einer Neuschöpfung, durch die ein radikaler Bruch zu seiner vorherigen Existenz markiert wird. Er ist nun ein aus Gott Gezeugter, ‚von oben‘ bzw. aus Wasser und Geist Geborener, der aus der Finsternis zum Licht, aus dem Unglauben zum Glauben, aus der Sünde ins ‚ewige Leben‘ eingetreten ist durch die Taufe „als ein von Gott selbst ins Werk gesetzter Akt“, der „die Unverfügbarkeit des Heilsgeschehens“ wahrt.239 Auf der Basis dieser Textbeobachtungen zu Joh 3 können nun Gemeinsamkeiten und weiterführende Deutungsaspekte im Verhältnis zum johanneischen Glaubenssummarium und dessen narrativer Darstellung in der Grabszene in Joh 11 benannt werden.

rettende Macht Gottes ist, versetzt er den Menschen jenseits des ambivalenten Gottes, der zugleich vernichten und bestehen lassen kann. Von hier aus erscheint es als folgerichtig, dass der Unglaube das Gericht schon hinter sich hat. Denn wer kein Verhältnis zur rettenden Macht Gottes hat, kann nur noch auf die urteilende Macht des Richters hoffen.“ (A.a.O., 459f.). 239 U. SCHNELLE, Johannes, 90.

2. Glauben und Leben in Joh 3

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2.3 Fazit: Joh 3 und das johanneische Glaubenssummarium Die VV. 14–16 müssen als Erläuterung zum johanneischen Glaubenssummarium bezeichnet werden, denn dort ist ausführlich erklärt, was im Glaubenssummarium in konzentrierter Form zum Ausdruck kommt. Wie an dem ἐγώ εἰµι-Wort in Joh 11,25 sichtbar wurde, dass sich Gott nach johanneischem Verständnis in Jesus offenbart und damit Leben über den Tod hinaus ermöglicht, so ist es in Joh 3,16 die Hingabe des Sohnes in den Tod, in der Gott dem Kosmos ‚ewiges Leben‘ schenkt. Als Movens hierfür wird die Liebe Gottes zur Welt genannt. Darin kommt die besondere Relation zwischen Vater und Sohn zum Ausdruck, die ebenso Kennzeichen für Joh 11,25, aber darüber hinaus auch für das Grabwunder insgesamt ist. Denn dort inszeniert das Joh die Herausrufung aus dem Grab so, dass der joh Jesus zunächst ein Gebet spricht, in dem die folgende µετάβασις des Lazarus aus dem Tod ins Leben als Ausweis für die Sendung des Sohnes charakterisiert wird. Was im Motiv der Sendung zusammengehalten wird, wird auch in Joh 3,13 verbunden, indem die himmlische Herkunft Jesu betont wird, die ihn autorisiert. Dabei prägen die VV. 14–16 eine dezidiert nachösterliche Perspektive, die den johanneischen Jesus als Erhöhten sprechen lassen. Ebendiese Erhöhung, die seine Hingabe in den Tod, seine Auferstehung sowie die Rückkehr zum Vater umfasst, deutet das Joh soteriologisch aus. Vor diesem Kerygma von Jesu Sterben und Auferstehen, wie es ja Inhalt der (vor-)paulinischen Glaubenssummarien ebenso wie des johanneischen Glaubenssummariums ist, entfaltet das Joh analog zum Apostel seinen Lebensbegriff. Hier bestätigt sich, dass die Abfolge der Selbstprädikationen Jesu als ἡ ἀνάστασις καὶ ἡ ζωή im johanneischen Glaubenssummarium unumkehrbar sind: während der johanneische Jesus bereits als Präexistenter Leben in sich hat (Joh 1,4), wird er zum Lebensspender erst infolge seiner Erhöhung. Hier wie dort bildet das πιστεύειν den Empfangsmodus für das ‚ewige Leben‘. In diesem Glauben an den johanneischen Jesus konstituiert sich eine Beziehung zu demselben, in der der Glaubende in den „Lebens- und Heilsraum“240 Jesu gelangt: er hat Leben in ihm (3,15). Damit kommt es zu einer Ineinssetzung Jesu als Geber und Gabe des Lebens, was sich besonders eindrucksvoll daran zeigt, dass das Joh im Folgenden nicht mehr die βασιλεία τοῦ θεοῦ thematisiert, dafür jedoch den Gekreuzigten als βασιλεύς stilisiert. Nach Joh 3,3.5 ist ‚glauben‘ mit einer pneumatischen Geburt ‚von oben‘ verbunden, die sich in der Taufe vollzieht. Dabei wird eine raum-metaphorische Analogie zwischen der Erhöhung Jesu und der Geburt ‚von 240

R. FELDMEIER, Macht, 97.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

oben‘ hergestellt. Wie der joh Jesus durch seine Erhöhung als ‚Auferstehung und Leben‘ bestätigt wird, so wird dem Menschen in der spirituellen Geburt ‚von oben‘ das ‚ewige Leben‘ zuteil. Die Geburt ‚von oben‘ impliziert ein Sterben des „alten Menschen“ gegenüber dem spirituellen Totsein, d.h. der Sünde, indem er in der im Glauben konstituierten Bindung an Jesus an dessen Sterben partizipiert. Er ist fortan neue Schöpfung und besitzt als solche gegenwärtig ‚ewiges Leben‘. Damit verbunden ist die Zusage, dass der Glaubende kein eschatologisches Gericht mehr zu erwarten hat (3,18). Es legt sich daher nahe, jene Glaubenden, die ‚von oben‘ bzw. ‚aus Wasser und Geist geboren‘ sind, mit jenen zu identifizieren, die nach Joh 11,26 die Lebenden sind, die in Ewigkeit nicht sterben werden, d.h. für die selbst der leibliche Tod keine Bedrohung mehr darstellt. Damit sind sie dann zugleich mit jenen Glaubenden zu identifizieren, die nach Joh 11,26a leben werden, auch wenn sie sterben. Die Textbeobachtungen an Joh 3 konnten also die für Joh 11,16 vorgeschlagene Deutung der Notwendigkeit eines Mit-Jesus-Sterbens bestätigen. Als Paradigma eines solchen Mitsterbens fungiert in Joh 11 Lazarus, was sich an der narrativen Gestaltung des Grabwunders in Anlehnung und Differenz zum Grab Jesu beobachten ließ. Er ist es, der in der erzählerischen Darstellung auf den Ruf Jesu hin dem spirituellen Totsein gegenüber stirbt, indem er aus dem Tod ins ‚(ewige) Leben‘ hinübergeht. Dabei können die Leichenbinden und das Schweißtuch, mit denen Lazarus umwickelt ist und die erst auf die Aufforderung Jesu hin gelöst werden (11,44), als Metaphern des Gebundenseins und der Verfallenheit an den Tod bzw. die Sünde gedeutet werden, von denen der ins Leben Hineingerufene befreit wird.241

3. Glauben und Leben in Joh 5 3. Glauben und Leben in Joh 5

3.1 Glauben und Leben in Joh 5,19–30 In Joh 5,19–30 finden sich in einer Rede Jesu an die Ιουδαῖοι nicht allein das Syntagma ζωὴ αἰώνιος in seiner charakteristischen Verbindung mit πιστεύω, sondern darüber hinaus zahlreiche Belege des ζῆν-Wortfeldes und der Auferstehungsterminologie. So wird Gott zugeschrieben, dass er Tote erwecke und lebendig mache (V. 21: ὁ πατὴρ ἐγείρει τοὺς νεκροὺς καὶ ζῳοποιεῖ), und ebenso mache auch der Sohn lebendig, wen er wolle (ζῳοποιεῖ) (5,20). Daneben spricht Joh 5 von einer µετάβασις ἐκ τοῦ 241

Die Aufforderung Jesu, dass die Umherstehenden die Leichenbinden lösen sollen, kann trotz abweichender Terminologie als Hinweis auf Joh 20,23 und die darin greifbare Tradition verstanden werden, dass die johanneischen Christen die Sündenvergebung in dem Selbstverständnis als von Jesus Beauftragte zusprachen.

3. Glauben und Leben in Joh 5

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θανάτου εἰς τὴν ζωήν (5,24)242 und bindet sowohl den Übergang aus dem Tod ins Leben als auch die gegenwärtige Gabe des ‚ewigen Lebens‘243 an das Hören des λόγος bzw. der φωνή des Sohnes (5,25.28) und an den Glauben an den Vater (5,24).244 Als Grund für die Leben schaffende Kraft des Sohnes verweist das vierte Evangelium auf den Vater: Wie dieser Leben in sich habe, so habe er auch dem Sohn verliehen, Leben in sich zu haben (5,26). Eng verbunden mit dem Leben schaffenden Wesen von Vater und Sohn ist die Vorstellung, dass der Vater dem Sohn die Vollmacht, Gericht zu halten, übergeben hat (5,22.27.30).245 Während sich dieses ebenso wie die Gabe des Lebens nach den VV. 21–27 in der Gegenwart ereignet, tragen die VV. 28f. demgegenüber einen zukünftigen Aspekt ein. Anstelle von ‚Toten‘ (οἱ νεκροί; 5,21.25) ist nun von jenen, die in den Gräbern sind (5,28: πάντες οἱ ἐν τοῖς µνηµείοις), die Rede, und anstelle des präsentischen ‚ewigen Lebens‘ präsentiert das Joh die futurisch-eschatologische Erwartung einer doppelten Auferstehung: einer ἀνάστασις ζωῆς und einer ἀνάστασις κρίσεως, zwischen denen sich die jeweilige Teilhabe an den Werken entscheidet (5,29). Der kurze Überblick über die Lebensthematik in Joh 5 zeigt, dass dieser Textabschnitt verschiedene vertiefende Deutungsaspekte zum Verständnis des johanneischen Glaubenssummariums bietet. So soll anhand des hier vorliegenden Vergleichsmoments zwischen Vater und Sohn – ὥσπερ – καί (5,21.26; vgl. auch 5,30)246 – die zu Joh 11,25 vorgelegte Deutung des johanneischen Verständnisses des ἐγώ εἰµι überprüft und im Zusammenhang 242

Allerdings formuliert das vierte Evangelium verbal: µεταβαίνω ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν (5,24). 243 Joh verwendet hierfür die Formulierung ἔχει ζωὴν αἰώνιον, also mit dem Verb im Präsens (5,24). 244 Der Vater wird hier näher beschrieben als derjenige, der den Sohn gesandt habe: ... τῷ πέµψαντί µε... (5,24). So bereits in 5,23 und schließlich in 5,30. In dem Sendungsmotiv kommt die Relation von Vater und Sohn in besonderer Weise zum Ausdruck, wie sie charakteristisch für den gesamten Textabschnitt ist. 245 Vgl. darüber hinaus aber auch 5,24 und 5,28f., denen zufolge die κρίσις für diejenigen, die auf die Stimme des Sohnes hören und an den Vater glauben, aufgehoben ist bzw. sich futurisch-eschatologisch infolge des Hörens der Stimme des Sohnes eine doppelte Auferstehung ereignen wird: ins Leben und zum Gericht. Den ältesten Beleg für die Erwartung einer Auferstehung bildet Dan 12,2 (vgl. weiter äthHen 51; 4 Esr 7,32; 3 Bar 30,1–5); im frühen Christetum wird diese wie in Joh 5,28f. mit einer Vorstellung eines Gerichts nach Werken verbunden so z.B. in 2 Kor 4,14; 5,10; Röm 2,6–10; 1 Petr 4,5. Vgl. hierzu J. FREY, Eschatologie III, 383–386; R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 148; U. SCHNELLE, Johannes, 122, sowie J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 195, mit weiteren Belegen. 246 Diesem korrespondiert umgekehrt auf Seiten der Glaubenden, dass sie den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren (5,23).

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mit dem Sendungsmotiv diskutiert werden, das ja ebenfalls im Gebet Jesu am Grab des Lazarus (11,42) eine zentrale Rolle spielt. Zu zeigen ist, dass der johanneische Jesus ausschließlich aufgrund seiner besonderen Relation zum Vater zum Lebensspender wird. Zudem kommt Joh 5,24 die Funktion zu, die Deutung des Grabwunders als µετάβασις ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν, die sich wie in Joh 11 auf das Rufen des Gottessohnes hin ereignet, zu verifizieren. Gleichzeitig soll aufgezeigt werden, dass die in Joh 11 beobachtete Unterscheidung zwischen einem spirituellen Totsein und der physischen Vergänglichkeit des Menschen auch in Joh 5 vorliegt. Schließlich trifft dasselbe auf die soteriologische Qualifizierung des Lebensbegriffs zu. Damit kann gezeigt werden, dass auch in Joh 5 ‚Leben‘ die Kontinuität stiftende soteriologische Größe darstellt zwischen der diesseitigen und jenseitigen Existenz der Glaubenden: Denn wie diese gegenwärtig das ‚ewige Leben‘ haben, so erwartet das vierte Evangelium für sie zukünftig eine ἀνάστασις ζωῆς. 3.2 Kontext und Komposition von Joh 5,19–30 Joh 5 stellt eine in sich geschlossene Textkomposition dar, die durch Ortswechsel deutlich vom vorangehenden als auch vom folgenden Kapitel abgetrennt ist, und deren einzelne Textabschnitte planvoll aufeinander bezogen und aufgebaut sind.247 So lässt sich Joh 5 in insgesamt drei Textblöcke gliedern. Am Anfang steht eine Wundererzählung (Joh 5,1–18), die zu einem Disput zwischen Jesus und den Juden führt, da sich die Heilung an einem Sabbat ereignete und Jesus darüber hinaus sein Wirken in Analogie zum Wirken des Vaters setzt, so dass die Juden ihm gegenüber den Vorwurf erheben, er nenne Gott seinen Vater und mache sich selber zu Gott (5,17f.). Damit ist die Ausgangsbasis für die beiden folgenden Textabschnitte geschaffen (5,19–30; 5,31–47), in denen Jesu Leben schaffendes Wesen und Handeln aufgrund seiner Relation zum Vater in zwei Offenbarungsmonologen entfaltet wird, in denen die fiktiven Adressaten gar nicht mehr zu Wort kommen.248 247 So liegt mit der Nennung der Ortsangabe Ιεροσόλυµα in Joh 5,1 ein sprachliches Signal für den Beginn eines neuen Textabschnitts vor und mit dem erneuten Ortswechsel in 6,1 für dessen Ende. 248 So auch jüngst J. ZUMSTEIN , Jean 1–12; F. C. MOLONEY, John; J. GNILKA, Johannesevangelium; M. THEOBALD, Johannes. Ähnlich U. SCHNELLE, Johannes, 115, der allerdings Joh 5,2–9ab für eine „Johannes (...) vorliegende( ) Erzählung“ hält und daher separat exegesiert. Anders R. E. BROWN, John (i–xii), 205–223; R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12 (der zudem eine Textumstellung von Joh 5 und 6 vornimmt, wie zuvor schon R. B ULTMANN, Johannes, und in jüngerer Zeit C. DIETZFELBINGER, Johannes; dagegen hält B. LINDARS, John, 207f., an der Abfolge der Kap. 5 und 6 fest, geht allerdings davon aus, dass Joh 6 erst Bestandteil einer zweiten Ausgabe des Evangeliums gewesen sei, in der ersten hingegen gefehlt habe), die Joh 5 untergliedern in 5,1–15;

3. Glauben und Leben in Joh 5

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Die zentrale Idee für den zweiten Textabschnitt benennen die vergleichenden Konjunktionen in der sprachlichen Gestalt ὥσπερ – οὕτως (5,21.26): „wie der Vater, so der Sohn“, womit eine Verbindung zum vorhergehenden Textabschnitt hergestellt wird, in dem das Handeln Jesu an dem Gelähmten parallel zum Handeln Gottes gesetzt wurde. Ebenso ist die Relation von Vater und Sohn auch für den dritten Textblock (5,31–47) konstitutiv. Hier sind es die Motive der µαρτυρία des Vaters für den Sohn sowie das der Sendung und im Zusammenhang mit letzterer wiederum die Werke des Sohnes, die bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat, mit deren Hilfe das Joh das Verhältnis zwischen Vater und Sohn in Bezug auf die soteriologische Bedeutung des Sohnes expliziert. Um ebendiese soteriologische Bedeutung geht es in allen drei Textteilen, und wie für das Joh charakteristisch, konzentriert es Jesu heilvolles Handeln an den Menschen in der Übermittlung des Lebens, wobei im zweiten Textabschnitt mit der Thematisierung der κρίσις (5,27) bzw. der ἀνάστασις κρίσεως (5,29) neben dem Leben vermittelnden Handeln und Wesen Jesu die Folgen der Ablehnung seiner Person zu Wort kommen. Gemeinsam ist folglich allen drei Textabschnitten, dass sie die Verbindung von Vater und Sohn als Grund für das soteriologische Wesen und Handeln des Sohnes explizieren und auf die Gabe des gegenwärtigen Lebens sowie der zukünftig erwarteten Auferstehung zum Leben für die Glaubenden konzentrieren. Hierbei wird die Relation zwischen Vater und Sohn unter verschiedenen Aspekten erläutert, wenn zunächst die Heilung des Gelähmten als Fortsetzung einer creatio continua des Vaters durch den Sohn dargestellt wird,249 um dann die literarische Figurengruppe der Ἰουδαῖοι explizit darauf hinweisen zu lassen, dass Jesus Gott seinen Vater nenne (5,18), um damit die Wesensverwandtschaft zwischen Vater und Sohn als Grund für dessen heilvolles Handeln zu benennen250 und schließ5,16–30; 5, 31–47 (vgl. dazu die Gliederungen in den jeweiligen Kommentaren). Vgl. J. FREY, Eschatologie III, 323–326, der ausführlich verschiedene Gliederungsvorschläge diskutiert, jedoch anders gliedert, als hier vorgeschlagen, indem er die VV. 17f. nicht zur Wundererzählung rechnet, sondern als „Übergangs- oder Scharnierstück“ (a.a.O., 325) zur folgenden Offenbarungsrede verstanden wissen will. Eine ganz andere Gliederung vertritt K. W ENGST, Johannesevangelium 1–10, 181, der nach der Wundererzählung in 5,1–9a einen Überleitungsteil in 5,9b–16 erkennen will, an den die VV. 17–47 als „Ausdeutung der Wundergeschichte durch Jesus“ anschlössen. 249 Vgl. auch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 190, der die Wundererzählung zutreffend als „‚signe‘ du pouvoir de Jésus de faire vivre“ bezeichnet. 250 Dass hier die Relation zwischen Vater und Sohn als Wesensverwandtschaft bestimmt wird, verdankt sich der Bezeichnung Jesu als µονογενής in 1,14. Dabei zeigt 5,26 deutlich, dass dennoch an der Unterordnung des Sohnes unter den Vater festgehalten wird und Joh eben keinen Ditheismus vertritt. Vgl. die Auslegung zur Stelle in dieser Studie sowie M. THEOBALD, Johannes, 398, der festhält, dass „der Evangelist, im biblisch-monotheistischen Bezugsrahmen“ bleibt und für die VV. 19f., die er als Gleichnis

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lich mittels des Adjektivs ἴσος eine Gleichheit zwischen Vater und Sohn auszudrücken. Ebendiese Vorstellung greift das vierte Evangelium im zweiten Textabschnitt erneut auf, dieses Mal unter Verwendung des Adjektivs ὁµοίως (5,19), um die Einheit des Handelns von Vater und Sohn zu artikulieren, wie sie zudem mittels der Konjunktionen ὥσπερ – οὕτως (5,21) zum Ausdruck kommt, die jedoch in V. 26 nicht allein auf das Handeln, sondern erneut auf das Wesen von Vater und Sohn bezogen wird: ὥσπερ γὰρ ὁ πατὴρ ἔχει ζωὴν ἐν ἑαυτῷ, οὕτως καὶ τῷ υἱῷ ἔδωκεν ζωὴν ἔχειν ἐν ἑαυτῷ. Und schließlich erläutert das Joh die Relation von Vater und Sohn mit der Einheit des Willens beider (5,30), die darin zum Ausdruck kommt, dass Jesus den Willen Gottes erfüllt. Im dritten Textabschnitt wird der Aspekt der Sendung und des Zeugnisgebens des Vaters für den Sohn beleuchtet, wodurch Jesu Leben schaffendes Wesen und Handeln mit seiner Herkunft vom Vater und der legitimierenden Autorität seines Handelns durch Gott begründet werden. Somit bietet das vierte Evangelium eine umfassende Darstellung verschiedener Dimensionen der Relation von Vater und Sohn, die einen prämondialen251 Aspekt umfasst und aus der die eschatologisch-qualifizierte Vollmacht252 des Sohnes folgt.253 Schließlich zeichnet das Joh den Lebensspender Jesus im dritten Textabschnitt in einen weiten heilsgeschichtlichen Horizont ein, demzufolge bereits die Tora von Jesus als demjenigen zeugt, der ewiges Leben gibt (5, 38f.). In alledem entwirft das Joh dezidiert eine Theologie des Lebens, die es als christolobestimmt, dessen Sohn-Titel der Evangelist übernommen habe, zutreffend urteilt, dass Jesus „seine Existenz nur in der Hinordnung zum Vater“ (a.a.O., 388) habe. „Der Evangelist macht sich diese Aussage zu Eigen, um so den Vorwurf des ‚Ditheismus‘ zu unterlaufen. Jesus steht nicht eigenständig (wie ein ‚zweiter Gott‘) neben dem ‚einzigen Gott‘ Israels (5,44) und macht ihm keine Konkurrenz, sondern ist vielmehr seinem Vater als Sohn ganz untergeordnet“ (a.a.O., 388). 251 Zu den prämondialen Aussagen zu Jesus als Lebensspender gehört neben der Aussage in Joh 1,4, dass in dem Logos-Christus Leben war (ἐν αὐτῷ ζωὴ ἦν), die Vorstellung einer vorzeitlichen Herrlichkeit des Vaters beim Sohn, wie sie in Joh 11,4; 17,5 zum Ausdruck kommt. Beide Vorstellungen sind eng mit relationalen Aspekten verbunden. So ist der Logos-Christus zunächst bei Gott, und in Joh 17 ist das Motiv der Sendung wie der Übergabe von Vollmacht als auch die Einheit zwischen Vater und Sohn konstitutiv für das Leben spendende Wirken und Wesen des Sohnes. Dabei bilden Tod, Auferstehung und Rückkehr zum Vater die Bedingung für die Teilhabe der Glaubenden am Leben. Vgl. dazu die Auslegung zu Joh 17 in Kapitel IV.5 dieser Arbeit. 252 Gemeint sind die Vorstellung, dass der Sohn gegenwärtig ‚ewiges Leben‘ gewährt, das über den Tod hinaus Bestand hat, sowie die Erwartung einer Auferstehung am ‚letzten Tag‘ (vgl. 5,29; insbesondere Joh 6,39f.44. Vgl. die Auslegung zu Joh 6 in Kapitel IV.4). 253 Vgl. zum Aspekt der Relation zwischen Vater und Sohn in Joh 5 exemplarisch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 188.196. Anders als hier vertreten vermeidet Zumstein jedoch, von einer Wesenseinheit von Vater und Sohn zu sprechen. Er scheint die Beziehung auf funktionale Aspekte zu beschränken. Vgl. dazu a.a.O., 193.

3. Glauben und Leben in Joh 5

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gisch verwirklicht denkt, wenn Sein und Funktion des Sohnes in Analogie zum Vater dargestellt werden und ihren Grund in der Liebe des Vaters zum Sohn haben (5,20). Was das im Konkreten für die soteriologische Gabe des ewigen Lebens, deren Empfang im Glauben und Hören, der µετάβασις ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν sowie der erwarteten Auferstehung ins Leben bedeutet, soll im Folgenden anhand der Textpassage Joh 5,19–30 diskutiert werden. 3.3 ‚Glauben‘, ‚ewiges Leben‘, µετάβασις ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν und die Auferstehung in Joh 5,19–30 Nachdem Kontext und Komposition von Joh 5 beschrieben worden sind, soll nun der Fokus auf die VV. 19–30 gelegt werden, die, wie das Kapitel insgesamt, als Textabschnitt für sich betrachtet einen planvollen Aufbau aufweisen, der dafür sorgt, dass der inhaltliche Schwerpunkt auf der Lebensthematik liegt, die hier unter verschiedenen Aspekten und in sprachlicher Variabilität thematisiert wird. Dabei ist auch an diesen Stellen – wie für das gesamte Joh charakteristisch – die soteriologische Gabe des gegenwärtigen wie zukünftigen ‚(ewigen) Lebens‘ bzw. der µετάβασις ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν sowie der ἀνάστασις ζωῆς an die sachliche Voraussetzung des ‚Glaubens‘ bzw. des ‚Hörens‘ (5,24.28) gebunden, hier jedoch aufgrund der betonten Relation zwischen Vater und Sohn nicht als Glauben an den Sohn, sondern als Glauben an den, der ihn gesandt hat (5,24).254 Im Folgenden soll kurz anhand sprachlicher Merkmale die logische Struktur der Aussagen zueinander skizziert werden,255 um auf dieser Grundlage das Augenmerk auf die Thematik von Glauben und Leben zu legen. Textgrundlage hierfür bildet der Text in seiner überlieferten Gestalt, so dass keine quellenkritischen bzw. literarkritischen Scheidungen vorgenommen werden, da der Fokus des Interesses darauf liegt, welche Anschauungen über das ‚Leben‘ und die erwartete Auferstehung bei den johanneischen Christen präsent waren, die das Evangelium tradierten.256 254

Vgl. dazu die Auslegung zu V. 24. Vgl. hierzu die an sprachlichen Merkmalen orientierte Gliederung bei J. FREY, Eschatologie III, 328–335, bes. 334f., dessen Textbeobachtungen in die folgende sprachliche Beschreibung des Textabschnittes einfließen. 256 Dies hat Konsequenzen für den Umgang mit V. 28f, der aufgrund der futurischen Eschatologie häufig als späterer Nachtrag der Redaktion ausgeschieden wird. So bereits z.B. R. B ULTMANN, Johannes, 196; R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 148; C. DIETZFELBINGER , Johannes, 199f.205; M. T HEOBALD, Johannes, 386. Anders hingegen J. FREY, Eschatologie III, 381–391; U. SCHNELLE, Johannes, 122f.; J. R. MICHAELS, John, 321. Einen kurzen Forschungsüberblick bietet J. G. VAN DER W ATT, New Look, 74f. Hilfreich erweist sich die differenzierte Argumentation bei J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 194, der die VV. 28f. für „un acte de relecture de l’école joh“ hält und annimmt, dass die joh Schule „entend recadrer la perspective de l’évangéliste de telle façon que cette dernière soit 255

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Die VV. 19f. mit der Annahme der Wirkeinheit von Vater und Sohn bilden gemeinsam mit V. 30 den Rahmen für die christologischen Aussagen zur Vollmacht des Sohnes. Diese konkretisiert sich in dessen Leben wirkendem Handeln und Wesen sowie der Ausübung des Gerichts257 (VV. 21–29). Beide Vollmachten des Sohnes sind vom Vater vermittelt und begründet in der Liebe des Vaters zum Sohn, wie die Konjunktion γάρ in V. 20 sowie das Perfekt in der 3. Person Singular (V. 22) und der Aorist in der 3. Person Singular des Verbes δίδωµι (V. 26) als auch die vergleichenden Konjunktionen ὥσπερ – οὕτως (VV. 21.26) anzeigen. Das Ziel (finales ἵνα in V. 23) der Leben schaffenden Macht des Sohnes besteht dabei nach Joh darin, dass alle den Sohn wie den Vater ehren, während die Verweigerung, den Sohn zu ehren, ausschließt, dass man den Vater ehren könne.258 Während die VV. 21f. ganz generell als Wirkeinheit von Vater und Sohn das ζῳοποιεῖν259 sowie das Richten benennen, folgt in den beiden durch ein doppeltes ἀµὴν ἀµήν und damit den Offenbarungsanspruch des Sohnes akzentuierenden VV. 24f., worin und wie sich diese dem Sohn vom Vater übergebenen Vollmachten in der Gegenwart ereignen. In V. 26 fügt das Joh eine Begründung für das in den VV. 24f. geschilderte Leben schafcomprise correctement“ (a.a.O., 195). Daher soll an der Endgestalt des Textes als Grundlage für die Auslegung festgehalten werden, da sie Ausdruck dessen ist, was von den joh Christen rezipiert wurde, ohne dass letztendlich entschieden werden kann, ob es sich um einen Nachtrag der Redaktion handelt, wie Zumstein plausibel darstellt, oder um „eine ältere, partiell schon johanneisch gefärbte Gemeindetradition“, wie J. FREY, Eschatologie III, 391, annimmt, was ebensoviel Plausibilität für sich beanspruchen kann. 257 Beides, sowohl die Vollmacht, Gericht zu halten als auch lebendig zu machen, ist nach alttestamentlich-frühjüdischer Tradition Privileg Gottes. Vgl. zu der Vorstellung von Gott als Richter Ps 81,6–8LXX; Joel 4,14; Jes 24,21f.; 33,7ff., wobei auch Traditionen existieren, nach denen andere Figuren richterliche Funktionen übernehmen wie der Erzengel Michael (1QM XVII 6; AssMos 10,2; TestDan 6,1–7), Melchisedek (11QMelch II 13), der Menschensohn (äthHen 62,2–7; 63,11; 69,27) und der Messias (PsSal 17,21– 25; 4 Esr 11,37–12,34). Zur Vorstellung vom lebendig machenden Gott vgl. Dtn 32,39; 1 Sam 2,6; 2 Kön 5,7; Ez 37; Hos 6,2 und die 2. Benediktion des Achtzehnbittengebets, die möglicherweise in derselben Zeit wie Joh entstanden ist. Vgl. dazu ausführlich J. FREY, Eschatologie III, 358–362; M. T HEOBALD, Johannes, 390–393; J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 191 mit Anm. 78. 258 Treffend merkt R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 135f., zu V. 23 an, Gott „ist in der Person Jesu und seinem Wort präsent (vgl. 12,48) und verlangt, in Jesus ihn selbst zu ehren.“ 259 Aus dem Sachverhalt, dass Joh 5,21 Gott die Eigenschaft beilegt, Tote aufzuerwecken, das Verb ἐγείρω aber nicht nochmals als Fähigkeit Jesu benennt, kann nicht abgeleitet werden, dass der joh Jesus über diese Möglichkeit nicht verfüge. Dass er darüber verfügt, gibt die vorangegangene Wundererzählung zu erkennen. Denn hier findet sich in V. 8 dasselbe Verb für die Heilung des Gelähmten. Das bemerkt auch M. THEOBALD, Johannes, 390.

3. Glauben und Leben in Joh 5

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fende Wirken des Sohnes an. Dazu benutzt es erneut die vergleichenden Konjunktionen ὥσπερ – οὕτως wie zuvor in V. 21, um deutlich zu machen, dass der Sohn das „Leben in gleicher Fülle und Macht“260 wie der Vater in sich hat, weil es dieser ihm gegeben hat, so dass der Sohn mit diesem Leben in sich über „a creative life-giving power“261 verfügt, die ihm aufgrund seiner Einheit mit dem Vater eignet und den Glaubenden nachösterlich zuteil wird.262 260

R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 142, der zudem von einem „wesenshafte(n) Lebensbesitz des Logos“ (a.a.O., 142) spricht, mit dem der Vater Jesus „Anteil an seinem eigenen inneren Besitz“ (a.a.O., 142) gibt. 261 R. E. BROWN, John (i–xii), 215. Vgl. in diesem Sinne auch F. C. MOLONEY, John, 182; C. DIETZFELBINGER, Johannes, 198. Anders hingegen J. R. MICHAELS, John, 318, der aufgrund eines Vergleichs mit Joh 6,53 behauptet, dass das Jesus vom Vater verliehene ‚Leben‘ nichts anderes als „an assured present possession“ sei, wie auch die Glaubenden ‚ewiges Leben‘ hätten. So zutreffend es ist, dass auch die Glaubenen ‚Leben in sich haben‘, und wie auch die Analyse zu Joh 17 zeigen wird, dass nach joh Verständnis ‚ewiges Leben‘ die Integration der Glaubenden in die Lebensgemeinschaft von Vater und Sohn ist, so muss J. R. Michaels hier doch widersprochen werden. Denn er übersieht zwei entscheidende Unterschiede zwischen Joh 5,26 und 6,53: zum einen den zum Vater gezogenen Vergleich, zum anderen, dass das Joh V. 26 mittels der Konjunktion γάρ als Begründung zu V. 24f. und damit für das Leben schaffende Wirken des Sohnes zugunsten der Glaubenden präsentiert. Zudem ist mit R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 142, unter Verweis auf Joh 3,15; 6,53; 14,19; 20,31 anzumerken, dass nach joh Verständnis die Glaubenden das ‚Leben‘ „in der Verbundenheit mit“ dem joh Jesus haben. Überzeugend kann U. C. VON W AHLDE, Given to the Son, Sap 15,16f. als Verstehenshilfe für Joh 5,26 aufzeigen. Er kommt zu dem Schluss, dass „Wis 15,16–17 provides positive evidence of the contemporary Jewish conviction not only about how humans ‚have‘ life but also that, because of the way they possess life, they cannot give it to others“ (a.a.O., 411). Indem nun in Joh 5,26 ausgesagt werde, dass der Vater Leben in sich habe, so werde er in Differenz zu den Menschen gesetzt. „Moreover the fact that the Father gives to the Son to have life in himself not only sets the Son apart and identifies him as divine also but provides the basis for his ability to give life to others“ (a.a.O., 411). 262 Dabei wird die Frage, wann der Vater es dem Sohn gegeben habe, ‚Leben in sich zu haben‘, kontrovers diskutiert. So möchte J. ZUMSTEIN , Jean 1–12, 193, dass der Text nicht intendiere, „de fixer un repère temporel“, an dem der Sohn das Leben vom Vater erhalten habe, sondern damit lediglich „la relation qui existe entre le Père et le Fils“ zum Ausdruck gebracht werden solle. Er schließt sich damit der Deutung von Schnackenburg, Barrett und Theobald an (R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 142; C. K. B ARRETT, Johannes, 277, und M. THEOBALD, Johannes, 398). Becker wiederum hat verschiedene Deutungen hierzu vorgelegt. So nimmt er in seinem Kommentar an, dass in Joh 5,26 „Jesu präexistente Ausstattung“ (J. B ECKER, Evangelium 1–10, 242) thematisiert würde. Nach Becker ermöglicht dem Evangelisten die präexistente Zuschreibung des ‚Lebens‘ an Jesus, diesen als Richter und Lebensspender zu zeichnen (J. B ECKER, Evangelium 1– 10, 242; vgl. weiter 290). Später geht er davon aus, dass sich die Gabe des Lebens an den Sohn bei der „Herabkunft des Geistes“ ereignet haben müsse (J. B ECKER, Christentum, 131, zit. n. T HEOBALD, Evangelium, 397). K. W ENGST, Johannesevangelium 1–10, 201, nimmt an, dass das Joh hier von Jesus als dem Auferstandenen spreche, der als „neue

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Nachdem das Joh Jesus als Lebensspender und wesensgleich mit dem ζῶν πατήρ (6,57) dargestellt hat, verweist es wie bereits in V. 22 auch in V. 27 auf seine richterliche Vollmacht.263 Damit bilden die Aussagen zu Funktion und Wesen Jesu (VV. 21f.26f.) in direktem Vergleich mit dem ‚lebendigen Vater‘ (Joh 6,57) die sachliche Klammer um die Amen-Worte in Joh 5,24f., die dessen gegenwärtig Leben schaffendes Sein und Wirken zum Inhalt haben. Einen anderen Aspekt neben dem gegenwärtigen Leben schaffenden Sein und Wirken des Sohnes thematisieren die VV. 28f., wenn sie in sprachlichem Anklang an V. 25 das zukünftig erwartete Geschehen einer doppelten Auferstehung der Begrabenen zum Leben bzw. zum Gericht entsprechend ihrer Werke behandeln. Was also tragen die VV 24f. einerseits und die VV. 28f. andererseits für das Leben schaffende Wirken des Sohnes in seiner Relation zum Vater für das Lebensverständnis des vierten Evangeliums aus? Um dies zu klären, sollen zunächst die VV. 24f. betrachtet und anschließend Joh 5,28f. besprochen werden. 3.3.1 ‚Glauben‘, ‚Hören‘ ‚ewiges Leben‘ und die µετάβασις ἐκ τοῦ θανάτου

εἰς τὴν ζωήν (Joh 5,24f.) 24a Ἀµὴν ἀµὴν λέγω ὑµῖν ὅτι 24b ὁ τὸν λόγον µου ἀκούων καὶ πιστεύων τῷ πέµψαντί µε ἔχει ζωὴν αἰώνιον Schöpfung“ ‚Leben in sich habe‘ und dem daher die Fähigkeit eigne, selber kreativ zu sein. Wengst erkennt damit zutreffend, dass Ostern die Voraussetzung dafür ist, dass Jesus ‚Leben‘ vermittelt, und spricht an, was die vorliegende Studie für Paulus hat fruchtbar machen wollen und worin sie die entscheidende Analogie zu Joh erkennt. Da Wengst allerdings nicht an einem Vergleich mit Paulus interessiert ist, bleibt seiner Deutung die bewusste Wahl der ζῆν-Terminologie beider Entwürfe verschlossen und somit folgenlos für seine Deutung von Joh 11. Er nimmt letztlich nicht mehr als die nachösterliche Perspektive des Evangeliums wahr. Zudem greift die Deutung von Wengst in Bezug auf Joh 5,26 zu kurz, wenn sie das Leben, das Jesus in sich trägt, ausschließlich an Ostern rückbindet. Denn damit verkennt er, dass der joh Jesus bereits bei seiner Herkunft vom Vater Leben in sich hatte (1,4). Darauf verweist zu Recht M. THEOBALD, Johannes, 397. J. FREY, Eschatologie III, 364, hingegen lehnt eine Deutung, wonach dem Sohn das ‚Leben‘ bei der Auferstehung zuteil geworden sei, ab. 263 Anders als in V. 22, wo lediglich von ‚Sohn‘ die Rede ist, verwendet das Joh in V. 27 die Bezeichnung υἱὸς ἀνθρώπου. Auffallend ist, dass Joh den Titel undeterminiert verwendet, was jedoch keinen Bedeutungsunterschied macht. Vgl. hierzu M. THEOBALD, Johannes, 399, sowie ausführlich J. FREY, Eschatologie III, 366–369, der Joh 5,27 als „eine ‚Collage‘ aus den Versen Dan 7,13.14.22“ (a.a.O., 366) in enger terminologischer Anlehnung an die LXX-Version bezeichnet. Als traditionsgeschichtlichen Hintergrund verweist er weiter auf äthHen 37–71 sowie die synoptische Tradition (vgl. Mk 14,62||Mt 26,64 u.ö.), wobei Dan 7 seiner Meinung nach für den Evangelisten als „Schriftbeleg“ (a.a.O., 369) fungierte, der es ermöglichte, in der Jesus verliehenen Vollmacht auch die zum Gericht „eingeschlossen zu sehen“ (a.a.O., 369).

