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German Pages 406 [431] Year 2020
Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung herausgegeben von der
Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V.
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Kevin Bork
Tension of Reinsurance: die Folgepflicht des Rückversicherers im Licht des Regulierungsermessens des Erstversicherers
Mohr Siebeck
Kevin Bork, geboren 1990; Studium der Rechtswissenschaft in Frankfurt a. M.; 2014 Erste juristische Prüfung; 2019 Promotion; 2015–18 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Versicherungsrecht an der Goethe-Universität Frankfurt; seit 2015 Rapporteur und Mitglied der internationalen Forschungsgruppe PRICL (Principles of Reinsurance Contract Law); Dozent für deutsches Zivilrecht an der Universität Lumière II in Lyon; seit 2019 Rechtsreferendar im OLG-Bezirk Frankfurt a. M. orcid.org/0000-0002-0478-6552
D30 ISBN 978-3-16-158934-8 / eISBN 978-3-16-158935-5 DOI 10.1628/978-3-16-158935-5 ISSN 1861-5449 / eISSN 2569-426X (Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.
Vorwort »Dabei gehört die Rückversicherung unstreitig zum Feinsten und Interessantesten, was das Versicherungswesen überhaupt zu bieten vermag, da sich in ihr alle die Erfahrungen widerspiegeln, die das Versicherungswesen […] in jahrzehntelanger Arbeit gesammelt hat.«*
Für die Durchdringung des Rechts der Rückversicherung sind trotz jahrzehntelanger Erfahrungswerte jedoch primär allgemeine vertragsrechtliche Grundsätze ausschlaggebend. Für den Rückversicherungsrechtler1 ergibt sich dessen Besonderheit daher aus dem Fehlen gesetzlicher Normierung. Der in der Folgepflicht zum Ausdruck kommende Interessenwiderstreit zwischen Erst- und Rückversicherer begründet in diesem legistischen Nullum ein besonderes Bedürfnis nach Rechtssicherheit und deutet die Spannung an, die die Untersuchung bereits wörtlich im Titel trägt. Diese Spannung beschreibt neben – cum grano salis – den eigenen Erfahrungen in der Ausarbeitung aber auch das Verhältnis der Akzessorietät der intransparenten Rückversicherung zur umfangreich rechtlich erfassten und erfahrungsreichen Erstversicherung. Die Untersuchung entstand zwischen September 2015 und Januar 2019 während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Versicherungsrecht und wurde von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der GoetheUniversität Frankfurt im März 2019 als Inauguraldissertation angenommen. Wesentliche Änderungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur sind bis Oktober 2019, die PRICL in ihrer Fassung aus November 2019 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Manfred Wandt, der mir neben meiner Vollzeittätigkeit am Lehrstuhl die Möglichkeit gab, diese Arbeit trotz des außergewöhnlichen Forschungsgegenstands zu erstellen. Während der gesamten Zeit erfuhr ich stets vollstes Vertrauen und größtmögliche akademische Freiheit, die nicht nur diese Arbeit beförderten, sondern allem voran auch meine eigene fachliche und persönliche Weiterentwicklung. Prof. Dr. Jens Gal danke ich für die ebenso zügige Erstellung des Zweitgutachtens und wertvolle Anregungen zur Mitversicherung. So 1926 die Beobachtung von Cruciger, Die Praxis der Rückversicherung, S. 5. Die Arbeit verwendet aus Gründen der verbesserten Lesbarkeit das generische Maskulin; eine geschlechterbezogene Wertung ist hiermit weder verbunden noch beabsichtigt. *
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Vorwort
Von bedeutendem Wert für das Gelingen dieser Arbeit war meine Einbindung in das globale Forschungsprojekt PRICL zur Ausarbeitung transnationaler Prinzipien des Rückversicherungsvertragsrechts. Die Mitarbeit an diesem Projekt ermöglichte neben einem Einblick in die Praxis der Rückversicherung auch den ertragreichen Austausch mit den beteiligten Wissenschaftlern und Praktikern. Stellvertretend für die Mitglieder der Gruppe danke ich Prof. Dr. Helmut Heiss, Prof. Dr. Martin Schauer und Prof. Dr. Manfred Wandt als Herausgeber des Erstwerks für den stets offenen und integrativen Dialog sowie im Besonderen Prof. Rob Merkin, Prof. Jeffrey Stempel und Patrick Carty für weiterführende Hinweise. Meinem Kollegen Oliver William danke ich für den konstruktiven Meinungs- und Quellenaustausch. In der Endphase der Ausarbeitung wurde ich von der Kanzlei Clyde & Co unterstützt: Der Einladung von Dr. Henning Schaloske in deren Kanzleiräume in London sowie zum Hauptsitz von Lloyd’s bin ich gerne gefolgt und konnte mir hierdurch die – eigenen Gesetzmäßigkeiten unterworfene – Welt des englischen Rückversicherungsmarkts aus unmittelbarer Nähe erschließen. Clyde & Co gebührt darüber hinaus Dank für die großzügige Förderung in der Drucklegung dieser Arbeit. Dank sagen möchte ich außerdem dem Förderkreis für die Versicherungslehre an der Goethe-Universität Frankfurt e.V., der diese Dissertation mit dem Frankfurter Preis für Versicherungswissenschaften 2019 ausgezeichnet hat. Der Gesellschaft für Rechtsvergleichung e.V. danke ich für die Aufnahme in die Schriftenreihe »Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung«, Tobias Weiß vom Verlag für die nützlichen Hinweise zur Formatierung der Arbeit. Zum Gelingen der Arbeit haben auch meine Frau Simone Bork, mein Bruder Dustin Bork sowie Lukas Straub und Steven Schindler wesentlich beigetragen, indem sie sich die Zeit nahmen, meine Dissertation in mühevoller Arbeit Korrektur zu lesen. Danken möchte ich ihnen und auch meinen Kommilitonen Tobias Belle, Johannes Höller und Dirk Ludwig ferner für hilfreiche Gespräche und willkommene Ablenkung, ohne die eine Fertigstellung der Arbeit nur sehr viel schwieriger von der Hand gegangen wäre. Meinen Eltern Dörte und Norbert Bork danke ich für die uneingeschränkte Unterstützung auf meinem gesamten Lebensweg. Auch dieses Projekt haben sie durch ihr vorbehaltloses Vertrauen in mich erst ermöglicht und befördert. Gewidmet ist diese Arbeit schließlich von Herzen meiner Frau Simone Bork, die mir selbst in Zeiten hoher Arbeitsbelastung mit unablässigem Zuspruch, Optimismus und stets offenem Ohr auch in meinen rechtlichen Überlegungen als persönliche »Rückversicherung« bedingungslos zur Seite stand. Frankfurt am Main, im Oktober 2019
Dr. Kevin Bork
Inhaltsübersicht Vorwort ..........................................................................................................V Abkürzungsverzeichnis.............................................................................. XIX
Teil 1: Ausgangsproblematik der Rückversicherung Kapitel 1: Prolog – tension of reinsurance in der modernen Rückversicherung ........................................................................ 3 Kapitel 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis ...................... 15
Teil 2: Hypothesen der Folgepflicht Kapitel 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht ............... 63 Kapitel 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance ................ 103
Teil 3: Kriterien zur Bestimmung der Folgepflicht Kapitel 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung ....................................................................... 159 Kapitel 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben ................................................................................. 211 Kapitel 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer ...... 259 Kapitel 8: Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien ................................................................................... 301
Teil 4: Zusammenfassende Stellungnahme Kapitel 9: Epilog – Ergebnisse und Auswirkungen................................... 349 Kapitel 10: Executive Summary in English ................................................. 365
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Inhaltsübersicht
Literaturverzeichnis .................................................................................... 375 Verzeichnis deutscher Rechtsprechung ...................................................... 391 Verzeichnis ausländischer Rechtsprechung ................................................ 395 Verzeichnis der Rechtsquellen und Materialien.......................................... 399 Sach- und Paragraphenregister ................................................................... 401
Inhaltsverzeichnis Vorwort ..........................................................................................................V Abkürzungsverzeichnis.............................................................................. XIX
Teil 1: Ausgangsproblematik der Rückversicherung Kapitel 1: Prolog – tension of reinsurance in der modernen Rückversicherung ........................................................................ 3 A. Problemaufriss ....................................................................................... 3 B. Moderne Entwicklungen der Rückversicherung .................................... 6 C. Was kann eine Untersuchung der Folgepflicht leisten? ......................... 9 D. Zentrale Weichenstellungen ................................................................. 11 I. Verwendete Begriffe ..................................................................... 11 II. Struktur der Untersuchung ............................................................ 13 Kapitel 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis ...................... 15 A. Merkmale der Leistungspflicht des Erstversicherers............................ 15 I. Vereinbarungen zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer .................................................................... 16 II. Der Versicherungsfall.................................................................... 17 III. Eigenschaften der Leistung des Erstversicherers ........................... 19 IV. Ausschluss der Leistungspflicht des Erstversicherers ................... 19 B. Die Vielgestaltigkeit der Regulierung des Erstversicherers ................. 20 I. Begriff der Regulierung und Regulierungsarten ............................ 21 II. Einfache Regulierung und Kulanz ................................................. 22 1. Der Begriff »Kulanz« ................................................................ 24 a) Die Billigkeitsentschädigung ................................................ 26 b) Die Liberalitätsleistung/-entschädigung ............................... 27 2. Rechtliche Qualifikation der Kulanz ......................................... 28 a) Kulanz als Schenkung........................................................... 29 b) Kulanz als Anerkenntnis oder Vergleich .............................. 30 c) Kulanz als (unselbstständige) Gefälligkeit ........................... 32 III. Einverständliche Regulierung und Urteil ...................................... 32
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Inhaltsverzeichnis
IV. Pauschale Regulierung einer Vielzahl von Schadensfällen ........... 34 V. Die entgegenkommende Regulierung als Oberbegriff ................... 36 C. Bedeutung der Regulierung und Motive des Erstversicherers .............. 37 I. Spezialreaktive Motive .................................................................. 38 1. Konkrete Regulierungskosten .................................................... 38 2. Aufrechterhaltung und Erweiterung der Kundenbeziehung ....... 39 3. Existenz eines belohnenden oder karitativen Motivs ................. 40 II. Generalreaktive Motive ................................................................. 41 1. Allgemeine Regulierungskosten ................................................ 41 2. Reputationsverlust und -gewinn ................................................ 42 3. Vermeidung von Leiturteilen und Kettenreaktionen .................. 42 III. Ergebnis mit Blick auf die weitere Untersuchung ......................... 43 D. Die Regulierung am Beispiel des Erdbebens von San Francisco 1906 ..................................................................................................... 45 I. Kurzüberblick zu den Ereignissen ................................................. 47 II. Rechtliche Ausgangssituation........................................................ 48 III. Entscheidungen der Erst- und Rückversicherer ............................. 49 1. Anfängliche Entscheidungen und Einlassungen ........................ 49 2. Einfluss der Öffentlichkeit auf die initialen Entscheidungen ..... 51 3. Einfluss von Gerichtsentscheidungen auf die initialen Entscheidungen ......................................................................... 52 4. Einflussnahme der Rückversicherer auf die initialen Entscheidungen ......................................................................... 53 IV. Erkenntnisse aus der Historie und Folgen für die Versicherungsbranche ................................................................... 56 E. Konsequenzen aus den Umständen der Regulierung............................ 58
Teil 2: Hypothesen der Folgepflicht Kapitel 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht ............... 63 A. Grundlagen der Rückversicherung ....................................................... 63 I. Zu den Ursprüngen der Rückversicherung .................................... 63 II. Merkmale eines Rückversicherungsvertrages ................................ 67 III. Rechtsquellen des Rückversicherungsvertrages ............................ 70 B. Das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers ................................ 74 I. Grundlagen des Geschäftsführungsrechts ...................................... 74 II. Der Grundsatz der freien Geschäftsführung .................................. 77 III. Verhältnis zur Folgepflicht ............................................................ 78 C. Die Folgepflicht des Rückversicherers ................................................ 80 I. Zwecke der Folgepflicht ................................................................ 81 II. Dogmatische Begründung der Folgepflicht ................................... 84
Inhaltsverzeichnis
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1. Die Folgepflicht als ergänzender Handelsbrauch bei fehlender Vereinbarung ............................................................. 85 2. Die Folgepflicht als interpretierender Handelsbrauch für die Auslegung.................................................................................. 87 3. Die Folgepflicht unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ......... 89 III. Ergebnis und Folgen für die weitere Untersuchung....................... 90 D. Der Umfang der Haftung des Rückversicherers ................................... 91 I. Quantitativ: Abgrenzung der Folgepflicht zur Schicksalsteilungspflicht ............................................................... 91 II. Sachlich: Risikobeschreibung des Rückversicherungsvertrages .... 95 III. Der Erstversicherungsfall als besondere Problematik für die Folgepflicht ................................................................................... 96 E. Gleichlauf der Regulierungsarten auch in der Rückversicherung ........ 97 I. Schematische Darstellung der Perspektive .................................... 97 II. Die Eigenart des Urteils als Regulierungsart ................................. 98 III. Gleichlauf der Regulierungsarten ................................................ 100 Kapitel 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance ................ 103 A. Prämissen der Entwicklung der Folgepflichtdogmatik....................... 103 B. Lösung 1: Nachweis der Leistungspflicht – absoluter Ansatz ............ 104 I. Vertreter im deutschen Recht ...................................................... 105 II. Quote nach Leistungspflichtwahrscheinlichkeit .......................... 106 C. Lösung 2: Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen – neologischer Ansatz ................................................................................................ 107 I. Ursprünge der Ansicht im englischen Recht ............................... 108 II. Folgerungen für eine Ex-Gratia-Ansicht im deutschen Recht ..... 110 III. Problematik der Verwendung des Begriffs »ex gratia« ............... 111 1. Maßstab der Vertretbarkeit des Bestehens des Leistungsanspruchs.................................................................. 113 2. Beiderseitige Kenntnis des Nichtbestehens der Leistungspflicht ....................................................................... 114 3. Ableitungen aus typischen Fallkonstellationen einer ExGratia-Leistung ........................................................................ 116 4. Motive des Erstversicherers für die Ex-Gratia-Leistung .......... 118 5. Abwandlung: Begrenzung auf selbstbindende Regulierung .... 120 6. Ex-Gratia-Leistungen als Vertrag zulasten des Rückversicherers?.................................................................... 121 IV. Stellungnahme: Untauglichkeit des Begriffs ............................... 123 D. Lösung 3: Begrenzung auf die gewöhnliche Geschäftsführung ......... 124 E. Lösung 4: Begrenzung durch das Interesse des Rückversicherers ..... 127 F. Lösung 5: Begrenzung auf die redliche Geschäftsführung ................. 130 I. Zu den Ursprüngen des Lösungsansatzes .................................... 131
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1. Im französischen Recht – Émérigon ........................................ 131 2. Im US-amerikanischen Recht – Supreme Court of New York, August 1805 .................................................................. 132 II. Bestätigende Rechtsprechung zum deutschen Recht ................... 134 1. Die Entscheidung des Reichsgerichts vom 13. Januar 1897 .... 135 2. Die Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts vom 14. Dezember 1878 .................................................................. 137 3. Die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 13. März 1917 .................................................................. 139 III. Ausprägungen in der Literatur zum deutschen Recht .................. 141 IV. Eigenübliche Sorgfalt und die Begrenzung auf grobe Fahrlässigkeit .............................................................................. 144 V. Stellungnahme zur Tauglichkeit des subjektiven Ansatzes ......... 145 1. Die fragwürdige Heranziehung des § 277 BGB....................... 145 2. Die einheitliche Geltung der Folgepflicht und ihre Grenzen ... 147 G. Überlegene Folgepflichtdogmatik und offene Fragen einer sechsten Lösung? ............................................................................................. 148 I. Stellungnahme zu den Lösungen ................................................. 149 II. Die Frage nach dem Sorgfaltsmaßstab der Geschäftsführung ..... 150 III. Zäsur: Kategorien zur wertenden Bestimmung der Folgepflicht . 152 1. Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung ....................................................................... 153 2. Einfluss gesetzlicher, nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben ................................................................................. 154 3. Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer ....... 154 4. Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien .................................................................................... 154
Teil 3: Kriterien zur Bestimmung der Folgepflicht Kapitel 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung ....................................................................... 159 A. Einordnung der englischen Rechtsprechung ...................................... 159 I. Die Hintergründe ......................................................................... 161 II. Begriffliche Grundlagen des englischen (Versicherungs-)Vertragsrechts ................................................... 161 III. Einflüsse auf die englischen Rechtsprechung .............................. 162 B. Erste Annäherung auf Basis der ursprünglichen Folgepflichtklauseln........................................................................... 164 I. Uzielli v. Boston Marine Insurance ............................................. 164 II. Chippendale v. Holt..................................................................... 166
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III. Western Assurance Co of Toronto v. Poole................................. 167 C. Abkehr von Chippendale v. Holt durch Klauselergänzungen ............ 169 I. Gurney v. Grimmer ..................................................................... 169 II. Excess Insurance v. Mathews ...................................................... 172 III. Sir William Garthwaite (Insurance) v. Port of Manchester Insurance ..................................................................................... 173 D. Reduzierung der Klausel auf »follow the settlements« ...................... 174 I. Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co ................. 175 1. Überblick zum Sachverhalt der Scor-Entscheidung ................. 175 2. Die Scor provisos .................................................................... 176 3. Einfluss des vermeintlich betrügerischen Verhaltens des Versicherungsnehmers............................................................. 178 4. Schlussfolgerungen aus der Scor-Entscheidung für die weitere Untersuchung .............................................................. 180 II. Hiscox v. Outhwaite .................................................................... 182 1. Das Wellington Agreement als Globalvergleich ...................... 183 2. Das Wellington Agreement unter der konkreten Folgepflichtklausel .................................................................. 185 3. Der Globalvergleich und die Folgepflicht (zweite Scor proviso) ................................................................................... 186 4. Auswirkungen von Back-to-back-Klauseln allgemein (erste Scor proviso) ........................................................................... 187 5. Folgerungen ............................................................................. 189 III. Hill v. Mercantile ........................................................................ 190 1. Der Begriff »settlement« ......................................................... 190 2. Zur Methodik einer allgemeinen Folgepflicht ......................... 191 IV. Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance.............. 193 1. Auswirkungen von Back-to-back-Klauseln im Allgemeinen (erste Scor proviso) ................................................................. 193 2. Klauselergänzung »to follow without question«...................... 195 V. Zwischenergebnis zur neueren Rechtsprechung .......................... 197 E. Der vermeintlich explizite Ausschluss von Ex-Gratia-Zahlungen ..... 198 F. Zusammenfassung und Ableitungen aus der Rückversicherungspraxis ................................................................... 200 I. Voraussetzungen der Folgepflicht nach englischem Recht.......... 200 II. Die Bedeutung der Regulierungsarten im Einzelnen ................... 203 G. Folgerungen für die Folgepflicht nach deutschem Recht ................... 205 I. Die Auswirkungen einer Back-to-back-Deckung ........................ 205 II. Ableitungen für die Intentionen der Klauselgestaltung ............... 207 III. Ergebnis für das deutsche Recht .................................................. 209
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Kapitel 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben ................................................................................. 211 A. Gesetzliche Rahmenbedingungen ...................................................... 211 B. Aussagen historischer Gesetzgeber zur Folgepflicht.......................... 212 C. Übertragung von Wertungen aus dem (Versicherungs-)Vertragsrecht ........................................................... 216 I. Analogie zu haftpflichtversicherungsrechtlichen Vorschriften des VVG ...................................................................................... 218 II. Wertungen aus schadensversicherungsrechtlichen Vorschriften . 221 1. Pflicht des Erstversicherers, Weisungen zu erteilen ................ 223 2. Pflicht des Erstversicherers, unberechtigte/übertriebene Ansprüche abzulehnen ............................................................. 224 3. Auswirkungen der Wertungen des übergegangenen Ersatzanspruchs ....................................................................... 225 III. Wertungen aus schuldrechtlichen Vorschriften ........................... 226 1. Die Folgepflicht als Fremdgeschäftsführung nach § 677 BGB......................................................................................... 226 2. Leistungsbestimmung durch den Erstversicherer nach § 315 BGB......................................................................................... 228 IV. Gesellschaftsrechtliche Vorgaben zu Regulierung und Folgepflicht ................................................................................. 231 D. Folgepflichtgrenzen auf Basis von »bona fides« und »uberrima fides«?................................................................................................ 232 I. Übertragung auf das deutsche Recht ........................................... 234 II. Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben für die Folgepflicht ................................................................................. 236 III. Der moderne »untreue« Erstversicherer? .................................... 237 E. Auswirkungen gesetzlicher Verpflichtungen des Erstversicherers..... 239 I. Pflichten des Erstversicherers zum Schutz des Versicherungsnehmers ................................................................ 240 1. Informations- und Machtgefälle als Basis von Schutzüberlegungen................................................................. 240 2. Regelkulanz und Kulanzpflicht ............................................... 242 3. Optimierungsfunktion und Gleichbehandlungsgebot ............... 243 4. Vorgaben für die Regulierung am Beispiel der Haftpflichtversicherung ........................................................... 246 5. Pflicht des Erstversicherers zur Interessenwahrung ................. 248 II. Auswirkungen der Schutzpflichten des Erstversicherers auf die Rückversicherung ........................................................................ 250 1. »Neutrale Irrelevanz« des Rückversicherungsschutzes ........... 253 2. Konsequenz: mittelbarer Durchgriff des Versicherungsnehmers? ........................................................... 254
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3. Konkrete Folgen für die Rückversicherung ............................. 255 F. Ergebnis: Wertungen für den Maßstab der Sorgfaltspflicht ............... 256 Kapitel 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer ...... 259 A. Einführung: Momente der Interessenparallelität ................................ 259 B. Entwicklung der Funktionen von Rückversicherung ......................... 261 I. Die Rückversicherung als eine Form des Risikotransfers............ 262 II. Professionelle Rückversicherer und die Atomisierung von Risiken ........................................................................................ 266 III. Bedeutung der Rückversicherung aufgrund aufsichtsrechtlicher Vorgaben ..................................................................................... 268 IV. Serviceleistungen des Rückversicherers ...................................... 270 V. Folgerungen für die Interessen der Vertragsparteien ................... 271 C. Die Makroebene des Interesses: Rückversicherungsformen und -arten ........................................................................................... 272 I. Form der Rückversicherung: obligatorisch und fakultativ........... 273 II. Art der Rückversicherung: proportional und nicht-proportional . 277 III. Ergebnis: Vorgaben für die weitere Untersuchung ...................... 281 D. Beteiligung des Erstversicherers an der Rückversicherungsunternehmung ...................................................... 282 I. Gesellschaftsrechtliche Verflechtung zwischen Erst- und Rückversicherer ........................................................................... 282 II. Der Zinsertrag des Rückversicherungsprämienaufkommens ....... 285 III. Gewinnbeteiligungen des Erstversicherers .................................. 286 IV. Der Ertrag von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmung ................................................ 287 V. Die Regulierungspraxis des Rückversicherers............................. 289 VI. Ergebnis – zur Frage der Vorteilsidentität entgegenkommender Regulierung ................................................................................. 291 E. Standardisierung der Regulierung des Erstversicherers ..................... 292 I. Leitlinien des Erstversicherers für die Regulierung ..................... 292 II. Die Kenntnis des Rückversicherers von den Leitlinien der Regulierung ................................................................................. 293 III. Technische Entwicklungen in Versicherung und Rückversicherung ........................................................................ 294 IV. Der Einfluss technischer Entwicklungen auf die Auslegung der Folgepflicht ................................................................................. 296 F. Ergebnis: Integrativer Ansatz und Interessenpriorität ........................ 298
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Kapitel 8: Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien ................................................................................... 301 A. Bedeutung (der typischen Verwendung) von Rückversicherungsklauseln ................................................................ 301 I. Vergleich mit Irrtumsklauseln ..................................................... 302 II. Einfluss von Aggregationsklauseln ............................................. 304 III. Implikationen der Insolvenz des Erstversicherers ....................... 304 B. Auswirkungen der Back-to-back-Deckung ........................................ 305 C. Einfluss auf die Regulierung durch den Rückversicherer .................. 306 I. Mitwirkungsrechte ...................................................................... 309 1. Erste Formen der Kooperationspflichten in deutscher Sprache .................................................................................... 309 2. Die claims cooperation clause am Beispiel der ScorEntscheidung ........................................................................... 310 3. Der Einfluss von claims cooperation clauses auf die Folgepflicht ............................................................................. 312 II. Die claims control clause ............................................................ 314 III. Informations- und Inspektionsrecht des Rückversicherers .......... 317 D. Der Selbstbehalt als Antwort auf die Missbrauchsgefahr................... 319 I. Der Selbstbehalt als Notwendigkeit der Rückversicherung ......... 320 II. Selbsttragung des Selbstbehalts (net retention) ........................... 322 III. Angemessenheit des Selbstbehalts .............................................. 325 IV. Folgerungen für die Folgepflicht aus dem Selbstbehalt ............... 327 E. Die Revision der Folgepflichtdogmatik – extension of reinsurance ... 328 I. Folgerungen für den Sorgfaltsmaßstab aus dem Selbstbehalt ...... 331 II. Bestätigung durch einen Vergleich mit Führungsklauseln der Mitversicherung .......................................................................... 334 III. Vorzubeugende Missbräuche durch die Begrenzung der Folgepflicht ................................................................................. 336 IV. Bestätigung durch die Bindungswirkung in der Haftpflichtversicherung ............................................................... 337 V. Der Ausschluss der Folgepflicht bei Kollusion und Evidenz ...... 338 VI. Bestätigung durch einen Vergleich mit dem Recht der Stellvertretung ............................................................................. 340 VII. Konsequenzen für die Rückversicherungspraxis ......................... 343
Teil 4: Zusammenfassende Stellungnahme Kapitel 9: Epilog – Ergebnisse und Auswirkungen................................... 349 A. Ergebnisse in Form von Thesen ......................................................... 349 B. Bedeutung für die Rückversicherungsvertragsgestaltung .................. 352
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C. Auswirkungen auf die Folgepflicht der Retrozession ........................ 355 D. Ein Ausblick: Rückversicherungsrecht de lege ferenda und de lege lata ..................................................................................................... 358 I. Gesetzgeberische Ambitionen für die Rückversicherung ............ 358 II. Aufsichtsrechtliche Tragweite der Folgepflicht........................... 360 III. Wahl des deutschen Rechts und Verhältnis zum englischen Recht ........................................................................................... 362 Kapitel 10: Executive Summary in English ................................................. 365 A. Premises: Claims Settlement in Primary Insurance (ch. 2) ................ 367 B. Trade Customs and Methodological Approach (ch. 3 and 4) ............. 367 C. Criteria to Determine Follow-the-Settlements ................................... 368 I. Linguistic Developments of Follow-the-Settlements Clauses (ch. 5) .......................................................................................... 368 II. Statutory (not Reinsurance-specific) Provisions of German Law (ch. 6) .................................................................................. 369 III. The Interests of Both Parties to the Reinsurance Contract (ch. 7) .......................................................................................... 370 IV. The Parties’ Intentions Reflected by Other Clauses of the Contract (ch. 8)............................................................................ 371 D. Implications of the Study’s Conclusions (ch. 9) ................................ 372 Literaturverzeichnis .................................................................................... 375 Verzeichnis deutscher Rechtsprechung ...................................................... 391 Verzeichnis ausländischer Rechtsprechung ................................................ 395 Verzeichnis der Rechtsquellen und Materialien.......................................... 399 Sach- und Paragraphenregister ................................................................... 401
Abkürzungsverzeichnis & §; §§ a.A. a.F. Abl. EU AC ADHGB AG AGB AGG AIDA AktG ALR 1794 ARIAS Art; Artt. AT ATC Aufl. AVB BaFin BAG Bd. BeckOK-BGB Begr. Berkshire Hathaway Re BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ bspw. BT-Drs. Burr BVerfG
and (und) Paragraph; Paragraphe andere Ansicht alte Fassung Amtsblatt der Europäischen Union Appeal Cases Law Reports (Entscheidungssammlung) Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Aktiengesellschaft (als Gesellschaftsform) bzw. Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) bzw. Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Association Internationale de Droit des Assurances Aktiengesetz Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 AIDA Reinsurance and Insurance Arbitration Society Artikel; Artikel (Plural) Allgemeiner Teil Africa Trading Company [Liberia] Auflage Allgemeine Versicherungsbedingungen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Band/Bände Beck-Online-Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Begründer/-in/-innen Berkshire Hathaway Reinsurance Group (bzw. ihre Rechtsvorgänger) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Entscheidungssammlung) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Entscheidungssammlung) beispielsweise Bundestags-Drucksache Burrow’s (nominate) Reports (Kürzel des Gerichtsschreibers) Bundesverfassungsgericht
XX BVerfGE bzw. ca. ch. Cir. Co Cologne Re Com Cas Concordia Corp D&O d.h. DB Diss. DJZ Dr. e.g. e.V. Ed. ER Ergo etc. EU EWCA Civ EWHC f.; ff. FA-Handbuch FinRVV Fn. FSA GDV GG gk. GmbH GVG h.M. Habil. Hannover Re HdV Herv. d. Verf. HGB HGZ Hrsg.
Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidungssammlung) beziehungsweise circa (ungefähr) chapter/-s (Kapitel/Kapitel) US Circuit Court Company Kölnische Rückversicherungs-Gesellschaft AG (bzw. ihre Rechtsvorgänger) Commercial Cases (Entscheidungssammlung) Concordia VVaG (bzw. ihre Rechtsvorgänger) Corporation (Körperschaft) Directors’ and Officers’ Liability (Vermögensschadenhaftpflicht) das heißt Der Betrieb (Zeitschrift) Dissertation Deutsche Juristen-Zeitung Doktor/-in exempli gratia (zum Beispiel) eingetragener Verein Edition English Reports (Entscheidungssammlung) Ergo Group AG (bzw. ihre Rechtsvorgänger) et cetera (und so weiter) Europäische Union England and Wales Court of Appeal (Civil Division) Decisions (Entscheidungssammlung) England and Wales High Court of Justice Decisions (Entscheidungssammlung) folgende; folgende Fachanwaltshandbuch Finanzrückversicherungsverordnung Fußnote/-n Financial Services Authority Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Grundgesetz gekürzt wiedergegeben Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gerichtsverfahrensgesetz herrschende Meinung Habilitationsschrift Hannover Rück SE (bzw. ihre Rechtsvorgänger) Handwörterbuch der Versicherung Hervorhebung durch den Verfasser Handelsgesetzbuch Hanseatische Gerichts-Zeitung (Entscheidungssammlung) Herausgeber/-in/-innen
Abkürzungsverzeichnis I, II, III etc. i.e. i.V.m. ICA ICIR IDD Inc insb. ITV Mitt J JuS JZ Kap. KB Kfz LG lit.; litt. LJ Lloyd’s Rep Lloyd’s Rep IR Ltd LTO m.w.N. MaGo MüKo Munich Re NJW NJW-RR No Nr. NVwZ NZA OLG OR PEICL PflVG Plc PML PRICL Prof. QB
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Absatz 1, 2, 3 etc. (nach §/§§ oder Art./Artt.) id est (das heißt) in Verbindung mit Insurance Company of Africa International Center for Insurance Regulation Insurance Distribution Directive (Versicherungsvertriebsrichtlinie) Incorporated (siehe Corp) insbesondere Mitteilungen des Internationalen Transport-VersicherungsVerbandes (Zeitschrift) Mr. Justice (High Court Judge); Judge Juristische Schulung (Zeitschrift) JuristenZeitung (Zeitschrift) Kapitel King’s Bench Division (Entscheidungssammlung) Kraftfahrzeug Landgericht litera; litterae (Buchstabe; Buchstaben) Lord Justice (Court of Appeal Judge) Lloyd’s Law Reports (Entscheidungssammlung; vor 1968 Lloyd’s List Law Reports) Lloyd’s Law Reports Insurance & Reinsurance (Entscheidungssammlung) Limited (englische haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaft) Legal Tribune Online (Rechtsmagazin der Wolters Kluwer Deutschland GmbH) mit weiteren Nachweisen Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen Münchener Kommentar Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG (bzw. ihre Rechtsvorgänger) Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Number/-s (Nummer/n) Nummer/-n Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Oberlandesgericht Obligationenrecht der Schweiz Principles of European Insurance Contract Law Pflichtversicherungsgesetz Public limited company (englische Aktiengesellschaft) Probable Maximum Loss Principles of Reinsurance Contract Law Professor/-in Queen’s Bench Division (Entscheidungssammlung)
XXII r+s Red. RG RGZ Rn. ROHG S. SA SchiedsVZ Scor SE SLR sog. Sp. SpA StPO Swiss Re Talanx TLR u.a. Übersetzung d. Verf. UK UKHL UNCITRAL URL Urt. v. US v. v. Chr. VAG VerAfP VerBAV VersPrax VersR vgl. VVaG VVG VW WLR WM z.B. ZfS
Abkürzungsverzeichnis Recht und Schaden (Zeitschrift) Redakteur/in Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Entscheidungssammlung) Randnummer/n Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts (Entscheidungssammlung) Seite/n South African Law Reports (Entscheidungssammlung) bzw. Sociedad Anónima (mexikanische Aktiengesellschaft) Zeitschrift für Schiedsverfahren Scor SE (bzw. ihre Rechtsvorgänger) Societas Europeae (Europäische Aktiengesellschaft) Singapore Law Reports (Entscheidungssammlung) sogenannte/r/s/n Spalte/n Società per Azioni (italienische Aktiengesellschaft) Strafprozessordnung Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft AG (bzw. ihre Rechtsvorgänger) Talanx AG (bzw. ihre Rechtsvorgänger) Times Law Reports UK (Entscheidungssammlung) und andere/unter anderem Übersetzung durch den Verfasser United Kingdom (Großbritannien) United Kingdom House of Lords, Parliament (Entscheidungssammlung) United Nations Commission on International Trade Law Uniform Resource Locator (Internet-Quellenadressierung) Urteil vom Bezug zu den Vereinigten Staaten von Amerika versus (gegenübergestellt) vor Christi Geburt Versicherungsaufsichtsgesetz Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherungen Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamts für Versicherungen Die VersicherungsPraxis (Zeitschrift) Versicherungsrecht (Zeitschrift) vergleiche Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Versicherungsvertragsgesetz Versicherungswirtschaft (Zeitschrift) Weekly Law Reports UK (Entscheidungssammlung) Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Schadensrecht
Abkürzungsverzeichnis ZfV ZGS ZHR Ziff. zit. ZJS ZPO ZVersWiss
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Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für das Gesamte Schuldrecht (jetzt Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht) Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer/-n zitiert als Zeitschrift für das Juristische Studium Zivilprozessordnung Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft
Teil 1
Ausgangsproblematik der Rückversicherung
Kapitel 1
Prolog – tension of reinsurance in der modernen Rückversicherung A. Problemaufriss »These tensions have revealed themselves for a century in successive reformulations of the clause. They can also be seen in the strenuous efforts by the courts to maintain some continuity of principle, by applying prior decisions given on one form of clause in one state of facts to another form of clause in a different state of facts. I find this process unfruitful.«*
Einem unvoreingenommenen Beobachter der Rückversicherung muss sich nach Lektüre rückversicherungsrechtlicher Literatur der Eindruck aufdrängen, dass die Folgepflicht des Rückversicherers einhellig und eindeutig definiert ist. Allein, diese scheinbare Finalität wäre ein Trugschluss und – erschwerend – eine nur vermeintlich historisch genährte und gewachsene Sichtweise, die als Mythos der Rückversicherung beschrieben werden kann: als Mythos der Vertrags- und Rechtssicherheit der Haftung des Rückversicherers, deren Kern die sog. Folgepflicht bildet. Die Folgepflicht beschreibt die Bindung des Rückversicherers an die Entscheidungen des Erstversicherers, die dieser im Rahmen seines Geschäftsführungsrechts trifft. Zwar ist die Geltung dieser Folgepflicht im deutschen Recht im Grundsatz allgemein anerkannt. Der Bedeutung dieses hoch professionalisierten Wirtschaftssegments der Rückversicherung mit weltweiten Beitragseinnahmen in Höhe von fast 200 Milliarden US-Dollar1 werden ihre begrifflichen und wertungsmäßigen Unbestimmtheiten indes nicht gerecht2 – überdies auch nicht die scheinbar naturgesetzliche Folgepflichtbestimmung auf Basis von Fahrlässigkeitsgraden.3 Die auch volkswirtschaftlich herausragende Bedeutung der Rückversicherung ist nicht erst eine neuzeitliche Erscheinung, sondern bereits früh in der internationalen Verflechtung des Rückversicherungsmarkts zum Zweck der Ri* Lord Mustill in Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1252). 1 Zahlen aus GDV, Statistisches Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2018, S. 131. 2 Auch Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 132. 3 So aber die wohl h.M. zur Folgepflicht im deutschen Recht, siehe S. 130 ff.
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Kap. 1: Prolog – tension of reinsurance in der modernen Rückversicherung
sikostreuung – der sog. Atomisierung von Risiken – zu erkennen. Die Rückversicherung ist daher nicht erst durch die Globalisierung des 20. und 21. Jahrhunderts international ausgestaltet, sondern bereits in ihrer Konzeption grenzübergreifend angelegt.4 Trotz der Dominanz des englischen Markts durch die verbreitete Wahl des englischen Rechts spielte Deutschland als wichtigstes Exportland von Rückversicherungsprodukten bereits früh eine zentrale Rolle in der Entwicklung der Rückversicherung, da professionelle, d.h. nur Rückversicherungsgeschäft zeichnende Rückversicherer zunächst in Deutschland auftraten5 und die Bruttoprämien bereits 1913 eine Höhe von 300 Millionen Mark,6 nach heutiger Kaufkraft ca. 1,558 Milliarden Euro, erreichten. Der Rückversicherungsvertrag steht naturgemäß in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Erstversicherungsvertrag und sorgt für einen Schadensausgleich zwischen Erst- und Rückversicherer. Zugleich setzt sich der Rückversicherer geradezu zwangsläufig der Gestaltungsfreiheit des Erstversicherers in Bezug auf dessen Versicherungsverträge mit dessen Versicherungsnehmer aus. Ausfluss dieses Grundgedankens ist, dass eine Folgepflicht des Rückversicherers auch bei Zweifeln über das Bestehen oder Nichtbestehen der Leistungspflicht im Erstversicherungsverhältnis und gleichwohl erfolgter Zahlung des Erstversicherers nicht von vornherein ausscheiden kann. Es mag zunächst erstaunen, dass eine Partei im rein unternehmerischen Bereich der Rückversicherung für ein womöglich willkürlich erscheinendes Verhalten der anderen Partei in Bezug auf ein anderes Vertragsverhältnis (wenn auch bedingt) haften sollte. Diese außergewöhnliche Verknüpfung von Vertragsverhältnissen ist ein Spezifikum der Rückversicherung und erklärt sich aus dem Gegenstand der Rückversicherung, der untrennbar mit der Erstversicherung verbunden ist. Besondere Probleme wirft im Zusammenhang mit der Folgepflicht regelmäßig die Vielfalt der Regulierung7 des Erstversicherers auf. Die Regulierung ist nicht nur Gestaltungsmittel des Erstversicherers, sondern vielmehr auch in ihrer Vielgestaltigkeit eine Notwendigkeit im Erstversicherungsverhältnis. Ihre besondere Brisanz ergibt sich aus der Veränderlichkeit von Recht. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist Recht kein vorbestimmtes Gebilde im Sinne eines Naturgesetzes, das gesellschafts- und entwicklungsunabhängig konkrete Rechtsfragen mit ebenso konkreten und unveränderlichen Antworten versieht.8 Zu diesem unvorhersehbaren Entwicklungsprozess tritt die dadurch bedingte Statt vieler Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 783 f. So Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 17 am Beispiel der Kölnischen Rückversicherungs-Gesellschaft, die bereits 1852 gegründet wurde, und Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 24 ff., am Beispiel der Munich Re, die wenig später im Jahr 1880 gegründet wurde. 6 Von Hollitscher, Internationale Rückversicherung, S. 101 – wobei weniger als ein Viertel der Prämieneinnahmen im Inland generiert wurden. 7 Ausführlich zum Begriff auf S. 21 f. 8 Siehe eindrücklich hierzu am Beispiel des Volksstamms der Nuer Wesel, Juristische Weltkunde, S. 21 ff. 4 5
A. Problemaufriss
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Abstraktheit des Rechts9 – und der Versicherung als Rechtsprodukt anhand der von den Versicherern verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB).10 Die Rückversicherung scheint in ihrer Abhängigkeit von der Erstversicherung eine definitive Beantwortung der Frage der Leistungspflicht des Erstversicherers geradezu vorauszusetzen. Eigen ist ihr aber ein Moment der nicht zu beseitigenden Ungewissheit, da es im Erstversicherungsverhältnis keine »hundertprozentige« Leistungspflicht geben wird. Bestreben kann es daher nicht sein, in dieser Hinsicht abschließend Klarheit zu schaffen. Der Erstversicherer hat grundsätzlich ein Interesse an der Erstattung seiner durch die Ausübung seines Regulierungsermessens entstandenen Kosten. Er trägt, wenn er bei seiner Regulierung noch nicht absehen kann, ob der Rückversicherer leisten wird, das Risiko, die Kosten vollständig selbst tragen zu müssen, obschon er gerade für diesen Fall Rückversicherungsschutz gesucht hat. Der Rückversicherer hingegen ist daran interessiert, dem in manchen Fällen entgegenzuhalten, dass diese Kosten nicht genuine versicherungsvertragliche Kosten sind und der Erstversicherer nicht oder nur in niedrigerer Höhe verpflichtet gewesen sei. Wurde die Ungewissheit der Beantwortung der Frage nach der Leistungspflicht daher zwar auf erster Ebene im Erstversicherungsverhältnis durch ein Entgegenkommen des Erstversicherers vermieden, so kehrt sie auf zweiter Ebene für die Folgepflicht zurück und wirft dort erneut Fragen auf – nunmehr im Gewand der besonderen Interessenlage der Rückversicherungsparteien. Der Erstversicherer bedient sich im Rahmen seiner Regulierung auch der Kulanz und Instrumenten wie des Vergleichs oder Sonderformen wie dem Globalvergleich.11 Diese Regulierungsarten können für den Versicherungsnehmer zu einem günstigen Ergebnis führen – und auch der Erstversicherer selbst spart Zeit und Kosten infolge einer Vermeidung der intensiven Beantwortung der Haftungsfrage bzw. der prozessualen Auseinandersetzung. Dem gegenüber steht das Interesse des Rückversicherers, seine Haftung nicht allein von der Willkür des Erstversicherers abhängig zu machen. Dieses Verhältnis ist als integrale Frage der Rückversicherung prägnant mit tension of reinsurance zu überschreiben und bildet den Gegenstand dieser Untersuchung.12 Dies gilt insb. auch für das VVG, welches bspw. auch neu aufgesetzten Versicherungsprodukten eine zufriedenstellende vertragsrechtliche Basis bereiten soll; so bereits instruktiv die Einlassung von Dove, 26. Sitzung zu Beratungen über die Entwürfe eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 23. Januar 1906, abgedruckt in Motive zum VVG 1908, S. 585. 10 Im Ganzen Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt. 11 Diese werden im Einzelnen in Kapitel 2 definiert (S. 15 ff.). 12 Vgl. die Formulierung von Lord Mustill in Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1251 f.); aufgegriffen und im Sinne dieser Untersuchung verstanden von Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 29.3 (auch Rn. 29.81); ebenso von Croly/Jefferies/Greenwald/Dallmayr, 2012 European Insurance Law 9
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Kap. 1: Prolog – tension of reinsurance in der modernen Rückversicherung
B. Moderne Entwicklungen der Rückversicherung »Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.«*
Das Phänomen »Rückversicherung« wurde sowohl in Gesetzgebung und Rechtsprechung als auch in der Wissenschaft meist nur oberflächlich behandelt. Wenn allerdings gesetzliche Normen nicht existieren 13 und Rechtsprechung aufgrund der Praxis, Schiedsgerichte zu bemühen14 – deren Schiedssprüche zudem nahezu ausnahmslos vertraulich sind –, nur rudimentär vorhanden ist, 15 erklärt sich das Fehlen wissenschaftlicher Literatur bereits durch den nicht in ausreichendem Maß zugänglichen Untersuchungsgegenstand16. In der rückversicherungsrechtlichen Literatur behilft man sich aus diesem Grund vielfach mit Handelsbräuchen, um die Rückversicherungspraxis abzubilden und zur Norm zu befördern. Die Erwartungen, die an eine solche Qualifizierung gestellt werden können, sind allerdings nicht zu überschätzen.17 Hinzu tritt die internationale Prägung der Rückversicherung, die sich insbesondere in der Beeinflussung durch die englische Sprache zeigt;18 und damit verbunden ebenfalls durch die englische Rechtsprechung. Wie keine andere Branche ist nicht nur das deutsche Recht der Rückversicherung, auch aufgrund der Vertraulichkeit von Schiedssprüchen, von der herausragenden Bedeutung des Londoner Markts (Lloyd’s) 19 sowie der englischen Rechtsprechung geprägt. 20 Und es liegt in der Natur der Rechtsprechung des ursprünglichsten Review, S. 17 (26) und bei Merkin/Henley, A Guide to Reinsurance Law, S. 264; siehe zum Vollzitat unten S. 210. * Johann Wolfgang von Goethe, Faust I (1808), Studierzimmer (II) – Teufelspakt, Schülerszene. 13 Siehe ausführlich in Kapitel 6 (S. 211 ff.). 14 Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 14. 15 Looschelders, VersR 2012, S. 1 (1); hieraus erklärt sich auch die Unmöglichkeit der Ableitung allgemeiner Aussagen aus dieser »unvollständigen« Rechtsquelle, so auch Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 75; Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 135 f. 16 Obschon gerade im Vergleich mit England und bezogen auf die Bundesrepublik für die Fortentwicklung des Rechts im Allgemeinen eine herausragende Bedeutung von rechtswissenschaftlicher Literatur festzustellen ist. 17 Siehe S. 87 ff. im Ganzen. 18 Triebel, in Liber amicorum Winter, S. 619 (619 f.). 19 Lloyd’s (bzw. Lloyd’s of London) ist ein internationaler Versicherungsmarkt mit Sitz in London. Für die Untersuchung der Rückversicherung ergibt sich hieraus jedoch kein Unterschied zu einer nach klassischem Bild geschaffenen Rückversicherung. Ausschlaggebend für eine Anwendung rechtlicher Grundsätze auf derartige Rückversicherungsverträge kann lediglich das auf den Vertrag anwendbare Recht sein; zum Abschluss eines Vertrages über Lloyd’s Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 242 und im Ganzen Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 23.1 ff. 20 Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (528 f.).
B. Moderne Entwicklungen der Rückversicherung
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Common Law-Rechtssystems, dass auch die ältere Rechtsprechung nicht an Ausstrahlungskraft verliert, sondern nach wie vor als Referenz dient.21 Darüber hinaus ist das deutsche Rückversicherungsrecht aufgrund des fehlenden Rahmens geschriebenen Rechts einer dem Common Law eigenen Ausgangssituation vergleichbar. 22 Erheblich sind daher ebenfalls im Vergleich zu anderen Rechtsbereichen ungleich ältere deutsche Rechtsprechung und Literatur.23 Zudem ist die wenige Literatur zum deutschen Rückversicherungsvertragsrecht durchsetzt von Bezügen zu englischer Rechtsprechung und englischen Vertragsklauseln.24 In Anbetracht neuer rechtlicher und politischer Rahmenbedingungen wird häufig von einer Zäsur der deutschen Versicherungswirtschaft gesprochen.25 Diese Beobachtung trifft neben der EU-rechtlichen Warte auch auf globale Veränderungen zu. Zu diesen Veränderungen zählen erhöhte Anforderungen an Verbraucherschutz, Solvabilität, Transparenz und Information sowie veränderte Rahmenbedingungen wie Globalisierung, technischer Fortschritt und Ratingstrukturen.26 Darüber hinaus sind auch speziell im rückversicherungsrechtlichen Bereich Bestrebungen einer Verrechtlichung zu beobachten. So ist der Gesetzgeber zu einer Aufsicht auch über die Rückversicherungsunternehmen übergegangen.27 Zugleich beschäftigt sich beispielsweise das Projekt Principles of Reinsurance Contract Law (PRICL) mit der Destillierung internationaler Prinzipen des Rückversicherungsvertragsrechts. 28 Sie stellen ein wählbares
Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 1. Vgl. MacLeod, in Hellwege, Comparative History of Insurance Law, S. 149 (149 f.). 23 Beispielhaft für den Versicherungs- und Rückversicherungsvertrag Carter v. Boehm [1766] 3 Burr 1905 (1909). 24 Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 119; im Überblick Thomas, VW 2005, S. 611. 25 So P. Koch, Geschichte der Versicherungswissenschaft in Deutschland, S. 391 f.; zur Europäisierung des Versicherungsrechts und zum Fortschritt in der Versicherungsbranche, Präve/Schreier, VersR 2018, S. 1349 (1353 ff.). 26 Vgl. P. Koch, Geschichte der Versicherungswissenschaft in Deutschland, S. 392. 27 Mit dem vierten Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002, BGBl. I, S. 2010 durch § 1a VAG a.F.; Heute in Form der Solvency II-Richtlinie; siehe näher hierzu Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 2, § 209 Rn. 36 ff.; auch im US-amerikanische Recht sind derartige Bewegungen festzustellen Stenberg, ZfV 1992, S. 529 (533 f.); zuvor in der EWG Theye, Die Staatsaufsicht über die Rückversicherungsunternehmen, S. 21 ff.; übergreifend zur Rückversicherungsaufsicht Kößler, Die Versicherungsaufsicht über Rückversicherungsunternehmen. 28 Siehe für einen Überblick Bork/Wandt, VersR 2019, S. 1113; ausführlich zur Verortung und Rechtswahl der PRICL Heiss, Scandinavian Studies in Law 2018, S. 91; auch Wandt/Gal, ICIR Annual Report 2016-2017, S. 60. 21 22
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Kap. 1: Prolog – tension of reinsurance in der modernen Rückversicherung
Soft Law dar, welchem Ziele der Rechts- und Vertragssicherheit zugrunde liegen.29 Die PRICL sollen als Anleitung zum Verständnis der Rückversicherung auch in diese Untersuchung Eingang finden.30 Dieser Befund der fortschreitenden Verrechtlichung jedes Bereichs der Versicherung zeigt sich auch für die Rückversicherungsbranche selbst. Gingen die Parteien des Rückversicherungsvertrages seit jeher meist gütlich auseinander bzw. ließen es gar nicht erst zu einem Verfahren kommen,31 ist in neuerer Zeit eine zunehmende Härte der Streitigkeiten zu beobachten, die auch dazu führt, dass Gerichte und Schiedsgerichte immer häufiger mit dem Rückversicherungsrecht in Berührung kommen.32 Diese Entwicklungen fasst Stenberg am Beispiel des US-amerikanischen Markts bildhaft zusammen: »In der einst sorgsam gehegten und gepflegten amerikanischen Landschaft der Rückversicherung ist es in letzter Zeit zu dschungelähnlichen Auswüchsen gekommen. Die Spezies des Gentleman unter den Rückversicherern scheint darin dem Aussterben nahe, bedroht durch skrupellose Geschäftsleute, einen schonungslosen Wettbewerb, ein ungebändigtes Rechtssystem und feindlich gesinnte Aufsichtsbehörden.«33
Vor dem Hintergrund dieser gesteigerten jurisprudentialen Draufsicht erstaunt es, dass die Rückversicherungsverträge immer noch mittels lediglich stichwortartiger slips nach dem Motto deal now, details later34 erst unter nachgeschalteter Vertragsdokumentation35 abgeschlossen werden.36 Nicht nur der Judikative wäre in dieser Hinsicht mit einer gesteigerten Vertrags- und Rechtssicherheit geholfen.37 Auch aus regulatorischer Perspektive mag sich eine rechtsPRICL, Introduction, S. 5; Heiss, Scandinavian Studies in Law 2018, S. 91 (101 ff.). So auch deren Selbstverständnis über ihre Nutzbarkeit, PRICL, Introduction, S. 5. 31 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 502; siehe auch die Erläuterungen bei Franz/ Keune, VersR 2013, S. 12 (12) und Heiss, Scandinavian Studies in Law 2018, S. 91 (92 f.). 32 So die Beobachtung einer Vielzahl von Autoren: Busse/Taylor/Justen, SchiedsVZ 2008, S. 1 (3); Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 165; Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (528); Isenbart, VW 11/2015, S. 44 (44); Hu. Labes, VersR 1996, S. 1461 (1461); Lüer/Schwepcke/Busse/Hu. Labes, Rückversicherungsrecht, § 18 Rn. 78 Rn. 1 f.; Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 14 f.; zu damit einhergehenden Fragestellungen, die aus der Internationalität von Rückversicherung resultieren, im Ganzen Stammel, Waving the Gentlemen’s Business Goodbye. Auch die Rechtsprechung selbst hat diese Entwicklung erkannt, Compagnie de Reassurance d’Ile de France v. New England Reinsurance Corp, 944 f. Supp. 986, 993 (District of Massachusetts 1996). 33 Stenberg, ZfV 1992, S. 529 (529). 34 Siehe die Beschreibungen bei London Market Group, Contract Certainty. 35 Nach Gerathewohl hat dies auch zur Folge, dass ein ab Januar laufender Rückversicherungsvertrag erst im Sommer des gleichen Jahres abgeschlossen wird (Rückversicherung Bd. 1, S. 652). 36 Siehe als Beispiel in neuerer Zeit die hieraus resultierenden Schwierigkeiten in Wise (Underwriting Agency) Ltd v. Grupo Nacional Provincial SA [2004] EWCA Civ 962. 37 Gerade der Folgepflicht wohnt insofern ein gewisses Streitpotential inne, Isenbart, VW 11/2015, S. 44 (44 f.). 29 30
C. Was kann eine Untersuchung der Folgepflicht leisten?
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wissenschaftliche Erfassung für die Zukunft ergeben. Hieraus haben sich bereits entsprechende Forderungen an die Branche ergeben. Dies demonstriert eindrucksvoll die unter dem Stichwort contract certainty geführte Diskussion im englischsprachigen Rechtsraum.38 Diese Umstände könnten Stimmen nähren, die eine Verrechtlichung der Rückversicherung in der Weise einfordern, dass für die Haftung des Rückversicherers, als ihr zentrales Element, (de lege lata oder de lege ferenda) eine eindeutige rechtliche Basis geschaffen wird.39 Diese Verrechtlichung müsste unweigerlich die Regulierungspraktiken des Erstversicherers als Bezugspunkt der Folgepflicht adressieren, und Gerichte (wie auch der Gesetzgeber) kämen nicht umhin, die Regulierungspraxis des Rückversicherers unter die Lupe zu nehmen.40
C. Was kann eine Untersuchung der Folgepflicht leisten? »Hinc omne principium, huc refer exitum.«*
Der Erstversicherer konnte sich bislang darauf verlassen, dass der Rückversicherer seiner Regulierung jedenfalls dann folgt, wenn die Regulierungsentscheidung des Erstversicherers auch seiner eigenen rechtlich-ökonomischen Wertung entsprach. Selbst eine Regulierung, die nicht den Interessen des Rückversicherers entsprach, wurde häufig goutiert.41 Weder die Frage, ob der Erstversicherer leistungspflichtig war, noch, ob der Rückversicherer seinerseits haftete, musste in diesem Umfeld einer belastbaren rechtlichen Lösung zugeführt werden. Auch vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass die rechtliche Lösung der Haftungsfrage des Rückversicherers über lange Zeit schlicht reiteriert wurde und dadurch der Eindruck entstand, es bestünde eine Rückversicherungspraxis, die nach Fahrlässigkeitsgraden differenziert.42 Rechtlich fragwürdig wurde diese Sichtweise nach und nach mit vermeintlich aussagekräftigen vertragsrechtlichen Vorschriften begründet. Allerdings handelt es sich hierbei nicht schon deshalb um eine Rückversicherungspraxis oder eine rückversicherungsspezifische Wertung. Die Folgepflicht des Rückversicherers Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 545 f.; in Bezug auf slips im Allgemeinen dort Rn. 240; im Zusammenspiel mit Lloyd’s Merkin/Merkin, A Guide to Reinsurance Law, S. 83 ff. 39 So bspw. für das englische Recht in Bezug auf Erst- und Rückversicherung die englische Finanzaufsichtsbehörde, FSA, Presseerklärung vom 24. Januar 2007. 40 Stenberg, ZfV 1992, S. 529 (530). * Horaz, Carmina 3, 6, 6: »Von hier nimm den Anfang, hierauf beziehe das Ende« [Übersetzung d. Verf.]; abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 125. 41 Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 25. 42 Ausführlich hierzu S. 144 ff. 38
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Kap. 1: Prolog – tension of reinsurance in der modernen Rückversicherung
kann vielmehr nur auf Basis einer umfassenden Untersuchung der tension of reinsurance nachvollzogen und neu betrachtet werden. Ziel der Arbeit ist daher die Überprüfung von Methodik und Dogmatik der Bestimmung der Folgepflicht, die Aufdeckung der die Folgepflicht beeinflussenden Wertungen und die Herausbildung verallgemeinerbarer Aussagen hierzu. Mehr noch ist die Terminologie der Rückversicherungsverträge für das deutsche Recht durch internationale sprachliche Überlagerungen aber auch durch die relative Kürze und die hierdurch bedingte Pauschalität der Rückversicherungsverträge vielfach uneinheitlich. Die Untersuchung muss daher auch die begriffliche Klärung und die Aufklärung über die Rückversicherung selbst, die im rechtswissenschaftlichen Diskurs bisher nur wenig Beachtung fand,43 zum Gegenstand haben.44 Die Untersuchung versteht sich daher auch als Wegbereiter für das rechtliche Verständnis der Rückversicherung. Gegenstand der Untersuchung ist deutsches Recht. Trotz der Internationalität der Rückversicherung nimmt der deutsche Rückversicherungsmarkt nicht nur vor seinem historischen Hintergrund eine besondere Stellung ein. Der Zuschnitt auf deutsches Recht ist zudem zwingend erforderlich, da es ein internationales Recht der Rückversicherung nicht gibt. Zwar existiert ein gewisser durch die Internationalität bedingter Gleichlauf wesentlicher Grundsätze der Rückversicherung. Wie Pfeiffer zu Recht feststellt, trifft dies jedoch insbesondere auf Kulanzzahlungen und die Folgepflicht des Rückversicherers nicht zu.45 Hier gilt es insbesondere, das englische Recht in seiner Parallelität und seiner Divergenz zu betrachten – dies bedingt aber auch die nur rudimentäre Analyse beispielsweise des US-amerikanischen Verständnisses der Folgepflicht. Die Relevanz des englischen Rechts ergibt sich primär aus den hierzu ergangenen Urteilen, die bereits aufgrund ihrer Quantität eine hohe Ausstrahlungswirkung auf die Kommentatoren anderer Rechtsordnungen, wie der deutschen, haben.46 Zudem bleiben die Ergebnisse der Untersuchung nicht auf eine bestimmte Rückversicherungsart oder Rückversicherungsform begrenzt. Im Einklang mit den zur Folgepflicht vertretenen Meinungen soll ihnen gerade eine möglichst generelle Anwendbarkeit zukommen. Auch liegt der Fokus der Untersuchung der Folgepflicht auf der besonderen Problematik47 der Regulierungsentschei-
43 Zuletzt zur untersuchungsgegenständlichen Frage die Arbeit von Kothris (Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung) aus dem Jahr 1974. 44 Vgl. Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (351). 45 Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 14. 46 Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 15. 47 So auch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 521; und die Einschätzung in Art. 2.4.3 PRICL (C3 f.).
D. Zentrale Weichenstellungen
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dungen des Erstversicherers. Dieser Zuschnitt spiegelt sich auch im englischsprachigen Rechtsraum durch den auf die Regulierung gemünzten Begriff follow-the-settlements wider.48
D. Zentrale Weichenstellungen »Ordnung und Sichtung sind der Anfang der Beherrschung, und der furchtbare Feind ist der unbekannte.«*
I.
Verwendete Begriffe
Rückversicherung kann allgemein (und international) als Versicherung der Versicherung bezeichnet werden,49 d.h. sie versichert die Gefahr, die ein Erstversicherer im Rahmen eines Versicherungsvertrages übernommen hat.50 Der Versicherungsvertrag, durch welchen die Gefahr übernommen wurde, ist üblicherweise Erstversicherungsvertrag, kann allerdings auch selbst ein Rückversicherungsvertrag sein. In letzterem Fall ist die Bezeichnung als Retrozessionsvertrag üblich.51 Eine Legaldefinition der Rückversicherung war bis zum 1. Januar 2008 in § 779 HGB a.F. enthalten, findet sich allerdings nunmehr nur noch in der aufsichtsrechtlichen, zweckgerichteten Begriffsbestimmung der Solvency II-Richtlinie. Demnach umfasst »Rückversicherung« gemäß Art. 13 Nr. 7 lit. a Solvency II-Richtlinie aus einer aufsichtsrechtlichen Perspektive die Tätigkeit der Übernahme von Risiken, die von einem Versicherungsunternehmen abgegeben werden.52 In Literatur und Rechtsprechung werden verschiedenste Begriffe verwendet, um die Parteien eines Rückversicherungsvertrages zu bezeichnen.53 Die Untersuchung soll jedoch aus Vereinheitlichungs- und Verständnisaspekten mit den Begriffen Erstversicherungsverhältnis bzw. -vertrag (Beziehung zwischen Erstversicherungsnehmer und Erstversicherer) und Rückversicherungsverhältnis bzw. -vertrag (Beziehung zwischen Rückversicherungsnehmer und Rückversicherer) verfahren. Ebenso beschreibt im Rahmen dieser Untersuchung der Siehe hierzu insb. S. 161 f. Thomas Mann, Der Zauberberg Bd. 1, 1929, S. 414. 49 Travelers Casualty & Surety Co of Europe Ltd v. Commissioners of Customs and Excise [2006] Lloyd’s Rep IR 63. 50 Siehe Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 3. 51 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 3, 202. 52 Zum anderen nennt Art. 13 Nr. 7 lit. b Solvency II-Richtlinie auch Lloyd’s: »[…] Tätigkeit der Übernahme von Risiken, die von einem Mitglied von Lloyd’s abgetreten werden, durch ein nicht der als Lloyd’s bezeichneten Vereinigung von Versicherern angehörendes Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen«. 53 Ausführlich Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 196 ff. 48 *
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Kap. 1: Prolog – tension of reinsurance in der modernen Rückversicherung
Begriff »Rückversicherung« die Versicherung der im Rahmen eines Erstversicherungsvertrages durch einen Erstversicherer übernommenen Gefahr; jede nachgeschaltete Rückversicherung ist mit der Bezeichnung »Retrozession« überschrieben. Die Parteien sollen des Weiteren mit den Begriffen »Versicherungsnehmer« (gemeint ist der »Erstversicherungsnehmer« und aus Gründen der Vereinfachung auch der »Versicherte«54), »Erstversicherer« (anstatt »Zedent« bzw. »Rückversicherungsnehmer« oder gar »Vorversicherer«55), »Rückversicherer«56 (anstelle von »Zessionar« bzw. »Retrozedent«) sowie »Retrozessionar« (gemeint ist der Versicherer des Rückversicherers bzw. »RückRückversicherer«) benannt werden. Die Gründe für die Wahl genau dieser Begrifflichkeiten liegen nicht nur in der Verständlichkeit der Untersuchung begründet, sondern bilden bereits einen Hinweis auf die primäre Funktion der Beteiligten. Im Weiteren wird man gegen diese verwendeten Begrifflichkeiten den Einwand vorbringen können, dass in manchen Werken jedenfalls in Bezug auf den Erstversicherer von dem »Zedenten« die Rede ist. Der Verwendung dieses Begriffs wird im Weiteren allerdings bewusst nicht gefolgt. Zwar ist Hauptgegenstand der Untersuchung die Rückversicherung. Insoweit käme die Bezeichnung des Erstversicherers als »Zedent« der Funktion von Rückversicherung am nächsten – und mit gleicher Argumentation ließe sich in Bezug auf den Retrozessionsvertrag der Rückversicherer als »Retrozedent« beschreiben. Diese Bezeichnungen verstellen aber den Blick auf die Antriebsfedern der Rückversicherung. Der Begriff »Zedent« beschreibt zwar die Beziehung des Erstversicherers zu dem Rückversicherer, er suggeriert allerdings eine gewisse Unabhängigkeit der Rückversicherung von der Erstversicherung (im Sinne einer Abtretung). Auch in der Rückversicherung bleibt der Erstversicherer jedoch Erstversicherer und seinem Versicherungsnehmer gegenüber aus dem Erstversicherungsvertrag sowie den gesetzlichen Vorschriften berechtigt und verpflichtet. Die Verwendung des Singulars ist in diesem Zusammenhang nicht als eine Beschränkung der Untersuchung auf Versicherungs-, Rückversicherungs- und Retrozessionsverträge zwischen »nur« zwei Personen zu interpretieren. Insbesondere werden hierdurch Fallkonstellationen der Mitversicherung nicht ausgeklammert, sind sie doch – abgesehen von der Erstversicherung – gerade für
Zur Unterscheidung siehe Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 47 ff. und 50 ff. Der Begriff ist schon deshalb unbrauchbar, da er die Stellung des Erstversicherers der Rückversicherung unterordnet, so aber Heise, Die Rückversicherung als Haftpflichtversicherung, S. 36. 56 Zu den vielfachen Synonymen, die zur Bezeichnung eines Rückversicherungsschutz produzierenden Wirtschaftssubjekts verwendet werden Thiemermann, Rückversicherung und Zahlungsströme, S. 25 f., der allerdings den Begriff »Rückversicherer« vorzieht. 54 55
D. Zentrale Weichenstellungen
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Rückversicherung und Retrozession häufig.57 Der Singular dient lediglich der vereinfachten Darstellung. II. Struktur der Untersuchung Die Untersuchung besteht nicht aus mehreren voneinander losgelösten Teilen, deren Reihenfolge gewissermaßen austauschbar ist. Vielmehr soll sie einer den Erkenntnisgewinn fördernden Struktur folgen. Dies bedingt neben dieser Einleitung [Kapitel 1] im ersten Teil ein einführendes Kapitel betreffend die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis und die Ausübung des Ermessens des Erstversicherers [Kapitel 2]. Da die Folgepflicht des Rückversicherers gewissermaßen die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis voraussetzt, sollen zunächst die relevanten Spezifika der Erstversicherung und erst im Anschluss die Besonderheiten der Rückversicherung behandelt werden.58 In diesem Kapitel soll eine Basis bereitet werden für die die dortigen Erkenntnisse wiederaufgreifenden und sich hieran anschließenden Kapitel. Deshalb werden auch Fragestellungen in Bezug auf die Regulierung selbst, die Terminologie, das Verhältnis der Regulierungsarten zueinander vorgezogen.59 Daran schließt sich ein zweiter Teil an, welcher zunächst die für diese Untersuchung initial relevanten Grundlagen der Rückversicherung in Bezug auf Geschäftsführungsrecht und Folgepflicht in den Blick nimmt [Kapitel 3]. Zudem werden in einem ersten Zugriff zur Bestimmung der Folgepflicht die bisher zur Auflösung der tension of reinsurance vertretenen Ansichten in einer Bestandsaufnahme dargestellt [Kapitel 4]. Hierin findet bereits eine grobe Weichenstellung für die in die Bestimmung der Folgepflicht einzustellenden Wertungen statt, welche im Anschluss im Detail analysiert werden. Dieses Kapitel beschließt eine Zäsur, die diesen weiteren Gang der Untersuchung vorgibt. Die folgenden Kapitel des dritten Teils widmen sich den Kriterien zur Bestimmung der Folgepflicht. Dies betrifft zunächst die Darstellung der Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung [Kapitel 5]. Im Anschluss wird, ob des Fehlens spezieller gesetzlicher Regelungen, der Einfluss gesetzlicher nicht-spezifisch rückversicherungsrechtlicher Vorgaben auf die Folgepflicht untersucht [Kapitel 6]. Daneben wird häufig eine bestehende 57 So auch Looschelders, VersR 2012, S. 1 (3 f.), der im Weiteren von einer Parallelität der Wertungen der Mitversicherung in der Erstversicherung für die Rückversicherung ausgeht. 58 Diese Herangehensweise spiegelt die Abhängigkeit der Rückversicherung von der Erstversicherung wider. Entsprechend strukturierte daher schon 1885 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 108. 59 Diese Struktur dient damit auch der Rückbesinnung auf den originären Fokus der Rückversicherung, der, wie deutlich werden wird, auf den Bedürfnissen der Erstversicherung liegen muss.
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Kap. 1: Prolog – tension of reinsurance in der modernen Rückversicherung
bzw. nicht bestehende Interessenparallelität zwischen Erst- und Rückversicherer beschworen, weshalb diese auf Basis wirtschaftlicher Wechselwirkung zwischen Erst- und Rückversicherer näher betrachtet wird [Kapitel 7]. Schließlich werden andere Vertragsklauseln des Rückversicherungsvertrages als Ausdruck des Willens der Vertragsparteien analysiert, deren Geltung verschiedentlich auch ohne vertragliche Vereinbarung vertreten wird [Kapitel 8]. Die hierin zum Ausdruck kommenden Wertungen stellen zugleich einen Katalog der relevanten Kriterien einer Auslegung dar, die in Zeiten gestiegener Prozessbereitschaft der Rückversicherungsparteien dem Richter eine Stütze sein sollen und dem underwriter60 auf Basis einer Auslegungsprognose eine rechtssichere Vertragsgestaltung erlauben. Im Licht dieser Wertungen wird abschließend zur Bestimmung der Grenzen der Folgepflicht Stellung genommen.61 Die Thesen der einzelnen Kapitel werden abschließend in einem vierten Teil zusammengetragen und ihre Auswirkungen auf das Verständnis und die Auslegung der Folgepflicht gegenübergestellt. In diesem Zuge werden auch die Auswirkungen auf die Retrozession und die praktischen Folgen der Ergebnisse der Untersuchung bewertet [Kapitel 9]. Komprimiert werden die elementaren Feststellungen der Untersuchung in einer Zusammenfassung in englischer Sprache dargestellt [Kapitel 10]. Die auf den Unterebenen der Kapitel vorangestellten Zitate illustrieren den Gegenstand des jeweiligen Abschnitts als Untertitel und nehmen die hierin zum Ausdruck kommenden Überlegungen als Denkanstoß vorweg.62
60 Eine Person, die für ein (Rück-)Versicherungsunternehmen Versicherungsgeschäft zeichnet; insb. durch die Besonderheiten der Vertragsanbahnung bei Lloyd’s geprägt. 61 Unten S. 328 ff. 62 Getreu dem Motto von Horaz (Ars poetica 333): »Aut prodesse volunt aut delectare poetea« (»Die Dichter wollen entweder nützen oder erfreuen« [Übersetzung d. Verf.]); abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 44.
Kapitel 2
Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis A. Merkmale der Leistungspflicht des Erstversicherers »Worte verbinden nur, wo unsere Wellenlängen längst übereinstimmen.«*
Auf Seiten des Rückversicherers findet durch die Rückversicherung eine Beteiligung an dem Versicherungsprodukt des Erstversicherers statt. Dieses weist im Vergleich zu anderen Vertragsarten evidente Besonderheiten in der Frage der Leistungspflicht des Erstversicherers auf.1 Sie bildet, aufgrund der Konzeption von Rückversicherung, 2 den ersten Bezugspunkt der Haftung des Rückversicherers. Die tension of reinsurance ist somit gerade kein losgelöstes Problem der Rückversicherung, sondern findet ihren Auslöser in den Gegebenheiten der Erstversicherung, mithin in der Abwicklung des Leistungsanspruchs des Versicherungsnehmers gegenüber dem Erstversicherer (sog. Regulierung). Sie resultiert3 gerade für die Versicherung aus der Abstraktheit des Versicherungsprodukts.4 Die Regulierung kann vor diesem Hintergrund als unabdingbares Element der Leistungspflicht des Erstversicherers begriffen werden.5 Ihren Rahmen geben insbesondere die Vertragsbedingungen des Versicherers sowie Normen des VVG vor. Über die Leistungspflicht des Erstversicherers gibt § 1 S. 1 VVG Aufschluss, wonach der Versicherer sich mit dem Versicherungsvertrag verpflichtet, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalls zu erbringen hat (Gefahrtragung). Hiermit ist indes die durch den »Versicherungsfall« ausgelöste Leistung selbst nicht definiert und bleibt damit den Vereinbarungen von Versicherungsnehmer und Versicherer überlassen. Besondere Bedeutung erlangt die Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien, als Ausdruck privatautonomer Vertragsgestaltung, unabhängig von der konkreten Max Frisch, Die Macht der Kürze (2004), S. 102. Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 15. 2 Siehe hierzu im Anschluss in Kapitel 3 (S. 63 ff.; im Überblick S. 261 ff.). 3 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 35. 4 Im Vergleich zu den Vertragstypen des BGB Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 80 ff., 98. 5 Siehe hierzu sogleich in Rn. 77 ff. *
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
Beschreibung der Leistung, sowie der Begriff »Versicherungsfall« als Auslöser der Geldleistungspflicht des Versicherers6. I.
Vereinbarungen zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer
Zunächst ist zu konstatieren, dass das VVG zwar auch versicherungszweigspezifische Regelungen enthält, entscheidend für die Ausgestaltung der Leistungspflicht ist jedoch die vertragliche Regelung. Aus dieser ergibt sich die sog. primäre Risikobeschreibung, 7 d.h. die Frage, ob der Erstversicherer leistungspflichtig ist, ist aufgrund der vertraglichen Regelung bereits vor Eintritt eines Versicherungsfalls geklärt. Dieser Umstand allein leitet sich aus dem Zweck einer vertraglichen Regelung ab, welche darauf gerichtet ist, möglichst zweifelsfrei festzulegen, welche Rechtsfolge in einem zu beschreibenden Fall eintreten soll. Wenn allerdings eine Vereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer im Sinne der §§ 145 ff. BGB vorausgesetzt wird, impliziert dies auch eine Ausgeglichenheit der Kräfteverhältnisse der Parteien. Der Versicherungsnehmer ist jedoch grundsätzlich als der schwächere Vertragspartner anzusehen – auch wenn er nicht immer als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB zu qualifizieren ist. Denn der Versicherer hat bereits durch die naturgemäße Anlage von Versicherung überragenden Einfluss auf die Ausgestaltung des Vertrages – und nicht zuletzt auch auf seine darin definierte Leistungspflicht. Versicherung ist als nicht greifbares Gebilde erst durch die Schöpfung eines Produktes »Versicherung« auf dem Papier existent und daher in besonderem Maße von den vertraglichen Regelungen abhängig bzw. durch diese bedungen.8 Damit obliegt dem Versicherer als Schöpfer des Produkts in aller Regelmäßigkeit auch die Gestaltung des Vertrages selbst.9 Nicht nur im modernen Massengeschäft fördert die Produktgestaltung eine Standardisierung der Vertragsgestaltung. Unter Hervorhebung ihrer Kontrollbedürftigkeit sind die in diesem Zuge entwickelten Vertragsbedingungen des Versicherers Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne der §§ 305 ff. BGB und werden daher Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) genannt. Der sich auf diesen 6 Siehe zur allgemeinen Unterscheidung der Leistungspflicht in Gefahrtragung und Geldleistung Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 1, § 1 Rn. 42. 7 Beckmann/Matusche-Beckmann/Höke, VVG, § 19 Rn. 12. 8 Verglichen bspw. mit einem Kaufvertrag ergibt sich die Besonderheit, dass ein materielles Pendant zum Kaufgegenstand im Rahmen der Versicherung nicht existent ist. Auch die dortige »Kaufsache« (das Versicherungsprodukt) ist erst durch vertragliche Ausgestaltung jedenfalls gedanklich konstruiert; siehe zum Vertragstypus des Versicherungsvertrages Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 70 ff. 9 In manchen Werken ist noch von der Pflicht des Erstversicherers die Rede, einige Kernbereiche zwingend in den AVB zu nennen (siehe statt vieler Beckmann/Matusche-Beckmann/Höke, VVG, § 19 Rn. 12). Die dies vorschreibende aufsichtsrechtliche Norm (§ 10 VAG a.F.) ist jedoch im Zuge der Reform des VAG zum 1. Januar 2016 ersatzlos gestrichen worden (vgl. BT-Drs. 18/2956, S. 275 [zu § 197]). Gleichwohl ist daraus nicht auf eine verminderte Dominanz des Erstversicherers zu schließen.
A. Merkmale der Leistungspflicht des Erstversicherers
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Markt begebende Versicherungsnehmer wird daher mit einseitig gestellten Bedingungen (§ 305 I 1, 3 BGB) des Versicherers konfrontiert, die er – so er denn Versicherungsschutz erhalten möchte – akzeptieren muss.10 Im Rahmen dieser Untersuchung wird es nicht im Einzelnen auf die Mechanismen ankommen, die den Versicherungsnehmer vor dem Hintergrund dieser Disparität der Vertragsparteien schützen. Bedeutsam ist indes für die Regulierungsentscheidung des Erstversicherers, dass der Zweck von AVB auch in der Gewährleistung der »Gleichartigkeit der Gestaltung der Verträge im Interesse einer einheitlichen Behandlung der Versicherungsnehmer« liegen soll.11 Und aus diesem Grund soll auch Augenmerk darauf gerichtet werden, wie sich das Telos des Schutzes des Versicherungsnehmers in einem weiteren Sinn auf die Rückversicherung auswirken kann.12 Festzuhalten ist darüber hinaus, dass die Regulierungsentscheidung des Erstversicherers auch und gerade aufgrund seiner schöpferischen Tätigkeit naturgemäß nicht nur eine unternehmerische Entscheidung ist, sondern die Basis für rechtliche Einschätzungen zum Bestehen seiner Leistungspflicht bildet – nicht nur für das Erstversicherungsverhältnis, sondern ebenso für das im Anschluss daran zu behandelnde Rückversicherungsverhältnis13. II. Der Versicherungsfall Als Auslöser der Leistungspflicht des Erstversicherers in § 1 S. 1 VVG ist der Versicherungsfall näher zu untersuchen. Zuvor lediglich als »mögliche Einstandspflicht« des Versicherers beschreibbar, wandelt sich diese mit Eintritt des Versicherungsfalls in eine konkrete Leistungspflicht.14 Der Versicherungsfall ist daher das elementare Kriterium der Hauptleistungspflicht des Versicherers. Allerdings gibt es trotz dieser weitreichenden Bedeutung keine Legaldefinition oder auch nur eine allgemeingültige Definition. Diese bewusst offengehaltene gesetzliche Prämisse ergibt sich bereits aus der Individualität von Risiken und der hierdurch begründeten Diversität von Versicherungsprodukten – auch innerhalb der jeweiligen Versicherungszweige bzw. Versicherungssparten oder gar Versicherungsarten15. So tritt der Versicherungsfall in manchen Versicherungszweigen im Rahmen eines einzigen Vertragsverhältnisses typischerweise mehrmals auf (beispielsweise in der Krankenversicherung), in anderen jedoch nur einmal (natürlicherweise in der Lebensversicherung). Der 10 Beckmann/Matusche-Beckmann/Höke, VVG, § 19 Rn. 9; Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 98 f. 11 Beckmann/Matusche-Beckmann/Höke, VVG, § 19 Rn. 12. 12 Hierzu Kapitel 6 im Ganzen (S. 211 ff.); historisch hat diese Praxis gerade in der Versicherungswirtschaft der Versicherungsnehmerschaft schon des Öfteren Anlass zur Beschwerde gegeben, siehe Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 22 f. 13 Siehe hierzu die Darstellung der Grundlagen in Kapitel 3 (S. 63 ff.). 14 Deutsch/Iversen, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 169. 15 Siehe zur Erklärung dieser Begrifflichkeiten Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 29 ff.
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
Versicherungsfall kann daher allgemein nur abstrakt definiert sein und wird von Risikobegrenzungen konterkariert.16 Pauschal lässt sich lediglich festhalten, dass der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn sich die dem Risiko immanente Gefahr verwirklicht hat. 17 Zur Qualifikation als Versicherungsfall muss sich daher im Schadensereignis gerade die versicherte Gefahr verwirklicht haben.18 Der hierin liegende Kausalitätsmaßstab wird durch die Merkmale der Adäquanz und somit mittels einer nachträglichen objektiven Prognose bestimmt.19 Hinzuweisen ist des Weiteren auf die für das Erstversicherungsverhältnis entwickelten Grundsätze in Bezug auf den Beweis des Versicherungsfalls. Demnach genügt es, wenn der Versicherungsnehmer den Anscheinsbeweis führt, dass der Versicherungsfall während der Laufzeit eingetreten ist und hierdurch eventuell ein Schaden verursacht wurde, d.h. sich aus dem vorgetragenen Sachverhalt bei typischem Verlauf eine erhebliche Wahrscheinlichkeit hierfür ergibt.20 Der Versicherer hingegen muss für den Gegenbeweis die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Ablaufs darlegen oder die Erfüllung von Ausschlusstatbeständen nachweisen. 21 Diese Herabsetzungen der Beweispflicht dienen dem Zweck der Vereinfachung. Notwendig sind sie, da der Vollbeweis oftmals entweder nicht gelingt oder unzumutbare und kostenintensive Erhebungen bedingt. Deutlich wird allerdings bereits hier, dass nicht nur die Versicherungstechnik auf Wahrscheinlichkeitsannahmen basiert. Selbst die rechtliche Frage des Bestehens der Hauptleistungspflicht wird nicht absolut, sondern aus Gründen dieser Notwendigkeiten schließlich auch in der Rechtsdurchsetzung mit Wahrscheinlichkeitsannahmen beantwortet.
16 Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, FA-Handbuch, 1. Kap. Rn. 783 f.; man unterscheidet auf dieser abstrakten Ebene u.a. zwischen Verstoß- und Ereignistheorie, siehe Deutsch/Iversen, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 169. 17 Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, FA-Handbuch, 1. Kap. Rn. 878. 18 Zum versicherten Interesse, Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, FA-Handbuch, 1. Kap. Rn. 806 ff. 19 Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 923. 20 Deutsch/Iversen, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 170. 21 Deutsch/Iversen, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 170.
A. Merkmale der Leistungspflicht des Erstversicherers
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III. Eigenschaften der Leistung des Erstversicherers Ist der Versicherer leistungspflichtig, bestimmt der Versicherungsvertrag (i.V.m. dem VVG) in der Regel22 eine Geldleistungspflicht.23 Insbesondere die Haftpflichtversicherung stellt hier allerdings einen Sonderfall dar, da der Versicherer gemäß § 100 VVG die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Ansprüche schuldet. Auch diese Naturalleistungen sind für den Versicherer jedoch im Ergebnis von monetärer Natur, begleicht er doch auch beispielsweise Anwalts- und Prozesskosten auf diese Art und Weise.24 Abhängig von der konkreten Ausgestaltung sind grundsätzlich zwei Alternativen der Bestimmung der Weite der Leistungspflicht, und damit der Höhe des zu zahlenden Geldbetrags denkbar. Man unterscheidet demnach Schadens- und Summenversicherung. 25 Wohingegen die Schadensversicherung den konkret entstandenen Schaden deckt, ist die Leistungshöhe des Versicherers für den Versicherungsfall bei der Summenversicherung zuvor fest vereinbart. Man kann daher auch von konkreter und abstrakter Bedarfsdeckung sprechen.26 IV. Ausschluss der Leistungspflicht des Erstversicherers Auch wenn der Versicherungsfall eingetreten und damit grundsätzlich die Leistungspflicht des Erstversicherers ausgelöst würde, kann der Anspruch des Versicherungsnehmers durch eine Bedingung des Vertrages (oder des Gesetzes) ausgeschlossen sein. Moderne Versicherungsverträge sind nicht in Form einer abschließenden Auflistung von Einzelfällen, welche die Leistungspflicht auslösen, gestaltet, sondern in Form einer Generalklausel, die einen Versicherungsfall bei Verwirklichung der durch den Versicherungsvertrag versicherten Als Ausnahme von diesem Grundsatz schuldet bspw. der Haftpflichtversicherer nach § 100 VVG Naturalersatz (§ 249 BGB), also die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer Halm/Engelbrecht/Krahe/Halm/ Fritz, FA-Handbuch, 23. Kap. Rn. 62 ff. und Staudinger/Halm/Wendt/Heinrichs, Versicherungsrecht, Vor §§ 100 bis 112 VVG Rn. 1. 23 Der Streit um eine Aufspaltung dieser Leistungspflicht in einen vorbereitenden und einen ausführenden Teil (sog. Gefahrtragungs- und Geldleistungstheorie), hat keine praktische Konsequenz und soll daher im Weiteren nicht erörtert werden; siehe hierzu Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, FA-Handbuch, 1. Kap. Rn. 666 f., auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Höke, VVG, § 19 Rn. 3 ff. und Deutsch/Iversen, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 173; zusammenfassend Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 84 ff.; so auch für die Rückversicherung Looschelders, VersR 2012, S. 1 (3); ein weiteres Beispiel einer nicht auf eine Geldleistung gerichteten Versicherungsart bildet die Rechtsschutzversicherung (vgl. § 125 VVG), Looschelders/Pohlmann/Paffenholz, VVG, § 125 Rn. 51 ff. 24 So auch Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 681. 25 Siehe Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 36 ff. 26 Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 36 f., 681; allerdings unterscheidet jedenfalls der Gesetzgeber nach neuem Recht nicht mehr zwischen den Begriffen, Beckmann/MatuscheBeckmann/Höke, VVG, § 19 Rn. 18. 22
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
Gefahr annimmt. Diese Gestaltung bedingt, dass der Versicherer explizit Vorbehalte, sog. Ausschlüsse, benennt und zur Grundlage des Versicherungsproduktes macht.27 Diese Ausschlüsse treten in unterschiedlichster Art und Weise auf und sind beispielsweise an nicht-versicherte Teilrisiken, besondere Umstände der Risikoverwirklichung, Höchstgrenzen oder auch Verhaltensweisen des Versicherungsnehmers geknüpft.28 Letztgenannte Ausschlüsse sehen nicht erst die AVB vor, sondern sind bereits durch das VVG (insbesondere die Herbeiführung des Versicherungsfalls und die Rettungsobliegenheit des Versicherungsnehmers, §§ 81 und 82 VVG) als Obliegenheiten des Versicherungsnehmers zugunsten des Versicherers vorgegeben. Die Verletzung einer Obliegenheit führt zu einem Ausschluss oder zu einer Herabsetzung der Leistung des Versicherers (sog. Quotelung, § 28 VVG). Die Geltendmachung eines vertraglichen (oder gesetzlichen) Ausschlusses bzw. der Verzicht darauf sind ab initio übliche Instrumente einer Regulierung,29 wie sie terminologisch im Folgenden adressiert werden soll.
B. Die Vielgestaltigkeit der Regulierung des Erstversicherers »Quod nihil scitur.«*
Mehr noch als die Formulierungen des Versicherungsvertrages selbst gewinnt im Versicherungsverhältnis die tatsächliche Regulierung Bedeutung. Die Regulierung des Erstversicherers lässt sich in zwei Kategorien einteilen, wobei die Bedeutung der zuerst zu nennenden kaum überschätzt werden kann, überragt sie doch gerade die Anzahl der vor Gericht verhandelten Fälle regelmäßig bei Weitem.30 Auf der einen Seite handelt es sich um die sog. einfache Regulierung bzw. Abrechnung, die abgesehen von der Schadenmeldung des Versicherungsnehmers ohne dessen Beteiligung verläuft. Auf der anderen Seite stehen Formen der Regulierung, die nicht allein der Entscheidung des Erstversicherers unterfallen. Hierzu zählen neben der einverständlichen Regulierung, die eine Einigung mit dem Versicherungsnehmer zum Gegenstand hat, auch 27 Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, FA-Handbuch, 1. Kap. Rn. 783 und P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (163 f.). 28 Werden diese durch AVB vorgegeben, ist die Kontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu beachten; siehe zusammenfassend zur Auslegung von AVB Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, Einl. Rn. 258 ff. 29 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 144 f. * Francisco Sanches, Titel seines Werks von 1581 als Reaktion auf den aristotelischen Wahrheitsanspruch: »Dass nichts gewusst wird« [Übersetzung d. Verf.]. 30 So bereits Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (573), wonach lediglich einer von 6.000 Fällen vor einem Gericht geklärt wird.
B. Die Vielgestaltigkeit der Regulierung des Erstversicherers
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Vergleich und Urteil, also Regulierungen, an welchen »Dritte« beteiligt sind.31 Auch ist eine Sonderform der Regulierung zu nennen, die üblicherweise in diesem Zusammenhang unerwähnt bleibt, und als pauschale Regulierung beschrieben werden kann. Neben der einfachen Regulierung ist sie es, die immer wieder zu Problemen für die Folgepflicht des Rückversicherers geführt hat. I.
Begriff der Regulierung und Regulierungsarten
Regulierung meint zunächst in einem weiten Sinne die Abwicklung eines Versicherungsvertrages aus Anlass des Eintritts des Versicherungsfalls.32 Sie unterliegt nur in groben Zügen speziellen versicherungsrechtlichen Vorgaben. Notwendig ist allerdings im Hinblick auf eine funktionierende Regulierungspraxis, dass der Versicherer einen Verwaltungsapparat (d.h. Personal und Ausstattung) vorhält, welcher die Regulierung des Versicherers gegenüber seinen Kunden vornimmt. In der Literatur wird neben dem allgemeinen Begriff »Regulierung« auch der Begriff »Schadensregulierung« verwandt.33 Dieser Begriff ist insoweit zu eng, als er, in sehr restriktiver Auslegung, die Abwicklung im Rahmen der Summenversicherung begriffstechnisch nicht umfassen würde.34 Auch Begrifflichkeiten wie Vertragsabwicklung oder Versicherungsfallregulierung erscheinen demgegenüber zwar dogmatisch zielführender, sind aber zu sperrig und darüber hinaus nicht üblich. Angelehnt an die Begriffe der konkreten und abstrakten Bedarfsdeckung könnte zur Adressierung des Zwecks von Regulierung für Schadens- und Summenversicherung auch von Bedarfsregulierung gesprochen werden. Dieser Terminus verdeutlicht bereits an dieser Stelle, dass die Regulierung des Erstversicherers nicht an willkürlichen Zwecken ausgerichtet ist, sondern sich auch in der Abweichung von der Höhe des Schadens oder der vereinbarten Summe an den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers orientiert. Die Verwendung derartiger nicht-gebräuchlicher begrifflicher Konkretisierungen birgt jedoch die Gefahr einer, die weitere Untersuchung hindernden, initialen Beschränkung des Untersuchungsgegenstands. Zielführender ist es daher, allgemein – und
31 Diese Kategorien sind ihrem Sinn nach für einen ersten systematischen Zugriff auf die Begriffsbildung aus Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (578 f.) entlehnt. 32 Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (576). 33 Bereits Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 109; Steinrisser spricht ebenso von der Erfüllung des Erstversicherungsvertrages (Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 41). 34 Dazu Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (575). Darüber hinaus wurde bereits früh festgestellt, dass eine Berufung auf die ersten beiden Silben des Begriffs nicht sachgerecht ist (Hanseatisches OLG, HGZ 1918 [Hauptblatt], S. 177 [179]). Mit der durchgehenden Verwendung des Begriffs »Regulierung« wird eine Missdeutung ab initio ausgeschlossen.
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
ohne hiermit insbesondere einen Zuschnitt auf Schadens- und Summenversicherung zu verbinden – von »Regulierung« zu sprechen.35 Zu beachten ist, dass Regulierung nicht lediglich die Auszahlung der Versicherungsleistung meint. Ob ein Anspruch des Versicherungsnehmers besteht oder nicht, lässt sich vielfach nicht zweifelsfrei beantworten. Systembedingt ist das Verfahren der Regulierung daher auch von einem Moment des Zweifels geprägt, welchem der Erstversicherer durch unterschiedliche Arten der Regulierung begegnet. Dies ist ihm möglich aufgrund seiner hier als »Regulierungsermessen« bezeichneten Entscheidungsfreiheit.36 Dies bedeutet nicht, dass er sich durch seine Entscheidung in einer den Versicherungsnehmer bindenden Weise über Recht und Gesetz hinwegsetzen kann. Vielmehr wird hiermit der Umstand beschrieben, dass der Erstversicherer, einer Schadenmeldung des Versicherungsnehmers zeitlich nachfolgend, faktisch über seine eigene Leistung entscheidet. Freilich bleibt diese Entscheidung in allen Facetten gerichtlich überprüfbar. Der Erstversicherer setzt hiermit jedoch gleichwohl eine erste Marke für die rechtliche Würdigung des Bestehens seiner Leistungspflicht. II. Einfache Regulierung und Kulanz Wenn der Erstversicherer im Fall einer einfachen Regulierung in Eigenregie über seine eigene Leistungspflicht entscheidet, ist dieser Umstand nicht nur im Hinblick auf allgemeine schuldrechtliche Überlegungen beachtlich, sondern birgt auch eine gewisse Brisanz mit Blick auf die hieran anknüpfende Folgepflicht des Rückversicherers. Die einfache Regulierung ist jedoch nicht nur eine effiziente Methode, sondern im modernen Massengeschäft, welches die Versicherung heute in weiten Teilen darstellt, eine schiere Notwendigkeit 37 und im Gegensatz zur Prozessführung beispielsweise in der Haftpflichtversicherung der Regelfall.38
35 Auch Bostelmann weist auf diesen Umstand hin, verwendet allerdings »der Einfachheit halber« ebenfalls den Begriff »Schadensregulierung«, ZVersWiss 1977, S. 569 (575). Darüber hinaus wird der Begriff »Regulierung« aus Gründen der Verwechslungsgefahr bewusst nicht als Synonym für aufsichtsrechtliche Vorschriften und Maßnahmen verwendet. 36 Der Begriff wird auch zur Beschreibung der Wahlfreiheit des Haftpflichtversicherers zwischen Abwehr und Freistellung in der Haftpflichtversicherung verwandt, so bspw. von Kröger, VersR 2013, S. 139; er ist aber nicht in der Weise determiniert, dass er nicht auch eine eigenständige Bedeutung für die Erstversicherung im Allgemeinen und für die Rückversicherung im Besonderen erfahren könnte – die begriffliche Nähe zur Haftpflichtversicherung kommt allerdings nicht von ungefähr, sondern spiegelt die wiederkehrende Bezeichnung der Rückversicherung als Haftpflichtversicherung, hierzu ausführlich unten S. 218 ff., aber auch S. 337 f. 37 Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (579); Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 26 f. 38 Herzfelder/Katsch, Haftpflichtversicherung, S. 158.
B. Die Vielgestaltigkeit der Regulierung des Erstversicherers
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Im modernen Massengeschäft sind sowohl das Versicherungsprodukt als auch die Regulierung mitunter so stark standardisiert, dass für eine einverständliche Regulierung unter Beteiligung des individuellen Versicherungsnehmers schlicht keine Notwendigkeit besteht. Die hiermit gewonnene Effizienz und Kostenreduktion führt auch für den Versicherungsnehmer zu Vorteilen, beispielsweise durch geringere Prämienforderungen, und ist jedenfalls vor diesem Hintergrund unbedenklich. Dies bestätigt sich mit Blick auf Aussagen des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen, das die Versicherer bereits 1962 (noch vor der Offenbarwerdung des Siegeszugs technischen Fortschritts) dazu ermutigte, eher den Weg der einfachen Regulierung zu gehen, als Abfindungsvereinbarungen mit dem Versicherungsnehmer zu schließen.39 Infolgedessen wird insbesondere diese Kategorie einer intensiveren Betrachtung zugeführt. Der Erstversicherer wird freiwillige Leistungszusagen, d.h. eine selbstbindende Regulierung, nur in Ausnahmefällen wählen, beispielsweise im Rahmen der Haftpflichtversicherung, wenn Gewissheit für den geschädigten Dritten geschaffen werden soll.40 Teil der einfachen Regulierung ist es allerdings auch, wenn der Erstversicherer leistet, obwohl ein Schuldverhältnis im engeren Sinn, d.h. eine Leistungspflicht des Erstversicherers lediglich möglich erscheint und damit möglicherweise nicht besteht.41 Der Erstversicherer hilft diesem Umstand vielfach durch ein Entgegenkommen ab, welches regelmäßig mit dem Begriff »Kulanz« betitelt wird. Hiermit sind Fälle gemeint, in denen jedenfalls nicht eindeutig feststeht, ob der Erstversicherer zur Versicherungsleistung verpflichtet ist und der Erstversicherer ungeachtet dessen leistet. Tatsächlich handelt es sich im Fall der Kulanz nicht nur um ein probates Mittel der Regulierung, sondern um eine Vernunftlösung, die wohl bereits seit den Anfängen von Versicherung praktiziert wird. Hierauf deuten auch die vergleichsweise frühen Erwähnungen von Kulanz im Versicherungswesen, die schon zu der Feststellung führten, dass das Versicherungswesen noch stärker als andere Branchen von einem »Geschäftsprincipe beherrscht [ist], welches man gewöhnlich als ›Culanz‹ zu bezeichnen pflegt«.42 Kulanz ist daher nicht erst eine Erscheinung des in diesem Zusammenhang verglichenen modernen Gewährleistungskaufs.43 Ihre Bedeutung ist gerade im Versicherungswesen und dort innerhalb der Regulierung des Versicherers
VerBAV 1962, S. 32; vgl. auch VerBAV 1953, S. 152. Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (589). Beachte darüber hinaus die Verpflichtung zu einem mit Gründen versehenem Schadensersatzangebot der Pflichtversicherung, § 3a I Nr. 1 PflVG. 41 Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (596 ff.). 42 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 115. 43 Hierzu ausführlich Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 6 ff. 39 40
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
kaum zu überschätzen.44 Für diese Beobachtung spricht auch eine abzuleitende »Kulanzgeneigtheit« des Erstversicherers, die sich aus der modernen Konzeption des Versicherungsprodukts (allgemeine Versicherungsschutzdefinition mit negativen Ausschlüssen im Gegensatz zur vormaligen exakt-positiven Formulierung der Deckung des Versicherungsschutzes) ergibt.45 Zudem ist diese »Kulanz« kein Synonym für regulatorische Willkür des Erstversicherers, auch wenn diese Wertung bei kritischen Stimmen zu dieser Form der Regulierung mitschwingt. Wenn sich der Erstversicherer dafür entscheidet, im Wege der einfachen Abrechnung zu regulieren und in diesem Zuge »Kulanz« walten lässt, geschieht dies vielmehr standardisiert oder jedenfalls aus Motiven der Kostenreduktion oder Effektivität der Regulierung. 46 Eine Regulierung aus Kulanz ist daher nicht nur Praxis, sondern auch grundsätzlich zulässig.47 1. Der Begriff »Kulanz« Der Begriff »Kulanz« ist zunächst selbst erklärungsbedürftig. Als kulant wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein entgegenkommendes oder großzügiges Verhalten beschrieben. Der Begriff selbst entstammt dem französischen coulant und ist mit »gewandt«, »umgänglich« oder »gefällig« zu übersetzen. Der Wortstamm couler (durchseihen, gleiten lassen, fließen) ist romanischen Ursprungs. Das lateinische Verb colare bedeutete entsprechend durchseihen, reinigen oder läutern. 48 Hingegen ist ein explizites, englisches etymologisches Pendant zu »kulant« bzw. »Kulanz« nicht bekannt. Gebräuchlich sind lediglich Begriffe wie accommodation, fair dealing oder fairness in trade.49 Erlaubt sei die Feststellung, dass mit den letztgenannten Begriffen eine Abschwächung des freiwilligen Charakters einer Kulanzzahlung verbunden zu sein scheint. So können fair dealing oder fairness in trade mit allgemeinen Rechtsprinzipien, wie Treu und Glauben (bzw. good faith) verbunden werden, wohingegen die Bereits Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (180); auch Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 131 f. und Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 48. 45 Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, FA-Handbuch, 1. Kap. Rn. 783 und P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (163 f.); vgl. auch Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 35; illustrativ Burling/Lazarus/Merkin/Mendelowitz, Insurance Law and Regulation, S. 146 (148). 46 Hierzu sogleich im Rahmen der Darstellung der spezialreaktiven und der generalreaktiven Motive. 47 Darüber hinaus ergäbe sich in realiter bei einer Unzulässigkeit der Kulanz die Frage, wer die Regulierung des Erstversicherers auf mögliche kulante Regulierung überprüfen sollte. Für die Aufsicht besteht hierfür jedenfalls nicht erst seit Hinwendung zu einem prinzipienbasierten Ansatz keine Veranlassung; siehe hierzu im Ganzen Wandt, Prinzipienbasiertes Recht und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, S. 5 ff. 48 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 4. 49 Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, Teil 2, Begriff Kulanz, S. 453. 44
B. Die Vielgestaltigkeit der Regulierung des Erstversicherers
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»Verpflichtung« zu einer Kulanzzahlung nach allgemeinen zivilrechtlichen Maßstäben gerade nicht aus diesem Grundsatz ableitbar ist. Mitunter wird die Kulanzzahlung daher im englischsprachigen Rechtsraum in Abgrenzung hierzu als ex gratia payment50 bezeichnet – wobei auch der Begriff good will loss Verwendung findet51. Der Begriff ex gratia wird vor dem Hintergrund von Literaturstimmen, die hierin einen vorzugswürdigen Zugriff für die Begrenzung der Folgepflicht sehen, erneut aufgegriffen und aufgrund des Zwecks seiner Verwendung unten ausführlich behandelt werden.52 Darüber hinaus lässt sich der Begriff Kulanz durch adjektivistische Ergänzung in Bezug auf seinen Zweck aufspalten. Raiser spricht vor diesem Hintergrund von »kommerzieller« und »karitativer« Kulanz53 mit Blick auf das Motiv des Entgegenkommenden. Diese Differenzierung könne je nach Rechtsfrage eine unterschiedliche Behandlung nach sich ziehen,54 ist in Bezug auf die Terminologie des Begriffs »Kulanz« selbst jedoch irrelevant. Ebenso verhält es sich mit der Bezeichnung als »nackte« Kulanz.55 »Kulanz« soll im Weiteren auf die entgegenkommende Geschäftspraxis großzügiger und gefälliger Kaufleute zu Beginn des 19. Jahrhundert zurückzuführen sein.56 Der Begriff beinhaltet daher eine über das übliche Maß hinausgehende, vertragspartnerfreundliche Art und Weise des geschäftlichen Verkehrs. Unter »Kulanz« ist daher allgemein ein Entgegenkommen zwischen Vertragspartnern nach Vertragsabschluss zu verstehen.57 Allgemeine Beispiele für Kulanz sind Reparatur- und Serviceleistungen trotz nicht (oder nicht mehr) vorhandener Gewährleistung oder außervertragliche, kundenfreundliche Leistungen. 58 Entsprechend wird eine Kulanzzahlung im Versicherungsrecht als »entgegenkommende Leistung des [Versicherers] an den [Versicherungsnehmer], insbesondere im Zusammenhang mit der Schadenregulierung« beschrieben.59 Dies geschieht »dogmatisch« oftmals durch eine wohlwollende Interpre-
Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, Teil 2, Begriff Kulanz, S. 453. 51 Bspw. bei Wedge, Insurance and Reinsurance Run-Off, S. 117 f. 52 Zu diesem Begriff und der hierauf basierenden Ansicht zur Folgepflicht auf S. 107 ff. (Lösung 2). 53 Raiser, VersR 1967, S. 312 (315 f.); ohne nähere Beschreibung auch angeführt bei Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 5. 54 So Raiser, VersR 1967, S. 312 (315) im Hinblick auf den Anspruchsübergang nach § 67 VVG a.F. (heute § 86 VVG), allerdings ohne nähere Erläuterung. 55 Lorenz, Symposion 80 Jahre VVG, S. 470. 56 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 4. 57 Entsprechend ist eine Übersetzung ins Englische mit fair dealing oder ähnlichem nicht angezeigt. 58 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 4. 59 P. Koch/Weiss, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Liberalitätsentschädigung, S. 504. 50
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
tation des Vertragstextes bzw. der AVB oder durch den Verzicht auf die Geltendmachung eines regelmäßig vertraglichen Ausschlusses.60 Nach Kollhosser spricht man demnach von einer Kulanzleistung, wenn »der Versicherer Leistungen nach einem Schadensfall erbringt, obwohl für ihn feststeht oder mindestens ungewiss ist, dass er dazu nicht verpflichtet ist, […] jedenfalls sofern dieser Wille des Versicherers für den [Versicherungsnehmer] nach dessen Empfängerhorizont erkennbar ist«.61 Diese Auffassung der Kulanz ist Anlass für die sich hieran anschließende Problematik der Folgepflicht des Rückversicherers. Darüber hinaus ist der Begriff »Kulanz« nicht der einzige Begriff, der im Fall einer »nur« möglichen Leistungspflicht des Erstversicherers, d.h. also bei Zweifeln an der Leistungspflicht, verwendet wird. Diese stellen sich bei näherer Betrachtung als Unterfälle oder Synonyme der Kulanz dar. Unter dieser Begriffsvielfalt sollen illustrativ die Termini »Billigkeitsentschädigung« und »Liberalitätsleistung/-entschädigung« ausgewählt und untersucht werden. Andere Begriffe wie »freiwillige Leistung« oder auch »Gnade« bzw. »Gutmenschentum« werden zwar ebenfalls vereinzelt zur Beschreibung des Phänomens verwendet, werden hier jedoch nicht weiter definiert, da diese Begriffe ohne zusätzliche inhaltliche Aussage lediglich als Umschreibung von Kulanz zu begreifen sind. Diese begriffliche Annäherung und die sich daran anschließende, elaborierte Verwendung der Begriffe ist nicht nur Selbstzweck, sondern gerade bei der Gestaltung von ausschließenden oder inkludierenden Klauseln in Rückversicherungsverträgen unerlässlich,62 wenn nicht eine vom Parteiwillen divergierende Auslegung durch ein nationales Gericht oder ein Schiedsgericht riskiert werden soll. a) Die Billigkeitsentschädigung Billigkeitsentschädigungen sollen einen Unterfall der Kulanzleistung darstellen und zwar in der Weise, dass sie einen sachlichen, im Gegensatz zu einem personellen Anknüpfungspunkt haben.63 Gesichtspunkte der Billigkeit stellen sich, worauf Raiser zu Recht hinweist, »dem Normenrecht entgegen als ein korrigierendes Prinzip, das anzeigt, daß die Norm in ihrer notwendigen Abstraktion der im gegebenen Fall sich ausprägenden Differenziertheit der Werte und Interessen nicht gerecht wird oder daß unser Wertsystem oder eine einzelne Wert- oder Interessenabwägung sich von der des Normengebers wegund fortentwickelt hat« 64 dar. Hinzuweisen ist allerdings auf den Umstand, 60 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (173 f.); Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 144 f. 61 Prölss/Martin/Kollhosser, VVG 27. Aufl. 2004, § 49 VVG Rn. 5. 62 Vahsen, VW 1990, S. 1162. 63 Raiser, VersR 1967, S. 312 (313). 64 Raiser, VersR 1967, S. 312 (313).
B. Die Vielgestaltigkeit der Regulierung des Erstversicherers
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dass die Wertung der Billigkeit im Fall einer Billigkeitsentschädigung im Rahmen eines Vertrages nicht einer durch diese Definition vorausgesetzten gesetzgeberischen oder richterlichen Wertung, sondern allein der Billigkeitsbewertung des Versicherers folgt. Aus diesem Grund weist Raiser darauf hin, dass die vertraglichen, harten Grenzen nur durch eine der Vertragsparteien (vornehmlich durch den Versicherer) und nicht etwa durch den Richter verändert werden können.65 Insofern tritt dieses »korrigierende Prinzip« jedenfalls in einem anderen Gewand auf. Mitunter wird auch von einer sog. »Billigkeitskulanz« gesprochen. Im Verhältnis zum Begriff »Kulanz« selbst wird allerdings nicht differenziert – die Begrifflichkeiten werden vielmehr synonym verwendet.66 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass Billigkeit als Begriff jedoch auch dem Recht nicht fremd ist. Neben der anspruchsbegründenden Billigkeitshaftung nach § 829 BGB, ist als wohl prominentester Vertreter § 242 BGB zu nennen. Insbesondere das Rechtsinstrument des § 242 BGB ist gerade auch auf das Versicherungs- und auf das Rückversicherungsverhältnis anwendbar. 67 Raiser nennt als Beispiel für die Entscheidungshoheit des Versicherers in puncto Billigkeitserwägung die billige Korrektur eines Risikoausschlusses, welche einem Richter vorenthalten sei. 68 Unter Zugrundelegung der vorgenannten Rechtsinstrumente wird man diese Aussage jedoch auf eine »reine Billigkeit« beziehen müssen, also eine solche, die von jedweder rechtlicher Überlegung frei ist, sondern allein motivgeleitet ist. Dies ändert jedoch nicht die grundsätzliche Einordnung der Billigkeitsentschädigung als Kulanzleistung. b) Die Liberalitätsleistung/-entschädigung Hinzuweisen ist im Weiteren auf sog. Liberalitätsleistungen. 69 »Liberalität« deutet nicht etwa daraufhin, dass die Entschädigung im Sinne eines Liberalisierens von einer Leistungspflicht befreit, sondern stammt ursprünglich aus dem Lateinischen von liberitas und ist in dieser Konstellation mit »edle Gesinnung« oder »Freigiebigkeit« zu übersetzen. Der Begriff bezieht sich daher vielmehr auf die Freiwilligkeit der Leistung. Insofern lässt die Etymologie allerdings keinen Schluss auf die Frage nach dem Verhältnis des Begriffs zur Kulanz zu, da auch diesem ein Element der Freiwilligkeit innewohnt. Heute ist Raiser, VersR 1967, S. 312 (314). Raiser, VersR 1967, S. 312 (313 f.). 67 In diesem Zusammenhang sei auf die vielfach vertretene Anwendung von sog. uberrima fides bzw. utmost good faith hingewiesen, eine gesteigerte Form vom Treu und Glauben, die auf S. 232 ff. näher untersucht wird. 68 Raiser, VersR 1967, S. 312 (314). 69 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 5 mit Verweis auf Raiser, VersR 2967, S. 312 (317) auch als Freigiebigkeitsleistung bezeichnet; des Weiteren als Liberalitätsentschädigung (P. Koch/Weiss, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Liberalitätsentschädigung, S. 528). 65 66
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
»Liberalität« eher im Sinne einer politischen liberalen Gesinnung gebräuchlich. Die Verwendung des Begriffs im rechtstechnischen Sinn beschränkt sich daher in erster Linie auf ältere Rechtsprechung und Literatur.70 Oftmals werden Liberalitätsleistungen nicht zum Begriff der Kulanz ins Verhältnis gesetzt, sodass aus sonstigen Aussagen auf den Bedeutungsgehalt geschlossen werden muss. Wenn von sog. »bewusster Liberalität« die Rede ist, beziehe sich dies auf das »Bewußtsein, unter keinen Umständen zur Leistung verpflichtet zu sein«71 und damit auf eine subjektive Komponente in der Sphäre des Versicherers. Hieraus ließe sich der Schluss ziehen, dass einer Liberalitätsleistung unter keinen Umständen eine Leistungspflicht zugrunde liegt. Bezieht sich die Spezifizierung des »Bewusstseins« jedoch allein auf das Attribut »bewusst« kann aus dieser Beschreibung nicht auf den Inhalt von »Liberalität« geschlossen werden. Teilweise wird darüber hinaus von einem über Kulanz hinausgehenden Maß an Freiwilligkeit ausgegangen,72 in anderen Fällen wird Liberalität wohl als Synonym zum Begriff der Kulanz verstanden73. Unter einer Liberalitätsentschädigung soll eine »Leistung des [Versicherers] ohne Vorliegen eines vertraglichen Anspruches« zu verstehen sein.74 2. Rechtliche Qualifikation der Kulanz In Ermangelung expliziter gesetzlicher Vorgaben für ein Rechtsinstitut »Kulanz«, ist sie zuweilen bereits als Geschäftsprinzip im Gegensatz zu einem Rechtsprinzip bezeichnet worden.75 Dem ist insoweit zuzustimmen als Kulanz zwar gerade in der Versicherung praktiziert wird, sie aber per se nicht mit einer gesetzlich festgelegten Aussage verbunden ist. Mitunter existieren zu ihrer Rechtsnatur unterschiedliche Ansätze.76
70 Betreffend die Reichweite des § 67 VVG a.F. (heute § 86 VVG) wurde vertreten, dass Leistungen »bewusster Liberalität« einen Rechtsübergang nicht auslösten, so OLG Oldenburg, VersR 1955, S. 181 (182); OLG Köln, VersR 1960, S. 894 (895); hierzu Prölss/Martin/ Prölss, VVG 7. Aufl. 1952, zu § 67 Rn. 4; siehe dazu unten Rn. 225 f. 71 OLG Oldenburg, VersR 1955, S. 181 (182). 72 Siehe OLG Düsseldorf, VersR 1968, S. 447 (448), wobei offenbleibt, wie dieses »Mehr« aussieht. 73 BAG, VersR 1968, S. 266 (267). 74 P. Koch/Weiss, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Liberalitätsentschädigung, S. 528; R. Schmidt/von Fürstenwerth/Weiß, Versicherungsalphabet, Stichwort: Kulanzentschädigung, S. 394; auch Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 132. 75 Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 194 ff. 76 Siehe hierzu den Lösungsansatz zur Folgepflicht auf S. 107 ff.
B. Die Vielgestaltigkeit der Regulierung des Erstversicherers
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a) Kulanz als Schenkung Zunächst erscheint Kulanz dem Außenstehenden oder auch dem Begünstigten regelmäßig als »freiwillige Zuwendung«, mithin als eine Art »Geschenk«.77 Lenz zählt hierzu verschiedene Stellungnahmen auf, in denen kulantes Verhalten im Rahmen eines Versicherungsvertrages als »Geschenk«, »Schenkung« oder »geschenkweise Vergütung« bezeichnet wird.78 Die Bezeichnung allein führt allerdings nicht zu einer rechtlichen Qualifizierung als Schenkung, sondern stellt lediglich ein leicht zu widerlegendes Indiz dar. In diesem Sinne ist zu beachten, dass die Kulanz des Erstversicherers, wie sie vorliegend Gegenstand der Untersuchung ist, nicht losgelöst von dessen Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag erfolgt. Vielmehr kann sie nicht losgelöst von seiner (möglichen) Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag qualifiziert werden. Vertreten wird daher, Kulanzleistungen seien keine Schenkungen, da sie auf Grundlage des Versicherungsvertrages erfolgten.79 Darüber hinaus setzt eine Schenkung eine unentgeltliche Zuwendung voraus, die der Bundesgerichtshof in den Fällen sieht, in denen die Zuwendung unabhängig von einer Gegenleistung erfolgt.80 Dies soll wiederum nach der objektiven Sachlage festgestellt werden, muss darüber hinaus allerdings von den Parteien subjektiv gewollt sein.81 In der Folge sei ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung allein hierfür nicht ausreichend – auch eine nur teilweise Schenkung lässt sich hieraus nicht ohne Weiteres ableiten.82 Im Gegensatz zu der Frage, ob es sich um eine Zuwendung handelt, könnten aufgrund des subjektiven Charakters des Merkmals der Unentgeltlichkeit die Motive des Versicherers hier eine Rolle spielen. Abstrakt formuliert, könnte eine Einordnung als Schenkung daher an einem fehlenden karitativen Element der Kulanzleistung auf Seiten des Versicherers scheitern. Auf diese Bedeutsamkeit des Motivs des Versicherers als Schenker lässt sich auch mit Verweis auf J. Koch schließen, wonach die Unentgeltlichkeit aus altruistischen Motiven des Zuwendenden resultieren müsse.83 Entsprechend steht eine rein wirtschaftliche Motivation einer Qualifizierung als Schenkung entgegen. 77 Vorausgesetzt, der Versicherungsnehmer hat nicht bereits eine Erwartungshaltung in diese Richtung. 78 Lenz verweist zur Ablehnung der Kulanz als Schenkung auf die Motivation des Versicherers, die eine Entreicherung im Sinne des Zuwendungsbegriffs des Schenkungsrechts begründe (Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 74 f.). Auf die Motive des »Schenkenden« kann es allerdings für das Merkmal »Entreicherung« nicht ankommen, so auch RGZ 95, S. 12 (14); Palandt/Weidenkaff, BGB, § 516 Rn. 6: »Das Motiv der Zuwendung kann daher selbstsüchtig sein«. 79 R. Schmidt, Versicherungsalphabet, Begriff Kulanz, S. 202; vgl. auch Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 77. 80 BGH, NJW 1982, S. 436; BGH, NJW 2009, S. 2737. 81 OLG Hamm, NJW-RR 1993, S. 1412; MüKo/J. Koch, BGB Bd. 3, § 516 Rn. 24. 82 BGH, NJW 1961, S. 604, OLG Brandenburg, NJW 2008, S. 2720. 83 MüKo/J. Koch, BGB Bd. 3, § 516 Rn. 24 und Poelzig, JZ 2012, S. 425 (429 ff.).
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
Diese wirtschaftliche bzw. geschäftspolitische Motivation ist bereits aus dem Zweck der Regulierung aus Kulanz abzuleiten, die in erster Linie in einer effektiven und kostengünstigen Regulierung zu sehen ist. So nimmt auch Ehrenzweig an: »Schenken will [der Versicherer] ja nicht«.84 Dieses Merkmal der Schenkung gibt zusätzlich Anlass für eine Untersuchung der Motive des Erstversicherers im Rahmen seiner Regulierung.85 Die Qualifizierung als Schenkung ist schließlich bereits vor diesem Hintergrund abzulehnen86 und die Kulanzleistung des Versicherers mit ebendieser Folge als »Abgeltung einer Gegenleistung« bzw. als »Erfüllung einer Verbindlichkeit« anzusehen. 87 Auch aus der Perspektive des Empfängers liegt keine unentgeltliche Zuwendung vor.88 b) Kulanz als Anerkenntnis oder Vergleich Des Weiteren ist versucht worden, die Kulanz als (konstitutives oder deklaratorisches) Anerkenntnis bzw. auch als Vergleich zu qualifizieren89 und ihr damit eine rechtliche Bindungswirkung zuzusprechen. Das Oberlandesgericht München nahm in einer relativ jungen Entscheidung aus dem Jahr 2011 an, dass Kulanz selbst nicht als Rechtsinstitut zu begreifen und zu qualifizieren sei.90 Vielmehr ging es davon aus, dass es sich hierbei um einen einseitigen, freiwilligen Rechtverzicht aus wirtschaftlichen Erwägungen handele, welche dem Recht übergeordnet sind.91 Man wird – auf die Spitze getrieben – die Frage stellen müssen, wie aus einem dem Recht übergeordneten Konstrukt ein Verzicht auf dem Recht innewohnende Rechte folgen kann. Das Oberlandesgericht München relativiert seine Entscheidung daher selbst durch die Aussage, dass auch eine »Kulanzentscheidung« grundsätzlich rechtliche Bindungswirkung entfalten könne. 92 Auch dieser Annäherungsversuch darf nicht in der Ehrenzweig, Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, S. 285 (Fn. 1). Siehe hierzu sogleich S. 37 ff. 86 So u.a. auch Raiser, VersR 1967, S. 312 (312, 316) und Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 80 f. 87 So schon für diese Auslegung RG, NJW 1917, S. 103; RGZ 125, S. 380 (383); BGH, WM 1967, S. 1131; BGH, WM 1971, S. 1338; zusammenfassend MüKo/J. Koch, BGB Bd. 3, § 516 Rn. 25. 88 Raiser, VersR 1967, S. 312 (312 f.). Im Weiteren handelt es sich auch nicht um eine unentgeltliche Zuwendung in Form einer »Spende für betriebsfremde Zwecke« (dort S. 315 f.). 89 Hierauf deuten bspw. Formulierungen des BGH, VersR 1977, S. 471; auch Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 85. 90 OLG München, NJW 2011, S. 1369; das Urteil wird auch vor dem Hintergrund der Frage nach einer Kulanzpflicht und der Erwartungshaltung des Versicherungsnehmers zu analysieren sein, hierzu S. 242 f. 91 OLG München, NJW 2011, S. 1369 (1370). 92 OLG München, NJW 2011, S. 1369 (1369 f.). 84 85
B. Die Vielgestaltigkeit der Regulierung des Erstversicherers
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Weise »wörtlich« verstanden werden, dass er sich auf den zur Kulanz gehörenden Entscheidungsprozess des Versicherers bezieht. Auch hier ist Kulanz lediglich als Phänomen beschrieben. Bostelmann erklärt, dass die Frage nach dem Bestehen der Leistungspflicht des Versicherers nur mit einem »Ja« oder »Nein« beantwortet werden können müsse. Hieraus ergebe sich wiederum die Notwendigkeit, dass einer ungewissen Leistungspflicht jedenfalls mit einem deklaratorischen Anerkenntnis abgeholfen werden könne.93 Dies bedeutet jedoch gerade nicht, dass in einer kulanten Regulierung auch zwangsläufig ein (deklaratorisches) Anerkenntnis zu sehen ist. Der Zweck eines (deklaratorischen) Anerkenntnisses liegt regelmäßig in der abschließenden Beseitigung einer bestehenden Ungewissheit in einem Vertragsverhältnis, um dadurch Einwendungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auszuschließen.94 Auch vor diesem Hintergrund hängt die rechtliche Qualifikation als Anerkenntnis von der Willensrichtung des Versicherers ab. Nimmt man den, in diesem Zuge üblicherweise ausdrücklich geäußerten Vorbehalt des Erstversicherers (»ohne Anerkennung einer Rechtspflicht«)95 in den Blick, lässt sich diese rechtliche Qualifizierung für die versicherungsrechtliche Kulanz nicht aufrechterhalten.96 Jedenfalls muss der Erstversicherer erkennbar »nur« aus Kulanz leisten, da anderenfalls ein deklaratorisches Anerkenntnis anzunehmen sein kann.97 Auch die Qualifizierung als Vergleich gemäß § 779 I BGB liegt zunächst nahe, zeichnet sich dieser doch gerade durch ein gegenseitiges Entgegenkommen der Parteien aus Anlass der Ungewissheit über das Bestehen eines Schuldverhältnisses im engeren Sinn aus.98 Hierdurch würde auch hier ein eigenständiger Anspruch des Versicherungsnehmers erst begründet. Eine solche rechtliche Qualifizierung kann sich auch nach dem Parteiwillen dann ergeben, wenn der Erstversicherer einen Teil der geforderten Versicherungsleistung auszahlt und der Versicherungsnehmer im Gegenzug auf den möglicherweise bestehenden Anspruch auf den Restbetrag rechtswirksam verzichtet.99 In diesem Fall spricht Lenz auch von einem sog. »Kulanzvergleich«, der in der Regel im vorprozessualen Stadium Platz greift.100 Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (598). Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 87. 95 So auch OLG Düsseldorf, VersR 1968, S. 447 (448). 96 Generell diese rechtliche Qualifizierung ausschließend Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 85 ff. 97 BGH, VersR 1986, S. 801; OLG Saarbrücken, VersR 1994, S. 969; OLG Hamm, NJWRR 1995, S. 1501; OLG Saarbrücken, VersR 2002, S. 877; Glauber, VersR 1994, S. 1405 im Ganzen. 98 So auch Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 84; zur Kulanz als Vergleich vgl. auch LG Hagen, VersR 1983, S. 1147 und Prölss/Martin/Kollhosser, 27. Aufl. 2004, § 49 VVG Rn. 5. 99 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 84 f. 100 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 85. 93 94
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
c) Kulanz als (unselbstständige) Gefälligkeit Wenn mit der kulanten Regulierung aber regelmäßig keine rechtliche Bindung durch den Erstversicherer gewollt ist, liegt es nahe, hierin eine bloße Gefälligkeit zu sehen. In dieser Weise werden von Rechtsprechung und Literatur Fälle von Kollegialität oder Freundschaft beurteilt.101 Der Bundesgerichtshof grenzt die Gefälligkeit, neben dem Vertrag auf der einen Seite, zum gentlemen’s agreement ab. 102 Rechtliche Konsequenz einer Qualifizierung als Gefälligkeit wäre allerdings ebenfalls ein Rechtsgrund für das »Behaltendürfen« der Leistung.103 Im Unterschied zu den klassischen Fällen einer Gefälligkeit zeichnet sich die Kulanz jedoch dadurch aus, dass sie jedenfalls an einen vermeintlichen bestehenden Rechtsgrund – hier: den Versicherungsvertrag – (mittelbar) anknüpft.104 Kulanzzahlungen des Erstversicherers werden daher in früherer oder fortbestehender rechtsgeschäftlicher Bindung erbracht und abgewickelt, weshalb sie nach Ansicht von Richter als unselbstständige Gefälligkeiten anzusehen seien.105 Nach Ansicht von Lenz werden Kulanzzahlungen rein zweckorientiert als geschäftspolitische Entscheidung eingesetzt, worin gleichsam der Unterschied zur Gefälligkeit zu sehen sei.106 Selbst eine Gefälligkeit im kollegialen oder freundschaftlichen Verhältnis beruht allerdings nicht immer allein auf altruistischen Motiven, sondern kann vielmehr auch in der eigenen Erwartung einer zukünftigen Gefälligkeit, und damit eigennützig bzw. zweckorientiert erfolgen. Auch wenn sich der klassische Fall der Gefälligkeit in seiner Zweckrichtung zugegebenermaßen von der Kulanz des Erstversicherers unterscheiden wird,107 ist daher im Regelfall keine rechtliche Bindung durch den Erstversicherer intendiert und eine unselbstständige Gefälligkeit anzunehmen. Dies ist für die weitere Untersuchung insofern bedeutsam, als die Kulanz keine eigenständige Verpflichtung des Erstversicherers begründet. III. Einverständliche Regulierung und Urteil Im Gegensatz dazu kann sich eine einverständliche Regulierung zunächst in Form von Schadensfeststellungsverträgen und Entschädigungsfeststellungsverträgen ausdrücken, wobei deren Rechtsnatur im Gesamten umstritten ist.108 Entscheidend für diese Untersuchung ist jedoch, dass diese Verträge mit dem So BGHZ 21, S. 102 (107); BGH, NJW 1968, S. 1874; BGH, NJW 1971, S. 1404; und illustrativ für die Literatur Palandt/Grüneberg, BGB, Einl v § 241 Rn. 7. 102 BGH, NJW 2009, S. 1141. 103 Siehe Willoweit, JuS 1984, S. 909 (913). 104 Richter, Die Kulanz als unselbständige Gefälligkeit, S. 73. 105 Im Ganzen Richter, Die Kulanz als unselbständige Gefälligkeit. 106 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 91 f. 107 Im Einzelnen zu den Motiven des Erstversicherers sogleich S. 37 ff. 108 Zu dieser und den beiden Begriffen im Ganzen Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (599 ff. und 650 ff.). 101
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Zweck geschlossen werden, eine Teilfrage der Leistungspflicht des Erstversicherers rechtsverbindlich zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer zu klären. Sie bilden allerdings lediglich einen Aspekt der Regulierung, der sich in gleicher Weise – indes bezogen auf die Leistungspflicht des Erstversicherers im Gesamten – auch im Vergleich wiederfindet. Der Vergleich ist sowohl als gerichtlicher als auch als außergerichtlicher Vergleich vor dem Hintergrund der Problematik zweifelhafter Fälle mit Blick auf die Leistungspflicht des Erstversicherers bereits qua definitionem ein taugliches Mittel der Regulierung.109 Darüber hinaus kann ein Vergleich sachgerechter sein als das strikte Beharren auf einer Vertragsklausel.110 Er wird gerade aus Anlass einer Zweifelhaftigkeit des Bestehens der Leistungspflicht und mit dem Zweck der rechtsverbindlichen Klärung dieser Zweifel geschlossen. Letztlich kann – in Abhängigkeit von einem Willen des Erstversicherers – auch ein Vergleich als eine Form der Kulanz aufgefasst werden.111 Im Unterschied zu diesem Kulanzvergleich ist der Prozessvergleich im Sinne des § 794 I Nr. 1 ZPO eher selten anzutreffen.112 Beide Erscheinungsformen sind für die Zwecke dieser Untersuchung gemeint, wenn von »Vergleich« gesprochen wird. Auch das Urteil (bzw. der Schiedsspruch) muss als Regulierungsart eingeordnet werden.113 Im engeren Sinn ist das Urteil zwar nicht einverständlich, da sich Versicherungsnehmer und Erstversicherer nicht im Wege zweier korrespondierender Willenserklärungen (§§ 145 ff. BGB) auf den Urteilsspruch einigen. Wohl aber ist das Urteil in Abgrenzung zur einfachen Regulierung, die die Abwicklung gänzlich in die Hände des Erstversicherers legt, gerade nicht von dessen »Willkür« bestimmt.114 Vielmehr entscheidet hier ein Dritter, das Gericht, über das Bestehen der Leistungspflicht. Diese Entscheidung ist im eigentlichen Sinne rechtsverbindlich und wirkt als rechtskräftiges Urteil für und gegen die Parteien (materielle Rechtskraft, § 325 I ZPO).115 Neben der Begrenzung dieser Rechtsverbindlichkeit durch den Vorbehalt des Instanzenzugs (formelle Rechtskraft, § 705 ZPO) zeigt sich das Urteil hier als Ausdruck stilisierter, materieller Gerechtigkeit und damit als höchstmöglicher Grad der »Eindeutigkeit« des Bestehens bzw. Nichtbestehens der Leistungspflicht des Erstversicherers – mithin als Regulierung mit anerkannter Patina rechtlich-materieller Wahrheit. So auch Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (578). Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 140. So auch schon die Einlassung von Porzig in der 26. Sitzung zu Beratungen über die Entwürfe eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 23. Januar 1906, abgedruckt in Motive zum VVG 1908, S. 581. 111 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 64 f. (auch 84). 112 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 85. 113 So auch Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (578). 114 Vgl. Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (710). 115 Grundlegend BGHZ 3, 385 (388); Hierzu vertiefend Prütting/Gehrlein/Völzmann-Stickelbrock, ZPO, § 325 ZPO Rn. 1. 109 110
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
IV. Pauschale Regulierung einer Vielzahl von Schadensfällen Eine Sonderform der Regulierung stellt die pauschale Behandlung einer Vielzahl von Schadensfällen dar. Sie kann aus der modernen Versicherungswirtschaft wohl nicht mehr weggedacht werden.116 Sie wurde zwar in der versicherungsrechtlichen Literatur einer näheren Betrachtung zugeführt, ist aber gerade für die Haftung des Rückversicherers noch keiner abschließenden Lösung zugeführt worden. Meist arbeiten in diesen Fällen mehrere Versicherer bei der Regulierung der Schadensfälle zusammen. Die Gründe hierfür liegen in der kostenintensiven, individuellen gerichtlichen Feststellung der Leistungspflichten der Versicherer bis zu der mit unverhältnismäßigem Aufwand verbundenen Feststellung der Verursachungsbeiträge der Versicherungsnehmer (beispielsweise bei Massenverkehrsunfällen in der Kfz-Haftpflichtversicherung117 oder Naturkatastrophen, die eine große Zahl an Versicherern auf unterschiedliche Weise treffen können). Unterschieden werden kann zudem in Abkommen allein zwischen den Versicherern und Vereinbarungen mit dem Versicherungsnehmer. Erstere werden meist im Vorfeld zu eintretenden Versicherungsfällen geschlossen und als Schadenteilungsabkommen (oder Teilungsabkommen) bezeichnet. Häufig werden sie zwischen Haftpflichtversicherern und Krankenkassen bzw. Kfz-Versicherern 118 zum Ausschluss von Regressansprüchen (§ 86 VVG) abgeschlossen, 119 und die entstehenden Kosten nach einer Quote 120, die sich nach einer auf allgemeinen Erfahrungssätzen beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung bemisst, aufgeteilt.121 Der Zweck dieser Abkommen liegt in der dadurch obsolet gewordenen (oder jedenfalls auf ein Mindestmaß reduzierten) Investigation des Schadensfalls durch die Versicherer und der hierin liegenden Kostenvermeidung. Dieser Zweck wird selbst dann erfüllt, wenn der einzelne Versicherer mehr zahlt, als er materiell geschuldet hätte. Solche Vereinbarungen werden üblicherweise als gegenseitige Rahmenverträge zwischen Versicherern zur vergleichsweisen Erledigung künftiger Rechtsverhältnisse qualifiziert.122 Auch wenn an dieser Einordnung aufgrund
Haidinger, VersR 1951, S. 57 (57); Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, § 86 Rn. 110. In diesem Zuge ist auch der Verein Verkehrsopferhilfe e.V. zu nennen, die bei KfzUnfällen in Deutschland als Garantiefonds fungiert. 118 So in BGH, VersR 1993, S. 981. 119 Im Kontext mit der Kulanzzahlung Raiser, VersR 1967, S. 312 (316). 120 Hierzu instruktiv Clauß, VersR 1957, S. 557; weiterführend BGH, VersR 1974, S. 546. 121 BGH, VersR 1951, S. 65; siehe schon Haidinger, VersR 1951, S. 57 (57): »Ohne Rücksicht auf die Sach- und Rechtslage«. 122 BGH, VersR 1951, S. 65; BGH 1974, S. 546; BGH 1993, S. 981; auch Prölss/Martin/ Armbrüster, VVG, § 86 Rn. 111. 116 117
B. Die Vielgestaltigkeit der Regulierung des Erstversicherers
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der zeitlichen Vorverlagerung des Abkommens im Verhältnis zum Schadensfall gezweifelt werden könnte,123 ist ihr im Ergebnis aufgrund der Funktion und Regelungsweise eines solchen Abkommens zuzustimmen. In jedem Fall wird hiermit – für die Frage der Folgepflicht bedeutsam – ein neues Rechtsverhältnis begründet. Ein weiterer Fall pauschaler Regulierung kann als strukturierter Massenvergleich (auch Globalvergleich genannt) 124 beschrieben werden. Konkret wird hierbei meist eine zentrale Einrichtung als Ansprechpartner für die bei verschiedenen Versicherern versicherten Versicherungsnehmer gebildet und deren Schadenmeldungen gesammelt. Die Sammelstelle reguliert im Anschluss auch die gemeldeten Versicherungsfälle, wodurch die Erstversicherer nach einer Wahrscheinlichkeitsquote die Schäden tragen. Im Unterschied zu Schadenteilungsabkommen sind solche Vereinbarungen unproblematisch als Vergleich im Rechtssinne zu qualifizieren – im Unterschied zu Schadenteilungsabkommen allerdings unter Zustimmung des Versicherungsnehmers. Der Zweck derartiger Vereinbarungen ist ebenso offensichtlich wie schon für die Schadenteilungsabkommen. Sie führen einerseits für den Versicherungsnehmer zu schneller und unbürokratischer Hilfe, stellen primär aber vor dem Hintergrund der problematischen Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht eine wirtschaftliche und praktische Notwendigkeit für die Versicherungsbranche im Gesamten und die Versicherer im Einzelnen dar. Durch sie werden mit Beweiserhebungen verbundene, kostentreibende, gerichtliche Verfahren vermeiden, die sich für den Erstversicherer anderenfalls zu hohen Prozesskosten summieren können.125 Die pauschale Regulierung wird somit von der Erwartung getragen, dass sich die Verantwortlichkeit der einzelnen Versicherungsnehmer und damit die Leistungspflichten der Versicherer durch die bloße Zahl der gemeldeten Schadensfälle bei allen beteiligten Versicherern im Vergleich zur »wahren« Rechtsund Faktenlage gegenseitig ausgleichen werden. 126 Im Fall des Globalvergleichs erhält der Versicherungsnehmer daher, wie im Fall eines individuellen
Mit dieser Begründung auch Bischoff, VersR 1974, S. 217 mit dem weiterführenden Hinweis darauf, dass die für einen Vergleich erforderliche Ungewissheit für das Schadenteilungsabkommen nicht vorausgesetzt ist. Er geht davon aus, dass ein solches Abkommen selbst eine wechselseitige Rückversicherung darstellt; das Schadenteilungsabkommen als Versicherung begreifend auch Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 232; a.A. BGH, NJW 1963, S. 2223. 124 Stenberg, ZfV 1992, S. 529. 125 So auch Raiser, VersR 1967, S. 312 (316) – im Weiteren zur Vermeidung von Regressstreitigkeiten bspw. in der Kraftverkehrsversicherung zwischen Fahrzeug- und Haftpflichtversicherer. 126 Raiser, VersR 1967, S. 312 (316). 123
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
Vergleichs und der als Kulanzzahlung beschriebenen Regulierung möglicherweise mehr, als das, was ihm rechtlich »zustünde«.127 V. Die entgegenkommende Regulierung als Oberbegriff Kulanz schwingt, wie auch an ihrer rechtlichen Qualifikation deutlich wurde, grundsätzlich in allen Regulierungsarten des Erstversicherers mit und kann selbst nicht als Regulierungsart angesehen werden. Gemein ist jeder Regulierung des Erstversicherers eine rechtliche oder tatsächliche Ungewissheit über das Bestehen der Leistungspflicht des Erstversicherers. Zum Zwecke einer effizienten und kostengünstigen Regulierung trotz der Ungewissheiten stehen dem Erstversicherer daher mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Lenz sieht im Begriff der Kulanz einen Oberbegriff für drei von ihm benannte Fallgruppen: eine Leistung trotz Nichtbestehens eines Anspruchs, Kulanz im engeren Sinn (worunter er u.a. bewusste Liberalitätszahlungen fasst) sowie Zweifelsfälle, welche oft einen Vergleich nach sich zögen.128 Diesem weiten Verständnis von Kulanz ist vor dem Hintergrund der vorgeschalteten Erörterungen unbedingt zuzustimmen. Allerdings soll diese Untersuchung den Begriff der Kulanz nicht als Oberbegriff verwenden. Er ist aufgeladen mit einer Wertung der Unzulässigkeit oder »Unrechtlichkeit«, die seiner Bedeutung und Alltäglichkeit im Versicherungswesen nicht gerecht wird. Jede unter den beschriebenen Unsicherheiten stattfindende Regulierung des Erstversicherers hat einen »Makel« des über die rechtliche Verpflichtung hinausgehenden Entgegenkommens. Und dieser Makel ist es, welcher für die Folgepflicht des Rückversicherers zu Ausschlüssen von »zu sehr« entgegenkommenden Regulierungen geführt und beispielsweise die Verwendung des Begriffs ex gratia befördert hat. Abgesehen von einer Sonderstellung des Urteils (bzw. Schiedsspruchs) soll daher für dieses Phänomen der Versicherung ein, diese Problematik neutral beschreibender Begriff gewählt werden, der insofern regulierungsartunabhängig ist: die »entgegenkommende Regulierung«.129 Wenn üblicherweise in die »einfache Regulierung« und die »einverständliche Regulierung« unterschieden wird, ergibt sich hieraus eine den Einfluss des Versicherungsnehmers beschreibende Differenzierung. Diese mag zwar für die Erstversicherung von Nutzen sein, kann für die Rückversicherung allerdings nicht fruchtbar gemacht werden. Auf ein Einverständnis des Versicherungsnehmers in die Regulierung des Erstversicherers kommt es dem Rückversicherer gerade nicht an. Die Haftung des Letzteren folgt nicht den Entscheidungen des Versicherungsnehmers, sondern den Entscheidungen des Erstversicherers. Auf den Globalvergleich wird noch einmal im Rahmen der Darstellung des Urteils Hiscox v. Outhwaite einzugehen sein, siehe unten S. 182 ff. 128 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 70. 129 Vgl. auch den Begriff der entgegenkommenden Leistung des Versicherers bei Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 70. 127
C. Bedeutung der Regulierung und Motive des Erstversicherers
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Auch die Zweckmäßigkeit der Regulierung für den Versicherungsnehmer ist daher nicht entscheidungserheblich. Für die dieser Untersuchung zugrunde liegende Frage nach der Bestimmung der Folgepflicht ist diese Unterscheidung – wie auch die Unterscheidung in Regulierungsarten – daher nicht relevant.
C. Bedeutung der Regulierung und Motive des Erstversicherers »Charity has no business to sit at boards of directors qua charity. There is, however, a kind of charitable dealing which is for the interest of those who practice it, and to that extent and in that garb (I admit not a very philanthropic garb) charity may sit at the board, but for no other purpose.«*
Auch der Versicherungsmarkt ist trotz seiner kollektivschützenden Ausprägungen ein Markt, der von Wettbewerbsgedanken getragen wird. Und der einzelne Versicherer muss sich als Unternehmen auf diesem Markt behaupten. Wohl wichtigstes Instrument in dieser Umgebung ist trotz der Diversität der Versicherungsbedingungen ebendie beschriebene Regulierung. Durch eine zu zurückhaltende und intransparente Regulierung kann sich für den einzelnen Versicherer ein Wettbewerbsnachteil gegenüber seinen Konkurrenten ergeben.130 Die Motive des Erstversicherers für eine entgegenkommende Regulierung sind jedoch vielschichtig.131 Sie bilden im Weiteren die Grundlage für die Darstellung der sich in Bezug auf die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis gegenüberstehenden Interessen von Erst- und Rückversicherer. Unabhängig von der Frage, welche Motive der Erstversicherer seinen Entscheidungen zugrunde legt, ist bereits zu Beginn zu konstatieren, dass der Erstversicherer in den seltensten Fällen von nur einem dieser Motive geleitet werden wird.132 Vielmehr werden mehrere Motive in unterschiedlichem Maß den Ausschlag für eine Form der Regulierung geben.133 Sie lassen sich in spezialreaktive Motive (d.h. auf das konkrete Vertragsverhältnis bezogene Motive) und generalreaktive Motive (d.h. auf die Außenwirkung der Regulierung auf die Versichertengemeinschaft bzw. Dritte bezogene Motive) unterscheiden.