3. Glauben und Leben in Joh 5

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24c καὶ εἰς κρίσιν οὐκ ἔρχεται, 24d ἀλλὰ µεταβέβηκεν ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν. 25a ἀµὴν ἀµὴν λέγω ὑµῖν ὅτι 25b ἔρχεται ὥρα 25c καὶ νῦν ἐστιν 25d ὅτε οἱ νεκροὶ ἀκούσουσιν τῆς φωνῆς τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ 25e καὶ οἱ ἀκούσαντες ζήσου Nach V. 24, der mit einem doppelten Amen Jesu eröffnet,264 hat derjenige gegenwärtig265 ‚ewiges Leben‘ im Sinne von „la plénitude de vie telle que la veut Dieu“266, der das Wort des Sohnes hört267 und dem glaubt, der ihn gesandt hat. Hierbei verweist die Betonung des ‚Hörens‘ als conditio sine qua non für den Empfang des ‚ewigen Lebens‘ auf die Situation der Adressaten des Evangeliums. Denn so wie auf der Ebene der erzählten Zeit die fiktiven Adressaten Jesu in dessen Selbstoffenbarungsreden Zugang zum ‚Leben‘ haben, so gilt für die Hörerinnen und Hörer des Evangeliums, dass sie im ‚Hören‘ auf die überlieferten Worte Jesu der soteriologischen Gabe des ‚Lebens‘ teilhaftig werden.268 Dabei kann nach johanneischem Verständnis dieses ‚Hören‘ auf die Verkündigung des johanneischen Jesus nicht getrennt werden von dem Glauben an den, der ihn gesandt hat, da das vierte Evangelium den Anspruch erhebt, dass in Jesus Gott selber zur Sprache kommt.269 Die Konjunktion καί hat damit explikative Funktion,270 so dass die Zusammengehörigkeit des Hörens auf das Wort des Sohnes und des Glaubens an den ihn Sendenden als Bedingung der Partizipation am Heil aufgrund der zuvor entworfenen Relation zwischen Vater und Sohn (5,17.19–22) die logische Folge derselben ist. 264 Mit J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 192, kann gesagt werden, dass das zweifache Amen „indique d’une part le début d’un nouveau développement, d’autre part que celui-ci a le caractère d’une révélation décisive.“ 265 Darauf verweist das finite Verb ἔχει der 3. Person Singular aktiv im Präsens. 266 J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 192. 267 J. R. MICHAELS, John, 314f., weist auf das doppelte Amen und den bewussten Gebrauch der 1. Person Singular hin, die den Hörer dazu auffordere, das Wort Jesu als „lifegiving word“ (a.a.O., 315) zu identifizieren. 268 Vgl. dazu auch die im Epilog (Joh 20,31) zum Evangelium formulierte Intention der joh Darstellung. J. R. MICHAELS, John, 316, gelingt es, die Formulierung ὁ τὸν λόγον µου ἀκούων als Anrede an die Adressaten des Evangeliums herauszustellen, indem er annimmt, dass hier bewusst keine direkte Anrede an die fiktiven Adressaten Jesu vorliege. 269 Vgl. dazu z.B. Joh 1,1.18; 10,37f.; 17,21–23 sowie die ‚Ich-bin-Worte‘. 270 K. W ENGST, Johannesevangelium 1–10, 200 Anm. 45, weist zu Recht auf ein sprachliches Merkmal hin, das anzeigt, dass ‚hören‘ und ‚glauben‘ aufeinander bezogen sind: beiden Partizipien ist nur ein Artikel vorangestellt. Und pointiert hält J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 192, fest: „La succession des verbes (...) a une portée explicative: elle décrit la foi comme la confiance donnée à une parole reçue.“

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

In V. 24d weist das Joh darauf hin, dass der Hörende und Glaubende nicht allein das ewige Leben besitzt, sondern damit zugleich dem Gericht enthoben sei,271 was in V. 24d in dem durch das adversative ἀλλά eingeleiteten Satz positiv formuliert wird als µετάβασις ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν.272 In dieser Vorstellung, die darauf hinweist, dass sich physisch Lebende in einem Zustand befinden können, den das vierte Evangelium mit dem Stichwort θάνατος beschreibt, klingt bereits an, was in dem folgenden Amen-Wort des johanneischen Jesus erneut aufgenommen und näher erläutert wird. So spricht das Joh in V. 25 von νεκροί, die die Stimme des Gottessohnes hören und leben werden. Da der Zeitpunkt, an dem sich dieses Hören ereignet, durch das Adverb νῦν273 explizit im Hier und Jetzt verortet wird, kommt zum einen zum Ausdruck, dass es sich um ein gegenwärtiges Geschehen handelt, und zum anderen wird bestätigt, dass das vierte Evangelium die Auffassung vertritt, dass sich der Mensch außerhalb des Wortes Jesu bzw. des Glaubens274 an Gott als ‚spirituell‘ Toter275 vor271

Zu Recht weist R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 136, darauf hin, dass ‚Tod‘ hier meint, „unter dem Gericht bleiben“. Gemeint ist das „verdammende( ), sein Todesgeschick besiegelnde( ) Gericht“ (a.a.O., 137). Treffend stellt J. R. MICHAELS, John, 315, fest: „The point is not that those who believe are already judged and acquitted, and thereby granted eternal life. Rather, those who ‚have life‘ escape judgment altogether, while those who ‚come into judgment‘ do not have life.“ Vgl. weiter M. T HEOBALD, Johannes, 395; J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 192. Anders hingegen C. K. B ARRETT, Johannes, 276, demzufolge das Joh ein Gericht für die Glaubenden erwarte, aus dem sie als Gerettete hervorgingen. Dazu steht jedoch Joh 3,18 im Widerspruch. 272 Vgl. dazu 1 Joh 3,14: ἡµεῖς οἴδαµεν ὅτι µεταβεβήκαµεν ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν... Unzutreffend ist es, wenn R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 137, die µετάβασις ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν mit „‚Totenerweckung‘“ übersetzt und damit die terminologische Differenzierung bei Joh übersieht. Dasselbe Missverständnis liegt seiner Deutung von V. 25 zugrunde (vgl. dazu a.a.O, 140f.) – eine Deutung, die sich jüngst wieder bei J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 192, findet. Bei B. LINDARS, John, 224, wird deutlich, wie irreführend es ist, wenn die von Joh vorgenommene terminologische Differenzierung nicht wahrgenommen wird und dann in Erklärungsnöte führt: „There can be enjoyment of eternal life already, as if the general resurrection had already taken place“. 273 Die vollständige Formulierung ἔρχεται ὥρα καὶ νῦν ἐστιν hat in V. 25bc die Funktion, das νῦν zu betonen im Gegensatz zu V. 28. Anders U. SCHNELLE, Johannes, 121, der stattdessen neben dem gegenwärtigen Aspekt in V. 25 zusätzlich einen zukünftigen erkennen möchte. Dass καὶ νῦν in den Handschriften ‫*א‬, a, b und bei Tertullian fehlt ist als Harmonisierung an V. 28 zu verstehen. Nach der äußeren Bezeugung und im Sinne der lectio difficilior müssen die Worte „und jetzt“ zum ursprünglichen Textbestand gerechnet werden. 274 So urteilt auch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 192, allerdings bereits in der Auslegung zu V. 24. 275 So auch J. G. VAN DER WATT, New Look, 72; F. GRYGLEWICZ, Aussagen, 7f.; R. E. BROWN, John (i–xii), 215; M. THEOBALD, Johannes, 396. R. BULTMANN, Johannes, 194f., wiederum deutet Tod und Leben existential-theologisch als „uneigentliches Leben leben“ (a.a.O., 195) und ‚Leben‘ als „Eigentlichkeit der Existenz, die in der Erleuchtung

3. Glauben und Leben in Joh 5

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findet, was sich in dem Augenblick ändert, indem er die Stimme des Sohnes hört oder – wird Joh 3 einbezogen – sich in der ‚Geburt von oben‘ bzw. ‚des Geboren-Werdens aus Wasser und Geist‘ (Joh 3,3.5) ereignet.276 Eben dieses Ereignis, in dem der Mensch der Gabe des Lebens teilhaftig wird, kann das Joh unterschiedlich ausdrücken. So formuliert es in V. 25, was in V. 24 als ‚Hinübergehen aus dem Tod ins Leben‘ beschrieben wurde, schlicht mit dem Verb ζάω (V. 25e).277 Dabei fungieren dem vierten Evangelium die Derivate des ζῆν-Wortstammes dazu, die Kontinuität zwischen diesseitigem und jenseitigem Heil auszudrücken, da dem Glaubenden die Gabe des ewigen Lebens bereits gegenwärtig zuteil wird und damit zugleich verbürgt ist, dass er nicht mehr ins Gericht kommt. Und noch ein weiterer Aspekt des Übergangs aus dem Tod ins soteriologisch qualifizierte Leben verdient Aufmerksamkeit: der Aspekt der ‚jetzt gekommenen Stunde‘ (V. 25bc), da in ihm eine Anspielung auf die ‚Stunde‘ Jesu gesehen werden kann, so dass damit auch für Joh 5,24 gelten würde, was für das johanneische Glaubenssummarium in Joh 11,25f. und für Joh 3,14–16 beobachtet werden konnte: dass das Joh die Leben ermöglichende Vollmacht des Sohnes an dessen Verherrlichung in Kreuz und Auferstehung bzw. Rückkehr zum Vater rückbindet.278 Damit bildet auch in Joh 5,24f. das Kerygma der Glaubenssummarien die sachliche Voraussetzung für die Aussagen zum Leben schaffenden Wesen und Wirken des Vaters im Sohn.279

des definitiven Sichverstehens geschenkt wird“ (a.a.O., 194), ein Gedanke, der sich so bei Joh nicht finden lässt und damit eine Eintragung in den Text darstellt, der nicht gefolgt wird. 276 Sofern dieses ‚Gezeugt-Werden‘ des Menschen in absoluter Diskontinuität zu seiner vorherigen Existenz steht und eine Zäsur zu derselben darstellt, da es sich nicht einfach um ein wiederholtes Geborenwerden durch die leibliche Mutter handelt, wie das Joh Nikodemus irrtümlich vermuten ließ, ergänzen Joh 3,3.5 intertextuell Joh 5,24f. um den Aspekt eines notwendigen Sterbens gegenüber einem spirituellen Totsein, in dem sich der Mensch außerhalb des Glaubens befindet. 277 Vor dem Hintergrund von V. 24 mit seinen präsentischen Formulierungen sowie der Betonung des „Jetzt“ in V. 25 müssen die Futura ἀκούσουσιν und ζήσουσιν als logische Futura bezeichnet werden. 278 Dazu steht auch V. 28 nicht im Widerspruch, erscheint es doch sehr plausibel, die Rede von der kommenden Stunde hier auf die Parusie Christi zu beziehen. Zu Parusieaussagen bei Joh vgl. J. FREY, Eschatologie III, 131–178. Diese Deutung vertritt auch U. SCHNELLE, Johannes, 123. Vgl. zur nachösterlichen Perspektive und dem darin begründeten joh Bekekenntnis über „la présence de la vie donnée en Jésus, révélée en sa mort-résurrection“ M. MORGEN, Le déjà-là, 154. 279 Ein Sachverhalt den K. W ENGST, Johannesevangelium 1–10, 200, trotz seiner ähnlichen Auslegung zu Joh 5,25 übersieht.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

3.3.2 Das Hören der Stimme des Gottessohnes und die ἀνάστασις ζωῆς Gegenüber diesen dezidiert präsentischen Heilsaussagen weisen die VV. 28f. einen eigenen Akzent auf, der häufig dazu geführt hat, diesen Textabschnitt als sekundären Nachtrag einer späteren Redaktion auszuscheiden.280 Schließlich schien die futurisch-eschatologische Erwartung, die hier zum Ausdruck kommt, nicht zur präsentischen Eschatologie des Joh zu passen. Fragt man jedoch danach, welche Vorstellungen unter den Tradenten des Joh präsent waren, dann legt es sich nahe, die überlieferte Endgestalt des Textes für einen theologisch-konzeptionellen Vergleich von Paulus und Johannes heranzuziehen, ohne mit diesem synchronorientierten Textverständnis von vorneherein Wachstumsprozesse und quellenkritische Überlegungen zum Joh abzulehnen. Im Folgenden soll der Fokus auf die VV. 28f. und ihre sprachliche Gestalt gerichtet werden. 28a µὴ θαυµάζετε τοῦτο, 28b ὅτι ἔρχεται ὥρα 28c ἐν ᾗ πάντες οἱ ἐν τοῖς µνηµείοις ἀκούσουσιν τῆς φωνῆς αὐτοῦ 29a καὶ ἐκπορεύσονται 29b οἱ τὰ ἀγαθὰ ποιήσαντες εἰς ἀνάστασιν ζωῆς, 29c οἱ δὲ τὰ φαῦλα πράξαντες εἰς ἀνάστασιν κρίσεως. Nach den wie ein erzählerischer Kommentar erscheinenden VV. 26f. werden nun nach dem Amen-Wort in V. 25 erneut die Adressaten direkt angesprochen, indem sie in Form eines negierten Imperativs dazu aufgefordert werden, sich nicht über die folgende Belehrung des johanneischen Jesus zu wundern.281 Diese nimmt sprachliche Motive aus V. 25 auf, beispielsweise die Formulierung ἔρχεται ὥρα (28b) und die verbale Wendung ἀκούσουσιν τῆς φωνῆς (28c), setzt dabei aber eigene inhaltliche Akzente. Da in V. 28 die temporale Angabe, dass die Stunde bereits jetzt da sei, fehlt, können die Futura ἀκούσουσιν (28c) und ἐκπορεύσονται (V. 29a) anders als diejenigen Futurformen in V. 25de nicht als logische Futura verstanden werden. Zudem nimmt das Joh in den VV. 28f. eine universale Perspektive ein, wenn es nun von ‚allen‘ (28c: πάντες) spricht,282 die in den Gräbern sind. Dadurch erhält auch das Verb ἀκούω eine andere Bedeutung als in V. 25d. 280

Vgl. dazu unter IV.3.3 dieser Arbeit. Anders R. B ULTMANN, Johannes, 196 Anm. 9; R. SCHNACKENBURG, Johannes 5– 12, 148; C. K. B ARRETT, Johannes, 278; J. FREY, Eschatologie III, 330f.; J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 194, die τοῦτο (V. 28a) anaphorisch auf die Aussagen zur präsentischen Gerichtsvollmacht Jesu beziehen. 282 Die universale Perspektive einer allgemeinen Totenauferstehung in der ‚kommenden Stunde‘ legt es nahe, das erwartete Ereignis mit der Parusie Christi zu verbinden, die in Joh 6 mit dem Motiv des ‚letzten Tages‘ erneut aufgenommen wird. 281

3. Glauben und Leben in Joh 5

281

Während dort ‚hören‘ ein glaubendes Hören bezeichnete, geht es in V. 28c um die sinnliche Wahrnehmung der Stimme des Menschensohnes, die „die Voraussetzung für das Herauskommen aus den Gräbern“283 ist. Hier fällt der Unterschied in der Formulierung der Subjekte auf. Anstelle von οἱ νεκροί (V. 25d) ist nun von οἱ ἐν τοῖς µνηµείοις (V. 28c) die Rede, mit denen nicht die in einem spirituellen Sinn ‚Toten‘ aus V. 25d im Blick sind, sondern alle, die am Ende ihres kreatürlichen Lebens verstorben sind und beigesetzt wurden – Glaubende und Nicht-Glaubende.284 Besonders auffällig und interessant zugleich ist dabei, dass das Joh in Joh 5,28f. erstmals von einer doppelten ἀνάστασις spricht, deren Maßstab die ‚Werke‘ sind,285 und nicht wie gewohnt die Lebensterminologie verwendet. Andererseits wird diese jedoch mit dem angefügten Genitivattribut zugleich in die Rede von der Auferstehung integriert. Damit präsentiert das Joh auch in Joh 5,29b das ‚Leben‘ als die soteriologische Gabe, die den Glaubenden der Kontinuität zwischen diesseitigem und postmortalem Heil vergewissert, so dass trotz des Fokus auf der Zukunft eine innere Korrelation zu den präsentisch-eschatologisch ausgerichteten VV. 24f. besteht: denn wie der Mensch im glaubenden Hören der Selbstoffenbarung Gottes ‚ewiges Leben‘ besitzt, weil er aus dem Tod ins Leben hinübergegangen ist, so weist die Anfügung des Genitivattributs ζωῆς an das nomen regens ἀνάστασις darauf hin,286 dass auch nach V. 29 die Entscheidung über das 283

M. THEOBALD, Johannes, 401. So auch M. T HEOBALD, Johannes, 400; J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 194. Anders hingegen C. K. B ARRETT, Johannes, 278, der πάντες οἱ ἐν τοῖς µνηµείοις (V. 28c) auf „die Guten und Bösen im Unterschied zu den Erwählten“ beziehen möchte. 285 Die Erwartung einer doppelten Auferstehung, bei der die ‚Werke‘ grundlegend dafür sind, ob es zu einer ἀνάστασις ζωῆς oder einer ἀνάστασις κρίσεως kommt, widerspricht nicht der Vorstellung, dass der Glaubende dem Gericht entnommen sei (V. 24d), da ja bereits vor dessen physischem Tod über Heil und Unheil im Hören und Glauben entschieden ist. Der Verweis auf die Werke zeigt zum einen, dass auch der gegenwärtigen Gabe des ‚ewigen Lebens‘ eine ethische Dimension inhärent ist (so auch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 195). Zum anderen weist J. R. MICHAELS, John, 322, daraufhin, dass die joh Rede von ‚Werken‘ nicht im Widerspruch zum ‚Glauben‘ steht. Es gelingt ihm nämlich durch einen Vergleich der Formulierungen in Joh 3,20f. (ὁ φαῦλα πράσσων... ὁ δὲ ποιῶν τὴν ἀλήθειαν) und der Exegese der jeweiligen Kontexte überzeugend aufzuzeigen, dass für das Joh derjenige, der ‚glaubt‘, ‚hört‘, derjenige ist, der ‚zum Licht kommt‘ und ‚Gutes tut‘, während mit ὁ φαῦλα πράσσων derjenige bezeichnet wird, der nicht glaubt. 286 Da B. LINDARS, John, 226, die terminologische Differenzierung von Lebens- und Auferstehungsterminologie in den VV. 24f. einerseits und den VV. 28f. nicht wahrnimmt, muss er zu der Fehleinschätzung gelangen, dass Joh zum Ausdruck habe bringen wollen, dass „those who believe the standard eschatology should not be surprised to find the eschatological functions already in operation“. Er verkennt damit, dass Joh sowohl die Vorstellung eines gegenwärtigen, soteriologisch qualifizierten Lebens als auch die einer zukünftigen Auferstehungshoffnung vertritt. Dasselbe Missverstehen liegt bei C. K. B ARRETT, Johannes, 278, vor, der zwar das Nebeneinander präsentischer und eschatolo284

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Heil bereits zu Lebzeiten des Menschen gefallen ist.287 So kann der Glaubende in der Gewissheit leben und sterben, dass er dem Gericht entnommen ist und dass ihm als Besitzer des ‚ewigen Lebens‘ beim Hören der Stimme des Gottessohnes die ἀνάστασις ζωῆς widerfahren wird.288 All diese Aussagen zur soteriologisch-qualifizierten Existenz der Glaubenden und darüber, wie diese Ereignis wird, erhalten ihre Begründung aus den rahmenden Teilen der Amen-Worte und den VV. 28f. In ihnen entfaltet das vierte Evangelium eine Theologie des Lebens, die christologisch verwirklicht wird, indem der Vater den Sohn teilhaben lässt an seinem gischer Eschatologie für joh hält, aber undifferenziert urteilt, Joh habe „von der Auferstehung und dem Gericht unter sowohl präsentischen als auch futurischen Aspekten gedacht“. Viel präziser hingegen J. FREY, Eschatologie III, 381, und U. SCHNELLE, Johannes, 122f., der konstatiert: „An keiner Stelle im joh. Schrifttum wird gesagt, die Glaubenden seien bereits auferstanden.“ 287 Dies bestätigt auch der anschließende V. 30, der wiederum im Präsens formuliert ist und damit deutlich macht, dass sich Heil oder Unheil im Verhalten gegenüber der Selbstoffenbarung des Gottessohnes vollziehen, der dann entsprechend des göttlichen Willens richtet. 288 T. O’DONNELL, Eschatologies, versteht das Nebeneinander präsentischer und futurischer Eschatologie in Joh 5,19–30 als komplementär. Er interpretiert die Aussagen in ihrem narrativen Kontext sowie in Bezug auf die Adressaten des Evangeliums. Er nimmt an, dass „both the narrative context and the rhetoric of the speech challenge these readers to combine both present and future perspectives into a fuller vision of the Son’s lifegiving and judging activities“ (a.a.O., 759). So intendiere der Text, dass die literarischen Adressaten der Rede ebenso wie jene Glaubenden, die nicht zur joh Gemeinde gehörten und die futurische Eschatologie der Synoptiker kennen würden, die präsentische Eschatologie akzeptieren sollten, während die joh Gemeinde eine futurische Erwartung in ihre „realized eschatology“ (a.a.O., 763) integrieren sollte. Für Letzteres nennt er zwei Gründe: die Erfahrung des physischen Todes innerhalb der Gemeinde sowie „the difficulty of ‚abiding‘ in the life that Jesus had revealed“ (a.a.O., 763). O’Donnell’s Auffassung, dass die Adressaten des Joh sich ein Leben nach dem Tod leiblich vorstellten (a.a.O., 764), benennt einen wesentlichen Aspekt für die komplementären eschatologischen Aussagen. Und dass sich die Tradenten des Evangeliums mit der Frage beschäftigten, was mit jenen Glaubenden geschehen würde, die ihr Leben nicht gemäß der soteriologischen Gabe des ewigen Lebens gestalteten, lässt sich nicht allein aus dem 1 Joh erschließen, sondern z.B. aus Texten wie Joh 15,1–7. Bedenkenswert ist zudem der Beitrag von J. G. VAN DER W ATT, New Look, der die futurischen Aussagen über eine endzeitliche Auferstehung zum Leben oder zum Gericht auf jene Menschen beziehen möchte, die vor der Inkarnation Jesu gelebt hätten. Um dies zu begründen verweist er u.a. auf Joh 1,1–5 (a.a.O., 80), um zu zeigen, dass bereits der Präexistente als Licht der Menschen gewirkt hätte, was sich an deren Annahme oder Ablehung und damit verbunden an ihrem ethischen Verhalten hätte ablesen lassen. Aufgrunddessen spreche Joh 5,29 von einem Gericht nach Werken. Des Weiteren weist er auf die positive Aufnahme alttestamentlicher Gestalten wie Abraham und Mose hin (a.a.O., 81f.). Er gelangt zu dem Schluss, dass das Joh mit den futurischen Erwartungen das Problem löse, wie jene Menschen am Heil partizipieren können, die vor der Inkarnation Jesu gelebt hätten und gestorben seien. Er benennt damit einen wichtigen Aspekt, der Joh 5,28f. inhärent ist.

3. Glauben und Leben in Joh 5

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Wesen und seiner Funktion, Leben zu sein und zu schaffen. Welche Deutungsaspekte des johanneischen Glaubenssummariums auf der Basis dieser Textbeobachtungen zu Joh 5,19–30 einem vertieften Verständnis zugeführt bzw. verifiziert werden können, soll nun dargelegt werden. 3.4 Fazit: Joh 5 und das johanneische Glaubenssummarium Die an Joh 5,19–30 gemachten Textbeobachtungen stützen die für das johanneische Glaubenssummarium und dessen narrativer Umsetzung in Form des Grabwunders vorgetragenen Deutungsaspekte. So bestätigt sich vor allem die für das Ich-bin-Wort Jesu vorgeschlagene Auslegung des ἐγώ εἰµι. Demnach kommt in Jesus Selbstoffenbarung letztlich Gott selber zur Sprache, sofern er von seinem „Exegeten“ Christus (Joh 1,18) ausgelegt wird. Joh 5,19–30 (und darüber hinaus ebenso die Textabschnitte 5,1–18; 31–47) bestätigen diese Deutung, indem differenzierte Aussagen zur Relation von Vater und Sohn gemacht werden, die in den VV. 19–30 mit dem Paar der vergleichenden Konjunktionen ὥσπερ – οὕτως (5,21.26) im Sinne eines „wie der Vater, so der Sohn“ entfaltet und zudem als Übergabe der Vollmacht, Leben zu verleihen und Gericht zu halten bzw. davon zu befreien, erklärt werden. Analog zu Joh 11,42 spielt dabei auch in Joh 5,24.38 das Motiv der Sendung des Sohnes eine bedeutende Rolle, mit Hilfe dessen das Joh einen Aspekt der Relation zwischen Vater und Sohn beschreibt und Jesus als göttlich autorisierten Lebensspender legitimieren will. Dabei bleibt das Joh nicht bei Aussagen zur Funktion Jesu stehen, sondern entwickelt diese weiter hin zu einer Wesensaussage: wie der Vater Leben in sich hat, hat er auch dem Sohn gegeben, Leben in sich zu haben (5,26). Damit legt das Joh eine Theologie des Lebens vor, deren christologische Verwirklichung es in seinem Werk erzählt. Zu dieser christologischen Verwirklichung der johanneischen Theologie des Lebens gehört die Herausrufung des Lazarus aus dem Tod ins Leben, die in Joh 5,20 als noch ‚größeres Werk‘289 (im Verhältnis zur vorher erzählten Heilung des Gelähmten) vorangekündigt wird. Als von besonderem Interesse hinsichtlich der Deutung des Grabwunders erweisen sich dabei in Joh 5 die VV. 24f. einerseits sowie aufgrund ihrer inhaltlichen Andersartigkeit diesen gegenüber die VV. 28f. andererseits. So bestätigt V. 24 die präferierte Deutung des Grabwunders als µετάβασις ἐκ τοῦ θανάτου εἰς τὴν ζωήν sowie die Annahme, dass das substantivierte Partizip ὁ ζῶν in Joh 11,26 den Glaubenden in seiner soteriologisch qualifizierten Existenz beschreibt und somit das angeschlossene καὶ πιστεύων explikativen Charakter 289 Hier wird ‚Werk‘ allerdings pluralisch formuliert, was zeigt, dass es sich bei der Erzählung des Grabwunders um ein Paradigma handelt, das nach den VV. 24f. für jeden Glaubenden zutrifft, was ja auch die universalen Formulierungen im joh Glaubenssummarium in Joh 11,25f. gezeigt haben.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

hat. Denn nach V. 24 ‚hat‘ der Glaubende gegenwärtig ‚ewiges Leben‘. Ebenso stützt Joh 5,24 mit der Annahme, dass der aus dem Tod in das Leben Hinübergegangene nicht ins Gericht komme, die für Joh 11,25f. johanneische Vorstellung eines ‚ewigen Todes‘. Zudem belegt Joh 5,25, dass das vierte Evangelium physisch Lebende als spirituell Tote bezeichnen kann, was noch einmal die Deutung des Grabwunders als µετάβασις unterstützt. Auch die präsentischen Formulierungen in V. 24 bestätigen, dass sich der Übergang aus dem Tod ins Lebens im Akt des Zum-GlaubenKommens ereignet und der Mensch im gehorsamen Hören auf die Stimme des Gottessohnes das ‚ewige Leben‘ empfängt. Denn wie der johanneische Jesus Lazarus aus dem Tod ins Leben ruft, so ist es nach 5,24 die Stimme des Gottessohnes, die die µετάβασις der spirituell Toten in den Heilsbereich des Lebens ermöglicht. Und wie das Joh Jesus Martha fragen lässt, ob sie ‚dies‘ (τοῦτο), d.h. seine Offenbarungs-Worte (11,25f.) glaube, ist auch nach 5,24 der hörende Glaube der Empfangsmodus für die Gabe des Lebens. Des Weiteren kann an Joh 5 gezeigt werden, dass das Joh terminologisch exakt unterscheidet zwischen dem gegenwärtigen Heilsstatus der Glaubenden und einer zukünftigen Heilserwartung. So verwendet das Joh in den VV. 24f. ausschließlich Begriffe des ζῆν-Wortstammes, um die gegenwärtige Teilhabe der Glaubenden am eschatologisch-qualifizierten Leben auszusagen, während im futurisch-eschatologisch orientierten V. 29 von einer doppelten ἀνάστασις die Rede ist, wobei auch hier die ζωή als die zwischen diesseitigem und jenseitigem Heil Kontinuität gewährende soteriologische Gabe erscheint. Damit bestätigt sich für Joh, was bereits bei Paulus zu beobachten war: Bei beiden verdankt sich der Gebrauch der ζῆνTerminologie einem bewussten theologischen Gestaltungswillen, der dazu dient, die gegenwärtige soteriologische Lebensteilhabe der Glaubenden zum Ausdruck zu bringen. Da beide hier terminologisch differenzieren und dabei im Gegensatz zur rein futurisch-eschatologischen Erwartung des ‚ewigen Lebens‘ bei den Synoptikern stehen, wird hierin die zentrale Analogie beider theologischer Konzeptionen sichtbar. Für Joh fällt darüber hinaus auf, dass er für die Glaubenden von einer bereits geschehenen „Auferweckung“ sprechen kann.290 Anders hingegen verhält es sich mit einer Auferstehung aller zum Leben oder zum Gericht, die Joh erst in der Zukunft erwartet. Als „Auferstehung“ wird allein der johanneische Christus bezeichnet. Joh 5,24 bestätigt damit die Annahme, dass die Abfolge der Begriffe ἀνάστασις und ζωή in 11,25 bewusst gewählt 290

Vgl. dazu neben Joh 12,1.9.17 auch Joh 5,21, demzufolge gegenwärtig Jesus in Analogie zum Vater spirituell Tote auferweckt und lebendig macht, wen er will, wobei „auferwecken“ hier rein metaphorisch zu verstehen und nicht mit einer vom Joh zukünftig erwarteten Auferstehung zu verwechseln ist.

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ist. Denn sofern die Leben schaffende Vollmacht des johanneischen Jesus an das Motiv der ‚jetzt‘ ‚kommenden Stunde‘ gebunden ist und hierin eine Anspielung an das ‚Kommen (bzw. Gekommen-Sein) der Stunde‘ Jesu vorliegt, bilden auch nach Joh 5,24 der Tod und die Auferstehung die Voraussetzung für das Leben schaffende Wirken Jesu. Daran zeigt sich, dass die Bezeichnung von Joh 11,25f. als johanneisches Glaubenssummarium in Analogie zu den paulinischen Glaubenssummarien angemessen ist, da Tod und Auferstehung Jesu – wie bereits in den vorpaulinischen Glaubenssummarien – das grundlegende Kerygma bilden, auf dessen Basis Paulus und Joh ihren Lebensbegriff entfalten. Und ebendiese sachliche Struktur weist das Joh an allen relevanten Stellen auf, an denen es die Lebensthematik entfaltet, wenn auch aufgrund der narrativen Inszenierung seiner Theologie nur in 11,25f. in dieser formelhaften Form. Summa summarum konnten die an Joh 5,19–30 gemachten Textbeobachtungen die Deutung des Grabwunders sowie die Bezeichnung von Joh 11,25f. als johanneisches Glaubenssummarium bestätigen und erneut aufzeigen, dass sich der Gebrauch der ζῆν-Terminologie einem bewussten theologischen Gestaltungswillen verdankt, mittels derer das vierte Evangelium seine Theologie des Lebens entfaltet, die es in Sein und Wirken Jesu verwirklicht sieht.

4. Glauben und Leben in Joh 6 4. Glauben und Leben in Joh 6

4.1 Glauben und Leben in Joh 6,26–59(–71)291 In Joh 6 finden sich 18 von insgesamt 56 Belegen des ζῆν-Wortstammes, davon elf für das Substantiv ζωή, mit dem an fünf Stellen das Syntagma ζωὴ αἰώνιος bezeugt ist, sechs für das Verb ζάω und ein Beleg für das Verb ζῳοποιέω.292 Dabei fällt auf, dass sich bis auf eine einzige Ausnahme alle diese Belege im Munde des johanneischen Jesus finden,293 was insofern nicht überrascht, als dass Kap. 6 aus einer Rede besteht, in der sich der johanneische Jesus als Geber und Gabe des Lebens gegenüber verschiedenen Adressaten erklärend offenbart. Dazu verwendet das vierte Evangelium die Metapher ὁ ἄρτος τῆς ζωῆς (6,35.48) bzw. ὁ ἄρτος ὁ ζῶν (6,51) und formuliert in der typisch johanneischen Form der ‚Ich-bin-Worte‘. 291

Zur Textabgrenzung s.u. unter IV.4.3. Das Substantiv steht in Joh 6,27.33.35.40.47.48.51.53.54.63.68. Das Syntagma ζωὴ αἰώνιος findet sich in 6,27.40.47.54.68. Das Verb ζάω findet sich zweimal in V. 51, dreimal in V. 57 und noch einmal in V. 58. Joh 6,63 bietet das Verb ζῳοποιέω. Vgl. hierzu wie zu Joh 6 insgesamt M. STARE, leben, 2. 293 Das veranlasst M. STARE, leben, 4, vom „Vokabular Jesu“ zu sprechen. In Joh 6 findet sich daneben bloß im Munde des Petrus die Rede von ῥήµατα ζωῆς αἰωνίου (6,68). 292

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Ebendiese metaphorische Rede vom ‚Brot‘ in ihrer Weiterführung zur Rede von der σάρξ Jesu ist konstitutiv für das Thema ‚Glauben und Leben‘ in Kapitel 6.294 Denn hiermit entfaltet das Joh die soteriologische Bedeutung Jesu in seiner Relation zum Vater, um letztlich, wie bereits in Joh 5 und am johanneischen Glaubenssummarium zu beobachten war, eine Theologie des Lebens zu entwerfen, innerhalb derer Jesus als Heilsmittler in Abhängigkeit vom Vater agiert und die auf die Rettung des Kosmos zielt. Daher kann gesagt werden, dass das gesamte Kapitel seine Klimax erreicht in der Aussage: καθὼς ἀπέστειλέν µε ὁ ζῶν πατὴρ κἀγὼ ζῶ διὰ τὸν πατέρα, καὶ ὁ τρώγων µε κἀκεῖνος ζήσει δι᾿ ἐµέ (6,57). Dabei lässt sich an Joh 6 ein Phänomen beobachten, das auch in Joh 5 vorliegt: Das Joh differenziert zwischen einer zukünftig erwarteten Auferstehung und der gegenwärtigen Gabe des Lebens, was an der refrainartig wiederkehrenden Formulierung ἀναστήσω αὐτὸν [ἐν] τῇ ἐσχάτῃ ἡµέρα295 zum Ausdruck kommt. Damit verifiziert Joh 6, dass eine Deutung des Lazarus-Wunders als µετάβασις zu bevorzugen ist, vor allem aber, dass das Joh ausschließlich in Bezug auf Jesus von einer Auferstehung spricht, während das Auferstehen-Lassen der Menschen erst für den ‚letzten Tag‘ erwartet wird. Ebendiese Perspektive auf den Tod Jesu als Bedingung der Möglichkeit einer Partizipation am Leben von Vater und Sohn, wie sie sich für die untersuchten Stellen in Joh 3; 5 und 11 nahelegte, weist auch Joh 6 auf, wie im Folgenden gezeigt werden kann. Damit jedoch bildet letztlich auch in Joh 6,26–59 das Kerygma von Jesu Sterben und Auferstehen, wie es die vorpaulinischen Glaubenssummarien aufweisen, die Voraussetzung für die soteriologische Gabe des Lebens. Und hier wie dort ist das πιστεύειν der Empfangsmodus für das ‚(ewige) Leben‘,296 so dass sich auch an Joh 6 aufzeigen lässt, dass die beeindruckendste Analogie zwischen Paulus und Johannes darin besteht, dass sie ihr Lebensverständnis beide mit Hilfe der ζῆν-Terminologie auf dem Kerygma der Glaubenssummarien entfalten. 294

Dieser Zusammenhang begegnet erstmals in Joh 6,26–29, dann erneut in 6,35 und in 6,51–58, wobei hier die Bildebene wechselt und es nun um den Verzehr des Fleisches und Blutes Jesu geht. S. dazu im Detail jeweils zur Auslegung der Stellen. 295 Mit kleinen Abweichungen belegt in Joh 6,39f.44.54. Hierbei handelt es sich durchweg um textkritische Phänomene, die sich auf das Personalpronomen αὐτό (V. 39) bzw. αὐτόν (V. 40.44.54) sowie das ἐγώ in V. 40 und die Präposition ἐν beziehen. Da sich durch sie keine inhaltlichen Verschiebungen ergeben und die Textüberlieferung erkennen lässt, dass es Tendenzen zur Harmonisierung gab, können diese außer Acht gelassen werden. 296 Das bestätigt ein Blick auf die VV. 35.40.47. Daneben verwendet das Joh Synonyme für ‚glauben‘, beispielsweise ‚sehen‘ (V. 30.36: ὁράω; V. 40: θεωρέω), ‚kommen‘ (V. 35: ἔρχοµαι; vgl. auch negativ V. 44) und dann, aufgrund des spezifischen Kontextes, ‚essen‘ (V. 50f.53: ἐσθίω; V. 54.56.58: τρώγω) und ‚trinken‘ (V. 53.54.56: πίνω).

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Es ist an dieser Stelle nicht geboten, alle Lebensbelege in Joh 6,25–59 detailliert zu exegesieren. Stattdessen sollen sie hinsichtlich ihrer Bedeutung für Joh 11 untersucht werden. Vier Dinge sind hier wesentlich, die bereits angesprochen wurden: Zum einen soll anhand von Joh 6 aufgezeigt werden, dass die am ‚Ich-bin‘ Jesu in Joh 11,25 beobachtete Relation von Vater und Sohn auch nach Joh 6 entscheidend ist für Jesus als Geber und Gabe des Lebens. Zum Zweiten gilt es nachzuzeichnen, dass Jesu Tod die Voraussetzung für seine Selbstprädikation als ‚Auferstehung und Leben‘ (11,25) bildet. Im Zusammenhang damit soll auf die Differenzierung zwischen der gegenwärtigen Gabe des ‚Lebens‘ und einer zukünftig erwarteten Auferstehung am ‚letzten Tag‘ hingewiesen werden und schließlich kann an Joh 6 die für Joh 11,16 angenommene Deutung, dass die Glaubenden am Tod Jesu partizipieren, plausibel gemacht werden. Bevor dazu ausgewählte Textpassagen untersucht werden, sollen zunächst Kontext und Komposition von Joh 6,26–59 näher betrachtet werden. 4.2 Kontext und Komposition von Joh 6,26–59(63.68) Bei Joh 6,26–59 handelt es sich um einen „Dialog über das Lebensbrot“297, zu dem jedoch sowohl die vorangehenden Wundererzählungen (Joh 6,1– 15; 6,16–25) als auch das anschließende Gespräch zwischen den Jüngern und Jesus (6,60–71) in einem engen Bezug stehen.298 So wird mit dem Speisungswunder299 bereits das ‚Brot‘ eingeführt, womit der Anknüpfungspunkt gegeben ist, an den der Lebensbrot-Dialog anschließen kann. Und die Erzählung vom Seewandel als flüchtiger Epiphanie der „rettende(n) Gegenwart“ Jesu, in der erstmals innerhalb des Evangeliums ein absolut gebrauchtes ἐγώ εἰµι (6,20) im Munde Jesu erscheint300 und es den Jüngern nicht gelingt, Jesus ins Boot zu nehmen, deutet bereits darauf voraus, dass er als ‚Brot des Lebens‘ anders empfangen werden muss. Der eigentliche Lebensbrot-Dialog beginnt in V. 30 nach dem Speisungswun297

So zu Recht M. THEOBALD, Johannes, 450.453, der die Bezeichnung Dialog aufgrund der Gesprächsstruktur gegenüber der Einordnung des Kapitels als Rede bevorzugt, jedoch beide Begriffe verwendet. 298 Diese Dreiteilung des Kapitels vertritt auch M. THEOBALD, Johannes, 421. R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 14, hingegen ordnet 6,60–71 noch der Brotrede zu. Er bezeichnet Joh 6 zu Recht als „wohldurchdachte Komposition und geschlossene Einheit“ (a.a.O., 12). Daher ist es nicht notwendig, kleine Unterschiede in den Gliederungsversuchen hier zu referieren. 299 Vgl. hierzu die synoptischen Parallelen in Mk 6,32–44||Mt 14,13–31||Lk 9,10–17. 300 Darauf verweist auch U. SCHNELLE, Johannes, 133f. Er spricht in diesem Zusammenhang von der „rettende(n) Gegenwart“ (a.a.O., 134). Ganz ähnlich auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 13, der zu dem Schluss kommt, der Evangelist habe den Seewandel als Erweis der „göttliche(n) Hoheit“ Jesu verwendet. Vgl. auch die synoptischen Parallelen Mk 6,45–52; Mt 14,22–33.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

der und der Rede von einer βρῶσις τὴν µένουσαν εἰς ζωὴν αἰώνιον (6,27) sowie der als „Überleitung und Einleitung“301 zum Lebensbrot-Dialog zu bezeichnenden Textpassage 6,26–29, in der in V. 29 mit dem Stichwort πιστεύητε vorweggenommen wird, wie die Menschen Anteil bekommen an der Speise zum ewigen Leben.302 Mit V. 30 beginnt der „Hauptteil“303 der Brotrede, in der das vierte Evangelium Jesus als ἄρτος τοῦ θεοῦ (...) ὁ καταβαίνων ἐκ τοῦ οὐρανοῦ (6,33)304 und im Folgenden in einer Selbstprädikation in Form eines ‚Ichbin-Wortes‘ als ἄρτος τῆς ζωῆς (6,35) im Gegensatz zum Manna, das die Israeliten in der Wüste aßen, präsentiert, indem es seine soteriologische Bedeutung für die Glaubenden illustriert. Dabei wendet sich das Joh gegen die Vorstellung, Mose habe den Israeliten mit dem Manna305 Brot vom Himmel gegeben (6,32), und stellt stattdessen Gott als Geber des ‚Lebensbrotes‘ Jesu dar. Auf diese Weise werden sogleich Jesu soteriologische Funktion sowie sein Wesen letztlich auf Gott als Subjekt des Heilshan301

U. SCHNELLE, Johannes, 135. M. THEOBALD, Johannes, 455, bezeichnet diesen Textabschnitt als „Proömium“. 302 Vgl. R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 49, und nach ihm U. SCHNELLE, Johannes, 136, wenn er festhält, dass der Glaube das „geforderte Werk“ sei und die Glaubensforderung als Verbindung von V. 29 mit Joh 6,35b.47 erkennt. 303 So M. THEOBALD, Johannes, 454. 304 Vgl. dazu weiter die VV. 38.41f.50f., in denen ebenfalls das Motiv des ‚Hinabsteigens aus dem Himmel‘ (καταβαίνω ἐκ τοῦ οὐρανοῦ) wieder aufgenommen wird. Zur Bedeutung vgl. IV.4.3.2 dieser Untersuchung. 305 J. DENNIS, Exodus, listet Exodus-Bezüge in Joh 6 auf. Hierzu diskutiert er Joh 6,14, zieht eine Parallele zwischen dem Seewandel und dem Durchzug durch das rote Meer (6,16–21) und setzt das Brotwunder (6,5–11) sowie die Gegenüberstellung von Jesus als Lebensbrot und dem Manna in der Wüste (6,31–37.41.48–51) in Bezug zur Exodustradition. Zudem bezieht er die erwähnten zwölf Körbe in Joh 6,12f. auf die zwölf Stämme Israels. Diese Beobachtungen veranlassen ihn zu der Annahme, dass Joh 6 zeigen wolle, „that the day of restoration is here and that Jesus the Messiah, the prophet like Moses par excellence, is now leading a second exodus restoration that will lead to eternal life and the restoration of a new community.“ (A.a.O., 121.) Differenzierter gelingt es J. ZUMSTEIN, Schriftrezeption, die intertextuellen Bezüge zwischen Joh 6 und Ex 16 herauszuarbeiten. Er spricht dabei von zwei dialektischen Verbindungen. Diese bestehen zum einen darin, dass Joh 6 „seinen vollständigen Sinn erst erhält, wenn es in Verbindung mit Ex 16 gesetzt wird“ (a.a.O., 135), und zum anderen „in der Enthüllung der Identität Jesu, die zu einer neuen Wahrnehmung der Manna-Erzählung bzw. der Heilsgeschichte Israels führt“ (a.a.O., 136). Nach Zumstein ist für die Lesenden „diese doppelte dialektische Bewegung keine Überraschung. Sie entspricht dem hermeneutischen Programm, das am Ende von Kap. 5 angekündigt wurde. Die Schrift legt Zeugnis für Jesus ab, der ihre geheime Mitte ist, wobei Mose zum Zeugen Christi wird“ (a.a.O., 136). Zumstein zeigt auf, dass diese „mittels der Intertextualität entfaltete Hermeneutik“ nicht als „Angriff auf die Schrift oder eine Kritik der Heilsgeschichte“ (a.a.O., 136) missverstanden werden darf, sondern als Zeugnis der „Interpretationsarbeit des impliziten Autors in Joh 6“ (a.a.O., 137) verstanden werden muss.