Bowen LJ in Hutton v. West Cork Railway Co [1883] 23 Ch D 654 (673). Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (572). 131 Siehe bereits die Aufzählung in Prölss/Martin/Kollhosser, VVG 27. Aufl. 2004, § 49 Rn. 5. 132 Auch Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 57. 133 Im Ganzen hat insb. Lenz eine umfassende Darstellung der Motive des Erstversicherers für Kulanzleistungen versucht (Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 35 ff.). *
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38 I.
Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
Spezialreaktive Motive
Unter spezialreaktiven Motiven sollen solche zu verstehen sein, die sich auf das in Rede stehende Vertragsverhältnis mit dem Versicherungsnehmer beziehen. Kollhosser nennt in diesem Zusammenhang die Pflege der konkreten Kundenbeziehung.134 Mit spezialreaktiven Motiven sind allerdings nicht nur Beweggründe gemeint, die sich auf Vorteile durch die Aufrechterhaltung oder Erweiterung von Kundenbeziehungen ergeben können, sondern auch solche, die durch die Reduzierung der Regulierungskosten entstehen. In diesem Zusammenhang ist der Frage nachzugehen, ob es auch ein belohnendes bzw. karitatives Motiv geben kann, welches nicht – auch nicht mittelbar – auf einen wirtschaftlichen Vorteil für den Erstversicherer gerichtet ist. 1. Konkrete Regulierungskosten Die Regulierung selbst verursacht Kosten. Und dies nicht nur vor dem Hintergrund des vorzuhaltenden Verwaltungsapparates,135 sondern auch und gerade im Hinblick auf die durch die Regulierung im Einzelfall. Hierunter fallen beispielsweise Kosten der Anspruchsprüfung und der Schadenermittlung, die im Einzelfall weitere Nachforschungen, beispielsweise durch Detektive und Analysen, nach sich ziehen. Unterlässt der Erstversicherer derartige Nachforschungen oder verzichtet er jedenfalls auf umfangreiche, kostenintensive Nachforschungen führt dies zu einer Kostenersparnis, die er sich auf der anderen Seite mit einem Entgegenkommen zugunsten des Versicherungsnehmers »erkauft«. Diese Vorgehensweise wird der Erstversicherer wählen, wenn die prognostizierten weiteren Kosten die Einbußen durch ein solches Entgegenkommen übersteigen. Generell können diese Kosten daher auch im konkreten Versicherungsfall gering gehalten werden, sofern die Regulierung schnell und problemlos erfolgt.136 Hieraus ergibt sich ein Interesse des Versicherers an einer »klaren, möglichst streitvermeidenden Schadensregulierung«137 und ein Motiv für eine dem Versicherungsnehmer entgegenkommende Regulierung. Diesen initialen Feststellungen des Erstversicherers folgend wird sich ihm insbesondere bei unklarer Rechtslage die Frage stellen, ob er ein gerichtliches Verfahren anstrengt oder dieses durch eine dem Versicherungsnehmer günstige Regulierung abwendet.138 Auch die prognostizierten Kosten eines Gerichtsverfahrens stehen in Abhängigkeit von Wahrscheinlichkeiten. Im schlechtesten
Prölss/Martin/Kollhosser, VVG 27. Aufl. 2004, § 49 Rn. 5. Hierzu im Rahmen der generalreaktiven Motive sogleich S. 41 ff. 136 Vgl. Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (572). 137 Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (572). 138 So auch Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, 27. Aufl. 2004, § 49 Rn. 5. 134 135
C. Bedeutung der Regulierung und Motive des Erstversicherers
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Fall entscheidet das entsprechende Gericht139 nicht nur zu Lasten des Erstversicherers, sondern legt ihm auch die Prozesskosten auf (d.h. die Gerichtskosten sowie Anwalts-, Reise- oder Sachverständigenkosten, vgl. § 91 ZPO). Abgesehen davon hat er die Kosten seiner eigenen anwaltlichen Vertretung zu tragen bzw. muss Kapazitäten seiner Rechtsabteilung für derartige Verfahren schaffen. Der Vergleich ist vor diesem Hintergrund ein gerne angewandtes Instrument. Auch diesem geht eine wirtschaftliche Analyse voraus, in deren Rahmen der Erstversicherer abwägt, ob die hierdurch entstehenden Kosten die potentiell durch ein gerichtliches Urteil entstehenden Kosten unterschreiten (zu den Vergleichskosten § 98 ZPO). Im Ergebnis ist daher zu konstatieren und als Motiv des Erstversicherers anzuerkennen, dass dieser ein berechtigtes Interesse und Motiv hat, seine konkreten Regulierungskosten so gering wie möglich zu halten. Es handelt sich in diesen Fällen gerade nicht um ein altruistisches Entgegenkommen, sondern um ein rein ökonomisch veranlasstes. 2. Aufrechterhaltung und Erweiterung der Kundenbeziehung Darüber hinaus kann eine »kleinliche und undurchsichtige Regulierung« auch Nachteile in der konkreten Beziehung zu dem jeweiligen Kunden entstehen lassen.140 So wird der Versicherungsnehmer eher geneigt sein, sein Versicherungsvertragsverhältnis mit dem Erstversicherer aufrechtzuerhalten oder gar zu erweitern, wenn sich Letzterer ihm gegenüber »großzügig« und nicht starr auf Begrenzungen und Ausschlüsse des Vertrages verweisend erweist. Aus einer entgegenkommenden Regulierung kann sich so ein Vorteil für den Erstversicherer ergeben.141 Wenn der Versicherungsnehmer mit der Regulierung durch den Erstversicherer zufrieden ist, wird sich der Versicherungsnehmer zudem überzeugen lassen, zuvor auf dem Papier bestehende Ausschlüsse für die Zukunft gegen erhöhte Prämienzahlung zu beseitigen. Dies gilt auch und gerade für den Fall, dass der Erstversicherer dem Versicherungsnehmer in Bezug auf diesen Ausschluss in der Vergangenheit entgegengekommen ist, wenn er darauf hinweist, dass dieses Entgegenkommen einmalig war. Auch ist denkbar, dass sich die Zufriedenheit des Versicherungsnehmers aufgrund entgegenkommender Regulierung auf noch zu schließende Versicherungsverträge anderer Art auswirkt – d.h. insbesondere der Wechsel von einem Mitbewerber des Erstversicherers zu diesem Erstversicherer oder auch die erstmalige Nachfrage nach Versicherungsschutz in einem bestimmten Lebensbereich. Anzuerkennen ist auch dieses Motiv des Erstversicherers. Der Aufbau, die Aufrechterhaltung und Erweiterung der Kundenbeziehungen ist zuvorderst 139 Oder Schiedsgericht im Fall einer Schiedsvereinbarung zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer. 140 Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (572). 141 Im Ganzen zur Standardisierung der Regulierung des Erstversicherers S. 292 ff.
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
im Versicherungsverhältnis elementar. Und diese Erwägung ist ebenfalls rein wirtschaftlicher bzw. geschäftspolitischer Natur, da sie auf die Erhaltung oder den Ausbau von Gewinnen aus dem Vertragsverhältnis gerichtet ist. 3. Existenz eines belohnenden oder karitativen Motivs Im Gegensatz dazu stellt sich die Frage, ob auch ein belohnendes oder karitatives Motiv des Erstversicherers existiert. Dieses Motiv könnte gerade vor dem Hintergrund des Rückversicherungsschutzes problematisch sein. Verwiesen sei bereits an dieser Stelle auf Stimmen in der Literatur, die die Haftung des Rückversicherers für Fälle verneinen, in denen der Erstversicherer allein aus belohnenden, altruistischen oder karitativen Motiven eine entgegenkommende Regulierung, die sich in einer Kulanzzahlung ausdrücken soll, wählt.142 Ungeachtet der terminologischen Problematik dieses Ansatzes143 muss bereits bezweifelt werden, dass es ein derartiges Motiv des Erstversicherers gibt bzw. geben kann. Vielmehr muss auf Basis des bereits Gesagten davon ausgegangen werden, dass auch vermeintlich lediglich belohnende oder karitative Regulierungen bei genauerer Betrachtung gleichfalls ökonomisch motiviert sind. Belohnend könnte die Regulierung sein, wenn der Versicherungsnehmer – ohne dass hiermit von Seiten des Versicherers eine Erweiterung der Geschäftsbeziehungen intendiert wird – für seine Vertragstreue gewürdigt werden soll. Der Schluss auf ein karitatives Motiv liegt dabei zunächst nahe, wenn die Regulierung als eine Art »Spende« an den Versicherungsnehmer aufzufassen wäre. Dies wird in selteneren Fällen für Verbraucherverträge Bedeutung erlangen, wohl aber mag eine entgegenkommende Regulierung in der Industrieversicherung mit der bisherigen Vertragsdauer und dem schadensfreien Vertragsverlauf begründet werden.144 Allerdings sind ebenso Fälle bekannt, in denen der Erstversicherer dem Versicherungsnehmer als Verbraucher entgegenkommt, um diesen vor dem wirtschaftlichen Ruin zu bewahren. Auch hier kann jedoch nicht in Abrede gestellt werden, dass der Erstversicherer jedenfalls auch wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Dies wird insbesondere in Fällen deutlich, in welchen beispielsweise nur so die Fortführung eines »lukrativen« Versicherungsvertrages gewährleistet ist.145 Allerdings folgt auch die Regulierung des Versicherers jedenfalls internen Gesetzmäßigkeiten, da sich der Erstversicherer sonst dem Vorwurf der Unbilligkeit bzw. Ungleichbehandlung ausgesetzt sähe.146 Zu der für diesen Unterpunkt Anlass gebenden Frage meint daher im Ergebnis auch Ehrenzweig, dass
Zusammenfassend Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 803 f. Hierzu im Rahmen von Lösung 2 (ex gratia, S. 107 ff.). 144 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 47 ff. 145 Raiser, VersR 1967, S. 312 (314). 146 Raiser, VersR 1967, S. 312 (315). 142 143
C. Bedeutung der Regulierung und Motive des Erstversicherers
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jedwede Regulierung geschäftspolitisch motiviert sei. 147 Auch wenn belohnende oder karitative Motive bei der Regulierung des Erstversicherers aufzutreten scheinen, werden diese immer auch von wirtschaftlichen Überlegungen begleitet. Dies gilt auch dann, wenn diese Vorteile für den Erstversicherer zum Zeitpunkt der Regulierung noch nicht absehbar sind. Ein belohnendes oder karitatives Motiv kann in einem wirtschaftlich geführten Unternehmen nur eine Begleiterscheinung sein und tritt hinter den geschäftspolitisch geprägten, wirtschaftlichen Motiven zurück. II. Generalreaktive Motive Die konkrete Regulierung kann auch von generalreaktiven Motiven begleitet sein. Diese weisen trotz des natürlichen Bezugspunkts der Regulierung auf das konkrete Vertragsverhältnis über dieses hinaus. Sie betreffen zum einen die Kosten der Vorhaltung eines Verwaltungsapparates für die Regulierung im Ganzen, zum anderen die negativen bzw. positiven Auswirkungen einer strengen bzw. entgegenkommenden Regulierung auf andere Versicherungsnehmer und Dritte. 1. Allgemeine Regulierungskosten Generell lässt sich sagen, »je schneller und sauberer ein Schaden reguliert wird, desto geringere Kosten entstehen aus der Regulierung«.148 Diese Feststellung ergibt sich auch für eine standardisierte, d.h. systematische, entgegenkommende Regulierung durch den Erstversicherer. Nicht nur ist es dem Erstversicherer so möglich, die Regulierungskosten im Einzelnen geringzuhalten.149 Im Weiteren kann der Erstversicherer seinen Verwaltungsapparat für die Regulierung durch den Verzicht auf extensive Nachforschungen und aufwändige Gerichtsverfahren sowohl in Größe als auch Ausstattung kleinhalten und so Kosten sparen. Dies gilt im Besonderen für die Versicherungszweige, welche für den Erstversicherer Massengeschäft sind, da die Regulierung speziell hier standardisiert ablaufen kann.150 Hier ergibt sich auch vor dem Hintergrund technischen Fortschritts ein durch Standardisierung und Algorithmen (die aus Kostengründen vordefinierte Fälle entgegenkommend regulieren) befördertes Einsparpotential für den Erstversicherer.151
Ehrenzweig, Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, S. 169, 285. Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (572). 149 Siehe oben S. 36 f. 150 Siehe auch Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (579). 151 Siehe zu diesen Möglichkeiten S. 292 ff. 147 148
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
2. Reputationsverlust und -gewinn Simultan zur Aufrechterhaltung und Erweiterung der konkreten Kundenbeziehung ist die Reputation des Erstversicherers auch generalreaktiv beachtlich. Und noch mehr muss hier gelten, dass die Reputation das Bild des Versicherers in der Öffentlichkeit ganz entscheidend beeinflusst. Auch wenn sie zusätzlich von anderen Faktoren abhängig ist,152 wird der Erstversicherer daher alles daran setzen, eine gute Reputation auf dem Versicherungsmarkt zu pflegen. Eine zu strenge Regulierung kann sich nachteilhaft auf diese Reputation auswirken. Und überdies wird er enorme Wettbewerbsnachteile erleiden, wenn er sich sogar bewusst berechtigten Ansprüchen seiner Versicherungsnehmer, unter Ausnutzung des gewöhnlich bestehenden Machtgefälles,153 entgegenstellt. Umgekehrt kann der Erstversicherer durch eine gelungene, entgegenkommende Regulierung eine gute Reputation in der Öffentlichkeit aufrechterhalten und ausbauen.154 Nach Raiser kann dem Versicherer hierdurch auch ein »Vorsprung im Wettbewerb« gegenüber seinen Konkurrenten entstehen. 155 Dem Erstversicherer geht es daher nicht nur um die Vermeidung eines Reputationsverlusts, sondern auch um einen Zugewinn an Reputation.156 Beide Elemente des reputationsgetriebenen Motivs sind in einem vertrauensbasierten Markt nicht nur nachvollziehbar, sondern überlebensnotwendig. Sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht wird sich der Erstversicherer insbesondere bei Großereignissen und Naturkatastrophen beweisen können. Verwiesen sei an dieser Stelle auf die umfangreiche Zusammenstellung von Koch. Neben dem im Folgenden darzustellenden Erdbeben von San Francisco 1906 benennt er weitere Beispiele, in deren Verlauf sich Erstversicherer durch eine besonders gute Regulierung positiv hervorgetan haben oder umgekehrt durch eine zögerliche und zurückhaltende Regulierung Wettbewerbsnachteile erlitten.157 3. Vermeidung von Leiturteilen und Kettenreaktionen Schließlich wird der Erstversicherer geneigt sein, ein gerichtliches Verfahren nicht nur aufgrund der konkreten Prozesskosten zu vermeiden. Auch wird er im Wege einer entgegenkommenden Regulierung (sei es durch Verzicht auf die Geltendmachung von Ausschlüssen oder im Weiteren durch den Abschluss So bspw. – allerdings weniger in der Öffentlichkeit präsent – die Kapitalausstattung des Versicherers. 153 Zu den Gründen hierfür Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 98 f. 154 Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, 27. Aufl. 2004, § 49 Rn. 5; in der Kfz-Industrie würden Garantie und Kulanz von den Kunden als »zuverlässiger Indikator für die Produktqualität« angesehen, Eggert, Kulanzmanagement in der Kfz-Industrie, S. 59 f. 155 Raiser, VersR 1967, S. 312 (313 f.) 156 Zu den Auswirkungen in beide Richtungen für die Kfz-Industrie Eggert, Kulanzmanagement in der Kfz-Industrie, S. 50 f. 157 Im Ganzen P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137; hierin insb. ausgewertet anhand dieses Beispiels. 152
C. Bedeutung der Regulierung und Motive des Erstversicherers
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eines wohlwollenden Vergleichs mit dem Versicherungsnehmer) in ausgewählten Fällen durch die Verhinderung eines Urteilsspruchs dessen weitere Auswirkungen selbst verhindern wollen. Unter diesen Auswirkungen wären weitere Versicherungsnehmer, die sich auf dieses Urteil berufen (beispielsweise betreffend die Unwirksamkeit einer AVB-Klausel) oder ebenfalls klagen würden.158 Im Fall von höchstrichterlichen Leiturteilen gilt dies umso mehr, da hiermit die rechtliche Grundlage für die im Übrigen durch ein bloßes Entgegenkommen günstiger abgewendeten Ansprüche geschaffen wird.159 Der Erstversicherer wird sich hüten, es auf ein solches Urteil ankommen zu lassen. Mehr noch ist hierin ein Grund zu sehen, weshalb der Versicherer in diesen Fällen unter explizitem Hinweis auf eine »Kulanzentschädigung« oder »ohne Anerkennung einer Rechtspflicht« leistet.160 III. Ergebnis mit Blick auf die weitere Untersuchung In der Gesamtschau ergibt sich nicht nur eine Vielzahl an spezial- und generalreaktiven Motiven, sondern auch deren Überlagerung. Festzuhalten bleibt, dass demnach eine rein belohnende oder karitative Regulierung nicht auftritt. Vielmehr sind die Motive des Erstversicherers (im weitesten Sinne) rein wirtschaftlicher bzw. geschäftspolitischer Natur.161 Diese sind Teil einer jeden, auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Unternehmung,162 darüber hinaus aber auch in der Natur der Versicherung als Vertrauensverhältnis angelegt und im Ganzen nicht in Frage zu stellen. So betont auch Raiser, dass »unter Versicherern […] Erwägungen kommerzieller Art schwerlich als ganz sachfremd gelten« können.163 Auch nach Ansicht von Lenz werden Kulanzzahlungen rein zweckorientiert als geschäftspolitische Entscheidung eingesetzt.164 Wenn hiermit auch gesagt ist, dass eine entgegenkommende Regulierung nicht aus der Versicherungswirtschaft weggedacht werden kann und der Erstversicherer hierbei von wirtschaftlichen, d.h. geschäftspolitischen Motiven getrieben wird, ist umgekehrt festzuhalten, dass der Versicherer nicht allein zweckgeleitet und ohne sachlichen Grund reguliert. Denn es kommt für den Versicherer im Rahmen seiner Regulierung vor dem Hintergrund der spezifischen, versicherungsrechtlichen Beweisanforderungen beispielsweise auch darauf an, ob die Schadenmeldung des Versicherungsnehmers ernst zu nehmen ist. Dies zeigt eindrucksvoll ein Beispiel, in dem sich der Erstversicherer weiLenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 39 f. Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 38. 160 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 38 f. 161 Ehrenzweig, Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, S. 285 (Fn. 1); Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 133. 162 Assmann/Kirchner/Schanze/Assmann, Ökonomische Analyse des Rechts, S. 57. 163 Raiser, VersR 1967, S. 312 (316). 164 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 58, 91 f. 158 159
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
gerte, die Lebensversicherungssumme vorzeitig auszuzahlen, da die Auszahlung zuvor unwiderruflich ausgeschlossen wurde.165 Auch wenn die Fallkonstellation nach Ansicht des Versicherungsombudsmanns aus versicherungsvertragsrechtlicher Sicht als klare Angelegenheit erschien, wäre auch hier eine Auszahlung aus Kulanz möglich gewesen. Im Ergebnis ist zu unterstellen, dass wohl auch die Begründung des Versicherungsnehmers, der sich selbst als »Reichsbürger«166 bezeichnete und forderte, den Gegenwert seiner Versicherung in »Feingold in einem Safe für ihn zu hinterlegen«,167 Einfluss auf die ablehnende Haltung des Erstversicherers gehabt haben wird.168 Darüber hinaus ist gerade anerkannt, dass der Erstversicherer das Verhalten des Versicherungsnehmers auch für seine Entscheidung über eine entgegenkommende Regulierung berücksichtigt. Formuliert wurde dies bereits für § 28 II VVG und eine hiernach möglicherweise eingetretene Leistungsfreiheit des Versicherers. Diese Quotelung soll durch eine wertende Gesamtbetrachtung der gesamten für das Maß des Verschuldens relevanten Fallumstände Rechnung tragen.169 Geeigneter Quotelungsparameter im Rahmen des § 28 VVG ist dabei auch die innere Einstellung des Versicherungsnehmers (im Sinne seiner Motivation zur Vertragstreue, insbesondere in Bezug auf die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten und Obliegenheiten). Diese Einstellung kann durch erfolgte Kulanzzahlungen gefördert oder durch ein unterbliebenes Entgegenkommen des Versicherers reduziert worden sein.170 Dem Versicherer wird hier jedenfalls das Recht zugestanden, den bisherigen Versicherungsverlauf in den Blick zu nehmen, um auf dieser Grundlage eine Aussage dazu zu treffen, ob der Versicherungsnehmer seiner vertraglichen Verantwortung nachkommt oder seinen geschuldeten Obliegenheiten im Grunde gleichgültig gegenübersteht.171 Eine derartig indizierte Einstellung des Versicherungsnehmers zu seinem Versicherungsvertrag könne »die Leistungsquote sicherlich erhöhen« und die Versicherungsleistung reduzieren.172 Auch dies sind allerdings geschäftspolitische, d.h. wirtschaftliche Überlegungen des Erstversicherers. 173 Diese Weichenstellung ist nicht nur für das Ombudsmann für Versicherungen, Jahresbericht 2016, S. 63. Nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913. 167 Der Versicherungsnehmer fürchtete zudem »einen bevorstehenden Crash des Kapitalsystems mit Hyperinflation, weil der Euro als Währung nicht mit ausreichend Goldreserven gedeckt sei«; siehe Ombudsmann für Versicherungen, Jahresbericht 2016, S. 63. 168 Hierfür spricht die leicht ironische Anmerkung des Versicherungsombudsmanns »Die Entscheidung des Ombudsmanns fiel recht kurz aus«, siehe Ombudsmann für Versicherungen, Jahresbericht 2016, S. 63. 169 Langheid/Wandt/Wandt, VVG Bd. 1, § 28 Rn. 248 f. m.w.N.; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, § 28 Rn. 231. 170 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch, VVG, § 28 Rn. 206. 171 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch, VVG, § 28 Rn. 206. 172 So Rüffer/Halbach/Schimikowski/Felsch, VVG, § 28 Rn. 206. 173 Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 55. 165 166
D. Die Regulierung am Beispiel des Erdbebens von San Francisco 1906
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Verständnis der Rahmenbedingungen bedeutsam, sondern für die weitere Untersuchung essentiell, da sie auch die Frage betrifft, ob der Rückversicherer in Abhängigkeit zu den Motiven des Erstversicherers an dessen Versicherungsleistung partizipiert. In Verbindung mit der fehlenden terminologischen Trennschärfe der Regulierungsarten führt die Vielfalt und Undurchsichtigkeit der durch den Versicherer angestrengten Motive zu Unwägbarkeiten174 für jede der beteiligten Parteien – sei es Versicherungsnehmer, Erstversicherer oder gar Rückversicherer.175
D. Die Regulierung am Beispiel des Erdbebens von San Francisco 1906 »Aus allen Ländern floß das Geld in unsre offnen Hände, auch Viktualien nahmen wir an, verschmähten keine Spende.«*
Die aufgezeigten Motive ergeben sich auch und gerade aus den Erfahrungen der Erstversicherer, die sie am Beispiel zahlreicher Versicherungsfälle gesammelt haben. Anschaulich sind vor diesem Hintergrund insbesondere Beispiele von Großschäden (bzw. Katastrophen176), da sie – für diese Untersuchung illustrativ – eine rückversicherungsvertragsrechtliche Komponente beinhalten. Am Beispiel des Erdbebens von San Francisco von 1906 und des Hamburger Brands von 1842, die beide ähnliche Konsequenzen zeitigten, konstatiert Koch, dass die entstandenen Schäden (auch) aufgrund eines ausreichenden Versicherungsschutzes getragen werden konnten.177 Ein Versicherungsschutz entstand hier allerdings zumeist erst faktisch dadurch, dass Versicherer über den Umfang ihrer vermeintlichen oder gar festgestellten Verpflichtung hinaus regulierten. Auch in diesem Zusammenhang wird immer wieder der Begriff »Kulanz« bemüht. Als Beispiele für die Spielarten der Regulierung dienen insbesondere auch das große Kantō-Erdbeben am 1. September 1923, in dessen Nachgang engli-
174 So auch Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 68, der insoweit von einem Gefahrenpotential spricht. 175 Vgl. auch Richter, Die Kulanz als unselbständige Gefälligkeit, S. 55. * Heinrich Heine, Ein Wintermärchen, Caput XXI, vor dem Eindruck des verheerenden Hamburger Brands von 1842 – auch wenn der höhnische Tenor das Selbstmitleid der Hamburger Bevölkerung trotz voller Entschädigungssummen betont. 176 Siehe zur terminologischen Herkunft und Entwicklung P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (138 ff.). 177 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (171 f.).
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sche Versicherer darauf verzichteten, sich auf Ausschlussklauseln zu berufen,178 oder die Plünderung jüdischer Geschäfte in Deutschland 1938, wobei sich die Versicherer, trotz Ausschlussklauseln für den Fall innerer Unruhen, nicht auf diese beriefen.179 Auch vermeintlich kleinere Ereignisse wie die von Koch genannten Sturmschäden in Pforzheim 1968 hatten vergleichbare Konsequenzen, da nicht nur eine Ausschlussklausel griff, sondern der Versicherungsfall entgegen heutiger Praxis positiv definiert war, und die Versicherer trotzdem leisteten – dort im Übrigen mit dem Argument, dass die Prämie doch eigentlich erträglich gewesen sei.180 Regelmäßig zeigt sich, dass nicht erst die Versicherung und Rückversicherung von Großschäden international ausgestaltet ist, sondern auch die Großschäden selbst globale Effekte haben. Einschränkend muss zwar konstatiert werden, dass es sich bei den Beispielen um Katastrophen handelte und die Palette an marktüblichen Rückversicherungsprodukten in realiter weiter gefächert ist. Nichtsdestoweniger zeigt sich bereits in der Gesamtschau dieser lediglich skizzierten Beispiele, dass die Erstversicherer üblicherweise, jedenfalls bei derartigen Großereignissen, durch einen Verzicht auf vertragliche Ausschlussklauseln entgegenkommend regulierten. Auch verdeutlichen sie, dass die Regulierung in Erst- und auch Rückversicherungsverhältnis von verschiedensten Faktoren abhängig ist, deren Einfluss mitunter weder zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch bei Eintritt des Ereignisses absehbar ist. Auch in neuerer Zeit wirft die Regulierung von Großschäden Rechts- und Tatsachenfragen sowohl für die Erst- als auch für die Rückversicherung auf. Deutlich wird dies an der notwendig gewordenen gerichtlichen Aufarbeitung beispielsweise im Fall der Asbestschäden, und dem in diesem Zuge geschlossenen prominenten Wellington Agreement, 181 oder auch an den Terroranschlägen des 11. September 2001 auf das World Trade Center182. Das Erdbeben von San Francisco 1906 selbst ist für die Zwecke dieser Untersuchung besonders illustrativ. Grund hierfür ist, dass das Erdbeben und seine Folgen für die Versicherungs- und Rückversicherungswirtschaft durch verschiedenste Quellen besonders gut dokumentiert und instruktiv für das Verständnis der nachvollziehbaren Diversität von Regulierungsentscheidungen sind. Es soll daher in Bezug auf das Verhalten und die Entscheidungen von
178 Nachzulesen bei P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (173); siehe auch Frey, ZVersWiss 1965, S. 241 (247). 179 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (173). 180 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (174 f.). 181 Hierauf wird auf S. 182 ff. im Rahmen des Urteils Hiscox v. Outhwaite eingegangen. 182 Zu der Problematik der Aggregationsklauseln (aggregation clause) in hiervon betroffenen Rückversicherungsverträgen Standard Life Assurance Ltd v. Oak Dedicated Ltd [2008] EWHC 222 und Aioi Nissay Dowa Insurance Co Ltd v. Heraldglen Ltd [2013] Lloyd’s Rep IR 281.
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Erst- wie auch Rückversicherern im Folgenden beispielhaft ausführlicher beschrieben werden als die anderen, nur skizzierten historischen Ereignisse. Hierzu bedarf es zuvorderst eines Kurzüberblicks zu den Ereignissen und der rechtlichen Ausgangssituation, welcher sich angesichts der Fülle an Informationen hierzu183 auf die Kerninformationen beschränken soll. I.
Kurzüberblick zu den Ereignissen
Am 18. April 1906 wurde San Francisco von einem gewaltigen Erdbeben der Stärke 8,3 auf der Richterskala sowie mehreren Nachbeben überrascht. Neben den in der Folge unmittelbar zerstörten Gebäuden brach eine Unzahl an Bränden aus – ausgelöst durch gebrochene Gasleitungen und eingestürzte Fabrikschlote.184 Erst drei Tage später konnte das Feuer unter Kontrolle gebracht werden. 185 Schätzungen zufolge entstand ein Gesamtschaden von kolportierten 300 bis 500 Millionen US-Dollar (nach heutiger Kaufkraft ca. 8,1 bis 13,5 Milliarden US-Dollar) – hiervon entfielen 235 Millionen US-Dollar auf versicherte Schäden, wobei 175 Millionen US-Dollar, also 75 Prozent der gesamten versicherten Schäden tatsächlich geleistet wurden.186 Entsprechend stellte das Jahrhundertbeben von San Francisco die Versicherer wie auch die Rückversicherer vor eine nie dagewesene Belastungsprobe.187 Um die Reaktionen der Versicherungsbranche auf diese Katastrophe richtig einzuordnen, lohnt auch ein Blick auf die dem Erdbeben vorausgegangene Situation. Anfang des 20. Jahrhunderts war Kalifornien, insbesondere durch die Anbindung an das transkontinentale Eisenbahnnetz ein enormer Wachstumsmarkt.188 Zwar wurde Kalifornien bereits 1857 von einem größeren Erdbeben heimgesucht, eine fortwährende Bedrohung durch plattentektonische Verschiebungen erkannte man zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht.189 Zudem
Siehe hierzu im Ganzen instruktiv Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 51 ff. 184 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (164 f.). 185 Instruktiv mit einem Tatsachenbericht der Münchener Neueste Nachrichten vom 20. April 1906 Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 651 ff. 186 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (172). Erste Prognosen gingen bereits von Schäden in Höhe von 300 Millionen US-Dollar aus, siehe Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 67. 187 Hinsichtlich des Ausmaßes der Katastrophe eindrücklich der Bericht eines Augenzeugen in einem US-amerikanischen Magazin: »Not in history has a modern imperial city been so completely destroyed. San Francisco is gone. Nothing remains of it but memories and a fringe of dwelling-houses on its outskirts«, zitiert nach James/Gugerli, The Value of Risk, S. 169 f. 188 Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 66. 189 Einen derartigen Ursachenzusammenhang formulierte Alfred Wegener unter allgemeinem Hohn erst 1915, siehe mit explizitem Hinweis auf die Erdbebenverwerfung von San 183
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verfügte die Stadt San Francisco nach eigenen Angaben über eine ausgezeichnet ausgestattete Feuerwehr.190 Entsprechend erzielten die dort tätigen Versicherer hohe Prämienaufkommen bei zunächst geringen Schadensquoten – teilweise mit einem Nettogewinn von 73 Prozent des Prämienaufkommens.191 Die im Folgenden aufzuzeigenden Reaktionen der beteiligten Erst- und Rückversicherer sind auch im Licht dieser Ausgangssituation zu sehen. II. Rechtliche Ausgangssituation Im Hinblick auf Versicherungsleistungen kamen in Abwesenheit von Elementarschadenversicherern lediglich die Feuerversicherer in Frage. Insgesamt waren so 114 Erstversicherer, hiervon 32 nicht US-amerikanische Versicherungsgesellschaften, an der Regulierung des Schadens beteiligt192 – zusammen mit den Rückversicherern ca. 200 Gesellschaften.193 Wie zu zeigen sein wird, regulierten die Versicherer allerdings trotz der Homogenität der Ursachen der Schadensereignisse auf unterschiedlichste Art und Weise. Dies erstaunt auch angesichts der Ähnlichkeit der verwendeten Vertragsbedingungen. Die Versicherungsbedingungen enthielten vielfach keine explizite Erdbebenausschlussklausel;194 allgemeinhin war die Versicherungsbranche (auch international) der Auffassung, Risiken durch erdbeben-verursachte Feuerschäden seien nicht kalkulierbar195 und daher nicht durch den Versicherungsvertrag gedeckt.196 Dieser Ansicht folgend wären unmittelbar durch das Erdbeben entstandene Schäden nicht gedeckt, solche, die durch die Feuersbrunst entstanden, allerdings umfasst gewesen. Aufgrund einer fehlenden Ausschlussklausel ging man im US-
Francisco Wegener, Die Entstehung der Kontinente und Ozeane, S. 119, wohl gab es allerdings bereits vor der Katastrophe in diese Richtung deutende Vermutungen, vgl. Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 119 ff. 190 Nach Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 53, obschon Stimmen bereits vor der Katastrophe auf eine unzureichende Versorgung im Fall eines Großbrands hingewiesen hatten. 191 Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 52; siehe auch James/ Gugerli, The Value of Risk, S. 169. 192 Siehe Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 67. 193 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (172). 194 Insb. enthielt die vielfach von US-amerikanischen Versicherern verwendete New York Standard Fire Insurance Policy eine solche Klausel nicht. Auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Verbands deutscher Privat-Feuerversicherungs-Gesellschaften schlossen unter anderem Schäden durch Erdbeben aus, siehe im Ganzen Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 198 ff. 195 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (165). 196 Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 67.
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amerikanischen Rechtsraum hingegen davon aus, dass eine Haftung der Feuerversicherer bestehe.197 Häufig konnte bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr festgestellt werden, ob ein Gebäude bereits durch das Erdbeben selbst oder durch die Feuer zerstört worden war, sodass sich die Versicherungsnehmer vor dem Hintergrund der Ausschlussklausel darauf beriefen, dass nicht das Erdbeben, sondern das Feuerinferno ihr Gebäude zerstört hätte. 198 Tatsächlich aber stammten die meisten Schäden allerdings wohl anteilig sowohl von den Erschütterungen durch das Erdbeben als auch von den nachgelagerten Bränden.199 Darüber hinaus war teilweise nicht mehr überprüfbar, ob denn ein Versicherungsvertrag bestanden hatte, da auch die den Vertrag nachweisenden Dokumente der Katastrophe zum Opfer gefallen waren. Erschwerend kam für die Versicherungsbranche hinzu, dass die kalifornischen Gerichte entgegen allgemeiner Grundsätze davon ausgingen, nicht die Versicherungsnehmer seien in dieser Hinsicht beweispflichtig, sondern vielmehr die Versicherer.200 Da die Rückversicherung bereits zu diesem Zeitpunkt international (insbesondere bezogen auf den europäischen und den nordamerikanischen Kontinent) ausgerichtet war, unterhielten auch die vornehmlich, aber nicht ausschließlich US-amerikanischen Erstversicherer geschäftliche Beziehungen zu Rückversicherern aus anderen Ländern. So erklärt es sich, dass diese auch aufgrund der meist unklaren Verhältnisse im Erstversicherungsverhältnis und der opferfreundlichen Stimmung vor Ort nicht eindeutig evaluieren konnten, ob eine Leistungspflicht ihrerseits besteht.201 III. Entscheidungen der Erst- und Rückversicherer 1. Anfängliche Entscheidungen und Einlassungen Die Erstversicherer stellte diese Ausgangssituation vor die Frage, wie mit Schadenmeldungen ihrer Versicherungsnehmer 202 verfahren werden sollte. 197 Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 67; Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 200 ff. Darüber hinaus wurden einige Gebäude absichtlich durch die Behörden gesprengt, um durch Feuerschneisen eine weitere Ausbreitung des Brandes zu verhindern. In der Folge war auch die Regulierung solcher Schadensfälle strittig, soll allerdings im Folgenden keine vertiefte Beachtung finden, siehe hierzu Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 71 ff. 198 Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 70. 199 Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 66 ff. 200 Siehe Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 70. 201 Vor diesem Hintergrund die instruktive Beschreibung der Aufsichtsratssitzung der Munich Re nur wenige Tage nach der Katastrophe und der Ansichten derer Mitglieder, Bähr/ Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 67 f. 202 Zusätzlich wurden die Büros der Versicherer in San Francisco zerstört, sodass teilweise auch nicht mehr geklärt werden konnte, ob ein Versicherungsvertrag zum Zeitpunkt der Katastrophe bestanden hatte (Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück,
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Trotz vergleichbarer Ausgangssituationen waren die anfänglichen Reaktionen, zunächst der Erstversicherer, äußerst unterschiedlich. Die vertragliche Ausgangssituation soll hierbei nur insoweit geschildert werden, wie sie für die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen der Erstversicherer relevant ist. Zum einen verwiesen Erstversicherer schlicht auf ihre Vertragsbedingungen, die entweder einen expliziten Ausschluss von Schäden durch erdbebenbedingte Feuer enthielten oder jedenfalls nach Ansicht des jeweiligen Versicherers implizit einen solchen Ausschluss beinhalteten, und lehnten eine Auszahlung im Ganzen ab.203 Dieser Argumentation lag die Annahme zugrunde, dass alle Schäden kausal auf das Erdbeben zurückzuführen und nicht erst durch den anschließenden Großbrand entstanden waren. Beispielsweise lag ein Problem der Nachweisbarkeit auch in der Formulierung der Erdbebenklauseln begründet, die einen Ausschluss bei direkter und indirekter Kausalität bestimmter Umstände, so auch Erdbeben, vorsahen. Da das Erdbeben einen Brand lediglich indirekt verursachen konnte, war bereits der Wortlaut der Klausel ungeeignet, die tatsächlichen Probleme der Schadenfeststellung zu lösen. Andere diese Klauseln verwendenden Erstversicherer wiederum kamen ihren Versicherungsnehmern gleichwohl in Form von Kulanzzahlungen entgegen.204 Neben diesen definitorischen Schwierigkeiten hatten andere Erstversicherer Klauseln verwendet, die lediglich direkt-kausale Schäden durch Erdbeben ausschlossen. Auch hier entstand die angesprochene Nachweisproblematik – obschon in leicht abgewandelter Form.205 Nur selten war nachweisbar, dass ein Gebäude bereits durch die Erschütterung selbst zerstört worden war. Die Versicherungsnehmer wiederum behaupteten in den meisten Fällen, dass das Gebäude nach dem Erdbeben zunächst noch stand. Eine vergleichbare Problematik entstand, wenn die Verträge sog. fallen building clauses enthielten.206 Entsprechend gestaltete sich die Leistungsablehnung gegenüber den Versicherten schwierig. Diese initialen Entscheidungen der Erstversicherer sind nicht zuletzt auch mit einer natürlichen Abwehrhaltung gegenüber einer in der Höhe noch unklaren, eventuell existentiellen finanziellen Belastung für die Unternehmen zu erklären. Andere Erstversicherer sahen in einer möglichst entgegenkommenden, d.h. kulanten Vorgehensweise einen strategischen langfristigen Reputationsvorteil gegenüber Mitkonkurrenten – so im Fall der Versicherer von Lloyd’s. Ein bekannter underwriter des Londoner Versicherungsmarkts gab noch am Abend S. 70). Diese Problematik ist jedoch aufgrund vorangeschrittener Digitalisierung und entsprechender Sicherungen nicht von Relevanz für die zum heutigen Recht eine Lösung erarbeitende weitere Untersuchung. 203 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (166), darunter auch drei der sechs beteiligten deutschen Versicherer. 204 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (173). 205 Vgl. im Gesamten Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 68 ff. 206 Siehe instruktiv Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 67 f.
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des Tages des Erdbebens die Direktive an die US-amerikanischen Agenten aus, dass an alle Versicherungsnehmer in Gänze und unabhängig von den Bedingungen derer Versicherungsverträge geleistet werden solle. 207 Röder beschreibt, dass die betroffenen Feuerversicherer über »immense finanzielle Reserven« verfügten.208 Deren »Kulanz« führte nachweislich zu einer Reputationssteigerung an der US-amerikanischen Westküste.209 Die sechs deutschen Versicherer, die an der Katastrophe aufgrund der mit ihnen geschlossenen Feuerversicherungsverträge beteiligt waren, spiegeln diese Uneinheitlichkeit in der Regulierung eindrucksvoll wider. Wohingegen die Hälfte von ihnen Versicherungssummen ausgezahlt hatte – indes unter dem Vorbehalt »ohne Anerkennung einer Rechtspflicht« –, lehnte die andere Hälfte die Regulierung im Gesamten ab.210 2. Einfluss der Öffentlichkeit auf die initialen Entscheidungen Allerdings hielten nicht alle Erstversicherer an diesen ersten Entscheidungen fest, sondern überdachten ihre ursprüngliche Strategie auch vor dem Eindruck äußerer Einflüsse. 211 Im Besonderen betraf dies das versichererfeindliche Klima durch die aufgebrachte Öffentlichkeit vor Ort. In der stark zerstörten Stadt sollen gar Versuche unternommen worden sein, die Vertreter der Versicherer mit der Androhung von Lynchjustiz zu einer die Versicherungsnehmer begünstigenden Regulierung zu drängen.212 Darüber hinaus wurde den Versicherern von offizieller Seite aus mit dem Entzug ihrer Zulassungen gedroht.213 Die letztgenannte Beeinflussung blieb auch von der Versicherungswirtschaft nicht unkommentiert und wurde als unzulässiger Eingriff in ihre Regulierung verstanden.214 Entsprechend gestaltete sich die Leistungsablehnung gegenüber den Versicherungsnehmern schwierig – nicht zuletzt auch aufgrund der Erwartungshaltung Letzterer, deren vielfach bedeutendster Vermögenswert zerstört worden war. Die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit führte gar dazu, dass nicht mehr von einem Erdbeben (earthquake), sondern von einem Massenbrand (conflagration), für welchen die Feuerversicherer leisten »müssten«, gesprochen
Cuthbert Heath, im Original: »Pay all of our policyholders in full, irrespective of the terms of their policies«, zitiert nach Lloyd’s, San Francisco Earthquake. 208 Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 78. 209 Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 78. 210 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (165 f.). 211 Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 73 ff. 212 Nach Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 84. 213 Nach Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 84 f. mit weiteren Hinweisen zu einer Rüge von Ungleichbehandlungen von Versicherten durch einen britischen Versicherer. 214 Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 85. 207
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wurde.215 Diese allgemeine Haltung spiegelt sich auch in den zahlreichen anderen Versuchen von verschiedener Seite wider, die Versicherer zu einer anstandslosen Regulierung zu bewegen.216 In der Tat revidierten in der Folge einige Erstversicherer ihre ursprünglichen Regulierungsentscheidungen. Mehrere große Erstversicherer erklärten explizit, dass sie nunmehr vor dem Hintergrund des öffentlichen Drucks leisten wollten.217 Im Weiteren beschloss am 31. Mai 1906 ein Großteil der in San Francisco aktiven Feuerversicherer, ihre Regulierungsstrategie zu pauschalisieren, um die kostenintensiven (und beinahe unmöglichen) Beweiserhebungen zu begrenzen. So sollten 75 Prozent des jeweils versicherten Schadens reguliert, 25 Prozent jedoch als erdbebenbedingt abgelehnt werden. Andere Versicherer sahen sich in der Lage, durch eine umfassende Regulierung Marktanteile zu gewinnen. 218 Diese Versicherer gingen anschließend dazu über, ein gemeinsames Liquidationsbüro einzurichten, um die Abwicklung zu vereinheitlichen und nach außen hin zu zeigen, dass die dahinterstehenden Versicherer eine umfassende und unkomplizierte Regulierung beabsichtigten. 219 Obschon deren pauschale Regulierungsquoten nur eine interne Direktive darstellen sollten, wurden die Ergebnisse der Verhandlungen publik und eine noch größere Verstimmung der Öffentlichkeit ausgelöst.220 Gleichwohl gab es immer noch Versicherer, die nur zahlen wollten, was ihrer Ansicht nach vertragsgemäß geschuldet war. Einige von ihnen waren wirtschaftlich schlicht nicht in der Lage, darüber hinausgehend zu leisten, andere allerdings sahen sich verpflichtet, innerhalb des vertraglichen Rahmens zu bleiben.221 3. Einfluss von Gerichtsentscheidungen auf die initialen Entscheidungen Darüber hinaus wurden rasch Gerichtsverfahren angestrengt, um die Frage der Leistungspflicht der Erstversicherer zu klären. Auch diese hatten nicht nur Einfluss auf die Regulierung der an diesen Verfahren beteiligten Erstversicherer. Illustrativ sei auf eine Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 11. Januar 1907 zur Erdbebenklausel der von dem Erdbeben betroffenen Norddeutschen Feuerversicherungs-Gesellschaft verwiesen. Es stellte fest, dass die ver-
Siehe Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 78. Bspw. auch die Drohung mit dem Entzug von Lizenzen, siehe ausführlich Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 84 ff. 217 Winchester, A Crack in the Edge of the World, S. 329. 218 Im Ganzen Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 80 ff. 219 Vgl. Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 81 f. 220 In der Folge unterschied man zwischen six bits companies und dollar for dollar companies, siehe Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 81. 221 Vgl. Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 83. 215 216
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wendete Klausel Erdbebenschäden ausschließe, aus dem Erdbeben resultierende Feuer jedoch nicht.222 Die Entscheidung fußte auf der Annahme, dass die Klausel einen entsprechenden Willen zu einem derartigen, weitergehenden Ausschluss nicht erkennen ließ. Dieser Auslegung schloss sich auch die Transatlantische Feuer der Albingia ob der unsicheren Rechtslage an.223 Auch das Rückversicherungsverhältnis wurde in diesem konkreten Zusammenhang untersucht. Ein Beispiel bildet die Entscheidung zu einem Rechtsstreit zwischen der Norddeutschen Feuerversicherungs-Gesellschaft und deren Rückversicherer Donau Allgemeine Versicherungs-AG Wien.224 Im zugrunde liegenden Fall hatte der Erstversicherer den Rückversicherer davon in Kenntnis gesetzt, dass man für die Erdbebenschäden nicht von einer Leistungspflicht ausgehe. Jedoch nahm der Erstversicherer später an einem Vergleich mit den Versicherungsnehmern teil. Den daraus resultierenden Schaden verlangte der Erstversicherer in einem Schiedsgerichtsverfahren von seinem Rückversicherer ersetzt.225 Die ablehnende Position der Rückversicherer, dieser Entscheidung Folge zu leisten, wurde von einem Rechtsgutachten des namhaften Versicherungsrechtlers Ehrenberg gestützt. Dieser war insbesondere auch als Experte der Rückversicherung durch die Veröffentlichung der ersten (deutschsprachigen) Monographie »Die Rückversicherung« von 1885 anerkannt. 226 Trotz vorheriger gegenteiliger Information und der Berufung seitens des Rückversicherers auf die bei Rückversicherungsvertragsschluss vorgelegten Versicherungsbedingungen des Erstversicherungsvertrages ging das Schiedsgericht davon aus, dass der Rückversicherer zu leisten habe.227 4. Einflussnahme der Rückversicherer auf die initialen Entscheidungen Zu diesen Nachwirren der Katastrophe trug auch die Einflussnahme der Rückversicherer auf die Entscheidungen der Erstversicherer bei. So hatte die Munich Re – bereits zu dieser Zeit der größte Rückversicherer der Welt228 – als Direktive an ihre Erstversicherer ausgegeben, »daß [es] zu Akten der Liberalität bei der Schadensregulierung im Hinblick auf den Umfang der Katastrophe keine Möglichkeit [gebe], vielmehr jeder über den rechtlich verpflichtenden
222 LG Hamburg, VerAfP 1907 Anh. S. 68 ff.; zusammenfassend P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (166). 223 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (166). 224 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (166 f.). 225 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (167). 226 So P. Koch, Geschichte der Versicherungswissenschaft in Deutschland, S. 140. 227 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (166 f.). 228 Dies nach Zahlen aus 1913/1914, angegeben bei Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 62.
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Inhalt der maßgebenden Policen und Verträge hinausgehende Entschädigungsanspruch abzulehnen sei, und zwar ohne Rücksicht auf etwaige bestehende oder künftig zu erhoffende geschäftliche Beziehungen und Vorteile.«229
Diese Strategie verfolgten – jedenfalls zu Beginn – auch die meisten anderen großen Rückversicherer.230 Auf einem Treffen der deutschsprachigen Rückversicherer vertrat man gemeinsam auch zur Leistungspflicht des Erstversicherers die Ansicht, dass Schäden, die direkt oder indirekt durch Erdbeben verursacht worden waren, nicht von der Feuerversicherung gedeckt seien.231 Die Zusammenkunft der Rückversicherer mündete gar in einer an die Erstversicherer gerichteten Resolution, die eine ebendiese enge Auslegung der Verträge einforderte und drei Wochen später in den führenden Versicherungsjournals publiziert wurde.232 Zu konstatieren ist, dass diese Form der gemeinsamen Stellungnahme der Rückversicherer und die Einflussnahme auf die Erstversicherer durch die Einbindung einschlägiger Medien einzigartig war.233 Diese Vorgehensweise schien den Rückversicherern aber als die einzige gangbare Möglichkeit der Einflussnahme auf die Regulierung der Erstversicherer. Die Intention hinter der Strategie war augenscheinlich, die Erstversicherer im üblichen Fall der strittigen Leistungspflicht davon abzuhalten, entgegenkommend zu regulieren. Sie war allerdings nicht etwa durch mangelnde finanzielle Möglichkeiten der Rückversicherungsbranche zur Regulierung begründet, sondern entsprang wirtschaftlichem Kalkül.234 Ergänzend kann ein Motiv der möglichst raschen und effektiven Erledigung unterstellt werden. Dies zeigt sich in der Zurverfügungstellung von größeren Geldbeträgen für die Erstversicherer, die in den USA sofort zur Auszahlung gebracht wurden und die Erstversicherer ebenfalls zu einer möglichst restriktiven Kulanz anhalten sollten.235 Diese Vorgehensweise war zugleich Strategie zur Bindung der eigenen Geschäftspartner durch die Demonstration von sofortiger Liquidität. Diese doppelte Motivation erscheint zunächst widersprüchlich, da angenommen werden könnte, dass die rasche Regulierung durch den Rückversicherer auch eine Ermutigung der Erstversicherer zur Kulanz zur Folge hätte haben
229 Niederschrift der Besprechung des Aufsichtsrats am 21. April 1906, abgedruckt in HAMR, AR-P/13, zitiert nach Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 67 f. 230 Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 68, 71. 231 Im Einzelnen Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 70. 232 Nach Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 75. 233 Vgl. Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 85. 234 Am Beispiel der Munich Re Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 68 f. (auch 65). 235 Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 69.
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können.236 Vielmehr aber war die rasche Zahlung der Rückversicherer mit der ihrerseitigen, zwingenden restriktiven Maßgabe an die Erstversicherer verknüpft; infolgedessen konnten die Erstversicherer nur dann auf eine rasche Leistung des Rückversicherers vertrauen, wenn umgekehrt diese Vorgaben an die Regulierung eingehalten wurden. Auch nach den revidierten Entscheidungen von Erstversicherern in Folge des Drucks der Öffentlichkeit hielt unter anderem die Munich Re an diesen restriktiven Einflussnahmen fest.237 Im Ergebnis sollen sich die bei der Munich Re versicherten Erstversicherer auch an die Maßgaben gehalten haben238 – und das obwohl man davon ausging, dass die rechtliche Position der Rückversicherer in dieser Beziehung nur schwer vertretbar war.239 In anderen Fällen gaben die Erstversicherer zwar gegenüber den Rückversicherern und ihrem Anlegerpublikum am Aktienmarkt an, dass sie bei der Regulierung restriktiv vorgehen würden, agierten allerdings dem Versicherungsnehmer vor Ort gegenüber entgegenkommend, um ihre Stellung auf dem US-amerikanischen Markt auszuweiten.240 Darüber hinaus gaben sie sogar medienwirksam zu Protokoll, dass genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stünden, um die Schäden umfassend zu regulieren.241 Die britischen Versicherer einigten sich auf eine ähnliche Position, empfahlen allerdings (auch in Fällen von fallen building clauses) einen »vernünftigen Kompromiss« zu finden, d.h. auf die Versicherungsnehmer zuzugehen.242 Unabhängig davon, dass man sich offenbar keine Vorstellungen von den Gegebenheiten vor Ort machte (insbesondere in Bezug auf die Nachweisproblematiken), hatten die Maßgaben der Rückversicherer daher tatsächlich Einfluss auf die konkrete Regulierung. Tatsächlich aber hatten die Rückversicherer keine Rechtsposition, die ihnen erlaubt hätte, eine entgegenkommende Regulierung (bzw. Kulanzzahlungen) als solche zu untersagen.243 Diese Einflussnahme erscheint vor dem Hintergrund des Schutzes des Versicherungsnehmers als Vertragspartei allein des Erstversicherers und dessen Geschäftsführungsbefugnis 236 Eindrucksvoll ihr eigener Bericht aus dem Jahr 1906, abgedruckt bei Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 653; Bähr spricht insofern von einer Doppelstrategie, siehe Bähr/Kopper/ Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 69. 237 Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 71. 238 Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 71. 239 So bspw. Hagen, DJZ 1906, Sp. 741 (742); obschon rückversicherungsrechtliche Literatur und Rechtsprechung auch zu dieser Zeit Seltenheitswert hatte, siehe hierzu instruktiv Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 4 f. 240 Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 85. 241 Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 85. 242 Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 70. 243 So Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 76 mit Verweis auf die allgemeine Meinung zu dieser Zeit, insb. Hagen DJZ 1906, Sp. 741 (741) und Löwenthal, Der Versicherungsfreund vom 1. Mai 1906, S. 1, zitiert nach Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 76.
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fragwürdig und soll erneut im Rahmen der Wertungen für die Auslegung der Folgepflicht thematisiert werden244. IV. Erkenntnisse aus der Historie und Folgen für die Versicherungsbranche Die Versicherungsbranche zog ihre Lehren aus den, mit der Katastrophe identifizierten, tatsächlichen und rechtlichen Problemen und resümierte, Risiken, wie sie durch die Erdbeben-Feuer-Kombination beschrieben sind, könnten grundsätzlich nicht gedeckt werden.245 So veranlassten sie im Nachgang auch dazu, diesen Fall explizit in ihren Verträgen zu adressieren (unter dem Stichwort fire following earthquake). Auch der historische Gesetzgeber des VVG blieb von diesen Eindrücken nicht unbeeinflusst.246 Der Vorschlag, Erdbebenschäden von der Feuerversicherung bereits durch das VVG auszuschließen fand insbesondere deshalb Zuspruch, weil man hiermit eine Feststellung verband, die deutsche Versicherer im Fall der Versicherung von Feuerschäden im Ausland heranziehen könnten, um die Wirksamkeit ihres vertraglichen Ausschlusses argumentativ zu untermauern.247 Ereignisse wie das Erdbeben von San Francisco haben, wie auch andere große Schadensereignisse, den Fortschritt des Versicherungswesens jedoch auch allgemein, insbesondere mit Blick auf ihre versicherungstechnische Komponente, befördert.248 Koch nimmt an, dass sich dieser Fortschritt insbesondere in drei Themenbereichen widerspiegelt: in der Schärfung der Definition des Versicherungsfalls, der Rückversicherung und auch dem Ausbau der Schadenverhütung.249 Dies führt für diese Untersuchung zwangsläufig zu der Prämisse, dass die geschilderten Reaktionen von Erst- und Rückversicherer nicht als Maßstab für deren Verhalten in der modernen Versicherungswelt herangezogen werden können. Insbesondere haben sich im Laufe der Zeit Erfahrungswerte und Vereinheitlichungen sowie vielfach eine gefestigte Rechtsprechung in Einzelfragen herausgebildet. Umgekehrt steht allerdings ebenfalls fest, dass tatsächliche und rechtliche Unsicherheiten auch für die Leistungspflicht des Erstversicherers trotz der Fortentwicklung der Versicherungstechnik mehr als ein Jahrhundert nach diesem Ereignis und der gesetzlichen Regulierung der Versicherungsbranche, insbesondere durch VVG und VAG, immer noch auftreten.250 Diese UnsicherheiSiehe S. 306 ff. P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (167). 246 Bemerkung in der Vorberatung der Entwürfe eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag zu § 84 VVG, abgedruckt in Motive zum VVG 1908, S. 491 ff. (502 f.). 247 Bemerkung in der Vorberatung der Entwürfe eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag zu § 84 VVG, abgedruckt in Motive zum VVG 1908, S. 491 ff. (503). 248 Siehe auch P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (163). 249 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (163). 250 Siehe beispielhaft für die Rückversicherung Fausten, VersR 2017, S. 1057 (1058). 244 245
D. Die Regulierung am Beispiel des Erdbebens von San Francisco 1906
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ten werden die Regulierung des Erstversicherers daher auch in Zukunft umtreiben und ihn dazu veranlassen, nicht starr an einer vermeintlich klaren Beschreibung des Versicherungsfalls im Versicherungsvertrag festzuhalten, sondern diesen Unsicherheiten in verschiedentlicher Art und Weise durch ein Entgegenkommen gegenüber dem Versicherungsnehmer zu begegnen. Nicht nur die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten bewegen den Erstversicherer aber dazu, nicht rein nach dem Bestehen seiner Leistungspflicht zu regulieren. Vielmehr lässt er sich auf der Basis der beschriebenen Motive von weiteren Faktoren leiten, wie sie im Rahmen der sich wandelnden Regulierungen nach dem Erdbeben beispielhaft genannt wurden. Eine Regulierung kann daher je nach Gewichtung dieser Faktoren zweckmäßig oder nicht zweckmäßig sein. Dies hängt wie auch die Bewertung über das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Leistungspflicht von einer rechtlichen Prognose des Erstversicherers ab. Dieser ist in natürlicher Weise als überlegener, das Rechtsprodukt »Versicherung« gestaltender Vertragspartner im Erstversicherungsverhältnis zu einer Regulierung berufen.251 Dass eine bedingungslose, entgegenkommende Regulierung nicht per se der Wirtschaftlichkeit der Regulierung widerspricht, und umgekehrt eine restriktive Regulierung langfristig nachteilhaft sein kann, zeigt sich gerade am Beispiel des Erdbebens von San Francisco. Vor dem Hintergrund der zurückhaltenden Regulierung einiger Versicherer wandte sich die US-amerikanische Bevölkerung von diesen langfristig ab, sodass diese erst Jahre später wieder im US-amerikanischen Markt Fuß fassen konnten. Auf der anderen Seite entwickelte sich für die Versicherer von Lloyd’s aufgrund ihrer bedingungslos entgegenkommenden Regulierung eine evident bestärkte Reputation in der USamerikanischen Öffentlichkeit und eine wesentliche Erweiterung ihrer dortigen Marktanteile.252 Nach eigenem Selbstverständnis wird daher heute noch eine positive Bilanz aus dieser Regulierungsstrategie gezogen: »Heath’s attitude over the San Francisco claims was rewarded, to the benefit of the London insurance market. His actions had highlighted Lloyd’s excellent reputation for paying valid claims – a reputation that still stands today – and business boomed.«253
Mit dieser Einordnung soll gleichwohl nicht ein generelles Plädoyer für eine möglichst entgegenkommende Regulierung der Erstversicherer verbunden sein – auch wenn die Rückversicherer im Nachgang zu der Katastrophe ein deutlich erhöhtes Prämienaufkommen feststellen konnten und so jedenfalls von einer zeitlichen Amortisierung und Bestätigung der Notwendigkeit von Rückversicherung gesprochen werden kann254. Sie zeigt allerdings, dass die Regulierung 251 Wodurch bereits Transparenz als Prinzip des Versicherungsrechts anzuerkennen ist, Wandt, in Gedächtnisschrift Hübner, S. 341 (insb. 343). 252 Bähr/Kopper/Bähr, Die Geschichte der Münchener Rück, S. 71. 253 Siehe Lloyd’s, San Francisco Earthquake. 254 Siehe die Zahlen und die damit verbundene Feststellung bei Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 656 f.
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
auf unterschiedlichen Faktoren beruht und gar für identische Schadensfälle zu erheblich divergierenden Entscheidungen der Erstversicherer führen kann. Im Ganzen kann daher nicht die Vorzugswürdigkeit einer bestimmten Regulierungsart oder die generelle Ablehnung einer anderen Regulierungsart begründet werden. Dies ergibt sich zusätzlich aus dem Umstand, dass sich derartige Regulierungsentscheidungen auch für ein- und denselben Schadensfall wandeln können und darüber hinaus meist eine Gemengelage an Regulierungsarten die konkrete Regulierung darstellt. Hieraus ergibt sich für die weitere Untersuchung die Untauglichkeit der Differenzierung in Regulierungsarten nicht zuletzt auch für die Folgepflicht in der Rückversicherung.255
E. Konsequenzen aus den Umständen der Regulierung »Aequitas numquam contravenit legi.«*
Das allgegenwärtige juristische Werkzeug »Sprache« birgt definitorisch ein Moment der Vieldeutigkeit und Unsicherheit.256 Infolgedessen kann es eine definitive bzw. eindeutige Leistungspflicht nicht geben, so man für eine »Eindeutigkeit« bzw. »Unbestreitbarkeit« im Wortsinne eine gewisse Absolutheit fordert. Diese Problematik ist Recht bereits qua seiner Funktion immanent. Wesen des Versicherungsverhältnisses ist außerdem, dass der regulierende Versicherer naturgemäß zur Regulierung berufen ist und diese – jedenfalls bis zu einer Entscheidung durch rechtskräftiges Urteil bzw. durch einen Schiedsspruch – in seinem Ermessen liegt.257 Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Anspruch begründet ist, kann daher »keine Frage der materiellen Wahrheit« sein.258 Im Rahmen seiner Regulierung hat der Erstversicherer neben der sich verändernden und entwickelnden Rechtslage auch die mitunter nur schwer überblickbare Beweis- und Tatsachenlage zu prüfen.259 Der Versicherer befindet sich daher mit seiner Regulierung regelmäßig auch in Graubereichen, in denen er regulieren muss, diese Entscheidung allerdings nicht auf Rechts- oder
Hierdurch wird insb. der Ansicht von Kothris widersprochen, auf welche noch detailliert eingegangen werden wird, siehe S. 127 ff. * Lateinischer Rechtsgrundsatz: »Billigkeit läuft dem Gesetz niemals zuwider« [Übersetzung d. Verf.]; abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 24 m.w.N. 256 Umfassend Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 147 ff. 257 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (710 f.); international Amer, Reinsurance Mass Tort Settlements, S. 5. 258 So anschaulich in Bruck/Möller/R. Koch, VVG Bd. 4, § 100 Rn. 90. 259 Bereits Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (180); auch Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (710). 255
E. Konsequenzen aus den Umständen der Regulierung
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Tatsachensicherheit gründen kann.260 Entsprechend formuliert bereits Ehrenberg: »Nun ist aber die Grenze, wo der berechtigte Kampf um’s Recht beginnt, gerade im Versicherungswesen mit seinen feinen und verwickelten Rechtsverhältnissen häufig sehr schwer innezuhalten und deshalb müssen die Assekuradeure ›culant‹ sein, d.h. in zahlreichen Fällen lieber auf ihr Recht verzichten als den Schein der Chikane auf sich zu laden.«261
Diese Leitlinie beansprucht auch in der modernen Versicherungswirtschaft Geltung und es entspricht den berechtigten Interessen des Erstversicherers, einen derartigen »Schein der Chikane« zu vermeiden und so einem potentiellen Reputationsverlust vorzubeugen. Das mit tension of reinsurance beschriebene Spannungsverhältnis der Rückversicherung ist nach alldem nicht erst ein rückversicherungsrechtliches Phänomen, sondern hat seinen Ursprung im Fehlen rechtlich-262materieller Wahrheit, mithin im Regulierungsdilemma des Erstversicherungsverhältnisses. 263 Denn nicht nur der Versicherungsnehmer hat Probleme, verklausulierte Versicherungsbedingungen »korrekt« zu deuten.264 Wenn Gerichte in der Auslegung von AVB auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abstellen,265 kann auch der Erstversicherer nicht mit Bestimmtheit von dem Bestehen oder Nichtbestehen seiner Leistungspflicht ausgehen. In der Folge kann es ab initio auch für die Folgepflicht des Rückversicherers nur auf eine »formelle« Wahrheit266 und damit nicht auf die rechtliche Eindeutigkeit der Leistungspflicht des Erstversicherers ankommen. Es wäre verfehlt, von Rückversicherungsschutz zu erwarten, dass er über die Hintertür Licht ins Dunkel der Unsicherheiten der Leistungspflicht des Erstversicherers bringt. Und auch der Rückversicherer weiß, dass er ein Risiko übernimmt, welches »nicht nur durch objektiv feststehende und in jedem Fall zweifelsfrei bestimmbare Faktoren« beeinflusst ist, sondern der Prozess der Regulierung naturgemäß auch von Fehlern des Erstversicherers begleitet sein kann.267 Zudem hat Vgl. zur Wahlmöglichkeit in der Haftpflichtversicherung in Bruck/Möller/R. Koch, VVG Bd. 4, § 100 Rn. 91. 261 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 115. 262 In Abgrenzung zu einer faktischen Wahrheit, die zwar existiert, im Einzelnen aber ebenfalls Schwierigkeiten in der Feststellung, d.h. in der Beweiserhebung für den Erstversicherer bedeutet. 263 Welches auch heute noch besteht, vgl. bspw. Fausten, VersR 2017, S. 1057 (1058). 264 Beispielhaft Oletzky/Wolf, in Gedächtnisschrift Hübner, S. 197 (197). 265 Auszugsweise BGH, NJW 1982, S. 2776 (2777); BGH, NJW 1993 S. 2369 (2369 f.); BGH, NJW 2001, S. 1132 (1134). 266 Materielle und formelle Wahrheit sind Begriffe zur Unterscheidung der Inquisitionsmaxime des Strafprozessrechts (§ 155 StPO) und des Beibringungsgrundsatzes des Zivilprozessrechts, eignen sich allerdings auch in diesem Zusammenhang zur Verdeutlichung der regelmäßigen Zweifelhaftigkeit der Leistungspflicht des Erstversicherers und der an sie gestellten formell-wahrheitlichen Anforderungen durch Teile der Rückversicherungsliteratur. 267 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (711). 260
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Kap. 2: Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis
er oftmals keine nähere Vorstellung von den übernommenen Risiken.268 Dieser Umstand steht darüber hinaus nicht im Widerspruch mit der neuzeitlichen, dem modernen Zivilrecht zugrunde liegenden Idee des materiellen Anspruchs, welcher zunächst unabhängig von der prozessualen Durchsetzung ist.269 Die Erheblichkeit rechtlich-materieller Wahrheit ist nämlich gerade dann problematisch, wenn hieran, wie im Fall der Folgepflicht, Pflichten aus einem anderen Vertragsverhältnis knüpfen.
Cruciger, Die Praxis der Rückversicherung, S. 190. Hierin ist eine Abkehr von der actio des römischen Zivilrechts zu sehen, wie sie 1856 Windscheid beschrieb (Die Actio des römischen Civilrechts). 268 269
Teil 2
Hypothesen der Folgepflicht
Kapitel 3
Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht A. Grundlagen der Rückversicherung »When a carriage fitted with a shock absorber passes over a rough street, the road becomes no smoother, but the passengers will feel the jerks less as these are absorbed by the contrivance carried as a special addition to the vehicle. So it is with reinsurance; it does not reduce the losses but it makes it easier for insurance to carry the material consequence.«*
Das Spannungsverhältnis, in welchem sich die Rückversicherung bewegt (tension of reinsurance), entsteht zwischen den Polen »Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers« und »Folgepflicht des Rückversicherers«. Um die Ansichten zu diesem Themenkomplex und die dahinterstehenden Erwägungen und Argumentationen nachvollziehen zu können, ist zunächst ein Blick darauf zu werfen, wie diese beiden Pole ausgestaltet sind und welches intentionale und gesetzliche Umfeld die Rückversicherung selbst umgibt. I.
Zu den Ursprüngen der Rückversicherung
Die Frage, was unter einem Rückversicherungsvertrag zu verstehen ist, war mit Blick auf die in der Geschichte der Rückversicherung als solche bezeichneten Verträge nicht immer eindeutig zu beantworten. Im Gegensatz zu jüngeren Entwicklungen ist Rückversicherung eine ungleich ältere Erscheinung: So soll die erste als Rückversicherungsvertrag zu bezeichnende Vereinbarung bereits 1370 in Genua zwischen zwei genuesischen Kaufleuten geschlossen worden
*
Im Original Tuma, Journal of the Insurance Institute of London 1933.
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
sein.1 Der Umstand, dass die Erstversicherung als Seeversicherung unwesentlich früher, ebenfalls im 14. Jahrhundert, in ihrer modernen Form2 entstand,3 belegt die volkswirtschaftliche Notwendigkeit von Rückversicherung schon in diesem frühen Stadium – auch wenn dieser erste Rückversicherungsvertrag nur aus der Not der Weigerung des Erstversicherers geboren wurde, ein bestimmtes Teilrisiko zu tragen.4 Der Originaltext des ersten belegten Rückversicherungsvertrages aus Genua ist trotz der seinerzeit bereits fortgeschrittenen Verbreitung der italienischen Sprache auf Latein verfasst.5 Vorausgegangen war diesem Vertrag ein Versicherungsvertrag zwischen Giovanni Sacco (Johanni Sacho) und Giuliano Grillo (Jullianus/Jiulianus Grillus), der das Risiko der Verschiffung von Waren von Genua nach Sluis (Sluys, Clusas de Flandria)6 betraf.7 Der zweite Rei1 Zur näheren Erläuterung dieses ersten Rückversicherungsvertrages Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 28 ff.; ebenfalls erwähnt in J. von Gierke, Versicherungsrecht Bd. 2, S. 371 und Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 15, die zu Recht auf den spekulativen Charakter der derzeitigen Vereinbarung hinweisen. 2 Der Versicherungsgedanke ist hingegen wesentlich älter; Sturm nimmt an, dass sich dieser bereits 2250 v. Chr. in Babylon entwickelt hat (Die Entwicklung der Mit- und Rückversicherung, S. 17). 3 So soll der älteste bekannte Seeversicherungsvertrag auf das Jahr 1343 zurückgehen – ebenfalls in den Notariatsarchiven von Genua aufgefunden; beschrieben bei Nehlsen-von Stryk, Die venezianische Seeversicherung im 15. Jahrhundert, S. 16. 4 Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 32; bezogen auf die Motive der Gesamtheit der im 14. Jahrhundert geschlossenen Verträge Nehlsen-von Stryk, Die venezianische Seeversicherung im 15. Jahrhundert, S. 109. 5 Im Original: »1370, 12 Luglio. Nos Griffedus Benavia et Martinus Maruffus cives Janue confitemur tibi Bartholomeo Lomellino civi Janue q. Sorleonis, nos a te emisse, habuisse et recepisse tot de tuis rebus et mercibus – Renunciantes … dare et solvere libras centum vigintiquinque Janue hinc ad menses sex proxime venturos, videlicit quilibet nostrum libras LXII et sol. X jan. sub etc. Salvo et specialiter reservato, si illa quantitas quarumcumque rerum et mercium, ad rixicum cuius Jullianus Grillus se obligavit Johanni Sacho sub certa reservatione, juxta formam publici instrumenti, scripti manu publici notarii, et que onerata fuit in cocha patronicata per Barholomeum Verme de Baulo, vel alium pro eo, in portu Clusarum de Flandria, sana et salva conducta et exonerata fuerit, tunc et eo casu presens instrumentum sit cassum et nullius valoris et prorata. Ex rixicum huiusmodi inceptum esse intelligatur quum dicta cocha in Cadese primo applicuit. In margine: Eundo Clusas recto viagio; possit capere ubicumque. Non teneamur de aliquo tributo dato seu soluto in Cadese alicui. Qui Bartholomeus protestatur quod presens debitum est Jiuliani Grilli.« Der Text ist abgedruckt in Bensa, Il Contratto di Assicurazione nel Medio Evo, Genua 1884, Doc. VIII; Eine textnahe Übersetzung gibt Sack, Die deutsche Rückversicherung in der Entwicklung, S. 49 (in Fn. 71). 6 Damals ein wichtiger Vorhafen Brügges für den Seehandel; heute Sluis in den Niederlanden, siehe van der Haegen, Der internationale Rückversicherungsmarkt, S. 29. 7 Aus den Umständen zu schließen, Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 698.
A. Grundlagen der Rückversicherung
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seabschnitt von Cádiz (Cadix) nach Sluis sollte – wohl aufgrund erhöhter Gefährlichkeit der Reise 8 – durch »Rückversicherer« versichert werden. Sollte sich das übernommene Risiko (bezogen allein auf die Verschiffung der Waren) daher zwischen der Ankunft des Schiffes in Cádiz und der Einfahrt in den Hafen von Sluis verwirklichen, verpflichteten sich zwei Rückversicherer zur Zahlung eines näher bestimmten Betrags.9 Die Bezeichnung »Rückversicherung« wurde für unterschiedliche Geschäfte verwendet, die unter heutigen Gesichtspunkten nicht mit »Rückversicherung« betitelt werden würden.10 Die Rückversicherung gleicht in diesem ersten Entwicklungsstadium eher einem Spekulationsgeschäft bzw. einer Wette.11 Indes war die Haftung des Rückversicherers bereits hier mit dem Eintritt des Erstversicherungsfalls verbunden.12 Die Qualifizierung dieses Vertrages als Rückversicherungsvertrag wurde vereinzelt aus versicherungsmathematischer Sicht in Zweifel gezogen, 13 ist aber auch aus einer juristischen Perspektive nicht vorbehaltlos zu bejahen.14 Zunächst kann aufgrund der Beidseitigkeit des Vertrages und seines aleatorischen Charakters von einem Versicherungsvertrag gesprochen werden. 15 Rückversicherung zeichnet sich nach heutiger Vorstellung dadurch aus, dass der Versicherer des Originalvertrages – und nicht der ursprüngliche Versicherungsnehmer – im zu beurteilenden zusätzlichen Vertragsverhältnis Versicherungsnehmer ist. Im konkreten »Rückversicherungsvertrag« wurde festgehalten, dass Grillo (der Erstversicherer) Versicherungsnehmer des Vertrages sein soll.16 Ein wesentliches Merkmal des Rückversicherungsvertrages liegt daher
8 So die naheliegende Vermutung von Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 31. 9 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 699. 10 Siehe im Einzelnen Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 712 ff. 11 Und ist daher, die Motive betreffend, mit der vorausgegangenen Seeversicherung vergleichbar, die ihrerseits den Ursprung im Seedarlehen als spekulatives Kreditgeschäft genommen hat, vgl. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 702 f.; später jedoch O. von Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 3, S. 795, der auf Basis der fortgeschrittenen Wahrscheinlichkeitsrechnung das Verdikt des Glücksspiels ablehnte, da der Versicherungsvertrag so fähig sei, Risiken zu mindern oder gar zu beseitigen. 12 Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 690 f. 13 van der Haegen, Der internationale Rückversicherungsmarkt, S. 29. 14 Insb. wurde der Rückversicherungsvertrag, wie für Versicherungsverträge zu dieser Zeit üblich, in der Form eines Kaufvertrages geschlossen – was jedoch in erster Linie der Tarnung des Versicherungsgeschäfts dienen sollte; so Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 697 m.w.N. in Fn. 2. 15 So bereits Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 33. 16 Im Originaltext: »Qui Bartholomeus protestatur quod presens debitum est Jiuliani Grilli« (»Durch Bartolomeo [Lomellino] wird bestätigt, dass die vertragsgegenständliche Verpflichtung Giuliano Grillo trifft« [Übersetzung d. Verf.] – und gerade nicht den Erstversicherungsnehmer Giovanni Sacco, der somit nicht Vertragspartei ist).
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
bereits in diesem im 14. Jahrhundert geschlossenen Vertrag vor,17 welcher also nicht auf – zumindest in den folgenden Jahrhunderten typische – mitversicherungsähnliche Konstruktionen 18 zurückgriff. Das Risiko eines Ausfalls des Erstversicherers im Sinne seiner Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenz wird vom Versicherungsnehmer getragen – ein Durchgriff des Versicherungsnehmers auf den Rückversicherer ausgeschlossen.19 Vor dem Hintergrund der generellen Einordnung von »Risikoübertragungsgeschäften« dieser Zeit als Versicherungen, muss mit der gleichen Begründung auch dieser Vertrag als Rückversicherungsvertrag bezeichnet werden.20 Selbst die fehlende Vereinbarung eines Selbstbehalts des Erstversicherers ist lediglich auf die frühe Entwicklungsstufe des Instituts der Rückversicherung zurückzuführen, und führt nicht etwa zur Aberkennung des Prädikats Rückversicherung.21 Letztlich überrascht der Vertragstext mit einer Nichterwähnung der zu zahlenden Prämie. Auch die Nichtnennung einer konkreten Prämienhöhe im Vertrag in Genua darf aber nicht zu einer abweichenden Qualifizierung führen, da dies für das 14. Jahrhundert keine Seltenheit war. Mögliche Gründe für dieses Fehlen reichen vom kanonischen Wucherverbot bis zu einem fehlenden Vertrauen der Kaufleute in die genuesische Rechtsprechung, sind jedoch nicht eindeutig auszumachen.22 Diese Spezifika sind auch als solche und nicht mit der Brille einer heutigen Definition eines Rückversicherungsvertrages zu betrachten. Der erste offene, also eine Prämie ausweisende, Rückversicherungsvertrag entstand erst 1409 in Venedig.23 Festzuhalten bleibt für diesen Urzustand: In den Anfängen der Rückversicherung gab es professionelle Rückversicherungsgesellschaften24 noch nicht. Die rückversichernden Personen waren vielmehr Kaufleute, d.h. natürliche Personen, die durch die Übernahme eines hohen Risikos kurzfristig Profit zu machen hofften. Der Versicherer trug als Einzelperson ein hohes persönliches Risiko.25 Mehr noch als die Erstversicherung glich die Rückversicherung in diesem frühen Stadium eher einem Spekulationsgeschäft, da Statistiken und Erfahrungswerte, die zur Basis der Kalkulation des Rückversicherers hätten 17 Auch wenn nachfolgende Verwendungen des Begriffs dieses Merkmal mitunter nivellieren, vgl. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 714. 18 Vgl. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 709; siehe zur Mitversicherung unten S. 334 ff. 19 RGZ 53, S. 138 und LG Köln, VersR 1953, S. 130. 20 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 697. 21 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 698. 22 Vgl. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 699 und Fn. 10; sowie zur Seeversicherung allgemein S. 795. 23 Beschrieben bei Nehlsen-von Stryk, Die venezianische Seeversicherung im 15. Jahrhundert, S. 108 f. 24 Hierzu S. 266 ff. 25 Siehe auch Pons Pons, in Hellwege, Comparative History of Insurance Law, S. 231 (234).
A. Grundlagen der Rückversicherung
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gemacht werden können, (noch) nicht existent waren.26 Über einen langen Zeitraum war sie untrennbar mit der Seeversicherung verbunden, da es insbesondere in dieser Sparte galt, einen Rückversicherungsbedarf zu decken.27 So verwundert es nicht, dass die Rückversicherung auch in modernen Kodifikationen häufig noch im Zusammenhang mit der Seeversicherung benannt wird.28 II. Merkmale eines Rückversicherungsvertrages Ein einheitliches Verständnis davon, was unter Rückversicherung zu verstehen ist, bildete sich erst durch die im 17. und 18. Jahrhundert ergangenen Urteile zum Recht der Rückversicherung in Bezug auf die einzelnen Aspekte eines Rückversicherungsvertrages, wie dessen Eigenständigkeit, die Ausgestaltung der Haftung des Rückversicherers, zulässige Höhen der rückversicherten Summe, die Fälligkeit der Versicherungsleistung und die Verwendung der Rückversicherung als Instrument planmäßiger Risikoteilung. 29 Bernecke spricht zudem noch im 19. Jahrhundert von zwei uneigentlichen Arten der Rückversicherung: eine vom Versicherungsnehmer genommene Versicherung betreffend die Solvenz seines Versicherers und der Abschluss einer neuen Versicherung im Fall der Insolvenz des Versicherers.30 Diese Konstellationen werden zwar auch heute noch in der Laiensphäre teilweise als »Rückversicherung« bezeichnet, sie sind jedoch im rechtstechnischen Sinn eine Erstversicherung31 – dies schon deshalb, da wiederum der Versicherungsnehmer Vertragspartner ist.32 Beispielhaft sei auf einen Schiedsspruch verwiesen, welches diese zentrale Weiche bereits 1633 stellte.33 Ausgangspunkt einer heutigen Definition muss die Feststellung sein, dass mit der Rückversicherungsnahme eine Änderung der Rechtsposition des Versicherungsnehmers nicht einhergeht. 34 Der Versicherungsnehmer steht mit dem Rückversicherer nicht in einem Vertragsverhältnis und hat diesem gegenGerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 716. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 697 ff. 28 So bspw. im Rahmen des § 779 HGB, wie er bis zur Reform des VVG bis zum 1. Januar 2008 galt und noch definitorische Vorgaben zur Rückversicherung enthielt. 29 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 723. 30 Benecke, System des Assekuranz- und Bodmereiwesens I, S. 286 ff. 31 Ein Beispiel für die fehlführende Bezeichnung als Rückversicherung findet sich in Carter/Lucas/Ralph, Carter on Reinsurance Bd. 1, S. 102. 32 Zur historischen Mehrdeutigkeit des Begriffs der Rückversicherung Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 712 ff. 33 Vgl. Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 67. 34 Siehe zu der seltenen Ausnahme durch sog. cut through clauses, Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 209; man kann daher von einer sekundären Risikoteilung sprechen, wohingegen die Mitversicherung eine primäre Risikoteilung darstellt, Grosse/Müller-Lutz/R. Schmidt/Pfeiffer, Versicherungsenzyklopädie Bd. 6, Rückversicherung S. 3. 26 27
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
über keine vertraglichen Pflichten (beispielsweise eine eigene Prämienzahlungspflicht gegenüber dem Rückversicherer) oder auch Rechte im Sinne eines Anspruchs gegen Letzteren (beispielsweise im Fall des Ausfalls des Erstversicherers). 35 Durch den Rückversicherungsvertrag wird zwischen Erst- und Rückversicherer weder eine Gesamt- oder Teilschuldnerschaft (in Bezug auf die Versicherungsleistung) noch eine Gesamt- oder Teilgläubigerschaft (in Bezug auf die Prämie) begründet.36 Die Rückversicherung ist daher auch nicht eine Versicherung für fremde Rechnung, die die Anwendbarkeit der §§ 43 ff. VVG nach sich ziehen könnte. Es widerspräche schon der Lebenswirklichkeit und dem Willen der Vertragsparteien im Rückversicherungsvertrag einen Vertrag zugunsten Dritter, d.h. zugunsten des Versicherungsnehmers zu erblicken.37 Dies gilt nach herrschender Meinung auch für den Fall der Insolvenz des Erstversicherers.38 Die an die Rückversicherung gerichteten Zwecke des Erstversicherers sind vielmehr dergestalt, dass dieser die mit seinen Leistungspflichten gegenüber seinen Versicherungsnehmern einhergehenden finanziellen Risiken absichern möchte.39 An diesen Zwecken orientiert, formuliert Jahn daher, Rückversicherung sei diejenige Versicherung, durch welche der Erstversicherer für den Teil seiner Leistungspflichten Deckung erfahren möchte, der das von ihm für eigene Rechnung tragbare Maximum übersteigt.40 Auf Seiten des Rückversicherers findet durch die Rückversicherung eine Beteiligung an dem – eigenen Gesetzmäßigkeiten unterworfenen – Versicherungsprodukt des Erstversicherers statt.41 Dieses ist zwar »lediglich« Vertrag,
35 Lüer/Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 8; Ein Durchgriff des Erstversicherungsnehmers auf den Rückversicherer ist nach ganz h.M. nicht möglich. So zur älteren Literatur und Rechtsprechung zusammenfassend Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 503 Fn. 453; zur neueren Literatur zusammenfassend Lüer/Schwepcke/Cannawurf/ Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 203; auch bereits der historische VVG-Gesetzgeber (»Die Rückversicherung gewährt dem ersten Versicherungsnehmer keine unmittelbare Deckung […]«), siehe Motive zum VVG 1908, S. 245; international Garobbio, Über die Rückversicherung, S. 101. 36 Zur geschichtlichen Entwicklung der Einordnung als solcher Steinmann, Der Rückversicherungsvertrag im Konkurs des Erstversicherers, S. 40 ff. 37 Im Ergebnis auch Looschelders, VersR 2012, S. 1 (3). 38 Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 93 f.; für den Fall einer dies vorschreibenden Vertragsklausel (cut through) Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 33 f.; Geiger, VW 2000, S. 310 (310 f.); indes ist der Rückversicherer nicht durch die Insolvenz des Erstversicherers von seiner nunmehr die Insolvenzmasse erhöhenden Zahlung an den Erstversicherer befreit, bereits RGZ 55, S. 86 (insb. 92). 39 Zu den Zwecken der Rückversicherung S. 261 ff. 40 Jahn, Studien über Rückversicherung und deren Statistik, S. 5 f.; zur Kritik hieran Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 8 f. 41 Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 15.
A. Grundlagen der Rückversicherung
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wie eingangs beschrieben aber als Rechtsprodukt nicht greifbar und regelmäßig in höchstem Maß durch den Erstversicherer geschaffen und gestaltet. 42 Durch die Rückversicherung scheidet der Erstversicherer nur (teilweise) wirtschaftlich, »nicht aber rechtlich aus dem Erstversicherungsverhältnis aus«.43 Der Erstversicherungsvertrag hat daher nicht nur in dem originären Vertragsverhältnis, für welches er entworfen wurde, Bedeutung, sondern bestimmt auch den Rückversicherungsvertrag, weshalb Letzterer in diesem Punkt akzessorisch ist44 und der Rückversicherer in weit größerer Abhängigkeit zu seinem Erstversicherer steht, als dieser zu seinem Versicherungsnehmer. 45 Auf den Erstversicherungsvertrag hat der Rückversicherer als Nichtvertragspartei jedoch grundsätzlich keinen Einfluss.46 Auch wenn der Vertragsschluss von Rückversicherungsverträgen häufig unter Zuhilfenahme von slips erfolgt,47 ergeben sich für die allgemeinen zivilrechtlichen Modalitäten des Zustandekommens eines Vertrages (§§ 145 ff. BGB) keine Änderungen.48 Die Rückversicherung kann vor dem Hintergrund der genannten Spezifika auch als »Versicherung der von einem anderen Versicherer (Erst- oder Rückversicherer) übernommenen Gefahr definiert werden«.49 Die Erstversicherung steht daher zwar grundsätzlich im Gegensatz zur Rückversicherung, beide sind jedoch echte Versicherungsverträge. 50 Auch nach den grundlegenden Entscheidungen des Reichsgerichts ist sie Versicherung.51 In Entsprechung zur Versicherung im Allgemeinen bedarf es daher eines versicherten (hier: rückversicherten) Interesses. Mossner sieht dieses nicht Siehe S. 15 ff. Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 28; mit ähnlicher Formulierung auch Wörner, Der Rückversicherungsvertrag, S. 31. 44 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 1, 514 f.; Prölss/Martin/Klimke, VVG, § 209 Rn. 3. 45 Ha. Labes, ZVersWiss 1969, S. 247 (269). 46 Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 15; siehe aber zu Einflussnahmemöglichkeiten des Rückversicherers unten S. 306 ff. 47 Zu der darin erkennbaren Kürze und Verborgenheit des Rückversicherungsgeschäfts Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 14, 39; zu den üblichen slips in England, Boland, Reinsurance: London Market Practice, S. 47 ff. 48 Ausführlich Schwepcke/Vetter/Schwepcke, Handbuch der Rückversicherung, Rn. 569 ff. Zur Einordnung des slips in dieses System Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 125 f. 49 So noch § 779 HGB a.F.; aufgehoben durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007, BGBl. I, S. 59; gültig ab 1. Januar 2008; so auch Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 3. 50 Bereits RGZ 155, S. 138; vgl. auch RGZ 153, S. 184 (187 ff.); Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 404 ff.; siehe aber die noch Anfang des 20. Jahrhunderts geführte Debatte zur Frage nach der Vertragsart Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 7 f. 51 RGZ 153, S. 184 (187 f. – allerdings noch unter Vorbehalten) und RGZ 162, S. 244 (245); h.M., da wohl unbestritten nach 1945 – zuvor bereits abschließend Prölss, ZHR 111 42 43
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
in dem tatsächlichen Schaden, sondern in der Schadensersatzleistung des Erstversicherers.52 Zuvor wurden verschiedenste Vertragsarten für die Rückversicherung erwogen.53 Zwar ist die Qualifikation der Rückversicherung als Versicherung nicht in Frage zu stellen, gleichwohl waren es die Eigenarten der Rückversicherung selbst, die Anlass zu diesen Qualifizierungen gaben. Indirekt wird daher zur Auflösung der tension of reinsurance auf diese einzugehen sein.54 III. Rechtsquellen des Rückversicherungsvertrages Als weiteres Phänomen der Rückversicherung sind ihre Rechtsquellen selbst zu nennen. Die Rückversicherung zeichnet sich seit jeher durch ein nur sporadisches Vorhandensein geschriebener rückversicherungsvertragsrechtlicher Vorschriften aus. Dies gilt nicht nur für das deutsche Recht, welches in § 209 VVG die Nichtanwendbarkeit der Vorschriften des VVG vorgibt, sondern auch für ausländische Rechtsordnungen sowie den suprastaatlichen tronc commun, den die Principles of European Insurance Contract Law (PEICL) verkörpern55.56 Rückversicherung war bereits früh aus ihrer Funktion heraus international angelegt, sodass sich auch ihre historische Entwicklung international vollzog. Dies wird insbesondere an den zahlreichen Querverstrebungen und Bezugnahmen zwischen den Rechtsordnungen deutlich. Ein Zusammentragen dieser Rechtssätze fand bereits 1584 im französischen Rouen durch den Guidon de la Mer statt,57 welcher anschließend vielfach den Kodifikationen des Rückversicherungsrechts zugrunde lag.58 Im Gegensatz zu modernen vertragsrechtlichen und versicherungsvertragsrechtlichen Kodifikationen enthielten deren Vorgänger allerdings explizite (1943), S. 113 (118 ff.); so muss auch der Gesetzgeber verstanden werden, der durch die bloße Existenz des § 209 VVG diese Qualifizierung vorgenommen hat (siehe sogleich zur Rechtsquellenlage); auch Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 5 ff. 52 Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 74 (Der Fall La Roche). 53 Einführend Halm/Engelbrecht/Krahe/Materne/Seemayer, FA-Handbuch, 38. Kap. Rn. 25 in Bezug auf Gesellschafts- und Bürgschaftsvertrag. 54 Im Ganzen Teil 3 dieser Untersuchung (S. 159 ff.) und im Besonderen Kapitel 6 (S. 211 ff.). 55 Sie sehen in Art. 1:101 II PEICL ausdrücklich vor, dass ihre Vorschriften auf Rückversicherungsverträge keine Anwendung finden. 56 Siehe statt vieler Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 438, 490 ff.; Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, S. 163. 57 Der Guidon de la Mer (»Wegweiser des Meeres«) stammt von einem unbekannten Verfasser aus Rouen (Frankreich) und wird als die erste, die Rückversicherung darstellende Abhandlung beschrieben, so Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 56 m.w.N.; auch das genaue Erscheinungsdatum ist unbekannt, siehe hierzu Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 716 (Fn. 77); vollständig abgedruckt in Pardessus, Collection de Lois Maritimes Antérieures au XVIIIe Siècle II, S. 377 ff. 58 Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 56 f.
A. Grundlagen der Rückversicherung
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Vorschriften für die Rückversicherung. Zumeist beschränkten sich diese Erwähnungen der Rückversicherung allerdings auf die Anordnung der generellen Zulässigkeit der Rückversicherung.59 Als Beispiele für derartige Kodifikationen seien die Kostumen von Antwerpen 1609, die Ordonnances de la Marine in Frankreich 1681, die Terminazioni von Venedig 1706, das Preußische Seerecht 1727, die Hamburger Assekuranz- und Haverei-Ordnung 1731, die Ordonnanz von Bilbao 1738 und die Königlich Schwedische Assekuranz- und Havarieordnung 1750 genannt.60 Besondere Erwähnung soll an dieser Stelle das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten 1794 (ALR 1794)61 finden, welches als wichtigster Vorläufer deutscher Gesetzgebung neben einer ersten umfassenden Erfassung des Versicherungsvertragsrechts auch acht Vorschriften zur Rückversicherung enthielt (§§ 2016 ff. ALR 1794).62 Neben Regelungen zu Zulässigkeit, Umfang und Selbstständigkeit des Vertrages sowie der Insolvenz des Erstversicherers, werden Folgepflicht und Schicksalsteilung bereits hier explizit angesprochen.63 Sämtliche Kodifikationen des Rückversicherungsvertragsrechts schufen allerdings nicht neues Recht im konstitutiven Sinne. Sie hielten vielmehr die bereits gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtssätze zur Rückversicherung deklaratorisch fest.64 Beispielhaft sei auf die Ordonnances de la Marine verwiesen, welche auf dem zuvor genannten Guidon de la Mer – seinerseits eine Sammlung der gelebten Rechtspraxis – und qualifizierten Erhebungen über die Schifffahrt und die Seeversicherung beruhte.65 Es ist hieraus der Schluss zu ziehen, dass sich die Rückversicherung in der Rechtspraxis nicht erst mit ihrer
Zur Zulässigkeit in den einzelnen »Assekuranz-Ordnungen« Benecke, System des Assekuranz- und Bodmereiwesens I, S. 282 f. 60 Vgl. die Aufstellung und die näheren Ausführungen von Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 716 ff. und Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 58 ff.; im Weiteren auch zu den »nordischen Staaten« J. von Gierke, Versicherungsrecht Bd. 2, S. 371 (374). 61 In Kraft getreten am 1. Juni 1794; entgegen der weitgehend ablehnenden Haltung der Rechtswissenschaft gegenüber dem ALR 1794 sind dessen versicherungsrechtlichen Aussagen beachtlich und vielfach in AVB widergespiegelt worden, P. Koch, VersR 1994, S. 629 (629). 62 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 721; J. von Gierke, Versicherungsrecht Bd. 2, S. 371; siehe auch Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 691. 63 Hierzu ausführlich S. 212 ff. 64 So Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 52 f., 62 f. 65 Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 58. 59
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
Niederschrift in Gesetzesform etablierte. Vielmehr ist anzunehmen, dass Rückversicherungsverträge bereits im 17. und 18. Jahrhundert in hinreichendem66 Ausmaß üblich waren.67 Dies belegt bereits Magens: »Assecuriren befördert den Kaufhandel, und muß dahero durch die Gesetze nicht zu genau eingeschränket werden.«68
Auch wenn die Rückversicherung mit diesen Rechtsordnungen eine Regelung erfuhr, finden diese spezifischen Aussagen zur Rückversicherung in der modernen Gesetzgebung keinen Eingang mehr.69 Bereits § 186 VVG a.F. sah inhaltsgleich zu dem heutigen § 209 VVG ausdrücklich vor, dass die verwandten Vorschriften zur Erstversicherung, wie sie im VVG umfassend normiert sind, nicht auf die Rückversicherung Anwendung finden. Selbst nicht-versicherungsvertragsrechtliche Vorschriften in anderen Gesetzen, wie § 779 HGB a.F., welcher die Seerückversicherung jedenfalls einer Definition zuführte, wurden aktiv aufgehoben.70 Dieses bewusste Unterlassen einer gesetzlichen Fixierung durch den deutschen Gesetzgeber ist zunächst mit der auch zuvor nur deklaratorisch, die Rückversicherungspraxis aufzeigenden, Zweckrichtung der historischen Normen zu erklären. Darüber hinausgehend sah man in diesem vollständig der privatautonomen Gestaltung der Vertragsparteien überlassenen Markt schlicht keine Notwendigkeit für eine vertragsrechtliche Vorgabe.71 Als geschriebene Rechtsquelle verbleibt daher, neben abstrakten, vertragsrechtlichen Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts und des Handelsrechts,72 lediglich das Richterrecht. Auch Richterrecht ist im deutschen Rückversicherungsrecht jedoch nur sehr begrenzt ausgebildet. So gab es zwar einige wenige Urteile um 1900, auf welche im Weiteren noch eingegangen werden soll.73 Eine sich entwickelnde Rechtsprechung oder gar neuere Entscheidungen sind jedoch nicht zuletzt auch aufgrund der Üblichkeit von Schiedsklauseln in 66 »Hinreichend« meint in diesem Zusammenhang derart wirtschaftsrelevant, dass eine Kodifikation des See(versicherungs-)rechts nicht umhinkam, die Rückversicherung jedenfalls zu erwähnen. 67 Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 63. 68 Magens, Versuch über Assecuranzen, Havereyen und Bodmereyen insgemein, S. 2. 69 Lediglich stark vereinzelt, bspw. in den §§ 620 bis 623 des California Insurance Code, existieren noch rudimentäre, das Rückversicherungsvertragsrecht regelnde gesetzliche Vorschriften, erwähnt bei Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 14. 70 Dies im Zuge der VVG-Reform 2008 durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007, BGBl. I, S. 59; gültig ab 1. Januar 2008; siehe auch Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 3. 71 So die gesetzgeberische Begründung, Motive zum VVG 1908, S. 246, die im Verlauf der Beratungen hierzu keinen Widerspruch fand, siehe dort S. 569 ff. und im Ergebnis S. 402. 72 So bspw. Looschelders, VersR 2012, S. 1 (2 f.); siehe auch Motive zum VVG 1908, S. 65. 73 Siehe S. 134 ff.
A. Grundlagen der Rückversicherung
73
Rückversicherungsverträgen nicht vorhanden74 bzw. aufgrund der Vertraulichkeit von Schiedssprüchen nicht zugänglich. 75 Die herausragende Bedeutung der Schiedsgerichte für die Fortentwicklung des Rückversicherungsvertragsrechts ist als Spezifikum der Rückversicherung sogar bereits in frühen Schriftstücken aus dem 17. Jahrhundert festzustellen.76 Teilweise wurden bereits zu dieser Zeit Einzelfragen zum Rückversicherungsvertragsrecht durch Gerichte oder Schiedsgerichte entschieden, deren Lösungen auch heute noch belastbar sind und als Teil der Rechtsquellen des Rückversicherungsrechts anzusehen sind. 77 Ein Versuch, allein aus Urteilen und Schiedssprüchen heraus allgemeines Rückversicherungsrecht zu generieren, ist aber von Beginn an zum Scheitern verurteilt.78 Dies gilt auch für der Öffentlichkeit zugängliche Schiedssprüche, da deren Tenor häufig aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung der Rückversicherungsvertragsparteien auf Billigkeitserwägungen beruht.79 Nach Mossner weist die Vielfalt gesetzgeberischer Aktivitäten in diesem Bereich nicht nur auf die frühe Bedeutung der Rückversicherung hin, sondern ist zudem Indiz dafür, dass sie sich auch vor ihrer gesetzgeberischen Erfassung als Gewohnheitsrecht durchgesetzt habe. 80 Allgemeines Gewohnheitsrecht habe sich daher bereits mit der Vernetzung der europäischen Handelshauptstädte etabliert. 81 In Abwesenheit expliziter vertragsrechtlicher Vorschriften und Richterrecht hat daher das Gewohnheitsrecht für das moderne ungeschriebene Rückversicherungsrecht (wieder) eine außerordentliche Bedeutung.82 Zu 74 So Deutsch/Iversen, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 128; Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 24; im Weiteren zu Praxis, vor Schiedsgerichten zu prozessieren Busse/Taylor/Justen, SchiedsVZ 2008, S. 1 (2) und Hu. Labes, VersR 1996, S. 1461. 75 Siehe auch Halm/Engelbrecht/Krahe/Materne/Seemayer, FA-Handbuch, 38. Kap. Rn. 27 und Looschelders, VersR 2012, S. 1 (1). 76 So ist bereits aus dem Jahr 1694 ein Amsterdamer Schiedsspruch überliefert, in welchem die Schiedsrichter die Auffassung vertraten, dass sich die Versicherer eines Versicherungsvertrages im Fall der Kenntnis der wahren Umstände des zugrunde liegenden Sachverhalts möglicherweise um Rückversicherungsschutz bemüht hätten; siehe zudem den Fall La Roche aus dem Jahr 1674 bei Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 70 und 71 ff.; auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich eine Rechtsprechungspraxis der ordentlichen Gerichte nicht herausgebildet, vgl. J. von Gierke, Versicherungsrecht Bd. 2, S. 373. 77 Vgl. Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 70 und 71 ff.; die dort exemplarisch dargestellten Urteile und Schiedssprüche Urteil sind bei Émérigon, Traité des Assurances Bd. 1, S. 248 ff. überliefert. 78 So auch Looschelders, VersR 2012, S. 1 (1). 79 Vgl. Busse/Taylor/Justen, SchiedsVZ 2008, S. 1 (5) und Looschelders, VersR 2012, S. 1 (1). 80 Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 63. 81 Vgl. im Ganzen Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 48 ff., insb. 63 f. 82 Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts J. von Gierke, Versicherungsrecht Bd. 2, S. 373.
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
diesen Rechtsquellen zählen insbesondere Gewohnheitsrecht bzw. Handelsbrauch.83 Unabhängig von der konkreten Fassung von Gewohnheitsrecht und Handelsbrauch bestehen mangels geschriebener gesetzlicher Vorgaben eklatante Momente der Rechtsunsicherheit in einem im Übrigen immer stärker regulierten Bereich wie der Versicherungswirtschaft – und dies nicht nur für den Rückversicherer selbst, sondern auch und gerade für den rückversicherten Erstversicherer. Ein Rückversicherungsbrauch geht einer allgemeinen Verkehrssitte bei der (ergänzenden) Vertragsauslegung (§ 157 BGB) vor.84 Dies gilt indes nicht für die konkreten Vereinbarungen der Vertragsparteien – auch im Fall einer (nur) konkludenten Vereinbarung. Der Handelsbrauch ist somit eine besondere Form der Verkehrssitte und findet daher schon nach den Grundsätzen der Hermeneutik Beachtung. 85 Seine Hervorhebung für das Handelsrecht entspringt dem »Streben nach Typisierung und Standardisierung«. 86 Diese Bedeutung von Handelsbräuchen wird aufgrund von Verschriftlichungen und Verklausulierungen im Handelsverkehr allerdings als gering bewertet.87 Unabhängig davon, ob man diesem Befund derartige Auswirkungen beimessen will,88 wird der Rückversicherungsvertrag, trotz der Prägung der Erstversicherung durch Bedingungswerke nach wie vor denkbar knapp gestaltet. Die Bedeutung des Handelsbrauchs für die Rückversicherung ist vor diesem Hintergrund schlicht naheliegend.
B. Das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers »Es ist immer dasselbe: Eingeräumte Rechte sind auferlegte Pflichten.«*
I.
Grundlagen des Geschäftsführungsrechts
Durch den Rückversicherungsvertrag wird der Erstversicherer gerade nicht zu einem bloßen Mittler des Versicherungsschutzes degradiert. Vielmehr ist er 83 Allgemein Prölss/Martin/Klimke, VVG, § 209 Rn. 3; sogleich auf S. 84 ff. im Einzelnen zur dogmatischen Begründung. 84 Siehe grundlegend RGZ 53, S. 138 (140 ff.); Koller/Kindler/Roth/Morck/Roth, HGB § 346 Rn. 2. Cannawurf/Schwepcke gehen allerdings davon aus, dass der Rückversicherungsbrauch als Handelsbrauch Verkehrssitte und dadurch anwendbar sei (in Lüer/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 65) – dies ist abzulehnen. 85 BGH, NJW 1966, S. 502; BGH, WM 1973, S. 382; Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 2; MüKo/K. Schmidt, HGB Bd. 5, § 346 Rn. 7; Teichmann, Handelsrecht, Rn. 881 f. 86 Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 3. 87 Basedow, ZHR 150 (1986), S. 469 (469 ff.). 88 Dem widerspricht insb. MüKo/K. Schmidt, HGB Bd. 5, § 346 Rn. 3, 9. * Hans Lohberger, abgedruckt in Thiele, Das Österreichische Zitatelexikon, Graz 2001.
B. Das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers
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nach wie vor für die gesamte Vertragsgestaltung und -abwicklung im Erstversicherungsverhältnis zuständig, d.h. neben der Gestaltung des Vertrages und der Prämienkalkulation, insbesondere auch für die Versicherungsleistung und die daran anknüpfende Regulierung.89 Im Rückversicherungsrecht wird dieser Umstand als Geschäftsführungsrecht (oder auch -befugnis bzw. Dispositionsrecht) des Erstversicherers bezeichnet. Unter diesem Geschäftsführungsrecht ist die Gestaltung, der Abschluss, die Verwaltung und die Regulierung des Erstversicherungsvertrages durch den Erstversicherer zu verstehen.90 Es wurde und wird regelmäßig in Vertragsklauseln des Rückversicherungsvertrages explizit benannt. Bereits für das ausgehende 19. Jahrhundert war die Verwendung von das Geschäftsführungsrecht adressierenden Klauseln üblich91 – beispielhaft mit folgenden Formulierungen: »[1. Der] Rückversicherer billigt jedwede Schadensregulirung à l’amiable oder Bezahlung der Dispache. [2. Der] Rückversicherer autorisiert den Rückversicherten im Voraus zu allen Regulirungen, Prozessen und Vergleichen. [3.] Die ganze Geschäftsführung liegt mit Einschluss der Regulirung der Schäden ausschliesslich in Händen des Rückversicherten.«92
Das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers wurde dem folgend als Prinzip der Rückversicherung angesehen, sodass es auch ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung gelten sollte. Als einer der ersten Verfechter dieses Bedeutungsgehalts des Geschäftsführungsrechts und der damit einhergehenden Geltung für jeden Rückversicherungsvertrag ist Ehrenberg anzusehen. Entgegen der für den Anfang des 20. Jahrhunderts als herrschend anzunehmenden Meinung ging er davon aus, dass das Geschäftsführungsrecht in Verbindung mit einem zwingenden Selbstbehalt93 auch ohne vertragliche Vereinbarung zur Anwendung komme – mithin beide Rechtssätze als Gewohnheitsrecht anerkannt seien.94 Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass eine aktive Be-
89 H.M., auszugsweise Deutsch/Iversen, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 129 (dies gilt auch unabhängig von Schulungskursen und anderen Serviceleistungen); Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 521 ff.; Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, S. 170; Looschelders, VersR 2012, S. 1 (5); Schwintowski/Brömmelmeyer/Pisani, VVG, § 209 Rn. 33. 90 So bereits Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 519. 91 ROHG 24, S. 390 – zu diesem Urteil unten auf S. 137 ff.; zustimmend Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 109. 92 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 109 f. 93 Der Erstversicherer müsse eine »Quote des Risikos für eigene Rechnung behalten«, Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 111 f. 94 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 111 ff.; an anderer Stelle auch als »objectiver Rechtssatz« bezeichnet (dort S. 114).
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
teiligung des Rückversicherers an der Regulierung im Erstversicherungsverhältnis »einfach unmöglich« sei. 95 Darüber hinaus bestünde auf Seiten des Rückversicherers »in den meisten Fällen auch schwerlich Grund zum Misstrauen«,96 und mehr noch würde der Rückversicherer dem Erstversicherer in vielen Fällen auch freie Hand lassen wollen.97 Diese Annahmen würden zur Begründung eines Gewohnheitsrechts führen.98 Das Geschäftsführungsrecht kann jedoch nicht unabhängig von der Folgepflicht betrachtet werden, sondern hängt mit dieser aufs Engste zusammen. Ehrenberg formulierte hinsichtlich der auf die Bindung des Rückversicherers zugeschnittenen Konsequenz der Geschäftsführung des Erstversicherers: »Deshalb eben sollte der Rückversicherte zugleich als Vertrauensperson seines Rückversicherers, als dessen Geschäftsführer fungiren […].«99
Diese Beobachtung gibt zugleich Anlass, die Frage nach der dogmatischen Begründung des Geschäftsführungsrechts ebenfalls nicht losgelöst von der Folgepflicht zu untersuchen. Die Folgepflicht ist durch die Geschäftsführung des Erstversicherers bedungen.100 Die Geschäftsführung wird vor diesem Hintergrund auch als »notwendige Ergänzung« oder als »korrespondierend« bezeichnet.101 Allein, der Erstversicherer wird nicht durch die Rückversicherung zur Geschäftsführung im Erstversicherungsverhältnis berechtigt: Er führt die Geschäfte qua seiner Funktion als Erstversicherer, und nicht als Rückversicherungsnehmer.102 Entsprechend laufen die dogmatischen Begründungen des Geschäftsführungsrechts und der Folgepflicht parallel und können nur in dieser Weise gemeinsam beantwortet werden. Auch die Antwort auf die Frage, ob das Geschäftsführungsrecht gewohnheitsrechtlich anerkannt ist, kann sich daher erst aus dem Zusammenspiel mit der Folgepflicht ergeben.
95 So Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 113. Dort spricht Ehrenberg gar von einer physischen Unmöglichkeit, an jeder Regulierung mitzuwirken und davon, dass eine Verschleppung der Regulierung im Erstversicherungsverhältnis zu befürchten sei. 96 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 113. 97 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (711). 98 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 112 f. 99 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 111 f. 100 Ehrenberg geht davon aus, dass, sofern der Erstversicherer zur Geschäftsführung berechtigt ist, auch der Rückversicherer das Ergebnis dieser (bzw. der Regulierung) als für sich verbindlich anerkennen muss (Die Rückversicherung, S. 109). 101 Auszugsweise Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/Wiedemann/Hack, HdV, Rückversicherungsrecht, S. 725; Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, S. 170; vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Pisani, VVG, § 209 Rn. 33. 102 In dieser Deutlichkeit auch Garobbio, Über die Rückversicherung, S. 103 f.
B. Das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers
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II. Der Grundsatz der freien Geschäftsführung Wenn damit feststeht, dass das Geschäftsführungsrecht bereits durch den Erstversicherungsvertrag vorgegeben ist, stellt sich zunächst jedoch die Frage, welche Bedeutung das Geschäftsführungsrecht – und auch dessen Benennung im Rückversicherungsvertrag – für die Rückversicherung hat. Berechtigterweise muss daher gefragt werden, ob dem Geschäftsführungsrecht für die Rückversicherung eine eigenständige Bedeutung zukommt. Insofern könnte das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers auch als ein erster Hinweis auf ein weites Verständnis der Folgepflicht des Rückversicherers aufzufassen sein. Dies gilt umso mehr, wenn man sich die Frage stellt, welche Notwendigkeit im Übrigen für die Rückversicherungsvertragsparteien bestünde, die Geschäftsführung des Erstversicherers ausdrücklich im Rückversicherungsvertrag zu benennen. Eine Erklärung liefert die Spezifizierung des Geschäftsführungsrechts durch den Grundsatz der freien Geschäftsführung des Erstversicherers. Dieser Grundsatz war bereits in der frühen Rückversicherung anerkannt, so auch von Émérigon.103 Nach Kothris liege die freie Geschäftsführung im Wesen und der Struktur der Rückversicherung und des Vertrages begründet.104 Nach Gerathewohl bedeute dies, dass der Erstversicherer seine Geschäfte grundsätzlich in freiem Ermessen führe.105 Ausdruck dieser freien Geschäftsführung ist auch, dass der Rückversicherer den Erstversicherer in seiner Geschäftsführung nicht beeinflussen soll. 106 Wenn der Erstversicherer in seinem Ermessen »grundsätzlich frei« ist und dieses Geschäftsführungsrecht im Rückversicherungsvertrag benannt wird, stellt sich auch vor dem Hintergrund dieser weiten Gestaltung die Frage, wie sich die Haftung des Rückversicherers im Zusammenspiel mit dem Geschäftsführungsrecht verhält. Illustrativ für dieses Zusammenspiel ist die folgende, das Geschäftsführungsrecht beschreibende Klausel: »Der Rückversicherer genehmigt im voraus alle Bedingungen, Prämien bestehender oder abzuschließender Verträge, wie er auch dem Erstversicherer bezüglich Handhabung der Geschäfte vollständig freie Hand läßt und dessen Handlungen als auch für sich bindend anerkennt. Eine Folge dieses Verhältnisses ist, daß der Rückversicherer an allen Konsequenzen, die sich für den Erstversicherer ergeben, im Verhältnis seiner Beteiligung, an dem Vertrag teilnimmt«107 [Herv. d. Verf.].
Émérigon, Treatise on Insurances, übersetzt von Meredith, S. 276 (Chapter XI, Section IX). 104 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 40 (m.w.N.), 84; vgl. auch Art. 2.4.2 PRICL (C1). 105 So bereits Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 519; auch Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 70 f. 106 Bruck/Möller/Echarti/Hu. Labes, VVG Bd. 11, § 209 Rn. 61. 107 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 41. 103
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
Die Klausel scheint den Grundsatz der freien Geschäftsführung nicht nur zu bestätigen. Darüber hinausgehend liegt es nahe, ihr ein Indiz für die Folgepflicht zu entnehmen, wenn dort die Regulierung in ihrer Bindungswirkung für den Rückversicherer mit der Geschäftsführung im Rahmen der Vertragsgestaltung durch den Erstversicherer gleichgestellt wird (siehe Hervorhebung). Kothris hingegen meint, dass dieser Eindruck »falsch« sei.108 Zur Begründung verweist er darauf, dass Erfahrungswerte zur Bestimmung von Inhalt und Grenzen des Geschäftsführungsrechts und der Folgepflicht Anfang des 20. Jahrhunderts noch nicht bestanden, sodass aus der Formulierung selbst keine Rückschlüsse abgeleitet werden könnten. Auch die von ihm wiedergegebenen Klauseln stammen jedoch nicht aus dieser Anfangszeit.109 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es vielmehr bereits neben ausgeprägter englischer Rechtsprechung auch deutsche Urteile, die sich mit ebendiesen Fragen beschäftigten.110 Zur Beschreibung des Geschäftsführungsrechts wird neben Elementen der vertraglichen Gestaltung auch der Abschluss eines Vergleichs als Teil der Regulierung benannt.111 Nach Looschelders könne der Erstversicherer daher im Erstversicherungsverhältnis nach wie vor nach seinen eigenen »betriebswirtschaftlichen und versicherungstechnischen Grundsätzen« walten.112 In dieser Aussage besteht Konsens in der rückversicherungsrechtlichen Literatur. 113 Dies bestätigen die Ausführungen dieser Untersuchung in Bezug auf die uneingeschränkten Rechte (und Pflichten) des Erstversicherers in der Erstversicherung und den damit einhergehenden deklaratorischen Charakter der Einräumung eines solchen »Rechts« durch die Rückversicherung. III. Verhältnis zur Folgepflicht Im Hinblick auf die Bedeutung dieses meist ausdrücklich im Rückversicherungsvertrag genannten Geschäftsführungsrechts lässt sich daher zweierlei feststellen: Zum einen ist seine Erwähnung im Rückversicherungsvertrag aufgrund der Vorgaben aus der Erstversicherung für die Regulierung deklaratorisch. Der Erstversicherer muss gerade nach den Bedürfnissen der einzelnen Versicherungssparte und des einzelnen Versicherungszweigs und mit Blick auf
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Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 41. Vgl. Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung,
S. 41. Siehe sogleich und auf S. 134 ff. So Looschelders, VersR 2012, S. 1 (5), aber auch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 525 f. 112 Looschelders, VersR 2012, S. 1 (5). 113 Daher auch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 526 (Fn. 563); Farny/Helten/ P. Koch/R. Schmidt/Wiedemann/Hack, HdV, Rückversicherungsrecht, S. 725; Lüer/ Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 76. 110 111
B. Das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers
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den individuellen Fall entscheiden können, da er diesem im Sinne einer optimalen Regulierung nur auf diese Weise gerecht werden kann.114 Zudem muss die übliche vertragliche Benennung des Geschäftsführungsrechts so verstanden werden, dass sie auch Einfluss auf das Verständnis der Folgepflicht nimmt. Die freie Geschäftsführung intendiert somit bereits eine Bindungswirkung für die Haftung des Rückversicherers, wie sie die Folgepflicht beschreibt.115 Im Besonderen drückt sich dieses Verhältnis aus, wenn der Vertrag spezifische Mitwirkungsrechte des Rückversicherers vorgibt,116 deren Einfluss auf Geschäftsführung und Folgepflicht noch zu untersuchen sein wird.117 Auch hierdurch wird die der Erstversicherung entspringende Geschäftsführung des Erstversicherers jedoch nicht abbedungen.118 Die Folgepflicht wird somit auch durch Aussagen des Rückversicherungsvertrages zum Geschäftsführungsrecht beeinflusst und nicht erst durch eine spezifische Interpretation der Folgepflicht. Auch wird teilweise nicht trennscharf zwischen einer Begrenzung des Geschäftsführungsrechts des Erstversicherers und der korrespondierenden Folgepflicht des Rückversicherers unterschieden.119 Entsprechend erklärt sich die Zielsetzung der Vereinfachung und Vereinheitlichung, wenn aus Gründen geordneter Darstellung in der Folge lediglich von der Folgepflicht gesprochen wird. Wenn es um den hier primär gegenständlichen Fall der Geschäftsführung aus Anlass des Eintritts des Versicherungsfalls geht, verwendet Gerathewohl auch den Begriff »Schadensregulierungsrecht« des Erstversicherers und deutet damit bereits auf den Kern der Problematik hin.120 Insofern lässt sich die faktische Maßgeblichkeit der Entscheidung des Erstversicherers nicht nur im Erstversicherungsverhältnis als Regulierungsermessen beschreiben, sondern wird auch in der Rückversicherung im Geschäftsführungsrecht gespiegelt. Auch in Bezug auf die Rückversicherung kann daher von einem Regulierungsermessen des Erstversicherers gesprochen werden.121 Ein eindrucksvolles Beispiel für die Validität dieser These nennt Kiln, der von einem Fall berichtet, in welchem die Rückversicherer mit einer durch den Erstversicherer geltend gemachten größeren Schadenssumme konfrontiert wurden. Der nach Aussage Kilns sehr erfahrene französische Schadenbearbeiter beim Erstversicherer »regulierte« den Versicherungsfall allerdings unkonventionell in der Weise, dass eine potentiell ungleich höhere Schadenssumme Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (692). Siehe Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 802. 116 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 73, 190 f. 117 Zum Einfluss des Rückversicherers unten S. 306 ff. 118 Garobbio, Über die Rückversicherung, S. 104. 119 Siehe auszugsweise Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/Wiedemann/Hack, HdV, Rückversicherungsrecht, S. 725; Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, S. 170; vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Pisani, VVG, § 209 Rn. 33. 120 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 802. 121 Siehe zur bewussten Mehrdeutigkeit des Begriffs oben Kap. 2 Fn. 36. 114 115
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
(welche dann von den Rückversicherern übernommen hätte werden müssen) im Rahmen der Regulierung abgewendet wurde. Er berichtete: »Oui Madame De la Rue she was injured so I go to see her with some flowers and some Chanel and then another visit with some Armagnac. Then I take her away for a week in my car to a Swiss Spa. We had a very happy week together and she is now well and recovered. No loss to you. The loss expense was high but we had the best suite and take the waters for a week. It is expensive but much less than the claim.«122
Man wird geteilter Ansicht zu den Fragen sein können, ob sich ein solcher Fall in diesem Ausmaß auch heute noch ereignen kann, und, ob der Bearbeiter des Versicherungsfalls richtig agierte. Im Ergebnis aber waren auch die daran beteiligten Rückversicherer zufrieden mit der niedriger ausfallenden Schadenssumme und Kiln bezeichnet diese Vorgehensweise gar als »legitimate ›loss expense‹ «.123 Jedenfalls verdeutlicht diese Fallkonstellation, dass das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers nicht über Gebühr eingeschränkt werden sollte. Ohne Frage dürfte der Fall eine Ausnahmekonstellation darstellen, er steht jedoch in seiner Grundaussage stellvertretend für viele weitere, durch welche den Rückversicherern durch kostenreduzierende Verhaltensweisen des Erstversicherers größere Schadenssummen erspart bleiben.
C. Die Folgepflicht des Rückversicherers »Wahrheit hängt, wie der Gebrauch von Wörtern, weitgehend von Brauch und Konvention ab.«*
Auf der anderen Seite wird die Haftung des Rückversicherers meist mit dem Begriff »Folgepflicht« überschrieben. Die Leistung des Rückversicherers besteht nach allgemeiner versicherungsrechtlicher Dogmatik zunächst in der Tragung einer mit dem Erstversicherungsverhältnis auf besondere Art und Weise verknüpften Gefahr, die sich im Fall des Eintritts des »Rückversicherungsfalls«124, der in seiner Funktion dem Versicherungsfall des Erstversicherungsverhältnisses entspricht,125 in eine Geldleistungspflicht wandelt.126 Der Rückversicherungsfall wird, wie in der Erstversicherung, grundsätzlich durch den Rückversicherungsvertrag vorgegeben – Ehrenberg spricht insoweit noch von So bei Kiln, Reinsurance in Practice, S. 428. Kiln, Reinsurance in Practice, S. 428. * Samuel Butler, abgedruckt in Spicker, Aphorismen der Weltliteratur, 2. Aufl., Stuttgart 2009, S. 106 Ziff. 7. 124 So der aus dem Erstversicherungsverhältnis abgeleitete Begriff auch bei Lüer/ Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 10. 125 Siehe hierzu S. 17 f. 126 Siehe für diese noch allgemein gefasste Beschreibung bei Looschelders, VersR 2012, S. 1 (3); im Weiteren Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 61. 122 123
C. Die Folgepflicht des Rückversicherers
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der Ersatzpflicht des Rückversicherers.127 Aufgrund der besonderen Verknüpfung mit der Erstversicherung, welche an die Haftpflichtversicherung erinnert,128 wird generell von der »Haftung« des Rückversicherers gesprochen.129 Neben der Frage nach der Bindungswirkung der Geschäftsführung des Erstversicherers (d.h. im engeren Sinn seiner Regulierung) für den Rückversicherer im Rahmen seiner Folgepflicht steht zunächst auch die Frage nach den durch die Rückversicherung gedeckten Regulierungskosten im Raum. Sofern im konkreten Fall die Problematik, ob der Rückversicherer Folge zu leisten hat, gelöst ist, stellt sich im Nachgang die Frage, welche durch die Regulierung angefallenen Kosten durch den Rückversicherer zu ersetzen sind. Nach allgemeiner Ansicht sind diese Kosten (nach Bejahung der Folgepflicht im konkreten Fall), abgesehen von den Verwaltungskosten des Erstversicherers selbst, vollständig zu tragen.130 Dies betrifft insbesondere auch die durch die Regulierung entstandenen Gerichtskosten.131 Diese Einordnung ist im Grundsatz nicht in Frage gestellt worden und soll auch dieser Untersuchung als Prämisse dienen. Sofern daher die Voraussetzungen der Folgepflicht im konkreten Fall gegeben sind, sind grundsätzlich alle Regulierungskosten des Erstversicherers durch den Rückversicherer zu tragen. Vorgeschaltet zu der in dieser Untersuchung zu behandelnden Frage nach den Grenzen der Folgepflicht muss zudem auch die Frage nach dem Fundament der Folgepflicht geklärt werden. Dies ist insbesondere für Fälle bedeutsam, in welchen die Rückversicherungsvertragsparteien sich nicht ausdrücklich auf die Folgepflicht des Rückversicherers geeinigt haben, sich diese also weder aus dem slip noch aus der nachgeschalteten Vertragsdokumentation eindeutig ergibt. I.
Zwecke der Folgepflicht
Die Ursprünge der Rückversicherung sind gleichsam auch die Ursprünge der Folgepflicht. Gerathewohl zufolge haben sich die Grundlagen der Rückversicherung im Ganzen zum Ende des 19. Jahrhunderts herausgebildet – mit der Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 113. Hieraus erklären sich auch Überlegungen, die aus dieser Nähe auf die Anwendbarkeit haftpflichtversicherungsrechtlicher Vorschriften schließen, hierzu S. 218 ff. (darüber hinaus S. 337 f.). 129 Sie soll auf S. 91 ff. einen Zuschnitt für die Zwecke dieser Untersuchung erfahren. 130 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 451, der als Beispiel einer deskriptiven Klausel des Rückversicherungsvertrages formuliert: »Als Schäden gelten alle Aufwendungen, die der Zedent für die Erledigung von Versicherungsansprüchen, die unter den vorliegenden Vertrag fallen, zu erbringen hat, einschließlich Gerichts- oder anderer externer Schadenkosten, aber unter Ausschluß aller betriebsinternen Schadenkosten, insb. der Gehälter von Angestellten des Zedenten«. 131 Hierzu bereits bejahend Hastie and Patrick v. De Peyster and Charlton [1805] 3 Caines Rep 190 (197); auch Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd's Rep 312 (313, 332). 127 128
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
Begründung, dass 1885 die erste deutschsprachige Monographie von Ehrenberg hierzu erschien.132 Letzterer widmet der hier noch als Ersatzpflicht bezeichneten Folgepflicht des Rückversicherers einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Abhandlung.133 Die Folgepflicht beschreibt allgemein, unter welchen Voraussetzungen der Rückversicherer Ersatz für die »Schäden« des Erstversicherers zu leisten hat und ist notwendiger Bestandteil eines Versicherungsvertrages.134 Hinzu tritt ein Umstand, der die Rückversicherung wesentlich von der Erstversicherung unterscheidet: Im Rahmen des Erstversicherungsverhältnisses findet bereits sowohl eine Evaluierung der versicherten Risiken als auch eine Feststellung über den Eintritt des Erstversicherungsfalls statt. Würde der Rückversicherer ebenfalls das durch den Erstversicherungsvertrag beschriebene Risiko bewerten und bei vermeintlichem Eintritt des Versicherungsfalls eine im Ganzen eigenständige Analyse vornehmen, bedürfte es eines Konzepts der »Rück-«Versicherung gar nicht erst. Dies zeigt sich an dem in dieser Untersuchung schwerpunktmäßig betrachteten Beispiel der Regulierung im Besonderen. Denn nicht nur führte der Rückversicherer dann eine De-novo-Überprüfung der Verwirklichung des (regelmäßig mit der Rückversicherung identischen) Risikos des Erstversicherungsvertrages durch,135 sondern müsste für die Einzelprüfungen der Originalschäden umfangreiche Kapazitäten – allein in personeller Hinsicht – vorhalten.136 Eine derartige Ausrichtung wäre nicht nur redundant, sondern in höchstem Maße kostenintensiv und die Bewertung für den Rückversicherer evident schwieriger, da er diese lediglich auf Basis der Informationen des Erstversicherers als Vertragspartei des Erstversicherungsvertrages durchführen könnte. Darüber hinaus wurde bereits festgestellt, dass die Bewertung des Eintritts des Versicherungsfalls und die hieran angeschlossene Regulierung nicht nur von der Maßgabe des Versicherungsunternehmens abhängt, sondern auch von der individuellen Entscheidung des Schadenbearbeiters abhängig sein kann. Die nochmalige Bewertung des Versicherungsfalls führte hierdurch unweigerlich zu unterschiedlichen Ergebnissen und damit zur Inkongruenz mit den Entscheidungen des Erstversicherers. Der Rückversicherungsschutz ist für den Erstversicherer überhaupt nur dann sinnhaft, wenn er durch ihn ein bestimmtes Maß an Planungssicherheit erreicht. Es ist leicht vorstellbar, dass sich die
Gerathewohl, in Rückversicherung Bd. 2, S. 768. Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 108 bis 161. 134 So bereits die Motive zum VVG 1908, S. 246. 135 Diese Überprüfung kann auch in neuerer Zeit nicht gewollt sein, siehe insb. im USamerikanischen Recht International Surplus Insurance Co v. Underwriters at Lloyd, 868 F Supp 917, 921 (Southern District of Ohio 1994); auch Amer, Reinsurance Mass Tort Settlements, S. 1 f. und Wollan, Handbook of Reinsurance Law, § 4.03. 136 Siehe hierzu Lüer/Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 5. 132 133
C. Die Folgepflicht des Rückversicherers
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Rückversicherung ohne ein der Folgepflicht vergleichbares Instrument gar nicht erst entwickelt hätte. Die Folgepflicht ist daher Ausdruck der einzigen, praktikablen Herangehensweise an die Definition der Haftung des Rückversicherers.137 Weitergehend könnte die Haftung des Rückversicherers von seiner vorherigen Zustimmung abhängig gemacht werden, hätte im Ergebnis aber die gleichen nachteiligen Konsequenzen wie eine fehlende Folgepflicht und wäre mitunter faktisch nur schwer durchführbar oder gar unmöglich138: »Wie unwirtschaftlich, ja unter Umständen unausführbar ein solches Verfahren sein würde, erhellt ohne weiteres, wenn man erwägt, daß in weitaus der Mehrzahl aller Fälle der Versicherer die von ihm übernommene oder zu übernehmenden Risiken nicht bei einem einzigen Rückversicherer deckt. […] Diese Erwägungen müssen bei der besonderen Natur des Rückversicherungsvertrages mit Notwendigkeit zu der Vereinbarung einer Klausel führen, die dem Versicherer eine freiere Stellung gewährt, als es sonst der Fall sein würde« 139 [Herv. d. Verf.].
Dies gilt also umso mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass der Erstversicherer in der Regel mehrere Rückversicherer hat, und vor »kaum überwindbaren« Schwierigkeiten stünde, wenn jeder dieser Rückversicherer seine Geschäftsführung bzw. seine Regulierung im engeren Sinn in Frage stellen könnte.140 Geradezu zwangsläufig ist daher ein Institut wie die Folgepflicht,141 die zu einer Bindung des Rückversicherers an die Entscheidungen des Erstversicherers führt. Und ebenso zwangsläufig ist daher die Geschäftsführung durch den Erstversicherer, die nach Kothris »frei und unabhängig vom Rückversicherer [sein] darf und muß«142 [Herv. d. Verf.]. Geschäftsführungsrecht und Folgepflicht sind daher zwei Ausdrücke für ein Phänomen – einzig die Perspektive gibt Anlass zu dem teils missverstandenen Begriffspaar.143 Die Notwendigkeit einer Folgepflicht ergibt sich zudem aus der Rückversicherungspraxis. Nicht erst ein parlamentarischer Gesetzgeber oder ein Gericht verpflichtete den Rückversicherer, den Entscheidungen des Erstversicherers Folge zu leisten. Vielmehr hat die Folgepflicht ihren Ursprung in der Gestaltung des Rückversicherungsvertrages durch die Parteien. Folgepflichtklauseln Bereits Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 111. Vgl. auch Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 42 f.; und zuvor schon Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 113 f., rhetorisch illustrativ durch eine Vielzahl rhetorischer Fragen. 139 Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (178 f.) – sogleich ausführlich auf S. 139 ff. 140 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (712). 141 Von Gerathewohl mithin als »notwendiges Korrelat« bezeichnet, in Rückversicherung Bd. 1, S. 525; auch Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 29 (30 ff.), aus dem dort genannten Strauß an Gründen. 142 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 44. 143 Grosse/Müller-Lutz/R. Schmidt/Pfeiffer, Versicherungsenzyklopädie Bd. 6, Rückversicherung S. 18. 137 138
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
sind nicht nur eine historische Beobachtung, sondern auch heute noch unabdingbares Element der Rückversicherung. Die Folgepflicht hat sich anhand der immer wieder angepassten Vertragsklauseln entwickelt und orientiert sich ganz erheblich am englischsprachigen Rechtsraum. 144 Konkrete Klauselbeispiele werden im Rahmen der Darstellung der englischen Rechtsprechung illustriert werden. 145 Festgestellt werden kann jedoch schon an dieser Stelle, dass die Rückversicherung eines Instruments der vertraglichen Haftung bedarf, welches den Effektivitätszwecken der Rückversicherung selbst entspricht. Vorgabe für ein Modell der Folgepflicht ist daher eine gewisse Einfachheit der rückversicherungsrechtlichen Regulierung, die damit den Konterpart zur erstversicherungsrechtlichen Regulierung bildet. II. Dogmatische Begründung der Folgepflicht Wie für das Geschäftsführungsrecht ist auch für die Folgepflicht eine die Bindung des Rückversicherers an die Regulierung des Erstversicherers vorschreibende gesetzliche Norm nicht existent.146 Die Folgepflicht soll im deutschen Recht jedoch nach herrschender Meinung auch ohne ihre vertragliche Vereinbarung im Rückversicherungsvertrag gelten.147 Auch wenn der grundsätzlichen Bedeutsamkeit und der wesensbedingten Notwendigkeit der Folgepflicht zuzustimmen ist, ist die dogmatische Begründung hierfür mangels eines konkreten rechtlichen Rahmens weit weniger aus sich selbst heraus erklärend. Prominentester Ansatz für die Geltung der Folgepflicht (auch ohne vertragliche Vereinbarung) ist die Qualifizierung der Folgepflicht als Handelsbrauch148.149 Die Begrifflichkeit »Handelsbrauch« geht bereits auf den Vorläufer des heutigen HGB, das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (AD-
144 Mag dies zum einen auch daran liegen, dass die Rückversicherung in England lange Zeit verboten war, entspricht eine umfangreiche gesetzliche Regelung grundsätzlich nicht der Rechtstradition des Common Law. Infolgedessen sind die in Bezug genommenen Urteile des englischen Rechts, die aus einer kontinentaleuropäischen Perspektive als vergleichsweise alt bewertet würden, unmittelbar für das Verständnis des heutigen englischen Rechts bedeutsam, MacLeod, in Hellwege, Comparative History of Insurance Law, S. 149 (149 f.). Im Weiteren zur englischen Rechtsprechung siehe Kapitel 5 im Ganzen (S. 159 ff.). 145 Siehe im Ganzen S. 159 ff. 146 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (711). 147 Statt vieler Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (17) und Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 88. 148 Dieser hatte schon im 14. Jahrhundert aufgrund der Ursprünge von Versicherung und Rückversicherung im Seehandelsrecht erstmalig Vertreter in der Wissenschaft gefunden, Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 362. 149 So auszugsweise Bruck/Möller/Echarti/Hu. Labes, VVG Bd. 11, § 209 Rn. 57; Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, 525; Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (17); Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 25.
C. Die Folgepflicht des Rückversicherers
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HGB) von 1861 zurück, worin Art. 279 statuierte, dass »auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen« sei.150 Die Vertragspartner eines Rückversicherungsvertrages sind als Versicherungsunternehmen auch unproblematisch Kaufmänner im Sinne von § 1 HGB,151 sodass Handelsbräuche im Sinne des § 346 HGB grundsätzlich Bedeutung für das Rückversicherungsverhältnis erlangen können. Ein Handelsbrauch ist allerdings nicht bedingungslos anzunehmen, sondern bedarf einer tatsächlichen Übung, einer gewissen Dauer und der freiwilligen Anerkennung durch den betreffenden Verkehrskreis.152 Problematisch ist mit Blick auf die Folgepflicht lediglich das Element der tatsächlichen Übung. Im Fall des Fehlens einer tatsächlichen Übung handelte es sich lediglich um eine Verkehrsanschauung.153 In diesem Zusammenhang nimmt Canaris eine ganz wesentliche Unterscheidung vor, die unmittelbarer Ausfluss der Dogmatik des Handelsbrauchs ist und auch für die Rückversicherung Beachtung finden muss. Denn zu unterscheiden ist in interpretierende (d.h. die Bedeutung von Erklärungen im Sinne des Üblichen prägende) und ergänzende (d.h. eine Lücke im Vertrag füllende) Handelsbräuche154 bzw. in eine Auslegung im engeren Sinn und eine ergänzende Auslegung des Vertrages. 1. Die Folgepflicht als ergänzender Handelsbrauch bei fehlender Vereinbarung Bereits aus den zuvor dargelegten Zwecken und der Bewertung der Folgepflicht als integraler Bestandteil des Vertrages kann der Einordnung als Handelsbrauch jedenfalls insofern gefolgt werden, als ein ohne Folgepflichtklausel geschlossener Rückversicherungsvertrag ergänzend so auszulegen ist, dass eine Form der Folgepflicht greift. 155 Eine hierfür erforderliche tatsächliche 150 Heute wird die Verbindlichkeit von Handelsbräuchen aus § 346 HGB abgeleitet, siehe zum Verhältnis MüKo/K. Schmidt, HGB Bd. 5, § 346 Rn. 2. 151 Siehe Fausten, VersR 2017, S. 1057 (1060); Looschelders VersR 2012, 1 (3); Lüer/ Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 65. Bis 1998 enthielt § 1 II HGB a.F. im Gegensatz zur heutigen allgemeingehaltenen Formulierung »Handelsgewerbe« eine enumerative Aufzählung, die »Versicherung« ausdrücklich als Grundhandelsgewerbe einstufte. Darüber hinaus begründet die Einordnung als Kaufmänner (nach § 172 S. 1 VAG auch für den VVaG) die Anwendbarkeit von allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen, so Halm/Engelbrecht/Krahe/Materne/Seemayer, FA-Handbuch, 38. Kap. Rn. 30 f. 152 Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 5 ff.; selbst auf die Kenntnis der Parteien kommt es daher nicht an (Rn. 28), sodass auch unerfahrene Marktteilnehmer sich diesem Regime unterwerfen, sofern nicht vertraglich etwas anderes vereinbart ist; auch MüKo/K. Schmidt, HGB Bd. 5, § 346 Rn. 11 ff. 153 Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 6. 154 Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 4, im Einzelnen dort Rn. 13 ff., 23 f. 155 Dies gilt grundsätzlich für alle Formen und Arten der Rückversicherung, siehe S. 272 ff.
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
Übung, deren hinreichende Dauer und die Anerkennung durch die Rückversicherungsbranche können schon darin gesehen werden, dass nahezu jeder Rückversicherungsvertrag eine Form der Folgepflicht enthält. In dieser Weise sind auch Prölss und Ehrenberg zu verstehen, die in der Folgepflicht ein (internationales) Gewohnheitsrecht sehen. 156 Die Internationalität der Rückversicherung157 und die hierdurch angenommene (fragwürdige)158 Einordnung der Folgepflicht als internationaler Handelsbrauch159 steht dieser Wertung nicht entgegen.160 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne die branchenübliche Regelung des Gegenstands des vermeintlichen Handelsbrauchs grundsätzlich für, aber auch gegen die Einordnung als Handelsbrauchs sprechen.161 Ansatzpunkt einer dogmatischen Begründung muss jedoch folgende Überlegung sein: Würde man annehmen, dass sich die Parteien nicht auf eine Form der Folgepflicht geeinigt haben, bliebe vor dem Hintergrund der obigen Zwecküberlegungen keine andere plausible Regelung für die Regulierung des Erstversicherers und die Haftung des Rückversicherers. Die Folgepflicht bildet die Interessenlage der Parteien daher derart ab, dass mittels ergänzender Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB bzw. § 346 HGB als besondere Ausprägung) angenommen werden muss, die Parteien hätten sich, der allgemeinen Verkehrssitte folgend, auf eine Form der Folgepflicht geeinigt.162
156 Bereits Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 111 ff. (an anderer Stelle auch als »objectiver Rechtssatz« bezeichnet, dort S. 114) und Prölss, ZHR 111 (1943), S. 113 (122). 157 Siehe mit weiteren Ausführungen Stammel, Waving the Gentlemen’s Business Goodbye, S. 86 ff. 158 In Frage gestellt von Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 192 f.; hier allerdings nicht streiterheblich, da der Frage des Handelsbrauchs weniger Bedeutung zukommt, als verschiedentlich angenommen. 159 Statt vieler Fausten, VersR 2017, S. 1057 (1062). 160 Vgl. Koller/Kindler/Roth/Morck/Roth, HGB § 346 Rn. 10; MüKo/K. Schmidt, HGB Bd. 5, § 346 Rn. 11. Zu widersprechen ist Katschthaler, der einen internationalen Handelsbrauch schon deshalb ablehnt, da die Folgepflicht im englischen Recht nicht ohne vertragliche Vereinbarung gilt (ZfV 2008, S. 710 [711]) – für die Internationalität kann es nicht darauf ankommen, dass die Folgepflicht nach jeder Rechtsordnung als Handelsbrauch anerkannt ist, sondern nur darauf, dass international eine entsprechende tatsächliche Übung besteht. 161 BGH, NJW 1994, S. 659; bestätigend auch MüKo/K. Schmidt, HGB Bd. 5, § 346 Rn. 14. 162 So auch Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 44; sowohl auf einen Handelsbrauch als auch auf § 242 BGB abstellend Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (711 f.); vgl. auch den Ansatz, der von den PRICL verfolgt wird, Art. 2.4.3 PRICL (C11 f.); auf die Kenntnis der Parteien von der Folgepflicht als Handelsbrauch kommt es dann nicht mehr an, Franz/Keune, VersR 2013, S. 12 (21).