4. Glauben und Leben in Joh 6

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delns zurückgeführt, für das aber sein Sterben und seine Rückkehr zum Vater konstitutiv sind, wie die VV. 51–58 deutlich machen. Der ‚Lebensbrot-Dialog‘ reicht bis einschließlich V. 59,306 in dem das Joh ihn nach306

Die VV. 51c–58 werden häufig als „eucharistischer Abschnitt“ verstanden und Argumente für eine sekundäre Einfügung (vgl. dazu exemplarisch R. BULTMANN, Johannes, 162) oder deren ursprünglicher Zugehörigkeit zur Lebensbrotrede diskutiert. Die vorliegende Studie fasst sie als Fortführung der christologischen Bildrede in Joh 6,30–59 auf. Während F. C. MOLONEY, John, 223, annimmt, dass „the major concern of this final part of the discourse on the bread from heaven is not eucharistic“, hätten aber Leser am Ende des 1. Jh. an den Text die Frage gestellt, wie sie des Fleisches und Blutes Jesu teilhaftig werden könnten, und hätten in der Abendmahlspraxis ihre Antwort gefunden. So ist ein Bezug auf die Eucharistie zwar möglich, aber nicht die primäre Aussageintention des Textes. Demgegenüber vertritt J. HEILMANN, Wein, in seiner Untersuchung infolge einer Analyse altkirchlicher Traditionen die Ansicht: „Die Möglichkeit einer ‚eucharistischen‘ Lektüre von Joh 6 ergibt sich erst vor dem Hintergrund der ritualgeschichtlichen Transformationsprozesse ab dem dritten/vierten Jh.“ (a.a.O., 240). Daher hält er eine eucharistische Deutung für das Joh anachronistisch. Er vertritt ebenfalls ein metaphorisches Verständnis der joh Rede vom Essen und Trinken des Fleisches und des Blutes Christi innerhalb des Metaphernfeldes in Joh 6. Er bezieht diese Metaphorik auf die Annahme der Lehre Jesu (a.a.O., 239). Demgegenüber vertreten ein eucharistisches Verständnis U. SCHNELLE, Johannes, 145f., der für die Verben φαγεῖν und τρωγεῖν innerhalb des „eucharistischen Abschnitts“ (a.a.O., 146) ein wörtliches Verständnis annimmt, sowie R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 85; C. K. B ARRETT, Johannes, 308; J. FREY, Bild, 356–359. K. WENGST, Johannesevangelium 1–10, 248; C. DIETZFELBINGER, Johannes, 171; M. THEOBALD, Johannes, 475. U. SCHNELLE, Johannes, 147, geht sogar so weit anzunehmen, dass Joh mit dem Essen und Trinken des Menschensohnes die „Eucharistie als unerläßliche( ) Heilsbedingung“ repräsentiere, womit er einen „antidoketischen Akzent setzt“ (a.a.O., 147). Ganz ähnlich auch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 236, der von „la nécessité absolue de l’eucharistie comme médiation du salut“ spricht, allerdings dann zutreffend festhält, dass das Sakrament „n’est pas une alternative à la foi, mais l’une de ses expressions: seul le croyant discerne, en effet, dans la chair et le sang la métaphore de l’événement de la croix dans sa dimension sotériologique.“ Damit gelingt es Zumstein, wie mit seiner Annahme, dass es sich bei den VV. 51c–58 um eine Relecture des Vorangegangenen handele, die mögliche eucharistische Deutung mit der Annahme einer Fortsetzung der christologischen Bildrede auszugleichen, da er explizit von einem metaphorischen Verständnis ausgeht und die inneren Bezüge zum Lebensbrot-Dialog berücksichtigt. Einen interessanten alternativen Vorschlag zum Verständnis von Joh 6,51c–58 hat J. A. HARRILL, Language, vorgelegt. Er nimmt an, dass „the charge of cannibalism was a commonplace in polemics against factionalism, and the synagogue authorities who faced the religious dissent of what would become the Johannine community likely Othered such messianic sectarians as ‚cannibals‘“ (a.a.O., 150). In Joh 6 werde dieser Vorwurf, wie er sich auch in anderen griechisch-römischen und jüdischen literarischen Zeugnissen als „literary imagination“ (a.a.O., 158) nachweisen lasse, einer joh Neubewertung zugeführt. „The anthropophagic saying of the Johannine Jesus functions in an antimissionary way, to steer outsiders away from the community and to encourage unworthy insiders to leave“ (a.a.O., 157). Daneben hält er es für möglich, dass frühchristliche Abendmahlstraditionen die positive Adaption des Kannibalismus in Joh 6 unterstützt haben könnten

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

träglich in der Synagoge in Kafarnaum lokalisiert. Es folgt ein letzter Textabschnitt (6,60–71), der die Reaktion der Jünger auf Jesu Ausführungen beschreibt. Viele seiner Jünger verlassen ihn (6,66), nur die Zwölf bleiben (6,67). Das Kapitel schließt mit der Ankündigung, dass einer der Jünger Jesus verraten würde (6,70f.), und endet damit mit einem letzten Verweis auf die Passion Jesu. Diese ist bereits zuvor Gegenstand des Gesprächs zwischen Jesus und seinen Jüngern, wenn es darum geht, dass der Menschensohn hinaufgehen wird (6,62: ἀναβαίνω) an den Ort, an dem er zuvor war, und insbesondere in dem in seiner Bedeutung viel diskutierten V. 63, der vom lebendig machenden Geist spricht, eine Antithese zwischen Geist und Fleisch aufstellt und die Worte Jesu als πνεῦµα und ζωή identifiziert. In diesem Zusammenhang findet sich in V. 68 auch der letzte Beleg der Lebensterminologie, denn mit dem Petrusbekenntnis und der Rede von den ῥήµατα ζωῆς αἰωνίου wird abschließend ein Bogen zu V. 63 gezogen, und die bleibende Leben schaffende Bedeutung des Evangeliums als Zeugnis der Worte Jesu wird festgehalten. Hier ist die nachösterliche Perspektive der Darstellung deutlich sichtbar. Der kurze Überblick über den Aufbau des Lebensbrot-Dialogs und seines Kontextes zeigt, dass es sich bei Joh 6 um eine „kompositionelle Einheit“ handelt, die durch inhaltliche und begriffliche Motive zusammengehalten wird307 und die darauf zielt, Jesus als die Lebensgabe Gottes zu zeichnen und zu beschreiben, wie der Mensch ihrer teilhaftig wird. Aufgrund der spezifischen Fragerichtung, auf die hin Joh 6 betrachtet werden soll, legt es sich nahe, einzelne Textpassagen auszuwählen und diese zu analysieren. So soll zunächst die Rede von der βρῶσις εἰς ζωὴν αἰώνιον in Joh 6,27 näher betrachtet werden, bevor dann auf der Grundlage des Kernlogions308 Joh 6,35 die VV. 40.47–58 ausgelegt werden und im Anschluss daran auf die VV. 63.68 eingegangen wird, die die Bedeutung der Worte und des Geistes für die Partizipation am ‚Leben‘ thematisieren. 4.3 ‚βρῶσις εἰς ζωὴν αἰώνιον‘, ‚Lebensbrot‘, ‚Glauben‘, ‚ewiges Leben‘, ‚Fleisch‘ und ‚Blut‘ Christi (Joh 6,35–59) 4.3.1 Die ‚Speise ins ewige Leben‘ (Joh 6,26–29) In der Exposition zum Lebensbrot-Dialog spricht der johanneische Jesus von einer βρῶσις τὴν µένουσαν εἰς ζωὴν αἰώνιον. Dort heißt es im engeren Kontext Joh 6,26–29: (a.a.O., 153). Einen interessanten Beitrag aus systematisch-theologischer Perspektive, der annimmt, dass das Abendmahl in Joh 6 gar nicht thematisiert werde, aber für eine positive Deutung des Abendmahls fruchtbar gemacht werden könne, bietet G. ETZELMÜLLER, Geist, 6–11. 307 So U. SCHNELLE, Johannes, 155. 308 Vgl. dazu M. T HEOBALD, Johannes, 458, der Joh 6,35 als „‚Kernwort‘“ bezeichnet.

4. Glauben und Leben in Joh 6

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26a Ἀπεκρίθη αὐτοῖς ὁ Ἰησοῦς 26b καὶ εἶπεν· 26c ἀµὴν ἀµὴν λέγω ὑµῖν, 26d ζητεῖτέ µε οὐχ ὅτι εἴδετε σηµεῖα, 26e ἀλλ᾿ ὅτι ἐφάγετε ἐκ τῶν ἄρτων 26f καὶ ἐχορτάσθητε. 27a ἐργάζεσθε µὴ τὴν βρῶσιν τὴν ἀπολλυµένην 27b ἀλλὰ τὴν βρῶσιν τὴν µένουσαν εἰς ζωὴν αἰώνιον, 27c ἣν ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ὑµῖν δώσει· 27d τοῦτον γὰρ ὁ πατὴρ ἐσφράγισεν ὁ θεός. 28a εἶπον οὖν πρὸς αὐτόν· 28b τί ποιῶµεν 28c ἵνα ἐργαζώµεθα τὰ ἔργα τοῦ θεοῦ; 29a ἀπεκρίθη [ὁ] Ἰησοῦς 29b καὶ εἶπεν αὐτοῖς· 29c τοῦτό ἐστιν τὸ ἔργον τοῦ θεοῦ, 29d ἵνα πιστεύητε εἰς ὃν ἀπέστειλεν ἐκεῖνος V. 27 ist Bestandteil einer längeren Redeeinheit Jesu, die die VV. 26f. umfasst und bei der es sich um eine Reaktion des johanneischen Jesus auf die Suche des Volkes nach ihm handelt (6,22–25), in der er dem Volk in einem Amen-Wort unterstellt, dass sie ihn nicht aufgrund des miterlebten Brotwunders suchten, sondern weil sie von den Broten gegessen hätten und satt geworden seien (V. 26).309 Daraufhin ergeht die Aufforderung Jesu in Form eines Imperativs Plural Präsens, das Volk solle sich nicht um Speise mühen, die vergeht, sondern um jene, die ins ewige Leben hinein bleibe (V. 27).310 Diese Aufforderung Jesu bleibt in ihrem unmittelbaren Kontext rätselhaft, denn dass der johanneische Jesus mit der ‚Speise‘ von sich selber spricht, entfalten erst die ‚Ich-bin-Worte‘ innerhalb des späteren Lebensbrot-Dialogs. Anstelle einer direkten Identifikation lässt das Joh Jesus hier in der dritten Person Singular von sich selber als dem υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου (V. 27c) sprechen. Es ruft damit „den ganzen Vorstellungskomplex des vom Himmel herabgestiegenen und wieder aufsteigenden Men309 Treffend nimmt J. FREY, Bild, 352, bei der Deutung der VV. 26f. den Aspekt der Zeichen auf und gelangt zu dem Schluss, dass es nach joh Verständnis darauf ankäme, „das Wunder als Zeichen, als Verweis auf die Würde Jesu wahrzunehmen und dementsprechend (...) zu glauben.“ 310 Vgl. die Parallele in Joh 4,13f. Darauf verweist auch J. R. MICHAELS, John, 364. Er bezieht den Gegensatz zwischen der vergänglichen und der bleibenden Speise in Joh 6,27 treffend auf „the strong contrast between physical and spiritual food“. J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 221, fasst den Appell Jesu zusammen: „Il ne convient pas de chercher à obtenir un pain éphémère qui ne procure qu’une satiété provisoire, mais il faut, tout au contraire, se mettre en quête du pain qiu apporte la vie éternelle.“

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schensohnes hervor“311 und verweist so auf den ‚Lebensbrot-Dialog‘ und das abschließende Gespräch Jesu mit den Jüngern voraus. Denn hier werden das ‚Hinab- und Heraufsteigen‘ des Menschensohnes ausführlich thematisiert.312 Vor diesem Hintergrund erklärt sich dann auch die futurische Formulierung, dass der Menschensohn es ist, der ihnen diese Speise geben werde (V. 27c: δώσει).313 Damit trägt das Joh bereits in der Exposition zum ‚Lebensbrot-Dialog‘ die kreuzestheologische Perspektive ein,314 mit der von der Ebene der erzählten Zeit auf den Tod Jesu vorausgeschaut wird, der sein ‚Fleisch‘315 für das Leben des Kosmos geben316 wird (V. 51d).317 Des Weiteren verweist das Joh mit dem Verb δίδωµι darauf, dass es sich bei der unvergänglichen Speise um ein Geschenk handelt, so dass die Aufforderung, sich um diese zu bemühen einen anderen Akzent bekommt. 311 R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 48. Vgl. weiter C. K. B ARRETT, Johannes, 299. Unzureichend ist demgegenüber die Ansicht von M. THEOBALD, Johannes, 456, der den Menschensohn-Titel als Anspielung auf Jesu präexistentes, göttliches Wesen verstehen möchte. 312 Vgl. dazu unten die Auslegung zu den betreffenden Stellen: Joh 6,32f.38.50f.58.62 (vgl. auch 6,41f.). 313 Trotz der guten Bezeugung des Präsens (‫א‬, D, e, ff2, j) ist das Futur ursprünglich, da es sich bei dem Präsens um eine Angleichung an V. 32 handeln dürfte. Dafür votieren auch C. K. B ARRETT, Johannes, 299; R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 48. 314 Vgl. J. FREY, Bild, 350, der die kreuzestheologische Perspektive in dem Verweis auf das Passa in Joh 6,4 gegeben sieht. H. WEDER, Menschwerdung, 373, deutet den Hinweis auf das Passa ebenfalls als „Signal für die kommende Passion.“ 315 Verengend erscheint die Annahme bei M. T HEOBALD, Johannes, 456, der die zukünftige Gabe allein auf das Pneuma beziehen möchte. Wenngleich er damit treffend die pneumatologische Dimension des ‚ewigen Lebens‘ erkennt, die im abschließenden Gespräch Jesu mit den Jüngern (Joh 6,60–71) erneut eine Rolle spielen wird, wird das der Vielschichtigkeit des Joh nicht gerecht. Denn das Joh spielt mit der differenzierten Einheit von Jesus als Geber und Gabe der unvergänglichen Speise. Vgl. in diesem Sinne die überzeugende Argumentation bei R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 48–50. 316 Daher ist es unzutreffend, wenn M. STARE, leben, 147, annimmt, dass es im Zusammenhang mit dem ‚Brot‘ in den VV. 30–59 „vom Unterstreichen des Verbs ‚geben‘ zur Akzentuierung des Verbs ‚herabsteigen‘“ komme. Diese Deutung steht in der Gefahr, zwei Aspekte, die das Joh zusammenhält, gegeneinander auszuspielen. 317 So auch F. C. MOLONEY, John, 209; K. WENGST, Johannesevangelium 5–12, 233. Das verkennt allerdings J. R. MICHAELS, John, 365, der lediglich bemerkt, dass ‚ewiges Leben‘ hier zukünftig sei, und ebendieses Verständnis auch für 3,15f. postuliert. Bedenkenswert ist der Vorschlag von J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 222, der neben einer dezidiert kreuzestheologischen Perspektive einen weiteren Verstehenshorizont ermöglicht und damit etwas bleibend Gültiges für Joh 6,27c herausarbeitet. Er hält es ebenso gut für möglich, dass hier „futur modal“ vorliege: „l’accent ne porterait pas sur un moment précis, situé dans le futur, mais sur la présence certaine du don de Dieu pour quiconque croit.“ Ähnlich argumentiert auch R. E. BROWN, John (i–xii), 264. Nicht zugestimmt werden kann daher J. GNILKA, Johannesevangelium, 50, der die zukünftige Gabe in der Eucharistie gegeben sieht.

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Gänzlich deutlich wird dies in den VV. 28f. Dort reagieren die Gesprächspartner Jesu auf seine Aufforderung, sich um die unvergängliche Speise zu bemühen, mit einer Frage: τί ποιῶµεν ἵνα ἐργαζώµεθα τὰ ἔργα τοῦ θεοῦ? Der johanneische Jesus antwortet, setzt dabei aber den Plural τὰ ἔργα τοῦ θεοῦ in den Singular und identifiziert auf diese Weise das Werk, das Gott wirkt,318 in einem mit ἵνα eingeleiteten Finalsatz mit dem ‚Glauben‘ an den, den Gott gesandt hat.319 Damit wird zum einen das Missverstehen der Gesprächspartner entlarvt, die von Gott geforderte, vom Menschen zu erbringende Werke vor Augen gehabt haben dürften.320 Denn die Gesprächspartner Jesu werden dabei „im jüdischen Kontext (...) an das der Tora entsprechende Leben gedacht“321 haben. Zum anderen präsentiert das Joh den Glauben damit als gottgewirkte Bedingung der Möglichkeit, Speise zu erhalten, die ins ewige Leben hinein bleibt.322 Zugleich wird der Inhalt des Glaubens definiert: Es ist der Glaube an den Gesandten. Dass dieser nicht unabhängig vom Sendenden gedacht werden kann, belegt neben der Rede vom Gottvater323 ebenso die Vorstellung, dass Gott den Menschensohn 318 So auch J. R. MICHAELS, John, 367, der als Parallele auf Joh 3,21 verweist; zuvor schon M. THEOBALD, Johannes, 458. Anders R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 51f., der τὸ ἔργον τοῦ θεοῦ als ein „von Gott gewolltes, seinem Handeln entsprechendes menschliches Verhalten“ auffasst, das der Mensch im Glauben, d.h. in der „Antwort (...) darauf, daß Gott den Offenbarer und Heilsbringer gesandt hat“ (a.a.O., 52), gebe. So auch K. W ENGST, Johannesevangelium 1–10, 233f. M. STARE, leben, 136f. scheint, ohne dies zu benennen, stillschweigend einen genitivus obiectivus für τὸ ἔργον τοῦ θεοῦ anzunehmen, was dazu führt, dass sie eine joh Besonderheit im Unterschied zu den einschlägigen Paulusbriefen sowie zu 2 Thess 1,11; Jak 2,14–26 und Offb 2,19 annimmt. Die Bestimmung der Genitivvalenz führt bei ihr zu einer Fehldeutung der Antwort Jesu, die dem Missverstehen der Fragenden in Joh 6, 28 entspricht. Dies ist umso erstaunlicher, als dass sie später zumindest einräumt, dass der Glaube „zuerst als Werk Gottes am Menschen zu verstehen“ sei, wenngleich sie betont, dass auch „der Wille und das Wirken des Menschen für den Glauben wichtig“ (a.a.O., 158) seien. 319 Die Forderung, zu glauben, stellt eine Verbindung zu Joh 6,35.37 her. So auch U. SCHNELLE, Johannes, 136. 320 J. R. MICHAELS, John, 366f.; J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 222. 321 C. DIETZFELBINGER, Johannes, 154. 322 Wird neben der Rede vom Glauben als von Gott gewirktem Werk im Gegensatz zu den von Seiten des Menschen zu erbingenden Werke die Notiz in Joh 6,4, dass das Passa nahe war, berücksichtigt, dann stellt Joh 6 eine frappierende Parallele zu Röm 1,17 und Gal 2,16 dar. Denn dann träte hier wie bei Paulus aufgrund der universalen, auf die Völker bzw. den Kosmos ausgeweiteten Perspektive (vgl. hierzu F. C. MOLONEY, John, 212: „The present gift from God comes down from above and, unlike the Torah that gave life to Israel, gives life to the whole world. Both contrast and continuation are found here.“) der Glaube an die Stelle der Gesetzeswerke als Empfangsmodus für das Leben. Joh 6 kann dann als narrative Entfaltung der paulinischen Rechtfertigungslehre verstanden werden. 323 Treffend bemerkt U. SCHNELLE, Johannes, 136, dass der „pointierte Zusatz ὁ θεός zu πατήρ (...) auf die sachliche Priorität des Vaters, dessen Handeln am Menschensohn

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‚versiegelt‘ habe. Denn diese Versiegelung fungiert als „l’accréditation donnée par Dieu à son envoyé pour accomplir sa mission.“324 Summa summarum lässt sich festhalten, dass in der Exposition zur Brotrede bereits die Themen angesprochen werden, die in der Brotrede und im anschließenden Gespräch Jesu mit den Jüngern entfaltet werden: zentral geht es um die Speise, die ins ‚ewige Leben‘ hinein bleibt. Die Brotrede wird Jesus mit dieser Speise identifizieren und zugleich erläutern, wie die Menschen an dieser Gabe teilhaben. Auch dies klingt in der Exposition bereits an, wenn vom πιστεύειν als conditio sine qua non des Heilsempfangs die Rede ist. Und was hier in der Menschensohn-Titulatur und der ‚Versiegelung‘ des Sohnes durch den Vater mitzuhören ist, wird als Grundlage des Heilswirkens Jesu erläutert werden. Damit sind die Hörerinnen und Leser des Evangeliums darauf verwiesen, die folgenden Aussagen über das heilvolle Handeln Jesu an den Menschen in Bezug zu setzen zu Gottes Wirken durch ihn. Denn die Beglaubigung des Sohnes durch den Vater in dessen Sendung und Rückkehr zu ihm ist die Voraussetzung für Jesu metaphorische Selbstprädikationen und die daraus resultierenden Heilsgaben für die Glaubenden.325 4.3.2 ‚Lebensbrot‘, ‚Glauben‘, ‚ewiges Leben‘ und die Auferstehung am letzten Tag (Joh 6,30–51abc) In Joh 6,35 findet sich die erste Selbstprädikation Jesu als ‚Brot des Lebens‘. Dieser geht die Rede vom ‚Brot Gottes‘ in V. 33 voran, so dass beide VV. zusammen betrachtet werden sollen.

das Heil der Menschen ermöglicht“, verweise. R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 51, erkennt darin zutreffend einen Hinweis auf Gottes „Autorität“, in der der Menschensohn agiert. 324 J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 222. Überzeugend auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 5– 12, 50, der die Rede von der Versiegelung zutreffend in einen weiteren Vorstellungshorizont innerhalb des Evangeliums stellt. Er zieht dafür das „Sprachfeld von µαρτυρεῖν“ heran und kommt zu dem Schluss: „Das Gleiche dürfte mit dem ‚Besiegeln‘ gemeint sein: Der vom Himmel herabgekommene Menschensohn ist von Gott ausgewiesen worden“ (a.a.O., 50) und daher als Lebensspender autorisiert. Ähnlich auch F. C. MOLONEY, John, 209, unter Rekurs auf C. K. B ARRETT, Johannes, 299. Umstritten ist, wann die Versiegelung stattgefunden hat. Diskutiert wird eine präexistente Beglaubigung (so J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 222) und eine Versiegelung mit dem Geist (in der Taufe) (so C. K. B ARRETT, Johannes, 299; M. THEOBALD, Johannes, 457). Folgt man R. Schnackenburgs Verständnis von ἐσφράγισεν, dann ist es m.E. plausibler, dass das Joh die Versiegelung Jesu in dessen Sendung datiert (auch wenn R. SCHNACKENBURG selber, Johannes 5– 12, 50, einen Bezug auf die Taufe für möglich hält). Ähnlich auch B. LINDARS, John, 255. 325 Vgl. dazu U. SCHNELLE, Johannes, 136.

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33a ὁ γὰρ ἄρτος τοῦ θεοῦ ἐστιν 33b ὁ καταβαίνων ἐκ τοῦ οὐρανοῦ 33c καὶ ζωὴν διδοὺς τῷ κόσµω 35a εἶπεν αὐτοῖς ὁ Ἰησοῦς· 35b ἐγώ εἰµι ὁ ἄρτος τῆς ζωῆς· 35c ὁ ἐρχόµενος πρὸς ἐµὲ οὐ µὴ πεινάσῃ, 35d καὶ ὁ πιστεύων εἰς ἐµὲ οὐ µὴ διψήσει πώποτε. In V. 33 spricht der johanneische Jesus zunächst noch ohne direkten Bezug auf sich selber von ὁ γὰρ ἄρτος τοῦ θεοῦ.326 Dabei bezeichnet das Genitivattribut die Herkunft des ‚Brotes‘. Zugleich wird dieses Brot in einen bewussten Gegensatz327 zum Manna gesetzt, das die Israeliten in der Wüste gegessen haben und das ihnen nach johanneischer Auffassung nicht von Gott, sondern von Mose gegeben worden sei (6,31f.). Das ‚wahre‘ Brot, von dem Jesus nun spricht, wird ihnen hingegen jetzt, gegenwärtig, von Gott gegeben,328 ein Gedanke, der neben V. 32 in V. 33b.c mit Hilfe der Partizipialwendungen verdeutlicht wird. Denn hier erklärt das Joh raummetaphorisch, dass dieses Brot vom Himmel hinabsteige, womit zugleich die besondere Würde und das Wesen Jesu zum Ausdruck gebracht werden, die ihm aufgrund seiner ‚Abstammung‘ als des Einziggeborenen vom Va326

J. R. MICHAELS, John, 371, möchte daher das substantivierte Partizip auf Jesus, statt auf ‚Brot‘ beziehen und übersetzt: „For the Bread of God is he who (instead of ‚that which‘) comes down from heaven and gives life to the world.“ So bereits zuvor C. K. B ARRETT, Johannes, 302. J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 224, hingegen betont, dass „le texte demeure dans le registre de l’allusion, car l’identification avec la personne de Jésus n’est pas encore explicitement effectuée.“ 327 Diese Vorstellung durchzieht das Kapitel. Vgl. Joh 6,49.58. Damit zieht das Joh einen weiten Bogen von der Zeichenforderung der Juden in 6,30 und deren Erwähnung des Mannawunders als Zeichen für das Wirken Gottes. Überzeugend zeigt R. E. BROWN, John (i–xii), 266, auf, dass „such a contrast between manna as physical nourishment and the power of God to grant spiritual nourishment is not new“, sondern seinen traditionsgeschichtlichen Hintergrund im Alten Testament und im Frühjudentum hat, wie Dtn 8,3; Sap 16,20.26; Philo mut. 258–260 belegen (vgl. auch die Ausführungen bei C. K. BARRETT, Johannes, 300, inbesondere den Verweis auf syrBar 29,8: hier wird deutlich, dass ein zweites Manna-Wunder für die Endzeit erwartet wurde, was den eschatologischen Erwartungshorizont deutlich macht, der auch im Joh dazu geführt haben dürfte, auf das Manna-Wunder anzuspielen). Allerdings dürfen diese Belege nicht dazu führen, die Gabe, die Jesus gibt, auf sein Wort zu beschränken. Dass hier wie dort das Wort Gottes wahres Brot ist, belegen die VV. 60–71. Aber darüber hinaus umfasst Joh 6 mehrere Aspekte, wie die Auslegung darzulegen versucht. 328 Darauf verweist das Verb im Präsens. Vgl. dazu auch C. K. B ARRETT, Johannes, 303; F. C. MOLONEY, John, 212; M. THEOBALD, Johannes, 461. Wenn M. STARE, leben, 148, hierin einen Gegensatz zur futurischen Aussage in V. 27 sehen möchte, dann übersieht sie das joh Spiel temporaler Horizontverschmelzungen. Der Genitiv τοῦ θεοῦ in V. 33 ist ein genitivus possesivus.

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ter eignen.329 Allerdings liegt in V. 32 der Akzent nicht allein auf der himmlischen Herkunft des Brotes, sondern vielmehr darauf, dass nicht Mose, sondern Gott, näherhin der Vater Jesu, Geber dieses Brotes sei.330 In einem zweiten Partizipialausdruck formuliert das Joh in V. 33c das soteriologische Ziel dieses vom Himmel hinabsteigenden Brotes: ζωὴν διδοὺς τῷ κόσµῳ. Weil das Brot, das Jesus ist und gibt, „wirklich aus dem Himmel, dem Lebensbereich Gottes, stammt, vermag es auch wahres, göttliches Leben zu geben“.331 Dabei erinnert die universale Weite der soteriologischen Formulierung an Joh 3,16:332 Joh 3,16 und 6,33 ist darüber hinaus gemeinsam, dass jeweils Gott als Urheber der heilvollen Sendung seines Sohnes dargestellt wird. In V. 35 nun wird die metaphorische Rede über das ‚Brot‘ weitergeführt. In der typisch johanneischen Form eines ‚Ich-bin-Wortes‘, wird Jesus zum ersten Mal innerhalb des Lebensbrot-Dialogs mit dem ‚Brot‘ identifiziert.333 Indem die Selbstprädikation Jesu mit dem Genitivattribut τῆς 329

Analog zu Joh 3,13 beschreibt das vierte Evangelium in V. 33 die kondeszendente Bewegung des Gottessohnes mit dem Verb καταβαίνω, die es ermöglicht, dass der Lebensspender σὰρξ ἐγένετο καὶ ἐσκήνωσεν ἐν ἡµῖν (1,14). Die Vorstellung eines ‚Hinabsteigens‘ des Brotes ist in Joh 6 sechsmal belegt: Joh 6,33.38.41f.51.58 (vgl. weiter Joh 6,32: ... τὸν ἄρτον ἐκ τοῦ οὐρανοῦ τὸν ἀληθινόν). Die Herkunft des Brotes ‚aus dem Himmel‘ ist dabei für das Joh die Voraussetzung, dass es wahrhaft ist und Leben geben kann. Allerdings kann daraus nicht gefolgert werden, dass das Joh in V. 32b allein auf Ps 77,24bLXX rekurriere und diesen um die Worte ἐκ τοῦ ergänzt habe, wie M. THEOBALD, Johannes, 460f., annimmt, denn dagegen spricht, dass kein direktes Zitat vorliegt und zudem in Neh 9,15 sehr wohl die Vorstellung begegnet, dass es sich um Brot ἐξ οὐρανοῦ gehandelt habe. Darauf verweist zu Recht C. K. B ARRETT, Johannes, 300f. Er weist daraufhin, dass es für Joh „schwierig“ gewesen wäre, „das, was das AT in positiver Weise sagt, zu leugnen: das Manna ist Brot vom Himmel“. Er nimmt daher an, dass das Joh das Manna, das die Väter gegessen haben, als „Typus des himmlischen Brotes“ verstanden habe, das „Gottes Gabe durch Christus“ (a.a.O., 301) sei. 330 Zutreffend verweist J. R. MICHAELS, John, 370f., darauf, dass ein besonderer Affront für die Hörerinnen und Hörer Jesu darin bestanden haben mag, dass es im Munde des joh Jesus in V. 32 heißt, dass ihnen das wahre Brot von seinem ‚Vater‘ gegeben wird. Als Beleg hierfür verweist er auf die übrigen Belege für die Rede Jesu von seinem Vater, die sich jeweils in einem polemischen Kontext fänden: Joh 2,16; 5,17.43. 331 R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 56. 332 Darauf verweist auch M. STARE, leben, 151f. Sie möchte Gemeinsamkeiten zwischen Joh 3 und Joh 6 herausarbeiten, die sie zu Recht in dem Verweis auf die Erzählung von der Wüstenwanderung erkennt. Im Folgenden jedoch verwundert, dass Stare die Erhöhung der Schlange und des Menschensohnes sowie dessen Hinab- und Hinaufsteigen, von denen in Joh 3 die Rede ist, allein auf das Herabsteigen des Brotes in Joh 6 bezieht und die soteriologischen Zielangaben miteinander vergleicht, ohne die Struktur auch in Joh 6 wahrzunehmen. Denn auch hier thematisiert das Joh neben dem Herabsteigen des Brotes das Hinaufgehen des Menschensohnes (6,62). 333 Das ‚Ich-Bin-Wort‘ besteht aus dem Subjekt ἐγώ, dem das finite Verb im Präsens folgt, bevor ein determiniertes Prädikatsnomen angeschlossen wird, das im vorliegenden

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ζωῆς näher bestimmt wird, entsteht eine innere Korrelation zu der universalen soteriologischen Aussage in V. 33, die die Wirkung des ‚Brotes‘ auf den Kosmos beschrieben hat. Es wird deutlich, wer Jesus ist und was er bewirkt:334 er ist das Brot, das Leben gibt.335 Damit fokussiert das Joh auf die soteriologische Gabe des Lebens, wie es in V. 40 konkret expliziert wird. Die VV. 35c.d hingegen bleiben noch ganz auf der metaphorischen Ebene, wenn es heißt, dass jeder, der zu Jesus kommt, nicht mehr hungern, und wer an ihn glaubt, nicht mehr Durst haben wird.336 Damit postuliert das vierte Evangelium, dass in Jesus frühjüdische eschatologische Erwartungen erfüllt seien.337 Zweierlei fällt an den VV. 35c.d auf. Zum einem betonen die pronominal an die Verben angeschlossenen Objekte der VV. 35c.d (ἐµέ) zusätzlich zur Selbstprädikation Jesu im ‚Ich-bin-Wort‘, dass das Heil nach Joh an Jesus gebunden ist.338 Zum anderen zeigen die Präpositionen, mit denen Fall durch das Genitivattribut τῆς ζωῆς näher bestimmt ist. Zutreffend verweist J. FREY, Bild, 349, darauf, dass die impliziten Leser bereits durch die Aussagen in Joh 4,32.34 wussten, „dass Jesus von ‚Speise‘ reden kann im Sinne dessen, was sein Wesen und seine Sendung charakterisiert.“ 334 So auch U. SCHNELLE, Johannes, 137, und J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 224, der meint: „le don est identifié au donateur.“ 335 So auch R. E. BROWN, John (i–xii), 269. Treffend fasst R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 57, zusammen: „Alle Aussagen, die in V 32–33 von dem aus dem Himmel herabsteigenden, von Gott gegenwärtig den Menschen gewährten Brot gemacht wurden, treffen auf ihn (sic. Jesus) zu. Er faßt sie jetzt in dem Ausdruck zusammen ‚das Brot des Lebens‘, weil die Vermittlung des göttlichen, unvergänglichen Lebens das entscheidende Charakteristikum dieses Gottesbrotes ist.“ 336 Beide soteriologischen Verheißungen, die durch die Konjunktion καί miteinander verbunden sind, sind parallel gestaltet in Form einer Partizipialkonstruktion, auf die die Zusage des Heils folgt. 337 Es scheint am plausibelsten, die metaphorische Rede vom Stillen des Hungers und Durstes vor dem Hintergrund von Jes 48,21; 49,10; 55,1; syrBar 29,6 zu verstehen, statt die frühjüdische Weisheitstheologie (so jedoch bei C. K. B ARRETT, Johannes, 304) als traditionsgeschichtlichen Hintergrund stark zu machen (vgl. Sir 24,19–21). So richtig die Beobachtung auch sein mag, dass Jesus im vierten Evangelium als Gottes Weisheit dargestellt wird, so scheint der Akzent in Joh 6 jedoch auf der Erfüllung endzeitlicher Erwartungen in der Person Jesu zu liegen. Vgl. M. THEOBALD, Johannes, 463, mit weiteren Belegen. Er selber hält neben den erwähnten traditionsgeschichtlichen Hintergründen ebenso die Eucharistie für eine mögliche Erklärung der Metaphorik des gestillten Hungers und Durstes. M. STARE, leben, 156 mit Anm 386, möchte einen Bezug zur Rede vom ‚lebendigen Wasser‘ in Joh 4 herstellen, das sie mit dem ‚Leben‘ an sich identifiziert. Allerdings läge es näher, stattdessen einen Bezug auf das Pneuma zu postulieren, der sicherlich auch in Joh 4 vorliegt. Dies deutet Stare (a.a.O.) lediglich kurz an. 338 Das bemerkt auch M. T HEOBALD, Johannes, 462. Allerdings relativiert er diese Beobachtung. Seiner Meinung nach seien die Personalpronomina nur dann akzentuiert, wenn das ‚Ich-bin-Wort‘ in seinem jetzigen Kontext gelesen werde. Beim ihm zufolge

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die Akkusativobjekte angeschlossen sind, dass sich das Heil in einem relationalen Geschehen ereignet: der zu (V. 35c: πρός) Jesus Kommende und an (V. 35d: εἰς) ihn Glaubende, wird nicht mehr hungern und dürsten. Im Glauben konstituiert sich eine „personale( ) Bindung“339 an Jesus.340 Barrett geht darüber hinaus noch einen Schritt weiter, wenn er von einer „Einheit mit Christus“341 spricht, was sich vor dem Hintergrund von Joh 6,56 und Joh 17 als zutreffend herausstellen wird. In Joh 6,40 schließlich konkretisiert das vierte Evangelium, was die Gabe ist, die vom Brot des Lebens gewährt wird. Es verlässt hierzu die metaphorische Sprache von V. 35.342 40a τοῦτο γάρ ἐστιν τὸ θέληµα τοῦ πατρός µου, 40b ἵνα πᾶς ὁ θεωρῶν τὸν υἱὸν καὶ πιστεύων εἰς αὐτὸν ἔχῃ ζωὴν αἰώνιον, 40c καὶ ἀναστήσω αὐτὸν ἐγὼ [ἐν] τῇ ἐσχάτῃ ἡµέρᾳ Unter erneutem Rekurs auf das θέληµα des Vaters (V. 40a; vgl. VV. 38f.) – „pressing once again his identity as God’s Son“343 – als den „göttlichen Ratschluß“,344 wird die soteriologische Gabe konkretisiert als ζωὴ αἰώνιος. Allerdings bleibt das Joh zunächst bei dieser abstrakten Bezeichnung stehen, ohne auszuführen, worin dieses ‚ewige Leben‘ besteht und was es ursprünglich eigenständig überlieferten Logion hätte das Augenmerk auf der „Prädikation ‚Brot des Lebens‘“ gelegen (a.a.O., 463), die ohne biblische Parallelen sei. Vgl. weiter J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 226, der das Moment des „rencontre“ mit dem Offenbarer betont und damit ebenfalls, wie hier vorgeschlagen, einen relationalen Aspekt stark macht. 339 R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 510. Vgl. weiter C. K. B ARRETT, Johannes, 303, der Jesus als „Mittel“ bezeichnet, „durch welches die Menschen ewiges Leben haben“ und daraus folgert, dass dieses Leben nur „personal“ angeeignet werden könne. 340 ἔρχοµαι πρός stellt eine synonyme Formulierung zu πιστεύω εἰς dar, wie der parallele Satzbau zeigt (so auch C. K. B ARRETT, Johannes, 304). Dass es sich hierbei um ein Geschehen handelt, das dem Menschen widerfährt, expliziert das Joh im Anschluss an V. 35 in den VV. 37–39, indem es den unbedingten Willen Gottes zur Rettung der Menschen als Grund für das Finden Jesu angibt: πᾶν ὃ δίδωσίν µοι ὁ πατὴρ πρὸς ἐµὲ ἥξει (V. 37a; vgl. 39). Dasselbe Phänomen findet sich in V. 44a.b, wenn es heißt, dass keiner zu Jesus kommen könne, es sei denn, er würde vom Vater gezogen (οὐδεὶς δύναται ἐλθεῖν πρός µε ἐὰν µὴ ὁ πατὴρ ὁ πέµψας µε ἑλκύσῃ αὐτό). Dass das erst der Auferstandene bewirkt, belegt Joh 12,32. Demnach ist Gott das Agens des rettenden Handelns des Sohnes, das sich in der Willenseinheit mit dem Vater vollzieht. Er wirft niemanden heraus (V. 37b: οὐ µὴ ἐκβάλω ἔξω), lässt niemanden zugrunde gehen (V. 39: ἀπόλυµι), sondern wird ihn am ‚letzten Tag‘ auferwecken (V. 39.44). 341 C. K. B ARRETT, Johannes, 304. 342 Erstmals spricht der joh Jesus hier in der 3. Person Singular von sich selber, was ein Anzeichen für eine ältere Tradition sein könnte. Darauf weist auch R. E. BROWN, John (i–xii), 270, hin. 343 J. R. MICHAELS, John, 381. 344 R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 74.

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auszeichnet. Vielleicht kann das substantivierte Partizip ὁ θεωρῶν als Hinweis darauf verstanden werden, wie sich das neue Sein der Glaubenden im Besitz der ζωὴ αἰώνιος gestaltet. Denn das ‚Schauen‘ des Gottessohnes, seines Wirkens und Handelns sowie seiner Aufforderung, einander zu lieben, hat nach johanneischem Verständnis zur Folge, die empfangene Liebe in der Bruderliebe weiterzugeben. Das belegt auch der 1 Joh (insb. 1 Joh 2,9–11; 3,15; 4,11). Neben dem ‚Schauen‘ des Gottessohnes, das den kognitiven Aspekt des Erkennens seiner Identität umfasst,345 erwähnt das vierte Evangelium in einem durch die Konjunktion ἵνα-eingeleiteten Finalsatz wie bereits in V. 35 das πιστευεῖν als Voraussetzung für die Partizipation am ‚ewigen Leben‘ (V. 40b). Dabei ist auch hier die Perspektive eine universale, indem die Möglichkeit, den Sohn Gottes zu ‚schauen‘ und zu ‚glauben‘, prinzipiell allen Menschen offen steht. Das hier angesprochene ‚ewige Leben‘ kommt so in den Blick als eine „dynamische( ) Wirklichkeit, die sich für den Glaubenden innerhalb der Beziehung zu Jesus und zum Vater verwirklicht“.346 Diese gegenwärtige Gabe des ‚ewigen Lebens‘ wird allerdings unterschieden von einem zukünftig erwarteten ‚Auferstehen-Lassen‘ der Glaubenden am ‚letzten Tag‘ (V. 40c).347 Zugleich werden die Heilsgabe und die Heilerwartung aufeinander bezogen,348 so dass der Glaubende, der gegenwärtig ‚ewiges Leben‘ besitzt, in der Gewissheit lebt und (physisch) stirbt, dass Jesus ihn bei der Parusie auferstehen lassen wird,349 weil „la relation entre Jésus et les siens perdure jusqu’ à l’échéance ultime et à travers elle.“350 „Cette vie reçue ici et maintenant dans la foi est indissociable d’un avenir eschatologique qui se concrétise dans la résurrection au dernier jour“351, wie J. Zumstein zutreffend festgehalten hat. In einem letzten Amen-Wort Jesu fasst das vierte Evangelium noch einmal die in den vorangegangenen VV. gemachten Aussagen zusammen:

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Ähnlich auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 74. M. STARE, leben, 304. 347 Das zeigt sowohl die temporale Angabe als auch das Futur ἀναστήσω. M. STARE, leben, 160, weist zu Recht auf die betonte Schlussstellung der Rede von der Auferstehung am letzten Tag hin, die neben V. 40 auch in V. 39 vorliege. 348 Darauf verweist die parataktische Formulierung mit der Konjunktion καί. 349 Vgl. zum Bezug zur Parusie die Analyse zu Joh 5,24–30. Damit steht Joh 6,40 in einer großen inhaltlichen Nähe zu Joh 5,24–30. An Joh 6,40 wird in dem direkten Nebeneinander von der präsentischen Teilhabe am ‚ewigen Leben‘ und der in Zukunft erwarteten Auferstehung deutlich, wie unzulänglich es ist, auch in Joh 5,25 eine Auferstehung hineinzulesen und dabei die terminologischen Differenzierungen des Joh zu übergehen. 350 J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 229, zu V. 39. 351 J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 230, zu V. 40. 346

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47a ἀµὴν ἀµὴν λέγω ὑµῖν, 47b ὁ πιστεύων ἔχει ζωὴν αἰώνιον. 48a Ἐγώ εἰµι ὁ ἄρτος τῆς ζωῆς. 49a οἱ πατέρες ὑµῶν ἔφαγον ἐν τῇ ἐρήµῳ τὸ µάννα 49b καὶ ἀπέθανον· 50a οὗτός ἐστιν ὁ ἄρτος ὁ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καταβαίνων, 50b ἵνα τις ἐξ αὐτοῦ φάγῃ καὶ µὴ ἀποθάνῃ. 51a ἐγώ εἰµι ὁ ἄρτος ὁ ζῶν ὁ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καταβάς· 51b ἐάν τις φάγῃ ἐκ τούτου τοῦ ἄρτου 51c ζήσει εἰς τὸν αἰῶνα V. 47b greift inhaltlich auf V. 40b zurück, und bei V. 48a handelt es sich um eine Wiederaufnahme des Kernlogions von V. 35. In V. 49 rekurriert das Joh zudem erneut auf das Manna aus V. 31. Mit der Feststellung, dass die Vorfahren, die das Manna gegessen hätten, starben,352 legt es den Ausgangspunkt für die nun folgende soteriologische Explikation des ‚Ich-binWortes‘, durch die der Gegensatz zwischen dem Himmelsbrot, das Jesus verkörpert, und dem Manna gesteigert wird. Dazu betont das Joh zunächst wie in V. 33 die himmlische Herkunft des hinabgestiegenen, sich den Menschen und dem Kosmos zuwendenden Lebensbrotes, denn diese ist die Voraussetzung für dessen heilvolle Wirkung, wie sie zuvor in den Aussagen zum Heilswillen Gottes als Grund für die κατάβασις des johanneischen Jesus festgehalten worden waren (vgl. 6,38). Die soteriologische Wirkung besteht darin, dass jeder, der von dem Himmelsbrot isst – das heißt: glaubt –353 nicht sterben wird.354 In V. 51a verwendet das Joh erneut ein ἐγώ εἰµι-Wort, um Jesus als ὁ ζῶν und ὁ ἐκ τοῦ οὐρανοῦ καταβάς zu prädizieren und im folgenden Kondi-

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M. THEOBALD, Johannes, 474, hält zutreffend fest, dass hier an den Straftod der Wüstengeneration gedacht ist, die aufgrund ihres Ungehorsams das verheißene Land nicht betreten durfte, sondern zuvor sterben musste. Num 14,23.28–30; Dtn 1,35 u.ö. J. R. MICHAELS, John, 389f., diskutiert die Möglichkeit einer solchen Deutung, lehnt sie aber schließlich ab. 353 Werden diese Aussagen verglichen mit V. 35, so wird deutlich, dass das Joh hier die Zugangsweise zum Heil metaphorisch mit dem Verb ἐσθίω beschreibt, was es in V. 35 mit den Verben ἔρχοµαι und πιστεύω zum Ausdruck gebracht hat. Daher legt es sich nahe, diese Verben als Synonyma zu πιστεύω zu begreifen: im Glauben gewinnt der Mensch Anteil am ‚ewigen Leben‘. 354 Zu Recht weisen C. K. B ARRETT, Johannes, 307, sowie J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 232, hier auf Joh 11,(25.)26 als Parallele hin, wobei Zumstein anders als die hier vertretene Deutung einen Unterschied zwischen ‚essen‘ und ‚glauben‘ annimmt.