C. Die Folgepflicht des Rückversicherers
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Ebenso definiert Kothris die Folgepflicht als ausdrückliche oder stillschweigende vertragliche Vereinbarung zwischen den Rückversicherungsvertragsparteien. 163 Steinrisser sieht in der Folgepflicht ein Gewohnheitsrecht, welches eine stillschweigende Vereinbarung der Parteien zur Folge habe.164 Instruktiv lässt sich dies an der englischen Rechtsprechung ablesen, die auch deshalb im anschließenden Kapitel dargestellt werden soll.165 In gleicher Weise muss dies für das zuvor benannte synonyme Geschäftsführungsrecht gelten.166 2. Die Folgepflicht als interpretierender Handelsbrauch für die Auslegung Mit Blick auf den Interessenwiderstreit der Folgepflicht stellt sich jedoch die Frage, ob auch ein interpretierender Handelsbrauch der Folgepflicht anzunehmen ist. Dieser hätte eine Vermutung zugunsten einer bestimmten Ausgestaltung der Folgepflicht zur Folge und schlösse eine weitere ergänzende Vertragsauslegung aus.167 Auch dies setzt eine tatsächliche Übung voraus. Regelmäßig beschränkt sich der Handelsbrauch aber im gesamten Handelsverkehr auf den Bedeutungskern des Handelsbrauchs, wodurch wesentliche Fragen offenbleiben können. 168 Die Folgepflicht der Rückversicherung zeichnet sich gerade durch die fortwährende Entwicklung von Vertragsklauseln und eine diese nachzeichnende Rechtsprechung aus, die auf Basis dieser Entwicklungen stetig neue Aspekte der Folgepflicht in den Vordergrund der Auslegung rückt.169 Indes, auch wenn die Einordnung der Folgepflicht als Handelsbrauch der von der wohl herrschenden Ansicht vertretenen dogmatischen Begründung entspricht,170 darf die Bedeutung des Handelsbrauchs für die Auslegung des Vertrages im engeren Sinn nicht überschätzt werden. Im deutschen Recht existiert jedenfalls keine lineare, sich lediglich konkretisierende Entwicklung der Folgepflicht. Vielmehr sind Ansichten und Klauseln zur Folgepflicht im deutschen Recht neben sich verändernden äußeren Umständen von alterierenden Adaptionen der englischen Rechtsprechung und nicht zuletzt von lediglich vereinzelten deutschen Urteilen geprägt.171 Dies gilt Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 37 f. Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 27. 165 Auch für das englische Recht gilt seit Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 die Folgepflicht auch ohne vertragliche Vereinbarung O’Neill/Woloniecki, The Law of Reinsurance, Rn. 5-011. 166 Statt vieler Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 525 m.w.N. und Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 195. 167 Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 13. 168 Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 13. 169 Siehe Kapitel 5 im Ganzen (S. 159 ff.). 170 Bruck/Möller/Echarti/Hu. Labes, VVG Bd. 11, § 209 Rn. 57; Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, 525; Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (17); Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 25. 171 Siehe insoweit abschließend S. 134 ff. 163 164
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
erst recht für eine vermeintlich bestehende internationale Rückversicherungspraxis.172 Auch wenn an dieser Stelle lediglich im Vorgriff auf die noch folgenden Ausführungen zu den Ansichten zur Folgepflicht verwiesen werden soll, ist jedenfalls eine gewisse Homogenität langjähriger Praxis nicht gegeben.173 Nichtsdestoweniger wird die englische Rechtsprechung, mitunter mit dem deutschen Recht vermengt, so dargestellt, als bestünde in der Frage der Grenzen der Folgepflicht eine einhellige Anschauung.174 Gegen die Einordnung als interpretierender Handelsbrauch spricht auch die noch verstärkte Internationalisierung der Rückversicherung mit der fortschreitenden technischen Entwicklung des Computerzeitalters, die zunehmend neue, nicht mit den traditionellen Regeln konformgehende Marktteilnehmer auf den Plan bringt. 175 Folge dieser Entwicklung sei Noussia zufolge auch, dass es Rückversicherungsbräuche wohl jedenfalls nicht mehr gebe.176 Als besondere Problematik der Einordnung der Folgepflicht als Handelsbrauch ergibt sich daher die Wandelbarkeit der Anschauungen betreffend die konkreten Aussagen des Handelsbrauchs.177 Festzustellen ist der Handelsbrauch grundsätzlich durch eine Tatsachenermittlung, in deren Rahmen insbesondere Gutachten der zuständigen Industrieund Handelskammern Gewicht zugesprochen wird.178 Diese haben in Form eines Merkblatts Auslegungshilfen für die Ermittlung von Handelsbräuchen erstellt179 – eingeschränkt sei angemerkt, dass die Rückversicherungsparteien die Industrie- und Handelskammern schon aufgrund der Verschlossenheit der Rückversicherungsbranche und der Praxis, vor Schiedsgerichten zu prozessieren, wohl nicht von der Branche in Anspruch genommen werden. Zudem ist der Handelsbrauch nicht im Sinne eines verlässlichen »Rechtssatzes« zu verstehen. Da es sich um ungeschriebenes Recht handelt, müssen daher Marktex-
172 Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 192 f. – bezugnehmend zustimmend aus der Perspektive des US-amerikanischen Rechts Hoffman, 33 Tort & Insurance Law Journal 1997, S. 1 (74, insb. Fn. 314). 173 Auch Heiss, Scandinavian Studies in Law 2018, S. 91 (98); So auch die Feststellungen der PRICL bspw. in Art. 2.4.3 PRICL (C1) und PRICL, Introduction, S. 4. 174 Siehe bspw. die Darstellung von Katschthaler, ZfV 2008, S. 710. 175 Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 13, die hierin in der Folge ein Phänomen »inwith-the-new-and-out-with-the-old« erkennt. 176 Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 13. 177 Siehe hierzu insb. die Darstellung der englischen Rechtsprechung in Kapitel 5 (S. 159 ff.). 178 BGH, DB 1956, S. 616 (617); BGH, NJW 1966, S. 502; Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 9; MüKo/K. Schmidt, HGB Bd. 5, § 346 Rn. 28. Indes kann das Gericht auch aus eigener Sachkunde entscheiden (§ 114 GVG). Siehe zur beschränkten Überprüfung der Feststellung eines Handelsbrauchs BGH, WM 1976, S. 292 (293); bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Roßbach, DJZ 1906, Sp. 1185. 179 BGH, NJW 1966, S. 502; MüKo/K. Schmidt, HGB Bd. 5, § 346 Rn. 175 ff.
C. Die Folgepflicht des Rückversicherers
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perten um Gutachten erfragt werden, die dann allerdings auch von deren persönlicher Einschätzung geprägt sind. Dabei wird es noch jeder Partei des Rückversicherungsvertrages gelingen, Sachverständige zu beauftragen, die einen Rückversicherungsbrauch für ihre Sache entwickeln. 180 Dies beweist eindrucksvoll ein Fall der englischen Rechtsprechung, in welchem sich beide Parteien auf einen exakt entgegengesetzten Rückversicherungsbrauch durch zwei gleichsam qualifizierte Experten beriefen.181 Auch in der US-amerikanischen Rechtsprechung kann in neuerer Zeit eine vermehrte Berufung auf Rückversicherungsbräuche festgestellt werden – allerdings ohne, dass hierin eine Begründung des angewandten Brauchs stattfände.182 Mit den praktizierten Folgepflichtklauseln ist daher davon auszugehen, dass die Folgepflicht auch ohne vertragliche Vereinbarung für den Rückversicherungsvertrag gilt. Die Grenzen der Folgepflicht jedoch müssen durch eine umfassende Auslegung nach allgemeinen Regeln (§§ 133, 157 BGB) bestimmt werden. Darüber hinaus kann der Handelsbrauch somit immer nur eines mehrerer Auslegungselemente darstellen und unterliegt ebenfalls allgemeinen Regeln der Auslegung.183 Er kann gerade nicht das Fehlen geschriebener Rechtsquellen für die Folgepflicht substituieren, und stellt keine normative Rechtsgeltungsquelle dar. In Bezug auf den Handelsbrauch wäre es daher verfehlt, von einer (abschließenden) »normativen Kraft des Faktischen« zu sprechen.184 3. Die Folgepflicht unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten Nach Gerathewohl habe sich die Bestimmung des Handelsbrauchs, in Erweiterung der allgemeinen Anforderungen an die Entstehung eines Handelsbrauchs, an den Zweckmäßigkeiten der Rückversicherung selbst zu orientieren: »Es geht vielmehr darum, aus dem Funktionszusammenhang zwischen Erst- und Rückversicherung ein Modell zu entwickeln, das als Maßstab für eine zweckmäßige, langfristige und für beide Vertragsparteien befriedigende ökonomische Ausgestaltung einer Rückversicherungsbeziehung dienen könnte.«185
Hierin ist indes keinesfalls eine Lösung der mit dem Handelsbrauch verbundenen Unsicherheiten zu sehen. Mit der reinen Ausrichtung an der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit für die Vertragsparteien verbleibt die Rückversicherung vielmehr in einem intransparenten Stadium. Auch ist der darin zum Ausdruck
180 So auch Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (528); im Weiteren zur Schlüssigkeit der Gutachten BGH, NJW 1966, S. 502 (503). 181 Highlands Insurance Co v. Continental Insurance Co [1987] 1 Lloyd’s Rep 109, beschrieben bei Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (528). 182 So zusammenfassend Hoffman, 33 Tort & Insurance Law Journal 1997, S. 1 (4). 183 Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 3. 184 Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 11. 185 Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (20).
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
kommenden Annahme, der Handelsbrauch in der Rückversicherung müsse geringere bzw. andere Bedingungen erfüllen, um als Handelsbrauch anerkannt werden zu können, zu widersprechen. Allerdings ist der Aussage Gerathewohls insofern zuzustimmen, als die Folgepflicht selbst als eine solche Zweckmäßigkeit anzusehen ist – wenn auch nicht mit der Folge der Annahme eines determinierenden interpretierenden Handelsbrauchs. Richtigerweise ist für die Folgepflicht daher nicht allein der bejahte, aber wenig deskriptive, ergänzende Handelsbrauch entscheidend. Auch die konkreten Ausprägungen der Folgepflichtklauseln sind als Verkehrsanschauung als Ausdruck einer Verkehrssitte (§ 157 BGB) Auslegungselement, wenn auch mit geringerem Gewicht als ein interpretierender Handelsbrauch.186 Darüber hinaus bleiben rechtliche Erwägungen aus allgemeinen gesetzlichen Aussagen bei Rückversicherungsverträgen »nicht völlig irrelevant«. 187 Die Folgepflicht muss sich vielmehr – und insofern sind die bei Gerathewohl genannten Zweckmäßigkeiten in der Tat entscheidungserheblich – aus einem Nebeneinander unterschiedlicher Wertungen ergeben, die erst in ihrer Gesamtheit ein Bild zeichnen, welches sowohl der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Rückversicherung als auch den Zweckmäßigkeiten der Rückversicherung für die Parteien gerecht wird. Umgekehrt bedeutete eine Nichtberücksichtigung dieser Zweckmäßigkeiten mit der Folge der Nichtgeltung der Folgepflicht eine untragbare Unsicherheit für die Haftung des Rückversicherers. Zustimmend stellen sich vor diesem Hintergrund die einen internationalen Konsens bildenden PRICL dar. Für den Ansatz der PRICL ist primär die langjährige Übung einer Form der Folgepflicht 188 entscheidend, sie sehen jedoch in Ermangelung einer homogenen Praxis die Notwendigkeit der Vorgabe einer default rule.189 Das im englischen Recht benannte Rechtskonstrukt des implied term spielt ebenso auf die rechtliche Bedeutsamkeit der Verkehrssitte an.190 III. Ergebnis und Folgen für die weitere Untersuchung Im Unterschied zur Bestimmung eines Handelsbrauchs sind die Hürden an die Verkehrssitte selbst jedoch nicht ähnlich hoch – und hierin liegt gerade der Grund dafür, dass ein Handelsbrauch einer Verkehrssitte vorgeht.191 Bereits der Handelsbrauch geht jedoch nicht den konkreten Vereinbarungen der VerCanaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 6. Looschelders, VersR 2012, S. 1 (1). 188 Zum Verhältnis von Folgepflicht und follow-the-settlements siehe S. 161 f. 189 Art. 2.4.3 PRICL (C11 f.) und PRICL, Introduction, S. 4. 190 Wovon der Handelsbrauch lediglich eine spezielle Ausprägung ist, Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 2. 191 Siehe bereits oben; grundlegend RGZ 53, S. 138 (140 ff.); Koller/Kindler/Roth/ Morck/Roth, HGB § 346 Rn. 2. 186 187
D. Der Umfang der Haftung des Rückversicherers
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tragsparteien vor – ebenso kann daher auch eine Verkehrssitte lediglich substitutiver Erklärungsansatz sein; beispielsweise in dem hypothetischen Fall einer Vereinbarung, die die Folgepflicht explizit beschreibt. Letztlich hat die Einordnung als Verkehrssitte somit die weitere Konsequenz, dass neben ihr andere Spielarten der Auslegung koexistieren können. Neben der Rückversicherungspraxis und den Interessen sowie dem (mutmaßlichen) Willen der Rückversicherungsvertragsparteien, sind dies auch gesetzliche192 Vorgaben und Wertungen, welche aus allgemeinen vertragsrechtlichen, versicherungsvertragsrechtlichen und vergleichenden Grundsätzen gewonnen werden können.193
D. Der Umfang der Haftung des Rückversicherers »Reinsurance wordings were made up […] of paragraphs culled from several precedents and strung together without any accurate estimate of their relative consistency.«*
Die Folgepflicht des Rückversicherers muss für diese Untersuchung einen Zuschnitt erfahren, welcher bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit angesprochen wurde. Denn der Begriff »Umfang der Haftung des Rückversicherers« gibt nur bedingt den Fokus dieser Untersuchung wieder. Unterschieden wird daher in einem ersten Schritt in einen sachlichen, einen geographischen und einen quantitativen Umfang der Haftung des Rückversicherers; und im Rahmen des quantitativen Umfangs in Schicksalsteilungs- und Folgepflicht.194 Der geographische Umfang betrifft meist eine staatenspezifische Angabe und soll Kumulrisiken vermeiden,195 bleibt für diese Untersuchung allerdings außer Betracht. I.
Quantitativ: Abgrenzung der Folgepflicht zur Schicksalsteilungspflicht
Hingegen ist die quantitative Unterscheidung in Schicksalsteilungs- und Folgepflicht essentiell. Die Folgepflicht und ihre fremdsprachlichen Entsprechungen werden grundsätzlich als Synonym für die Haftung des Rückversicherers verwendet.196 Im deutschen Recht hingegen kann die Haftung des Rückversicherers in die Folgepflicht und die Schicksalsteilungspflicht unterschieden 192 Zum Verhältnis von Handelsbrauch und objektivem Recht siehe zusammenfassend Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 34 m.w.N. 193 In Anlehnung hieran die Aufteilung in den Kapiteln 5 bis 8; der letztgenannte Punkt gesetzlicher Vorgaben und Wertungen wird in Kapitel 6 ausführlich behandelt (S. 211 ff.). * Eve J in Law Guarantee Trust & Accident Society v. Munich Reinsurance Co [1915] 31 TLR 572, sinngemäß zitiert nach Heiss, Scandinavian Studies in Law 2018, S. 91 (93 f.). 194 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 743 ff. 195 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 766. 196 Vgl. Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 115 f.
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
werden. 197 Diese Differenzierung hat nicht etwa eine Erweiterung des Leistungsspektrums des Rückversicherers zur Folge, sondern ist lediglich eine Frage der Bezeichnung, die im Rahmen der Frage nach den Grenzen der Folgepflicht vorgeschaltet Beachtung finden muss. Die Schicksalsteilungspflicht198 des Rückversicherers wird gern als oberste Prämisse der Rückversicherung verstanden. Das Konzept selbst entstammt einer wörtlichen Entlehnung der Klausel suivre la fortune in Rückversicherungsverträgen des 19. Jahrhunderts.199 Nach verbreitetem Verständnis betrifft die Schicksalsteilungspflicht die Übernahme des Assekuranzschicksals200, also das versicherungstechnische Risiko wie im Erstversicherungsvertrag sowie das sog. Vertragsrisiko. 201 Das versicherungstechnische ist das Risiko, welches der Erstversicherer genuin durch den Erstversicherungsvertrag übernommen hat.202 Differenziert werden kann zudem in ein objektives, d.h. Umstände, die von dem Willen des Versicherungsnehmers unabhängig sind, und ein subjektives Risiko, d.h. Umstände, die durch den Versicherungsnehmer beeinflussbar sind. 203 Sie stehen daher zwar in Abhängigkeit des Willens des Versicherungsnehmers, sind jedoch grundsätzlich dem Einfluss des Erstversicherers entzogen. Hierunter fallen Veränderungen der Rechtslage, des versicherten Gegenstands, Gefahrerhöhungen, die Höhe des tatsächlichen Schadens, aber insbesondere auch gerichtliche Urteile (bzw. Schiedssprüche)204. Ein weiterer Fall der Schicksalsteilung sei das Vertragsrisiko, welches darin bestehe, dass der Erstversicherer aus dem Vertrag erfolgreich in Anspruch genommen werde, ohne dass nach den tatsächlichen Umständen ein Anspruch besteht, so beispielsweise bei unentdeckter vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls, die nach § 81 VVG zum Ausschluss der Leistungspflicht des Erstversicherers führen würde.205 In erster Linie geht es daher um die Ab-
Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 68. Zur Tauglichkeit des Begriffs trotz anderweitiger Bestrebungen: Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (20 f.). 199 Hoffman, 28 Tort & Insurance Law Journal 1993, S. 659 (664). 200 Vgl. auch Ehrenberg, Rückversicherungsrecht, S. 31; Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 516 m.w.N.; Steinmann, Der Rückversicherungsvertrag im Konkurs des Erstversicherers, S. 50. 201 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 787 und in Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (19). 202 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 516. 203 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 516. 204 Zur Sonderstellung des Urteils sogleich S. 98 f. 205 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 516. 197 198
D. Der Umfang der Haftung des Rückversicherers
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sicherung von durch den Erstversicherer nicht beeinflussbare Risiken, d.h. solchen Risiken, welche außerhalb der Willenssphäre des Erstversicherers liegen.206 Demgegenüber umfasse der Rückversicherungsschutz grundsätzlich nicht das kaufmännisch-unternehmerische Schicksal (bzw. das Unternehmerrisiko), d.h. insbesondere die Gefahr nicht gezahlter Prämien des Versicherungsnehmers.207 Allgemein lässt sich Versicherungstechnik als Verfahren des Risikogeschäfts zum kollektiven Risikoausgleich beschreiben. 208 Farny beschreibt das versicherungstechnische Risiko als die »möglichen Abweichungen des kollektiven Effektivwerts des Gesamtschadens vom kollektiven Erwartungswert des Gesamtschadens«.209 Der Begriff des Gesamtschadens ist in der Hinsicht absolut, dass er nicht an eine rechtliche Leistungspflicht des Versicherers geknüpft ist. Entsprechend ergibt sich aus der Bezugnahme des Begriffs des versicherungstechnischen Risikos nur in Abgrenzung zu nicht umfassten »reinen« Unternehmensrisiken eine Einschränkung der Haftung des Rückversicherers. Die Folgepflicht hingegen meint die Bindung des Rückversicherers an die Entscheidungen des Erstversicherers im Hinblick auf sein Geschäftsführungsrechts und betrifft in Abgrenzung zur Schicksalsteilungspflicht die dem Einfluss des Erstversicherers unterliegende gesamte Gestaltung des Erstversicherungsvertrages. 210 Probleme kann die Abgrenzung zwischen Schicksalsteilungspflicht und Folgepflicht im Einzelnen bereiten.211 Eine erste Trennlinie verläuft nach diesen Umschreibungen an der Grenze von fremdbestimmtem zu eigenbestimmten Änderungen des Erstversicherungsverhältnisses. Wohingegen fremdbestimmte, d.h. sich gleichsam automatisch aus dem Originalrisiko ergebende,212 Änderungen die Schicksalsteilungspflicht auslösen, haben eigenbestimmte (grundsätzlich) die Folgepflicht zur Folge.213
206 Bruck/Möller/Echarti/Hu. Labes, VVG Bd. 11, § 209 Rn. 57 und Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (715). 207 So schon BGH, VersR 1957, S. 213; Bruck/Möller/Echarti/Hu. Labes, VVG Bd. 11, § 209 Rn. 59; Ehrenberg, Rückversicherungsrecht, S. 31 f.; Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 47. 208 Halm/Engelbrecht/Krahe/Wandt, FA-Handbuch, 1. Kap. Rn. 122 ff. 209 Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 79. 210 Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 116; Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 525, 789 – Fallkonstellationen zur Abgrenzung zwischen Schicksalsteilungs- und Folgepflicht dort S. 790 ff. (auch S. 526 ff.); Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 16 f., 24. 211 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 516 und Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (715). 212 So die Beschreibung bei Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 515 m.w.N. 213 So im Ergebnis – allerdings nicht unter Verwendung der hier gewählten Begriffe – Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6) und Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 34; anerkennend auch Art. 2.4.3 PRICL (C2 und auch C6).
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
Es handelt sich hierbei jedoch nicht nur um eine begriffliche Unterscheidung. Denn im Gegensatz zur Folgepflicht hat die Schicksalsteilungspflicht keine weiteren Voraussetzungen. Dies erklärt sich schon aus der Nichtbeeinflussbarkeit durch den Erstversicherer.214 Für die Haftung des Rückversicherers bedeutet dies eine Beteiligung ohne Vorbehalte. Die Unterscheidung ist daher nicht nur in dogmatischer Hinsicht relevant, sondern von wesentlicher Bedeutung für die Haftung des Rückversicherers.215 Auch wenn im Folgenden die Folgepflicht Gegenstand der Analyse ist, beziehen sich die dargestellten Meinungsstände jedoch nicht zwangsläufig nur auf die hier als Folgepflicht beschriebene Verpflichtung des Rückversicherers. Vielmehr werden die Begriffe Folgepflicht und Schicksalsteilungspflicht von verschiedenen Autoren oftmals synonym verwendet.216 Dies betrifft im Besonderen den englischsprachigen Rechtsraum und erschwert die mitunter vorbehaltlos geübte Übertragung der dortigen Wertungen zusätzlich. Die Internationalität von Rückversicherungsverträgen217 bedingt eine Dominanz des Englischen als Verhandlungs- und Vertragssprache. Auch in der englischen Sprache ist der Begriff follow-the-fortunes zur Bezeichnung der Schicksalsteilungspflicht bekannt und wurde zunächst als Alternative oder als Ergänzung zur Folgepflicht genutzt. Aus dieser doppeldeutigen Verwendung ergibt sich zuweilen eine unterschiedliche Wahrnehmung der Folgepflicht- und Schicksalsteilungspflicht und ihrem Verhältnis zueinander. Das US-amerikanische Recht unterschied zwar zwischen follow-the-settlements und follow-thefortunes,218 diese Differenzierung wurde dort jedoch inzwischen aufgegeben219 – und im englischen Recht nur am Rande thematisiert.220 Eine Unterscheidung, wie sie dem deutschen und kontinentaleuropäischen221 Verständnis entspricht, 214 Auch Looschelders (VersR 2012, S. 1 [6]) mit dem Unterschied, dass es hier auf ein Verschulden des Erstversicherers (wie er es als Voraussetzung für die Folgepflicht vertritt) gerade nicht ankommen kann; instruktiv auch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 528. 215 So schon Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 527 f. 216 Vgl. den angloamerikanischen Rechtsraum sowie die kongruenten Forderungen für das deutsche Recht, bspw. Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (715). 217 Looschelders, VersR 2012, S. 1 (7). 218 Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 54; allerdings zur Tauglichkeit der Unterscheidung auch im US-amerikanischen Recht North River Insurance Co v. Employers Reinsurance Corp, 197 f. Supp. 2d 972 (Southern District of Ohio 2002). 219 Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 29.79; siehe aber noch North River Insurance Co v. Employers Reinsurance Corp, 197 f. Supp. 2d 972 (Southern District of Ohio 2002), S. 978. 220 Siehe Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.48; Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (18); Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 55; siehe zur Problematik der Schicksalsteilungsklausel im Rahmen der englischen Rechtsprechung Hayter v. Nelson & Home Insurance Co [1990] 2 Lloyd’s Rep 265; ausführlich zur US-amerikanischen Terminologie Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.104 ff. 221 Prölss, ZVersWiss 1966, S. 511 (572).
D. Der Umfang der Haftung des Rückversicherers
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wird im anglo-amerikanischen Raum daher meist nicht vorgenommen.222 Begriffe wie follow-the-settlements223 und – seltener – follow-the-actions wären im deutschen Recht als Folgepflicht im engeren Sinn zu verstehen. Die PRICL (als internationaler Konsens) hingegen verwenden beide Begrifflichkeiten als dem deutschen Verständnis vergleichbares Begriffspaar mit voneinander zu unterscheidendem Aussagegehalt – und Unterschieden im Hinblick auf die an die jeweilige Pflicht gestellten Voraussetzungen. 224 Diese zur Veranschaulichung übernommene begriffliche Unterscheidung schließt jedoch – so viel vorab – nicht aus, dass die Folgepflicht ähnlich weit wie die Schicksalsteilungspflicht verstanden werden muss. II. Sachlich: Risikobeschreibung des Rückversicherungsvertrages Diese Ebene der Haftung des Rückversicherers kann darüber hinaus von einer sachlichen Ebene unterschieden werden.225 In sachlicher Hinsicht ist es die Risikobeschreibung des Rückversicherungsvertrages, die vorgibt, welche Risiken bzw. Schäden der Vertrag abdeckt. Dieser Zuschnitt des Rückversicherungsvertrages ist Bedingung für eine Haftung des Rückversicherers. Denn auch die Leistungspflicht des Erstversicherers kann nur soweit reichen, wie es die Risikobeschreibung des Erstversicherungsvertrages vorgibt. Diese Voraussetzung der Haftung des Rückversicherers ergibt sich aus der Priorität der parteiautonomen Abrede. Problematisch kann sich dies im Fall der Rückversicherung auswirken, wenn der Rückversicherungsvertrag selbst keine Risikobeschreibung enthält, sondern schlicht auf die durch den Erstversicherungsvertrag gedeckten Risiken bzw. Schäden verweist. Entsprechende Klauseln in Rückversicherungsverträgen verweisen beispielsweise lediglich auf die »rückversicherten Gefahren« und werden vor dem Hintergrund der insoweit gegebenen Identität von Erst-
222 Für das US-amerikanische Recht Wollan, Handbook of Reinsurance Law, § 4.03; siehe schon Cockerell, Witherby’s Dictionary on Insurance, Stichwort: Follow the fortunes, S. 129: »A clause in a reinsurance treaty whereby the reinsurer undertakes to follow the fortunes of the insurer. Thus, if the insurer settles a claim ex gratia, the reinsurer may be expected not to deny liability for his share in the settlement«. 223 Im Einzelnen zu dem mehrdeutigen Begriff settlement S. 161 f. 224 So bereits der Wortlaut von Art. 2.4.3 PRICL. 225 Siehe die einführende Unterscheidung bei Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 743.
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
und Rückversicherungsvertrag als back-to-back226 bezeichnet.227 In diesen Fällen ist es die Regel, dass »der Rückversicherer von vornherein gar nicht [weiß], welche Arten von Risiken und Schäden unter einen Rückversicherungsvertrag fallen können«.228 Der hierdurch intendierte Gleichlauf von Erst- und Rückversicherung hat insbesondere in der englischen Rechtsprechung zu einer Fülle an Urteilen geführt. Die besondere Brisanz dieser Verweisung ergibt sich aus der Frage, ob der Rückversicherer hierdurch die Möglichkeit erhalten soll, die Bewertung des Erstversicherers in Bezug auf die Deckung eines bestimmten Risikos einer eigenen Prüfung zu unterziehen, oder, ob er auch in dieser Hinsicht an die Entscheidungen des Erstversicherers gebunden sein soll.229 In der deutschen Literatur wird diese Vorfrage der Rückversicherungsdeckung nicht trennscharf von den eigentlichen Voraussetzungen der Folgepflicht des Rückversicherers unterschieden. Dies führt auch zu dem Missstand, dass einzelne Aussagen der englischen Rechtsprechung zur Frage der Back-toback-Deckung in einem konkreten Fall verallgemeinert für das deutsche Recht übernommen werden.230 Abgesehen davon, dass bereits die Verallgemeinerung auf einem fragwürdigen Fundament steht, ist die Frage danach, wie sich die Verweisung auf die Haftung des Rückversicherers auswirkt, auch im englischen Recht umstritten. Gleichsam vorgeschaltet muss daher auch die Lösung dieses Konflikts auf Basis einer Analyse der englischen Rechtsprechung Gegenstand der Untersuchung sein.231 III. Der Erstversicherungsfall als besondere Problematik für die Folgepflicht Zudem soll gerade nicht in Anlehnung an den »Umfang der Haftung« der »Umfang der Folgepflicht« im Ganzen untersucht werden.232 Dieser Terminus verkörpert vielmehr einen Oberbegriff, der neben der Regulierung insbesondere auch die Gestaltung des Erstversicherungsvertrages beschreibt. Steinrisser formuliert, die Folgepflicht sei 226 Erstversicherer und Rückversicherer stehen metaphorisch Rücken an Rücken, da hierdurch eine Lücke in der Deckung vermieden werden soll. Siehe zu den Auswirkungen dieses Verweises für die Folgepflicht die hierzu stellungnehmenden Urteilsbegründungen unten auf S. 205 ff.; die Frage des anwendbaren Rechts hat in diesem Zusammenhang bereits zu Streitigkeiten geführt, siehe insb. Lexington Insurance Co v. Wasa International Insurance Co Ltd [2009] UKHL 40. 227 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 743 f.; Lüer/Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 10; sie gelten als üblich, bspw. Triebel, in Liber amicorum Winter, S. 619 (624). 228 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 743. 229 Hierzu im Detail unten S. 205 ff. 230 Vgl. Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (711). 231 Zur Stellungnahme betreffend das englische Recht für das deutsche Recht S. 205 ff. 232 Bereits Ehrenberg nimmt an, dass die einzelnen Stadien der Geschäftsführung gesondert betrachtet werden müssen (Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 29).
E. Gleichlauf der Regulierungsarten auch in der Rückversicherung
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»eine vertragliche Vereinbarung zwischen Erst- und Rückversicherer, kraft welcher der Rückversicherer sich verpflichtet, die ohne seine Mitwirkung bei Abschluss, nachträglicher Veränderung oder bei Eintritt des Versicherungsfalls durch den Willen des Erstversicherers begründeten Rechte und Pflichten eines unter Rückversicherung fallenden Erstversicherungsvertrages als auch für sich verbindlich anzuerkennen«233 [Herv. d. Verf.].
Die Problematik der Regulierung, die sich in der Fokussierung von Rechtsprechung und Literatur für die Folgepflicht ausdrückt, 234 soll auch begrifflich durch das bewusste Absehen von der Verwendung des Begriffs »Umfang der Folgepflicht« verdeutlicht werden. Dieser würde sich auf alle Geschäftsführungsentscheidungen des Erstversicherers beziehen. Die wichtigste Teilmenge dieses Bereichs – die aus Anlass des Versicherungsfalls getroffenen Geschäftsführungsentscheidungen des Erstversicherers – beschreibt die »Folgepflicht im engeren Sinn«. Dies bedeutet indes nicht, dass die Untersuchung auf die Folgepflicht im engeren Sinn beschränkt bleibt, betont allerdings den Fokus, welcher auf die Regulierung gelegt wird. An dieser Stelle soll mit Ehrenberg allerdings das Folgende festgehalten werden: Die Begrenzung der Geschäftsführung, die aus Anlass des Eintritts des Versicherungsfalls erfolgt, ist – da im Zweifel am problematischsten – als Mindestreichweite der Folgepflicht im weiteren Sinn aufzufassen.235 Gleichsam wird mit der Bestimmung der Folgepflicht aus Anlass des Versicherungsfalls eine Aussage für die Folgepflicht im Gesamten getroffen.
E. Gleichlauf der Regulierungsarten auch in der Rückversicherung »Ne supra crepidam sutor.«*
I.
Schematische Darstellung der Perspektive
Mit der Klärung der für diese Untersuchung verwendeten Begrifflichkeiten und deren Abgrenzung ist ein bereits durch die vorgeschaltete Darstellung der Regulierung des Erstversicherers eingeleiteter Perspektivwechsel in der Folgepflichtdogmatik zu einem für die weitere Untersuchung und deren Struktur essentiellen Zwischenergebnis gelangt. Hiermit wird nicht etwa die bisher übliche, an den Risikoarten des Erstversicherers orientierte und im deutschen Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 24. So auch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 521; Isenbart, VW 11/2015, S. 44 und Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 45. 235 Ehrenberg, Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 37. * Plinius der Ältere, Naturalis historia 35, 85: »Der Schuster (urteile) nicht über die Sandale hinaus« bzw. »Schuster bleib‘ bei deinen Leisten« [Übersetzung d. Verf.]; abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 221. 233 234
98
Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
Recht etablierte Differenzierung in Schicksalsteilungs- und Folgepflicht aufgegeben, sondern zunächst im Grundsatz bestätigt. a) Einfluss Erstversicherer
Eigenbestimmt
Fremdbestimmt
b) Anlass der Änderung
Unabhängig von Versicherungsfall (Vertragsgestaltung, Vertragsänderung)
Aus Anlass des Eintritts des Versicherungsfalls (Regulierung)
Kein zeitliches Moment (tatsächliche und rechtliche Veränderungen)
Konsequenz
Folgepflicht im weiteren Sinn (Umfang)
Folgepflicht im engeren Sinn
Schicksalsteilung: unbedingte Bindung
Ohne dass dies dem eben dargestellten Schema widerspricht, ist indes auch die folgende Darstellung zutreffend. Sie spiegelt die in Kapitel 2 vermittelte Perspektive wider und nimmt die von Teilen der Literatur als Differenzierungsmerkmal verwendeten Regulierungsarten in den Blick: Regulierungsart
Urteil (bzw. Schiedsspruch)
Vergleich (gerichtlich und außergerichtlich)
Einfache Regulierung (insb. Kulanz im engeren Sinn)
Pauschale Regulierung (insb. Globalvergleich)
Konsequenz
Schicksalsteilung
Folgepflicht im engeren Sinn; Grenzen strittig
II. Die Eigenart des Urteils als Regulierungsart Aus dieser zusammenfassenden Darstellung wird insbesondere die Eigenart des Urteils (bzw. des Schiedsspruchs) deutlich. Dieses soll der Schicksalsteilungspflicht unterfallen, da hier von staatlicher Seite – ähnlich einer ebenso bindenden Gesetzesänderung – eingegriffen wird und die Gerichtsentscheidung abstrakt gerade nicht im Einflussbereich des Erstversicherers liegt. 236 Einschränkend sei angemerkt, dass der Erstversicherer in einem gerichtlichen Verfahren ebenfalls zum Nachteil des Rückversicherers handeln könnte, indem er erfolgsversprechende Verteidigungsmaßnahmen unterlässt (oder beispielsweise ein Versäumnisurteil gegen sich erwirken lässt).237 Insofern ergibt sich 236 So die h.M. für die Folgepflicht, zusammengefasst von Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 516; zur unbedingten Haftung des Rückversicherers im Fall eines Urteils bzw. Schiedsspruchs bereits Cruciger, Die Praxis der Rückversicherung, S. 124. 237 Hierauf weist zu Recht Katschthaler hin, ZfV 2008, S. 710 (715). Er stellt daher auch die Unterteilung in Schicksalsteilungs- und Folgepflicht infrage; ebenso Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 45.
E. Gleichlauf der Regulierungsarten auch in der Rückversicherung
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eine dem zivilgerichtlichen Verfahren inhärente Möglichkeit der Beeinflussung durch die Vertragsparteien.238 Obschon im Ergebnis der Richter entscheidet und das Urteil daher eine fremdbestimmte Veränderung im Erstversicherungsverhältnis darstellt, wohnt auch ihm somit eine Missbrauchsgefahr inne, durch welche die Sonderstellung des Urteils in Frage gestellt werden kann. Im Regelfall wird den Erstversicherer seine eigene Regulierungsentscheidung zu der gerichtlichen Entscheidung getragen haben, auch wenn das Urteil selbst nicht seinem Willen entspricht. Dies kann jedoch nicht zur Folge haben, dass dem Urteil für die Haftung des Rückversicherers seine unbedingte Bedeutung abgesprochen wird. Hierin kommt eine allgemeine Ansicht über das Urteil zum Ausdruck. Schon Windscheid beschreibt es als die »unverrückbare Basis der rechtlichen Stellung der Partheien zu einander«.239 Die Regulierung bleibt hier daher jedenfalls in der Sache dem Gericht überlassen und ist gerade nicht durch den Erstversicherer bestimmt. 240 Die Sonderstellung des Urteils ist mithin nicht aufgrund von dadurch gesetzten Fehlanreizen abzulehnen, sondern vielmehr – für die Zwecke der Rückversicherung – als näherungsweiser Ausdruck rechtlich-materieller Wahrheit aufrechtzuerhalten. Ergänzend hierzu ließe sich aufgrund der unbedingten Bindung des Rückversicherers an das Urteil im Rahmen seiner Schicksalsteilung die Vermutung aufstellen, der Erstversicherer könnte geneigt sein, es auf ein Urteil (bzw. einen Schiedsspruch) ankommen lassen zu wollen.241 Schließlich träfen den rückversicherten Erstversicherer die mit einem für seine Leistungspflicht verbundenen rechtlichen Nachteile aufgrund seiner Rückversicherungsdeckung nicht wirtschaftlich. Einschränkend muss jedoch hinzugefügt werden, dass dies schon aufgrund des Selbstbehalts,242 im Weiteren jedoch auch aufgrund der mit einem Urteil in generalreaktiver Sicht verbundenen Nachteile für die Regulierung in anderen Versicherungsfällen243 wohl keine ausreichende Motivation für den Erstversicherer darstellt.
Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 45. Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts, S. 224. 240 Zu der schwierigen Abgrenzung in der Regulierung zwischen Folge- und Schicksalsteilungspflicht auch Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 23. 241 Vgl. sogar für das US-amerikanische Recht, welches insoweit als weniger einschneidend zu werten ist, Amer, Reinsurance Mass Tort Settlements, S. 2 f. mit Verweis auf North River Insurance Co v. CIGNA Reinsurance Co, 52 f.3d 1194 (3rd Cir. 1995), S. 1206: »Cedents faced with de novo review of their claims determinations would ultimately litigate every coverage issue before making any attempt at settlement«. 242 Ausführlich auf S. 319 ff. 243 Siehe hierzu insb. S. 42 f. 238 239
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
III. Gleichlauf der Regulierungsarten Wenn die unbedingte Haftung des Rückversicherers für das Urteil feststeht, muss gefragt werden, ob nicht diese Herangehensweise auch für die übrigen Regulierungsarten Geltung beansprucht. Dies wiederum macht einen Vergleich der Regulierungsarten mit dem Urteil vor dem Hintergrund der Rückversicherung notwendig. Im Fall eines Urteils entscheidet der Richter abschließend über die Regulierung. Auch soll das Urteil nicht im Rahmen der Rückversicherungsdeckung erneut aufgerollt werden. Gegen eine solche Neuauflage des Rechtsstreits sprechen zwar keine zivilprozessualen Gründe (siehe die Relativität der materiellen Rechtskraft des Urteils, §§ 322 bis 327 ZPO) 244 . Nichtsdestoweniger ließe sich allerdings argumentieren, dass es sich im Fall von Urteilen weniger um eine eigenbestimmte Regulierung handelt, sondern von staatlicher Seite aus entschieden wurde. Selbiges muss in Anlehnung an § 1055 ZPO, der die Wirkungen des Schiedsspruchs denen eines rechtskräftigen, gerichtlichen Urteils gleichstellt, für Schiedssprüche vorgebracht werden. Im Fall eines Vergleichs steht demgegenüber die Einigung der Vertragsparteien im Vordergrund, wie sie indes auch und gerade im Fall des Abschlusses des Versicherungsvertrages zu einem Folgeleisten des Rückversicherers führt. Eine solche Nähe spiegelt sich auch in den Beschreibungen der Folgepflicht verschiedener Autoren wider, welche dem (gerichtlichen) Vergleich eine unbedingte Folgepflicht gegenüberstellen, da hierin immer auch eine sachgerechte Abwicklung zu sehen sei.245 Im Fall eines Vergleichs soll dem Erstversicherer, wie im Fall eines Urteils oder Schiedsspruchs, gerade kein Vorwurf zu machen sein, weshalb sie die Bindung des Rückversicherers nach sich zögen.246 244 So bereits ausdrücklich für die Rückversicherung Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (178). Eine ausnahmsweise Drittwirkung ist für die Sonderkonstellation der Rückversicherung auch nach allgemeinen Grundsätzen nicht anzunehmen – siehe die insoweit abschließenden Vorgaben des § 325 ZPO; hierzu Prütting/Gehrlein/Völzmann-Stickelbrock, ZPO, § 325 ZPO Rn. 2. 245 So auszugsweise Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 805 m.w.N.; Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 308; Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 87; Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 44. 246 So Ehrenberg, Rückversicherung, S. 118 mit der weichen Begründung, dass der Vergleich auch dem Rückversicherer zu Gute komme; mit Schwerpunkt auf der Zustimmung durch den Rückversicherer und unter Negierung der Geltung eines vorteilhaften Vergleichs zugunsten des Rückversicherers noch § 2021 Teil 2 ALR 1794: »Eben so wenig ändert sich das Verhältniß des ersten Versicherers gegen seinen Rückversicherer, wenn jener, ohne Genehmigung des letztern, sich mit seinem Versicherten über das bey entstandenem Unglücksfalle zu vergütende Quantum vergleicht«; abgedruckt in Hattenhauer, ALR 1794, S. 525; vgl. auch Ehrenberg, Rückversicherung, S. 118 f. und Fn. 158, der davon ausgeht, dass dem Gesetzgeber des ALR 1794 die Bedeutung des Rückversicherungswesens noch nicht derart
E. Gleichlauf der Regulierungsarten auch in der Rückversicherung
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Folgte man dieser Ansicht, läge auch die Gleichstellung mit einem außergerichtlichen Vergleich nahe. Zwar könnte für den gerichtlichen Vergleich in der gerichtsseitigen Moderation eine Nähe zum Urteil und ein Unterscheidungsmerkmal zum außergerichtlichen Vergleich zu sehen sein. Als taugliches Unterscheidungskriterium kann dieser Einwand aber nicht herangezogen werden. Auch im Fall eines außergerichtlichen Vergleichs handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen den Parteien, durch die der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (§ 779 BGB).247 Muss hieraus also geschlossen werden, dass auch jeder Vergleich eine unbedingte Folgepflicht nach sich zieht und einem Urteil in der Bindungswirkung für den Rückversicherer im Ergebnis gleichsteht? Nimmt man diese Hypothese zur Grundlage, wäre auch die unbedingte Folgepflicht im Fall eines Globalvergleichs248 naheliegend. Hier besteht meist in tatsächlicher Hinsicht die Schwierigkeit des Schadensnachweises bzw. dessen Zuordnung. Und für die Rückversicherung kann es keinen Unterschied machen, ob Erstversicherer pauschal mit den Versicherungsnehmern Vergleiche schließen, um dieser Unsicherheit zu begegnen, oder individuelle Vergleiche mit den jeweiligen Versicherungsnehmern schließen. Die einfache Regulierung (und mit ihr die Kulanzzahlungen) wird regelmäßig weitaus kritischer249 gesehen als der Vergleich mit der Folge, dass die Folgepflicht jedenfalls hier von höheren Voraussetzungen abhängig gemacht werden müsste. Auch bei der Geschäftsführung, die nicht aus Anlass eines Versicherungsfalls erfolgt, gibt es geschäftspolitische Entscheidungen. Diese werden allerdings meist nicht durch den Rückversicherer kritisiert. Festgestellt wurde bereits, dass die kommerzielle Erwägung nicht als sachfremd zu erachten ist250 und, dass sowohl dem gerichtlichen als auch dem außergerichtlichen Vergleich qua definitionem ein Moment des Entgegenkommens des Erstversicherers innewohnt. Die Qualifizierung einer Regulierung als Kulanzzahlung ist zudem faktisch kaum durchführbar251 und hat bereits dazu geführt, dass der Untersuchung der Begriff der entgegenkommenden Regulierung zugrunde liegt. Mit Blick auf den vermeintlichen Gleichlauf von Urteil und Vergleich muss daher auch gefragt werden, ob somit selbst die einfache Regulierung eine unbedingte Folgepflicht auslösen müsste. Der Aussage, alle Regulierungsarten zögen eine unbedingte Folgepflicht nach sich, ist nicht bereits vor dem Hintergrund dieser vergleichenden Argumentationskette beizupflichten, sondern erfordert eine vertiefte Abwägung bewusst war, weshalb die dortige Aussage betreffend die Bindungswirkung von Vergleichen keine Geltung beanspruchen solle. 247 Ausführlich hierzu oben S. 30 f. 248 Siehe oben S. 34 ff. 249 Sogleich in Kapitel 4 (S. 103 ff.). 250 Siehe oben S. 40 f.; auch Raiser, VersR 1967, S. 312 (316). 251 Langheid/Wandt/Wandt, VVG Bd. 2, § 163 Rn. 24.
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Kap. 3: Die Haftung des Rückversicherers – zur Folgepflicht
verschiedenster Wertungen. Ausgangsthese für die weitere Untersuchung ist hiermit aber nicht nur für die Erstversicherung der Gleichlauf der Regulierungsarten. Auch für die Grenzen der rückversicherungsrechtlichen Folgepflicht kann – abgesehen von dem der Schicksalsteilungspflicht unterfallenden Urteil – nur ein Gleichlauf der Regulierungsarten zu einem tauglichen Ergebnis führen. Von dieser grundlegenden Überlegung geht beispielsweise auch Pfeiffer aus, wenn er annimmt, Prozessvergleiche und »Rabatte« seien wie Kulanzentschädigungen zu behandeln.252 Diese Untersuchung verfolgt somit einen einheitlichen Ansatz zu den Grenzen der Folgepflicht, d.h. zur Auflösung der tension of reinsurance.
252
So auch die Überlegungen von Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 25.
Kapitel 4
Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance A. Prämissen der Entwicklung der Folgepflichtdogmatik »Roma locuta, causa finita?«*
Das Fehlen von geschriebenen Rechtsquellen der Rückversicherung fördert das Aufkommen verschiedener Ansichten zur Folgepflicht als wohl bedeutendstes Wesensmerkmal der Rückversicherung.1 Alle hier als Lösungen bezeichneten Ansätze gewichten die Interessen von Erst- und Rückversicherer, die sich in der tension of reinsurance2 gegenüberstehen, auf Basis verschiedener methodischer Ansätze unterschiedlich. Berücksichtigt werden muss, dass der Erstversicherer in seiner Geschäftsführung möglichst frei sein sowie ohne erneute Prüfung durch den Rückversicherer regulieren möchte. Zum anderen möchte der Rückversicherer nicht der reinen Willkür des Erstversicherers im Rahmen seiner Regulierung ausgesetzt sein und mit einer engen Folgepflicht dem Missbrauchspotential für die Rückversicherungsdeckung begegnen können. Die darzustellenden Ansichten beziehen sich grundsätzlich auf die Folgepflicht im weiteren Sinn. Jedoch wird auch an ihnen deutlich werden, dass die eigentliche Problematik von der Regulierung des Erstversicherers ausgeht. Hingegen wird in Vertragsänderungen als Bestandteil des Rechtsprodukts »Versicherung« regelmäßig und nachvollziehbar selten Grund zur Beunruhigung für den Rückversicherer bestehen. Entsprechend beziehen sich die Ausführungen einzelner Autoren explizit oder auch nur implizit lediglich auf die Regulierung. Und auch die Gerichte beschäftigte die Folgepflicht lediglich im Hinblick auf die Regulierung. Dies hindert nicht die gesammelte Darstellung aller zur Folgepflicht vertretenen Ansichten, führt aber dazu, dass der Fokus auch in der Auseinandersetzung mit den Ansichten auf der Regulierung liegt.
* Augustinus, Sermones 131, 10; hier im Sinne von: »Die rechtswissenschaftliche Literatur hat entschieden, der Fall ist beendet?« [Übersetzung d. Verf.]; abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 326. 1 Vgl. schon die Beobachtung von Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 1. 2 Lord Mustill in Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1251 f.); aufgegriffen von Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 29.3.
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
Die vertretenen Ansichten orientieren sich fast ausnahmslos an der Methodik, ausgehend von einer unbedingten Folgepflicht des Rückversicherers Einschränkungen dieser Bindung zu formulieren. Der Unterschied zwischen den Ansichten liegt mithin in der Weite dieser Einschränkungen und den diese beschreibenden Begrifflichkeiten. Wenn diese Ansichten hier auch als sich gegenüberstehende (bzw. sich widersprechende) Lösungen zur Folgepflicht dargestellt werden, so schließt dies nicht aus, dass einzelne Vertreter mehrere Lösungen kumulativ zur Begrenzung der Folgepflicht benennen. Dies gilt insbesondere für Lösung 2 (ex gratia) und 5 (Redlichkeit). Die dort aufgezeigten Grenzen und zugrunde liegenden Erwägungen kommen auch in der neueren englischen Rechtsprechung zum Ausdruck. Hierin ist keineswegs eine zufällige Parallele zu sehen, sondern eine jedenfalls zu hinterfragende Methodik, individuelle Lösungen des englischen Rechts unverändert auf das deutsche Recht zu übertragen.3
B. Lösung 1: Nachweis der Leistungspflicht – absoluter Ansatz »Quot homines, tot sententiae.«*
Eine erste Lösung verlangt den vollständigen Nachweis der Leistungspflicht des Erstversicherers zur Auslösung der Folgepflicht des Rückversicherers, d.h. ebenso wie der Versicherungsnehmer dem Erstversicherer gegenüber, muss der Erstversicherer dem Rückversicherer gegenüber die den Versicherungsfall begründenden Umstände darlegen. Ein Regulierungsermessen des Erstversicherers besteht daher in diesem Fall nicht. Diese Ansicht soll in ersten Urteilen des englischen Rückversicherungsrechts nachweisbar sein. In Re London County Commercial Re-Insurance Office aus 1922 wird das Erfordernis eines vollständigen Nachweises der Leistungspflicht des Erstversicherers gar als allgemeines Prinzip mit Verweis auf diese Urteile bezeichnet: »It is well settled that (subject to any provision to the contrary in the reinsurance policy) the reassured, in order to recover from their underwriters, must prove the loss in the same manner as the original assured must have proved it against them, and the reinsurers can raise all defences which were open to the reassured against the original assured.«4
Siehe hierzu in Kapitel 5 (S. 159 ff.). Marcus Tullius Cicero, De finibus 1, 5, 15: »So viele Menschen, so viele Meinungen« [Übersetzung d. Verf.]; abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 316. 4 Re London County Commercial Re-Insurance Office Ltd [1992] 10 Lloyd’s Rep 370. Der hierin genannte Begriff underwriter bezieht sich insb. auf den London Market und meint in diesem Fall eine von dem Rückversicherer hierfür beauftragte Person. 3
*
B. Lösung 1: Nachweis der Leistungspflicht – absoluter Ansatz
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Der Erstversicherer müsste demnach sowohl die eigene Leistungspflicht als auch die Richtigkeit der Höhe der Zahlung an den Versicherungsnehmer nachweisen (strict proof)5 – zusätzlich müssen die Voraussetzungen der Rückversicherungsdeckung ebenfalls erfüllt sein. Man kann daher von einem Erfordernis einer »streng-rechtlichen« Leistungspflicht zur Auslösung der Folgepflicht sprechen. I.
Vertreter im deutschen Recht
Auch im deutschen Recht wurde teilweise ein strenger Nachweis in Bezug auf die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis verlangt, wohingegen die Leistungspflicht des Rückversicherers im Fall von policenmäßigen Leistungen, d.h. sofern auch eine Leistungspflicht des Erstversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer vorliegt, ausgelöst werden soll.6 Mit dieser Ansicht ginge allerdings nicht nur eine Einengung des Geschäftsführungsrechts des Erstversicherers einher, sondern vielmehr dessen Negierung, da ein dem Erstversicherer zugesprochener und dem Geschäftsführungsrecht immanenter Ermessenspielraum faktisch nicht mehr bestünde. Zugleich verfängt sie bereits begrifflich nicht, da, überspitzt formuliert, gefragt werden könnte, wo in diesem Zuschnitt ein »Folgeleisten« des Rückversicherers aufgrund seiner Folgepflicht stattfindet. Das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers ist ebenso wie die Folgepflicht des Rückversicherers wesentlicher Kern der Rückversicherung wie die Kulanzzahlung dem Versicherungswesen gerade eigentümlich ist. 7 Diese Lösung hat daher eine Vorstellung von der Rückversicherung zur Grundlage, die nicht den an die Rückversicherung gerichteten Zwecken entspricht. Hinzu tritt, dass die Regulierung nicht nur Selbstzweck, sondern auch ökonomisch angezeigt sein kann. Auch Kothris betont daher, dass in manchen Fällen ein Vergleich sachgerechter sei als ein Beharren auf dem Wortlaut des Vertrages und dass die Forderung nach einer strengen rechtlichen Leistungspflicht des Erstversicherers daher als untauglich zu bewerten sei.8 Schließlich stieße eine derartige Voraussetzung bereits durchweg auf praktische Probleme. Der strenge Nachweis einer Leistungspflicht ist aufgrund der Abstraktion der rechtlichen und vertraglichen Regelungen oftmals gar nicht erst möglich.9 Die vorgetragenen Argumente gegen diese Ansicht sind zudem nicht auf ihre Ursprünge im englischen Recht gemünzt, sondern sprechen genauso auch gegen Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 29.2. So auch Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (534); vgl. Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 139. 7 Raiser, VersR 1967, S. 312 (312). 8 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 140. So auch schon die Einlassung von Porzig, 26. Sitzung zu Beratungen über die Entwürfe eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 23. Januar 1906, abgedruckt in Motive zum VVG 1908, S. 581. 9 Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 29.2. 5 6
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
eine Übertragung dieser Ansicht auf das deutsche Recht. Die Frage, die sich hieraus für die nachfolgende Untersuchung ergibt, lautet daher nicht, ob eine Folgepflicht allgemein im Fall einer Ermessensregulierung durch den Erstversicherer eine Leistungspflicht des Rückversicherers auslöst, sondern lediglich wie eine Folgepflicht besteht, d.h. welche Grenzen der Folgepflicht des Rückversicherers gegenüberstehen. II. Quote nach Leistungspflichtwahrscheinlichkeit Eine Anknüpfung an die Leistung des Erstversicherers lehnt eine weitere Ansicht ab und bezieht sich ebenso auf die Leistungspflicht des Erstversicherers. Gleichwohl ist sie sich des Fehlens rechtlich-materieller Wahrheit des Anspruchs des Versicherungsnehmers bewusst und nimmt dies zum Anlass, nicht in schwarz und weiß zu differenzieren, sondern eine quotale Folgepflicht zu fordern. Auch wenn es hierfür keine expliziten Vertreter gibt, kann als Vordenker einer solchen quotalen Folgepflicht bei objektiv teilweiser Leistungspflicht des Erstversicherers Ehrenberg angesehen werden. Er ging in Fortführung eines auf die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung abstellenden Ansatzes nicht in jedem Fall »fehlerhafter« Regulierung von einem vollständigen Entfallen der Folgepflicht aus, sondern bei objektiv teilweiser Leistungspflicht des Erstversicherers nur von einer entsprechenden Reduzierung der Folgepflicht des Rückversicherers.10 Auch wenn mit dieser Formulierung die Ansicht, die als Lösung 5 (Redlichkeit) vorgestellt werden wird, lediglich konkretisiert werden sollte, stellt sich die Frage, ob dieser Gedanke nicht als grundsätzliche Maßgabe für die Folgepflicht Geltung beanspruchen sollte. Für sich hätte diese Lösung in jedem Fall die sich hieraus vermeintlich ergebende Fairness im Sinne eines auf der Existenz einer Leistungspflicht des Erstversicherers beruhenden Interessenausgleichs zwischen den Parteien. Ließe sich eine solche Quote nach der Leistungspflichtwahrscheinlichkeit bilden, läge es nahe, hiernach auch die Folgepflicht des Rückversicherers zu bemessen. Eine derartige Wahrscheinlichkeit kann aber nicht in der Präzision gebildet werden und dies selbst dann nicht, wenn man das gerichtliche Urteil als Ausdruck objektiver rechtlich-materieller Wahrheit begreift.11 Freilich lassen sich Fälle unterscheiden, in denen bereits ausgiebige Literatur und Rechtsprechung bestehen und die daher jedenfalls eine Prognose möglich erscheinen lassen, sowie solche Fälle, bei welchen lediglich eine Tendenz ausgemacht werden kann. Auch in den erstgenannten Fallkonstellationen sind jedoch weder der Versicherungsnehmer noch der Versicherer davor gefeit, dass sich Ansichten 10 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 117. Weiter soll Arglist der groben Fahrlässigkeit insoweit nicht gleichgestellt sein. 11 Selbst juristisch-mathematische Methoden der Prozessrisikoanalyse (bspw. Risse/Morawietz, Prozessrisikoanalyse, S. 51 ff.) können hier lediglich einen Näherungswert ermitteln. Auch derartige Methoden können eine »Rationalität der Rechtswissenschaft« nicht herbeiführen (dort S. 111 f.).
C. Lösung 2: Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen – neologischer Ansatz
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in der Rechtsprechung ändern und Erwartungen sich nicht bewahrheiten. Und auch wenn Wahrscheinlichkeiten angegeben werden könnten, schlösse sich in Ermangelung rechtlich-materieller Wahrheit die Frage an, ab welchem Grad eine Folgepflicht des Rückversicherers ausgelöst würde. Wäre dies erst ab einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent der Fall, wären hierzu lediglich 80 Prozent oder nur 50 Prozent erforderlich? Eine derartige Lösung wäre neben den praktischen Unmöglichkeiten auch von einer Willkür in der Festsetzung der ausreichenden Prozentzahl verbunden. Im Ergebnis scheitert diese Lösung daher bereits an einer praktischen Unmöglichkeit der Umsetzung. Bestritten werden darf zudem bereits an dieser Stelle die vermeintliche Interessengerechtigkeit, die sich durch eine Orientierung an der Leistungspflichtwahrscheinlichkeit des Erstversicherers ergäbe. Diese Lösung widerspräche wertungsmäßig bereits den bisherigen Ergebnissen, die den Grundsatz der freien Geschäftsführung und die Notwendigkeit der Folgepflicht beinhalten12. Vielmehr wäre eine Leistungspflicht des Rückversicherers, die die reine Leistungspflicht des Erstversicherers voraussetzt, nicht als Folgepflicht zu bezeichnen, würden doch die Entscheidungen des Erstversicherers (insbesondere im Rahmen seiner Regulierung) gerade nicht mehr von Einfluss auf die Leistungspflicht des Rückversicherers sein. Einem solchen Ansatz ist daher nicht zu folgen. Vielmehr besteht die Problematik der tension of reinsurance gerade in der wertungsmäßigen Betrachtung der Regulierung des Erstversicherers, die je nach gewählter Lösung eine weitere oder eine engere Folgepflicht des Rückversicherers nach sich zieht.
C. Lösung 2: Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen – neologischer Ansatz »Einer neuen Wahrheit ist nichts schädlicher als ein alter Irrtum.«*
Eine wertende engere Auffassung der Folgepflicht ist in einer zweiten Ansicht zu sehen, die von der Folgepflicht sog. Ex-Gratia-Leistungen (auch Ex-GratiaZahlungen 13 genannt) ausnehmen. 14 Mitunter findet sich in Rückversicherungsverträgen teilweise der Hinweis auf den Ausschluss der Folgepflicht bei Siehe im Einzelnen insb. S. 77 ff. und S. 81 ff. Johann Wolfgang von Goethe, abgedruckt in Spicker, Aphorismen der Weltliteratur, 2. Aufl., Stuttgart 2009, S. 56 Ziff. 18. 13 Der Untersuchung ist der Begriff »Ex-Gratia-Leistung« zugrunde gelegt, da sich bereits aus den Ausführungen zur Regulierung des Erstversicherers in Kap. 2 ergibt, dass auch eine Zahlung ex gratia aufgrund ihrer Zweckrichtung im weiteren Sinn als Leistung des Erstversicherers verstanden werden muss. 14 Zusammenfassend Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 803 f. und Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (18). 12 *
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
Ex-Gratia-Leistungen.15 Unabhängig von der vertraglichen Ausgestaltung wird der Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen allerdings auch ohne ausdrückliche Nennung im Vertrag als Begrenzung der Folgepflicht vertreten. I.
Ursprünge der Ansicht im englischen Recht
Diese Ansicht soll ihre Ursprünge im englischen Recht finden. Auch wenn dies grundsätzlich für viele Facetten des deutschen Rückversicherungsrechts gesagt werden kann, muss zum Verständnis eine Erklärung der deutschen Verallgemeinerung der einzelfallbezogenen englischen Rechtsprechung versucht werden. Denn das englische Recht verlangt grundsätzlich die vertragliche Vereinbarung der Folgepflicht. 16 Insofern überrascht es, dass hieraus eine Ansicht entstehen konnte, welche die Grenzen der Folgepflicht allgemein für das deutsche Recht wiedergeben soll. Über den Anstoß für die Übertragung der vertragsbezogenen Rechtsprechung auf das deutsche Recht kann jedoch nur spekuliert werden. Für das englische Recht lehnt McGee den Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen an die Klausel to pay as may be paid thereon an.17 Diese soll ursprünglich in der Entscheidung Chippendale v. Holt verhandelt worden sein,18 welche im folgenden Kapitel im Einzelnen untersucht werden wird19. Es erstaunt in diesem Zusammenhang allerdings, dass Chippendale v. Holt den Begriff ex gratia gar nicht erst erwähnt.20 Nichtsdestoweniger leitet McGee aus dem Urteil ab, dass der Rückversicherer Ex-Gratia-Leistungen nicht zu folgen habe.21 Verwandt mit dem Begriff ex gratia ist, wiederum ohne explizite Nennung des Begriffs, allerdings in der Weise jedenfalls interpretierbar, die Entscheidung Fireman’s Fund Insurance v. Western Australian Insurance, in der es allgemein heißt: »The contract of reinsurance properly understood is a contract to indemnify against losses which the original underwriter had suffered, but not against gifts. This was a voluntary payment, so far as the original underwriter is concerned, and he did not insure himself for gifts that he might choose to make to his insured.«22
Im engeren Sinn ist damit allerdings explizit lediglich ein Geschenk bzw. eine Spende des Erstversicherers an den Versicherungsnehmer angesprochen, es Wie jedoch auch umgekehrt die explizite Hereinnahme von Ex-Gratia-Leistungen. Siehe Kapitel 5 im Ganzen (S. 159 ff.). 17 McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.15. 18 Chippendale v. Holt [1895] 1 Com Cas 197 (198). 19 Siehe sogleich S. 166 f. 20 Chippendale v. Holt [1895] 1 Com Cas 197; so jedoch der Verweis bei McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.15 (Fn. 3). 21 McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.15. 22 Fireman’s Fund Insurance Co v. Western Australian Insurance Co [1927] 33 Com Cas 36; siehe auch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 804 Fn. 139. 15 16
C. Lösung 2: Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen – neologischer Ansatz
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soll nach Gerathewohl aber als Bestätigung eines allgemeinen Ex-Gratia-Ausschlusses in der Folgepflicht angesehen werden.23 Zuzustimmen ist dem insoweit, als der Zusatz properly understood auf eine von der konkreten, vertraglichen Vereinbarung losgelöste Bedeutungsebene hinweist. Eine Geltung des Ex-Gratia-Ausschlusses auch ohne vertragliche Vereinbarung wird damit begründet, dass derartige fundamental policy decisions den Interessen des Rückversicherers zuwiderliefen und daher nicht von dem Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers gedeckt sein könnten. Schließlich träfe das finanzielle Risiko den Rückversicherer, weshalb dieser einer Missbrauchsgefahr durch den Erstversicherer ausgesetzt sei.24 Gleichzeitig wendet aber auch McGee ein, dass es für Erst- und Rückversicherer ökonomisch sinnvoll sein kann, auf einen durch den Versicherungsnehmer zu Unrecht geltend gemachten Anspruch zu leisten.25 Demnach bestünde auch bei fehlendem expliziten Ausschluss von ex gratia in dogmatischer Hinsicht Raum für eine Eindämmung exzessiver Großzügigkeit des Erstversicherers allein durch Treu und Glauben.26 Golding hingegen nimmt für das englische Recht an, dass der Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen insbesondere in der obligatorischen Rückversicherung27 in die Verträge aufgenommen werde, betont allerdings ebenfalls die Basis der Ex-Gratia-Leistung, die in der expliziten vertraglichen Vereinbarung liege.28 Die Lesart eines Ex-Gratia-Ausschlusses auch bei fehlender vertraglicher Benennung ist somit bereits für das englische Recht fraglich. Zwar existieren in der Tat Gerichtsentscheidungen, die Ex-Gratia-Leistungen ansprechen, dies jedoch lediglich aus dem Grund, dass der Vertrag einen solchen expliziten Ausschluss vorsieht.29 Der propagierte Ausschluss der Ex-Gratia-Leistung beruht des Weiteren auf einer, sich von den anderen Ansichten unterscheidenden, methodischen Herangehensweise, wie sie die Zwiegestalt der sog. Scor provisos befürwortet.30 Dieses Zuschnitts ungeachtet wird der Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen für das deutsche Recht mit zusätzlichem Gehalt aufgeladen.
Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 804. McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.15. 25 McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.15. 26 Er geht dieser Hypothese allerdings nicht weiter nach, sondern beschließt den Gedankengang abrupt (»Be that as it may […]«), siehe McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.15. 27 Zum Begriff S. 273 ff. 28 Golding, The Law and Practice of Reinsurance, S. 11. 29 Siehe hierzu insb. Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429, behandelt unten auf S. 192 ff. 30 Siehe hierzu ausführlich S. 176 ff. 23 24
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
II. Folgerungen für eine Ex-Gratia-Ansicht im deutschen Recht In der rückversicherungsrechtlichen Literatur im deutschen Recht finden sich regelmäßig pauschale Verweise auf einzelne Urteile der englischen Rechtsprechung, aus welchen Rückschlüsse für die Grenzen der Folgepflicht gezogen werden, während, trotz der zweifelhaften Herkunft, der Begriff ex gratia verwendet wird 31 – jedoch meist ohne nähere Auseinandersetzung mit der zugrunde liegenden Argumentation oder der Tauglichkeit des Konzepts. Verschiedentlich wird diese Ansicht auch als maßgeblicher Ansatz für die Grenzen der Folgepflicht beschrieben.32 Mitunter wird schlicht darauf verwiesen, es sei unstreitig, dass derartige Fälle nicht unter die Folgepflicht des Rückversicherers subsumiert werden könnten – für Vergleiche allerdings gelte im Rahmen des follow-the-settlements etwas anderes.33 So gehen Koch/Weiss davon aus, dass Ex-Gratia-Leistungen grundsätzlich nicht von der Folgeflicht umfasst würden.34 Allerdings würde umgekehrt vertraglich oftmals ein Einschluss von Ex-Gratia-Leistungen beschlossen. Dies beträfe Fälle, in denen eine hohe Interessenidentität zwischen Erstversicherer und Rückversicherer besteht, beispielsweise im Rahmen von Quotenrückversicherungsverträgen.35 Diese Interessenlage sei aber nicht grundsätzlich gegeben, weshalb sich der Rückversicherer zwar an Vergleichszahlungen, jedoch nicht an Ex-Gratia-Leistungen beteiligen müsse.36 Nach Witthoff liege es bei Ex-Gratia-Leistungen daher allein im Ermessen des Rückversicherers, ob er diese kulanterweise gegen sich gelten lasse und leiste.37 Valider Hintergrund dieser Ansätze ist die Interessenproblematik, den Rückversicherer zu einer Leistung zu verpflichten, deren Pendant im Erstversicherungsverhältnis keine rechtliche Grundlage hatte. Unabhängig von den bereits genannten Bedenken, muss jedoch der Frage nachgegangen werden, ob ein derartiger Ausschluss vor dem Hintergrund der in Kapitel 2 gewonnen Erkenntnisse eine taugliche Lösung darstellen kann. 31 Auszugsweise: Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/Wiedemann/Hack, HdV, Rückversicherungsrecht, S. 726; Halm/Engelbrecht/Krahe/Materne/Seemayer, FA-Handbuch, 38. Kap. Rn. 79; P. Koch/Weiss, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Ex-gratia-Zahlung, S. 278; Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 31; Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, S. 171; Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6). 32 So Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 143; auch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 803 f. und Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (715). 33 Statt vieler zum deutschen und englischen Recht Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 42. 34 P. Koch/Weiss, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Ex-gratia-Zahlung, S. 278. 35 P. Koch/Weiss, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Ex-gratia-Zahlung, S. 278. 36 Lüer/Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 78. 37 Lüer/Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 78.
C. Lösung 2: Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen – neologischer Ansatz
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III. Problematik der Verwendung des Begriffs »ex gratia« Die Bemühung eines Begriffs, welcher für das deutsche Recht nicht definiert und daher als Neologismus angesehen werden muss, erklärt sich vor dem Hintergrund der bislang unbefriedigenden terminologischen Einordnung der Regulierungsarten des Erstversicherers.38 Dies zeigt sich insbesondere auch an den observierten Schwierigkeiten der begrifflichen und rechtlichen Einordnung des Phänomens der Kulanz.39 Gegen die Brauchbarmachung des Begriffs ex gratia zur Grenzziehung im Rahmen der Folgepflicht des Rückversicherers bestehen allerdings in mehrfacher Hinsicht Bedenken. Denn der Begriff ist weder gesetzlich noch im allgemeinen Sprachgebrauch abschließend vorgegeben. Auch die deutsche Rechtsprechung hat den Begriff bisher nicht aufgegriffen.40 Basis einer rechtssicheren Lösung kann er allerdings nur nach Herausbildung eines einheitlichen Verständnisses sein. Der Begriff ex gratia entstammt dem Lateinischen und bedeutet wörtlich übersetzt »aus Dankbarkeit«. Er wird darüber hinaus treffender als »außervertragliche Gnade« 41 beschrieben oder mit »als ein Gefallen« (as a favour) 42 übersetzt. Wesensmerkmal soll in diesem Zusammenhang sein, dass die Leistung freiwillig, d.h. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt.43 Wenn es sich um Kulanz handelt, verwendeten Versicherer daher regelmäßig den Passus »ohne Anerkennung einer Rechtspflicht«. 44 Entsprechend wäre das folgepflichtauslösende Antonym hierzu »von Rechts wegen« (as of right).45 Die Versuche, den Begriff ex gratia einzugrenzen, sind vielgestaltig und knüpfen an terminologische Überlegungen an, die bereits eingangs auf einer abstrakten Ebene thematisiert wurden.46 Zunächst wird ex gratia auch mit dem Begriff der Kulanz gleichgesetzt.47 So geht Lenz von Kulanz im weiteren Sinn Vgl. im Folgenden und Lüer/Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 78. 39 Siehe S. 22 ff. 40 Siehe Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 64. 41 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 804. 42 Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, Teil 1, Begriff ex gratia, S. 294. 43 Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, Teil 1, Begriff ex gratia, S. 294; so auch für das englische Recht Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.90. 44 OLG Düsseldorf, VersR 1968, S. 447 (448). 45 Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, Wirtschaft und Politik, Teil 1, Begriff ex gratia, S. 294. 46 Insb. zur Frage des Begriffs »Kulanz« und seinen Entsprechungen oben S. 24 ff. 47 Dem ist indes schon deshalb nicht zu folgen, da es sich nach allen Verständnissen von der Ex-Gratia-Leistung nicht um eine Regulierungsart handelt, sondern um eine Wertung der Regulierung. Die »Kulanz« hingegen ist ein untechnischer Begriff und beinhaltet nur bedingt eine Wertung in Bezug auf die Verpflichtung zur Leistung. Hierauf weist aber Lüer/ Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 78 hin, zudem Franz/ Keune, VersR 2013, S. 12 (22); ausführlich Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, 38
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
als Oberbegriff sowie Kulanz im engeren Sinn und ex gratia bzw. Liberalität als Unterbegriffe aus.48 Für Raiser besteht zwischen Kulanz, Liberalitätsleistung und ex gratia kein Unterschied, weshalb die Begriffe als Synonyme zu verstehen seien. 49 Dieser synonymen Verwendung soll im Weiteren jedoch nicht gefolgt werden. Dies schon deshalb, weil der Begriff »Kulanz« untauglich ist und daher allgemein (auch für die Zwecke der Rückversicherung) von »entgegenkommender Regulierung« gesprochen werden sollte. Nach dem Cambridge Dictionary ist der Gewährende zu einer Ex-Gratia-Leistung nicht rechtlich verpflichtet, tätigt sie allerdings aus guten Absichten heraus.50 Auch wird die Ex-Gratia-Leistung zur Abgrenzung als reine – oder auch als echte – Kulanzleistung bezeichnet.51 Wenn von Ex-Gratia-Leistung gesprochen wird, wird daher meist auch eine Abgrenzung zu sog. »unechter Kulanz« beabsichtigt.52 Jedenfalls soll diese Unterscheidung für das deutsche Recht gebräuchlich sein.53 Unter den Vertretern der Ansicht, die hierin eine Begrenzung der Haftung des Rückversicherers sehen, wird ex gratia mithin ein anderer Bedeutungsgehalt beigemessen.54 Gerathewohl verwendet für den Begriff ex gratia die Umschreibung »außervertragliche ›Gnade‹ «.55 Zur Verdeutlichung verweist er auf entsprechende Folgepflichtklauseln, die lediglich von einer Synonymität von Ex-Gratia-Leistungen zu Liberalitätszahlungen und Billigkeitsentschädigungen getragen werden.56 Eine Kulanzzahlung erfolge daher nur auf der Höhe nach bestrittene Forderungen des Versicherungsnehmers, wohingegen ex gratia den Fall eines bereits dem Grunde nach nicht bestehenden Anspruchs thematisiere.57 Ähnlich vertreten Stahl/Meyenburg, dass bei einer Kulanzzahlung jedenfalls dem Grunde oder der Höhe nach (bedingt) eine Leistungspflicht vorliege.58 Koch/ Weiss nach, soll eine Ex-Gratia-Leistung eine Leistung des Versicherers sein, die nicht auf einem vertraglichen Anspruch des Versicherungsnehmers beruht,
S. 66 ff.; Vahsen, VW 1990, S. 1162; Lüer/Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 78: In diesem Zuge soll auch der Begriff »Liberalitätszahlung« mit den beiden Begriffen gleichzusetzen sein, so Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 143. 48 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 66 ff. 49 Raiser, VersR 1967, S. 312 (312). 50 Cambridge University Press, Cambridge Dictionary, Stichwort: ex gratia. 51 Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6). 52 So muss wohl auch der Begriff good will loss verstanden werden, siehe Wedge, Insurance and Reinsurance Run-Off, S. 117 f. 53 Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 41. 54 Hierzu sogleich. 55 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 804. 56 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 804 f. (insb. Fn. 140). 57 Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (18, Fn. 11). 58 Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 42.
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sondern aus Gnade gewährt wird. 59 Sowohl Versicherungsnehmer als auch Versicherer hätten in diesem Fall »Kenntnis davon, daß eine Leistungspflicht nicht besteht, weil es sich z.B. um Schäden handelt, die nicht durch versicherte Gefahren entstanden sind oder nicht in der vom [Versicherungsnehmer] geltend gemachten Höhe versichert sind […]«.60 Explizit wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass die Abgrenzung von Kulanzzahlungen zu Ex-Gratia-Leistungen und Liberalitätsentschädigungen nicht eindeutig sei.61 Der Anspruch auf die Versicherungsleistung soll bei der Kulanzzahlung jedenfalls grundsätzlich bestehen, wobei allerdings die Höhe des Schadens streitig sei.62 Ein gemeinsamer definitorischer Nenner lässt sich vor diesem Hintergrund aus der Abgrenzung von Ex-Gratia-Leistungen zu Vergleichszahlungen ableiten. Da der Vergleich Unklarheit (betreffend das »Ob« oder das »Wie«) voraussetze, sei die Ex-Gratia-Leistung dadurch gekennzeichnet, dass der Erstversicherer hier gerade nicht zu einer Leistung verpflichtet ist.63 Demzufolge beziehe sich die Folgepflicht lediglich auf die Risiken, die durch den Originalversicherungsvertrag gedeckt sind.64 Im Hinblick auf das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers sei daher jede dem Grunde (keine explizite Ausschlussklausel) oder der Höhe nach von beiden Seiten zweifelhafte Forderung durch den Rückversicherungsschutz gedeckt.65 Gleichwohl muss für die Begriffsbestimmung auch die Frage beantwortet werden, was unter einem in diesem Sinne »dem Grunde nach nicht bestehenden Anspruch« zu verstehen ist. Hierzu bestehen unterschiedliche Sichtweisen. 1. Maßstab der Vertretbarkeit des Bestehens des Leistungsanspruchs Als erster Zugriff soll einem Definitionsversuch nach eine Ex-Gratia-Leistung eine Zahlung sein, zu welcher unter keinem rechtlich vertretbaren Gesichtspunkt eine Verpflichtung vorliegt.66 Ebenso definierte der Court of Appeal in Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance die Wendung ex gratia als »no legal liability to make the settlement«.67 Vahsen geht davon aus, dass P. Koch/Weiss, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Ex-gratia-Zahlung, S. 278. P. Koch/Weiss, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Ex-gratia-Zahlung, S. 278. 61 P. Koch/Weiss, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Kulanzzahlung, S. 504. 62 P. Koch/Weiss, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Kulanzzahlung, S. 504. 63 Auszugsweise Lüer/Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 80; in der englischen Rechtsprechung Faraday Capital Ltd v. Copenhagen Reinsurance Co Ltd [2007] Lloyd’s Rep IR 23, Rn. 46. 64 Bezogen auf das Wissenselement beschrieben bei Lüer/Schwepcke/Cannawurf/ Schwepcke, Rückversicherungsrecht § 8 Rn. 78; auch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 803. 65 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 803. 66 Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/Wiedemann/Hack, HdV, Rückversicherungsrecht, S. 726. 67 Siehe Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429. 59 60
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der Versicherer bei einer Ex-Gratia-Leistung leistet, »obwohl feststeht, daß objektiv kein Schadenersatzanspruch besteht«. 68 Er grenzt die Ex-Gratia-Leistung im Weiteren von einer »vergleichsweise gezahlten Entschädigung« in der Weise ab, dass Letztere »eindeutig dem versicherungstechnischen Risiko zuzurechnen ist, mit der Folge, daß der Rückversicherer sich daran zu beteiligen hat […].«69 Im Gegensatz dazu sei Kulanz im Sinne einer Unsicherheit zu verstehen – meist über die Höhe der Verpflichtung.70 Mithin ist bereits festgestellt worden, dass Recht nicht Ausdruck rechtlichmaterieller Wahrheit ist, insofern erscheint die Eingrenzung durch das Merkmal »unter keinem rechtlich vertretbaren Gesichtspunkt« fragwürdig. Die Frage rechtlicher Vertretbarkeit lässt sich vielmehr nicht nach feststehenden Kriterien beurteilen. Mit anderen Worten: Ein Fürsprecher für eine abweichende rechtliche Bewertung wird sich auch in diesem Fall finden lassen – vor dem Hintergrund der sogar für Handelsbräuche nicht nur in diesem Bereich mangelnden Argumentationsfestigkeit muss dies erst recht im Zusammenhang mit der Regulierung des Erstversicherers gelten. Zudem liegt zum Zeitpunkt der Beurteilung keine den konkreten Fall regelnde richter- oder schiedsrichterliche Entscheidung vor. Entsprechend kann mit diesem Annäherungsversuch jedenfalls keine objektive-rechtliche Vertretbarkeit gemeint sein. Fraglich ist dann allerdings, welcher Maßstab an das Kriterium der Vertretbarkeit angelegt werden muss. 2. Beiderseitige Kenntnis des Nichtbestehens der Leistungspflicht Üblicherweise wird daher an die Einschätzungen der Parteien angeknüpft, um den Gehalt des Begriffs ex gratia zu bestimmen. Gerathewohl konkretisiert daher, Ex-Gratia-Leistung sei eine Zahlung, die in beiderseitiger Kenntnis des Nichtbestehens einer Verpflichtung ohne jedweden Rechtsgrund getätigt wird.71 So seien Schäden nicht mehr gedeckt, wenn auch der Versicherungsnehmer nicht bestreite, dass es sich bei der verwirklichten Gefahr nicht um eine versicherte Gefahr handele.72 In gleicher Weise nimmt Looschelders eine ExGratia-Leistung an, wenn sich Erstversicherer und Versicherungsnehmer »über das Fehlen der Leistungspflicht bewusst sind«.73
68 Vahsen, VW 1990, S. 1162, der von einem Schadensersatzanspruch spricht, wohl aber den Anspruch des Versicherungsnehmers auf die Versicherungsleistung meint. 69 Vahsen, VW 1990, S. 1162. 70 Vahsen, VW 1990, S. 1162; so auch Isenbart, VW 11/2015, S. 44 (44). 71 Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (18, Fn. 11). Zudem Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 804; Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 154. 72 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 803 f. 73 Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6); so auch Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 41 f.
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Dieses Bewusstsein ist nicht im Sinne zweier übereinstimmender Willenserklärungen (§§ 145 ff. BGB) zu verstehen, da auch die so definierte Ex-Gratia-Leistung mit dem Zweck getätigt wird, eine Streitigkeit zwischen den Vertragsparteien zu lösen. Entsprechend handelt es sich nicht um eine vertragliche Vereinbarung zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer. Wenn es darüber hinaus eine objektive Nichtvertretbarkeit nicht gibt, muss insofern mit »beiderseitiger Kenntnis« bzw. mit »Bewusstsein der Parteien« die Überzeugung der Parteien gemeint sein. Hiernach könnte klare Ex-Gratia-Leistung eine solche sein, die der Erstversicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber explizit als Leistung ohne Leistungspflicht benennt, beispielsweise wenn er angibt, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu leisten.74 Wenn indes eine Überzeugung der Parteien verlangt ist, müssten sich beide Parteien Gedanken gemacht haben. Dies wird allerdings auf den Versicherungsnehmer, welcher üblicherweise Verbraucher ist, im Regelfall nicht zutreffen. Diese Kenntnis (bzw. Einschätzung) beider Erstversicherungsvertragsparteien wird sich zudem nur höchst selten nachweisen lassen. Insbesondere auf Versicherungsnehmerseite wird die für ihn nachteilhafte Einschätzung des Nichtbestehens des Anspruchs bei Geltendmachung des Anspruchs nicht zu Tage treten. Vielmehr wird mit der Geltendmachung seines Anspruchs zunächst anzunehmen sein, dass der Versicherungsnehmer auch davon ausgeht, sein Anspruch bestünde. Mehr noch ist in Fällen von Versicherungsbetrug dem Täuschungselement auf Seiten des Versicherungsnehmers gerade immanent, dass er seine Ansicht zum Bestehen einer Leistungspflicht des Erstversicherers nicht diesem gegenüber kommuniziert. Zur Frage der Ermittlung der beiderseitigen Kenntnis des Nichtbestehens wird daher zu fragen sein, ob Versicherer und Versicherungsnehmer unter verständiger Würdigung der Umstände davon überzeugt gewesen sein müssten, dass ein Anspruch nicht besteht – angereichert ist diese Einschätzung dann allerdings zwangsläufig mit vermeintlichen Annahmen der Rechtsanwender. Und mehr noch wird hierdurch ein Phänomen der bisherigen Ansätze zur Folgepflicht erst möglich gemacht. Denn wenn eine »objektivierte« Einschätzung möglich ist, dann meist erst in einer Ex-post-Betrachtung – wenn also im Nachhinein festgestellt wird, dass die Regulierungsentscheidung des Erstversicherers »falsch« war. Diese Ex-post-Betrachtung mag dem Rückversicherer aufgrund seiner nachgeschalteten Leistung möglich sein. Das bedeutet aber auch, dass mit der Herausnahme von Ex-Gratia-Leistungen von dem notwendigerweise ex ante regulierenden Erstversicherer eine Ex-post-Betrachtung verlangt wird, die, wie gezeigt wurde, von Faktoren abhängig sein kann, die dem Erstversicherer gar nicht erst zugänglich sind. So die Definition in Cockerell, Witherby’s Dictionary on Insurance, Stichwort: ex gratia payment, S. 117: »A sum paid by an insurer who maintains that he is not liable to make the payment«. 74
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Hinzu tritt, dass gleichwohl vertreten wird, Zahlungen auf Basis eines Vergleichs zwischen den Parteien seien, unabhängig von diesem Erfordernis, von der Folgepflicht umfasst.75 Hierdurch würde in Übersteigerung der Erwartung, die richterliche Entscheidung sei Ausdruck dieser fehlenden Objektivität, auch der Vergleich mit dieser Erwartungshaltung versehen. Im eigentlichen Sinne ist er allerdings lediglich eine durch gegenseitiges Entgegenkommen geprägte Beilegung des Rechtsstreits durch privatautonome Vereinbarung zwischen Parteien. Wiederum stellt sich hier daher die Frage, weshalb sich der Vergleich in seiner rechtlichen Auswirkung auf die sekundäre Ebene der Folgepflicht von den Auswirkungen der Regulierung ohne Vergleich (und ohne Urteil) unterscheiden sollte.76 Dies zeigt sich auch an dem praxisbezogenen Argument, dass der Vergleich regelmäßig nicht in verschiedene Teile differenziert.77 Deutlich wird dies an der Entscheidung Gurney v. Grimmer für den Fall mehrerer, teilweise vermeintlich bestehender und teilweise vermeintlich nicht bestehender Forderungen des Versicherungsnehmers gegen den Erstversicherer, die sich daher über zwei Drittel der geltend gemachten Schäden verglichen. Dieser Vergleich band auch den Rückversicherer auf Basis seiner Folgepflicht.78 In diesem Fall war die Differenzierung in einen in der Erstversicherung gedeckten und einen nicht gedeckten Teil nicht möglich, da der Vergleich eine entsprechende Zuordnung nicht enthielt; gleichwohl war der Rückversicherer zur Zahlung der Vergleichssumme verpflichtet. Auch dieses Beispiel zeigt, dass die Vorstellungen der Literatur in der Frage der Leistungspflicht des Erstversicherers nicht unverändert auf die Rückversicherung übertragen werden können. Die Rückversicherung ist vielmehr schon in ihrer Konzeption in der Weise angelegt, dass der Rückversicherer an den Entscheidungen des Erstversicherers partizipiert und gerade nicht an dessen genuiner eigenen Leistungspflicht. 3. Ableitungen aus typischen Fallkonstellationen einer Ex-Gratia-Leistung Die Interessenwertung im Fall der Herausnahme von Ex-Gratia-Leistungen ist daher schon im Ansatz fragwürdig. Nichtsdestoweniger lohnt zur weiteren Konkretisierung ein Blick auf die Fallkonstellationen, die hierdurch von der Folgepflicht ausgenommen sein sollen. Kothris erwähnt in diesem Zusammenhang zwei Beispiele einer Leistung des Erstversicherers, die als Ex-GratiaLeistungen zu qualifizieren seien. Zum einen der Ersatz für Waren eines Schiffes, die zur Ermöglichung der Weiterfahrt sicherheitshalber vernichtet wurden, ohne dass das Überbordwerfen vom Erstversicherungsvertrag gedeckt war, zum anderen einen Fall, in welchem aus finanziellen Gründen eine bestimmte Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6). Siehe hierzu bereits S. 32 f. 77 Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (196). 78 Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (196). 75 76
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Gefahr nicht abgesichert wurde, der Versicherer aber dennoch billigerweise leistete.79 Dem Standardfall einer Ex-Gratia-Leistung des Versicherers liegt daher üblicherweise eine nicht in den Versicherungsvertrag aufgenommene und damit nicht versicherte Gefahr oder der explizite Ausschluss der Gefahr durch eine entsprechende Klausel zugrunde. Vielfach wird man bei Beurteilung eines solchen Falls annehmen wollen, dass es sich bereits objektiv nicht um einen unter den Erstversicherungsvertrag fallenden Versicherungsfall handelt. Jedoch zeigen unterschiedliche Beispiele aus der Historie der Versicherungsbranche, dass sich objektiv vermeintlich zweifelsfreie Einschätzungen zum Versicherungsschutz beispielsweise infolge eines Gerichtsurteils oder auch durch eine geänderte Rechtsprechung nicht bewahrheiteten. Dies betrifft im Besonderen die Leistungsablehnung einiger deutscher Versicherer im Fall des Erdbebens von San Francisco.80 Diese gingen davon aus, dass die Klauseln ihrer Versicherungsverträge eine Leistung für sämtliche Erdbebenschäden ausschlössen.81 Nicht nur die Versicherer selbst, sondern auch die Fachwelt und Branche interpretierten die Versicherungsverträge in dieser Weise. Das Landgericht Hamburg entschied allerdings am 11. Januar 1907, dass Schäden durch ein auf dem Erdbeben beruhendes Feuer von den Versicherungsverträgen gedeckt seien.82 Koch spricht insofern von einer erst durch diese Rechtsprechung aufgedeckten, unsichereren Rechtslage, in deren Folge unter den Versicherern die Ansicht vertreten wurde, dass in stark erdbebengefährdeten Regionen strikte Erdbebenklauseln eingeführt werden sollten.83 Vor dem Hintergrund dieser Eindrücke erweiterte der VVG-Gesetzgeber den Haftungsausschluss des Versicherers in § 84 VVG a.F. 1908 auch auf durch Erdbeben verursachte Schäden.84 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Begründung der »Antragssteller«, in welcher sich bereits deren Bewusstsein um die im Zusammenhang mit einer großen Katastrophe auf das Gerichtsurteil Einfluss nehmenden Faktoren und auch die vormals herrschende Ansicht zur Frage der Auslegung von Erdbebenklauseln widerspiegelt – sie formulierten: »Dabei stehe nach solchen Unglücksfällen die öffentliche Meinung auf seiten der Versicherungsnehmer; die Gerichte seien daher geneigt, auch Schäden, die lediglich durch das Erdbeben verursacht seien, als Brandschäden aufzufassen.«85
Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 144 f. Siehe ausführlich hierzu S. 45 ff. 81 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (165 f.). 82 LG Hamburg, VerAfP 1907 Anh. S. 68 ff.; siehe P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (166). 83 P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (166 und 167). 84 Siehe die beschlossene Fassung des § 84 VVG a.F., in Motive zum VVG 1908, S. 504. 85 Motive zum VVG 1908, S. 502. 79 80
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Zwar schließt sich diese Untersuchung der zitierten Aussage, Gerichte seien Fähnchen im Wind der öffentlichen Meinung,86 nicht an. Gleichwohl kann dem angeführten Beispiel entnommen werden, dass sich Erwartung und Rechtsprechung auch in zuvor als zweifelsfrei anerkannten Fällen vielfach nicht decken, weshalb eine vor einem rechtskräftigen Gerichtsurteil objektive Bestimmung der Leistungspflicht im Rahmen der Frage, ob eine Ex-Gratia-Leistung des Erstversicherers vorliegt, regelmäßig nicht gelingen kann – bzw., gleichbedeutend, im Nachhinein scheitert. 4. Motive des Erstversicherers für die Ex-Gratia-Leistung Gerne wird die Ex-Gratia-Leistung auch vor dem Hintergrund der sie von Seiten des Erstversicherers begleitenden Motive beschrieben. So sollen die Beweggründe des Erstversicherers für eine Ex-Gratia-Leistung Billigkeits- bzw. Sachgründe oder auch »persönliche Gründe hauptsächlich kommerzieller Art« sein87 – so beispielsweise auch allein zur Kundenbindung.88 Andere Autoren nehmen darüber hinaus an, bei der Ex-Gratia-Leistung gehe es auch um »künftige Geschäftsmöglichkeiten« des Erstversicherers, 89 wohingegen ein, die Leistungspflicht des Rückversicherers auslösender Vergleich (zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer) eine lediglich »sachgerechte Abwicklung der Verbindlichkeiten des Zedenten im Verhältnis zu seinem Kunden« bezwecke.90 Hintergrund der Versteifung auf den Begriff ex gratia auch für eine diesen nicht verwendenden Rückversicherungsvertrag sei nach Vahsen, dass die Ex-Gratia-Leistung in das kaufmännische Risiko des Erstversicherers falle, und der Grund für diesen, eine Entscheidung zugunsten des Versicherungsnehmers zu treffen, sei beispielsweise das Bestreben, den Versicherungsnehmer nicht als Kunden zu verlieren.91 Entsprechend nennt Herrmannsdorfer eine auf »Liberalitätszahlungen« bezogene Klausel, die dieses Motiv abbildet: »Zur Regulierung und Feststellung von Schäden ist ausschließlich [der Erstversicherer] berechtigt. Die Anerkennung und Leistung von Entschädigungen einschließlich Liberalitätszahlungen seitens [des Erstversicherers] ist in allen Fällen auch für den Rückversicherer bindend, abgesehen von den Fällen, in denen sie unzweifelhaft lediglich aus Gründen der Akquisition für andere Branche sich zur Zahlung herbeigelassen hat.«92
Diese Beschreibung der Motive suggeriert, dass sich die im Rahmen seiner Regulierung angestrengten Motive des Erstversicherers erstens identifizieren und 86 So auch die Bemerkung in der Vorberatung der Entwürfe eines Gesetzes über den Versicherungsvertrag zu § 84 VVG, abgedruckt in Motive zum VVG 1908, S. 491 ff. (502). 87 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 143. 88 Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 41. 89 Isenbart, VW 11/2015, S. 44 (44) und Lüer/Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 78. 90 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 79. 91 Vahsen, VW 1990, S. 1162. 92 Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 241.
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zweitens auch separieren lassen.93 Erläutert wurde bereits, dass der Begriff ex gratia nicht mit dem allgemeinen Begriff der Kulanz identisch sein kann – die Begründung für diesen Befund ist gerade auch in der Überlagerung der Motive zu sehen. Von den Vertretern der Ansicht, dass Ex-Gratia-Leistungen grundsätzlich von der Folgepflicht ausgenommen seien, wird als Hauptanwendungsfall der Verzicht des Erstversicherers auf die Geltendmachung von Erdbebenund Aufruhrklauseln aus dem Erstversicherungsvertrag angeführt.94 Verwiesen wird hierbei auf historische Ereignisse wie beispielsweise das Erdbeben von San Francisco 1906, bei welchen einzelne Versicherer trotz fehlender Leistungspflicht leisteten bzw. erst durch ein Gerichtsurteil ihrer Leistungspflicht offenbar wurden.95 Wie am Beispiel San Francisco bereits verdeutlicht wurde, wurden die durchaus unterschiedlichen und sich wandelnden Entscheidungen der Versicherer allerdings von verschiedensten, sich gegenseitig überlagernden Motivationen begleitet. Die nicht gegebene Unterscheidbarkeit hat zur Folge, dass eine an den Motiven des Erstversicherers angelehnte definitorische Eingrenzung von ex gratia nicht gelingen kann. Eine Ex-Gratia-Leistung wird in der Praxis daher nur äußerst selten als solche durch den Rückversicherer identifiziert werden können.96 Hinzutritt, dass für ein Versicherungsunternehmen »Erwägungen kommerzieller Art schwerlich als ganz ›sachfremd‹ gelten« können. 97 Vielmehr wurde bereits festgestellt, dass letztlich alle in die Betrachtung eingestellten Zwecke direkt oder indirekt ökonomischer Natur sind.98 Dies wird insbesondere bei außergerichtlichen Einigungen schwierig, welchen der Rückversicherer mit Verweis auf rein kommerzielle Motive mit größerer Skepsis begegnet. Umgekehrt muss gerade hier eine generelle Vermutung zugunsten des Erstversicherers greifen, wonach er sich bei dieser Einigung ehrlich und professionell verhalten hat.99 Wenn auf die Motive des Erstversicherers abgestellt wird, ist die Qualifikation als Ex-Gratia-Leistung maßgeblich von der Frage abhängig, wie der Erstversicherer die getätigte Zahlung gegenüber dem Rückversicherer deklariert. Diesbezüglich muss angenommen werden, dass der Erstversicherer nur selten gegenüber dem Rückversicherer von einer Ex-Gratia-Leistung spricht.100 Dies wird lediglich in Konstellationen der Fall sein, in welchen der Erstversicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber gerade auf dem Charakter als Ex-GratiaSiehe die Feststellungen zur Überschneidung der Motive auf S. 43 ff. So Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 144 – zwar in Bezug auf den Begriff Kulanz, den er zuvor aber mit ex gratia gleichsetzt. 95 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 144. 96 So auch Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 43. 97 Raiser, VersR 1967, S. 312 (316). 98 Siehe hierzu ausführlich S. 43 ff. 99 So Thomas, VW 2005, S. 611. 100 Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 43. 93 94
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Leistung besteht.101 Entsprechend konkretisiert eine weitere Ansicht die Motive des Erstversicherers in der Weise, dass Ex-Gratia-Leistungen jedenfalls dann die Folgepflicht des Rückversicherers auslösten, wenn der sich aus der Leistung ergebende Vorteil für den Erstversicherer auch einen Vorteil für den Rückversicherer darstellt.102 Sie wird von Gerathewohl mit Verweis auf die jedenfalls grundsätzlich nicht parallele Interessenlage bei Erst- und Rückversicherer abgelehnt.103 Sie soll im Folgenden bereits aufgrund der geäußerten Bedenken gegen den Begriff selbst nicht weitere Beachtung finden. Auf die Parallelität der Interessenlagen soll gesondert im Anschluss eingegangen werden.104 5. Abwandlung: Begrenzung auf selbstbindende Regulierung Eine Abwandlung dieser Ansicht wäre, mit Fokus auf die Problematik einfacher Regulierung und Kulanz, die Brauchbarmachung eines harten Kriteriums. Dieser Ansatz kann als Gegenmodell zur Unbestimmtheit des Ex-Gratia-Begriffs gesehen werden, wenn er auch der gleichen Interessenwertung folgt. Zu diesem Zweck setzt er an der rechtlichen Qualifikation der Kulanzleistung an und postuliert, dass die Folgepflicht den Rückversicherer treffe, wenn der Erstversicherer sich mit seiner Regulierung selbst binde. Im umgekehrten Fall – und dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Erstversicherer explizit ohne Anerkennung einer Rechtspflicht105 leistet – wäre der Rückversicherer nicht verpflichtet, Folge zu leisten. Zuzugeben ist dieser Ansicht lediglich, dass der Erstversicherer hierdurch zu erkennen zu geben scheint, dass er selbst nicht von einer Leistungspflicht ausgeht. In Entsprechung mit den Überlegungen zum Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen des Erstversicherers würde man hier also ebenfalls auf die rechtliche Einschätzung des Erstversicherers in Bezug auf seine Leistungspflicht rekurrieren.106 Leistet der Erstversicherer allerdings (explizit) ohne Anerkennung einer Rechtspflicht leitet ihn hierbei ein für die Rückversicherungsdeckung nicht relevantes Motiv: Er kam in seiner Regulierungsentscheidung zu dem Ergebnis, 101 Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 43; als Beispiel für eine solche Deklarierung siehe die Entscheidung des High Court of Justice in Faraday Capital Ltd v. Copenhagen Reinsurance Co Ltd [2007] Lloyd’s Rep IR 23, 1 ff.; im Weiteren bspw. unter dem Gesichtspunkt, dass dem Erstversicherer Nachteile drohen, wenn er dem Versicherungsnehmer nicht anzeigt, dass er aus Kulanz leistet, VerBAV 84, 152 und Glauber, VersR 1994, S. 1405 (1405 f.). 102 Nachweise bei Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 805 Fn. 142. 103 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 805 f. 104 Siehe im Gesamten Kapitel 7 (S. 259 ff.). 105 Siehe OLG Düsseldorf, VersR 1968, S. 447 (448). In Bezug auf den Begriff der Kulanz oben S. 24 ff. 106 Vgl. die Ausführungen zum Begriff ex gratia im Rahmen von Lösung 2 auf S. 107 ff.
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dass es im Wege einfacher Regulierung ökonomisch sinnvoll ist, dem Versicherungsnehmer entgegenzukommen – beispielsweise um ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Verweist er in diesem Zug auf das Nichtbestehen einer rechtlichen Verpflichtung findet dies seine Begründung darin, dass er sich nicht dem Argument des Versicherungsnehmers ausgesetzt sehen will, er hätte durch die Leistung seine eigene Leistungspflicht – in Form eines Anerkenntnisses – eingestanden.107 Dies ist insbesondere für den Fall elementar, in dem der Erstversicherer trotz der vorherigen Ankündigung nicht »leistet«, beispielsweise weil im Zuge weiterer Untersuchungen eine ablehnende Regulierung sinnstiftend ist.108 Der Vorbehalt dient daher allein dazu, den Anspruch des Versicherungsnehmers nicht durch eine entgegenkommende, einfache Regulierung zu determinieren.109 Auch der Rückversicherer profitiert hiervon, da es mit dem Hinweis auf die nichtbestehende Rechtspflicht zur Leistung nicht zu einem Schaden des Erstversicherers und daher auch nicht zu einer Inanspruchnahme des Rückversicherers kommt. Diese Abwandlung ist somit ebenfalls abzulehnen. 6. Ex-Gratia-Leistungen als Vertrag zulasten des Rückversicherers? Ex-Gratia-Leistungen sind verschiedentlich, vor dem Hintergrund der sie vermeintlich tragenden Motive und ihrer Einordnung als Leistung auf »dem Grunde nach nicht bestehende Ansprüche des Versicherungsnehmers«, als Vertrag zulasten Dritter, d.h. zulasten des Rückversicherers, bezeichnet worden. Diese Einordnung erscheint zunächst naheliegend, beschreibt sie doch untechnisch die in einer weiteren Leistungspflicht des Rückversicherers zum Ausdruck kommende Risikozuweisung. Diese Argumentation spricht – folgte man der diese Ansicht vertretenden Literatur und ungeachtet der bereits aufgezeigten terminologischen Schwierigkeiten – jedenfalls gegen eine Leistungs-
107 Siehe zur rechtlichen Problematik der Kulanzzusage allgemein, insb. OLG München, NJW 2011, S. 1369 (»Eine Kulanzvereinbarung ist in der Regel rechtlich bindend, wenn sie zur Vermeidung eines Rechtsstreits getroffen wird«); zudem BGH, NJW 2009, S. 1141 (Abgrenzung zur Gefälligkeit); OLG Koblenz, NJW-RR 1992, S. 760; OLG Frankfurt, ZGS 2006, S. 476; Palandt/Grüneberg, BGB, Einl v § 241 Rn. 7. 108 Vgl. aber die Verpflichtung des Erstversicherers zu einer selbstbindenden Erklärung, die früher in § 11 AUB für die Unfallversicherung enthalten war. Diese hatte allerdings ebenfalls nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer einen Anspruch zu verschaffen, sondern diente lediglich der Beschleunigung des Verfahrens. 109 Eine vorgeschaltete rechtliche Determinierung ist aufgrund eines entsprechenden Rechtsbindungswillens indes in Schadensfeststellungsverträgen und Entschädigungsvereinbarungen zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer zu sehen, siehe hierzu Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (651, umfassend 599 ff. und 650 ff.); vgl. schon Ehrenzweig, Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, S. 285 (Fn. 1).
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pflicht des Rückversicherers im Fall einer Ex-Gratia-Leistung des Erstversicherers.110 Hierdurch ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, ob es sich bei der Ex-Gratia-Leistung um einen Vertrag zulasten des Rückversicherers handelt. Zunächst soll hierfür an die Definition des Vertrages zulasten Dritter angeknüpft werden. Das Rechtskonstrukt selbst ergibt sich aus der Relativität der Schuldverhältnisse111 und ist daher notwendiges Korrelat zur Privatautonomie. Der Vertrag zulasten Dritter ist in Abgrenzung zu § 328 BGB ein zwischen zwei Parteien geschlossener Vertrag, der eine belastende Wirkung für den Dritten hat und nicht lediglich einen Reflex darstellt.112 In Bezug auf das Rückversicherungsverhältnis ist sowohl die derart beschriebene belastende Wirkung fraglich als auch die Position des Dritten, d.h. des Rückversicherers. Es ist, so eine Vereinbarung zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer jedenfalls mittelbar eine Leistungspflicht des Rückversicherers herbeiführt, Bestandteil des Rechtsinstituts (des Vertrages zulasten Dritter), dass der Dritte im engeren Sinn nicht Vertragspartner ist, im Weiteren aber auch, dass er dieser belastenden Wirkung nicht zugestimmt hat – bzw. mit den Worten des Bundesgerichtshofs, sie nicht »autorisiert« hat 113 . Eine Zustimmung ist jedoch im Rückversicherungsvertrag selbst zu sehen, dessen Wesen der Grundsatz freier Geschäftsführung und der Folgepflicht entspricht114. Unabhängig davon ist jedoch das Folgende ausschlaggebend, die Einordnung als Vertrag zulasten Dritter a priori abzulehnen. Ein Erstversicherungsvertrag statuiert niemals selbst eine Leistungspflicht des Rückversicherers. Diese ist gerade nicht Gegenstand der Vereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Erstversicherer. Vielmehr kann in deren Kommunikation je nach Ausgestaltung allenfalls 115 eine Vereinbarung über die Leistungspflicht des Erstversicherers gesehen werden.116 Auch die »Vereinbarung« einer Ex-Gratia-Leistung hat nicht schon die Regelung des Rückversicherungsverhältnisses zum Gegenstand. Erst die gesonderte Vereinbarung zwischen Erst- und Rückversicherer (der Rückversicherungsvertrag) führt im Zusammenspiel mit der 110 Angedacht bei Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 78. 111 Beispielhaft Palandt/Grüneberg, BGB, Einl v § 241 Rn. 5. 112 Palandt/Grüneberg, BGB, Einf v § 328 Rn. 10. 113 BGH, NJW 2004, S. 3326 (3327). 114 Siehe oben S. 77 ff. und S. 81 ff. 115 Zum Vergleich als Regulierungsart siehe S. 32 f. 116 Ein Durchgriff des Erstversicherungsnehmers auf den Rückversicherer ist nach ganz h.M. nicht möglich. So zur älteren Literatur und Rechtsprechung zusammenfassend Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 503 Fn. 453, zur neueren Literatur zusammenfassend Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 203; betreffend das deutsche Recht bereits der historische VVG-Gesetzgeber (»Die Rückversicherung gewährt dem ersten Versicherungsnehmer keine unmittelbare Deckung […]«), siehe Motive zum VVG 1908, S. 245.
C. Lösung 2: Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen – neologischer Ansatz
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Vereinbarung im Erstversicherungsverhältnis zu einer belastenden Wirkung des Rückversicherers.117 Ein Vertrag zulasten Dritter kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn durch den Vertrag unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten entstehen soll.118 Hier kann dann allerdings lediglich von einem Reflex gesprochen werden, der die Einordnung als Vertrag zulasten Dritter ausschließt.119 Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch unterlaufen, dass der Rückversicherungsvertrag vor oder auch nach der Vereinbarung im Erstversicherungsverhältnis geschlossen worden sein kann. Im zweitgenannten Fall stellt sich die Problematik gar nicht erst, im erstgenannten ist ebenso der zuvor geschlossene Rückversicherungsvertrag allein Basis für die Leistungspflicht des Rückversicherers. Selbst bei Bevorzugung dieses Begriffs, trotz der damit einhergehenden definitorischen Problematiken, ist die Ex-Gratia-Leistung als solche nicht schon ein Vertrag zulasten des Rückversicherers mit der Folge, dass dieser hierdurch per se nicht folgepflichtig werden kann. Vielmehr ist auch nach allen skizzierten Interpretationsarten des Begriffs ex gratia hierin keine den Rückversicherer belastende Wirkung zu sehen. Dies erklärt sich bereits durch die abzulehnende Qualifikation als »Vertrag« zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer, da Ersterer regelmäßig seine Leistungspflicht bestreitet und darauf verweist, dass er jedenfalls ohne Anerkennung einer Rechtspflicht leiste.120 Umso mehr noch ist es gerade Wesensmerkmal der Folgepflicht, dass der Erstversicherer durch sein Regulierungsverhalten eine Bindung des Rückversicherers herbeiführt. IV. Stellungnahme: Untauglichkeit des Begriffs Für den Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen des Erstversicherers ist daher Folgendes festzuhalten: Der Begriff selbst ist nicht derart klar umrissen, dass er einer rechtssicheren Abgrenzung zu anderen Regulierungsarten dienlich ist.121 Die Bedeutung und Reichweite des Begriffs ist zudem weder gesetzlich noch vertraglich vorgegeben oder durch Literatur und Rechtsprechung unisono gestaltet. Eine Umschreibung des Begriffs kann sich nicht an dem Merkmal »dem Grunde nach nicht bestehender Anspruch des Versicherungsnehmers« oder an den Motiven des Erstversicherers orientieren, da terminologische Unklarheiten des Begriffs ex gratia lediglich durch weitere rechtsunsichere Alternativen ersetzt werden. Unbestimmte Rechtsbegriffe wie die gerne benannte 117 So im Ergebnis auch Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 78. 118 BGH, NJW 2004, S. 3326 (3327). 119 Vgl. BGH, NJW 2004, S. 3326 (3327). 120 Ehrenzweig, Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, S. 285 (Fn. 1). 121 Entgegenzutreten ist daher Katschthaler, der fordert, dass der Vergleich von Ex-Gratia-Leistungen »streng zu unterscheiden« sei, ZfV 2008, S. 710 (711).
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
»ordnungsgemäße« Geschäftsführung werden daher lediglich mit einem weiteren unbestimmten, neologischen Rechtsbegriff beschrieben, der nicht zur Lösung des Problems beiträgt, sondern schlicht im neuen terminologischen Gewand auftritt.122 Darüber hinaus stellen die Vertreter dieser Ansicht mit der Verwendung von ex gratia durch die Mehrdeutigkeit des Begriffs auf den konkreten Einzelfall ab. Dieser Bezugspunkt sollte jedoch bereits aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtseinheitlichkeit nicht Teil einer allgemeinen Übung sein.123 Der Begriff selbst ist daher untauglich zur Bestimmung der Grenzen der Folgepflicht. Auch lässt der Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen, abgesehen von den terminologischen Schwierigkeiten in Bezug auf die Interessengerechtigkeit Raum für Kritik. Kothris bezeichnet ihn gar als unbillig dem Erstversicherer gegenüber.124 Steinrisser geht davon aus, dass die pauschale Versagung der Folgepflicht im Fall von Ex-Gratia-Leistungen nicht einer kontinentaleuropäischen Ansicht zur Folgepflicht entspricht.125 Dieser neologische Ansatz ist somit nicht nur in hohem Maße rechtsunsicher, sondern verfehlt auch die an die Folgepflicht gerichteten Zwecke eines vereinfachten und dadurch effektiven Rückversicherungsschutzes, der nicht eine De-novo-Überprüfung der Leistungspflicht des Erstversicherers zum Gegenstand hat. Auch der Rückversicherungsbranche ist daher von der Verwendung des Begriffs abzuraten – selbst wenn sie eine zielführende Ex-Gratia-Definition in den Vertrag aufnähme.126
D. Lösung 3: Begrenzung auf die gewöhnliche Geschäftsführung »Auch hier hat der Erstversicherer wie bei jeder Geschäftshandlung, die er vornimmt, die erforderliche, also jede Sorgfalt anzuwenden.«*
Einer anderen Ansicht zufolge soll die Folgepflicht des Rückversicherers lediglich für die Regulierung des Erstversicherers gelten, welche sich als »normales Geschäft« bzw. als »gewöhnliches Geschäftsverfahren« darstellt.127 Mit Unterschieden lediglich in der begrifflichen Umschreibung vertritt Pfeiffer die Aus den gleichen Gründen ablehnend Heinze, VW 2014, S. 40 (40 f.). Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 804 Fn. 139. 124 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 145 f. 125 Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 41. 126 Die zwingende Voraussetzung einer Leistungspflicht des Erstversicherers könne im Gegensatz dazu im anglo-amerikanischen Rechtsraum durch die spezifische Klausel follow the liability ausgedrückt werden, Hoffman, 33 Tort & Insurance Law Journal 1997, S. 1 (61). * Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 309. 127 So Garobbio, Über die Rückversicherung, S. 117 ff. m.w.N.; Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 309 f. 122 123
D. Lösung 3: Begrenzung auf die gewöhnliche Geschäftsführung
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Notwendigkeit der Einhaltung gesunder Geschäftsgrundsätze zur Auslösung der Folgepflicht des Rückversicherers.128 Nach Echarti/Labes beziehe sich die Folgepflicht von vornherein nur auf Risiken, die der Reichweite des Versicherungsvertrages unterfallen, weshalb ungewöhnliche Risiken vor dem Hintergrund des »sachlichen oder geographischen Deckungsbereichs« zu sehen seien.129 Als erstmaliger Vertreter dieses Zugriffs ist Herrmannsdorfer zu sehen. Ihm zufolge bedürfe es einer derartigen Einschränkung aufgrund einer Schutzbedürftigkeit des Rückversicherers, der ansonsten einem Erstversicherer gegenüberstünde, der »bei der Schadenregulierung völlig souverain« agieren könne.130 Im Weiteren sei ein Selbstbehalt des Erstversicherers als alleiniges Korrektiv ungeeignet, da dieser im Verhältnis zu dem durch den Rückversicherer getragenen Teil zu gering sei.131 Der Erstversicherer könne so eine »außerordentlich billige Reklame« auf Kosten des Rückversicherers betreiben. 132 Herrmannsdorfer begründet diesen Ansatz dogmatisch durch eine § 62 VVG a.F. 133 entlehnte Rettungspflicht, 134 die den Erstversicherer als »Versicherungsnehmer« des Rückversicherers treffe. Als eine Ausprägung dieser Rettungspflicht beschreibt er die Pflicht, »unberechtigten oder übertriebenen Ansprüchen seines Versicherungsnehmers entgegenzutreten«.135 Auf diese dogmatische Anknüpfung wird im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und Wertungen für die Folgepflicht einzugehen sein.136 Betreffend die Frage, was vor dem Hintergrund der Folgepflicht unter »gewöhnlicher Geschäftsführung« des Erstversicherers zu verstehen ist, spricht sich Herrmannsdorfer für den weiten Verschuldensmaßstab des § 276 BGB aus, sodass auch eine fahrlässige »ungewöhnliche Geschäftsführung« den Rückversicherer von seiner Folgepflicht befreien würde.137 Diese Einordnung wird ausdrücklich als Abkehr von noch vorzustellenden Ansichten, die ein Ent-
Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 25. Bruck/Möller/Echarti/Hu. Labes, VVG Bd. 11, § 209 Rn. 65. 130 Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 309. 131 Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 309 f.; siehe im Weiteren Kapitel 8 (S. 301 ff.). 132 Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 310. 133 Heute unverändert betreffend den Umfang der Obliegenheiten § 82 VVG, siehe BTDrs. 16/3945, S. 80. 134 Die Pflicht zur Abwendung und Minderung des Schadens. 135 Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 311. 136 Siehe Kapitel 6 (S. 211 ff.). 137 Herrmannsdorfer spricht allerdings auch von einer in diesem Fall greifenden Schadensersatzpflicht des Erstversicherers gegenüber dem Rückversicherer (Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 311). Darüber hinaus würden weitere Rechtsfolgen greifen; auch Garobbio, Über die Rückversicherung, S. 120. 128 129
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
fallen der Folgepflicht lediglich bei grob-fahrlässig oder vorsätzlich fehlerhafter Geschäftsführung annehmen,138 beschrieben.139 Er stellt sich damit auch explizit gegen Ehrenberg, der für die Folgepflicht nach Eintritt des Versicherungsfalls eine weitere Ansicht vertritt.140 Gleichzeitig stimmt Herrmannsdorfer damit nicht – jedenfalls nicht explizit – mit Forderungen derer überein, die die Leistungspflicht des Erstversicherers zur Voraussetzung für die Folgepflicht des Rückversicherers erklären141.142 Eine Leistung des Erstversicherers trotz einer fehlenden Leistungspflicht soll auch hiernach allerdings keine »gewöhnliche Geschäftsführung« darstellen. So ist auch Pfeiffer zu verstehen, der die Folgepflicht nur greifen lassen will »insoweit, als das von einem Schaden betroffene Risiko von der Police gedeckt wird und deshalb unter den Rückversicherungsvertrag fällt«.143 Was dies im Einzelnen zur Folge hat, bleibt indes offen. Die Ansicht ist insbesondere deshalb problematisch, da hiermit eine vermeintlich objektive Anknüpfung bemüht wird, um die Grenzen der Folgepflicht zu bestimmen. Allein, dass sich der Rückversicherer in die Hände des Erstversicherers gibt und hierdurch ein Missbrauchspotential generiert wird, ist nicht schon aus diesem Grund problematisch. Denn die Abhängigkeit der Rückversicherung von der Geschäftsführung des Erstversicherers liegt in der Natur der Sache. Legte man den Maßstab des § 276 BGB zugrunde, stünde der Erstversicherer für jegliche Abweichung von gewöhnlicher Geschäftsführung ein. Eine solche Abweichung kann sich jedoch auch für den Rückversicherer vorteilhaft auswirken. Umgekehrt könnte man daher sagen, ein solcher Zuschnitt der Folgepflicht führt dazu, dass der Erstversicherer seine Rückversicherungsdeckung vollständig in die Hände des Rückversicherers und dessen Ex-post-Betrachtung legt. Hierdurch werden jedoch die Effektivitätsvorteile des Instruments »Rückversicherung« ab initio verhindert. Einem solchen Ansatz ist schon aus diesen Gründen nicht zu folgen.
138 So bspw. das explizit in Bezug genommene Urteil des Reichsoberhandelsgerichts (ROHG 24, S. 390). Auf dieses wird unten auf S. 137 ff. eingegangen werden. 139 Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 309. 140 Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 308; siehe zur Ansicht Ehrenbergs sogleich. 141 Siehe insb. die sog. Scor provisos und die englische Judikatur, welche auf S. 176 ff. beschrieben werden. 142 Vgl. Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 307 ff. 143 Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 25.
E. Lösung 4: Begrenzung durch das Interesse des Rückversicherers
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E. Lösung 4: Begrenzung durch das Interesse des Rückversicherers »Andererseits muss das Interesse des Rückversicherers berücksichtigt werden.«*
Auch Kothris geht für die Eingrenzung der Folgepflicht in einem ersten Schritt von einem Element der »guten Praxis« aus.144 Er unterteilt die Folgepflicht zunächst in policenmäßige Zahlungen und nicht-policenmäßige Zahlungen. 145 Allerdings sind bereits diese beiden Tatbestände nicht derart trennscharf voneinander abzugrenzen, wie es der erste Anschein andeutet. 146 Jedenfalls die Höhe wird hier zumeist in Zweifel stehen, sodass die Unterscheidung in policenmäßige und nicht-policenmäßige Zahlungen bereits nicht zur Klärung beiträgt.147 Weiterhin soll nach Kothris für policenmäßige Zahlungen, d.h. solche, bei welchen der Erstversicherer zur Leistung gegenüber dem Versicherungsnehmer verpflichtet ist, unbestritten eine Bindungswirkung, d.h. eine Folgepflicht des Rückversicherers bestehen. Demgegenüber seien nicht-policenmäßige Zahlungen in vier Fallgruppen mit unterschiedlicher Bindungswirkung für den Rückversicherer zu unterteilen.148 Diese Fallgruppen bestünden aus: (in Bezug auf den jeweiligen Versicherungszweig) usancemäßige Zahlungen (Folgepflicht bei feststehender Usance und wenn objektiv technisch und geschäftlich richtig); 149 Zahlungen wegen fehlender Sorgfalt des Erstversicherers (Folgepflicht entfällt bei vorsätzlich oder grob-fahrlässiger Sorgfaltsmissachtung);150 Zahlungen zur Vermeidung eines Prozesses (Folgepflicht bei sorgfältiger Beratung mit Sachverständigen);151 Kulanzzahlungen, d.h. nach Auffassung von Kothris Ex-Gratia-Leistungen152 (Folgepflicht, wenn im Einklang mit guter Praxis des Versicherungszweigs und wenn erreichbarer Vorteil des Erstversicherers auch dem Rückversicherer zugutekommt)153. Kothris begründet diese Unterteilung mit der Überlegung, dass die Fallgruppen sich hinsichtlich des mit ihnen erreichbaren Vorteils, der für
Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 141. Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 141. 145 Siehe auch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 802 f. 146 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 803. 147 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 803. 148 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 139 ff. 149 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 142. 150 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 142 f. 151 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 143. 152 Siehe zur mit diesem Begriff einhergehenden Problematik soeben auf S. 111 ff. 153 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 143 ff. *
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
eine Bindungswirkung auch dem Rückversicherer zugutekommen müsse, unterscheiden.154 Mit dieser Einteilung verbunden ist gleichsam die Feststellung, dass die vier unterschiedlichen Fallgruppen ebenso viele unterschiedliche Auswirkungen auf die Folgepflicht haben. Sie lassen sich zur besseren Übersicht wie folgt darstellen: Art der Regulierung
Folgepflicht, wenn
Usancemäßige Zahlung
Feststehende Usance und wenn objektiv technisch und geschäftlich richtig
Fehlende Sorgfalt des Erstversicherers
Sorgfaltsmissachtung nicht vorsätzlich oder grob-fahrlässig
Vermeidung eines Prozesses
Sorgfältige Beratung mit Sachverständigen
Kulanzzahlungen
Gute Praxis des Versicherungszweigs und wenn Vorteil des Erstversicherers auch dem Rückversicherer zugutekommt
Diese Ansicht verursacht allerdings mehr Abgrenzungsprobleme als sie zur Lösung des Interessenwiderstreits zwischen Erst- und Rückversicherer beiträgt. Zum einen ist auf der ersten Ebene die Abgrenzung des Verhaltens des Erstversicherers im Rahmen seiner Regulierung mit Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden. Der Erstversicherer kommt dem Versicherungsnehmer im Sinne einer Kulanzzahlung auch dann entgegen, wenn er zur Vermeidung eines Prozesses einen Vergleich mit ihm schließt.155 Dem vorgeschaltet, kann er bei der Bewertung des Versicherungsfalls nicht die gebotene Sorgfalt angewandt haben. Auch kann dieser Vergleich gleichsam eine usancemäßige Zahlung darstellen. Es stellt sich daher bereits auf dieser ersten Ebene die Frage nach der Abgrenzung der Fallgruppen. Auf der zweiten Ebene sind die Konsequenzen für die Bindungswirkung der Regulierung nur schwer greifbar und zudem willkürlich. Auch diese Unterteilungen führen dazu, dass regelmäßig eine Effektivität der Rückversicherung durch verschiedenartige Überprüfungen nicht mehr gewährleistet ist. Allen Kriterien wohnt ein Moment der Rechtsunsicherheit inne, beispielsweise hinsichtlich der Frage, wann eine Usance als feststehend zu bewerten ist, wann eine Zahlung objektiv technisch und wann sie geschäftlich richtig ist. Zu begrüßen ist zwar der Ansatz, eine Konkretisierung der Grenzen der Folgepflicht herbeizuführen, es handelt sich aber um eine Mehrzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen, die gepaart mit den Schwierigkeiten auf der ersten Ebene ein erhebliches Maß der Rechtsunsicherheit hinterlassen. Diese hohe Ausfüllungsbedürftigkeit der Begriffe führt im Streitfall auch bei einer gerichtlichen oder 154 155
Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 142. Dies folgt aus den terminologischen Feststellungen auf S. 36 f.
E. Lösung 4: Begrenzung durch das Interesse des Rückversicherers
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schiedsgerichtlichen Entscheidung zwangsläufig zu unbefriedigenden und unangemessenen Ergebnissen, da mit ihr eine Uneinheitlichkeit in der Rechtsfindung einhergeht. Und für die Regulierungsentscheidung des Erstversicherers ergibt sich kein anderes Bild: Er kann hiernach nur schwerlich prognostizieren, ob sein Rückversicherer seinen Entscheidungen folgen wird. Das gleiche Phänomen lässt sich auch in der vierten Fallgruppe beobachten, wenn zum einen festgestellt werden muss, was unter guter Praxis des Versicherungszweigs zu verstehen ist und welches Maß der Deckungsgleichheit der Vorteilhaftigkeit der Regulierung für Erst- und Rückversicherer gelten soll. Schließlich ist festzuhalten, dass Kothris die Begründung für seine Unterteilung in Fallgruppen und die daran geknüpften, unterschiedlichen Ausprägungen der Folgepflicht schuldig bleibt. Bereits erörtert wurden neben den Schwierigkeiten der terminologischen Abgrenzung auch die nicht eindeutig benennbaren Unterschiede in der Wertung der Regulierungsarten. Vielmehr ist Prämisse der Untersuchung – und auch der Beurteilung der Ansichten zur Folgepflicht –, dass die Regulierungsarten auch vor dem Hintergrund ihrer potentiellen rückversicherungsrechtlichen Konsequenzen (unter Ausklammerung des Urteils) jedenfalls nicht nach ihrer Rechtsnatur unterschieden werden können.156 Die Regulierungsentscheidung muss dem Erstversicherer in seinem Regulierungsermessen überlassen bleiben. Eine wertungsmäßige Abgrenzung der Regulierungsarten darf daher auch nicht für die Bestimmung der Folgepflicht erfolgen. Die von Kothris ausgebrachten Fallgruppen sind im Ganzen nicht in diesem Sinne wertungsneutral, darüber hinaus impraktikabel und schließlich ohne Entsprechung in Rechtsprechung und Praxis der Rückversicherung. Diese Ansicht ist daher abzulehnen. Eine Fokussierung der Begrenzung der Folgepflicht auf Fälle der Interessenidentität zwischen Erst- und Rückversicherer ist – auch ohne eine Unterteilung in Fallgruppen – versucht worden. Einen solchen Ansatz vertritt beispielsweise Steinrisser157. Eine Interessenidentität könne so auch im Fall einer ExGratia-Leistung vorliegen, wenn der sich aus der Leistung ergebende Vorteil für den Erstversicherer ebenfalls einen Vorteil für den Rückversicherer darstellt.158 Unabhängig von der bereits benannten Kritik an dem Begriff ex gratia ist ein eigenständiges 159 Kriterium der Parallelität der Interessenlagen von Erst- und Rückversicherer zu verwerfen. Sie wird auch bei Gerathewohl mit Verweis auf die jedenfalls nicht grundsätzlich parallele Interessenlage bei Erst-
Siehe insb. S. 100 ff. Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 44, 55. 158 Siehe soeben die Ansicht von Kothris; weitere Nachweise bei Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 805 Fn. 142. 159 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Interessenlage ohne Einfluss auf die Auslegung der Folgepflicht bleibt. Sie wird in Kapitel 7 einer ausführlichen Betrachtung zugeführt (S. 259 ff.). 156 157
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
und Rückversicherer abgelehnt. 160 Im engeren Sinn wird hiermit die Frage nach der Vorteilhaftigkeit von »Kulanzzahlungen« für den Rückversicherer gestellt. An geschäftspolitischen Erwägungen des Erstversicherers partizipiere der Rückversicherer jedenfalls »nicht vollinhaltlich«.161 Allerdings wird eine Folgepflicht auch im Fall von Ex-Gratia-Leistungen angenommen, wenn die Geschäftsbeziehung langfristiger und kontinuierlicher Natur ist.162 Dieses Kriterium ist jedenfalls Ausdruck einer tauglichen Interessenwertung zwischen Erst- und Rückversicherer, wenn auch die Frage der Eingrenzung fraglich bleibt. Die Problematik einer Interessenidentität – in Bezug auf jede entgegenkommende Regulierung – muss jedoch an dieser Stelle ausgeklammert werden und erfordert eine vertiefte Behandlung der Interessenlagen.163
F. Lösung 5: Begrenzung auf die redliche Geschäftsführung »Vulgi opinio mutari vix potest.«*
Lösung 5 sieht eine Begrenzung der Folgepflicht auf die redliche Geschäftsführung bzw. die redliche Regulierung des Erstversicherers vor. Diese Ansicht ist zunächst naheliegend, will man die Folgepflicht nicht von schein-objektiven Maßstäben abhängig machen. Sie ergibt sich bereits aus der Komplexität der Regulierung in der Erstversicherung, die neben einer entsprechenden Rechtskenntnis auch die Tatsachenevaluierung und die Geschäftspolitik des Erstversicherers erfasst. Abstrakt ließe sich die Zweckrichtung dieser Lösung daher wie folgt beschreiben: Der Erstversicherer ist als solcher zur Regulierung im Erstversicherungsverhältnis berufen und soll diese nach seinem Ermessen, d.h. als Ausprägung seiner freien Geschäftsführung, gestalten können. Der Rückversicherer hingegen ist nicht Erstversicherungsvertragspartei und darf sich daher nur in Grenzen anmaßen, die Zweckmäßigkeit der Regulierung zu beurteilen. Diese Grenze besteht dort, wo der Erstversicherer den Bereich redlicher Geschäftsführung verlässt. Auch hier wird die Redlichkeit wie die »Gewöhnlichkeit« der Geschäftsführung in Lösung 3 nicht von irrationalen Beweggründen getragen werden können. Vielmehr wird der subjektive Zugriff durch ein objektives Kriterium als Korrektiv ergänzt. Dieser Ansatzpunkt hat eine ungleich Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 805 f. Isenbart, VW 11/2015, S. 44 und Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 79. 162 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 79. 163 Siehe umfassend in Kapitel 7 (S. 259 ff.). * Marcus Tullius Cicero, Topica 73: »Die Meinung der breiten Menge (sprich: ›h.M.‹) lässt sich kaum ändern« [Übersetzung d. Verf.]; abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 400. 160 161
F. Lösung 5: Begrenzung auf die redliche Geschäftsführung
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größere Vorgeschichte als andere Lösungen. Diese soll im Folgenden dargestellt werden und dem umfassenden Verständnis des Kriteriums der Redlichkeit der Geschäftsführung dienen. Im Ganzen kann dieser Ansatz als herrschende Meinung zur Folgepflicht nach deutschem Recht bezeichnet werden, wenn auch im Einzelnen Unterschiede bestehen. I.
Zu den Ursprüngen des Lösungsansatzes
1. Im französischen Recht – Émérigon Erstmalige Vertreter dieser Ansicht finden sich nicht nur in der juristischen Literatur nach dem Erdbeben von San Francisco 1906164, welches vielfach Forderungen nach einer weiten Folgepflicht des Rückversicherers laut werden ließ. Prominent wurde diese Ansicht von verschiedenen Autoren bereits im 19. Jahrhundert vertreten. Zurückzuführen ist sie auf Émérigon, der bereits 1783 konstatierte, dass der rückversicherte Erstversicherer in seiner Regulierung procurator in rem suam sei, er also in seiner Geschäftsführung gegenüber dem Versicherungsnehmer nur seinem eigenen Ermessen unterliege. 165 Der Erstversicherer sei somit im Hinblick auf die Folgepflicht des Rückversicherers lediglich zu einer Geschäftsführung nach Treu und Glauben verpflichtet.166 Als Beispiel für das Greifen der Folgepflicht nennt Émérigon einen betrügerischen Versicherungsnehmer, dessen Schaden der Erstversicherer nach Treu und Glauben ersetzt. In diesem Fall sei der Rückversicherer nach wie vor zur Leistung verpflichtet.167 Émérigon erfindet hiermit allerdings keinen neuen Grundsatz, sondern leitet diesen aus Entscheidungen französischer Gerichte ab. Denn bereits 1674 entschied ein Pariser Schiedsgericht, dass sich die Haftung des Rückversicherers nach dem Originalschaden der Erstversicherung richte168 und ein Vergleich zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer auch dem Rückversicherer zugutekommen solle.169 Nachfolgend urteilte das Gericht der Admiralität zu Marseille 1748 und 1780 zwar gegenteilig, dass der Erstversicherer einen Anspruch auf die gesamte Rückversicherungssumme ohne
164 Zum Erdbeben von San Francisco oben S. 45 ff. und ausführlich Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 68 ff. 165 Émérigon, Treatise on Insurances, übersetzt von Meredith, S. 276 (Chapter XI, Section IX). 166 Émérigon, Treatise on Insurances, übersetzt von Meredith, S. 276 (Chapter XI, Section IX). 167 Émérigon, Treatise on Insurances, übersetzt von Meredith, S. 276 f. (Chapter XI, Section IX). 168 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 724. 169 Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 68, 71 ff.
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
Abzüge habe – unabhängig davon, wie viel er selbst zu leisten hatte oder geleistet hat.170 Diese Entscheidungen wurden jedoch im Nachgang als nicht dem Wesen der Rückversicherung entsprechend beurteilt.171 Grundlage für den Standpunkt von Émérigon waren daher auch unterschiedlich formulierte Rückversicherungsklauseln wie die Folgenden, welche er diesen französischen Urteilen entnahm; sinngemäß: »1. […] without the said reassured being bound to other proof, in case of wreck or loss, than showing acquittance for the payment of the said risk, by express agreement. 2. […] without the said reassured being bound to proof of the said risk, other than the simple acquittance for the payment, which the [insurers] shall have made thereon in case of loss.«172
Hinreichend für den Anspruch des Erstversicherers gegen den Rückversicherer auf Leistung sollte demnach allein der Nachweis der Leistung an den Versicherungsnehmer sein, aber nicht der Nachweis der Leistungspflicht173. Diese Ansicht kann als weiter Zuschnitt der Folgepflicht verstanden werden. Das Korrektiv hierzu bildete gemäß Émérigon nachgeschaltet ein Element der Redlichkeit.174 Hingegen bleibt in diesem Stadium noch unklar, welcher Maßstab an die Redlichkeit der Geschäftsführung zu legen ist. 2. Im US-amerikanischen Recht – Supreme Court of New York, August 1805 Bereits 1805 hatte der Supreme Court des US-amerikanischen Bundesstaates New York über die Auslegung eines Rückversicherungsvertrages zu entscheiden. Das Urteil Hastie and Patrick v. De Peyster and Charlton hatte zwei Streitfragen zum Gegenstand, die beide mit dem Umfang der Haftung des Rückversicherers überschrieben werden können. Die zweite Streitfrage betreffend den Umfang der Leistungspflicht des Rückversicherers in Bezug auf Prozesskosten und Zinsen wurde unproblematisch bejaht175 und soll in die weitere Darstellung des Urteils keinen Eingang finden176. In Bezug auf die Frage der Voraussetzungen der Leistungspflicht des Rückversicherers wurde eine lediglich durch Treu und Glauben des Erstversicherers beschränkte Folgepflicht des Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 724. Gerathewohl bezeichnet die Entscheidungen als unzutreffend, in Rückversicherung Bd. 2, S. 724; Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 68, 74. 172 Émérigon, Treatise on Insurances, übersetzt von Meredith, S. 277 (Chapter XI, Section IX) mit weiteren Klauseln; im Original (Émérigon, Traité des Assurances Bd. 1, S. 342, Chapitre XI, Section IX): »1. Sans que ledit assuré soit soumis á autre justification, en cas de sinistre ou perte, que de rapporter la quittance du paiement dudit risque, de pacte exprés. 2. Sans que ledit sieurs assurés soient obligés de justifier dudit risque d'assurance, que par la seule quittance du paiement que lesdits sieurs Gilly fréres an auront fait en cas de sinistre«. 173 Insb. in Abgrenzung zum absoluten Ansatz von Lösung 1 S. 104 ff. 174 Émérigon, Treatise on Insurances, übersetzt von Meredith, S. 276 f. (Chapter XI, Section IX). 175 Hastie and Patrick v. De Peyster and Charlton [1805] 3 Caines Rep 190 (197). 176 Hierzu bereits oben S. 81 ff. 170 171
F. Lösung 5: Begrenzung auf die redliche Geschäftsführung
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Rückversicherers zwar mit Blick auf marktübliche Klauseln erwogen, allerdings bei fehlender entsprechender Vereinbarung im Rückversicherungsvertrag abgelehnt. Kent J nahm mangels einschlägiger US-amerikanischer, rückversicherungsrechtlicher Rechtsprechung Rekurs auf französisches Recht – und damit trotz fehlender ausdrücklicher Nennung auch auf Émérigon.177 Diese Inbezugnahme des französischen Rechts kann mangels Alternativen mit Blick auf das im kolonisierenden England geltende, langjährige (vom 1. August 1746 bis zum 25. Juli 1864) Verbot der Rückversicherung178 als allgemeine Praxis des USamerikanischen Rechts des frühen 19. Jahrhunderts bezeichnet werden. 179 Kent J formulierte: »It is, however, usual for the policy of reassurance to contain an express provision that the reassured shall only be obliged to produce the evidence of payment of the loss, and the reassurer will be bound to refund it. This special contract obliges the reassured to act with good faith, but leaves him in all other respects to his own discretion and prudence, in admitting or contesting the claim of the first insured.«180
Wie bereits von Émérigon festgestellt, waren Rückversicherungsverträge zu dieser Zeit üblicherweise so konzipiert, dass der Erstversicherer gegenüber dem Rückversicherer lediglich nachweisen musste, dass er den Schaden reguliert hatte. Zwar sollte dies nur für den Fall gelten, dass der Erstversicherer redlich, d.h. nach Treu und Glauben reguliert hatte. Abgesehen von dieser Einschränkung oblag die Regulierung allerdings dem Ermessen des Erstversicherers. Mit dieser Konstruktion der Haftung des Rückversicherers ist jedoch zunächst nur die übliche vertragliche Regelung umschrieben, welche in Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung Geltung beanspruchen soll. Wenn eine solche Klausel nicht Bestandteil des Rückversicherungsvertrages ist, solle nach Kent J hingegen Folgendes gelten: »But when no such special contract is made, and none was made in the present case, the reassurer will be obliged to pay all that the first insurer ought himself to pay; and this will impose upon the first insurer the burden of proving the existence and extent of the loss.«181
Im Gegensatz zu der noch darzustellenden englischen Rechtsprechung ist die US-amerikanische Rechtsprechung daher nicht primär durch die Entwicklung
177 So auch Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 16; Hoffman, 28 Tort & Insurance Law Journal 1993, S. 659 (669 f.). 178 Zu den Hintergründen S. 266 ff.; zu den historischen Rahmenbedingungen Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 46 f., 75. Darüber hinaus Erläuterungen bei Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 726; Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 691; Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 16. 179 Vgl. Vance, 7 Virginia Law Register 1902, S. 669 (675 f.). 180 Hastie and Patrick v. De Peyster and Charlton [1805] 3 Caines Rep 190 (194). 181 Hastie and Patrick v. De Peyster and Charlton [1805] 3 Caines Rep 190 (194).
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der Klauseln zur Haftung des Rückversicherers geprägt, sondern beruht vielmehr ab initio auf der Annahme, dass eine »Folgepflicht« bestimmten Inhalts auch ohne explizite vertragliche Vereinbarung – wenn auch mit höheren Anforderungen an die Folgepflicht – gilt.182 Entnommen werden kann dem Urteil jedoch eine Bestätigung des auf die Redlichkeit des Erstversicherers abstellenden Ansatzes. Gleichwohl bleibt fraglich, welcher Maßstab hierfür gelten soll. II. Bestätigende Rechtsprechung zum deutschen Recht Diese Quellen müssen auch von Einfluss auf die deutschen Gerichte gewesen sein, welche im ausgehenden 19. Jahrhundert zum ersten Mal mit Rückversicherungsverträgen und Fragen der Folgepflicht des Rückversicherers in Berührung kamen. Deren Urteile sind gleichsam seltene Beispiele von Richterrecht der Rückversicherung im deutschen Recht, da rückversicherungsrechtliche Streitigkeiten seit jeher Schiedsgerichte oder im Fall staatlicher Gerichtsbarkeit lediglich englische Gerichte beschäftigen183. Die in den deutschen Urteilen zum Ausdruck kommenden Überlegungen sind nicht aufgrund des absoluten Alters dieser Entscheidungen unbrauchbar. 184 Vielmehr wurde bereits beschrieben, dass das Rückversicherungsrecht auch heute noch von Literatur und Rechtsprechung geprägt ist, welche in schnelllebigen Rechtsgebieten bereits altersbedingt keinen Eingang in entsprechende Untersuchungen finden. Dies beweist eindrucksvoll die Tatsache, dass heute noch Rückversicherungsverträge bestehen, die vor den darzustellenden Urteilen geschlossen worden sind – so geht der älteste noch laufende Rückversicherungsvertrag gar auf das Jahr 1821 zurück.185 Außerdem fußt diese Beobachtung auf der dogmatischen Begründung der Folgepflicht selbst, wird in diesem Zusammenhang doch überwiegend auf Jahrhunderte alte Übungen verwiesen, welche einen Handelsbrauch darstellen sollen. Instruktiv für das Verständnis der Folgepflicht nach deutschem Recht sind daher die folgenden Gerichtsentscheidungen. Sie befürworten eine Begrenzung der Folgepflicht durch das Merkmal der Redlichkeit. Die Urteile fragen nicht, ob der Erstversicherer beispielsweise kulant gehandelt hat oder einen 182 Hierzu aus heutiger Sicht Hoffman, 28 Tort & Insurance Law Journal 1993, S. 659; gleichwohl muss sie für die weitere Betrachtung weitestgehend außer Betracht bleiben, da die englische Rechtsprechung nicht nur aufschlussreicher, sondern auch für die Rückversicherung prägend ist. Dies ist auch dem Umstand geschuldet, dass sich die US-amerikanische Rückversicherung vergleichsweise spät zu nennenswerter Größe entwickelt hat, aufschlussreich Werner, Die späte Entwicklung der amerikanischen Rückversicherungswirtschaft. 183 Die Entwicklung in der englischen Rechtsprechung wird im folgenden Kapitel dargestellt (S. 159 ff.). 184 Neuere Entscheidungen gibt es schlicht nicht, so auch Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 119. 185 Zwischen einer belgischen und einer französischen Gesellschaft, siehe Farny/Helten/ P. Koch/R. Schmidt/P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 691.
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Vergleich geschlossen hat, sondern allgemein nach der Redlichkeit des Erstversicherers betreffend seine Regulierung. Allein der Zeitpunkt der Urteile bezeugt zudem, dass diese (mehrheitlich) gerade nicht unter dem Eindruck des Erdbebens von San Francisco ergingen. Dem Vorwurf,186 die hierin zum Ausdruck kommende Weite sei als Reaktion auf die Katastrophe bzw. auf die darauf folgende öffentliche Stimmungsmache anzusehen, ist daher entgegenzutreten. 1. Die Entscheidung des Reichsgerichts vom 13. Januar 1897 Die Menge an deutschen Gerichtsurteilen zu genuin rückversicherungsvertraglichen Fragen ist sehr gering. In einem noch selteneren Fall eines Urteils eines staatlichen Gerichts über einen Retrozessionsvertrag187 klagte ein Rückversicherer (der Retrozedent) gegen den Retrozessionar auf Zahlung.188 Der Retrozessionar verweigerte die Zahlung mit dem Hinweis darauf, dass der Rückversicherer Schäden des Erstversicherers reguliert habe, zu welchen er nach dem Rückversicherungsvertrag nicht verpflichtet gewesen sein soll. 189 Konkret hatte der Erstversicherer mehrfach Anzeigepflichten gegenüber dem Rückversicherer verletzt, weshalb der Retrozessionar einwandte, »[Der Rückversicherer] habe sich einer groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht, indem [er] gewohnheitsmäßige Vertragsverletzungen [des Erstversicherers] übersehen und letztere[m] gegenüber in Fällen, in denen [er] hierzu nicht verpflichtet gewesen [ist], eine Ersatzpflicht anerkannt habe«.190
Allerdings wies der Retrozessionsvertrag aus, dass sich der Retrozessionar »in allen Fällen« der Entscheidung des Rückversicherers unterwerfe.191 Nach Ansicht des Reichsgerichts hätte dies zur Folge, »daß die Entschließungen der Klägerin in Bezug auf dasjenige, was dem gemeinsamen Interesse ersprießlich sei, für die Beklagte maßgebend sein sollten«.192
Vgl. auch die Stellungnahme in Motive zum VVG 1908, S. 502. D.h. die Rückversicherungsnahme des Rückversicherers selbst; siehe zur Anwendbarkeit der zu entwickelnden Lösungskonzepte auf die Retrozession in der abschließenden Stellungnahme (S. 355 ff.). 188 RGZ 38, S. 206. 189 Im Urteil wird von Schäden gesprochen, »die [der Rückversicherer] nach dem mit [dem Erstversicherer] geschlossenen Vertrage nicht hätte ersetzen dürfen« [Herv. d. Verf.], RGZ 38, S. 206 (208). Trotz des uneindeutigen Wortlauts, muss der Vorwurf des Retrozessionars hier mit Hinweis auf die übrige Wortwahl im Urteil als Einwand fehlender Verpflichtung des Rückversicherers interpretiert werden, siehe sogleich. 190 RGZ 38, S. 206 (209). 191 RGZ 38, S. 206 (207). 192 RGZ 38, S. 206 (208). 186 187
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Im Weiteren argumentierte es mit einem Vergleich der Interessen von Rückversicherer und Retrozessionar, welcher den Ausschlag zugunsten des Rückversicherers gebe. Das Reichsgericht beschäftigte sich zudem mit der Frage, wie weitreichend die dem Rückversicherer eingeräumte Geschäftsführungsbefugnis sei. Es führte aus, dass der Rückversicherer dem Retrozessionar gegenüber »nur insoweit verantwortlich sein sollte, als [ihm] Arglist oder ein der Arglist gleich zu stellendes grobes Verschulden zur Last fallen würde«.193
Die vorgenommene Einschränkung im Fall von Arglist oder grobem Verschulden sei darüber hinaus lediglich auf den Umstand zurückzuführen, dass auch ein freies Ermessen eine äußere Grenze finden muss.194 Die nicht-rechtzeitige Anzeige durch den Erstversicherer verpflichte den Rückversicherer zudem nicht, von einer Regulierung abzusehen. Vielmehr entschied das Reichsgericht, dass die Pflicht des Erstversicherers dem Rückversicherer lediglich das Recht gab, die Anzeige als nicht rechtzeitig anzusehen.195 Im Ergebnis urteilte das Reichsgericht, dass dem Rückversicherer weder Arglist noch grobes Verschulden anzulasten waren. Zwar ging es davon aus, dass die Regulierung des Rückversicherers gegenüber dem Erstversicherer lediglich durch das Interesse des Rückversicherers am Fortbestand des Vertrages und »mit Rücksicht auf ihren eigenen geschäftlichen Ruf«196 erfolgte, dieser Vorgehensweise läge allerdings kein grobes Verschulden zugrunde. Weitergehend konstatierte das Gericht, dass auch ein Verschulden im Übrigen nicht vorläge. Erstaunlich ist darüber hinaus, dass das Gericht zwar Zweifel an der objektiven Zweckmäßigkeit des Verhaltens des Rückversicherers äußerte, jedoch im gleichen Atemzug den in den Vorinstanzen festgestellten Zahlungsanspruch gegen den Retrozessionar bestätigte.197 Auch wenn das Urteil einen Retrozessionsvertrag zum Gegenstand hatte, sind die hierin gefundenen Ergebnisse auch für die Folgepflicht im Verhältnis zwischen Erst- und Rückversicherer beachtlich. Das Urteil betrifft gerade keine Spezifika der Retrozession, die eine Unterscheidung zur Rückversicherung bedingten. Zum anderen wurde das hierin aufgezeigte Ergebnis für die Retrozession in der Literatur bedenkenlos auch für die Rückversicherung formuliert. Damit ist die durch das Reichsgericht initiierte Lösung auch für die Rückversicherung denkbar. Nach dieser Ansicht ist daher auch eine objektive Zweckmäßigkeitserwägung jedenfalls nicht hinreichend, um die Folgepflicht des Retrozessionars zu begrenzen. Es spricht in dieser Weise insbesondere gegen Ansätze, die den Begriff ex gratia für die Bestimmung der Grenzen heranziehen. Zwar soll dieses RGZ 38, S. 206 (209). Vgl. RGZ 38, S. 206 (209). 195 RGZ 38, S. 206 (209). 196 RGZ 38, S. 206 (210). 197 RGZ 38, S. 206 (210). 193 194
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Urteil im Folgenden nur in seiner Argumentation als Anleihe dienen und nicht etwa als gerichtliche Entscheidung Ausstrahlungskraft entfalten. Ein gegen die Verwertung dieses Urteils denkbarer Einwand soll jedoch bereits an dieser Stelle adressiert werden. Basis des streitgegenständlichen Vertrages konnte aufgrund späteren Inkrafttretens noch nicht das BGB, HGB oder auch das VVG sein. Gleichwohl erwähnt das Urteil keine gesetzliche Norm, sondern lediglich den Vertrag selbst.198 Dieser ist indes auch heute noch primärer Anknüpfungspunkt für die rechtliche Erfassung der Rückversicherung. Die zugrunde liegenden Erwägungen des Reichsgerichts können daher auch in der weiteren Untersuchung Beachtung finden. 2. Die Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts vom 14. Dezember 1878 Darüber hinaus hatte das Reichsoberhandelsgericht199 bereits einige Jahre zuvor (im Jahr 1878) über die Frage des Umfangs der Folgepflicht des Rückversicherers zu entscheiden.200 Die Klägerin (der Erstversicherer) hatte die Beklagte (den Rückversicherer) aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Rückversicherungsvertrag auf Zahlung in Anspruch genommen. Die Originalpolice lautete auf eine Transportversicherung von »Stab-Eisen« (nur) gegen Kriegsgefahr. Aufgrund eines Kriegsausbruchs wäre der Weitertransport zum ursprünglichen Bestimmungsort nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich gewesen. Die Gefahren und Kosten eines derartigen Transports veranlassten den Erstversicherer und den Versicherungsnehmer zu einer Vereinbarung des Inhalts, dass unter Verzicht (»Abandon«) des Eigentumsrechts des Versicherungsnehmers an der Ware zugunsten des Erstversicherers Letzterer die volle Versicherungssumme auszahlte. Der Erstversicherer forderte daraufhin diesen Betrag von dem beklagten Rückversicherer Zug um Zug gegen Übereignung der Ware.201 Im Ergebnis entschied das Gericht zugunsten des Erstversicherers und damit auch unter Anerkennung dessen Regulierung. Bedeutsam ist aber die Begründung, die in mehrfacher Hinsicht noch heute fruchtbar gemacht werden kann. Zunächst enthielt der Rückversicherungsvertrag eine Klausel, die zu dieser Zeit regelmäßig in Rückversicherungsverträgen verwendet202 wurde: 198 Im Weiteren war zu diesem Zeitpunkt bereits Art. 279 ADHGB als Vorgänger des § 346 HGB über den »Handelsgebrauch« in Kraft – allerdings noch unter der Prämisse, dass die Geltung des Handelsbrauchs ausdrücklich von den Parteien gewollt war. 199 Vorgänger des Reichsgerichts von 1869 bis 1879 (zuvor firmierend unter Bundesoberhandelsgericht). 200 ROHG 24, S. 390. 201 ROHG 24, S. 390 (391 f.). 202 Siehe die Bemerkung des Reichsoberhandelsgerichts zur Üblichkeit der Klausel ROHG 24, S. 390 (393).
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»Im Schadensfalle bedarf es zur Einkassierung der Rückversicherung nur der Quittung über den geleisteten Ersatz«.203
Nach Ansicht des Reichsoberhandelsgerichts hatte diese Klausel den Zweck, dem Erstversicherer ein freies Ermessen hinsichtlich der Regulierung seiner Schadensfälle einzuräumen. Insbesondere werde der Erstversicherer hierdurch in die Lage versetzt, »bei einer im Schadensfalle erforderlichen Abmachung mit den Versicherten sich des beengenden Gedankens zu entschlagen, daß er für die Gesammtheit oder eine Quote des Belaufs seinen Regreß an den Rückversicherer zu nehmen und möglicherweise sein Verfahren diesem gegenüber zu rechtfertigen habe.«204
Auch wenn das Gericht anschließend eine Einschränkung bei »doloser« oder »grob-culposer« Verhaltensweise des Erstversicherers annimmt, offenbart diese Aussage die Vorstellung, dass der Erstversicherer durch die Rückversicherungsnahme nicht in seiner Geschäftsführung beeinflusst oder von einer favorisierten Regulierung abgebracht werden soll, auch wenn diese in einem Entgegenkommen gegenüber dem Versicherungsnehmer besteht.205 Zwar war Grundlage der Entscheidung des Gerichts die bereits genannte Klausel, welche auch als Ausweitung der Geschäftsführungsbefugnis des Erstversicherers verstanden werden könnte. Der Argumentation im Urteil, welche auf sämtliche Rückversicherungsverträge unabhängig von der verwendeten Klausel angewendet werden kann, ist jedoch zu entnehmen, dass nicht lediglich die streitgegenständliche Klausel in der Weise ausgelegt werden soll, sondern Rückversicherungsverträge im Allgemeinen zunächst eine entsprechend beschriebene Geschäftsführungsbefugnis des Erstversicherers zum Gegenstand haben. Für diese Deutung spricht ein zweites interessengeleitetes und durch das Gericht verwertetes Argument. Im Rahmen einer vom Rückversicherer eingewendeten Anzeigepflichtverletzung erörterte das Reichsoberhandelsgericht auch den Umstand, dass der Erstversicherer sein gesamtes Risiko aus dem Erstversicherungsvertrag in Rückversicherung gegeben hatte. Der Rückversicherer brachte vor, dass der Erstversicherer hierdurch sein eigenes Interesse, welches
ROHG 24, S. 390 (391). ROHG 24, S. 390 (391). Betreffend die Aussagekraft des Zitats des Reichsoberhandelsgerichts zustimmend Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 110 f. – dieser verweist zudem in Fn. 147 auf die in dieser Auslegung zustimmende französische Rechtsprechung und bemerkt, dass eine Mindermeinung bereits zu dieser Zeit »dem Rückversicherer wenigstens den Beweis der Unverbindlichkeit der Hauptversicherung« gewährt habe. 205 In gleicher Weise soll dem Verweis des Gerichts folgend die im französischen verwandte Klausel (»de remourser sur le vu des quittances délivrées au réassuré par l’assuré primitif«) ausgelegt werden, siehe ROHG 24, S. 390 (391 f.). 203 204
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ihn zu einer günstigen Regulierung bewege, verloren hätte.206 Allerdings verfing dieser Einwand nach Ansicht des Gerichts nicht.207 Obschon heute ein entsprechendes Interesse des Rückversicherers daran, welchen Teil des Risikos der Erstversicherer in Rückversicherung gegeben hat und welchen Teil er noch selbst daran hält, als gerechtfertigt angesehen wird,208 ist jedenfalls bemerkenswert, dass das Gericht aus dem unbestrittenen Umstand im konkreten Fall keine Rückschlüsse für die Geschäftsführungsbefugnis des Erstversicherers zog. Es sei nach Ansicht des Gerichts sogar nicht außergewöhnlich, dass sich ein Erstversicherer durch die Rückversicherungsnahme seines gesamten Risikos entledige.209 Umso bemerkenswerter ist dann allerdings die benannte Grenze der Folgepflicht. Gleichwohl der Erstversicherer mangels Selbstbehalts wirtschaftlich kein Interesse an dem Erstversicherungsvertrag hatte, sollte der Einwand einfacher Fahrlässigkeit nicht ausreichen, um den Rückversicherer von seiner Folgepflicht zu entbinden. Nichtsdestoweniger nehmen spätere Literaturstimmen auch dieses Urteil in Bezug, um ein Entfallen der Folgepflicht bei grob-fahrlässig nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung zu begründen – auch wenn der Selbstbehalt unterdessen ebenfalls als wesenstypisch für die Rückversicherung angesehen wird und hiermit eine Ausweitung der Folgepflicht im Raum steht210. 3. Die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 13. März 1917 Hinzuweisen ist des Weiteren auf eine Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 13. März 1917.211 Der Erstversicherer war hier zu 50 Prozent rückversichert, wobei der Rückversicherungsvertrag vorsah: »[Der Rückversicherer] muß die von [dem Erstversicherer] vorgenommenen Schadens-Regulierungen bedingungslos anerkennen und die [ihm] zur Last fallenden Schadens-Anteile innerhalb 3 Tage remittieren.«212
Der seeversicherte Dampfer Canadia strandete und verlor seine Ladung, woraufhin der Erstversicherer den Schaden beglich. Zwar zahlte auch der Rückversicherer zunächst gemäß seiner Quote von 50 Prozent, verlangte jedoch im Anschluss Rückzahlung nach »§ 812 BGB«, da sich herausgestellt hatte, dass
ROHG 24, S. 390 (392). ROHG 24, S. 390 (393). 208 Was sich insb. in der gestiegenen Bedeutung von Selbstbehalten ausdrückt, siehe hierzu S. 319 ff. 209 Vgl. ROHG 24, S. 390 (392 f.). 210 Siehe ausführlich S. 319 ff. zum Selbstbehalt und der Neubewertung der Folgepflicht. 211 Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177. 212 Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (177). 206 207
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der Schaden nach den Bedingungen des Erstversicherungsvertrages aufgrund eines Ausschlusses nicht gedeckt gewesen wäre. Das Gericht ging davon aus, dass der »Irrtum« des Rückversicherers grundsätzlich zur Rückzahlung berechtigte, da im Weiteren nicht ersichtlich sei, dass der Rückversicherer von der Nichtschuld Kenntnis hatte (§ 814 BGB). Das Institut der Folgepflicht scheint den Richtern des Senats zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen zu sein. Diese Lesart wird durch deren sichtliches Erstaunen darüber belegt, dass der Erstversicherer bereicherungsrechtliche Einwendungen gerade nicht gemacht hatte.213 Vielmehr wendete der Erstversicherer die oben genannte Rückversicherungsklausel ein, die als Grund der Leistung des Rückversicherers eine Rückforderung des Rückversicherers ausschlösse. Instruktiv beschreibt der Senat daraufhin den Zweck der streitgegenständlichen Klausel folgendermaßen: »Der Zweck jener Bestimmung ist, die Stellung des Versicherers gegenüber dem Versicherten zu erleichtern. Der Versicherer soll der Notwendigkeit überhoben sein, in zweifelhaften Fällen zu seiner Deckung gegenüber dem Rückversicherer mit dem Versicherten zu prozessieren. Er soll vielmehr in die Lage gebracht werden, ohne Anrufung der Gerichte nach Treu und Glauben aus eigener Entschließung nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände des Falls sich mit dem Versicherten auseinander zu setzen«214 [Herv. d. Verf.].
Zudem sei die Klausel mit anderen in der Rückversicherungsliteratur genannten Klauseln vergleichbar.215 Mehr noch müsse der Erstversicherer anderenfalls befürchten, »zwischen zwei Stühle gesetzt« zu werden.216 Dies hätte auch zur Folge, dass der Rückversicherer nur eine fehlende (eigene) Sorgfalt des Erstversicherers bei der Regulierung einwenden,217 im Übrigen aber weder die fehlende Leistungspflicht des Erstversicherers noch die Höhe der Versicherungsleistung des Erstversicherers beanstanden kann. Das Gericht selbst formuliert vor diesem Hintergrund vielsagend: »Die Klausel kann daher nur dahin ausgelegt werden, daß nach solcher Regulierung [der Rückversicherer] weder bezüglich des Schadensfalles noch wegen der Höhe des dem Versicherten gewährten Ersatzes Einwendungen erheben, sondern nur noch mit der Behauptung gehört werden kann, daß die Regulierung in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise erfolgt sei, daß dem Rückversicherten bei der Anerkennung des Schadensfalles oder der Deckung desselben Arglist oder grobes Verschulden zu Last falle.«218 Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (178). Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (178). 215 Entsprechend verweist das Gericht auch auf die Klauseln bei Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 109 – Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (181). 216 Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (178). 217 Wobei auch diese Beengung der Folgepflicht abschließend in einem obiter dictum mit Verweis auf ein Schreiben des Rückversicherers in Zweifel gezogen wurde. Hierin sei der Rückversicherer bereit gewesen, den Schaden auch ohne Verpflichtung zu begleichen, Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (181). 218 Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (179). 213 214
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Der Rückversicherer ging gegen dieses Urteil in Revision. Das Reichsgericht entschied allerdings bereits am 27. Oktober 1917, dass die Auslegung der Vertragsklausel, wonach nur Arglist und grobe Fahrlässigkeit die Folgepflicht ausschlössen »unbedenklich« sei.219 III. Ausprägungen in der Literatur zum deutschen Recht Allgemeine Meinung war in der Folge, dass der Rückversicherer grundsätzlich für die Entscheidungen des Erstversicherers im Rahmen seiner Regulierung einzustehen hatte. Diese Ansicht wurde auch im Nachgang zu den geschilderten Urteilen unter anderem in Reaktion auf das Erdbeben von San Francisco 1906220 vom Österreichischen Phönix221 vertreten222 – ist jedoch nicht nur als Reaktion hierauf zu sehen. Einen subjektiven Ansatz favorisierend formulierte Hagen, der Rückversicherer sei »an seine Entscheidungen [d.h. die Entscheidungen des Erstversicherers] gebunden, außer wo Arglist oder grobes Verschulden vorliegt«.223
Auch vertraten Ehrenberg224 und Loewenthal225 eine Folgepflicht, die lediglich durch arglistiges oder grob-fahrlässiges Handeln des Erstversicherers begrenzt ist. 226 Die Folgepflicht würde daher bei einfacher Fahrlässigkeit uneingeschränkt ausgelöst.227 Überraschend mag insoweit das Abstellen auf arglistiges Verhalten sein, da gleichzeitig nicht auch von Vorsatz gesprochen wird.228 Ehrenberg verwendet zur Beschreibung der Arglist zudem den lateinischen Begriff dolus, welcher auch mit Arglist übersetzt werden kann, allerdings nach heutigem terminologischem Verständnis mit Vorsatz übersetzt würde. Gleichzeitig benennt er als
219 RGZ 91, S. 83; einschränkend gab es aber zu erkennen, dass die Klage des Rückversicherers auf Rückgewähr begründet gewesen wäre, hätte der Erstversicherer im Bewusstsein der Nichtverpflichtung gezahlt (dort S. 86). 220 Siehe hierzu ausführlich S. 45 ff. 221 Heute Allianz Österreich AG. 222 Vgl. nach Rohland, Sharing the Risk, S. 111 f. 223 Hagen, DJZ 1906, Sp. 741 (741). 224 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 114 ff. 225 Loewenthal, Der Versicherungsfreund vom 1. Mai 1906, S. 1, zitiert nach Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 76. 226 Auch Hagen, San Franzisko und die Feuerversicherung, DJZ 1906, Sp. 741 (unter Verweis auf deutsche Rechtsprechung) und Röder, Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, S. 76; auch Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/Wiedemann/Hack, HdV, Rückversicherungsrecht, S. 725. 227 So Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 115 unter Verwendung der lateinischen Bezeichnung culpa levis; bspw. auch Obermayer, Die Rückversicherung, S. 54. 228 Zur Unterscheidung nach neuerem Recht siehe instruktiv Kolbe, JZ 2009, S. 550.
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Beispiel für die Arglist den Fall des kollusiven Zusammenwirkens (Kollusion).229 Die Frage danach, ob die Vertreter dieser Ansicht damit bewusst differenzieren wollten, d.h. eine Folgepflicht bei Vorsatz, allerdings nicht bei grober Fahrlässigkeit oder Arglist annahmen, stellt sich jedoch nicht. Jedenfalls muss diese Ansicht, unabhängig von einer Arglistdefinition, so verstanden werden, dass Vorsatz als ein »Weniger« zur Arglist im engeren Sinn (dolus malus)230 ebenfalls von der Folgepflicht befreit.231 Auch heute hält die herrschende Meinung an der Begrenzung der Folgepflicht auf die ordnungsgemäße Geschäftsführung des Erstversicherers fest.232 Dieser Ansatz schwingt meist bereits mit der Beschreibung der Folgepflicht als Bindung des Rückversicherers an die Ergebnisse von Entscheidungen, die der Erstversicherer (als Zedent eines Rückversicherungsvertrages, an welchem der Rückversicherer als Zessionar teilnimmt) bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung trifft, mit.233 Im Unterschied zu der Ansicht, die die Folgepflicht bei ExGratia-Leistungen begrenzt, soll es dem Rückversicherer hier nicht möglich sein, dem Erstversicherer solche Einwendungen entgegenzuhalten, die dieser seinem Versicherungsnehmer entgegenhalten hätte können.234 Im engeren Sinn ist allerdings auch diese Ansicht Ausdruck des Widerstreits der Interessen zwischen den Vertragsparteien. Auch Liebwein vertritt diese Ansicht und fordert sowohl für Vergleich und Kulanz als auch ex gratia einen einheitlichen Maßstab der ordnungsgemäßen Geschäftsführung. 235 Mit Blick auf die unterschiedlichen Regulierungsarten geht er jedoch davon aus, dass die Geschäftsführung bei Vergleichen regelmäßig ordnungsgemäß sein wird, bei ex gratia jedoch nicht.236 Nichtsdestoweniger zeigt seine vorsichtige Formulierung (»[…] während [der Rückversicherer] sich an Ex-Gratia-Zahlungen meist nicht beteiligen wird«)237 allerdings, dass Ex-Gratia-Leistungen nicht grundsätzlich von der Folgepflicht ausgenommen 229 So Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 116, Fn. 152. Zur Frage der Definition von Kollusion im Rahmen des Rechts der Stellvertretung Brinkmann, ZJS 2014, S. 471. 230 MüKo/Schubert, BGB Bd. 2, § 242 Rn. 203. 231 Zur Anerkennung der Arglisteinrede im allgemeinen Vertragsrecht schon RGZ 135, S. 374 (376). 232 Statt vieler Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 528 (m.w.N. in Fn. 570 f.); Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (insb. 712 f.); Prölss, Ansichten der Rückversicherung, S. 20. Weitere Vertreter einzeln im Folgenden. 233 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 525; Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 76; Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 28. 234 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 117 und Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 47. 235 Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, S. 171. 236 Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, S. 171. 237 Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, 2. Aufl., S. 158 – in der Folgeauflage nunmehr ohne Erläuterung unter Verzicht auf die Einschränkung »meist«, siehe Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, S. 171.
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sein sollen. Ehrenberg spricht in diesem Zusammenhang beispielsweise allgemein von »alle Abmachungen«.238 Jedoch ist dem insoweit beizupflichten, als man dem Erstversicherer bei einem Vergleich nur selten eine nicht-ordnungsgemäße Geschäftsführung vorwerfen können wird, weshalb Vergleiche auch den Rückversicherer binden sollen. Ebenso sollen Urteile und Schiedssprüche gegen den Erstversicherer auch gegen den Rückversicherer in der Weise gelten, dass Letzterer dem Erstversicherer nicht den Vorwurf machen kann, er hätte nicht alle Mittel zur Abwendung des Urteils ausgenutzt – insbesondere auch nicht betreffend die Nichtanwendung zulässiger Rechtsmittel.239 Ebenso argumentiert Raiser, nur eine ordnungsgemäße Geschäftsführung zöge die Folgepflicht des Rückversicherers nach sich.240 Er sieht die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung in der Sorgfalt eines ordentlichen Erstversicherers. So könne der Erstversicherer dem Vorwurf der Unredlichkeit dadurch entgegnen, dass er nachweist, er würde solche Zahlungen unter derartigen Umständen auch ohne Rückversicherungsschutz für eigene Rechnung – auch ihrer Höhe nach – üblicherweise tätigen. In dieser Bezugnahme auf die Üblichkeit der Zahlung für den konkreten Erstversicherer ist nicht etwa eine Repetition des Maßstabs einer gewöhnlichen Geschäftsführung zu sehen241. Vielmehr erklärt sich dieser Hinweis durch den naheliegenden Beweis für die Redlichkeit des Erstversicherers durch die Üblichkeit der Zahlung. Für diese Einordnung Raisers spricht zudem seine Erläuterung, die Beweislast für eine ordnungsgemäße Geschäftsführung treffe den Erstversicherer, wenn dessen Selbstbehalt nur geringfügig oder kein Selbstbehalt vereinbart ist.242 Zum Einfluss des Selbstbehalts selbst wird im Rahmen von Kapitel 8 im Einzelnen eingegangen.243 Für den gegenwärtigen Stand der Untersuchung ist betreffend die Ansicht von Raiser lediglich bedeutsam, dass er das Entfallen der Folgepflicht des Rückversicherers erst für den Fall annimmt, dass der Erstversicherer in grober Weise seine Geschäfte nicht ordnungsgemäß geführt hat.244 Auch Kothris geht, jedenfalls in Teilen der von ihm definierten Fallgruppen,245 davon aus, dass die Folgepflicht dort ihre Grenze findet, wo der Erst-
Ehrenberg, Rückversicherung, S. 117. Ehrenberg, Rückversicherung, S. 118 in Abkehr zu seiner allgemeinen Argumentation zuvor nun mit der weichen Begründung, dass der Vergleich auch dem Rückversicherer zu Gute komme; siehe darüber hinaus § 2021 Teil 2 ALR 1794, dessen Aussagekraft Ehrenberg allerdings bestreitet (Rückversicherung, S. 118 f. und Fn. 158). 240 Raiser, VersR 1967, S. 312 (317). 241 Wie ihn insb. Herrmannsdorfer (Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 309) fordert, siehe Lösung 3 oben S. 125 ff. 242 Raiser, VersR 1967, S. 312 (317). 243 Siehe S. 319 ff. 244 Raiser, VersR 1967, S. 312 (317). 245 Siehe zuvor auf S. 127 ff. 238 239
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versicherer seine Geschäfte, d.h. seine Regulierung, nicht ordnungsgemäß geführt hat.246 Im Einzelnen heiße das ihm zufolge, dass der Erstversicherer sich unredlich verhält, sofern er bei der Regulierung vorsätzlich oder grob-fahrlässig handelt.247 Auch Katschthaler konkretisiert das Kriterium der Unredlichkeit, welches er ebenfalls mit Arglist und grobem Verschulden überschreibt.248 Demnach sei auch eine nachträglich evident gewordene Fehleinschätzung nur dann haftungsausschließend, wenn der Erstversicherer arglistig, vorsätzlich oder grob-fahrlässig »falsch« reguliert habe.249 Zugunsten des Vorliegens der Leistungspflicht des Erstversicherers (vgl. die Diskussion um ex gratia) greife eine widerlegliche Vermutung, wodurch der Rückversicherer die Beweislast für die gegenteilige Behauptung trage.250 IV. Eigenübliche Sorgfalt und die Begrenzung auf grobe Fahrlässigkeit Die Beschränkung der Folgepflicht soll ihre Grenze daher allgemein in dem Verschuldensgrad des Erstversicherers. Auch wenn sich nicht alle diese Ansicht vertretenden Autoren zum erforderlichen Verschuldensgrad einlassen, kann nach Darstellung der relevanten Rechtsprechung und Literatur ein gemeinsamer Nenner bzw., mit anderen Worten, eine überwiegende Meinung im Rahmen dieser Ansicht darin gesehen werden, dass es zum Ausschluss der Folgepflicht eines qualifizierten Verschuldens bedarf. Dies bedeutet jedenfalls, dass eine einfach-fahrlässig unredliche Regulierung nicht ausreichend ist, um den Rückversicherer von seiner Folgepflicht im konkreten Fall zu entbinden. Erforderlich ist vielmehr, dass dem Erstversicherer mindestens grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.251 Nach Ehrenberg ist es »ausschliesslich die Sache [des Erstversicherers], die Chance eines derartigen Vorgehens zu beurtheilen«.252 Auch in dieser Hinsicht spiegelt sich der Grundsatz der freien Geschäftsführung durch den Erstversicherer wider.253 In der Weise könnte auch schon Émérigon zu verstehen sein, wenn er den Erstversicherer als procurator in rem suam bezeichnet254 und damit den Sorgfaltsmaßstab in eigenen Angelegenheiten anspricht. Die Regulierung des Erstversicherers ist im weiteren Sinn seine eigene Angelegenheit, die er nach eigenen Maßstäben vornimmt. Aufgrund der Geschäftsführung bzw. Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 137 f. Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 137 f. 248 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (713). 249 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (713). 250 So wohl Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (713). 251 Siehe beispielhaft Raiser, VersR 1967, S. 312 (317). 252 Ehrenberg, Rückversicherung, S. 119. 253 Siehe hierzu oben S. 77 ff. 254 Émérigon, Treatise on Insurances, übersetzt von Meredith, S. 276 (Chapter XI, Section IX). 246 247
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des Regulierungsermessen muss daher ein Verschuldensmaßstab greifen, der sich (mindestens) auf die eigenübliche Sorgfalt bezieht. Diese Bezugnahme der Eigenüblichkeit nahmen die Vertreter dieses subjektiven Ansatzes zum Anlass, die Grenzen der Folgepflicht mit § 277 BGB und der hierin genannten »Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten« (sog. diligentia quam in suis) zu begründen.255 Dies führe zu dem gewünschten Ergebnis, dass die Haftung in eigenen Angelegenheiten für einfache Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist.256 Die im Rahmen dieser Lösung insoweit einigen Vertreter setzen mit der Begrenzung des Maßstabs der »Nicht-Ordnungsgemäßheit« keinen dem Vertragsrecht fremden Gedanken auf. An dieser Einordnung ändere, Gerathewohl zufolge, auch nicht, dass § 347 I HGB für Kaufmänner einen erhöhten Sorgfaltsmaßstab (die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns) vorgibt.257 Da Versicherung in weiten Teilen Massengeschäft sei, könne ein Verschuldensmaßstab, welcher auch einfache Fahrlässigkeit mit einnimmt, schon aus diesem Grund nicht für die Rückversicherung aufrechterhalten werden.258 Dies ergebe sich darüber hinaus auch aus dem zu berücksichtigenden Interesse des Erstversicherers, dessen Wunsch nach Planungssicherheit eine Versagung des Rückversicherungsschutzes auch bei »geringen Nachlässigkeiten« entgegenstehe.259 V. Stellungnahme zur Tauglichkeit des subjektiven Ansatzes 1. Die fragwürdige Heranziehung des § 277 BGB Wohingegen die Begrenzung auf eine eigenübliche Sorgfalt ohne Weiteres auf Grundlage der Geschäftsführung des Erstversicherers plausibel erscheint, bleibt fraglich, inwiefern hierfür § 277 BGB als rechtliche Basis herangezogen werden kann. Dies betrifft nicht schon die hierin zum Ausdruck kommende Wertung. Denn diese ist entgegen anderweitiger Bestrebungen am Beispiel von Haftungsbegrenzungen, die auf die Norm verweisen,260 ohne Einschränkung tragfähig: Hintergrund des § 277 BGB ist gerade nicht, wie Grigoleit meint,261 die gesetzliche Privilegierung des Unsorgfältigen. Das Rechtsinstitut erklärt Bspw. Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 39. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 277 BGB, der wörtlich in eigenen Angelegenheiten nicht von grober Fahrlässigkeit befreit, Palandt/Grüneberg, BGB, § 277 Rn. 4. 257 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 529. 258 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 529 f. 259 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 530. 260 Bereits kraft Gesetzes bspw. für den Rücktritt in § 346 III Nr. 3 BGB (OLG Karlsruhe, NJW 2008, S. 925), für den unentgeltlich Verwahrenden in § 690 BGB oder den BGB-Gesellschafter in § 708 BGB; mehrfach wurde jedoch ihre Unanwendbarkeit bspw. für den Straßenverkehr betont, so BGHZ 46, S. 313; BGHZ 53, S. 352; BGHZ 63, S. 51; OLG Hamm, NJW 1993, S. 543. 261 Grigoleit, VersR 2018, S. 769 (779 f.). 255 256
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sich vielmehr daraus, dass der Sorgfaltspflichtige als privatautonom ausgewählter Vertragspartner mit all seinen Stärken und Schwächen akzeptiert werden soll.262 Mit anderen Worten: Wer sich einen unvorsichtigen und unsorgfältigen Vertragspartner aussucht, soll sich nicht im Nachgang auf diesen Umstand berufen können. Dieser Gedanke ergibt sich nicht erst aus § 277 BGB, sondern ist bereits aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ableitbar.263 Rationalitätsdefizite des § 277 BGB ergeben sich vor dem Hintergrund der zwingenden Geschäftsführung des Erstversicherers jedenfalls nicht für die Rückversicherung.264 § 277 BGB passt indes aus einem anderen Grund nur wertungsmäßig, allerdings nicht unmittelbar mit dem vorgenannten Verständnis der ordnungsgemäßen Geschäftsführung des Erstversicherers zusammen. Aus § 277 BGB ergibt sich nicht ein allgemeiner Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit – und damit eine generelle Begrenzung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.265 Maßgeblich ist für die Sorgfaltspflicht in Abgrenzung zu § 276 BGB – und im Einklang mit den Ursprüngen dieser Lösung 5 – zunächst lediglich eine subjektive Bestimmung.266 Nach allgemeiner Ansicht begrenzt § 277 BGB den Sorgfaltsmaßstab auf die eigenübliche Sorgfalt und nicht auf einen bestimmten Verschuldensgrad.267 Damit einher geht eine andere Perspektive der an die Sorgfalt anzulegenden Kriterien. § 277 BGB schließt gerade nicht aus, dass ein übermäßig sorgfältiger Vertragspartner auch für einfach-fahrlässige Sorgfaltspflichtverstöße einzustehen hat. Dies gibt bereits der Wortlaut vor, der nicht generell maximal auf grobe Fahrlässigkeit begrenzt ist, sondern umgekehrt vorgibt, welcher Mindeststandard für die Sorgfaltspflicht einzuhalten bleibt (wenn nicht weitere Umstände hinzutreten). Darüber hinaus bestünde im umgekehrten Fall keine
Grigoleit, VersR 2018, S. 769 (779). Mauel, Die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, S. 32 f., 143 m.w.N. auf den Ursprung im bona fides des römischen Rechts (dort S. 22 ff.). 264 Trotz vermuteter Entwicklungen in der Rechtsprechung, die ein enges Verständnis des § 277 BGB bedingen sollen; so BGH, VersR 1959, S. 386 und BGH, NJW 2013, S. 3572 (3573); Grigoleit sieht hierin eine allgemeine Tendenz zu einem restriktiven Verständnis des § 277 BGB und leitet daraus zweifelhaft grundsätzliche Vorbehalte gegenüber gesetzlichen Haftungsprivilegien ab (VersR 2018, S. 769 [779]). 265 Grundsätzlich unbestritten; siehe auszugsweise Heller, Die Diligentia Quam in Suis, S. 14; Mauel, Die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, S. 14 ff.; a.A. aber Grigoleit, VersR 2018, S. 780; siehe auch die Aufrechterhaltung dieser These in der sich daran anschließenden Diskussion mit dem Hinweis auf die Unmöglichkeit des praktischen Nachweises der Eigenüblichkeit, Schulze, VersR 2018, S. 796 (797). 266 Mauel, Die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, S. 15; MüKo/Grundmann, BGB Bd. 2, § 277 Rn. 3; Palandt/Grüneberg, BGB, § 277 Rn. 3, 5, § 276 Rn. 15. 267 Palandt/Grüneberg, BGB, § 277 Rn. 4 m.w.N. 262 263
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Logik für diejenigen Paragraphen, die, ohne Rekurs auf § 277 BGB, die Haftung des Sorgfaltspflichtigen explizit, d.h. ohne Ausnahme, auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzen (§§ 300 I, 521, 599, 680 und 968).268 Was bedeutet dies aber für den Gehalt der vorgestellten Lösung im Verhältnis zu § 277 BGB, wenn dessen Normgehalt nur in seiner ganz grundsätzlichen Wertung widergespiegelt wird? Die Vertreter der vorgestellten Lösung nehmen einfache Fahrlässigkeit aus den Vorgaben für die ordnungsgemäße Geschäftsführung aus und erheben den Mindeststandard des § 277 BGB zur allgemeinen Maßgabe der Folgepflicht. Im Ganzen ist § 277 BGB aber nicht die rechtliche Basis dieser Wertung, sondern lediglich als gedanklicher Anknüpfungspunkt zu verstehen. Dem Ausschluss von einfacher Fahrlässigkeit ist schon aufgrund der Konzeption von Rückversicherung und der für sie wesenstypischen Geschäftsführung des Erstversicherers und der Folgepflicht des Rückversicherers zuzustimmen. § 277 BGB hingegen ist lediglich die Basis eines verwandten Gedankens und nicht die dogmatische Begründung der Folgepflicht selbst. Der Wunsch nach einer gesetzlichen Anknüpfung der Folgepflicht ist daher nachvollziehbar, nicht aber die Anwendung des § 277 BGB.269 Labes ist ebenfalls im Sinne dieser fünften Lösung zu verstehen, bezieht sich allerdings explizit nur auf § 276 BGB, wobei er gleichwohl eine Folgepflicht bei nur einfach-fahrlässig nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung annimmt.270 Im Unterschied zu den Vertretern, die für den Sorgfaltsmaßstab auf § 277 BGB abstellen, leitet er dieses Ergebnis daraus ab, dass der Rückversicherer selbst nach § 276 BGB und § 347 HGB verpflichtet sei, die Regulierung des Erstversicherers nicht »zu kleinlich zu kritisieren«.271 Zuzugeben ist ihm, dass hierdurch die fragwürdige Anknüpfung an § 277 BGB vermieden wird. Indes beschreibt er hiermit lediglich den (aus Schutzzwecken zugunsten des Rückversicherers abgeleiteten) wertenden Gedanken – diesen gibt auch § 276 BGB nicht vor. 2. Die einheitliche Geltung der Folgepflicht und ihre Grenzen Zusammenfassend lässt sich dieser subjektive Ansatz wie folgt beschreiben: Die Folgepflicht trifft den Rückversicherer grundsätzlich für jede Art der Regulierung des Erstversicherers, es sei denn dessen Geschäftsführung war nicht ordnungsgemäß. Begrenzt ist die Folgepflicht daher durch ein zunächst subjektives Merkmal. Dieses ist jedoch nicht als rein subjektives bzw. vollständig der Willkür des Erstversicherers unterfallendes Merkmal zu verstehen, sondern ist seinerseits von objektiven Kriterien durchsetzt. Das bedeutet insbesondere, So auch Palandt/Grüneberg, BGB, § 277 Rn. 4. Vor diesem Hintergrund werden insb. in Kapitel 6 weitere gesetzliche Anknüpfungen untersucht (S. 211 ff.). 270 Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 48 ff. 271 Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 51 ff. 268 269
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dass der Einwand des Rückversicherers, die Regulierung durch den Erstversicherer sei nicht ordnungsgemäß, einfacher verfangen wird, wenn die konkrete Regulierung unter den gegebenen Umständen nicht nur nicht marktüblich, sondern auch für den konkreten Erstversicherer unüblich ist. Darüber hinaus ist der mit dem subjektiven Kriterium angesprochene Verschuldensgrad im »Mindestsinne« des § 277 BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt.272 Dieser Ansatz hat auch Implikationen für die Beweislast. Denn gleichsam treffe nicht den Erstversicherer die Beweislast für alle, die Folgepflicht begründenden Umstände. Vielmehr habe der Rückversicherer zu beweisen, dass der Erstversicherer seine Geschäfte in diesem Sinne unredlich geführt hat.273 Auch die Begrenzung der Folgepflicht auf die ordnungsgemäße Geschäftsführung ist indes, wie auch die vorgenannten Lösungen, einzelfallabhängig. Dieser Einzelfall ist allerdings nicht in der teilweise mit der gewählten Regulierungsart verbundenen Interessenidentität zu sehen, sondern in der Redlichkeit des Erstversicherers. Einlassungen der Vertreter dieser Ansicht zeigen, dass auch in der Bestimmung der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung dessen gewählte Regulierungsart von Einfluss ist.274 Nichtsdestoweniger gehen sie grundsätzlich von einem einheitlichen Ansatz für die Folgepflicht aus, welchem – ebenso grundsätzlich – vor dem Hintergrund der Besonderheiten der Regulierung275 zuzustimmen ist.
G. Überlegene Folgepflichtdogmatik und offene Fragen einer sechsten Lösung? »Was ich unter solchen Umständen als das künftige Rückversicherungsrecht darzustellen mich bemüht habe, ist daher ein Rechtsgebilde von vielfach unsicherer und problematischer Gestalt; […].«*
Die dargestellten Ansichten offenbaren zunächst eine Vielfalt an Lösungen für die Bestimmung der Folgepflicht. Auf den zweiten Blick ist jedoch – neben der
§ 277 BGB schließt zwar eine darüber hinausgehende Sorgfalt nicht aus, von den Vertretern dieser Ansicht wird die Ordnungsgemäßheit allerdings durchgängig in dieser Weise verstanden. Inwiefern dem zuzustimmen ist, kann sich jedoch erst im Anschluss an eine umfassende wertende Betrachtung ergeben. 273 Stellvertretend für die Vertreter dieser Ansicht Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 528 und Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (713 f.). 274 So bspw. die bereits beschriebene Äußerung von Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, S. 171; auch Ehrenberg, Rückversicherung, S. 118. 275 Im Ganzen Kapitel 2 (S. 15 ff.). * Ehrenberg, Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 58. 272
G. Überlegene Folgepflichtdogmatik und offene Fragen einer sechsten Lösung? 149
insoweit starren Ansicht, die die Folgepflicht von der reinen, rechtlichen Leistungspflicht des Erstversicherers abhängig macht – das Bemühen der Autoren erkennbar, das Spannungsverhältnis zwischen Geschäftsführungsrecht und Folgepflicht durch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen mit einem vermittelnden Ansatz aufzulösen. Ansatzpunkte hierfür sind die Verwendung eines als ex gratia bezeichneten Neologismus, die Begrenzung der Folgepflicht auf die gewöhnliche Geschäftsführung, durch das Interesse des Rückversicherers oder durch die Begrenzung auf die ordnungsgemäße Geschäftsführung. I.
Stellungnahme zu den Lösungen
Nach dieser Bestandsaufnahme der zur Bestimmung der Folgepflicht bisher im deutschen Recht vertretenen Meinungen bleibt der geneigte Leser mit dem Eindruck zurück, dass keiner der vorgeschlagenen Lösungsansätze und ihre jeweiligen Ausprägungen für sich alleinstehend argumentativ zwingend ist. Diese fehlende Überzeugungskraft findet ihren Ursprung in der bereits im Fehlen rechtlich-materieller Wahrheit angelegten Unsicherheit, die auch durch diese Ansichten nicht gelöst werden kann, erklärt sich im Weiteren aber schlicht aus dem Fehlen konkreter gesetzlicher Vorgaben. Zu betonen ist jedoch, dass die »Kulanz« des Erstversicherers nicht per se die Folgepflicht ausschließt, sondern dem Versicherungswesen gerade eigentümlich ist.276 Aus den Erörterungen dieser Bestandsaufnahme können (wie grundsätzlich, unter dem Vorbehalt vertraglicher Regelung im Einzelfall) und unter Bezugnahme der Ergebnisse aus den bisherigen Kapiteln die folgenden Thesen als Rahmen für die weitere Untersuchung abgeleitet werden: - Die Geschäftsführung des Erstversicherers ist bereits durch die Notwendigkeit der Regulierung durch das Erstversicherungsverhältnis vorgegeben und hängt nicht von der Zustimmung des Rückversicherers ab. - Der Erstversicherer ist in seiner Geschäftsführung frei. Die Entscheidung über das »Ob« und »Wie« der Regulierung obliegt allein ihm. - Abgesehen von der Sonderstellung des Urteils sind die Regulierungsarten grundsätzlich auch für die Folgepflicht des Rückversicherers gleichwertig. Es verbietet sich daher eine fallgruppenorientierte Lösung – erst recht, wenn diese an dem vagen Begriff der Interessenidentität von Erst- und Rückversicherer anknüpft (Lösung 4). - Die Problematik der Kulanzzahlung im engeren Sinn lässt sich auch nicht in der Weise aussondern, dass ihr mit einem Neologismus (wie hier: ex gratia) ein neuer Name gegeben wird. Dieser Ansatz perpetuiert lediglich die Unsicherheiten der Leistungspflicht des Erstversicherers für die Rückversicherung und ist auch wertungsmäßig problembehaftet.277 Eine an die rechtliche Raiser, VersR 1967, S. 312 (312). Zudem werden die mit dem Begriff bezweckten Einschränkungen im englischen Recht unter der ersten Scor proviso speziell im Fall einer Back-to-back-Deckung behandelt. Er 276 277
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
Qualifikation der Kulanzzahlung (bzw. der Kulanzzusage) anknüpfende Abwandlung muss schon aufgrund der Verkennung der Nachteilhaftigkeit einer nicht-selbstbindenden Regulierung auch für den Rückversicherer ausscheiden. (Lösung 2). - Aufgrund dieser Unsicherheiten der Bestimmung der Leistungspflicht ist auch ein strenger Nachweis der Leistungspflicht faktisch nicht möglich. Eine hieran anknüpfende Quote nach der Leistungspflichtwahrscheinlichkeit wird den realen Gegebenheiten nicht gerecht und ist auch in der damit verbundenen Wertung nicht haltbar (Lösung 1). - Schließlich wird auch ein auf die gewöhnliche Geschäftsführung abzielender Ansatz nicht den Wertungen des Grundsatzes der Freiheit der Geschäftsführung des Erstversicherers gerecht und verkennt die auch mit der »Gewöhnlichkeit« einhergehenden Probleme ihrer Bestimmung vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit unternehmerischer Praktiken278 (Lösung 3). Damit ist einzig der auf ein Element der Redlichkeit des Erstversicherers abstellende Ansatz – jedenfalls methodisch – in der Lage, den Ermessensspielraum des Erstversicherers zu wahren, indem hiermit einerseits keine konkrete (wertende) Vorgabe für die zu wählende Regulierungsart verbunden wird und andererseits der Sorgfaltsmaßstab in eigenen Angelegenheiten, als erster Zugriff, dem Grundsatz der Freiheit der Geschäftsführung des Erstversicherers gerecht wird (Lösung 5). Dies bedeutet, dass eine interessengerechte und praktikable Lösung immer auch eine Einzelfallentscheidung betreffend die konkrete Regulierung bedingt – auch freiwillige Leistungen des Erstversicherers können den Rückversicherer daher grundsätzlich binden.279 Dieser erste Zugriff entbehrt jedoch nicht einer weiteren wertenden Betrachtung, da mit dieser Festlegung nicht die Bejahung einer Ansicht verbunden ist, sondern zunächst die Bejahung einer Methode, welche die Redlichkeit zum Gegenstand hat. Die Folgepflicht ist daher nicht per se als Haftung des Rückversicherers für einfache Fahrlässigkeit definiert, sondern durch die an sie – und d.h. an die Rückversicherung – gerichteten Zwecke. Mit den Ursprüngen der fünften Lösung (Redlichkeit) ist daher von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis in der Weise auszugehen, dass die Folgepflicht grundsätzlich unbedingt ist und erst nachgeschaltet durch ein Element der Redlichkeit begrenzt wird. II. Die Frage nach dem Sorgfaltsmaßstab der Geschäftsführung Indes bleibt die Frage, wie sich diese Redlichkeit des Erstversicherers bemisst, auch hiernach offen. Erstaunlich ist mit Blick auf die Ursprünge der fünften erweist sich auch in der englischen Rechtsprechung als untaugliches Kriterium der Begrenzung der Folgepflicht, siehe sogleich S. 205 ff. 278 Vgl. die Reaktionen der Versicherer auf das Erdbeben von San Francisco auf S. 51 ff. 279 So auch Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 44, 55.
G. Überlegene Folgepflichtdogmatik und offene Fragen einer sechsten Lösung? 151
Lösung (Redlichkeit) die schleichende definitorische Gleichsetzung der Begriffe »Redlichkeit« und »Ordnungsgemäßheit« der Geschäftsführung. Oben wurde verdeutlicht, dass die Ursprünge dieser Ansicht in einer an Treu und Glauben orientierten Begrenzung der Folgepflicht liegen. Hierin liegt jedoch nicht nur eine terminologische Aussage, sondern auch eine inhaltliche, die nicht zwangsläufig der Bedeutung der »Ordnungsgemäßheit« entspricht. Denn Letztere gab erst Anstoß, die Begrenzung der Folgepflicht an Fahrlässigkeitsmaßstäben zu orientieren und damit eine Grenzlinie zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit zu ziehen. Die Literatur hat hiermit also nicht nur eine terminologische Ungenauigkeit perpetuiert, sondern einen dogmatischen Anknüpfungspunkt eröffnet, der jedenfalls nicht in der ursprünglichen Folgepflichtkonzeption angelegt war. Für eine rückversicherungseigene Wertung soll auch im Folgenden von der »Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung« gesprochen werden. Fraglich bleibt allerdings, welcher Sorgfaltsmaßstab an diese Ordnungsgemäßheit anzulegen ist. Der von einigen Autoren vertretene Rekurs auf § 277 BGB kann jedenfalls für sich keine Begründung einer Folgepflicht, die bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist, sein. Denn die Heranziehung der Fahrlässigkeitsabstufung des § 277 BGB setzt dogmatisch eine Pflicht des Erstversicherers voraus (Schuldverhältnis im engeren Sinn, § 276 I 1 BGB), d.h. eine Geschäftsführungspflicht des Erstversicherers gegenüber dem Rückversicherer. Und auch § 277 BGB spricht von der »Haftung des Schuldners«. Betont wurde jedoch bereits, dass es sich bei der Geschäftsführung selbst um eine aus dem Erstversicherungsverhältnis stammende Notwendigkeit handelt. Der Erstversicherer kann dem Rückversicherer gegenüber daher nicht schon aus der Rückversicherung zur Geschäftsführung verpflichtet sein, da diese durch die Erstversicherung vorgegeben ist und ein solches Konzept den Zwecken der Folgepflicht zuwiderliefe.280 Die Geschäftsführung kann als folgepflichtauslösendes faktisches Verhalten des Erstversicherers somit lediglich als dessen Obliegenheit angesehen werden. Auch sonstige Pflichten des (konkreten) Rückversicherungsvertrages sind nach dem Parteiwillen kein Anknüpfungspunkt für das Verschulden im Sinne des § 276 BGB, da Bezugspunkt der Folgepflicht die Geschäftsführung des Erstversicherers ist. Der Haftungsmaßstab des § 277 BGB ist deshalb auch dogmatisch nicht geeignet, die Grenzen der Folgepflicht nachzuzeichnen. § 277 BGB kann daher für den Sorgfaltsmaßstab der rückversicherungsspezifischen Folgepflicht lediglich die Wertung entnommen werden, dass die Eigengeschäftsführung, wie sie der Rückversicherung eigentümlich ist, schon aus allgemeinen Grundsätzen nicht den strengen Maßstab des § 276 BGB nach sich ziehen kann. Darüber hinaus muss allerdings der Frage nachgegangen werden, ob nicht die Geschäftsführung (und im engeren Sinn die Regulierung) als ureigene Angelegenheit des Erstversicherers und die Zwecke der Folgepflicht ein 280
Siehe zu dieser Einordnung bereits oben auf S. 81 ff.
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hiervon abweichendes Verständnis der Redlichkeit erfordern. Historisch darf die Folgepflicht nicht in der Weise verstanden werden, dass sie durch die hier dargestellten Literaturmeinungen immer weiter konkretisiert wurde. Vielmehr ist – auch aufgrund der von dem allgemeinen vertragsrechtlichen Verständnis des § 277 BGB abweichenden Auffassung der Rückversicherungsliteratur – anzunehmen, dass der einmal gewählte Ausschluss von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit schlicht repetiert wurde und § 277 BGB mehr oder minder zufällig diesen Zuschnitt (vermeintlich) widerspiegelt. Kothris geht daher zu Recht davon aus, dass die Grenzen des Geschäftsführungsrechts »sehr allgemein« und »keine große Hilfe« seien.281 Darüber hinaus bedürfte es für die Wertung des § 277 BGB allein keines (auch nur ergänzenden) Handelsbrauchs. Émérigon hatte noch als erstmaliger Vertreter einer durch das Korrektiv der Redlichkeit begrenzten Folgepflicht den schlichten Nachweis der Leistung an den Versicherungsnehmer als ausreichend erachtet, um den Rückversicherer folgepflichtig werden zu lassen. 282 Sein Korrektiv der Redlichkeit muss im Gesamtkontext gar in der Weise interpretiert werden, dass nur eng gefasste Ausnahmefälle die Folgepflicht ausschließen. Aufgabe dieser Untersuchung ist es daher, unter umfassender Wertung aller Umstände der Rückversicherung das mit tension of reinsurance überschriebene Spannungsfeld im rückversicherungsrechtlichen Sinn aufzulösen. Auch der Sorgfaltsmaßstab bewegt sich daher zwischen den Polen dieses Interessenwiderstreits zwischen der Vermeidung einer erneuten Prüfung der Leistungspflicht des Erstversicherers sowie der relativen Sicherheit des Rückversicherungsschutzes und dem Bedürfnis, eine Aushöhlung der Rückversicherungsdeckung durch die Entscheidungen des Erstversicherers über Gebühr zu verhindern.283 Instruktiv schildern diese Abwägung die PRICL, die die Vielfalt der Motive des Erstversicherers im Rahmen seiner Regulierung auch für die Rückversicherung anerkennen: »In determining what constitutes an unreasonable settlement, due regard should be given to the risks faced by the reinsured if it does not settle, including bad faith suits by policyholders, investigation and punishment by regulators, the risk of worse outcomes at trial, and increased disputing costs.«284
III. Zäsur: Kategorien zur wertenden Bestimmung der Folgepflicht Die wertende Bestimmung der Folgepflicht wird daher entgegen der Suggestion der Handelsbrauchqualifizierung nicht allein von einer langjährigen Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 138. Émérigon, Treatise on Insurances, übersetzt von Meredith, S. 276 (Chapter XI, Section IX). 283 So schon Lord Mustill in Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1251 f.). 284 Art. 2.4.3 PRICL (C4). 281 282
G. Überlegene Folgepflichtdogmatik und offene Fragen einer sechsten Lösung? 153
Übung der Rückversicherung getragen.285 Gleichwohl muss sie als erster Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Folgepflicht dienen. Ebenso kann für die konkreten Umrisse eines ergänzenden Handelsbrauchs nicht entscheidend sein, wie lange oder häufig eine bestimmte Lösung favorisiert wurde. Die weitere Untersuchung soll sich daher von den hier vorgestellten Ansichten freimachen, um allein an den, der Rückversicherung zugrunde liegenden Wertungen und Zwecken die Folgepflicht des Rückversicherers zu bestimmen. Neben dem Interesse und dem Willen der Rückversicherungsvertragsparteien sind auch bisher weitgehend vernachlässigte, allgemeine und erstversicherungsrechtliche gesetzliche Vorgaben in den Blick zu nehmen. Hieraus ergibt sich ein Ansatz für die Folgepflicht, der als integrative Lösung bezeichnet werden kann. Sie basiert auf der Feststellung, dass eine Differenzierung in Regulierungsarten weder generell möglich noch für Erst- und Rückversicherer sachgerecht ist. Hypothese dieser sechsten Lösung286 ist, dass die Daseinsberechtigung der Rückversicherung allein in der Erstversicherung begründet liegt und daher die Erfordernisse der Erstversicherung primär Beachtung für alle Bereiche der Rückversicherung finden müssen. Darüber hinaus soll dieser Ansatz möglichst alle Ausprägungen der Rückversicherung in gleicher Weise einer einheitlichen Lösung zuführen. Hieraus ergibt sich die folgende Struktur für die weitere Untersuchung, die gleichsam integrativ alle in die Auslegung als wertende Bestimmung der Folgepflicht einzustellenden Erwägungen adressiert und damit auch als Anleitung für eine konkrete Folgepflichtklausel im Rückversicherungsvertrag begriffen werden soll. 1. Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung Die Rückversicherungspraxis findet, aufgrund der neben Schiedsgerichten primären Bemühung englischer Gerichte für die Streitlösung im Rückversicherungsverhältnis, ihren Ausdruck in der englischen Rechtsprechung. Sie ist grundsätzlich frei von nicht dem konkreten Rückversicherungsvertrag entstammenden Wertungen (beispielsweise aus Gesetz) und orientiert sich allein am Vertragswortlaut. Im Mittelpunkt dieser Darstellung stehen daher die streitgegenständlichen Folgepflichtklauseln, deren Entwicklung allein die englische Rechtsprechung nachzuzeichnen in der Lage ist. Sie bilden rechtsdogmatisch als (rechtsverglichene) Verkehrssitte den Ausgangspunkt der wertenden Betrachtung und verdeutlichen den Umstand, dass das Versicherungsrecht im Ganzen ein in hohem Maße durch die Praxis geprägtes Rechtsgebiet darstellt287. Zur Ablehnung eines interpretierenden Handelsbrauchs siehe oben auf S. 87 ff. Oder aufgrund des Rekurses auf ursprüngliche Anschauungen der Folgepflicht »Lösung 0«. 287 Im Weiteren MacLeod, in Hellwege, Comparative History of Insurance Law, S. 149 (155 m.w.N.). 285 286
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Kap. 4: Ansichten zur Auflösung der tension of reinsurance
2. Einfluss gesetzlicher, nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben In diese wertende Betrachtung fließen indes auch gesetzliche Vorgaben und Wertungen des deutschen Rechts mit ein. Sie bilden, wie die Verkehrssitte, einen Rahmen für die konkrete Vertragsauslegung. Im Unterschied sind hier auch Wertungen möglich, die über die Gewohnheiten der Rückversicherung hinaus zwingend sind und individueller Gestaltung vorgehen. Diese Anknüpfung bildet auch ohne eine spezialgesetzliche Regelung der Rückversicherung288 den Ausgangspunkt für die Überprüfung der Grenzen der Folgepflicht anhand anderer gesetzlicher Normen als Ausdruck gesetzgeberischer Intention. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber keine Notwendigkeit einer expliziten Regelung der Rückversicherung sah, kann gerade nicht darauf geschlossen werden, dass sich die Rückversicherung damit im rechtsfreien Raum bewegt. Dies betrifft insbesondere die Übertragung (versicherungs-)vertragsrechtlicher Wertungen sowie Auswirkungen gesetzlicher Verpflichtungen des Erstversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer auf die Rückversicherung. 3. Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer Als Ausdruck der objektiv zu bestimmenden Interessenlage der Rückversicherungsvertragsparteien sind die durch die Rückversicherung bedungenen Wechselwirkungen zwischen ihnen näher zu untersuchen. Dieser Ansatz findet seinen Ursprung in Ansichten, die die Folgepflicht durch das Interesse des Rückversicherers begrenzt sehen bzw. für Modalitäten der Folgepflicht auf eine Interessenidentität der Rückversicherungsvertragsparteien abstellen. Dies betrifft zum einen die Erwartungshaltung des Erstversicherers an die Rückversicherung, die sich in seinen Motiven für den Abschluss eines Rückversicherungsvertrages ausdrückt. Zum anderen ist zu untersuchen, wie sich die Regulierung des Erstversicherers wirtschaftlich auf den Rückversicherer auswirken kann und welche Besonderheiten der Regulierungspraxis des Erstversicherers ein Interesse des Rückversicherers begründen können. 4. Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien Der Wille der Rückversicherungsvertragsparteien ist Ausgangspunkt der Vertragsauslegung im konkreten Fall. Auch bei der Auslegung der Folgepflicht eines Rückversicherungsvertrages ist der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen (§ 133 BGB). Diese Untersuchung hat zwar keinen konkreten Rückversicherungsvertrag zur Grundlage. Der Wille der Parteien soll allerdings auch in diese Untersuchung Eingang finden. Möglich ist dies im Vorgriff auf die konkrete Vertragsauslegung durch die Analyse typischer Klauseln des Rückversicherungsvertrages. Auch diese Klauseln werden im deutschen Recht teilweise – wie auch die Folgepflicht selbst – als Handelsbrauch oder jedenfalls 288
Vgl. § 186 VVG a.F. – sachlich identisch nunmehr § 209 VVG.
G. Überlegene Folgepflichtdogmatik und offene Fragen einer sechsten Lösung? 155
als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes angesehen und lohnen daher umso mehr für eine in dieser Hinsicht notwendigerweise abstrakte Untersuchung. Mit dieser Darstellung schließt sich gleichsam der Kreis zur anfänglich aufgezeigten Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung, die bereits Hinweise auf derartige Zusammenhänge zwischen den Klauseln enthält. Schon aus allgemeinen vertragsrechtlichen Überlegungen ergibt sich allerdings, dass auch sonstige Umstände des Vertragsschlusses bzw. Klauseln des Vertrages Einfluss auf die Vertragsauslegung haben können.
Teil 3
Kriterien zur Bestimmung der Folgepflicht
Kapitel 5
Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung Zur Wertung von Back-to-back-Deckungen und der Beweislast A. Einordnung der englischen Rechtsprechung »Pay all of our policyholders in full, irrespective of the terms of their policies.«*
Für die Erfassung homogener wie heterogener Rückversicherungspraxis ist zunächst der Befund der Internationalität entscheidend, wie er an anderer Stelle bereits beschrieben worden ist. Er bedingt, dass nicht allein eine »deutsche« Rückversicherungspraxis analysiert werden kann. Vielmehr ließe sich eine solche, losgelöst von internationalen Einflüssen, schlicht nicht feststellen. Mehr noch ist die Quellenlage für die Bestimmung einer deutschen Rückversicherungspraxis, insbesondere mit Blick auf die zurückhaltende Inanspruchnahme deutscher Gerichte, schlicht nicht ausreichend. Auch die deutsche Literatur zum Rückversicherungsrecht ist daher eklektisch auf einen einzigen Bezugspunkt ausgerichtet: die englische Rechtsprechung. 1 Diese (vermeintlichen) Grundsätze werden aus exemplarisch dargestellten Urteilen abgeleitet und als Lösung der Rückversicherungspraxis für das Spannungsverhältnis der Rückversicherung vermarktet. Es muss daher auch Ziel dieser Untersuchung sein, diese Eigentümlichkeiten neben der fraglichen Methodik auf ihren substantiellen Gehalt zu überprüfen. Zur Bestimmung einer Rückversicherungspraxis richtet sich der Blick geradezu zwangsläufig rechtsvergleichend auf das englische Recht.2 Trotz der Verbreitung von Schiedsklauseln in Rückversicherungsverträgen und der häufig gütlichen Einigung zwischen den Parteien3 werden jedenfalls die staatlichen * So die Anweisung von Cuthbert Heath an seine Agenten unmittelbar nach dem Erdbeben von San Francisco 1906, zitiert nach Lloyd’s, San Francisco Earthquake. Im Detail zuvor auf S. 45 ff. 1 Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 119. 2 International ist die rückversicherungsrechtliche Judikatur nur marginal Merkin/ Mendelowitz, in Burling/Lazarus, Insurance Law and Regulation, S. 146 (147). 3 Lüer/Schwepcke/Looschelders, Rückversicherungsrecht, § 9 Rn. 6.
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
englischen Gerichte in Abständen bemüht, um über die Auslegung eines im Zweifel englischem Recht unterfallenden Rückversicherungsvertrages zu entscheiden. 4 Es ergibt sich bereits aus dieser Faktenlage, dass die englische Rechtsprechung und die in diesem Kontext entwickelten Folgepflichtklauseln auch für die Vertragsauslegung nach deutschem Recht betrachtet werden müssen – indes insbesondere nicht mit Blick auf ihr divergierendes Verständnis der Rückversicherung und der Folgepflicht. An der zurückhaltenden Annahme einer Bindung des Rückversicherers an die Entscheidungen des Erstversicherers im Rahmen der Folgepflicht zeigt sich eine Eigenart des englischen Rechts, welches schon in diesem Grundverständnis auch zum deutschen Recht in Widerspruch steht und nach eigenem Dafürhalten ausdrücklich allein auf englischem Recht basiert. 5 Ziel dieses Kapitels ist es daher nicht, das englische Recht zur Folgepflicht im Ganzen aufzuzeigen, sondern ausschnittsweise die Meilensteine der englischen Rechtsprechung hierzu hervorzuheben, um anhand der Entwicklung der Folgepflichtklauseln Rückschlüsse auf die Rückversicherungspraxis sowie ihre Erwartungen an die Folgepflicht zu ziehen. Denn eine rein eklektische Wiedergabe der englischen Rechtsprechung lässt die dortigen Besonderheiten außer Acht.6 Die in England entwickelte rechtliche Ausgangssituation für die Folgepflicht unterscheidet sich wesentlich von der des deutschen Rechts. Zunächst handelt es sich nach englischem Recht bei der Folgepflicht nicht um einen Handelsbrauch. Sie muss vielmehr vertraglich vereinbart werden.7 Ohne eine Vereinbarung im Rückversicherungsvertrag müsste der Erstversicherer seine eigene Leistungspflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer vollumfänglich nachweisen, um die Haftung des Rückversicherers auszulösen.8 Denn die englischen Urteile stellen immer nur eine Wertung für eine konkrete vertragliche Folgepflichtklausel dar. Schon deshalb kann es ein »Folgepflichtprinzip« im englischen Recht nicht geben.9
Vgl. Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 54. Zuletzt hat dies die Entscheidung Lexington Insurance Co v. Wasa International Insurance Co Ltd [2009] UKHL 40 verdeutlicht, so auch die Analyse von Harding, 77 Defense Counsel Journal 2010, S. 328 (328 f., 347). 6 Diese zeigen sich schon an der Praxis des underwriting bei Lloyd’s, die eher einem Börsenhandel als einem primär auf eine Gefahrengemeinschaft ausgerichteten kontinentaleuropäischen System gleicht. 7 Croly/Jefferies/Greenwald/Dallmayr, 2012 European Insurance Law Review, S. 17 (17 f.). 8 Stern/Kohler/Kendall, ZfV 2008, S. 694 (697). 9 Auch Merkin/Mendelowitz, in Burling/Lazarus, Insurance Law and Regulation, S. 146 (147). 4 5
A. Einordnung der englischen Rechtsprechung
I.
161
Die Hintergründe
Als grundlegend für das englische Verständnis der Folgepflicht ist das Urteil Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co10 aus dem Jahr 1984 anzusehen, welches weitläufig Beachtung gefunden hat und jedenfalls als Basis der heutigen englischen Rechtsprechung zur Folgepflicht angesehen werden kann.11 Dieses Urteil wird zwar meist im Hinblick auf die darin favorisierte Lösung zur Folgepflicht als grundlegend angesehen, ist allerdings primär deshalb bedeutsam, weil hierin die in größerer Zahl vorhandene bisherige englische Rechtsprechung ausführlichst zusammengefasst wurde. Diese sog. ScorEntscheidung nimmt aber auch deshalb eine Sonderstellung ein, weil die Folgepflichtrechtsprechung schon seit den 1930er Jahren keine gerichtliche Behandlung mehr erfuhr. Der Grund hierfür ist freilich nicht darin zu erkennen, dass zu diesem Zeitpunkt ein abschließendes, allgemeingültiges Folgepflichtverdikt gefunden worden war. Über die Gründe für den Umstand, dass erst 50 Jahre später ein Gericht mit der Frage der Grenzen der Folgepflicht befasst war,12 kann nur spekuliert werden – indes ist es naheliegend, anzunehmen, dass Rückversicherungsparteien zur Streitlösung schlicht nicht ein Gerichtsverfahren angestrengt hatten. Im Rahmen der Darstellung werden neben verschiedenen Formen der Folgepflichtklausel auch andere Rückversicherungsvertragsklauseln in ihrem Verhältnis zur Folgepflicht angesprochen. Hierzu zählen insbesondere Klauseln, welche eine bestimmte Form der Kooperation zwischen Erst- und Rückversicherer bei der Regulierung vorschreiben (claims cooperation clause), im Weiteren die Regulierung von der Zustimmung des Rückversicherers abhängig machen (claims control clause) oder einen umfassenden Verweis des Rückversicherungsvertrages auf die Regelungen des Erstversicherungsvertrages vorsehen (insbesondere die Back-to-back-Deckung) 13 . Die Auswirkungen dieser Klauseln wurden verschiedentlich von den englischen Gerichten adressiert und sollen daher auch hier nicht unerwähnt bleiben.14 II. Begriffliche Grundlagen des englischen (Versicherungs-)Vertragsrechts Die Bezugspunkte der Folgepflicht unterscheiden sich, d.h. Rechtsprechung und Literatur verwenden verschiedenste Bezugspunkte zur Bestimmung, ob die Folgepflicht greift oder nicht. Diese basieren meist auf der Vielzahl der in der 10 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (330). 11 Harding, 77 Defense Counsel Journal 2010, S. 328 (330). 12 Vgl. die Angaben im Rechtsprechungsverzeichnis der ausländischen Rechtsprechung. 13 Bspw. »The reinsurance is subject to the same terms, clauses and conditions, as the original policy or policies«, so in Uzielli & Co v. Boston Marine Insurance Co [1884] 15 QB 11 (12). 14 Hierauf wird vertieft noch einmal im Rahmen von Kapitel 8 einzugehen sein (S. 301 ff.).
162
Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
Praxis, also auf den in Rückversicherungsverträgen gebräuchlichen Begrifflichkeiten. So wird der Begriff »Vergleich« allgemein und auch in dieser Untersuchung weit verstanden, d.h. er umschreibt sowohl den gerichtlichen als auch den außergerichtlichen Vergleich als eine aus Anlass einer Streitigkeit des Bestehens der Leistungspflicht geschlossene Vereinbarung zwischen den Parteien. Für den Vergleich wird im englischen Recht der Begriff settlement verwendet. Dieser ist jedoch in verschiedener Hinsicht mehrdeutig. Zwar beschreibt er auch den Vergleich, darüber hinaus allerdings auch die Regulierung als Ganzes. Entsprechend behilft man sich mit Zusätzen, wie loss/claims settlement bzw. settlement of loss und compromise settlement. Unter einem settlement of loss ist demgemäß die vertragsgemäße Regulierung zu verstehen, d.h. die Regulierung in der vertraglich vereinbarten Höhe und betreffend ein durch den Erstversicherungsvertrag gedecktes Risiko. Die dem deutschen Vergleich im Rechtssinne entsprechende Wendung stellt hingegen das compromise settlement dar. Das compromise settlement zeichnet sich ebenfalls durch ein Element des gegenseitigen Nachgebens auf Basis einer strittigen vertraglichen Leistungspflicht aus. Nach tradierter Vorstellung betrifft diese Unsicherheit allerdings lediglich die Höhe bzw. den Umfang der Leistungspflicht, hingegen sei auch hier »dem Grunde nach« eine Leistungspflicht gegeben. In Abgrenzung hierzu wird für den Fall einer auch dem Grunde nach nicht vorliegenden Leistungspflicht ein eigenständiger Begriff verwendet. Es handelt sich um die bereits angesprochenen Ex-Gratia-Leistungen. Hingegen ist deren Bedeutung nicht einer abschließenden Definition zugeführt worden und daher nur bedingt nutzbar. Teilweise wird auch das englische Recht so verstanden, dass Ex-Gratia-Leistungen nicht von den verwendeten Follow-the-Settlements-Klauseln umfasst sind – jedoch sowohl settlements of loss als auch compromise settlements die Folgepflicht des Rückversicherers auslösten.15 Auch dieser Interpretation der englischen Rechtsprechung wird im Rahmen dieses Kapitels nachzugehen sein. III. Einflüsse auf die englischen Rechtsprechung Das englische Zivilrecht besteht als durch das Common Law geprägtes Rechtsregime in erster Linie aus Richterrecht. Gleichwohl sieht auch das englische Zivilrecht Gesetze im formellen Sinn, d.h. durch den parlamentarischen Gesetzgeber verabschiedete Gesetze, vor. Die dargestellten, englischen Urteile datieren auch auf das ausgehende 19. Jahrhundert, die Mehrheit der Urteile jedoch sind solche des 20. Jahrhunderts und daher zu einer Zeit entstanden, in
15 McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.15; auch Stahl/Meyenburg, VW 2006, S. 40; siehe zum Begriff ex gratia im deutschen Recht oben S. 107 ff.
A. Einordnung der englischen Rechtsprechung
163
der auch der Marine Insurance Act von 1906 bereits in Kraft war.16 Dieser enthielt nur in § 9 allgemeine Aussagen zur Rückversicherung17 und jedenfalls keine Regelung der Folgepflicht des Rückversicherers. Nichtsdestoweniger forderte in diesem Zusammenhang Steyn J, dass man sich bei der Entscheidung betreffend eine nicht geregelte Versicherungssparte bereits aus gesundem Menschenverstand am Marine Insurance Act zu orientieren habe.18 Der Marine Insurance Act ist aus einer weiteren Warte aus zwingend zu benennen, um den Ursprung der englischen Rechtsprechung zur Folgepflicht begreiflich zu machen: Bevor die Rückversicherung durch ihre Professionalisierung, d.h. die Gründung eigenständiger Rückversicherer, auch als Rechtsbereich eine gewisse Eigenständigkeit erlangte, rekurrierten die (englischen) Gerichte auf Entscheidungen des Seeversicherungsrechts. Da in dieser Zeit Erstversicherer gleichsam auch Rückversicherer waren, war die Rückversicherung in erster Linie reine Risikoteilung. Hieraus erklärt sich auch die Formulierung anfänglicher Folgepflichtklauseln, wie beispielsweise to pay as may be paid thereon19. In der ursprünglichen Version galt daher ein unbedingtes Folgeleisten und nicht etwa eine Überprüfung durch den Rückversicherer. Dies zeigt sich auch im bereits skizzierten Urteil des Supreme Court of New York von 1805 und der darin zum Ausdruck kommenden Ansicht, die relativ hohe Anforderungen an die »Nicht-Ordnungsgemäßheit« der Geschäftsführung des Erstversicherers und damit relativ geringe Voraussetzungen für die Bindung des Rückversicherers aufstellt. 20 Interessanterweise bildet dieses Urteil entgegen allgemeiner kolonialistischer Wirkungen auch den Ausgangspunkt der englischen Rechtsprechung. Dies erklärt sich auch vor dem Hintergrund des vom 1. August 1746 bis zum 25. Juli 1864 in England herrschende Verbot von Rückversicherung.21 Die Darstellung setzt an diesem historischen Befund an und zeigt die im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelten Arten der Folgepflichtklauseln auf. Er ist als Basis des geschriebenen Versicherungsrechts in England anzusehen, obschon er bereits seinem Titel nach auf die Seeversicherung begrenzt zu sein scheint, MacLeod, in Hellwege, Comparative History of Insurance Law, S. 149 (153). 17 So lediglich die Möglichkeit zur Rückversicherung – dies ist insb. vor dem Hintergrund des lange Zeit geltenden Verbots von Rückversicherung in England zu sehen – und die Maßgabe, dass dem Versicherungsnehmer aus dem Rückversicherungsvertrag keine Rechte entstehen. 18 Highlands Insurance Co v. Continental Insurance Co [1987] 1 Lloyd’s Rep 109 (114). 19 Im Rahmen des modernen Rückversicherungsvertrages wurde diese Wendung zur Gänze getilgt – wie zu zeigen sein wird allerdings aufgrund einer Vielzahl an miteinander verwobenen Faktoren, deren Entwirrung Aufgabe der abschließenden Stellungnahme sein wird. 20 Hastie and Patrick v. De Peyster and Charlton [1805] 3 Caines Rep 190; siehe im Detail oben auf S. 132 f. 21 Zu den Hintergründen unten S. 262 ff.; zu den historischen Rahmenbedingungen Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 46 f., 75. 16
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
B. Erste Annäherung auf Basis der ursprünglichen Folgepflichtklauseln »To pay as may/might be paid thereon.«*
I.
Uzielli v. Boston Marine Insurance
Die englische Rechtsprechung zur Folgepflicht ist bis 1884 zurückverfolgbar. Der in diesem Jahr durch den High Court of Justice entschiedene Fall Uzielli v. Boston Marine Insurance hatte einen Rückversicherungsvertrag zum Gegenstand, welcher den Rückversicherer verpflichtete, Folge zu leisten. Die darin verwendete Klausel to pay as might be paid on the original policy22 kann als Urform einer Folgepflichtklausel bezeichnet werden. Einer Wortlautauslegung nach bezieht sie sich auf die Zahlung des Erstversicherers und nicht etwa auf dessen Verpflichtung zur Leistung. Demnach sähe sie eine Verpflichtung des Rückversicherers vor, an den Erstversicherer die Summe zu zahlen, die dieser im Rahmen der Regulierung im Erstversicherungsverhältnis an den Versicherungsnehmer gezahlt hat. Das Urteil selbst soll Erwähnung finden, da es implizit die Grenzen der klassischen Folgepflichtklausel adressiert, auch wenn diese Aussage in der nachfolgenden Judikatur keine Beachtung fand. Der Sachverhalt stellte sich – vereinfacht – wie folgt dar: Die Originalpolice war ein Seeversicherungsvertrag über ein Schiff, welches im Oktober 1881 strandete und nur unter erheblichem Kostenaufwand in einen Hafen verbracht werden konnte. Üblich waren und sind im Rahmen der Seeversicherung Abandons, also Verzichtserklärungen mit der Folge, dass die Rechte an dem versicherten Gegenstand auf den Versicherer – vorbehaltlich dessen Ablehnung – übergehen und der Versicherungsnehmer die Versicherungssumme erhält. 23 Auch im konkreten Fall bediente man sich eines Abandons, einigte sich allerdings mit dem Versicherungsnehmer nicht auf die Auszahlung der vollen Versicherungssumme, sondern schloss einen Vergleich über 88 Prozent der Summe. Fraglich waren im Rahmen der Entscheidung allerdings nicht die Grenzen der Folgepflicht, sondern die Interpretation der suing and labouring clause in Kombination mit einem in den Rückversicherungsvertrag aufgenommenen Limit für die Leistungspflicht des Rückversicherers.24 Auch wenn sich diese und ähnliche gelagerte Fragen auf die Haftung des Rückversicherers auswirken, betreffen sie nicht die Regulierungsentscheidung des Erstversicherers und sol-
Sinngemäße Klausel aus der Entscheidung Uzielli v. Boston Marine Insurance (siehe sogleich). 22 Uzielli & Co v. Boston Marine Insurance Co [1884] 15 QB 11 (11). 23 Siehe Wagner, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Abandon, S. 1. 24 Uzielli & Co v. Boston Marine Insurance Co [1884] 15 QB 11. *
B. Erste Annäherung auf Basis der ursprünglichen Folgepflichtklauseln
165
len daher in dieser Untersuchung nicht weiter erörtert werden. Die Berufungsrichter entschieden im Ergebnis einstimmig, dass Zahlungen, entgegen der Ansicht der Vorinstanz, nicht über das Limit hinausgehend verlangt werden könnten. Der vorausgegangene Vergleich bzw. eine daran anknüpfende Folgepflicht wurde allerdings in keiner Weise in Frage gestellt. Auch über die Umstände und Beweggründe der Regulierung enthält das Urteil keine Informationen. Entsprechend muss sich die Analyse dieses ersten englischen Urteils mangels Aussagen zur Folgepflicht mit der Interpretation der übrigen Anmerkungen des Urteils begnügen. Diese sind jedoch aussagekräftig genug, um hieraus erste Schlüsse für die Folgepflicht abzuleiten. Zunächst hatten die Rückversicherer gerade nicht eingewandt, die Folgepflicht selbst umfasse nur bestimmte Arten der Regulierung oder setze die Leistungspflicht des Erstversicherers voraus. Ebenso zogen auch die Berufungsrichter diese weite Interpretation der Formel to pay as might be paid on the original policy nicht in Zweifel. Zwar mögen einzelne Einlassungen der Richter (bzw. Abwandlungen der Klausel), beispielsweise von Cotton LJ (»it is a reinsurance […] to pay as they shall pay«25), insoweit interpretationsfähig sein, als er mit der Ergänzung shall auch auf ein Ermessen des Erstversicherers abspielen könnte. Umgekehrt ließe sich diese Ergänzung mit Blick auf die englische Gesetzessprache allerdings auch als Anspielung auf eine Leistungspflicht des Erstversicherers verstehen. Jedoch legt das Nichthinterfragen der Folgepflicht nahe, dass die Richter keinen Grund sahen, die Folgepflicht zu begrenzen; und das, obwohl diese Frage zur vollständigen Ablehnung der Leistungspflicht des Rückversicherers hätte führen können und damit streiterheblich war. Es ist daher anzunehmen, dass eine weit gefasste Folgepflicht dem allgemeinen Verständnis von Rückversicherung entsprach, wie sie bereits das als Vorlage dienende französische26 und US-amerikanische Recht vorzeichnete.27 Demnach ist der Entscheidung der Aussagegehalt beizumessen, dass jegliche Form der Regulierung (hier: ein Vergleich zu 88 Prozent der Versicherungssumme) die Folgepflicht des Rückversicherers auslöst. Dies lässt sich auch der Aussage von Lindley LJ entnehmen, der bemerkt: »[It] is plain, therefore, that the plaintiffs are entitled to recover something upon this policy. They seek to recover 88 per cent […].«28
In der Retrospektive wird der der Entscheidung nachfolgende Zeitraum der Judikatur in England in der Weise interpretiert, dass der Rückversicherer bei Ver-
Uzielli & Co v. Boston Marine Insurance Co [1884] 15 QB 11 (18). Die Bezugnahme französischer Autoren kann generell beobachtet werden, bspw. in der noch vor diesem Urteil ergangenen Entscheidung Mackenzie v. Whitworth [1874-75] L.R. 10 Ex. 142. 27 Siehe im Einzelnen S. 131 ff. 28 Uzielli & Co v. Boston Marine Insurance Co [1884] 15 QB 11 (19). 25 26
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
wendung der Formel to pay as might be paid (thereon) jedenfalls ohne Hinterfragen der Leistungspflicht des Erstversicherers leisten müsste, sofern der Erstversicherer selbst redlich (honestly) gezahlt habe.29 Sie entspricht daher dem Ausgangspunkt der im vorigen Kapitel vorgestellten fünften Lösung (Redlichkeit), die methodisch von der Mehrheit der Rückversicherungsliteratur zum deutschen Recht vertreten wird30. II. Chippendale v. Holt Eine explizite Antwort auf die Frage nach den Grenzen der Folgepflicht gab im Nachgang zu dieser Entscheidung Mathew J in der Entscheidung Chippendale v. Holt von 1895. Demnach verlange die Folgepflicht eine nachgewiesene oder eingestandene Leistungspflicht des Erstversicherers (proved or admitted legal liability).31 Ergänzend nahm er an, dass der Erstversicherer neben seiner Leistungspflicht auch die Tatsache, dass er geleistet hatte, nachweisen müsste. Entsprechend sei der Rückversicherer im umgekehrten Fall nicht verpflichtet zu leisten, da sich der Erstversicherer auch ohne eigene Leistungspflicht entscheiden könnte, an den Versicherungsnehmer zu zahlen. Im Laufe des Verfahrens wurde von Seiten des Erstversicherers vorgebracht, Bedingung für eine Leistungspflicht des Rückversicherers sei allein die Überzeugung des Erstversicherers davon, dass er selbst leistungspflichtig ist und nach Treu und Glauben reguliert hat.32 Diese Argumentation entsprach der vorherigen Vorstellung von der Funktion der Folgepflicht. Diese Ansicht lehnte Mathew J allerdings explizit ab, da die Klausel (to pay as may be paid thereon), welche sich nicht zu der in Uzielli v. Boston Marine Insurance unterschied, eine Leistungspflicht des Erstversicherers impliziere.33 Die Klausel sei daher als to pay as may be liable to pay thereon zu lesen – da ohne dieses Erfordernis keine Rückversicherung, sondern eine Wette (wager) vorläge.34 Als Beispiel für eine Klausel, die den von den Erstversicherern gewünschten Effekt zur Folge hätte, nannte er beispielhaft die Formulierung to pay such an amount as the insurers might choose to pay whether liable or not.35
So jedenfalls die Auslegung des Urteils Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (319). 30 Siehe S. 130 ff. 31 Chippendale v. Holt [1895] 1 Com Cas 197 (200). 32 Chippendale v. Holt [1895] 1 Com Cas 197 (199); zusammenfassend: The Law Times 1895, 472 (472 f.). 33 Chippendale v. Holt [1895] 1 Com Cas 197 (200). 34 Vgl. Golding, The Law and Practice of Reinsurance, S. 10 mit Verweis auf Scottish Metropolitan Assurance Co Ltd v. Groom [1924] Lloyd’s Rep 131, 41; zusammenfassend: The Law Times 1895, 472 (473). 35 Chippendale v. Holt [1895] 1 Com Cas 197 (199). 29
B. Erste Annäherung auf Basis der ursprünglichen Folgepflichtklauseln
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Die Sicht von Mathew J auf die Folgepflicht war allerdings bereits zur Zeit der Entscheidung kritisiert worden.36 Und auch die Argumentation der Erstversicherer mit dem Einwand, dass die Klausel gerade unabhängig von einer Leistungspflicht im Erstversicherungsverhältnis greifen sollte, sofern es sich bei der Zahlung um eine Zahlung nach Treu und Glauben (good faith) handelte,37 entsprach der vorherigen Praxis. Umso mehr überrascht es, dass diese Sichtweise im Anschluss an dieses Urteil von der englischen Rechtsprechung adaptiert wurde.38 Man interpretierte die zusätzliche Voraussetzung der Leistungspflicht des Erstversicherers gar in der Weise, dass der Rückversicherer gegenüber dem Erstversicherer alle Einwendungen geltend machen konnte, die dieser gegenüber seinem Versicherungsnehmer (gehabt) hatte. 39 Erst Mathew J brach daher mit der zuvor international gleichlaufenden Anschauung der Folgepflicht, 40 die sich im Gegensatz dazu zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland unvermittelt fortsetzte41. III. Western Assurance Co of Toronto v. Poole Hingegen wurde 1903 in Western Assurance Co of Toronto v. Poole festgehalten, dass, sofern eine Leistungspflicht im Erstversicherungsverhältnis bestehe, ein diese adressierender Vergleich zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer nicht mehr durch den Rückversicherer angegriffen werden könne. 42 Bigham J schloss mit Blick auf die Entscheidung Uzielli v. Boston Marine Insurance für die in Rede stehende Seerückversicherung: »I am quite satisfied that the Court never meant to say that, where there had been in fact no original liability for a constructive total loss, the reassured could recover from the reinsurer
36 Siehe die Wertung in Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (329). 37 Chippendale v. Holt [1895] 1 Com Cas 197 (199); zusammenfassend: The Law Times 1895, 472 (472 f.). 38 Hierzu Marten v. Steamship Owners’ Underwriting Association Ltd [1902] 7 Com Cas 195 und Fireman’s Fund Insurance Co v. Western Australian Insurance Co [1927] 33 Com Cas 36. 39 So in China Trader’s Insurance Co Ltd v. Royal Exchange Assurance Corp Ltd [1898] 2 QB 187 (191, 192). 40 Im Weiteren überrascht es, dass andererseits die Versicherungsleistung im Erstversicherungsverhältnis noch nicht erbracht worden sein musste, um die Folgepflicht des Rückversicherers auszulösen, sondern die Leistungspflicht des Erstversicherers lediglich festgestellt bzw. bearbeitungsfähig gewesen sein musste, siehe hierzu Wedge, Reinsurance Claims Management, 2.13.4, und später auch Pine Top Insurance Co Ltd v. Unione Italiana Anglo Saxon Reinsurance Co Ltd [1987] 1 Lloyd’s Rep 476. 41 Siehe hierzu die bereits vorgestellten Urteile und Literaturstimmen zu Lösung 5 (Redlichkeit) auf S. 130 ff. 42 Western Assurance Co of Toronto v. Poole [1903] KB 376.
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
on the mere ground that he had paid a sum of money which amounted to what might, perhaps, have been claimed from him as the amount of such a loss if such a loss had happened.«43
Der Fakt, dass der Erstversicherer geleistet hatte, sollte demnach nicht ausreichend sein, um den Rückversicherer zur Folge zu verpflichten. Bigham J formuliert dies vor dem Hintergrund, dass es sich im Unterschied zu der bereits vorgestellten Entscheidung nunmehr um einen Totalschaden (constructive total loss) des versicherten Schiffs im Erstversicherungsverhältnis handelte. 44 Hierin sah er den in der Common Law-Tradition notwendigen und hinreichenden Grund, von der Entscheidung Uzielli v. Boston Marine Insurance abzuweichen.45 Auch enthält die Entscheidung eine explizite Aussage zur Folgepflicht. Sie war nicht entscheidungserheblich, wurde von Bigham J allerdings als obiter dictum angefügt: »The reinsurer, when called upon to perform his promise, is entitled to require the reassured first to show that a loss of the kind reinsured has in fact happened; and, secondly, that the reassured has taken all proper and businesslike steps to have the amount of it fairly and carefully ascertained. That is all. He must then pay«46 [Herv. d. Verf.].
Er bewegt sich damit bereits zu dieser Zeit in der Nähe der durch die ScorEntscheidung herrschend gewordenen Ansicht zum englischen Recht 47 . Im Einzelnen habe die Folgepflicht demnach zur Voraussetzung, dass der eingetretene Schaden als solcher rückversichert ist, d.h. den in der Rückversicherungspolice beschriebenen Risiken unterfällt. Darüber hinaus stellt Bigham J eine weitere Bedingung auf, die mit den Begriffen des deutschen Rückversicherungsrechts als »ordnungsgemäße Geschäftsführung« beschrieben werden könnte. Indes beschreibt er auch den Gegenstand der Ordnungsgemäßheit nicht mit der Geschäftsführung selbst, sondern bezieht die proper and businesslike steps auf die gerechte und sorgfältige Ermittlung der Schadenssumme. Bedeutsam ist mithin die sich hieran anschließende Bemerkung, dass es mehr als die genannten Voraussetzungen nicht gäbe und der Rückversicherer bei Erfüllung dieser zahlen müsse. Wie er im Weiteren illustrativ ausführt, habe dies insbesondere zur Folge, dass der Rückversicherer nicht berechtigt ist, die Regulierung anzuzweifeln oder gar »aufzuheben« 48 oder aufgrund eines Western Assurance Co of Toronto v. Poole [1903] KB 376 (388). Western Assurance Co of Toronto v. Poole [1903] KB 376 (388). So auch die Interpretation von Goff LJ in Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (329). 45 Western Assurance Co of Toronto v. Poole [1903] KB 376 (388). 46 Western Assurance Co of Toronto v. Poole [1903] KB 376 (386); auch zitiert in Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (193). 47 Siehe ausführlich S. 175 ff. 48 Dort heißt es: »Nor is [the reinsurer] entitled to rip up the settlement […]«, Western Assurance Co of Toronto v. Poole [1903] KB 376 (386). 43 44
C. Abkehr von Chippendale v. Holt durch Klauselergänzungen
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unbeabsichtigten Fehlers (honest mistake) des Erstversicherers nicht zu zahlen.49
C. Abkehr von Chippendale v. Holt durch Klauselergänzungen »We desire to re-establish the position which was accepted by a large number of people in the insurance world before the decision of Chippendale v. Holt.«*
Chippendale v. Holt stellte zwar in der einschränkenden Auslegung von to pay as may/might be paid thereon die Festigung einer Mindermeinung dar, markierte aber auch das Leiturteil zur Rechtsprechung zu den Grenzen der Folgepflicht für die folgenden vier Jahrzehnte.50 Hiervon ist die englische Rechtsprechung allerdings nach und nach abgerückt. I.
Gurney v. Grimmer
Darüber hinaus äußerte sich der Court of Appeal 1932 zu den Grenzen der Folgepflicht. Im Rahmen einer Seerückversicherung ließ sich die streitgegenständliche Folgepflichtklausel in drei Bestandteile zerlegen: die allgemeine, zu dieser Zeit übliche Folgepflichtklausel to pay as may be paid thereon; einen zweiten Teil, der den Vertrag als Schadenexzedentenvertrag beschreibt, weiter aber nicht relevant sein soll (»[…] but warranted free of all average«); und den prima facie streitanlässlichen Teil (»and to pay only in the event of the total constructive compromised and/or arranged total loss of the vessel«). 51 Ein constructive compromised and/or arranged total loss war daher zusätzliche Bedingung für das Folgeleisten des Erstversicherers. Im Rahmen der Frage, ob compromised und arranged total loss52 vor dem Hintergrund ihrer Verbindung durch and/or Synonyme oder unterschiedliche Begriffe sind, wurde die Folgepflicht selbst adressiert. Im Ergebnis gingen die Berufungsrichter in Abkehr zur Vorinstanz davon aus, dass die Dopplung lediglich die Schwierigkeit beseitigen sollte, einen (angenommenen) Totalschaden des Schiffs (constructive
Western Assurance Co of Toronto v. Poole [1903] KB 376 (386). So die fiktive Formulierung der Ansicht der Erstversicherer durch Greer LJ, aus der Entscheidung Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (198), siehe sogleich. 50 Vgl. die Aussagen in Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (193); statt vieler substantiell Merchants’ Marine Insurance Co Ltd v. Liverpool Marine and General Insurance Co Ltd [1928] 31 Lloyd’s Rep 45. 51 Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (190). 52 Scrutton LJ wies bereits betreffend den Klauselwortlaut spitzfindig darauf hin, dass man sich nicht über einen Schaden (loss) vergleichen könne, sondern lediglich über eine Forderung (claim), Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (190). 49 *
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total loss) nachzuweisen, d.h. dass auch ein »verglichener« Totalschaden ebenfalls als ausreichend angesehen werden sollte.53 Bemerkenswert sind darüber hinaus die Ausführungen der Richter in Bezug auf die Entwicklung der Folgepflichtklauseln und die Gestaltungsvorstellungen von Parteien eines Rückversicherungsvertrages. Die in Chippendale v. Holt54 vertretene Einschränkung der Folgepflicht stieß demnach nicht auf die Zustimmung der Rückversicherungsbranche, insbesondere der Erstversicherer, und stand auch nicht im Einklang mit der seinerzeit vorherrschenden Ansicht.55 Vor diesem Hintergrund muss nach Greer LJ auch die Ergänzung and/or arranged total loss verstanden werden. Diese hätte in Abkehr zu der engen Sichtweise in Chippendale v. Holt einzig den Zweck, dem Erstversicherer einen zusätzlichen Vorteil zu verschaffen.56 In einem weiten Sinne würde damit auf sämtliche Regulierungspraxis des Erstversicherers eingegangen, welche nicht durch den Rückversicherer in Abrede gestellt werden können sollte.57 Greer LJ verdeutlichte diese Sicht der Erstversicherer, indem er aus deren Sicht in direkter Rede formulierte: » ›We desire to re-establish the position which was accepted by a large number of people in the insurance world before the decision of Chippendale v. Holt, and we desire to have an insurance which, if we are satisfied, we ought either to compromise or to arrange, whether by payment in full or by payment of something less, and you the reinsurers agree to relieve us of the responsibility of proving that there has been the loss mentioned in the original policy, namely, a constructive total loss‹ «58 [Herv. d. Verf.].
Auch Scrutton LJ hob hervor, dass die underwriter mit der Formulierung to pay as may be paid thereon ursprünglich (d.h. Ende des 19. Jahrhunderts) bezweckten, dass der Rückversicherer bei aufrichtiger Forderung des Versicherungsnehmers und aufrichtiger Regulierung des Erstversicherers zahlen müsse.59 Diese Ansicht wäre erst durch Chippendale v. Holt unerwarteterweise Insoweit sei es nach Lawrence LJ Praxis in der Versicherungswirtschaft, Synonyme zu verwenden, um Klauseln verständlicher zu machen, Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (191). Er verweist in diesem Zuge auch metaphorisch auf die inflationäre Verwendung von and/or (»habit of some business people and some lawyers of sprinkling ›and/ or’s‹ as if from a pepper pot all over their documents without any clear idea of what they mean by them«), dort S. 194. 54 Siehe oben Chippendale v. Holt [1895] 1 Com Cas 197. 55 Siehe instruktiv Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (198). 56 Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (199). 57 So bereits der Anwalt der Erstversicherer, Porter, der argumentierte, dass die ursprüngliche Klausel (to pay as may be paid thereon) durch den Zusatz erweitert werden sollte und generell ein Bedürfnis bestünde, das Folgeleisten des Rückversicherers zu automatisieren, siehe die Zusammenfassung von Scrutton LJ in Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (190). 58 Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (198 f.). 59 Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (193). 53
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revidiert worden. 60 Brisanz hat diese Bezugnahme auf Chippendale v. Holt durch die Rolle von Scrutton LJ selbst. Nunmehr entschied er als einer von drei Berufungsrichtern über die Ergänzung zu der ursprünglichen Klausel, war allerdings fast vierzig Jahre zuvor selbst als Rechtsbeistand des unterlegenen Erstversicherers an dem Verfahren Chippendale v. Holt beteiligt.61 Auf diese doppelte Rolle wies er sogar selbst in Gurney v. Grimmer hin: »Mr. Joseph Walton and Messrs. Waltons, who have been associated with marine insurance as long as I remember, endeavoured to argue, with my humble assistance, that ›to pay as may be paid thereon‹ did mean ›to follow genuine settlements‹ «62 [Herv. d. Verf.].
Scrutton LJ wies jedoch darauf hin, dass in einem hypothetischen Fall einer vollen Auszahlung der Schadenssumme ohne irgendeine Form der Untersuchung der Umstände das Merkmal arranged seiner Ansicht nach nicht mehr als erfüllt anzusehen wäre.63 Lawrence LJ ergänzte, dass die Beweislast für die »Nicht-Ordnungsgemäßheit« eines Vergleichs (settlement)64 oder auch eines Entgegenkommens (compromise) der Rückversicherer trage.65 Dies steht im Gleichlauf mit der Hypothese dieser Untersuchung, dass durch die Art der Regulierung durch den Erstversicherer keine Differenzierung für die Folgepflicht getroffen werden soll. Entsprechend nahm Lawrence LJ auch betreffend die Wendung arranged or compromised keine Unterscheidung vor. Zugrunde lag dieser Auslegung auch die Argumentation der vor Chippendale v. Holt vertretenen herrschenden Ansicht, dass die Formel to pay as may be paid thereon den Erstversicherer davor schützen sollte, seine Rückversicherungsdeckung zu verlieren, wenn er ordnungsgemäß reguliert hatte.66 Greer LJ ging ebenfalls von einer entsprechenden Weite der Folgepflicht aus. Seiner Ansicht nach wollten die Erstversicherer mit dem Zusatz and/or arranged total loss die Leistungspflicht des Rückversicherers statuieren, wenn der Erstversicherer – unabhängig von der Leistungspflicht des Erstversicherers – in gutem Glauben (bona fide) reguliert hatte – und dieser Intention seien sich auch die konkreten Rückversicherer bewusst gewesen.67 Auch wenn die Frage der Auslegung von and/or arranged total loss nicht unmittelbar die Folgepflichtklausel betrifft, so ist sie doch insofern mit ihr verwandt, als ihr ein auch für die Folgepflicht tragbarer Gedanke innewohnt. Die Richter in Gurney v. Grimmer beobachteten eine allgemeine Tendenz der So Scrutton LJ in Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (193). Siehe Chippendale v. Holt [1895] 1 Com Cas 197. 62 Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (193). 63 Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (197). 64 Zur Frage der Bedeutung des Begriffs settlement siehe sogleich Excess Insurance Co Ltd v. Mathews [1925] 31 Com Cas 43. 65 Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (196). 66 So Greer LJ in Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (198). 67 Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (193). 60 61
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Branche, die ursprüngliche (d.h. vor Chippendale v. Holt herrschende) übliche Weite der Folgepflicht wiederherzustellen. Diese Tendenz muss gleichsam in einer Gesamtabwägung zur Frage nach den Grenzen der Folgepflicht relevant sein, da ihr die Aussage entnommen werden kann, dass eine zu enge Folgepflicht nicht marktfähig ist bzw. den Gegebenheiten in der Praxis widerspricht. Darüber hinaus unterschieden die Richter nicht in verschiedene Regulierungsarten und erkannten ausdrücklich an, dass ein Entgegenkommen, hier in Form eines Vergleichs in Höhe von 6.250 Britische Pfund (wobei die Summe der geltend gemachten Schäden 9.000 Britische Pfund betrug) nicht schon aufgrund der Zweifelhaftigkeit der Leistungspflicht des Erstversicherers die Bindungswirkung für den Rückversicherer ausschloss.68 II. Excess Insurance v. Mathews Die gleiche Konsequenz maß Branson J in Excess Insurance v. Mathews zuvor der Klausel to pay as may be paid thereon and to follow their settlements bei. Der Zusatz and to follow their settlements sollte über Chippendale v. Holt hinaus eine Leistungspflicht des Rückversicherers auslösen, auch wenn der Erstversicherer im Erstversicherungsverhältnis nicht zur Leistung verpflichtet war (where there was in fact no liability on the original policy).69 In der Weise interpretiert auch McGee die insoweit eindeutigen Aussagen des Urteils. Demnach müsse der Erstversicherer zur Begründung der Folgepflicht nicht »dem Grunde nach« zu einer Leistungspflicht verpflichtet sein.70 Er sieht hierin eine ausdrückliche Wende zu der durch Chippendale v. Holt geprägten Rechtsprechung.71 Im Unterschied zu der nur vagen Ergänzung in Gurney v. Grimmer hätten sich die Rückversicherungsvertragsparteien daher nach Ansicht von Branson J explizit für eine weitere Auslegung der Folgepflichtklausel ausgesprochen. Er ging davon aus, dass im Gegensatz zur ursprünglichen Form der Folgepflichtklausel72 nicht nur die Höhe eines Vergleichs zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer für den Rückversicherer bindend ist, sondern darüber hinaus auch die darin verglichene Frage der Leistungspflicht des Erstversicherers als solche. Im Ergebnis hatte der Zusatz follow the settlements daher den Effekt, die Erstversicherer in eine Lage vor der Rechtsprechung zu to pay as may be paid thereon zu versetzen und der Rückversicherer somit unabhängig davon leisten sollte, ob der Erstversicherer selbst leistungspflichtig ist oder
Scrutton LJ in Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (196). Excess Insurance Co Ltd v. Mathews [1925] 31 Com Cas 43 (53). 70 McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.15. 71 McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.15. 72 To pay as may be paid thereon. 68 69
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nicht.73 Dies ist insofern bedeutsam, als dem eine ganz bewusste Willensrichtung der Branche zu entnehmen ist. Das enge Verständnis der Folgepflichtklausel in Chippendale v. Holt entsprach somit gerade nicht den Vorstellungen der Rückversicherungspraxis. Eine andere in diesem Urteil adressierte – allerdings für diese Untersuchung nicht minder wichtige – Frage bezog sich auf den Begriff des settlement als Bezugspunkt der Folgepflicht. Insbesondere warf das Gericht die Frage auf, welche Arten der Regulierung der Begriff settlement beschreiben sollte. Die beiden Pole bildeten dabei eine enge Auslegung, welche hierunter lediglich (schieds-)gerichtliche Vergleiche versteht, und eine weite Auslegung, welche sämtliche Regulierung des Erstversicherers beschreibt. Branson J nahm an, dass der verwendete Begriff settlement mit dem weiteren Begriff compromise gleichzusetzen, dass aber nicht ein mere settlement of account gemeint sei.74 Compromise ließe sich in diesem weiten Sinne mit »Entgegenkommen« bzw. dem nicht zwangsläufig im rechtstechnischen Sinne gemeinten Vergleich übersetzen, und entspricht der terminologischen Basis dieser Untersuchung75. Unter einem mere settlement of account ist hingegen, wie Scrutton LJ in Gurney v. Grimmer beschreibt, eine Regulierung ohne angemessene Untersuchung des Versicherungsfalls mit der Folge einer vollen Auszahlung der Schadenssumme zu verstehen.76 Branson J schließt hiermit also gerade nicht eine einfache Regulierung als folgepflichtbegründende Geschäftsführung des Erstversicherers aus. III. Sir William Garthwaite (Insurance) v. Port of Manchester Insurance Im Anschluss an diese Entscheidung entschied der Court of Appeal 1930 in Sir William Garthwaite (Insurance) v. Port of Manchester Insurance, dass der Zusatz follow the settlements jedenfalls einen Vorteil für den Erstversicherer herbeiführen sollte.77 Auch er geht zunächst – und dieses Mal im Unterschied zu Gurney v. Grimmer78 – explizit davon aus, dass to pay as may be paid thereon sich zwar auf die Leistung des Erstversicherers und nicht auf seine Leistungspflicht bezieht, legt der Formel allerdings auch ein Element aus Treu und Glauben zugrunde, indem er sie auf ein properly paid erweitert, und damit ein Element aus Chippendale v. Holt wieder aufgreift. 73 So interpretiert von Stephenson LJ in Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (320). 74 Excess Insurance Co Ltd v. Mathews [1925] 31 Com Cas 43 (53 f.). 75 Siehe hierzu die Feststellungen insb. oben auf S. 161 f. 76 Soeben angesprochen, siehe Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (197). 77 Sir William Garthwaite (Insurance) Ltd v. Port of Manchester Insurance Co Ltd [1930] 2 Lloyd’s Rep 194 (195). So auch in Versicherungs und Transport AG Dangara v. Henderson [1934] 39 Com Cas 312 (316). 78 Siehe oben auf S. 169 ff.
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Hervorzuheben ist dieses in seiner Begründung kompakte Urteil allerdings aufgrund einer anderen Aussage, die die Weite der Formel follow the settlements beschreibt. In dem streitgegenständlichen Rückversicherungsvertrag wurden wiederum beide Formeln miteinander kombiniert und durch ein and verbunden. Dies nahm Scrutton LJ zum Anlass dem Zusatz eine eigene Bedeutung beizumessen, die er in Anlehnung an die erste Formel mit »to pay as may be settled thereon« [Herv. d. Verf.] beschreibt.79 Betreffend das Verhältnis der beiden Formeln zueinander adressierte er daher auch die Schwierigkeit der Abgrenzung.80 In der Folge stellte sich auch hier die Frage, ob damit über die ursprüngliche Klausel hinausgehend eine zusätzliche Verpflichtung des Rückversicherers statuiert werden sollte, oder, ob hiermit allgemein eine den Erstversicherer begünstigende Auslegung der Folgepflicht befördert bzw. wieder aufgegriffen werden sollte. In Kohärenz mit der restriktiven Zustimmung zu Chippendale v. Holt und dem Tenor der ihr nachfolgenden Urteile muss jedenfalls der Zusatz follow the settlements in der Weise interpretiert werden, dass er die Folgepflicht des Rückversicherers erweitert.
D. Reduzierung der Klausel auf »follow the settlements« »I do not, however, consider it possible to imply any stronger term, imposing a higher duty of care on insurers.«*
Zwischen den 1930er und den 1980er Jahren finden sich erstaunlicherweise keine nennenswerten, rückversicherungsrechtlichen Urteile zum englischen Recht. Dies erklärt sich nach Noussia durch die beinahe ausschließliche Nutzung von Schiedsverfahren. 81 Im Nachgang zu dieser Rechtsprechung ging man (spätestens seit 1984) dazu über, den ersten Teil der so umschriebenen Folgepflicht zu streichen und stattdessen lediglich follow the settlements in die Rückversicherungsverträge aufzunehmen. Naheliegend ist somit die Vermutung, dass die Praktiker der Rückversicherung hiermit nicht etwa eine Begrenzung der Folgepflicht des Rückversicherers herbeiführen wollte. Vielmehr wird man dieses Weglassen des ersten Teils der Klausel vor dem Hintergrund der aufgezeigten Entwicklung der Rechtsprechung so verstehen müssen, dass hiermit der zweite Bestandteil der Klausel betont werden sollte. Dies ist ganz 79 Statt paid thereon, Sir William Garthwaite (Insurance) Ltd v. Port of Manchester Insurance Co Ltd [1930] 2 Lloyd’ Rep 194 (195). 80 Sir William Garthwaite (Insurance) Ltd v. Port of Manchester Insurance Co Ltd [1930] 2 Lloyd’s Rep 194 (195). * Goff LJ in Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (330). 81 Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 54; dies gilt auch für das deutsche Recht, hierzu Franz/Keune, VersR 2013, S. 12 (12 ff.).
D. Reduzierung der Klausel auf »follow the settlements«
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entscheidend, wenn man sich vor Augen führt, dass der erste Teil der Klausel zunächst (trotz der Verwendung von paid statt liable to pay) noch in Chippendale v. Holt als reiner Verweis auf die Leistungspflicht des Erstversicherers gelesen wurde. Die Erfahrung der Urteile der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts zeigt, dass die englischen Gerichte die Intention hinter der ursprünglichen Klausel und daher auch die Hintergründe der Klauselergänzung erkannten. Mit Blick auf diese Entwicklung ist daher die Reduzierung auf follow the settlements naheliegend, will man gerade den dieser Rechtsprechung vorausgegangenen Ballast der ersten Urteile abwerfen. Die Entwicklung ist daher im Ganzen vor dem Hintergrund der Bestrebungen zu sehen, die Voraussetzungen an das Greifen der Folgepflicht im Sinne eines ursprünglichen Verständnisses zu reduzieren – und dies insbesondere in Bezug auf deren eigene Leistungspflicht gegenüber ihren Versicherungsnehmern und den Nachweis ihrer Leistungspflicht.82 I.
Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co
Die erneute Behandlung der Folgepflicht in der englischen Rechtsprechung nahm ihren Anfang in der prominenten Entscheidung Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co (im Folgenden Scor-Entscheidung) des englischen Court of Appeal aus 1984. Ihr lag eine ebensolche Reduzierung der Folgepflichtklausel auf follow the settlements zugrunde – man spricht nunmehr von einer Follow-the-Settlements-Klausel.83 Sowohl Stephenson LJ als auch Goff LJ beschäftigten sich in ihrer Urteilsfindung außergewöhnlich intensiv mit der bisherigen Judikatur zur Folgepflicht des Rückversicherers, weshalb ihre Ausführungen in entsprechender Breite den Grundstein für die sich daran anschließende Darstellung der Folgeurteile bilden sollten. 1. Überblick zum Sachverhalt der Scor-Entscheidung Da er für die weitere Interpretation des Urteils essentiell sein wird, soll der Sachverhalt des Urteils im Folgenden kurz dargestellt werden: Der Versicherungsnehmer ATC (Africa Trading Company [Liberia]) hatte für ein Lagerhaus in Monrovia (Liberia) eine Feuerversicherung mit ICA (Insurance Company of Africa) abgeschlossen. Letztere gab die Risiken zu einem Großteil in Rückversicherung, insbesondere auch bei dem Rückversicherer Scor. Das Lagerhaus wurde 1982 durch ein Feuer zerstört. Die Umstände des Schadens wurden ausführlich untersucht, nachdem mehrere Hinweise auf einen VersicherungsbeEdelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.12. Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312; zustimmend auch Insurance Co of the State of Pennsylvania v. Grand Union Insurance Co [1990] 1 Lloyd’s Rep 208. 82 83
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
trug gemeldet worden waren. Dieser konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, weshalb ICA in einem Gerichtsverfahren am 5. August 1982 auf Grundlage des Erstversicherungsvertrages zur Zahlung verurteilt worden war. Auf Basis der follow the settlements clause im Rückversicherungsvertrag klagte ICA gegen Scor ebenfalls auf anteilige Zahlung des an ATC gezahlten Betrags. Scor berief sich insbesondere darauf, dass eine Leistungspflicht der ICA aufgrund des vermuteten Betrugs durch ATC nicht bestanden habe und dass im Übrigen jedenfalls die claims cooperation clause84 durch ICA verletzt worden wäre und Scor deshalb nicht leistungspflichtig sei.85 Gegen das klagestattgebende Urteil legte Scor Berufung ein. 2. Die Scor provisos Aus dem Urteil zu diesem Fall wurden die sog. Scor provisos abgeleitet. 86 Demzufolge war der Test zur Beantwortung der Frage des Umfangs der Haftung des Rückversicherers zweigestalt, sodass erst mit Erfüllung beider Voraussetzungen die Folgepflicht des Rückversicherers ausgelöst würde.87 Zum einen müsse der durch den Erstversicherer regulierte Schadensfall im Erstversicherungsverhältnis die Verwirklichung eines durch den Rückversicherungsvertrag gedeckten Risikos darstellen. Zudem müsse sich der Erstversicherer bei der Regulierung ordnungsgemäß und professionell verhalten haben. Goff LJ fasste zusammen: »In my judgment, the effect of a clause binding reinsurers to follow settlements of the insurers, is that the reinsurers agree to indemnify insurers in the event that they settle a claim by their assured, i.e. when they dispose, or bind themselves to dispose, of a claim, whether by reason of admission or compromise, provided that the claim so recognised by them falls within the risks covered by the policy of reinsurance as a matter of law, and provided also that in settling the claim the insurers have acted honestly and have taken all proper and businesslike steps in making the settlement.«88
84 Auf diese Klausel und ihre Auswirkungen auf die Folgepflicht und die in dieser Entscheidung zum Ausdruck kommenden Ansichten zu ihrem Verhältnis zur Folgepflicht wird auf S. 309 ff. gesondert einzugehen sein. 85 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (312 ff.). 86 Der Begriff wurde insb. in Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 verwendet. 87 Nach Wedge, Reinsurance Claims Management, Rn. 2.13.4 stellen sich die beiden Voraussetzungen wie folgt dar: »1. The claim recognised by the reinsured falls within the risks covered by reinsurance policies, 2. The reinsured acted honestly (bona fides) and took all proper and businesslike steps in making the settlement«. 88 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (330).
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Die erste Voraussetzung bezieht sich auf den Rückversicherungsvertrag selbst – und nicht etwa auf die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis. In diesem Punkt wird die Voraussetzung aus der Scor-Entscheidung oftmals verfälscht oder jedenfalls unbestimmt wiedergegeben. Wenn auch die Beweggründe für eine solche Interpretation des Urteils nicht offen zu Tage treten, lässt sie sich jedenfalls vor dem Hintergrund der weiteren Ausführungen im Urteil nicht halten. Einwendungen des Rückversicherers, dass ein Schaden im Erstversicherungsverhältnis nicht unter den Erstversicherungsvertrag falle, waren daher auch hiernach grundsätzlich nicht möglich. Denn weder der Begründung noch dem Ergebnis der Entscheidung ist ein solches Verständnis der ersten Scor proviso zu entnehmen. Folgerichtig kann es sich allein um das Risiko des Rückversicherungsvertrages selbst handeln.89 Die zweite90 Voraussetzung bezieht sich auf die Art und Weise der Regulierung im Erstversicherungsverhältnis. Zudem soll der Rückversicherer beweisen müssen, dass der Erstversicherer nicht-ordnungsgemäß und professionell reguliert hat oder böswillig war.91 Diese Beweislastverteilung zugunsten des Erstversicherers entspricht der in Merchants’ Marine Insurance v. Liverpool Marine & General Insurance vertretenen Ansicht.92 Eine ordnungsgemäße Geschäftsführung in diesem Sinne bedinge auch die Einsetzung kompetenter Schadenbearbeiter und deren angemessene Beaufsichtigung durch den Erstversicherer.93 Stephenson LJ formulierte mit Verweis auf die Urteile94 von Scrutton LJ: »But if his claim appeared to IAC [the insurer], after all proper and businesslike steps had been taken, to be genuine and IAC honestly believed that he had suffered the loss ATC [the policyholder] claimed, they had no alternative to paying it, even if they had not been ordered to do so by a court of law. I cannot believe that Lord Justice Scrutton had in mind the case of an apparently genuine claim for an apparently insured loss, which after a genuine settlement may turn out to have been fraudulent or that he intended to impose such a further 89 In dieser Weise wurde das Urteil auch im Nachgang interpretiert, so bspw. in Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 und von Wedge, Reinsurance Claims Management, Rn. 2.13.4. 90 Teilweise werden die Scor provisos in umgekehrter Reihenfolge beziffert, Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 1.87; der Verweis im Rahmen dieser Untersuchung bezieht sich allerdings auf die Reihenfolge, wie sie durch das soeben genannte Zitat von Goff LJ vorgegeben wurde. 91 So in Ergänzung zur Scor-Entscheidung Charman v. Guardian Royal Exchange Assurance Plc [1992] 2 Lloyd’s Rep 607. 92 Merchants’ Marine Insurance Co Ltd v. Liverpool Marine & General Insurance Co Ltd, 31 Lloyd’s Rep 45; diese Beweislastverteilung wurde allerdings im Anschluss in Zweifel gezogen, King v. Brandywine Reinsurance Co Ltd [2005] 1 Lloyd’s Rep 655; siehe auch Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.01. 93 Charman v. Guardian Royal Exchange Assurance [1992] 2 Lloyd's Rep 607 (612). Darüber hinaus müsse der Rückversicherer über die Leitlinien der Schadenbearbeiter informiert sein. 94 Insb. Gurney v. Grimmer oben S. 169 ff.
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qualification on these protective clauses. That is a risk run by those who bind themselves to follow settlements, whether that allegation adds (as Mr. Justice Branson thought) or does not add (the view of Lord Justice Scrutton) anything to the obligation to pay as may be paid properly.«95
Nach der Vorstellung von Stephenson LJ ist es daher, unabhängig von der Klauselformulierung und der Klauselinterpretation, nicht im Sinne eines Rückversicherungsvertrages, wenn ein Rückversicherer trotz eines vertretbaren Vergleichs zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer über eine offensichtlich vertretbare Forderung betreffend einen offensichtlich versicherten Schaden von seiner Leistung befreit wird. Diese Schlussfolgerung war bereits in Excess Insurance Co v. Mathews von Branson J vertreten worden und kann als Fortführung der Entscheidung und endgültige Abkehr von Chippendale v. Holt angesehen werden.96 In Bezug auf die erste Voraussetzung der Scor-Entscheidung ist mitunter Kritik vor dem Hintergrund einer gewissen Widersprüchlichkeit der Einlassungen der Rückversicherer laut geworden. Diese Widersprüchlichkeit resultiere aus dem Versprechen, bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung zu folgen, sich zugleich aber das Recht vorzubehalten, dieser – wenn auch ordnungsgemäßen – Regulierung nicht folgen zu müssen.97 Umso erstaunlicher ist die teilweise separate Behandlung der beiden Scor provisos auch in der nachgelagerten Rechtsprechung. 98 Hierdurch entsteht der Eindruck, der Rückversicherer könne sich bei der Frage der Deckung durch den Rückversicherungsvertrag auf eine eigene Versicherungsfalldefinition für das Erstversicherungsverhältnis berufen. Die sich hieran anschließende Darstellung wird dieser Trennung bewusst nicht folgen. Wenn die Geschäftsführung des Erstversicherers ordnungsgemäß war, muss auch dessen Kategorisierung des Erstversicherungsfalls für die Frage der Rückversicherungsdeckung maßgebend sein (provided that the claim so recognised99). Sie ist auch für die erste Scor proviso determinierend, weshalb die beiden Bedingungen in enger Verbindung zueinander zu sehen sind. 3. Einfluss des vermeintlich betrügerischen Verhaltens des Versicherungsnehmers Die Folgepflicht des Rückversicherers greife auch, wenn sich die Forderung des Erstversicherers nachträglich als betrügerisch offenbart. Hiermit stellt Stephenson LJ auf das Verhalten des Versicherungsnehmers ab, und nicht etwa 95 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (321). 96 McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.16. 97 Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.40. 98 So bspw. Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.38 ff. und 6.60 f. 99 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (330).
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auf ein betrügerisches bzw. missbräuchliches Verhalten des Erstversicherers gegenüber dem Rückversicherer, welches als nicht-ordnungsgemäße Geschäftsführung nicht zur Folgeleistung verpflichte.100 Sollte sich der Versicherungsnehmer durch einen – auch erst im Nachhinein bewiesenen101 – Versicherungsbetrug die Leistung des Erstversicherers erschlichen haben, so sei der Rückversicherer daher nicht von der Folgepflicht befreit. Diese Wertung ergibt sich bereits daraus, dass der Erstversicherer hier genauso getäuscht worden ist, und wird von der englischen rückversicherungsrechtlichen Literatur bestätigt.102 Im deutschen Rechtsraum wird in diesem Zusammenhang, wie an anderer Stelle verdeutlicht,103 nicht mehr von der Folgepflicht, sondern von der insoweit unbedingten Schicksalsteilungspflicht des Rückversicherers gesprochen.104 Selbige bezieht sich in nicht unmittelbar auf das gegen den Erstversicherer ergangene Urteil selbst, sondern auf den zu diesem Zeitpunkt nicht erwiesenen Versicherungsbetrug. Dieser ist nach deutscher überwiegender Vorstellung im Rahmen der Schicksalsteilung Teil des Vertragsrisikos, welches der Rückversicherer durch den Rückversicherungsvertrag (anteilig) übernommen hat.105 Erstaunlich ist auch die Aussage des Urteils, der Rückversicherer könne sich, wenn der Versicherungsbetrug später (d.h. nach dem Urteil im Erstversicherungsverhältnis) bewiesen ist, an den Versicherungsnehmer des Erstversicherungsverhältnisses halten106. An dieser Stelle ist daher der folgende, bereits auf die Folgepflicht nach deutschem Recht gemünzte Einschub angezeigt: Wenn der Versicherungsnehmer aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse nicht den Rückversicherer in Anspruch nehmen kann,107 muss auch für den Rückversicherer das Gleiche in Bezug auf Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer gelten. Stattdessen würde diese Relativität durch einen solchen Rekurs lediglich zum Nachteil des Versicherungsnehmers durchbrochen. Der Versicherungsnehmer stünde ansonsten schlechter als ein Versicherungsnehmer, dessen Erstversicherer nicht rückversichert ist. Auch wenn ein betrügerisch handelnder Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht schützenswert ist, 100 Ein entsprechender Vorwurf wurde zwar auch ansatzweise in der Entscheidung laut, ließ sich jedoch nicht nachweisen, vgl. Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (315 f.). 101 Im konkreten Fall allerdings blieb der vermeintliche Betrug nach wie vor unaufgeklärt, siehe Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 29.9. 102 So Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.35. 103 Siehe S. 91 ff. 104 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 516. 105 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 516. 106 So Goff LJ in Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (330). Siehe auch die Interpretation von Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (532). 107 Siehe oben S. 67 ff.
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müssten für ihn die gleichen Grundsätze gelten, wie für jeden anderen betrügerisch handelnden Versicherungsnehmer. 4. Schlussfolgerungen aus der Scor-Entscheidung für die weitere Untersuchung Schließlich muss die Entscheidung auch vor dem Hintergrund der Gesamtsituation des Urteils beleuchtet werden. Dies betrifft insbesondere zwei Umstände: Zum einen entschieden die Richter (einstimmig) zugunsten des Erstversicherers und verurteilten den Rückversicherer zur Zahlung von 3,5 Millionen USDollar, obschon die Frage nach einem vermeintlichen Versicherungsbetrug durch den Versicherungsnehmer offen im Raum stand. Der Erstversicherer stellte umfangreiche Prüfungen an. Zwar gab es Verdachtsmomente, der Erstversicherer kam allerdings nachvollziehbar zu dem Schluss, die Versicherungssumme auszahlen zu müssen. Jedoch wurde der Rückversicherer bereits vor Prozessbeginn betreffend das Erstversicherungsverhältnis durch anonyme Briefe über einen vermeintlichen Versicherungsbetrug und Bestechungsversuche informiert. Die Anschuldigungen reichte er zwar an den Erstversicherer weiter, allerdings nicht Informationen zu Herkunft und Validität der Informationen. Vielmehr lehnte er die Zahlung gegenüber dem Erstversicherer ab. Entsprechend ergab sich für den Erstversicherer, als der Versicherungsnehmer gegen ihn eine Klage auf Zahlung anstrengte, eine »Atmosphäre gegenseitigen Misstrauens und beiderseitiger ›non-cooperation‹ «. 108 Die umfangreiche Beschreibung rund um die Regulierung des Schadens in der Scor-Entscheidung selbst109 ist Zeugnis für das Bewusstsein der Richter betreffend das Misstrauen der Rückversicherer. Schließlich war die Verwendung der Formulierung follow the settlements im Gegensatz zur ursprünglichen Folgepflichtklausel nach Auffassung des Gerichts nicht so zu verstehen, dass zulasten des Erstversicherers hiermit höhere Voraussetzungen an die Folgepflicht gestellt wurden.110 Zum anderen muss berücksichtigt werden, dass der Rückversicherungsvertrag eine die Folgepflichtklausel ergänzende Klausel folgenden Wortlauts enthielt: »It is a condition precedent to liability […] that no settlement shall be made without the approval of the underwriters […]«.111
Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (531). Siehe insb. die Ausführungen von Stephenson LJ in Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (314 ff.). 110 Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 54. 111 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (318). 108 109
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Voraussetzung für eine Leistungspflicht des Rückversicherers war daher ein »Zustimmungsvorbehalt« zur konkreten Regulierung des Erstversicherers. Jedoch lag diese Zustimmung jedenfalls nicht ausdrücklich vor. Die Richter sahen allerdings keine Veranlassung hierin, einen Ausschluss der Folgepflicht zu erkennen. Dies ist insofern bedeutsam, als die Klausel einen genau darauf zielenden Vorbehalt zu beinhalten scheint. Es lässt sich gleichwohl nur spekulieren, ob dieses Zustimmungserfordernis nicht auch auf die genaue Fassung der Scor provisos von Einfluss war – denn auch hierin liegt eine Wertung, welche die zum ersten Mal mit der Folgepflicht befassten Richter in ihrer Entscheidung potentiell beeinflussen konnte, und in den in Bezug genommenen älteren englischen Urteilen noch nicht Gegenstand der verhandelten Rückversicherungsverträge war.112 Trotz dieser ganz spezifischen Umstände ist die Scor-Entscheidung als Leiturteil für das englische Verständnis zur Folgepflicht ausgerufen worden. Der Grund hierfür ist allerdings nicht in der Verallgemeinerbarkeit des Falls zu sehen, sondern in der elaborierten die bisherige Rechtsprechung zusammenfassenden Urteilsbegründung. Jedoch liegen dem Urteil auch für diesen spezifischen Fall Wertungen zugrunde, die sich wie folgt darstellen: Der Scor-Entscheidung ist nicht nur die Aussage zu entnehmen, dass der Rückversicherer zur Zahlung verurteilt wurde. Vielmehr ist zu konstatieren, dass er verurteilt wurde trotz der Vielfalt der Anhaltspunkte für einen Versicherungsbetrug durch den Versicherungsnehmer,113 trotz der zusätzlichen Anhaltspunkte für mögliches kollusives Verhalten der durch den Erstversicherer eingesetzten Regulierer, 114 und trotz der um Zustimmungsrechte des Rückversicherers »ergänzten« Folgepflicht115. Angenommen werden kann daher, dass es nicht die Intention der Richter war, die Folgepflicht generell weiter einzuschränken. Auch in diesem Fall handelt es sich um ein Einzelurteil, welches trotz der umfassenden Auswertung vorangegangener Rechtsprechung einen einzelnen Rückversicherungsvertrag betraf. Nichtsdestoweniger erlaubt die Entscheidung, welche sich mit der zweiten der beiden Scor provisos auf die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung durch den Erstversicherer bezieht, folgende Wertungen für die generelle Bestimmung der Folgepflicht abschließend abzuleiten:
112 Auf den Einfluss solcher Klauseln auf die Folgepflicht wird im Detail in Kapitel 8 einzugehen sein (S. 306 ff.). 113 Vgl. die instruktiven Ausführungen in Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (325 f.). 114 Auch die Rückversicherer hatten zunächst versucht, Kollusion einzuwenden, siehe Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (315). 115 In Bezug auf das Verhältnis der Folgepflicht und der claims cooperation clause sind auch innerhalb des Urteils verschiedene Ansätze genannt worden. Auf diese wird auf S. 309 ff. im Einzelnen einzugehen sein.
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- Das objektiv-rechtliche Bestehen einer Leistungspflicht des Erstversicherers kann nur für die Frage nach der Ordnungsgemäßheit seiner Geschäftsführung relevant sein, nicht aber selbst Voraussetzung für die Folgepflicht. - Die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung des Erstversicherers ist zu vermuten. Das bedeutet, der Rückversicherer muss beweisen, dass die Geschäftsführung des Erstversicherers nicht ordnungsgemäß war. Wohl auch vor dem Hintergrund dieser Wertungen werden die Scor provisos gerne als ultimative Maßgabe für die Folgepflicht verstanden, welche die seit den Anfängen der Rückversicherung bestehende Unsicherheit beendete. 116 Auch die nach der Scor-Entscheidung ergangenen Urteile sollen nach verschiedentlich vertretener Ansicht in einer kohärenten Reihe mit den Scor provisos zu sehen sein.117 In der Folge wurden die Scor provisos als Schlussstein des Folgepflicht-Gewölbes und damit als tragfähige Grundlage der Folgepflicht angesehen. Allerdings ist durch die nachgelagerte Rechtsprechung festzustellen, dass längst nicht alle Unsicherheiten beseitigt wurden.118 Zwar war die Scor-Entscheidung durchaus Leiturteil und damit Ausgang der daran anschließenden Entscheidungen. Zum einen wurden jedoch durch diese Entscheidungen neue Problemfelder aufgedeckt, die durch die Scor-Entscheidung selbst nicht beantwortet sind. So wird zum Beispiel die Problematik des Nachweises der beiden Bedingungen aus der Scor-Entscheidung in Equitas v. R&Q Reinsurance Co (UK) in der Weise konkretisiert, dass der Nachweis eine Frage von Wahrscheinlichkeiten sei, aktuarielle Modelle hierzu jedoch nicht geeignet seien.119 Zum anderen – und wesentlich bedeutsamer – ist der Aussagegehalt der Scor provisos nicht derart eindeutig, wie er gerne in der Literatur dargestellt wird. 120 Dieser Umstand ist umso gravierender, bedenkt man, dass die durch sie beschworene Rechtssicherheit nur scheinbar hergestellt wurde. Auch hierauf wird im folgenden Abschnitt einzugehen sein. II. Hiscox v. Outhwaite In Ergänzung zu den Scor provisos adressierte Evans J 1991 in Hiscox v. Outhwaite zum ersten Mal ausdrücklich die Problematik von Back-to-back-
So bspw. Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 121. Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 37. Insb. betreffend Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429. 118 So auch die Beobachtung von Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 54. 119 Equitas Ltd v. R&Q Reinsurance Co (UK) Ltd [2010] Lloyd’s Rep IR 600 und bestätigend Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.16. 120 Auch Hill, International Insurance Law Review 1994, S. 459 (460); Tompkinson, International Insurance Law Review, S. 341 (346); vorzugswürdig mag daher auch die Ansicht der Vorinstanz sein, so auch Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (533). 116 117
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Deckungen.121 Bedeutung hat dieses Urteil zudem aufgrund der Besonderheiten der pauschalen Regulierung des Erstversicherers. Diese Art der Regulierung ist in der (deutschen) rückversicherungsrechtlichen Literatur bislang nur wenig thematisiert worden und in der Urteilsbegründung insbesondere mit Blick auf die Auswirkungen auf die Folgepflicht für das deutsche Recht beachtlich.122 1. Das Wellington Agreement als Globalvergleich Basis dieser pauschalen Regulierung durch einen Globalvergleich123 war die Häufung von Klagen aufgrund von Gesundheitsschädigungen durch das Silikat-Mineral Asbest. Dieses wurde bereits früh aufgrund seiner hohen Hitzebeständigkeit und seiner Verrottungsfestigkeit auch als Baumaterial geschätzt.124 Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die durch das Einatmen der mikrometergroßen Faserteilchen entstehenden Schäden an der Lunge (Asbestose) erkannt, allerdings erst 1943 als Berufskrankheit und 1970 als krebserzeugend anerkannt. Um sich gegen Ansprüche der geschädigten Opfer abzusichern, schlossen Asbesthersteller sog. Asbestversicherungen ab. Aufgrund des hohen Schadenspotentials gaben die angerufenen Erstversicherer Teile des Risikos in Rückversicherung. Die Vielzahl der (US-amerikanischen) Klagen und der in diesem Rahmen angestrengten Verfahren nahmen die Asbesthersteller und deren Erstversicherer zum Anlass, 1984 ein Abkommen (agreement concerning asbestos-related claims, sog. Wellington Agreement) abzuschließen.125 Dieses hatte zur Folge, dass sämtliche Klagen im Zusammenhang mit Asbestschädigungen (sog. asbestos-related claims) gegen einen der an diesem Abkommen teilnehmenden Hersteller bis 1988 durch eine gemeinsame Abrechnungsstelle (bzw. ClearingStelle, sog. Wellington Facility) abgewickelt wurden.126 Das Abkommen betraf daher nicht nur die Verteilung der Schäden unter den Erstversicherern (und Produzenten), sondern regelte auch konstitutiv die Ansprüche der Asbestgeschädigten gegen die versicherten Hersteller (Globalvergleich bzw. mass tort
121 Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524; die Tatsache, dass es sich hierbei um ein erstinstanzliches Urteil handelt, kann jedenfalls für die Frage dieser Untersuchung nach Wertungen der Folgepflicht nicht zu seiner Irrelevanz führen, vgl. Hill, International Insurance Law Review 1994, S. 459 (460). 122 Für den deutschsprachigen Leser aufbereitet auch bei Stenberg, ZfV 1992, S. 529 (531 f.). 123 So auch der Begriff bei Stenberg, ZfV 1992, S. 529; siehe im Übrigen oben S. 34 ff. 124 Cologne Re, Asbestos-Related Claims in the USA, S. 15 f. 125 Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (527); Bressman, Insurance Law Advisor Summer 2003, S. 1 (1); benannt wurde es nach Prof. Harry Hillel Wellington. 126 Cologne Re, Asbestos-Related Claims in the USA, S. 75 f.; Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (527).
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settlement). Letztere (und dadurch auch deren Erstversicherer) trugen die ausgezahlten Vergleichssummen im Anschluss daran nach einer festgesetzten Quote und im Rahmen von bestimmten Limits.127 Das Wellington Agreement führte dadurch zu einer zentralisierten und vereinfachten Abwicklung und half, die Verfahrenskosten zu reduzieren, indem vorprozessual Vergleiche mit den Geschädigten abgeschlossen wurden. Dies hatte nicht nur zur Folge, dass gerichtliche Urteile abgewendet wurden, sondern weder die Frage der Haftung der Hersteller und noch die Leistungspflicht der Erstversicherer gerichtlich aufgeklärt wurden – auch im Hinblick auf die Frage, welcher der Hersteller schadensersatzpflichtig gewesen wäre.128 Es war gerade Sinn und Zweck des Abkommens, die Kosten derartiger Investigationen zu vermeiden,129 für die Rückversicherung entstand so jedoch die Frage der Haftung des Rückversicherers. Die unter dem Wellington Agreement zahlenden Erstversicherer verlangten in der Folge Begleichung ihrer Schäden von ihren Rückversicherern – im konkret verhandelten Rückversicherungsvertrag zwischen Erstversicherer- und Rückversicherer-Syndikaten von Lloyd’s jedoch nicht ohne noch vor dem Abschluss des Wellington Agreement die Rückversicherer um deren Zustimmung zu bitten. Deren Antwort (bzw. die Antwort von deren Vertreter Mr. Outhwaite) war die Folgende: »Confirm that assent to the proposed scheme will not prejudice [the insurers’] position but will not in any way diminish their responsibility in running off the account and maintaining and providing accurate information«130 [Herv. d. Verf.].
Erst im Nachgang hierzu stimmten die Erstversicherer dem Wellington Agreement zu, da sie die Antwort der Rückversicherer als Zustimmung auch zur konkreten Art der Regulierung interpretierten.131 Die Parteien hatten zunächst ein Schiedsverfahren bemüht durch dessen vorläufigen Schiedsspruch den Rückversicherern Recht gegeben wurde, gegen welchen die Erstversicherer jedoch vor den High Court of Justice zogen. Evans J sah sich vor diesem Hintergrund
Hiscox v. Outhwaite stellt nur eines von mehreren Urteilen in Bezug auf das Wellington Agreement dar, bildete jedoch den Ausgangspunkt für die nachfolgenden Entscheidungen im englischen Recht. Zum US-amerikanischen Recht statt vieler Unigard Security Insurance Co v. North River Insurance Co 762 f. Supp. 566 (Southern District of New York 1991). 128 Siehe die ausführlichen Beschreibungen von Evans J in Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (527). 129 Amer, Reinsurance Mass Tort Settlements, S. 3; Einschränkend sei angemerkt, dass auch im Nachgang noch Verfahren hierzu geführt wurden und insbesondere auch in England zu einer Klagehäufung führten (dort S. 1). Allerdings dauert die Geltung des Wellington Agreement nach wie vor an (dort S. 4 Fn. 1). 130 Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (528). 131 Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (528). 127
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mit der Frage konfrontiert, ob – unabhängig von der vertraglichen Folgepflichtklausel – bereits hierdurch eine Haftung des Rückversicherers begründet wurde. Er stellte fest, dass die Rückversicherer jedenfalls nicht einwenden könnten, dass Zahlungen an die Wellington Facility als Distributor der Zahlungen der Erstversicherer nur auf dem Wellington Agreement basierten und nicht auf der eigentlichen Erstversicherung als Basis der Rückversicherungsdeckung. Die Rückversicherer allerdings beriefen sich darauf, dass sie (zudem allein bis zu dem vertraglichen Limit von 7,5 Millionen US-Dollar) nur für diejenigen Zahlungen des Erstversicherers Folge leisten müssten, für die originär auch eine Leistungspflicht des Erstversicherers bestand. 2. Das Wellington Agreement unter der konkreten Folgepflichtklausel Die Folgepflichtklausel enthielt Art. 7 des Rückversicherungsvertrages: »The Reassured shall exercise due diligence in dealing with all matters relating to this Agreement it being understood that all loss settlements made by the Reassured whether by way of compromise, ex gratia or otherwise shall in every respect be unconditionally binding upon the Reinsurers« 132 [Herv. d. Verf.].
Die Folgepflichtklausel entspricht daher im Grundsatz einer klassischen Follow-the-Settlements-Klausel, darüber hinaus aber mit der Betonung einer unbedingten Bindungswirkung133 – indes auch mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Sorgfaltspflicht des Erstversicherers. Klar wird jedoch auch an diesem Urteil, dass es für die Bestimmung der konkreten Folgepflicht nicht allein auf die Folgepflichtklausel des Vertrages ankommt. Vielmehr seien weitere Umstände in eine Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen, so insbesondere auch ergänzende Aussagen der Parteien oder weitere Klauseln des Vertrages, wenn ihnen eine Wertung für die Folgepflicht entnommen werden kann. Hierzu zähle beispielsweise auch die Präambel des Rückversicherungsvertrages, die Evans J in seine Auslegung einbezog: »This agreement shall protect the Reassured in respect of all liability howsoever and wheresoever arising which the Reassured may incur in respect of their 1974 and all prior underwriting Years of Account and which is settled on or after the 1st January, 1982«134 [Herv. d. Verf.].