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tionalsatz positiv auszudrücken, was in V. 50b negativ formuliert war:355 „wer immer von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit.“ Damit kulminiert dieser Abschnitt in der Zusage des ‚ewigen Lebens‘,356 dem weder der physische noch der ewige Tod etwas anhaben kann. Weshalb das so ist, klingt in V. 51 an: ‚ewiges Leben‘ verdankt sich dem Wesen Jesu als dem Lebendigen357 und vom Himmel Herabgestiegenen, ὁ ὢν παρὰ τοῦ θεοῦ, wie es in V. 46 heißt. Damit wird hier bereits angedeutet, was in V. 57 einen Höhepunkt erreichen wird. Dieser letzte Textabschnitt des ‚Lebensbrot-Dialogs‘ ist jetzt zu betrachten. Denn in ihm wird deutlich, was das Joh meint, wenn es bildlich von einem Essen des Lebensbrotes spricht: zum Unmut der Gesprächspartner Jesu (V. 52) wird das ‚Brot‘ mit der σάρξ Jesu identifiziert, das dieser ὑπὲρ τῆς τοῦ κόσµου ζωῆς geben werde (V. 51d). 4.3.3 ‚Lebensbrot‘, ‚Glauben‘, ‚ewiges Leben‘, ‚Fleisch‘ und ‚Blut Christi‘ (Joh 6,51d–59) Joh 6,51–58 bietet noch einen weiteren Aspekt gegenüber den vorangegangenen Aussagen des ‚Lebensbrot-Dialogs‘. In diesen VV. identifiziert das Joh das lebendige – also das selbst Leben Seiende – und vom Himmel hinabgestiegene Brot mit dem ‚Fleisch‘ Jesu (σάρξ), das dieser für das Leben des Kosmos geben werde (V. 51d). So werden die zuvor gemachten Aussagen zum Lebensbrot und dessen soteriologischer Wirkung unter eine kreuzestheologische Perspektive358 gestellt.

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Plausibel erscheint die Deutung von J. R. MICHAELS, John, 390, dass die negierte Wendung καὶ µὴ ἀποθάνῃ (V. 50b) „explains what Jesus meant earlier by calling it ‚the true‘ (...) bread from heaven“. 356 Ein Vergleich mit V. 50b sowie die präsentischen Aussagen in V. 54a (vgl. die negative Formulierung in V. 53d) sowie in den VV. 35.40.47 zeigen, dass es sich bei dem Futur in V. 51c nur um ein logisches Futur handeln kann. 357 Treffend formuliert R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 82: „die nachdrückliche Hervorhebung ὁ ζῶν (...) deutet stärker die Lebensfülle und -macht dieses Himmelsbrotes an, seine Fähigkeit, das in ihm befindliche Leben auch weiterzugeben“. J. FREY, Bild, 356, folgert: „Jesus trägt als das ‚lebendige Brot‘ selbst Leben in sich und kann deshalb Leben geben“, und stellt eine Verbindung zu Joh 5,26 her. Er bewertet die Rede vom ‚lebendigen Brot‘ daher zu Recht als „weitere Verschiebung der Metaphorik“ innerhalb von Joh 6. M. E. besteht diese in der ontologischen Aussage, dass Jesus selber Leben in sich hat. Zur Verbindung von Joh 6,57 zu Joh 5 vgl. die Auslegung zur Stelle. 358 Vgl. R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 83; C. K. B ARRETT, Johannes, 308f.; K. W ENGST, Johannesevangelium 1–10, 248; J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 232. Zutreffend nimmt M. STARE, leben, 186, an, dass hier sowohl auf die Inkarnation (Joh 1,14) als auch auf den Tod Jesu angespielt würde. Ganz ähnlich auch U. SCHNELLE, Johannes, 146f.: „Das inkarnatorische, kreuzestheologische und sakramentale Verständnis von σάρξ widersprechen sich an dieser Stelle keineswegs“ (a.a.O., 147). Zutreffend fasst F. C.

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51d καὶ ὁ ἄρτος δὲ ὃν ἐγὼ δώσω ἡ σάρξ µού ἐστιν ὑπὲρ τῆς τοῦ κόσµου ζωῆς. 52a Ἐµάχοντο οὖν πρὸς ἀλλήλους οἱ Ἰουδαῖοι λέγοντες· 52b πῶς δύναται οὗτος ἡµῖν δοῦναι τὴν σάρκα [αὐτοῦ] φαγεῖν; 53a εἶπεν οὖν αὐτοῖς ὁ Ἰησοῦς· 53b ἀµὴν ἀµὴν λέγω ὑµῖν, 53c ἐὰν µὴ φάγητε τὴν σάρκα τοῦ υἱοῦ τοῦ ἀνθρώπου καὶ πίητε αὐτοῦ τὸ αἷµα, 53d οὐκ ἔχετε ζωὴν ἐν ἑαυτοῖς. 54a ὁ τρώγων µου τὴν σάρκα καὶ πίνων µου τὸ αἷµα ἔχει ζωὴν αἰώνιον, 54b κἀγὼ ἀναστήσω αὐτὸν τῇ ἐσχάτῃ ἡµέρᾳ. 55a ἡ γὰρ σάρξ µου ἀληθής ἐστιν βρῶσις, 55b καὶ τὸ αἷµά µου ἀληθής ἐστιν πόσις. 56a ὁ τρώγων µου τὴν σάρκα καὶ πίνων µου τὸ αἷµα ἐν ἐµοὶ µένει κἀγὼ ἐν αὐτῷ. 57a καθὼς ἀπέστειλέν µε ὁ ζῶν πατὴρ 57b κἀγὼ ζῶ διὰ τὸν πατέρα, 57c καὶ ὁ τρώγων µε κἀκεῖνος ζήσει δι᾿ ἐµέ. 58a οὗτός ἐστιν ὁ ἄρτος ὁ ἐξ οὐρανοῦ καταβάς, 58b οὐ καθὼς ἔφαγον οἱ πατέρες καὶ ἀπέθανον· 58c ὁ τρώγων τοῦτον τὸν ἄρτον ζήσει εἰς τὸν αἰῶνα. Der letzte Textabschnitt des ‚Lebensbrot-Dialogs‘ beginnt mit einem Ausblick auf die Hingabe359 Jesu am Kreuz. Darauf verweist das Verb δίδωµι, das bereits in Joh 3,16 vom vierten Evangelium verwendet wurde, um den Kreuzestod Jesu auszudrücken.360 Der Präposition ὑπέρ kommt die Funktion zu, wie in den (vor-)paulinischen Sterbe- und Dahingabeformeln die soteriologische Bedeutung des Todes Jesu zugunsten des Kosmos auszudrücken.361 Innerhalb der Brotrede ist dies bereits in V. 33 begegnet: Hier wie dort zielt die Hingabe Jesu auf das ‚Leben der Welt‘. Da das Geschehen dieser Hingabe in V 51d auf der Ebene der erzählten Zeit noch aus-

MOLONEY, John, 221 zusammen: „the incarnate life and very real death of the Son (...) are lifegiving food.“ 359 Ähnlich auch C. K. B ARRETT, Johannes, 309; F. C. MOLONEY, John, 220; J. R. MICHAELS, John, 392. Gegen M. T HEOBALD, Johannes, 477, der die Hingabe ausschließlich auf die Gabe des Brotes bei der Eucharistie beziehen möchte. Damit verkennt er den Bezug zu Joh 3,16 ebenso wie die Rede vom Hinab- und Heraufsteigen des Sohnes in Joh 6, die einen Bezug zur Kreuzigung und Auferstehung bzw. Rückkehr zum Vater als Interpretationsrahmen vorgibt. 360 Vgl. zur Nähe zu Joh 3,16 auch C. K. B ARRETT, Johannes, 309, der in V. 51 den „Sinn“ von Joh 3,15f. erkennen möchte. 361 Vgl. M. STARE, leben, 187. Zu nennen sind Joh 10,11.15; 11,50–52; 15,13; 18,14. Für Paulus bzw. die vorpaulinische Tradition vgl. u.a. 1 Kor 15,3; 2 Kor 5,14f.; Röm 5,8; 8,32; 14,15; 1 Thess 5,10. Pointiert formuliert J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 232: „L’utilisation de la préposition ‚pour‘ (...) établit un lien entre le don de la vie et la croix.“

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steht, formuliert das Joh zunächst futurisch,362 doch bereits ab V. 53 wechselt das Tempus ins Präsens. Jetzt wird aus der nachösterlichen Perspektive363 der Adressaten heraus auf den Tod Jesu als vergangenes Geschehen zurückblickt, so dass es gegenwärtig möglich ist, Jesu Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken und so Leben in sich zu haben, was bislang auf den Vater und den Sohn beschränkt war (Joh 5,26).364 Joh formuliert hier metaphorisch, wie bereits in den VV. 35.50f., so dass es sich nahelegt, die Verben als synonyme Umschreibungen zu πιστεύω zu begreifen365 – was zudem dadurch gestützt wird, dass ‚glauben‘ ein Terminus ist, der sich konstant durch die Lebensbrotrede durchzieht (vgl. VV. 35.40.47).366 Demnach ‚hat‘ nach Joh 6,54a derjenige gegenwärtig ‚ewiges Leben‘, der glaubt, dass Jesus für das Leben des Kosmos gestorben ist. Indem Joh hier ‚glauben‘ metaphorisch mit dem Essen des Fleisches und dem Trinken des Blutes vergleicht, akzentuiert er den relationalen Aspekt des Glaubens.367 So muss gefolgert werden, dass das Joh mit der hier verwendeten Metaphorik eine Partizipation am Tod Jesu zum Ausdruck bringt. Diese ist Voraussetzung für den gegenwärtigen Besitz des ‚ewigen Lebens‘ und die darin verbürgte Gewissheit einer Auferstehung am ‚letzten Tag‘ (V. 54b). Die Wirksamkeit des heilvollen Sterbens Jesu, der durch seinen Tod ‚Leben‘ ermöglicht,368 das die Auferstehung erwartet, betont das Joh in V. 55 mit dem Adverb ἀληθής.369 Dabei repräsentiert das ‚ewige Leben‘ auch nach Joh 6 die Heilsgabe, die Kontinuität zwischen diesseitigem und post362 Unterbrochen wird die Rede Jesu in V. 52 durch einen Einwand der Gesprächspartner Jesu. R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 89, verweist zu Recht darauf, dass sich die Abfolge und Wahl der Verben „murren“ und „streiten“ in Joh 6 an Ex 16 und 17 anlehnt. So auch U. SCHNELLE, Johannes, 147. Anders M. T HEOBALD, Johannes, 478, der hier an „Lehr-Streitigkeiten (...) in den johanneischen Gemeinden“ denkt. 363 Die nachösterliche Perspektive betont auch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 235. 364 Darauf macht zu Recht M. STARE, leben, 196, aufmerksam. 365 So auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 81f. Auch J. G. VAN DER W ATT, Family, 227, geht von einer metaphorischen Rede aus, bei der das Essen mit dem Glauben zu identifizieren sei, nimmt aber im Folgenden trotzdem an, dass Anklänge an das Abendmahl vorlägen (a.a.O., 228 Anm. 348). 366 So auch M. STARE, leben, 197. 367 M. STARE, leben, 198, hält fest: „Es geht um Bilder der engen persönlichen Gemeinschaft, der Verbundenheit mit Jesus und der lebensnotwendigen Beziehung zu ihm.“ 368 Ähnlich K. WENGST, Johannesevangelium 1–10, 253. 369 Vgl. dazu R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 93, der allerdings die Lebensteilhabe an die Teilnahme an der Eucharistie bindet, was hier abgelehnt wird. Anders M. THEOBALD, Johannes, 481, der das Adjektiv mit „wirklich, echt“ übersetzt, und darin „den christologischen Wirklichkeitsgehalt des eucharistischen Mahls“ ausgedrückt wissen will. R. E. BROWN, John (i–xii), 283, schließlich meint, „Jesus is insisting on the genuine value of his flesh and blood as food and drink“, und U. SCHNELLE, Johannes, 148, sieht in dem Adjektiv „sowohl die Zuverlässigkeit als auch die Exklusivität und Realität der Elemente des Herrenmahles“ betont.

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mortalem Heil stiftet, da derjenige, der das ewige Leben besitzt ζήσει εἰς τὸν αἰῶνα (V. 58c).370 Die im Glauben konstituierte und durch den Tod Jesu ermöglichte Relation zu Jesus beschreibt das vierte Evangelium als wechselseitige InExistenz371 von Glaubendem und Jesus mit dem Verb µένω: ἐν ἐµοὶ µένει κἀγὼ ἐν αὐτῷ (V. 56a).372 Dieses ist analog zum paulinischen ἐν Χριστῷ als Sein im „Lebens- und Heilsraum Christi“373 zu deuten, in dem der Glaubende sich in einer „dauernde(n) Vereinigung mit (...) dem göttlichen Lebensträger und -mittler“374 befindet. „Et c’est précisément cette relation pérenne qui est facteur de vie pour le disciple.“375 Dabei verweist das Verb 370

Ähnlich auch M. STARE, leben, 190f.198. Pointiert formuliert H. W EDER, Menschwerdung, 388, wenn er in Bezug auf V. 54 und das Nebeneinander von gegenwärtigem Leben und zukünftiger Auferstehung mit einer Überlegung zum Leben als „Relationsbegriff“ festhält: „Das ewige Leben, das jetzt zu haben ist, ist ein Gottesverhältnis unter den Bedingungen der Zeitlichkeit; und das Leben, zu dem der Menschensohn auferwecken wird, ist ein Gottesverhältnis unter den Bedingungen der Ewigkeit. Die Kontinuität verdankt sich (...) nur dem Geber selbst, der unter den Bedingungen der Zeitlichkeit kein anderes Verhältnis zum Menschen hat als unter den Bedingungen der Ewigkeit.“ 371 Vgl. U. SCHNELLE, Johannes, 149, der ebenfalls von „Inexistenz“ spricht. 372 Vgl. Joh 10,38; 14,10f.; 15,4–10. 373 R. FELDMEIER, Macht, 97. Auch U. SCHNELLE, Johannes, 149, zieht den Vergleich zu Paulus und spricht treffend von einer „gegenseitige(n) ‚Inexistenz‘ von Offenbarer und Gläubigen ohne Aufgabe der jeweiligen personalen Identität.“ Auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 94, nimmt „Berührungen“ mit dem paulinischen Sprachgebrauch wahr, hält es aber für unmöglich, klären zu können, wie sich die joh Vorstellung ausgebildet hat. Mit K. SCHOLTISSEK, Sprache, 208, kann von einer „reziproke(n) ImmanenzFormel“ gesprochen werden. Auch er merkt an, dass sich neben „der paulinischen Wendung ‚in Christus‘ und ihrer deuteropaulinischen Wirkungsgeschichte (...) im NT keine vergleichbare, theologisch qualifizierte Verwendung des Wort- und Bildfeldes der Immanenz“ finde, wie sie „zu den auffälligsten Spezifika des JohEv wie des 1Joh“ gehöre (a.a.O., 1). Nach Scholtissek hat die joh Sprache der Immanenz ihren „Ausgangs- und Bezugspunkt (...) in der Christologie, der Vater-Sohn-Relation (vgl. 10,30.38; 14,10–11), die maßgeblich wird für die Sohn-Christen-Relation“ (a.a.O., 209). Zutreffend betont Scholtissek für V. 53, dass die Immanenz in den joh Christen „ihren Ursprung hat in seiner (sic. Jesu) inkarnatorischen und den Tod einschließenden Proexistenz“ (a.a.O., 207). 374 R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 90. Vgl. auch H. W EDER, Menschwerdung, 389, der in dem Verb µένω ausgedrückt sieht, „dass dieses Verhältnis sowohl unter zeitlichen als auch unter ewigen Bedingungen gilt. Seine Verbindlichkeit beruht darauf, dass im Christusverhältnis das Gottesverhältnis konstituiert wird“. C. K. B ARRETT, Johannes, 310, spricht von einem „völligen und wechselseitigen Einwohnen Christi und der Glaubenden.“ 375 So zutreffend J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 237, auch wenn seiner Deutung, dass die reziproke Immanenz zwischen Jesus und den Glaubenden hier exklusiv an die Eucharistie gebunden sei, nicht gefolgt werden kann. Dass µένω darüber hinaus im Joh auch noch andere Aspekte umfasst, hält jedoch auch Zumstein fest.

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µένω darauf, dass dem ‚ewigen Leben‘ eine ethische Dimension inhärent ist.376 Wenn nun in V. 57 akzentuiert wird, dass die Glaubenden durch Jesus leben werden,377 dann wird deutlich, dass das hier beschriebene Leben ein Leben aus dem Tod ist.378 Das Joh entfaltet zur Erklärung ein dreidimensionales relationales Lebensgefüge:379 Dieses hat seinen Ursprung im lebendigen Gott, dem der Sohn sein präexistentes, sein irdisches und sein Auferstehungsleben verdankt. An ebendiesem Leben hat auch der Glaubende teil, wenn er im Glauben am Tod Jesu partizipiert.380 Das Joh entwirft hier eine Theologie des Lebens, die ihre christologische Verwirklichung im heilsvermittelnden Wesen und Handeln Jesu findet.381 Daraus resultieren 376

Vgl. Joh 15,4–10; 1 Joh 2,6.10.14.17; 3,6.14–17.24; 4,12.16; 2 Joh 9. Vgl. auch 1 Joh 4,9, wo die Leben spendende Sendung des Sohnes ebenfalls in kreuzestheologischer Perspektive entfaltet wird wie hier in Joh 6,51c–59. 378 Dem widerspricht auch nicht, dass hier das Sendungsmotiv betont wird, da ja diese Sendung in den Tod führt und darin der Heilswille Gottes nach johanneischer Darstellung zum Ziel kommt. Anders J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 237 mit Anm. 170. 379 H. WEDER, Menschwerdung, 382, bezeichnet die soteriologische Gabe des Lebens zu Recht als „Gemeinschaft mit Gott“ und folgert: „Aus der exklusiven Verbindung des Vaters mit dem Sohn ergibt sich die absolute Verbindlichkeit der Gemeinschaft Gottes mit den Menschen.“ Diese Deutung soll hier adaptiert werden, wenngleich Weder mit der Betonung der Sendung und Menschwerdung Jesu einen anderen als den hier vertretenen kreuzestheologischen Akzent stark macht, aber immer wieder auch auf den kreuzestheologischen Aspekt verweist (vgl. a.a.O., 389.391). Er hält damit die Bedeutung von Sendung und Erhöhung zusammen (vgl. dazu a.a.O., 391). 380 Anders M. STARE, leben, 201, die statt einer Partizipation am Tod Jesu annimmt, dass Jesus „mit dem Tod für den Menschen nicht verschwinden“ werde. Infolgedessen interpretiert sie dann in der Rezeption Hastischkas, dass es sich beim Verzehr von Jesu Fleisch und Blut um sein irdisches Sein und Wirken handele (a.a.O., 203f.). Dies erfährt eine leichte Korrektur, wenn sie annimmt, dass der Mensch auch Jesu „Hingabe und sein Geschick als lebensnotwendige Nahrung ganz in sich aufzunehmen“ (a.a.O., 225) habe. Allerdings verkennt sie, dass sich das Futur in V. 57 einer Vorausschau auf den Tod Jesu verdankt und es in diesem Moment zu einer präsentischen Aussage wird. Wie sollten sich ansonsten die Zusagen des gegenwärtigen Lebensbesitzes verstehen lassen? Und auch U. SCHNELLE, Johannes, 149, spricht zwar von einer „innigen Verbindung des Kommunikanten mit Jesus im sakramentalen Akt“ und betont die „grundlegende Verbindung zwischen Inkarnation und Eucharistie“, leitet jedoch daraus nicht die Folgerung einer Teilhabe der Glaubenden am Tod Jesu ab. Vielmehr kommt er zu dem Schluss, dass Jesus den Glaubenden in der Eucharistie das Leben schenke, „weil er sein Leben für sie hingab. Er verbindet im eucharistischen Mahl die Glaubenden mit sich, wie er selbst mit dem Vater verbunden ist.“ (A.a.O., 150). 381 Hierbei bildet die von Joh vertretene Vorstellung einer besonderen Relation zwischen Vater und Sohn die Voraussetzung für Jesu Wesen und Handeln, so dass Gott stets als Agens der Vollmacht Jesu, Leben zu vermitteln, erscheint. Vgl. F. C. MOLONEY, John, 222; C. K. B ARRETT, Johannes, 310, der zudem eine enge Verbindung zu Joh 5,21.24–30 erkennt, ähnlich auch R. E. BROWN, John (i–xii), 283, der auf Joh 5,26 verweist (allerdings in den VV. 51–58 nicht mehr wie hier Gott als Agens der Vollmacht 377

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für die Glaubenden die gegenwärtige soteriologische Gabe des ‚(ewigen) Lebens‘ sowie die Gewissheit, am jüngsten Tage aufzuerstehen. Wenn Joh diese Theologie des Lebens mit der Sendung des Sohnes in Verbindung bringt, dann zeigt dies, dass er diese umfassend denkt: von der Inkarnation Jesu bis zu dessen Verherrlichung. Während der ‚Lebensbrot-Dialog‘ dabei den Akzent auf die prämondiale Relation von Vater und Sohn legt,382 betont das Joh im anschließenden Dialog zwischen Jesus und den Jüngern neben der κατάβασις seine ἀνάβασις. Dieses Gespräch soll im Folgenden betrachtet werden, um die Bedeutung der Worte Jesu als auch des Pneumas für die Gabe des ‚Lebens‘ zu erläutern – einen Aspekt, den das Joh hier über die Aussagen des ‚Lebensbrot-Dialogs‘ hinaus einführt. 4.3.4 Die Worte Jesu und das ‚Leben‘ (Joh 6,60–71) Einen weiteren Aspekt trägt das vierte Evangelium im letzten Textabschnitt des Kapitels ein. Denn dort arbeitet es die Bedeutung der Worte Jesu für die Partizipation am ‚Leben‘ heraus und ergänzt einen pneumatischen Aspekt der Lebensteilhabe. Im Mund des johanneischen Jesus begegnet die Aussage: 63a τὸ πνεῦµά ἐστιν τὸ ζῳοποιοῦν, 63b ἡ σὰρξ οὐκ ὠφελεῖ οὐδέν· 63c τὰ ῥήµατα ἃ ἐγὼ λελάληκα ὑµῖν 63d πνεῦµά ἐστιν 63e καὶ ζωή ἐστιν. Diese Rede stellt eine Reaktion auf die Spaltung der Jünger dar, die an Jesu Aussagen in der Brotrede Anstoß genommen und sie deshalb als λόγος σκληρός (V. 60) bezeichnet hatten. Obwohl Joh nicht näher darauf eingeht, was genau als anstößig empfunden worden sein soll, legt sich von V. 62 her nahe, dass es um Jesu Rede von seiner κατάβασις geht (vgl. Joh 6,33.41f.50f.58).383 Sollten sie diese jedoch in Frage stellen,384 dann würJesu, Leben zu vermitteln, vertritt, sondern vielmehr postuliert: „Jesus himself dominates as the agent and source of salvation“ [a.a.O., 284]). 382 Dies geschieht, indem betont wird, dass Jesus derjenige sei, der den Vater gesehen habe, weil er von Gott ist (V. 46), und dass er als der Gesandte das vom Himmel hinabgestiegene Brot sei, das in der Willenseinheit mit dem Vater zur Rettung des Kosmos da sei. 383 So auch R. E. BROWN, John (i–xii), 299; U. SCHNELLE, Johannes, 153; M. THEOBALD, Johannes, 490. R. B ULTMANN, Johannes, 176, möchte den Anstoß darin erkennen, dass „der geschichtliche Jesus bei Lebzeiten sein Fleisch und Blut als Speise bezeichnet“. Ihm zufolge verdankt sich dieses Verständnis der Redaktion, die die VV. 51–58 mit den VV. 60–71 verbunden habe. C. DIETZFELBINGER, Johannes, 182, rechnet gleich mit mehreren Gründen des Anstoßes: „die Rede über das Herrenmahl (...) die Identifizierung Jesu

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den sie letztlich den Heilswillen Gottes ablehnen, der nach dem vierten Evangelium Grund der Sendung Jesu und der Gabe des ‚Lebensbrotes‘ ist.385 Wenn nun das Joh Jesus darauf hinweisen lässt, dass die κατάβασις erst in der ἀνάβασις386 zum Ziel kommt, dann wird der Text an dieser Stelle transparent für die nachösterliche Situation der Adressatinnen und Adressaten:387 Neben dem Tod Jesu, an dem es in der Aufnahme des ‚Lebensbrotes‘ zu partizipieren388 gilt, ist die Auferstehung und Rückkehr Jesu zum Vater konstitutiv für dessen Sein und Wirken als Lebensspender. Denn gerade hierin bestätigt sich, dass Jesus ‚Leben in sich hat‘ und über die Vollmacht verfügt, sein Leben hinzugeben und wieder an sich zu nehmen. Darauf, dass es um die soteriologisch notwendige Rückkehr Jesu zum Vater geht, verweist auch V. 63. 389 Denn dort bezeichnet der johanneische mit dem vom Himmel kommenden Brot. Ebenso kann sich die Empörung gegen die Brotrede insgesamt richten.“ J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 240, nimmt an, dass die Jünger Anstoß genommen hätten „au discours qui précède et, en particulier, à la prétention émise par Jésus d’être ‚le pain de vie descendu du ciel‘“. 384 Dass hier die Jünger Subjekt des Murrens (γορρύζω) sind, wie in den VV. 41.43 die Juden, dürfte nicht nur „überraschend für die Leser“ sein (so M. STARE, leben, 234), sondern zeigt, dass das Joh trotz seiner teils harschen Kritik an der literarischen Figurengruppe ‚der Juden‘ das Unverständnis gegenüber der Verkündigung Jesu und deren Ablehnung nicht undifferenziert einer bestimmten Personengruppe zuordnet. 385 Vgl. dazu z.B. Joh 3,16; 6,29.39. Daneben wird der Zusammenhang zwischen Gottes Heilswillen und der Sendung des Sohnes in Joh 11,42 innerhalb seines narrativen Kontextes sowie in 17,3.8.23 deutlich. 386 F. C. MOLONEY, John, 228, vermutet, dass die Hörerinnen und Hörer Jesu dessen Frage in V. 62 im Kontext der Himmelfahrten von Abraham, Mose, Jesaja und Henoch hätten gehört haben können: „Within the Passover context it is particulary the Jewish tradition of the ascent of Moses to receive the Torah“. Er verweist u.a. auf folgende Textstellen: ExR 28,1; 40,2; 43,4; DtnR 3,11; 11,10; Pesiqta Rabbati 20,4. 387 Das nachösterliche Gepräge dieses Textabschnitts lässt sich auch daran erkennen, dass sich hier der Erzähler in narrativen Kommentaren zu erkennen gibt (vgl. die VV. 61a.64c, in denen es um das Wissen Jesu geht). Darauf hat bereits zuvor schon M. STARE, leben, 227, hingewiesen. 388 Auf Seiten des Menschen bildet dabei – wie immer – ‚glauben‘ den Empfangsmodus. Das bestätigt in diesem Textabschnitt die Häufung der im Joh zu πιστεύω synonym verwendeten Verben ἀκούω (V. 60), ἔρχοµαι (hier in Form des Kompositums ἀπέρχοµαι) (V. 68) und γινώσκω (V. 69) sowie die verneinten Belege von πιστεύω in V. 64 und die positive Form in V. 69. Schön beobachtet M. STARE, leben, 233, dass ἀκούω außer in V. 60 nur noch in V. 45 belegt sei, wo es darum gehe, dass der vom Vater Hörende und von ihm Gelehrte zum Sohn komme. Sie folgert daraus: „Die Aussage der Jünger in V. 60b–c stellt auch diese Behauptung Jesu, daß das Hören und Lernen vom Vater zu Jesus führt, in Frage.“ 389 Die Deutung des Verses ist umstritten. So vertreten R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 105f.; M. THEOBALD, Johannes, 492; J. R. MICHAELS, John, 408f., eine christologische Lesart der Antithese von Geist und Fleisch, während R. E. B ROWN, John (i–xii), 299f.; U. SCHNELLE, Johannes, 154, und J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 240f., eine anthropolo-

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Jesus seine Worte390 als ‚Geist‘ und ‚Leben‘. Diese Aussage ist vor dem Hintergrund der Abschiedsreden nur nachösterlich möglich. Denn dort setzt die Gabe des Pneumas Jesu Rückkehr zum Vater voraus.391 gische Deutung fordern. C. D IETZFELBINGER, Johannes, 183, plädiert zwar zunächst für eine Isolierung des V. aus dem jetzigen Kontext und will ihn infolgedessen anthropologisch verstanden wissen. So verwundert es, wenn er im Folgenden G. R ICHTER, Studien zum Johannesevangelium, BU 13, 174, zitiert und dessen christologische Deutung als „Versuch (...) referiert“, wie Joh 6,63 verstanden werden könnte. Beide Lesarten sind möglich, und eine Entscheidung ist schwierig. So spricht für eine christologische Deutung, dass in dem unmittelbar vorhergehenden V. 62 explizit auf die nachösterliche Zeit angespielt und die Rückkehr Jesu zum Vater als notwendig herausgestellt wird. Dann kann die σάρξ auf das Erdenwirken Jesu bezogen werden, das für sich genommen alles andere als unnütz ist, aber dennoch seiner Erhöhung und Rückkehr zum Vater bedarf, da sie die Voraussetzung dafür bilden, dass der Geist gesandt wird. Dann ginge es darum, das komplette Heilswirken Jesu, auf das seine Sendung durch Gott zielt (vgl. z.B. Joh 3,16), als notwendig herauszustellen und die Adressaten des Evangeliums zu vergewissern, dass sie den Zugang zum Leben im geistgewirkten Verständnis der Worte Jesu haben. Möglicherweise kann in Joh 6,63 auch eine Tendenz gegen ein sakramentales Missverständnis der christologischen Bildrede in Joh 6,51–59 erkannt werden. Zugleich kann Joh 6,63 ebenso antidoketisch gelesen werden, wie der Lebensbrot-Dialog selber, da Jesu Erhöhung und Rückkehr seine Leiden inkludieren. Andererseits spricht auch einiges für eine anthropologische Deutung, gerade wenn man annimmt, dass das vierte Evangelium für die Komposition von Joh 6 auf die matthäische Vorlage des Speisewunders und des Petrusbekenntnisses zurückgegriffen haben könnte, in das das Gespräch Jesu mit den Zwölfen in Joh 6 mündet. Dann könnte Joh 6,63 von Mt 16,17 beeinflusst sein und das vierte Evangelium mit der Antithese von ‚Geist‘ und ‚Fleisch‘ darauf verweisen, dass die Erkenntnis Jesu als Heilsmittler Gottes allein im Pneuma möglich ist. Einen anderen Weg geht M. STARE, leben, 246.281, die als Objekt des Lebendigmachens den Menschensohn bestimmt, was aber insbesondere vor dem unmittelbar anschließenden Petrusbekenntnis in Joh 6,68f. sowie der Aussage von V. 57b nicht überzeugt. Der Akzent liegt bei Joh auf der Soteriologie, d.h. auf der Frage, wie dem Menschen das Leben zuteil wird. 390 Unzulänglich ist die Deutung bei M. STARE, leben, 247, dass Jesu Worte „ähnliche Eigenschaften (...) wie die Worte Gottes selbst“ hätten. Eine solche Deutung widerspricht joh Aussagen in Joh 1,1; 3,34; 17,8, auf die Stare z.T. selber verweist (a.a.O., 247 mit Anm. 639) und die zeigen, dass nach joh Verständnis in den Worten Jesu Gottes Offenbarung ergeht. Dies bemerken auch C. K. B ARRETT, Johannes, 314f.; M. T HEOBALD, Johannes, 492. Zutreffend wiederum betont M. STARE, leben, 247f. mit Anm. 640, dass nach alttestamentlicher und frühjüdischer Tradition (vgl. z.B. Gen 1; Dtn 8,3; Ps 33,6.9; Sir 42,15) die Worte Gottes Leben stiften und es nach Ez 37,4f. Wort und Geist eignet, schöpferisch zu wirken. 391 Vgl. z.B. Joh 14,16.18.25f.; 15,26 sowie insbesondere Joh 16,7. So auch C. K. B ARRETT, Johannes, 311.314. Die nachösterliche Perspektive betonen auch C. HOEGENROHLS, Johannes, 256–261, und in deren Rezeption U. SCHNELLE, Johannes, 154. Vgl. hierzu auch die Überlegungen bei M. STARE, leben, 240 mit Anm. 616. Obwohl M. THEOBALD, Johannes, 492f., die nachösterliche Gabe des Pneumas unterstreicht, plädiert er für einen Mittelweg, wonach die Worte des Erhöhten „mit dem Wort des irdischen Jesus zusammengeschaut“ (a.a.O., 493) würden. Nicht nachzuvollziehen ist, dass M. STARE, leben, 245 mit Anm. 631, trotz der von ihr vertretenen Position übersieht, dass

4. Glauben und Leben in Joh 6

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Ebendiesem Pneuma eignet nach Joh 6,63 die Fähigkeit des ζῳοποιεῖν,392 eine Fähigkeit, die ansonsten dem Vater und dem Sohn zugeschrieben wird. Nach johanneischem Verständnis tritt nun nachösterlich das Pneuma an die Stelle Jesu als Lebensspender: Das Pneuma vermittelt die Gabe des Lebens. Dabei fungieren die Worte Jesu, die ja nach 6,63d.e πνεῦµά ἐστιν καὶ ζωή ἐστιν, als Medium,393 innerhalb dessen Geist und Leben für die Leserinnen und Leser des Evangeliums zugänglich sind. So präsentiert Joh 6,63 ein Pneuma-Verständnis, das dem Parakletspruch in 14,26 korrespondiert, wonach der Geist die Worte Jesu erinnert und lehrt. Wenn aber die Worte Jesu Geist und Leben sind und ebendiese in der Evangeliumsdarstellung des Joh tradiert sind, dann tritt in Joh 6,63 der Anspruch des vierten Evangeliums hervor, selbst als Lebensmittler zu fungieren. Dies wird im Epilog (Joh 20,30f.) explizit gesagt: ταῦτα δὲ γέγραπται ἵνα πιστεύ[σ]ητε ὅτι Ἰησοῦς ἐστιν ὁ χριστὸς ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ, καὶ ἵνα πιστεύοντες ζωὴν ἔχητε ἐν τῷ ὀνόµατι αὐτοῦ (20,31). So ist es auch folgerichtig, dass das Joh im Unterschied zu den Synoptikern394 dem Petrusbekenntnis eine ganz eigene Form verleiht: 68a ἀπεκρίθη αὐτῷ Σίµων Πέτρος· 68b κύριε, πρὸς τίνα ἀπελευσόµεθα; 68c ῥήµατα ζωῆς αἰωνίου ἔχεις, 69a καὶ ἡµεῖς πεπιστεύκαµεν 69b καὶ ἐγνώκαµεν 69c ὅτι σὺ εἶ ὁ ἅγιος τοῦ θεοῦ. Nur bei Joh bekennt Simon Petrus, dass Jesus ῥήµατα ζωῆς αἰωνίου (V. 63c) habe und er und die anderen Elf geglaubt und erkannt hätten, dass

die präsentischen Aussagen in 6,63 die nachösterliche Perspektive des Joh zu erkennen geben. Ebenso verfehlt ist Stares Annahme, a.a.O., 308, dass der Geist in Joh 6,62f. „als mitwirkendes Subjekt bei der Auferstehung von den Toten implizit erwähnt“ würde. 392 Nach M. STARE, leben 245, fungiert das substantivierte Partizip als Prädikatsnomen: der Geist ist „‚der lebendig Machende‘“. Zutreffend bemerkt C. K. B ARRETT, Johannes, 314, es sei „die wesentliche Eigenschaft des Geistes, Leben zu geben“, und nennt als Begründung Joh 3,5f.8; 5,23f.; 7,38f. Auf den jüdisch-hellenistischen Hintergrund verweist richtigerweise M. THEOBALD, Johannes, 491, indem er Weish 15,11; JosAs 19,11 nennt. Vgl. innerneutestamentlich bei Paulus 1 Kor 15,45; 2 Kor 3,6. 393 Vgl. C. K. B ARRETT, Johannes, 311.314f., der allerdings dann zu der Folgerung gelangen möchte, die Worte Jesu auf ihn selber als Logos zu beziehen (a.a.O., 315). Dies trifft m.E. an dieser Stelle aufgrund der sprachlichen Differenz nicht zu. Im Fokus des Interesses steht hier die joh Überlieferung der Worte Jesu, die für sich beansprucht, Leben zu vermitteln. 394 Vgl. dazu Mk 8,27–30; Mt 16,13–20; Lk 9,18–21. Einen knappen synoptischen Vergleich bietet R. E. BROWN, John (i–xii), 301f., so dass hier auf eine detaillierte Diskussion verzichtet werden kann.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Jesus der Heilige Gottes sei (V. 69).395 Dabei legt das „Personalpronomen σύ, das vor dem Verb εἶ steht, (...) den ganzen Nachdruck auf die Person Jesu.“396 „For the first time in the narrative a character has expressed faith in Jesus for the right reason: his origins.“397 So wird deutlich: Jesu Wesen ist dadurch bestimmt, dass er zu Gott gehört bzw. von diesem ausgegangen ist – „comme manifestation de Dieu“398 –, wie der Genitiv τοῦ θεοῦ anzeigt, so dass ihm das Joh ebenfalls das Adjektiv ἅγιος beilegt, das ansonsten nur auf den Geist (Joh 1,33; 14,26; 20,22) und den Vater (Joh 17,11) bezogen verwendet wird.399 Beides, die Erkenntnis seines Wesens sowie die Leben spendenden Worte Jesu sind es, die seine Jünger an ihn binden.400 „So ist das Bekenntnis des Petrus das adäquate Responsorium (σὺ εἶ) auf die Offenbarungsformel ἐγώ εἰµι, die bei Joh von Gott auf den sich und den Vater offenbarenden Christus übertragen ist.“401

395 An der Lesart ist trotz der übrigen gut bezeugten Lesarten festzuhalten, weil es sich um eine Angleichung an Mt 16,16 und Mk 8,26 handeln dürfte. So argumentiert auch C. K. B ARRETT, Johannes, 316. Ähnlich auch R. E. BROWN, John (i–xii), 298, der eine Harmonisierung an Mt 16,16 vermutet. M. T HEOBALD, Johannes, 489f., wiederum möchte den Hoheitstitel dahingehend auswerten, dass bei Joh „die Verarbeitung einer vorsynoptischen Fassung der Caesarea Philippi-Überlieferung“ vorläge, da ansonsten der Christus-Titel von ihm hätte rezipiert werden müssen. Diese Deutung erscheint recht spekulativ und vermag zudem die Frage nicht zu beantworten, weshalb keine Spuren hiervon bei den Synoptikern zu finden sind. Dort wäre ja mit einer Kulmination verschiedener Hoheitstitel zu rechnen gewesen. Dieselbe Auffassung findet sich vor M. Theobald bereits bei K. W ENGST, Johannesevangelium 1–10, 260. 396 M. STARE, leben, 256. Dasselbe Phänomen ließ sich am Bekenntnis der Martha in Joh 11,27 beobachten (darauf verweist auch M. STARE, a.a.O. mit Anm. 667). 397 So treffend F. C. MOLONEY, John, 229. 398 J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 244. 399 Darauf verweist auch M. STARE, leben, 256f. Treffend urteilt R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 112, der annimmt, dass durch das Adjektiv ‚heilig‘ „die größte Nähe zu Gott (...), die Teilhabe an Gottes innerstem und eigenstem Wesen“ ausgedrückt werden solle. Ganz ähnlich wie Schnackenburg auch U. SCHNELLE, Johannes, 154, der zudem darin „in besonderer Dichte die Einheit von Vater und Sohn zum Ausdruck“ gebracht sieht. 400 Das zumindest kann aus der Frage in V. 68b geschlossen werden und bestätigt die durch den Glauben konstituierte Relation an Jesus als Bindung an seine Person. Zu Recht merkt M. STARE, leben, 254, an, dass Simon Petrus „nicht nach den Ortsangaben (‚Wohin?‘), sondern nach der Person als Ziel des Weggehens (‚Zu wem?‘)“ frage. Sie schließt daraus: „Es gibt für ihn/sie (sic. Simon Petrus bzw. die Jünger) keine Alternative zur Person Jesu.“ Ähnlich bereits zuvor R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 110. Vgl. zur Stelle weiter J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 242. 401 R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 112. Diese Deutung rezipiert auch M. THEOBALD, Johannes, 496. Ganz ähnlich auch C. D IETZFELBINGER , Johannes, 186, (der dennoch unverständlicherweise urteilt, dass das Bekenntnis des Petrus „etwas mager“ sei) und jüngst J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 242.