Sie spiegelt damit auch eine Erwartung der Parteien wider, die sich als umfassende Deckung beschreiben lässt und sich lediglich durch ein zeitliches Element beschränkt sieht – oder mit den Worten von Evans J ein sleepeasy reinsurance cover zum Ausdruck bringt.135 Darüber hinaus bezog er auch zu der
Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (529). Siehe bereits in der soeben behandelten Scor-Entscheidung, S. 175 ff. 134 Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (526). 135 Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (526). 132 133
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durch die Scor-Entscheidung formulierten zweiten Scor proviso (ordnungsgemäße Geschäftsführung) kritisch Stellung. Diese böte den Rückversicherern ein hohes Maß an Schutz, da sich die Erstversicherer bereits antizipierend davor hüten würden, in bezweifelbarer Weise zu regulieren.136 3. Der Globalvergleich und die Folgepflicht (zweite Scor proviso) In dem der Entscheidung vorausgegangenen Schiedsverfahren noch unterschied der Schiedsrichter in zwei Arten der Zahlung an die Wellington Facility: Zahlungen, für die der Erstversicherer in jedem Fall (in any event) leistungspflichtig war, und Zahlungen, für die (ohne das Wellington Agreement) keine Verpflichtung des Erstversicherers bestanden hätte (voluntary payments) 137 . Der Schiedsrichter folgerte, dass die zweitgenannten Zahlungen schon durch den Rückversicherungsvertrag selbst nicht gedeckt seien und auch das Abkommen hieran keine Änderung herbeiführen könne.138 Evans J hingegen war sich der Vorzüge der im Globalvergleich zum Ausdruck kommenden Schadenteilung – auch für den Rückversicherer – bewusst. Die Erstversicherer hätten dem Wellington Agreement und daher solchen Zahlungen nur deshalb zugestimmt, da die Gesamtsumme der Zahlungen hierdurch niedriger war als die auf die legitimen Ansprüche der Versicherungsnehmer zu zahlende Summe, oder jedenfalls zu erwarten war, dass sie diese nicht übersteigen würde. Demnach stelle das Wellington Agreement in diesem Sinne eine ordnungsgemäße Geschäftsführung dar (bona fide, reasonable and businesslike).139 In der Vermeidung von Prozesskosten sah er erschwerend auch einen Vorteil für den Rückversicherer: »The saving of legal costs in contribution and third party proceedings was likely to be substantial, and this too means that the total amounts paid are much less than the Syndicate's and therefore the Reinsurers total liability would have been, if the agreement had not been entered into.« 140
In der Literatur wird dieser Vorzug gar als erheblicher Vorteil (considerable advantage) für alle Parteien beschrieben.141 Der Richter verband mit dieser Beobachtung eine von dem konkreten Rückversicherungsvertrag unabhängige Einschätzung für die Rückversicherung und die Folgepflicht im Allgemeinen:
Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (530). Bressman, Insurance Law Advisor Summer 2003, S. 1 (1 f.). 138 Beschrieben in Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (525). 139 Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (529); in dieser Weise wurde das Wellington Agreement auch im US-amerikanischen Recht gewertet, Unigard Security Insurance Co v. North River Insurance Co 762 f. Supp. 566 (Southern District of New York 1991), S. 586; siehe auch Amer, Reinsurance Mass Tort Settlements, S. 4. 140 Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (531). 141 Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 29.54. 136 137
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Er sehe keinen rechtlichen Grund, der dagegen spreche, dass der Erstversicherer für bestehende und zukünftige Verbindlichkeiten gegenüber einer Gruppe von Anspruchsberechtigten (einschließlich der zukünftigen Anspruchsberechtigten) erfüllt, sofern diese Gruppe identifizierbar ist und das Abkommen geeignet ist.142 Zwar ging er davon aus, dass es durchaus sinnvoll für den Erstversicherer sein könne, sich zuvor der Deckung bei seinem Rückversicherer zu versichern, aus seiner Formulierung ist allerdings zu schließen, dass er dies gerade nicht als eine für die Bindungswirkung notwendige Ergänzung zu einer Follow-the-Settlements-Klausel hielt.143 Im US-amerikanischen Recht wurde allerdings – man könnte sagen, in konsequenter Fortführung dieses Gedankengangs – weit entschiedener zugunsten des Erstversicherers und seiner ordnungsgemäßen Geschäftsführung geurteilt.144 4. Auswirkungen von Back-to-back-Klauseln allgemein (erste Scor proviso) Evans J ging jedoch auch der die Regulierung betreffenden Frage nach, ob sich die Folgepflicht auch auf Globalvergleiche wie das Wellington Agreement beziehe, wenn es sich um einen Rückversicherungsvertrag handelt, der einen Gleichlauf der Bedingungen von Erst- und Rückversicherungsvertrag vorsieht (sog. Back-to-back- bzw. As-original- 145 bzw. Follow-the-Forms-Klausel 146 ).147 Eine derartige Ausgestaltung ist eine Verweisungsklausel, die die Vertragsbestimmungen des Erstversicherungsvertrages zu Bestimmungen des Rückversicherungsvertrages macht. Back-to-back-Klauseln werden mitunter in einem Atemzug mit der Follow-the-Settlements-Klausel genannt, sind von dieser allerdings zu unterscheiden. Die Erstversicherer argumentierten, dass der Rückversicherer unabhängig davon, ob der Vertrag back-to-back sei, den Regulierungen des Erstversicherers bedingungslos Folge zu leisten habe. Evans J ging davon aus, dass der
Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (532). Vgl. Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (531 f.). 144 Siehe im Ganzen Unigard Security Insurance Co v. North River Insurance Co 762 f. Supp. 566 (Southern District of New York 1991). Zu erklären ist diese Sichtweise des englischen Rechts mit den Befürchtungen der Rückversicherer, sich den generell höher ausfallenden deliktischen Haftungshöhen im US-amerikanischen Recht ausgesetzt zu sehen – allein, unvorhersehbar, wie teilweise vertreten, ist dieses Haftungsrisiko nicht, Quinn/Chaput, 8 Environmental Claims Journal 1995, S. 67 (67). 145 Allerdings mit der von O’Neill/Woloniecki (The Law of Reinsurance, § 4-079) aufgeworfenen Einschränkung, dass im Fall der Verwendung von as original nicht zwangsläufig eine Back-to-back-Deckung gewollt sein muss. 146 Wollan, Handbook of Reinsurance Law, § 4.02. 147 Forsikringsaktieselskapet Vesta v. J.N.E. Butcher, Bain Dawes Ltd and the Aquacultural Insurance Service Ltd [1989] AC 852; im Weiteren auch als full reinsurance clause bezeichnet, siehe Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 35. 142 143
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Tenor der Scor-Entscheidung grundsätzlich verallgemeinerbar sei,148 sah allerdings im Hinblick auf die erste Scor proviso Schwierigkeiten der Übertragung der darin enthaltenen Wertung.149 In der Scor-Entscheidung noch betreffe die erste Scor proviso allein die Deckung des Rückversicherungsvertrages150 und eine Auslegung, die den »Durchgriff« auf die Bedingungen der Erstversicherung und deren Überprüfung erlaube, widerspreche gerade dem Sinn und Zweck der Folgepflicht. In Bezug auf die Entscheidung Insurance Co of the State of Pennsylvania v. Grand Union Insurance Co zog er die Ansicht von Hunter J heran: »He was well aware that many settlements include compromises on liability and quantum and that to permit reinsurers to go back to an alleged strict construction of the policy would destroy the value of the clause. If there is any question as to the sufficiency or propriety of the settlement it arises under the second proviso.«151
Hingegen mache ein Rückversicherungsvertrag, welcher die Bedingungen des Erstversicherungsvertrages in Bezug nehme, diese auch zu einem Element der Deckung unter dem Rückversicherungsvertrag. Hieran ändere auch die Followthe-Settlements-Klausel grundsätzlich nichts. Dies habe, wie nun vermutet werden könnte, nach Evans J allerdings nicht zur Folge, dass dem Rückversicherer damit ein allein am rechtlichen Bestehen der Leistungspflicht ausgerichteter Einwand gestattet ist – und hiermit berücksichtigt er auch den Umstand des Fehlens rechtlich-materieller Wahrheit: Der Rückversicherer sei demnach nach wie vor verpflichtet, der Regulierung 152 des Erstversicherers Folge zu leisten, allerdings führe die Back-to-back-Deckung dazu, dass neben der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung, der Anspruch des Versicherungsnehmers jedenfalls vertretbar (arguably) bestanden haben müsse. Die Folgepflicht greife daher auch bei einer solchen Gestaltung des Rückversicherungsvertrages unabhängig davon, ob ein Gericht im Fall eines Verfahrens eventuell entschieden hätte, die Leistungspflicht des Erstversicherers bestehe nicht.153
148 Hieraus erklärt sich auch seine Bezugnahme auf das Merkmal der ordnungsgemäßen Geschäftsführung des Erstversicherers, mithin die zweite Scor proviso. 149 So auch schon Insurance Co of the State of Pennsylvania v. Grand Union Insurance Co [1990] 1 Lloyd's Rep 208. 150 So bereits die dieser Untersuchung zugrunde liegende Auslegung der ersten Scor proviso auf S. 176 ff. 151 Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (530). 152 Im Original ist lediglich von settlement die Rede. Aus dem Kontext ist jedoch zu schließen, dass hiermit nicht lediglich ein Vergleich im Rechtssinne gemeint ist, sondern allgemein die Regulierung durch den Erstversicherer. 153 Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524; auch Hill, International Insurance Law Review 1994, S. 459 (460).
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5. Folgerungen Diese Rechtsprechung ist insbesondere im Hinblick auf die Aussagen zur Auswirkung von Back-to-back-Klauseln als Konkretisierung der Scor-Entscheidung nicht ohne Kritik geblieben.154 Festzuhalten bleibt jedoch, in Bezug auf die erste Scor proviso, die Bestätigung, dass diese sich ohne weitere Umstände des Einzelfalls lediglich auf die Risikobeschreibung des Rückversicherungsvertrages bezieht. Inwiefern die von Evans J favorisierte Abwandlung im Fall eines vereinbarten Gleichlaufs der Bedingungen aufrechtzuerhalten ist, muss sich im weiteren Verlauf der Untersuchung der englischen Rechtsprechung ergeben. Mit Blick auf die Folgepflicht bei Globalvergleichen ist die Anerkennung der Bedeutsamkeit der zweiten Scor proviso zu betonen. Auch wenn sich das Gericht im Ergebnis (auf Basis der ersten Scor proviso) gegen die Folgepflicht im konkreten Fall ausspricht,155 liegt die Begründung nahe, dass auch im Fall von nicht der Leistungspflicht des Erstversicherers unterfallenden Zahlungen, grundsätzlich eine Folgepflicht aufgrund ordnungsgemäßer Geschäftsführung greifen muss – allein die besondere Vertragskonstellation führte schließlich zur Aufrechterhaltung des Schiedsspruchs zugunsten des Rückversicherers. Entsprechend wird das Urteil auch in der Weise interpretiert, dass hierdurch entgegen des Tenors die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung des Erstversicherers für derartige Abkommen abgeleitet werden könne.156 Hinzuweisen ist trotz des Zuschnitts auf die englische Rechtsprechung auch auf ein in diesem Sinne nur kurze Zeit später ergangenes US-amerikanisches Urteil, welches die Folgepflicht für das Wellington Agreement ebenfalls bejahte.157 Argumentativ betont es den bereits von Evans J angesprochenen Zweck des Abkommens, der sich auch für den Rückversicherer kostenreduzierend auswirke.158 Rückschlüsse könnten sich hieraus, mit der gleichen Argumentation, auch für die vielgenannten Ex-Gratia-Leistungen ziehen lassen, denen der gleiche, mit vorgenannter Begründung allerdings abzulehnende, Vorwurf gemacht wird.159
154 So bspw. die Einlassung des Erstversicherers in Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 11). Auch diese Entscheidung wird im Folgenden aufgegriffen. 155 Stenberg, ZfV 1992, S. 529 (531). 156 Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 29.55. 157 Unigard Security Insurance Co v. North River Insurance Co 762 f. Supp. 566 (Southern District of New York 1991). 158 Unigard Security Insurance Co v. North River Insurance Co 762 f. Supp. 566 (Southern District of New York 1991); auch Stenberg, ZfV 1992, S. 529 (531). 159 Vgl. Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 29.45 ff.; im Weiteren zum englischen Recht diskutiert von Bressman, Insurance Law Advisor Summer 2003, S. 1 (3 f.) unter dem Stichwort »follow the Wellington settlement«.
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III. Hill v. Mercantile In einem weiteren Folgeurteil zu der Scor-Entscheidung äußert sich das House of Lords 1996 in Hill v. Mercantile zur Bestimmung der Folgepflicht. Unter der Vielzahl an miteinander verwobenen Verträgen identifizierte Lord Mustill die maßgebliche Folgepflichtklausel des Rückversicherungsvertrages, der darüber hinaus back-to-back gestaltet war. Die Klausel lautete wie folgt: »All loss settlements by the reassured including compromise settlements and the establishment of funds for the settlement of losses shall be binding upon the reinsurers, providing such settlements are within the terms and conditions of the original policies and/or contracts […] and within the terms and conditions of this reinsurance«160 [Herv. d. Verf.].
Bedeutsam ist an diesem Urteil, dass Klägerin und Beklagte Syndikate von Lloyd’s waren und die von Lloyd’s verwendete Folgepflichtklausel vertraglich vereinbart worden war. Folge dieser Umstände ist indes nicht die fehlende Aussagekraft über das Urteil hinaus,161 sondern vielmehr dessen praktische Bedeutsamkeit. 1. Der Begriff »settlement« Zunächst ist diese Klausel eine der wenigen, die anstelle einer allgemeinen Bezugnahme von settlements in der näheren Beschreibung, welche Arten der Regulierung umfasst werden, auch das establishment of funds for the settlement of losses auflistet. Hierunter sind die soeben und auch bereits im Rahmen der allgemeinen Erläuterungen162 benannten Globalvergleiche zu verstehen. Diese finden in Folgepflichtklauseln, wie Hiscox v. Outhwaite illustrativ belegt, üblicherweise keine ausdrückliche Erwähnung. Dieser Entscheidung zeitlich nachgelagert nahm man diesen Zusatz wohl auch vor dem Eindruck der strittigen Erstreckung der Folgepflicht auf besondere Formen des Vergleichs nunmehr explizit bereits in die Folgepflichtklausel auf. Hieraus ist nicht nur die im konkreten Fall von den Parteien gewünschte Gleichstellung derartiger Abkommen mit übrigen Arten der Regulierung ableitbar. Vielmehr wird diese Art der Regulierung durch die Formulierung als Unterform des loss settlement angesehen. Diese im Rückversicherungsvertrag angelegte Einordnung ist auch vor dem Hintergrund der von Lord Mustill zitierten Aussage von Hirst LJ in der Berufungsinstanz163 zu sehen. In dieser liegt eine wichtige Weichenstellung zur Definition des settlement, die darüber hinaus mit der Prämisse dieser Untersuchung in Einklang steht:
Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1242). In diese Richtung deutet indes Tompkinson, International Insurance Law Review, S. 341 (345). 162 Siehe oben S. 34 ff. 163 Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1995] Lloyd’s Rep 160. 160 161
D. Reduzierung der Klausel auf »follow the settlements«
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»One well-established legal meaning is synonymous with compromise; another is synonymous with payment. [Counsel for M. & G.] submitted that ›settlements‹ connote arrangements whereby primary insurers or reinsurers disposed or bound themselves to dispose of K.A.C.’s claim either by compromise or admission. In my judgment this meaning cannot apply in the present context, not least because in its second appearance the word ›settlements‹ is qualified by the adjective ›compromise‹. It thus seems to me that, as [counsel for the syndicates] submits, the natural grammatical meaning of ›settlements‹ in the context is equivalent to payments«164 [Herv. d. Verf.].
Demnach sei unter Regulierung im Sinne der Klausel die Zahlung zu verstehen. In der Folge beziehe sich follow the settlements nicht nur auf die Regulierung vor dem Hintergrund einer vermeintlichen Leistungspflicht, sondern qualifiziere bereits die Zahlung selbst als Auslöser der Folgepflicht. 2. Zur Methodik einer allgemeinen Folgepflicht Zudem wird Hill v. Mercantile gerne als Bestätigung der Scor-Entscheidung angesehen. Zwar geht Lord Mustill in seiner Urteilsbegründung auch auf die erste Scor proviso ein und im Weiteren davon aus, dass die Folgepflicht im zu entscheidenden Fall nicht greife, wenn es sich nicht um ein versichertes Risiko der Erstversicherungspolice und/oder nicht um ein rückversichertes Risiko handelt. Der Grund für diese Stellungnahme liegt allerdings nicht in der Überzeugungskraft der Scor-Entscheidung, sondern an der konkreten Formulierung der Follow-the-Settlements-Klausel des Rückversicherungsvertrages, die hierdurch eine Erweiterung erfahren hat.165 Lord Mustill spricht sich zwar ebenso nicht gegen die Scor-Entscheidung aus, sieht in ihr allerdings entgegen der Einlassungen von Evans J in Hiscox v. Outhwaite keinen verallgemeinerbaren Rechtssatz.166 In Bezug auf den Widerstreit der Interessen von Erstversicherer und Rückversicherer,167 wie er seit einem Jahrhundert in der englischen Rechtsprechung in Form der Folgepflicht behandelt wird, jedoch bislang nicht einer allgemeinen Lösung zugeführt werden konnte, da die Auslegung der Folgepflicht immer die konkreten Umstände (und Klauseln) berücksichtigen muss und daher zwangsläufig einzelfallbezogen bleibt,168 formuliert Lord Mustill instruktiv: »These tensions have revealed themselves for a century in successive reformulations of the clause. They can also be seen in the strenuous efforts by the courts to maintain some continuity of principle, by applying prior decisions given on one form of clause in one state of Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1995] Lloyd’s Rep 160 (185 f.), so zitiert in Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1250). 165 Siehe die Klausel in Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1251). 166 Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1252). 167 Aus ebendieser Formulierung ist der Titel dieser Untersuchung abgeleitet, vgl. Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1251 f.). 168 Hill, International Insurance Law Review 1994, S. 459 (461). 164
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
facts to another form of clause in a different state of facts. I find this process unfruitful as shown by the attempts to transfer the reasoning of the Scor case […] to the present dispute.«169
Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass Lord Mustill gerade aufgrund der in der Folgepflicht formulierten Back-to-back-Klausel eine insoweit unbedingte Folgepflicht zu favorisieren scheint. Bezeichnend für seine Befürwortung eines weiten Verständnisses der Folgepflicht für Back-to-back-Rückversicherungen ist der von ihm verwendete Begriff co-adventurers, um die enge Verbindung zwischen Erst- und Rückversicherer zu beschreiben. Hierin kommt die Interessenparallelität zwischen den Parteien zum Ausdruck.170 Hill v. Mercantile hat in der Literatur teils unterschiedliche Interpretationen hervorgerufen. So sieht Tompkinson in den soeben dargestellten Aussagen aus dem Urteil keine Maßgabe Lord Mustills für ein weites Verständnis der Folgepflicht.171 Demnach sei Lord Mustill vielmehr in der Weise zu verstehen, dass er die Vereinbarung einer weiten Folgepflicht nachvollziehen könne, dies allerdings im Einzelnen von der vertraglichen Folgepflichtklausel abhänge.172 Indes sind die Ausführungen in Hill v. Mercantile, trotz der mitunter obiterhaften Ergänzungen, 173 im Ganzen als Auslegung der vertraglichen Folgepflichtklausel zu begreifen. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang der im Urteil und der im Anschluss daran veröffentlichten Literatur zum Ausdruck kommende Gedanke des Gleichlaufs der Formen und Arten von Rückversicherung.174 Als zusätzliche Voraussetzung für eine weit verstandene Folgepflicht sieht Lord Mustill lediglich einen die Interessenparallelität der Parteien herstellenden, größeren Selbstbehalt für notwendig an, jedoch nicht eine enger verstandene Folgepflicht.175 Aus dem Kontext ergibt sich gar, dass dieses weite Verständnis der Folgepflicht im Gegensatz zu den Scor provisos als allgemein gültiger Rechtssatz anzusehen sein soll: »This conflict is quite easily managed where the insurance and the reinsurance are on the same terms and where the parties are essentially co-adventurers: for example, in participatory reinsurance, or facultative reinsurance with a large retention. Here, the interests of the 169 Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1252); indes wurde hierin in Lexington Insurance Co v. Wasa International Insurance Co Ltd [2009] UKHL 40 ein Prinzip der Folgepflicht erkannt. 170 Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.18. 171 Tompkinson, International Insurance Law Review, S. 341 (344 ff.). 172 Tompkinson, International Insurance Law Review, S. 341 (345). 173 Tompkinson, International Insurance Law Review, S. 341 (345). 174 Siehe hierzu im Einzelnen unten S. 272 ff.; dies wurde auch von der im Anschluss veröffentlichten Literatur hierzu nicht in Frage gestellt, siehe bspw. Tompkinson, International Insurance Law Review, S. 341 (344); Hill, International Insurance Law Review 1994, S. 459 im Ganzen. 175 Hierauf wird auch im Rahmen der Darstellung des Interesses und des Willens der Vertragsparteien vertieft einzugehen sein, siehe Kapitel 7 (S. 259 ff.) und Kapitel 8 (S. 301 ff.).
D. Reduzierung der Klausel auf »follow the settlements«
193
direct insurers and the reinsurers are broadly the same, and it is not imprudent for the reinsurers to put themselves unconditionally in the hands of their reinsured for the settlement of claims which will be passed on to them.«176
IV. Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance Auch in Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance wird die Auslegung der ersten Scor proviso (reinsurance cover) der Scor-Entscheidung aus Hiscox v. Outhwaite bestätigt. Wenn sich diese Bedingung im Fall einer Backto-back-Klausel auf das Erstversicherungsverhältnis beziehe, komme es Tuckey LJ zufolge darauf an, dass vertretbar (arguably) eine Leistungspflicht des Erstversicherers vorliegt. Insofern stellt sich Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance als Bestätigung, allerdings auch als Konkretisierung der Scor-Entscheidung und der Folgerechtsprechung dar.177 Allerdings behandelt das Urteil zwei zusätzliche Aspekte der Folgepflicht in Ergänzung zu den bisherigen Fragestellungen. 1. Auswirkungen von Back-to-back-Klauseln im Allgemeinen (erste Scor proviso) Während sich die Formulierung in der Scor-Entscheidung selbst (»[…] provided that the claim so recognised by [the reinsureds] falls within the risks covered by the policy of reinsurance […]« 178 ) auf die Deckung unter dem Rückversicherungsvertrag bezog, wurde (wie schon in Hiscox v. Outhwaite)179 erwogen, die Bedingung vor dem Hintergrund einer Back-to-back-Klausel auf die Erstversicherung zu beziehen.180 Anlass zu den Ausführungen von Tuckey LJ gab die Argumentation des Erstversicherers, eine Back-to-back-Klausel hindere den Rückversicherer, sich auf Deckungsfragen des Erstversicherungsvertrages zu berufen. Vielmehr sei ihrer Argumentation folgend die Regulierung181 des Erstversicherers bindend für den Rückversicherer, der sich lediglich auf rückversicherungsspezifische
Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1251 f.). Edelman/Burns, the Law of Reinsurance, Rn. 4.20 und Wedge, Reinsurance Claims Management, Rn. 2.13.4. 178 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (330). 179 Siehe S. 182 ff. 180 In dieser Hinsicht schweigt die Urteilsbegründung der Scor-Entscheidung, so auch Wedge, Reinsurance Claims Management, Rn. 2.13.4. 181 Im Urteil als settlement bezeichnet, in einem weiten Sinn vor dem Hintergrund des Kontextes allerdings als Regulierung zu verstehen, und nicht etwa lediglich als Vergleich, siehe Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 7). 176 177
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
Deckungsfragen berufen könne.182 Tuckey LJ berief sich in seiner Urteilsbegründung auch auf Hill v. Mercantile 183 und resümierte, dass eine Back-toback-Klausel nicht dazu führen dürfe, dass letztlich die zweite der beiden Scor provisos zur hinreichenden Bedingung für die Folgepflicht des Rückversicherers werde. In seinen Worten »diktiere« der Erstversicherer bei einer solchen Reduzierung der Anforderungen durch eine ordnungsgemäße Geschäftsführung die Leistungspflicht des Rückversicherers.184 Auch er ging allerdings davon aus, dass sich die erste Scor proviso bewusst und explizit auf den Rückversicherungsvertrag bezieht. 185 Er erteilte daher auch der Argumentation des Rückversicherers eine Absage. Dieser wollte die erste Scor proviso im Fall einer Back-to-back-Regelung (wie schon in Hiscox v. Outhwaite) als Möglichkeit verstanden wissen, alle Einwände des Erstversicherers gegen den Versicherungsnehmer auch gegen den Erstversicherer selbst geltend zu machen.186 Tuckey LJ ließ diese Interpretation in Bestätigung bisheriger englischer Rechtsprechung allerdings nicht zu.187 Vor dem Hintergrund der zuvor ergangenen Urteile ergab sich ein ungenaues Bild der Auswirkungen von Back-to-back-Klauseln, da insoweit Argumentationsmuster in beide Richtungen denkbar sind. Die Entwicklung schien mit Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance allerdings ihren vorläufigen Endpunkt darin gefunden zu haben, dass die Ausgestaltung eines Rückversicherungsvertrages als Back-to-back-Deckung jedenfalls nicht zwingend als Öffnung der ersten Scor proviso hin zu den Einzelheiten der Leistungspflicht des Erstversicherers verstanden werden soll. Gürses interpretiert dies in der Weise, dass es im Fall der Erfüllung der zweiten Proviso (ordnungsgemäße Geschäftsführung) nicht mehr auf die Erfüllung der ersten Proviso ankomme, da diese gerade Kern der Aussage follow the settlements sei.188 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 7). 183 Siehe soeben S. 189 ff. 184 Im Original: »[…] any proper and business-like settlement by the insured dictated that they were entitled to an indemnity […]«, siehe Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 9). 185 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 14) mit Verweis auf Insurance Co of the State of Pennsylvania v. Grand Union Insurance Co [1990] 1 Lloyd's Rep 208 (223). 186 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 14). 187 Mit Verweis auf Mortimer J, demzufolge gelten soll: »for he cannot seek to rip up the settlement and show that claims were paid for which the insured was not liable … he cannot seek to avoid liability simply by seeking to rip up the settlement by showing that in fact and only in fact that the insurer could have defeated the claim«, Insurance Co of the State of Pennsylvania v. Grand Union Insurance Co [1990] 1 Lloyd’s Rep 208, zitiert nach Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 14). 188 Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.03 mit Verweis auf Colin Baker v. Black Sea & Baltic General Insurance Co Ltd [1995] Lloyd’s Rep 261. 182
D. Reduzierung der Klausel auf »follow the settlements«
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2. Klauselergänzung »to follow without question« Anstoß für das gerichtliche Verfahren aus 2004 gab aber nicht die Back-toback-Deckung, sondern eine Abwandlung der zu dieser Zeit üblichen Folgepflichtklausel. Die Ergänzung der vertraglichen Folgepflicht lautete: »[…] to follow without question the settlements of the reassured except ex-gratia and/or ›without prejudice‹ settlements«189 [Herv. d. Verf.].
In einem engeren Sinn ging es allerdings nicht um die Frage, wie weit die expliziten Ausschlüsse von Ex-Gratia-Leistungen190 und Zahlungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht (without prejudice settlements) reichen, 191 sondern um deren Einkleidung in die Folgepflichtklausel, d.h. die Formulierung to follow without question. Dies wurde zunächst nicht als Erweiterung der Folgepflicht des Rückversicherers, d.h. als Herabsetzung der Voraussetzungen der Folgepflicht zugunsten des Erstversicherers verstanden, sondern lediglich als Bestätigung der zweiten Scor proviso.192 D.h. in der Ergänzung wäre, mit den Worten von Tuckey LJ, lediglich eine Ermutigung des Erstversicherers zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung im Sinne der Scor-Entscheidung zu sehen.193 Dieser Einschätzung widersprach der Anwalt des Erstversicherers Hofmeyr: Durch Follow-the-Settlements-Klauseln sollten erneute Prüfungen von durch den Erstversicherer gegenüber dem Rückversicherer geltend gemachten Ansprüchen gerade vermieden, die Regulierung im Rückversicherungsverhältnis vereinfacht und beschleunigt sowie die Wahrscheinlichkeit gerichtlicher bzw. schiedsgerichtlicher Verfahren zwischen Erstversicherer und Rückversicherer reduziert werden.194 Entsprechend hätten die Parteien seiner Ansicht nach bewusst die Anwendung der Scor provisos begrenzt, da sie ansonsten auf den Zusatz without question verzichten hätten können. Somit bestünde auch keine Notwendigkeit für die Anwendung der zweiten der beiden Scor provisos, da Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 10). 190 Siehe zum Begriff S. 111 ff. 191 Die beiden Einschränkungen sind allerdings nicht per se Teil eines Folgepflichtprinzips und in dieser Weise darf auch das Urteil nicht verstanden werden. Vielmehr waren die beiden Einschränkungen explizit durch die zwischen den Parteien vereinbarte Folgepflichtklausel vorgegeben; Interpretationen des Urteils, welche hierin ein Prinzip erkennen, wonach die beiden Einschränkungen auch ohne entsprechende Vereinbarungen gelten sollen, sind daher abzulehnen; so allerdings McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.16. 192 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 10); Croly/Jefferies/Greenwald/Dallmayr, 2012 European Insurance Law Review, S. 17 (20). 193 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 10). 194 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 11). 189
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
darauf vertraut werden könne, dass der Erstversicherer seine Geschäfte aufgrund seines Selbstbehalts195 von 20 Prozent ohnehin ordnungsgemäß führe.196 Nach Ansicht von Tuckey LJ sei aber anerkannt, dass auch Variationen bzw. Ergänzungen der Follow-the-Settlements-Klausel nicht zu einer Herabsetzung der Voraussetzungen aus der Scor-Entscheidung zur Folgepflicht führten.197 Dies betreffe auch dem Wortlaut nach prima facie bedingungslose Variationen wie liable or not liable198 oder auch in every respect […] unconditionally binding199. Er verwies auf Lord Mustill in Hill v. Mercantile, wonach die Folgepflicht nicht den Schutz des Geschäfts des Rückversicherers unterlaufen dürfe.200 Diese Gefahr bestünde, da der Rückversicherer keinen Einfluss auf die Regulierung des Erstversicherers habe. Im Ergebnis gelangte Tuckey LJ daher zu der Auslegung, dass aus Zweckerwägungen heraus keine Bevorzugung einer Auslegungsvariante der Folgepflichtklausel folgen könne.201 Auch der Selbstbehalt habe nach Ansicht von Tuckey LJ keine Auswirkung auf die Frage der Auslegung der Folgepflichtklausel.202 Im Ergebnis stimmte er sodann der Entscheidung Hiscox v. Outhwaite zu.203 Zuvor hatte der Rechtsbeistand des Erstversicherers noch eingewandt, dass die Ausführungen in Hiscox v. Outhwaite in Bezug auf die vertragliche Ergänzung zur Folgepflicht falsch (wrong) seien.204 Nach Tuckey LJ sei es nach all dem nicht unmöglich, eine Folgepflichtklausel zu vereinbaren, die die Grenzen der Folgepflicht aus der Scor-Entscheidung für die Folgepflicht einschränkt bzw. aussetzt – dies bedürfe allerdings »klarer Worte«.205 Ein Erstversicherer wird sich im Nachgang zur Lektüre dieses Urteils jedoch zu Recht die Frage stellen müssen, wie eine Reduzierung der Anforderungen aus der Scor-Entscheidung Zur Auswirkung eines faktischen oder vereinbarten Selbstbehalts siehe S. 319 ff. Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 20). 197 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 21). 198 Siehe Charman v. Guardian Royal Exchange Assurance [1992] 2 Lloyd's Rep 607. 199 Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 (529). 200 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 8). 201 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 8). 202 Diese Einlassung bezieht sich allerdings ausdrücklich auf einen faktischen Selbstbehalt, d.h. einen Selbstbehalt, zu dem sich der Erstversicherer gegenüber dem Rückversicherer nicht verpflichtet hatte. Entsprechend stellt sich die Frage der Auswirkungen auf die Folgepflicht erneut, wenn eine derartige Verpflichtung besteht, siehe hierzu im Detail S. 322 ff. 203 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 21). 204 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 12). 205 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 21). 195 196
D. Reduzierung der Klausel auf »follow the settlements«
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bewerkstelligt werden soll, wenn nicht durch Ergänzungen wie den eben genannten. Derart klare Worte sah Tuckey LJ jedenfalls in der Formulierung without question nicht.206 Carter/Lucas/Ralph formulieren eine in diesem Sinn weite Klausel beispielhaft, ergänzen jedoch, dass diese bislang noch nicht anhand eines gerichtlichen Verfahrens getestet wurde: »The ceding company have the sole right to settle the claims either by way of compromise, ›ex gratia‹ payments, or otherwise, and all settlements are binding on the reinsurers. The reinsurers should be liable for their share of any costs incurred in resisting or defending any claim.«207
Gleichwohl bleibt fraglich, ob diese Klausel die an sie gestellten Zwecke nach Ansicht von Tuckey LJ erfüllt hätte. Zudem ist der Argumentation des Erstversicherers insofern zuzustimmen, als die Anforderungen an die Folgepflicht, wie sie die Scor-Entscheidung vorgab, gerade in umgekehrter Weise als Mindeststandard verstanden werden müssen. Denn Stephenson LJ hatte durch die Scor provisos gerade nicht einen Mindeststandard der Folgepflicht formuliert, sondern vice versa Maximalgrenzen, von welchen zugunsten des Erstversicherers abgewichen werden kann. Diese Lesart benennt Goff LJ ausdrücklich: »I do not, however, consider it possible to imply any stronger term, imposing a higher duty of care on insurers.«208
V. Zwischenergebnis zur neueren Rechtsprechung Mit dieser Darstellung der englischen Rechtsprechung soll nicht eine inhaltliche Übersetzung des jeweiligen Tenors der Urteile in deutsches Recht begründet werden. Vielmehr wird man es mit Lord Mustill in der Weise halten müssen, dass auch das englische Recht bis dato keine klare Begrenzung der Folgepflicht des Rückversicherers gefunden hat und aufgrund des Einzelfallbezugs der Urteile auch nicht entwickeln kann. Jedoch sind insbesondere die in den neueren Urteilen seit der Scor-Entscheidung zum Ausdruck kommenden Wertungen und Interessen von Erst- und Rückversicherer als Anknüpfungspunkt für die weitere Untersuchung tauglich. Dies betrifft vor allem die angesprochene Interessenparallelität, die Auswirkungen von Back-to-back-Klauseln, den Selbstbehalt des Erstversicherers und die Bemühungen, die ursprünglichen Klauseln in Ansehung der daraufhin ergangenen Urteile zugunsten des Erstversicherers zurückzuentwickeln. 206 »[…] the effect of the added words was to clarify rather than to qualify […]«, Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 21). 207 Carter/Lucas/Ralph, Carter on Reinsurance Bd. 1, S. 125. 208 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (330).
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
E. Der vermeintlich explizite Ausschluss von Ex-Gratia-Zahlungen »The addition of the proviso concerning Without Prejudice and Ex gratia Settlements is an encouragement to the original insurers/reinsured to give proper and businesslike consideration.«*
Auch sind allerdings Versuche der Parteien des Rückversicherungsvertrages unternommen worden, die Folgepflicht des Rückversicherers durch vertragliche Ergänzungen zu begrenzen. Dies gilt insbesondere für den expliziten Ausschluss von Ex-Gratia-Leistungen. Mit dem Begriff verbunden ist wie auch in der Entlehnung im deutschen Recht keine allgemeingültige Definition. So nahm Kealey J in der Vorinstanz zu Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance an, ex gratia sei eine Zahlung, die auf der Basis einer nichtbestehenden Leistungspflicht getätigt wird – im Fall einer jedenfalls vertretbaren (arguably) Leistungspflicht des Erstversicherers, handele es sich hingegen nicht um eine Ex-Gratia-Leistung.209 Zur Darstellung der mit der Verwendung des Begriffs ex gratia einhergehenden Unsicherheit, soll zudem ein relativ junges Urteil aus dem Jahr 2006 als Beispiel dienen: Faraday Capital v. Copenhagen Reinsurance.210 Im streitgegenständlichen Rückversicherungsvertrag wurde, in einem durch den High Court of Justice entschiedenen Fall, von den Vertragsparteien der Versuch unternommen, sowohl Leistungen des Erstversicherers mit dem expliziten Hinweis, dass eine Rechtspflicht zur Leistung nicht anerkannt werde, als auch ExGratia-Leistungen von der Folgepflicht auszuschließen. Die Parteien hatten wörtlich vereinbart: »This Reinsurance is subject to all terms, clauses and conditions as original except as provided for herein, and to follow in all respects the settlements or other payments of whatsoever nature excluding Without Prejudice and Ex-Gratia Settlements made by the Original Underwriters arising out of and in connection with the Original Insurance« 211 [Herv. d. Verf.].
Aikens J nahm an, dass die Ausschlüsse zur Folgepflicht »Fälle ohne Anerkennung einer Rechtspflicht« (»Without Prejudice«) und Ex-Gratia-Leistungen
So Aikens J, aus der Entscheidung Faraday Capital Ltd v. Copenhagen Reinsurance Co Ltd [2007] Lloyd’s Rep IR 23 (Rn. 47). 209 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2003] Lloyd's Rep IR 725; zur Definition des Begriffs im englischen Recht Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.30. 210 Faraday Capital Ltd v. Copenhagen Reinsurance Co Ltd [2007] Lloyd’s Rep IR 23. 211 Faraday Capital Ltd v. Copenhagen Reinsurance Co Ltd [2007] Lloyd’s Rep IR 23 (Rn. 47). *
E. Der vermeintlich explizite Ausschluss von Ex-Gratia-Zahlungen
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(»Ex gratia Settlements«)212 lediglich dazu dienten, den Erstversicherer dazu anzuhalten, den Schaden »redlich« (honestly) zu regulieren. Dies ist vor dem Hintergrund der in Kapitel 2 geschilderten Problematik rechtlich-materieller Wahrheit213 nur konsequent. Er schloss hierzu allerdings trotz des vermeintlich ausdrücklichen Vertragswortlauts, dass der Erstversicherer eine »Leistungspflicht« auch in dieser Weise anerkennen könne und nichtsdestoweniger in den Genuss der Folgepflicht gelange.214 Er formulierte: »To my mind, the addition of the proviso concerning Without Prejudice and Ex gratia Settlements is an encouragement to the original insurers/reinsured to give proper and businesslike consideration to its liability to the original assured and to act honestly in settling the claim. If all that is done, then, one asks rhetorically, why not admit liability to that extent and thereby come within the ambit of the ›follow the settlements‹ clause?«215
Auch wenn Aikens J im weiteren Verlauf des Verfahrens aus anderen Gründen zu dem Ergebnis gelangte, dass die Folgepflicht im konkreten Fall nicht greife,216 lässt sich auch aus seiner Sicht auf eine klare Interessenverteilung schließen. Erstens scheint seiner Äußerung die Annahme zugrunde zu liegen, dass sich ein redlich verhaltender Erstversicherer auch im Fall des vertraglichen Ausschlusses von Ex-Gratia-Leistungen auf die Folgepflicht des Rückversicherers berufen könne. Zweitens scheint Aikens J im Umkehrschluss in der unbedingten Vereinbarung einer Folgepflicht des Rückversicherers eine umfassende, also uneingeschränkte Folgepflicht zu sehen. Nach dieser Wertung kann die Folgepflicht daher auch nicht im Allgemeinen (d.h. ohne Konkretisierung im Rückversicherungsvertrag) und unabhängig von dem jeweiligen Begriffsverständnis derart ausgelegt werden, dass ein Ausschluss von ExGratia-Leistungen impliziert ist. Ergänzend soll jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass, wie bereits angedeutet, die englische Verwendung des Begriffs ex gratia häufiger noch allgemein als Kulanz verstanden wird.217 Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses – also des intendierten Ausschlusses von Kulanzleistungen jeder Form – muss das Urteil des High Court of Justice allerdings noch weit mehr erstaunen. Wenn die Vertragsparteien sogar einen derart weiten Ausschluss vermeintlich in ihren Vertrag aufgenommen haben, muss das Urteil gar in der 212 Faraday Capital Ltd v. Copenhagen Reinsurance Co Ltd [2007] Lloyd’s Rep IR 23 (Rn. 5). 213 Siehe S. 58 ff. 214 Faraday Capital Ltd v. Copenhagen Reinsurance Co Ltd [2007] Lloyd’s Rep IR 23 (Rn. 47). 215 Faraday Capital Ltd v. Copenhagen Reinsurance Co Ltd [2007] Lloyd’s Rep IR 23 (Rn. 47). 216 Aufgrund der Einordnung als Leistung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, die so dem Versicherungsnehmer deutlich gemacht wurde, Faraday Capital Ltd v. Copenhagen Reinsurance Co Ltd [2007] Lloyd’s Rep IR 23 (Rn. 48 ff.). 217 Siehe auch Cockerell, Witherby’s Dictionary on Insurance, Stichwort: Follow the fortunes, S. 129.
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
Weise verstanden werden, dass ein Ausschluss von Kulanzleistungen auf das Deutlichste durch eine Klausel hervorgehoben werden muss.
F. Zusammenfassung und Ableitungen aus der Rückversicherungspraxis »In deciding this appeal I decline to follow counsel down the trail of insurance jargon in a reinsurance policy and incorporated documents littered with language which is ungrammatical and contradictory.«*
I.
Voraussetzungen der Folgepflicht nach englischem Recht
Als Konsequenz der aufgezeigten, wandelbaren Rechtsprechung rät Wedge Erstversicherern dazu, den Rückversicherer bei der Regulierung – unabhängig von Kooperations- und Kontrollpflichten – miteinzubeziehen, um jedenfalls dem Vorwurf einer nicht-ordnungsgemäßen Geschäftsführung mit dem Argument der Beteiligung des Rückversicherers daran begegnen zu können. 218 Diese Herangehensweise ist zwar eine rechtssichere Alternative, entspricht allerdings nicht dem Credo einer effizienten und eine erneute Überprüfung entbehrlich machenden Bestimmung der Haftung des Rückversicherers, wie sie mit der Folgepflicht gerade bezweckt wird. Wie bereits eingangs genannt, ist es nicht Aufgabe dieses Kapitels, das englische Recht zur Folgepflicht mit Hilfe der englischen Rechtsprechung umfassend abzubilden. Dies wäre schon aufgrund der Vielzahl der verhandelten Fallgestaltungen nicht ohne eine Verschiebung des Fokus dieser Untersuchung möglich. Vielmehr sollte in Bezug auf das englische Recht lediglich der Wesenskern der Rechtsprechung durch eine Nachzeichnung der wesentlichen Entwicklungslinien veranschaulicht werden. So gibt sie Aufschluss über die Entwicklung der Vertragsgestaltung der Rückversicherungsbranche und ihrer Reaktionen auf die hierzu ergangenen Urteile. Ergebnis dieses Kapitels kann daher nicht die Übertragung vermeintlicher Prinzipien des durch Richterrecht geprägten englischen Rechts auf das deutsche Recht sein, sondern über die Verdeutlichung von Marktpraktiken hinaus allein ein Eindruck von den für eine sachgerechte Lösung der Folgepflichtproblematik zu berücksichtigenden Wertungen der Rückversicherungsvertragsparteien. Auch wenn sich die Rechtsprechung selbst nach der als Leiturteil betitelten Scor-Entscheidung insbesondere in Bezug auf Back-to-back-Klauseln und Globalvergleiche, darüber hinaus aber auch in den Wertungen weiterentwickelt So Sir Ormrod in Forsikringsaktieselskapet Vesta v. J.N.E. Butcher, Bain Dawes Ltd and the Aquacultural Insurance Service Ltd [1989] AC 852 (892). 218 Wedge, Reinsurance Claims Management, Rn. 2.13.4. *
F. Zusammenfassung und Ableitungen aus der Rückversicherungspraxis
201
hat,219 stellen sich die Scor provisos nach wie vor jedenfalls als methodischer Zugriff der englischen Rechtsprechung dar.220 Vor diesem Hintergrund werden die beiden Voraussetzungen in eine Rechts- und eine Tatsachenfrage (matter of law und matter of fact) unterschieden.221 Dies bedeutet zum einen bezogen auf die Rückversicherung, dass sich das rückversicherte Risiko verwirklicht haben muss. Indes versteht sich diese Voraussetzung im engeren Sinn als vertraglich beschriebener Rückversicherungsfall und damit bereits als Rahmenbedingung des Vertrages von selbst.222 Dies gilt ebenso für sonstige Einschränkungen des Rückversicherungsschutzes, wie sie beispielsweise Limits oder Aggregationsklauseln darstellen.223 In der Weise ist auch die Aussage in Hill v. Mercantile zu verstehen: »There is ample room for the clause to operate in every situation except where the settlement would bind the reinsurer to a definition of cover different from that which he has contracted to accept«224 [Herv. d. Verf.].
Sie wurde vor dem Hintergrund von Back-to-back-Klauseln in der Weise konkretisiert, dass es sich um ein Risiko handeln müsse, »which fell within the terms of the reinsurance as a matter of law or arguably did so«225. Auch wenn diese Rechtsprechung strittig bleibt, ergibt sich für die weitere Bearbeitung jedenfalls die Logik der äußeren Grenze der Folgepflicht, die in der Risikobeschreibung des Rückversicherungsvertrages zu sehen ist. Wenn dieser in jener Frage wiederum Rekurs auf den Erstversicherungsvertrag nimmt, scheint ein derartiges Verständnis auch naheliegend. Es führt jedoch nicht dazu, dass der Rückversicherer alle Einwendungen des Erstversicherers, die dieser gegenüber
Vor diesem Hintergrund ist auch der Beobachtung von Lord Mustill zur Untauglichkeit der (englischen) Rechtsprechung im Hinblick auf die Bedeutung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach wie vor zuzustimmen, siehe das instruktive Zitat, wiedergegeben auf S. 210; Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1252). 220 Bestätigend auch Lexington Insurance Co v. Wasa International Insurance Co Ltd [2009] UKHL 40 und Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.13. 221 So Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 1.85. 222 Vgl. Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 349 und Lüer/Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 10. 223 Siehe allgemein auch Fausten, VersR 2017, S. 1057 (1062). Das Beispiel eines vertraglichen Limits wird u.a. in Bellefonte Reinsurance Co v. Aetna Casualty & Surety Co, 903 f.2d 910 (2nd Cir. 1990) beleuchtet; zusammenfassend bei Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 7.63 ff. 224 Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1253). 225 So in Lexington Insurance Co v. Wasa International Insurance Co Ltd [2009] UKHL 40, S. 12 unter Verweis auf Tuckey LJ. 219
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
dem Versicherungsnehmer gehabt hätte, im Rahmen der Folgepflicht dem Erstversicherer entgegenhalten kann.226 Vielmehr kann es für die hierdurch relevant werdende Beurteilung der Leistungspflicht des Erstversicherers nur darauf ankommen, ob diese vertretbar (arguably) vorliegt.227 Diese Methodik hat nicht zuletzt auch in der rückversicherungsrechtlichen Literatur zum englischen Recht Zuspruch gefunden.228 Auch die PRICL gehen von dieser Zweigleisigkeit der Voraussetzungen der Folgepflicht aus229 und belegen damit nicht zuletzt auch den bedeutenden Einfluss der englischen Rechtsprechung auf die internationale Ansehung der Rückversicherung. Auch reichen demnach nicht alle Sorgfaltsverstöße aus, um die Folgepflicht des Rückversicherers zu verneinen, sondern nur »qualifizierte« Verstöße unter Betonung, dass gerade nicht die Ex-post-Betrachtung entscheidend für die Bestimmung der Folgepflicht sein kann: »In this context, unreasonable claims behavior requires something more than mere adverse results or claims decisions that may appear unwise in retrospect. A reinsured is permitted to make arguable mistakes while addressing claims. But if a reinsured’s claims behavior is fraudulent, deceptive, grossly negligent, reckless, self-serving, or intended to unfairly impose liability upon the reinsurer, the reinsured has not lived up to the standard of utmost good faith and, thus, violated Article 2.4.2.«230
Die PRICL verstehen sich selbst als Abbildung internationaler Rückversicherungspraxis vor dem Spiegel der Interessengerechtigkeit der Regelungen. Sie stehen jedoch im Hinblick auf die Folgepflicht vor der gleichen Herausforderung wie diese Untersuchung: der Unterschiedlichkeit der im englischen Recht als Ausdruck der Rückversicherungspraxis vertretenen Lösungen. Die PRICL geben für die Folgepflicht dem Grunde nach die durch die Scor-Entscheidung favorisierte Lösung vor.231 Sie selbst betonen jedoch – trotz des grundsätzlich dispositiven Charakters aller ihrer Vorschriften – explizit, dass hierin lediglich ein Auffangtatbestand (default rule) zu erkennen sein soll.232 Darüber hinaus ist den PRICL selbst eine Tendenz zu einem weiten Verständnis der Folgepflicht zu entnehmen, wenn es heißt: »If it cannot be said with positive assurance that after consideration of these factors, no reasonable person would support the amounts paid in settlement, the settlement should generally be considered sufficiently reasonable in amount and terms.«233
226 So aber Re London County Commercial Re-Insurance Office Ltd [1992] 10 Lloyd’s Rep 370 (371). 227 Siehe im Ganzen Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.03. 228 Zustimmend Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.13. 229 Art. 2.4.3 PRICL (C3). 230 Art. 2.4.2 PRICL (C3). 231 Art. 2.4.3 PRICL (C3). 232 Art. 2.4.3 PRICL (C11 f.). 233 Art. 2.4.3 PRICL (C4).
F. Zusammenfassung und Ableitungen aus der Rückversicherungspraxis
203
II. Die Bedeutung der Regulierungsarten im Einzelnen Gemeinsamer Nenner der angeführten Urteile ist jedenfalls die Maßgeblichkeit des Urteils als Art der Regulierung, die in jedem Fall die Folgepflicht des Rückversicherers nach sich zieht.234 Dieses soll im Rückversicherungsprozess nicht erneut aufgerollt werden und dient daher als hinreichender Nachweis für die Leistungspflicht des Erstversicherers.235 Dies gilt, sofern eine Schiedsklausel Bestandteil des Erstversicherungsvertrages ist, auch für Schiedssprüche.236 Urteil und Schiedsspruch werden daher in ihren Auswirkungen auf die Voraussetzungen der Folgepflicht des Rückversicherers gleich behandelt.237 Dies ist vor dem Hintergrund der internationalen Bestrebungen zur Angleichung – beispielsweise durch die sog. New Yorker Konvention zur Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen –238 zwingend. Hiervon unterschieden wird im Hinblick auf die Voraussetzungen der Folgepflicht die Regulierung abseits von gerichtlichen und schiedsgerichtlichen Verfahren. Vor diesem Hintergrund wird, wie bereits eingangs erörtert, mehrdeutig der Begriff settlement verwendet. In einem engeren Sinn beschreibt er die Regulierung durch Zahlung an den Versicherungsnehmer. Auch im Weiteren sind die Regulierungsarten (und darunter auch die einfache Regulierung bzw. das Entgegenkommen im Allgemeinen) allerdings von der grundsätzlichen Folgepflichtkonzeption im englischen Recht jedenfalls seit der Scor-Entscheidung gedeckt. Hierzu führt Lord Mance in Wasa International Insurance v. Lexington Insurance aus: »As interpreted by the Court of Appeal in The Insurance Company of Africa v. Scor (UK) Reinsurance […], the effect of these clauses is to bind the reinsurer to follow settlements of
234 So auch im Nachgang zu den bereits dargestellten Urteilen Commercial Union Assurance Co Plc v. NRG Victory Reinsurance Ltd [1998] 1 Lloyd's Rep 80 (wonach Bedingungen hierfür sind: Gerichtsbarkeit, keine widersprechende Gerichtsstandsvereinbarung, alle Einwendungen des Erstversicherers müssen vorgebracht worden sein und das Urteil darf nicht manifestly perverse sein). Nach Gürses hingegen sei jedenfalls die Bedeutung von manifestly perverse unklar. Wenn hierunter very wrong zu verstehen sei, bedeutete dies eine materielle Auseinandersetzung des zur Rückversicherungsbeziehung entscheidenden Gerichts bzw. Schiedsgerichts über die Sache. Dies widerspräche allerdings gerade dem Grundgedanken der aufgestellten Regel der Verbindlichkeit des ausländischen Urteils und sei daher abzulehnen, Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.07 und 6.08 ff.; zudem könnten mit dieser zusätzlichen Bedingung nicht besondere Regulierungsarten, wie bspw. im Fall des Wellington Agreement, gelöst werden (dort Rn. 6.41). 235 Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.06 ff. und 6.19; auch schon Prölss, ZVersWiss 1966, S. 511 (551). 236 Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.17. 237 North River Insurance Co v. CIGNA Reinsurance Co 52 f.3d 1194, (3rd Cir 1995). 238 Siehe die New York Convention 1958.
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
the insurer (whether made by admission or compromise or, as in Scor itself, following a judgment against the insurer).« 239
Die Entwicklung der englischen Rechtsprechung und der Folgepflichtklauseln ist daher gerade auch durch die verschiedenen Regulierungsarten geprägt, die nach und nach von den englischen Gerichten thematisiert wurden. Zwar führten diese zu unterschiedlichen Ergebnissen im Sinne einer Bindung des Rückversicherers. Auch aus den Begründungen der Urteile lässt sich, wie dargestellt, im Hinblick auf die Folgepflicht jedoch eine Gleichartigkeit der Regulierung ableiten. Hierfür spricht auch die frühe Beobachtung Goldings, dass es für die Rückversicherung nicht auf eine Leistungspflicht des Erstversicherers im materiellen Sinne ankommen kann.240 Gefragt werden muss daher nicht, ob die Folgepflicht im Fall einer bestimmten Regulierungsart per se nicht ausgelöst wird, sondern vielmehr weshalb nicht bereits allgemein das Credo gleicher Auswirkungen jeder Regulierungsart auf die Folgepflicht des Rückversicherers ausgerufen worden ist. Gleichwohl kann hier lediglich auf Basis der Beispiele der Rechtsprechung spekuliert werden. Auffallend ist jedoch, dass explizite vertragliche regulierungsspezifische Zusätze (in beide Richtungen) oftmals lediglich als Verhaltenswunsch bzw. als Motivation der anderen Vertragspartei verstanden wurden. Diesem geringen Einfluss vertraglicher Gestaltung ist nicht zuzustimmen. Vielmehr ist anzunehmen, dass spezifische Klauseln nach dem Parteiwillen auch spezifische Änderungen bzw. Erweiterungen der Folgepflicht herbeiführen sollen. 241 Gleiches muss im Sinne umfassender Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157 BGB grundsätzlich auch für sonstige Klauseln des Rückversicherungsvertrages gelten. Gleichwohl ist auch die oftmals verwendete full reinsurance clause (Full R/I Clause), die die Folgepflicht mit einer Back-to-backDeckung kombiniert, nicht in der Lage, diese Ungewissheiten auszuräumen. Sie lautet wie schon in der Scor-Entscheidung: »Being a reinsurance of and warranted same gross rate, terms and conditions as and to follow the settlements of the company.« 242
239
Lexington Insurance Co v. Wasa International Insurance Co Ltd [2009] UKHL 40,
S. 12. Golding, The Law and Practice of Reinsurance, S. 11. So die Wertung in Hill v. Mercantile, siehe Tompkinson, International Insurance Law Review, S. 341 (343): »Words should not be treated as superfluous«; siehe auch Axa Reinsurance (UK) Plc v. Field [1996] 2 Lloyd’s Rep 233. 242 Jüngst verhandelt und abgedruckt bspw. in Eagle Star Insurance Co Ltd v. Cresswell [2004] Lloyd’s Rep IR 537 (540). Sie birgt insb. in der unüberlegten Kombination mit anderen (individuell ausgehandelten) vertraglichen Klauseln die Gefahr von Fehlinterpretationen (dort 545); siehe auch Harding, 77 Defense Counsel Journal 2010, S. 328 (342 f.). 240 241
G. Folgerungen für die Folgepflicht nach deutschem Recht
205
G. Folgerungen für die Folgepflicht nach deutschem Recht »New opinions are always suspected and usually opposed without any other reason but because they are not already common.«*
Aus diesen Wertungen lassen sich zusammenfassend Folgerungen für das deutsche Recht ziehen, die den Ausgangspunkt der weiteren Bestimmung der Folgepflicht bilden. I.
Die Auswirkungen einer Back-to-back-Deckung
Kern des Problems der Back-to-back-Deckung ist, dass dem Rückversicherer hiermit eine umfassende Überprüfung der Regulierung des Erstversicherers ermöglicht wird, die im Widerspruch zu dem Grundsatz der freien Geschäftsführung des Erstversicherers steht. Umgekehrt allerdings, gestattete man dem Rückversicherer diese Überprüfung also nicht, bedeutete dies, dass der Erstversicherer durch die Entscheidung im Erstversicherungsverhältnis auch die Deckung im Rückversicherungsverhältnis festlegte. Katschthaler beschreibt diesen Umstand als Spannungsverhältnis zwischen rechtlicher Selbstständigkeit des Rückversicherungsvertrages und der »(partiellen) Identität der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen«. 243 Das Kriterium arguably, welches im englischen Recht beschworen wird, schlägt hier eine Brücke, erweckt jedoch den Eindruck einer erweiterten Überprüfungsmöglichkeit des Rückversicherers im Vergleich zu einem Rückversicherungsvertrag mit eigener Risikobeschreibung. Stellte man auf dieses Merkmal ab, liegt es nahe, hierin eine Parallele zur Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung zu sehen, wie sie bereits die zweite Scor proviso betont. Und wie auch dort, ist damit eine rechtliche und tatsächliche Wertung verbunden. Diese Wertung ist wiederum zunächst von den Einschätzungen des Erstversicherers abhängig, da er naturgemäß den ersten Zugriff auf die Regulierung hat. Argumentieren ließe sich daher, dass diese Erweiterung der Folgepflichtgrenzen keine wirkliche Erweiterung ist und im engeren Sinn nicht benötigt wird. Folge dieser Einordnung wäre die Gegenstandslosigkeit der ersten Scor proviso im Fall einer Back-to-back-Deckung.244 Wortlautgetreu (settlements) kommt es daher lediglich auf eine ordnungsgemäße
John Locke, abgedruckt in Boland, Reinsurance: London Market Practice, S. 47. Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (711). 244 Vgl. auch die Ansätze in Aegis Electrical and Gas International Services Ltd v. Continental Casualty Co [2008] Lloyd’s Rep IR 17; Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.19; Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.20. *
243
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
Regulierung des Erstversicherers und nicht auf dessen Leistungspflicht an.245 Diese Sicht wird bestätigt durch die Kritik, welche an der ersten Scor proviso laut geworden ist. Diese sei nicht tragfähig, da ihr eine gewisse Widersprüchlichkeit der Einlassungen der Rückversicherer immanent sei.246 Diese Widersprüchlichkeit resultiere aus dem Versprechen, bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung zu folgen, sich zugleich aber das Recht vorzubehalten, dieser – wenn auch ordnungsgemäßen – Regulierung nicht folgen zu müssen.247 Dieses Ergebnis erklärt sich auch aus einer weiteren Überlegung der Interessengerechtigkeit. Im Fall einer Back-to-back-Deckung kann ungleich mehr von einer Interessenidentität von Erst- und Rückversicherer gesprochen werden. Durch das so beschriebene Risiko des Rückversicherungsvertrages erkennt der Rückversicherer gerade die Geschäftsführung des Erstversicherers für sich und den Rückversicherungsschutz für verbindlich an (freilich unter der Voraussetzung der Ordnungsgemäßheit). Ein anderes Bild ergibt sich erst bei einer eigenen Risikobeschreibung im Rückversicherungsvertrag. Im Ergebnis stellt die Back-to-back-Deckung daher gerade nicht eine weitergehende Überprüfungsmöglichkeit des Rückversicherers im Hinblick auf den materiellen Gehalt der Regulierung dar, sondern bietet umgekehrt einen »Vorteil« für den Erstversicherer, dessen Regulierung aufgrund des Gesamtverweises nur noch anhand einer Voraussetzung bewertbar ist.248 Dies führt auch nicht zu einer Entwertung der Interessen des Rückversicherers, da sowohl seinen Interessen als auch der durch die Back-to-back-Deckung angedeuteten Interessenparallelität durch den Einfluss der Frage der Deckung auf die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung Genüge getan ist. Mehr noch weiß der Rückversicherer in der Regel gar nicht, welche Risiken oder Schäden von der Erstversicherung gedeckt sind.249 Wenn er diese Deckung verspricht, ist nicht nachvollziehbar, weshalb ihm über die Hintertür faktisch die Überprüfung der Risiken des Erstversicherungsvertrages möglich gemacht werden sollte.250
245 So auch Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.03; darüber hinaus kommt es für die Folgepflicht des Rückversicherers auch nicht darauf an, ob der Erstversicherer weitere Nebenpflichten erfüllt hat oder nicht (sie sind daher nicht condition precedent für die Folgepflicht), Colin Baker v. Black Sea & Baltic General Insurance Co Ltd [1995] Lloyd’s Rep 261. 246 Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.40. 247 Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.40. 248 So auch Franz/Keune, VersR 2013, S. 12 (22), wonach die Back-to-back-Klausel noch über die Folgepflicht hinausgehe. 249 Cruciger, Die Praxis der Rückversicherung, S. 190. 250 Für das deutsche Recht bereits Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (178); problematisch stellt sich diese Thematik dar, wenn Erst- und Rückversicherungsvertrag back-to-back gestaltet sein sollen, allerdings bspw. aufgrund von Unterschieden im anwendbaren Recht auseinanderfallen; hierzu Lexington Insurance Co v. Wasa International Insurance Co Ltd [2009] UKHL 40; zur Vorinstanz Stern/Kohler/Kendall, ZfV 2008, S. 694 (697 f.).
G. Folgerungen für die Folgepflicht nach deutschem Recht
207
Der mit der herrschenden Ansicht im deutschen Recht251 konforme Ansatz der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung des Erstversicherers besteht zudem in einem objektiv angereicherten subjektiven Ansatz. Hinsichtlich des subjektiven Maßstabs wurde auch für das englische Recht formuliert, dass die Geschäftsführung nicht ordnungsgemäß sei, wenn ohne Überprüfung des rechtlichen Bestehens schlicht aus dem Grund geleistet wurde, dass die Zahlung des Erstversicherers unter die Rückversicherungsdeckung falle.252 Das führt allerdings auch zu der zwangsläufigen Konsequenz, dass eine bestimmte Art der Regulierung nicht grundsätzlich von der Folgepflicht ausgeschlossen ist. Dies gilt im Besonderen für Globalvergleiche und Ex-Gratia-Leistungen. D.h. selbst im Fall eines nicht durch den Erstversicherungsvertrag gedeckten Risikos und der gleichwohl erfolgten Regulierung kann eine Folgepflicht des Rückversicherers bestehen. Das führt aber allein dazu, dass im Einzelfall abgewogen werden muss, ob die Geschäftsführung ordnungsgemäß war. Wie bereits in Kapitel 2 beschrieben, können Motive des Erstversicherers auch eine solche Regulierung vertretbar machen – und das unabhängig davon, ob hierin auch ein Interesse des Rückversicherers zu sehen ist. II. Ableitungen für die Intentionen der Klauselgestaltung Betreffend die Entwicklung der Folgepflichtklauseln, die sich anhand von Ergänzungen und Auslassungen auf Basis einer ursprünglichsten Klausel vollzieht, ist festzustellen, dass es eine allgemeine Tendenz gibt, die Folgepflicht auszuweiten (und gerade nicht weiter zu begrenzen). Hieraus ließe sich der Schluss ableiten, dass das Verständnis des von den Parteien Gewollten in der Regel durch die Gerichte zu einem engeren und nicht zu einem weiteren Zuschnitt führt. In dieser Weise fasst auch Lord Mance die bisherige Entwicklung der Klauseln in Wasa International Insurance v. Lexington Insurance zusammen: »In practice, the former task is eased by express terms in a proportional reinsurance: originally, these took the form of a provision ›to be paid as may be paid‹, but courts gave this a limited interpretation which confined it to questions of quantum, so that it would only assist insurers once they had proved that they had some liability to their insured; there thus developed ›follow the settlements‹ clauses or the ›full reinsurance‹ clause appearing in the present reinsurance.«253
All dies spricht daher für eine Entwicklung hin zu einem weiteren Verständnis der Folgepflicht – schon – nach englischem Recht. Konstellationen wie Ver-
Siehe die Stellungnahme auf S. 145 ff. Gan Insurance Co Ltd v. Tai Ping Insurance Co Ltd (No 2) [2001] Lloyd’s Rep IR 667 (691) und Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.33. 253 Lexington Insurance Co v. Wasa International Insurance Co Ltd [2009] UKHL 40, S. 12. 251 252
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
gleiche unter Erstversicherern (auch unter Einschluss der haftpflichtversicherten Versicherungsnehmer) und Back-to-back-Deckungen mussten erst durch die Auslegung der auch im Nachgang zu der Scor-Entscheidung kurz gefassten Follow-the-Settlements-Klauseln aufwändig und unter Zugrundelegung einer Vielzahl an (hypothetischen) Wertungen einer Lösung zugeführt werden. Auch die verschiedenen Versuche der Branche, die Follow-the-Settlements-Klausel zu spezifizieren (beispielsweise durch den Zusatz and to follow without question), wurden erstaunlicherweise lediglich als deklaratorische Motivation der Parteien angesehen und nicht als substantielle Erweiterung der Folgepflicht des Rückversicherers. 254 Die Zurückhaltung der englischen Gerichte, die Folgepflicht des Rückversicherers zu erweitern, erklärt sich sicher auch vor dem Hintergrund, die Haftung des Rückversicherers als nach wie vor autarke Vertragspartei nicht bedingungslos in die Hände des Erstversicherers zu legen.255 Diese Ergänzungen sind von der englischen Literatur zum Rückversicherungsrecht jedoch als gangbarer Versuch verstanden worden, die Folgepflicht sehr weit zu verstehen.256 Mehr noch lässt sich hieran gerade die Praxis einer Ausweitung der Folgepflicht ablesen: »Insurers have over the years sought (with varying degrees of success) to relieve themselves of the responsibility of proving that they were as a matter of fact liable to their underlying insured and of proving the quantum of such liability by inserting […] a clause requiring the reinsurer to follow the settlements or fortunes of the reinsured.«257
Dieser Beobachtung folgt die Feststellung, dass die Branche bis heute nicht den Versuch unternommen hat, statt pauschalen Zusätzen, konkrete Beschreibungen zur Folgepflicht in die Verträge aufzunehmen. Auch die vermeintlichen Konkretisierungen der Pauschalität der Folgepflichtklausel adressierten meist nicht explizit bestimmte Regulierungsarten. Die Rückversicherungsbranche setzt sich daher bewusst der mit der englischen Rechtsprechung verbundenen (und aufgezeigten) Rechtsunsicherheit aus. Zu Recht fragt daher auch Lord Mustill, weshalb die Parteien nicht konkret wurden, als sie ihre Follow-theSettlements-Klausel ergänzten und damit für den urteilenden Richter ihre Intentionen einer Erweiterung der Folgepflichtklausel offenbaren hätten können: »There is ample room for the clause to operate in every situation. […] This result could undoubtedly have been achieved by choosing the right words […].«258 254 So bspw. in Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance, beschrieben oben S. 192 ff. 255 So die Formulierung von Lord Mustill (»delivering the reinsurers into the hands of those down the chain«) in Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1253), und weiter, dass diese Zurückhaltung des Markts vor dem Hintergrund des Missbrauchspotentials nachvollziehbar sei. 256 Merkin/Henley, A Guide to Reinsurance Law, S. 244 ff. 257 Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.12. 258 Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1253).
G. Folgerungen für die Folgepflicht nach deutschem Recht
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Auch wenn man dem entgegnen könnte, dass die nachfolgende Rechtsprechung offenlegt, dass vermeintlich klare Ergänzungen oder Einschränkungen gerade nicht die gewünschte Auslegung herbeiführen, ist dieser Beobachtung grundsätzlich beizupflichten. Aus der Individualität der Folgepflichtklauseln folgt schließlich für das englische Recht die Unmöglichkeit der generellen Bestimmung der Folgepflicht.259 Für das deutsche Recht allerdings bestätigt sich der von der herrschenden Meinung subjektive Ansatz, der jedenfalls für einfache Fahrlässigkeit die Folgepflicht des Rückversicherers auslöst, zugunsten des Erstversicherers als maximaler Sorgfaltsmaßstab. III. Ergebnis für das deutsche Recht Abschließend bleibt festzuhalten, dass sich die Entwicklung der Folgepflichtklauseln in der Weise homogen entwickelt hat, dass die hinzugefügten Ergänzungen der Klauseln immer wieder mit der Intention verbunden waren, die Bindungswirkung der Entscheidungen des Erstversicherers weiter zu formulieren, als sie die Gerichte zuvor verstanden hatten.260 Die Entwicklung der englischen Rechtsprechung kann jedoch nicht im Sinne einer einheitlichen, allgemeinen Meinung zur Folgepflicht verstanden werden.261 Dies gilt umso mehr, wenn berücksichtigt wird, dass nicht allein das englische Recht ausschlaggebend für die Ableitung einer Rückversicherungspraxis (bzw. eines entsprechenden Brauchs) ist. Verschiedentlich wurden bereits Hinweise auf US-amerikanisches Recht gestreut – selbst dieses (am Beispiel des Rechts von New York) und das englische Recht legen Follow-the-Settlements-Klauseln allerdings nicht gleichförmig aus. Vielmehr ergeben sich auch hier eklatante Unterschiede im Verständnis der Folgepflicht.262 Entsprechend bestätigt sich das bereits gefundene Ergebnis zur Dogmatik der Folgepflicht im deutschen Recht, wonach die Folgepflicht lediglich als ergänzender Handelsbrauch, allerdings nicht als interpretierender Handelsbrauch verstanden werden kann263. Lediglich die Notwendigkeit einer Folgepflicht, indes nicht ihre konkreten Grenzen kann durch die Praxis einer Folgepflicht als nachgewiesen angesehen werden.264
259 Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 54 f. und Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 29.3. 260 Hill, International Insurance Law Review 1994, S. 459 (461). 261 Auch Heiss, Scandinavian Studies in Law 2018, S. 91 (98). 262 So auch Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 20.1; speziell im Verhältnis von US-amerikanischem und deutschem Recht Hoffman, 33 Tort & Insurance Law Journal 1997, S. 1 (75). 263 Siehe S. 87 ff. 264 So ist auch Lord Mustill in Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1252) zu verstehen; in Lexington Insurance Co v. Wasa International Insurance Co Ltd [2009] UKHL 40 ist daher kein Widerspruch zu sehen.
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Kap. 5: Rückversicherungspraxis am Beispiel der englischen Rechtsprechung
Die Rückversicherungspraxis hilft daher nur bedingt, wenn die Folgepflicht im konkreten Fall in Frage steht. Die Geltung einer generellen Folgepflicht wird (jedenfalls im deutschen Recht) nur im seltensten Fall von den Parteien (und auch von Gericht und Schiedsgericht) bestritten werden. Die Grenzen der Folgepflicht müssen daher auch als Basis der bereits angedeuteten, der Folgepflicht zugrunde liegenden Wertungen interpretiert werden. Und auch hier fasst Lord Mustill mustergültig zusammen, was als tension of reinsurance den Widerstreit der Interessen, der in den im Folgenden darzulegenden Wertungen der Rückversicherung auch für das deutsche Recht zum Ausdruck kommt, beschreibt: »Two impulses act in opposite directions. The first is to avoid the investigation of the same issues twice; and, moreover, an investigation on the second occasion by a reinsurer whose knowledge of what happened when the risk was written, and whose facilities for investigating the claim, are inferior to those of the direct insurer. The second impulse, acting in the other direction, is to ensure that the integrity of the reinsurer's bargain is not eroded by an agreement over which he has had no control.«265
265
Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1251).
Kapitel 6
Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben Zur gesetzlichen Maximalgrenze der Sorgfaltspflicht A. Gesetzliche Rahmenbedingungen »And they don’t seem to have any rules in particular; at least, if there are, nobody attends to them – and you’ve no idea how confusing it is all the things being alive.«*
In Fortführung der Ergebnisse aus den beiden vorangegangenen Kapiteln stellt sich die Frage, ob es – neben der fragwürdigen Anknüpfung an § 277 BGB1 – gesetzliche Spezifizierungen für die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung gibt, die als methodischer Ansatz für die Folgepflichtbestimmung Platz greifen müssen. Hält man sich das Fehlen gesetzlicher Quellen der Rückversicherung vor Augen überrascht es nicht, dass zu dem zentralen Element des Rückversicherungsrechts, wie es die Folgepflicht verkörpert, auch heute keine gesetzliche Vorschrift des deutschen Rechts in Form eines formellen Gesetzes besteht. Gleichwohl bewegt sich die Rückversicherung hiermit nicht im rechtsfreien Raum.2 Und auch die Folgepflicht verschließt sich nicht schon aufgrund ihres vertragsrechtlichen Zuschnitts vor dem Einfluss gesetzlicher Wertungen. Historisch sind bereits verschiedene Versuche einer Normierung – nicht nur der Rückversicherung, sondern – speziell der Folgepflicht unternommen worden. Sie sollen vorgeschaltet Beachtung finden, um einen Eindruck potentieller gesetzgeberischer Intention in Bezug auf die Folgepflicht des Rückversicherers zu vermitteln. Heutige gesetzliche Vorgaben für die Folgepflicht bestehen zwar nicht ausdrücklich. Indes wird die Folgepflicht deshalb nicht allein von Normen des allgemeinen Schuldrechts getragen, die mangels spezieller gesetzlicher Nor* Lewis Carroll, Alice’s Adventures in Wonderland (1865), Chapter VIII – The Queen’s Croquet Ground. 1 Zur Kritik an der Brauchbarmachung des § 277 BGB für die Folgepflicht bereits oben auf S. 145 ff. 2 Looschelders, VersR 2012, S. 1 (1).
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
men unbestritten als lex generalis auf die Rückversicherung Anwendung finden.3 Auch können sich Wertungen für die Folgepflicht trotz des § 209 VVG aus dem VVG ergeben. Dies betrifft nicht nur die Frage einer analogen Anwendung, sondern auch die Frage einer Übertragung von Wertungen, die den gesetzlichen Vorschriften zugrunde liegen, auf die Rückversicherung. In gleicher Weise schließt das Fehlen spezieller gesetzlicher Vorgaben für die Folgepflicht nicht aus, dass diese aus gesellschaftsrechtlichen Überlegungen in bestimmter Weise zu verstehen ist. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob der Erstversicherer zu Kulanzleistungen im engeren Sinn berechtigt ist. Darüber hinaus ist der Grundsatz uberrima fides anzusprechen, welcher heute auch für das deutsche Rückversicherungsrecht bemüht wird, um eine gesteigerte Form von Treu und Glauben auszudrücken. Bislang geringere Beachtung fand hingegen die Frage, ob Pflichten des Erstversicherers gegenüber seinem Versicherungsnehmer bestehen, die auch in der Rückversicherung, und d.h. in der Bestimmung der Folgepflicht, zu berücksichtigen sind. Jedoch wurde vice versa immer wieder betont, der Erstversicherer müsse sich (bei seiner Regulierung) so verhalten, wie er sich verhalten würde, wenn er keinen Rückversicherungsschutz hätte.4 Fraglich bleibt jedoch das Verhältnis erstversicherungsrechtlicher Schutzzwecke zu diesem rückversicherungsspezifischen Gebot bzw., mit anderen Worten, welchen Einfluss die Rückversicherung auf die Erstversicherung nehmen darf.
B. Aussagen historischer Gesetzgeber zur Folgepflicht »Verba volant, scripta manent.«*
Vor dem Hintergrund des heutigen Fehlens einer speziellen gesetzlichen Folgepflichtvorschrift ist es umso beachtenswerter, dass historische Gesetzgeber nicht nur die aufgezeigten Versuche einer Normierung der Rückversicherung im Ganzen unternommen haben,5 sondern bereits früh beabsichtigten, Fragen der Folgepflicht einer Klärung zuzuführen. Auch wenn diese rückversicherungsrechtlichen Vorläufer heute nicht mehr in Kraft sind6 und darüber hinaus ersatzlos von der gesetzgeberischen Agenda gestrichen wurden, geben sie Anders als in der Erstversicherung handelt es sich bei der Folgepflicht jedoch regelmäßig nicht um AVB, die eine Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB eröffnen. Abgesehen von der Fraglichkeit des »einseitigen Stellens« der Bedingungen (§§ 305 I, 305b BGB), gehört die Folgepflicht als Ausdruck der Hauptleistungspflicht des Rückversicherers zum nicht überprüfbaren Kernbereich des Rückversicherungsvertrages (§ 307 III 1 BGB). 4 Bereits Benecke, System des Assekuranz- und Bodmereiwesens I, S. 285. * »Die Worte verfliegen, das Geschriebene bleibt« [Übersetzung d. Verf.]; abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 386 m.w.N. 5 Siehe S. 70 ff. für eine allgemeine Darstellung der Rechtsquellen der Rückversicherung. 6 Und dies bereits schon mit Inkrafttreten des BGB an der Wende zum 20. Jahrhundert. 3
B. Aussagen historischer Gesetzgeber zur Folgepflicht
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heute Aufschluss über den historischen Blick auf die Rückversicherung und sollen daher aus genannten Gründen nicht unerwähnt bleiben. Der Mehrwert einer Untersuchung dieser gesetzgeberischen Versuche ergibt sich dabei nicht aus der Innovationskraft der Gesetzgebung selbst, sondern aus der Niederschrift gelebter Praxis. Diese Kodifikationen behandelten in erster Linie den im Hinblick auf die Leistungspflicht des Rückversicherers problematischen Vergleich. So regelte § 2021 Teil 2 ALR 1794: »Eben so wenig ändert sich das Verhältniß des ersten Versicherers gegen seinen Rückversicherer, wenn jener, ohne Genehmigung des letztern, sich mit seinem Versicherten über das bey entstandenem Unglücksfalle zu vergütende Quantum vergleicht.«7
Das in diesem Zuge genannte »Verhältniß« lässt einzig den Schluss zu, dass hiermit die Haftung des Rückversicherers angesprochen ist und der Rückversicherer auch im Fall eines Vergleichs haften sollte. Inhaltsleer wäre diese Vorgabe, bezöge man sie auf das Rückversicherungsverhältnis als Ganzes, da nicht ersichtlich ist, wo sich hier eine Änderung durch einen Vergleich im Erstversicherungsverhältnis ergeben können sollte, wenn nicht in Bezug auf die Haftung des Rückversicherers. Darüber hinaus wurden dem Rückversicherer von Gesetzes wegen Mitspracherechte in der Regulierung durch den Erstversicherer sogar explizit abgesprochen und dem Erstversicherer nicht nur ein Geschäftsführungsrecht zugestanden, sondern implizit auch die Folgepflicht des Rückversicherers statuiert. Diese Lesart bestätigen die Motive8 zu Art. 456 des Entwurfes eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg, die das ALR 1794 konkretisierten: »Hingegen kann ein freiwilliger Vergleich, welchen der Versicherer über die Ersatzsumme schließt, demselben gegenüber von seinem Rückversicherer nicht schaden, so daß dieser später Einwendungen gegen die Grundlagen des Vergleichs zu machen berechtigt wäre.«9
Damit ist über das ALR 1794 hinaus ausdrücklich der freiwillige, d.h. der außergerichtliche Vergleich, angesprochen, bei welchem dem Rückversicherer keine Einwendungen gegen den Erstversicherer zustehen sollen. Entnehmen lassen sich diesen frühen Sichtweisen auf die Rückversicherungspraxis auch Aussagen zur Schadensbezogenheit der Haftung des Rückversicherers. Der Rückversicherer soll von einer »günstigen« Regulierung des Erstversicherers profitieren, da der Erstversicherer nicht mehr erhalten soll als das, was ihm als Schaden entstanden ist. Hiermit ist beispielsweise der Fall gemeint, in dem der Erstversicherer einen günstigen Vergleich mit dem Versicherungsnehmer schließt, aber auch die Anrechnung von Leistungskürzungen Abgedruckt in Hattenhauer, ALR 1794, S. 525. Hingegen erlaubt Art. 456 selbst lediglich die Rückversicherungsnahme, enthält allerdings keine den §§ 2017 ff. Teil 2 ALR 1794 vergleichbaren Details. 9 Abgedruckt in Hofacker/Werner, Entwurf eines württembergischen Handelsgesetzbuches II, S. 393. 7 8
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
(so nach heutigem VVG in einem Fall des § 28 II 2). Bereits § 2022 Teil 2 ALR 1794 beschäftigte sich mit dieser Frage (»Ist aber dem ersten Versicherer von der liquiden Vergütungssumme etwas erlassen: so kommt dieses auch dem Rückversicherer zu statten«).10 In gleicher Weise verfährt der zeitlich später verfasste Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg. Insbesondere die Motive11 zu Art. 456 sind aufschlussreich, wenn es dort unter Bezugnahme auf das ALR 1794 heißt: »Würde der Versicherer etwas an der Ersatzsumme nachlassen; so soll dieß nach dem preuß.LandR.§.2022 auch dem Rückversicherer zu gut kommen. – Dieß liegt wohl in der Natur der Sache, weil der Versicherer nicht weiter als seinen eigenen Schaden ersetzt erhalten kann. Auch macht es keinen Unterschied, wenn der Ersatz aus persönlichen Rücksichten, als eine Art Geschenk geschah.«12
Auch wenn, wie aus dem Sinnzusammenhang mit dem darauffolgenden Absatz deutlich wird, die Bezugnahme auf »persönliche Rücksichten« hier auf die Rücksichtnahme des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer abstellt, 13 so ist die Erwähnung einer »schenkweisen« Reduzierung der Leistungspflicht des Erstversicherers bemerkenswert.14 Denn die Einlassungen lassen sich im Zusammenspiel mit den vorgenannten Vorschriften in der Weise interpretieren, dass persönliche Rücksichten im Erstversicherungsverhältnis grundsätzlich nicht von Belang für die Haftung des Rückversicherers sein sollen. Der Rückversicherer trägt demnach im Ganzen die Vor- und Nachteile der Regulierung des Erstversicherers als Beteiligter an der Unternehmung des Letzteren. Im Ergebnis entspricht die Anrechnung einer günstigen Regulierung im Erstversicherungsverhältnis zugunsten des Rückversicherers auch dem heutigen Verständnis von Rückversicherung und Folgepflicht.15 Vor dem Hintergrund der Abgrenzung der Versicherung zur Wette und zur Verhinderung der Nutzbarmachung von Versicherung als Spekulationsobjekt ist den Erwägungen der ersten Stunde auch heute noch zuzustimmen. Die Summe, die der Erstversicherer aus der Rückversicherung erhält, soll seinen eigenen Schaden nicht Abgedruckt in Hattenhauer, ALR 1794, S. 525. Im Gegensatz zum Normtext als solchem, der nur wenig aufschlussreich bleibt, siehe Hofacker/Werner, Entwurf eines württembergischen Handelsgesetzbuches I, S. 136 f. 12 Abgedruckt in Hofacker/Werner, Entwurf eines württembergischen Handelsgesetzbuches II, S. 393. 13 Letzterer war zu dieser Zeit mitunter auch eine Einzelperson bzw. ein Kaufmann. Vor diesem Hintergrund erscheint die so geartete Erwähnung persönlicher Rücksichten nachvollziehbar; in Europa bildete sich das »Versicherungsunternehmen« erst im 18. Jahrhundert heraus, Pons Pons, in Hellwege, Comparative History of Insurance Law, S. 231 (234). 14 Die Benennung als »Erlaß« ist wohl auf die zu dieser Zeit noch verbreitete Form des Versicherers als Einzelkaufmann zurückzuführen, wodurch eben auch dieser umgekehrte Fall vorstellbar erscheint. 15 So Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.04 für das englische Recht. 10 11
B. Aussagen historischer Gesetzgeber zur Folgepflicht
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übersteigen16 – mit anderen Worten: Der Erstversicherer soll aus der Rückversicherung keinen Profit schlagen.17 Diese Sichtweise findet ihren Ausdruck in einem generellen Misstrauen der Rückversicherung gegenüber, deren Anfänge insbesondere in dem bereits angesprochenen Rückversicherungsverbot von 1746 gesehen werden können.18 Die Überlegungen sind allerdings auch heute noch erstaunlich aktuell und offenbaren sich in der Einordnung der Rückversicherung als Schadensversicherung. Diese Weichenstellung ist bereits als Wesenszug der Rückversicherung anzusehen. Im Ganzen können diese frühen Versuche einer gesetzlichen Erfassung der Folgepflicht zwar nur ein historisches Bild zeichnen und nicht als Beispiel belastbarer gesetzgeberischer Intention dienen.19 Mit der Kodifikation von Rückversicherungsrecht entwickelten sie indes nicht neue Ideen, sondern perpetuierten Rückversicherungspraxis. 20 Mehr noch sind diese gesetzgeberischen Versuche daher als Bildnis der Rückversicherungspraxis, als Eindruck von den Eigenarten der Rückversicherung und als ein erster Hinweis auf den ultimativen Charakter der Regulierung und eine grundsätzliche Weite der Folgepflicht zu sehen.
16 Auch der Gesetzgeber des württembergischen Handelsgesetzbuches erwähnt darüber hinaus, dass der Erstversicherer mehr erhalten kann, als das, was er selbst im Rahmen der Regulierung geleistet hat. Dies beträfe allerdings lediglich zusätzliche Kosten für den Erstversicherer vor dem Hintergrund von »Rettungs- oder Erhaltungs-Aufwand«, siehe Hofacker/Werner, Entwurf eines württembergischen Handelsgesetzbuches II, S. 393 f. 17 Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 140; zum englischen Recht Merrett v. Capitol Indemnity Corp [1992] Lloyd’s Rep 46 und Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.04, 4.50 ff. 18 Näher hierzu S. 262 ff. 19 P. Koch nimmt an, dass aus der Nichtkodifizierung der Rückversicherung in späteren Kodifikationen zu schließen sei, dass den Vorschriften des ALR 1794 keine weitere Bedeutung für die Praxis zugekommen sei (VersR 1994, S. 629 [631]) – als Beweggrund hierfür ist jedoch vielmehr das fehlende Schutzbedürfnis der Rückversicherungsvertragsparteien anzusehen, siehe sogleich. 20 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 723; Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 63; mithin gilt dies für die Versicherung im Ganzen, die sich hierbei an den in der Praxis verwendeten Bedingungen orientierte, Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 375.
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
C. Übertragung von Wertungen aus dem (Versicherungs-)Vertragsrecht »Es ist Aufgabe rechtssystematischer Untersuchung, Erscheinungen und Verhältnisse des Lebens in den durch die Rechtsordnung geschaffenen Rahmen einzuordnen.«*
Aufgrund des heutigen Fehlens derartiger expliziter Vorschriften für das Rückversicherungsverhältnis wurde insbesondere über eine Analogie der VVG-Normen – oder jedenfalls ausgewählter VVG-Normen – diskutiert.21 Die Anwendbarkeit muss dabei zunächst vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Intention betrachtet werden. In der historischen Regierungsbegründung zur inhaltlich unverändert gebliebenen Vorgängerversion § 186 VVG a.F. heißt es in einer gewissen Absolutheit: »§ 186 setzt zunächst außer Zweifel, daß die Vorschriften […] auch für die Rückversicherung keine Geltung haben«. 22 Und weiter: »Ist aber die Rückversicherung in dieser Weise von der Hauptversicherung abhängig, so ergibt sich von selbst, daß für zahlreiche Vorschriften des Entwurfs, insbesondere für die grundlegenden Bestimmungen über die Anzeigepflicht bei dem Abschlusse des Vertrags, über die Gefahrerhöhung und über die Verpflichtungen des Versicherungsnehmers nach dem Eintritt des Versicherungsfalls, regelmäßig kein Raum ist.«23
Die bereits gefundenen Lösungen für die Erstversicherung waren nach dieser Einschätzung daher – jedenfalls grundsätzlich (»regelmäßig«) – nicht sinnstiftend für die Rückversicherung. Der historische VVG-Gesetzgeber ging darüber hinaus nicht davon aus, dass die Rückversicherung überdies einer eigenen gesetzlichen Normierung bedurfte, da die Vertragsparteien keinen Schutz benötigen würden.24 Vielmehr sei es den Parteien überlassen, »ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten im Vertragswege angemessen und erschöpfend zu ordnen«.25 Argumentiert wird in Ablehnung einer analogen Anwendung von VVG-Vorschriften zumeist ebenfalls, dass Schutzvorschriften in der Rückversicherung keine Disparität der Vertragsparteien überbrücken müssten.26 Der Gesetzgeber hätte vor diesem Hintergrund, sofern er eine Anwendung von VVG-Vorschriften beabsichtigt Heise, Die Rückversicherung als Haftpflichtversicherung, S. 1. Ablehnend Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 14. 22 So die gesetzgeberische Begründung, Motive zum VVG 1908, S. 245, die im Verlauf der Beratungen hierzu keinen Widerspruch fand (siehe dort S. 569 ff. und im Ergebnis S. 402). 23 Motive zum VVG 1908, S. 246. 24 Motive zum VVG 1908, S. 246, siehe zur im Übrigen bestehenden Disparität der Erstversicherungsvertragsparteien die Beratungen hierzu, dort S. 578. 25 Motive zum VVG 1908, S. 246. 26 Franz/Keune, VersR 2013, S. 12 (21). *
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C. Übertragung von Wertungen aus dem (Versicherungs-)Vertragsrecht
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hätte, Rückversicherungsverträge beispielsweise in § 187 VVG a.F. (nunmehr § 210 VVG) aufnehmen können und sie so Versicherungsverträgen über Großrisiken, die gerade von der teilweise zwingenden Natur einiger VVG-Normen befreit sind, gleichstellen können. Die Regelung des § 186 VVG a.F. (nunmehr § 209 VVG) wird daher insgesamt als abschließend angesehen. 27 Auch die Vertreter dieser engen Auffassung sehen allerdings Raum für die Übertragung von Wertungen aus dem Versicherungsvertragsrecht auf die Rückversicherung.28 Umgekehrt ergibt sich nicht schon aus der vorherigen historischen Normierung der Rückversicherung und modernen Momenten der Vertrags- und Rechtunsicherheit eine Forderung nach ihrer neuzeitlichen vertragsrechtlichen Normierung. Nichtsdestoweniger versuchen einige Autoren, motiviert durch das Fehlen expliziter gesetzlicher Vorgaben, einzelne VVG-Vorschriften analog für die Rückversicherung heranzuziehen.29 Zusammenfassend ist in dieser Hinsicht die Analyse von Gerathewohl, der die grundsätzliche Analogiefähigkeit ausführlich erörtert, indem er auf die Qualifikation der Rückversicherung als Versicherung abstellt und darauf verweist, dass ein sachlicher Grund für eine Ausklammerung der Rückversicherung nicht bestehe.30 Vielmehr seien die Beweggründe des historischen Gesetzgebers darin zu sehen, dass er gesetzliche Vorschriften als Schutzvorschriften verstand, die für die Rückversicherung nicht erforderlich seien, und im Weiteren in der internationalen Entwicklung der Rückversicherung, die nicht durch hemmende gesetzliche Bestimmungen eingeschränkt werden sollte. 31 Looschelders geht im Rahmen der Frage, nach dem Verhältnis von VVG und Handelsbrauch davon aus, dass allgemeine, auch für die Rückversicherung grundsätzlich denkbare, versicherungsrechtliche Grundsätze bestehen könnten, allerdings »sehr genau geprüft« werden müsse, ob nicht ein diesem Grundsatz widersprechender Handelsbrauch für die Rückversicherung bestehe.32 Zuzustimmen ist dem insoweit, als eine (umfassende) Gesetzesänderung, wie sie die Reform des VVG 2008 darstellt, grundsätzlich nicht in der Lage ist, Sp bspw. Prölss, ZHR 111 (1943), S. 113 (117). Looschelders/Pohlmann/Eichelberg, VVG, § 209 Rn. 2 und 4 f.; Looschelders Versicherungsrecht 2012, 1 (2); Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 14; Prölss, ZHR 111 (1943), S. 113 (117, der von der Anwendung der Grundsätze des VVG spricht). 29 Von Cannawurf/Schwepcke werden diese Bestrebungen der h.M. zugerechnet, in Lüer/ Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 40. 30 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 442 ff.: a.A. Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 8 ff. 31 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 444 f.; so ist auch Heise (Die Rückversicherung als Haftpflichtversicherung, S. 48) zu interpretieren. 32 Looschelders, VersR 2012, S. 1 (2); auch Cannawurf/Schwepcke stimmen dieser Einschätzung grundsätzlich zu, allerdings nicht in Bezug auf spezifische Änderungen durch das 2008 reformierte VVG (in Lüer/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 41. 27 28
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
Handelsbräuche abzuändern. 33 Diese beruhen gerade auf einer Praxis der Rückversicherung – und auch im Fall der Entsprechung dieser Praxis mit vormaligen Vorschriften des VVG würden diese nicht durch die Reform selbst beeinflusst.34 Bereits festgestellt wurde jedoch, dass die Folgepflicht aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausprägungen, die insbesondere die englische Rechtsprechung verdeutlicht, nicht als interpretierender Handelsbrauch anzusehen ist.35 Zweitens sind die Wertungen des VVG hierfür ohnehin irrelevant, wenn sie nicht durch eine Analogie herangezogen werden können. Entsprechend kann eine Auslegung des Vertrages nicht allein auf altem Recht basieren, sondern nur auf für die Rückversicherung sinnstiftenden gesetzgeberischen Wertungen. Die Tauglichkeit einer Norm in diesem Sinne bemisst sich daher nicht danach, ob sie zu einem Zeitpunkt der Geschichte in einer bestimmten Art ausgelegt wurde, oder gar nach dem Alter der Vorschrift. I.
Analogie zu haftpflichtversicherungsrechtlichen Vorschriften des VVG
Verschiedentlich ist zur Erläuterung der Eigenarten der Rückversicherung auf eine Ähnlichkeit mit der Haftpflichtversicherung verwiesen worden.36 Dem ist sicherlich zur Verdeutlichung der Verlagerung des finanziellen Haftungsrisikos (welches in der Rückversicherung nicht der Erstversicherer von seinem Versicherungsnehmer, sondern der Rückversicherer von »seinem« Versicherungsnehmer übernimmt) zuzustimmen. Diese Einordnung unterstützen mitunter auch ausländische Rechtsordnungen wie der California Insurance Code, nach dessen § 621 die Rückversicherung als eine Haftungsfreistellung anzusehen sei.37 Ehrenberg ging gar über diesen Befund hinaus und postulierte, die Rückversicherung sei Haftpflichtversicherung. 38 Er leitete hieraus ab, dass ohne Haftpflicht des Erstversicherers daher auch keine Ersatzpflicht des Rückversicherers bestehe und erst auf dieser Prämisse aufbauend weitere Voraussetzungen der Ersatzpflicht zu berücksichtigen seien.39 Dies darf jedenfalls nicht in der Weise verstanden werden, dass damit das Bestehen einer Haftpflicht im materiellen Sinne gemeint ist, denn das zuvor zur Bestimmung des Bestehens
Hiergegen spricht das Fehlen einer Relevanz der Vorschriften für den Handelsbrauch und die Anerkennung der Maßgeblichkeit des Brauchs im Verkehrskreis der Rückversicherung, vgl. Canaris, Handelsrecht, § 22 Rn. 5 ff. 34 So Looschelders, VersR 2012, S. 1 (2). 35 Siehe S. 87 ff. und bestätigend die Ergebnisse in Kapitel 5 auf S. 209 f. 36 J. von Gierke, Versicherungsrecht Bd. 2, S. 371. 37 Bereits seit 1935 und im Original: »A reinsurance is presumed to be a contract of indemnity«. 38 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 108; ausführlich hierzu Heise, Die Rückversicherung als Haftpflichtversicherung. 39 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 108. 33
C. Übertragung von Wertungen aus dem (Versicherungs-)Vertragsrecht
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der Leistungspflicht des Versicherungsnehmers Gesagte40 muss grundsätzlich auch für den gegen den Haftpflichtversicherer gerichteten Anspruch seines Versicherungsnehmers gelten. Die Einordnung der Rückversicherung als eine Haftpflichtversicherung bedeutet zudem nicht, dass schon aus diesen Beschreibungen die Anwendung der (freiwilligen) haftpflichtversicherungsrechtlichen Vorschriften des VVG (§§ 100 bis 112) zu folgern ist. Gleichwohl könnte eine Analogie von Vorschriften über die Haftpflichtversicherung für die Beschreibung eines Pflichtenkatalogs des Erstversicherers gegenüber dem Rückversicherer erwogen werden. Indes hat der Gesetzgeber bereits bei Schaffung des VVG die Parallele zur Haftpflichtversicherung gesehen. Die Rückversicherung unterscheide sich (insbesondere von der Haftpflichtversicherung) allerdings »durch ihre wirtschaftliche Bestimmung so wesentlich«, dass eine Anwendbarkeit der Vorschriften über die Haftpflichtversicherung ausgeschlossen sei.41 Ebenso formuliert Herrmannsdorfer, dass der Rückversicherungsvertrag noch kein versicherungsmäßiges Haftungsverhältnis sei.42 Jedoch sieht auch der historische VVG-Gesetzgeber, dass die Merkmale der Haftpflichtversicherung »an sich auch für [den Rückversicherungsvertrag] zutreffen«.43 In § 209 VVG kommt allerdings ganz entscheidend der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck und schließt eine Anwendung von Vorschriften des VVG auch in Bezug auf die Haftpflichtversicherung aus.44 Jedenfalls wird man aufgrund dieser expliziten gesetzgeberischen Entscheidung eine pauschale analoge Anwendung der haftpflichtversicherungsrechtlichen Vorschriften auf die Rückversicherung nicht annehmen können. Dies schließt indes nicht aus, dass einzelne Vorgaben für die Haftpflichtversicherung ihrem Sinngehalt nach auf die Rückversicherung übertragen werden können – und damit die Auslegung der Folgepflicht beeinflussen können. Dem steht zunächst generell entgegen, dass die den VVG-Vorschriften zugrunde liegenden Wertungen vielfach von der Hypothese einer Disparität zwischen den Vertragsparteien geprägt sind.45 Dies ist grundsätzlich unabhängig von einer Verbraucher- oder Unternehmerqualifikation der Vertragsparteien, 46 auch Siehe zur Problematik der materiellen Wahrheit Kapitel 2 im Ganzen (S. 58 ff.). Motive zum VVG 1908, S. 245. 42 Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 137. 43 Motive zum VVG 1908, S. 245; so auch für das US-amerikanische Recht, allerdings in anderem Zusammenhang, siehe Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 5.43. 44 So bereits J. von Gierke, Versicherungsrecht Bd. 2, S. 372. 45 So ebenfalls bereits der historische VVG-Gesetzgeber (»Überhaupt kommen hier [im Rückversicherungsverhältnis], da es sich nicht um das Verhältnis der Versicherungsanstalten zu Dritten, sondern nur um rechtliche Beziehungen der Versicherer untereinander handelt, andere Gesichtspunkte in Betracht, als für die übrigen Versicherungszweige«), Motive zum VVG 1908, S. 246. 46 Siehe §§ 13, 14 BGB. 40 41
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
wenn mit der Reform des VVG 2008 eine Erweiterung des Verbraucherschutzes bezweckt wurde. 47 Der Sinngehalt einer haftpflichtversicherungsrechtlichen Vorschrift ist daher auch aus dieser Perspektive zu interpretieren und kann trotz der grundsätzlichen Übertragbarkeit der Wertung dieser entgegenstehen. Problematisch ist die Frage nach Vorgaben der Haftpflichtversicherung für die Rückversicherung in Anbetracht des erst im Zuge der VVG-Reform 2008 aufgenommenen § 105 VVG. Demnach ist eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn der Versicherungsnehmer den Dritten ohne seine Einwilligung befriedigt oder dessen Anspruch anerkennt, unwirksam. Wendete man diese Regel auf die Rückversicherung an, ergäbe sich die für die Folgepflicht ganz entscheidende Konsequenz der Unwirksamkeit einer vertraglichen Begrenzung der Folgepflicht. Der Rückversicherer könnte dem Erstversicherer als seinem Versicherungsnehmer nicht entgegenhalten, dass dieser zustimmungslos den Anspruch eines Dritten befriedigt oder anerkennt. Zusätzlich ist § 100 VVG zu entnehmen, dass der Haftpflichtversicherer an das Urteil aus einem Haftpflichtprozess des Versicherungsnehmers mit dem Geschädigten gebunden ist. Als Bedingung für diese Bindungswirkung werden eine Voraussetzungsidentität und die Information des Versicherers durch den Versicherungsnehmer verlangt. 48 Eine Voraussetzungsidentität wäre in der Rückversicherung aufgrund der engen Verknüpfung mit der Erstversicherung – insbesondere im Bereich von Back-to-back-Deckungen49 – wohl unproblematisch anzunehmen. Es ließe sich daher ableiten, dass, sofern der Erstversicherer den Rückversicherer informiert hat, dieser an Urteil, Befriedigung und Anerkenntnis gebunden ist. Beschrieben wird hiermit ein wesentlicher Ausschnitt des Erstversicherer-Arsenals an Regulierungsarten, der auf Basis der Notwendigkeit einer Form von Folgepflicht, welche für die Rückversicherung bereits festgestellt wurde, 50 zu einer generellen Vergleichbarkeit von Haftpflicht- und Rückversicherung führt.51 Allerdings wäre der hieraus abgeleitete Schluss auf eine Anwendung dieser Vorgaben auf die Rückversicherung verfehlt. § 105 VVG liegt eine von der Rückversicherung verschiedene und spezifisch haftpflichtversicherungsrechtliche Ausgangssituation zugrunde. Im Gegensatz zu dem Haftpflichtversicherer ist der Rückversicherer gerade nicht zu Befriedigung und Abwehr verpflichtet, sondern originär zur Teilung des Schicksals des Erstversicherers und So auch Langheid/Wandt/Lorenz, VVG Bd. 1, Einleitung Rn. 27. Zuletzt BGH, VersR 2011, S. 203; Prölss/Martin/Lücke, VVG, § 100 Rn. 59 ff. m.w.N. 49 Siehe bereits die Ergebnisse in Kapitel 5 (S. 200 ff. und S. 205 ff.) und die dort mit dieser Thematik befassten Urteile. 50 Siehe S. 81 ff. 51 Auch hieraus erklären sich die vorgenannten Einlassungen, die die Rückversicherung als Haftpflichtverssicherung beschreiben. 47 48
C. Übertragung von Wertungen aus dem (Versicherungs-)Vertragsrecht
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dazu, dessen Entscheidungen Folge zu leisten, d.h. auch, dass seine Leistung ab initio eine Geldleistung ist. Der Dualismus der Haftpflichtversicherung aber ist Ursprung der Regelung der zwingenden Vorgabe der Unwirksamkeit einer Anerkenntnis und Befriedigung ausschließenden Vereinbarung – er spiegelt sich jedoch nicht in der Rückversicherung, in der der Rückversicherer gerade nicht an der Regulierung teilnehmen soll und regelmäßig nicht gegenüber dem Versicherungsnehmer des Erstversicherers in Erscheinung tritt. Zudem ist der Erstversicherer, im Gegensatz zu dem Versicherungsnehmer der Haftpflichtversicherung, als Versicherungsnehmer der Rückversicherung grundsätzlich zur Regulierung berufen. Dies ergibt sich bereits aus dem Erstversicherungsverhältnis selbst, im Weiteren aber erneut aus einer Reiteration des Geschäftsführungsrechts des Erstversicherers. Für den rückversicherten Erstversicherer ist die »Regulierung« daher nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall. Bestehen bleibt auch das ursprüngliche Verdikt des VVG-Gesetzgebers. Vorschriften, die die Vertragsfreiheit beschränken, sind auf Großrisiken nicht anwendbar (§ 210 VVG).52 Auch die Rückversicherung spielt sich im gleichgestellten unternehmerischen Verkehr ab und verlangt nicht nach spezifischem Schutz für eine grundsätzlich unterlegene Partei. Allerdings ließe sich aus diesen unterscheidenden Umständen auch ein ErstRecht-Schluss für die Anwendbarkeit der Wertung des § 105 VVG ableiten. Wenn der Rückversicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber gar nicht erst in Erscheinung tritt, muss der Erstversicherer erst recht in die Lage versetzt werden, mit bindender Wirkung regulieren zu können. Umso mehr noch könnte man aus der folgenden Überlegung eine Übertragung der Wertung des § 105 VVG auf die Rückversicherung erwägen: Wohingegen die Haftpflichtversicherung sowohl gesetzliche als auch vertragliche, gegen den Versicherungsnehmer gerichtete Ansprüche umfasst, ist die Rückversicherung auf die Deckung von Schäden aus einer vertraglichen Haftung (mithin dem Erstversicherungsverhältnis) angelegt. Wenn der Erstversicherer daher zur Regulierung bereits vertraglich und nicht nur ausnahmsweise berufen ist, ließe sich ebenfalls vor dem Hintergrund der Wertung des § 105 VVG a fortiori die Bindungswirkung seiner Regulierung (auch ohne Einwilligung des Rückversicherers) begründen. II. Wertungen aus schadensversicherungsrechtlichen Vorschriften Darüber hinaus kommen Wertungen in Betracht, welche allgemeinen, versicherungsvertragsrechtlichen Grundsätzen entspringen. Dies betrifft in erster Linie solche Wertungen, die in versicherungsvertragsrechtlichen Vorschriften zur Schadensversicherung zum Ausdruck kommen. Insoweit ergibt sich die Parallele zur Rückversicherung schon daraus, dass sie selbst nur Schadensversi-
52
Prölss/Martin/Lücke, VVG, § 105 Rn. 3.
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
cherung sein kann. Dies gilt auch dann, wenn die zugrunde liegende Erstversicherung Summenversicherung ist, da die Rückversicherung den entstandenen Schaden ersetzt, und nicht eine zuvor festgelegte Summe auszahlt.53 So könnte sich eine Pflicht des Rückversicherers zum Aufwendungs- und Kostenersatz in Anlehnung an § 83 VVG ergeben.54 Demnach hätte der Rückversicherer dem Erstversicherer als dessen Versicherungsnehmer auch dann Aufwendungen der Schadensminderung zu ersetzen, wenn diese erfolglos blieben. Dies entspricht der rückversicherungsspezifischen Verbindung von Erstund Rückversicherer, die im Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers ihren Ausdruck findet. Der Rückversicherer partizipiert demnach an allen Kosten, die dem Erstversicherer aus Anlass seiner Regulierung entstehen – so beispielsweise auch für die erfolglose gerichtliche und außergerichtliche Rechtsverfolgung des Erstversicherers. 55 Auf die insoweit parallel laufende allgemeine Vorschrift für die Schadensversicherung soll daher nicht näher eingegangen werden. Problematisch ist indes, ob im gleichen Zug die Wertungen des § 82 VVG auf die Rückversicherung übertragen werden müssten. Die hier entscheidende Frage einer Wertungsübertragung betrifft allerdings weniger § 82 II VVG, wonach der Versicherungsnehmer Weisungen des Versicherers einzuholen und diese zu befolgen hat. Richtigerweise stünde eine derart weitreichende Verpflichtung des Erstversicherers gegenüber dem Rückversicherer in Widerspruch zu dem auch für die Rückversicherung anerkannten Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers.56 Wie aber wirkt sich das Gebot der Schadensabwendung und -minderung auf die Rückversicherung aus? Die Antwort auf diese Frage hängt zunächst von der Qualifizierung des § 82 I VVG ab. Sieht man § 82 I VVG in engem Zusammenhang mit § 82 II VVG, würde man die Übertragbarkeit in Zweifel ziehen müssen.57 Einer solchen Einordnung kann jedoch nicht gefolgt werden, da § 82 I VVG bereits systematisch § 82 II VVG vorgeschaltet ist. Betrachtet man die beiden ersten Absätze des § 82 VVG hingegen separat, wird man die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, Schäden nach Möglichkeit abzuwenden
53 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 8; Prölss/ Martin/Klimke, VVG, § 209 Rn. 3. 54 Siehe die Ausführungen von Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 85 f., 86. 55 So für die Rückversicherung schon in Hastie and Patrick v. De Peyster and Charlton [1805] 3 Caines Rep 190 (197). 56 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 83 f. 57 Auf einen solchen Zusammenhang deutet die Begründung des historischen VVG-Gesetzgebers zu § 62 VVG a.F. hin, siehe Motive zum VVG 1908, S. 135.
C. Übertragung von Wertungen aus dem (Versicherungs-)Vertragsrecht
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und zu mindern, als Ausfluss des Gebots von Treu und Glauben verstehen müssen. Da dieser Grundsatz im Rückversicherungsverhältnis mindestens58 in gleicher Weise wie im Erstversicherungsverhältnis Geltung beansprucht, ist eine Wertungsübertragung grundsätzlich denkbar. Infolgedessen scheint eine Wertungsübertragung grundsätzlich möglich. Sie wurde verschiedentlich mit der Folge einer analogen Anwendung bejaht59 und soll nach Ansicht von Kothris und Herrmannsdorfer darin bestehen, dass der Erstversicherer seinem Versicherungsnehmer Weisungen zur Abwendung bzw. Minderung erteilt – d.h. selbst den Anforderungen des § 82 VVG im Erstversicherungsverhältnis entspricht – und darüber hinaus »unberechtigten oder übertriebenen Ansprüchen seines Versicherungsnehmers« entgegentritt 60 . Diese beiden Ausprägungen der Ansicht sollen im Folgenden näher beleuchtet werden, um festzustellen, ob aus § 82 VVG Rückschlüsse auf die rückversicherungsspezifische Folgepflicht gezogen werden können. 1. Pflicht des Erstversicherers, Weisungen zu erteilen In Bezug auf die Frage, ob der Erstversicherer dem Rückversicherer gegenüber verpflichtet ist, dem Versicherungsnehmer Weisungen zu erteilen, gilt Folgendes: Auch wenn sich der Rückversicherungsvertrag durch eine existentielle Abhängigkeit von mindestens einem zugrunde liegenden Erstversicherungsverhältnis auszeichnet,61 sollte der Grundsatz der freien Geschäftsführung des Erstversicherers nicht grundlos eingeschränkt werden. Hierauf deuten bereits die Ausführungen der herrschenden Meinung zur Folgepflicht im deutschen Recht hin, darüber hinaus aber auch das Verständnis in der englischen Rechtsprechung. Für eine gelungene Einordnung kommt es somit insbesondere auf die Frage an, welchen Einfluss das Unterlassen einer Weisung durch den Erstversicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer auf den Rückversicherer hat. Allerdings ist das Unterlassen einer Weisung bereits für den Erstversicherer nicht mit einem rechtlichen Nachteil verbunden – und kann es daher auch nicht für den Rückversicherer sein.62 Wenn der Erstversicherer keine Weisung erteilt, muss der Versicherungsnehmer eben auch keine Weisung befolgen. Der historische VVG-Gesetzgeber ging noch davon aus, dass bei fehlendem Zugang einer Weisung an den Versicherungsnehmer dieser den Schaden nach eigenem Ermessen abwenden und mindern kann.63 Diese Schadensabwendung Siehe sogleich separiert zu dem besonderen Grundsatz uberrima fides, S. 232 ff. Heise, Die Rückversicherung als Haftpflichtversicherung, S. 49 und Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 310. 60 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 84. 61 Siehe Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 66 f. 62 Lediglich § 82 III VVG sieht eine Rechtsfolge für eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers vor. 63 Motive zum VVG 1908, S. 135; vgl. auch § 82 II 2 VVG. 58 59
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bzw. -minderung kann allerdings eine höhere Endschadenssumme bewirken als eine durch Weisungen des Erstversicherers bewirkte Endschadenssumme. Darüber hinaus wird der Erstversicherer von seiner Leistungspflicht nach § 82 III VVG frei, wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat, bzw. die Leistungspflicht verhältnismäßig gekürzt, wenn der Versicherungsnehmer seine Obliegenheit grob-fahrlässig verletzt hat. 64 Diese, in Kongruenz mit der insbesondere in § 28 VVG zum Ausdruck kommenden Neuausrichtung des VVG stehende, gestaffelte Rechtsfolge65 differenziert die Rechtsfolgen demnach strikt nach der Frage, ob die Obliegenheit vorsätzlich oder grob-fahrlässig verletzt wurde. Auch wenn damit zugunsten des Versicherungsnehmers die harsche Rechtsfolge einer vollständigen Leistungsfreiheit nur noch bei Vorsatz greift, kann dieser Änderung in der Übertragung auf die Rückversicherung nicht die Wertung entnommen werden, dass damit auch der Schutz des Erstversicherers gegenüber dem Rückversicherer von gesetzgeberischer Seite erhöht sein muss. Gleichwohl muss die Unterscheidung in Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit auch für die Rückversicherung zu der Frage führen, ob nicht auch hier eine wertungsmäßige Unterscheidung angezeigt ist.66 Dieses Recht des Erstversicherers kann daher a fortiori auch nicht in der Weise interpretiert werden, dass der Erstversicherer bereits aus der Wertung der Norm heraus dem Rückversicherer gegenüber verpflichtet ist, seinem Versicherungsnehmer Weisungen zu erteilen. Aus einem Unterlassen der Weisung könnte dem Rückversicherer lediglich mittelbar ein Nachteil erwachsen. Vielmehr ist in dieser dem Erstversicherer zugestandenen Möglichkeit jedoch eine Bestätigung seines Geschäftsführungsrechts schon im Erstversicherungsverhältnis zu sehen. Und mehr noch ließe sich hieraus lediglich ableiten, dass dieses Recht des Erstversicherers auch durch die Rückversicherung nicht eingeschränkt werden sollte. 2. Pflicht des Erstversicherers, unberechtigte/übertriebene Ansprüche abzulehnen Zweite Komponente einer Wertungsübertragung soll die Pflicht des Erstversicherers sein, unberechtigte oder übertriebene Ansprüche des Versicherungsnehmers abzulehnen.67 Diese Einordnung kann jedoch schon aus folgender theoretischer Überlegung nicht aufrechterhalten werden: Wenn die Folgepflicht Siehe hierzu Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 1, § 82 Rn. 68 ff. Auch die Regierungsbegründung verweist insofern auf die zu § 28 III VVG aufgezeigten Gründe, BT-Drs. 16/3945, S. 80. 66 Siehe hierzu abschließend auf S. 144 ff. 67 So Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 311; zustimmend auch Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 84 – wobei Letzterer eine Verbindung zur Frage nach der Folgepflicht im Generellen nicht benennt. 64 65
C. Übertragung von Wertungen aus dem (Versicherungs-)Vertragsrecht
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in der Weise definiert wäre, dass sie zwingend eine rechtlich-materielle Leistungspflicht des Erstversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer voraussetzte, wäre eine rückversicherungsvertragsrechtliche Pflicht des Erstversicherers, unberechtigte oder übertriebene Ansprüche abzulehnen, gegenstandslos. Auf die Rückversicherung hätte die Ablehnung oder Nichtablehnung durch den Erstversicherer schlicht keine Auswirkung. Hingegen, ist die Folgepflicht wie hier in der Weise definiert, dass eine Leistungspflicht des Erstversicherers allein für die Bewertung der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung relevant ist, würde die Folgepflicht mittelbar beschränkt. Kothris bleibt die Begründung für eine Pflicht des Erstversicherers, unberechtigte oder übertriebene Ansprüche abzulehnen, schuldig.68 Denn zum einen ist nicht ersichtlich, weshalb sich aus § 82 VVG eine Pflicht des Erstversicherers zu einer bestimmten Regulierung ergeben soll. Dies setzte voraus, dass § 82 VVG in direkter Anwendung im Erstversicherungsverhältnis dem Versicherungsnehmer eine gleichgeartete Pflicht auferlegt. Dieser kann allerdings lediglich verpflichtet sein, sein »Ermessen« bei der Abwendung oder Minderung eines Schadens pflichtgemäß auszuüben. Das Ergebnis einer Wertungsübertragung könnte daher ebenfalls nur eine pflichtgemäße Ermessensausübung durch den Erstversicherer sein. Auf die Frage, wie dieses Ermessen ausgeübt werden muss, gibt § 82 VVG jedoch keine Antwort – und kann es für die Rückversicherung aufgrund der Verschiedenheit der Bezugspunkte des Ermessens69 ebenfalls nicht. 3. Auswirkungen der Wertungen des übergegangenen Ersatzanspruchs Zusätzlich zu diesen Überlegungen ist auch der Übergang des Ersatzanspruchs nach § 86 VVG für eine gesetzliche Wertung der Folgepflicht in den Blick zu nehmen. Lösung 2, nach welcher Ex-Gratia-Leistungen nicht von der Folgepflicht umfasst sind,70 bemüht zu ihrer Begründung ebenfalls schadensversicherungsrechtliche Wertungen, die § 67 VVG a.F. verkörpert haben soll. Die Nachfolgevorschrift des § 86 VVG statuiert ebenfalls eine Legalzession der Ansprüche des Versicherungsnehmers an den Erstversicherer, soweit Letzterer dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Eine Ausnahme sah man jedoch – noch auf Basis des § 67 VVG a.F. – bei Zahlungen »bewusster Liberalität«.71 Ähnlich dem Verständnis der Ex-Gratia-Leistung sieht Prölss in solchen Zahlungen eine personelle Motivation und gar eine vom Vertrag unabhängige Schenkung. 72 Dass diese rechtliche Einordnung nicht haltbar ist, 68 Vgl. Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 83 ff. 69 Zum einen betreffend die Haftungs- und zum anderen betreffend die Deckungsfrage. 70 Siehe oben auf S. 107 ff. 71 OLG Oldenburg, VersR 1955, S. 181 (182); OLG Köln, VersR 1960, S. 894 (895); bereits Prölss/Martin/Prölss, VVG 7. Aufl. 1952, zu § 67 Rn. 4. 72 Prölss/Martin/Prölss, VVG 7. Aufl. 1952, zu § 67 Rn. 4.
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wurde bereits einführend in Kapitel 2 festgehalten. In gleicher Weise sieht Ehrenzweig »Kulanzzahlungen« stets als Vertragserfüllung – und daher im Sinne von § 67 VVG a.F. – an. 73 Das Bestreiten der Leistungspflicht ist nur geschäftspolitisch motiviert und daher gleichgültig in Bezug auf § 67 VVG a.F.74 Raiser spricht sich vor diesem Hintergrund ebenfalls dagegen aus, aus einer sich auf den Übergang des Ersatzanspruchs beziehenden Ansicht einen Lösungsansatz für die Folgepflicht abzuleiten.75 Ihm zufolge greife die Ratio des § 67 VVG a.F. (jetzt § 86 VVG) unabhängig von den Motiven des Versicherers: Der Versicherungsnehmer und der Schädiger sollen nicht bevorteilt werden und der Versicherer seine (vorläufige) Zahlung ausgleichen können.76 Mithin lässt sich der Vorschrift heute erst recht nicht eine Einschränkung der Folgepflicht entnehmen, weil sich das Meinungsbild zu § 86 VVG von den vormaligen Ansichten zur Vorgängernorm in diesem wesentlichen Punkt unterscheidet. Denn hiernach löst nunmehr auch bewusste Großzügigkeit den Anspruchsübergang aus.77 Die Legalzession des § 86 VVG enthält daher im Ganzen keine Vorgabe für die Folgepflicht. III. Wertungen aus schuldrechtlichen Vorschriften Zuletzt könnten allgemeine schuldrechtliche Wertungen Einfluss auf das Verständnis der Folgepflicht nehmen.78 Genannt wurde bereits § 277 BGB, dessen Aussagegehalt für die Rückversicherung jedoch nicht überschätzt werden darf. Vor dem Hintergrund fehlender Rechtsquellen für die Rückversicherung ist es auch zu erklären, dass in der Literatur ergänzend auf §§ 677 ff. BGB verwiesen wird, um die Folgepflicht im Einzelnen bestimmen zu können. Darüber hinaus ist die allgemeine Vorgabe des § 315 BGB, welche bislang für die Rückversicherung nicht untersucht wurde, in den Blick zu nehmen. 1. Die Folgepflicht als Fremdgeschäftsführung nach § 677 BGB Cannawurf/Schwepcke bezeichnen die Folgepflicht als Sonderfall der Fremdgeschäftsführung, weshalb der Anwendungsbereich der Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag (negotiorum gestio, §§ 677 ff. BGB) eröffnet Ehrenzweig, Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, S. 169, 285. Ehrenzweig, Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, S. 169. 75 Raiser, VersR 1967, S. 312 (315). 76 Raiser, VersR 1967, S. 312 (315). 77 OLG Schleswig, r+s 2016, S. 98 (101); Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 129 f.; Prölss/Martin/Armbrüster, § 86 VVG Rn. 38 und 110 ff.; Raiser, VersR 1967, S. 312 (315). Zuvor schon OLG Frankfurt, r+s 2005, S. 160 (entscheidend ist allein die tatsächliche Erbringung von Versicherungsleistungen). 78 Dies ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Versicherungsvertrag eine Sonderrechtsgesetzgebung in Form des VVG (und weiterer Gesetze wie dem VAG) erfahren hat, vgl. auch O. von Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. 3, S. 796 f. (auch zur Besonderheit des Versicherungsvertrages und der Herausnahme aus dem BGB). 73 74
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sei.79 Echarti/Labes messen die Grenzen des Geschäftsführungsrechts an der Fremdgeschäftsführungssorgfalt mit Verweis auf § 677 BGB. 80 Legte man § 677 BGB für die Geschäftsführung des Erstversicherers zugrunde, ergäbe sich eine Sorgfaltspflicht, die den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn zu berücksichtigen hätte.81 Hieraus folgte dann ein pflichtgemäßes Ermessen des Erstversicherers,82 welches sich vorrangig an dem objektiven Interesse des Geschäftsherrn zu orientieren hätte.83 Diese Qualifizierung hätte jedoch zur Voraussetzung, dass der Erstversicherer mit der Geschäftsführung ein Geschäft des Rückversicherers führt, bzw. dass, mit anderen Worten, das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers jedenfalls auch eine Pflicht des Erstversicherers gegenüber dem Rückversicherer darstellt. Für die Frage der Folgepflicht des Rückversicherers würde dann die Bedingung der Fremdgeschäftsführungssorgfalt gelten.84 Indes führt der Erstversicherer nach den bereits getroffenen Feststellungen die Geschäfte der Erstversicherung schon dogmatisch als Eigengeschäft – dieses wird trotz der umfangreichen wirtschaftlichen Beteiligung des Rückversicherers nicht durch die Rückversicherungsnahme zum Fremdgeschäft.85 Wenn in der Versicherung (wie in der Rückversicherung) überhaupt eine Geschäftsbesorgung entdeckt werden kann, so ist sie eine Geschäftsbesorgung für den Versicherungsnehmer – und nicht etwa umgekehrt.86 Dies ließe sich im Äußersten lediglich in Fällen annehmen, in denen der Erstversicherer lediglich als Mittler des Versicherungsgeschäfts für den Rückversicherer fungiert. 87 Auf derartige Sonderkonstellationen ist eine allgemeine Regel für die Rückversicherung jedoch nicht gemünzt, da hier im engeren Sinn nicht mehr von Rückversicherung gesprochen werden kann.88 Entsprechend geht bereits Ehrenberg davon aus, dass die Regeln über die Geschäftsbesorgung zwar allgemein, indes nicht für die »Grenzbestimmung der Geschäftsführung« anwendbar seien, da diese »dem Zwecke und Wesen
Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 76 und 70 f. Bruck/Möller/Echarti/Hu. Labes, VVG Bd. 11, § 209 Rn. 60 (und Fn. 100). 81 Vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 677 Rn. 12. 82 Vgl. BGH, NJW-RR 2008, S. 759. 83 Vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 677 Rn. 12. 84 Bruck/Möller/Echarti/Hu. Labes, VVG Bd. 11, § 209 Rn. 60. 85 Hierzu umfassend oben S. 74 ff. 86 Siehe die Vertreter einer Geschäftsbesorgungstheorie, zusammengefasst bei Prölss/ Martin/Armbrüster, VVG, § 1 Rn. 124; statt vieler sei instruktiv auf Schünemann, JZ 1995, S. 430 im Ganzen verwiesen. 87 So im Fall von fronting und Captive-Geschäften; siehe weiterführend Langheid/Wandt/ Looschelders, VVG Bd. 2, § 209 Rn. 52 und Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 93 (Fn. 146). 88 Siehe oben zu den Merkmalen des Rückversicherungsvertrages S. 67 ff. 79 80
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der Rückversicherung« widersprächen.89 Ebenso lehnt Kothris diese Einordnung als »unbefriedigend und irreführend« ab und erklärt derartige Versuche der Qualifizierung vor dem Hintergrund des Mangels an gesetzlichen Regelungen.90 Dies gelte auch für Ansichten, die die Geschäftsführung an den Regeln der §§ 662 ff. BGB oder §§ 675, 677 ff. BGB messen.91 Umgekehrt lässt sich aus der Wertung des § 677 BGB vielmehr ableiten, dass der Erstversicherer nicht schon aufgrund der wirtschaftlichen Beteiligung des Rückversicherers am Erstversicherungsgeschäft dessen objektives Interesse oder gar dessen Willen bei der Geschäftsführung zu beachten hat.92 2. Leistungsbestimmung durch den Erstversicherer nach § 315 BGB Nach den beschriebenen Wechselwirkungen zwischen dem Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers und der Folgepflicht des Rückversicherers könnte eine Vergleichbarkeit der Situation mit dem durch § 315 BGB beschriebenen Fall erwogen werden. Gemäß § 315 BGB ist vorbehaltlich einer anderslautenden vertraglichen Abrede die Bestimmung einer Leistungspflicht nach billigem Ermessen zu treffen, sofern die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden soll. Hintergrund dieser Regelung ist das von den Parteien gewollte Fehlen eines unparteiischen Dritten und das hierdurch hervorgerufene Bedürfnis nach einer, reine Willkür93 ausschließenden, objektivierbaren Bestimmung durch eine Vertragspartei.94 Entsprechend haben Rechtsprechung und Literatur in § 315 BGB auch für andere Bereiche die Verhinderung des Missbrauchs privatautonomer Gestaltungsmacht gesehen. 95 Dieser Gedankengang scheint zunächst auch für die Rückversicherung zuzutreffen. Der Erstversicherer bestimmt durch seine Regulierung im Erstversicherungsverhältnis die Leistung des Rückversicherers im Rahmen seiner Folgepflicht. Auch hier soll verhindert werden, dass sich der Erstversicherer auf Kosten des Rückversicherers einen unberechtigten Vorteil verschafft. Dieser Gedanke kann im Ganzen auch als Basis der Ansicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung gesehen werden, welcher jedenfalls in der Methodik zu folgen ist.96
Ehrenberg, Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 28. Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 39. 91 Garobbio, Über die Rückversicherung, S. 102 f., und Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 39. 92 Hierauf und auf die Folgen für die Auslegung der Folgepflicht wird noch einmal einzugehen sein, siehe insb. unten S. 238 ff. und im Ergebnis auf S. 282 ff. 93 Zur damit einhergehenden Problematik vor dem Hintergrund des § 138 BGB siehe Palandt/Grüneberg, BGB, § 315 Rn. 5. 94 Vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, § 315 Rn. 6. 95 Siehe zusammenfassend Palandt/Grüneberg, BGB, § 315 Rn. 2. 96 Siehe ausführlich S. 149 ff. 89 90
C. Übertragung von Wertungen aus dem (Versicherungs-)Vertragsrecht
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Die § 315 BGB zugrunde liegende Problematik, die so der tension of reinsurance vergleichbar ist, identifizierte auch die englische Rechtsprechung – indes mit einer zu § 315 BGB abweichenden Lösung: Bereits Scrutton LJ stellte in Gurney v. Grimmer fest, es sei durchaus üblich, dass die Höhe der Zahlung, die eine Vertragspartei A an Vertragspartei B leistet, von einem Dritten C bestimmt wird. Allerdings wäre es unüblich, dass die Höhe der Zahlung durch die zu dieser verpflichtete Vertragspartei B selbst bestimmt wird. Diese Unüblichkeit der Vertragsgestaltung sei jedoch kein Grund, eine derartige Eigenbestimmung nicht zu eröffnen.97 Mehr noch verwies Scrutton LJ auf die auch für diese Untersuchung treffliche Formulierung von Bowen LJ in Sanders Brothers v. Maclean & Co, die sich allgemein auf den kaufmännischen Verkehr bezog: »[…] and any one who attempts to follow and understand the law merchant will soon find himself lost if he begins by assuming that merchants conduct their business on the basis of attempting to insure themselves against fraudulent dealing. The contrary is the case. Credit, not distrust, is the basis of commercial dealings; mercantile genius consists principally in knowing whom to trust and with whom to deal, and commercial intercourse and communication is no more based on the supposition of fraud than it is on the supposition of forgery.«98
Zu folgern ist hieraus auch für das deutsche Recht, dass die Leistungsbestimmung durch eine der Vertragsparteien nicht zwangsläufig an einem allgemeine Regeln übersteigenden Kriterium der Billigkeit zu messen ist, und potentiellem Missbrauch nicht mit Kontrolle, sondern mit Vertrauen begegnet werden kann. Die Anwendung des § 315 BGB selbst stößt darüber hinsichtlich der rückversicherungsrechtlichen Besonderheiten an zusätzliche Grenzen, namentlich Telos und Wortlaut der Vorschrift. Auf den ersten Blick wird die Leistung des Rückversicherers durch den Erstversicherer, in concreto durch dessen Regulierung im Erstversicherungsverhältnis, bestimmt. Dieser Schluss und damit auch die Nutzbarmachung des § 315 BGB für die Herangehensweise an die Folgepflicht muss allerdings aus folgenden Gründen fehlgehen: § 315 BGB soll auch den schon bei Vertragsschluss schwächeren Vertragspartner stärken, der sich notgedrungen auf die Leistungsbestimmung durch den anderen Vertragspartner einlassen musste. 99 Jedoch ist der Rückversicherer gerade nicht der systematisch schwächere Vertragspartner, sondern verhandelt grundsätzlich auf Augenhöhe mit dem Erstversicherer.100 Siehe die in gleicher Weise anschauliche Verdeutlichung in Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (192 f.). 98 Sanders Brothers v. Maclean & Co [1883] 11 QB 327 (343). 99 BGH, NVwZ 2008, S. 110 (Tz. 20); Palandt/Grüneberg, BGB, § 315 Rn. 2. 100 Dies gilt grundsätzlich trotz der Beobachtung, dass es sich bei der Rückversicherung heutzutage um einen Erstversicherermarkt handelt. Für die Folgepflicht kann es keinen Unterschied machen, ob der Erstversicherer nach Rückversicherungsschutz anfragt (passive Rückversicherung) oder der Rückversicherer Kapazitäten auf dem Markt anbietet (aktive 97
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Darüber hinaus setzt § 315 BGB voraus, dass das Leistungsbestimmungsrecht vertraglich auf eine Partei übertragen worden ist. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kommt es im Rahmen dessen entscheidend darauf an, ob dem bestimmenden Vertragspartner ein Ermessensspielraum eingeräumt wird. 101 Auch wenn eine solche Vereinbarung zwischen Erst- und Rückversicherer in Form der Vereinbarung des Geschäftsführungsrechts vorliegt, ergibt sich die Leistungsbestimmung durch den Erstversicherer nicht erst aus dieser Vereinbarung. Vielmehr ist Letzterer zur »Bestimmung« seiner eigenen Leistung bereits aufgrund des Erstversicherungsvertrages zur Geschäftsführung berufen. § 315 BGB setzt jedoch im engeren Sinn voraus, dass das Leistungsbestimmungsrecht der anderen Vertragspartei ausdrücklich oder stillschweigend eingeräumt worden ist.102 Auch das dem Erstversicherer in diesem Zuge zugesprochene Regulierungsermessen ergibt sich aus dem Umstand, dass er als Vertragspartner im Erstversicherungsverhältnis das Vorliegen und die Höhe eines Anspruchs des Versicherungsnehmers evaluiert. Hierzu ist er typischerweise als einziger Vertragspartner in der Lage. Es zeigt sich an dieser Konzeption des § 315 BGB, dass hiermit nicht ein Spezialfall der »Versicherung der Versicherung« adressiert werden kann. Hieraus muss abgeleitet werden, dass die Ermessensausübung im Rahmen der Geschäftsführung des Erstversicherers nicht anhand der Vorgaben des § 315 BGB bestimmt werden kann. Das bedeutet, dass sich das für die Folgepflicht erhebliche Ermessen des Erstversicherers nicht an den Interessen beider Vertragsparteien und an dem in vergleichbaren Fällen Üblichen orientiert103. Die Regulierung des Erstversicherers bewegt sich hiermit dennoch nicht im rechtsfreien Raum. Vielmehr bestimmt sich die Regulierung des Erstversicherers zunächst durch die Umstände des jeweiligen Versicherungsfalls und die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben für das Erstversicherungsverhältnis. Auch kann der Erstversicherer selbst in diesem Rahmen nur faktisch seine Leistung bestimmen, denn auch der Versicherungsnehmer hat im Fall eines gegenteiligen Verständnisses der Tatsachen- und Rechtslage Möglichkeiten der Einflussnahme, allen voran durch Klage und Vergleich, aber auch bereits durch die zugunsten des Versicherungsnehmers ausgestaltete Beweislastverteilung. Lediglich in diesem Rahmen hat der Erstversicherer einen Spielraum, der jedoch zunächst die Evaluierung seiner Leistungspflicht betrifft. Erst durch die in Abhängigkeit zur Erstversicherung gebrachte Rückversicherung wird diese Bestimmung mittelbar für die Rückversicherung bedeutsam. Das Telos des § 315 BGB, der lediglich eine Verhinderung willkürlicher LeistungsbestimRückversicherung). Zu den Begriffen Wagner, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Aktive Rückversicherung, S. 16 und Stichwort: Passive Rückversicherung, S. 640. 101 Vgl. BGH, NJW 2007, S. 210 und BGH, NJW 2007, S. 1672. 102 Palandt/Grüneberg, BGB, § 315 Rn. 4. 103 So aber für § 315 BGB, BGH, NJW 1964, S. 1617 und BGH, WM 2009, S. 1180.
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mung bewirken soll, spricht daher zugunsten des Erstversicherers für ein weites Verständnis der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung und gegen eine versuchte Verobjektivierung der Regulierung als gewöhnliche Geschäftsführung. IV. Gesellschaftsrechtliche Vorgaben zu Regulierung und Folgepflicht Auch das Gesellschaftsrecht ist für eine umfassende Wertung der Folgepflicht in den Blick zu nehmen. Gestalterisch auf das Vertragsverhältnis einwirkende Vorschriften existieren hier ebenfalls nicht. Das Gesellschaftsrecht könnte daher die entgegenkommende Regulierung sowohl begrenzen als auch implizit die Bindung des Rückversicherers daran fordern. Spiegelbildlich zu den Auswirkungen von Pflichten des Erstversicherers gegenüber seinem Versicherungsnehmer stellt sich für den Erstversicherer zunächst die Frage, ob er nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen (unabhängig von erst- und rückversicherungsvertragsrechtlichen Verpflichtungen) in einem über seine Leistungsverpflichtung hinausgehenden Entgegenkommen eingeschränkt ist. Restriktionen können sich insbesondere vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Stellung der AG und der Interessen der Aktionäre ergeben. So ergibt sich diese Problematik bezogen auf die Aktiengesellschaft (AG) als häufigste Rechtsform von Versicherungsunternehmen104 unter dem Begriff der Unternehmensspende am Maßstab der §§ 76, 93 AktG. Demnach muss ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter bei der Verwaltung fremder Vermögenswerte auf die Lage der Gesellschaft und das verkehrsübliche Maß achten.105 Er darf in der Geschäftsführung der AG somit keine Willkür walten lassen. Stufte man eine entgegenkommende Regulierung des Erstversicherers gegenüber seinem Versicherungsnehmer als karitativ motiviert ein, könnte der Vorstand der AG gegen diese gesellschaftsrechtlichen Vorgaben verstoßen. Nach den Zwischenergebnissen dieser Untersuchung existiert ein derartiges rein karitatives Motiv allerdings nicht. Vielmehr liegen allen Arten der Regulierung auch ökonomische Motive zugrunde.106 Selbst die Verfolgung von Werbezwecken bei einem Sponsoring von Veranstaltungen wird nach herrschender Meinung nicht als Sorgfaltspflichtverstoß 104 Inkl. der SE (Societas Europeae); in der Rechtsform der AG sind ca. die Hälfte der Versicherungsunternehmen eingetragen (neben den Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, die die andere Hälfte bilden, existieren anderen Rechtsformen nur sehr eingeschränkt), GDV, Statistisches Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2018, S. 3; diese Verteilung ergibt sich bereits aus den Vorgaben des § 8 II VAG zur Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb, der für den Vertrieb von Versicherung insb. Rechtsformen wie die GmbH und die Personengesellschaften untersagt, da mit ihnen eine Gefahranfälligkeit einhergeht, so Prölss/Dreher/ Präve, VAG, § 8 Rn. 18. 105 MüKo/Spindler, AktG Bd. 2, § 76 Rn. 108. 106 Siehe S. 43 ff.
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der Geschäftsführung angesehen.107 Im Übrigen seien der AG als »unleugbar integraler Bestandteil eines Sozialgefüges« zur Förderung ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz auch Spendenausgaben erlaubt.108 Dies widerspräche gerade nicht langfristigem Gewinnstreben, da im Fall eines Sponsorings auch dem Unternehmen wirtschaftlich förderliche Werbezwecke erreicht werden. 109 Dies muss erst recht für die entgegenkommende Regulierung als Antwort auf einen gegen das Unternehmen (vermeintlich) bestehenden Anspruch gelten.110
D. Folgepflichtgrenzen auf Basis von »bona fides« und »uberrima fides«? »Die Rückversicherung ist der ›persönlichste‹ unter allen Versicherungszweigen. […] Unpersönlich ist schließlich die Rückdeckung bei Lloyd’s.«*
Von deutscher rückversicherungsrechtlicher Literatur vielfach beschworen wird der Grundsatz uberrima fides,111 der das Rückversicherungsverhältnis beherrschen soll.112 Demnach gelte für den Rückversicherungsvertrag nicht nur der Grundsatz von Treu und Glauben, wie ihn § 242 BGB formuliert, sondern eine gesteigerte Form dieses Grundsatzes, der beide Vertragsparteien zu besonderer Sorgfalt im Umgang mit der jeweils anderen Partei verpflichtet. Der Grund hierfür läge in dem seit jeher bestehenden besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den Rückversicherungsvertragsparteien.113 Den Siegeszug dieses besonderen Vertrauensgrundsatzes begründete noch für das Versicherungswesen im Allgemeinen und für das englische Recht Lord Mansfield 1766 in der prominenten Entscheidung Carter v. Boehm.114 Konkret wurden aus dieser Überlegung für das englische Recht mangels entsprechender gesetzlicher Vorgaben vorvertragliche Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers gegenüber dem Erstversicherer abgeleitet.115 Darüber hinaus wurde MüKo/Spindler, AktG Bd. 2, § 76 Rn. 106. So Fleischer, AG 2001, S. 171 (175). 109 BGHSt 47, S. 187 (195) und Fleischer, AG 2001, S. 171 (173 f.). 110 Bejaht wird dies (für Kulanzleistungen) auch von Raiser, VersR 1967, S. 312 (314, 317); darüber hinaus instruktiv die Analyse von Bowen LJ in Hutton v. West Cork Railway Co [1883] 23 Ch D 654 (673). * Prölss, Ansichten der Rückversicherung, S. 8 und 9. 111 Teilweise im Genitiv uberrimae fidei irreführend als Nominativ ausgegeben. 112 Bspw. von Ha. Labes, ZVersWiss 1969, S. 247 (269) und Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 58. 113 Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 58. So schon Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (179). 114 Carter v. Boehm [1766] 3 Burr 1905 (1909). 115 Für die Rückversicherung Merkin/Merkin, A Guide to Reinsurance Law, S. 125 ff.; für die Erstversicherung Merkin/Lowry, Insurance Law, S. 37 ff. 107 108
D. Folgepflichtgrenzen auf Basis von »bona fides« und »uberrima fides«?
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hieraus der Grundsatz uberrima fides bzw. utmost good faith abgeleitet, welcher als verstärkter Grundsatz von Treu und Glauben übersetzt werden kann. Lord Mansfield spricht das zugrunde liegende Gebot von Treu und Glauben (good faith) im Gegensatz hierzu nur beiläufig in anderem Zusammenhang an (»The reason of the rule against concealment is, to prevent fraud and encourage good faith«).116 Der charakteristische Zusatz ist daher insbesondere im Hinblick auf eine Verdeutlichung des Informationsgefälles im Versicherungsverhältnis und in Abgrenzung zu allgemeinen vertragsrechtlichen Good-FaithÜberlegungen zu sehen117 und hat auch deshalb Eingang in das geschriebene englische Seeversicherungsrecht gefunden.118 Die auch dieser Untersuchung vorgeschaltete Problematik betrifft somit die Frage nach einer eigenständigen Bedeutung dieses Zusatzes – und dies insbesondere betreffend das in diesem Zuge sehr häufig exemplarisch benannte Rückversicherungsverhältnis. Problematisch ist allerdings bereits, welcher Gehalt diesem Grundsatz nach englischem Recht beigemessen werden kann. In der englischen Rechtsprechung wurden auf der Basis der allgemeinen Anerkennung dieses Urteils Versuche unternommen, das vermeintlich verstärkte Bekenntnis zu Treu und Glauben zu beschreiben. So bezeichnet es Lord Hobhouse 2001 als »the most extensive, rather than the greatest, good faith«.119 Im Gegenzug wurde zur Verdeutlichung der Unmöglichkeit der Übersteigerung von Redlichkeit und Ehrlichkeit allerdings zu Recht überspitzt auf George Orwell verwiesen:120 Gleich der Verkürzung der sieben Gebote aus dem Werk Animal Farm (»all animals are equal but some animals are more equal than others«)121 kann sich auch der redliche und ehrliche Vertragspartner jedenfalls komparativisch nicht »redlicher und ehrlicher« verhalten.122 Überzeugend führt Han aus, dass eine übersteigerte Form des Grundsatzes von Treu und Glauben auch im römischen Recht trotz der Bemühung der lateinischen Sprache zur Grundsatzbildung nicht
116 Carter v. Boehm [1766] 3 Burr 1905 (1918); und weiter lässt sich der Zusatz utmost lediglich auf eine einzige Einlassung von Lord Mansfield zurückführen, die sich aber im Gegensatz zu der späteren Ergänzung für good faith auf das äußerste bezieht, was auf Basis der Tatsachen behauptet werden können soll, Carter v. Boehm [1766] 3 Burr 1905 (1915). 117 Vgl. auch Watterson, in Han/Pynt, Carter v. Boehm, S. 23 (46 f.). 118 Art. 17 Marine Insurance Act. 119 Manifest Shipping Co Ltd v. Uni-Polaris Shipping Co Ltd (The Star Sea) [2001] UKHL 1 (Rn. 44). 120 Han, in Han/Pynt, Carter v. Boehm, S. 447 (452). 121 George Orwell, Animal Farm, London 1945. 122 So in Mutual and Federal Insurance Co v. Oudtshoorn Municipality [1985] 1 SA 419 (443); erläutert von Han, in Han/Pynt, Carter v. Boehm, S. 447 (452).