4. Glauben und Leben in Joh 6

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In dem Petrusbekenntnis ist in nuce zusammengefasst, was das Joh im hohepriesterlichen Gebet Jesu in Joh 17 ausführlich entfaltet. Denn ‚Glauben‘ expliziert das vierte Evangelium hier wie dort als Gnosis,402 und mit der Prädikation Jesu als ὁ ἅγιος τοῦ θεοῦ (V. 69c) verweist es auf die differenzierte Einheit Jesu mit Gott, dem das Prädikat ἅγιος (17,11) eignet, und ebendiese Heiligung ist es, die Jesus nach Joh 17 in seinem Wirken vollzieht und damit ermöglicht, dass Gott auch die Glaubenden heilige, indem er sie an dessen Wesen angleicht.403 Das aber bedeutet letztlich die Integration der Glaubenden in die Lebensgemeinschaft zwischen Vater und Sohn. Mit Schnackenburg ist daher festzuhalten, dass „die Kategorie der personalen Relation und Partizipation (...) der adäquate Ausdruck für die neue Existenz, in die der Glaubende eingetreten ist“, bleibt.404 Dies aufzuzeigen, ist Aufgabe der Exegese zu Joh 17. 4.4 Joh 6 und das johanneische Glaubenssummarium Die an Joh 6 gemachten Textbeobachtungen können die zum johanneischen Glaubenssummarium und dessen narrativer Inszenierung im Grabwunder vorgelegte Deutung verifizieren und einem vertieften Verständnis zuführen. So erweist sich auch nach Joh 6 die Relation zwischen Vater und Sohn, wie sie im ‚Ich-bin‘ Jesu in Joh 11,25 sowie dessen Gebet am Grab, das das Motiv der Sendung betont (Joh 11,41f.), als konstitutiv für Jesu Wesen und Wirken als Lebensspender. Dabei betont Joh 6 die „sachliche Priorität des Vaters, dessen Handeln am Menschensohn das Heil der Menschen ermöglicht.“405 Dieses Phänomen wird sichtbar daran, dass der Vater den Sohn ‚versiegelt‘ (V. 27c), ihn gesandt hat und dass der Sohn in der Einheit des Willens mit dem Vater agiert, der darauf zielt, dass der Sohn niemanden verloren gehen lasse, den der Vater zu ihm gezogen habe. Das Heilswirken des Sohnes wiederum verwirklicht sich, indem er die Sendung des Vaters vollendet, d.h. zum einem in seinem ‚Herabsteigen‘ vom Himmel, zum anderen in seinem erneuten Aufstieg, mit dem das Joh in Joh 6 mit dem Verb ἀναβαίνω die Erhöhung ans Kreuz, die Auferstehung Jesu 402

Dass beide Verben bei Joh synonym verwendet werden, nehmen auch R. E. BROWN, John (i–xii), 298; C. K. B ARRETT, Johannes, 316, an. R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 111, betont, dass beide Verben „in enger Relation zueinander“ stünden und das „zweite Verbum hier nur verstärkend“ wirke. Und auch J. ZUMSTEIN, Jean 1–12, 242, geht davon aus, dass „Le ‚croire‘ est explicité (καί) par un ‚connaître‘.“ 403 J. B LANK, Johannes II, 273, spricht in Bezug auf die Heiligung von einer „fortgesetzten Angleichung an Gottes Art und Wesen“. 404 R. SCHNACKENBURG, Johannes 5–12, 438. In diesem Sinne auch J. FREY, Eschatologie III, 282, der hier Schnackenburg rezipiert; F. HAHN, Glaubensverständnis, 62; M. STARE, leben, 287. 405 So U. SCHNELLE, Johannes, 136, in der Auslegung zu Joh 6,27.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

sowie seine Rückkehr zum Vater thematisiert.406 Deutlicher als alle anderen Kapitel des Joh zeigt Joh 6 dabei die Notwendigkeit einer Partizipation am Tod Jesu auf, wie sie insbesondere in der christologischen Bildrede in den VV. 51d–56 entfaltet wird, die das Essen des Fleisches Jesu und das Trinken seines Blutes zum Inhalt hat. Da das Joh die Verben des Verzehrens synonym zu πιστεύω verwendet, wird deutlich, dass der Mensch im Glauben Anteil erhält an Jesu Sterben, das die notwendige Voraussetzung für die Partizipation am Leben darstellt. Denn darauf zielt letztlich die Teilhabe am Tod Jesu, wie Joh 6,56f. belegen. So konstituiert sich im Glauben eine Beziehung zu Jesus, die das Joh mit dem Verb µένω ausdrückt und die den Glaubenden mit hineinnimmt in die ‚Lebensgemeinschaft‘ zwischen Vater und Sohn, so dass ihm das Leben zuteil wird (6,57) und der physische Tod keine Bedrohung mehr für ihn darstellt, weil er in Ewigkeit leben wird (6,58). So steht das gegenwärtig verliehene ‚Leben‘ in Kontinuität zum postmortalen Heil, das seine Vollendung in einer zukünftig erwarteten Auferstehung am ‚letzten Tag‘ findet. Seinen Ursprung und Grund hat die soteriologische Gabe des ‚Lebens‘ in Gott, der in Joh 6,57 als ὁ ζῶν πατήρ bezeichnet wird und dessen Wesen das Sein Jesu begründet, an dem die Menschen im Glauben teilhaben und dadurch leben. Mit der elaborierten Vorstellung der notwendigen Partizipation am Sterben Jesu fungiert Joh 6 als Beleg für die für Joh 11,16 vorgeschlagene Deutung, dass das vierte Evangelium die Vorstellung eines mit-ChristusSterbens analog zu Paulus vertritt und dieses nach Joh 3 als Sterben gegenüber der Sünde und dem spirituellen Totsein des Menschen begreift. An Joh 6 lässt sich beobachten, dass das Joh die einzelnen Stationen des Heilshandelns Jesu raum-metaphorisch darstellt und auf die Notwendigkeit jeder einzelnen Station dieses heilsdynamischen Prozesses verweist. Damit stützt Joh 6 die Annahme, dass die Abfolge der Selbstprädikationen ἀνάστασις und ζωή im johanneischen Glaubenssummarium (11,25) bewusst gewählt ist. Denn wenn in den ‚Ich-bin-Worten‘ Jesu zum Ausdruck kommt, wer er ist und was er für die Glaubenden bedeutet, dann bildet seine Auferstehung die conditio sine qua non dafür, dass den Glaubenden das Leben zuteil wird. Denn Jesus selber verfügt nach dem vierten Evangelium von vornherein über die ζωή (vgl. Joh 1,4), die aber nach Joh 6 erst dann zur Lebensgabe für die Glaubenden wird, wenn seine κατάβασις und ἀνάβασις vollzogen sind (6,62). Das heißt, dass auch in Joh 6 die gedankliche Struktur von Jesu Tod und Auferstehung, wie sie für die Glaubenssummarien charakteristisch ist, im Hintergrund steht und hier wie dort der Glaube der Empfangsmodus für das ‚Leben‘ ist, nur dass das Joh das

406

Vgl. dazu die Verwendung des Verbes δίδωµι in Joh 3,16 mit der Benutzung in 6,27.32.34.51f.

5. Glauben, Erkennen und ewiges Leben in Joh 17

313

Kerygma der (vorpaulinischen) Glaubenssummarien narrativ und metaphorisch gestaltet. Wie zentral hierbei auch in Joh 6 die Auferstehung neben der besonderen Akzentuierung der Heilsbedeutung des Todes Jesu ist, zeigt der letzte Textabschnitt, in dem ein Gespräch zwischen Jesus und den Jüngern in einen Dialog zwischen ihm und den Zwölfen übergeht (6,60–71). Hier kommt die nachösterliche Perspektive und damit die Situation der johanneischen Adressaten zum Vorschein, wenn das vierte Evangelium auf die Funktion des Pneuma und der Worte Jesu für die Teilhabe am ‚Leben‘ verweist. Denn schließlich setzt nach den Abschiedsreden die Gabe des Geistes die Rückkehr Jesu zum Vater voraus, und er garantiert nach johanneischem Verständnis das Verstehen und Erinnern der Worte Jesu in der Form, wie sie das Joh überliefert. Wenn nun nach Joh 6,63 Jesu Worte Geist und Leben sind und es die Aufgabe des Geistes ist, lebendig zu machen, dann rückt das Joh hiermit die nachösterliche Situation der johanneischen Gemeinde und ihren Zugang zum ‚Leben‘ in den Fokus des Interesses. Demnach fungieren die Worte Jesu und der Geist als Medien nachösterlicher Lebensvermittlung, so dass in dem Petrusbekenntnis „Du hast Worte ewigen Lebens“ (6,68) das Bekenntnis der johanneischen Gemeinde erklingt, die dem Epilog zufolge in der geistgewirkten Erinnerung der Worte Jesu, die Leben eröffnet, die Intention ihrer Evangeliendarstellung sieht. Ebendieser Annahme, dass die Glaubenden der soteriologischen Gabe des ‚Lebens‘ in den Worten Jesu teilhaftig werden, dürfte sich die Darstellung des Grabwunders (11,43f.) als auch des Textabschnitts Joh 5,24f. verdanken. Denn in beiden Fällen ereignet sich die µετάβασις aus dem Tod ins Leben aufgrund der Stimme des Gottessohnes und auf dessen Wort hin. Einige Aspekte, wie die Bedeutung der Relation von Vater und Sohn, das Ziel der Sendung Jesu sowie die Lebensgemeinschaft zwischen Vater, Sohn und den Glaubenden als auch die Bedeutung der Worte, werden in Joh 17 erneut aufgenommen, wenn das Joh eine Definition des ‚ewigen Lebens‘ im hohepriesterlichen Gebet Jesu formuliert. Dieses soll im Folgenden untersucht werden.

5. Glauben, Erkennen und ewiges Leben in Joh 17. Eine Skizze zu Joh 17,3 5. Glauben, Erkennen und ewiges Leben in Joh 17

5.1 „Das aber ist das ewige Leben, ...“ Abschließend soll ein kurzer Ausblick auf Joh 17,3 und die dort vorliegende Definition ‚ewigen Lebens‘ gerichtet werden. Da das Joh hier in Kürze zusammenfasst, was in den vorangegangenen Kapiteln in erzählerischer

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Breite ausgeführt und damit umfassend analysiert worden ist, kann sich auf eine knappe Skizze der zentralen Aussagen zum Thema ‚Glauben und Leben‘ in Joh 17 beschränkt werden. Lediglich zweimal ist in Joh 17 vom ‚ewigen Leben‘ die Rede. So bieten Joh 17,2 und 3 das Syntagma, jedoch V. 3 in der ungewohnten Reihenfolge von Adjektiv und Substantiv: αἰώνιος ζωή. Weiter fällt auf, dass das Joh hier nicht wie üblich die Rede vom ‚ewigen Leben‘ mit πιστεύειν verbindet, sondern stattdessen das Verb γινώσκω (V. 3b) verwendet. Allerdings zeigt das Nebeneinander von γινώσκω und πιστεύω in V. 8 sowie der synonyme Gebrauch beider Verben in den VV. 21.23,407 dass beide Verben grundsätzlich synonym zu verstehen sind. Einen weiteren Beleg für πιστεύω bietet V. 20. Wie definiert das Joh die ζωή αἰώνιος in Joh 17, und welche Aspekte lassen sich daraus für das Verständnis des johanneischen Glaubenssummariums bzw. das Thema Glauben und Leben erschließen? Bevor diesen Fragen nachgegangen werden soll, ist zuvor Joh 17,3 in seinem Kontext zu skizzieren. 5.2 Kontext und Komposition von Joh 17 Joh 17,3 ist Bestandteil des sog. hohepriesterlichen Gebets Jesu. Das vierte Evangelium überliefert es im Anschluss an die Abschiedsreden in Joh 13,31–16, die mit ihrer bitemporalen Perspektive408 in besonderer Weise die nachösterliche Zeit der Adressaten in den Blick nehmen, über die sich nach der Darstellung des Joh der scheidende Jesus auf seinem Weg in den Tod mit den Jüngern unterhält. Der gesamte Textabschnitt, einschließlich des Gebetes Jesu in Joh 17, wirkt wie ein stark retardierendes Moment, das den Erzählzusammenhang zwischen Judas’ Aufbruch (13,30) und der Gefangennahme Jesu (18,1ff.) unterbricht. Damit kann Joh 17 als johanneisches Äquivalent zum Gebet Jesu in Gethsemane, wie es die Synoptiker überliefern, verstanden werden.409 Betrachtet man den Aufbau von Joh 17, dann fällt Zweierlei auf. Zum einen unterscheiden sich die VV. 1c–3 sprachlich vom übrigen Kapitel, da der johanneische Jesus nur hier von sich selber in der 3. Person Singular spricht. Zweitens werden die Inhalte aus den VV. 1c–3 in dem weiteren Gebet meditierend aufgenommen und reflektiert. Dabei lässt sich folgende Struktur des Textes erkennen: Zunächst nehmen die VV. 4f. das Verherrlichungs-Motiv aus V. 1d.e auf. Die VV. 2f. wiederum werden in den VV. 6–8 fortgeführt, was deutlich erkennbar ist an den zum Teil parallel 407

In V. 25 formuliert das Joh wiederum durchgehend mit γινώσκω, ohne dass es dadurch zu einer inhaltlichen Verschiebung der Glaubensinhalte käme. 408 Vgl. dazu z.B. Joh 13,31 im Verhältnis zu Joh 13,32. 409 Vgl. C. K. B ARRETT, Johannes, 484f.

5. Glauben, Erkennen und ewiges Leben in Joh 17

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formulierten Aussagen, die durch die Verwendung des Verbes δίδωµι und dem Motiv, dass Gott der Gebende ist, in einer inneren Korrelation zueinander stehen. Darüber hinaus nehmen die VV. 7f. das Motiv des Erkennens aus V. 3 auf, und in V. 8e wird es als ‚Glauben‘ expliziert. Darauf folgen in den VV. 9–19 Bitten Jesu für die Glaubenden, die auf das Vorhergehende Bezug nehmen, bevor mit V. 20 ein Perspektivwechsel erfolgt. Nun erweitert das Joh den Fokus in den Bitten Jesu auf diejenigen, die durch das Wort derer glauben, die Gott ihm anvertraut hat, und öffnet damit das Gebet Jesu für die Verkündigung der Adressaten des Evangeliums selber. Daher legt es sich nahe, dass es sich bei den VV. 1c–3 um eine Tradition der johanneischen Schule handelt, die den Ausgangspunkt für das Gebet Jesu in Joh bildete.410 Von besonderem Interesse für die Thematik von Glauben und Leben sind die VV. 1–3.4f.6–8 und 20–23, die im Folgenden analysiert werden sollen.411 5.3 ‚Ewiges Leben‘, ‚Erkennen‘ und ‚Glauben‘ in Joh 17 5.3.1 ‚Ewiges Leben‘ und ‚Erkennen‘ in Joh 17,1c–3 Der Textabschnitt, in dem das Joh seine Definition ‚ewigen Lebens‘ vorlegt, lässt sich wie folgt gliedern: 1c πάτερ, ἐλήλυθεν ἡ ὥρα· 1d δόξασόν σου τὸν υἱόν, 1e ἵνα ὁ υἱὸς δοξάσῃ σέ, 2a καθὼς ἔδωκας αὐτῷ ἐξουσίαν πάσης σαρκός, 2b ἵνα πᾶν ὃ δέδωκας αὐτῷ 2c δώσῃ αὐτοῖς ζωὴν αἰώνιον. 3a αὕτη δέ ἐστιν ἡ αἰώνιος ζωὴ 3b ἵνα γινώσκωσιν σὲ τὸν µόνον ἀληθινὸν θεὸν καὶ ὃν ἀπέστειλας Ἰησοῦν Χριστόν. Unter direktem Bezug auf die vorangegangenen Abschiedsreden412 stellt das vierte Evangelium Jesus hier als Betenden dar, indem es mit der Parti-

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Dafür spricht die Formulierung in der 3. Person Singular, die im folgenden Gebet durch die 1. Person Singular abgelöst wird und ebenso die Rede von ‚Jesus Christus‘ sowie die missionssprachlich gefärbte Gottesbezeichnung τὸν µόνον ἀληθινὸν θεόν. 411 Indem die VV. 1c–3 hier vom übrigen Gebet unterschieden und als Tradition der joh Schule verstanden werden, unterscheidet sich die Gliederung von der häufig vertretenen Aufteilung des Gebets in drei Teile: 17,1–5.6–19.20–26. Vgl. dazu F. C. MOLONEY, John, 459, der selber in 1–8.9–19.20–26 untergliedert. Ebenfalls vom Konsens abweichend: J. R. MICHAELS, John, 857, der Joh 17 in sechs Abschnitte teilt: 1–5.6–8.9–19.20– 23.24.25f.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

zipialwendung καὶ ἐπάρας τοὺς ὀφθαλµοὺς αὐτοῦ εἰς τὸν οὐρανόν (V. 1b) seine Gebetshaltung beschreibt.413 Danach beginnt das Gebet mit einer Anrede Gottes, den der johanneische Jesus als πάτερ (Vokativ) anspricht, während er von sich selber in der 3. Person Singular als Sohn redet. In der Vater-Anrede Jesu klingt bereits die besondere Beziehung zwischen dem Einziggeborenen und Gott an, die für das gesamte Gebet konstitutiv ist.414 Es folgt mit ἐλήλυθεν ἡ ὥρα (V. 1c) eine temporale Angabe, die als wiederkehrendes Motiv im Evangelium erscheint.415 Es geht um die ‚Stunde‘ Jesu, mit der das vierte Evangelium auf das Moment der Kreuzigung Jesu und seiner Auferstehung bzw. Rückkehr zum Vater anspielt.416 Jetzt, da diese Stunde gekommen ist, bittet der Sohn den Vater, dass er ihn verherrliche, und nennt in einem angeschlossenen, mit der Konjunktion ἵνα eingeleiteten Finalsatz als Zweck dieser Bitte die Verherrlichung des Vaters durch den Sohn.

412

Darauf verweisen die einleitenden Worte in Joh 17,1a: Ταῦτα ἐλάλησεν Ἰησοῦς. So auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 192; C. K. B ARRETT, Johannes, 486; U. SCHNELLE, Johannes, 280; F. C. MOLONEY, John, 463, der allerdings die Abschiedsreden anders abgrenzt als hier vorgeschlagen. Er begrenzt sie auf Joh 14,1–16,33. 413 Zuvor wird der joh Jesus bereits in 11,41 als Betender beschrieben. 414 Vgl. hierzu die weiteren Vater-Anreden Jesu in 17,11.21.24f. 415 Vgl. Joh 2,4; 7,30; 8,20; 12,23; 13,1. Anders die Stellen, die aus nachösterlicher Perspektive davon handeln, dass die Stunde ‚jetzt gekommen ist‘ (5,25.28) und damit die Leben gebende eschatologische Vollmacht des Erhöhten thematisieren. Dass diese Stunde auf den Tod und die Rückkehr Jesu zum Vater bezogen ist, lässt sich an 13,1 eindeutig erkennen: Πρὸ δὲ τῆς ἑορτῆς τοῦ πάσχα εἰδὼς ὁ Ἰησοῦς ὅτι ἦλθεν αὐτοῦ ἡ ὥρα ἵνα µεταβῇ ἐκ τοῦ κόσµου τούτου πρὸς τὸν πατέρα, ἀγαπήσας τοὺς ἰδίους τοὺς ἐν τῷ κόσµῳ εἰς τέλος ἠγάπησεν αὐτούς. So ist die ‚gekommene Stunde‘ dadurch charakterisiert, dass Jesus aus dieser Welt zu seinem Vater zurückkehrt und den Seinen darin die Liebe bis zur Vollendung erweist (vgl. Joh 3,16). Nicht zufällig ist daher die Rede von der ‚Stunde‘ in 12,23.27f. im unmittelbaren Kontext vom sterbenden Weizenkorn mit der Rede von der Verherrlichung des Sohnes durch den Vater verbunden. R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 193, hält daher zutreffend fest: „Formell klingt das Wort an 12,23 an; inhaltlich setzt es 13,31f voraus.“ Vgl. weiter F. C. MOLONEY, John, 463; J. R. MICHAELS, John, 858; und zur ‚Stunde‘ J. FREY, theologia crucifixi, 510–512. 416 Vgl. hierzu U. SCHNELLE, Johannes, 280; N. CHIBICI-REVNEANU, Herrlichkeit, 613f. J. FREY, theologia crucifixi, 510–512, möchte zur ‚Stunde‘ Jesu auch das letzte Mahl, die Gefangennahme, das Verhör und den Prozess sowie die Grablegung, die Ostererscheinungen, die Geistgabe und die Jüngeraussendung rechnen. Er folgert daraus: „Der Begriff der ‚Stunde‘ bildet somit ein ‚Integral‘ für die Gesamtheit der Ereignisse um Jesu Tod und Auferstehung.“ (A.a.O., 511.) F. C. MOLONEY, John, 461, bezieht die nun ‚gekommene Stunde‘ auf „the ‚lifting up‘“, und J. R. MICHAELS, John, 858, möchte das Motiv der ‚Stunde‘ nicht allein auf den Tod Jesu, sondern zudem auf „the consequent scattering of the disciples in an ‚hour‘ that is both ‚coming‘ and ‚has come‘ (16:32)“ beziehen, was nicht zu überzeugen vermag, da ja gerade in den VV. 1–3 der heilvolle Aspekt der ‚Stunde‘ unter christologischer Perspektive thematisiert wird.

5. Glauben, Erkennen und ewiges Leben in Joh 17

317

Im folgenden V. 2 wird nun als Ziel für die vom Sohn erbetene und die Verherrlichung des Vaters intendierte Bitte um Verherrlichung die Lebensgabe genannt.417 Es geht um die Vermittlung der soteriologischen Gabe des ‚ewigen Lebens‘, die neben der Verherrlichung des Vaters ebenso den Sohn verherrlicht, indem dieser stirbt und zu Gott zurückkehrt.418 Das Joh denkt dieses Geschehen universalistisch, wie die Wendung ἔδωκας αὐτῷ ἐξουσίαν πάσης σαρκός (V. 2a) anzeigt. Hierbei verweist der Aorist ἔδωκας auf die Exousia419 des Erhöhten hin,420 mit der er alle zu sich ziehen wird (12,32). Dies fügt sich in die universalistischen Aussagen zum Heilswillen Gottes,421 den auch der folgende Finalsatz zum Ausdruck bringt. Demnach fungiert Jesus als Heilsmittler Gottes, indem er den Menschen alles422 vermittelt, was ihm vom Vater zuteil geworden ist: ζωὴν αἰώνιον (V. 2c). 417

Vgl. zur sprachlichen Konstruktion R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 193f. So mit J. R. MICHAELS, John, 858f. Vgl. weiter U. SCHNELLE, Johannes, 280, sowie N. CHIBICI-REVNEANU, Herrlichkeit, 623, die dazu schreibt: „Als Verherrlichungsgeschehen beinhaltet der Tod Jesu, dass Jesus darin von Gott ins Recht gesetzt, in seiner Identität als wahrhaftiger Gesandter Gottes offenbart und in eine universale Ehrenstellung beim Vater aufgenommen wird. Umgekehrt ehrt Jesus den Vater durch die Hingabe seines Lebens und offenbart darin die hingabebereite Liebe Gottes.“ Ihre Definition von Verherrlichung ist jedoch um den Aspekt der Auferstehung Jesu zu ergänzen. Schließlich merkt sie selber an, dass in der „‚Verherrlichung‘ Tod und Auferstehung beieinander gehalten werden“ (a.a.O., 613). Vgl. weiter zum joh δόξα-Begriff sowie seinem traditionsgeschichtlichen Hintergrund und der Herrlichkeitsterminologie in Joh 17 J. FREY, Herrlichkeit, 647–656. 419 R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 194, bezieht unter Berücksichtigung von Joh 5,27 die hier thematisierte Vollmacht des joh Jesus zu Recht auf die Vollmacht, „über Leben und Tod zu entscheiden, Heil oder Gericht zu bewirken“, wobei hier ausschließlich die rettende Dimension dieser Vollmacht ausgedrückt werde. 420 Anders C. K. B ARRETT, Johannes, 486, der im Aorist „eine besondere Bevollmächtigung zur irdischen Wirksamkeit des fleischgewordenen Sohnes“ ausgedrückt sehen möchte. Uneindeutig ist R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 194, der zwar richtig erkennt, dass „Jesus (...) durch die in jener ‚Stunde‘ erfolgende Verherrlichung ‚Macht über alles Fleisch‘ erlangt“ hat und hierin eine Nähe zu Mt 28,18 mit Dan 7,14 im Hintergrund vorliegt (a.a.O., 194 Anm. 10), dann jedoch die dem joh Jesus „bei der Sendung in die Welt verliehene Macht“ (a.a.O., 194 Anm. 10) thematisiert sieht. Das liegt daran, dass er es ablehnt, dass hier der Erhöhte als Betender dargestellt werde (a.a.O., 197). Ähnlich F. C. MOLONEY, John, 463. Eine dezidiert nachösterliche Perspektive hingegen nimmt auch U. SCHNELLE, Johannes, 280, für V. 2 an. 421 Vgl. dazu Joh 3,16; 12,32 sowie die Aussagen, dass der joh Jesus in die Welt gekommen sei, um dem Kosmos Leben zu geben (vgl. Joh 6,33.51), und dass er als das ‚Licht der Welt‘ (8,12) in die Welt gekommen ist, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht in der Finsternis bleibe (12,46). Dazu gehören weiter jene Stellen, die als Ziel der Sendung des Sohnes in die Welt die Rettung und nicht das Gericht angeben (vgl. z.B. 3,17; 12,47). 422 Anders R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 193, der πᾶν auf die „Jünger“ beziehen möchte. Ebenso C. K. B ARRETT, Johannes, 487; F. C. MOLONEY, John, 461; J. R. M ICHAELS, John, 859. Ein Vergleich mit den übrigen Belegen für πᾶν im Joh (Joh 418

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Dieser relationale Aspekt des ‚ewigen Lebens‘, der darin zum Ausdruck kommt, dass Jesus das, was er vom Vater empfangen hat, an die Menschen weitergibt, wird in V. 3 fortgeführt und um die kognitive Dimension der Gabe der αἰώνιος ζωή erweitert. Dort wird das ‚ewige Leben‘ definiert, indem in einem ἵνα-Satz erläutert wird:423 das ‚ewige Leben‘ besteht in der Erkenntnis Gottes als des einzig wahrhaftigen Gottes und Jesus Christus, den er gesandt hat (V. 3b; vgl. auch 17,8).424 „Die Erkenntnis Gottes und die Erkenntnis Jesu Christi eröffnen das ewige Leben und sind zugleich dessen Inhalt.“425 In der Rede von der Erkenntnis Gottes und seines Gesandten verbinden sich die relationale und die kognitive Dimension des ‚ewigen Lebens‘,426 die in den VV. 6–8.20–22 erneut aufgenommen und vertieft sowie um weitere Aspekte erweitert werden. Für Joh 17,2f. kann festgehalten werden, dass die Menschen in der Gabe der ζωὴ αἰώνιος in die Gemeinschaft von Vater und Sohn integriert werden, so dass sich eine dreidimensionale Relation427 zwischen Gott, seinem Gesandten und den ‚Erkennenden‘ konstituiert, die sich nach Joh 17,1 in der wechselseitigen Verherrlichung von Vater und Sohn in der ‚Stunde‘ Jesu vollzieht. Tod und Auferstehung bzw. Rückkehr Jesu zum Vater bilden

6,37.39f.) zeigt, dass das Joh an keiner Stelle den Singular im Neutrum zur Bezeichnung eines menschlichen Kollektivs verwendet. 423 R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 196, lehnt sowohl die Bezeichnung der Gotteserkenntnis als kognitiv als auch die definitorische Funktion von 17,3 ab. Anders C. K. B ARRETT, Johannes, 487, der zwar nicht von einer Definition spricht, dem aber nahe kommt, wenn er annimmt, „Joh fühlte die Notwendigkeit einer Beschreibung des ewigen Lebens“. Darüber hinaus hält er ebenso fest, dass nach Joh die Erkenntnis „eine objektive, faktische Seite“ (a.a.O., 488) habe. Vgl. zum definitorischen Charakter auch J. T. N IELSEN, Dimension, 66; J. R. MICHAELS, John, 859. 424 R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 195f.; F. C. MOLONEY, John, 464, bezeichnen V. 3 als „Glosse“, was sie u.a. mit der für das Joh untypischen Formulierung αἰώνιος ζωή, der Verwendung von „Jesus Christus“ und der evtl. „aus der Missionssprache“ (vgl. 1 Thess 1,9) stammenden Formulierung τὸν µόνον ἀληθινὸν θεόν begründen. Statt von einer Glosse zu sprechen, scheint es plausibler, dass es sich bei den VV. 1c–3 insgesamt um eine joh Schultradition handelt, die den Ausgangspunkt für das sog. hohepriesterliche Gebet Jesu bildeten. U. SCHNELLE, Johannes, 280 mit Anm. 3, spricht zwar nicht von Tradition, hält jedoch V. 3 für einen „Ausdruck der Theologie des Evangelisten“ und lehnt damit ebenfalls die Bezeichnung von V. 3 als Glosse ab. F. C. MOLONEY, John, 461, wertet V. 3 als „leitmotif“, worin ihm zuzustimmen ist, auch wenn V. 3 hier im Unterschied zu Moloney nicht als Glosse verstanden wird. C. K. B ARRETT, Johannes, 487, spricht von einer „Parenthese“. 425 U. SCHNELLE, Johannes, 280. 426 Anders R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 195f., der aufgrund eines Vergleichs mit 1 Joh das ‚Erkennen‘ ausschließlich auf den Aspekt der Gemeinschaft mit Gott beschränkt. 427 Vgl. J. T. NIELSEN, Dimension, 66f.

5. Glauben, Erkennen und ewiges Leben in Joh 17

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also nach Joh die conditio sine qua non für das ‚ewige Leben‘,428 das demzufolge als Leben aus dem Tod Jesu bezeichnet werden muss. Ebendiesen Aspekt des Todes und der Rückkehr zum Vater thematisieren die VV. 4f. als ersten Reflex auf die VV. 1c–3, indem hier auf das Verherrlichungsmotiv rekurriert wird. 5.3.2 Das ‚ewige Leben‘ und die Verherrlichung von Vater und Sohn (Joh 17,4f.) Dass der Tod Jesu und seine Auferstehung bzw. Rückkehr zum Vater die Voraussetzung für die Gabe des ‚ewigen Lebens‘ an die ‚Erkennenden‘ sind, zeigen die VV. 4f. 4a ἐγώ σε ἐδόξασα ἐπὶ τῆς γῆς 4b τὸ ἔργον τελειώσας ὃ δέδωκάς µοι ἵνα ποιήσω· 5a καὶ νῦν δόξασόν µε σύ, πάτερ, παρὰ σεαυτῷ τῇ δόξῃ 5b ᾗ εἶχον πρὸ τοῦ τὸν κόσµον εἶναι παρὰ σοί. So hat nach Joh 17,4a.b der Sohn den Vater auf Erden verherrlicht, indem er das ihm vom Vater übergebene ‚Werk‘ vollendet hat. Hiermit blickt der erhöhte Jesus auf sein Wirken zurück, das seinem letzten Wort am Kreuz zufolge in seinem Tod zum Ziel gekommen ist.429 Mit der Bitte, dass der Vater ihn jetzt (νῦν) mit der Herrlichkeit verherrlichen möge, die er zuvor bei ihm gehabt habe, bittet der Sohn letztlich darum, dass Gott „ihn endgültig wieder aufnehme( ) in den göttlichen Bereich und in jene Herrlichkeit, die dem Sohn schon vor Grundlegung der Welt zu eigen war“430. 428

Bei C. K. B ARRETT, Johannes, 487, könnte ebendiese Vorstellung anklingen, wenn er zu V. 2 festhält, dass „die Gabe des ewigen Lebens durch das vollendete Werk Jesu“ ermöglicht wird. 429 Dafür sprechen die Wahl des Verbes τελέω, da dieses in der joh Darstellung auch Jesu letztes Wort am Kreuz bestimmt, sowie der Aorist ἐδόξασα in V. 4a und der mit der Verherrlichungsterminologie gegebene Bezug auf Jesu Tod und Auferstehung respektive seiner Rückkehr zum Vater. Ähnlich auch U. SCHNELLE, Johannes, 280f. Anders R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 197, der zwar ebenfalls einen Anklang an das „Kreuzesgeschehen“ annimmt, aber zugleich ablehnt, dass nach der joh Darstellung hier der auferstandene Gekreuzigte spricht. Auch F. C. MOLONEY, John, 461f., möchte hier den scheidenden joh Jesus reden hören anstatt des Erhöhten. Damit übersehen beide die bitemporale Perspektive der Abschiedsreden und des Gebets Jesu sowie die insgesamt nachösterlich geprägte Perspektive des vierten Evangeliums. Vgl. hierzu C. HOEGENROHLS, Johannes, 235. 430 So treffend U. SCHNELLE, Johannes, 281, mit Verweis auf Joh 12,41; 17,24. Die Bitte um Verherrlichung mit jener Herrlichkeit, die dem Sohn schon als Präexistentem zu eigen war, muss in engem Zusammenhang mit der Aussage in V. 2a, dass der Vater dem Sohn nachösterlich die Vollmacht über alles Fleisch gegeben habe, gelesen werden. Erhellend hierfür ist ein Blick auf Joh 19,11, woraus hervorgeht, dass der joh Jesus im Moment seiner Auslieferung an das Kreuz auf seine Vollmacht und Leben spen-

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Daran wird deutlich, dass die wechselseitige Verherrlichung von Vater und Sohn erst mit der Rückkehr des Sohnes zum Vater vollendet wird, so dass die Rede von der Verherrlichung Jesu nicht allein auf dessen Tod, sondern ebenso auf seine Auferstehung als auch auf seine Rückkehr in seine prämondiale Herrlichkeit beim Vater bezogen werden muss.431 Schließlich wird in seiner Auferstehung und Rückkehr zum Vater deutlich, dass er seinem Wesen nach Lebensspender ist, so dass selbst der Tod keine Macht über ihn hat. Zugleich bekundet die Verherrlichung des Sohnes durch den Vater in dessen Auferstehung die Anerkennung der Verherrlichung des Vaters432 durch den Sohn und damit den heilvollen Tod seines Sohnes zugunsten seiner Freunde (15,13) sowie als Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt (1,29).433 Damit präsentiert jedoch das vierte Evangelium, wie bereits an Joh 3; 5 und 6 beobachtet, Gott als Subjekt der Heilsgeschichte, der aus Liebe zum Kosmos (3,16) seinem Sohn die Vollmacht gibt, Leben in sich zu haben (5,26), und dessen Willen es entspricht, dass jeder, der an den Sohn glaubt, ewiges Leben habe und am ‚letzten Tag‘ auferweckt werde (6,39f.). Im Hintergrund steht eine Theologie des Lebens, die nach Joh durch die Sendung des Sohnes und dessen heilsmittlerisches Handeln auf die Rettung des Kosmos zielt. Es legt sich nahe, die Rede von der wechselseitigen Verherrlichung von Vater und Sohn als spezifisch johanneische Ausdrucksform zu verstehen, die sachlich das Kerygma der vorpaulinischen Glaubenssummarien voraussetzt und vor diesem Hintergrund die johanneische Definition des ‚ewigen Lebens‘ entwirft. Dies erscheint umso plausibler, wenn die Nähe zu Joh 11 berücksichtigt wird. Denn auch dort findet sich im unmittelbaren Zusammenhang mit dem johanneischen Glaubenssummarium die Herrlichkeitsterminologie, wenn das Grabwunder als sichtbarer Erweis der δόξα Gottes präsentiert wird, die im Glauben an Jesus als die Auferstehung und das Leben gesehen wird (11,40). Wie das Joh hier einen Konnex zur Sendung Jesu herstellt (11,42) dende Herrlichkeit verzichtet, um sich mit der Sterblichkeit der Menschen zu solidarisieren. Damit wird er entgegen jeglichem Doketismus als leidender und sterbender Gott gezeichnet, wenngleich das vierte Evangelium auch hierin seine Vollmacht erkennt (vgl. Joh 10,18). 431 Vgl. N. CHIBICI-REVNEANU, Herrlichkeit, 613f. Abweichend J. T. NIELSEN, Dimension, 133, dessen Ansicht zufolge der Tod Jesu nicht zur Verherrlichung hinzugehört bzw. Jesu Verherrlichung nicht mit seinem Tod gleichgesetzt werden könne, auch wenn gelte: „Der Tod veranlasst (...) die Verherrlichung Gottes an Jesus“ (a.a.O., 140). 432 Ein ähnlicher Gedankengang findet sich auch bei C. K. B ARRETT, Johannes, 488f. 433 Vgl. dazu auch J. FREY, theologia crucifixi, 516–535, sowie dessen um weitere Bedeutungsaspekte des Todesverständnisses Jesu im Joh erweiterten Beitrag DERS., Tod, 555–584. Vgl. zur kritischen Auseinandersetzung mit den Interpretamenten des Todes Jesu als Sühne, Stellvertretung und Opfer sowie einer Deutung des joh Todesverständnisses J. SCHRÖTER, Sühne, 51–71 (insb. 64f.68–71).

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5. Glauben, Erkennen und ewiges Leben in Joh 17

und damit wie in Joh 17,4f. (vgl. auch 17,1) mit der Vorstellung eines gegenseitigen Verherrlichens von Vater und Sohn das Moment der besonderen Relation zwischen Vater und Sohn akzentuiert, so lässt sich auch an den VV. 6–8 beobachten, dass diese Beziehung zwischen Vater und Sohn konstitutiv für das Leben schaffende Wesen und Wirken des Sohnes ist. Denn hier betont das Joh, dass sich im johanneischen Jesus Gott selbst offenbare, da er von Gott ausgegangen und von ihm gesandt worden sei. Vollendet wird nun diese Sendung bzw. wechselseitige Verherrlichung als Ausdruck der besonderen Relation in Jesu Rückkehr zum Vater. 5.3.3 Das ‚ewige Leben‘ und die Worte Gottes (Joh 17,6–8) In den VV. 6–8 ist das Syntagma ‚ewiges Leben‘ zwar nicht terminologisch erwähnt, aber es ist doch inhaltlich präsent. Dies wird deutlich an folgenden Texten: 17,2bc

ἵνα πᾶν

ὃ δέδωκας αὐτῷ

δώσῃ αὐτοῖς

17,8a

ὅτι τὰ ῥήµατα

ἃ ἔδωκάς µοι

δέδωκα αὐτοῖς

ζωὴν αἰώνιον

Vergleicht man die VV. 2b.c.8a miteinander, dann fällt ihr paralleler Aufbau auf.434 So thematisieren sie jeweils, dass der Sohn etwas vom Vater bekommen habe, was er an die Glaubenden weitergibt. Während diese Gabe in V. 2c das ‚ewige Leben‘ ist, treten in V. 8 die ῥήµατα an die Stelle der Rede vom ‚ewigen Leben‘. Diese Textbeobachtung legt nahe, die VV. 6–8 als Erläuterung zu den VV. 2f. aufzufassen, die explizieren, wie die Menschen am ‚ewigen Leben‘ partizipieren. So werden die Worte Gottes als Medium dargestellt, in denen sich das ‚ewige Leben‘ offenbart und damit zugänglich ist. Dies wird noch deutlicher, wenn die übrigen VV. mit einbezogen werden, in denen die Definition ‚ewigen Lebens‘ als Gegenstand der Erkenntnis und des Glaubens aus V. 3 reflektierend wieder aufgenommen wird. Betrachten wir den Textabschnitt im Ganzen: 6a Εφανέρωσά σου τὸ ὄνοµα τοῖς ἀνθρώποις οὓς ἔδωκάς µοι ἐκ τοῦ κόσµου. 6b σοὶ ἦσαν 6c κἀµοὶ αὐτοὺς ἔδωκας 6d καὶ τὸν λόγον σου τετήρηκαν. 7a νῦν ἔγνωκαν 7b ὅτι πάντα ὅσα δέδωκάς µοι 7c παρὰ σοῦ εἰσιν· 8a ὅτι τὰ ῥήµατα ἃ ἔδωκάς µοι δέδωκα αὐτοῖς, 8b καὶ αὐτοὶ ἔλαβον 434

Auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 198, konstatiert, dass V. 6 „nun den Gedanken von V. 2“ aufnimmt.

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

8c καὶ ἔγνωσαν ἀληθῶς 8d ὅτι παρὰ σοῦ ἐξῆλθον, 8e καὶ ἐπίστευσαν ὅτι σύ µε ἀπέστειλας. Nach einem Rekurs auf das, womit der Sohn den Vater auf Erden verherrlicht hat (V. 4a), nämlich die Offenbarung Gottes an jene Menschen, die der Vater dem Sohn anvertraut hat (V. 6a–c), hält das Joh mit dem Perfekt des Verbes τηρέω fest, dass jene das Wort Gottes bewahrt hätten (V. 6d).435 Dabei betont das Tempus, dass das Bewahren in der Vergangenheit begonnen und bis in die Gegenwart hinein anhält, so dass hier ein direkter Bezug zu den Adressaten des Evangeliums vorliegt.436 Das betont vorangestellte temporale Adverb νῦν in V. 7 macht deutlich, dass die folgende Aussage im zeitlichen Horizont der Verherrlichung des Sohnes durch den Vater zu lesen ist:437 Jetzt, da Jesus den Tod überwunden hat und zu Gott zurückgekehrt ist, haben die Glaubenden erkannt, dass alles, was Jesus ihnen gegeben hat, von Gott kommt. Erst aus dem nächsten V. geht hervor, worum es sich bei der Rede von πάντα ὅσα δέδωκάς µοι παρὰ σοῦ εἰσιν (V. 7b.c) handelt (begründende Konjunktion ὅτι): Es sind die ῥήµατα, die Jesus von Gott empfangen und an die Glaubenden weitergegeben hat bzw. – wie es das Perfekt andeutet – weiterhin gibt, so dass die ‚Worte‘ Gottes hier als Medium erscheinen, in denen den Glaubenden auch nach Jesu Rückkehr zum Vater zugänglich ist, was Gott ihm gegeben hat. Wird nun aber die bereits erwähnte innere Korrelation zwischen den VV. 2b.c und 8a berücksichtigt, dann wird deutlich, dass es die Gabe des ‚ewigen Lebens‘ ist, die den Glaubenden in den Worten Gottes, wie sie das vierte Evangelium als Offenbarung des Sohnes überliefert, offensteht. Damit stellt der Textabschnitt Joh 17,6–8 eine inhaltliche Parallele zu Joh 6,63438 sowie dem Pet435 Vgl. hierzu C. HOEGEN-ROHLS, Johannes, 236, die die Wendung τηρεῖν τὸν λόγον im Horizont der Abschiedsreden liest (vgl. 14,23f.) und einen Bezug zum ‚Halten der Gebote‘ ausmacht, womit die „umfassende Erfüllung des Willens Jesu durch die Glaubenden“ zum Ausdruck gebracht worden sei. Zutreffend hält sie fest, dass diese Gebotserfüllung „im Zusammenhang mit den Geistverheißungen an die nachösterliche Zeit gebunden worden“ ist, so dass die nachösterliche Perspektive der VV. 6–8 offensichtlich ist. 436 Vgl. auch C. K. B ARRETT, Johannes, 489. 437 Vgl. hierzu V. 5a, in dem ebenfalls das Adverb verwendet wird und dort auf die Bitte um Verherrlichung des Sohnes durch den Vater bezogen ist. Es legt sich nahe, νῦν analog zu V. 5a auf die Stunde der Verherrlichung Jesu zu beziehen. Daraus folgt für V. 7a, dass den Jüngern erst nachösterlich eine umfassende Erkenntnis Jesu als Heilsmittler Gottes möglich ist. Anders R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 201, der bestreitet, dass das νῦν in V. 7a „von der gleichen Gewichtigkeit wie (...) in V. 5“ sein könne (vgl. weiter C. K. B ARRETT, Johannes, 489). 438 Einen kurzen Verweis auf Joh 6,63 bieten auch C. K. B ARRETT, Johannes, 490. Vgl. weiter J. R. MICHAELS, John, 862, mit den zutreffenden Verweisen auf die Bedeutung der Worte Jesu in Joh 14,24; 15,14.

5. Glauben, Erkennen und ewiges Leben in Joh 17

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rusbekenntnis in Joh 6,68f. dar, wonach die Worte, die Jesus gesprochen hat, πνεῦµά ἐστιν καὶ ζωή ἐστιν und somit ῥήµατα ζωῆς αἰωνίου sind. Eine weitere Nähe zum Petrusbekenntnis stellen auch die restlichen Aussagen von V. 8 dar, die hier nicht als Bekenntnis gesprochen, sondern als Feststellungen über die ihm von Gott Anvertrauten im Munde Jesu formuliert sind. In ihnen fokussiert das Joh nun auf den Zeitpunkt des Zum-GlaubenKommens, was sich sprachlich bei den Verben in der Verwendung des Aorists niederschlägt. So heißt es, dass die ihm Anvertrauten die Worte Gottes angenommen und wahrhaftig erkannt hätten, dass er von Gott ausgegangen sei, und geglaubt hätten, dass Gott ihn gesandt habe (V. 8b–e). Dabei stimmt zum einen die Wahl der Verben γινώσκω und πιστεύω überein,439 und zum anderen kann Joh 17,8c–e als Erläuterung zu der Aussage des Petrus: σὺ εἶ ὁ ἅγιος τοῦ θεοῦ (6,69) verstanden werden, denn gerade darin erweist sich Jesu Heiligkeit, dass er der von Gott ausgegangene Gesandte ist. Und so wie das Petrusbekenntnis aufgrund seines unmittelbaren Kontextes des ‚Lebensbrot-Dialogs‘ das gesamte Heilswirken Jesu – seine ἀνάβασις und κατάβασις – im Blick hat und ihn deshalb als ‚Heiligen Gottes‘ bekennt, so auch das hohepriesterliche Gebet in Joh 17, das ebenfalls von Jesu Heiligung spricht (V. 19) und damit auf dessen Sterben fokussiert sowie mit der Rede von der Verherrlichung des Sohnes durch den Vater auch dessen ἀνάβασις thematisiert. Vor allem aber weisen die VV. 7f. eine große inhaltliche Nähe zu den VV. 2f. auf. Ihr eigener Akzent besteht darin, dass sie die Erkenntnis des wahrhaftigen Gottes und seines Gesandten christologisch zuspitzen, indem das Joh hier postuliert, dass die Gotteserkenntnis nicht außerhalb der Christuserkenntnis möglich sei, da diese – und mit ihr das ‚ewige Leben‘– allein in den von Jesus geoffenbarten Worten Gottes zugänglich sei. In der Folge sind es nun die vom johanneischen Jesus gesprochenen und von der johanneischen Schule tradierten und im Evangelium verschriftlichten Worte Jesu, in denen den Glaubenden das ‚Leben‘ offensteht, indem sie als Medium des Glaubens und der Erkenntnis fungieren, dass Jesus der von Gott ausgegangene Lebensspender ist, in dessen Worten Gott selber spricht und Leben schafft, wie auch Lazarus durch Jesu Wort aus dem Tod ins Leben gerufen wird (vgl. 11,43) und alle, die die Stimme des Gottessohnes hören und dem glauben, der ihn gesandt hat, aus dem Tod ins Leben hinübergehen (vgl. 5,24f.).440 439 Dies gilt trotz der umgekehrten Reihenfolge der Verben und den verschiedenen Tempora. Zutreffend hält C. K. B ARRETT, Johannes, 490, fest, dass beide Verben „ganz parallel gebraucht“ würden. 440 Indem das Joh die Worte Jesu letztlich als Gottes Worte identifiziert (17,8), wird erneut die besondere Relation zwischen Vater und Sohn akzentuiert, wie sie bereits in V. 2 angeklungen ist und erneut in den VV. 6–11 anklingt. Das Joh verwendet hierfür das

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

Indem das Joh die Leben vermittelnde Wirkung der Worte Jesu herausarbeitet, fokussiert es die nachösterliche Situation seiner Adressaten, die in der Zeit der Abwesenheit Jesu auf das überlieferte Zeugnis seiner Worte angewiesen sind, um in der geistgewirkten Erinnerung an die Worte Jesu Zugang zum ‚ewigen Leben‘ zu haben. Einen Schritt weiter geht das Joh im folgenden Textabschnitt, in dem nun das Augenmerk nicht allein auf die Adressaten des Evangeliums, sondern zudem auf jene gelenkt wird, die durch die Verkündigung der ursprünglichen Evangeliumsadressaten glauben (17, 20) und nun, anders als nach der Aussage von V. 9, mit in die Fürbitte des johanneischen Jesus einbezogen werden. 5.3.4 Das ‚ewige Leben‘ in der göttlichen Lebensgemeinschaft (Joh 17,20–23) In den VV. 20–23 folgt eine weitere Bitte des johanneischen Jesus, die auf der Ebene der erzählten Zeit den Jüngern gilt, aber auch jenen, die durch deren Verkündigung glauben werden. Berücksichtigt man jedoch die retrospektive Darstellung der Abschiedsreden sowie des hohepriesterlichen Gebets Jesu, dann ist offensichtlich, dass die Bitte auf die johanneische Gemeinde und deren Missionspraxis abgestimmt ist.441 20a Οὐ περὶ τούτων δὲ ἐρωτῶ µόνον, 20b ἀλλὰ καὶ περὶ τῶν πιστευόντων διὰ τοῦ λόγου αὐτῶν εἰς ἐµέ, 21a ἵνα πάντες ἓν ὦσιν, 21b καθὼς σύ, πάτερ, ἐν ἐµοὶ κἀγὼ ἐν σοί, 21c ἵνα καὶ αὐτοὶ ἐν ἡµῖν ὦσιν, 21d ἵνα ὁ κόσµος πιστεύῃ 21e ὅτι σύ µε ἀπέστειλας. 22a κἀγὼ τὴν δόξαν ἣν δέδωκάς µοι 22b δέδωκα αὐτοῖς, 22c ἵνα ὦσιν ἓν καθὼς ἡµεῖς ἕν· Motiv des ‚Gebens‘. Da diese Gabe des Vaters an den Sohn auf das ‚ewige Leben‘ bzw. die Leben eröffnenden ‚Worte‘ bezogen ist, wie ein Vergleich von V. 2 und 8 gezeigt hat, legt es sich nahe, auch die Aussage, dass der joh Jesus in den Glaubenden verherrlicht sei (V. 10), sowie seine Bitte, dass die Glaubenden eins sein mögen wie der Vater und er (V. 11e), auf die Lebensthematik zu beziehen. Demnach lebt der gekreuzigte Auferstandene als der Verherrlichte in den Glaubenden, und die Bitte um Einheit ist nicht anders zu verstehen, als dass Gott die Glaubenden in der Lebensgemeinschaft von Vater und Sohn bewahren möge. Diese Deutung wird gestützt durch einen Vergleich mit Joh 11, wo die Verherrlichung von Vater und Sohn ebenfalls auf den Erweis des Leben schaffenden Wesens und Wirkens in der Vollmacht des göttlichen ‚Ich-bin‘ zielte. Vgl. dazu unten die Auslegung zu 17,21. 441 Vgl. R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 216; U. SCHNELLE, Johannes, 283. Demgegenüber eher zurückhaltend argumentiert F. C. MOLONEY, John, 473.

5. Glauben, Erkennen und ewiges Leben in Joh 17

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23a ἐγὼ ἐν αὐτοῖς καὶ σὺ ἐν ἐµοί, 23b ἵνα ὦσιν τετελειωµένοι εἰς ἕν, 23c ἵνα γινώσκῃ ὁ κόσµος 23d ὅτι σύ µε ἀπέστειλας 23e καὶ ἠγάπησας αὐτοὺς 23f καθὼς ἐµὲ ἠγάπησας. Wie in den VV. 6–8 präsentiert das Joh auch hier die Worte als Medium, das Glauben hervorruft und damit die Teilhabe an der soteriologischen Gabe des ‚Lebens‘ ermöglicht. So bittet der johanneische Jesus für jene, die aufgrund der Wort-Verkündigung der johanneischen Gemeinde glauben werden (20b). Er bittet für die Einheit aller Glaubenden (21a), die der Einheit zwischen ihm und dem Vater entsprechen soll (21b)442 und die dann zum Ziel kommt,443 wenn die Glaubenden im Vater und im Sohn sind (21c: ἐν ἡµῖν ), d.h. „in die Einheit von Vater und Jesus aufgenommen werden“444 bzw. eins sind, wie der Vater und der Sohn eins sind (22c). V. 23 erläutert, wie diese Integration der Glaubenden in die Gemeinschaft von Vater und Sohn vorzustellen ist, indem das Joh hier christologisch argumentiert: Jesus ist in den Glaubenden und da Gott in ihm ist (V. 23a), kommt es zu einer Aufnahme der Glaubenden in die göttliche Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn.445 Es legt sich nahe, das Sein Jesu in den Glaubenden als im πιστεύειν konstituiert aufzufassen, da ‚Glauben‘ im vierten Evangelium eine „personale( ) Bindung an Jesus“446 darstellt und sich die Bitte Jesu in Joh 17, 20 auf die Glaubenden bezieht. Dass es sich bei dieser Gemeinschaft um eine Lebensgemeinschaft handelt, zeigt die Aussage κἀγὼ τὴν δόξαν ἣν δέδωκάς µοι δέδωκα αὐτοῖς (V. 22ab). Denn die Herrlichkeit, die Jesus den Glaubenden gibt, besteht darin, „daß ihnen der Verherrlichte das göttliche Leben mitteilt“, wie er es mit der Bitte um die wechselseitige, auf das Leben zielende Verherrlichung erbeten hatte (V. 1f.).447 Demnach heißt ‚ewiges Leben‘, das nach V. 3 in der Erkenntnis 442

Das zeigt die Konjunktion καθώς an. So auch R. SCHNACKENBURG, Johannes 13– 21, 216. 443 Vgl. den Finalsatz V. 21c. 444 R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 217. 445 Vgl. dazu R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 217; J. T. NIELSEN, Dimension, 66f. 446 R. SCHNACKENBURG, Johannes 1–4, 510. 447 R. SCHNACKENBURG, Johannes 13–21, 218. Anders F. C. MOLONEY, John, 474, der die δόξα auf die Liebe bezieht. Mit N. CHIBICI-REVNEANU, Herrlichkeit, 567, soll ein besonderer Aspekt der Rede von der Herrlichkeit bei Joh festgehalten werden, der das Konzept von δόξα im Joh zu beschreiben vermag, dabei aber auf eine übertragene Übersetzung des Begriffs verzichtet und zugleich die jeweilige Bedeutungsnuance von δόξα aus ihrem unmittelbaren Kontext heraus abzuleiten versucht (vgl. dazu auch a.a.O., 633– 640): „Die δόξα ist im Joh keine absolut gedachte Größe, sondern relational definiert als

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IV. Teil: Glauben und Leben im Johannesevangelium

des wahrhaftigen Gottes und seines Gesandten besteht, Teilhabe und Integration in die Lebensgemeinschaft von Vater und Sohn, die dazu führt, dass der Kosmos glaubt und erkennt, dass Jesus der Gesandte Gottes ist, und Gott die Glaubenden mit derselben Liebe liebt, mit der er Jesus liebt. Damit schließt sich der Bogen zu Joh 3,16, wo die Liebe Gottes zum Kosmos ebenfalls auf die Gabe des Lebens für die Glaubenden zielte, die ihnen der johanneische Jesus durch seinen Tod am Kreuz erworben hat.448 Und hier wie dort ist es das Kerygma von Jesu Tod und Auferstehung, das hier im Hintergrund der Rede von der Verherrlichung und dem Motiv der Stunde steht, vor dem das Joh seinen Lebensbegriff entfaltet. 5.4 Fazit: Joh 17 und das johanneische Glaubenssummarium Auch in Joh 17 lassen sich Bezüge zu dem johanneischen Glaubenssummarium in Joh 11,25f. sowie zu dessen unmittelbarem Kontext der Erzählung von der Herausrufung des Lazarus aus dem Tod ins Leben erkennen. In typisch johanneischer Sprachgestalt, der Rede von der wechselseitigen Verherrlichung von Vater und Sohn sowie der Gabe der δόξα an die Glaubenden, werden hier die Inhalte der (vor-)paulinischen Glaubenssummarien sowie des johanneischen Glaubenssummariums im Kontext eines Gebets Jesu thematisiert: so bildet das ‚Jetzt‘ der ‚gekommenen Stunde‘ als temporale Angabe für den Zeitpunkt der Verherrlichung Jesu die Bedingung für die Gabe der ζωὴ αἰώνιος. Tod und Auferstehung Jesu respektive seine Rückkehr zum Vater bilden damit auch nach der johanneischen Schultradition in 17,1c–3 die notwendige Voraussetzung für das ‚ewige Leben‘ der Glaubenden. Erst dann ist das Werk Jesu vollbracht. In ihnen erweist sich Gott als Schöpfer neuen Lebens und der Sohn als Lebensspender in seiner Göttlichkeit. Er ist es, der nach dem Zeugnis des Joh von Gott gesandt, ja aus ihm hervorgegangen ist. Das zu glauben und zu erkennen, ist nach Joh ‚ewiges Leben‘. Deutlich wird der johanneische Jesus als Heilsmittler dargestellt, dessen Wesen und Funktion darin besteht, den Glaubenden all das zu geben, was er vom Vater empfangen hat und was ihn als von Gott Kommenden autorisiert: die Gabe des Lebens in der göttlichen Lebensgemeinschaft von Vater und Sohn. prägendes Element eines Beziehungsgeflechtes zwischen Vater, Sohn, Geist und Glaubenden. Gerade in ihrer Relationalität ist sie Grundlage des Offenbarungsgeschehens, das als Manifestation der Beziehung zwischen Gott und seinem Gesandten und deren Ausrichtung auf den Einbezug der Glaubenden in diese Beziehung durch den Geist erscheint.“ 448 Auch an Joh 17,23 wird erneut die nachösterliche Perspektive deutlich, wird doch die Erfahrung der Jünger, von Gott geliebt zu sein, als „bestehende Realität vorausgesetzt“ (C. HOEGEN-ROHLS, Johannes, 246) und damit zugleich als erfüllt angesehen, was ihnen in den Geistverheißungen verheißen worden war (vgl. 14,21.23; 16,27).

5. Glauben, Erkennen und ewiges Leben in Joh 17

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All diese erwähnten Aspekte finden sich ebenso in der LazarusPerikope und vermögen noch einmal neues Licht auf diese zu werfen. So lässt sich an Joh 17 beobachten, dass die in Joh 11,40 thematisierte Herrlichkeit Gottes ebenso wie in Joh 17,3 auf die Lebensgabe an die Glaubenden zielt. Wie in Joh 11 die µετάβασις des Lazarus aus dem Tod ins Leben auf das Wort des inkarnierten Logos Gottes hin ergeht, so ist das ‚Leben‘ nach Joh 17 nachösterlich in den tradierten Worten Jesu als Offenbarung Gottes zugänglich. Als der gekreuzigte Auferstandene kommt ihm, der als von Gott Gesandter präexistenter Logos von Ewigkeit her Leben in sich hat, die soteriologische Aufgabe zu, Leben zu geben. Das macht das Gebet deutlich, das der johanneische Jesus am Grab des Lazarus spricht. Wie es nach Joh 11,42 Inhalt des Glaubens ist, dass Jesus der Gesandte ist und damit in einer andauernden, ununterbrochenen Verbindung zum Vater steht,449 so auch nach Joh 17. Aber – und das ist das Entscheidende – dieses Gebet spricht derjenige, der aus nachösterlicher Perspektive von sich selber in der göttlichen Vollmacht als ‚die Auferstehung und das Leben‘ (11,25) spricht. Somit ist in Joh 11, genau wie in Joh 17, die Sendung oder das ‚Wer‘ des Sohnes erst vor dem Hintergrund von Jesu Tod und Auferstehung in seiner soteriologischen Dimension erschlossen. Und wie die Glaubenden nach Joh 17 infolge ihres Glaubens bzw. Erkennens in die Lebensgemeinschaft von Vater und Sohn integriert werden, so ist es auch nach Joh 11,25f. die im Glauben an (πιστεύειν εἰς ἐµὲ) den johanneischen Jesus – und damit zugleich an Gott, der sich in ihm offenbart, ihn gesandt hat und ihn stets erhört – konstituierte Relation, die dem Glaubenden das ‚ewige Leben‘ angesichts der bleibenden physischen Vergänglichkeit zusagt. Damit bestätigt die Exegese von Joh 17 die Auslegung von Joh 11 und zeigt, dass Joh 17,1c–3 in typisch johanneischer Sprachgestalt das Kerygma des johanneischen Glaubenssummariums sachlich voraussetzt.

449

Diese drückt sich nach Joh 11,42 in der Gewissheit aus, dass der Vater den Sohn erhört.

V. Teil

Ergebnis Glaube und Leben bei Paulus und Johannes. Theologisch-konzeptionelle Analogien auf dem Hintergrund ihrer Glaubenssummarien „Wer glaubt, hat ewiges Leben“, heißt es in Joh1, und ebendiese Zusage trifft auch für die Theologie des Paulus zu. Denn in beiden theologischen Entwürfen konstituiert sich im Glauben eine Bindung an den Auferstandenen, die den Glaubenden teilhaben lässt an Christi Tod und Auferstehungsleben. So bildet das Kerygma von Jesu Tod und Auferstehung sowohl bei Paulus als auch bei Johannes den hermeneutischen Horizont, vor dem sie ihre Theologie des Lebens entfalten. Bei Paulus stellen die vorpaulinischen Glaubenssummarien hierfür den Ausgangspunkt dar. Diese in der Forschung zur paulinischen Theologie bislang kaum beachtete Beobachtung wurde in der vorliegenden Studie aufgenommen und durch die Differenzierung zwischen einer Lebens- und einer Auferstehungsterminologie weitergeführt. Auf diese Weise konnte sichtbar werden, dass Paulus die aus der Tradition übernommenen Glaubenssummarien mit der Lebensterminologie verbindet, fortschreibt und deutet und ihnen damit sein spezifisches Profil einprägt. Diese Kurzzusammenfassungen der Lehre werden daher in der vorliegenden Studie als paulinische Glaubenssummarien bezeichnet, denn sie bilden den Ausgangspunkt für die paulinische Konzeption, dass das Leben im Glauben empfangen wird, und auf ihrer Grundlage verkündigt der Apostel seinen Adressaten, welche soteriologische Bedeutung Jesu Tod und Auferstehung für ihr gegenwärtiges Sein hat. In Joh 11,25f. findet sich zu diesem Vorgang bei Paulus eine Analogie, die in dieser Studie folglich als johanneisches Glaubenssummarium bezeichnet wird. Dieser Vergleichspunkt zwischen der paulinischen und johanneischen Theologie und seine Bezeichnung als Glaubenssummarien ist bislang in der Forschung nicht diskutiert worden – und das, obwohl sich die Bezeichnung von Joh 11,25f. als johanneisches Glaubenssummarium in Analogie zu den paulinischen Glaubenssummarien nahelegt. Denn hier 1

Vgl. z.B. Joh 3,15f.; 6,40.47; 20,31.

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V. Teil: Ergebnis

werden die inhaltlichen Aussagen der vorpaulinischen Pistisformeln in der typisch johanneischen Form eines Ich-bin-Wortes zum Ausdruck gebracht und im Kontext narrativ entfaltet. Das Besondere im Vergleich mit Paulus zeigt sich nun darin, dass auch Joh terminologisch differenziert zwischen der gegenwärtigen Gabe des ewigen Lebens und der Rede von der Auferstehung, die er auf die Selbstprädikation Jesu sowie auf die zukünftige Erwartung einer Auferstehung „am letzten Tag“ beschränkt. So sagt auch das vierte Evangelium mit seinem johanneischen Glaubenssummarium in Joh 11,25f. den Glaubenden zu, dass sie gegenwärtig leben und dass selbst der Tod sie nicht mehr von dem zu trennen vermag, der von sich selber sagt, er sei die Auferstehung und das Leben. So zeigt sich, dass die Menschen nach dem Zeugnis des Apostels und des Johannesevangeliums das Leben als ihr neues Sein im Glauben an Jesu Tod und Auferstehung empfangen. Folglich stellen auch nach beiden theologischen Konzeptionen die Heilsakte von Jesu Sterben und Auferweckung – und nicht, wie bisher oft vertreten, primär die Sendung bei Joh – das suffiziente Heilsgeschehen dar, an dem die Menschen im Glauben partizipieren und durch das sich Gottes schöpferisches Handeln an Jesus auch an ihnen ereignet.2 Diese gemeinsame Basis einer Theologie des Lebens, bei der Gott aus dem Tod Jesu neues Leben schafft, führt zu beeindruckenden Analogien in der Konzeption vom Leben aus dem Glauben bei Paulus und Johannes. Diese sollen im Folgenden in einer kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse aus den Einzelanalysen noch einmal zusammengefasst werden, indem die Analogien des Lebensverständnisses benannt werden. Leben ist glaubende Teilhabe an Jesu Tod und Auferstehung Paulus und Johannes machen Jesu Tod und Auferstehung zum Ausgangspunkt ihrer Theologie des Lebens und erheben diese Heilsakte zum Gegenstand des Glaubens. Bei Paulus wird dieses Phänomen daran deutlich, dass er den vorpaulinischen Glaubenssummarien sein besonderes Profil verleiht, indem er sie um die Lebensterminologie fortschreibt bzw. mit ihrer Hilfe auslegt. Bei Joh wiederum ist dies an der zentralen Stellung des johanneischen Glaubenssumariums innerhalb des Evangeliums zu erkennen. Denn mit Joh 11, der Herausrufung des Lazarus aus dem Tod ins Leben, ist ein narrativer Höhepunkt in der Darstellung Jesu als Lebensspender erreicht. Zugleich führt das Lebenswunder zum Beschluss, Jesus zu töten (11,47–53). Auf diese Weise rückt die gesamte Erzählung unter das Vorzeichen der bevorstehenden Passion Jesu. Explizit ausgedrückt ist diese schließlich im johanneischen Glaubenssummarium selbst, werden dort

2

Vgl. hierzu Kap. II. zu den Glaubenssummarien, besonders II.2; II.3.

V. Teil: Ergebnis

331

doch in den Selbstprädikationen Jesu dessen Sterben und Auferstehung vorausgesetzt. Nach Paulus und Joh partizipieren die Glaubenden an Jesu Tod und Auferstehung, um so mit dem Leben beschenkt zu werden. Denn empfangen wird das Leben im Glauben, in dem sich eine Beziehung zu Jesus konstituiert. Sichtbar wird das bei Joh in der Formulierung πιστεύειν εἰς mit anschließendem auf Jesus bezogenen Objekt. Der Bezug zu Jesu Tod und Auferstehung tritt dabei besonders im johanneischen Glaubenssummarium zutage. Denn es ist der Glaube an denjenigen, den das Joh als die Auferstehung und das Leben bezeichnet (Joh 11,25f.). Aber auch in der metaphorischen Rede vom Essen und Trinken von Jesu Fleisch und Blut in Joh 6,51–58 wird dieser Aspekt sichtbar, und nach Joh 3,14–16 ist die Erhöhung des Menschensohnes die conditio sine qua non für die Gabe des ewiges Lebens, die dem Glaubenden zuteil wird.3 Der Apostel beschreibt die Partizipation an Jesu Tod und Auferstehung als Voraussetzung für die Gabe des Lebens mit den für ihn charakteristischen σύν-Formulierungen. So spricht er davon, dass er mit Christus gekreuzigt worden sei (Gal 2,19), dass die Glaubenden mit Jesus leben (1 Thess 5,10; Röm 6,8), wie ihr „alter Mensch“ auch zusammen mit ihm gekreuzigt (Röm 6,6) und begraben worden sei (Röm 6,4). Daneben kann er davon sprechen, dass die Glaubenden in den Tod Jesu getauft seien (Röm 6,3) und sich in seinem Tod ihr eigenes Sterben ereignet habe. Paulus verhandelt diese Themen im Kontext seiner Glaubenssummarien, so dass hier der Glaube als Empfangsmodus für das Leben vorausgesetzt ist. Deutlich wird dies zudem an seiner Verwendung des Zitates von Hab 2,4 in Röm 1,17 und Gal 3,11, wonach der aus Glauben Gerechte leben wird. Es legt sich die Annahme nahe, dass Paulus dieses Zitat nicht allein verwendet, um die Schriftgemäßheit seines Evangeliums zu verteidigen, sondern weil in der Formulierung ἐκ πίστεως Χριστοῦ der Inhalt der vorpaulinischen Glaubenssummarien zusammengefasst ist. So kann darauf geschlossen werden, dass sich die Zitation des Prophetenwortes für Paulus deshalb anbot, weil sie sich in seine Argumentation mit den Glaubenssummarien einfügte und für diese in den jeweiligen Kommunikationssituationen mit seinen Adressaten fruchtbar gemacht werden konnte.4 Das hier für die Zukunft erwartete Leben erfüllt sich nach Paulus im Christusgeschehen, so dass das Leben zu einer gegenwärtigen soteriologischen Gabe wird.

3 4

Vgl. dazu die Kap. IV.1; IV.2; IV.4 und IV.5. Vgl. hierzu Kap. III.1; insbesondere III.1.1.

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V. Teil: Ergebnis

Leben ist die gegenwärtige soteriologische Gabe des Glaubens Leben bezeichnet bei Paulus und Joh die gegenwärtige soteriologische Gabe des Glaubens. So wandelt der Glaubende nach Röm 6,4 bereits jetzt in der Neuheit des Lebens, er findet sich in der Lebensgemeinschaft mit dem Auferstandenen (1 Thess 5,10; Röm 6,8) und lebt und stirbt in der Zugehörigkeit zu dessen Lebensherrschaft (Röm 14,8). Der Glaubende ist neue Schöpfung (2 Kor 5,17; Gal 6,15).5 Dabei muss 1 Thess 5,10 als Beleg dafür gelten, dass Paulus die Glaubenssummarien mit der Lebensterminologie fortschreibt, um seine Adressaten ihrer gegenwärtigen soteriologisch qualifizierten Existenz in der Gemeinschaft mit ihrem Herrn zu vergewissern. Denn angesichts der Besorgnis seiner Adressaten über das Schicksal der verstorbenen Glaubensgeschwister reagiert er mit der Aussage, dass Jesus für sie gestorben sei, damit sie mit ihm leben.6 So konnte die Exegese der Stelle im Bezug auf ihren Kontext in 1 Thess 4,14–17 aufzeigen, dass diese Lebensgemeinschaft für die lebenden wie die verstorbenen Glaubenden ‚in Christus‘ gilt: Leben erscheint demnach als präsentische Gabe des Glaubens. Damit macht Paulus mit Hilfe der Lebensterminologie zweierlei deutlich: es gibt eine Kontinuität zwischen diesseitigem und jenseitigem Heil, und als Lebende im eschatologischen Sinn erwarten die Glaubenden die zukünftige Auferstehung. Auf beide Aspekte wird zurückzukommen sein. Analog dazu hat auch nach Joh derjenige, der glaubt, das ewige Leben. Er ist aus dem Tod in das Leben hinübergegangen wie Lazarus, den der joh Jesus aus dem Grab herausruft (11,43). Jetzt ist die Stunde, in der sich solches ereignet (5,25) – das heißt, immer dann, wenn die Worte des Auferstandenen im Zeugnis des Evangeliums ergehen. So können beide, Paulus und Joh, die Glaubenden als Lebende bezeichnen. Leben gewährt die Kontinuität zwischen diesseitigem und postmortalem Heil Das so soteriologisch qualifizierte Leben der Glaubenden ist die Gabe, die die Kontinuität zwischen diesseitigem und jenseitigem Heil verbürgt. Besonders deutlich wird dies in der Vorstellung, dass der Glaubende und Lebende leben wird, selbst wenn er stirbt (Joh 11,25f.). Verstärkt wird diese Aussage in Joh 12 dadurch, dass berichtet wird, Lazarus solle getötet werden, weil Jesu ihn auferweckt habe und aufgrunddessen viele an Jesus geglaubt hätten (Joh 12,9–11). Obwohl die irdische Existenz des Menschen weiterhin durch den physischen Tod bedroht ist, hat dieser seine Macht

5 6

Vgl. hierzu im Detail die Analyse der jeweiligen Glaubenssummarien. Vgl. dazu Kap. III.2.3; III.2.4.; III.2.5.

V. Teil: Ergebnis

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verloren. Denn er vermag es nicht, den Glaubenden aus der im Glauben konstituierten Lebensgemeinschaft mit Jesus herauszureißen. Analog hierzu ist das von Paulus entworfene Modell einer Lebensgemeinschaft lebender und verstorbener Glaubender mit ihrem Herrn zu verstehen. Im Glauben an den Auferstandenen wird eine Zugehörigkeit gestiftet, die Leben und Sterben umfasst (1 Thess, 4,14–17; Röm 14,7–9). Grund hierfür ist die Teilhabe am Auferstehungsleben Jesu: wie der Tod die Macht über ihn, der als Auferstandener Gott lebt, verloren hat, so auch über die Glaubenden, die mit ihm leben (Röm 6,1–11).7 Diese den Tod überdauernde Lebensgemeinschaft drückt Paulus in Gal 2,20 damit aus, dass der Auferstandene im Glaubenden lebt. Auffällig ist dabei, dass sowohl Paulus als auch Joh die Lebensterminologie immer dann auch für Jesus verwenden, wenn sie eine Korrelation zum soteriologisch qualifizierten Sein der Glaubenden ziehen. So wird der joh Jesus als die Auferstehung und das Leben bezeichnet, um dann im Folgenden die soteriologische Bedeutung für die Glaubenden zu erläutern. Dabei wird auch für die Glaubenden ausschließlich die Lebensterminologie verwendet, während die Rede von der Auferstehung dem joh Jesus vorbehalten bleibt. Noch stärker tritt dies bei Paulus zutage. Explizit verwiesen sei auf 1 Thess 5,10; Röm 14,9, aber ebenso auf Gal 2,20 sowie Röm 6,8.10, so dass Paulus dann in Bezug auf die Glaubenden schreibt, sie seien „wie aus Toten Lebende“ (6,13), aber eben nicht Auferstandene.8 Wenn Paulus und Joh davon sprechen, dass die Glaubenden gegenwärtig die Gabe des Lebens empfangen haben, dann bedeutet dies, dass ihnen bereits jetzt zuteil geworden ist, was in der Auferstehung von den Toten vollendet werden wird. Leben ist die Voraussetzung für die zukünftige Auferstehung So differenzieren Paulus und Joh terminologisch und inhaltlich zwischen der gegenwärtigen Gabe des Lebens und der zukünftig erwarteten Auferstehung. Das belegen Texte wie 1 Thess 4,14–17; 1 Kor 15 sowie Joh 5 und 6. Die Auferstehung ist eine rein futurisch konnotierte Vorstellung, die sich nach Paulus bei der Parusie Jesu bzw. nach Joh „am letzten Tag“ ereignen soll.9 In der Auferstehung vollendet sich nach dem Zeugnis beider, was den Glaubenden gegenwärtig in der Gabe des Lebens bereits zuteil geworden ist. Dieses Phänomen wird von den meisten Auslegern übersehen. So werden die Auferstehungsaussagen im Joh häufig zugunsten einer präsen7

Vgl. hierzu insbesondere Kap. IV.1; III.2.3; III.4.2. Ein Phänomen, das sich bei der Auslegung der Glaubenssummarien im 1 Thess und Röm zeigt. S. Kap. III.2.3; III.2.4; III.4.2; IV.1.4. 9 Vgl. die Analysen unter III.2.3; IV.3.3.2; IV.3.4; IV.4.3.2; IV.4.4. 8

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V. Teil: Ergebnis

tischen Eschatologie ausgeschieden und die Lebensbelege bei Paulus mit der Auferstehung identifiziert. Zudem wird, wie die Auslegung zu Joh 11 aufgezeigt hat, die Herausrufung des Lazarus als Auferstehung gedeutet. Damit wird man der terminologischen Differenzierung bei Paulus und Joh nicht gerecht. Diese wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass Joh sagen kann, Lazarus sei „aus Toten auferweckt worden“ (Joh 12,1.9.17). Denn es legt sich nahe, die Verwendung des Verbes ἐγείρω hier analog zu dessen Verwendung in den Wundererzählungen bei den Synoptikern zu verstehen und nicht zur Beschreibung einer endzeitlichen Totenauferstehung.10 Zudem ist es plausibel, dass das Joh den Terminus für Lazarus verwendet, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass die Herausrufung aus dem Grab das Auferstehungsleben des Lazarus inauguriert. Ebendiese Vorstellung einer Inauguration des Auferstehungslebens der Glaubenden findet sich auch bei Paulus, wie oben aufgezeigt.11 Denn schließlich vergewissert die Gabe des Lebens die Glaubenden, dass sie gegenwärtig am Auferstehungsleben Jesu partizipieren, so dass die Gabe des Lebens die Kontinuität zwischen diesseitigem und postmortalem Heil verbürgt. Leben qualifiziert die gegenwärtige Existenz der Glaubenden als neue Schöpfung Durch die Gabe des Lebens sind die Glaubenden neue Schöpfung (Gal 6,15; 2 Kor 5,17). Analog zu dieser paulinischen Bezeichnung der Glaubenden spricht Joh davon, dass die Glaubenden von neuem bzw. von oben geboren sind (Joh 3,3.5). Dabei denken Paulus und Joh das neue Sein der Glaubenden in radikaler Diskontinuität zum „alten Menschen“, wie die genannten Paulusstellen sowie die Auslegung zu Joh 3 und die innere Korrelation zu 11,16 aufgezeigt haben.12 Dieses Phänomen wird in der Forschung zwar für Paulus wahrgenommen, für Joh hingegen nicht in Erwägung gezogen. Das mag daran liegen, dass für das Joh die Notwendigkeit einer Partizipation an Jesu Tod als Voraussetzung für den Empfang des Lebens (fast gar) nicht diskutiert wird. Stattdessen wird die Gabe des Lebens zumeist an die Sendung Jesu gebunden. Demgegenüber wird in der vorliegenden Studie vertreten, dass der Glaubende auch nach Joh am Tod Jesu partizipiert und damit gegenüber seiner Todverfallenheit stirbt.

10

Vgl. dazu ausführlich Kap. IV.1, bes. IV.1.2.4.– IV.1.2.4.3. Vgl. bes. unter III.4.2.2. 12 Zur Neuschöpfung bei Paulus vgl. Kap. III.1.3.4; III.3.3.2–III.3.3.4 sowie zu Joh die Analyse zu Joh 3 in Kap. IV.2.2.1; IV.2.3. 11

V. Teil: Ergebnis

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Leben setzt ein Sterben mit Jesus gegenüber der Todverfallenheit voraus Nach Paulus und Joh bildet eine Partizipation am Tod Jesu – und damit verbunden das Sterben gegenüber der eigenen Todverfallenheit – die Voraussetzung für den Empfang des Lebens bzw. des neuen Seins. Neben den bereits oben erwähnten Stellen aus den Paulusbriefen (Gal 2,19; Röm 6,3.4.6) und dem Joh (Joh 3,14–16; 6,51–58; 11,25f.) seien 2 Kor 5,15–17; Gal 6,14f. sowie Joh 11,16 und Joh 3,3–7.14–16 besonders erwähnt.13 Wie Paulus in Röm 6,4 betont, dass der „alte Mensch“ mit Jesus gekreuzigt worden sei und seine Adressaten mit Jesus gestorben seien (6,8), so drückt er das neue Sein der Glaubenden in 2 Kor 5,17 und Gal 6,15 mit der Bezeichnung καινὴ κτίσις aus: Die Glaubenden sind Neuschöpfung, da sich im Tod Jesu ihr eigener Tod ereignet hat. Gestorben sind sie gegenüber der Sünde (Röm 6), einem egozentrierten Leben für sich selbst (2 Kor 5,15), dem Gesetz (Gal 2,19) sowie dem Kosmos und seinen Maßstäben (Gal 6,14). Das Alte ist vergangen und etwas grundlegend Neues hat begonnen (2 Kor 5,15), das in absoluter Diskontinuität zum Vorhergehenden steht. Die Glaubenden sind durch die Teilhabe an Jesu Tod „wie aus Toten Lebende“ (Röm 6,13) und als solche nicht länger „Sklaven der Sünde“ (Röm 6,6), sondern dem mit Adam in die Welt gekommenen Sünde-TodZusammenhang (Röm 5,12–21) entrissen. Indem sie in der „Neuheit des Lebens wandeln“ (Röm 6,4) leben sie für Gott (Röm 6,11) bzw. für den, der „für sie gestorben und auferweckt worden ist“ (2 Kor 5,15). Wie Jesus der Sünde gestorben ist, so sind auch sie für die Sünde tot (Röm 6,11). Das heißt, dass die Glaubenden im Tod Jesu, in dem sich ihr eigener Tod ereignet hat, ihrer Todverfallenheit gegenüber zu Tode gekommen sind. Analog hierzu erklärt der joh Jesus Nikodemus, dass eine Neuschöpfung des Menschen in Form einer Neugeburt von oben die Voraussetzung für den Zugang zum Reich Gottes bzw. den Empfang des ewigen Lebens bilde (Joh 3,3.5.15f.). Dabei hat die Auslegung zu Joh 3 aufzeigen können, dass die joh Rede von der Neugeburt des Menschen den Tod des „alten Menschen“ voraussetzt, denn schließlich entlarvt der joh Jesus die Frage des Nikodemus, wie ein Mensch in den Leib seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden könne, als Missverständnis. Es geht nicht um eine bloße Wiederholung eines kreatürlichen Vorgangs, sondern um eine geistige Neugeburt, die die Glaubenden in die Gotteskindschaft versetzt (Joh 1,12f.) und die damit ein Sterben gegenüber dem spirituellen Totsein umfasst. Allein wenn diese Vorstellung vorausgesetzt ist, erklärt sich die Argumentation mit der notwendigen Erhöhung Jesu (Joh 3,14–16) sowie die damit verbundene Rede vom Gericht bzw. dem Zorn Gottes. Wenngleich das vierte Evangelium hier nicht explizit von einem Tod ge13

Vgl. grundlegend die Kap. III.1.3; III.3.3.2–III.3.3.4; IV.2.

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V. Teil: Ergebnis

genüber der Sünde spricht, so ist dieser dennoch durch die Deutung des Todes Jesu sowie durch die Motive von Zorn und Gericht sachlich vorausgesetzt. Damit ist auch für das Joh ein Sterben gegenüber der Todverfallenheit konstitutiv für das pneumatische neue Sein der Glaubenden. Das zeigt zudem Joh 5,24f., denn die Verse belegen, dass Joh physisch Lebende als tot bezeichnen kann, die im Glauben bzw. Hören auf den Sohn aus ihrer Todverfallenheit hinüber ins Leben gehen. Vor diesem Hintergrund legte es sich nahe, die Aufforderung der Jünger durch Thomas, mit Jesus zu sterben (11,16), aufgrund der Mehrdeutigkeit der Lazarus-Erzählung nicht allein als Bereitschaft zur Kreuzesnachfolge zu deuten; vielmehr sollte Joh 11,16 als Hinweis auf eine notwendige Partizipation am Tod Jesu und dem dadurch ermöglichten Sterben gegenüber der Todverfallenheit verstanden werden. Leben entreißt dem Sünde-Tod-Zusammenhang Aus dem oben Dargelegten ergibt sich als weitere Analogie zwischen Paulus und Joh, dass die Glaubenden durch die Gabe des Lebens dem SündeTod-Zusammenhang entrissen werden. Was für Paulus ausführlich dargelegt wurde, wird für Joh neben Joh 3 und 5 vor allem daran deutlich, dass Jesus als das Lamm Gottes gezeichnet wird, das die Sünde der Welt trägt (1,36). Als ebendieses Passalamm stilisiert das Joh den sterbenden Jesus, dessen Werk erst in seiner Erhöhung vollendet ist.14 Indem die Glaubenden bereits gegenwärtig mit dem Leben beschenkt sind, ist der Tod für sie machtlos geworden. Das soteriologisch qualifizierte Leben hat über den leiblichen Tod hinaus Bestand und hebt die Beziehungslosigkeit des Todes durch die Zugehörigkeit zum Auferstanden auf (vgl. 1 Thess 5,10; Röm 14,7–9; Joh 11,25f.).15 Darüber hinaus ist nach paulinischem und johanneischem Verständnis ebenso der „ewige Tod“ durch Jesu Tod und seine Auferweckung durch Gott entmachtet, wie es die Auslegungen zu Röm 5; 6 und Joh 11,25f. aufgezeigt haben. Leben führt zu einer neuen Erkenntnis Jesu und des Heilshandeln Gottes Das neue Sein der Glaubenden ist durch eine neue Erkenntnis Jesu und des Heilshandelns Gottes bestimmt. So bezeichnet das Joh das ewige Leben als Erkenntnis Gottes als des einzigen Gottes und seines Gesandten Jesus Christus (Joh 17,3).16 Der joh Jesus formuliert diese Definition ewigen Lebens im Kontext des sog. Hohepriesterlichen Gebets, das mit dem Motiv 14 Vgl. zum Sünde-Tod-Zusammenhang bei Paulus die Überlegungen zur AdamChristus-Typologie (III.4.2.1) sowie die Auslegung zu Röm 6 (III.4.2.2–III.4.2.3); für Joh vgl. die Auslegungen in den Kap. IV.2 und IV.3. 15 Vgl. Kap. III.2.3–III.2.5; III.4.4–III.4.5; IV.1.2.3.3–IV.1.2.3.4. 16 Kap. IV.5.