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bekannt war.123 Auch die Rechtsprechung scheint die Problematik der Unbestimmtheit dieses Grundsatzes erkannt zu haben. 124 Bildhaft nimmt der Supreme Court of South Africa an, »there is no magic in the expression uberrima fides«.125 Nunmehr sehen die PRICL gleichwohl die Geltung des Grundsatzes utmost good faith explizit in Art. 2.1.2 vor und stellen einen Großteil der in den PRICL statuierten Pflichten als Ausprägung dieses Grundsatzes dar126. Ausweislich der Comments ist hierin allerdings kein »Mehr« zu mere good faith zu sehen.127 Mit anderen Worten lässt sich die Betonung dieses Grundsatzes daher mit der Vertragsart selbst erklären – für deren Berücksichtigung auch der Rechtsbegriff good faith hinreichend unbestimmt ist. Die PRICL zeigen selbst auf, dass good faith mitunter die gleiche inhaltliche Bedeutung wie utmost good faith haben kann.128 Die Betonung von utmost good faith in den PRICL erklärt sich bei näherer Betrachtung also nicht durch eine im Vergleich zum deutschen Recht bewussten inhaltlichen Erweiterung, sondern durch die allein rechtspolitisch gewollte Reiteration einer Besonderheit des englischen Rechts, die die Akzeptanz der PRICL gegenüber den Marktteilnehmern, die einen englischrechtlichen Hintergrund aufweisen, verstärken soll.129 I.
Übertragung auf das deutsche Recht
Im deutschen Recht wird gerade in der rückversicherungsrechtlichen Literatur teilweise ohne nähere Erläuterung der Herkunft und Begründung auf den Begriff utmost good faith rekurriert.130 In konkretem Bezug auf die Folgepflicht beruft sich Kothris ohne nähere Erläuterung der Anwendbarkeit von uberrima fides auf diesen Grundsatz, um eine Verpflichtung des Erstversicherers zu sorgfältiger Geschäftsführung und der Wahrung des Interesses des Rückversicherers zu begründen.131 Dieser Grundsatz ist jedoch gerade nicht zur Begründung von Verpflichtungen und Rechten der Rückversicherungsvertragsparteien in der Lage, sondern kann lediglich die Beschreibung einer Beobachtung
123 Han, in Han/Pynt, Carter v. Boehm, S. 447 (449 f.); bereits in Manifest Shipping Co Ltd v. Uni-Polaris Shipping Co Ltd (The Star Sea) [2001] UKHL 1 (Rn. 5) konnte die Frage nach dem Ursprung des Grundsatzes nicht geklärt werden. 124 Siehe bspw. Stammel, Waving the Gentlemen’s Business Goodbye, S. 169. 125 Mutual and Federal Insurance Co v. Oudtshoorn Municipality 1985 (1) SA 419 (433). 126 So ausdrücklich bspw. in Art. 2.1.4 PRICL (C1), Art. 2.2.1 PRICL (C1), Art. 2.3.1 PRICL (C4), Art. 2.4.1 PRICL (C1), Art. 2.4.2 PRICL (C1). 127 Art. 2.1.2 PRICL (C2). 128 Art. 2.1.2 PRICL (C3). 129 Siehe auch Bork/Wandt, VersR 2019, S. 1113 (1119). 130 Bspw. von Ha. Labes, ZVersWiss 1969, S. 247 (269) und Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 58. 131 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 40.
D. Folgepflichtgrenzen auf Basis von »bona fides« und »uberrima fides«?
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des Rückversicherungsverhältnisses sein, die – angereichert durch Überlagerungen mit der englischen Rechtsprechung – zu einem Grundsatz stilisiert wurde. Interessanterweise enthalten auch die Allgemeinen Deutschen Seeversicherungsbedingungen von 1919 (ADS 1919) in § 13 unter dem Titel »Versicherungstreue« die Pflicht aller Beteiligten »Treu und Glauben im höchsten Maße zu betätigen«.132 Aus der Kommentierung zu § 13 kann jedoch lediglich auf die besondere Betonung des Grundsatzes von Treu und Glauben auch für das Seeversicherungsrecht geschlossen werden – und nicht etwa auf einen selbstständigen Grundsatz uberrima fides.133 Wie sich aus den einleitenden Bemerkungen ergibt, resultiert diese Vermengung in den Seeversicherungsbedingungen durch die schlichte Übernahme aus Art. 17 Marine Insurance Act.134 Zurecht gehen daher Cannawurf/Schwepcke davon aus, dass der Rechtssatz uberrima fides nicht in das deutsche Versicherungsvertragsrecht übernommen wurde.135 Auch die Rückversicherung bleibe, wie die Erstversicherung, von dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB beherrscht.136 Gleichwohl formulieren sie, dass uberrima fides jedenfalls nicht »vollinhaltlich in die auf Rückversicherung anwendbaren Handelsbräuche übernommen« worden sei.137 Entnehmen könnte man dieser Aussage eine teilinhaltliche Übernahme des Grundsatzes, d.h. jedenfalls ein mittelbarer Einfluss durch die Übernahme von Aussagen des englischen Rechts, die durch den Grundsatz uberrima fides ausgeprägt wurden. Anerkannt ist für das deutsche Recht in der Tat, dass der Grundsatz von Treu und Glauben, wie er in § 242 BGB beschrieben wird, auf das Versicherungsrecht anwendbar ist. 138 Unabhängig von der Bezeichnung des Grundsatzes kann nicht in Abrede gestellt werden, dass jedenfalls der Grundsatz von Treu und Glauben auch für die Rückversicherung gilt. Auf dieser Basis stellt sich daher die Frage, welche Schlüsse hieraus für die Bestimmung der Folgepflicht des Rückversicherers gezogen werden können, insbesondere vor dem englischen Hintergrund des Ursprungs der Überlegungen zu Treu und Glauben in Nachzulesen bei Schlegelberger, Seeversicherungsrecht, § 13. Schlegelberger, Seeversicherungsrecht, § 13 Rn. 1 ff. 134 Vgl. Schlegelberger, Seeversicherungsrecht, § 13 vor Rn. 1. 135 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 50; auch Looschelders, VersR 2012, S. 1 (3), der von einer grundsätzlichen Verschiedenartigkeit des Begriffs in Abgrenzung zum deutschen Grundsatz von Treu und Glauben ausgeht. 136 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 458; Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 47 f.; Schwintowski/Brömmelmeyer/Pisani, VVG, § 209 Rn. 32. 137 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 50. 138 Zuletzt Wandt, VersR 2018, S. 321 (326 ff.); zusammenfassend Fischer, VersR 1965, S. 197 (199 ff.); im Verhältnis zu uberrima fides: Wandt/Bork, in Han/Pynt, Carter v. Boehm, S. 261 (261 f.). 132 133
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
der Begründung von Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer.139 II. Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben für die Folgepflicht Wenn festgestellt worden ist, dass der Grundsatz uberrima fides im deutschen Rückversicherungsrecht nicht gilt, muss der Frage nachgegangen werden, ob der auf das Rückversicherungsverhältnis anwendbare, allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (bona fides) eigenständige Bedeutung im Hinblick auf die Folgepflicht erfährt. Hieraus allein leitet sich jedenfalls nicht die Folgepflicht des Rückversicherers ab, da der Grundsatz auch im allgemeinen Vertragsrecht nur in Ausnahmekonstellationen pflichtenbegründend wirkt – und gerade nicht der Begründung von Hauptleistungspflichten. Fraglich bleibt daher, ob die Ausformung der Folgepflicht des Rückversicherers durch den Grundsatz von Treu und Glauben beeinflusst wird. Auch wenn das Rückversicherungsverhältnis nach deutschem Verständnis mangels der Geltung des Uberrima-Fides-Gedankens nicht als überragendes Treueverhältnis bezeichnet werden kann, so ist doch die konkrete Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben abhängig von der Vertragsart, auf welche er Anwendung findet. Als unumstrittene Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben für die Rückversicherung sind zunächst allgemeine zu nennen; so etwa das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium), das Gebot der Redlichkeit oder auch grundsätzliche Verschwiegenheitspflichten.140 Bereits festgestellt wurde, dass der Rückversicherungsvertrag als Versicherungsvertrag zu qualifizieren ist. Gleichwohl hat der Rückversicherungsvertrag eine eigenständige Entwicklung erfahren. Folglich könnte dem Grundsatz von Treu und Glauben in Bezug auf den Rückversicherungsvertrag insbesondere in Ermangelung rückversicherungsvertragsrechtlicher Vorgaben durch das VVG sehr wohl eine weitergehende Bedeutung zukommen. Fraglich bleibt allerdings, ob sich aus dem Wesen der Rückversicherung eine besondere Ausprägung des Grundsatzes ergibt. Konkret könnte der Grundsatz von Treu und Glauben zur Folge haben, dass die Folgepflicht auch jegliche Form der Kulanz umfasst, wenn dem Rückversicherer auferlegt wird, dass er die Regulierung des Erstversicherers nicht in Frage stellen kann. Umgekehrt könnte der Erstversicherer durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehalten sein, auf bestimmte Art und Weise zu regulieren bzw. bestimmte Arten der Regulierung zu unterlassen. Eine derartig konkrete Aussage lässt sich allerdings nur ableiten, wenn sich aus dem Wesen der Rückversicherung ein 139 Siehe hierzu ausführlich Bork/Wandt, in Hao, Compendium of the International Seminar Judicial Precedents. 140 Siehe ausführlich für die Rückversicherung Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 54 ff.
D. Folgepflichtgrenzen auf Basis von »bona fides« und »uberrima fides«?
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zwingendes Erfordernis in diese Richtung ergibt – und hier wird aus der Brauchbarmachung des Grundsatzes von Treu und Glauben für die Folgepflicht ein Zirkelschluss. Lediglich die Notwendigkeit der Folgepflicht, nicht jedoch ihre konkrete Ausgestaltung ließe sich auf Basis der wesenstypischen Eigenarten der Rückversicherung auf diesen Grundsatz stützen.141 Ein anderes Bild könnte sich ergeben, wenn man das Redlichkeitsgebot aus Treu und Glauben als Voraussetzung der Folgepflicht des Rückversicherers ansieht, d.h. als eine Beschränkung der Folgepflicht auf lediglich redliche Regulierung durch den Erstversicherer. Dies entspräche dem Redlichkeitsgebot, welches die Vertreter des Erfordernisses der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung des Erstversicherers aufstellten, und welchem jedenfalls in der Methodik zu folgen ist.142 Die Parallelität zwischen dem Redlichkeitsgebot aus Treu und Glauben und der dargestellten Ansicht liegt jedoch lediglich in der Bemühung des identischen Begriffs. Umgekehrt ließe sich formulieren, der Rückversicherer habe den Entscheidungen des Erstversicherers in der Weise »redlich« zu folgen, dass er sich an die Regulierungsentscheidungen des Erstversicherers hält und nicht deren Zweckmäßigkeit bezweifelt. Als Ergebnis kann daher nur festgehalten werden, dass sich die Vertragsparteien des Rückversicherungsvertrages zwar beiderseits redlich verhalten müssen, um dem Gebot von Treu und Glauben zu entsprechen. Hieraus ergibt sich allerdings keine Aussage über die Folgepflicht selbst. Auch die Herausnahme einfacher Fahrlässigkeit beruht daher nicht, wie vielfach vertreten, auf einem gesteigerten Vertrauensverhältnis zwischen Erst- und Rückversicherer,143 sondern, wie bereits beschrieben, allein auf dem Umstand, dass die Geschäftsführung schon aufgrund seiner Funktion im Erstversicherungsverhältnis dem Erstversicherer zukommt. III. Der moderne »untreue« Erstversicherer? In den 1980er Jahren formulierte Gerathewohl, der Erstversicherer hätte kein Interesse mehr, die Interessen der Rückversicherer wahrzunehmen, und dies stünde in Konflikt mit dem Gedanken uberrima fides.144 Hieraus ergäben sich Bedürfnisse, den Rückversicherer besser bei Schicksalsteilung (und Folgepflicht) vor der »Willkür« des Erstversicherers zu schützen.145 Dieses »Ausgesetztsein« würde durch Möglichkeiten des Erstversicherers, den Rückversicherungsvertrag jährlich zu kündigen, und dessen vorteilhafte Verhandlungsposition durch ein großes Angebot an Rückversicherungskapazitäten noch verstärkt. 146 Vor dem Hintergrund der hierdurch möglichen kurzen Dauer der Hierzu S. 81 ff. Siehe die Stellungnahme auf S. 149 ff. 143 Siehe Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 119. 144 So Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (32) bereits 1988. 145 Vgl. Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (21 ff.). 146 So Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (32). 141 142
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
Rückversicherungsverträge formulierte Gerathewohl das von ihm beobachtete Motto des modernen Erstversicherers wie folgt: »Rückversicherung möglichst nur in schlechten Zeiten, wenn sie ›gewinnbringend‹ für den Erstversicherer ist, möglichst wenig Rückversicherung dagegen in ›guten‹, wenn sie gewinnbringend für den Rückversicherer sein könnte.«147
Wenn vom Wesen der Rückversicherung gesprochen wird, ist auch in neuerer Zeit vorgebracht worden, das Umfeld, in welchem sich die Rückversicherung bewegt, hätte sich verändert.148 Vorgebracht wird beispielsweise Rückversicherer würden Schäden im Erstversicherungsverhältnis eher und ausgiebiger untersuchen.149 Daher komme es, auch wenn die gütliche Einigung bzw. die Nachverhandlung von Rückversicherungsverträgen immer noch den Regelfall bilden, häufiger dazu, dass Erst- und Rückversicherer gerichtliche oder schiedsgerichtliche Prozesse gegeneinander führen.150 Auch Missbräuche sollen zugenommen haben und die Rückversicherer suchten zusehends nach Rechtfertigung für ihrerseits dem Erstversicherer entgegenkommende Regulierungen.151 Zusammenfassend ließe sich daher von einer gesteigerten Streit- und Kontrollgeneigtheit sprechen. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist auch im deutschen Recht als Öffnungsklausel konzipiert, durch welche gesellschaftliche Wertungen in das Recht Einzug finden. Diese gesellschaftlichen Wertungen sind nicht unveränderlich, sondern im Gegenteil einem steten Wandel unterworfen. Auch für den Einfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben auf die Bestimmung der Grenzen der Folgepflicht muss daher die Frage aufgeworfen werden, ob sich das Umfeld der Rückversicherung derart verändert hat, dass mit dem Grundsatz von Treu und Glauben heute ein anderes Verständnis der Folgepflicht angezeigt ist. Ein vermeintlich gesteigertes Misstrauen zwischen Erst- und Rückversicherer allerdings lediglich auf vereinzelte Missbräuche zurückzuführen, griffe zu kurz. Vielmehr ist dieses Phänomen im Zusammenhang mit Verrechtlichungsbestrebungen in der Rückversicherung zu sehen.152 Wenn Versicherungsunternehmen verstärkt gegenüber der Aufsichtsbehörde und der Öffentlichkeit rechenschaftspflichtig sind, bedürfen sowohl kulante Regulierung als auch anstandslose Folgeleistung durch den Rückversicherer einer validen Begründung. Diese Überlegungen sorgen allerdings gerade nicht für einen wertenden Aussagegehalt des Grundsatzes von Treu und So Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (32). Gerathewohl spricht von einem weltweiten downward cycle und vielfachen Missbräuchen von Rückversicherungsverträgen, in Festschrift Jannott, S. 13 (60 f.). 149 Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (528). 150 Busse/Taylor/Justen, SchiedsVZ 2008, S. 1 (3); Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (528); Lüer/Schwepcke/Busse/Hu. Labes, Rückversicherungsrecht, § 18 Rn. 78 und Rn. 1 f.; Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 14 f. 151 Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (528). 152 Vgl. hierzu S. 3 ff. 147 148
E. Auswirkungen gesetzlicher Verpflichtungen des Erstversicherers
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Glauben für die Rückversicherung. Wenn die dem Uberrima-Fides-Gedanken zugrunde liegende Vermutung ein besonderes Vertrauensverhältnis betrifft, ist dieses in der modernen Rückversicherung vice versa jedenfalls nicht mehr derart ausgeprägt, dass hieraus Vertragsinhalte abgeleitet werden können. Ebenso spricht dies gegen eine Nutzbarmachung des Grundsatzes von Treu und Glauben für die Bestimmung der Folgepflicht des Rückversicherers.
E. Auswirkungen gesetzlicher Verpflichtungen des Erstversicherers »Welcher Grund ist wohl gedenkbar, einem so unschuldigen Verkehr durch Verbothe entgegen zu wirken?«*
Bereits erörtert wurde, dass der Versicherungsnehmer im Fall der Rückversicherung seines Erstversicherers nicht auf den Rückversicherer durchgreifen kann.153 Dieses Credo ist nicht nur Teil der Definition von Rückversicherung, sondern gilt durch gesetzliche Verpflichtungen des Erstversicherers auch gegenüber dem Versicherungsnehmer. Der Solvabilitätsvorteil des Erstversicherers durch die Rückversicherung154 kommt dem Versicherungsnehmer gerade nur mittelbar durch eine erhöhte Insolvenzfestigkeit seines Vertragspartners zugute.155 Die »Freiheit« der Geschäftsführung des Erstversicherers drückt eine vom Willen des Rückversicherers unabhängige Regulierung des Erstversicherers aus, womit auch ein Präjudiz für die Folgepflicht verbunden sein kann.156 Dies bedeutet umgekehrt allerdings keine Freiheit des Erstversicherers von anderen Zwängen oder Verpflichtungen. Derartige Verpflichtungen können sich insbesondere aus dem Erstversicherungsverhältnis, genauer den ausgeprägten Vorgaben des Versicherungsvertragsrechts ergeben. Aus diesem Umstand ergibt sich – unabhängig von der konkreten Gestaltung der Folgepflicht im Rückversicherungsverhältnis – folgende Hypothese: Wenn der Erstversicherer aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu einer bestimmten Regulierung bzw. zu einem bestimmten Verhalten im Rahmen seiner Regulierung im Erstversicherungsverhältnis verpflichtet ist, darf die Folgepflicht in der Rückversicherung die Befolgung dieser gesetzlichen Vorgaben nicht erschweren oder gar torpedieren. Noch weniger darf der Versicherungs* So Benecke in Bezug auf die Rückversicherung (System des Assekuranz- und Bodmereiwesens I, S. 284). 153 Hierzu bereits S. 67 ff. 154 Vgl. §§ 74 ff. VAG (Kapitel 2: Finanzielle Ausstattung). 155 Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 161. 156 Siehe S. 78 ff.
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
nehmer durch die Rückversicherungsnahme seines Erstversicherers daher einen Nachteil erfahren. Auch wenn diese im Folgenden darzulegenden Vorgaben des Versicherungsvertragsrechts lediglich relativ sind, d.h. nur den Erstversicherer als Vertragspartner des Versicherungsnehmers und gerade nicht den Rückversicherer verpflichten, sind sie nach ihrer Konzeption als Grundgedanken des Versicherungsvertragsrechts anzusehen und dürfen daher durch nachgeschaltete Instrumente der Risikoteilung, wie das der Rückversicherung, nicht beeinträchtigt werden. I.
Pflichten des Erstversicherers zum Schutz des Versicherungsnehmers
Die Geschichte des Versicherungsrechts ist geprägt von einer »fortschreitenden billigen Rücksicht auf die Interessen des [Versicherungsnehmers] in Gesetz, AVB und Klauseln«.157 Vorgaben zur Regulierung im Erstversicherungsverhältnis sind zwar zumeist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, können sich allerdings aus Grundsätzen und Vorschriften ergeben, deren Befolgung durch die Auswirkungen der Rückversicherung auf den Erstversicherer in Frage gestellt sein könnte. Der Gedanke, hieraus Wertungen für die Folgepflicht abzuleiten, ist daher naheliegend. 1. Informations- und Machtgefälle als Basis von Schutzüberlegungen Eine Disparität (d.h. ein Machtgefälle) zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer versucht das VVG bereits zu relativieren, beispielsweise durch zwingende und halbzwingende Vorschriften.158 Diese Schutzmechanismen bewahren den Versicherungsnehmer allerdings nicht davor, sich im konkreten Fall der Regulierung in den Händen des Erstversicherers wiederzufinden. Etwas drastisch formuliert daher bereits Ehrenberg, sollte der Erstversicherer seinen Versicherungsnehmer »chikanieren« wollen, so sei nichts leichter als das.159 Danach fände sich immer eine Klausel in den AVB, durch welche von dem Versicherungsnehmer unter Androhung entfallener Leistungspflicht die »Eingehung eines ungünstigen Vergleichs […] erzwungen« werden könne.160 Der Versicherungsnehmer muss in modernen Zeiten des Versicherungsrechts durch verschiedene zwingende Vorgaben und effektivere Sicherungsmechanismen nicht mehr befürchten, derart »schikaniert« zu werden. Dies betrifft auf der einen Seite vergleichsweise neuere Entwicklungen im Versicherungsvertragsrecht (so in Bezug auf Informations- und Beratungspflichten, aber auch Abstufungen im Obliegenheitenrecht), zum anderen ist die gesetzliche und gesellschaftliche Transparenz der Versicherungsunternehmen betrefRaiser, VersR 1967, S. 312 (313). Siehe hierzu instruktiv Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 100 ff. 159 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 115. 160 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 115. 157 158
E. Auswirkungen gesetzlicher Verpflichtungen des Erstversicherers
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fend ihre Reputation zu betonen. Auch wenn dies missbräuchliche Regulierungen gegenüber dem Versicherungsnehmer in erheblichem Maße reduzieren kann, verbleibt die Regulierung gleichwohl zum Nachteil des Versicherungsnehmers in den Händen des Versicherers. Der Erstversicherer ist daher nach wie vor nicht nur gegenüber dem Rückversicherer für die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis verantwortlich, sondern natürlicherweise auch im Erstversicherungsverhältnis die über den Versicherungsfall maßgeblich urteilende Vertragspartei. Wesentliche Unterschiede ergeben sich allerdings vor dem Hintergrund der fixen Ausgangskonstellationen. Zum einen ist der Versicherungsnehmer zumeist der unerfahrenere Vertragspartner. Im Vergleich dazu ist der Rückversicherer professionalisiert und abstrakt sogar erfahrener als der Erstversicherer. Diese weiter reichenden Erfahrungswerte betreffen nicht nur das Rückversicherungsverhältnis selbst, sondern aufgrund der Verfügbarkeit umfangreicher Statistiken auch das Erstversicherungsverhältnis. Unterschieden werden muss diese abstrakte Ebene von der konkreten Erfahrungsebene. Schon früh wurde in Bezug auf das Versicherungsverhältnis auf das Informationsgefälle zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer hingewiesen.161 D.h. der Versicherungsnehmer kennt die den Eintritt des versicherten Risikos bestimmenden Faktoren und die zum »Versicherungsfall« führenden Umstände besser als der (aus der Ferne beurteilende) Versicherer. Dies ist sowohl im Erst- als auch in den nachgelagerten Rückversicherungsverhältnissen der Grund für Anzeigepflichten, seien sie vorvertraglich oder »währendvertraglich« (beispielsweise wie im Fall der Gefahrerhöhung).162 Die angesprochene Disparität zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer betrifft daher abgesehen von Fragen der Rechtsdurchsetzbarkeit sowohl eine überragende konkrete Kenntnis des Versicherungsnehmers einerseits als auch eine überragende abstrakte Erfahrung des Erstversicherers andererseits. Im Rückversicherungsverhältnis wiederum hat der Erstversicherer jedenfalls von den durch den Versicherungsnehmer angezeigten konkreten Umständen Kenntnis, wohingegen die abstrakten Erfahrungswerte des Rückversicherers größer sein können. Im Gegensatz zum Rückversicherungsverhältnis ist daher die Disparität in Bezug auf Kenntnis und Erfahrungswerte im Erstversicherungsverhältnis regelmäßig größer. Hiernach bleibt fraglich, welche Implikation sich für die Bestimmung der Folgepflicht des Rückversicherers ergibt. Vor dem Hintergrund der angesprochenen und stetig ausgeweiteten Transparenz der Versicherungsunternehmungen und der damit einhergehenden maßgeblichen Bedeutung von Reputation (sowohl mit Blick auf die Versicherungsnehmer als auch mit Blick auf den Rückversicherungsmarkt) kann angenommen werden, dass die Gefahr einer 161 So bereits Carter v. Boehm [1766] 3 Burr 1905 für den vom englischen Recht geprägten Rechtsraum des Common Law. 162 Siehe hierzu für die Rückversicherung S. 317 ff.
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
Regulierung durch den Erstversicherer, die auf sachfremden Erwägungen beruht, nur noch in erheblich geringerem Ausmaß zu befürchten ist. 2. Regelkulanz und Kulanzpflicht »Kulanz« ist im Rahmen der Regulierung des Erstversicherers kein seltenes Phänomen, sondern geradezu typisch für die Versicherung.163 Sieht man sie, wie in dieser Untersuchung, als Teil eines Systems entgegenkommender Regulierung des Erstversicherers, welches in vielen Gestaltungsformen (d.h. Regulierungsarten) auftreten kann, ist sie in Ermangelung rechtlich-materieller Wahrheit omnipräsent.164 Hinzu tritt, dass die moderne Regulierung in Massenversicherungen auch betreffend ein derartiges Entgegenkommen nach konkreten Verfahrensvorgaben erfolgt, sodass von standardisierten Entscheidungen bzw. von Regelkulanz gesprochen werden kann.165 Dieser Umstand nährt auf Seiten der Versicherungsnehmer eine Erwartungshaltung gegenüber dem Versicherer, die als »erwartete Kulanz« bezeichnet werden kann. Tatsächlich wird ein Entgegenkommen des Erstversicherers weitaus öfter und umfangreicher erwartet und erhofft als faktisch in vergleichbaren Fällen in die Tat umgesetzt. 166 Die Erwartungshaltung des Versicherungsnehmers ist zwar grundsätzlich unbeachtlich, drückt sich in ihr doch zunächst lediglich der Wunsch nach einer »Mehrleistung« ohne rechtliche Basis aus. Evident kann diese Erwartungshaltung allerdings werden, wenn es ein berechtigtes Interesse des Versicherungsnehmers gibt, in besonderen Ausnahmesituationen ein kulantes Verhalten des Versicherers zu erwarten. Und im Fall des Vorliegens eines berechtigten Interesses des Versicherungsnehmers ist die Frage aufzuwerfen, ob hieraus auch eine »Kulanzpflicht« des Erstversicherers resultieren kann – die als Rechtspflicht ausgestaltet unzweifelhaft die Folgepflicht des Rückversicherers auslösen würde. Die Begründung einer solchen Pflicht des Erstversicherers hängt zunächst von einem entsprechenden Rechtsbindungswillen des Erstversicherers ab. Dieser kann sich grundsätzlich auch in einer gleichförmigen Regulierungspraxis äußern, nach der der Erstversicherer über einen längeren Zeitraum verfährt. Das Oberlandesgericht München bejahte im Fall einer Kulanzregelung betreffend einer Nachbesserung an einer Fassade die Rechtsverbindlichkeit und stellte fest, dass im Fall eines rechtlichen oder wirtschaftlichen Interesses desjenigen, der dem anderen Teil etwas gewährt, regelmäßig ein Rechtsbindungswille angenommen werden kann.167 Dies gelte auch, wenn sich der Begünstigte Raiser, VersR 1967, S. 312 (312). Siehe hierzu Kapitel 2 im Ganzen (S. 15 ff.); vgl. Bruck/Möller/R. Koch, VVG Bd. 4, § 100 Rn. 90. 165 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 69. 166 Raiser, VersR 1967, S. 312 (312). 167 OLG München, NJW 2011, S. 1369 (1370). 163 164
E. Auswirkungen gesetzlicher Verpflichtungen des Erstversicherers
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erkennbar auf die Zusage verlasse und erhebliche Werte auf dem Spiel stünden.168 Da Versicherung regelmäßig auch existentielle Risiken betrifft (so der Brand des Hauses als größter Vermögenswert, die Berufsunfähigkeit oder die wirtschaftliche Absicherung der Hinterbliebenen in der Lebensversicherung), könnte man diese Bedingung regelmäßig als erfüllt ansehen. Dies führte allerdings dazu, dass jede »Kulanz« mit einem entsprechenden Rechtsbindungswillen verbunden wäre, was immer auch eine Leistungspflicht des Erstversicherers auslösen würde und ersichtlich nicht dem Willen des Erstversicherers entsprechen kann. Hinzu tritt, dass diese Konstellation zwar den individuellen Fall einer Kulanzzusage adressiert, allerdings nicht die hier in Rede stehende, weitreichendere Frage nach der Verbindlichkeit von kulanter Regulierung in der Vergangenheit – und gar noch in Versicherungsverhältnissen mit anderen Versicherungsnehmern.169 Zwar wird vertreten, die Erwartung des Versicherungsnehmers an den Versicherungsvertrag überwiege die Erwartung des Erstversicherers.170 Dem kann allerdings jedenfalls nicht schon eine Kulanzpflicht des Erstversicherers entnommen werden.171 3. Optimierungsfunktion und Gleichbehandlungsgebot Die Anerkennung der Erwartungshaltung des »Begünstigten« in einem Szenario, in dem er sich auf eine gängige Praxis verlässt, kann jedoch auch trotz der Bewährung mit einer Schadensersatzpflicht des Erstversicherers für einen Rechtsbindungswillen sprechen. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang auf das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung verwiesen, wie es im Arbeitsrecht Geltung beansprucht.172 Eine unmittelbare Übertragung dieser Grundsätze auf die Versicherung muss zwar schon an der Verschiedenheit der Schuldverhältnisse scheitern – die Versicherung lässt für einen auf Arbeitnehmerschutz ausgerichteten Telos so schlicht keinen Raum173. Die dahinterstehende Argumentation bezweckt allerdings nicht die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer untereinander, sondern gründet nach vorzugswürdiger Ansicht auf einer Willenserklärung des Arbeitgebers, welche konkludent bzw. stillschweigend durch den
BGH, NJW 2009, S. 1141; OLG München, NJW 2011, S. 1369 (1370); vgl. auch Bamberger/Roth/Sutschet, BeckOK-BGB, § 241 Rn. 18 und Palandt/Grüneberg, BGB, Einl v § 241 Rn. 7. 169 So auch OLG Köln, r+s 1988, S. 239 (239 f.). 170 Han, Policyholder’s Reasonable Expectations, S. 181 f. 171 So im Ergebnis auch AG Staufen, ZfS 1987, S. 146 am Beispiel der Praxis von Rechtsschutzversicherern, auch bei vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung und vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt »aus Kulanz« Rechtsschutz zu gewähren. 172 Zu den Voraussetzungen einer betrieblichen Übung im Arbeitsrecht MüKo/MüllerGlöge, BGB Bd. 4, § 611 Rn. 411 ff. m.w.N. 173 Siehe auch Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 1, § 1 Rn. 61. 168
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
Arbeitnehmer angenommen wird.174 Insoweit bestehen Parallelen zum Versicherungsrecht, welches zwar ebenfalls von einer Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer getragen wird.175 Hintergrund des Vergleichs mit der betrieblichen Übung muss jedoch – unabhängig von der dogmatischen Einordnung – die hervorgerufene Erwartungshaltung der Versicherungsnehmer sein. Diese Überlegung basiert zunächst auf dem Gedanken einer Gefahrengemeinschaft, wie er bis zu den Ursprüngen der Versicherung zurückzuführen ist, und wird in Zeiten professioneller Versicherungsunternehmen als Risiko- bzw. Versichertenkollektiv beschrieben.176 Vor dem historischen Hintergrund eines selbstverwalteten Risikokollektivs ergibt sich die Forderung nach der Gleichbehandlung ihrer Mitglieder als Selbstverständlichkeit. In gleicher Weise erklärt sich daher im modernen Versicherungsrecht ein solches Gleichbehandlungsgebot für den diese Wurzeln fortführenden Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG).177 § 177 VAG178 gibt daher vor, dass Mitgliederbeiträge und Vereinsleistungen an die Mitglieder bei gleichen Voraussetzungen nur nach gleichen Grundsätzen bemessen sein dürfen. 179 Auch Looschelders erkennt diesen Anwendungsbereich eines Gleichbehandlungsgebots an, lehnt jedoch ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot im Versicherungsrecht ab, da durch den Versicherungsvertrag kein rechtliches Gemeinschaftsverhältnis zwischen den Beteiligten begründet werde. Dies stünde insbesondere im Gegensatz zu dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot, welches sich auf das im Versicherungsverhältnis nicht gegebene Nebeneinander von Arbeitsverhältnissen im Betrieb gründe.180 Ebenso sieht Weigel in § 177 VAG aufgrund der Sonderstellung des VVaG keinen verallgemeinerbaren Rechtssatz.181 Evident ist andererseits die schiere Zahl an Gleichbehandlungsgeboten im Versicherungsrecht, die jeweils unterschiedliche Bereiche in unterschiedlichen Ausprägungen abdecken. Verwiesen sei auf die Lebensversicherung (§ 138 II VAG),182 die Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr (§ 161 I i.V.m. § 138
174 Stellvertretend BAG, NZA 1994, S. 513; zum Meinungsstreit zusammenfassend MüKo/Müller-Glöge, BGB Bd. 4, § 611 Rn. 413 m.w.N.; differenzierend Picker, Die betriebliche Übung, S. 371 ff., der allerdings ebenfalls eine paternalistische Erklärung der betrieblichen Übung ablehnt (dort 371 f.). 175 Siehe im Ganzen Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 1, § 1 Rn. 61 ff. 176 Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 1, § 1 Rn. 61. 177 Zum Solidaritätsgedanken im VVaG Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 111; vertiefend Benkel, Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. 178 Und inhaltsgleich bereits § 21 VAG a.F. 179 Siehe hierzu allgemein OLG Hamburg, VersR 1968, S. 1077. 180 Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 1, § 1 Rn. 61 f.; ablehnend zudem Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rn. 294. 181 Umfassend Prölss/Dreher/Weigel, VAG, § 177 Rn. 3 ff., 7. 182 Zuvor § 11 II VAG a.F.; Prölss/Dreher/Präve, VAG, § 138 Rn. 16.
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II VAG),183 die substitutive (§ 146 II i.V.m. § 138 II VAG) und die nicht-substitutive Krankenversicherung (§ 147 i.V.m. § 146 II i.V.m. § 138 II VAG),184 die in ihrer Wortwahl identisch mit dem Beispiel des § 177 VAG sind (d.h. gleiche Voraussetzungen bedingen die Bemessung nach gleichen Grundsätzen).185 Diese Gebote sind nicht auf den VVaG beschränkt, sondern obliegen allen, dem VAG unterfallenden Versicherungsunternehmen.186 Wenn sie allerdings lediglich für bestimmte Versicherungszweige aufgestellt werden, kommt hierin die (EU-)gesetzgeberisch intendierte Begrenzung auf diese Versicherungszweige zum Ausdruck, sodass sich ein verallgemeinerbarer Grundsatz hieraus ebenfalls nicht ergeben kann.187 Diese Sonderstellung erklärt sich auch aus der sozialpolitischen Bedeutung der betreffenden Versicherungszweige.188 Neben den spezifischen Vorgaben des AGG,189 welches nur bestimmte Benachteiligungsverbote adressiert und nicht eine entgegenkommende Regulierung selbst vorschreibt,190 verbleibt der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG für den Versicherungsvertrag im Ganzen 191 . Dessen Geltung lässt sich nicht schon aus der fehlenden unmittelbaren Geltung verfassungsrechtlicher Vorgaben im Privatrecht ableiten,192 da insbesondere § 242 BGB als Einfallstor grundrechtlicher Wertungen (Drittwirkung von Grundrechten) auch im Versicherungsrecht Auswirkungen nach sich ziehen kann.193 Nach Krömmelbein liefe dies letztlich auf einen durch die »Natur der Sache« begründeten Gleichbehandlungsgrundsatz hinaus, der mit den Wettbewerbsvorgaben eines deregulierten Markts nicht vereinbar sei.194 Trotz Sympathien für eine Optimierungsfunktion, welche Gleichbehandlungsaspekte enthält, lehnt auch Armbrüster jedenfalls eine eigenständige ungeschriebene Rechtsgrundlage, aus der
Zuvor § 11d i.V.m. § 11 II VAG a.F. Zuvor für die nach Art der Lebensversicherung betriebene Krankenversicherung § 12 IV, V VAG a.F. und für Pensionsfonds § 133 I VAG. 185 Siehe auch Prölss/Dreher/Weigel, VAG, § 177 Rn. 4. 186 Siehe § 1 I VAG. 187 So auch die Argumentation von Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 1, § 1 Rn. 64; Prölss/Dreher/Präve, VAG, § 138 Rn. 12; Prölss/Dreher/Weigel, VAG, § 177 Rn. 4 und 7. 188 Prölss/Dreher/Präve, VAG, § 138 Rn. 11. 189 Ausführlich Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 1, § 1 Rn. 66 ff. 190 Dies gilt auch für den betreffend bestimmte Benachteiligungsverbote die Privatversicherung in Bezug nehmenden § 19 AGG. 191 Siehe allgemein BVerfG, NJW 2002, S. 1103. 192 So allerdings Looschelders, JZ 2012, S. 105. 193 Zustimmend auch Prölss/Dreher/Präve, VAG, § 138 Rn. 15. Siehe auch LG Dortmund, NJW-RR 2009, S. 249 in Bezug auf die Generalklausel des § 307 BGB. 194 Umfassend Krömmelbein, Der versicherungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 257 ff., 370. 183 184
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sich echte Rechtspflichten des Versicherers ergeben können, ab.195 Dies überzeugt. Im Ergebnis verbleibt daher lediglich § 138 II VAG (und die hierauf verweisenden Vorschriften des VAG), sodass jedenfalls für die dort bezeichneten Versicherungszweige ein Gleichbehandlungsgebot besteht. Entgegenzutreten ist umgekehrt auch einer Ansicht, der Erstversicherer wäre aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten daran gehindert, kulant zu regulieren.196 Denn die kulante Regulierung ist wesenstypisch für die Versicherung und kann schon deshalb nicht unzulässig sein.197 Bezogen auf die Regulierung hält Präve fest, Versicherer müssten, sofern Kulanzleistungen gewährt werden, unter den gleichen Voraussetzungen dieselben Kulanzleistungen gewähren – dies sei lediglich durch die Erfüllbarkeit anderweitiger Verpflichtungen begrenzt.198 Auch wenn sich hieraus kein durch den Versicherungsnehmer einklagbarer Anspruch gegen den Erstversicherer ergibt,199 folgt hieraus ein an den Erstversicherer adressiertes Gebot, dem Versicherungsnehmer nicht willkürlich eine entgegenkommende Regulierung zu versagen. 4. Vorgaben für die Regulierung am Beispiel der Haftpflichtversicherung Auch lohnt ein Blick auf die regulierungsspezifischen Verpflichtungen des Haftpflichtversicherers. Die dortigen Wertungen sind zwar nicht unmittelbar auf die Rückversicherung gemünzt, die Nähe der Rückversicherung zur Haftpflichtversicherung ist allerdings im Zusammenhang mit fehlenden gesetzlichen Regelungen zur Rückversicherung immer wieder benannt und beschrieben worden.200 Für die hier in Rede stehende Frage, ob der Erstversicherer seinerseits Verpflichtungen unterliegt, die eine relative Weite der Folgepflicht bedingen, damit er diesen Pflichten nachkommen kann, ist allerdings nicht die zuvor erörterte Möglichkeit einer Übertragung der Wertungen aus der Haftpflichtversicherung entscheidend. 201 Der Erstversicherer wird also nicht als Versicherungsnehmer einer Haftpflichtversicherung simuliert, sondern bleibt 195 So Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, Einl. Rn. 239 ff. (dort als h.M. bezeichnet); bspw. auch von Koppenfels-Spies, VersR 2004, S. 1085; Scholz, ZVersWiss 1984, S. 1 (18 f.); Schünemann sieht den Versicherer, allerdings ohne die hier in Rede stehende Konsequenz, als Treuhänder der Vermögensinteressen des Versicherungsnehmers an (JZ 1995, S. 430 [433]). 196 Raiser sieht diese Problematik indes nur für den VVaG (VersR 1967, S. 312 [317]). 197 Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 131 f.; Lorenz, Gefahrengemeinschaft und Beitragsgerechtigkeit aus rechtlicher Sicht, S. 20 ff.; Raiser VersR 1965, 312 (315 und 317). 198 Prölss/Dreher/Präve, VAG, § 138 Rn. 16. 199 In engen Grenzen für die Lebensversicherung als partiarisches Rechtsverhältnis allerdings bejahend Basedow, ZVersWiss 1992, S. 419 (437 ff., 441). 200 Siehe bspw. Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 108 bzw. Motive zum VVG 1908, S. 245. 201 Siehe hierzu S. 218 ff.
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in diesem Beispiel selbst Haftpflichtversicherer mit allen damit einhergehenden Verpflichtungen des Erstversicherungsverhältnisses. Zu untersuchen sind die Auswirkungen haftpflichtversicherungsrechtlicher Besonderheiten gegenüber dem Versicherungsnehmer. Das Beispiel der freiwilligen Haftpflichtversicherung eignet sich hierfür in besonderem Maße, da der Gesetzgeber auch betreffend die Regulierung des Haftpflichtversicherers gesetzliche Vorgaben aufgestellt hat. Der Erstversicherer sieht sich in der Haftpflichtversicherung, wie sich aus § 100 VVG ergibt, Ansprüchen des Versicherungsnehmers auf Befreiung von berechtigten Schadensersatzansprüchen bzw. auf Gewährung von Rechtsschutz gegenüber (sog. Freistellungs- und Abwehranspruch). 202 Zwar bestehen grundsätzlich beide Ansprüche, der Versicherer hat allerdings im Fall sachgerecht ausgeübten Ermessens die Möglichkeit, auch unberechtigte Ansprüche zu befriedigen (und sie damit nicht abzuwehren).203 Dem Erstversicherer steht in dieser Frage faktisch ein Ermessen zu, welches er pflichtgemäß auszuüben hat.204 Er muss demnach die Rechtslage sorgfältig prüfen und die Aussichten einer Abwehr des Anspruchs zuverlässig einschätzen.205 Auch wenn diese Sichtweise nicht unwidersprochen geblieben ist,206 überzeugt sie in der Sache. Ein Festhalten des Erstversicherers an seiner Abwehrverpflichtung ist insbesondere in Fällen eines unwirtschaftlichen Aufwandes (beispielsweise für den Beweis des Nichtbestehens des Anspruchs) realitätsfern. Da in der Regel ein spezifisches Interesse des Versicherungsnehmers an einer Abwehr des Anspruchs nicht entgegensteht, muss das Interesse des Erstversicherers an einer wirtschaftlichen Schadenabwicklung vor dem Hintergrund seiner Regulierungshoheit im Erstversicherungsverhältnis den Ausschlag für eine Wahlmöglichkeit des Erstversicherers geben.207 Ein Interesse
202 Prölss/Martin/Lücke, VVG, § 100 Rn. 2 ff., 9 ff.; Rüffer/Halbach/Schimikowski/ Schimikowski, VVG, § 100 Rn. 4 f.; Staudinger/Halm/Wendt/Heinrichs, Versicherungsrecht, Vor §§ 100 bis 112 VVG Rn. 1 und § 100 VVG Rn. 23 ff. 203 Instruktiv BGH, NJW 1956, S. 826 (827), darüber hinaus h.M., siehe u.a. Bruck/Möller/R. Koch, VVG Bd. 4, § 100 Rn. 86 f. und 89 und Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski, VVG, § 100 Rn. 4 f. 204 H.M.: BGH, VersR 1959, S. 499; BGH, VersR 1981, S. 180; OLG Frankfurt, VersR 2003, S. 588; Baumann, VersR 2010, S. 984 (986); Kramer, r+s 2008, S. 1; Kröger, VersR 2013, S. 139; weitergehend Lange, VersR 2008, S. 713. 205 Staudinger/Halm/Wendt/Heinrichs, Versicherungsrecht, § 100 VVG Rn. 23. 206 Prölss/Martin/Lücke, VVG, § 100 Rn. 2 und von Rintelen, r+s 2010, S. 133 (136 f.). 207 So auch Staudinger/Halm/Wendt/Heinrichs, Versicherungsrecht, § 100 VVG Rn. 23.
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
des Versicherungsnehmers überwiegt demgegenüber nur in Ausnahmekonstellationen.208 Wenn auch diese Optionen des Erstversicherers noch keine Wertung für die Folgepflicht nach sich ziehen, so sind es die zu beschreibenden Einzelheiten seiner Verpflichtungen gegenüber dem Versicherungsnehmer. Im Rahmen der Ausübung seines Ermessens unterliegt der Versicherer einem Rücksichtnahmegebot und muss die berechtigten Interessen seines Versicherungsnehmers wahren.209 Entsprechend spiegeln Haftpflichtversicherungsbedingungen die Beschränkung des Ermessens des Erstversicherers durch die Interessen des Versicherungsnehmers, welcher grundsätzlich auch Schadensersatzansprüche nachfolgen können.210 Das Rücksichtnahmegebot gilt insbesondere auch für die freiwillige Haftpflichtversicherung und stützt sich als allgemeine Schutzpflicht auf § 241 II BGB.211 Die durch den Versicherer vorzunehmende Abwägung im Rahmen seiner Ermessensausübung richtet sich zudem allein nach dem Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer;212 das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Geschädigtem213 – darüber hinaus aber auch das Verhältnis zwischen Erstversicherer und Rückversicherer – sind für diese Ermessensausübung nicht von Belang. 5. Pflicht des Erstversicherers zur Interessenwahrung Diese für die Haftpflichtversicherung instruktiv beschriebene Pflicht des Erstversicherers zur Wahrung des Interesses des Versicherers erfährt zwar keine ausdrückliche gesetzliche Ausprägung in Form einer Norm des VVG. Der zugrunde liegende Gedanke einer Schutzpflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer ist jedoch verallgemeinerbar. Wie in der Haftpflichtversicherung gründet sich diese Annahme für alle Versicherungsverträge zunächst auf § 241 II BGB, da auch der Versicherungsvertrag als Schuldverhältnis214 von dem diesen Schutzpflichten zugrunde liegenden Grundsatz von Treu und Glauben
208 Beispielhaft nennt der BGH gefährdete Schadensfreiheitsrabatte des Versicherungsnehmers und Präjudizien für nachgelagerte Ansprüche des Dritten gegen den Versicherungsnehmer, für die keine Haftpflichtdeckung besteht, BGH, VersR 1981, S. 180 (181); darüber hinaus auch OLG Saarbrücken, r+s 2012, S. 71 (72). 209 H.M.; zusammenfassend zur zustimmenden Rechtsprechung Bruck/Möller/R. Koch, VVG Bd. 4, § 100 Rn. 86; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski, VVG, § 100 Rn. 5; Staudinger/Halm/Wendt/Heinrichs, Versicherungsrecht, § 100 VVG Rn. 23. 210 Rüffer/Halbach/Schimikowski/Schimikowski, VVG, AHB Ziff. 5 Rn. 7. Zudem Armbrüster, r+s 2010, S. 441 (443); Baumann, VersR 2010, S. 984 (986) und Kramer, r+s 2008, S. 1 (5). 211 Bruck/Möller/R. Koch, VVG Bd. 4, § 100 Rn. 87 m.w.N. der bestätigenden Rechtsprechung. 212 Stellvertretend Bruck/Möller/R. Koch, VVG Bd. 4, § 100 Rn. 87. 213 Abweichend lediglich Kramer, r+s 2008, S. 1 (5). 214 Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 1, § 1 Rn. 58.
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(§ 242 BGB) beherrscht ist.215 Der Versicherungsvertrag ist zudem ein Dauerschuldverhältnis, in welchem die Vertragsparteien in hohem Maße auf die Mitwirkung, Rücksicht und Loyalität ihres jeweiligen Gegenübers angewiesen seien.216 Mit der Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie (Insurance Distribution Directive – IDD)217 sind darüber hinaus neue Regelungen in das VVG eingefügt worden. Sowohl die Richtlinie als auch die Umsetzung im deutschen Recht sind zunächst spezifisch auf den Versicherungsvertrieb gemünzt, enthalten allerdings insbesondere in § 1a VVG verallgemeinerbare Vorgaben, die sich direkt an den Versicherer richten. Demnach muss er bei seiner Vertriebstätigkeit gegenüber dem Versicherungsnehmer stets »ehrlich, redlich und professionell« in dessen bestmöglichem Interesse handeln. Fraglich bleibt allerdings auch hiernach, welche Ausprägungen diese Vorgabe insbesondere für die Regulierung des Erstversicherers bedingt. Die unbestimmten Rechtsbegriffe »ehrlich«, »redlich« und »professionell« sind bereits in der Versicherungsvertriebsrichtlinie (Art. 17 IDD) verankert. Der deutsche Gesetzgeber sieht die Vorgaben weitestgehend in Kohärenz mit den bereits entwickelten Grundsätzen zu § 242 BGB und betreffend die Beratung des Versicherungsnehmers ein bereits vor Umsetzung der Richtlinie vergleichbares Schutzniveau.218 Die Erwägungsgründe 45 und 46 der IDD enthalten zudem die Vorgabe, dass Versicherungsvertreiber im besten Interesse der Kunden und deren Wünschen entsprechend beraten müssen,219 was dem deutschen Gesetzgeber nach zur Folge hat, dass die Auslegung des Begriffs »bestmögliches Interesse« nicht allein nach objektiven Maßstäben erfolgt.220 Wenn durch die IDD daher lediglich ein Begriffswechsel bzw. ein Wechsel in der Normverortung der Interessenwahrung durch den Erstversicherer stattfindet, kann sie vor dem Hintergrund der nicht weiter definierten, unbestimmten Rechtsbegriffe die Pflicht des Erstversicherers in Bezug auf seine Regulierung nicht konkretisieren. Eine Konkretisierung erfolgt aufgrund fortbestehender Unbestimmtheit auch nicht durch eine Selbstverpflichtung einer Vielzahl von Versicherern, die durch ihren Beitritt zum Verhaltenskodex des GDV für
Palandt/Grüneberg, BGB, § 241 Rn. 6. BGHZ 47, S. 101 (107); BGHZ 99, S. 228 (235); Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rn. 245 ff.; Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 1, § 1 Rn. 149. 217 Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb, Abl. EU L 26/19. 218 BT-Drs. 18/11627, S. 42. 219 Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb, Abl. EU L 26/19, S. 24. 220 BT-Drs. 18/11627, S. 42. 215 216
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den Vertrieb von Versicherungsprodukten erfolgt ist.221 Demnach orientieren sich Versicherer bzw. der Versicherungsvertrieb an den Bedürfnissen der Kunden und stellen diese in den Mittelpunkt ihres Handelns und die berechtigten Interessen und Wünsche der Kunden über das Provisionsinteresse der Vertriebe.222 Indes zielen diese Vorgaben in erster Linie auf die Kommunikation mit dem Kunden ab. Problematischer als die grundsätzliche Existenz von Schutz- und Rücksichtnahmepflichten des Versicherers scheint daher deren Auswirkung auf die Regulierung. Zwar kann vor dem Hintergrund der angesprochenen Vorgaben eine Pflicht des Erstversicherers zur Wahrung des Interesses des Versicherungsnehmers angenommen werden. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass dem Versicherer eine bestimmte Art der Regulierung auferlegt wird – auch wenn verschiedentlich verlangt wird, der Versicherer solle nicht zögern, kulant zu sein.223 II. Auswirkungen der Schutzpflichten des Erstversicherers auf die Rückversicherung Wenn sich der Erstversicherer hiernach gegenüber dem Versicherungsnehmer redlich verhalten muss, andererseits nur eine ordnungsgemäße Geschäftsführung des Erstversicherers den Rückversicherer zur Folge verpflichtet, bleibt abschließend die Frage bestehen, welcher Bezugspunkt für die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung gilt. Vertreten wird für die Rückversicherung, der Erstversicherer dürfe mit Dritten (beispielsweise Banken oder Maklern) und auch mit dem Versicherungsnehmer in seinem Erstversicherungsvertrag keine Vereinbarung zulasten des Rückversicherers treffen. 224 Besteht der Rückversicherungsvertrag bereits vor dieser Vereinbarung, ließe sich diese Konsequenz aus dem Verbot eines Vertrages zulasten Dritter ableiten. Unabhängig von der Frage, ob der Rückversicherungsvertrag vor dem konkreten Erstversicherungsvertrag oder nach diesem abgeschlossen wird, ist diese Aussage indes nur aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse für vertragliche Vereinbarungen zutreffend. Mithin ist das moderne Versicherungsrecht, wie soeben aufgezeigt, vielfach von, für den Erstversicherer zwingenden, versicherungsvertragsrechtlichen Vorschriften geprägt. Ein auch für den Rückversicherer potentiell nachteilhafter Effekt ist hierdurch nicht ausgeschlossen.
221 Bis Oktober 2018 sind insgesamt 231 Unternehmen beigetreten; anlässlich der Umsetzung der IDD in deutsches Recht hat die Mitgliederversammlung des GDV eine Anpassung und Überarbeitung des Kodex beschlossen, die allerdings die grundsätzlichen Inhalte nicht verändern soll, GDV, Verhaltenskodex für den Vertrieb. 222 Siehe im Einzelnen Reusch, VersR 2015, S. 1197 (1200). 223 Vgl. Raiser, VersR 1967, S. 312 (314). 224 Lüer/Schwepcke/Witthoff, Rückversicherungsrecht, § 15 Rn. 9.
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Die Pflichten des Erstversicherers zum Schutz des Versicherungsnehmers zeichnen ein geteiltes Bild. Wenn auch nicht umfängliche Schutzpflichten bestimmte Arten der Regulierung vorschreiben, unterliegt der Erstversicherer doch für ihn verpflichtenden Vorgaben. Diese sind zwar nicht unmittelbar für den Rückversicherer verpflichtend, dürfen aufgrund ihres zwingenden Charakters für den Erstversicherer allerdings nicht durch die Rückversicherung unterlaufen werden.225 Dies ergibt sich aus den Schutzgedanken, die den Vorschriften des VVG zugrunde liegen, und welche auch über den Gehalt des § 209 VVG hinaus eine gesellschaftliche Wertung erforderlich machen. 226 Diese Vorgaben müssen den Umgang des Erstversicherers mit seinem Versicherungsnehmer in der Weise beeinflussen, dass er sich neben diesen Interessen im Erstversicherungsverhältnis nicht zum Anwalt der Interessen des Rückversicherers aufschwingt. Diese Folge stünde aber zu befürchten, wenn eine eng gefasste Folgepflicht in der Rückversicherung übersteigerte Anforderungen an den Erstversicherer stellt.227 Wenn dies den Erstversicherer davon abhält, kulant zu regulieren, ist hiergegen prima facie nichts einzuwenden. Ist die Folgepflicht jedoch zu eng gefasst, wird sich der Erstversicherer nicht nur nicht kulant zeigen, sondern kann hierdurch in seinem ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb eingeschränkt sein.228 Zudem hat das moderne, professionelle Versicherungsunternehmen üblicherweise229 eine Stellung inne, die es ihm erlaubt, die Regulierung zum erheblichen Nachteil des Versicherungsnehmers zu gestalten. Diese Disparität betrifft nicht nur Bereiche, in denen die größten Versicherungsunternehmen als einzige Marktteilnehmer Deckung für ein bestimmtes Risiko bieten. Auch trifft sie auf den gewöhnlichen Versicherungsvertrag zu, bei welchem der Versicherungsnehmer in aller Regel nicht die versicherungsrechtlichen Kenntnisse bzw. die Übung mit der Regulierung vorweisen kann und der Willkür des Erstversicherers auch aufgrund kostenintensiver Rechtsverfolgung zu einem gewissen Grad schutzlos ausgeliefert ist. Gegen diese These ließe sich einwenden, dass der Erstversicherer im Fall nicht bestehenden Rückversicherungsschutzes erst recht Getriebener eigener ökonomischer Zwänge ist. Im Unterschied zu dieser Fallkonstellation ist der Einfluss des Rückversicherungsvertrages auf die Erstversicherung bereits schon als unzulässige Einflussnahme zu werten, wenn er die Regulierung des Erstversicherers in einer für den Versicherungsnehmer negativen Art und
225 Vgl. sogar für das US-amerikanische Recht, welches insoweit als weniger einschneidend zu werten ist, Amer, Reinsurance Mass Tort Settlements, S. 2 f. 226 Vgl. Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 102. 227 Hierzu sogleich im Rahmen der Auswirkungen auf die Rückversicherung. 228 So bereits Wörner, Der Rückversicherungsvertrag, S. 31. 229 D.h. diese Disparität kann in Fällen der Industrieversicherung mit sehr großen Unternehmen als Versicherungsnehmer nicht gegeben sein.
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
Weise beeinflusst. Es spielt zudem keine Rolle, ob der Rückversicherungsvertrag oder der Erstversicherungsvertrag zuerst geschlossen wurde, da der gesetzliche Schutz des Versicherungsnehmers dazu führt, dass sich der Erstversicherer diesen Verpflichtungen weder vor- noch nachträglich entziehen kann. Gleiches gilt für den Fall, dass der Erstversicherer seinen Versicherungsnehmer ausdrücklich über bestehenden Rückversicherungsschutz und damit einhergehende Interessen des Rückversicherers informiert. Festzuhalten ist daher, dass der Erstversicherer in seiner Geschäftsführung (d.h. in seiner Regulierung) jedenfalls nur »so wenig wie möglich« beschränkt werden darf.230 Für die Rückversicherung muss somit Folgendes gelten: Die konkreten Anforderungen an die Regulierung des Erstversicherers von Seiten des Erstversicherungsvertragsrechts hängen zwar maßgeblich von den konkreten Umständen, mithin in Bezug auf Gleichbehandlungsaspekte gar von dem jeweiligen Versicherungszweig ab. Es kann sich hieraus demnach keine ubiquitäre Handlungsmaxime für Erst- und Rückversicherer ableiten. Grundsätzlich sind die Vorgaben des Erstversicherungsvertragsrechts aber für den Erstversicherer nicht nur zwingend, sondern führen auch dazu, dass er an der Einhaltung dieser zwingenden Vorgaben nicht – und auch nicht mittelbar – gehindert werden darf. Für die Folgepflicht des Rückversicherers ergibt sich daraus ein Vorbehalt der Erstversicherung. Im Einzelnen kann sich der Rückversicherer somit nicht darauf berufen, dass der Erstversicherer dem Versicherungsnehmer in seiner Regulierung entgegengekommen ist, wenn dieses Entgegenkommen die Erfüllung einer versicherungsvertragsrechtlichen Pflicht darstellt. Auch hieraus ergibt sich, in Fortführung der Ergebnisse aus Kapitel 4, die Ablehnung des Ausschlusses der Folgepflicht bei lediglich einfach-fahrlässig nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung. Der Erstversicherer liefe anderenfalls bei jeder Regulierung Gefahr, seinen Rückversicherungsschutz zu verlieren.231 Im Ganzen ist hierin also jedenfalls eine Bestätigung der bisherigen Ergebnisse zu sehen.
230 So im Ergebnis auch Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 40. 231 So bereits Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 115 f., demzufolge es im umgekehrten Fall »mit aller ›Culanz‹ zu Ende« sei. Und weiter dort malerisch: »[E]r würde immer die fatale Haftpflicht für jedes Versehen wie ein drohendes Schwert über seinem Haupt hängen haben, und statt als ein culanter Geschäftsfreund würde er sich seinem Versicherten als ein Shylok des Rechts erweisen«.
E. Auswirkungen gesetzlicher Verpflichtungen des Erstversicherers
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1. »Neutrale Irrelevanz« des Rückversicherungsschutzes Wie verhält es sich aber mit dem Grundsatz, »der Erstversicherer habe sich so zu verhalten, wie er sich verhalten würde, wenn er keinen Rückversicherungsschutz hätte«?232 Danach darf die Regulierung durch den Erstversicherer durch die Rückversicherung selbst nicht beeinflusst werden, der Erstversicherer muss daher regulieren, als ob er sämtliche Kosten aus eigenen Mitteln bestreiten müsste: »The phrase is not meant literally in that the reinsured is, of course, aware that it has purchased reinsurance and may legitimately consider the existence of reinsurance in structuring its business operations. However, as respects an individual claim or loss, the reinsured should administer the matter as if any payments for defense costs, settlements, or judgments would be made from the reinsured’s own funds. Under this standard, the reinsured is not only incentivized to defend claims vigorously if justified, but also to resolve matters economically when compromise is justified by the merits of the claim.«233
Diese Maßgabe wurde vereinzelt auch in die vertragliche Folgepflichtklausel aufgenommen, so beispielsweise bei Pfeiffer: »1.3. Geschäftsführung, Folgepflicht: Die Geschäftsführung obliegt uneingeschränkt dem Zedenten. Er hat dabei so zu handeln, wie ein Versicherer handeln würde, der nicht rückversichert ist. Insoweit ist der Rückversicherer an alle Handlungen und Unterlassungen des Zedenten gebunden.«234
Der Grundsatz könnte zur Begründung hoher Anforderungen an das Greifen der Folgepflicht herangezogen werden – so beispielsweise auch der Ausschluss der Folgepflicht bei Ex-Gratia-Leistungen. Wenn sich der Erstversicherer so verhalten soll, wie er sich verhalten würde, wenn er keinen Rückversicherungsschutz hätte, ist damit zunächst neutral eine Irrelevanz des Rückversicherungsschutzes statuiert, die bereits aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse nicht in Abrede gestellt werden soll. Gezweifelt werden darf aber an der Auslegung dieses Grundsatzes, der in der rückversicherungsrechtlichen Literatur durchweg in eine zurückhaltende Regulierungspraxis durch den Erstversicherer münden soll. Im Ergebnis ist damit eine Regulierungspraxis verbunden, die sich für den Versicherungsnehmer neutral oder sogar zu seinen Ungunsten auswirkt. Dieser Einseitigkeit der Interpretation des Grundsatzes ist allerdings nicht zu folgen, hätte sie doch zur Folge, dass der bei einem rückversicherten Erstversicherer versicherte Versicherungsnehmer schlechter gestellt sein könnte 232 Bereits Benecke, System des Assekuranz- und Bodmereiwesens I, S. 285; auch Art. 2.4.2 PRICL (C2): »The principle of utmost good faith requires that the reinsured behaves in the same manner as it would if there were no reinsurance in place and all defense expenditures or claims payments were made from the reinsured’s own funds«. 233 Art. 2.4.2 PRICL (C2). 234 So die wortgleichen Beispiele für die proportionale und die nicht-proportionale Rückversicherung bei Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 85, 98.
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
als der bei einem nicht-rückversicherten Erstversicherer versicherte Versicherungsnehmer. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass ein diese Differenzierung möglicherweise rechtfertigender Durchgriff des Versicherungsnehmers auf den Rückversicherer nicht zulässig ist. Eine unterschiedliche Behandlung der Versicherungsnehmer ist daher auch in dieser Hinsicht nicht angezeigt. Ebenso unbedingt liest sich bereits die Formulierung in § 2020 Teil 2 ALR 1794, wonach die »Rechte und Verbindlichkeiten zwischen dem ersten Versicherer und Versicherten, […] durch die Rückversicherung in nichts geändert« werden.235 Dem Grundsatz ist somit vor dem Hintergrund der Gesamtheit der Schutzpflichten des Erstversicherers gegenüber seinem Versicherungsnehmer auch die Aussage zu entnehmen, dass eine den Erstversicherer von einer dem Versicherungsnehmer entgegenkommenden Regulierung abhaltende Interpretation der Folgepflicht diesem Grundsatz widerspräche. Er impliziert, dass der Erstversicherer auch in einer solchen Regulierung trotz des Rückversicherungsschutzes unabhängig bleiben soll. Die Regulierung des Erstversicherers muss sich vielmehr an den konkreten an sie gerichteten Bedürfnissen des Versicherungszweigs bzw. der -sparte orientieren können.236 Der Erstversicherer darf also nicht durch negative Auswirkungen im Rückversicherungsverhältnis in seiner Regulierung im Erstversicherungsverhältnis gehemmt werden.237 2. Konsequenz: mittelbarer Durchgriff des Versicherungsnehmers? Wenn die Rückversicherung die Befolgung von Vorgaben des Erstversicherungsvertragsrechts nicht für den Versicherungsnehmer nachteilig beeinflussen darf (Vorbehalt der Erstversicherung), ist dies auch ein Eingriff in die Vertragsgestaltung der Rückversicherung. Nicht hinnehmbar ist dieser Eingriff jedoch nur dann, wenn damit unumstößliche Zwecke der Rückversicherung nicht mehr erreicht werden können. Fraglich ist, ob dieser Vorbehalt der Erstversicherung zu dem Grundsatz des Verbots des Durchgriffs des Versicherungsnehmers auf den Rückversicherer in Widerspruch steht. Dieser Grundsatz ist nicht erst eine Erscheinung moderner Rückversicherung, sondern lässt sich neben gesetzgeberischen Versuchen vor dem 20. Jahrhundert und Einlassungen des historischen VVG-Gesetzgebers238 als Grund235 Abgedruckt in Hattenhauer, ALR 1794, S. 525; darüber hinaus als Hinweis auf eine weitreichende Folgepflicht des Rückversicherers zu verstehen § 2021 Teil 2 ALR 1794: »Eben so wenig ändert sich das Verhältniß des ersten Versicherers gegen seinen Rückversicherer, wenn jener, ohne Genehmigung des letztern, sich mit seinem Versicherten über das bey entstandenem Unglücksfalle zu vergütende Quantum vergleicht«. 236 Bostelmann, ZVersWiss 1977, S. 569 (692). 237 So auch Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 240; für das US-amerikanische Recht Amer, Reinsurance Mass Tort Settlements, S. 2 f. 238 Motive zum VVG 1908, S. 245 f.
E. Auswirkungen gesetzlicher Verpflichtungen des Erstversicherers
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these der Rückversicherung bis auf die Anfänge der Rückversicherung zurückführen.239 Dieses Prinzip greift selbst dann, wenn der Erstversicherer zahlungsunfähig oder gar insolvent ist, da die Rückversicherung der dauernden Leistungsfähigkeit des Erstversicherers dient und gerade nicht der Anspruchssicherung des Versicherungsnehmers.240 Auch diese Untersuchung schließt sich diesem Befund vor dem Hintergrund der Intentionen der Rückversicherungsvertragsparteien im Vergleich zur Mitversicherung, bei welcher der Versicherungsnehmer gerade einzelne (nicht-gesamtschuldnerische) Ansprüche gegen alle Mitversicherer hat,241 an. Dieser Grundsatz steht jedoch nicht in einem Konkurrenzverhältnis zu der Erkenntnis des Vorbehalts der Erstversicherung. Das Verbot eines Durchgriffs des Versicherungsnehmers auf den Rückversicherer ist insofern und in Kohärenz mit den hierzu vertretenen Meinungen in einem engeren Sinn zu verstehen. Lediglich die Geltendmachung des Leistungsanspruchs, der gegenüber dem Erstversicherer besteht, gegenüber dem Rückversicherer wird hierdurch ausgeschlossen. Der Grundsatz kreiert allerdings keine Einschränkung betreffend die Regulierung des Erstversicherers selbst – bzw. in Bezug auf zwingende Grenzen der Folgepflicht des Rückversicherers. 3. Konkrete Folgen für die Rückversicherung Die Rückversicherung ist keine von den Zwecken von Versicherung losgelöste Erscheinung. Vielmehr soll die Rückversicherung in erster Linie die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen gewährleisten – dies gilt nicht erst als Prämisse des Versicherungsaufsichtsrechts, sondern ist in leicht abgewandelter Form ebenso Motiv des Versicherungsvertragsrechts.242 Dies bedeutet nicht bereits einen Durchgriff des Versicherungsnehmers auf den Rückversicherer, wohl aber eine zwingende Berücksichtigung der vertragsrechtlichen Vorgaben zum Schutz des Versicherungsnehmers auch in der Rückversicherung. Dies hat zur Folge, dass die Rückversicherung die Position des Versicherungsnehmers jedenfalls nicht beeinträchtigen und auch nicht nur gefährden darf.243 Auch die Ausgestaltung der Folgepflicht ist diesen Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Sie darf daher auch nicht mittelbar dazu führen, dass sich der Erstversicherer gegenüber seinem Versicherungsnehmer anders verhält, als er es ohne Rückversicherung täte. Nicht nur darf sich der Erstversicherer daher Siehe diese Ausführungen auf S. 67 ff. Bereits Motive zum VVG 1908, S. 245 f. 241 Ohne hierdurch jedoch eine Gesamtschuldnerschaft (§ 421 BGB) zu begründen, Lüer/ Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 128. 242 So bspw. auch durch den historischen VVG-Gesetzgeber, siehe Motive zum VVG 1908, S. 245 f.; vgl. Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 173. 243 Auch Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (insb. 401 ff.). 239 240
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
nicht zum Nachteil des Rückversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer anders verhalten. Auch darf die Rückversicherung nicht dazu führen, dass sich der Erstversicherer sich zum Nachteil des Versicherungsnehmers anders verhält. Im Ganzen ergibt sich hieraus eine »neutrale Irrelevanz« des Rückversicherungsschutzes. Dies bedeutet im Besonderen die Beachtung der Schutzvorschriften zugunsten des Versicherungsnehmers, die für den Erstversicherer auch im Fall der Rückversicherungsnahme zwingend ausgestaltet sind. Für die Folgepflicht des Rückversicherers muss daher gelten, dass dessen Bindung an die Entscheidungen des Erstversicherers nicht schon deshalb entfallen kann, weil Letzterer die Interessen seines Versicherungsnehmers wahrnimmt. Und mehr noch ergibt sich hieraus ein Vorbehalt der Erstversicherung. Hierin ist zusätzlich zu der Qualifizierung von Geschäftsführungsrecht und Folgepflicht als ergänzender Handelsbrauch eine Bestätigung dieser Grundsätze zu sehen.
F. Ergebnis: Wertungen für den Maßstab der Sorgfaltspflicht »Salus populi suprema lex esto.«*
Aus diesen Ausführungen lässt sich freilich nicht ableiten, dass der Erstversicherer zur »Kulanz« gegenüber seinem Versicherungsnehmer verpflichtet ist. Wohl aber bedeutet diese gesetzgeberische Wertung und Ausrichtung des Versicherungsrechts eine Selbstverständlichkeit betreffend den Bezugspunkt der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung. Die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung bezieht sich gerade nicht auf die Zweckmäßigkeit der Regulierung für den Rückversicherer244 – auch wenn diese Aussage mit Forderungen danach verbunden zu sein scheint, der Erstversicherer habe sich so zu verhalten, als wäre er nicht rückversichert. Bezugspunkt der Ordnungsgemäßheit ist unter Zugrundelegung der Schutzpflichten des Erstversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer vielmehr einzig das Erstversicherungsverhältnis. Demnach muss die Geschäftsführung also allein im erstversicherungsrechtlichen Sinn, und nicht etwa im rückversicherungsrechtlichen Sinn, ordnungsgemäß sein, um die Bindung des Rückversicherers auszulösen.245 In der Weise versteht auch Wörner die Funktion des Rückversicherers lediglich als eine Art »Kreditgeber«: Marcus Tullius Cicero, De Legibus 3, 8: »Das öffentliche Wohl soll oberstes Gesetz sein« [Übersetzung d. Verf.]; abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 330. 244 So aber fragwürdig Gerathewohl, der das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers nicht nachvollziehbar auch als Interessenwahrnehmungspflicht gegenüber dem Rückversicherer beschreibt (Rückversicherung Bd. 1, S. 528 f.). 245 So auch Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (401) – sogar in der Weise, dass hierdurch generell eine unfaire Regulierungspraxis befördert wird. *
F. Ergebnis: Wertungen für den Maßstab der Sorgfaltspflicht
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»Der Erstversicherer ist alleiniger Unternehmer seines Betriebs. Ihm gegenüber hat der Rückversicherer nur die Stellung eines Kreditgebers, der partiarisch am Geschäfte des Kreditschuldners, eben des Erstversicherers, beteiligt ist.«246
Darüber hinaus lässt sich diesen Vorgaben eine Aussage in Bezug auf den Maßstab der Ordnungsgemäßheit entnehmen. Um diesen zu bestimmen, scheinen auch die gesetzlichen Vorgaben nicht nur einen rein subjektiven Ansatz zu verfolgen, sondern, wie verschiedentlich gefordert,247 auf die Gewöhnlichkeit der Geschäftsführung in der Erstversicherung abzustellen. Dieser Maßstab der Gewöhnlichkeit darf indes auch nicht, gleichsam durch die Hintertür, dazu führen, dass Wertungen aus der Interessensphäre des Rückversicherers Beachtung finden. Auch ist die Gewöhnlichkeit der Geschäftsführung, d.h. im Regelfall der Regulierung, in der Gewöhnlichkeit für den konkreten Erstversicherer in vergleichbaren Situationen zu sehen. Dies kann jedoch nur als Argumentationsmuster herangezogen werden und nicht selbst Grund für die »Nicht-Ordnungsgemäßheit« sein. Ausgangspunkt dieser Feststellung ist und bleibt der Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt des Erstversicherers. Dieser Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt, den § 277 BGB beispielhaft zum Ausdruck bringt, ist im Sinne der herrschenden Meinung zur Folgepflicht mit der Konsequenz zu verstehen, dass einfache Fahrlässigkeit, auf Basis des Vorgesagten, nicht zu einem Ausschluss der Folgepflicht führen kann. Mehr noch ist daher nicht § 277 BGB als rechtliche Grundlage des Geschäftsführungsrechts des Erstversicherers zu begreifen, sondern lediglich als parallele Beschreibung eines ähnlichen Gedankengangs. Die hierin zum Ausdruck kommende Minimalvorgabe der Sorgfalt (grobe Fahrlässigkeit) ist daher nicht als Mindeststandard für die Rückversicherung anzusehen, sondern als deren Maximalgrenze. Dies ist rechtlich schon deshalb möglich, weil § 277 BGB nur als Wertung des allgemeinen Zivilrechts zur Erläuterung der Geschäftsführung herangezogen wurde. Indes ergibt sich hieraus nicht die Forderung, dass das Versagen der Folgepflicht auch bei einfacher Fahrlässigkeit offenstehen muss. Zwar verstehen auch die Vertreter, welche für die Rückversicherung auf § 277 BGB rekurrieren, diese Bezugnahme in der Weise, dass lediglich grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz folgepflichtausschließend wirken. Der Grund hierfür liegt jedoch nicht schon im konzeptionellen Zuschnitt des § 277 BGB, sondern in der Vorgabe des Erstversicherungsvertragsrechts, den Rückversicherer im Fall einer weniger als grob-fahrlässig nicht-ordnungsgemäßen Geschäftsführung von seiner Folgepflicht zu entbinden. Vielmehr ergibt sich aus dem Vorgesagten, losgelöst von § 277 BGB, eine Maximalgrenze für den Sorgfaltsmaßstab des Geschäftsführungsrechts. Für die weitere Untersuchung muss daher gelten: Wörner, Der Rückversicherungsvertrag, S. 33. So Lösung 3 (S. 125 ff.); wohl wie hier auch Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 49. 246 247
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Kap. 6: Einfluss gesetzlicher nicht-rückversicherungsrechtlicher Vorgaben
Einfache Fahrlässigkeit schließt die Folgepflicht nicht aus – das Gleiche könnte aber ebenfalls für grobe Fahrlässigkeit gelten und bedarf weiterer Evaluierung.
Kapitel 7
Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer Als Bestätigung des integrativen Ansatzes und zur Interessenpriorisierung A. Einführung: Momente der Interessenparallelität »Generally speaking the great majority of contracts were designed to generate an identity of interests for both partners to the reinsurance treaty in the eventual underwriting result.«*
Das Argument der Interessenparallelität zwischen Erst- und Rückversicherer ist bereits im Rahmen der Darstellung der Ansichten zur Folgepflicht1 angeklungen. Dies betrifft grundsätzlich nicht nur die darin vorgestellte Lösung 42, sondern ist Ausfluss einer generellen Sicht auf die Rückversicherung. Demnach seien Rückversicherungsverträge grundsätzlich auf einen Gleichlauf der Interessen der Vertragsparteien ausgerichtet.3 Auch hieraus sollen sich die für die Rückversicherung entscheidenden Grundprinzipien von Folgepflicht und Schicksalsteilung erklären lassen.4 Das Interesse verdeutlicht zudem eine Nähe zu dem verschiedentlich für die Rückversicherung erwogenen Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 ff. BGB), dessen Fremdgeschäftsführungssorgfalt jedoch nicht für die Rückversicherung gelten kann.5 Allgemein gesprochen spiegelt das Interesse die nach objektiven Kriterien zu bestimmende Nützlichkeit aus Sicht eines verständigen Dritten.6 Die besondere Bedeutung des Interesses der Rückversicherungsvertragsparteien für die Folgepflicht ergibt sich aus folgender Überlegung: Liefen die InNeave, The Geneva Papers on Risk and Insurance 1983, S. 185 (190). Siehe Kapitel 4 im Ganzen (S. 103 ff.). 2 Hierzu oben S. 127 ff. 3 Neave, The Geneva Papers on Risk and Insurance 1983, S. 185 (190). 4 Vgl. Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (19) und im Ganzen Neave, The Geneva Papers on Risk and Insurance 1983, S. 185 (185); siehe hierzu oben S. 91 ff. 5 Siehe oben S. 227 ff. 6 Vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 683 Rn. 4. *
1
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
teressen von Erst- und Rückversicherer parallel, könnte auch sämtliche Regulierung des Erstversicherers dem Interesse des Rückversicherers entsprechen. Hierin wäre ein zwingendes Argument für eine unbedingte Folgepflicht des Rückversicherers zu sehen. Indes ist eine derartige Interessenparallelität bereits aufgrund eigener geschäftspolitischer Erwägungen der agierenden Versicherungsunternehmen realitätsfern. Nichtsdestoweniger ist vorstellbar, dass die Vertragsparteien auf jedenfalls vergleichbare Weise an der Regulierung, im positiven, wie im negativen Sinne, partizipieren. Eine solche »Interessenvergleichbarkeit« kann sich aus unterschiedlichen Umständen ergeben. Bedeutsam ist zunächst das abstrakt mit Rückversicherung verfolgte Interesse im Sinne der ihr zugedachten Funktionen. Dies beginnt bereits bei der Frage, aus welchen Motiven der Erstversicherer Rückversicherungsschutz einkauft, denn auch diese sind für die Vertragsauslegung grundsätzlich erheblich (§ 133 BGB). Neben der Wahrung des Interesses der Versicherungsnehmer7 verfolgt der Erstversicherer auch ein eigenes und nicht zuletzt ein Eigentümerinteresse, d.h. die Interessen der Aktionäre der AG bzw. der Mitglieder des VVaG. Diese sind ganz wesentlich auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ausgerichtet. Von einer Interessenparallelität wäre somit dann auszugehen, wenn die ökonomischen Interessen des Erstversicherers den Interessen des Rückversicherers entsprechen. Darüber hinaus kann auf der Makroebene die Vertragsform des Rückversicherungsvertrages relevant werden.8 Die hierunter behandelten Fragestellungen könnten gleichsam unter dem Stichwort der Anwendbarkeit der Folgepflicht adressiert werden. Dieser Einordnung soll jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr soll der potentielle Einfluss unterschiedlicher Vertragsformen auf die Folgepflicht untersucht werden. Dies bedeutet auch, dass die Folgepflicht im Grundsatz als Wesensmerkmal jeder Form und Art von Rückversicherung anzusehen ist. Fraglich bleibt allein, ob durch die üblichen9 Unterteilungen in obligatorische und fakultative sowie proportionale und nicht-proportionale unterschiedliche Grenzen der Folgepflicht angezeigt sind. Verschiedentlich ist die Rückversicherung in die Nähe des Gesellschaftsvertrages gerückt worden – und diese nicht ohne Grund. Erst- und Rückversicherer stehen nicht nur in den Anfängen von Rückversicherung in einem Lager, sondern sind auch heute noch vielfältig miteinander verwoben. Zu fragen ist daher, ob sich diese Beteiligungen an dem Erfolg des Geschäfts des jeweils anderen als beachtenswertes Interesse darstellen, welches die Auslegung der Folgepflicht beeinflusst. Siehe soeben insb. S. 250 ff. Im Überblick Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 697. 9 So die Unterteilungen in der rückversicherungsrechtlichen Literatur, statt vieler Lüer/ Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 263 ff. 7 8
B. Entwicklung der Funktionen von Rückversicherung
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Schließlich muss die Regulierungspraxis des Erstversicherers – dieses Mal im Zusammenspiel mit den Interessen des Rückversicherers – in den Blick genommen werden. Dies betrifft insbesondere die Frage standardisierter Regulierung und der Kenntnis des Rückversicherers von den Regulierungspraktiken des Erstversicherers.
B. Entwicklung der Funktionen von Rückversicherung »Das Interesse denkt nicht, es rechnet. Die Motive sind seine Zahlen.«*
Im Rahmen ihrer historischen Entwicklung musste das Konzept »Rückversicherung« bereits unterschiedlichen Zwecken dienen. Weltkonzerne wie Munich Re, Swiss Re, Berkshire Hathaway Re, Hannover Re und Scor10 sind schon aufgrund ihrer schieren Größe auch der Öffentlichkeit ein Begriff, werden allerdings nicht als Versicherungsunternehmen wahrgenommen, sondern als weltweite Finanzkonglomerate. Auch dem Erstversicherer dient die Rückversicherung heute als Finanzinstrument, mit dem bilanzielle oder liquiditätsrelevante Belastungen über einen längeren Zeitraum ausgeglichen werden.11 Im Gegensatz zu der dieser Untersuchung zugrunde gelegten klassischen Rückversicherung steht im Rahmen dieses alternativen Modells nicht der Transfer des versicherungstechnischen Risikos im Vordergrund. Diese als Finanzrückversicherung bezeichnete, alternative Form der Rückversicherung ist auch aufsichtsrechtlich erst im Fall eines hinreichenden Risikotransfers der klassischen Rückversicherung gleichgestellt (§ 167 I VAG)12 und wird im Übrigen nach den Vorschriften über das versicherungsfremde Geschäft behandelt (§ 167 I 2 Halbsatz 2 VAG). Diese Einordnung ist nicht nur für das sie vorschreibende Versicherungsaufsichtsrecht eine wichtige Weichenstellung, sondern muss aufgrund der Loslösung von der Funktion als Risikotransfer auch für das Vertragsrecht der Rückversicherung Beachtung finden.13 Die Ausführungen dieser Untersuchung beziehen sich daher allein auf * Karl Marx, Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz – von einem Rheinländer, in Rheinische Zeitung Nr. 305 vom 1. November 1842. 10 Die fünf größten Rückversicherer weltweit nach verdienten Nettoprämien im Jahr 2017, Statista, Größte Rückversicherer weltweit. 11 Wagner, Gabler Versicherungslexikon, Stichwort: Finanzrückversicherung, S. 321. 12 Und wird mitunter auch als »echte Rückversicherung« bezeichnet, so Prölss/Dreher/ Lange, VAG, § 167 Rn. 11. Näher konkretisiert wird die Frage danach, in welchem Fall ein hinreichender Risikotransfer gegeben ist, durch die Verordnung über Finanzrückversicherungsverträge und Verträge ohne hinreichenden Risikotransfer (Finanzrückversicherungsverordnung – FinRVV), die in § 4 als Risikotransfertest im Detail beschrieben werden. 13 Sie erfährt im Versicherungsaufsichtsrecht gleichwohl eine Regelung, allerdings aufgrund ihrer Missbrauchsanfälligkeit, Prölss/Dreher/Lange, VAG, § 167 Rn. 3; bereits vor
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
die klassische Rückversicherung – die Finanzrückversicherung bleibt hingegen außer Betracht. I.
Die Rückversicherung als eine Form des Risikotransfers
Die Beweggründe für den Abschluss eines Rückversicherungsvertrages sind letztlich immer ökonomischer Natur, unterscheiden sich jedoch im Laufe der Entwicklung der Rückversicherung bis hin zu ihren heutigen Ausprägungen in Bezug auf die an sie gerichteten Zwecke. Das »Inrückversicherunggeben« von – auch spartenübergreifenden – Versicherungsbeständen war nicht schon in den Anfängen der Rückversicherung gängige Praxis. Es ging weniger um die Menge der Risiken als um die Höhe eines Einzelrisikos. Wie am bereits erörterten Beispiel des genuesischen Rückversicherungsvertrages von 1370 deutlich wurde, war das Hinzuziehen von Rückversicherern auf die Bedenken des Erstversicherers in Bezug auf das Risiko einer Teilstrecke zurückzuführen.14 Instruktiv zur laienhaft anmutenden Motivsammlung eines frühen Erstversicherers sei auf die Interpretation und Übersetzung eines Abschnitts des Guidon de la Mer15 verwiesen: »Hierin wird es als zulässig bezeichnet, daß sich ein Versicherer zu einem höheren oder niedrigeren Preis rückversichert, falls er nach dem Abschluß einer Versicherung Reue empfindet, Furcht bekommt oder für das betreffende Schiff keine Versicherung mehr übernehmen will. Da sich der Versicherer in diesem Fall ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nicht von seiner Verpflichtung befreien kann, bleibt ihm die Möglichkeit, bei einem anderen Versicherer Versicherungsschutz zu suchen.«16
Gerathewohl bezeichnet diese Motive als verständlich in Anbetracht der Gefahren der See und Piraterie sowie die noch nicht hinreichenden Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung.17 Gleichzeitig wird hieraus aber auch die Problematik des Erstversicherers deutlich, der das übernommene Risiko mangels statistischer Erfahrungswerte und versicherungstechnischer Möglichkeiten der Solvency II-Gesetzgebung erfuhr sie eine gesonderte Behandlung, Kößler, Die Versicherungsaufsicht über Rückversicherungsunternehmen, S. 175 f. 14 Siehe ausführlich S. 63 ff.; auch Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 15; Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 690. 15 Dort heißt es im Originaltext: »S’il advient que les asseureur ou aucuns d’eux, aprés avoir signé en quelque police, se repentent, ou ayent peur, ou ne voudroient addeurer sur tel navire, il sera en leur liberté de se faire reassurer par d’autres, soi en plus grand ou moindre prix: Mais pour dela ne se pourra desobliger que le chargeur me s’adresse directement á eux, parce qu’ayant par leur seing donné leur promesse, quelques protestations, assignations qu’ils fassent au contraire, ils ne pourront se desobliger sans le consentement de l’asseuré«. Zitiert nach Pardessus, Collection de Lois Maritimes Antérieures au XVIIIe Siècle II, S. 385; für eine Vorstellung über eine denkbare Entstehungsweise des Werks siehe Sinz, Das geteilte Risiko, S. 31 ff., 183 ff. 16 Nach Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 716. 17 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 716.
B. Entwicklung der Funktionen von Rückversicherung
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nicht kalkulieren konnte. Neben diesem spekulativen Element auf Seiten des Erstversicherers,18 welches sich im Abschluss eines Erstversicherungsvertrages äußert, war die Weiterreichung des gefährlichen Teilrisikos an einen Dritten, den Rückversicherer, zentraler Bestandteil der Zweckrichtung des Erstversicherers. Hintergrund der Rückversicherung war daher in erster Linie die Größe bzw. die Nichtkalkulierbarkeit eines Risikos bzw. von Risiken, die der Erstversicherer nicht allein tragen wollte oder auch zur Gänze auf einen Dritten auslagern wollte. Diese spekulative Reputation 19 der Rückversicherung gab zusammen mit der Umgehung verbotener Handelsgeschäfte durch deren Versicherung mittels sog. Prämiendifferenzgeschäfte dem englischen Souverän Anlass, eine »Perversion« insbesondere des Rückversicherungsgeschäfts anzunehmen, und dieses ab dem 1. August 1746 zu verbieten. 20 Dieses Verbot galt mehr als 100 Jahre bis zur Aufhebung am 25. Juli 1864.21 Andere Länder hingegen sahen die Wirksamkeit von Rückversicherungsverträgen ausdrücklich vor, so beispielsweise im Königreich Preußen durch § 2016 Teil 2 ALR 179422 sowie in Antwerpen (seit 1609), Venedig (seit 1705), Hamburg (seit 1731) und Bilbao (seit 1738).23 18 Diese war in der Versicherung im Übrigen Ausdruck eines generellen Pioniergeists, welcher auch im allgemeinen Handel Platz griff, Goldschmidt, Universalgeschichte, S. 368 ff. 19 Diese Reputation entsprach vor dem 18. Jahrhundert aufgrund der nur geringen versicherungstechnischen Möglichkeiten sicherlich den tatsächlichen Begebenheiten, Sack, Die deutsche Rückversicherung in der Entwicklung, S. 72 f.; zu den im höchsten Maße divergierenden Anschauungen der Versicherung und der Loslösung des Versicherungsgedankens von religiösen Vorverurteilungen instruktiv Arps, Auf sicheren Pfeilern, S. 15 ff. 20 Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 46 f., 75; der Text dieser ersten gesetzlichen Regelung (Marine Act of 1745, 19 Geo. 2 c. 37) betreffend das englische Seeversicherungsrecht war erstaunlich kurz und soll zur Veranschaulichung der Erwägungen hier auszugsweise wiedergegeben werden: »[…] That from and after the first Day of August one thousand seven hundred and forty-six, no Assurance or Assurances shall be made by any Person or Persons, Bodies Corporate or Politick, on any Ship or Ships belonging to his Majesty, or any of his Subjects, or on any Goods, Merchandizes or Effects laden or to be laden on Board of any such Ship or Ships, Interest or no Interest, or without further Proof or Interest than the Policy, or by way of Gaming or Wagering, or without Benefit of Salvage to the Assurer; and that every such Assurance shall be null and void to all Intents and Purposes« [Herv. d. Verf.]. 21 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 726; Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/ P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 691; Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 16. 22 Abgedruckt in Hattenhauer, Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794, S. 525. 23 Siehe auch Carter/Lucas/Ralph, Carter on Reinsurance Bd. 1, S. 12, die diesbezüglich König Louis XIV. zitieren, der noch 1681 erklärte, dass es gerade erlaubt sein sollte, das versicherte Risiko bei einem anderen Versicherer in Rückversicherung zu geben; hierzu auch Golding, A History of Reinsurance, S. 28 f.
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
Das Verbot in England blieb allerdings nicht ohne Kritik. So wurde unter anderem angemerkt, dass man den Missbräuchen auch durch eine Einschränkung der Rückversicherung hätte begegnen können, um Spekulationsgeschäfte auszuschließen.24 Da die trotz Verbots geschlossenen Rückversicherungsverträge als null and void anzusehen waren,25 hing die Leistung des Rückversicherers aufgrund fehlender Verpflichtung hierzu von der »Ehrenhaftigkeit des Rückversicherers« ab.26 Rückversicherungen wurden zwar auch unter diesen Umständen geschlossen,27 in der Folge ging man jedoch in großer Zahl zu anderen Möglichkeiten, der Größe und Nichtkalkulierbarkeit von Risiken zu begegnen, über. Dies verdeutlicht die sich an dieses Verbot in England anschließende Entwicklung hin zur Mitversicherung. 28 Rückversicherungsverträge weisen bereits in den ersten als solche qualifizierten Verträgen eine große Nähe insbesondere zu dieser Form des Risikotransfers auf.29 Die Mitversicherung ist ebenso ein Instrument des Risikotransfers.30 Anders als die Rückversicherung, die durch die nachgelagerte Verteilung der Risiken auf einen Dritten diesen nicht in das Erstversicherungsverhältnis einbindet und durch die Bündelung möglichst unabhängiger Risiken zu einer Risikostreuung führt, setzt die Mitversicherung bereits auf primärer Ebene des (Erst-)Versicherungsverhältnisses an.31 Der Versicherungsnehmer schließt hierzu mit den einzelnen Mitversicherern rechtlich selbstständige, durch das gemeinsame Interesse aber rechtlich verbundene Verträge.32 In Abhängigkeit von der Offenlegung gegenüber dem Versicherungsnehmer und der Frage, welche/r Mitversicherer originärer Vertragspartner ist/sind, wird von offener und verdeckter Benecke, System des Assekuranz- und Bodmereiwesens I, S. 283 f. Nur im Fall der Insolvenz, des Bankrotts oder des Todes des Erstversicherers wurde von diesem Verdikt abgesehen, Golding, A History of Reinsurance, S. 23; zudem habe sich das Verbot lediglich auf die Seerückversicherung bezogen, dort S. 24. 26 Benecke, System des Assekuranz- und Bodmereiwesens I, S. 284. 27 Golding, The Law and Practice of Reinsurance, S. 3. 28 Auch Jenssen, Die europäische Mitversicherung, S. 34 f.; zu den unmittelbaren Auswirkungen des Verbots Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 6 ff.; selbst die Mitversicherung war jedoch nicht vor der englischen Skepsis gefeit, wurde doch unmittelbar im Anschluss an die Aufhebung des Verbots der Rückversicherung eine Überwachung von Lloyd’s angeordnet. Diesen Zusammenhang sieht auch Sack, Die deutsche Rückversicherung in der Entwicklung, S. 74. 29 Im Einzelnen zur geschichtlichen Entwicklung der Mitversicherung als Form der Aufteilung von Risiken in der Seeversicherung Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 707 ff. 30 Und erreicht damit den gleichen Zweck, so schon Sturm, Die Entwicklung der Mit- und Rückversicherung, S. 32; sie tritt damit in Konkurrenz zur Rückversicherung, siehe Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 5 f. 31 Grundlegend Ehrenberg, Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 5 f. 32 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 128; nach h.M. wird hierdurch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründet, so Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, Vor § 77 Rn. 7 f. und Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, S. 139. 24 25
B. Entwicklung der Funktionen von Rückversicherung
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Mitversicherung gesprochen. 33 Gemein ist beiden Formen allerdings in Abgrenzung zur Rückversicherung, dass der Größe bzw. Unkalkulierbarkeit von Risiken durch eine Risikoteilung mittels Einbindung mehrerer Versicherer begegnet wird.34 Als alternative Form der Bewältigung des Risikotransfers im Fall derartiger Risiken erstaunt es daher nicht, dass das Verbot der Rückversicherung zu einem Aufblühen der Mitversicherung führte.35 Im Gegensatz zur Rückversicherung kann die Mitversicherung auch eine zusätzliche organisatorische Belastung für den Versicherungsnehmer bedeuten, wenn er sich um die Einholung der Mitversicherer kümmern muss.36 Auch dieser Umstand kann als Grund für das Erstarken des internationalen Versicherungsmarkts Lloyd’s angesehen werden, der der Mitversicherung ein organisatorisches Kleid zu geben vermochte.37 Durch die Partizipation ihrer einzelnen Mitglieder konnten so auch große Risiken gezeichnet werden, die – ohne Rückversicherung – die Kapazitäten einer einzelnen Versicherungsgesellschaft bzw. eines Versicherungskaufmanns überstiegen hätten. Das initiale Motiv, höhere Risiken durch eine Erhöhung der eigenen Zeichnungskapazität versichern zu können, gilt nicht nur für die Mitversicherung, sondern auch für die Rückversicherung.38 Noch 1827 führt Bernecke aus: »Der Versicherer erlangt durch Uebernahme der Gefahr ein gewisses Interesse an dem Gegenstande der Versicherung, obgleich er kein Eigenthumsrecht daran hat. Treten nun Umstaende ein, die es ihm rathsam machen, sich einer übernommenen Gefahr ganz oder zum Theil zu entledigen, wenn er etwa durch Versehen auf ein Schiff oder in einer Gegend mehr versichert hat als er vermöge seines Fonds billig thun sollte, so berechtigt ihn sein, durch die Versicherung erworbenes, Interesse, die Gefahr einem andern zu übertragen, oder sich reassekurieren zu lassen.«39
Dieser Beweggrund zum Abschluss eines Rückversicherungsvertrages ist – wenn auch nicht als einziges oder Hauptmotiv – heute noch Motiv des Erstversicherers.
33 Siehe auch zu den Hintergründen Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, S. 1 f. 34 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 128. 35 Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 691. Dies ändert nichts an dem Umstand, dass die Mitversicherung bereits als »frühe Entwicklungsstufe des Versicherungswesens« bezeichnet wurde, so Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 4. 36 Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 4. 37 Im Ganzen Burling, Lloyd’s Law and Practice; zur Geschichte von Lloyd’s illustrativ Lloyd’s, Corporate History. 38 Siehe den Fall La Roche beschrieben bei Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 71, 74. 39 Benecke, System des Assekuranz- und Bodmereiwesens I, S. 282.
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
II. Professionelle Rückversicherer und die Atomisierung von Risiken Parallel zu den Entwicklungen in England setzte im Bereich der Rückversicherung im 17. und 18. Jahrhundert eine Professionalisierung der Marktteilnehmer ein.40 Dies ist zum einen anhand der aus dieser Zeit stammenden Literatur und Rechtsprechung festzustellen, die ob ihrer schieren Zahl einen Rechtsrahmen für die Rückversicherung lieferten. 41 Die Bezeichnung als »professionelles Rückversicherungsunternehmen« bezieht sich jedoch in erster Linie auf die gesteigerte Selbstständigkeit der Rückversicherer. Rückversicherungsgeschäft wurde zuvor lediglich von den bereits etablierten (Erst-)Versicherungsunternehmen mitgezeichnet.42 Professionelle Rückversicherungsunternehmen gründeten sich im Anschluss zunächst als Tochtergesellschaften von Versicherungsunternehmen.43 So entwickelten sich zusehends insbesondere deutsche, selbstständige Rückversicherungsgesellschaften, darunter bereits 1846 die Kölnische Rückversicherungs-Gesellschaft, und anschließend weitere unabhängige Gesellschaften wie die Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft (heute: Munich Re) 188044 und die Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft (heute: Swiss Re). Sie wurden rasch zu Weltmarktführern45 und entwarfen den ersten deutschen Rückversicherungsvertrag im Jahr 1829. Bereits dieser enthielt eine Schiedsklausel,46 die sich zu diesem Zeitpunkt wohl noch primär durch die vorherige gesellschaftsrechtliche Nähe zwischen Erst- und Rückversicherer erklärt. Motive für diese Phase der Verselbstständigung sind in der Stärkung des eigenen Interesses, der Abwehr fremden Einflusses und der Kostenersparnis auf Basis einheitlicher Verwaltung zu sehen.47 Auch für den Erstversicherer ergab sich hieraus erst die tatsächliche Auslagerung des wirtschaftlichen Risikos, da hierdurch ein rechtlich selbstständiger Dritter die die Zeichnungskapazität übersteigenden Risiken trug.48 Darüber hinaus gab man seit 1821 auch ganze Versicherungsbestände in Rückversicherung und nicht lediglich einzelne Groß- oder Teilrisiken.49 40 Im Ganzen zur Entstehung professioneller Rückversicherer Cruciger, Die Praxis der Rückversicherung, S. 31 ff.; van der Haegen, Der internationale Rückversicherungsmarkt, S. 34 ff.; Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 78 ff. 41 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 723. 42 van der Haegen, Der internationale Rückversicherungsmarkt, S. 34. 43 J. von Gierke, Versicherungsrecht Bd. 2, S. 372; Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/ P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 691. 44 Deren Gründung auch als »Markstein in der Entwicklung der Rückversicherung« bezeichnet wurde, so Cruciger, Die Praxis der Rückversicherung, S. 36. 45 Bereits zu Beginn des Ersten Weltkriegs, so Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 16 f. 46 Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 691. 47 Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 691. 48 Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 691. 49 Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 16.
B. Entwicklung der Funktionen von Rückversicherung
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Diese Entwicklungen stehen in engem Zusammenhang mit den verbesserten Möglichkeiten der Risikokalkulation sowie der zunehmenden Größe der versicherten und rückversicherten Risiken. Dies beeinflusste auch die Weiterentwicklung der an die Rückversicherung gerichteten Zwecküberlegungen und deren technische Komplexität im Vergleich zur Erstversicherung50. Neben der Erhöhung der Zeichnungskapazität und der dadurch möglich gemachten Tragung größerer Risiken wurde die Rückversicherung nun als Instrument der planmäßigen Risikoteilung bzw. der Atomisierung von Risiken begriffen. 51 Diese Methodik lässt sich auch mit »Diversifikation« überschreiben und setzt voraus, dass rückversicherte Schäden nicht gleichzeitig durch den Eintritt eines zufälligen Ereignisses ausgelöst werden (sog. Kumulrisiken).52 Dieser Wandel weg von der bloßen Weitergabe gefährlicher bzw. nicht tragbarer Risiken hin zu der Bündelung und damit Atomisierung von Risiken zeichnete sich bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ab.53 Dies hatte auch Auswirkung auf die Form der Rückversicherung, die im Gegensatz zu der zuvor ausschließlich verwendeten fakultativen Form54 nun auch als obligatorische Rückversicherung offeriert wurde.55 Die Rückversicherung entwickelte sich hierdurch auch zu einer Deckung des Katastrophen- und Großschadenrisikos, die erst durch die geschickte Allokation der Risiken und deren weltweite Belegenheit zu dem großen Vorteil der Rückversicherung wurde.56 Rückversicherung dient daher auch der Abmilderung der zufälligen Effekte, so beispielsweise die unwahrscheinliche Anhäufung von Schadensereignissen oder unwahrscheinlich hohe Schadenssummen.57 Dies führte aber nicht zu einer Abkehr von dem ursprünglichen Motiv der Erhöhung der Zeichnungskapazität, sondern zu einer Pluralität von rückversicherungsspezifischen Zwecken. 58 Spätestens seit dem 20. Jahrhundert steht allerdings die Atomisierung von Risiken im Vordergrund und ist gerade Wedge, Insurance and Reinsurance Run-Off, S. 9. So bspw. Jahn, Studien über Rückversicherung und deren Statistik, S. 5 f. 52 Der Diversifikationseffekt selbst hängt von der Korrelation, d.h. der gegenseitigen Beeinflussung, ab, siehe zur Theorie Kussmann, in Krummaker/von der Schulenburg, Versicherungsnachfrage, S. 253 (269 f.), wobei ein Wert von -1,0 bedeute, dass beide Risiken vollständig negativ korrelieren, und +1,0 bedeute, dass sie vollständig voneinander abhängig sind. 53 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 725; Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 70, 71 ff. 54 Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (357). 55 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 80 f. und Golding, The Law and Practice of Reinsurance, S. 3. Siehe hierzu sogleich S. 273 ff. 56 Eindrücklich zum Begriffspaar Großschaden und Katastrophe P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (149 ff.). Im Weiteren Riley, The Nuts and Bolts of Reinsurance, S. 1 f. zu hieraus entstehenden Solvabilitätsproblematiken für das Versicherungsunternehmen. 57 Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 107. 58 Zusammenfassend zu den Zwecken der Rückversicherung Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 5 ff. 50 51
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
die Leistung, welche ein kleineres Erstversicherungsunternehmen bei großen Einzelrisiken nicht selbst erbringen kann.59 III. Bedeutung der Rückversicherung aufgrund aufsichtsrechtlicher Vorgaben Um größere Risiken bzw. mit vermeintlich untragbaren Risiken behaftete Portefeuilles tragen zu können, könnte der Erstversicherer auch Eigenkapitalmittel oder Rücklagen vorhalten.60 Zur Rückversicherungsnahme führt hier der Umstand, dass der Erstversicherer »das Geschäft so zeichnen muß, wie er es bekommen kann« und erst durch die Rückversicherungsnahme untragbare Risiken herausgefiltert werden.61 Für den Erstversicherer kommt zum »technischen Moment« der Atomisierung von Risiken daher auch ein kaufmännisches Moment im Sinne der »Verbesserung seiner Gewinn- und Verlustrechnung« hinzu.62 Für den Rückversicherer gelten diese Motive ebenfalls (dann bezogen auf die Retrozession); allerdings ist die Rückversicherung hier gänzlich Unternehmensgegenstand, weshalb die Gewinnerzielung im Vordergrund steht.63 Zusätzlich zur Erhöhung der Zeichnungskapazität und der Atomisierung von Risiken ist die Rückversicherung also mit dem Aufkommen regulatorischer, d.h. insbesondere versicherungsaufsichtsrechtlicher Erfordernisse auch für deren Erfüllung von Bedeutung für den Erstversicherer.64 In der EU sind die Kapitalvorgaben für Versicherungsunternehmen zuletzt wesentlich durch die Solvency II-Richtlinie verschärft worden.65 Sie wurde in Deutschland zum 1. Januar 2016 durch eine umfassende Reform des VAG umgesetzt.66 Wenn dem Versicherungsunternehmen in diesem Rahmen Vorgaben mit Blick auf dessen Solvenzkapital gemacht werden, stehen nicht nur klassische Anlagefor-
59 Siehe das Rechenbeispiel bei Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 2 ff. 60 Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 106. 61 Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 106 f. 62 Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 6. 63 Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 6 f. 64 Ausführlich Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (366 ff.); auch Fausten, VersR 2017, S. 1057 (1059); ausführlich Liebwein, Klassische und moderne Formen der Rückversicherung, S. 50 f.; Schmitz, Rückversicherung von Elementarrisiken, S. 140 ff., dies gilt nicht nur in Deutschland, siehe Carter/Lucas/Ralph, Carter on Reinsurance Bd. 1, S. 6. 65 Richtlinie 2009/138/EC des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), Abl. EU L 335/1. 66 Versicherungsaufsichtsgesetz vom 1. April 2015 (BGBl. I S. 434), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214), mit Wirkung vom 1. Januar 2018.
B. Entwicklung der Funktionen von Rückversicherung
269
men zur Wahl. Auch die Rückversicherungsnahme fließt als risikobegrenzendes Vehikel des Versicherungsunternehmens in die Bewertung seiner finanziellen Ausstattung ein. Die Bewertung des Rückversicherungsschutzes hängt dabei zunächst von der versicherungsmathematischen Funktion des Versicherungsunternehmens ab. Nach § 31 II 1 VAG muss sie eine Stellungnahme zur allgemeinen Zeichnungs- und Annahmepolitik und zur Angemessenheit der Rückversicherungsvereinbarungen enthalten. Die in diesem Zuge zu evaluierenden »einforderbaren Beträge aus Rückversicherungsverträgen« sind gemäß § 86 I VAG nach Maßgabe der §§ 75 bis 85 VAG zu berechnen.67 Darüber hinaus ist der BaFin im Fall einer Nichtbedeckung der Solvabilitätskapitalanforderung bzw. weitergehend68 der Mindestkapitalanforderung ein Sanierungsplan (§ 134 II VAG) bzw. ein Finanzierungsplan (§ 135 II 1 VAG) vorzulegen. In beiden Fällen ist Gegenstand des zu erarbeitenden Plans auch die »Rückversicherungspolitik insgesamt« (§ 136 I Nr. 5 VAG). Eine (die Selbstbindung der Aufsichtsbehörde begründende) Konkretisierung dieser allgemeinen Vorgaben enthält das MaGo-Rundschreiben 69 der BaFin von 2017, welches die Bedeutsamkeit der Rückversicherungspolitik für die Geschäftsorganisation des Versicherungsunternehmens untermauert. Demnach umfasst die Analyse der Rückversicherungspolitik auch die »Wirksamkeit der Rückversicherungsbedingungen unter Stressbedingungen«. 70 Wenn hiermit auch explizit auf die Bedingungen der Rückversicherung Bezug genommen wird, bleibt der Verweis auf deren Wirksamkeit zunächst auslegungsbedürftig. Richtigerweise ist hierunter jedoch nicht die vertragsrechtliche Wirksamkeit zu verstehen,71 sondern eine Tauglichkeit für die an den Rückversicherungsschutz gerichteten Zwecke im Sinne einer Wirkungsmächtigkeit. Wenn die Rückversicherungspolitik, wie das MaGo-Rundschreiben selbst be-
Nach § 86 II VAG ist bei der Berechnung dieser einforderbaren Beträge auch die zeitliche Differenz zwischen dem Erhalt der Beträge und den Auszahlungen an die Anspruchsteller zu berücksichtigen. Auch der Ausfallwahrscheinlichkeit des Rückversicherers soll gemäß § 86 III VAG Rechnung getragen werden, indem auf den sich daraus ergebenden durchschnittlichen Verlust abgestellt wird (siehe auch zur Basissolvabilitätskapitalanforderung § 100 I 2 Nr. 5 VAG). 68 Zum Verhältnis der Maßnahmen der Aufsichtsbehörde zueinander umfassend Sehrbrock, Die Aufsichtsleiter für Versicherungsunternehmen, S. 1 ff. 69 BaFin-Rundschreiben 2/2017 (VA) – Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen (MaGo) vom 25. Januar 2017, geändert am 2. März 2018. 70 Ziff. 121 MaGo-Rundschreiben. 71 Ausdrücklich Kaulbach/Bähr/Pohlmann/Bähr, VAG, § 298 Rn. 28; vgl. auch Brand/ Baroch Castellvi/Brand, VAG, § 298 Rn. 12; wohl ebenso Prölss/Dreher/Dreher, VAG, § 298 Rn. 120, da er hierunter lediglich die aufsichtsrechtliche Beanstandung mit entsprechenden aufsichtlichen Konsequenzen versteht. 67
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
tont, nur notwendigerweise abstrakt im Rahmen der versicherungsmathematischen Funktion überprüft werden kann,72 so ergibt sich aus dieser Konkretisierung das Erfordernis einer qualitativen73 Einschätzung des Rückversicherungsschutzes. Unabhängig von der Bewertung der Folgepflicht im konkreten Zusammenhang74 resultiert hieraus die aufsichtsrechtliche Bedeutung der Rückversicherung für das Erstversicherungsunternehmen. Der Erstversicherer erhöht somit durch die Rückversicherungsnahme nicht nur aus Eigeninteresse seine Zeichnungskapazität, sondern unternimmt dies auch mit Blick auf die Solvabilitätsvorgaben des Versicherungsaufsichtsrechts und damit gezwungenermaßen mittelbar zugunsten der Versicherungsnehmer. Mehr noch ließe sich vor dem Hintergrund des anderweitig vorzuhaltenden Eigenkapitals argumentieren, dass der Erstversicherer aus betriebswirtschaftlichen, prudentiellen Gründen in die Rückversicherung gedrängt wird. IV. Serviceleistungen des Rückversicherers Mit der Entstehung professioneller Rückversicherer geht deren Spezialisierung und gesteigerter Erfahrungsschatz einher.75 Dem Erstversicherer bietet dieses Know-how76 zusätzliche Vorteile.77 Beispielhaft sind die Bereitstellung statistischer Daten und Auswertungen für spezifische Märkte sowie die Erstellung versicherungsmathematischer Analysen. 78 Zudem kann der Rückversicherer bei der Risikoprüfung vor Erstversicherungsvertragsschluss mitwirken und bei der Schadensverhütung unterstützen. Die Rückversicherung ermöglicht hiermit insbesondere kleineren Erstversicherungsunternehmen eine verbesserte Risikokalkulation und eine effizientere Geschäftsentwicklung – in weiter angelegten Kooperationen bringt der Rückversicherer seine Erfahrung auch in der Personalentwicklung und der Vermittlung von Kooperationspartnern ein. 79 Diese Serviceleistungen sind vermehrt ebenfalls Motiv des Erstversicherers, Rückversicherungsschutz zu suchen, stellen regelmäßig allerdings lediglich
Dies ergibt sich aus dem Sinnzusammenhang mit Ziff. 120 MaGo-Rundschreiben. So der naheliegende Umkehrschluss aus Ziff. 122 MaGo-Rundschreiben. 74 Zu den Auswirkungen des Versicherungsaufsichtsrechts auf das Verständnis der Folgepflicht wird abschließend zu dieser Untersuchung Stellung genommen, unten auf S. 360 ff. 75 Vgl. Farny/Helten/P. Koch/R. Schmidt/P. Koch, HdV, Rückversicherung, S. 692. 76 Instruktiv bei Schmitz, Rückversicherung von Elementarrisiken, S. 142 ff. 77 Welche gerne von den rückversicherten Erstversicherern in Anspruch genommen werden, Prölss, Ansichten der Rückversicherung, S. 42. 78 Kussmann, in Krummaker/von der Schulenburg, Versicherungsnachfrage, S. 253 (267). 79 Kussmann, in Krummaker/von der Schulenburg, Versicherungsnachfrage, S. 253 (267). 72 73
B. Entwicklung der Funktionen von Rückversicherung
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ein Begleitmotiv dar.80 Das bedeutet auch, dass sie für die Frage der Grenzen der Folgepflicht außer Betracht bleiben müssen. Dies gilt selbst dann, wenn sich eine Verpflichtung des Rückversicherers zu Serviceleistungen aus dem Rückversicherungsvertrag selbst und nicht erst aus einem zusätzlichen Kontrakt (beispielsweise aus einem Rahmenvertrag) zwischen Erst- und Rückversicherer ergibt. Gleichwohl ist hierin in neuerer Zeit der wesentliche Unterschied von Rückversicherung im Vergleich zu anderen risikomindernden Finanzinstrumenten gesehen worden.81 V. Folgerungen für die Interessen der Vertragsparteien Heute ist auch das Tätigkeitsfeld des Erstversicherers zunehmend international, sodass eine Atomisierung von Risiken durch die weltweite Verteilung von gezeichneten Risiken häufig bereits auf der Erstversicherungsebene stattfindet (bzw. in der Rückversicherung nicht mehr in dem Ausmaß stattfinden kann).82 Mithin lässt sich hiernach fragen, wie die weitere Entwicklung der Rückversicherung aussehen wird. 83 Zu beobachten ist schon heute eine zunehmende Komplexität der Risikoinstrumente wie der Rückversicherung.84 Mutiert sie in Zukunft bereits aufgrund der weltweiten Aktivitäten und der Größe der Erstversicherer zu einem reinen Kapitalanlageinstrument, dessen konkrete Ausgestaltung durch prudentielle Vorgaben diktiert wird? Treten der Atomisierungsgedanke und die Erhöhung der Zeichnungskapazität hierdurch in den Hintergrund oder haben diese Zwecke auch in der modernen Rückversicherung ihre Daseinsberechtigung? Ist vielmehr der Servicegedanke die Triebfeder weiterer Zweckentwicklungen der Rückversicherung, welche ursprüngliche Wesenszüge der Risikoteilung in den Hintergrund treten lässt? Diese Fragen werden sich erst ex post zu dieser Untersuchung beantworten lassen. Auf Basis der dargestellten Zwecke lassen sich aber folgende Erkenntnisse für die Interessen der Rückversicherungsvertragsparteien zusammenfassen: Die Motive, die den Erstversicherer dazu bewegen, Rückversicherungsschutz
80 Siehe instruktiv die Anzeige der Cologne Re, ZfV 1988, S. 531: »Sie können sicher sein, daß Rückversicherung bei uns mehr bedeutet als die Bereitstellung finanzieller Reserven. Unser Wissen und unsere Erfahrung sind wertvolles Kapital für die Absicherung Ihrer Entscheidung. […] Durch die Präsenz vor Ort verfügen wir über genau Detailkenntnisse der Märkte und kennen die richtigen Leute [sic]. Unser interner Know-how-Austausch ermöglicht unseren Zedenten weltweit Zugang zu Erfahrungen, Hintergrundinformationen und Marktwissen. 142 Jahre Erfahrung, profundes Wissen und gute Kontakte. Das ist eben mehr als nur sichere Kapazität«. 81 Reißaus, Die Nachfrage nach Rückversicherung, S. 62 ff. 82 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 79. 83 Vgl. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 79. 84 Thomas, VW 2011, S. 1605.
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
zu suchen, unterscheiden sich in Abhängigkeit der in Rückversicherung zu gebenden Risiken und der eigenen Solvabilität des Erstversicherers.85 Die Vorstellungen des Rückversicherers von einem »idealen« Erstversicherer als Vertragspartner unterscheiden sich bereits in Abhängigkeit des Markts. Dies zeigt die differenzierte Sicht von Zeller 86 , der zwischen US-amerikanischem und deutschem Erstversicherer unterscheidet. So böte der ideale US-amerikanische Erstversicherer nur ausgewählte Versicherungsprodukte an, welche seiner Expertise entsprechen und laufe darüber hinaus einen hohen Selbstbehalt. Der ideale deutsche Erstversicherer hingegen ziele auf eine langfristige, vertrauensvolle Kollaboration und nähme unterschiedlichste Rückversicherungsprodukte in Anspruch; Prämien und Bedingungen seien ertragreich ausgestaltet und die Rückversicherungsnahme folge dem Prinzip »leben und leben lassen«.87 Festzuhalten ist daher Folgendes: Gegen Zahlung einer Prämie erhöht der Erstversicherer seine Zeichnungskapazität und genügt aufsichtsrechtlichen Erfordernissen betriebswirtschaftlich zielführender als durch die Bereitstellung von Eigenkapital. Der Rückversicherer ist zur Tragung des Risikos bzw. der Risiken nur deshalb in der Lage, da er die Risiken durch eine breit angelegte Risikotragung atomisieren kann. Generell bezweckt der Erstversicherer hierdurch jedoch nicht eine Einflussnahme des Rückversicherers auf die Zeichnung seiner Risiken oder seine Regulierung.
C. Die Makroebene des Interesses: Rückversicherungsformen und -arten »Nicht: Vieles zu kennen, aber: Vieles miteinander in Berührung zu bringen ist eine Vorstufe des Schöpferischen.«*
An diesen Motiven orientiert sich die Ausgestaltung des konkreten Rückversicherungsschutzes. Auch wenn Rückversicherung in unterschiedlichsten Ausprägungen auftritt, wird sie pauschal in Formen und Arten unterteilt.88 Diese Differenzierung ist nicht nur dogmatischer Natur, sondern wurde gleichfalls für eine Unterscheidung im Rahmen der Folgepflicht erwogen. Auch wenn diese Unterscheidung bereits verschiedentlich auf einer übergeordneten Ebene Vgl. Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (365). Ehem. Vorstandsvorsitzender der Hannover Re. 87 So seine Aussagen in Andreae, Tagungsbericht DVS Versicherungs-Symposion 2005, S. 227 (227). * Hugo von Hofmannsthal, abgedruckt in R. Schmidt/von Fürstenwerth/Weiß, Versicherungsalphabet, S. V. 88 Instruktiv zur Verortung dieser Formen und Arten die graphische Darstellung bei Pohl/ Iranya, The ABC of Reinsurance, S. 9. 85 86
C. Die Makroebene des Interesses: Rückversicherungsformen und -arten
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unter dem Stichwort der Anwendbarkeit benannt wurde, betrifft der Kern der Unterscheidung eine Wertung der Interessen von Erst- und Rückversicherer, die sich in diesen Formen und Arten ausdrücken. I.
Form der Rückversicherung: obligatorisch und fakultativ
Zunächst ist zu fragen, ob für die Bestimmung der Folgepflicht des Rückversicherers zwischen obligatorischer und fakultativer Rückversicherung differenziert werden muss, d.h. in Ansehung der Form der Rückversicherung. Die Begriffe selbst unterscheiden sich terminologisch wie folgt: Die fakultative Rückversicherung meint eine Rückversicherung betreffend ein einzelnes versichertes Objekt.89 Die Bezeichnung »fakultativ« bezieht sich zwar terminologisch auf ein Ermessen,90 allerdings lediglich in Bezug auf die Fragen, ob der Erstversicherer das Risiko rückversichern möchte, und, ob der Rückversicherer dieses Risiko zu tragen bereit ist.91 »Fakultativ« meint daher lediglich die Aufrechterhaltung privatautonomer Vertragsabschlussfreiheit. Versicherte Objekte sind regelmäßig solche, welchen eine große potentielle Schadenshöhe innewohnt, beispielsweise aufgrund des Werts des Objekts oder der Quantität der Schäden, oder solche, die durch eine besondere Komplexität gekennzeichnet sind.92 Die Rückversicherung eines einzelnen versicherten Objektes bedeutet gleichzeitig auch, dass für jede weitere Rückversicherung eines versicherten Objekts ein selbstständiger Rückversicherungsvertrag zwischen den Parteien vereinbart werden muss und dass grundsätzlich eine enge Abstimmung zwischen Erst- und Rückversicherer erfolgt93.
89 Auszugsweise Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 150; Lüer/ Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 265; Prölss/Martin/ Klimke, VVG, § 209 Rn. 3. 90 Vgl. Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 265. 91 Dies ergibt sich bereits aus den Grundsätzen der Privatautonomie, weshalb der Begriff auch in Abgrenzung zu dem Gegenbegriff der obligatorischen Rückversicherung nicht förderlich ist. 92 Auch im Rahmen der obligatorischen Rückversicherung können Einzelrisiken den Erfolg des Rückversicherungsgeschäfts maßgeblich beeinflussen, dies wird eindrucksvoll am Beispiel des Konzerngeschäftsberichts der Munich Re aus dem Jahr 2015 (Munich Re, Konzerngeschäftsbericht 2015, S. 142) deutlich: »Das versicherungstechnische Ergebnis in der Lebensrückversicherung lag bei 335 Millionen Euro. Damit verpassten wir den Zielwert für 2015 von rund 400 Millionen Euro, hauptsächlich aufgrund zweier Todesfälle, bei denen Munich Re jeweils einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag auszahlte«. 93 Fausten, VersR 2017, S. 1057 (1058).
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
Im Gegensatz dazu ist die obligatorische Rückversicherung94 eine solche, bei der alle versicherten Objekte, die der Beschreibung im Rückversicherungsvertrag entsprechen, als sog. Portefeuille 95 gleichsam »automatisch« 96 unter den Rückversicherungsschutz fallen. 97 Entsprechend bedarf es während der Vertragslaufzeit keiner zusätzlichen Willensentschließung oder erneuten Verhandlung zwischen Rückversicherer und Erstversicherer. Das bedeutet auch, dass der Rückversicherer gezwungen ist, ihm unliebsame Risiken zu übernehmen, in gleicher Weise aber auch, dass er ohne Zustimmung des Erstversicherers an den »guten« Risiken profitiert.98 Im Rahmen dieser Rückversicherungsform sind auch die bereits angesprochenen Back-to-back-Klauseln gebräuchlich99 – im Fall einer fakultativen Rückversicherung muss das in Rückversicherung gegebene Einzelrisiko hingegen schon qua definitionem einer eigenen Bestimmung zugeführt werden. Zudem war es bei der obligatorischen Rückversicherung bereits früh Praxis, Ex-Gratia-Leistungen explizit unter die Folgepflicht fallen zu lassen.100 Schließlich gibt es auch Mischformen der Rückversicherung. Diese werden als semi-obligatorische Rückversicherungen bezeichnet, wobei eine Vertragspartei die Risiken in Rückversicherung geben bzw. nehmen muss und die andere in ihrer Entscheidung frei bleibt (obligatorisch-fakultativ bzw. fakultativobligatorisch).101 Cannawurf/Schwepcke gehen davon aus, dass diese Mischformen eine »sehr weitgehende, besonders starke Vertrauensbasis und eine gegenseitige umfängliche Kenntnis des Geschäftsverhaltens« voraussetzten, da sich nur eine Partei der »Willkür« der anderen Partei unterwerfe.102 Diese gestärkte Vertrauensbasis ist allerdings nicht nur ein Phänomen der Mischformen, sondern kann auch auf die Abgrenzung der beiden primären Rückversicherungsformen übertragen werden. Der Schluss, die Vertrauensbasis zwischen den Parteien sei bei einer obligatorischen Rückversicherung größer, liegt 94 Sie wird auch treaty reinsurance genannt und ist als »Vertragsrückversicherung« zu lesen; hingegen nicht reinsurance treaty – dieser Begriff beschreibt lediglich den Rückversicherungsvertrag unabhängig von Form und Art. 95 Dies gilt insb. für das Massengeschäft, bspw. in der Kfz-Haftpflichtversicherung, siehe beispielhaft Frey, in Festschrift Prölss, S. 169 (170 und im Ganzen). 96 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 267. 97 Neben der Bezeichnung als automatische Rückversicherung, finden auch Begriffe wie »Vertragsrückversicherung« und »laufende Rückversicherung« Verwendung, siehe Lüer/ Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 267. Die obligatorische Rückversicherung hat sich erst nach den fakultativen Verträgen herausgebildet – der älteste obligatorische Rückversicherungsvertrag datiert daher auf das Jahr 1821, siehe Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 16. 98 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 268. 99 Siehe insb. bereits S. 193 f. 100 Golding, The Law and Practice of Reinsurance, S. 11. 101 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 269. 102 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 269.
C. Die Makroebene des Interesses: Rückversicherungsformen und -arten
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durch die wechselseitige Partizipation an dem guten oder schlechten Verlauf der in Rückversicherung gegebenen versicherungsrechtlichen Unternehmung nahe. Diese gesteigerte Vertrauensbasis könnte jedenfalls im Gegensatz zur fakultativen Rückversicherung überhaupt erst Begründung für die Folgepflicht des Rückversicherers sein, wohingegen die fakultative Rückversicherung umgekehrt gerade nicht von der Folgepflicht getragen würde. Auch wenn sich dieses Vertrauen für die Unterscheidung der Rückversicherungsformen zunächst in der Auswahl der rückversicherten Risiken ausdrückt, erfordert auch das fakultativ-rückversicherte Originalrisiko eine Regulierung im Erstversicherungsverhältnis. Sowohl die fakultative als auch die obligatorische Rückversicherung werden daher von der Folgepflicht beherrscht.103 Auf Basis dieser Überlegung wurden indes angesichts der unterschiedlichen Weite des entgegengebrachten Vertrauens unterschiedliche Ausprägungen der Folgepflicht befürwortet.104 So wurde vertreten, der obligatorische Rückversicherer hätte für jede Art der Regulierung des Erstversicherers Folge zu leisten, der fakultative Rückversicherer hingegen nur für sog. policenmäßige Zahlungen.105 Im Weiteren wurde zur Begründung auf ein gemeinsames Interesse zwischen dem Rückversicherer und dem Erstversicherer einer obligatorischen Rückversicherung, welches beide an der Ausweitung des Geschäfts des Letzteren haben sollen, verwiesen. Dieses Interesse bestünde bei einer fakultativen Rückversicherung nicht.106 Entsprechend fielen gerade solche Zahlungen des Erstversicherers, für die keine Leistungspflicht besteht, die er also beispielsweise lediglich zu Zwecken der Reputationssteigerung oder zur Kundenbindung107 tätigt, nicht unter die Folgepflicht des fakultativen Rückversicherers.108 Diese Ansicht lässt allerdings außer Acht, dass sich ein gemeinsames Interesse von Rückversicherer und Erstversicherer nicht nur aus dem Umstand ergeben kann, dass eine gesteigerte Vertrauensbasis zwischen den Vertragsparteien existiert. Diese bezieht sich zunächst lediglich auf die Auswahl der rückversicherten Risiken und nicht als ein Automatismus gleichsam auf die Regulierung des Erstversicherers. Umgekehrt könnte gar argumentiert werden, dass das gesteigerte Vertrauen bei der Auswahl der Risiken im Rahmen der obligatorischen Rückversicherung durch die Erwartungshaltung, der Erstversicherer 103
Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (17) und Katschthaler, ZfV 2008, S. 710
(715). So ebenso Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (17). Cruciger, Die Praxis der Rückversicherung, S. 124; auch beschrieben bei Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 140. 106 Hjuler, ITV Mitt 1929, S. 8, zitiert nach Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 140. 107 Siehe zu den Motiven des Erstversicherers im Rahmen seiner Regulierung S. 37 ff. 108 So die Interpretation von Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 140. Implizit auch Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 28. 104 105
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
werde im Zuge seiner Regulierung nicht über die Erfüllung seiner rechtlichen Leistungspflicht hinaus leisten, aufgewogen wird. Dieser Schluss läge bei Zugrundelegung der gleichen Logik beispielsweise für die fakultativ-obligatorische Rückversicherung nahe, da der Rückversicherer dort nicht auf die Auswahl der Risiken einwirkt. Mithin ist der Höhe der Versicherungsleistungen bei einer obligatorischen Rückversicherung durch die fortwährende Änderung des rückversicherten Portefeuilles und die regelmäßig längeren Vertragslaufzeiten tendenziell schwieriger zu prognostizieren.109 Zudem hängt die Folgepflicht auch im Fall nur eines versicherten Objekts (wie im Fall der fakultativen Rückversicherung) notwendigerweise von der Regulierung des Erstversicherers ab, dessen Interesse an einer Niedrighaltung des Schadens sich im Vergleich zur obligatorischen Rückversicherung (auch im Hinblick auf die Rückversicherung) nicht unterscheidet. Darüber hinaus kann sich auch in der fakultativen Rückversicherung eine Nähe zur obligatorischen Rückversicherung zeigen, wenn beispielsweise bei einem versicherten Objekt mehrere Versicherungsfälle während der Laufzeit des Rückversicherungsvertrages auftreten. Auch insofern ergibt sich daher kein genereller Unterschied.110 Ein im Fall der fakultativen Rückversicherung vice versa zur obligatorischen Rückversicherung greifendes Misstrauen zwischen Erst- und Rückversicherer besteht daher grundsätzlich nicht. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in der fakultativen Rückversicherung häufiger Mitwirkungsrechte des Rückversicherers vereinbart werden. Diese ergeben sich allein daraus, dass Mitwirkungsrechte nur hier aufgrund der bloßen Zahl der Risiken überhaupt praktikabel sind.111 Schließlich ist die Funktion von Rückversicherung zu erwägen. Wohingegen die Rückversicherungsnahme für die Deckung eines bereits bestehenden Portefeuilles beinahe alternativlos bleibt, wird sich der Versicherer eines womöglich erst noch zu versichernden einzelnen Objekts gerade deshalb um fakultative Rückversicherung bemühen, weil er das Risiko allein nicht tragen kann oder möchte. Für diesen Fall bildet jedoch auch die Mitversicherung eine gängige Alternative. Insofern könnte argumentiert werden, dass die fakultative Rückversicherung im Gegensatz zu einer obligatorischen Rückversicherung eine größere Nähe zur Mitversicherung auszeichnet. Auch der Vergleich zur
109 Als zusätzliches, aber wohl vernachlässigbares Argument, da in der Sache nicht zielführend, wurde die relativ kurzfristige Kündbarkeit von Rückversicherungsverträgen ins Feld geführt, siehe Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 141. Kothris stellt die Ansichten zum Umfang der Folgepflicht des Rückversicherers zudem nur mit Blick auf die obligatorische Rückversicherung dar (in Bezug auf einen Rückversicherungsvertrag, der vor dem Erstversicherungsvertrag besteht), dort S. 62. 110 So im Ergebnis auch Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 141. 111 So ist Katschthaler zu verstehen, ZfV 2008, S. 710 (715).
C. Die Makroebene des Interesses: Rückversicherungsformen und -arten
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Mitversicherung führt jedoch gerade nicht zu einer enger gefassten Folgepflicht für die fakultative Rückversicherung. Vielmehr zeichnet sich die Mitversicherung dadurch aus, dass der führende Mitversicherer Entscheidungen gegenüber dem Versicherungsnehmer auch als Stellvertreter sämtlicher Mitversicherer trifft, und diese dadurch – gerade in Bezug auf die Regulierung – uneingeschränkt »folgen«.112 Die Bestimmung der Folgepflicht selbst kann somit nicht von der Unterscheidung zwischen obligatorischer und fakultativer Rückversicherung abhängen. Diesen Befund bestätigen die PRICL. Auch sie nehmen keine wertungsmäßige Unterscheidung anhand fakultativer und obligatorischer Rückversicherung vor.113 Da der gesamte Pflichtenkatalog der PRICL als Ausprägung des Grundsatzes von utmost good faith verstanden werden muss,114 ergibt sich hieraus auch die Befürwortung des grundsätzlichen Gleichlaufs aller Rückversicherungsformen mit Blick auf die Folgepflicht.115 II. Art der Rückversicherung: proportional und nicht-proportional Als weitere Unterscheidung ist im Hinblick auf die Art der Rückversicherung das Begriffspaar »proportionale« und »nicht-proportionale Rückversicherung« benannt worden. Bei einer proportionalen Rückversicherung sind Rückversicherungsprämie und Leistungspflicht des Rückversicherers proportional zu Erstversicherungsprämie und Leistungspflicht des Erstversicherers. Entsprechend formulierte bereits von Hollitscher, dass abgesehen von Schadenexzedentenverträgen eine sich von der Erstversicherungskalkulation unterscheidende Rückversicherungskalkulation nicht stattfinde. 116 Proportionale Rückversicherung kann daher als Beteiligung eines Rückversicherers an versicherungstechnischen Risiken des Erstversicherers bezeichnet werden, wohingegen nicht-proportionale Rückversicherung die Beteiligung des Rückversicherers am Schadenaufwand des Erstversicherers beschreibt. 117 Die proportionale Rückversicherung ist als eine Form der Quotenrückversicherung oder der Sum-
112 Im Außenverhältnis zum Versicherungsnehmer; siehe zur Mitversicherung auch S. 334 ff. 113 Siehe u.a. Art. 1.2.1 PRICL (C5) und Art. 2.2.1 PRICL (C14). 114 Dies zeigt sich in einer Gesamtschau der Kommentierung der Artikel, siehe bspw. Art. 2.1.4 PRICL (C1), Art. 2.2.1 PRICL (C1), Art. 2.3.1 PRICL (C4), Art. 2.4.1 PRICL (C1), Art. 2.4.2 PRICL (C1). 115 Vgl. ergänzend Art. 2.3.2 PRICL (C2). 116 Von Hollitscher, Internationale Rückversicherung, S. 87. 117 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 3.
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
menexzedentenversicherung ausgestaltet und wird daher auch als Summenrückversicherung118 bezeichnet. Im Gegensatz dazu wird die nicht-proportionale Rückversicherung als eine Form der Schadenexzedentenversicherung dargestellt und als Schadenrückversicherung119 betitelt. Nach dieser terminologischen Einführung liegt die Annahme nicht fern, dass Erst- und Rückversicherer im Fall einer proportionalen Rückversicherung gewissermaßen ähnlich zu Mitversicherern in einem Boot sitzen, wohingegen diese proportionale gegenseitige Beteiligung bei nicht-proportionaler Rückversicherung nicht vorliegt. Dies hat verschiedentlich Autoren auf den Plan gerufen, jedenfalls eine Geneigtheit der proportionalen Rückversicherung zu einer umfangreicheren Folgepflicht anzunehmen.120 Diese Annahme fußt auf einer vergleichenden Beobachtung der Vertragsgestaltung der beiden Vertragsarten. So konstatiert Raiser, eine ausdrückliche vertragliche Folgepflicht für Kulanzzahlungen sei bei der proportionalen Rückversicherung wohl die Regel, wohingegen dies bei nicht-proportionaler Rückversicherung jedenfalls nicht »gegenwärtig die vorherrschende Übung« sei.121 Auch Gerathewohl zufolge sei es bei Quotenrückversicherungsverträgen üblich, Ex-Gratia-Leistungen 122 unter die Folgepflicht zu fassen.123 Wenn dort davon ausgegangen wird, dass eine Interessenparallelität bei Quotenrückversicherungsverträgen auch für Exzedentenverträge gelten kann, so wäre jedenfalls eine Einschränkung für Schadenexzedentenverträge, d.h. für nicht-proportionale Rückversicherung möglich. Einschränkend sollen in der Praxis jedoch vereinzelt auch bei Schadenexzedentenverträgen ausdrücklich Ex-Gratia-Leistungen unter die Folgepflicht gefasst werden.124 Unabhängig von der Frage, wie die Folgepflicht im Fall einer nicht-proportionalen Rückversicherung begrenzt werden soll, spielt auch das Kriterium der Rückversicherungsart nicht auf eine generelle Anwendbarkeit der Folgepflicht an, sondern deutet lediglich auf eine divergierende Interessenlage betreffend die Grenzen der Folgepflicht hin. Entsprechend sieht Pfeiffer bei der nicht-proLangheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 2, § 209 Rn. 41. Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 273 f. 120 Lenz, Die Kulanzleistung des Versicherers, S. 144. 121 Raiser VersR 1965, 312 (316). 122 Siehe zum Begriff und den damit einhergehenden terminologischen Schwierigkeiten S. 111 ff. 123 Bruck/Möller/Echarti/Hu. Labes, VVG Bd. 11, § 209 Rn. 72; auch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 804 f. unter Verweis auf entsprechende Folgepflichtklauseln in Fn. 140, wobei er von der Synonymität von Ex-Gratia-Leistungen zu Liberalitätszahlungen und Billigkeitsentschädigungen auszugehen scheint. 124 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 805 f.; die generelle Beobachtung von Stahl/Meyenburg, die annehmen, dass es üblich sei, Ex-Gratia-Leistungen explizit von der Folgepflicht auszuschließen (Englisches Rückversicherungsrecht, S. 42 [Fn. 155]), kann nicht geteilt werden. 118 119
C. Die Makroebene des Interesses: Rückversicherungsformen und -arten
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portionalen Rückversicherung eine generelle Interessenparallelität, im Gegensatz zur proportionalen Rückversicherung, nicht für gegeben an.125 Die Schicksalsteilung zwischen den Vertragsparteien sei insbesondere in Schadenexzedentenverträgen enger zu verstehen, da der Erstversicherer aufgrund des vereinbarten Limits bei seiner Risikoauswahl zu Lasten des Rückversicherers unvorsichtiger werden könnte.126 Auch wenn dieser Annahme grundsätzlich beizupflichten sein wird, ist sie für die der Risikoauswahl nachgeschaltete Frage des Regulierungsermessens zunächst unerheblich. Ergänzend ließe sich allerdings auch die potentielle Geneigtheit des Erstversicherers zu einer »wohlwollenderen« Regulierung seinen Versicherungsnehmern gegenüber behaupten – dies vermeintlich auch vor dem Hintergrund der Kundenbindung. Bei einer proportionalen Rückversicherung macht es zudem keinen Unterschied, ob große oder kleine Risiken versichert sind, da entsprechend höhere Prämien im Erstversicherungsvertrag vereinbart werden. Es handelt sich somit schlicht um eine Frage der Kalkulation. Hieraus wird nicht nur eine Interessenproportionalität hergestellt, sondern gleichsam auch eine Vertrauensbasis geschaffen.127 Diesem Für-sich-gelten-lassen der Prämienkalkulation kommt darüber hinaus auch Bedeutung für die Leistungshöhe und -grenzen, mithin die Folgepflicht zu. Der Rückversicherer vertraut bei proportionaler Rückversicherung der Ordnungsgemäßheit der Prämienkalkulation des Erstversicherers. Bei proportionaler Rückversicherung laufen die Interessen von Erst- und Rückversicherer daher generell parallel, weshalb (ordnungsgemäße) entgegenkommende Regulierung ohne weitere Einschränkung die Folgepflicht auslösen müsse. 128 Hierfür spricht auch, dass die Parteien bei einer obligatorischen (Quoten-)Rückversicherung regelmäßig eine weite Folgepflicht des Rückversicherers vereinbaren.129 Diese Wertung scheint für die nicht-proportionale Rückversicherung zunächst nicht zu greifen, da die zuvor beschriebene Abhängigkeit nicht in dem Ausmaß vorliegt. Auf der anderen Seite deutet aber bereits die Definition der nicht-proportionalen Rückversicherung, die ihren Bezugspunkt im Schadenaufwand des Erstversicherers hat, darauf hin, dass es für die Folgepflicht ebenfalls nicht auf eine rechtliche Leistungspflicht des Erstversicherers ankommen
Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 68. Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 68; gleichwohl sind die von Pfeiffer in Anhang 1 (S. 83 ff.) hierzu vorgestellten Klauseln zu Geschäftsführung und Folgepflicht (S. 85, 98) diesbezüglich deckungsgleich. Jedenfalls im Wortlaut ist eine Unterscheidung zwischen proportionaler und nicht-proportionaler Rückversicherung daher nicht angezeigt. 127 Im Unterschied zur Form der Rückversicherung nicht nur für eine Auswahl von Risiken, sondern auch in Bezug auf die Regulierung selbst. 128 Auch Raiser, VersR 1967, S. 312 (316). 129 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (714 f.). 125 126
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
kann, sondern losgelöst hiervon allein auf den tatsächlich für den Erstversicherer eingetretenen Schaden130. Mit dem der nicht-proportionalen Rückversicherung zugedachten Begleitnamen »Schadenrückversicherung« einher geht der Umstand, dass Grundlage der Bemessung der Leistungspflicht des Rückversicherers der tatsächliche Schaden des Erstversicherers bildet.131 Die Rückversicherungsprämie wird in diesem Fall nicht proportional zur Erstversicherungsprämie bestimmt, sondern anhand der Wahrscheinlichkeit eines die Priorität übersteigenden Schadens. 132 Jedenfalls ist ein engerer Zuschnitt der Folgepflicht bei nicht-proportionaler Rückversicherung im Umkehrschluss zur proportionalen Rückversicherung daher nicht zwangsläufig. Auch Kothris geht davon aus, dass sich am Beispiel des Schadenexzedentenvertrages (als Unterfall des nicht-proportionalen Rückversicherungsvertrages) nichts an der Wertung der Folgepflicht des Rückversicherers ändert.133 Gleichzeitig nimmt er an, dass von diesem Gleichlauf mit der proportionalen Rückversicherung nur in Ausnahmefällen abgewichen werden soll. Als Beispiel nennt er eine fehlende Relation zwischen dem Selbstbehalt des Erstversicherers und der Leistung des Rückversicherers, da in diesem Fall das Interesse des Rückversicherers schützenswerter sei.134 Dies ist insofern nachvollziehbar, als davon auszugehen ist, dass der Erstversicherer ohne Selbstbehalt kein eigenes Interesse an einer gelungenen Gestaltung des Erstversicherungsvertrages hat und insbesondere bei seiner Regulierung »unvorsichtiger agieren« wird.135 Als Konsequenz dieser Interessenverschiebung formuliert Kothris allerdings keine enge Folgepflicht – ausdrücklich betont er sogar die unberührte Stellung des Erstversicherers und seines Geschäftsführungsrechts.136 Er sieht hierin lediglich den Grund für besondere Kontrollrechte137 des Rückversicherers, die allerdings vertraglich vereinbart würden.138
130 Wenn in der rückversicherungsrechtlichen Literatur von Schäden des Erstversicherers gesprochen wird, ist hiermit nicht eine enge Schadensdefinition befürwortet, die hierin eine im eigentlichen Sinne unfreiwillige Vermögenseinbuße sieht. Der »Schaden des Erstversicherers« ist schon aus Gründen der Akzessorietät des Rückversicherungsvertrages gegenüber dem Erstversicherungsvertrag von einem Element der willkürlichen Bestimmung durch den Erstversicherer geprägt. In einem weiteren Sinne ist auch dieser Getriebener der den Versicherungsfall beschreibenden Tatsachen, und sein »Schaden« daher in faktischer Hinsicht hinreichend unfreiwillig. 131 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 273. 132 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 273 f. 133 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 89 m.w.N. 134 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 89. 135 Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6). 136 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 89. 137 Siehe hierzu unten S. 306 ff. 138 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 89.