V. Teil: Ergebnis

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der „gekommenen Stunde“ der Verherrlichung von Vater und Sohn verbunden ist. Dadurch gibt es eine nachösterliche Perspektive zu erkennen, die Jesu Tod und Auferstehung voraussetzt. Nach diesen Ereignissen ist den Glaubenden eine neue Erkenntnis des Wegs und Wirkens Jesu sowie dem sich darin äußernden Heilshandelns Gottes möglich. Als paulinische Analogie hierzu kennen die „Lebenden“ Jesus nicht mehr „dem Fleisch nach“ (2 Kor 5,16).17 Das heißt, dass sie Jesu Tod als Manifestation der Liebe erkennen und ihr neues Sein in Analogie zu Gottes schöpferischem Handeln in der Auferweckung Jesu begreifen. Leben ist vermittelt durch Geist und Wort Zudem teilen Paulus und Johannes die gemeinsame Vorstellung, dass die Gabe des Lebens durch das Pneuma vermittelt wird. So hat sich gezeigt, dass das Joh von einer Neugeburt im Geist spricht (Joh 3,5f.8), so dass glaubende Existtenz pneumatisch bestimmt ist. Nach beiden neutestamentlichen Schriften(sammlungen) ist es der Geist, der lebendig macht (2 Kor 3,6; Joh 6,63) bzw. als Geist des Lebens (Röm 8,2) bezeichnet wird. So sind dann auch nach Paulus die Glaubenden ein Brief Christi, der mit dem Geist des lebendigen Gottes geschrieben ist (2 Kor 3,3). Die Gabe des Geistes ist bei Paulus an die Verkündigung des Glaubens gebunden (Gal 3,2) und damit verknüpft mit seinem Selbstverständnis als Apostel: er ist Diener des neuen Bundes, der διαθήκη πνεύµατος (2 Kor 3,6). So entscheidet seine Verkündigung über Leben und Tod. Denn sie ist für die einen ein Geruch ἐκ θανάτου εἰς θάνατον (2 Kor 2,16), für die anderen jedoch ἐκ ζωῆς εἰς ζωήν – je nachdem, ob sie im Kerygma von Jesu Tod und Auferstehung das Scheitern eines Menschen am Kreuz oder aber das Evangelium von der Leben schaffenden Kraft Gottes erkennen. Paulus steht im Dienst der Versöhnung (2 Kor 5,18), indem er Gottes Versöhnungshandeln in Christus verkündigt und den Glaubenden vermittelt, dass ihre Neuschöpfung Folge dieses Handelns Gottes ist. Eine Analogie hierzu findet sich auch im vierten Evangelium. Denn dort hat die Auslegung des Grabwunders (Joh 11,43) sowie der Aussagen in Joh 5,24f. und Joh 6,59–71 aufgezeigt, dass die Gabe des Lebens im Hören auf die Worte Jesu empfangen wird (Vgl. weiter Joh 17,8.20). Analog zum Selbstverständnis des Apostels versteht sich demnach auch das Joh als Sammlung und Zeugnis der Worte und Zeichen Jesu, die zum Ziel hat, Glauben hervorzurufen und damit Leben zu vermitteln (Joh 20,31). Eine entscheidende Rolle kommt dabei dem Parakleten zu. Er ist es, der nachösterlich an die Worte Jesu erinnert und sie verstehen lehrt (Joh 14,26). Somit soll als Analogie zwischen Paulus und Johannes festgehalten werden, 17

Vgl. III.3.3.3.

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dass die soteriologische Gabe des Lebens vermittelt wird durch das Pneuma und die Verkündigung.18 Leben gestaltet sich als Nachfolge der Proexistenz Christi Paulus selber stellt sich als Diener des neuen Bundes bzw. der Versöhnung dar. An Christi statt ruft er seine Adressaten dazu auf, sich mit Gott versöhnen zu lassen (2 Kor 5,18–21). Damit stellt er sein Apostolat als eine Nachahmung der Proexistenz Christi dar. Obwohl Paulus hier primär von sich und seinem Dienst spricht, hat die Auslegung von 2 Kor 5,15 gezeigt, dass die Lebenden in diese Proexistenz einbezogen sind, denn schließlich ist ihr Selbstverständnis als Neuschöpfung davon bestimmt, dass sie ihr Leben am auferstandenen Gekreuzigten ausrichten und ihrem egozentrierten Leben gestorben sind. Dasselbe Phänomen ließ sich an Röm 14,7–9 in Bezug auf seinen unmittelbaren Kontext beobachten. So bildet nach Paulus auch in Gemeindestreitigkeiten das Wissen darum, dass Jesus für die Glaubensgeschwister gestorben ist (14,15), den Maßstab für das Verhalten untereinander. Der Lebenswandel ist dadurch bestimmt, dass die Glaubenden unter der Lebensherrschaft ihres Herrn stehen (Röm 14,7–9).19 Gleiches lässt sich für das Joh feststellen. Denn auch hier sind die Glaubenden durch die Gabe des ewigen Lebens dazu aufgefordert, Jesu Handeln fortzusetzen. Das Joh verwendet hierfür das Motiv der Liebe. So zeigten die Verweise auf die Liebe Jesu zu den Geschwistern aus Bethanien (Joh 1,3.5.36) ebenso wie die Begründung des Todes Jesu mit der Liebe Gottes zum Kosmos (Joh 3,16; vgl. weiter Joh 15,13), dass Jesu Tod nach Joh – wie auch bei Paulus (vgl. 2 Kor 5,14) – in der Liebe begründet ist. Wenn das Joh nun innerhalb seiner Abschiedsreden im intimen Gespräch Jesu mit seinen Jüngern die Aufforderung formuliert: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebt“ (13,34) und sie auffordert, seinem Beispiel der Fußwaschung zu folgen (13,15), dann wird deutlich, dass auch nach Joh die Fortführung der Proexistenz Jesu Kennzeichen des Lebens ist. Somit ist nach Paulus und Joh das neue Sein der Glaubenden aufgrund der Gabe des Lebens Nachfolge in der Proexistenz Christi. Leben vollzieht sich im Lebensraum Christi Entscheidend für das neue Sein der Glaubenden ist ihre Integration in den Lebensraum Christi. So haben die Glaubenden nach Joh Leben „in ihm“ (Joh 3,15), und die Auslegung zu Joh 6,56 konnte aufzeigen, welche Be18 Vgl. zu Paulus III.3.3.4–III.3.4 sowie zu Joh insbesondere IV.4.3.–IV.4.4; IV.5.3.3– IV.5.4. 19 Vgl. III.3.2; III.3.3.3–III.3.3.4; III.4.4.

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deutung hierbei der Vorstellung eines wechselseitigen ineinander Bleibens von Jesus und den Jüngern zukommt. Analog hierzu sind die Glaubenden auch nach Paulus „in Christus“ (2 Kor 5,17; Röm 6,11.23; vgl. weiter 1 Thess 4,16) bzw. gehören zu ihm (Röm 14,7–9). Umgekehrt kann Paulus ebenso sagen, dass der Auferstandene im Glaubenden lebt (Gal 2,20),20 so dass es sich hier um die Vorstellung einer reziproken Immanenz handelt. Dabei übernimmt der Auferstandene die Lebensrolle im Glaubenden. Die Auslegung der entsprechenden Stellen konnte zeigen, dass es sich hierbei um eine im Glauben konstituierte personale Relation zu Jesus handelt. Diese setzt eine Partizipation an Jesu Tod und Auferstehung voraus. Dabei kommt ihr über das individuelle Moment hinaus eine ekklesiologische Dimension zu, die ihren Ausdruck in der Taufe findet. Leben empfängt die Taufe als sichtbares Zeichen Konstitutiv für Paulus und Joh ist die Taufe. Sie ist das sichtbare Zeichen für die Gabe des neuen Lebens. Die Analysen zu Joh 3 und Röm 621 haben gezeigt, dass Paulus und Joh im Kontext der Rede von der „Neuheit des Lebens“ (Röm 6,4) bzw. der Geburt von oben (Joh 3,3.5) die Taufe erwähnen, sie jedoch für ihre Argumentation eine untergeordnete Rolle spielt. Daher soll die Taufe hier als sichtbares Zeichen für die Erfahrung der Neuheit bezeichnet werden. Sie kommt nachträglich als sinnlich erfahrbare Wahrnehmung und Aufnahme in die Gemeinschaft der Glaubenden hinzu. Ihr vorgeordnet ist sowohl nach Paulus als auch nach Joh die im Moment des Zum-Glauben-Kommens erfahrene Teilhabe an Jesu Tod und seiner Auferstehung, die dann in der Taufe ihren Ausdruck findet. Leben ist Integration in die Lebensgemeinschaft von Vater und Sohn Nach dem Zeugnis des Paulus wie des vierten Evangeliums ist Leben die Aufnahme der Glaubenden in die Lebensgemeinschaft von Vater und Sohn (Röm 8,1–16; Joh 17,20–23).22 Paulus legt dies ausführlich in Röm 8 dar, indem er pneumatologisch argumentiert und somit einen Zusammenhang zwischen Gottes kreativem, pneumatisch vorgestellten Handeln an Jesus und dem vom Pneuma bestimmten Sein der Glaubenden herstellt. In ihm verwirklicht sich die Relationalität des Lebensbegriffes, denn als Geistbegabte sind die Glaubenden Kinder Gottes und somit integriert in die Relation zwischen Vater und Sohn. Dabei kommt dem Geist die Funktion zu, die Kontinuität zwischen gegenwärtigem und zukünftigem Heil zu verbür20

Vgl. besonders III.1.3.3; IV.4.3.3. Vgl. III.4.2.2; IV.2.2.1. 22 Vgl. hierzu Kap. III.4.3.1–III.4.3.1.2; IV.5.3.4. 21

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gen. Denn wie Gott die sterblichen Leiber der Glaubenden durch das Pneuma lebendig machen wird, so besitzen die Glaubenden gegenwärtig die Gabe des Lebens aufgrund des Geistes (Röm 8,10). Voraussetzung hierfür ist die reziproke Immanenz von Christus und Glaubenden. Analog hierzu verwirklicht sich auch nach dem vierten Evangelium das Leben in der Aufnahme der Glaubenden in die Gemeinschaft von Vater und Sohn. Und wie bei Paulus, so ist auch nach Joh die Voraussetzung für die Aufnahme in die Lebensgemeinschaft von Vater und Sohn die wechselseitige In-Existenz von Christus und Glaubenden. Wenngleich das Joh in Joh 17,20–23 nicht vom Pneuma spricht, bewirkt der Geist auch nach dem Joh die Integration in die Lebensgemeinschaft von Vater und Sohn. Das zeigt sich an der Stellung des hohepriesterlichen Gebets Jesu innerhalb der Abschiedreden. Denn diese thematisieren die nachösterliche Situation der Adressaten, die durch den Parakleten bestimmt ist. Zudem wird dies deutlich an der inneren Korrelation zwischen Joh 1,12f. und der Rede von der pneumatischen Geburt der Glaubenden. Denn in Letzterer ereignet sich die Gotteskindschaft der Glaubenden. Damit liegt mit der Vorstellung einer pneumatisch verwirklichten Gotteskindschaft eine weitere Analogie zu Paulus vor. Demnach verwirklicht sich auch nach Joh die Relationalität des Lebensbegriffs pneumatisch, indem die Glaubenden als aus dem Geist Geborene Kinder Gottes sind und damit in die Lebensgemeinschaft von Vater und Sohn integriert sind. Leben verdankt sich dem lebendigen Gott All diese verschiedenen Aspekte der paulinischen und johanneischen Konzeption von Glauben und Leben verdanken sich letztlich einem Grundbekenntnis: dem Bekenntnis zum lebendigen und Leben schaffenden Gott. Dieses teilen Paulus und Joh mit der alttestamentlichen und frühjüdischen Tradition. Sein spezifisches Profil gewinnt es durch die christologische Begründung, die es bei beiden durch den Glauben an Jesu Tod und Auferstehung erhält.23 Damit entwerfen sie eine Theologie des Lebens, die christologisch verwirklicht wird. Denn analog zu Gottes Selbstoffenbarung im joh Jesus als der Auferstehung und dem Leben wie im auferweckenden Handeln Gottes am Gekreuzigten bei Paulus ereignet sich die schöpferische Kraft Gottes an den Glaubenden: Er schafft ihnen aus dem Tod Jesu neues, ewiges Leben. In dieser theologischen Konzeption, so hat die vorliegende Studie aufgezeigt, liegt die beeindruckendste Analogie zwischen Paulus und Johannes. Sie liegt im Inhalt ihrer Glaubenssummarien, deren spezifisches Profil darin besteht, dass hier das Leben als gegenwärtige soteriologische Gabe 23

Vgl. dazu grundlegend Kap. III.1; IV.3.

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des Glaubens begründet und entfaltet wird. Dies geschieht in Abgrenzung zu einer zukünftig erwarteten Auferstehung und unter Betonung einerseits der Diskontinuität, die zwischen dem Leben vor und nach dem ZumGlauben-Kommen besteht, und andererseits der Kontinuität, die daraufhin zwischen diesseitigem und postmortalem Heil besteht. Damit sind Paulus und Joh beide Vertreter einer Theologie des Lebens, die sie auf dem Hintergrund ihrer Glaubenssummarien entwerfen.

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Stellenregister Kursivierungen verweisen auf Belege in den Anmerkungen.

1. Bibel 1.1 Altes Testament Genesis 1 1,27LXX 2–3 2,7–17 2,8–17LXX 3,22–24 12,1–3 12,3 12,3LXX 15,5 15,6 15,6LXX 17 17,5 17,5LXX 18,18 22 22,17 26,5 Exodus 3,12 3,14 14,31 16 17 19,9 19,16 34 Levitikus 18,5 18,5LXX

70, 308 89 151 151 147 151 79 78 78 71 67, 90 67, 68, 75, 78 68 71 71 69, 78 67 69 69

248 217 67 288, 303 303 100 100 140 81 79f.

Numeri 14,23 14,28–30 21,8–9 21,8

300 300 260 260

Deuteronomium 1,35 300 8,3 295, 308 21,14LXX 171 21,23 83 21,23LXX 82, 83 27,26 80 27,26LXX 80, 83 28–30 81 32,39–40 91 32,39 274 32,40 91 1. Samuel 2,6

274

1. Könige 2,6 17,17–24

71 195

2. Könige 4,18–37 5,7

195 274

Nehemia 9,15 9,29

296 80

368

Stellenregister

Psalmen 31LXX 31,1–2LXX 32 33,6 33,9 35,24 36,9LXX 36,34LXX 50,12LXX 51,12 71,2 71,15 77,24bLXX 81,6–8LXX 83,8LXX 98,2 115,1LXX

68 68 68 308 308 63 95 95 123 123 63 63 296 274 64 63 119

Proverbien 8,22ff 8,35–36

218 218

Kohelet 11,5

256

Jesaja 2,12 13,6 13,9 24,21–22 26,19 33,7ff 35,2 40,7 40,31 43,5 43,10–11 43,10 43,18–19 44,3 45,8 45,18 45,21 46,13 48,21 49,10 49,18 51,5 51,6 51,8 52,13ff

101 101 101 274 206 274 212 258 95 236 218 215 121, 125 258 63 215 63 63 297 297 91 63 63 63 18

52,13 53 53,1 55,1 56,1 59,17LXX 59,21 62,1–2 63,1 63,7 65,17 66,18 66,22

261 57 8 297 63 103 258 63 63 63 120 212 120f.

Jeremia 1,19 9,2LXX 22,24 23,2–3 31,31–34 32,37–41 38,31–34LXX 38,31LXX

248 64 91 236 123 123 123 141

Ezechiel 5,11 7,10 11,19–20 13,5 14,16 14,18 14,20 16,48 17,16 17,19 18,20 18,33 30,3 34,12 36–37LXX 36,25–26 36,26–27 36,26 36,26a 37 37,4–5 37,21

91 101 258 101 91 91 91 91 91 91 80 80 101 236 141 251 258 123 123 274 308 236

Daniel 7 7,13 7,14

276 100, 276 276, 317

369

Stellenregister 7,18 7,22 12,2 12,7LXX

155 276 206, 269 91

Hosea 6,2

274

Joel 1,15 2,1–2 2,11 3,4 4,14

101 101 101 101 101, 274

Amos 5,18 5,20

Obadja 1,15

101 101

101

Micha 7,7 Habakuk 2,3–4 2,4

95

2,4LXX 2,4b

56 1f., 34f., 39, 49,51–60, 62f., 64f., 66, 67, 70, 72f., 76–84, 90–92, 135f., 143, 154, 178f., 331 57, 58, 79f. 51

Zefanja 1,7 1,14

101 101

Sacharja 9,14 12,10

100 260

Maleachi 3,19

101

1.2 Deuterokanonische Schriften Baruch 5,2 5,4 5,9

63 63 63

Judith 8,26

63

1. Makkabäerbuch 2,52 63, 67 2. Makkabäerbuch 7,9 206 7,14 206 12,43f. 206 4. Makkabäerbuch 14,20 63 15,28 63 15,24 97 16,22 97 Psalmen Salomos 8,28 236 14,2–3 80 17,21–25 274

Sapientia Salomonis 5,18–22 103 9,9–10 262 9,17 262 10,5 63 15,11 309 15,16–17 275 16,20 295 16,26 295 Sirach 11,14 16,21 24,4 24,12–14 24,18 24,19–21 25,24 42,15 44,19–22 44,19a 44,20

91 256 262 262 218 297 152 308 63 71 67

Tobit 13,1–2LXX

91

370

Stellenregister

1.3 Neues Testament Matthäus ganze Schrift 5,20 7,14 8,15 9,18–26 9,25 10,4 14,13–31 14,22–33 16,13–20 16,16 16,17 17,22 18,3 18,8–9 19,16 19,28 20,18–19 24,31 24,43–51 25,46 26,2 26,6–13 26,16 26,45 26,64 27,2 27,3–4 28,6 28,18

34 257 250 231 196 231 181 287 287 309 310 308 181 249, 252 250 225, 250 120 181 100, 228 101 225, 250 181 196 181 181 276 181 181 42 317

Markus ganze Schrift 2,12 5,21–43 6,32–44 6,45–52 8,26 8,27–30 8,31 9,43 9,45 9,47 10,15 10,17 10,30 10,33 11,1

34 231 196 287 287 310 309 261 250 250 250, 257 249, 252 225, 250 225 181 196

13,8 13,26 14,1 14,3–9 14,41 14,62 16,6 16,9 16,14

101 100 234 196f. 181 100, 276 42 42 42

Lukas ganze Schrift 7,11–17 7,18–20 7,36–50 8,40–56 8,40–42 8,49–56 9,10–17 9,18–21 9,27 10,25 10,38–42 12,39–40 16,8 16,19–31 18,17 18,18 18,29–30 18,30 23,42 24,6 24,7 24,20

34 195, 196 196 196f. 196 195 195 287 309 257 225, 250 196, 198 101 102 196 249, 252 225, 247, 250 250 225 257 42 181 181

Johannes 1 1,1–5 1,1 1,3 1,4 1,5 1,11 1,12–13 1,12 1,13 1,14 1,18

70, 259 282 277, 308 338 201, 264, 267, 272, 276, 312 338 8 335, 340 255 255, 257 271, 296 218, 259, 277, 283

Stellenregister 1,26 1,29 1,33 1,36 1,49 1,51 2,4 2,16 2,18–20 2,19–20 2,19 2,22 2,22a 2,23–3,36 2,23–25 2,23 3

3,1–21 3,1–12 3,2–3 3,2 3,3–21 3,3–7 3,3

3,3b 3,3c 3,4–8 3,4 3,5–6 3,5 3,5b–8 3,6–8 3,6 3,6a 3,6c 3,7 3,8 3,8c–e 3,9 3,10–21 3,11–21 3,11–14 3,11–12

258 24, 204, 241, 320 258, 310 265, 266, 338 250, 265 259 316 296 248 238 35 42, 49, 238 35 247 246f. 257, 260 2, 27, 49, 198, 225, 233, 241, 243, 245, 251, 253, 257, 259, 264, 266, 268, 286, 296, 312, 320, 335f., 339 246f. 246 247 247, 250, 257 258 335 211, 244f., 247, 248, 249–251, 253, 254, 256f., 260, 267, 279, 334f., 339 253, 258 252 247 247, 253, 254 257, 309, 337 244f., 247, 248, 249, 251f., 253, 254, 257, 267, 279, 334f., 339 258 252, 254 244, 251f. 255 255 211, 244, 251f. 244, 251f., 309, 337 255 247 247 260 255 258

3,11 3,11a 3,11b–12 3,12 3,12a 3,12b 3,13–21 3,13–17 3,13–16 3,13–15 3,13–14 3,13 3,13b 3,14–16 3,14–15 3,14 3,15–16 3,15 3,15a 3,16

3,16b 3,16c 3,16d 3,17–21 3,17–20 3,17 3,18 3,18c 3,19–20 3,19c 3,20–21 3,20ab 3,20b 3,21 3,22–26 3,22–24 3,29 3,31–36 3,31 3,34 3,36 4 4,1 4,13–14

371 258, 259 246 246 246, 258 258 258 246 261 259 258f., 262 244, 250, 253 263, 267, 296 259 244, 261, 267, 279, 331, 335 262f. 241, 246, 260, 262 222, 224, 231, 244f., 247, 250f., 254, 256, 292, 302, 329, 335 246, 248f., 257, 267, 275, 338 261, 263f. 8, 198, 235, 246, 249f., 258, 260, 262, 263, 264, 265, 267, 296, 302, 307f., 312, 316f., 320, 326, 338 262 263 263 251, 265 251 260, 262f., 317 265, 268, 278 265 263 265 281 265 265 246, 293 252 247 230 246 211, 253 308 222, 251, 265 297 247 291

372 4,32 4,34 4,50–54 4,50–53 4,50 4,54 5

5,1–19 5,1–18 5,1–17 5,1–15 5,1–9a 5,1 5,2–9ab 5,8 5,9b–16 5,16–30 5,17–47 5,17–18 5,17 5,18 5,19–30 5,19–22 5,19–20 5,19 5,20 5,21–29 5,21–27 5,21–22 5,21 5,22 5,23–24 5,23 5,24–30 5,24–29 5,24–25 5,24

5,24d 5,25–26 5,25 5,25bc 5,25de

Stellenregister 297 297 202 219 202 202 2, 49, 70, 202, 210, 218, 223, 228, 233, 241, 243, 268–270, 272, 283f., 286, 301, 320, 333, 336 270 283 202 270 271 270 270 224, 274 271 271 271 270 277, 296 271 268, 270, 282, 283, 285 277 271, 273f. 272 268, 273f., 283 274 269 274, 276 210, 264, 268f., 271f., 274, 275, 283, 284, 305 269, 274, 276 309 269, 274 299, 305 219 229, 233, 275, 276f., 279, 281, 283f., 313, 323, 336f. 8, 213, 222, 223, 224, 230, 231, 232, 269f., 273, 276f., 278, 279, 283–285 278, 281 274 234, 269, 276, 278–280, 284, 299, 316, 332 278, 279 280

5,25d 5,25e 5,26–27 5,26 5,27 5,28–29 5,28 5,28b 5,28c 5,29 5,29a 5,29b 5,30 5,31–47 5,37 5,38–39 5,38 5,40 5,43 5,44 6

6,1–15 6,1 6,4 6,5–11 6,12–13 6,14 6,15 6,16–25 6,16–21 6,20 6,22–25 6,25–59 6,26–59 6,26–29 6,26–27 6,26 6,27 6,27c 6,28–29 6,28 6,29

280f. 279 276, 280 210, 217, 227, 239, 264, 269, 271f., 274, 275, 283, 301, 303, 305, 320 269, 271, 276, 317 229, 269, 273, 276, 280–283 269, 273, 278f., 280, 316 280 280f. 228, 230, 234, 260, 271, 272, 281, 282, 284 280 281 269, 272, 274, 282 270f., 283 210 272 213, 283 222 296 272 2, 49, 210, 223, 229, 240, 243, 257, 270, 280, 285–287, 288f., 290, 296f., 301f., 303, 311– 313, 320, 333 287 270 265, 292f. 288 288 288 265 287 288 287 291 287 286f. 286, 288, 290f. 291 291 285, 288, 290f., 295, 312 291f., 311 8, 265, 293 293 213, 288, 307

Stellenregister 6,30–59 6,30 6,31–37 6,31–32 6,31 6,32–33 6,32 6,33 6,33b 6,33c 6,34 6,35 6,35b 6,35c 6,36d 6,37–39 6,37 6,37a 6,37b 6,38–39 6,38 6,39–40 6,39 6,40 6,40b 6,40c 6,41–42 6,41 6,43 6,44 6,44a 6,44b 6,45 6,46 6,47–58 6,47–51 6,47 6,47b 6,48–51 6,48 6,48a 6,49 6,50–51

289, 292 287, 295 288 291, 295 300 292, 297 288, 292, 295f., 312 253, 285, 288, 295–297, 300, 302, 306, 317 295 295f. 312 215, 217, 285, 286, 288, 290, 293, 294–296, 298–300, 301, 303 288 297f. 297f. 298 293, 317 298 298 298 215, 253, 288, 292, 296, 300 222, 227–229, 272, 286, 317, 320 286, 298f., 307 222, 257, 285f., 290, 297, 298, 299, 301, 303, 329 299f. 299 288, 292, 296, 306 288, 307 307 222, 272, 286, 298 298 298 307 301, 306 290 300 222, 285f., 288, 301, 303, 329 300 288 217, 220, 285 300 295, 300 253, 286, 288, 292, 303, 306

6,50b 6,51–58 6,51–52 6,51 6,51c–59 6,51c–58 6,51a 6,51c 6,51d–56 6,51d 6,52 6,53 6,53d 6,54 6,54a 6,54b 6,55 6,56–57 6,56 6,56a 6,57 6,57b 6,58 6,58c 6,59 6,50–71 6,60–71 6,60 6,61a 6,62–63 6,62 6,63 6,64c 6,66 6,67 6,68–69 6,68 6,69 6,70–71 7,30 7,38–39 7,50–72

373 301 286, 289, 301f., 305f., 331, 335 312 203, 215, 217, 239, 285, 296, 301, 302, 317 305, 308 289 300 301 312 292, 301f. 301, 303 275, 285f., 303, 304 301 222, 227–229, 285f., 304 301, 303 303 303 311 264, 286, 298, 338 304 239, 276, 285, 286, 301, 305, 312 308 253, 285f., 292, 296, 306, 312 304 289 337 287, 290, 292, 295, 306, 313 306, 307 307 309 253, 290, 292, 296, 306, 308, 312 254, 255, 285, 290, 306f., 308, 309, 313, 322, 337 307 290 290 307, 309, 323 285, 290, 307, 313 307, 310f., 323 290 316 309 245f.

374 8,12 8,20 8,23 8,28 8,31 8,32 8,34 8,35–44 8,51 9 9,4 9,5 9,22 9,37 10 10,7 10,10 10,11–19 10,11 10,15 10,16 10,18 10,19 10,30 10,31 10,33 10,37–38 10,38 10,40–42 10,40 11–12 11

11,1–5 11,1–4 11,1 11,2 11,3 11,4–6 11,4 11,5 11,6–16 11,6–7 11,6 11,7–8 11,7 11,8–9

Stellenregister 201, 215, 217, 220, 264, 317 316 253 241 240 211 8 8 256 202, 210 201 201 28 260 193, 199, 200, 217 215 198 198 215, 302 302 198, 235 266, 320 198 200, 304 200 205 277 304 194 193 196 48, 70, 193, 194, 198, 202, 205, 231, 233, 240, 241, 243f., 266, 268, 270, 276, 286f., 324, 327, 330, 334 195f. 200 193, 196, 205 194, 196f. 196–198, 200, 210, 211, 218 198 196–198, 212, 272 197f., 210, 211 195, 199 200 312 198 200,203 238

11,8 11,9–10 11,9 11,9a 11,9b–10 11,10 11,11 11,11b 11,12 11,13 11,14–15 11,14 11,15–16 11,15 11,16 11,17–27 11,17 11,18 11,19 11,20 11,21 11,22 11,23 11,24–27 11,24 11,25–26

11,25

11,25ab 11,25bc 11,25b 11,25c 11,26 11,26ab 11,26a 11,26b 11,26c 11,27 11,28–37 11,28

199f., 201, 203 201 201 200, 202 200 201 202, 204 201 199, 202 202 202 202 203 200, 202–204, 233 199f., 201, 203f., 205, 233, 238, 245, 251, 268, 287, 334, 336 195 200, 205 205 205 206 206, 209 206, 218 206, 221, 228 48 206, 222 2, 35, 39, 48f., 190– 193, 203, 208, 214–217, 222f., 224, 225f., 228f., 236, 238–244, 252, 279, 283, 284f., 300, 311, 326f., 329–332, 336 198, 200, 203, 217, 219, 223, 227, 236, 239–241, 243, 267, 269, 284, 287, 312, 327, 335 224 220 192, 216 216, 220–222, 224, 227 207, 220, 221, 223, 225, 230, 237, 241, 256, 264, 268, 283 220 192, 216, 220, 222, 227, 232, 239, 268 216, 221, 224, 232 225 196, 207, 226, 242, 310 195 208

Stellenregister 11,29 11,31 11,32 11,33 11,34 11,35 11,36 11,37 11,38–46 11,38 11,39 11,40–44 11,40 11,41–42 11,41 11,42 11,43–44 11,43 11,44 11,45–57 11,45–46 11,45 11,46–54 11,46 11,47–57 11,47–54 11,47–53 11,47 11,49–50 11,50–52 11,50 11,51–52 11,51 11,52 11,53 11,54 11,55 11,57 12 12,1–19 12,1–11 12,1–2 12,1 12,2 12,3–8 12,3 12,9–11 12,9 12,10 12,11

200, 206, 209 209 209 210 211 210, 211 210, 211 210, 211 195 210f., 211, 214 211f. 198 198, 211, 320, 327 212f., 311 213, 316 213, 227, 270, 283, 307, 320, 327 313 194, 212, 323, 331, 337 194, 214, 234, 268 236, 238 194 193, 194, 205, 234 194 227, 234 234 194, 195 330 206 235 302 201, 245 235 44 198, 235 194, 201, 203, 236 194 236 201 194f., 229, 332 194 194 194 35, 222, 228, 238, 284, 334 284 194 197 332 35, 222, 228, 238, 334 203, 222, 229, 232, 240 194

12,13 12,15 12,17 12,22 12,23 12,24–25 12,24 12,27–28 12,32–34 12,32–33 12,32 12,34 12,36 12,41 12,44 12,46 12,47–48 12,47 13,1 13,30 13,31–17 13,31–16 13,31–32 13,31 13,32 14–17 14,1–16,33 14,1–31 14,1 14,6 14,10–11 14,16 14,18 14,19 14,21 14,23–24 14,23 14,24 14,25–26 14,26 14,28 15,1–7 15,4–10 15,5 15,9 15,13–15 15,13 15,14 15,19 15,26 16,7 16,9

375 250, 265 250, 265 35, 228, 238, 294, 334 222 316 204 264 316 241 203 198, 264, 298, 316, 317 261 102 319 213 317 265 317 199, 316 314 195 314 316 197, 314 314 26 316 30f. 87 216f., 219f., 239, 264 304 308 308 239, 275 326 322 326 322 308 309f., 337 202 282 264, 304f. 216 211 199 87, 113, 302, 320, 338 322 263 308 308 266

376 16,21 16,22 16,27 16,30 16,32 17 17,1–5 17,1–3 17,1–2 17,1 17,1b 17,1c–3 17,1c 17,1d 17,1e 17,2–3 17,2 17,2a 17,2b 17,2c 17,3 17,3b 17,4–5 17,4a 17,4b 17,5 17,5a 17,6–19 17,6–11 17,6–8 17,6 17,6a–c 17,6d 17,7–8 17,7 17,7a 17,8 17,8a 17,8b–e 17,8c–e 17,8e 17,9–19 17,9 17,10 17,11

Stellenregister 203 202 213, 326 213 316 2, 49, 225, 240, 244, 272, 275, 298, 311, 313f., 323, 326f. 315 315, 316 325 197, 318, 321 316 314f., 318, 319, 326f. 316 314 314 314, 318, 321,323 249, 314, 316, 317, 319, 323f. 317 321 317, 321 97, 213, 244, 307, 314f., 318, 321, 325, 327, 336 317 314f., 319, 321 319, 322 319 272 322 315 323 314, 315, 318, 321f., 325 263 322 322 315, 323 322 322 213, 307f., 314, 318, 321–323, 324, 337 322 323 323 315 315 324 324 310f., 316, 324

17,19 17,20–26 17,20–23 17,20–22 17,20 17,20b 17,21–23 17,21 17,21a 17,21b 17,21c 17,22a–b 17,22c 17,23 17,23a 17,24–25 17,24 17,25–26 17,25 18,1–11 18,6 18,14 18,29–30 18,33 18,37 18,39 19,3 19,11 19,12 19,14–15 19,15 19,19 19,21 19,23 19,30 19,31 19,37 19,39–42 19,40 20 20,1 20,7 20,9 20,22 20,23 20,24–29 20,25 20,28 20,29 20,30–31 20,31

264, 323 315 315, 324, 339f. 318 314f., 324f., 337 325 277 213, 314, 316, 324 325 325 325 325 325 307, 314, 325, 326 325 316 239, 315, 317 315 314 314 201 245, 302 250 250, 265 250, 265 250, 265 250, 265 253, 319 250 265 250 250, 265 250, 265 253 24 241 260 245f. 214 211, 214 212, 214 212 49 310 268 242 260 204 203 309 207, 242, 249, 275, 277, 309, 329, 337

Stellenregister 21 21,14 21,15–23 21,18–19 21,21–23 21,23

36 42, 49, 238 22 230 230 221

Apostelgeschichte ganze Schrift 42, 44 2,24 40, 42, 44, 93 2,32 40, 93 3,14 57 3,15 42 3,19 97 3,20–21 120f. 4,10 42 5,30 42 7,52 57 9 27 9,2 28 9,14 27 9,17–18 27 9,20 27f. 9,36–42 195 10,38 42 10,40 42 13,23 42 13,30 42 13,33 42 13,37 42 13,34 40, 42, 44, 93 19,8 20 20,17–36 21 22,14 57 Römerbrief ganze Schrift 1–5 1,2–3 1,2 1,3 1,4 1,5–6 1,5 1,15 1,16 1,16–17 1,17–18 1,17

1, 34, 47, 52, 58f., 62, 63, 77, 82, 90, 135, 156, 183, 185, 333 178 63 64 64, 175 141 63 61, 63 180 64f., 73, 178 62f., 65f., 180 153 34, 47, 49, 51, 52, 55, 56, 57, 59, 60, 63, 64f.,

1,17a 1,17b 1,17c 1,18–5,11 1,18–3,20 2,6–10 2,9 2,10 2,13 3 3,1 3,20 3,21–31 3,21–26 3,21–22 3,21 3,22 3,23–24 3,23 3,24 3,25 3,26 3,28–31 3,28 3,29 3,30 3,31 4 4,2 4,3–4 4,3 4,4–5 4,5 4,6–8 4,6 4,7–8 4,9 4,10 4,11–12 4,11 4,12 4,13–15 4,13 4,14–15 4,16–25 4,16–22 4,16 4,16a–b 4,16c

377 72, 91, 135, 143, 154, 174, 293, 331 56f. 51 70 147 151 269 65 65 59 147 65 59 75 56, 178 67 64, 147 55, 64 147 68, 152 59 56 55, 56, 59, 64 152 59 65, 153 56, 59, 65 56 52, 57, 64, 65f., 67, 72– 75, 76, 78, 82 59 70 67, 72, 92 67 59, 67, 72, 73, 180 64 67, 72 68 67, 68, 72 68, 72 68 63, 68, 73 68 67 69f. 69 66 66, 69f. 56, 62, 71, 73, 180 70 75

378 4,17–18 4,17 4,17d 4,18 4,19 4,21 4,22 4,23–25 4,23–24 4,23a 4,24–25 4,24 4,24c 4,25 4,25b 5–8 5 5,1–11 5,1 5,2 5,3 5,5 5,6 5,8 5,9 5,10 5,11 5,12–21 5,12 5,13–14 5,13 5,14–15 5,14 5,15–19 5,15–17 5,15 5,15a 5,15b 5,16 5,16a 5,16b 5,17–18 5,17 5,17a 5,17b 5,18–19 5,18 5,19

Stellenregister 71 70, 73, 73, 76, 91, 92 71 73 72, 76, 176, 185 72 72 66, 71, 73 74, 178 74 75, 180 41, 76, 92 75f. 42, 75, 154, 180 76 146, 184, 198 73, 113, 133, 151, 153, 156, 198, 336 147, 164 56, 59, 151, 164, 174 164 155 164, 175 44 44, 113, 164, 198, 302 59, 164 60, 133, 155, 164, 174 113 113, 125, 146–150, 152, 153f., 157f., 165, 169f., 187, 335 149, 150, 174, 192, 241 149f., 170, 172 155 192 150, 151, 155 153 149 151, 153, 154 150f. 151 151f., 153f. 150 150, 151 153, 154 146, 151, 153, 154, 155, 156, 169, 192 150 150, 151 153 146f., 150, 153, 154 59, 146, 150, 153f.

5,20–21 5,20 5,21 6–8 6

6,1–11 6,1 6,2–4 6,2 6,3–8 6,3 335 6,3a 6,4–8 6,4

6,4a 6,4b 6,5–7 6,5 6,5a 6,6b 6,6–7 6,6 6,6a 6,6b 6,6c 6,7–8 6,7 6,7a 6,8–10 6,8 6,8a 6,8b 6,8c 6,9–11 6,9–10 6,9 6,9a 6,10–11

157, 172 150, 153, 170 113, 146, 150–152, 155, 169, 192, 241 74, 156, 166 47, 77, 144f., 154, 155– 158, 160, 164, 166–170, 171f., 173, 176, 178, 180f., 184, 187f., 233, 335f., 339 145, 158f., 166, 170, 333 146, 157f. 158 157, 158, 171, 241 34, 39, 46, 48, 64, 145, 169, 179f., 191 145f., 160f., 203, 331, 160 192 42, 77, 144, 157f., 160f., 164, 167, 174f., 179, 192, 331f., 335, 339 160, 166 162 158, 161 144, 160–162, 165 163 162 159, 161 144, 160, 181, 331, 335 159, 163 163 163 160 163 163 158, 164 47, 60, 144f., 146, 162, 165, 169, 180, 192, 240, 331–333 145 158, 164 158, 165 241 155, 159, 165, 188 42, 157f., 165, 170 159 165

Stellenregister 6,10 6,10a 6,10b 6,10c–d 6,11

6,12–23 6,12–14 6,12–13 6,12 6,13–23 6,13 6,14 6,15 6,16–17 6,16 6,17–18 6,17 6,17a 6,17b 6,18–19 6,18 6,19 6,20–21 6,20 6,22–23 6,22 6,23 6,23a 6,23b 7–8 7 7,1 7,2–3 7,2 7,3 7,4–5 7,4 7,5 7,6 7,7–24 7,8–25a 7,10 7,12 7,13

60, 145f., 157, 162, 165, 170, 179, 192, 333 165 165 158 146, 158, 162, 163, 165, 169, 171, 173, 180, 184, 188, 192, 239, 240, 335, 339 158, 167, 179 157 164 155 161, 166 77, 144, 157, 166, 173, 179, 192, 239, 241, 333, 335 146, 155, 158, 164, 170 158, 169 180 8, 180, 241 181 156, 179f. 179 179, 181 173 156, 167, 171, 180, 181 156 241 156 167, 168 94, 156, 167, 171, 173, 179f. 146, 167, 168f., 241, 339 167 168 169 170, 172, 173 170, 172 170 170, 173 170, 172 174 170f., 172, 173 172 97, 170, 172, 173, 174 172 175 172 172 17

7,14–25a 7,14 7,16 7,23 7,25 8 8,1–16 8,1 8,2 8,3 8,4 8,6 8,7 8,8 8,9–11 8,9 8,10–11 8,10 8,11 8,12–13 8,13 8,14 8,15–16 8,17 8,18–30 8,18 8,26 8,30 8,32 8,34 8,35 8,37 8,39 9–11 9,26 9,32 10,4–10 10,5–8 10,6 10,8 10,9 10,11 10,12 10,13 10,16 12 12,2 12,11 13,8–10

379 172 172 172 172 97 113, 120, 164, 174, 178, 184, 339 339 174 176f., 337 17, 174, 175, 178, 262 154, 174 173, 174, 192 174 174 174 176f. 192 164, 174, 176, 178, 192, 340 41, 91, 141, 146, 174, 176f. 177 177, 178, 192 175, 192 175 175 175 164 175 59, 164, 175 113, 198, 262, 302 164 113 198 113, 164, 198 65 91 56 64 65 56 61 41 65 65 65 61, 63 127 186 97 175

380 14 14,1–6 14,1 14,2 14,4 14,5 14,5 14,7–9

14,7–8 14,7a 14,8 14,8a–b 14,8d 14,8g 14,9 14,9a–b 14,9b 14,10–13 14,10–12 14,10 14,11 14,15 14,17 14,21 14,22 14,23 15,8–12 16 16,26

Stellenregister 184, 188 184, 186 184f. 186 185, 186 185f. 186 34, 39, 47, 48, 106, 128, 146, 181–184, 186f., 188, 189–191, 225, 238, 240, 333, 336, 338f. 184, 189, 192 183 332 183 188 188 46f., 60, 183, 184, 188, 189, 192, 239, 333 181–183 181 187 186 96 91 44, 130, 187, 302 187 185 186 56, 186 63 63 63

1. Korintherbrief 1,18 139 4,8 154, 155 5,7 142 6,11 59 6,14 41 7,9 90 7,19 88 7,39 171 8–10 185 8,11–13 112 11,23–25 171 11,23b–25 25 12 127 13,4–7 95 13,13 95 15 40, 42, 176, 333 15,2 40

15,3–5 15,3b–5 15,3–4 15,3 15,4 15,11 15,12–28 15,12 15,13 15,14–15 15,14 15,15 15,16 15,17 15,20–23 15,20 15,21–22 15,25 15,42–49 15,45–49 15,45 15,47 15,52

39–41, 43, 45, 144 25, 40 87, 145, 158 40, 44, 104, 108, 188, 302 42f., 158 40 87 42 42 40 40, 42 41 42 40, 42 155 42 113 155 151 113 113, 142, 176, 177, 309 9 100

2. Korintherbrief ganze Schrift 127, 135, 139, 143 1–9 110 1,8–11 29 1,9 141 1,22 141 2,14–17 138f. 2,14 138 2,14c 139 2,15–16 139 2,15 139 2,15a 139 2,16 64, 110, 138f., 337 2,16a–b 139 3 117, 139–141, 172 3,1 140 3,3 91, 110, 139f., 337 3,6 140, 309, 337 3,8–9 137 3,8 140 3,16 97 3,17 141, 142, 177, 257 3,21 121 4,7 117 4,8–12 117 4,10–12 110, 117, 118, 128 4,10–11 60, 127, 192

Stellenregister 4,10 4,10a 4,10b 4,11a 4,11b 4,12 4,12b 4,13 4,14 4,16 5 5,10 5,11–6,10 5,11–6,2 5,11–21 5,11–13 5,12 5,13 5,14–6,2 5,14–21 5,14–17 5,14–15 5,14 5,14a 5,14b 5,14c 5,14d 5,15–17 5,15–16 5,15

5,15a 5,15b 5,15c 5,16 5,16a 5,16b 5,17

5,17b 5,18–21 5,18–20 5,18–19

155 117 118 117 118 117, 118 118 60, 119 41, 269 127 109, 113f., 140 96, 269 110 108 108–111, 113, 135–137, 139 111 130 116 110, 114, 120 143 127, 182 111, 112, 113–116, 119, 125, 126, 130, 133, 136f., 142f., 302 88, 111, 113, 114, 131, 192, 203, 338 111f. 109, 111 111 114 90, 191, 335 129 34, 39, 42, 45f., 47, 48, 115, 118, 125, 127, 129, 187f., 192, 239, 240, 335, 338 111, 114, 119 112, 115f. 114f. 125, 129, 337 129 129, 130 77, 90, 108, 109, 112, 115f., 119, 120, 125f., 127, 129f. , 134, 142, 192, 240, 257, 332, 334f., 339 121 116, 125, 132, 338 131 132, 136f.