C. Die Makroebene des Interesses: Rückversicherungsformen und -arten
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Dass ein ausreichender Selbstbehalt des Erstversicherers für die Rückversicherung als Ganzes gefordert wird, bezeugt den Gleichlauf der Rückversicherungsarten, auch wenn im Einzelnen Unterschiede in der Höhe des Selbstbehalts bestehen können. Zu dem Selbstbehalt und dessen Höhe wird umfassend in Kapitel 8 Stellung genommen.139 Einen Gleichlauf von proportionaler und nicht-proportionaler Rückversicherung für die Folgepflicht ordnet Looschelders als unproblematisch ein.140 Seiner Ansicht nach sei die Differenzierung lediglich für die Schicksalsteilungspflicht bedeutsam.141 Dieses Ergebnis wird durch die Vertragsdauer bestätigt, die im Fall von Schadenexzedentenverträgen (d.h. in der nicht-proportionalen Rückversicherung) regelmäßig länger und auf eine Vielzahl von Jahren angelegt ist.142 Grund hierfür ist, dass in dieser Rückversicherungsart regelmäßig Großrisiken rückversichert sind und dadurch größere Schwankungen in der Höhe der Schadenzahlungen auftreten.143 Umgekehrt ließe sich daher gerade eine verstärkte Vertrauensbasis für die nichtproportionale Rückversicherung argumentieren und damit eine ebenso weite Folgepflicht erklären. Im Ganzen ergibt sich daher aus der Rückversicherungsart keine Differenzierung in Bezug auf die Grenzen der Folgepflicht. III. Ergebnis: Vorgaben für die weitere Untersuchung Die Interessenwertung auf der Makroebene bestätigt, trotz der bestehenden Unterschiede in Form und Art der Rückversicherung, jedenfalls das bereits gefundene Ergebnis, dass auch hier die Verwendung des Begriffs ex gratia und das unbedingte Abstellen auf die Leistungspflicht des Erstversicherers nicht nur nicht zielführend ist, sondern darüber hinaus nicht interessengerecht. Auch wenn sich die mit der Folgepflicht befassten Autoren teilweise auf die obligatorische Rückversicherung beschränken, darf für die Bestimmung der Folgepflicht selbst kein Unterschied gemacht werden. Der Erstversicherungsvertrag bildet ein in sich geschlossenes Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Erstversicherer ab. Im Gegensatz zu anderen Modellen alternativen Risikotransfers muss sich die Folgepflicht auch vor dem Hintergrund der Wertungen aus Kapitel 5 und 6 auf die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung beziehen und dadurch die Regulierung des Erstversicherers von äußeren Einflüssen möglichst unangetastet belassen.
Unten S. 319 ff. Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6). 141 Im Ganzen Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6). 142 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 88 f. 143 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 88 f. 139 140
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
D. Beteiligung des Erstversicherers an der Rückversicherungsunternehmung »Das Schicksal des Selbstmordes allerdings sind wir weder bereit noch verpflichtet, mit irgendjemandem zu teilen.«*
Die Interessen sind auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu untersuchen. Dies betrifft im Gegensatz zu der dargestellten Makroebene die durch den Rückversicherungsvertrag bzw. seine Durchführung bewirkte Beteiligung des Erstversicherers an der Rückversicherungsunternehmung. Im Gegensatz zur Einflussnahme des Rückversicherers auf das Erstverhältnis kann umgekehrt eine Beteiligung des Erstversicherers an der Rückversicherungsunternehmung gegeben sein. Dieser Frage liegt die These zugrunde, dass eine umfangreiche Beteiligung des Erstversicherers an der Rückversicherung eine Interessenparallelität zwischen ihnen anzuzeigen in der Lage ist. Zum einen ist damit eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung der Parteien angesprochen. Die nachzuweisende Interessenparallelität ist jedoch auch im engeren Sinn wirtschaftlicher Natur und drückt sich daher in dem konkreten Leistungskanon des Vertrages in Bezug auf die Prämienkalkulation des Rückversicherers und Gewinnbeteiligungen des Erstversicherers aus. Hiermit ist zugleich die der Folgepflicht zeitlich nachfolgende »Regulierungspraxis« des Rückversicherers selbst angesprochen, die abschließend Beachtung finden soll. I.
Gesellschaftsrechtliche Verflechtung zwischen Erst- und Rückversicherer
Die wirtschaftlichen Interessen der Rückversicherungsparteien sind nicht nur parallel, sondern identisch, wenn die Protagonisten personenidentisch sind. Im Fall der Rückversicherung ist hier zunächst an ihre Anfänge zu denken, in welchen Erstversicherer zugleich Rückversicherungsschutz anboten. Auch gaben sie Erstrisiken mitunter bei eigenen Gesellschaften oder Gesellschaften, an denen sie maßgeblich beteiligt waren, in Rückversicherung. Zwar ließe sich die Vermutung aufstellen, dass mit Fortentwicklung der Rückversicherung und der zunehmenden rechtlichen Eigenständigkeit der Rückversicherungsunternehmen144 auch eine Verselbstständigung der Rückversicherung einsetzen musste. Richtig ist indes, dass auch Erst- und Rückversicherer eines konkreten Rückversicherungsvertrages immer noch häufig an dem jeweiligen anderen Unternehmen Anteile halten. Dies betrifft insbesondere den Rückversicherer, der
* Ehrenfried Schütte über die Haftung des Rückversicherers vor der außerordentlichen Mitgliederversammlung des deutschen Verbands der Sachversicherer, zitiert nach Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (19). 144 Siehe oben S. 266 ff.
D. Beteiligung des Erstversicherers an der Rückversicherungsunternehmung
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seiner Aufgabe der Atomisierung von Risiken auch durch die Anlage eingesammelter Prämien nachkommt und sich so an dem wirtschaftlichen Erfolg der Erstversicherungsunternehmung beteiligt.145 Vor dem Hintergrund dieser Verflechtungen wurde gar vertreten, der Rückversicherungsvertrag selbst sei als Gesellschaftsvertrag zu qualifizieren. 146 Deshalb sei die Geschäftsführung des Erstversicherers die eines geschäftsführenden Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 705 ff. BGB, wobei der Rückversicherungsvertrag als Übertragung der Geschäftsführung auf den Erstversicherer im Sinne des § 710 BGB interpretiert werden müsste. 147 Ehrenberg wird hier jedoch in der Weise missverstanden, als er selbst davon ausgeht, dass der Erstversicherer bei der Geschäftsführung nicht an die Weisungen des Rückversicherers gebunden ist – und § 710 BGB somit nicht anwendbar ist.148 Denn richtigerweise ist der Rückversicherungsvertrag bereits aufgrund der gesetzlichen Wertung, die der Ausnahme in § 209 VVG zugrunde liegt, Versicherungs- und nicht Gesellschaftsvertrag.149 Des Weiteren ist der Rückversicherungsvertrag trotz der durch die Folgepflicht bedingten engen Kollaboration zwischen Erst- und Rückversicherer ein selbstständiger Vertrag. 150 Kothris lehnt daher neben der Geschäftsbesorgungstheorie auch die Qualifizierung als Gesellschaftsvertrag als bloße Behelfslösung ab.151 Cannawurf/Schwepcke gehen sogar davon aus, dass die Qualifizierung als Gesellschaftsvertrag selbst dann fernliegend ist, wenn mit der Rückversicherung lediglich eine verdeckte Gewinnausschüttung an einen Gesellschafter des Erstversicherers bezweckt wird. 152 Die Parteien wollten durch den Rückversicherungsvertrag gerade nicht ihre rechtliche Selbstständigkeit aufgeben.153 Dem ist zwar im Grundsatz beizupflichten, insbesondere mit der rechtlichen Selbstständigkeit ist es aber nicht weit her, wenn die Parteien über eine reine Bereits von Hollitscher, Internationale Rückversicherung, S. 94 f. So jedoch nur in einer Hypothese Ehrenberg, Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 26 f. (selbst ablehnend auf S. 57); ablehnend die h.M. in der neueren Literatur, statt vieler Ehling, Die Versicherung und Rückversicherung von Pharmarisiken, S. 248 f. 147 Ablehnend Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 283 f., der damit auf die Ausführungen von Ehrenberg (Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 17) Bezug nimmt. Dieser qualifiziere die Rückversicherung als reine Innengesellschaft, auf die die §§ 705 ff. BGB anwendbar seien. 148 Diese Einschränkung trifft er indes erst auf S. 28 seiner Abhandlung (Ehrenberg, Das künftige Rückversicherungsrecht) – hieraus erklärt sich wohl, dass er fälschlicherweise als Vertreter einer Qualifizierung des Rückversicherungsvertrages als Gesellschaftsvertrag verstanden wurde. 149 Ausdrücklich auch Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 59 und Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 2, § 209 Rn. 30. 150 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 39 f. 151 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 39. 152 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 185. 153 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 184. 145 146
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Investition hinaus im Ganzen gesellschaftsrechtlich miteinander verbunden sind. Dies ist gerade für die Rückversicherung bedeutsam, da hier gesellschaftliche Beteiligungen auch heute nicht unüblich sind. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass Rückversicherer häufig selbst Erstversicherungsgeschäft anbieten.154 So gehört die Ergo als Erstversicherer beispielsweise zum Konzern der Munich Re als Rückversicherer.155 Die Ergo fragt umgekehrt für ihren eigenen Rückversicherungsschutz bei der Munich Re an.156 Dies bedingt in einem Gesamtsaldo, dass alle Vorteile, die die Ergo aus einer entgegenkommenden Regulierung zieht, jedenfalls mittelbar der Munich Re zufließen – so beispielsweise wenn die gute Reputation der Ergo zur Ausweitung des Versicherungsgeschäfts in einem anderen Bereich und damit zu einem höheren Prämienaufkommen führt. Gibt die Ergo (bzw. eine ihrer Töchter) Risiken bei der Munich Re in Rückversicherung, bleibt der unmittelbare Nachteil durch die gestiegenen Schadenaufwendungen zwar bestehen, auch alle Schadenaufwendungen der Munich Re an die Ergo kommen jedoch mittelbar dem Mutterkonzern zugute. Diese Wechselwirkung ist auch dann zu beobachten, wenn vice versa der Erstversicherer eine größere Beteiligung an dem Rückversicherer hält, so beispielsweise im Fall der über 50-prozentigen Beteiligung der Talanx als Erstversicherer an der Hannover Re als Rückversicherer.157 Freilich ist dieser Vorteil nur in einem Gesamtsaldo festzustellen und unterliegt den gesellschaftsrechtlichen Eigenheiten einer derartigen Konzernstruktur. Hieraus ist daher nicht schon die Bewertung der Folgepflicht als rein konzerninterne Frage mit der naheliegenden Konsequenz einer unbedingten Folgepflicht verbunden. Auch lässt sich aus diesen Beispielen nicht auf die Regelmäßigkeit solcher Konzernstrukturen schließen, weshalb sich hieraus eine definitive Aussage zur Bestimmung der Folgepflicht verbietet. Die Rückversicherung kann daher lediglich wirtschaftlich als Gesellschaftsverhältnis angesehen werden, jedoch nicht als gesellschaftsrechtliche Sonderform.158 Allerdings vermittelt diese praxisnahe Beobachtung doch einen Eindruck davon, dass sich Erst- und Rückversicherer nicht nur in Bezug auf das konkrete Vertragsverhältnis regelmäßig nahestehen, sondern sich auch selbst als eine Risikogemeinschaft verstehen.
154 Graumann, Organisationstheoretische Untersuchung der Rückversicherungsunternehmung, S. 25 mit weiteren Hinweisen zur Unternehmens- und Entscheidungsstruktur; Thiemermann, Rückversicherung und Zahlungsströme, S. 30 ff. 155 Siehe zur Konzernstruktur Munich Re, Mehrwert im Konzernverbund. 156 The Risk Management Network, Risikomanagement bei Ergo. 157 Siehe Hannover Re, Aktionärsstruktur. 158 Heise, Die Rückversicherung als Haftpflichtversicherung, S. 51.
D. Beteiligung des Erstversicherers an der Rückversicherungsunternehmung
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II. Der Zinsertrag des Rückversicherungsprämienaufkommens Eine weitere Komponente, welche sich auf die Bewertung der Interessen der Parteien auswirken könnte, betrifft die Zinserträge aus den Rückversicherungsprämien. Bereits von Hollitscher weist darauf hin, dass in Anschauung der Prämienkalkulation des Rückversicherers auch berücksichtigt werden müsse, dass die Rückversicherungsprämien früher bezahlt würden als vice versa die Rückversicherungsleistung.159 So kann das Rückversicherungsprämienaufkommen – auch unter den insoweit einschränkenden aufsichtsrechtlichen Vorgaben160 – genutzt werden, um Zins- und Zinseszinseffekte zu erzielen. Da der Rückversicherer die Rückversicherungsprämien sammelt, kann auch nur er diese Effekte befördern. Der Tatsache, dass der Rückversicherer mit dem ihm zur Verfügung stehenden Prämienaufkommen arbeiten kann, kann allerdings nicht entnommen werden, dass dem Erstversicherer im Gegenzug ein weites Regulierungsermessen zugestanden und der Rückversicherer einer weiten Folgepflicht ausgesetzt werden muss. In gleicher Weise trifft den Rückversicherer auch ein gewisses Anlagerisiko, wenn er aufgrund seiner darauf basierenden Prämienkalkulation die erwarteten Kapitalerträge erwirtschaften muss. Dieses Ergebnis scheint zunächst vor dem Hintergrund der seit 2008 einsetzenden Niedrigzinsphase, welche den Zinsertrag deutlich zu reduzieren vermochte, begründet. Bei genauerer Betrachtung erweist sich diese Art der Begründung jedoch als Trugschluss. Mitunter waren im Laufe der Entwicklung moderner Rückversicherungsgesellschaften bereits unterschiedlichste Kapitalmarktsituationen vorherrschend. So beschreibt von Hollitscher die Situation um 1931 dahingehend, dass ein großer Teil der technischen Reserven bei dem Erstversicherer verblieben wäre, der den Rückversicherer erst aus den Zinseinnahmen hieraus beteiligte.161 Aufgrund der Volatilität der Gewinne am Kapitalmarkt kann hieraus aber nicht auf eine bestehende oder nicht bestehende Interessenparallelität geschlossen werden und eine Begründung für eine weite oder enge Folgepflicht nicht abgeleitet werden. Genauso verhält es sich im Übrigen in der Erstversicherung, im Rahmen derer der Erstversicherer ebenfalls auf eine gewinnbringende Anlage der generierten Prämien aufgrund seiner Prämienkalkulation angewiesen
Von Hollitscher, Internationale Rückversicherung, S. 87. Die Kapitalvorgaben des VAG sind jedoch auch für Rückversicherungsunternehmen beachtlich, § 1 I Nr. 1 i.V.m. § 7 Nr. 33 VAG. 161 Er spricht von einer nur »bescheidenen Verzinsung«, die durch den Erstversicherer an den Rückversicherer weitergegeben wird. Diese Verwahrung der Prämien für den Rückversicherer sei als Folge des 1. Weltkriegs anzusehen, welche zuvor nicht üblich war, siehe von Hollitscher, Internationale Rückversicherung, S. 89. 159 160
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
ist.162 Es handelt sich daher bereits nicht um ein Spezifikum der Rückversicherung, welchem ein Einfluss auf das Rückversicherungsspezifikum der Folgepflicht nachgesagt werden könnte. III. Gewinnbeteiligungen des Erstversicherers Mitunter werden Rückversicherungsverträge mit zusätzlichen Preisgestaltungselementen ausgestattet. Neben zusätzlichen Kostenpunkten, wie beispielsweise der Rückversicherungsprovision,163 sind für die Zwecke dieser Untersuchung insbesondere Gewinnbeteiligungen aufschlussreich. Im Fall eines günstigen Verlaufs des Erstversicherungsgeschäfts für den Rückversicherer, d.h. einer geringen Inanspruchnahme des Rückversicherers, gibt der Rückversicherer einen Teil seiner Gewinne an den Erstversicherer zurück. Einer solchen Gewinnbeteiligung kann für die Interessen der Parteien und damit für die Bestimmung der Folgepflicht zweierlei entnommen werden: Zum einen könnte man hieraus ableiten, dass eine derartige Gewinnbeteiligung den Erstversicherer zu einer übersteigerten Berücksichtigung der Interessen des Rückversicherers vergattert. Dies könnte umso mehr für die proportionale Rückversicherung gelten, wenn die dortige Verhältnismäßigkeit mittels der Gewinnbeteiligung zugunsten des Erstversicherers aufgehoben wird. Entsprechend ließe sich hieraus die Forderung ableiten, dass die Folgepflicht aufgrund der Gewinnbeteiligung an höhere Voraussetzungen geknüpft ist. Bedenken gegen diese Argumentation bestehen jedoch, wenn man den Vergleich zu Arten der »Gewinnbeteiligung« in der Erstversicherung bemüht. So kann beispielsweise die Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung durchaus als preissenkendes Instrument angesehen werden. Beiden »Gewinnbeteiligungen« ist gemein, dass der jeweilige Versicherer mittels des Prämienaufkommens Zinsen erzielen kann und in beiden Fällen stehen die hieraus erzielten Gewinne, wie soeben beschrieben, zunächst dem jeweiligen Versicherer zu. Die Erstversicherung unterscheidet sich von der Rückversicherung allerdings insofern, als dass der Versicherungsnehmer der Erstversicherung keine Einflussnahmemöglichkeit auf den Gewinn hat. Allen voran der Kapitalmarkt bildet somit die treibende Kraft hinter der Höhe der Überschussbeteili-
162 Dies beweist eindrucksvoll die derzeitige Lage der Lebensversicherer, welche sich in Anbetracht der ausgesprochenen Zinsgarantien im Niedrigzinsumfeld mit der Frage konfrontiert sehen, wie die garantierte Verzinsung erwirtschaftet werden soll, siehe hierzu und zu den nicht bestehenden Möglichkeiten der Lebensversicherer zur Anpassung der Verträge Wandt, VersR 2015, S. 918. 163 Die Prämie beinhaltet nicht nur die Risikotragung, sondern auch Provision und »Unkostenersatz«, schon Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 244. Implikationen für die Bestimmung der Folgepflicht ergeben sich jedoch nicht, weshalb die Rückversicherungsprovision nicht weiter behandelt wird.
D. Beteiligung des Erstversicherers an der Rückversicherungsunternehmung
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gung des Versicherungsnehmers. Die Gewinnbeteiligung in der Rückversicherung hängt im Gegensatz dazu primär von der Regulierung durch den Erstversicherer ab. Zum anderen – und im Ergebnis ist dieser folgenden Argumentation Vorrang einzuräumen – ist Zweck der Gewinnbeteiligungen nicht die mittelbare Reduzierung der »Rückversicherungskosten« für den Erstversicherer, wie sie aus der erstgenannten Überlegung abgeleitet werden könnte. Vielmehr liegt ihr Zweck darin, den Erstversicherer zu einer möglichst kostengünstigen Regulierung zu motivieren – und daran anknüpfend auch zu einer zurückhaltenden Inanspruchnahme des Rückversicherers.164 Diese Motivation ist dann jedoch nur sekundär eine Art »Bonussystem« für den Erstversicherer. Vielmehr dient sie dem Rückversicherer selbst zur Niedrighaltung seiner Schadenserstattungen im Rahmen seiner Folgepflicht. Derartigen Gewinnbeteiligungen in der Rückversicherung kann daher ein Argument für höhere Voraussetzungen an die Folgepflicht nicht entnommen werden. Vergleichbar ist die Gewinnbeteiligung in ihren Auswirkungen eher dem in der weiteren Untersuchung noch näher zu untersuchenden Selbstbehalt des Erstversicherers165. In beiden Fällen handelt es sich um ein Instrument, den Erstversicherer zu einem dem Rückversicherer günstigen Verhalten zu motivieren.166 Fraglich bleibt somit, ob nicht gerade umgekehrt aus dem Zweck der Gewinnbeteiligung Rückschlüsse auf eine weitere Folgepflicht des Rückversicherers gezogen werden müssen. Hierfür spräche die mit der Motivation einhergehende Reduktion der Missbrauchsgefahr. Konkret ließe sich die Hypothese aufstellen, der Erstversicherer werde sein Regulierungsermessen jedenfalls kostengünstig ausüben, um einen höheren Betrag aus der Gewinnbeteiligung zurückzuerhalten. Letztlich wird die Frage, ob sich der Erstversicherer durch ein derartiges Moment leiten lässt, ebenso wie der Selbstbehalt des Erstversicherers jedoch von der Höhe des Prozentsatzes der Gewinnbeteiligung abhängig zu machen sein. IV. Der Ertrag von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmung In die andere Richtung weisen jedoch die Einschätzungen von Gerathewohl, die er in erster Linie in einem Festschriftbeitrag aus dem Jahr 1988 äußert.167 Er lässt sich zwar nicht ausdrücklich zur Folgepflicht ein, bezweifelt jedoch die uneingeschränkte Schicksalsteilung in der Rückversicherung für die neuere Zeit. Angemerkt sei indes, dass er diesen Beitrag als Vorstand der Munich Re
So auch von Hollitscher, Internationale Rückversicherung, 88. Siehe S. 319 ff. 166 Einzig ist die Unterscheidung zu machen, dass die Gewinnbeteiligung eine belohnende, der Selbstbehalt eine sanktionierende Motivation darstellt. 167 Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13. 164 165
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
verfasste.168 Die den Rückversicherer favorisierende Perspektive des Beitrags findet hierin ihre Ursache. Konkret – und für die hier vorzunehmende Interessenwertung relevant – kritisiert er, dass der Rückversicherer häufig nur an den »schlechten« Risiken des Erstversicherers partizipiere.169 Der Erstversicherer nehme schlechte Erträge für manche Sparten in Kauf, wenn er hierdurch in einer anderen Sparte oder aus anderen Gründen profitiert. Dieser »Branchenzusammenhang« schlägt allerdings nicht zwingend in einen entsprechenden Ausgleich für den Rückversicherer um, da Rückversicherungsschutz lediglich für die nicht-ertragreiche Sparte genommen werde.170 Hieraus ergäbe sich die Unproportionalität der versicherungstechnischen Ergebnisse und der allgemeinen Erträge von Erst- und Rückversicherer.171 Wenn auch der generellen Beobachtung nicht empirisch zu widersprechen sein wird, erstaunt die hiermit verbundene Andeutung, die Schicksalsteilung müsse an veränderte Rahmenbedingungen der Rückversicherung angepasst werden.172 Denn schon grundsätzlich gilt, dass sich die Unproportionalität der versicherungstechnischen Ergebnisse und der allgemeinen Erträge erst aus der zugrunde liegenden Prämienkalkulation ergibt – und diese ist den Parteien im Rahmen der privatautonomen Vertragsgestaltung unbenommen. Und die Rückversicherer drängen bereits regelmäßig darauf, die Rückversicherungsbedingungen zu ihren Gunsten zu ändern, wenn sie einige Zeit Verluste damit gemacht haben.173 Vielmehr gibt es Zeiten eines Überangebots an Rückversicherungskapazität und Zeiten, in denen der Erstversicherer nur zu höheren Prämien ausreichende Rückversicherungsdeckung erhält. In einer Marktwirtschaft sind es daher die Prinzipien von Angebot und Nachfrage, die den Ertrag der Rückversicherungsunternehmung bestimmen.174 Überdies vertritt Gerathewohl selbst, dass ein rückversicherungsvertragsspezifisches pricing jedenfalls auf lange Sicht zu einem risikogerechten Rückversicherungspreis führe.175 Die Tatsache allein, dass die Momentaufnahme eines Vertrages eine unfaire Risikoverteilung anzeigt, ist eben noch kein Grund, die Konzeption der vertraglichen Haftung in Frage zu stellen. Und auch wenn diese Momentaufnahme im Rahmen einer Rückversicherungsbeziehung regelmäßig eine größere Zeitspanne betrifft als dies bei anderen Schuldverhältnissen 168 Auch aus diesem Grund ist die Authentizität seiner Aussagen für das US-amerikanische Recht bestritten worden, zusammengefasst von Hoffman, 33 Tort & Insurance Law Journal 1997, S. 1 (73 f.) und in Compagnie de Reassurance d’Ile de France v. New England Reinsurance Corp, 944 f. Supp. 986 (District of Massachusetts 1996). 169 Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (35, auch 26 ff.). 170 Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (35, auch 26 ff.). 171 Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (21 ff.). 172 Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (19). 173 So die Beobachtung von Frey, in Festschrift Prölss, S. 169 (179). 174 Auch Frey, in Festschrift Prölss, S. 169 (179 f.). 175 Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (35).
D. Beteiligung des Erstversicherers an der Rückversicherungsunternehmung
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der Fall wäre, kann hieraus noch nicht auf eine Ungerechtigkeit der Risikoverteilung bzw. der Rückversicherungsprämie geschlossen werden. Entsprechend kann sich daraus auch keine Folgerung für eine angepasste Schicksalsteilung ergeben. Deshalb geht hiermit auch nicht eine Interessenwertung einher, die den Schutz des Rückversicherers notwendig werden lässt. V. Die Regulierungspraxis des Rückversicherers Für die Frage nach der Regulierungspraxis des Rückversicherers als abstraktes Interessenkriterium ist zunächst bedeutsam, von welchen Motiven sich der Rückversicherer hierbei leiten lässt. Wie in der Erstversicherung, geht der Regulierung im Rückversicherungsverhältnis eine Anzeige des Schadensfalls voraus. Typischerweise werden in deutschsprachigen Rückversicherungsverträgen Klauseln wie die folgenden vereinbart: »1. Der Zedent erteilt dem Rückversicherer vierteljährlich innerhalb (von) 3 Monaten nach Ablauf eines Kalenderquartals Abrechnung. Die Rechnungsführung und Ausgleichung der Saldi erfolgt in Originalwährung. Der Rückversicherer hat sich innerhalb (von) 14 Tagen nach Empfang der Abrechnung über den Befund zu äußern. Stillschweigen gilt als Annahme. Nach Richtigbefund hat der Schuldner den Saldo der Rechnung sofort an die andere Vertragspartei zu vergüten.«176 »2. Die Gesellschaft rechnet mit dem Rückversicherer vierteljährlich ab. Die Abrechnungsunterlagen für die ersten drei Quartale hat sie dem Rückversicherer jeweils innerhalb von zwei Monaten, diejenigen für das vierte Quartal jeweils innerhalb von drei Monaten nach Quartalsende zu übersenden. Der Rückversicherer hat zu jeder Abrechnung innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Abrechnung Stellung zu nehmen. Unterbleibt dies, so gilt der Saldo vorbehaltlich der Bestimmung des § … als festgestellt.«177
Hieraus ergibt sich folgendes Bild für die Regulierung des Rückversicherers: Die Regulierung erfolgt über ein Kontokorrent und basiert auf den anerkannten Regeln des kaufmännischen Bestätigungsschreibens.178 In Bezug auf eine Implikation betreffend die Folgepflicht ist die Überprüfungsmöglichkeit durch den Rückversicherer entscheidend. Diese wird nicht erst durch die Klauseln gewährt, sondern von ihnen vorausgesetzt. Insoweit enthalten die Klauseln Formulierungen wie »nach Richtigbefund« bzw. »zu jeder Abrechnung […] Stellung zu nehmen«. Fraglich bleibt daher auch in der Auslegung dieser Klauseln, welche Umstände von dem Richtigbefund bzw. der Stellungnahme umfasst werden. Mit der Referenz zu einer »Richtigkeit« der Abrechnung kann jedenfalls nicht eine generelle, auch die Zweckmäßigkeitserwägungen des Erstversicherers umfassende Überprüfung gemeint sein. Diese Referenz wird Klauselbeispiel bei Steinmann, Der Rückversicherungsvertrag im Konkurs des Erstversicherers, S. 115. 177 Klauselbeispiel bei Steinmann, Der Rückversicherungsvertrag im Konkurs des Erstversicherers, S. 115. 178 Steinmann, Der Rückversicherungsvertrag im Konkurs des Erstversicherers, S. 122. 176
290
Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
man weder als einschränkend für das Regulierungsermessen des Erstversicherers noch als eine Referenz auf einen rechtlich-materiellen Wahrheitsgehalt verstehen können, sondern als Bezugnahme auf die vertraglichen Grenzen der Folgepflicht. Entscheidend ist allerdings, dass in das Kontokorrent nicht die Umstände der Regulierung durch den Erstversicherer und damit auch nicht die Erläuterungen zu einer Leistungsverpflichtung des Erstversicherers eingestellt werden, sondern lediglich die Zahlung als solche. Dem entnimmt Steinmann, dass für die Folgepflicht des Rückversicherers nicht die Leistungsverpflichtung des Erstversicherers entscheidend sei, sondern lediglich das Faktum der Zahlung.179 Dem kann jedoch nicht in dieser Absolutheit gefolgt werden. Richtigerweise wird man in diesen Klauseln selbst nicht schon eine Beschreibung der Folgepflicht sehen können. Die Klauseln dienen vielmehr der organisierten Abwicklung der Schadensfälle. Etwaige uneindeutige Bezeichnungen sind hierfür unschädlich. Die Klauseln sind eher als Verfahrensvorschriften zu verstehen. Nicht die Art und Weise, wie das Kontokorrent hergestellt und geführt wird, ist entscheidend. Einzig dem Faktum, dass es ein Kontokorrent gibt, kann ein Aussagegehalt zugesprochen werden. Von Bedeutung ist daher vielmehr die dahinterstehende gelebte Praxis und insbesondere die Frage, weshalb der Rückversicherer von seiner Überprüfungsmöglichkeit Gebrauch macht. Auch wenn hier in den letzten Jahren eine vermehrte Überprüfung festzustellen ist, werden Kontrollen durch den Rückversicherer nach wie vor selten durchgeführt.180 Zusammenfassend beschreibt Steinmann dieses Phänomen in der Weise, dass Misstrauen gegenüber dem Erstversicherer in der Regel nicht angebracht sei. 181 Es entspricht darüber hinaus gerade dem Grundgedanken von Rückversicherungsschutz, wenn die Regulierung des Rückversicherers nicht ebenso umfangreich ist, wie es bereits die Regulierung des Erstversicherers war, der Rückversicherer also nicht nochmals in eine umfassende Überprüfung einsteigt. Mit Verweis auf obige Abrechnungsregeln im Rückversicherungsverhältnis entspricht es auch aus praktischen Erwägungen nicht den Interessen der Parteien eine Aufschlüsselung der Zahlungen des Erstversicherers bis ins Kleinste vorzunehmen, da damit Sinn und Zweck des Rückversicherungsvertrages und gerade der Folgepflicht unterlaufen würden.
Steinmann, Der Rückversicherungsvertrag im Konkurs des Erstversicherers, S. 128. Franz/Keune, VersR 2013, S. 12 (22) und Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 100. 181 Steinmann, Der Rückversicherungsvertrag im Konkurs des Erstversicherers, S. 134. 179 180
D. Beteiligung des Erstversicherers an der Rückversicherungsunternehmung
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VI. Ergebnis – zur Frage der Vorteilsidentität entgegenkommender Regulierung Diese Anhaltspunkte verdichten sich in der Frage nach der Vorteilhaftigkeit der entgegenkommenden Regulierung des Erstversicherers für den Rückversicherer. Wenn Erst- und Rückversicherer eines Rückversicherungsvertrages nicht personenidentisch sind und auch nicht üblicherweise hundertprozentig an dem Vertragspartner beteiligt sind, tritt ein wirtschaftlicher Nutzen nicht bereits aus der gesellschaftsrechtlichen Konstellation zu Tage. Im Fall höherer Schadenzahlungen partizipiert auch der Rückversicherer bei weiter Folgepflicht an den Schäden. Auf der anderen Seite bildet das erhöhte (bzw. aufrechterhaltene) Prämienaufkommen des Erstversicherers nur bedingt einen Vorteil für den Rückversicherer. Die Interessenparallelität, welche lediglich die obligatorische proportionale Rückversicherung beherrschen soll, ist zunächst aus der proportionalen Partizipation des Rückversicherers an den Prämienzahlungen abzuleiten. Erhöht sich das Prämienaufkommen des Erstversicherers, soll so auch ein erhöhtes Prämienaufkommen des Rückversicherers entstehen. Dieses Bild entspricht aber jedenfalls nicht in Gänze der Realität. Wie bereits eingangs im Rahmen der Zwecküberlegungen des Erstversicherers erörtert, kann ein kulantes Verhalten des Erstversicherers sowohl Auswirkungen auf das konkrete Vertragsverhältnis haben als auch generelle Auswirkungen. Generelle Auswirkungen sind mitunter auch die Vermeidung eines Reputationsverlusts des Erstversicherers und der Neuabschluss von Erstversicherungsverträgen. Diese Auswirkungen sind allerdings nur bedingt für den Rückversicherer von Nutzen. So stellen sich Vorteile für den Erstversicherer auch in Bezug auf nicht bei diesem Rückversicherer in Rückversicherung gegebene Erstversicherungsrisiken ein. Zu denken ist an einen Fall, in welchem der Versicherungsnehmer aufgrund der entgegenkommenden Regulierung seines Erstversicherers auch andere Versicherungsverträge bei diesem Erstversicherer abschließt, da er mit dem Service im Allgemeinen zufrieden ist. Gleichzeitig führt eine öffentlichkeitswirksame entgegenkommende Regulierung (beispielsweise im Katastrophenfall) neben Neuabschlüssen betreffend solche rückversicherte Risiken auch zu Neuabschlüssen anderer Versicherungsprodukte. In diesen Fällen fehlt der Nutzen für den Rückversicherer durch ein gestiegenes Prämienaufkommen und ein anderweitiger Nutzen ist, da der Rückversicherer üblicherweise nicht als solcher gegenüber der Gesamtheit der Versicherungsnehmer und auch nicht gegenüber dem einzelnen Versicherungsnehmer in Erscheinung tritt, nicht erkennbar. 182 Von einer wirklichen Interessenparallelität zwischen Erst- und Rückversicherer kann daher auch betreffend deren gegenseitige Beteiligung nur im Ausnahmefall ausgegangen werden. Auch Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 145. 182
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
E. Standardisierung der Regulierung des Erstversicherers »Caveat emptor.«*
Darüber hinaus ist erneut die Regulierung des Erstversicherers in den Blick zu nehmen – und dies vor dem spezifischen Hintergrund fortschreitender Standardisierung seiner Regulierungspraktiken. In diesem Zusammenhang ist der These nachzugehen, ob die Regulierung des Erstversicherers nicht nur in abstrakter Weise vorhersehbar ist, bzw., ob der Rückversicherer von den konkreten Regulierungspraktiken des Erstversicherers Kenntnis hat und dadurch auch nicht mittelbar im Rahmen der Folgepflicht eine fehlende Ordnungsgemäßheit der Regulierung einwenden kann. I.
Leitlinien des Erstversicherers für die Regulierung
Für den Erstversicherer ist die Regulierung, wie verschiedentlich bereits angedeutet, zwar Einzelfallentscheidung, 183 jedoch regelmäßig keine Einzelentscheidung. Denn der moderne Erstversicherer stattet seine Schadenbearbeiter184 häufig mit Leitlinien aus, die die Regulierungsentscheidung in abstrakter Weise vorgeben. Diese internen »Kulanzrichtlinien« 185 basieren auf Erfahrungswerten und Überlegungen im Vorfeld – verhindern zudem aber auch eine Ungleichbehandlung der Versicherungsnehmer.186 Auch hier müssen jedoch angesichts der Vielzahl der Fallgestaltungen Ermessenspielräume des Schadenbearbeiters bestehen. Zu unterscheiden ist zudem zwischen der Sachdienlichkeit der Entscheidung für den Erstversicherer und der Sachdienlichkeit der Entscheidung für den Rückversicherer. Die Entscheidung des Schadenbearbeiters wird hierbei jedenfalls im Ergebnis (auch auf Basis interner Leitlinien) das Interesse seines Arbeitgebers, d.h. des Erstversicherers abbilden. Zwar kann dies, wie hier, dem Interesse des Rückversicherers entsprechen, wie aber bereits skizziert, ist dies nicht zwangsläufig der Fall. Aus der Existenz von Leitlinien für den Umgang mit Schadensfällen ergibt sich allerdings ein gewisses Maß der Berechenbarkeit bzw. Vorhersehbarkeit der Regulierungsentscheidung des Erstversicherers.
* Lateinischer Rechtsgedanke: »Möge der Käufer sich in Acht nehmen« [Übersetzung d. Verf.], d.h. der Käufer kann sich nicht auf einen Mangel der Kaufsache berufen, wenn er diesen erkennen konnte, vgl. § 377 HGB. 183 Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 55. 184 Zum Begriff gilt das bereits zur »Schadensregulierung« Gesagte: Hiermit ist nicht ein Zuschnitt allein auf die Schadensversicherung verbunden. 185 Vgl. Raiser, VersR 1967, S. 312 (315). 186 Siehe hierzu bereits S. 243 ff.
E. Standardisierung der Regulierung des Erstversicherers
293
II. Die Kenntnis des Rückversicherers von den Leitlinien der Regulierung Unabhängig von der konkreten Gestaltung der Leitlinien führt diese Berechenbarkeit zu der für die Folgepflicht relevanten Frage, ob der Rückversicherer die »Nicht-Ordnungsgemäßheit« der Geschäftsführung des Erstversicherers einwenden kann, insoweit diese standardisiert ist. Dies muss jedenfalls dann unproblematisch angenommen werden, wenn der Rückversicherer sich mit diesen Leitlinien einverstanden erklärt hat. Dies kann bereits mit dem Rückversicherungsvertrag geschehen, kann sich allerdings, ebenso auslegungserheblich, erst nach Vertragsschluss ergeben.187 Hierzu zählen auch bereits praktizierte Lösungen, die als konzeptionelle und organisatorische Betreuung des Erstversicherers und seiner Regulierung durch den Rückversicherer bezeichnet werden können.188 Die Folgepflicht muss jedoch auch dann greifen, wenn der Rückversicherer den Erstversicherer bei der Entwicklung der Leitlinien lediglich vorbereitend unterstützt hat189 bzw. wenn der Rückversicherer von diesen Leitlinien oder auch nur der Regulierungspraxis des Erstversicherers bereits bei Rückversicherungsvertragsschluss Kenntnis hatte. Hierdurch duldet er diese standardisierte Regulierungsentscheidung des Erstversicherers im Vorgriff auf die eigentliche Regulierung, weshalb er dann aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (venire contra factum proprium) daran gehindert ist, die Regulierung des Erstversicherers in Zweifel zu ziehen. Zu diesem Ergebnis muss man schon aus allgemeinen Überlegungen und unabhängig von den konkreten Grenzen der Folgepflicht gelangen. Die Kenntnis des Rückversicherers von der »Kulanzpraxis« des Erstversicherers wird ganz regelmäßig vorliegen, da sich der Rückversicherer schon bei Vertragsschluss üblicherweise Tarifierungsunterlagen des Erstversicherers zur Prüfung unterbreiten lässt.190 Als Auslegungshilfe kann zudem die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahr 1975 herangezogen werden.191 Konkret hatte die Klägerin, eine Kfz-Händlerin, bei Abschluss eines Kaufvertrages mit ihrem Kunden mündlich darauf hingewiesen, dass das Herstellerwerk nach einer besonders günstigen Kulanzregelung im Fall von Motorschäden verfahre. Indes wies sie den Käufer nicht darauf hin, dass sich diese Leitlinie ändern könne. Letzteres geschah und der Käufer des Kfz wandte sich nach einem Motorschaden an die Kfz-Händlerin selbst, um von ihr Ersatz zu verlangen. Das Oberlandesgericht verurteilte die Klägerin zum Austausch des defekten Motors gegen Zahlung eines auf dieser Kulanzregelung basierenden Preises, der erheblich unter dem von der Klägerin festgesetzten Betrag für den Austausch lag;192 dies aus dem So bereits Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 116. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 604. 189 Zu den Serviceleistungen des Rückversicherers S. 270 f. 190 Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 181. 191 OLG Köln, DB 1975, S. 2271. 192 Vgl. die genannten Beträge, OLG Köln, DB 1975, S. 2271 (2271). 187 188
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
Grund, dass die Klägerin durch die mündliche Zusage eine Zusicherung gegeben habe und nach § 242 BGB sogar daran gehindert sei, sich auf ein vertraglich vereinbartes Schriftformerfordernis zu berufen.193 Diese Wertung ist auch auf diese Untersuchung übertragbar. Hintergrund der Überlegungen des Oberlandesgerichts war gerade nicht eine AGB-Prüfung oder eine besondere Schutzwürdigkeit des Käufers. Mehr noch zeigt es jedoch für die Leitlinien des Erstversicherers, dass der Rückversicherer sich nicht auf die »Nicht-Ordnungsgemäßheit« der Geschäftsführung des Erstversicherers berufen kann. Bereits durch seine Kenntnis von den Leitlinien des Erstversicherers duldet er dessen hierauf fußende Regulierung im Voraus und würde sich widersprüchlich verhalten, wenn er sich auf eine »Nicht-Ordnungsgemäßheit« beriefe. Diese Leitlinien entsprechen gerade auch dem Interesse des Rückversicherers, denn er agiert weltweit und hat eine Vielzahl unterschiedlicher Erstversicherer als Kunden. Diese unterscheiden sich in rechtlicher, sprachlicher und kultureller Hinsicht und führen dazu, dass der Rückversicherer bereits aus praktischen Gründen gezwungen ist, deren Regulierung nur nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen.194 Dem letztgenannten Gedankengang wird man entgegenhalten können, dass ein Rückschluss von dem praktisch Möglichen auf das rechtlich Relevante grundsätzlich verfehlt ist. Indes entspräche diese Herangehensweise gerade den bisherigen Ansichten zur Herausbildung rechtlicher Wertungen für die Rückversicherung. Denn über einen langen Zeitraum lebte die Rückversicherungspraxis das, was später durch gesetzgeberische Versuche wie durch das ALR 1794 und im Weiteren durch Richter- und Gewohnheitsrecht »Recht« wurde. III. Technische Entwicklungen in Versicherung und Rückversicherung Die Regulierungspraxis des Versicherers unterliegt steten Wandlungen, die insbesondere im Zeichen von Vereinfachungen, Effektivität und Informationsgewinnung stehen. Dies betrifft nicht nur neueste Erscheinungsformen wie die Telematik oder sog. wearables, sondern bezogen auf Instrumente der Regulierung auch die elektronische Datenverarbeitung im Ganzen, die nicht mehr aus den Prozessen der Versicherungsunternehmen wegzudenken ist. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Treibkraft des Wandels auch der Regulierung seit einiger Zeit die technische Entwicklung ist. Dieser technische Wandel kann nicht zuletzt auch für die Beurteilung der Folgepflicht beachtlich sein, beruhen die Vorstellungen hiervon doch auf Grundsätzen und Urteilen, die zu Zeiten entwickelt wurden, als derartige technische Möglichkeiten nicht einmal vorstellbar waren. 193 194
OLG Köln, DB 1975, S. 2271 (2271 f.). Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 603.
E. Standardisierung der Regulierung des Erstversicherers
295
Effizienz und Vereinfachung sind jedoch auch ohne heutige technische Möglichkeiten denkbar. Beispielhaft ist auf die Nürnberger Vereinbarungen von 1919 zwischen der deutschen Feuerversicherungs-Vereinigung und mehreren Rückversicherern zu verweisen, die eine Aufteilung der rückversicherten Risiken in Gruppen vorsahen. Wohingegen Informationen der einen Gruppe detailliert an die Rückversicherer zu melden waren, sollten Risiken einer anderen Gruppe lediglich an den führenden Rückversicherer weitergegeben werden.195 Diese Informationen betrafen in erster Linie den Prämienaufgabedienst, bezweckten also die Überprüfung der Korrektheit der Prämienzahlungen des Erstversicherers an den Rückversicherer.196 In diesem Zusammenhang ist auch der von Gerathewohl als »wichtigster Fortschritt« beschriebene, karteikartenbasierte Kodexaufgabedienst bezeichnend für die Zweckrichtungen von Erst- und Rückversicherer. 197 Auch hier steht die Vereinfachung der Dokumentation im Vordergrund, wenn Informationen nur noch für größere Risiken weitergegeben werden. Grundlage dieser Vorgehensweise ist die Annahme, dass der Rückversicherer nicht jedes Einzelrisiko überprüfen muss, sondern sich mit einer summarischen Prüfung eines »Blocks« begnügen kann.198 Zur Unterscheidung und Gruppierung der Risiken bestehen verschiedene Grenzwerte des wahrscheinlichen Höchstschadens, des sog. PML (Probable Maximum Loss).199 Auch wenn im Gegensatz hierzu in der modernen technisierten Welt Vereinfachung auch durch ein Mehr an Information erfolgen kann, entsprechen sich die dahinterstehenden Ziele. Darüber hinaus spiegeln die mit fortschreitender Technisierung verbundenen Möglichkeiten in einem weiteren Sinn die Zwecke der ungleich älteren Folgepflicht200. Sowohl Erst- als auch Rückversicherer haben ein Interesse daran, die Abläufe zwischen den Parteien – und d.h. insbesondere die Regulierung durch den Erstversicherer – zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Mit der Informationsgewinnung des Rückversicherers ist ein weiterer Faktor angesprochen, der in die Bestimmung der Folgepflicht einfließen kann. Mit den Worten Gerathewohls gilt hier allerdings: »Der Rückversicherer kann in aller Regel weder daran interessiert sein, von den Erstversicherern eine Flut von unterschiedlichst aufbereiteten Daten über jedes Risiko zu erhalten, noch kann er etwa eine Entwicklung hinnehmen, die zu einer Reduzierung des Aufgabendienstes auf ein rückversicherungstechnisch nicht mehr vertretbares Mindestmaß führt.«201
Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 829. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 827 f. 197 Vgl. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 829 f.; Rückversicherung Bd. 2, S. 601. 198 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 829. 199 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 829 f. 200 Zu den Zwecken der Folgepflicht S. 81 ff. 201 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 603. 195 196
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
Selbst im Rahmen der Regulierung ist es parallel zu dem zuvor skizzierten Prämienaufgabedienst seit geraumer Zeit Praxis, dass in der regelmäßigen Schadenmeldung nur die größeren Schäden einzeln gemeldet werden, im Übrigen aber eine zusammengefasste Meldung der kleineren Schäden erfolgt.202 Im Unterschied zu dem Prämienaufgabedienst wird im Rahmen des Schadenaufgabediensts nicht zwischen proportionaler und nicht-proportionaler Rückversicherung unterscheiden.203 Dies erklärt sich bereits aus der fehlenden Relevanz der Erstversicherungsprämienhöhe in der nicht-proportionalen Rückversicherung, wohingegen Informationen betreffend die Schäden unabhängig von der Art der Rückversicherung jedenfalls über die Höhe der Folgepflicht des Rückversicherers entscheiden. Die Grenze der Schadensposten bestimmt sich grundsätzlich nach dem Rückversicherungsvertrag und ist zumeist in Kongruenz mit der Grenze für Schadeneinschlussklauseln, die Schäden erst ab einer gewissen Grenze als rückversicherungsrelevant einstufen, zu sehen.204 Aus diesen Instrumenten ergibt sich trotz der teilweisen Verschiedenartigkeit im Hinblick auf die Art der Rückversicherung eine Devise der Versicherungsunternehmen, die nicht nur im Erstversicherungsgeschäft Bedeutung erlangt, sondern, wie die Beispiele verdeutlichen, auch im Rückversicherungsgeschäft eine Leitlinie für die Regulierung bilden. Dieses Credo ökonomischer Rationalisierung kann als Reduktion des organisatorischen Aufwandes umschrieben werden. In Ansehung der der elektronischen Datenverarbeitung zugrunde gelegten Zwecke gilt im Hinblick darauf zweierlei: Einerseits dient die elektronische Datenverarbeitung der Reduktion des organisatorischen Aufwandes – auch in der Regulierung durch den Erstversicherer. Denn er wird in die Lage versetzt, automatisiert zu regulieren. Auf der anderen Seite sind in der modernen vernetzten Welt wesentlich größere Datenmengen abrufbar und können bei der Ausübung des Regulierungsermessens in Betracht gezogen werden. Im Ergebnis führen die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung für den Versicherer bereits im Rahmen der Prämienkalkulation zu einer genaueren Risikoanalyse und im Ganzen zu einer Vereinheitlichung.205 IV. Der Einfluss technischer Entwicklungen auf die Auslegung der Folgepflicht Hiermit verbunden ist für die Schadenspolitik des Unternehmens allerdings nur bedingt eine Reduktion der Unwägbarkeiten der Regulierung. Dies gilt im Besonderen für die faktische und rechtliche Würdigung der Leistungspflicht des Erstversicherers.206 Aber auch hier zeigt der technische Fortschritt seine AusBereits in Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 834 f. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 834. 204 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 834, 856. 205 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 604. 206 Vgl. Farny, Versicherungsbetriebslehre, S. 447. 202 203
E. Standardisierung der Regulierung des Erstversicherers
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wirkungen. Dies gilt insbesondere für die rechtliche Würdigung der Leistungspflicht des Erstversicherers, da beispielsweise Datenbanken zu Literatur und Rechtsprechung jedenfalls die rechtliche Stichhaltigkeit befördern können. Auch dem (nicht-anwaltlich beratenen) Versicherungsnehmer erleichtern allen voran die Möglichkeiten des Internets die Überprüfung der Positionen seines Erstversicherers. Konsequenz dieser geänderten Rahmenbedingungen ist auch eine erweiterte Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen des Erstversicherers durch den Rückversicherer. Wie die Existenz der Folgepflicht eindrucksvoll bezeugt, ist Rückversicherung nur dann ein überzeugendes Instrument der alternativen Risikoteilung, wenn ihre Ausprägungen Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsgedanken unterworfen sind.207 Nur vor diesem Hintergrund erklären sich die soeben beschriebenen Weiterentwicklungen auch in der Schadenanzeige gegenüber dem Rückversicherer. Entsprechend beschreibt auch Gerathewohl in den Anfängen der elektronischen Datenverarbeitung das Ziel der »vollmaschinellen Exzedentenbearbeitung«.208 Unter dem dieser Tage vermehrt benannten Stichwort der künstlichen Intelligenz wird sich die generell zu beobachtende Entwicklung verstärkter Automatisierung auch auf die Regulierung des Erstversicherers und auf die »Überprüfung« des Rückversicherers durchschlagen. Auf Basis dieser Parameter der Rückversicherung und der technischen Entwicklungen ist folgende These nicht erst Zukunftsmusik, sondern bereits heute eine valide Überlegung für die Folgepflicht des Rückversicherers: Wenn die gesamte Regulierung des Erstversicherers vollautomatisiert verläuft und sich der Rückversicherer mit den Algorithmen dieser Automatisierung einverstanden erklärt, ist er an die hierdurch erzielten Entscheidungen gebunden – mit anderen Worten: Er muss diesen schon deshalb unbedingt Folge leisten. Denn der Rückversicherer bietet einem konkreten Erstversicherer Rückversicherungsschutz, dessen Geschäftsführung weitläufig bereits bei Vertragsschluss prognostizierbar ist und Missbräuche jedenfalls erheblich reduziert. Der Rückversicherer kann daher selbst kein Interesse an einer bestimmten Regulierung haben. Abzuleiten ist daraus eine Priorisierung der Interessen des Erstversicherers und die Motive des Erstversicherers nicht durch den Rückversicherer in Frage zu stellen.
207 208
Bereits Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (178). Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 833.
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Kap. 7: Parallelität der Interessen von Erst- und Rückversicherer
F. Ergebnis: Integrativer Ansatz und Interessenpriorität »Das Beste im Neuen entspricht einem alten Bedürfnis.«*
Die dargestellten Überlegungen spiegeln in Abhängigkeit von der konkreten Konstellation eine organisatorische und wirtschaftliche Nähe zwischen Erstund Rückversicherer wider. Dies bedeutet zunächst eine Geltung der Folgepflicht für alle Formen und Arten der Rückversicherung. Darüber hinaus ist hierin die Bestätigung der als integrativer Ansatz bezeichneten Lösung zu sehen, die die Hypothese für den dritten Teil dieser Untersuchung bildete. 209 Mehr noch ist in den Interessenlagen der Parteien eine Bestätigung des Grundsatzes der freien Geschäftsführung zu sehen.210 Nicht nur der Versicherungsnehmer darf daher eine alleinige Geschäftsführung durch seinen Vertragspartner erfahren, 211 auch den Interessen der Rückversicherungsparteien entspricht diese Ausrichtung. Entsprechend verbietet sich eine die Regulierung des Erstversicherers beschneidende Folgepflicht. Dies entspräche gerade nicht der Funktion von Rückversicherung als – auch wertungsmäßig – nachgeschaltete Risikoteilung. Die Rückversicherung entfaltet daher als versicherungstechnisches Instrument dann ihren größten Nutzen, wenn sie die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis nicht über Gebühr verkompliziert. Mit anderen (ökonomisch ausgerichteten) Worten: Durch die Rückversicherungsnahme sollen dem Erstversicherer nicht zusätzliche Kosten und Mehraufwand im originären Erstversicherungsverhältnis entstehen. 212 Die zuvor geschilderte allgemeine Devise der Reduktion des organisatorischen Aufwands verlangt daher, auf die Folgepflicht gemünzt, eine Gestaltung, die von zusätzlichen organisatorischen Beschwernissen freibleibt. Dies bestätigt auch den bereits abgelehnten Nachweis des Bestehens einer Leistungspflicht im Erstversicherungsverhältnis zur Auslösung der Folgepflicht, da hiermit ein Aufwand verbunden wäre, der nicht schon im Erstversicherungsverhältnis begründet liegt. Ein entgegenstehendes Interesse des Rückversicherers ist lediglich insoweit anzuerkennen, als er nicht schutzlos einem Missbrauch dieser Synergien der Rückversicherung ausgesetzt sein soll. Dieses Interesse spiegelt sich in den (typischerweise verwendeten) Klauseln des Rückversicherungsvertrages wider, die Kontrollrechte des Rückversicherers oder zwingende Selbstbehalte des Erstversicherers vorschreiben, und soll daher im folgenden Kapitel ausführlich beleuchtet werden. * Paul Valéry, abgedruckt in Spicker, Aphorismen der Weltliteratur, 2. Aufl., Stuttgart 2009, S. 136 Ziff. 10. 209 Siehe oben im Rahmen der vorgeschalteten Zäsur, S. 153 ff. 210 Vgl. Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 111. 211 Siehe in Kapitel 6 (S. 256 ff.). 212 So auch Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 111.
F. Ergebnis: Integrativer Ansatz und Interessenpriorität
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Beantwortet ist damit aber zudem eine weitere Frage der Ordnungsgemäßheit der Regulierung des Erstversicherers. Sie bezieht sich gerade nicht auf die Ordnungsgemäßheit für den Rückversicherer, sondern auf die Kostengünstigkeit der Regulierung für den Erstversicherer, die sich aus einem Saldo der wirtschaftlichen Vor- und Nachteile der Regulierung im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der Regulierung für den Erstversicherer ergibt. Die Prognose der Kostengünstigkeit der Regulierung bleibt hierbei auch nach dieser Interessenwertung dem Erstversicherer überlassen. Zusammenfassend gilt somit: Der Rückversicherer kann sich nicht einerseits auf die rudimentäre Überprüfung der Geschäftsführung des Erstversicherers beschränken und andererseits dessen Geschäftsführung durch zu hohe Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung in seinem Sinne lenken. Die Effektivierung, die die Folgepflicht bezweckt, ermöglicht erst eine Risikoteilung, wie sie die Rückversicherung darstellt und stellt primär einen Vorteil für den Rückversicherer dar. Die prioritäre Berücksichtigung seines Interesses in der Geschäftsführung der Erstversicherung käme einer nicht angezeigten Übervorteilung gleich. In der Tat besteht daher, wie verschiedentlich vertreten, eine Interessenparallelität zwischen Erst- und Rückversicherer nicht in einem Ausmaß, welches eine weite Folgepflicht erforderlich macht. Wohl aber ist das Interesse des Rückversicherers an einer bestimmten Regulierung den Geschäftsführungsinteressen des Erstversicherers unterzuordnen. Diese Interessenpriorisierung wird im Zusammenspiel mit den Ergebnissen aus Kapitel 6 nur dann gewahrt, wenn der Erstversicherer nicht gemittelt durch die Folgepflicht zu einer von der Maßgeblichkeit des Erstversicherungsverhältnisses abweichenden Geschäftsführung veranlasst wird.
Kapitel 8
Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien Zur Missbrauchskontrolle und Untauglichkeit der Fahrlässigkeitsgrade A. Bedeutung (der typischen Verwendung) von Rückversicherungsklauseln »Die Praxis sollte das Ergebnis des Nachdenkens sein, nicht umgekehrt.«*
In Ermangelung konkreter gesetzlicher Vorgaben für die Rückversicherung im Allgemeinen und für die Grenzen der Folgepflicht im Besonderen ist der Rückversicherungsvertrag selbst von größter Bedeutung. Dieser besteht noch heute häufig aus vergleichsweise schmalen Ausführungen, die auf wenigen Seiten eine ungleich größere Rückversicherungssumme abbilden.1 Der Rückversicherungsvertrag enthält in der Regel auch eine Folgepflichtklausel. Meist gleicht diese jedoch nur einer sehr allgemein gehaltenen Beschreibung,2 die, wie die Vielgestaltigkeit insbesondere der englischen Rechtsprechung verdeutlicht, 3 auslegungsbedürftig ist. Dies – und auch das Zusammenspiel mit dem Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers und der Schicksalsteilungspflicht – veranschaulichen die folgenden Beispiele4 gängiger Folgepflichtklauseln: »Die Geschäftsführung obliegt uneingeschränkt dem Zedenten. Er hat dabei so zu handeln, wie ein Versicherer handeln würde, der nicht rückversichert ist. Insoweit ist der Rückversicherer an alle Handlungen und Unterlassungen des Zedenten gebunden.«5
Hermann Hesse, Freunde: Erzählung, S. 89. Zu den slips siehe bereits die einführenden Bemerkungen auf S. 6 ff. 2 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 40. 3 Siehe Kapitel 5 im Ganzen (S. 159 ff.). 4 Siehe im Übrigen die in Kapitel 4 (S. 103 ff.) behandelten Folgepflichtklauseln in englischer Sprache. 5 So die wortgleichen Beispiele für die proportionale und die nicht-proportionale Rückversicherung bei Pfeiffer, Einführung in die Rückversicherung, S. 85, 98. *
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302
Kap. 8: Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien
»Der Rückversicherer teilt in jeder Hinsicht das Schicksal des Erstversicherers und billigt die von ihm vorgenommenen Dispositionen.«6
Die allgemeine Aussage, der Erstversicherer habe »so zu regulieren, wie er regulieren würde, hätte er keinen Rückversicherungsschutz«, wurde bereits an anderer Stelle thematisiert und muss in beide Richtungen verstanden werden.7 Die zweite vorgestellte Klausel kann wohl als Paradebeispiel einer auslegungsbedürftigen Klausel gelten. Auch Klauseln, die für die Bestimmung der Folgepflicht bereits in eine bestimmte Richtung deuten – meist unter Betonung der freien Geschäftsführung des Erstversicherers, offenbaren daher einen Auslegungsspielraum, der durch Gericht und Schiedsgericht ausgefüllt werden muss. Hierzu gilt es, den wirklichen Willen der Parteien zu erforschen. Sollte der wirkliche Wille eindeutig festzustellen sein, weil er sich beispielsweise in der genauen Beschreibung der Folgepflicht äußert, bedarf es der Wertung anderweitiger Klauseln des Rückversicherungsvertrages regelmäßig nicht. Hingegen werden sich Erst- und Rückversicherer jedoch in der Mehrzahl der Fälle nicht über die Grenzen der Folgepflicht ausgetauscht haben, geschweige denn darauf geeinigt haben. Folglich verbleibt lediglich die Ermittlung des Willens der Parteien durch die Auslegung der Klausel und des Vertrages als Ganzes (§§ 133, 157 BGB). Von entscheidender Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die die Folgepflicht begleitenden Klauseln des Rückversicherungsvertrages, durch welche in unterschiedlicher Ausprägung ebenfalls der Wille der Parteien zum Ausdruck kommen kann. Kothris weist in dieser Hinsicht auf die Interdependenz der Folgepflicht mit anderen Besonderheiten des Rückversicherungsvertrages hin – so insbesondere auf den Selbstbehalt des Erstversicherers und Kontrollrechte des Rückversicherers.8 Die Folgepflicht muss somit grundsätzlich im Licht des Vertrages als Ganzes ausgelegt werden.9 Neben den bereits angedeuteten, augenscheinlich auf einen Einfluss hindeutenden, Besonderheiten sind vorab weniger naheliegende Klauseln zu untersuchen. I.
Vergleich mit Irrtumsklauseln
Dem Erstversicherer können bei seiner Kommunikation mit dem Rückversicherer (unbeabsichtigte) Irrtümer und Versehen unterlaufen.10 Jedenfalls Übermittlungs- und Erklärungsfehler sollen schon allgemeinen Rechtsgedanken zufolge nicht zum Wegfall des Rückversicherungsschutzes führen (§§ 242, 119 f.
6 So und anschließend auch in leicht abgewandelter Form Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 40 f. 7 Siehe oben S. 250 ff. 8 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 75. 9 Hill, International Insurance Law Review 1994, S. 459 (461). 10 Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 40 und Lüer/Schwepcke/ Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 72.
A. Bedeutung (der typischen Verwendung) von Rückversicherungsklauseln
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BGB).11 Hier sind jedoch Irrtümer gemeint, die dem Erstversicherer nicht in der Geschäftsführung, sondern insbesondere in der Schadenanzeige gegenüber dem Rückversicherer unterlaufen. 12 Hierauf bezieht sich beispielsweise die Klausel in Eagle Star Insurance v. Cresswell: »Omission however by the company to notify any claim or occurrence which at the outset did not appear to be serious but which at a later date threatened to involve the company shall not prejudice their right of recovery hereunder.«13
Üblich sind allerdings auch Klauseln, die den Erstversicherer von seinem Irrtumsrisiko im Ganzen entbinden.14 Eine Standardformulierung etwa lautet: »Irrtümer und versehentliche Unterlassungen beeinflussen die Rechte und Verpflichtungen aus diesem Vertrag nicht. Sie sind, sobald sie festgestellt werden, unverzüglich zu berücksichtigen.«15
Auch wenn sich die auf dem Markt verwandten Klauseln mitunter stark unterscheiden,16 so sei der Gehalt derartiger Klauseln in der Regel derjenige, dass grob-fahrlässige Irrtümer und Versehen berichtigt werden können, sofern dies nach den Umständen noch möglich ist.17 Betreffend das Irrtumsrisiko wird jedoch ebenfalls eine Ausklammerung nur von einfacher Fahrlässigkeit vertreten.18 Fraglich ist daher, ob sich hieraus eine Wertung für die Folgepflicht ableiten lässt. Allerdings betrifft die Klausel Fallgestaltungen, in welchen Organisationsmängel vorliegen, d.h. Versehen und Nachlässigkeit einzelner Angestellter (beispielsweise Rechenfehler oder verspätete Meldungen gegenüber dem Rückversicherer).19 Der elementare Unterschied zur Folgepflicht ist somit im Bezugspunkt der Irrtumsklausel zu sehen: Sie bezieht sich auf Versehen und Nachlässigkeiten bei der Übertragung der Risiken auf den Rückversicherer. Hierin liegt die wesentliche Wertungsentscheidung für die Folgepflicht, die »Fehler« der Geschäftsführung der Erstversicherung betrifft. Für die Folgepflicht aber ließe sich dann zweierlei ableiten: zum einen, dass hiervon nicht die Geschäftsführung des Erstversicherers und damit auch nicht dessen Folgepflicht betroffen ist. Wenn sich die Parteien also auf eine Irrtumsklausel einigen, regeln sie damit allein die rückversicherungsrechtliche Komponente ihrer vertraglichen Beziehung. Gleichzeitig setzt die Klausel voraus, 11 Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 40; Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 72; Steinmann, Der Rückversicherungsvertrag im Konkurs des Erstversicherers, S. 30 f. 12 Auch Langheid/Wandt/Looschelders, VVG Bd. 2, § 209 Rn. 56. 13 Eagle Star Insurance Co Ltd v. Cresswell [2004] Lloyd’s Rep IR 537 (537). 14 Für den Schadenexzedentenvertrag Grossmann, Rückversicherung, S. 54 und Prölss, ZVersWiss 1966, S. 511 (575). 15 So bei Fausten, VersR 2017, S. 1057 (1062 Fn. 44). 16 Fausten, VersR 2017, S. 1057 (1062). 17 Grossmann, Rückversicherung, S. 54. 18 Prölss, ZVersWiss 1966, S. 511 (575). 19 Prölss, ZVersWiss 1966, S. 511 (575).
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Kap. 8: Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien
dass der Irrtum noch korrigiert werden kann, und beschreibt damit eine von der Problematik der Geschäftsführung abweichende Situation. Zum anderen könnte argumentiert werden, dass die Rückversicherungsvertragsparteien für eine Fallkonstellation, die der Geschäftsführung ähnelt, eine einseitige Risikotragung des Rückversicherers vorsehen – ohne gleichzeitig eine Beteiligung des Erstversicherers hieran (im Sinne eines Selbstbehaltsäquivalents) vorzuschreiben. Diese Risikotragung ist umgekehrt in der Folgepflicht zugunsten des Rückversicherers und aufgrund des Selbstbehalts des Erstversicherers nur Risikoteilung. Erst recht könnte daher eine Folgepflicht des Rückversicherers für jede einfach- und grob-fahrlässig nicht-ordnungsgemäße Geschäftsführung angezeigt sein. Im Ergebnis also wird man der Irrtumsklausel im Hinblick auf diese Doppeldeutigkeit der Klausel keine Bedeutung für die Bestimmung der Folgepflicht beimessen können. II. Einfluss von Aggregationsklauseln Die gleiche Frage ergibt sich, wenn man Aggregationsklauseln des Rückversicherungsvertrages in den Blick nimmt. Diese beschäftigen sich mit einer Problematik, die insbesondere für die Limits des Rückversicherungsvertrages relevant sein kann. Mit ihnen lässt sich bestimmen, welche Schäden für einen Schadensfall oder das Limit eines Jahres summiert (d.h. aggregiert) werden. Ein prominentes Beispiel einer Aggregationsklausel ist die Stundenklausel (sog. hours clause), die mehrere Einzelschäden für ein Limit zu Ereignisschäden zusammenfasst20. Aggregationsklauseln werden sowohl in proportionalen als auch in nicht-proportionalen Rückversicherungen verwendet und betreffen im Besonderen die Sachversicherung.21 Mit ihr wird somit ein Zeitausschnitt eines Zeitraums von Schadenereignissen beschrieben, der für die Rückversicherungsdeckung relevant werden soll.22 Eigenart dieser Klauseln ist, dass dem Erstversicherer hier ein unbegrenzter Ermessensspielraum in der Lokalisierung des relevanten Zeitraums zugestanden wird. Hierdurch wird er in die Lage versetzt, die Limits des Vertrages voll auszureizen. Auch wenn sich diese Freiheit lediglich als Konsequenz der Existenz dieser Limits ergibt, bleibt der Eindruck auch für die Folgepflicht im Ganzen nicht ohne Nachhall. Denn der Rückversicherer hat hier keine Möglichkeit, die Entscheidung des Erstversicherers in Frage zu stellen, auch wenn hiermit erneut die Rückversicherungsbeziehung selbst angesprochen ist. III. Implikationen der Insolvenz des Erstversicherers In den Blick zu nehmen ist darüber hinaus die Rolle der Insolvenz des Erstversicherers. Ein Vorteil der Rückversicherung als Methode der Risikoteilung Bspw. genannt bei Thomas, VW 2011, S. 1605. Pohl/Iranya, The ABC of Reinsurance, S. 203. 22 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (713). 20 21
B. Auswirkungen der Back-to-back-Deckung
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liegt, insbesondere gegenüber der Mitversicherung, in der nachgelagerten Inanspruchnahme des Rückversicherers. Vertragspartner des Versicherungsnehmers ist und bleibt trotz der Rückversicherung der Erstversicherer. Diese Wertung wird selbst durch die Insolvenz des Erstversicherers nicht in Frage gestellt. Darüber hinaus ändert sich aber auch die Haftung des Rückversicherers durch die Insolvenz seines Vertragspartners (des Erstversicherers) nicht.23 Der Rückversicherer ist daher unstrittig zur Leistung an den Erstversicherer verpflichtet24 – nach einer frühen Entscheidung des Reichsgerichts jedoch nur entsprechend der insolvenzbedingt geringeren Leistung an den Versicherungsnehmer.25 Hieraus ergibt sich indes keine Besonderheit der Haftung des Rückversicherers, sondern leitet sich bereits aus allgemeinen insolvenzrechtlichen Wertungen ab. Dies gilt auch für den Fall, dass der Erstversicherer, vertreten durch den Insolvenzverwalter, Vergleiche mit den Versicherungsnehmern abschließt. Nach Ehrenberg dürften diese Vergleiche aber in Abkehr zu sonstigen Fassungen der Folgepflicht nicht zugunsten des Rückversicherers gehen.26
B. Auswirkungen der Back-to-back-Deckung »It is to be noted that when any part of this paper appears dull there is a design in it.«*
Der Einfluss von Back-to-back-Klauseln wurde bereits an anderer Stelle im Verhältnis zu den Aussagen der englischen Rechtsprechung beleuchtet. Bereits im Rahmen der Darstellung der englischen Rechtsprechung wurde aufgezeigt, dass die Folgepflicht oftmals in Verbindung mit Back-to-back- bzw. As-original-Klauseln steht.27 Nicht nur sind sie aber voneinander abzugrenzen. Darüber hinaus muss gefragt werden, ob hierdurch die Auslegung der Folgepflicht selbst beeinflusst wird. Sie haben üblicherweise folgenden Wortlaut: »[1.] Die Rückversicherung erfolgt zu Originalprämie, zu Originalbedingungen und in den Originalwährungen. [2.] Die Rückversicherung erfolgt zu den Originalbedingungen der Policen und Verträge. [3.] Im Übrigen gelten die allgemeinen Vertragsbedingungen des Originalvertrages auch für die Beteiligung des Rückversicherers an diesem Geschäft. 23 Siehe Home and Overseas Insurance Co Ltd v. Mentor Insurance Co (UK) Ltd [1989] 1 Lloyd’s Rep 473. 24 Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 60. 25 RGZ 55, S. 86. 26 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 124 ff. * Richard Steele in Bezug auf die Rückversicherung, 7. Juli 1709, aus The Tatler, Nachdruck London 1829. 27 Siehe insb. S. 205 ff.; auch als full reinsurance clause bezeichnet, siehe Stahl/Meyenburg, Englisches Rückversicherungsrecht, S. 35.
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[4.] Der Rückversicherer wird an allen Risiken zu den gleichen Bedingungen und mit den gleichen Prämiensätzen beteiligt, zu denen die Versicherungsverträge vom Zedenten abgeschlossen sind. [5.] Alle Abmachungen und Bedingungen des Originalvertrages sind für den Rückversicherer bindend.«28
Diese Verweisungsklauseln nehmen die Vertragsbestimmungen des Erstversicherungsvertrages auch für den Rückversicherungsvertrag selbst in Bezug. Eine Back-to-back-Deckung könne aufgrund des Einzelrisiko-Zuschnitts jedenfalls bei der fakultativen nicht-proportionalen Rückversicherung vermutet werden.29 In Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance30 erläuterte Tuckey LJ, dass Back-to-back-Deckungen nicht dazu führten, dass alle Einwände des Erstversicherers gegen den Versicherungsnehmer nun auch dem Rückversicherer gegen den Erstversicherer zustünden.31 Dies hatte auch für die Beurteilung der Scor provisos Konsequenzen.32 Festgestellt wurde, dass die Back-to-back-Deckung jedenfalls nicht dazu führen darf, dass dem Rückversicherer gleichsam durch die Hintertür ermöglicht wird, eigenständig das Bestehen oder Nichtbestehen der Leistungspflicht im Erstversicherungsverhältnis von neuem zu überprüfen. Dies entspricht gerade den Zwecken der Folgepflicht, die auf einen gewissen Automatismus der Haftung des Rückversicherers abzielt, welcher eine erneute Evaluierung durch den Rückversicherer auch im Fall einer Back-to-back-Deckung obsolet machen soll.
C. Einfluss auf die Regulierung durch den Rückversicherer »Abusus non tollit usum sed confirmat substantiam.«*
Schließlich sind die Klauseln des Rückversicherungsvertrages, die dem Rückversicherer eine Einflussnahme auf den Erstversicherer bzw. auf dessen Regulierung ermöglichen, zu untersuchen. Enthält ein Rückversicherungsvertrag eine derartige Klausel könnte dies auch Auswirkungen auf die Beurteilung der konkreten Folgepflicht des Rückversicherers haben. Zu erwägen wäre, dass die Steinmann, Der Rückversicherungsvertrag im Konkurs des Erstversicherers, S. 49. Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 55 f. Darüber hinaus Mackenzie v. Whitworth [1874-75] L.R. 10 Ex. 142, wenn dort gefordert wird, der Rückversicherungsvertrag solle betreffend aller Klauseln so gestaltet sein wie der Erstversicherungsvertrag. Im Weiteren bereits bestätigt durch Uzielli & Co v. Boston Marine Insurance Co [1884] 15 QB 11 (15 f.). 30 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429. 31 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 14). 32 Siehe S. 180 ff. * Marcus Tullius Cicero, Topica 17: »Missbrauch hebt den (richtigen) Gebrauch nicht auf, sondern bestätigt vielmehr das Wesen« [Übersetzung d. Verf.]; abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 16. 28 29
C. Einfluss auf die Regulierung durch den Rückversicherer
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Regulierung durch eine solche Klausel nicht vollständig dem Erstversicherer überlassen werden sollte. Hieraus sind prima facie wiederum zwei Schlüsse für die Folgepflicht zulässig: Zum einen könnte intendiert sein, auch die Folgepflicht von höheren Anforderungen abhängig zu machen. Zum anderen könnte dem auch die Wertung zu entnehmen sein, dass gerade aufgrund dieser Einflussnahmemöglichkeiten durch den Rückversicherer seine Folgepflicht weiter zu verstehen ist. Die Bedeutung derartiger Klauseln für den Rückversicherungsvertrag und deren Auswirkungen auf die Interessenlage der Parteien stellte bereits der historische VVG-Gesetzgeber in seinen wenigen Ausführungen zur Rückversicherung fest und konstatierte, dass der Nutzen einer Rückversicherung selbst für den Erstversicherer stark gemindert wäre, wenn er in jeder Regulierungsfrage den Rückversicherer konsultieren müsste: »[Der Erstversicherer] kann aber bei der Übernahme oder Fortsetzung einer Versicherung sowie bei den Maßregeln, die nach dem Eintritt eines Versicherungsfalls zu ergreifen sind, insbesondere bei den Verhandlungen über die Entschädigung und bei sonstigen auf die einzelne Versicherung bezüglichen Fragen, nicht jedesmal den Rückversicherer hinzuziehen. Dieser ist daher, wenn die Rückversicherung ihren Zweck erreichen soll, meist genötigt, den Entschließungen, die der erste Versicherer in bezug auf das Verhältnis zu dem Versicherungsnehmer faßt, von vornherein für die Rückversicherung einen maßgebenden Einfluß einzuräumen.«33
Gleichsam erkannte der historische Gesetzgeber, dass der Rückversicherer nicht umhin komme, dem Erstversicherer ein gewisses Grundvertrauen entgegenzubringen. Positiv gewendet ist daher das Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers Grundbedingung der Rückversicherung, auch wenn es durch Einflussnahmeklauseln in seiner Bindungswirkung für den Rückversicherer beschränkt werden kann. Auch Ehrenberg erörterte zuvor die Anerkennung des Geschäftsführungsrechts des Erstversicherers: »Und [der Erstversicherer] selber – muss er seine Ueberzeugung, die in der Regel auch die besser begründete sein wird, zum Opfer bringen, wenn der oder die Rückversicherer sämmtlich entgegengesetzter Ansicht sind? […] Man sieht schon hier sofort, dass jede Betheiligung der Rückversicherer zu unlöslichen Conflicten führen muss, und nun denke man sich gar den Fall, dass nicht erste, sondern auch fernere Rückversicherungen geschlossen wurden, dass also kein Rückversicherer zu der Schadensregulirung seine Zustimmung geben darf, ohne vorher in seiner Eigenschaft als Rückversicherer sich die Zustimmung seines oder seiner Rückversicherer gesichert zu haben!«34
Motive zum VVG 1908, S. 246. Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 114. Darüber hinaus lesenswert die diese Aussage umrahmenden, von ihm plakativ aufgeworfenen Fragen und Ausrufe, die sein Unverständnis darüber zum Ausdruck bringen, dass sich Literatur und Rechtsprechung im ausgehenden 19. Jahrhundert noch nicht zur Anerkennung des Geschäftsführungsrechts des Erstversicherers als Gewohnheitsrecht durchringen konnten. 33 34
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Als Folge sah er die zwingende Basis der Rückversicherung in der eigenständigen (»ganz allein«) Regulierung durch den Erstversicherer der hieran anschließenden Bindung des Rückversicherers.35 Die Gründe für die Vereinbarung von Mitwirkungsrechten können entgegen dieser allgemeinen Wertungen sinnstiftend sein. Neben der Vermutung für die Plausibilität, die bereits die Praxis der Vereinbarung solcher Kontrollrechte mit sich bringt, könne der Grund auch in einem Interessenausgleich liegen, wenn beispielsweise in der Schadenexzedentenrückversicherung ein ungenügender, nicht in Relation zur Rückversicherungsleistung stehender Selbstbehalt vereinbart wurde.36 Hierauf weist auch Herrmannsdorfer für die Schadenexzedentenrückversicherung bei der Haftpflichtversicherung hin.37 Er sieht in der fehlenden Relation des Selbstbehalts den Grund für Vereinbarungen, die dem Rückversicherer gar Zustimmungsrechte einräumen für den Fall, dass die geltend gemachten Schäden eine zuvor festgelegte Höhe übersteigen.38 Demnach stehen die Weite der Einflussnahmemöglichkeiten des Rückversicherers und der Selbstbehalt des Erstversicherers in enger Verbindung zu den Grenzen der Folgepflicht.39 Als Randnotiz sei bemerkt, dass, auch unabhängig von derartigen Klauseln, Rückversicherer auf die Regulierung der Erstversicherer Einfluss nehmen. Dies wurde bereits am einführenden Beispiel des Erdbebens von San Francisco deutlich, in dessen Nachgang die Rückversicherer mittelbar durch ihre Ankündigungen betreffend ihre eigene Leistung auf die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis Einfluss nahmen.40 Da die Erstversicherer mit durchaus existenzbedrohenden Schadenssummen konfrontiert waren, hatten derartige proaktive Ankündigungen auch Einfluss auf Regulierungsvorgaben der Erstversicherer an ihre Schadenbearbeiter. Die Vereinbarung von Mitwirkungsrechten spiegelt das Begriffspaar claims cooperation clause und claims control clause als in der Praxis übliche Klauseln, auch wenn die dort anzutreffenden Klauseln unterschiedlichste Grade der Einflussnahmemöglichkeiten abbilden. 41 Dies führt auch dazu, dass die genannten Begriffe nicht immer mit dem gleichen Bedeutungsgehalt beschrieben werden.42 Fraglich bleibt für diese Untersuchung, in welchem Verhältnis solche Klauseln zur Folgepflicht stehen. Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 113 f. So Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 89. 37 Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 312. 38 Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 312. 39 Hierauf soll im Anschluss auf S. 319 ff. eingegangen werden. 40 Siehe oben S. 45 ff. 41 Vgl. Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 5.07. 42 Dies zeigt eindrucksvoll bereits die Einlassung der Anwälte des Rückversicherers in der Scor-Entscheidung, die sich auf Auszüge einer claims control clause beriefen, obschon der Vertrag eine claims cooperation clause vorsah, siehe Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (316). 35 36
C. Einfluss auf die Regulierung durch den Rückversicherer
I.
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Mitwirkungsrechte
Mitwirkungsrechte werden insbesondere in der fakultativen Rückversicherung eingeräumt, sie sind jedoch insbesondere in der obligatorischen proportionalen Rückversicherung in der Regel auch nicht im Interesse des Rückversicherers, da es sich hier um Massengeschäfte handelt und er die Regulierung schon aus Gründen der Effektivität nicht einzeln überprüfen wollen wird.43 Im Weiteren spricht Ehrenberg gar von einer physischen Unmöglichkeit, an jeder Regulierung mitzuwirken, und davon, dass durch die Einflussnahme des Rückversicherers eine Verschleppung der Regulierung im Erstversicherungsverhältnis zu befürchten sei.44 Einen Eindruck von dem Verhältnis zur Folgepflicht geben die folgenden Beispiele. 1. Erste Formen der Kooperationspflichten in deutscher Sprache Die Gestaltung von Mitspracherechten des Rückversicherers unterlag während der Entwicklung der Rückversicherung, wie auch die Klauseln zur Folgepflicht,45 einem steten Wandel. Als eine frühe Ausprägung einer Kooperationspflicht des Erstversicherers in Bezug auf seine Regulierung ist die folgende Klausel anzusehen: »[Der Erstversicherer] hat das Recht der selbständigen Regulirung der Brandschäden, jedoch kann [der] Rückversicherer auf eigene Kosten einen Abgeordneten mit lediglich berathender Stimme und ohne dass derselbe mit dem Beschädigten in irgend welche directe Verbindung zu treten berechtigt ist, theilnehmen lassen. Das Regulirungsgeschäft selber darf dadurch nicht aufgehalten werden.«46
Bemerkenswert an dieser Formulierung ist die defensiv ausgestaltete Teilhabe des Rückversicherers an der Regulierung, die sich anhand verschiedenster Einschränkungen manifestiert (selbstständige Regulierung; auf eigene Kosten; lediglich beratend; kein Kontakt zu dem Versicherungsnehmer). Zudem fällt die zusätzliche und gleichsam repetierende Erwähnung der Unabhängigkeit der Regulierung im zweiten Satz auf. Ehrenberg macht darauf aufmerksam, dass der Rückversicherer ein Interesse daran hat, bei fehlendem Selbstbehalt47 des Erstversicherers weitergehende Einflussmöglichkeiten auf die Regulierung vertraglich zu vereinbaren. 48 Als erster Zugriff auf die Frage der Einflussnahme durch den Rückversicherer muss daher die in dieser Untersuchung beKatschthaler, ZfV 2008, S. 710 (711). Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 113. 45 Siehe allgemein die Darstellung in Kapitel 5 (S. 159 ff.). 46 Erwähnt bei Ehrenberg, Rückversicherung, S. 120 – daher datierend auf spätestens 1885 (Erscheinungsjahr). 47 Zur Frage des Einflusses des Selbstbehalts des Erstversicherers sogleich auf S. 319 ff. 48 Ehrenberg, Rückversicherung, S. 120 – »[…] wenn ihm sein Rückversicherter nicht ein genügendes persönliches Vertrauen einzuflössen vermag […]«. 43 44
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Kap. 8: Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien
reits festgestellte Eigenständigkeit der Regulierung von einer Rückversicherungsdeckung sein. Eine Einflussnahme durch den Rückversicherer ist daher grundsätzlich nur möglich, sofern eine vertragliche Vereinbarung dies vorsieht – und unter dem Vorbehalt, dass der Rückversicherer nicht gegenüber dem Versicherungsnehmer auftritt. Cannawurf/Schwepcke sehen, ohne dieses Ergebnis in Frage zu stellen, in der Nicht-Konsultation des Rückversicherers eher einen Nachteil für den Erstversicherer, der sich damit selbst der Chance beraube, von dem Know-how des Rückversicherers zu profitieren.49 Dem ist jedoch nicht in der Weise zuzustimmen, dass damit auch eine Gefährdung der Vermögensdisposition beim Rückversicherer einhergeht. 50 Diese Vermögensdisposition hat vielmehr bereits durch den Rückversicherungsvertrag als solchen stattgefunden, da diesem Folgepflicht und Geschäftsführungsrecht als ergänzender Handelsbrauch immanent sind.51 Ein Mitwirkungsrecht des Rückversicherers ist im weiteren Sinn auch nicht notwendig, da, wie Heise bereits feststellte, der Erstversicherer in dieser Beziehung bereits selbst »Versicherungsfachmann« sei.52 2. Die claims cooperation clause am Beispiel der Scor-Entscheidung Derartige Kooperations- bzw. Beratungsklauseln werden als sog. claims cooperation clauses bezeichnet und sprechen dem Rückversicherer bestimmte Mitsprache- oder auch nur Informationsrechte betreffend die Regulierung des Erstversicherers zu. Einen ersten Hinweis auf die hier bedeutsame Frage, in welchem Verhältnis die claims cooperation clause zur Folgepflicht des Rückversicherers steht, gewährt die vielbeachtete Scor-Entscheidung von 1984. Dieses prominente Beispiel wurde bereits in einem allgemeineren Zusammenhang beschrieben.53 Wie auch dort erwähnt wurde, war Gegenstand des Urteils zusätzlich zu der Folgepflicht des Rückversicherers eine claims cooperation clause,54 die in den Vertrag aufgenommen worden war.55 Es lag nahe, sie in der Weise zu deuten, dass die Zustimmung der Rückversicherer Bedingung der Folgepflicht des Rückversicherers ist. Bereits in der Vorinstanz hielt Legatt J allerdings fest, dass die Folgepflicht jedenfalls nicht durch die
Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 190. So aber Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 190. 51 Siehe oben S. 85 ff. 52 Heise, Die Rückversicherung als Haftpflichtversicherung, S. 46 f. 53 Siehe oben S. 175 ff. 54 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (318, 324). 55 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 im Ganzen. 49 50
C. Einfluss auf die Regulierung durch den Rückversicherer
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claims cooperation clause verdrängt werde.56 Der Anspruch des Erstversicherers gegen den Rückversicherer erstrecke sich auch auf die Verfahrenskosten im Erstversicherungsprozess, obschon argumentiert wurde, dass der Rückversicherer seine Zustimmung zu der durch den Erstversicherer angestrebten Regulierung versagt habe.57 Ebenso beurteilte der Berufungsrichter Stephenson LJ die Folgepflicht unabhängig von der claims cooperation clause. Die claims cooperation clause hätte lediglich den Effekt, dass die Regulierung grundsätzlich von der Zustimmung des Rückversicherers abhänge – eine dadurch veränderte Auslegung der Folgepflicht selbst sah er jedoch nicht.58 Allerdings gingen die Meinungen der Berufungsrichter betreffend die Interpretation der claims cooperation clause neben einer Folgepflicht auseinander. Nach Ansicht von Stephenson LJ und Fox LJ sollten die beiden Klauseln nicht miteinander vereinbar sein.59 Da der Rückversicherer im konkreten Fall nicht zugestimmt hatte, den Prozess zu führen, könne er auch nicht über die Folgepflicht an den Verfahrenskosten beteiligt werden.60 Es stellt sich für diese Untersuchung die Frage, welchen Einfluss die in der Scor-Entscheidung angeklungenen Deutungen des Verhältnisses zwischen Folgepflicht und claims cooperation clause auf die hier aufgeworfene Problematik haben, ob die claims cooperation clause die Auslegung der Folgepflicht selbst beeinflusst. Über die Nichtersetzbarkeit der Verfahrenskosten hinaus könnte eine vertraglich vereinbarte claims cooperation clause den Inhalt der Folgepflicht in der Weise beeinflussen, dass strengere Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung des Erstversicherers gestellt werden. Es ließe sich vor diesem Hintergrund argumentieren, der so gestaltete Rückversicherungsvertrag spreche dem Rückversicherer einen weiten Einfluss auf die Regulierung des Erstversicherers zu, weshalb die Parteien implizit die Folgepflicht des Rückversicherers einschränken wollten. Auch hier muss jedoch mit der zuvor erörterten Wertung aus dem Erstversicherungsverhältnis61 festgehalten werden, dass sich der Einfluss des Rückversicherers nicht zuungunsten des Versicherungsnehmers auswirken darf. Dem kann man im Fall des Einschlusses derartiger Klauseln nur gerecht werden, wenn der Rückversicherer seine Entscheidung nicht aus eigennützigen Er56 Siehe Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1983] 1 Lloyd’s Rep 541 (560); vgl. auch Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (533). 57 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1983] 1 Lloyd’s Rep 541 (560). 58 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (324). 59 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (324 f., 334). 60 Vgl. Gumbel, ZfV 1988, S. 528 (533). 61 Siehe in Kapitel 6 insb. S. 256 ff.
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Kap. 8: Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien
wägungen versagen darf. In entsprechender Weise muss auch die Scor-Entscheidung selbst interpretiert werden: Der Rückversicherer war von dritter Seite über einen möglichen Versicherungsmissbrauch der Versicherungsnehmer informiert worden, weshalb er seine Zustimmung zu einer vorprozessualen Regulierung versagte. Dem Einwand der Klausel wurde indes von Seiten des Erstversicherers entgegnet, das Zurückhalten der angefragten Zustimmung durch den Rückversicherer habe den Erstversicherer zu einer vorprozessualen Regulierung und daraufhin zu einem Verfahren gezwungen, welches ihm ein im Ergebnis negatives Urteil bescherte.62 Sowohl für den Erst- als auch für den Rückversicherer war es aufgrund der Problematik der Beweisfindung für den im Raum stehenden Versicherungsbetrug absehbar, dass der Prozess teuer werden könnte. 3. Der Einfluss von claims cooperation clauses auf die Folgepflicht Ein erster Hinweis auf die Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs zwischen claims cooperation clause und Folgepflicht ergibt sich aus der folgenden Klausel, die in Law Guarantee Trust and Accident Society v. Munich Reinsurance Gegenstand richterlicher Untersuchung war: »It is a condition precedent to the reinsurer’s liability hereunder that the reinsured shall not introduce at any time after the reinsured enters into this agreement any change in its established acceptance and underwriting policy which may increase or extend the liability or exposure of the reinsurer hereunder in respect of the classes of business to which this agreement applies without the prior written approval of the reinsurer.«63
Sie bezieht sich im Gegensatz zu der allgemein gehaltenen Klausel der ScorEntscheidung gerade nicht auf die Regulierung des Erstversicherers, sondern auf dessen Portefeuille, welches nicht ohne Zustimmung des Rückversicherers verändert werden soll – und damit auf einen obligatorischen Rückversicherungsvertrag. Auch wenn hiernach die Regulierung des Erstversicherers unberührt bleibt, lässt sich diese Klausel gleichwohl nicht verallgemeinern. Den Rückversicherungsparteien bliebe es unbenommen, eine Klausel zu vereinbaren, die eine »Mitsprache« des Rückversicherers in Bezug auf die Regulierung des Erstversicherers vorsieht. Fraglich muss daher sein, wie generell mit einer solchen oder einer ähnlich gestalteten Klausel umzugehen ist. Tauglich ist in diesem Zusammenhang die folgende Überlegung, die sich zunächst allein auf den Einfluss der Existenz einer claims cooperation clause bezieht – nicht hingegen auf die Folgen ihrer Verletzung, die im Nachgang betrachtet werden sollen: Wenn dem Rückversicherer vertraglich ein so gear62 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (322). 63 Law Guarantee Trust & Accident Society v. Munich Reinsurance Co [1915] 31 TLR 572, zitiert nach Carter/Lucas/Ralph, Carter on Reinsurance Bd. 1, S. 118.
C. Einfluss auf die Regulierung durch den Rückversicherer
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teter Einfluss auf die Geschäftsführung (bzw. die Regulierung) des Erstversicherers eingeräumt wird, kann nicht schon die Existenz einer solchen Klausel auch die Intention der Parteien begründen, die Folgepflicht selbst zu begrenzen. Umgekehrt ließe sich vielmehr argumentieren, die Hinzunahme einer claims cooperation clause reduziere (neben der Befolgung von Weisungen) gar die Anforderungen an die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung durch den Erstversicherer.64 Diese Lesart stünde jedenfalls im Einklang mit dem Grundsatz der freien Geschäftsführung durch den Erstversicherer und könnte als intendiertes Korrektiv zur claims cooperation clause gesehen werden. Und sie steht nicht im Widerspruch zu den Intentionen von Erst- und Rückversicherer, die dem Rückversicherer gerade bestimmte Einflussnahmemöglichkeiten zugestehen wollten. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn der Rückversicherer sich auf eine nicht-ordnungsgemäße Geschäftsführung beruft, obwohl er dieser trotz Möglichkeit hierzu nicht entgegengetreten ist. Der Verzicht auf eine Mitwirkung seitens des Rückversicherers trotz vertragsgemäßer Information durch den Erstversicherer ist dann als Anerkennung der Regulierung des Erstversicherers anzusehen (Zustimmung als Einwendungsverzicht, § 242 BGB).65 Es darf vor dem Hintergrund der generellen Möglichkeit der verpflichtenden Beeinflussung auch keinen Unterschied machen, ob der Rückversicherer tatsächlich Einfluss genommen oder darauf verzichtet hat. Eine andere Frage ist freilich, ob der Rückversicherer aufgrund der Nichtbefolgung der claims cooperation clause seitens des Erstversicherers von seiner Folgepflicht befreit ist. Eine solche Pflichtverletzung wird in der Regel in der Form einer Nichtbefragung des Rückversicherers zu sehen sein und bestimmt sich nach der konkreten Ausgestaltung der Klausel. Mit anderen Worten muss daher gefragt werden, ob die Parteien mit der Aufnahme einer claims cooperation clause eine zusätzliche Voraussetzung für die Folgepflicht aufstellen wollten, ob die Folgepflicht allein von der Einhaltung dieser Klausel abhängig gemacht werden sollte, oder, ob sie als Schutzpflicht des Erstversicherers allein zusätzliche Schadensersatzansprüche des Rückversicherers zur Folge haben sollte. Aufschluss über die zutreffende Auslegung geben die Einschätzungen in der Literatur. Demnach sei anzunehmen, dass der Erstversicherer auch im Fall einer Äußerung des Rückversicherers von dessen Einschätzungen abweichen Geht man davon aus, dass derartige Mitwirkungsrechte in der Regel durch den Rückversicherer in den Vertrag eingebracht werden, entspräche diese Sichtweise auch allgemeinen Grundsätzen, wie dem des contra proferentem (vgl. § 305c II BGB und konkret in Bezug auf eine claims cooperation clause Gan Insurance Co Ltd v. Tai Ping Insurance Co Ltd (No 2) [2001] Lloyd’s Rep IR 667 (686); gegen die Anwendung dieses Grundsatzes auf die Rückversicherung allerdings zusammenfassend Hoffman, 33 Tort & Insurance Law Journal 1997, S. 1 (32 f.). 65 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (714). 64
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Kap. 8: Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien
kann. Die Vorstellungen und Vorschläge des Rückversicherers müssen zwar berücksichtigt werden, führen bei einer Abweichung hiervon allerdings nur zu einer Beweis- und Darlegungslast des Erstversicherers.66 In ähnlicher Weise ordnet auch McGee die claims cooperation clause selbst in einer Formulierung ein, die die Beteiligung des Rückversicherers an der Entscheidungsfindung als condition precedent qualifiziert.67 Auf die rechtliche Unterscheidung zu einer exclusion clause soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da der Rückversicherer in beiden Fällen nicht haften würde.68 Auch muss man sich des Fokus entsprechender Klauseln bewusst sein. Mitunter werden sie so dargestellt, als entsprächen sie auch dem Interesse des Erstversicherers, da dieser von dem Know-how des Rückversicherers profitiere.69 Zu unterscheiden ist in der Vertragsauslegung jedoch zwischen Klauseln, die dem Rückversicherer Mitspracherechte gewähren, und vertraglichen Regelungen, die die fachliche und technische Hilfe des Rückversicherers ermöglichen. Letztere sind als Annex zu einem Rückversicherungsvertrag zu verstehen70 und nehmen damit grundsätzlich keinen Einfluss auf die Auslegung des Rückversicherungsvertrages selbst. Einer Vermengung des sich hierin ausdrückenden Servicegedankens mit der der Rückversicherung eigentümlichen Funktion des Risikotransfers ist daher entgegenzutreten.71 II. Die claims control clause Dies zeigt sich in verschärfter Form im Fall sog. claims control clauses (oder auch full claims cooperation clauses72). Unter derartigen Klauseln sind solche zu verstehen, die den Erstversicherer verpflichten, auf Aufforderung des Rückversicherers diesem die gesamte Regulierung zu übertragen. 73 Sie betreffen darüber hinaus meist nicht nur die Geschäftsführung im Allgemeinen, sondern beziehen sich ausdrücklich auf die Regulierung des Erstversicherers74 – und gehen somit über die claims cooperation clause hinaus.75 Formuliert sind sie zum Beispiel folgendermaßen:
Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (714). McGee, The Modern Law of Insurance, Rn. 49.18. 68 Siehe auch die Beschreibung in Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.44 f. 69 Schon zuvor und Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (714). 70 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 192. 71 So aber Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (714). 72 Prölss, ZVersWiss 1966, S. 511 (553 f.). 73 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 191. 74 Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 25.56. 75 Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 5.17. 66 67
C. Einfluss auf die Regulierung durch den Rückversicherer
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»The underwriters hereon shall control the negotiations and settlements of any claims under this policy. In this event the underwriters hereon will not be liable to pay any claim not controlled as set out above.«76
Unumstritten dürfte sein, dass mit dieser Klausel, nach dem Parteiwillen, tatsächlich ein Vorbehalt für die Folgepflicht verbunden sein soll.77 Katschthaler geht gar davon aus, dass hiermit dem Erstversicherer kein Recht zur selbstständigen, die Folgepflicht auslösenden Geschäftsführung mehr zustehe.78 Auf den die Folgepflicht beschränkenden Einfluss weist wiederum die Scor-Entscheidung mit den Worten von Stephenson LJ hin: »[…] but can only be a warning to reinsurers of those who insure losses, marine or nonmarine, in today's conditions to protect themselves with a claims control clause or a more narrowly defined follow settlements clause.«79
Dies bedeutet allerdings auch, dass die die Rückversicherung auszeichnenden Institute des Geschäftsführungsrechts des Erstversicherers und die Folgepflicht des Rückversicherers erheblich reduziert werden.80 Mehr noch muss daher die Frage gestellt werden, ob eine solche Änderung den Rückversicherungsvertrag nicht über Gebühr aushöhlt. Auf die Bedenklichkeit derartiger Klauseln weisen auch Cannawurf/Schwepcke hin, leiten hieraus allerdings keine Konsequenzen für deren Zulässigkeit ab.81 Diese Problematik ergibt sich nicht schon deshalb, weil hierdurch ein ergänzender Handelsbrauch für einen konkreten Rückversicherungsvertrag entwertet würde – die Vereinbarung zwischen den Parteien ginge schließlich auch einem Handelsbrauch vor. Bedenken bestehen vielmehr aus der Perspektive der Erstversicherung und dem Umstand, dass die Folgepflicht dem Wesen der Rückversicherung selbst entspringt. Eigenart der Rückversicherung ist es gerade, dass der Rückversicherer nicht Partei des Erstversicherungsvertrages ist. Wenn er durch eine claims control clause den Erstversicherungsfall regulieren kann, tritt er dem Versicherungsnehmer gegenüber zum einen selbst als dessen »Vertragspartner« auf.82 Zum 76 Eagle Star Insurance Co Ltd v. Cresswell [2004] Lloyd’s Rep IR 537 (537). Zwar war die Klausel als claims cooperation clause bezeichnet worden – zuzustimmen ist jedoch Longmore LJ, der hierin zu Recht eine claims control clause erkennt (dort 540). 77 Bspw. Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (714); in Abgrenzung zur Scor-Entscheidung Forsikringsaktieselskapet Vesta v. J.N.E. Butcher, Bain Dawes Ltd and the Aquacultural Insurance Service Ltd [1989] AC 852 (877, 882 f.). 78 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (714). 79 Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 (325). 80 So ist bereits die Scor-Entscheidung zu verstehen Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 122; Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 28. 81 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 191. 82 Hieraus ergibt sich eine Nähe zum sog. fronting, vgl. Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 162.
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anderen übernimmt er mit der Regulierung eine Funktion, die in der Erstversicherung dem Erstversicherer zugewiesen ist, und aufgrund welcher der Versicherungsnehmer womöglich gerade diesen Erstversicherer als Vertragspartner ausgewählt hat. Die Rückversicherung ist demgegenüber lediglich ein Instrument der Risikoteilung für den Erstversicherer. Darüber hinaus wurde bereits erörtert, dass der Rückversicherungsschutz des Erstversicherers nicht dazu führen darf, dass der Versicherungsnehmer schlechter gestellt wird als ein bei einem nicht rückversicherten Erstversicherer versicherter Versicherungsnehmer.83 Die Folge dieser Überlegung könnte sein, dass die Einflussnahmemöglichkeiten des Rückversicherers, unabhängig von der vertraglichen Ausgestaltung, gesetzlich durch die Wertungen aus dem Erstversicherungsverhältnis begrenzt werden. Wohingegen die Rückversicherungsnahme als solche als für den Versicherungsnehmer vorteilhaft einzustufen ist – zwar nicht wegen eines direkten Durchgriffs auf den Rückversicherer, aber aufgrund der Absicherung seines direkten Vertragspartners, des Erstversicherers –, kann das Einräumen von übersteigerten Befugnissen des Rückversicherers für den Versicherungsnehmer eine jedenfalls mittelbare Beeinflussung des Erstversicherungsverhältnisses durch eine dritte Partei zur Folge haben, welche sich der Versicherungsnehmer nicht ausgesucht bzw. von deren Einfluss auf sein Versicherungsverhältnis er keine Kenntnis hat. Agierte der Rückversicherer nun in der beschriebenen Weise, liegt es nahe, auch andere Wesenszüge der Rückversicherung für derartige Fälle auf den Prüfstand zu stellen. Dies betrifft im Besonderen die Frage des Durchgriffs des Versicherungsnehmers auf den Rückversicherer. 84 Argumentiert werden könnte für den Fall einer claims control clause, dass die Parteien des Rückversicherungsvertrages nicht nur einen Risikotransfer im Sinn hatten, sondern den Rückversicherer eher in der Rolle eines (verdeckten) Mitversicherers bzw. eines Gesellschafters der konkreten Erstversicherungsunternehmung85 sahen – mit der Konsequenz von über das Normalmaß hinausgehenden Mitspracherechten des »Rückversicherers«, aber auch mit der Möglichkeit seiner Inanspruchnahme durch den Versicherungsnehmer.
Siehe oben S. 243 ff. So auch Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 28. 85 So auch schon Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 113. 83 84
C. Einfluss auf die Regulierung durch den Rückversicherer
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Mithin müsste dann auch der Rückversicherungsvertrag als Ganzes86 anders bewertet werden. Denn gerade auch die Vereinbarung sog. Cut-through-Klauseln (insbesondere im Fall von fronting87 und Captive-Geschäften88)89 ist Argument für die Möglichkeit eines implizit vereinbarten Durchgriffs des Versicherungsnehmers durch die Rückversicherungsvertragsparteien selbst.90 Dies könnte mit vorgenannter Argumentation jedenfalls für Vertragsgestaltungen angenommen werden, bei welchen der Erstversicherer ähnlich dem fronting zum bloßen Mittler von Versicherung wird. Die Grenzen sind hier freilich fließend und die Vertragsauslegung aufgrund der Diversität der vertraglichen Gestaltung einzelfallabhängig. In der Literatur wurden derartige Überlegungen bereits angestellt91 und die Rechtsprechung mag sich mangels Gelegenheit in Form einer Klage des Versicherungsnehmers gegen den Rückversicherer bislang lediglich noch nicht mit dieser Problematik befasst haben. Wenn ein Durchgriff des Versicherungsnehmers – wie grundsätzlich und regelmäßig – aber nicht gewollt ist, ist den Rückversicherungsparteien dazu geraten, die Regulierungsentscheidung nicht durch eine claims control clause oder vergleichbare Klauseln in weiten Teilen auf den Rückversicherer auszusondern. III. Informations- und Inspektionsrecht des Rückversicherers Auch ohne vertraglich vorgesehene Möglichkeiten des Rückversicherers zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung des Erstversicherers ergibt sich für die Rückversicherung zunächst das gleiche Bild wie für die Erstversicherung: ein Informationsdefizit des Versicherers, der hier Rückversicherer ist. 92 Der Rückversicherer ist daher auf die Schadenanzeige des Erstversicherers auch
86 Diese ergibt sich gerade nicht aus der Bezeichnung als Rückversicherungsvertrag, sondern aus den konkreten Merkmalen des Vertrages, Carter/Lucas/Ralph, Carter on Reinsurance Bd. 1, S. 102 und Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 712 ff. 87 Hierunter ist die vollständige Weitergabe des gezeichneten Risikos zu verstehen. Der Erstversicherer wird hier also zum bloßen Mittler von Versicherungsschutz. Dieses Instrument wird insb. verwendet, um in einem Staat Versicherung anbieten zu können, welcher für das Vertreiben von Versicherungsprodukten die örtliche Zulassung des Versicherers voraussetzt, Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (373 f.). 88 Hiermit ist ein unselbstständiger Versicherer gemeint, der den Versicherungsbedarf seiner Muttergesellschaft/-en deckt, Thiemermann, Rückversicherung und Zahlungsströme, S. 34. 89 Siehe hierzu und im Weiteren Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 93 (Fn. 146). 90 Vgl. Geiger, VW 2000, S. 310 (310 f.). 91 Vgl. im Ergebnis auch Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (372 ff.) und Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 46. 92 Hieraus resultiert vorgeschaltet eine vorvertragliche Anzeigepflicht des Erstversicherers gegenüber dem Rückversicherer, im Ganzen Huber, in Liber amicorum Winter, S. 663.
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dann angewiesen, wenn der Rückversicherungsvertrag keine Einflussnahmeklausel vorsieht.93 Von Bedeutung ist die Information des Rückversicherers allerdings nicht wie in der Erstversicherung für die Regulierung im engeren Sinn. Denn die Information des Rückversicherers dient gerade nicht seiner eigenen Evaluation des Erstversicherungsfalls – indes wird diese Zweckrichtung des Informationsrechts verschiedentlich pauschal vertreten.94 Im Ergebnis ergibt sich aus dieser Differenzierung zwar kein Unterschied für die zu übermittelnden Informationen, der rückversicherungsspezifische Ansatzpunkt der Information ist gleichwohl vorzuziehen, da er sich aus der Überprüfungsfunktion im Rückversicherungsverhältnis selbst ergibt.95 Lediglich für die Beurteilung des nach eigenen Regeln ausgestalteten Rückversicherungsfalls muss der Rückversicherer daher im Bilde über die Informationen sein, die auch dem Erstversicherer zur Verfügung gestellt wurden. Die »Nicht-Ordnungsgemäßheit« der Geschäftsführung des Erstversicherers kann der Rückversicherer nämlich nur dann feststellen, wenn er die Geschäftsführung überprüfen kann. 96 Korrespondierend mit Geschäftsführungsrecht und Folgepflicht ist daher auch eine allgemeine Information des Rückversicherers durch den Rückversicherungsvertrag vorausgesetzt. Umgekehrt wird diese Information als Anzeige-»pflicht« des Erstversicherers begriffen.97 Erneut ist die Information des Rückversicherers, wie auch das Geschäftsführungsrecht und die Folgepflicht, als ergänzender Handelsbrauch zu verstehen.98 Sie gilt daher auch ohne vertragliche Vereinbarung. Ihre konkrete Ausgestaltung ist jedoch von den Modalitäten des konkreten Vertrages abhängig. Im Beispiel einer obligatorischen Rückversicherung wird die individuelle Schadenanzeige nicht praktikabel sein, weshalb aufgrund der Vielzahl der erfassten Schadensfälle regelmäßig eine vierteljährliche Unterrichtung des Rückversicherers vereinbart wird.99 Überdies wird darauf hingewiesen, dass das Informationsrecht auf kontinentaleuropäischen Märkten nur selten ausgeübt wird und gar als Vertrauensbruch
93 Vgl. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 720; im Zusammenhang mit einer zeitlichen Vorgabe in der claims cooperation clause Royal & Sun Alliance Insurance Plc v. Dornoch [2005] Lloyd’s Rep IR 544. 94 Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 25.1. 95 So sind auch Cannawurf/Schwepcke zu verstehen (in Lüer/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 100). 96 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 532. 97 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 75; die rechtzeitige und vollständige Schadenanzeige kann insb. dann Bedeutung erlangen, wenn der Rückversicherungsvertrag nur einen bestimmten Zeitraum deckt, Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 25.15. 98 Siehe insoweit S. 85 ff. 99 Barlow Lyde & Gilbert, Reinsurance Practice and the Law, Rn. 25.1.
D. Der Selbstbehalt als Antwort auf die Missbrauchsgefahr
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gewertet würde.100 Inwiefern dieser Einschätzung auch in Zeiten der Verrechtlichung und gesunkenen Hemmschwellen zur (schieds-)gerichtlichen Auseinandersetzung noch zuzustimmen ist, sei dahingestellt. Denn aus diesem Informationsrecht leitet sich unstrittig auch ein Inspektionsrecht des Rückversicherers ab, mit dem er nach rechtzeitiger Ankündigung selbst Einsicht in konkrete Unterlagen nehmen kann.101 Das Inspektionsrecht wird auch insoweit als notwendige Ergänzung beschrieben.102 Weiter leiten sich hieraus nach allgemeinen Rechtsgedanken (§ 242 BGB) Wahrheitspflichten des Erstversicherers und Beratungspflichten des Rückversicherers ab,103 die in diesem Rahmen allerdings mangels Implikation für die Folgepflicht nicht näher untersucht werden sollen.
D. Der Selbstbehalt als Antwort auf die Missbrauchsgefahr »Ehe man einen Missbrauch angreift, muss man überlegen, ob man seine Grundlagen zerstören kann.«*
Informations- und Inspektionsrechte allein dienen jedoch dazu, einen Missbrauch der Geschäftsführung des Erstversicherers aufzudecken. Auch das Motto »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser« scheint aufgrund der potentiell negativen Auswirkungen von Einflussnahmeklauseln für den Rückversicherer keine Lösung zu sein, die diesem Interesse des Rückversicherers gerecht wird bzw. gerecht werden kann. Ziel muss es somit sein, von Beginn an zu verhindern, dass sich der Erstversicherer missbräuchlich verhält. Diesem Ziel wird in der Erstversicherung (insbesondere im Rahmen der Kfz-Kaskoversicherung) mit sog. Eigenbehalten bzw. Selbstbehalten begegnet. Gerade im Hinblick auf die Nähe der Rückversicherung zur Haftpflichtversicherung104 überrascht es daher nicht, dass auch für die Rückversicherung ein Selbstbehalt des Erstversicherers gefordert wird.
100 Franz/Keune, VersR 2013, S. 12 (22) und Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 100. 101 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 101. 102 Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (711 f.). 103 Siehe die Ausführungen in Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 105 ff. und 109 ff. * Luc de Clapiers, Marquis de Vauvenargues, Reflexionen und Maximen (Introduction à la Connaissance de l’Esprit Humain, suivie de Réflexions et maximes), 1746, übersetzt von Fritz Schalk, in Die französischen Moralisten, 1938. 104 Siehe ausführlich S. 218 ff.
320 I.
Kap. 8: Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien
Der Selbstbehalt als Notwendigkeit der Rückversicherung
In einem weiteren Sinn spricht Gerathewohl vom Selbstbehalt als Gegenstück zur Folgepflicht.105 Ehrenberg geht davon aus, dass der Rückversicherungsvertrag einen Selbstbehalt des Erstversicherers vorschreibe, da die Parteien des Rückversicherungsvertrages regelmäßig keine Risikoabwälzung wünschen, sondern eine Risikoteilung.106 Er sieht in diesem Selbstbehalt die Bedingung für die Geltung des Geschäftsführungsrechts als Handelsbrauch.107 Hingegen begründet Herrmannsdorfer den Selbstbehalt mit der Nichtbeeinflussbarkeit der Abwicklung des Erstversicherungsverhältnisses durch den Rückversicherer.108 Er sieht hierin also eher ein Korrektiv für fehlende Mitwirkungsrechte des Rückversicherers.109 Der Hintergrund ist indes darin zu sehen, dass der Erstversicherer in diesem Fall nach wie vor ein eigenes Interesse an einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung bzw. an einer schadensmindernden Regulierung hat.110 Berechtigt ist daher jedenfalls die Vermutung, dass der Erstversicherer »unvorsichtiger agieren« würde, wenn er keinen Selbstbehalt zu tragen hätte.111 Er ist damit ein »geschäftlich notwendiges Sicherungsmittel gegen Missbräuche«.112 Im engeren Sinn ist der Selbstbehalt somit als Umsetzung des Credos, »der Erstversicherer solle sich so verhalten, wie er sich verhalten würde, hätte er keinen Rückversicherungsschutz«, 113 anzusehen. 114 Einig ist man sich vor diesem
105 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 534 ff.; auch Katschthaler, ZfV 2008, S. 710 (711); Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 17 ff.; Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 157 f. (dort als Eigenbehalt bezeichnet) – in Abgrenzung zum englischen Recht, nach welchem eine hundertprozentige Rückversicherung nach wie vor möglich ist (dort S. 197 ff.); Theye, Die Staatsaufsicht über die Rückversicherungsunternehmen, S. 19 f. 106 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 122. 107 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 111 f., vgl. auch S. 120; Franz/Keune, VersR 2013, S. 12 (22) und Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6). 108 Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 121; auch in Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 172 ff. 109 So auch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 743 und Prölss/Martin/Klimke, VVG, § 209 Rn. 13c. 110 Auszugsweise Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 533; Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 89; Steinrisser, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 58. 111 Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6). 112 Garobbio, Über die Rückversicherung, S. 85. 113 Siehe im Ergebnis in Kapitel 6 (S. 250 ff.). 114 So ist auch Raiser zu verstehen, VersR 1967, S. 312 (317); Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 159; Steinmann, Der Rückversicherungsvertrag im Konkurs des Erstversicherers, S. 31.
D. Der Selbstbehalt als Antwort auf die Missbrauchsgefahr
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Hintergrund jedenfalls insoweit, als dass ein Selbstbehalt auch ohne vertragliche Vereinbarung gelten sollte.115 Denn Rückversicherung bedeutet heute nicht Risikoabwälzung, sondern Risikoteilung.116 Im Gegensatz zur Folgepflicht bestand diese Maßgabe jedoch noch bis ins 19. Jahrhundert nicht zwingend für die Rückversicherung 117 und wird auch heute noch im angloamerikanischen Rechtsraum nicht angenommen.118 Auch ohne Selbstbehalt entspräche die Geschäftsführung des Erstversicherers nach Lord Mustill in Hill v. Mercantile dem Interesse des Rückversicherers, wobei, mit der Folge einer unbedingten Bindungswirkung der Geschäftsführung, mit einem Selbstbehalt eine weitgehende Interessenidentität vorliege: »This conflict is quite easily managed where the insurance and the reinsurance are on the same terms and where the parties are essentially co-adventurers: for example, in participatory reinsurance, or facultative reinsurance with a large retention. Here, the interests of the direct insurers and the reinsurers are broadly the same, and it is not imprudent for the reinsurers to put themselves unconditionally in the hands of their reinsured for the settlement of claims which will be passed on to them.«119
Weitergehend wurde im englischen Recht die Frage aufgeworfen, ob es einen Unterschied macht, dass der Selbstbehalt vertraglich vorgegeben ist oder der Erstversicherer schlicht nicht das gesamte Risiko rückversichert hat. Mit anderen Worten könnte daher zwischen einem verpflichteten und einem faktischen Selbstbehalt zu unterscheiden sein. Dies illustriert die bereits vorgestellte Entscheidung Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance 120 . Hier hatte der Erstversicherer nur 80 Prozent »des« Risikos in Rückversicherung gegeben und trug daher selbst noch 20 Prozent. Eine rückversicherungsvertragliche Obliegenheit121 hierzu bestand jedoch nicht.
RGZ 53, S. 138 (140 ff.); Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 535 ff.; Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6); Prölss/Martin/Klimke, VVG, § 209 Rn. 13c; Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 157 ff.; vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer/Pisani, VVG, § 209 Rn. 33. Für das schweizerische Recht Garobbio, Über die Rückversicherung, S. 85. Abweichend noch RGZ 5, S. 115 (120). 116 Sack, Die deutsche Rückversicherung in der Entwicklung, S. 80 ff.; Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 158 f. 117 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 698. 118 Langheid/Wandt/Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 41 (Fn. 88) und Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 197 ff. 119 Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1251 f.); siehe auch oben auf S. 189 ff. 120 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429. 121 Zur Qualifizierung der »Selbstbehaltspflicht« als Obliegenheit Garobbio, Über die Rückversicherung, S. 85. 115
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Nach Tuckey LJ habe dieser faktische Selbstbehalt keine Auswirkungen auf die Auslegung der Folgepflicht.122 Da dieser nicht vertraglich (und auch nicht durch einen Handelsbrauch) vorgegeben war, ist diese Einordnung zunächst nachvollziehbar. Indes könnten seine weiteren Ausführungen in der Weise interpretiert werden, dass auch ein Selbstbehalt, zu welchem eine vertragliche Verpflichtung besteht, folgenlos bleiben muss: »The wording of the clause in this case does not make this clear. Nor does this particular reinsurance. 80% of the risk was reinsured, but Generali did not warrant that they would retain any part of it. Anyway the meaning of the clause cannot be dependent upon the extent of the insurers' retention.«123
Fraglich ist trotz der Unterschiede zum englischen Recht124 auch für diese Untersuchung, ob der im deutschen Recht als ergänzender Handelsbrauch einzustufende Selbstbehalt des Erstversicherers die Auslegung der Folgepflicht beeinflusst. II. Selbsttragung des Selbstbehalts (net retention) Der Selbstbehalt, wie er im deutschen Recht gefordert wird, kann die beschriebene Funktion grundsätzlich nur dann erfüllen, wenn der Erstversicherer ihn zwingend selbst trägt, d.h. dessen Folgen nicht anderweitig absichern kann – man spricht von ultimate net loss bzw. net retention.125 Dies scheint zunächst völlig natürlich, wenn der Selbstbehalt gerade die Aufgabe erfüllen soll, das Interesse des Erstversicherers an einer ordnungsgemäßen Regulierung aufrechtzuerhalten. Im englischen Recht wird eine net retention jedoch regelmäßig nicht angenommen.126 Von unerwarteter Seite könnte eine Ansicht, die dem Erstversicherer eine »Weiterreichung« des Selbstbehalts (ohne Einbußen für Geschäftsführungsrecht und Folgepflicht) gestattet, jedoch Schützenhilfe erhalten. Gemeint ist die D&O-Versicherung127, auf die als Haftpflichtversicherung für die zugrunde 122 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 21). 123 Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 (Rn. 21). 124 Hier ist auch für den Selbstbehalt nur eine sehr restriktive Annahme von Handelsbräuchen üblich, Hoffman, 33 Tort & Insurance Law Journal 1997, S. 1 (53); beispielhaft Phoenix General Insurance Co of Greece SA v. Halvanon Insurance Co Ltd [1985] 2 Lloyd’s Rep 599 (612). 125 So Looschelders, VersR 2012, S. 1 (6); Prölss, ZVersWiss 1966, S. 511 (534 ff.); Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 164. 126 Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 187 ff. – mit weiteren Hinweisen auf die Mehrdeutigkeit der in den Vertragsklauseln verwendeten Begriffen und der restriktiven Annahme einer net retention der englischen Rechtsprechung. 127 Die Abkürzung erklärt sich aus der auch hierzulande gebräuchlichen Verwendung des englischen Begriffs Directors’ and Officers’ Liability Insurance, welche gemeinhin dem
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liegenden Wertungen ein Blick lohnt. Ihre Grundkonstellation unterscheidet sich zwar wesentlich von der Rückversicherung, sie kann aber auch in der Nichtvergleichbarkeit einen Anhaltspunkt für die Selbsttragung in der Rückversicherung bilden. Denn hier besteht darüber Streit, ob der gesetzlich vorgegebene Selbstbehalt des D&O-versicherten Vorstandsmitglieds (Versicherung für fremde Rechnung, §§ 43 ff. VVG) 128 selbst im Rahmen einer Selbstbehaltsversicherung versichert werden kann.129 Dieser Befund ist schon deshalb für diese Untersuchung beachtlich, weil der Selbstbehalt nicht »nur« durch einen Handelsbrauch, sondern mit vermeintlich eindeutiger gesetzgeberischer Intention gemäß § 93 II 3 AktG als Selbstbehaltvereinbarungspflicht130 vorgegeben ist.131 Der Gesetzgeber ging hier davon aus, dass ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent (bis mindestens des 1,5-fachen der jährlichen Festvergütung) ausreichend ist, um den Vorstand132 zu einer sorgfältigen Geschäftsführung anzuhalten133 – mit dem Argument, dass diese Motivation nur erreicht wird, wenn das Vorstandsmitglied die wirtschaftlichen Konsequenzen seines Sorgfaltsverstoßes in dieser Höhe voll trifft, spricht auch hier viel für eine Selbsttragung. Umgekehrt wird auch das Argument gehört, der Gesetzgeber habe einen solchen zwingenden Charakter für die D&O-Versicherung gerade nicht explizit statuiert und gegen eine Selbstbehaltsversicherung spreche jedenfalls dann auch keine gesetzgeberische Wertung, wenn der Versicherte die Aufwendungen für diesen (zusätzlichen) Versicherungsschutz selbst trage.134 Hierdurch treffe ihn die wirtschaftliche Last in Form der Versicherungsprämien antizipatorisch, weshalb von der Zulässigkeit einer Selbstbehaltsversicherung auszugehen sei.135 Letztlich soll dieser Streit für die D&O-Versicherung an dieser Stelle nicht entschieden werden. deutschen Begriff Vermögensschadenhaftpflichtversicherung vorgezogen wird, Langheid/ Wandt/Dageförde, VVG Bd. 1, § 44 Rn. 20 (Fn. 37). 128 Zum Streit betreffend die Anwendung des § 44 II VVG und des Eigeninteresses des Unternehmens als Versicherungsnehmerin Langheid/Wandt/Dageförde, VVG Bd. 1, § 44 Rn. 22. 129 Zusammenfassend und m.w.N. MüKo/Spindler, AktG Bd. 2, § 93 Rn. 235. 130 Lange, r+s 2010, S. 92 (93). 131 Zur verfassungsrechtlichen Problematik wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 I GG, Mesch, VersR 2015, S. 813 (in Mesch, Der Selbstbehalt gemäß § 93 II 3 AktG, S. 126, jedoch lediglich als Begründung für eine enge Auslegung des Selbstbehalts angesehen); hingegen für die Verfassungskonformität Paszek, Die Pflicht nach § 93 II 3 AktG. 132 Ausdrücklich bezieht sich dies nicht auf den Aufsichtsrat, auch wenn für ihn der Sorgfaltsmaßstab des § 93 AktG zur Anwendung gelangt, § 116 S. 1 AktG. 133 Hierzu kritisch Gaedtke/Wax, AG 2010, S. 851 (853 f.). 134 Zu den hierauf folgenden Modellen einer D&O-Versicherung mit dem Vorstand als Versicherter und Versicherungsnehmer, aber auch zu den Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstbehaltsversicherung Lange, r+s 2010, S. 92 (95 ff.). 135 MüKo/Spindler, AktG Bd. 2, § 93 Rn. 235. Dem ist wohl zuzustimmen.
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Kap. 8: Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien
Fraglich ist vielmehr, wie sich diese Wertungen auf den Selbstbehalt in der Rückversicherung übertragen lassen. Die Argumente gegen eine zwingende Selbsttragung verfangen grundsätzlich auch hier, wohingegen eine gesetzgeberische Wertung für den zwingenden Charakter in der Rückversicherung gerade nicht besteht. Contra lässt sich daher auch nicht anführen, dass § 93 II 3 AktG auf die persönliche Haftung des Vorstandsmitglieds zielt und der Erstversicherer als AG (bzw. VVaG) selbst Unternehmen ist. Vielmehr geht es gerade nicht um einen Sorgfaltsverstoß eines Vertragspartners gegenüber dem eigenen Unternehmen, sondern um einen Sorgfaltsverstoß des Erstversicherers gegenüber sich selbst.136 Ein Vergleich mit der D&O-Versicherung muss daher ergeben, dass der Selbstbehalt des Erstversicherers nicht schon durch geschriebenes Recht zwingend vorgegeben ist. Zwingend ist der Selbstbehalt des Erstversicherers, aus in der Rückversicherung selbst liegenden Gründen, auch nicht schon deshalb, weil er anderweitig sein eigenes Interesse an einer günstigen Regulierung verlieren könnte, da er bei nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung nach wie vor fürchten muss, keine Rückversicherungsdeckung zu erfahren. Die Selbsttragung des Selbstbehalts ist aber bereits als Bestandteil des ergänzenden Handelsbrauchs anzusehen, da diese der ganz überwiegenden Praxis sowohl in England als auch in Deutschland entspricht.137 Er kann darüber hinaus – unabhängig von der Wertung aus der D&O-Versicherung – nur dann seine intendierte Wirkung (die Aufrechterhaltung des Interesses des Erstversicherers) entfalten, wenn der Erstversicherer diesen selbst trägt.138 Anderenfalls würde der Erstversicherer wiederum zum bloßen Mittler von Versicherungsschutz. 139 In der Regel werden die Rückversicherungsvertragsparteien eine Selbsttragung des Erstversicherers schon vertraglich vorsehen. Da hiermit, ebenso wie mit vertraglich eingeräumten Mitwirkungsrechten des Rückversicherers, eine verschärfte Kontrolle der Geschäftsführung des Erstversicherers einhergeht,140 könnte auch ein solcher Selbstbehalt zugunsten
136 Siehe oben die Ausführungen zum Bezugspunkt des Geschäftsführungsrechts, S. 256 ff.; für die Rückversicherung könnte daher gefragt werden, ob der Selbstbehalt die ihm zugedachte Funktion überhaupt erfüllen kann. Denn der Erstversicherer kann als juristische Person nicht selbst entscheiden, sondern »überträgt« diese Entscheidung (evtl. verbunden mit Leitlinien) an den Schadenbearbeiter, der nicht zwingend allein das selbstbehaltsbeeinflusste Unternehmensinteresse verfolgt. Eine daraus resultierende Einschränkung wäre jedoch im Ganzen lebensfremd. 137 Franz/Keune, VersR 2013, S. 12 (22); Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 96; Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 534 f., 538; Looschelders, VersR 2012, S. 1 (5); Prölss/Martin/Klimke, VVG, § 209 Rn. 13c. 138 Bereits Jahn, Studien über Rückversicherung und deren Statistik, S. 19 f. 139 Schmitz, Rückversicherung von Elementarrisiken, S. 127. 140 Siehe soeben zu claims control clauses S. 314 ff.
D. Der Selbstbehalt als Antwort auf die Missbrauchsgefahr
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einer weit gefassten Folgepflicht auszulegen sein.141 Bei Verletzung der Selbsttragung des Selbstbehalts soll die Haftung des Rückversicherers indes lediglich im Verhältnis von tatsächlich getragenem zu dem vereinbarten Selbstbehalt reduziert werden.142 Auch Gerathewohl geht im Fall der Verletzung dieser Vorgabe nur von einer proportionalen Haftungsmilderung zugunsten des Rückversicherers aus.143 In außerordentlichen Fällen geht Schulte von einem außerordentlichen Kündigungsrecht des Rückversicherers aus.144 Das bedeutet jedoch umgekehrt, dass mit Verletzung dieser Obliegenheit nicht schon (vollständig) eine Folgepflicht des Rückversicherers entfällt. III. Angemessenheit des Selbstbehalts Entscheiden muss sich die Frage nach den Auswirkungen auf die Folgepflicht somit in erster Linie anhand der Höhe des Selbstbehalts.145 Diese Frage ergibt sich zunächst für den Selbstbehalt als Rückversicherungsbrauch. Allerdings finden sich explizite Angaben zur Höhe des Selbstbehalts als angemessenes Pendant zu Geschäftsführungsrecht und Folgepflicht gerade nicht. Entsprechende Einlassungen bleiben vielmehr pauschal und konstatieren, ein Selbstbehalt sei angemessen, wenn er »den Zedenten veranlassen wird, alle Sorgfalt bei der Abwicklung des Schadensfalls anzuwenden, da er bei ihrer Außerachtlassung einen empfindlichen Verlust für seine eigene Rechnung befürchten müßte«.146 Ehrenberg geht ebenfalls davon aus, dass der Selbstbehalt angemessen sein und im Fall einer fehlenden vertraglichen Bestimmung ein Schiedsgericht befragt werden müsse.147 In dieser Alternative wissen die Parteien jedoch von Anfang an nicht, wie hoch der Selbstbehalt ist, und sehen sich erheblichen Unsicherheiten während der Vertragslaufzeit ausgesetzt. Fraglich ist daher, ob nicht auch außerhalb eines (schieds-)gerichtlichen Prozesses eine Bestimmung der Höhe des Selbstbehalts erfolgen kann oder in Zeiten vermehrter gerichtlicher Auseinandersetzung aus Gründen der Rechtssicherheit erfolgen sollte. Ein Grund für die nur annäherungsweise Vorgabe liegt in der unterschiedlichen Ausgestaltung von Rückversicherungsschutz, wie sie die Arten und Formen als erste Ebene solcher Differenzierungen der Rückversicherung darstellen.148 Diese bedingen zwar, wie beschrieben, keine andere Herangehensweise an Geschäftsführungsrecht und Folgepflicht. Benannt wurde allerdings auch dort schon, dass ein genereller Unterschied in der Höhe des Selbstbehalts vor Siehe hierzu sogleich. Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 97 f. 143 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 538 f. (auch Fn. 619). 144 Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 167. 145 Vgl. Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 120 ff. 146 Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 128. 147 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 21. 148 Hierzu oben S. 272 ff. 141 142
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Kap. 8: Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien
dem Hintergrund der Rückversicherungsart bestehen kann. 149 Entsprechend beobachtet Gerathewohl, dass bei Schadenexzedentenverträgen (nicht-proportionale Rückversicherung) regelmäßig ein niedrigerer Selbstbehalt150 vereinbart wird als bei Summenexzedentenverträgen (proportionale Rückversicherung).151 Darüber hinaus ist es üblich, den Selbstbehalt vertraglich als Basis der hierauf aufbauenden Maxima (d.h. der Höhe) der Rückversicherungsdeckung zu werten.152 Die Intention hinter dieser Methodik ist offensichtlich: Die maximale Leistungspflicht des Rückversicherers wird in ein Verhältnis zu dem Selbstbehalt gebracht. Der Selbstbehalt besteht in diesem Fall gerade nicht in einer separierten, absoluten Zahl, sondern ist gleichzeitig Ausdruck einer Quote, die gewährleisten soll, dass der Erstversicherer die Folgepflicht des Rückversicherers nicht über Gebühr ausreizt. Gerathewohl zufolge wird die Haftung des Rückversicherers bei kleinen Selbstbehalten in der Regel auf 40 bis 50 Maxima festgesetzt, bei großen Selbstbehalten hingegen nur auf 25 bis 30 Maxima.153 Zudem würden die Maxima bei zusätzlichen (über den ersten Rückversicherungsvertrag hinausgehenden) Exzedentenverträgen nicht angepasst.154 Man kann hierin durchaus einen Widerspruch zu der zuvor benannten »Quotierungsfunktion« erkennen. Dies bestätigt sich mit Blick auf die Aussagen eines Rückversicherers, die in der Entscheidung Manufacturers’ Fire & Marine Insurance v. Western Assurance festgehalten sind: »I will reinsure whatever contract you make, and, to protect me from any imprudence on your part, you must retain at least $25,000 on the same risk.«155
Gerathewohl gibt außerdem an, dass es für die Festlegung des Selbstbehalts keine allgemeinverbindliche Formel gebe, allerdings in bestimmten Fallkonstellationen Entscheidungshilfen abgeleitet werden könnten. 156 Faustregeln seien dabei die Prozentsätze des Brutto- oder Nettoprämienvolumens einer oder verschiedener Branchen, das Sicherheitskapital, kurzfristig liquidierbare Aktiva oder der Jahresgewinn.157 Mit diesem Zuschnitt einher geht auch die Siehe S. 325 ff. Man spricht in diesem Fall auch von der Priorität, Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 89. 151 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 89. 152 Bereits Anfangs des 20. Jahrhunderts üblich, siehe Herrmannsdorfer, Technik und Bedeutung der Rückversicherung, S. 108. 153 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 80. 154 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 81; zudem seien Zusatzmargen möglich (82). 155 Manufacturers’ Fire & Marine Insurance Co v. Western Assurance Co, 14 N.E. 632 (5th Cir. 1888) in Bezug auf US-amerikanisches Recht; besprochen in Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 5.39. 156 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 79. 157 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 80. 149 150
D. Der Selbstbehalt als Antwort auf die Missbrauchsgefahr
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Feststellung, dass der Selbstbehalt häufig nicht ex ante bestimmt werden kann.158 Eine Orientierungshilfe stellen die bei Gerathewohl tabellarisch zusammengefassten Selbstbehalte, die jeweils eine der genannten Faustregeln in den Blick nehmen, dar.159 Indes lässt sich aus dieser Praxis mehr noch ableiten, dass eine pauschale Angabe der Höhe des Selbstbehalts wohl generell nicht möglich ist.160 IV. Folgerungen für die Folgepflicht aus dem Selbstbehalt Raiser geht davon aus, dass die Beweislast für eine ordnungsgemäße Geschäftsführung den Erstversicherer treffe, wenn dessen Selbstbehalt nur geringfügig oder kein Selbstbehalt vereinbart ist.161 Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass eine entgegenkommende Regulierung des Erstversicherers in voller Höhe auf Kosten des Rückversicherers gehen kann (wenn der Selbstbehalt bereits ausgereizt ist), allerdings auch vollständig vom Selbstbehalt umfasst sein kann (wenn die Selbstbehaltsgrenze noch nicht erreicht ist).162 Daraus lässt sich auch ableiten, dass, sofern der Selbstbehalt, wie hier, als Handelsbrauch angesehen wird, die Beweislast für die »Nicht-Ordnungsgemäßheit« der Geschäftsführung nach wie vor den Rückversicherer treffen muss. Darüber hinaus behalte der Erstversicherer durch den Selbstbehalt sein eigenes Interesse an einer vernünftigen Geschäftspolitik.163 Gefragt werden muss daher lediglich, welche Gefahr einer nicht-ordnungsgemäßen Geschäftsführung des Erstversicherers noch besteht.164 Deutlich geworden ist, dass der Selbstbehalt des Erstversicherers für den Rückversicherer eine elementare Bedeutung hat und er ein Interesse daran haben wird, den Erstversicherer zur Selbsttragung des Selbstbehalts zu verpflichten. Dies drückt sich in der Rückversicherungspraxis aus, in der der Rückversicherer nur in den seltensten Fällen auf einen Selbstbehalt des Erstversicherers verzichten wird – oder, um es mit den Worten von Gatehouse J in Société Anonyme d’Intermediaries Luxembourgeois v. Farex Gie zu sagen: »A reinsurance of a risk where the cedant has no direct financial interest in its profitability is likely to be less desirable than one where the cedant has such interest. This applies both to the competence with which the business is underwritten and the competence with which the claims are adjusted. In my experience the overwhelming majority of reinsurers prefer to Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 177. Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 178 ff. 160 Siehe auch die ähnlichen Versuche der Eingrenzung bei Bradshaw/Bride/English/ Hindley/Maher, Reinsurance and Retentions, S. 4 f., zu mathematischen Modellen des Selbstbehalts, S. 21 ff. 161 Raiser, VersR 1967, 312 (317). 162 Raiser, VersR 1967, 312 (317). 163 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 536 (Fn. 604) und Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 159 f. 164 Hierzu sogleich. 158 159
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Kap. 8: Rückversicherungsklauseln als Ausdruck des Willens der Parteien
have a financial community of interest with their cedents through the medium of a significant retention in the risk kept by both of the parties of the contract.«165
In Verbindung mit dem Umstand, dass die Selbstbehaltspflicht des Erstversicherers ein relativ junges Phänomen der Rückversicherung, stellt sich die im englischen Recht im vergangenen Jahrhundert vollzogene Abkehr von einer unbedingten Folgepflicht noch drastischer dar. Es entsteht beinahe der Eindruck, der Erstversicherer würde verstärkt zum Interessenvertreter des Rückversicherers. Gleichzeitig muss aber die Frage aufgeworfen werden, welche Berechtigung einer besonderen Berücksichtigung von Interessen des Rückversicherers in der Geschäftsführung des Erstversicherers noch bestehen kann, wenn durch den Selbstbehalt – jedenfalls auf einer abstrakten Ebene – gewährleistet wird, dass der Erstversicherer seine Geschäfte in dem durch diese Untersuchung beschriebenen Sinn ordnungsgemäß führt.
E. Die Revision der Folgepflichtdogmatik – extension of reinsurance »Venia sit dicto.«*
Nicht nur der Selbstbehalt hat daher für den Rückversicherungsvertrag eine elementare Bedeutung und Funktion. Der Rückversicherungsvertrag und seine typischerweise verwendeten Klauseln sind Ausdruck des Willens der Parteien und der Interessengerechtigkeit der Rückversicherung in ihrer eigentlichen Konzeption. Mehr noch gilt dies für die als Handelsbrauch anerkannten Informations- und Inspektionsrechte des Rückversicherers und eben im Besonderen für die Selbstbehaltspflicht des Erstversicherers. Hieraus ergeben sich Wertungen, die im Zusammenspiel mit den folgenden zusammengefassten Ergebnissen dieser Untersuchung von Einfluss für die Bestimmung der Folgepflicht des Rückversicherers sind. Der von der herrschenden Meinung vertretene Fahrlässigkeitsfokus der Folgepflicht ist vor dem Hintergrund dieser Parameter im Gesamten überdenkenswert, da hiermit eine verkehrsübliche Sorgfalt des Erstversicherers verlangt ist (§ 276 I und II BGB).166 Diese Verkehrsüblichkeit muss man jedoch gerade
165 Société Anonyme d’Intermediaries Luxembourgeois v. Farex Gie [1995] 1 Lloyd’s Rep 116 (137). * Plinius der Jüngere, Epistulae 5, 6, 46: »Das Wort sei gestattet« bzw. »mit Verlaub« [Übersetzung d. Verf.]; abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 384. 166 Und erst recht dessen Begründung durch § 277 BGB, siehe oben auf S. 145 ff.