5,18 5,18a–b 5,18a 5,18b 5,18c 5,19 5,19a–b 5,19a 5,19b 5,19c 5,20 5,21 5,21b 8,9 10–13 11,10–14 11,13 13,4 13,11–12 15,15 Galaterbrief ganze Schrift 1,1 1,8–9 1,17 1,23 2,11–14 2,14c–21 2,16 2,16a 2,16b–c 2,16b 2,16c 2,16e 2,16f 2,17–18 2,17 2,19–21 2,19–20 2,19 2,19a 2,19c 2,20–21 2,20 2,20a–b

381 109, 131f., 133, 137, 337 136 132f. 132f., 136 136 116, 133, 137 132 132f. 132 136 133, 136 133–135 135 18 110 121 122 117 119 141 1, 34, 42, 56, 58, 62, 77f., 85, 89, 91, 135, 185 41, 82, 90 89 27 61, 136 77 85 8, 56, 58f., 61, 78, 84f., 89, 92, 293 55, 85, 86 85 85 55 55, 85 85 88 59 81, 84, 86, 88f. 90 89, 91, 170, 188, 331, 335 86, 90 86 46,88 55, 56, 60, 61, 87, 90, 333, 339 87

382 2,20d 2,21 2,21b 3 3,1–4,7 3,1 3,2–5 3,2–3 3,2 3,4 3,5 3,6 3,7 3,7b 3,8 3,8a 3,8c 3,9 3,10–14 3,10–12 3,10a 3,10b 3,11 3,11a 3,11b 3,12 3,12a 3,12b 3,13–14 3,13 3,13a–b 3,13a 3,14 3,21 3,22 3,24 3,26–4,7 3,26–28 3,26–27 3,26 3,27–28 3,27 3,28 4,3–5 4,3 4,4–7 4,4 4,6

Stellenregister 88 82, 88, 112f. 88 57f., 74, 77, 82, 84, 85, 89 30 60, 82, 89 81 87 58, 60f., 78, 84, 90, 139, 337 90 58, 60f., 78, 84, 87 58, 78, 90, 92 56, 83, 89 78 56, 59, 78, 92 78 78 56, 78 52 78, 79, 80 78, 80 79f. 34, 47, 49, 51, 52, 55, 56, 57, 58, 77, 79, 80, 84, 90f., 135, 143, 331 81 79, 81 56, 80, 89 81 79 82, 86 86, 88, 90, 134 82 82 56, 78, 87, 89 80, 81 55, 89 56, 59, 78 84 88, 90 102 55, 56, 88f. 91 92 88f. 83, 86 83 90 175, 262 87, 175

4,8–11 4,9–10 4,9 5,3 5,5–6 5,5 5,6 5,14 5,22–23 5,22 5,25 6,5 6,8 6,12–13 6,14–15 6,14 6,15 6,16

83, 86 77f. 97 77 95 56 88f., 90, 103 89, 175 173 173 142 119, 120, 127 88 77 84, 89, 335 82, 89, 335 52, 77, 82, 88, 89, 90, 92, 332, 334f. 88, 89

Epheserbrief ganze Schrift 1,20 5,8

23 41 102

Philipperbrief 1,21 192 2,1–11 153 3,9 55, 56 Kolosserbrief ganze Schrift 2,12

23 41

1. Thessalonicherbrief ganze Schrift 44, 92, 94, 95, 97, 103, 106, 107f., 333 1,2–3,10 94 1,2–3 94 1,2 94 1,3 94f., 96, 103f., 105, 106 1,4 94 1,5 96 1,6–10 96 1,6–8 96 1,6 96, 103 1,7–9 97 1,8 94 1,8a 96 1,9–10 93f., 97f., 104 1,9 91, 96, 318

383

Stellenregister 1,10 1,10b 2,1 2,9 2,10 2,13 2,14 2,16 2,17 3,2 3,3 3,5–7 3,5 3,6 3,7 3,8 3,10 3,11 4,1 4,4–8 4,4 4,5 4,5b 4,6 4,8 4,9 4,10 4,10b–c 4,10c 4,13–18 4,13 4,13b 4,14–18 4,14–17 4,14–15 4,14 4,14b 4,14c 4,15 4,16 4,17 4,18 5,1–11 5,1–10 5,1 5,2–3 5,2 5,4 5,6–8

42, 44, 94, 97, 101, 104, 108 92, 94, 97 94 94 94 94, 96 94, 96, 103 103 94 94 96 94 94, 103 94f. 94 96 94, 98 94 94 102 102 102 102 96, 105 102 102 94 105 105 93, 98, 101f., 105 94, 98, 102 98 101, 105 93, 97, 101, 332f. 98 39–45, 92, 97–99, 100, 101, 107f., 144, 164, 237 98, 104f. 99 100 98, 100, 106f., 228, 339 93, 99–101 101 93, 98, 101 106 93, 94 101 93 94 102

5,6 5,8 5,9–10 5,9 5,9c 5,10

5,10a 5,10b–c 5,12 5,14 5,25 5,26 5,27

102, 105 95, 102, 105, 106 97, 105–107 96, 101, 104, 105, 108 104 34, 39, 46, 47, 48, 60, 93, 98f., 101f., 104, 105, 108, 112, 116, 182, 188, 189, 191f., 240, 302, 331f., 336 45, 104 104 94 94 94 94 94

2. Thessalonicherbrief 1,11 293 2. Timotheusbrief 2,8 42, 43 Titusbrief 3,5

252

Philemonbrief ganze Schrift 20 5 95 Hebräerbrief 10,37–38 10,38

58 51

Jakobusbrief 2,14–26

293

1. Petrusbrief 1,3 1,21 1,23 3,18 4,5

252 41 252 44, 57 269

2. Petrusbrief 3,13

120

1. Johannesbrief ganze Schrift 34, 207, 242, 318 2,1 57 2,6 305

384

Stellenregister

2,9–11 2,10 2,14 2,17 2,29 3,1–2 3,2 3,6 3,9 3,10 3,14–17 3,14 3,15 3,24 4,7 4,9–10 4,9 4,11 4,12 4,14 4,16

299 305 305 305 251 235 239 305 251 235 305 278 299 305 251 262 17, 305 299 305 262 305

5,1 5,4 5,6 5,18 5,20

251 34, 251 21 251 97

2. Johannesbrief 9 305 Offenbarung 1,7 2,11 3,3 3,7 14,14–16 16,15 20,6 21,1–5 21,8

100 221 101 97 100 101 221 120 221

2. Frühjüdische und rabbinische Autoren und Texte 2.1 Philo De Abrahamo 3–6 268 270 271 273

69 97 97 97 97

De agricultura 51 262

De congressu 86–87

80

De mutatione nominum 258–260 295 De opificio mundi 134 89

2.2 Josephus Antiquitates Judaicae 1,154–155 70 1,183 69

8,337 8,343 9,256

97 97 97

2.3 Jüdisch-hellenistische Schriften und Autoren Assumptio Mosis 10,2 274 3. Baruch ganze Schrift 21,4 21,23–24

122 71 206

29,6 30,1–5 32,6 42,7–8 48,8 49,12 50,2

297 269 123 206 71 123 206

385

Stellenregister 57,2

123

4. Esra ganze Schrift 3,21 3,26 4,3 4,5–6 4,10–11 4,40–42 6,7ff. 6,23 6,35–9,25 7,32 7,75 7,116 7,118 8,36 11,37–12,34 13,47

122 152 152 93 256 256 101 93 100 122 206, 269 122 152 152 63 274 236

1. Henoch ganze Schrift 37–71 46,6 48,9f. 51 51,1 62,2–7 63,11 69,27 64,4

57 276 206 206 269 206 274 274 274 101

72,1

122

Josef und Aseneth ganze Schrift 44 8,3 124 8,5 91 8,9 92, 124 11,8 96 11,10 91, 96f. 11,11 97 12,1–2 92, 124 15,5 124 19,8 91 19,11 124, 309 20,7 92, 124 27,10 92 Jubiläenbuch 4,26 15,1–2 16,21

122 69 69

Liber Antiquitatum Biblicarum (=Pseudo-Philo) 23 80 Mose-Apokalypse 14 152 Testament Dan 6,1–7 274

2.4 Qumran und Schriften aus der judäischen Wüste 8Ḥ evXIIgr ganze Schrift

57, 58, 62

1QH 5,28–29

121

1QHa 3,21 5,28–29 6,26–27 11,10–14 11,13 11,17–18 11,22 11,30–31 13,11–12 14,15–16

121 119 63 121 122 63 121 63 119 63

19,13–17 19,16 19,20–21 19,33–34

121 122 63 63

1QJesa zu 65,17

120

1QM 1,1 1,3 1,11 1,13–14 17,6

102 102 102 102 274

1QpHab ganze Schrift

57, 58, 62, 66

386 1QS 1,9 3,13–4,26 3,13 3,24–25 4,19–21 4,25 11,2–5 11,12–15

Stellenregister

102 258 102 102 251 121 63 63

1Q8

120

1Q19 29,9

121

4QMMT C 27–31

78

4Q521 frg.2 II 12

124

11QMelch 2,13

274

2.5 Rabbinische Schriften Mischna mQid (Qiddushin) 4,14 69

DtnR (Devarim Rabba) 3,11 307 11,10 307

Talmud bJoma 28b 86b

Pesiqta 45 [185b–186a] 69 68

Midrasch ExR (Shemot Rabba) 23,5 67 28,1 307 40,2 307 43,4 307

68 Pesiqta Rabbati 20,4 307 MidrQoh (Qohelet) 3,9 66 Tanchuma Buber 20 p 18 212

3. Griechische und lateinische pagane Autoren Apuleius Florida 19

195

Diodorus Siculus Bibliotheca historica 4,71,1–3 195 Hippokrates Epistulae 17

195

Philostratos Vita Appollonii 4,45 195 Plato Symposion 179bc 215a–c

104 127

387

Stellenregister

4. Frühchristliche Autoren und Werke Eusebius Historia ecclesiastica 3,23,3 23 3,23,3 23 3,39,2–7 29 3,39,3–4 23 5,8,4 23 5,24,2–7 22 Ignatius Epheserbrief 6,2 7,1 9,1

3,3,4 3,15,1

22 22

Iustin 1. Apologie 61,4 66,1

252 252

Dialogus cum Tryphone Judaeo 81 29 138,2 252 21 21 21

Irenäus Adversus haereses 1,26,1 21 2,22,5 23 3,1,1 22f. 3,3,1 22

Johannesakten ganze Schrift 22 Thomasakten 132

252

Thomasevangelium 21 101

Autorinnen- und Autorenregister Achtemeier, P. 54 Avemarie, F. 80 Bachmann, M. 52, 78, 80 Backhaus, K. 141 Balz, H. 185 Barnett, P. 109 Barrett, C.K. 108, 113, 194, 209, 211, 213, 219, 226f., 231, 233–236, 238, 248, 250–254, 256–261, 264, 275, 278, 280f., 289, 292, 294–298, 300– 302, 304f., 308–311, 314f., 317–320, 322f. Baur, F.C. 3, 6f., 9f., 12 Becker, J. 3, 5, 6, 20, 28–32, 34, 40, 43, 48, 194, 200f., 226, 275 Bell, R.H. 153 Berger, K. 3, 5, 20, 27f., 122 Bergmeier, R. 63, 78, 80 Betz, H.D. 118, 127, 142 Betz, O. 129f. Bickmann, J. 94, 96 Bieringer, R. 104, 112–114, 132–135 Bird, M.F. 54 Blank, J. 311 Boers, H. 110, 114, 125 Börschel, R. 97 Bousset, W. 3, 6, 10–12 Brandenburger, E. 96 Breytenbach, C. 104, 112–115, 133, 135– 137 Brown, R.E. 194, 203, 210, 215f., 221, 245–248, 251, 255, 258f., 261–263, 270, 275, 278, 292, 295, 297f., 303, 305–307, 309–311 Buchegger, J. 126 Bultmann, R. 1, 3f., 5, 14, 30, 48, 64, 108, 161, 197, 201, 204, 215, 219,

221f., 225, 227, 233, 241, 247, 251, 270, 273, 278, 280, 289, 306 Campbell, D.A. 53, 55–57, 60 Carlson, R.P. 162f. Chibici-Reveanu, N. 80, 316f., 320, 325 Collins, R.F. 94 Conzelmann, H. 39 Cranfield, C.E.B. 146f., 151f., 154f., 158, 168, 171f., 176 Dautzenberg, G. 48 Dennis, J. 141, 235, 288 Dietzfelbinger, C. 216, 270, 273, 275, 289, 293, 306, 308, 310 Dobbeler, A. von 64, 66f., 94f., 97 Dobschütz, E. von 95, 105, Donfried, K.P. 96 Dunn, J.D.G. 54, 58, 61, 63, 65, 67f., 73, 75, 80, 145, 147, 151f., 158, 161f., 165, 172f., 176f., 180, 183, 185f. Easter, M.C. 53 Eckstein, H.-J. 79f., 83, 87, 146, 157f., 161f., 164 Eschner, C. 104, 112–114, 116 Esler, P.F. 230f. Etzelmüller, G. 290 Evans, C.A. 83 Fee, G.D. 99–101 Feldmeier, R. 84, 128, 166, 264, 267, 304 Frey, J. 5, 14, 33, 37, 78, 194–197, 201, 207f., 210f., 214–216, 218f., 221, 224– 226, 228–230, 233–235, 239–241, 246f., 249f., 253, 259–263, 265, 269, 271, 273f., 276, 279f., 282, 289, 291f., 297, 301, 311, 316f., 320 Frid, B. 162

390

Autorenregister

Furnish, V.F. 109, 112, 118, 132f. Gagnon R.A. 179f. Gathercole, S.J. 80 Gaventa, B.R. 156 Gerber, C. 155, 157, 168 Gnilka, J. 270, 292, Grappe, C. 245 Greenberg, M. 123 Gryglewicz, F. 278 Haacker, K. 74f., 157f., 162, 173, 188 Hahn, F. 63, 112, 114, 120f., 128–130, 135, 162, 311 Harnisch, W. 102, 104f. Harrill, J.A. 289 Harrisville, R.A. 55 Hasenfratz, H.-P. 47, 49 Hauck, F. 95 Haufe, G. 93, 99–103, 105 Hays, R.B. 51, 54, 56–60 Heckel, U. 118 Hegermann, H. 218 Heilmann, J. 289 Hellholm, D. 148, 152, Hengel, M. 45 Hieke, T. 67, 70 Hodges, Z.C. 161, 163, 167, 169, 180f. Hoegen-Rohls, C. 3, 5f., 14, 34, 37, 77, 87, 89, 110, 112–116, 119f., 122, 124– 126, 128, 130, 133f., 137f., 140f., 150f., 161f., 166, 171f., 174, 192, 195, 308, 319, 322, 326 Hoffmann, P. 40, 43–45 Hofius, O. 71, 74, 114, 132f., 136f., 147f., 150–153, 197, 222, 224, 246–249, 251, 253f., 256–264 Hogeterp, A.L.A. 141 Holtz, T. 95, 97, 99–105 Holtzmann, H.J. 6, 8–10, 12 Hooker, M.D. 55, 58–60, 116, 134 Hubbard, M.V. 119, 161, 171 Hughes, P.E. 108 Hultgren, A.J. 68, 72, 75, 175–177 Hunn, D. 53 Jackson, T.R. 87f., 113, 119, 121

Jewett, R. 51, 67f., 72, 75, 144, 150–155, 157, 160–165, 168, 171–173, 175– 177, 181, 183f., 187 Jülicher, A. 6, 9–12 Käsemann, E. 64, 72, 75 Kegel, G. 43, 47f. Kertelge, K. 128, 130f., 135, 152 Kiessel, M.É. 196, 222 Kittel, G. 212 Kitzberger, I.R. 114, 129, 131, 135 Klauck, H.-J. 109f., 117f., 133, 140 Klehn, L. 128 Klinghardt, M. 156 Klumbies, P.-G. 45 Knöppler, T. 89, 110, 114, 124, 129, 262 Koch, D.-A. 51, 57f., 75, 80 Konradt, M. 96 Kramer, W. 39, 40, 43, 44, 45, 47, 61, 183, 242 Kraus, W. 57, 58 Kremer, J. 40, 194, 221, 228, 233f. Kretzer, A. 251 Kügler, J. 138f. Kuhn, H.W. 121 Kuhn, K.G. 121 Kuo-Yu Tsui, T. 161–163, 165f. Labahn, M. 219 Lambrecht, J. 109, 116–118, 134 Lampe, P. 118, 126, 130 Landmesser, C. 146f., 149f., 153, 157, 161, 163, 165 Laub, F. 99f., 102, 106 Lee, S.M. 128, 245 Légasse, S. 160, 163–165, 188 Lindars, B. 201, 204, 221, 231, 270, 278, 281, 294 Luckensmeyer, D. 101, 106 Lührmann, D. 86–88, 90 Maier, J. 121 Martin, R.P. 109, 131, 133 Martyn, J.L. 88 Marxsen, W. 99f., 102 Matera, F.J. 118 Matlock, R.B. 55, 62

Autorenregister Mell, U. 104, 113, 116, 119–121, 123f., 127f., 152 Metternich, U. 195, 199, 231 Michaels, J.R. 246f., 252f., 255f., 259– 264, 273, 275, 277f., 281, 291–293, 295f., 298, 300–302, 307, 315–318, 323 Michel, O. 157, 166 Moloney, F.J. 204, 221, 245–249, 251, 254, 256, 258, 260–263, 270, 275, 289, 292–295, 302, 305, 307, 310, 315–319, 324, 326 Monse, F.X. 3 Moo, D.J. 153–155, 162, 165f., 168, 171, 176, 183 Moore, R.K. 135 Morgen, M. 265, 279 Müller, J. 48 Nebe, G. 119f., 124, 126 Nielsen, J.T. 318, 320, 325 Nigh-Hogan, P. 89 North, W.E. Sproston 197, 211, 228 O’Donnell, T. 282 Oliveira, A. de 140 Paddison, A. 106 Peterman, G. 55 Pierce, M.N. 259 Piper, R.A. 230f. Plevnik, J. 100 Plummer, A. 108 Popkes, E.E. 198 Poplutz, U. 194 Popp, T. 253, 255, 258 Porter, S.E. 55, 133 Quarles, C.L. 64f. Rapinchuk, M. 153 Rebell, W. 135 Rehfeld, E.L. 87, 126, 128, 132 Reinmuth, E. 94, 97 Reynolds, B.E. 259 Richard, E.J. 99–101 Röhser, G. 155f. Rohde, J. 83f., 86, 90

391

Roose, H. 154, 219 Särkiö, R. 109, 116, 125f., 128, 132 Sand, A. 186 Schellenberg, R.S. 149 Schenk, W. 53–55, 57, 61 Schewe, S. 90 Schlier, H. 83f., 90, 157, 162, 166, 168, 183, 185f. Schliesser, B. 54, 67 Schmeller, T. 109f., 112, 117f., 129f., 132, 134, 136–140, 142 Schmithals, W. 144, 158, 162, 166, 176 Schmidl, M. 5, 30 Schnackenburg, R. 5, 16–24, 27, 33, 197, 201f., 210, 212f., 215–217, 220f., 223, 226, 230f., 234, 246, 248f., 251–253, 255–261, 264, 269f., 273–275, 278, 280, 287–289, 292–294, 296–299, 301, 303f., 307, 310f., 315–319, 321f., 324–326 Schneider, G. 113, 116, 119, 126, 128 Schnelle, U. 3, 5, 20, 23–27, 32–34, 126–128, 134f., 141, 144, 156, 166, 201, 210f., 213, 218f., 221f., 226f., 234, 246–248, 251, 253–259, 261– 264, 266, 269f., 273, 278f., 282, 287– 290, 293f., 297, 301, 303–308, 310f., 316–319, 324 Scholtissek, K. 304 Schottroff, L. 48 Schröter, J. 77, 110, 112–114, 118, 125f., 130–133, 136f., 139f., 204, 262, 320 Schumacher, T. 53f. Siber, P. 47 Silva, M. 55, 59 Sjöberg, E. 121 Söding, T. 95, 97, 103 Sprinkle, P.M. 52–54, 80f. Stare, M. 195, 220, 285, 292f., 295–297, 299, 301–305, 307–311 Starnitzke, D. 64, 68, 70–73, 75f. Straub, E. 202 Strecker, C. 127, 163 Strüder, C.W. 119–122, 124, 126f., 134 Stuhlmacher, P. 64, 113, 119, 121, 123f., 153, 155, 164, 168, 173 Sylva, D. 203

392

Autorenregister

Tannehill, R.C. 161 Taylor, J.W. 51, 63–65 Tellbe, M. 5 Theobald, M. 5, 74f., 118, 174–177, 182f., 187, 194f., 197, 201, 203, 207f., 210, 213, 216, 219, 221, 225f., 231, 233, 245–248, 252–254, 256–263, 265, 270f., 273–276, 278, 281, 287– 290, 292–297, 300, 302f., 306–310 Thrall, M.E. 106, 109, 119–121, 123, 127, 140 Thüsing, W. 135 Thyen, H. 194, 199, 204, 215, 217–219, 231 Trebilco, P. 5 Ulrichs, K.F. 51, 53, 55, 58–61, 63, 95, 106 van der Watt, J.G. 34, 217–219, 221, 255f., 273, 278, 282, 303 Vollenweider, S. 90, 171f., 175–177 Vouga, F. 83–87, 90 Wahlde, U.C. von 275 Wanamaker, C.A. 99–101 Watson, F. 57, 59 Wedderburn, A.J.M. 113, 115, 146, 160f. Weder, H. 73, 86, 90, 261–263, 265, 292, 304f.

Weiß, J. 6, 12f. Weiß, W. 94–96 Wengst, K. 40f., 43, 45, 47, 183, 224, 234, 271, 275–277, 279, 289, 292f., 301, 303, 310 Wilckens, U. 65, 67, 69, 74f., 145–148, 151, 153, 155–158, 160–163, 165, 174, 176, 184–187, 188 Wilson, T.A. 80 Windisch, H. 108 Wischmeyer, O. 95 Wisdom, J.R. 79, 81 Witetschek, S. 5 Wohlenberg, G. 106 Wolff, C. 155 Wolter, M. 51, 53–55, 57, 60–64, 94 Zeller, D. 5, 14-16, 19, 34, 64, 151, 153, 162, 166, 168 Zimmerli, W. 123 Zimmermann, C. 40–44, 71, 74, 76–78, 84, 91f., 107, 124, 150, 160, 163, 183 Zimmermann, H. 215, 226 Zimmermann, R. 194–196, 199, 201, 203–209, 211–213, 215–217, 219, 221, 223f., 226–230, 240 Zumstein, J. 48, 201, 204, 212, 218, 228, 231, 246, 252–254, 256–260, 262– 264, 269–275, 277f., 280f., 288f., 291– 295, 297–305, 307, 310f.

Sachregister Abraham 52, 66–70, 72f., 76–78, 83f., 91, 178, 180 – als Vater aller Glaubenden 68, 70f. – Nachkommen A.s 69f., 73, 75f., 78 – A.sverheißung 62, 65f., 69f., 72f., 78 Adam-Christus-Typologie 113, 146– 148, 150f., 153, 157, 169 alter Mensch 126, 181, 331, 334f. Apostolat/apostol. Existenz des Paulus 117–119, 138f., 141, 337f. Auferstandener/Auferweckter 88, 108, 116, 142, 165, 172–174, 177, 190, 222f. Auferstehung/Auferweckung 49, 200, 204f., 209, 224, 228f., 231f., 237, 333f. – A.aussagen 40–42, 44f., 47, 105, 107, 158, 171, 181–183, 189, 237, 333 – am letzten Tag 163, 176, 206, 222– 224, 227–229, 244, 286f., 299, 303, 306, 312, 320, 330, 333f. – gegenwärtig 206 – der Glaubenden 90, 100, 107, 141, 145, 159, 168, 179, 221, 223, 243, 271, 284, 332 – Jesu (s.a. Tod/Sterben und Auferweckung/Auferstehung) 39, 41f., 44f., 47, 52, 66, 72, 74f., 82, 90f., 93f., 99, 114f., 118, 141, 143–145, 159, 161f., 165, 169, 178, 192, 212, 214, 225, 239, 261, 267, 286, 307, 312f., 316, 319, 337, 340 – Jesus als A. 224, 236, 242, 284, 330 – A. des Lazarus 213f., 222–224, 228f., 232, 234, 332, 334 – A. und Leben 195, 207, 210, 212, 214, 216, 219f., 226, 233, 236–239, 241–244, 267f., 284, 287, 312, 320, 327, 330f., 333

– von Toten (ἐκ νεκρῶν) 42f., 45, 66, 75f., 93f., 128, 158, 168, 176, 178, 222, 228, 334 – zukünftig 179, 206, 222f., 228f., 243f., 271, 286f., 299, 332f., 341 – zum Gericht 269, 271, 276, 281, 284 – zum Leben 269f., 273, 276, 281f., 284 Auferstehungsleben – A. der Glaubenden 109, 119, 163, 239 – inauguriertes 107, 109, 119, 127f., 143, 162, 164, 179, 223f., 230, 334 – A. Jesu 88, 93, 105–108, 117–119, 129, 139, 142f., 146, 157f., 162f., 169, 171, 180f., 184, 189, 239, 305, 329, 333f. βασιλεία τοῦ θεοῦ 247–251, 256, 264– 267, 335 Bekenntnis 94, 111, 130, 207f., 212, 225, 227, 242f., 290, 309f., 313, 340 χάρις (s. Gnade) (ὁ) δίκαιος 56, 59f., 63, 72, 136 Diskontinuität 121, 126, 257, 334f., 341 ἔργα νοµοῦ 61f., 67f., 78, 85 Erhöhung/Erhöhter 197, 241, 244, 250, 259–261, 263f., 266–268, 311, 317, 319, 331, 335f. Erkenntnis 314f., 319, 321, 323, 325– 327 – E. Christi 203, 257, 310, 318, 325f., 336f. – E. Gottes 128, 139, 318, 323, 325f., 336f. – neue E. 129–131

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Sachregister

Evangelium 60f., 63f., 73, 78, 82, 136f., 337 Fluch 80–84, 86, 90 Freund/Freundschaft 112f., 199, 204, 211, 320 Geboren-Werden 254, 256 – aus Wasser und/oder Geist 252, 254–259, 261, 266, 268, 279, 340 – von oben G. siehe γεννᾶσθαι ἄνωθεν Geist (s.a. πνεῦµα) 83f., 90, 141, 144, 169, 172–178, 192, 251–257, 265, 290, 308f., 313, 324, 337, 339f. – G. des Auferstandenen/Christi 92, 177 – G. Gottes 140f., 143, 175–178 – neuer G. 123 – Neuheit des G. 173f. γεννᾶσθαι ἄνωθεν 233, 243–245, 248– 251, 255–259, 263–268, 279, 334f., 339 Gerechtigkeit 58, 70, 81, 150, 156, 167 – Gottes 57, 63f., 131, 134–136, 143 Gerechtmachung/Rechtfertigung 52, 58f., 62, 68, 74f., 78, 82, 84, 92, 134f., 147, 154f., 163 Gericht 152, 186, 233, 251, 265, 268f., 274, 276, 278f., 282–284, 335f. Gesetz 68–70, 79–82, 85f., 88–90, 149f., 152f., 170–172, 174f. Glaube/glauben (s.a. πιστεύω, πίστις) 2, 45, 48, 53f., 58, 61f., 66–70, 72f., 75, 78, 81, 84, 87f., 90–92, 96f., 103, 130f., 166, 169, 178, 180, 185f., 192–195, 202–204, 213, 221, 226f., 233, 235, 237f., 242, 244f., 248, 251, 257, 263, 266f., 269, 277, 284, 286, 293, 298f., 305, 311f., 315, 321, 326f., 329, 331–333, 340 – Abraham-G. 59, 72, 74f., 178 – G. an Gott 67, 72, 75, 90, 97, 180, 269, 273, 277 – G. an Jesus Christus/den Auferstandenen 53, 62, 87f., 108, 193, 195, 216, 221, 250, 264, 267, 293, 320, 327, 330f., 333, 340 – Christus-G. 59f., 62, 74f., 85 – G. und Leben 2, 37, 49, 52, 108, 137, 178, 191, 193, 220, 243f., 286, 323, 340

– Inhalt des G. 329, 60–62, 164, 225, 293, 327, 330 – G., Liebe, Hoffnung 94, 96, 98, 103, 106 – relational 216, 240, 263f., 298, 303f., 312, 325, 331, 339 – Zum-G.-Kommen 86, 94, 168, 249, 284, 323, 339, 341 Glaubender 47, 52, 63, 72f., 77, 84, 88f., 93f., 102, 104f., 120, 125, 154– 157, 162, 172, 174, 179, 181, 190, 207, 216, 219f., 226f., 245, 265, 268, 278, 282, 284, 305, 321f., 333, 335–337, 340 – als Lebender 108, 115f., 118, 127f., 135, 140, 143, 179, 192, 216, 230, 239f., 283, 332 Glaubensgerechtigkeit 51f., 65–73, 76, 78, 83, 85, 91, 178, 180, 331 Glaubenssummarium 92–94, 96, 98f., 101, 106–108, 116, 128, 142, 144, 157, 167, 171, 173, 179f., 189, 205, 341 – johanneisch 2, 49, 190, 192f., 214f., 217, 220, 222, 224f., 227, 229–232, 236f., 242–244, 249f., 267, 285, 311f., 320, 326f., 329–331, 340 – paulinisch 1, 47–49, 52, 77, 93, 97f., 104f., 135, 168f., 179, 181f., 184, 188, 191f., 237, 242f., 285, 329, 331, 340 – vorpaulinisch 1f., 45–47, 49, 62, 88, 98, 109, 111, 144f., 158, 183, 190– 192, 225, 237f., 242f., 267, 285f., 320, 326, 329–331 Gnade 67, 70, 88, 146f., 150f., 153– 155, 157, 164, 169f. Gott 218 – gerecht machend 67f., 73, 75, 78, 90 – Leben schaffend/lebendig machend/schöpferisch 52, 62, 66, 70– 76, 82, 90–92, 98f., 108, 111, 124– 126, 131, 140–143, 165f., 176, 178, 180, 212, 224, 268f., 283, 326, 330, 337, 339f. – lebendig 91, 93f., 97, 108, 140f., 143, 305 – Tote erweckend 66, 73, 75f., 90–92, 94, 97, 141, 178, 180, 268, 337 Heil 96, 104, 212, 297

Sachregister – H.sakte 41, 45, 190, 235, 243f., 264, 330 – gegenwärtig 105, 181, 184, 223, 231, 240, 284, 332 – H.shandeln 61, 208, 288, 294, 312, 336f. – zukünftig 179, 181, 184, 230, 284, 332 Herabsteigen 301, 306f., 311f., 323 Herrlichkeit – Schauen der Herrlichkeit/δόξα 198, 212, 299 herrschen/Herrschaft 155f., 164, 170, 186–189, 211 – des Auferstandenen/Kyrios 181, 186–189, 332, 338 – des Gesetzes 170 – der Glaubenden 154–156 – der Sünde 147, 150–153, 155f., 164, 175, 179 – Gnadenh. 113, 147, 150f., 153, 164, 169 – Todesh. 151, 154, 165, 170, 175, 179, 211 Hinaufsteigen 306f., 311f., 323 Hingabe 198, 263, 267 Hören – Jesu Stimme h. 209, 227, 229, 243, 269, 278f., 281f., 284, 313, 323 Ich-bin(-Wort) 2, 191, 193, 195, 200, 203, 206, 215, 217–219, 225–227, 236f., 241–243, 250, 267, 283, 285, 287f., 291, 296f., 300, 311f., 330 In-Existenz 87f., 90f., 106, 119, 129, 134, 143, 165, 169, 173, 176, 240, 250, 263f., 267, 304, 325, 333, 338– 340 Inkarnation 242, 259, 264, 306 Jesus – als Heilsgabe und –geber 257, 267, 285, 287, 296f. – als Heilsmittler 208, 218, 286, 294, 297, 313, 317, 323, 326 – Gebet Jesu 213, 218, 227, 237, 243, 249, 267, 270, 311, 314f., 324, 326f., 339 – Identität Jesu 210, 227, 247, 250, 299 – Leben habend 214, 239, 266, 276, 327

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– lebendig machend/Leben schaffend 199, 208, 210f., 218f., 227, 234, 240, 250, 266, 268–272, 274– 276, 285, 309f., 321, 327 – J. Ruf aus dem Tod (s.a. Lazarus, Herausrufung) 211, 226–229, 232f., 237, 243, 332 – Stunde Jesu 279, 285, 316, 326, 337 – J. Worte s. Wort Kerygma 43, 60, 86, 88, 90, 93, 111, 145, 190, 238, 243, 267, 279, 285f., 312, 320, 326f., 329, 337 Kinder Gottes 84, 90f., 175, 178, 192, 255, 335, 339f. Kontinuität 168, 177, 179, 181, 222, 224, 230, 239f., 279, 281, 284, 303, 312, 332, 334, 339, 341 Kosmos/Welt 89f., 120f., 132, 267, 292, 297, 300, 302, 320, 326, 335, 338 Lazarus 193, 196f., 199, 200, 202, 204, 213, 225, 227, 230, 233, 249, 327 – Herausrufung des L. 193f., 198, 202f., 208f., 211, 214, 220, 222f., 227f., 232, 236, 243, 267, 283f., 323, 330, 334 Leben/leben 48, 62, 65, 70, 72, 80f., 91, 108, 137, 139, 143f., 153f., 169, 184, 195, 203 214, 219f., 226, 238, 267, 284, 286, 292, 308, 312, 331 – aus/im Glauben 39, 47–49, 52, 66, 107, 139, 158, 187, 208, 329, 331 – aus Toten/dem Tod 76f., 88, 126, 178, 224, 305, 319, 330, 333, 335 – Brot des L.s 220, 285–288, 294– 298, 300f., 307 – der Glaubenden 47, 86, 95, 108, 125, 143, 158, 163, 176, 224, 239, 279, 332 – für den Auferweckten l. 115f., 126, 131, 142 – für Gott l. 87, 90, 162, 165f., 169, 173, 179, 335 – Gabe/Geschenk des L. 51f., 58, 66, 72–74, 76, 81f., 84, 86, 92, 98, 106f., 139, 142, 145, 158, 167–169, 192, 216, 221, 224, 227, 230, 239f., 244f., 260, 273, 284, 286, 306, 309, 327, 330f., 333, 336–338, 340

396

Sachregister

– ethisch 87, 106, 108, 120, 131, 134, 142, 144, 161, 165–167, 174, 177– 179, 187, 305 – eschatologisch 52, 76, 82, 107f., 116, 126, 143, 150, 192, 221, 233, 284 – ewig 92, 146f., 150f., 164, 167–169, 179, 192, 216, 221–224, 227, 232, 244f., 248–251, 257, 261–263–270, 272f., 278f., 281, 284, 286, 288, 291, 293f., 298f., 301, 303, 305, 309, 312–314, 317, 319–321f., 324– 327, 329, 331f., 335, 338, 340 – gegenwärtig 106f., 143, 158, 164, 167–169, 176, 179, 221–224, 230, 239, 243, 269, 271, 277, 279, 284, 286f., 299, 303, 306, 330, 332f., 340 – neu/Neuheit des L. 77, 87, 92, 144– 146f., 157f., 160–169, 173f., 178– 181, 184, 192, 332, 335, 339f. – soteriologisch 52, 72, 76, 82, 84, 86, 92, 105f., 108, 115, 120, 131, 142, 145, 154, 156, 158, 167–169, 189, 191f., 216, 221, 223f., 227, 232, 239, 243, 261, 270, 281, 297, 306, 312f., 325, 331–333, 336, 338 – zukünftig 269, 273, 331 Lebensbegriff 1f., 46, 86, 101, 190, 267, 285, 326 Lebensgemeinschaft 88, 91, 93, 98f., 101f., 106–108, 165, 184, 189, 237, 311–313, 325–327, 332f., 340 Lebensspender 195, 205, 209, 219, 226, 250, 264, 267, 270–272, 276, 283, 307, 309, 311, 320, 323, 326, 330 Lebensterminologie (s.a. ζήνTerminologie) 1f., 39, 46f., 107, 128, 181, 192, 223f., 228, 230, 237– 240, 243, 250, 281, 290, 329f., 332f. Lebensthematik 47, 49, 72, 136, 143, 225, 238, 241, 249, 269, 273, 285 Liebe 90, 95, 112f., 131, 175, 197–199, 210f., 262, 267, 273f., 299, 320, 326, 337f. μετάβασις 212, 223, 227, 229–232, 243, 267–270, 273, 278f., 281, 283f., 286, 313, 327, 332

Neu – neues Sein 89f., 95f., 102, 126, 131, 135, 139, 141, 166, 179, 299, 330, 334–337 – Neuheit/Erneuerung 120, 123, 172– 174 – Neugeburt 254, 335, 337 – Neuschöpfung 52, 62, 77, 889f., 91f., 108f., 111, 116, 119–131, 135– 137, 140–143, 161, 165, 167, 169, 192, 251, 257f., 266, 268, 332, 334f., 338 Partizipation/Teilhabe 86, 88–91, 93, 113, 116, 118f., 126–128, 130, 142– 144, 146f., 155, 157, 161, 163f., 166, 169f., 179f., 184, 189, 204, 238, 241f., 244, 254, 264, 268, 277, 286f., 299, 303, 305–307, 312, 321, 325f., 329–331, 333–336, 339 Parusie 93, 96–102, 106f., 189, 299, 333 πιστεύω 61, 78, 128, 144f., 158, 164, 180, 184, 191, 200, 203, 206, 216, 225, 233, 237f., 242, 248, 250, 266, 268, 288, 294, 299, 303, 312, 314, 323, 325, 327, 331 πίστις 54–59, 61, 63f., 78, 82, 87, 94f., 136, 179f., 184, 186 πίστις Χριστοῦ 2, 52–56, 60–62, 135 Pistis-Formel 39, 61, 330 πνεῦµα (s.a. Geist) 139f., 142f., 169, 174, 177, 184, 261, 306, 309, 313, 336–340 Proexistenz 116f., 119, 142, 338 Rechtfertigung s. Gerechtmachung Relationalität – Leben 59, 91, 108, 124, 128f., 142f., 166, 177f., 240, 263f., 303– 305, 318, 329, 339f. – Vater-Sohn 91, 142, 200, 218, 227, 237, 242–244, 267, 270–273, 275, 277, 282f., 286f., 306, 310f., 313, 321, 325 Rückkehr zum Vater 244, 250, 260f., 264, 267, 289, 294, 307f., 312f., 316, 319–322, 326 Schicksalsgemeinschaft 113, 119, 126f., 139, 143

Sachregister Selbstoffenbarung Jesu 194, 210, 214, 216, 220, 227, 283 Sendung 213, 227, 242f., 267, 270– 273, 277, 283, 292, 294, 296, 306f., 311, 313, 320, 323, 326f., 330, 334 Stellvertretung 82, 113f., 134, 160, 171, 173, 204 Sterben – St.aussage 44, 88, 93, 111, 228 – St. des alten Menschen 126, 163, 245, 258, 264f., 268, 335 – dem Gesetz st. 86, 88, 90, 170f., 173, 335 – Gott st. 187 – der Menschen 142, 160, 187, 192, 216, 221, 231f., 237, 240f., 333 – der Sünde st. 146, 157, 160, 165– 167, 170, 173, 179f., 265f., 268, 312, 335f. – für die Sünden st. 41 – Jesu 45, 82, 88, 104, 112–118, 125, 130, 157, 160, 166, 199, 233–235, 241, 243, 289, 303, 312, 323 – Jesu St. für 105, 114, 235 – St. und Auferweckung/Auferste– hung Jesu 39, 61, 76, 88, 90, 98f., 106, 108, 131, 139, 143, 146, 157, 165f., 186, 188f., 205, 219, 226, 241, 244, 250, 261, 264, 331 – sich selber gegenüber st. 111, 126, 131, 142, 330f., 335, 338 Sünde 68, 77, 146f., 149–152, 154– 157, 163f., 166f., 170, 172, 174f., 181, 184, 241, 266, 268, 320, 336 – S.-Tod-Zusammenhang 149–151, 153, 157, 165, 170, 178, 233, 241, 335f. συν-Formulierungen 144 – συνθάπτοµαι/MitBegrabensein 160f., 331 – συσταυρόοµαι/MitGekreuzigtsein 86, 88f., 160, 163, 181, 331, 335 – συζάω/Mit-Leben 105, 145, 240, 331, 333 – συναποθνῄσκω/Mit-Sterben 90, 142, 145, 161, 164, 170, 181, 200, 203f., 233, 236, 243, 245, 251, 265, 268, 312, 335f.

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Taufe 84, 88, 91, 103, 126, 160f., 166, 169, 225, 242, 252, 256f., 266f., 331, 339 Theologie des Lebens 66, 70, 73, 75, 90, 93, 98, 108, 166, 178, 282f., 286, 306, 320, 329f., 340f. Teilhabe s. Partizipation Tod 76, 92, 107, 143, 147, 149, 152, 154–156, 159–161, 165, 167, 170, 172, 174, 184, 188, 197, 200, 202, 206, 208, 210, 213f., 330, 333 – biologisch 128, 168, 189, 192, 220, 226, 229–232, 237, 239f., 257, 268, 270, 281, 301, 312, 332, 336 – des Glaubenden in Christus 98, 100, 332 – ewiger 189, 221, 224, 226, 231, 241, 284, 301, 336 – Jesu 7, 41, 45, 60, 66, 75, 82–84, 86, 88–90, 92f., 108–113, 115, 119, 126f., 130f., 139, 142, 146f., 153, 155, 160–163, 165f., 170f., 173, 175, 177–179, 181, 189, 197f., 200, 203f., 211, 233–236, 241–245, 265f., 286f., 292, 302–305, 307, 312f., 319f., 326f., 330f., 334–338, 340 – metaphorisch 77, 92, 115, 142, 160, 221, 232, 240, 336 – spirituell 77, 226, 243, 266, 268, 270, 278, 281, 284, 312, 335 – T. und Auferweckung Jesu 41, 45, 48, 62, 73f., 88, 99, 106, 108, 110, 115–117, 120, 125, 130–133, 139, 142–144, 155f., 158, 161, 169, 173, 179f., 184, 189–192, 197, 219, 224– 226, 237f., 243, 250, 264, 285, 318, 326, 329–331, 336f., 339f. Todverfallenheit 224, 241, 268, 334– 336 Urteil Gottes 152, 154, 186 Verherrlichung 197f., 200, 279, 306, 314, 316–323, 325f., 337 Versöhnung 113, 131–133, 136f., 143, 337f. Vollmacht Jesu 203, 210, 212, 224, 226, 237, 266, 269, 274, 276, 279, 283, 307 Wort 96f., 136f., 139, 323, 325 – Gottes 321–323

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Sachregister

– Jesu 214, 227, 229, 234, 269, 277f., 290, 306, 308–310, 313, 322–324, 327, 332, 337 ζάω 39, 97, 105, 144f., 179, 181–183, 189, 192, 220–224, 226f., 229f., 232, 239f., 279, 285 ζήν-Terminologie (s.a. Lebensterminologie) 88, 98, 105–109, 115f., 142f., 145, 158, 165, 284–286

ζωή 137, 139, 192, 220, 239, 290 Zorn 69, 97, 104, 210f., 251, 266, 335f. Zugehörigkeit zu Christus 127f., 143, 146, 172–174, 176f., 184, 187–189, 255, 332f., 336 Zusammenführung mit Christus 99, 105, 107