E. Die Revision der Folgepflichtdogmatik – extension of reinsurance
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dann als gegeben ansehen, wenn der Erstversicherer entgegenkommend reguliert, da sich dies bereits aus dem Wesen der Versicherung ergibt.167 Die Orientierung an einer Fahrlässigkeitsdifferenzierung führt außerdem dazu, dass der Erstversicherer seine Regulierung nicht mehr nach eigenem Ermessen vornimmt. Denn er muss fürchten, dass der Rückversicherer eine fahrlässig nicht-ordnungsgemäße Geschäftsführung einwendet. Hierbei ist es unerheblich, dass die herrschende Meinung nur eine grob-fahrlässig nicht-ordnungsgemäße Geschäftsführung als ausreichend erachtet, die Folgepflicht auszuschließen. Denn der Erstversicherer wird sich gleichwohl in seiner Geschäftsführung eingeschränkt sehen. Wenn der Streit hierüber, wie zu erwarten, immer häufiger in einem (schieds-)gerichtlichen Verfahren endet, sind es bereits die Kosten dieses Rechtsstreits, die den Erstversicherer dazu verleiten, nicht mehr primär nach Maßgabe der Interessen des Versicherungsnehmers zu regulieren, sondern nach Maßgabe der Interessen des Rückversicherers. Der Grundsatz, »der Erstversicherer solle sich so verhalten, als wäre er nicht rückversichert«, verkehrt dann die Rückversicherung auf Basis eines den Rückversicherer schützenden Prinzips zu einer den Erstversicherer über Gebühr benachteiligenden sekundären Risikoteilung. Im Ganzen ist die Folgepflicht daher auf Basis der in dieser Untersuchung aufgezeigten Zwecke zu bestimmen. Wichtig ist hierfür die Weichenstellung, dass die Folgepflicht – wie verschiedentlich vertreten – nicht auf Basis eines besonderen Schutzbedürfnisses des Rückversicherers ausgelegt werden darf.168 Denn die Tatsache, dass der Rückversicherer dem Erstversicherer im Hinblick auf dessen Geschäftsführung ausgesetzt ist, stellt keine vertragliche Einräumung eines besonderen Rechts dar, sondern ist durch die Natur des Rückversicherungsvertrages vorgegeben. Die grenzenlose Privatautonomie des unternehmerischen Verkehrs findet hier ihre Berührung und Schranke in dem Umstand, dass die Erstversicherung (nicht nur gegenüber dem Verbraucher) selbst Schutzzwecke beabsichtigt, die auch durch nachgeschaltete, wirtschaftlich am Risiko beteiligte Dritte nicht unterlaufen werden dürfen. Eine Auslegung der Folgepflicht muss diese Eigenart des Rückversicherungsvertrages zur Grundlage und nicht zur Schranke haben. Im deutschen Recht ist die tension of reinsurance daher im Ganzen mit einer extension of reinsurance aufzulösen. Hiermit ist nicht nur eine Auflösung des beschriebenen Spannungsverhältnisses im Wortsinne gemeint, sondern allgemein ein weiteres Verständnis der Folgepflicht, welches nicht an streitanfälligen Fahrlässigkeitsgraden haftet. Ausgehend von einer Folgepflicht, die ihre Grenze nicht in starren Leistungspflichtbegriffen findet, sondern allein in der ursprünglichen Begrenzung durch den Grundsatz von Treu und Glauben, muss gefragt werden, wie dieser Grundsatz konkret zu verstehen ist. Denn dessen 167 Bereits Hanseatisches OLG, HGZ 1918 (Hauptblatt), S. 177 (180); auch Dreher, Die Versicherung als Rechtsprodukt, S. 131 f. 168 In der Weise geht aber Ha. Labes ausdrücklich vor (Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 13 ff.).
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Brauchbarmachung bedingt nicht die allseitige Berücksichtigung des Interesses des Rückversicherers und sie führt auch nicht zu einer übersteigerten Form von Treu und Glauben auf Grundlage eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen den Vertragsparteien. Die Grenze der Folgepflicht muss vielmehr den Grundsatz freier Geschäftsführung und die ursprünglich unbedingte Folgepflicht aufrechterhalten. Fahrlässigkeit darf dabei als Ganzes nicht ausreichend sein, um die Bindung des Rückversicherers entfallen zu lassen.169 Anlass zur Neubewertung des Sorgfaltsmaßstabs gibt zudem die Entfernung des Rückversicherers von der Regulierung. Diese Entfernung ist nicht nur ein Argument für das in doppelter Hinsicht beschriebene Regulierungsermessen des Erstversicherers,170 sondern auch Grund für das verbreitete Absehen von einer Kontrolle dieser Regulierung durch den Rückversicherer.171 Noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert waren Klauseln üblich, wonach die Vorlage einer Quittung über die erbrachte Versicherungsleistung ausreichend für die Auslösung der Haftung des Rückversicherers war.172 Sie ist zudem auch in der Rechtsprechung als ausreichend angesehen worden.173 Lediglich in der französischen Rechtsprechung gab es die Ausnahme im Fall der Kollusion, also der böswilligen Zusammenwirkung von Erstversicherer und Versicherungsnehmer zulasten des Rückversicherers.174 Eine Rückerstattung des Erstversicherers an den Rückversicherer war lediglich im Fall nachträglich aufgedeckten betrügerischen Verhaltens des Versicherungsnehmers und nur bei tatsächlich erfolgter Rückerstattung des Versicherungsnehmers an den Erstversicherer möglich.175 Benecke geht davon aus, dass dieser Klausel bzw. dem Rückversicherungsvertrag eine Einschränkung bei verschuldetem Absehen von einer offensichtlich erforderlichen Nachforschung getragen ist – der Erstversicherer den Rückversicherer in diesem Fall also nicht in Anspruch nehmen kann.176 Auch der heute in der US-amerikanischen Rechtsprechung verschiedentlich für die Begrenzung der Folgepflicht benannte Grundsatz von Treu und Glauben enthält nicht notwendigerweise ein Verbot grob-fahrlässig nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung177 – darüber hinaus auch nicht die
Bereits Western Assurance Co of Toronto v. Poole [1903] KB 376 (386). Siehe die Ergebnisse in Kapitel 2 (S. 58 ff.) und Kapitel 3 (S. 97 ff.). 171 Dies gilt auch heute noch, so Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13 (58 f.) und Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 157. 172 Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 109, 133 f. 173 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 725 und Mossner, Die Entwicklung der Rückversicherung, S. 69 f. 174 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 725. 175 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 2, S. 725. 176 Benecke, System des Assekuranz- und Bodmereiwesens I, S. 285. 177 Vgl. North River Insurance Co v. CIGNA Reinsurance Co 52 f.3d 1194, (3rd Cir 1995) und Reliastar Life Insurance Co v. IOA Re Inc, 303 f.3d 874, 878 (8th Cir. 2002). 169 170
E. Die Revision der Folgepflichtdogmatik – extension of reinsurance
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Ursprünge in der französischen rechtswissenschaftlichen Literatur 178 . Und auch hier kommt der eigentliche Vorzug der Folgepflicht zum Vorschein, wenn es heißt, »the reinsurer may not second guess the coverage decisions of the cedent«179. I.
Folgerungen für den Sorgfaltsmaßstab aus dem Selbstbehalt
Hinzu tritt der Umstand, dass die Regulierung des Erstversicherers häufig nach zuvor elaborierten Vorgaben (beispielsweise in Form von Leitlinien) auch für die Frage einer entgegenkommenden Regulierung verläuft. Durch den Selbstbehalt ist auch gewährleistet, dass die Vorgaben an den konkreten Schadenbearbeiter bzw. an den regulierenden Algorithmus den Erfordernissen einer für den Erstversicherer ordnungsgemäßen Geschäftsführung entsprechen. 180 Durch eine ausreichende Selbstbehaltshöhe wird damit auch das Interesse des Rückversicherers hinreichend gewahrt. Mithin kann hieraus gar gefolgert werden, dass Missbräuche durch den Erstversicherer hier wohl nur höchst selten auftreten werden.181 Auch aus diesem Grund kommt es in der Praxis nur selten zu Überprüfungen der Geschäftsführung durch den Rückversicherer (auf Basis seines Inspektionsrechts).182 Und nach Gerathewohl sei die Gefahr nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung »nicht immer ganz auszuschließen«,183 woraus sich ebenfalls die Ausnahmekonstellation nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung ergibt. Hieran anknüpfend stellt sich die Frage, ob im Fall eines Selbstbehalts nicht nur faktisch eine Überprüfung entfällt, sondern auf Basis der Wertungen des Rückversicherungsvertrages eine Überprüfung von den Parteien nicht gewollt, d.h. auch rechtlich nicht geboten ist. Mit anderen Worten muss gefragt werden, ob der Sorgfaltsmaßstab, der für die Geschäftsführung des Erstversicherers als zutreffender erster Zugriff angesehen wurde,184 zugunsten des Erstversicherers 178 Insb. Émérigon, Treatise on Insurances, übersetzt von Meredith, S. 276 f. (Chapter XI, Section IX); siehe oben S. 131 f. 179 Reliastar Life Insurance Co v. IOA Re Inc, 303 f.3d 874, 878 (8th Cir. 2002). 180 Und, wie bereits erörtert, ist das Erstversicherungsverhältnis der Bezugspunkt der Ordnungsgemäßheit des Geschäftsführungsrechts, S. 256 ff. 181 Bischoff, VersR 1974, S. 217 (220). 182 Lüer/Schwepcke/Cannawurf/Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 100; siehe soeben S. 317 ff. 183 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 532; ein Missbrauch durch den Erstversicherer dürfte ohnehin den Ausnahmefall darstellen; so bleibt die Darstellung des ob des bereits eingetretenen Versicherungsfalls wider besseres Wissen Rückversicherung nehmenden Versicherungsdirektors Weinschenk in den Buddenbrooks, Achter Teil (Thomas Mann, Berlin 1901) zwar anschaulich, jedenfalls aber nicht illustrativ für die moderne Rückversicherung; gleichwohl weist Prölss darauf hin, dass sich Thomas Mann wohl von einem tatsächlich zugetragenen Fall der Lübecker Feuer-Versicherungs-Gesellschaft hat inspirieren lassen, Prölss, Ansichten der Rückversicherung, S. 64 f. und 68 ff. m.w.N. 184 Siehe oben S. 149 ff.
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verengt werden muss – mit der Konsequenz einer Folgepflicht, die auch bei grob-fahrlässig nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung greift. Anlass hierzu gibt der folgende Gedanke: Wenn es nach all dem nur darauf ankommen kann, ob die Geschäftsführung im erstversicherungsrechtlichen Sinn ordnungsgemäß war und das Interesse des Rückversicherers bereits hinreichend durch den Selbstbehalt gewahrt ist, kann es nur noch darum gehen, zu verhindern, dass der Erstversicherer seine Rückversicherungsdeckung missbraucht – bzw., wie an anderer Stelle bereits beschrieben, nur deshalb entgegenkommend reguliert, weil der Rückversicherer zur Folge verpflichtet ist. Diese Wertung stellt sich als konsequente Fortführung der Notwendigkeiten des Erstversicherungsverhältnisses dar. Die Beurteilung dieser Notwendigkeiten steht dem Erstversicherer im Rahmen seines erstversicherungsfaktischen und rückversicherungsrechtlichen Regulierungsermessens zu. Die Regulierung im Erstversicherungsverhältnis darf daher nicht per se unter Generalverdacht gestellt werden, sondern muss einzig auf Missbräuche durch den Erstversicherer überprüfbar sein. Ein grob-fahrlässiger Sorgfaltsverstoß würde sich hingegen dadurch auszeichnen, dass der Erstversicherer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße außer Acht gelassen haben muss. Hierin liegt indes kein eigenständiger Verschuldensbegriff, sondern lediglich ein »Mehr« zur einfachen Fahrlässigkeit. Darüber, worin dieses »Mehr« besteht, lässt sich freilich trefflich streiten.185 Diese allseitige Wertungsoffenheit lässt sich nur zugunsten einer eine größere Rechtssicherheit versprechenden Lösung auflösen. Und der allein verbleibenden Missbrauchsgefahr wird bereits durch die entfallende Folgepflicht im Fall einer vorsätzlich nicht-ordnungsgemäßen Geschäftsführung hinreichend begegnet. Von dieser überragenden Bedeutung des Selbstbehalts und dem weitestgehenden Geschäftsführungsrecht des Erstversicherers ging bereits Ehrenberg aus.186 Darüber hinaus nahm er, wie in dieser Untersuchung, an, dass es den Interessen und dem Willen von Erst- und Rückversicherer entspreche, wenn Letzterer auch bei »unmotivierter Kulanz auf Kosten der Rückversicherer« durch die Folgeplicht an diese Regulierung gebunden ist 187 – und auch er nimmt an, dass es sich bei § 708 BGB wie bei § 277 BGB um eine Verlegenheitslösung handelt: »Zu einem sicheren Ergebnis kann man aber mangels einer gesetzlichen Grundlage in diesem Punkte nicht gelangen.«188
185 Die Verschuldensgrade sind daher fließend. Dies gilt u.a. auch für den versicherungsrechtlich bedeutsamen Fall der Quotelung nach § 28 II 2 VVG, siehe Waller, AVB und Quote, S. 247 f.; zur Problematik des unbestimmten Rechtsbegriffs instruktiv die Anmerkung von Wolf, JZ 1982, S. 653. 186 Ehrenberg, Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 37 f. 187 Ehrenberg, Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 37. 188 Ehrenberg, Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 40.
E. Die Revision der Folgepflichtdogmatik – extension of reinsurance
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Infolgedessen ist dieser nunmehr ein Jahrhundert prominent vertretene Blick auf die Folgepflicht nicht nur eine rechtsunsichere Alternative, sondern auch in der gesetzlichen Wertung sowie vor dem Hintergrund des Wesens der Rückversicherung und der Interessenlage der Parteien nicht zu folgen. Auf diese Wertung deuten auch die heutigen gesetzlichen Vorgaben hin, die entweder in ihrer Vergleichbarkeit eine Wertungsübertragung zulassen oder im Umkehrschluss zu einem anderen Lebenssachverhalt eine Abgrenzung von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit sowie einen weiten Zuschnitt der Folgepflicht bedingen. Hierzu zählen insbesondere § 82 und § 28 II VVG, die für das Versicherungsrecht gerade keine Gleichstellung von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit vorsehen.189 Zudem handelt es sich gerade nicht um eine Fremdgeschäftsführung des Erstversicherers. Entsprechend besteht im Umkehrschluss keine Veranlassung, die Geschäftsführung am strengen Maßstab des § 677 BGB aufzuhängen. Die Untauglichkeit gesetzlicher Haftungsbegrenzungen wie § 277 und § 708 BGB ist nicht dem Umstand geschuldet, dass der Gesetzgeber es unterlassen hat, die Rückversicherung hier ausdrücklich als Unterfall zu benennen, sondern auch der Nichtübertragbarkeit der zugrunde liegenden Wertung. Die Regulierung des Erstversicherers ist gerade kein Ausdruck persönlich-eigenen Verhaltens, wie es der diligentia quam in suis zugrunde liegt.190 Die moderne Versicherungsbranche zeichnet sich durch professionelle Akteure (in Erst- und Rückversicherung) und eine weitgehende Standardisierung der Produkte und der Geschäftsführung aus. Hieraus lässt sich allerdings, basierend auf dem gleichen argumentativen Ansatz der Zwecke des § 277 BGB, gar eine weitergehende Haftung des Rückversicherers ableiten. Jedoch bleibt die Rückversicherung aber Versicherungsvertrag. 191 Wenn hiernach von Beschränkungen der Bindungswirkung in der Stellvertretung die Rede sein wird, ist somit also nicht gemeint, dass die Rückversicherung Stellvertretung ist. Gleichwohl kann im Fall der Rückversicherung von einem nachgelagerten Versicherungsvertrag gesprochen werden,192 welchem aufgrund der Erheblichkeit der Rückversicherungspraxis andere Institute als der Erstversicherung zugrunde liegen können. Ein weites Verständnis der Folgepflicht stößt daher auch nicht an die Grenzen der Versicherungstechnik, die gerade nicht die Beteiligung an dem Unternehmensrisiko des Versicherungsnehmers zum Gegenstand hat. Hieraus folgt auch nicht die Qualifizierung der Rückversicherung
Looschelders/Pohlmann/Schmidt-Kessel, VVG, § 82 Rn. 28 f. Vgl. Mauel, Die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, S. 33 f. 191 Vgl. Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 8 in Bezug auf die rechtliche Qualifikation der Rückversicherung als Versicherung zur Anknüpfung der Folgepflicht. 192 So auch Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (352). 189 190
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als partiarisches Rechtsgeschäft im Rechtssinne. 193 Allerdings entspricht es dem Wesen der Rückversicherung, dass der Rückversicherer jedenfalls faktisch am Geschäftsergebnis des Erstversicherers partizipiert, denn das Schicksal der Erstversicherung bestimmt gleichsam das der Rückversicherung.194 Die Tragung des Risikos der Geschäftsführung in der Erstversicherung ist somit schon in der Konzeption von Rückversicherung angelegt und im Ganzen nicht in Frage zu stellen. Auch die hier vertretene erweiterte Grenzziehung ändert somit nicht die Qualifizierung der Rückversicherung als Versicherung. II. Bestätigung durch einen Vergleich mit Führungsklauseln der Mitversicherung Diese Sicht auf die Rückversicherung bestätigt der Blick über den Tellerrand. Ein in diesem Zuge bereites genanntes und prominentes Beispiel alternativer Risikoteilung bildet die verdeckte Mitversicherung. Zur Überprüfung der vorgenannten Ergebnisse eignet sich der Vergleich mit ihr in mehrfacher Hinsicht. Zunächst ist die Situation für den hiernach geschützten Versicherungsnehmer identisch, denn sowohl in der Rückversicherung als auch in der verdeckten Mitversicherung besteht ein Vertragsverhältnis nur zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem (Erst-)Versicherer. Aus der Perspektive des Versicherungsnehmers macht es daher keinen Unterschied, ob »sein« Versicherer führender Mitversicherer einer verdeckten Mitversicherung ist oder sein vertraglich übernommenes Risiko durch Rückversicherungsnahme auf mehrere Schultern verteilt. Auch der Schutzgedanke des Versicherungsvertragsrechts lässt keinen Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung zu. Die Mitversicherung wird trotz ihrer der Rückversicherung vergleichbaren Zweckrichtung allerdings hiervon losgelöst betrachtet und hat auch in Rechtsprechung und Literatur eine eigenständige Entwicklung erfahren.195 Der führende Mitversicherer (bzw. leading underwriter), der in diesem Vergleich dem Erstversicherer entspricht, ist nicht nur in Vertretung der übrigen Mitversicherer Ansprechpartner des Versicherungsnehmers, sondern zieht insbesondere die Versicherungsprämie ein und reguliert die Schadensfälle. Entsprechende Klauseln (auch als follow clause bezeichnet) beschreiben die Bindung der üb-
193 Diese Einordnung ist schon früh zu Recht abgelehnt worden, bspw. von Garobbio, Über die Rückversicherung, S. 27 ff., 103; so aber Herrmannsdorfer, Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 286. 194 Insoweit ist Herrmannsdorfer (Wesen und Behandlung der Rückversicherung, S. 286) zuzustimmen; und auch Garobbio (Über die Rückversicherung, S. 106) wendet ein, dass die Rückversicherung einzelnen partiarischen Rechtsgeschäften ähnlich sei, weshalb die Folgerungen für die Rückversicherung ähnlich sein könnten. 195 Zur funktionalen Konkurrenz zur Rückversicherung Jenssen, Die europäische Mitversicherung, S. 86.
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rigen Mitversicherer beispielsweise so: »for better or for worse following insurers trust and follow their leader«196. Hierdurch akzeptieren die Mitversicherer sowohl die Vor- als auch die Nachteile der Regulierung durch den führenden Mitversicherer.197 Fraglich ist deshalb, weshalb der Erstversicherer mit Blick auf die Rückversicherung schlechter stehen sollte als der führende Mitversicherer in Bezug auf seine Mitversicherer. Ein wesentlicher Unterschied könnte in diesem Zusammenhang darin gesehen werden, dass die Mitversicherer nicht gesamtschuldnerisch gegenüber dem Versicherungsnehmer haften. Eine gesamtschuldnerische Haftung besteht allerdings noch weniger in der Rückversicherung, da dem Versicherungsnehmer hier ein Durchgriff auf den Rückversicherer nicht möglich ist. Zwar ließe sich für die Mitversicherung im Vergleich zur Rückversicherung eine eindeutige Interessenidentität der Mitversicherer feststellen. Umgekehrt ist der Rückversicherer jedenfalls im Gegensatz zum offenen Mitversicherer nicht einmal Vertragspartner des Versicherungsnehmers,198 weshalb hier ein faktischer Einfluss des Rückversicherers nicht erst vertraglich durch eine Führungsklausel, sondern bereits konzeptionell ausgeschlossen ist. Tauglich ist jedoch die folgende Argumentation: Die Mitversicherung hinterfragt die Regulierung des führenden Mitversicherers grundsätzlich nicht. Auch die Ex-Gratia-Leistung ist jedenfalls bei ausdrücklichem vertraglichen Ausschluss von der Bindungswirkung ausgeschlossen. 199 Hier ist aber der Durchgriff des Versicherungsnehmers auf alle seine Vertragspartner (wenn auch gesamtschuldnerisch) möglich.200 Dem nicht gewährten Durchgriff des Versicherungsnehmers auf den Rückversicherer entspricht es in der Rückversicherung, dass Geschäftsführungsrecht und Folgepflicht als »unbedingt not-
196 Roar Marine Ltd v. Bimeh Iran Insurance Co (The Daylam) [1998] 1 Lloyd’s Rep 423, zitiert nach Gürses, Reinsuring Clauses, Rn. 6.89. 197 Siehe Mance J in Roar Marine Ltd v. Bimeh Iran Insurance Co (The Daylam) [1998] 1 Lloyd’s Rep 423. 198 Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (354). 199 San Evans Maritime Inc v. Aigaion Insurance Co SA [2014] EWHC 163 (Comm). 200 Eine Haftung des führenden Mitversicherers gegenüber den anderen Mitversicherern wegen Schlechterfüllung der Geschäftsbesorgung kann sich zwar aus § 241 II BGB ergeben, so Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, S. 251. Die in diesem Zusammenhang bestehende Verpflichtung gegenüber den anderen Mitversicherern ist dann aber am Interesse der Mitversicherer und nicht an der Ordnungsgemäßheit gegenüber dem Versicherungsnehmer ausgerichtet, da hier eine Geschäftsführungspflicht gegenüber dem Rückversicherer gerade nicht besteht. Die potentielle Haftung des führenden Mitversicherers im Innenverhältnis mindert daher nicht die Aussagekraft eines illustrierenden Vergleichs der Rückversicherung mit der Mitversicherung.
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wendig« angesehen werden, um den Zweck der Rückversicherung in Abgrenzung zur Mitversicherung zu erreichen.201 Die Folgepflicht der Rückversicherung kann daher jedenfalls nicht weniger weit gehen als die Bindungswirkung in der Mitversicherung. Eine Haftung des führenden Mitversicherers gegenüber den anderen Mitversicherern wegen Schlechterfüllung der Geschäftsbesorgung kann sich zwar aus § 241 II BGB ergeben.202 Die in diesem Zusammenhang bestehende Verpflichtung ist allerdings als umfassende Wahrnehmung der Interessen der anderen Mitversicherer zu verstehen, und daher am Interesse der Mitversicherer und nicht an der Ordnungsgemäßheit gegenüber dem Versicherungsnehmer ausgerichtet.203 Hierin besteht dann jedoch der wesentliche Unterschied zur Rückversicherung, denn hier besteht eine Geschäftsführungspflicht gegenüber dem Rückversicherer gerade nicht.204 Die potentielle Haftung des führenden Mitversicherers im Innenverhältnis hat daher keine Entsprechung in der Rückversicherung und mindert daher im Ganzen nicht die Aussagekraft eines illustrierenden Vergleichs der Rückversicherung mit der Mitversicherung. III. Vorzubeugende Missbräuche durch die Begrenzung der Folgepflicht Dieses weitere Verständnis der Folgepflicht ist demnach sachgerecht. Denn hierdurch partizipiert der Rückversicherer voll an den Fehlern des Erstversicherers, profitiert auf der anderen Seite jedoch ebenfalls von dessen, insbesondere durch seinen Selbstbehalt auch-eigenmotivierter, günstiger Regulierung. Ausgangspunkt ist daher eine unbedingte Folgepflicht des Rückversicherers. Gleichwohl bleibt der Rückversicherer in der Weise schutzwürdig, dass die Folgepflicht dort ihre Grenze finden muss, wo ein Missbrauch des Erstversicherers Platz greift – welcher dann durch den Rückversicherer mittels seines Informations- und Inspektionsrechts überprüfbar ist. Der Rückversicherer muss daher nur vor inappropriate behavior des Erstversicherers beschützt werden.205 Zur Wahrung des Grundsatzes freier Geschäftsführung muss somit lediglich gefragt werden, welche Konstellationen durch eine bestimmte Grenze der Folgepflicht vermieden werden sollen. Dies bedeutet zum einen, dass der Erstversicherer nicht gemeinsam mit dem Versicherungsnehmer zum Nachteil des Rückversicherers zusammenarbeiten Schulte, Rückversicherung in Deutschland und England, S. 195. Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, S. 251. 203 Schaloske, Das Recht der so genannten offenen Mitversicherung, S. 253 – konsequent nimmt er einen an der Verkehrsüblichkeit ausgerichteten Verschuldensmaßstab für die Mitversicherung an und lehnt eine Begrenzung auf eine eigenübliche Sorgfalt aus § 277 BGB ab. 204 Bereits oben auf S. 74 ff. 205 Merkin/Mendelowitz, in Burling/Lazarus, Insurance Law and Regulation, S. 146 (165). 201 202
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darf. Zum anderen muss der Rückversicherer verlangen können, dass der Erstversicherer nicht ohne Ansehung des konkreten Schadensfalls reguliert, d.h. je nach Fallgestaltung den »Versicherungsfall« untersucht. Verzichtet der Erstversicherer auf eine Untersuchung der den Versicherungsfall begründenden Tatsachen und Rechtsfragen, wird man ihm den Vorwurf machen können, dass er damit billigend einen Nachteil des Rückversicherers in Kauf genommen hat (welcher nicht schon in den Eigenarten der Rückversicherung selbst angelegt ist). Dem entspricht jedoch nicht die Erweiterung des Sorgfaltsmaßstabs auf grobe Fahrlässigkeit, sondern bereits eine Missbrauchskontrolle, die auf Vorsatz beschränkt bleibt, d.h. auf Fälle, in denen der Erstversicherer bei seiner Geschäftsführung bewusst die Augen verschließt. IV. Bestätigung durch die Bindungswirkung in der Haftpflichtversicherung Zwar ist die Rückversicherung nicht Haftpflichtversicherung mit der Folge der Nichtanwendbarkeit der haftpflichtversicherungsrechtlichen Vorschriften. 206 Betont wurde allerdings auch, dass die Rückversicherung wertungsmäßig eine Nähe zur Haftpflichtversicherung aufweist. Die Haftpflichtversicherung bedingt neben den bereits dargelegten Grundsätzen ihrem Wesen nach eine Bindungswirkung des Haftpflichturteils für den Deckungsprozess.207 Sie dient damit dem Zweck, einen Streit im Haftungsverhältnis nicht de novo im Deckungsprozess aufflammen zu lassen208 und entspricht daher im Wesentlichen den Zwecken der Folgepflicht des Rückversicherers. Diese Bindungswirkung ist grundsätzlich unbedingt und erstreckt sich auf den Erstversicherer im Fall sog. Voraussetzungsidentität, d.h. der Übertragbarkeit des Feststellungsgegenstands und der Entscheidungserheblichkeit der Feststellung für das Haftpflichturteil. Diese Bindungswirkung entfällt nur in zwei Ausnahmekonstellationen: zum einen verschuldensunabhängig mangels Bekanntmachung gegenüber dem Versicherer, zum anderen verschuldensabhängig bei Treuwidrigkeit des Versicherungsnehmers. Hierunter sind Fälle zu subsumieren, in denen der Versicherungsnehmer kollusiv mit dem Geschädigten zusammenwirkt oder der Versicherungsnehmer den Ausgang des Haftpflichtprozesses zulasten des Erstversicherers manipuliert.209
206 Siehe zur Frage der Analogie der haftpflichtversicherungsrechtlichen Vorschriften oben S. 218 ff. 207 Schon BGH, NJW 1969, S. 928; auch für das reformierte VVG Langheid/Rixecker/ Langheid, VVG, § 100 Rn. 33 und in der neueren Literatur Tehrani, VersR 2018, S. 1166 (1166). 208 Langheid/Rixecker/Langheid, VVG, § 100 Rn. 33 und Tehrani, VersR 2018, S. 1166 (1166). 209 Siehe Tehrani, VersR 2018, S. 1166 (1172).
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Diese Wertungen sind auch auf die Rückversicherung übertragbar. Denn wie der Deckungsprozess von der Frage der Haftung abhängig ist, ist die Folgepflicht des Rückversicherers grundsätzlich abhängig von der Leistungspflicht des Erstversicherers. Für die Rückversicherung erstreckt sich diese Wertung nicht nur auf ein Urteil im Erstversicherungsverhältnis, sondern auf jede Form der Regulierung. Dies ergibt sich aus den bereits vorgestellten Eigenarten der Regulierung des Erstversicherers, darüber hinaus aber auch aus dem Grund, dass die Beschränkung der Bindungswirkung auf das Haftpflichturteil, wie sie die Haftpflichtversicherung vornimmt, nur zum Schutz des Versicherungsnehmers erfolgt. Dieser Schutzgedanke resultiert indes nicht aus einer Verbrauchereigenschaft des Versicherungsnehmers, sondern kommt sogar dem Industrieversicherungsnehmer zugute. In der Rückversicherung entspricht es jedoch dem Schutz des Erstversicherers und dem Umstand, dass dieser faktisch über das Erstversicherungsverhältnis urteilt, die Bindungswirkung für alle Regulierungsarten anzunehmen. Der faktischen Regulierungshoheit des Erstversicherers (auch in der Rückversicherung) ist mit dem Erfordernis einer angemessen Untersuchung des Schadensfalls der Erstversicherung zu begegnen.210 V. Der Ausschluss der Folgepflicht bei Kollusion und Evidenz Die Missbrauchskontrolle betrifft daher allein eine vorsätzlich nicht-ordnungsgemäße Geschäftsführung des Erstversicherers und, wie die potentiellen Missbräuche zeigen, allgemein-vertragsrechtliche Missbrauchsfallgruppen wie Evidenz und Kollusion. Diese Fallgruppen sind in mehrfacher Hinsicht tauglich, die rückversicherungsspezifische Missbrauchsgefahr ohne den Rekurs auf Fahrlässigkeitskategorien umfassend abzubilden. Hiernach bleibt nach allgemeinen vertragsrechtlichen Wertungen (§§ 242, 826 BGB) auch die Arglist des Erstversicherers folgepflichtausschließend.211 Zum einen schließt die Kollusion die Bindung des Rückversicherers an die Geschäftsführung des Erstversicherers aus, wenn Erstversicherer und Versicherungsnehmer kollusiv, d.h. in geheimem Einverständnis zusammengewirkt haben, um den Rückversicherer zu schädigen.212 Dieser Gedanke findet sich gerade auch in der ursprünglichen rückversicherungsrechtlichen Literatur, Siehe hierzu bereits im Rahmen der Stellungnahme in Kapitel 5 auf S. 205 ff. Vgl. RGZ 135, S. 374 (376); hiermit ist nicht die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 I BGB gemeint, sondern der Umstand, dass sich der Erstversicherer auf die arglistig nicht-ordnungsgemäße Geschäftsführung gegenüber dem Rückversicherer nicht berufen kann, um dessen Folgepflicht auszulösen. 212 Eine spezifische Schädigungsabsicht der Erstversicherungsparteien wird man zugunsten des Rückversicherers nicht verlangen müssen, da sich hier regelmäßig kein Unterschied ergibt. Dies fordert entgegen der verbreiteten Ansicht allerdings bspw. R. Bork für das Recht der Stellvertretung, BGB AT, Rn. 1575. 210 211
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wenn in Bezug auf die Grenzen der Folgepflicht von kollusivem Zusammenwirken gesprochen wird.213 Die Herausnahme der Evidenz dient zum anderen, trotz des Fehlens rechtlich-materieller Wahrheit, der Berücksichtigung des Interesses des Rückversicherers daran, nicht für offensichtlich, d.h. unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbare, geltend gemachte »Ansprüche« des Versicherungsnehmers und deren Regulierung durch den Erstversicherer einstehen zu müssen214. Dies wird indes unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Regulierung im Erstversicherungsverhältnis nur dann anzunehmen sein, wenn dem auch für den Erstversicherer ein gewisser Wahrheitsgehalt innewohnt und hiermit seine vollständige Einsicht des Nichtbestehens einhergeht. Dies ist nicht schon deshalb anzunehmen, weil der Erstversicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber angibt, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu leisten. Dieser Schluss wäre schon deshalb verfehlt, da sich der Erstversicherer hiermit lediglich vorbehalten möchte, seine initiale entgegenkommende Regulierung zu revidieren, beispielsweise für den Fall, dass entsprechende Beweise erst nachträglich zu Tage treten.215 In einem weiteren Sinn entspricht dieser Vorbehalt damit sogar gerade der im Eventualvorsatz (dolus eventualis) begründeten Vorgabe, den »Versicherungsfall« (auch mittelbar zum Vorteil des Rückversicherers) zu untersuchen. Ohne explizite vertragliche Vereinbarungen fallen Zahlungen, von denen der Erstversicherer annimmt, dass er nicht zu diesen verpflichtet ist, nur dann nicht unter die Folgepflicht, wenn er diese ohne Untersuchung des »Versicherungsfalls« vornimmt oder hiermit bewusst den Rückversicherer schädigen will.216 Diese Überlegungen sind grundsätzlich mit Teilungsabkommen vergleichbar, in welchen (über den Umstand der möglicherweise fehlenden Deckungspflicht des Schadensfalls in der Erstversicherung hinaus) lediglich für den sog. »Groteskfall« eine Grenze der Bindung des Abkommenspartners gezogen wird217. Hintergrund dieser Herausnahme ist, dass die Rechtspflicht selbst nicht Kriterium der Schadensteilung sein soll. Der »Groteskfall« meint den Fall eines »noch so verwegenen« Anspruchstellers, der ohne das Teilungsabkommen gar nicht auf den Gedanken käme, den Haftpflichtversicherten oder seinen Versicherer in Anspruch zu nehmen.218 Hiermit wird jedoch nicht wie im Fall des
213 So Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 116 Fn. 152. Zur Frage der Definition von Kollusion im Rahmen des Rechts der Stellvertretung Brinkmann, ZJS 2014, S. 471 (472 ff.). 214 Ähnlich Art. 2.4.3 PRICL (C4): »clearly outside of coverage«. 215 Siehe die Bemerkungen zu Ex-Gratia-Leistungen auf S. 107 ff. 216 Auch ist von einer eventualvorsätzlich nicht-ordnungsgemäßen Geschäftsführung auszugehen, wenn der Erstversicherer die Regulierung im Ganzen unterlässt, so bereits Garobbio, Über die Rückversicherung, S. 118 f. 217 Schon BGH, VersR 1979, S. 1093 (1094) und BGH, VersR 1984, S. 889. 218 Nach BGH, VersR 1979, S. 1093 (1094) und BGH, VersR 1984, S. 889 (889 f.).
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Ausschlusses von Ex-Gratia-Zahlungen das Regulierungsermessen des Erstversicherers negiert, sondern lediglich eine äußere Grenze der Regulierungsentscheidung dort gezogen, wo »offensichtlich schlechthin« 219 eine Haftung nicht in Betracht kommt. Ebenso restriktiv muss die Evidenz-Grenze der Folgepflicht im Fall der Rückversicherung interpretiert werden. Bei genauer Betrachtung muss man hierin einen teilweisen Gleichlauf mit Einlassungen von Rückversicherern und Gerichten erkennen, die in der unterlassenen hinreichenden Untersuchung des Schadensfalls eine grob-fahrlässig nicht-ordnungsgemäße Geschäftsführung sahen. Dies verdeutlicht das Beispiel von Zahlungen des Erstversicherers an einen Medizinprodukthersteller von defekten Herzklappen, bei deren Deckungsfrage komplexe Fragestellungen durch den Erstversicherer beantwortet werden mussten, dieser den Anforderungen jedoch nicht nachkam.220 Allein, auch die Ergebnisse dieser Untersuchung führen dazu, dass der Rückversicherer in diesem Fall nicht zur Folge verpflichtet ist. Denn in den meisten Fällen wird man hier bereits von einer billigenden Inkaufnahme des Nichtbestehens der Leistungspflicht des Erstversicherers ausgehen müssen, die also nicht nur grob-fahrlässig nicht-ordnungsgemäß ist, sondern eventualvorsätzlich. Der Einwand der nicht-ordnungsgemäßen Untersuchung des Schadensfalls ist daher ein Einwand eventualvorsätzlich nicht-ordnungsgemäßer und nicht etwa (grob-)fahrlässig nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung.221 VI. Bestätigung durch einen Vergleich mit dem Recht der Stellvertretung Die Fallgruppen von Evidenz und Kollusion sind insbesondere aus dem Recht der Stellvertretung bekannt (§§ 164 ff. BGB). Naheliegend ist daher die Frage, ob nach Ablehnung anderer Anknüpfungspunkte aus VVG und BGB hierin eine Bestätigung oder eine Ablehnung dieses Zugriffs auf die Folgepflicht gesehen werden muss.222 Zunächst sprechen gegen einen Gleichlauf der Grenzen der Folgepflicht und der Stellvertretung die gleichen Gründe, die zu einer Ablehnung der Orientierung der Rückversicherung an den §§ 677 ff. BGB als Ausdruck einer Fremdgeschäftsführung223 geführt haben: Der Erstversicherer führt gerade seine eigenen Geschäfte und nicht die Geschäfte des RückversiBGH, VersR 1984, S. 889 (890). Siehe Suter v. General Accident Insurance Co of America, 44 f. Supp. 781 (District of New Jersey 2006); beschrieben bei Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (396 ff.). 221 Entgegen Hoffman, 28 Tort & Insurance Law Journal 1993, S. 659 (702). 222 Und nur in dieser Reihenfolge (rückversicherungsspezifische Wertung und erst im Anschluss gesetzliche Anknüpfung) ist ein valider Zugriff zur wertungsmäßigen Bestimmung der Folgepflicht zu sehen – nicht etwa umgekehrt darin, dass die Vorschriften des BGB oder des VVG erster Zugriff für die Folgepflichtbestimmung sind. 223 Siehe S. 227 ff. 219 220
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cherers und ist daher auch nicht dessen Stellvertreter. Denn durch die Geschäftsführung im Erstversicherungsverhältnis wird eine unmittelbare rechtliche Verpflichtung des Rückversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer begründet. 224 Lediglich aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung trägt der Rückversicherer wirtschaftlich einen (durch Selbstbehalt und Limits reduzierten) wesentlichen Teil der Leistung des Erstversicherers an den Versicherungsnehmer. Wohl aber soll durch diesen Vergleich gerade nicht die Qualifizierung der Rückversicherung als Versicherungsvertrag in Frage gestellt, sondern lediglich ein Wertungsvergleich durchgeführt werden. Tauglich ist daher die folgende Überlegung: Die Geschäftsführung des Erstversicherers wirkt zwar nicht unmittelbar für und gegen den Rückversicherer (vgl. § 164 I 1 BGB), durch die Folgepflicht wird allerdings eine mittelbare Wirkung der Geschäftsführung für und gegen den Rückversicherer erzielt. Diese Wirkung greift für das Recht der Stellvertretung nur im Ausnahmefall nicht, namentlich in Fällen der Kollusion und Evidenz. Die darin liegende Wertung trifft auch auf die Rückversicherung zu. Denn nicht nur ist der Versicherungsnehmer hier, wie der Dritte in der Stellvertretung, ein am Innenverhältnis zwischen Erst- und Rückversicherer gänzlich unbeteiligter, schützenswerter Dritter. Wesen der Folgepflicht ist, wie in der Stellvertretung, die Bindung des Rückversicherers an die Entscheidungen des Erstversicherers. Mit anderen Worten: Der Rückversicherer ist der durch die Geschäftsführung des Erstversicherers wirtschaftlich Stellvertretene. Der Umstand, dass der Rückversicherer hiervon, aufgrund des Selbstbehalts des Erstversicherers, wirtschaftlich nicht vollständig an der Erstversicherung beteiligt ist, lässt keine andere Wertung zu – denn er begünstigt gerade den Rückversicherer. Mehr noch wird hiermit die in der Geschäftsführung liegende Missbrauchsgefahr derart eingeschränkt, dass umso mehr von einer so beschriebenen weiten Folgepflicht auszugehen ist. Wenn auch die konkrete Folgepflicht von der konkreten Ausgestaltung des Rückversicherungsvertrages abhängig ist, so wird man auf Basis des ergänzenden Handelsbrauchs, der gesetzlichen Wertung und auch dem Interesse und Willen der Parteien regelmäßig eine auch-vertraglich intendierte Haftungsausweitung im Vergleich zu bislang vertretenen Lösungen der Bestimmung der Folgepflicht annehmen müssen. Der Hereinnahme grob-fahrlässig nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung in die Folgepflicht des Rückversicherers stehen zudem keine vertragsrechtlichen Grundsätze entgegen. Denn nach § 276 III BGB225 ist lediglich im 224 Siehe oben S. 78 ff.; darüber hinaus illustrativ auch für die Rückversicherung die Wertungen für die Mitversicherung in Mander v. Commercial Union Assurance [1998] Lloyd's Rep IR 93 und San Evans Maritime Inc v. Aigaion Insurance Co SA [2014] EWHC 163 (Comm). 225 Dieser kommt auch in § 309 Nr. 7 BGB zum Ausdruck.
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Voraus die Haftung für Vorsatz indisponibel.226 Es ist daher nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen sogar möglich, eine verschuldensunabhängige Haftung individualvertraglich zu vereinbaren, sofern hierin nicht ein Verstoß gegen die guten Sitten zu sehen ist (§ 138 BGB).227 Lediglich eine formularmäßig begründete verschuldensunabhängige Haftung ist danach nicht möglich.228 Entgegen der Ansicht von Labes ist es daher – auch aus allgemeinen vertragsrechtlichen Wertungen – gerade nicht »selbstverständlich«, dass die Folgepflicht auch bei grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist.229 Der in dieser Untersuchung vorgestellte Gedanke ist auch dem Gesetzgeber nicht fremd – vielmehr sieht er ihn vielfach selbst ausdrücklich vor.230 Gegen das Ergebnis dieser Untersuchung spricht auch nicht schon die höchstinstanzlich festgestellte Nichtübertragbarkeit der Wertungen aus gefährdungshaftungsrechtlichen Normen. 231 Denn im Fall der rückversicherungsrechtlichen Folgepflicht handelt es sich gerade nicht um eine Gefährdungshaftung, sondern um eine wesensvertraglich übernommene Haftung. Auch die Maßgabe, ein stillschweigender Haftungsausschluss könne nur einfache Fahrlässigkeit betreffen,232 steht dem nicht entgegen, da die Folgepflicht entweder individualvertraglich vorgegeben ist oder als ergänzender Handelsbrauch und auf Basis der vorgenannten Wertungen wesenstypisch für die Rückversicherung ist. Im Gegensatz zu einer stillschweigenden Vereinbarung wird der haftungsbegrenzende Folgepflichtgehalt daher nicht durch das Schweigen in einer bestimmten Situation indiziert.233 Andererseits widerspräche aber eine Folgepflicht, wel226 Das Vertragsrecht sieht an dieser Stelle eine weite Öffnung zugunsten der privatautonomen Vertragsgestaltung vor. Im Gegensatz hierzu postuliert Art. 100 S. 1 des schweizerischen Obligationenrechts (OR), dass nicht nur die vorsätzliche, sondern auch die Haftung für grob-fahrlässiges Verhalten nicht im Voraus ausgeschlossen werden kann. Verfehlt geht Garobbio von dieser Ausgestaltung auch für das deutsche Recht aus (Über die Rückversicherung, S. 118 Fn. 1). Vor diesem Hintergrund ist es zu erklären, dass er Vorbehalte hatte, eine weitreichendere Folgepflicht für das schweizerische Recht anzunehmen (dort S. 117 f.). Mithin sieht Art. 100 S. 3 OR einen ausdrücklichen Vorbehalt der besonderen Vorschriften des Versicherungsvertrages vor, welche diese allgemeine Wertung verdrängen können. Auch hier kann Garobbio nicht gefolgt werden, welcher annimmt, dass diese Einschränkung nur auf die Erstversicherung anwendbar sei (dort S. 118 Fn. 3). 227 Inhaltsgleich BGHZ 115, S. 38 (43) und BGHZ 119, S. 152 (168). 228 BGHZ 51, S. 55 und BGH, NJW 1983, S. 159 (162). 229 So aber Ha. Labes, Die Folgepflicht des Rückversicherers, S. 48. 230 Bspw. in Form der vielfach statuierten Gefährdungshaftung in §§ 231, 701 und 833 BGB sowie verschiedenen Sondergesetzen oder in Form anderer verschuldensunabhängiger Einstandspflichten in § 829 BGB oder dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch, siehe Palandt/Grüneberg, BGB, § 276 Rn. 24. 231 Vgl. die Urteile RGZ 147, S. 353 und BGH, VersR 1972, S. 1047. 232 OLG Hamm, NJW-RR 2006, S. 104 (104); Palandt/Grüneberg, BGB, § 276 Rn. 37. 233 Vgl. zur Definition der stillschweigenden Vereinbarung MüKo/Armbrüster, BGB Bd. 1, Vor § 116 Rn. 6.
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che eine vorsätzlich nicht-ordnungsgemäße Geschäftsführung umfasst, allgemeinen Rechtsgedanken. Dies ergibt sich unter anderem aus den Wertungen der §§ 123, 138, 242 BGB, die, neben dem Versicherungsvertragsrecht,234 auch für das Rückversicherungsvertragsrecht Geltung beanspruchen. VII. Konsequenzen für die Rückversicherungspraxis Die Folgepflicht ist daher im Ganzen als durch einen ergänzenden Handelsbrauch vorgegeben anzusehen und erfährt ihr konkretes Ausmaß durch ein praktisch, gesetzlich und intentional zweckerfüllendes Haftungsmodell. Hieraus ergibt sich allerdings keine Veränderung für die Rückversicherungspraxis selbst. Vielmehr bildet der hier vorgestellte dogmatische Ansatz eines Folgepflichtausschlusses nur235 bei Vorsatz die Praxis und den abstrahierten Willen der Rückversicherungsvertragsparteien ab. Denn die Entwicklung der Folgepflichtklauseln hat gerade die Suche der Vertragsparteien nach den angestrebten Effektivierungen der Folgepflicht aufgezeigt. Bewirkt wird hiermit allerdings eine Rückbesinnung der Geschäftsführung im Erstversicherungsverhältnis auf die Zwecke der Erstversicherung. Es ist auf dem deutschen Rückversicherungsmarkt nicht unüblich, dass der Rückversicherer selbst entgegenkommend reguliert,236 und sich insofern nicht auf eine gerichtliche Auseinandersetzung auf Basis eines unsicheren Fahrlässigkeitsmaßstabs einlässt. Dieses Fahrlässigkeitskriterium geht daher nicht mit den Vorgaben des deutschen Verständnisses von Rückversicherung konform. Es entspricht vielmehr den Interessen der Parteien, dass der Rückversicherer lediglich in den seltener, aber klarer in Erscheinung tretenden Fallkonstellationen des Missbrauchs Einwände gegen die Geschäftsführung des Erstversicherers erheben können soll. Aus der hier vorgestellten Lösung ergibt sich somit keine carte blanche, 237 sondern ein nach wie vor hinreichender Schutz des Rückversicherers – darüber hinaus aber eine die Zwecke der Rückversicherung verwirklichende Konkretisierung zugunsten einer verbesserten Kalkulation von Rückversicherungsschutz. Betont wird auch heute noch, dass die Rückversicherung eine von besonderem Vertrauen getragene Vertragsbeziehung ist. Bringt der Rückversicherer der Geschäftsführung (und insbesondere der Regulierung) des Erstversicherers 234 Instruktiv zur allgemeinen Rechtspflicht, nicht arglistig zu täuschen, Wandt, VersR 2018, S. 321 (326 ff.). 235 Selbstverständlich abgesehen von der durch den Rückversicherungsvertrag selbst beschriebenen und privatautonom vereinbarten Risikodeckung; zur Verdeutlichung dieser Selbstverständlichkeit Art. 2.4.3 PRICL (C5): »A duty to follow the reinsured’s settlements is, thus, limited to the scope of cover of the contract of reinsurance and does not expand this scope«. 236 Heinze, VW 2014, S. 40 (40). 237 So der von Fausten verwendete Begriff zur Beschreibung einer bedingungslosen Folgepflicht (VersR 2017, S. 1057 [1062]).
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kein Vertrauen entgegen, bedeutet dies aber nicht eine umfassende Kontrolle des Erstversicherers oder eine eng verstandene Folgepflicht. Auch Kothris erkannte und kritisierte eine im Nachkriegsdeutschland einsetzende übermäßige Beeinflussung seitens der Rückversicherer (beispielsweise betreffend die Versicherbarkeit eines Risikos oder die Prämienpolitik).238 Es ist auch These dieser Untersuchung, dass dieser Umstand nicht eine Determinierung dieser Einflussnahmen nach sich zieht, sondern vielmehr ein Hochhalten der Wesensmerkmale der Rückversicherung. Denn in jedem Fall ist es der Erstversicherer, der die Geschäfte führt. Wenn der Rückversicherer dem Erstversicherer in dieser Hinsicht misstraut, ist dies nicht nur als geschäftliches Misstrauen zu verstehen, sondern als Zweifel an dem konkreten Rückversicherungsvertrag selbst.239 In diesem Fall aber sollte der Rückversicherer den Rückversicherungsvertrag gar nicht erst abschließen oder ihn kündigen bzw. nicht verlängern. Dies ist schon deshalb unproblematisch, da die Rückversicherung meist Gegenstand von Nachverhandlungen im Rahmen sog. renewal ist.240 Überdies bestätigt diese bereits bestehende Praxis lediglich den hier vertretenen Zuschnitt der Folgepflicht, denn der Erstversicherer wird sich infolgedessen bemühen, ein attraktiver Erstversicherer für den Rückversicherer zu bleiben – dies betrifft nicht nur die Zeichnung von Risiken, sondern auch die Regulierung, und damit die Qualität des Rückversicherungsgeschäfts selbst241. Gegen die hier vertretene Konzeption der Folgepflicht spricht auch nicht, die seit den 1980er Jahren beobachtete Häufung von Großschäden242 oder zu erwartende klimawandelbedingte Häufungen von Naturkatastrophen. Die Aufwendungen für Versicherungsfälle werden häufig so dargestellt, als hätten die durch derartige Schäden vermehrten Aufwendungen der Rückversicherer die Rückversicherungsbranche vor immer größere Herausforderungen gestellt,243 wodurch gar ein engerer Zuschnitt der rückversicherungsrechtlichen Haftung begründet sein soll.244 Außer Acht gelassen wird indes, dass sich die Einnahmen der Rückversicherer in gleichem Maße gesteigert haben, sodass die Spannweite des prozentual an den Einnahmen gemessenen Aufwands seit 1960 zwischen gewinnträchtigen 53,6 Prozent und 77,0 Prozent bestand.245 Kothris, Die Folgepflicht und die Schicksalsteilung in der Rückversicherung, S. 2. Vgl. Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (392). 240 Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (376). 241 Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (376 f). 242 Busse/Taylor/Justen, SchiedsVZ 2008, S. 1 (2) und Hu. Labes, VersR 1996, S. 1461 (1461). 243 Vgl. Busse/Taylor/Justen, SchiedsVZ 2008, S. 1 (2). 244 So prominent Gerathewohl, in Festschrift Jannott, S. 13; vgl. in neuerer Zeit die Darstellungen bei Surminski, Die Rolle der Rückversicherungen in der internationalen Klimapolitik, S. 61 ff. 245 Zahlen aus GDV, Statistisches Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2018, S. 88. 238 239
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Abgesehen davon können derartige Beobachtungen nicht zu einer engeren Fassung der Folgepflicht oder weitreichenderen Kontrollrechten des Rückversicherers führen. Denn die nach deutscher Praxis angestrebte Rückversicherungsbeziehung ist eine langfristig angelegte, welche sowohl lukrative als auch verlustreiche Perioden überdauern soll.246 Sollte gleichwohl Anpassungsbedarf bestehen, ist diesem mit der Kalkulation der Rückversicherungsprämie, den Limits und anderen preistechnischen Instrumenten zu begegnen. Für die rechtliche Einordnung gilt das schon mehrfach für die Rückversicherung benannte Gebot, wirtschaftlichen Zweck und juristische Gestaltungsnorm nicht miteinander zu verwechseln.247 Eine interessen- und sachgerechte Lösung bedingt gerade nicht den Ausschluss der Folgepflicht im Fall grob-fahrlässig nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung. Dies widerspräche bereits den aus der Erstversicherung stammenden Vorgaben. Dem scheinbar unauflösbaren Konflikt der Interessen kann nur mit grober Gerechtigkeit (rough justice) 248 »zugunsten« des Erstversicherers begegnet werden und nicht mit dem vermeintlich interessengerechten Ausschluss grober Fahrlässigkeit, der den Konflikt mittel- bis langfristig lediglich in ein kostenintensives (schieds-)gerichtliches Verfahren mit ungewissem Ausgang trägt – in welchem zur Konkretisierung der groben Fahrlässigkeit Einzelfallentscheidungen aus dem englischen Recht zweckentfremdet werden.
246 Hu. Labes, VersR 1996, S. 1461 (1461); dies gilt jedenfalls unbedingt für die obligatorische Rückversicherung. 247 In der Weise ursprünglich Ehrenberg, Die Rückversicherung, S. 39; unter Zitierung Ehrenbergs bestätigend Heise, Die Rückversicherung als Haftpflichtversicherung, S. 50. 248 So die illustrative Bezeichnung in Merkin/Mendelowitz, in Burling/Lazarus, Insurance Law and Regulation, S. 146 (166).
Teil 4
Zusammenfassende Stellungnahme
Kapitel 9
Epilog – Ergebnisse und Auswirkungen A. Ergebnisse in Form von Thesen »Arcus niminum tensus rumpitur.«*
Häufig wird die Rückversicherung als ein Bereich der Versicherung dargestellt, der mit den üblichen Parametern des Versicherungsvertragsrechts nicht zu fassen ist. Diese Untersuchung zeigt, dass die Rückversicherung deshalb aber nicht von der Erstversicherung losgelöst ist. Die Besonderheiten der Erstversicherung kleiden die Rückversicherung nicht nur als beiläufiges Accessoire, sondern vielmehr als ihr wichtigstes Element, ohne welches sie im wahrsten Sinne »nackt« dastünde. Das gilt im Besonderen für die Folgepflicht, deren Ausprägungen als Teilergebnisse der jeweiligen Kapitel vorweggenommen wurden. Die Rückversicherung ist daher keine freie geschäftliche Unternehmung im Sinne einer Spekulation am Kapitalmarkt, sondern ein in zwingender Abhängigkeit zur Erstversicherung stehender Versicherungsvertrag, dessen Zweck die Risikoteilung und gerade nicht die – auch nur faktische – Mitbestimmung eines Dritten (des Rückversicherers) ist. Gleichsam genügt es nicht, auf die Qualifikation der Folgepflicht als Handelsbrauch zu verweisen, da ihre Grenzen nicht allein durch die Praxis bestimmt werden können. Übergreifend lässt sich die Leitlinie der Folgepflicht somit wie folgt fassen: Für sie darf es nicht schon darauf ankommen, ob die rechtliche Einschätzung des Erstversicherers nach Ansicht des Rückversicherers (ex post) korrekt war – und auch nicht darauf, ob diese Einschätzung nach einer objektiven Wertung einer rechtlich-materiellen Wahrheit entspricht. Das faktische Regulierungsermessen des Erstversicherers setzt sich daher in Form eines rückversicherungsrechtlichen Regulierungsermessens gegenüber dem Rückversicherer ungemindert fort. Dies hat die folgenden Konsequenzen: 1) Der Grundsatz der freien Geschäftsführung wird durch diese Untersuchung bestätigt und bestärkt. Er führt zu einer notwendigen Einschätzungsprärogative des Erstversicherers, dem Regulierungsermessen. * Phaedrus, Fabulae 3, 14, 10: »Ein allzu stark gespannter Bogen (sprich: ›Interessenwiderstreit‹) bricht entzwei« [Übersetzung d. Verf.]; abgedruckt in Kasper, Reclams Lateinisches Zitaten-Lexikon, Ditzingen 2014, S. 38.
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Kap. 9: Epilog – Ergebnisse und Auswirkungen
2) Mit der gleichen Notwendigkeit ist die Folgeflicht wesenstypisch für die Rückversicherung. Sie ist als ergänzender Handelsbrauch zu verstehen und gilt daher auch ohne vertragliche Vereinbarung. Abzulehnen ist hingegen die Qualifizierung der Folgepflicht auch als interpretierender Handelsbrauch, da weder eine einheitliche Klauselpraxis noch eine homogene Auffassung der Folgepflicht in Literatur und Rechtsprechung existieren. 3) Die Klauselgestaltung und die diese begleitende (englische) Rechtsprechung sind gleichwohl als Verkehrssitte im Rahmen der Auslegung des Rückversicherungsvertrages beachtlich (§ 157 BGB). Dieser Zuschnitt bedingt aber auch die Tragfähigkeit weiterer Wertungen der Rückversicherung. 4) Auch wenn diese Untersuchung zu abweichenden Ergebnissen gelangt, ist der Methodik der herrschenden Meinung zur Begrenzung der Folgepflicht beizupflichten. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Folgepflicht ist die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung. Dies bedingt indes keine Kongruenz mit den an die Ordnungsgemäßheit angelegten Maßstäben. 5) Für die Folgepflicht des Rückversicherers ist es schon auf Basis dieser Methodik zunächst unerheblich, wie die Regulierung des Erstversicherers im Rechtssinne zu qualifizieren ist (integrativer Ansatz). Eine »beste« Regulierungsart gibt es nicht. Die Regulierung ist im Ganzen einzelfallabhängig. Für die Rückversicherung ergibt sich ein Gleichlauf der Regulierungsarten. Dies gilt insbesondere auch für Globalvergleiche zwischen Erstversicherer und Versicherungsnehmer. 6) Eine rechtlich-materielle Wahrheit existiert nicht. Die Leistungspflicht des Erstversicherers kann daher kein zwingendes Kriterium der Folgepflicht sein. Einer generellen Herausnahme von sog. Ex-Gratia-Leistungen aus der Rückversicherungsdeckung ist somit nicht zu folgen. 7) Die englische Rechtsprechung kann zwar zur Problemidentifizierung als Anleihe für die Folgepflichtbestimmung nach deutschem Recht dienen. Die dortigen Ergebnisse zur Auslegung von Folgepflichtklauseln sind jedoch aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses von Rückversicherung und der Kategorisierung als klauselabhängige Entscheidung nicht auf das deutsche Recht als allgemeine Maßgabe übertragbar. 8) Im Fall einer Back-to-back-Deckung wird dem Rückversicherer nicht durch die Hintertür die direkte Einwendung einer fehlenden Leistungspflicht im Erstversicherungsverhältnis zugesprochen, sondern umgekehrt eine enge Bindung des Rückversicherers an die Entscheidungen des Erstversicherers bestätigt. 9) Die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung ist im erstversicherungsrechtlichen Sinn zu verstehen (Vorbehalt der Erstversicherung). Dies bedeutet zum einen die Bestätigung des Grundsatzes, »der Erstversicherer habe sich so zu verhalten, als wäre er nicht rückversichert«. Zum anderen gilt dieser Grundsatz jedoch in die entgegengesetzte Richtung mit der Konsequenz, dass der Zuschnitt der Folgepflicht den Versicherungsnehmer nicht benachteiligen darf.
A. Ergebnisse in Form von Thesen
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10) Das Interesse des Rückversicherers steht dem integrativen Ansatz und dem Vorbehalt der Erstversicherung nicht entgegen. Es ist dem Grundsatz der freien Geschäftsführung des Erstversicherers untergeordnet. 11) Aus dem Umstand der Geschäftsführung des Erstversicherers und dessen mittelbarer Bestimmung der Haftung des Rückversicherers ergibt sich nicht schon ein besonderes Schutzbedürfnis des Rückversicherers. Die freie Geschäftsführung ist im Wesen der Rückversicherung angelegt und durch die Wahl der Rückversicherung als Instrument der Risikoteilung durch die Vereinbarung der Vertragsparteien von Schutzzweckargumentationen zugunsten des Rückversicherers ausgenommen. 12) Der Rückversicherungsvertrag bedingt aufgrund des ihm eigentümlichen Informationsgefälles Informations- und Inspektionsrechte des Rückversicherers. Diese sind ebenfalls als ergänzender Handelsbrauch zwingend vorgegeben. Sie dienen auch der Kontrolle der Geschäftsführung des Erstversicherers. Die Beweislast für die »Nicht-Ordnungsgemäßheit« der Geschäftsführung trifft den Rückversicherer. 13) Mitspracherechte des Rückversicherers bestehen grundsätzlich nicht. Konkrete vertragliche claims cooperation clauses können sich für den Rückversicherer sogar nachteilig auswirken, da ihnen (im Fall der Mitwirkung) eine weitreichende Billigung der Geschäftsführung (insbesondere der Regulierung) mit der Folge der weitreichenden Bindung des Rückversicherers an die Geschäftsführung entnommen werden kann. 14) Klauseln, die die Regulierungsentscheidung des Erstversicherers (faktisch) in die Hände des Rückversicherers legen (claims control clauses), können im Rahmen der Privatautonomie vereinbart werden. Sie bergen jedoch die Gefahr einer von den Parteien nicht gewollten Interpretation des Rückversicherungsvertrages zulasten des Rückversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer. 15) Dem Selbstbehalt kommt für die Interessen- und Sachgerechtigkeit des Rückversicherungsvertrages wesentliche Bedeutung zu. Er ist heute ebenfalls als ergänzender Handelsbrauch anzuerkennen und reduziert die in Geschäftsführungsrecht und Folgepflicht angelegte Missbrauchsgefahr evident. Die konkrete Höhe eines hinreichenden Selbstbehalts ist von Form und Art der Rückversicherung sowie den rückversicherten Risiken abhängig. 16) Dies führt im Ganzen zu einer Bindung des Rückversicherers an die Geschäftsführung des Erstversicherers. Er kann diese lediglich mit Blick auf Missbräuche mit Hilfe der ihm zustehenden Informations- und Inspektionsrechte überprüfen. 17) Hieraus folgt ein Ausschluss der Folgepflicht im Fall einer vorsätzlich nicht-ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Dies bedeutet insbesondere, dass der Erstversicherer die Fakten- und Rechtslage (in Abhängigkeit des Ausmaßes des Einzelfalls) zu untersuchen und für sich zu evaluieren hat. Die Grenzen der Folgepflicht können daher mit Kollusion und Evidenz beschrieben werden.
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Kap. 9: Epilog – Ergebnisse und Auswirkungen
B. Bedeutung für die Rückversicherungsvertragsgestaltung »’Cause you know sometimes words have two meanings.«*
Im Nachgang hierzu bleibt eine Abweichung der Rückversicherungsvertragsparteien von diesen Ergebnissen durch eine entsprechende Vereinbarung grundsätzlich möglich. Auch hierfür hat diese Untersuchung jedoch Grenzen aufgezeigt. Dies betrifft zum einen die in Kapitel 6 dargelegten Grundsätze des Vorbehalts der Erstversicherung und der neutralen Irrelevanz der Rückversicherungsdeckung, womit ein Rahmen für die Rückversicherung als daran anknüpfende Risikoteilung verbunden ist. Folge dessen ist, dass die Wertungen des Erstversicherungsvertragsrechts eine diese einschränkende Rückversicherungsvertragsgestaltung verbieten. Zum anderen sind die fundamentalen Wesensarten der Rückversicherung zu beachten. Bei einer hiervon (d.h. von der Relevanz der Geschäftsführung des Erstversicherers für die Haftung des Rückversicherers) abweichenden vertraglichen Vereinbarung, steht die Bewertung des Vertrages als Rückversicherungsvertrag infrage – mit der Folge insbesondere für den Rückversicherer eventuell nachteiliger Wirkungen. Ein derartiger Rechtsrahmen resultiert nicht nur aus den beschriebenen gesetzlichen Wertungen. Er bildet auch den Ausgangspunkt der Verhandlungen der Rückversicherungsvertragsparteien über den konkreten Inhalt des Rückversicherungsvertrages und bildet die Erwartungshaltung der Vertragsparteien ab. Denn auch das (Schieds-)Gericht legt den Vertrag und unbestimmte Rechtsbegriffe auf Basis dieser Rechtslage aus.1 Hieraus ergibt sich allerdings kein Verbot der Einschränkung der Folgepflicht. So bleibt es den Parteien unbenommen, den Sorgfaltsmaßstab der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung zu verändern. Denkbar ist daher insbesondere eine Erhöhung des Sorgfaltsmaßstabs in der Weise, dass die Folgepflicht schon bei grob-fahrlässiger nicht-ordnungsgemäßer Geschäftsführung nicht greift. Aufgrund des Zuschnitts der Geschäftsführung als Eigengeschäftsführung wird man die diligentia quam in suis als obere Grenze der an den Erstversicherer gerichteten Sorgfaltsanforderungen ansehen müssen. Entsprechend kann die Folgepflicht nicht schon deshalb ausgeschlossen sein, weil die Geschäftsführung einfach-fahrlässig nicht-ordnungsgemäß erfolgt ist. Auch dieser Zuschnitt kann jedoch nicht derart interpretiert werden, dass eine entgegenkommende Regulierung nicht von der Folgepflicht umfasst ist, da diese vielfach der Verkehrsüblichkeit entspricht und damit auch kein Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zu sehen ist. Vielmehr kommt es auch dann auf den Einzelfall an. * 1
Aus dem Musiktitel von Led Zeppelin, Stairway to Heaven (1971). Vgl. Looschelders, VersR 2012, S. 1 (1).
B. Bedeutung für die Rückversicherungsvertragsgestaltung
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Zu raten ist den Parteien allerdings, derartige Abweichungen so bestimmt und eindeutig wie möglich zu formulieren. In einer Branche, in der die (schieds-)gerichtliche Auseinandersetzung nicht mehr den Ausnahmefall bildet, sondern zu gelebter Praxis mutiert, ist eine klare Sprache im Vertrag ungleich wichtiger.2 Damit soll nicht dem Umstand widersprochen werden, dass unklare Formulierungen bislang sogar den Intentionen der Parteien entsprachen, da es die argumentative Weite des Vertrages im Streitfall im Rahmen einer gütlichen Einigung oder im Fall einer Verlängerung des Vertrages (renewal) ermöglichte, zu einem Ergebnis zu gelangen, ohne sich über alle Eventualitäten der Vertragsbeziehung bewusst zu sein. Gezeigt hat jedoch auch die englische Rechtsprechung, dass diese Anlage des Rückversicherungsvertrages in Auslegungen jeder Richtung münden kann. Oder wie bereits Scrutton LJ in Gurney v. Grimmer anmerkte: »It might be said, or I might be tempted to say, that I wish underwriters would express themselves clearly. I am afraid if I said so they would say: ›Will you kindly draft the clause for us‹, which I decline to do.«3
Es gilt daher, bereits im Vorgriff auf gerichtliche Verfahren4 eine unzweideutige Sprache zu bemühen5 – und den in jede Richtung interpretierbaren Fahrlässigkeitsmaßstab zu vermeiden. Dies gilt auch für das schiedsgerichtliche Verfahren. Denn auch der Schiedsrichter kann den Willen der Parteien erst dann richtig erkennen, wenn er bereits im Vertrag eine klare Form angenommen hat – und wird den Vertrag auch in einer vertraglich intendierten Nachteilhaftigkeit für eine der Vertragsparteien anwenden6. Die Favorisierung von Schiedsgerichten ist auch im Weiteren nicht von Einfluss auf die Vertragsauslegung selbst. Weder die übliche Vertraulichkeit von Schiedssprüchen noch die teilweise noch7 anzutreffende Schiedsklausel, die dem Schiedsrichter ein über die rechtliche Bewertung hinausgehendes Ermessen zuspricht (ex aequo et
2 Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass das Gebot der Rechtssicherheit im Versicherungsrecht wesentlich verstärkt für das Massengeschäft gilt (Fischer, VersR 1965, S. 197 [insb. 198]) – dies führt selbstverständlich gerade für die Rückversicherung nicht dazu, dass den Vertragsparteien mit einer klaren Vertragssprache im Hinblick auf mögliche (schieds-)gerichtliche Verfahren nicht geholfen wäre. 3 Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (195). 4 Dies gilt auch heute schon insb. für Kulanzleistungen in der Insolvenz des Erstversicherers, siehe weiterführend Wedge, Insurance and Reinsurance Run-Off, S. 117 f. 5 Auch Prölss, Ansichten der Rückversicherung, S. 48. 6 Merkin/Mendelowitz, in Burling/Lazarus, Insurance Law and Regulation, S. 146 (148 und 165). 7 Üblich scheint es unterdessen zu sein, jedenfalls spezifische Rechtskenntnisse des Vorsitzenden des institutionellen Schiedsgerichts zu erwarten, Thomas, VW 2011, S. 1605 (1605); hierin auch zur Musterschiedsklausel der ARIAS-US, die bewusst keine Öffnung für eine Wertung nach Gutdünken vorsieht, siehe ARIAS-US-Rules.
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Kap. 9: Epilog – Ergebnisse und Auswirkungen
bono)8 , ändern etwas an diesem Umstand. Vielmehr geht mit einer solchen Vereinbarung lediglich ein noch höheres Maß an Rechtsunsicherheit einher.9 Von derartigen Klauseln ist daher aus den gleichen Gründen abzuraten. Darüber hinaus ist, sofern eine prognostizierte Hinwendung zu nicht in dieser Weise beeinflussbaren staatlichen Gerichten tatsächlich stattfinden sollte,10 a fortiori eine eindeutige Vertragsgestaltung unentbehrlich. Auf Basis der Wertungen dieser Untersuchung wäre eine auch das Ergebnis dieser Untersuchung widerspiegelnde Klausel die folgende: Der Erstversicherer führt die Erstversicherungsgeschäfte in freiem Ermessen, wie er sie führen würde, wenn er nicht rückversichert wäre. Der Rückversicherer erkennt alle Geschäftsführungsentscheidungen des Erstversicherers als für sich verbindlich an und wird durch die Schadenanzeige des Erstversicherers zur Leistung verpflichtet. Die Folgepflicht des Rückversicherers entfällt lediglich im Fall einer durch den Rückversicherer nachgewiesenen vorsätzlich nicht-ordnungsgemäßen Geschäftsführung (d.h. Kollusion und Evidenz). Der Maßstab der Ordnungsgemäßheit ergibt sich hierbei aus den Notwendigkeiten der Erstversicherung und nicht aus dem Interesse des Rückversicherers selbst. Einwendungen aus dem Erstversicherungsverhältnis stehen dem Rückversicherer gegen den Erstversicherer nicht zu. Zur Überprüfung der Geschäftsführung auf Missbräuche des Erstversicherers ist dieser verpflichtet, dem Rückversicherer alle die Geschäftsführung betreffenden Informationen zur Verfügung zu stellen.
Mit den Ergebnissen dieser Untersuchung geht auch die Empfehlung einher, Verträge im Sinne selbiger zu gestalten. Die Interessen der Parteien werden hierdurch hinreichend abgebildet und die unsicherere Bezugnahme auf Fahrlässigkeitsmaßstäbe vermieden 11 . Damit einher geht eine gesteigerte Auslegungsfestigkeit und eine Reduktion von Verfahrenskosten.12 Darüber hinaus kann der Rückversicherer seine Überprüfung der Geschäftsführung auf die insoweit härteren Sorgfaltskriterien beschränken und hierdurch eine weniger kostenintensive, indes zielgerichtete Kontrollfunktion ausüben. Dies entspricht den Effektivitätsgedanken der Rückversicherung, die bereits in ihren Anfängen
8 In neuerer Zeit bspw. Home and Overseas Insurance Co Ltd v. Mentor Insurance Co (UK) Ltd [1989] 1 Lloyd’s Rep 473 (auf Basis einer arbitrators’ »honourable engagement« clause); so auch die Beobachtung von Pfeiffer, nach welcher sehr häufig eine Entscheidung »nach den Grundsätzen der Billigkeit und den Gegebenheiten des praktischen Geschäfts unter besonderer Berücksichtigung von Treu und Glauben« zwischen den Parteien vereinbart worden sein soll (Einführung in die Rückversicherung, S. 30); auch Langheid/Wandt/ Schwepcke, VVG Bd. 3, RückVersR Rn. 25; weitergehend noch Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 437. 9 Rechtsunsicherheit war jedoch bereits früh und aufgrund der im Laufe der geschichtlichen Entwicklung immer wieder vorgetragenen Skepsis der Rechtswissenschaft gegenüber der Versicherung üblich, so Ebel, ZVersWiss 1980, S. 7 (7). 10 So Franz/Keune, VersR 2013, S. 12 (23). 11 Im Zusammenhang mit der diligentia quam in suis Grigoleit, VersR 2018, S. 769 (779). 12 Zum Leidwesen der Anwaltschaft, vgl. Thomas, VW 2005, S. 611.
C. Auswirkungen auf die Folgepflicht der Retrozession
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begründet liegen, vor dem Hintergrund von Verrechtlichungsbestrebungen allerdings heute erneut Gewicht erhalten müssen.13 Auch im Fall der Verwendung einer anderen Klausel oder einer Abweichung von diesen Grundsätzen können die Wertungen, insbesondere des dritten Teils dieser Untersuchung (Kapitel 5 bis 8), für die Auslegung von Geschäftsführungsrecht und Folgepflicht auch für den nach Auslegungshilfe fragenden (Schieds-)Richter fruchtbar gemacht werden.
C. Auswirkungen auf die Folgepflicht der Retrozession »Abyssus abyssum invocat.«*
Aus diesen Weichenstellungen für die Rückversicherung resultiert geradezu zwangsläufig die Frage, wie sich die Feststellungen dieser Untersuchung auf die Retrozession 14 auswirken. Eine ganz wesentliche Unterscheidung ergibt sich hier vor dem Hintergrund, dass der Versicherungsnehmer15 des Retrozessionars zwar wie in der Rückversicherung selbst Versicherer ist, im Gegensatz zum Erstversicherer reguliert er aber nicht im erstversicherungsrechtlichen Sinn, sondern ist selbst als Rückversicherer zur Folge verpflichtet. Zu berücksichtigen ist, dass in der Retrozession mehr noch als in der Rückversicherung eine Entfernung zum originären Erstversicherungsverhältnis besteht. Das bedeutet, das Verhältnis zwischen Retrozessionar und regulierendem Erstversicherer ist faktisch und nicht vertraglich ausgestaltet. Insofern können dem Retrozessionar auch keine Kontrollrechte gegenüber dem Erstversicherer zustehen. Er kann somit schon im Grundsatz nur Kontrollrechte gegenüber dem Rückversicherer als Vertragspartner haben. Wörner geht daher davon aus, dass der Rückversicherer in Bezug auf die Retrozession kein Geschäftsführungsrecht habe.16 Das ist nur konsequent und
Siehe hierzu Hu. Labes, VersR 1996, S. 1461 (1461). Psalm 41: »Ein Fehler zieht den anderen nach sich« [Übersetzung d. Verf.]. 14 Die Rückversicherung von rückversichertem Geschäft, Lüer/Schwepcke/Cannawurf/ Schwepcke, Rückversicherungsrecht, § 8 Rn. 202. 15 Auch der Retrozedent bzw. im Rahmen dieser Untersuchung Rückversicherer. 16 Wörner, Der Rückversicherungsvertrag, S. 34: Auch der Retrozessionar erkenne durch die Retrozession die »alleinige Geschäftsführungsbefugnis des Erstversicherers« an. 13 *
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Kap. 9: Epilog – Ergebnisse und Auswirkungen
gleichsam ergibt sich hieraus, dass der Retrozedent nicht auch aus einem Handelsbrauch heraus verpflichtet ist, einen Selbstbehalt zu tragen.17 Die Retrozession ist daher schon in ihrer Konzeption ein rein risikopolitisches Instrument18 und erfüllt somit eine rein betriebswirtschaftliche Funktion.19 Sie nutzt mittelbar auch dem Erstversicherer, da sie im Sinne einer Atomisierung von Risiken die Kapazität des Rückversicherers erhöht. Allein rechtlich beachtlich ist jedoch, dass ihre Nachfrage unmittelbar dem Rückversicherer als Versicherungsnehmer der Retrozession dient.20 Die Frage der Folgepflicht des Retrozessionärs stellt sich im Besonderen für sog. commutation agreements (Umwandlungs- oder Abfindungsvereinbarungen). Ähnlich einem Schadenteilungsabkommen handelt es sich hier um eine Vereinbarung des Erstversicherers mit dem Rückversicherer über die Haftung des Letzteren.21 Nicht nur kann sich eine solche Vereinbarung auf bereits regulierte Schadensfälle beziehen, sondern auch im Vorgriff auf bislang lediglich angezeigte nur möglicherweise eingetretene Schadensfälle.22 Die Literatur hält sich mit Aussagen zu der Frage, wie sich derartige Vereinbarungen auf die Folgepflicht in der Retrozession auswirken, weitestgehend zurück.23 Würden die in dieser Untersuchung für die Rückversicherung gefundenen Ergebnisse ohne Abwandlung auf die Retrozession übertragen, ergäbe sich hieraus eine Folgepflicht des Retrozessionars, der sich gerade nicht darauf berufen könnte, dass der Rückversicherer in seiner »Regulierung« eine Methode wählt, die ebenfalls der Klärung der mit der Feststellung der Leistungspflicht verbundenen Unsicherheiten dient. Gleichwohl ging der High Court of Singapore in einer noch jungen Entscheidung (Overseas Union v. Home and Overseas) da17 Siehe bereits die Andeutungen von Obermayer (Die Rückversicherung, S. 38) für den Fall fehlender Mitwirkungsrechte des Rückversicherers auf die Erstversicherung; hingegen nimmt Garobbio (Über die Rückversicherung, S. 89 f.) nur an, dass der Selbstbehalt in der Retrozession eine wesentlich geringere wirtschaftliche Bedeutung hat, gleichwohl aber eine Selbstbehaltspflicht bestehe. Die Begründung durch ein auch hier bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis ist abzulehnen, denn die Retrozession zeichnet sich gerade durch ihre rein betriebswirtschaftliche Funktion aus, siehe sogleich. 18 Thiemermann, Rückversicherung und Zahlungsströme, S. 274. 19 Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 52 f.; eindrucksvoll zeigt dies das dort illustrierte Beispiel des Passagierdampfers Andrea Doria 1956, an dem etwa 300 Versicherer weltweit beteiligt waren: Im Rahmen der Regulierung stellte sich heraus, dass manche Versicherer mehrfach beteiligt waren, da sie das retrozedierte Risiko blind akzeptiert hatten. 20 Sie ist damit entgegen der Ansicht in Gerathewohl, Rückversicherung Bd. 1, S. 52 nicht als Dienstleistung gegenüber dem Erstversicherer zu verstehen, denn auch die Rückversicherung ist nicht schon aufgrund erhöhter Kapazität des Erstversicherers eine Dienstleistung des Letzteren gegenüber dem Versicherungsnehmer. 21 Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.37 und Halm/Engelbrecht/Krahe/Materne/Seemayer, FA-Handbuch, 38. Kap. Rn. 91. 22 Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.38. 23 So auch die Beobachtung von Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.38.
C. Auswirkungen auf die Folgepflicht der Retrozession
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von aus, dass sich die Zwecke des commutation agreement von den Regulierungsentscheidungen des Erstversicherers unterscheiden.24 Es diene allein den Zwecken des Rückversicherers, nicht aber denen des Retrozessionars. Es handele sich daher um einen Vertrag zulasten des Retrozessionars, weshalb diese Vereinbarung den Retrozessionar nur binde, wenn der Retrozessionar zugestimmt hat.25 Sogar das Reichsgericht behandelte in seinem bereits dargestellten Urteil die Folgepflicht des Retrozessionars, die bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit nicht greifen sollte.26 Allerdings weisen die Umstände des Urteils auf eine spezifisch rückversicherungsrechtliche Wertung des Reichsgerichts hin, und nicht etwa auf eine tatsächlich für die Retrozession getroffene Wertung.27 Die Folgepflicht des Retrozessionars muss sich, wie die Folgepflicht des Rückversicherers, im Hinblick auf die Besonderheiten der Regulierung entscheiden. Insoweit besteht jedoch keine Wertungsidentität zwischen Rückversicherung und Retrozession. Der Haftung des Retrozessionars liegt die Ausgangssituation zugrunde, dass der Erstversicherer den »Versicherungsfall« bereits untersucht und reguliert hat und der Rückversicherer Folge leistete, wobei es diesem möglich war, die Regulierung des Erstversicherers auf Missbräuche zu untersuchen. Angenommen werden muss daher für die Retrozession, dass die Leistungspflicht im Erstversicherungsverhältnis hiermit bereits hinreichend geprüft wurde und die Folgepflicht des Retrozessionars mindestens so weit verstanden werden muss wie die Folgepflicht des Rückversicherers – mit dem Unterschied, dass sich die Folgepflicht hier schon aus betriebswirtschaftlichen Effektivitätsgründen allein auf die Entscheidungen des Rückversicherers beziehen und der Retrozessionar somit lediglich die Überprüfung des Rückversicherers überprüfen kann. Der Beweis für die Fehlerhaftigkeit der Überprüfung durch den Rückversicherer obliegt hier, analog zur Rückversicherung, dem Retrozessionar.28
24
Overseas Union Insurance Ltd v. Home and Overseas Insurance Co Ltd [2002] 4 SLR
104. Edelman/Burns, The Law of Reinsurance, Rn. 4.39 ff. RGZ 38, S. 206 (209). 27 Siehe oben S. 135 ff.; entsprechend wurde das Urteil auch im Rahmen der Ansichten zur rückversicherungsrechtlichen Folgepflicht dargestellt. 28 Auch Halm/Engelbrecht/Krahe/Materne/Seemayer, FA-Handbuch, 38. Kap. Rn. 92 mit Verweis auf ein unveröffentlichtes Manuskript von Michael Pickel (Fn. 163 f. mit Verweis auf Fn. 105). 25 26
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Kap. 9: Epilog – Ergebnisse und Auswirkungen
D. Ein Ausblick: Rückversicherungsrecht de lege ferenda und de lege lata »[…]; es wird allerdings auch dem Richter einen gewissen Anhalt für die Entscheidung von Streitfragen geben, im wesentlichen aber bildet es eine Vorarbeit für die künftige Gesetzgebung.«*
Der Status quo des Rückversicherungsrechts ist, wie an dieser Untersuchung deutlich wurde, geprägt von einer bisher nicht offen zu Tage getretenen Scheinrechtssicherheit. Denn die Entwicklung der Folgepflichtklauseln zeichnet sich durch vielfach vergebliche Versuche einer Einfassung der Grenzen der Folgepflicht durch unpassende Instrumentarien aus. Angesichts der Individualität der Klauselgestaltung kann auch diese Untersuchung nur einen Teilbeitrag für das künftige Rückversicherungsrecht leisten. Gleichwohl empfehlen sich die hier gefundenen Ergebnisse für die Fortentwicklung des Rückversicherungsrechts, da sie der Folgepflicht ein dogmatisches Kleid verleihen, welches bislang erfolglos »von der Stange gekauft« wurde. Und aus einer ganz praktischen Perspektive: Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind, wie an folgendem Ausblick veranschaulicht werden wird, auch insofern maßgeschneidert als sie in der Lage sind, dem (aufsichts-)gesetzlichen Umfeld der Erst- und Rückversicherung mit der erforderlich gewordenen Verlässlichkeit zu begegnen. I.
Gesetzgeberische Ambitionen für die Rückversicherung
Bestrebungen einer gesetzlichen Regelung der Rückversicherung in Deutschland sind spätestens mit der Kodifizierung des Versicherungsvertragsrechts in Form des VVG mit Beginn des 20. Jahrhunderts – trotz vorheriger »landesgesetzlicher« Versuche der Festschreibung gelebter Praxis29 – vermeintlich endgültig und mangels Bedürfnis nach einer besonderen gesetzlichen Regelung30 zu Grabe getragen worden. Nichtsdestoweniger sind mit der Umsetzung europäischer Vorgaben jedenfalls mit Blick auf das Versicherungsaufsichtsrecht auch die Rückversicherungsunternehmen wieder in den Fokus gerückt;31 dies nicht nur in Form von Vorgaben an die Rückversicherungsunternehmen selbst, Fortsetzung des Zitats unter der Überschrift auf S. 149; Ehrenberg, Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 58. 29 Siehe zu den Rechtsquellen der Rückversicherung S. 70 ff. und spezifisch für die Folgepflicht S. 211 ff. 30 Motive zum VVG 1908, S. 246. 31 Seit 2005 durch die Richtlinie 2005/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2005 über die Rückversicherung und zur Änderung von Richtlinien; zuvor bestehende Regelungen bezogen sich lediglich auf einen rudimentären Diskriminierungsschutz (Richtlinie 64/225/EWG), siehe Merkin/Mendelowitz, in Burling/Lazarus, Insurance Law and Regulation, S. 146 (146 Fn. 8). *
D. Ein Ausblick: Rückversicherungsrecht de lege ferenda und de lege lata
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sondern auch durch Maßgaben an die solvenzkapitaleruierenden Versicherungsunternehmen, die ihren Rückversicherungsschutz nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht beurteilen müssen. Wenn daher die Rückversicherung im 21. Jahrhundert erneut das Augenmerk des (europäischen) Gesetzgebers auf sich zieht und nicht nur im Bankenbereich aus der Mitte der Gesellschaft nach elementaren Änderungen des Systems verlangt wird, ergibt sich die Prognose verstärkter gesetzlicher Vorgaben für die Rückversicherung nicht erst durch einen Blick in die Glaskugel. Bereits der historische Gesetzgeber merkte in den Motiven zur erstmaligen Verabschiedung des VVG für die Erstversicherung an: »Andererseits hat sich aus dem Mangel gesetzlicher Vorschriften der Mißstand ergeben, daß mehrfach selbst in wichtigen Fragen ein Schwanken der Rechtsprechung zutage trat. […] Die notwendige Sicherheit des Rechtsverkehrs sowie eine angemessene Ausgleichung zwischen den Interessen der Versicherer und der Versicherungsnehmer läßt sich nur erreichen, wenn der Versicherungsvertrag durch die Gesetzgebung geregelt wird.«32
Mit der gleichen Begründung ließe sich eine Kodifizierung des Rückversicherungsvertragsrechts vertreten. Dies gilt erst recht, wenn man die Ergebnisse betreffend die Auswirkungen von Pflichten des Erstversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer auf die Rückversicherung in den Blick nimmt. Aufgrund der Ausrichtung des VVG scheint eine derartige Lösung jedoch nicht schon im VVG selbst tauglich. Der Gesetzgeber muss und sollte daher nicht die in § 209 VVG verankerte Nichtanwendbarkeit der VVG-Vorschriften auf die Rückversicherung aufgeben – auch wenn die Niederschrift des zuvor begründeten Grundsatzes des Vorbehalts der Erstversicherung zum Schutz der Versicherungsnehmer selbst sicherlich zur Klarstellung der Verhältnisse beitragen würde.33 Denn das Versicherungsrecht verfolgt als Ganzes den Zweck, die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen zu gewährleisten. Diese Vorgabe ergibt sich insbesondere vor dem Hintergrund der existentiellen Bedeutung von Versicherung und wird am Beispiel von auf lange Sicht angelegten Versicherungsprodukten wie der Lebens- und Rentenversicherung deutlich. Der Ausfall eines solchen Versicherers kann auch unabsehbare Konsequenzen für das Sozialgefüge und die Volkswirtschaft im Ganzen haben.34 Naheliegend ist daher die rückversicherungsrechtliche Konkretisierung im Versicherungsaufsichtsrecht durch den (europäischen) Normgeber.
Motive zum VVG 1908, S. 63. Vgl. die Forderungen von Abramovsky, 15 Connecticut Insurance Law Journal 2008, S. 345 (405). 34 Vgl. P. Koch, ZVersWiss 1969, S. 137 (175): Dies hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass lediglich vereinzelt Versicherer zahlungsunfähig wurden und die entsprechenden Versicherungsnehmer über Sicherungsnetze aufgefangen wurden. 32 33
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Kap. 9: Epilog – Ergebnisse und Auswirkungen
II. Aufsichtsrechtliche Tragweite der Folgepflicht Auch ohne gesetzliche Konkretisierungen der Rückversicherung hat die Folgepflicht bereits heute weitgehend unbeachtete Implikationen im Hinblick auf die indirekte Aufsicht des Rückversicherungsschutzes selbst. Denn die Ausgestaltung der Haftung des Rückversicherers ist nicht erst für den Erstversicherer in versicherungstechnischer Hinsicht relevant: Rückversicherungsschutz ist nicht gleich Rückversicherungsschutz. Auch hier ist eine zweite Bedeutungsebene festzustellen; sie betrifft die versicherungsaufsichtsrechtlich vorgegebene Kapitalausstattung des Erstversicherers. Die Anforderungen hieran sind stetig qualitativ und quantitativ ausgeweitet worden und nicht erst eine Reaktion auf die Eindrücke des Zusammenbruchs des Finanzmarkts ab 2007. Das Solvency II-umsetzende VAG sieht eine umfassende Risikobewertung der Versicherungsunternehmen vor und nimmt daher auch den Rückversicherungsschutz in den Blick. Auch wenn dem VAG zur qualitativen Bewertung des Rückversicherungsschutzes keine expliziten Aussagen zu entnehmen sind und die BaFin sich hierzu bislang nicht geäußert hat, bedingt der prinzipienbasierte Ansatz dieses Regelwerks die eigene Evaluation des Versicherungsunternehmens35 – und in diesem Zuge auch die eigene Bewertung des Rückversicherungsschutzes. Vorgaben stellen in dieser Hinsicht die Stellungnahmen zur allgemeinen Zeichnungs- und Annahmepolitik und zur Angemessenheit der Rückversicherungsvereinbarungen im Rahmen der versicherungsmathematischen Funktion dar (§ 31 II 1 VAG). Zu evaluieren sind in diesem Zuge auch die »einforderbaren Beträge aus Rückversicherungsverträgen«. § 86 I i.V.m. § 75 I VAG konkretisiert diese Vorgabe insoweit, als diese auf vorsichtige, verlässliche und objektive Art und Weise zu berechnen sind. Auch wenn die BaFin (als Versicherungsaufsichtsbehörde) die Einschätzungen des Versicherungsunternehmens erst nachgeschaltet überprüft, nimmt sie hierzu in gleicher Weise den potentiellen Rückversicherungsschutz des Versicherungsunternehmens in den Blick. Die »Rückversicherungspolitik« ist im Gesamten sogar für den Fall kritischer Solvabilitätssituationen der Versicherungsunternehmen (§ 136 I Nr. 5 i.V.m. § 134 II bzw. § 135 II 1 VAG) erheblich. Schon die Maßgabe der vorsichtigen Berechnung36 setzt voraus, dass die Ansprüche aus Rückversicherungsverträgen umfassend untersucht werden. Dies bedeutet in erster Linie, dass feste Größen, wie zum Beispiel Limits der Deckung, in der Berechnung nicht übergangen werden dürfen. Mehr noch aber bedingt diese Regelung, dass auch diejenigen Umstände, welche einen Anspruch gegen den Rückversicherer auslösen, namentlich die Voraussetzungen
35 36
Kaulbach/Bähr/Pohlmann/Bürkle, VAG, Einl. Rn. 26 f. Siehe im Ganzen auch Art. 132 I Solvency II-Richtlinie.
D. Ein Ausblick: Rückversicherungsrecht de lege ferenda und de lege lata
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einer Folgepflicht, in den Blick genommen werden. 37 Spätestens mit dem MaGo-Rundschreiben ist die qualitative Analyse von Rückversicherungsschutz auch heute schon verpflichtend vorgegeben.38 Ein Versicherungsunternehmen kommt daher nicht umhin, die konkrete Ausgestaltung der Folgepflicht als erste Kennziffer der Wirkungsmächtigkeit von Rückversicherungsschutz zu analysieren. Eine unklare Vertragssprache im Rückversicherungsvertrag führt daher für das Versicherungsunternehmen auch zu Schwierigkeiten in der aufsichtsrechtlichen Evaluierung des Rückversicherungsschutzes und in der unternehmensinternen Bewertung des Rückversicherungsschutzes39. Die hierdurch bedingte vorsichtige Einschätzung der Ansprüche gegen den Rückversicherer führt dann im schlechtesten Fall zu einer Unterbewertung des eingekauften Rückversicherungsschutzes. Der mit einer unklaren Vertragssprache vermeintlich einhergehende Vorteil einer erschwerten Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde verkehrt sich so zu einem zusätzlichen regulatorischen Unsicherheitsfaktor für das Versicherungsunternehmen selbst.40 Die eingangs benannte Forderung nach Rechts- und Vertragssicherheit in der Rückversicherung muss somit auch der Erstversicherer prominent bei der Vertragsgestaltung gegenüber dem Rückversicherer vertreten, um die Vorteile des Rückversicherungsschutzes auch in regulatorischer Hinsicht umfassend ausschöpfen zu können. Anderenfalls muss der Erstversicherer befürchten, die mit der Rückversicherung intendierte Absicherung in aufsichtsrechtlicher Hinsicht zu verfehlen (funding shortfall).41 Denn auf Basis des prinzipienbasierten Ansatzes muss nunmehr der Erstversicherer selbst den Zahlungswillen seines Rückversicherers beurteilen – und gerade nicht mehr die Aufsichtsbehörde, welche in dieser Beziehung bislang äußerst zurückhaltend reagierte,42 gleichwohl aber das letzte Wort hat. Die Untersuchung sieht sich daher ebenfalls als Katalysator eines Prozesses des Umdenkens in der Rückversicherungsbranche auch in diesem Bereich. Diese muss die Entwicklungen nicht fürchten und sollte sich ihr nicht aktiv entgegenstellen. Ein Zugewinn an Vertrags- und Rechtssicherheit bedeutet 37 Diese sind dem Eindruck des Verfassers nach in der aufsichtsrechtlichen Wertung bislang weitestgehend unberücksichtigt geblieben. Die versicherungsaufsichtsrechtliche Erfassung von Rückversicherungsschutz beschränkt sich überwiegend auf die Analyse der Rückversicherungskonzepte und deren Deckungshöhen; siehe hierzu aber umfassend Laudage, Aufsicht über strukturierte Rückversicherungskonzepte. 38 Siehe zur Auslegung des MaGo-Rundschreibens im Einzelnen oben S. 268 ff. 39 Vgl. Brödermann, NJW 2012, S. 971 im Ganzen. 40 Zu der Gefahr aufsichtsrechtlicher Folgen von Vertragsunsicherheit im Rückversicherungsvertrag und einer Nebenfunktion der PRICL Wandt/Gal, ICIR Annual Report 20162017, S. 60 (61). 41 Fausten, VersR 2017, S. 1057 (1059). 42 Theye, Die Staatsaufsicht über die Rückversicherungsunternehmen, S. 107.
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Kap. 9: Epilog – Ergebnisse und Auswirkungen
zwar auch eine verminderte Gestaltungsvielfalt im Fall eines Rechtsstreits.43 Sie führt jedoch auch zu einer verbesserten Kalkulation der übernommenen Risiken für den Rückversicherer und – aufsichtsrechtlich bedeutsam – zu einer verbesserten qualitativen Einordnung des Rückversicherungsschutzes für den Erstversicherer. Rückversicherer sollten diese Effekte auch als Chance begreifen, sich auf dem Markt mit proaktiv aufgesetzten, auf dieses qualitative Element ausgerichteten Programmen neu und für die Zukunft zu positionieren. III. Wahl des deutschen Rechts und Verhältnis zum englischen Recht Nach diesen Grundsätzen des deutschen Rechts zur Rückversicherung und den mittel- bis langfristig denkbaren Bestrebungen von staatlicher Seite muss man sich die Frage stellen, ob dies zu einer Abkehr der Rückversicherungsvertragsparteien von einer Wahl des deutschen Rechts führen kann. Indes wächst die Bedeutung Deutschlands als Schiedsort trotz der Omnipräsenz der englischen Sprache – auch und gerade in der Rückversicherung.44 Die Gründe hierfür liegen, abgesehen von allgemeinen Anschauungen des Standorts, in der Weltmarktdominanz der deutschen Rückversicherer.45 Zudem ist selbst die staatliche Gerichtsbarkeit verstärkt auf die englischsprachige Prozessführung ausgerichtet.46 Auch im Auseinanderfallen von Vertragssprache und Vertragsstatut ist aber ein Moment der Rechtunsicherheit zu sehen,47 weshalb sich Triebel für eine zusätzliche Vertragsklausel ausspricht, die das Sprachverständnis der Rückversicherungsvertragsparteien eindeutig zum Ausdruck bringt.48 In Anbetracht europarechtlicher regulatorischer Verdichtungen ist – unabhängig davon, dass hier wohl auch der Brexit seinen Beitrag leisten wird – wohl nicht etwa eine weitere Fokussierung auf das englische Recht zu erwarten. In der Folge ist die deutsche Rückversicherungsbranche gut beraten, sich auf ihre Tugenden zu besinnen und diese mittels entsprechender Klauselgestaltung als Wettbewerbsvorteil offensiv zu vermarkten. Mit dem hier präsentierten Ansatz zum Verständnis und zur Auslegung der Folgepflicht ist – erst recht bei Widerspiegelung durch die oben vorgestellte Geiger, The Comparative Law and Economics of Reinsurance, S. 131 f. Busse/Taylor/Justen, SchiedsVZ 2008, S. 1 (2 und im Ganzen mit weiteren Ausführungen zu deutschen rückversicherungsrechtlichen Schiedsspezifika) und Noussia, Reinsurance Arbitrations, S. 119. Dies soll insb. für Retrozessionsverträge gelten, siehe Halm/Engelbrecht/Krahe/Materne/Seemayer, FA-Handbuch, 38. Kap. Rn. 92. 45 Busse/Taylor/Justen, SchiedsVZ 2008, S. 1 (2); allein nach der Jahrtausendwende generierten die deutschen Rückversicherer zwischen ca. 20 Prozent und 30 Prozent der weltweiten Beitragseinnahmen der Rückversicherungbranche, siehe GDV, Statistisches Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2018, S. 131. 46 So etwa die englischsprachige Kammer für Handelssachen am Landgericht Frankfurt am Main, siehe LTO, Englischsprachige Kammer für Handelssachen ab 2018. 47 Triebel, in Liber amicorum Winter, S. 619 (621 f. – im Ganzen zur Problematik für die Rückversicherung). 48 Triebel, in Liber amicorum Winter, S. 619 (632). 43 44
D. Ein Ausblick: Rückversicherungsrecht de lege ferenda und de lege lata
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Musterfolgepflichtklausel im Rückversicherungsvertrag – eine geringere Streitanfälligkeit in dieser Frage zu erwarten. Sollte diese Frage dennoch Gegenstand eines (schieds-)gerichtlichen Verfahrens sein, zeichnet sich der hierin beschriebene Sorgfaltsmaßstab durch eine im Vergleich zu Fahrlässigkeitsmaßstäben gesteigerte Auslegungsfestigkeit aus. Darüber hinaus sind die in dieser Untersuchung dargestellten Wertungen auch für andere Rechtsordnungen – und auch das englische Recht – maßgebend für die Auslegung der Folgepflicht. Dies gilt selbst für die Ergebnisse des sechsten Kapitels, da diese zwar auf deutschem Recht basieren, der für die Rückversicherung zu wahrende Versicherungsnehmerschutz aber auch europäischen Prinzipien des Erstversicherungsvertragsrechts, wie sie die PEICL darstellen, entnommen werden muss.49 Dieses weitreichende Verständnis der Folgepflicht wird so allerdings wohl nicht in das englische Recht übertragen werden. Denn die englische Rechtsprechung veranschaulicht eine Restriktion, die Folgepflicht weiter auszulegen oder auch nur ein Handelsbrauchäquivalent der Folgepflicht anzunehmen. Es ist vielmehr von dem Grundgedanken geprägt, dass eine Einschränkung der eigenen Rechtsposition der Vertragsparteien im unternehmerischen Bereich weit seltener gewollt oder wertungsmäßig angezeigt ist. Vor dem Hintergrund einer der letzten Folgepflichtentscheidungen des House of Lords aus dem Jahr 2009 (Wasa International Insurance v. Lexington Insurance)50 könnten Rückversicherer geneigt sein, ihre hierin verdeutlichte weitgehende Nichtbindung an die Entscheidungen nach purely English Law zum Anlass zu nehmen, verstärkt englisches Recht und englische Gerichte für rückversicherungsrechtliche Fragen zu bemühen.51 Wenn der Rückversicherungsmarkt aber, wie vielfach dieser Tage bezeichnet, ein Erstversicherermarkt ist, so ist der den Vertrag maßgeblich konzipierende und beeinflussende Erstversicherer gut beraten, umso mehr das für die Argumentation des Erstversicherers offenere deutsche Recht zur Grundlage des Rückversicherungsvertrages zu machen. Denn gerade hierin unterscheidet sich das deutsche Rückversicherungsrecht von der englischen Rechtsprechung nicht erst durch diese Untersuchung. Auf Basis dieser Empfehlung ist mit Ehrenberg zu schließen, dessen heute noch aktueller Ausblick stellvertretend für das Anliegen der vorliegenden Untersuchung steht: »[…] Zugleich hoffe ich damit den Versicherungsgesellschaften eine Handhabe geboten zu haben, um ihre Rückversicherungsverträge in Zukunft vorsichtiger abzufassen und nicht […] gerade die wichtigsten Punkte in einem juristischen Dunkel oder Halbdunkel zu lassen. Wenn der internationale Charakter des Rückversicherungsgeschäfts gestatten sollte, sich So generell Art. 1:104 PEICL Comment 8 – als acquis communautaire. Lexington Insurance Co v. Wasa International Insurance Co Ltd [2009] UKHL 40. 51 So die Vermutung von Harding, 77 Defense Counsel Journal 2010, S. 328 (347 und 350). 49 50
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Kap. 9: Epilog – Ergebnisse und Auswirkungen
über einheitliche Bedingungen […] zu einigen, so würde dies ein hocherfreuliches Resultat sein, und ich würde mich freuen, durch diese Abhandlung auch dazu eine Vorarbeit geliefert zu haben.«52
Fortsetzung der Zitate unter den Überschriften auf S. 149 und S. 358; Ehrenberg, Das künftige Rückversicherungsrecht, S. 58. 52
Kapitel 10
Executive Summary in English Though its origin is literally deducible from its name, reinsurance law emerged unexpectedly autonomously from primary insurance due to a variety of reasons. On the one hand, primary insurance has long been considered a product difficult to evaluate – which resulted in multiple protection levels of the policyholder in both insurance contract law and insurance supervisory law. On the other hand, reinsurance has been entrusted to party autonomy only, separating it from its origins and categorising it as a mere financial instrument. Nowadays, legislators recognise the importance of reinsurance not only because of a longknown economic significance but also as a supervision-worthy market reality. Nevertheless, insurance contract laws around the globe most seldom offer reinsurance-specific contractual provisions. And in the absence of legislative assessments, any judge or arbitrator is up a creek without a paddle hinging on the parties’ conception of market practices. The consequences of this unsatisfactory status quo are a lack of transparency and a high degree of legal uncertainty. The solution for authors portraying international reinsurance is to exclusively refer to English case law, which is, due to the quantity of decisions, still the preferred reference point over US-American case law. This is even true for authors from other countries such as Germany since a reliable amount of German case law is non-existent or not accessible (in the instance of confidential arbitration). The result of such recycling is the remarkable situation of English case law constituting factual precedent for German reinsurance contract law. Although this Common Law approach vice versa revalidates the rulings of – indeed in small quantity existing – German case law between 1878 and 1917, English case law is only capable of identifying reinsurance-specific problems. Yet, these solutions should not be implemented into German law carelessly. Still, the vast majority of German authors do not query the fitness of the English solutions and submit – highly questionable – dogmatic approaches. This is where the present study1 steps into place to answer the most integral question of reinsurance from a hybrid German- and market practice-perspective: the follow-the-settlements obligation of the reinsurer. In contrast to the Anglo-American terminology, German reinsurance law not only separates In English, the findings of this study are a mere reiteration in the form of an abstract. Supporting arguments are outlined in the preceding nine chapters. Still, this abstract follows the study’s conceptual structure (indicated by the chapters in brackets in the subheadings). 1
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Kap. 10: Executive Summary in English
»follow-the-settlements« (Folgepflicht) and »follow-the-fortunes« (Schicksalsteilungspflicht) but also attaches a contentual differentiation which has not always been followed by courts in the US or the UK.2 Whereas follow-thefortunes describes the underwriting risk which is, by nature of the reinsurance contract, covered by the latter, follow-the-settlements addresses the management of the primary insurance contract by the primary insurer. Thereby, the claims handling of the primary insurer usually represents its most problematic manifestation. An unbiased observer of reinsurance, studying German literature on followthe-settlements must come to the conclusion that the confines of the reinsurer’s liability are unanimously and unambiguously defined. However, this illusive finality would be a fallacy and – aggravatingly – a historically nourished and grown view. Besides the question whether the confines of the follow-the-settlements obligation are generally depicted deceptively, the dubious nature of its reasoning gives rise to a plea for a new dogmatic perspective which merely brings English case law into balance but which is first and foremost descended general principles of reinsurance contract law. The study primarily bases on German law as it takes a closer look on German statutory law and its influences on reinsurance. Nevertheless, the study’s conclusions are not restricted to German law only. The key arguments of the study are not hinge on specifics of German law. Rather, the evaluations of the study are deduced from reinsurance itself. Follow-the-settlements is one of the key principles of the shrouded international reinsurance law. Its main purpose is to avoid an examination de novo of the primary insurer’s obligation to pay the insurance sum towards the policyholder. Yet, follow-the-settlements has been looked upon through many differently coloured glasses. While the primary insurer would like to interpret the clause in its broadest sense, i.e., without any exception whatsoever, the reinsurer seeks to prevent the erosion of the reinsurance cover by the primary insurer's decisions. Lord Mustill in Hill v. Mercantile eidetically described this conflict of interest as the so-called »tension of reinsurance« – providing inspiration for the title of this study – when concluding: »These tensions have revealed themselves for a century in successive reformulations of the clause. They can also be seen in the strenuous efforts by the courts to maintain some continuity of principle, by applying prior decisions given on one form of clause in one state of facts to another form of clause in a different state of facts. I find this process unfruitful as shown by the attempts to transfer the reasoning of the Scor case […] to the present dispute.«3
2 This summary uses the term »follow-the-settlements« in a sense which is not only restricted to the specifically phrased clause but to address the more general obligation of the reinsurer to follow the decisions of the primary insurer. 3 Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 (1252).
A. Premises: Claims Settlement in Primary Insurance (ch. 2)
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A. Premises: Claims Settlement in Primary Insurance (ch. 2) In order to solve these tensions, reinsurance has to be evaluated in all of its characteristics. Follow-the-settlements affects and is affected by the functions of reinsurance as such and, thus, cannot be given a fully independent meaning. At first, it has to be recalled that reinsurance is not an end in itself. Rather, the existence of the primary insurance is a prerequisite to reinsurance and, thus, the reinsurer’s liability is factually dependent from the claims handling of the primary insurer. The first premise that derives from this legal link is that the primary insurer’s claims handling is a factual necessity of reinsurance. Consequently, it is not reinsurance that grants the primary insurer the right to handle its claims – the reiteration of such a right in the reinsurance contract is of merely declaratory nature. As a second premise, the connecting point of the reinsurer’s obligation to follow the primary insurer’s settlements cannot be the latter’s strict legal obligation towards the policyholder. The study detects that the motives of the primary insurer are manifold. Still, all claims settlements of the primary insurer are economically motivated. Even the type of claims settlement chosen by the primary insurer cannot be decisive for the reinsurer’s obligation to follow as the claims settlement decision simply is the result of economic considerations. This finding refutes legal opinions that link the reinsurer’s obligation with the primary insurer’s obligation. Specifically, these considerations illustrate that renowned confines such as the objection ex gratia are solely describing the problem of non-identifiability of legal-substantive truth – yet, they are not capable of solving a phenomenon that is immanent to law as such on a downstream level like reinsurance. And this conclusion is vividly explained by the prominent example of the San Francisco earthquake of 1906 which brought forth a variety of reactions of both primary insurers and reinsurers – all of which are potentially reasonable and comprehensible. This leads to the concluding observation that even one individual insured event does not demand a »best« type of regulation. Hence, any reference of follow-the-settlements to such a fairy tale is not realising the purpose of follow-the-settlements and must be rejected.
B. Trade Customs and Methodological Approach (ch. 3 and 4) But how can the confines of follow-the-settlements be defined? Which criteria are to be considered when determining the obligation of the reinsurer? German authors often describe follow-the-settlements as well as other reinsurance particularities as trade customs (sec. 346 HGB – German Commercial Code). However, these verdicts do not give a final answer to follow-the-settlements
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Kap. 10: Executive Summary in English
confines. Rather, custom-oriented deliberations only mirror an essential feature of reinsurance, namely the obligation to follow the decisions of the primary insurer. It is not the purpose of reinsurance to act like another primary insurance to the reinsured. In order to turn reinsurance to good account, both reinsurer and primary insurer have a systematic interest to keep the confines of the follow-the-settlements obligation as simple and effective as possible. This is why the reinsurer, even in cases where follow-the-settlements is not incorporated in the reinsurance contract, bears such an obligation. Hence and contrary to predominant legal opinions in German contract law, follow-the-settlements has to be regarded as a mere complementary trade custom, not an interpretative one. The reason for the restricted effect of this trade custom is that a specific form of the obligation cannot be derived from a heterogeneous market practice consisting of a variety of follow-the-settlements clauses. These conclusions lead to a differentiated methodological approach to the determination of follow-the-settlements. After the evaluation of legal opinions on follow-the-settlements, it becomes clear that only a subjective approach that leaves substantial discretion to the primary insurer fits the necessities of reinsurance. Consequently, the question of the confines of follow-the-settlements is whether the primary insurer’s claims handling was improper. As a first step, the study finds that dogmatic approaches such as an exclusion of gross negligence have no sufficient legal basis to determine the standard of care the primary insurer has to apply when handling the claims. Still, market practices should be of great value in German reinsurance contract law. However, market practices are not alone as decisive as they seem and run into the danger of neglecting the necessities of the primary insurance to the sole benefit of the reinsurer. Hence, the contours of follow-the-settlements can only be evaluated by an unprejudiced assessment of four fundamental pillars which are addressed in part 3 of this study – and in short in the following.
C. Criteria to Determine Follow-the-Settlements I.
Linguistic Developments of Follow-the-Settlements Clauses (ch. 5)
First, linguistic developments of follow-the-settlements clause form a basis of further evaluation. These can be observed best by the narrative of English case law which is told by its follow-the-settlements landmark decisions. In this respect, English case law can at least serve to identify the problems surrounding the topic. Yet, the early judgments show the various pulling directions in which the conflict of interests between reinsurer and primary insurer can be solved. In detail, the study starts with the origins of the reinsurer’s obligation to follow the decisions of the primary insurer and outlines the conclusions drawn from
C. Criteria to Determine Follow-the-Settlements
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earlier versions of the clause. Later on, it focuses on the more recent English case law with its restarting point: the famous Scor decision from 1984. Yet, even this judgment, although comprehensively displaying the development of the respective contractual clauses and jurisprudence, only allegedly found an answer to the question how the reinsurer’s obligation should be defined. At second glance, Hiscox v. Outhwaite, but also Hill v. Mercantile and Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance, upon as well addressing the modern follow-the-settlements clause, rather confirm the integrative approach of this study. In addition, the judgments illustrate the restriction of English case law to move in one direction or the other away from a predefined picture of follow-the-settlements although the underlying reinsurance contracts evidently contained explicit amendments to the follow-the-settlements clause. In this respect Greer LJ vividly described the alleged intentions of the industry by phrasing: » ›We desire to re-establish the position which was accepted by a large number of people in the insurance world before the decision of Chippendale v. Holt, and we desire to have an insurance which, if we are satisfied, we ought either to compromise or to arrange, whether by payment in full or by payment of something less, and you the reinsurers agree to relieve us of the responsibility of proving that there has been the loss mentioned in the original policy, namely, a constructive total loss.‹ «4
What particularly occupied the minds in younger decisions is the interaction between follow-the-settlements and back-to-back cover. Some argued that this constellation actually expanded the reinsurer’s possibilities to object to the primary insurer’s claims handling. However, in the case of back-to-back cover the reinsurer should not be awarded the direct defence of a missing obligation of the primary insurer. Conversely, back-to-back demonstrates the parties’ intent to synchronize reinsurance and primary insurance contract with the effect that the reinsurer may only invoke the reinsurance coverage itself. This result has implications not only for German law but also for English law, in particular. II. Statutory (not Reinsurance-specific) Provisions of German Law (ch. 6) Second, statutory provisions can be of considerable effect to the determination of the prerequisites of follow-the-settlements. They either directly influence reinsurance by way of analogy or aim to protect the policyholder beyond the borders of primary insurance. With regard to the analogous application, the study outlines the unsatisfying legal status quo. Although evaluations may be derived from statutory law, both insurance contract and general contract law do not provide for directly or analogously applicable findings. Beyond that, the study clarifies that a principle of utmost good faith as known in English law has no legal basis in German law. Despite the fact that it is already questionable 4
Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 (198 f.).
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Kap. 10: Executive Summary in English
what the term »utmost« attaches to good faith, a general principle of good faith is totally capable of carrying considerations which – under English law – are commonly attached to the principle of utmost good faith in insurance or reinsurance. Such principle of good faith is naturally applicable to insurance and reinsurance contracts. However, this principle cannot be decisive to point towards any direction with regard to the question of follow-the-settlements. Any argument allegedly derived from good faith or utmost good faith can be brought forward the other way around. So far, the question of the effects of the primary insurer's obligations to protect the policyholder on the reinsurer's follow-the-settlements has remained largely ignored in all legal systems. By illustrating such obligations (paradigmatically relying on German law), the study concludes that the effect of such obligations is not just restricted to primary insurance. Rather, they may not even be jeopardised by a subsequent contractual relationship between the primary insurer and a third party such as reinsurance. This, particularly, is important for the strongly linked question of follow-the-settlements. Reinsurance is, thus, subject to primary insurance contract law. And, what is more, the principle »the primary insurer has to handle its claims as if it had no reinsurance cover« must be understood not only as a protective idea in favour of the reinsurer. The necessities of primary insurance in general require the principle to act in the opposite direction in favour of the policyholder, as well. Hence, the primary insurer must refrain from handling claims differently just because of its reinsurance cover. Neither shall the primary insurer settle in favour of the policyholder because the reinsurer bore the costs nor shall it settle to the detriment of the policyholder because it fears to lose its reinsurance cover for the specific claim. As a result, the reinsurance cover must be of neutral irrelevance to the primary insurance. Consequently, follow-the-settlements has to be interpreted in a way, which does not endanger the primary insurer’s independent claims handling. III. The Interests of Both Parties to the Reinsurance Contract (ch. 7) Additionally, parallel interests of the reinsurer and the primary insurer are a revenant question of follow-the-settlements, which are controversially disputed by authors addressing reinsurance. In effort to answer the question raised, the study first focuses on the macro perspective of the interest, i.e., the purposes of reinsurance. Except for financial reinsurance, the atomisation of risks is still regarded as a purpose of reinsurance. Yet, reinsurance serves several purposes at once and more than ever reinsurance is a key point in the primary insurer’s supervisory solvability. Here, a rethinking is overdue as capital requirements are an issue of the qualitative elements of reinsurance and, therefore, strongly connected to follow-the-settlements. In evaluating the benefit of a specific reinsurance cover, the key element of the reinsurer’s liability (which
C. Criteria to Determine Follow-the-Settlements
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is follow-the-settlements) should be looked at, as well – with the consequence that the primary insurer should bear this effect in mind when contacting for reinsurance. Furthermore, the study clarifies that follow-the-settlements should not distinguish between different types of reinsurance. Rather, treaty (obligatory) and facultative reinsurance as well as proportional and non-proportional reinsurance do not reveal contradictory interests which could lead to a differentiation within follow-the-settlements – at most, the differences in type can only result in differences in other reinsurance specifics, e.g. the mandatory retention of the primary insurer. Nevertheless, these considerations do not lead to a parallelism or alignment of interests of the parties. The problematic question that remains unanswered is whether the reinsurer benefits from a claims settlement beyond obligation with the consequence that any objection to any settlement should be denied. The study takes the interests of both parties to pieces and concludes that a statement on interests cannot be derived as a general assessment of all reinsurance relationships. Still, an important observation can be derived from the parties’ interests. In many areas, the modern insurance industry has achieved a degree of standardisation through guidelines and technical developments provoking the general assumption of a systematic claims handling by the primary insurer. Therefore, the chance of misuse of the primary insurer’s discretion is upfront diminished to a minimum. And, on the other hand, the reinsurer’s interest in keeping up as many objections to the claims handling has to stand back behind the interests of the primary insurer – who, in all instances, must be counsel of the policyholder’s interests (cf. chapter 6). IV. The Parties’ Intentions Reflected by Other Clauses of the Contract (ch. 8) Last, follow-the-settlements can only be evaluated on the basis of a view at the reinsurance contract in its entirety, i.e., not only follow-the-settlements clauses but also accompanying clauses. Although some wordings in English and German serve as an example for the study, the concepts rather than the individual wording’s meaning must be deduced. Besides errors-and-omissions and allocation clauses, follow-the-settlements is, particularly, affiliated with duties to cooperate and retentions of the primary insurer. Hence, the latter form the main focus of the study in this respect. Whilst the effect of claims cooperation clauses on follow-the-settlements can be interpreted both ways, claims control clauses entail the risk that the reinsurance contract will – not only with respect to follow-the-settlements – be construed to the detriment of the reinsurer. Reinsurers should be careful to implement such far-reaching clauses as these would go to the heart of primary insurance and may open up a cut-through by the policyholder.
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Kap. 10: Executive Summary in English
More than that, the net retention of the primary insurer, which is correctly regarded as a trade custom in German law, is of utmost importance for the determination of follow-the-settlements. The retention again functions as a prevention of misusing the discretion in claims handling which leads to the eventual question if the room that is left for misusing this discretion can be regarded as sufficient to still restrict follow-the-settlements in cases of (dogmatically questionable) grossly negligent improper claims handling. Keeping in mind the interim results of this study, such an approach has to be neglected. Follow-the-settlements, in compliance with its original meaning, its purposes and the necessities of the primary insurance, must be understood in a broad sense merely precluding wilful improper claims handling. Accordingly, the tension of reinsurance is to be dissolved by an extension of reinsurance on the basis of a new dogmatic approach. Confirmed by several comparisons and contemplations, the study reasons that such scenarios can only be found in cases of collusion (i.e., collaboration between primary insurer and policyholder with the intention to cause damage to the reinsurer) and obviousness (Evidenz; i.e., particularly where the primary insurer settles the claim without even investigating the claim). This result is not just a desirable demand, but comprehensively reflects the practice and values of reinsurance from chapters 5 to 8.
D. Implications of the Study’s Conclusions (ch. 9) The fourth part of the study summarizes the results as theses and takes a glance at their implications on contractual design, retrocession and legislative efforts in statutory reinsurance law. The study emphasizes that the reinsurance parties are still basically (i.e., within the borders dictated by the verdicts of primary insurance) free to introduce their own follow-the-settlements clause to the contract on the basis of their private autonomy. Nonetheless, as the conclusions of the study mirror a reasonable balance of the interests of both parties, the study offers a follow-the-settlements clause that reflects these results. Such clause could be designed as follows: The primary insurer conducts the primary insurance business at its own discretion, as it would do if it were not reinsured. The reinsurer recognises all the business decisions of the primary insurer as binding and is obliged to pay the reinsurance sum following the notification of the loss by the primary insurer. The reinsurer's obligation to follow the settlements of the primary insurer shall not apply only in the case of intentionally improper business conduct (i.e., collusion and where the primary insurer omits to properly investigate the claim) proven by the reinsurer. The standard of proper business conduct is determined by the necessities of primary insurance and not by the reinsurer's own interests. The reinsurer has no objections against the primary insurer arising from the primary insurance relationship. The primary insurer is obliged to provide the reinsurer with all information relating to the
D. Implications of the Study’s Conclusions (ch. 9)
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conduct of business in order to enable it to check the decisions of the primary insurer for abuses.
Implementing this (or a comparable) clause to the reinsurance contract is highly advised in order to strengthen legal and contract certainty and to fully achieve the reinsurance objectives. Particularly, the conclusions of part 3 of the study constitute a catalogue of criteria of interpretation for any judge or arbitrator who is confronted with the question where follow-the-settlements finds its boundaries. The conclusions of this study also have implications for the subsequent retrocession. In consistency with aforementioned considerations, the retrocessionaire must follow the reinsurer to the same extent as the reinsurer must follow the primary insurer. For retrocession this leads to the effect that the retrocessionaire may a fortiori not second-guess the primary insurer’s claims handling but is restricted to objections regarding the retrocession cover itself. The study concludes that in modern reinsurance a broad understanding of follow-the-settlements fits the needs of the primary insurer best. One consequence of these findings could be a future neglection of English law as a choice of law. This seems to be a valid prognosis in a market shall mostly be driven by choices of the primary insurer. Rather, other legal regimes like the exemplary German law support a recollection of the origin and purposes of reinsurance law and are suitable to provide guidance for future reinsurance contract law for both practitioners and legislators.
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Verzeichnis deutscher Rechtsprechung
BGH, Urt. v. 11. November 1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, S. 55. BGH, Urt. v. 12. Februar 1969 – IV ZR 539/68, NJW 1969, S. 928 = VersR 1969, S. 413. BGH, Urt. v. 11. März 1970 – IV ZR 772/68, BGHZ 53, S. 352 = NJW 1970, S. 1271. BGH, Urt. v. 17. Mai 1971 – VII ZR 146/69, NJW 1971, S. 1404. BGH, Urt. v. 14. Juli 1971 – III ZR 91/79, WM 1971, S. 1338. BGH, Urt. v. 26. Juni 1972 – III ZR 32/70, VersR 1972, S. 1047. BGH, Urt. v. 7. März 1973 – VIII ZR 214/71, WM 1973, S. 382. BGH, Urt. v. 19. Dezember 1973 – IV ZR 109/72, VersR 1974, S. 546. BGH, Urt. v. 10. Juli 1974 – IV ZR 212/72, BGHZ 63, S. 51 = NJW 1974, S. 2124. OLG Köln, Urt. v. 15. Oktober 1975 – 2 U 35/75, DB 1975, S. 2271. BGH, Urt. v. 12. Januar 1976 – VIII ZR 273/74, WM 1976, S. 292. BGH, Urt. v. 24. März 1976 – IV ZR 222/74, VersR 1977, S. 471. BGH, Urt. v. 19. September 1979 – IV ZR 87/78, VersR 1979, S. 1093. BGH, Urt. v. 20. November 1980 – IVa ZR 25/80, VersR 1981, S. 180. BGH, Urt. v. 11. November 1981 – IVa ZR 182/80, NJW 1982, S. 436. BGH, Urt. v. 16. Juni 1982 – IVa ZR 270/80, NJW 1982, S. 2776 = BGHZ 84, S. 268. BGH, Urt. v. 6. Oktober 1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, S. 159. LG Hagen, Urt. v. 28. Oktober 1982 – 16 O 28/82, VersR 1983, S. 1147. AG Staufen, Urt. v. 18. Juni 1984 – 2 C 100/84, ZfS 1987, S. 146. BGH, Urt. v. 11. Juli 1984 – IVa ZR 171/82, VersR 1984, S. 889. BGH, Urt. v. 21. Mai 1986 – IVa ZR 220/84, VersR 1986, S. 801. BGH, Urt. v. 17. Dezember 1986 – IVa ZR 78/85, BGHZ 99, S. 228 = VersR 1987, S. 278 = NJW 1987, S. 703. OLG Köln, 10. Dezember 1987 – 5 U 176/87, r+s 1988, S. 239. OLG Koblenz, Urt. v. 2. Mai 1991 – 5 U 1265/90, NJW-RR 1992, S. 760 = VersR 1993, S. 66. BGH, Urt. v. 25. Juni 1991 – XI ZR 257/90, BGHZ 115, S. 38. OLG Hamm, Urt. v. 20. Januar 1992 – 6 U 183/91, NJW 1993, S. 543 = VersR 1993, S. 493. BGH, Urt. v. 9. Juli 1992 – VII ZR 7/92, BGHZ 119, S. 152. OLG Hamm, Urt. v. 11. Dezember 1992 – 29 U 214/91, NJW-RR 1993, S. 1412. BGH, Urt. v. 25. Mai 1993 – VI ZR 272/92, VersR 1993, S. 981. BAG, Urt. v. 26. Mai 1993 – 4 AZR 149/92, NZA 1994, S. 513. BGH, Urt. v. 23. Juni 1993 – IV ZR 135/92, NJW 1993 S. 2369 = BGHZ 123, S. 83. OLG Saarbrücken, Urt. v. 20. Oktober 1993 – 5 U 40/92, VersR 1994, S. 969. BGH, Urt. v. 25. November 1993 – VII ZR 17/93, NJW 1994, S. 659. OLG Hamm, Urt. v. 11. März 1994 – 20 U 334/93, NJW-RR 1995, S. 1501 = r+s 1994, S. 473. BGH, Urt. v. 22. November 2000 – IV ZR 235/99, NJW 2001, S. 1132 = VersR 2001, S. 184. OLG Saarbrücken, Urt. v. 10. Januar 2001 – 5 U 737/00, VersR 2002, S. 877 = r+s 2002, S. 302. BGH, Urt. v. 6. Dezember 2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, S. 187. BVerfG, Urt. v. 6. März 2002 – 2 BvL 17/99, NJW 2002, S. 1103 = DB 2002, S. 557 = BVerfGE 105, S. 73. OLG Frankfurt, Urt. v. 6. November 2002 – 23 U 17/02, r+s 2005, S. 160. OLG Frankfurt, Urt. v. 18. Dezember 2002 – 7 U 54/02, VersR 2003, S. 588. BGH, Urt. v. 29. Juni 2004 – VI ZR 211/03, NJW 2004, S. 3326 = VersR 2004, S. 1189. OLG Hamm, Urt. v. 29. November 2004 – 13 U 59/04, NJW-RR 2006, S. 104. OLG Frankfurt, Urt. v. 19. Juli 2006 – 19 U 70/06, ZGS 2006, S. 476. BGH, Urt. v. 11. Oktober 2006 – VIII ZR 270/05, NJW 2007, S. 210.
Verzeichnis deutscher Rechtsprechung
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BGH, Urt. v. 28. März 2007 – VIII ZR 144/06, NJW 2007, S. 1672 = BGHZ 171, S. 374. OLG Karlsruhe, Urt. v. 12. September 2007 – 7 U 169/06, NJW 2008, S. 925. BGH, Urt. v. 18. Oktober 2007 – III ZR 277/06, NVwZ 2008, S. 110 = BGHZ 174, S. 48. OLG Brandenburg, Hinweisbeschluss vom 27. Februar 2008 – 9 UF 219/07, NJW 2008, S. 2720. BGH, Urt. v. 6. März 2008 – III ZR 219/07, NJW-RR 2008, S. 759 = VersR 2008, S. 1220. BGH, Urt. v. 4. Juni 2008 – VIII ZR 292/07, NJW 2009, S. 1141. BGH, Urt. v. 28. April 2009 – XI ZR 86/08, WM 2009, S. 1180. BGH, Urt. v. 28. Mai 2009 – Xa ZR 9/08, NJW 2009, S. 2737. BGH, Urt. v. 8. Dezember 2010 – IV ZR 211/07, VersR 2011, S. 203. OLG München, Urt. v. 1. März 2011 − 9 U 3782/10, NJW 2011, S. 1369. OLG Saarbrücken, Urt. v. 29. Juni 2011 – 5 U 553/10, r+s 2012, S. 71. BGH, Urt. v. 24. September 2013 – II ZR 391/12, NJW 2013, S. 3572. OLG Schleswig, Urt. v. 12. Juni 2015 – 17 U 103/14, r+s 2016, S. 98.
Verzeichnis ausländischer Rechtsprechung Aegis Electrical and Gas International Services Ltd v. Continental Casualty Co [2008] Lloyd’s Rep IR 17. Aioi Nissay Dowa Insurance Co Ltd v. Heraldglen Ltd [2013] Lloyd’s Rep IR 281. Assicurazioni Generali SpA v. CGU International Insurance Plc [2004] EWCA Civ 429 [gk.: Assicurazioni Generali v. CGU International Insurance]. Axa Reinsurance (UK) Plc v. Field [1996] 2 Lloyd’s Rep 233. Bellefonte Reinsurance Co v. Aetna Casualty & Surety Co, 903 f.2d 910 (2nd Cir. 1990). Carter v. Boehm [1766] 3 Burr 1905 = ER 97, 1162; auch abgedruckt in: Han/Pynt, Carter v Boehm and Pre-Contractual Duties in Insurance Law, S. 1 [gk.: Carter v. Boehm]. Charman v. Guardian Royal Exchange Assurance Plc [1992] 2 Lloyd’s Rep 607 [gk.: Charman v. Guardian Royal Exchange Assurance]. China Trader’s Insurance Co Ltd v. Royal Exchange Assurance Corp Ltd [1898] 2 QB 187. Chippendale v. Holt [1895] 1 Com Cas 197; zusammenfassend: The Law Times 1895, 472 [gk.: Chippendale v. Holt]. Colin Baker v. Black Sea & Baltic General Insurance Co Ltd [1995] Lloyd’s Rep 261. Commercial Union Assurance Co Plc v. NRG Victory Reinsurance Ltd [1998] 1 Lloyd’s Rep 80. Compagnie de Reassurance d’Ile de France v. New England Reinsurance Corp, 944 f. Supp. 986 (District of Massachusetts 1996). Eagle Star Insurance Co Ltd v. Cresswell [2004] Lloyd’s Rep IR 537 [gk.: Eagle Star Insurance v. Cresswell]. Equitas Ltd v. R&Q Reinsurance Co (UK) Ltd [2010] Lloyd’s Rep IR 600 [gk.: Equitas v. R&Q Reinsurance Co (UK)]. Excess Insurance Co Ltd v. Mathews [1925] 31 Com Cas 43 [gk.: Excess Insurance v. Mathews]. Faraday Capital Ltd v. Copenhagen Reinsurance Co Ltd [2007] Lloyd’s Rep IR 23 [gk.: Faraday Capital v. Copenhagen Reinsurance]. Fireman’s Fund Insurance Co v. Western Australian Insurance Co [1927] 33 Com Cas 36 [gk.: Fireman’s Fund Insurance v. Western Australian Insurance]. Forsikringsaktieselskapet Vesta v. J.N.E. Butcher, Bain Dawes Ltd and the Aquacultural Insurance Service Ltd [1989] AC 852. Gan Insurance Co Ltd v. Tai Ping Insurance Co Ltd (No 2) [2001] Lloyd’s Rep IR 667. Gurney v. Grimmer [1932] 44 Lloyd’s Rep 189 [gk.: Gurney v. Grimmer]. Hastie and Patrick v. De Peyster and Charlton [1805] 3 Caines Rep 190 [gk.: Hastie and Patrick v. De Peyster and Charlton]. Hayter v. Nelson & Home Insurance Co [1990] 2 Lloyd’s Rep 265. Highlands Insurance Co v. Continental Insurance Co [1987] 1 Lloyd’s Rep 109. Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1995] Lloyd’s Rep 160 – Vorinstanz.
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Verzeichnis ausländischer Rechtsprechung
Hill v. Mercantile & General Reinsurance Co Plc [1996] 1 WLR 1239 [gk.: Hill v. Mercantile]. Hiscox v. Outhwaite (No 3) [1991] 2 Lloyd’s Rep 524 [gk.: Hiscox v. Outhwaite]. Home and Overseas Insurance Co Ltd v. Mentor Insurance Co (UK) Ltd [1989] 1 Lloyd’s Rep 473. Hutton v. West Cork Railway Co [1883] 23 Ch D 654. Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1983] 1 Lloyd’s Rep 541 – Vorinstanz. Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co Ltd [1985] 1 Lloyd’s Rep 312 [gk.: Insurance Co of Africa v. Scor (UK) Reinsurance Co]. Insurance Co of the State of Pennsylvania v. Grand Union Insurance Co [1990] 1 Lloyd’s Rep 208 [gk.: Insurance Co of the State of Pennsylvania v. Grand Union Insurance Co]. King v. Brandywine Reinsurance Co Ltd [2005] 1 Lloyd’s Rep 655. Law Guarantee Trust & Accident Society v. Munich Reinsurance Co [1915] 31 TLR 572 [gk.: Law Guarantee Trust and Accident Society v. Munich Reinsurance]. Lexington Insurance Co v. Wasa International Insurance Co Ltd [2009] UKHL 40 [gk.: Wasa International Insurance v. Lexington Insurance]. Mackenzie v. Whitworth [1874-75] L.R. 10 Ex. 142. Mander v. Commercial Union Assurance [1998] Lloyd’s Rep IR 93. Manifest Shipping Co Ltd v. Uni-Polaris Shipping Co Ltd (The Star Sea) [2001] UKHL 1. Manufacturers’ Fire & Marine Insurance Co v. Western Assurance Co, 14 N.E. 632 (5th Cir. 1888) [gk.: Manufacturers’ Fire & Marine Insurance v. Western Assurance]. Marten v. Steamship Owners’ Underwriting Association Ltd [1902] 7 Com Cas 195. Merchants’ Marine Insurance Co Ltd v. Liverpool Marine and General Insurance Co Ltd [1928] 31 Lloyd’s Rep 45 [gk.: Merchants’ Marine Insurance v. Liverpool Marine & General Insurance]. Merrett v. Capitol Indemnity Corp [1992] Lloyd’s Rep 46. Mutual and Federal Insurance Co v. Oudtshoorn Municipality [1985] 1 SA 419. North River Insurance Co v. CIGNA Reinsurance Co, 52 f.3d 1194 (3rd Cir. 1995). North River Insurance Co v. Employers Reinsurance Corp, 197 f. Supp. 2d 972 (Southern District of Ohio 2002). Overseas Union Insurance Ltd v. Home and Overseas Insurance Co Ltd [2002] 4 SLR 104 [gk.: Overseas Union v. Home and Overseas]. Phoenix General Insurance Co of Greece SA v. Halvanon Insurance Co Ltd [1985] 2 Lloyd’s Rep 599. Pine Top Insurance Co Ltd v. Unione Italiana Anglo Saxon Reinsurance Co Ltd [1987] 1 Lloyd’s Rep 476. Re London County Commercial Re-Insurance Office Ltd [1992] 10 Lloyd’s Rep 370 [gk.: Re London County Commercial Re-Insurance Office]. Reliastar Life Insurance Co v. IOA Re Inc, 303 f.3d 874, 878 (8th Cir. 2002). Roar Marine Ltd v. Bimeh Iran Insurance Co (The Daylam) [1998] 1 Lloyd’s Rep 423. Royal & Sun Alliance Insurance Plc v. Dornoch [2005] Lloyd’s Rep IR 544. San Evans Maritime Inc v. Aigaion Insurance Co SA [2014] EWHC 163 (Comm). Sanders Brothers v. Maclean & Co [1883] 11 QB 327 [gk.: Sanders Brothers v. Maclean & Co]. Scottish Metropolitan Assurance Co Ltd v. Groom [1924] Lloyd’s Rep 131, 41. Sir William Garthwaite (Insurance) Ltd v. Port of Manchester Insurance Co Ltd [1930] 2 Lloyd’s Rep 194. [gk.: Sir William Garthwaite (Insurance) v. Port of Manchester Insurance].
Verzeichnis ausländischer Rechtsprechung
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Société Anonyme d’Intermediaries Luxembourgeois v. Farex Gie [1995] 1 Lloyd’s Rep 116 [gk.: Société Anonyme d’Intermediaries Luxembourgeois v. Farex Gie]. Standard Life Assurance Ltd v. Oak Dedicated Ltd [2008] EWHC 222. Surplus Insurance Co v. Underwriters at Lloyd, 868 f. Supp. 917, 921 (Southern District of Ohio 1994). Suter v. General Accident Insurance Co of America, 44 f. Supp. 781 (District of New Jersey 2006). Travelers Casualty & Surety Co of Europe Ltd v. Commissioners of Customs and Excise [2006] Lloyd’s Rep IR 63. Unigard Security Insurance Co v. North River Insurance Co, 762 f. Supp. 566 (Southern District of New York 1991). Uzielli & Co v. Boston Marine Insurance Co [1884] 15 QB 11 [gk.: Uzielli v. Boston Marine Insurance]. Versicherungs und Transport AG Dangara v. Henderson [1934] 39 Com Cas 312. Western Assurance Co of Toronto v. Poole [1903] KB 376 [gk.: Western Assurance Co of Toronto v. Poole]. Wise (Underwriting Agency) Ltd v. Grupo Nacional Provincial SA [2004] EWCA Civ 962.
Verzeichnis der Rechtsquellen und Materialien ADHGB, Gesetz vom 12. März 1861, Vorläufer des HGB, zum 10. Januar 1897 außer Kraft gesetzt. AGG, Gesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), in Kraft getreten am 18. August 2006, zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. April 2013 (BGBl. I S. 610) mit Wirkung vom 21. Dezember 2012 (rückwirkend). AktG, Gesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), in Kraft getreten am 1. Januar 1966, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2446) mit Wirkung vom 22. Juli 2017. ALR 1794, Hattenhauer, Hans (Hrsg.), Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794, 3. Aufl., Neuwied/Kriftel/Berlin 1996. ARIAS-US-Rules, ARIAS-US, Rules for the Resolution of US Insurance and Reinsurance Disputes (McLean 2014); URL: http://www.arias-us.org/wp-content/uploads/2016/09/ARIASU.S.-Rules.pdf. BGB, Gesetz vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, berichtigt 2002 S. 2909, 2003 S. 738), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. Januar 2019 (BGBl. I S. 54) mit Wirkung vom 1. April 2019. California Insurance Code, State of California, California Insurance Code, Chapter 8. Reinsurance §§ 620–623, eingefügt 1935, Ch. 145; URL: http://leginfo.legislature.ca.gov/faces/ codes_displayText.xhtml?lawCode=INS&division=1.&title=&part=1.&chapter=8.&arti cle=. Entwurf eines württembergischen Handelsgesetzbuches I, Hofacker, Carl von (Autor)/Werner, Schubert (Hrsg.), Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg mit Motiven, 1. Theil Entwurf, Stuttgart 1839, Nachdruck Frankfurt am Main 1986. Entwurf eines württembergischen Handelsgesetzbuches II, Hofacker, Carl von (Autor)/Werner, Schubert (Hrsg.), Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg mit Motiven, 2. Theil Motive, Stuttgart 1840, Nachdruck Frankfurt am Main 1986. FinRVV, Verordnung über Finanzrückversicherungsverträge und Verträge ohne hinreichenden Risikotransfer, Gesetz vom 18. April 2016 (BGBl. I. S. 838) mit Wirkung vom 22. April 2016. GG, Gesetz vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. März 2019 (BGBl. I S. 404) mit Wirkung vom 4. April 2019. GVG, Gesetz vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1002) mit Wirkung vom 21. Juli 2019. HGB, Gesetz vom 10. Mai 1897 (RGBl. I S. 219), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1002) mit Wirkung vom 21. Juli 2019. IDD, Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb, Abl. EU L 26/19.
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Verzeichnis der Rechtsquellen und Materialien
MaGo-Rundschreiben, BaFin-Rundschreiben 2/2017 (VA) – Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen (MaGo) vom 25. Januar 2017, geändert am 2. März 2018. Marine Insurance Act 1906, UK Government, Marine Insurance Act 1906, 1906 Chapter 41 6 Edw 7; URL: https://www.legislation.gov.uk/ukpga/Edw7/6/41/contents. Motive zum VVG 1908, Motive zum Versicherungsvertragsgesetz (Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908), Nachdruck Berlin 1963. New York Convention 1958, UNCITRAL, Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards (New York 1958); URL: http://www.uncitral.org/uncitral/de/uncitral_texts/arbitration/ NYConvention.html. OR, Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911, Stand vom 1. April 2017; URL: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19110009/index.html. PEICL, Basedow, Jürgen/Birds, John/Clarke, Malcolm/Cousy, Herman/Heiss, Helmut/ Loacker, Leander (Hrsg.), Principles of European Insurance Contract Law (PEICL), 2. Aufl., Köln 2016. PRICL, Heiss, Helmut/Schauer, Martin/Wandt, Manfred (Hrsg.), Principles of Reinsurance Contract Law (PRICL), Stand: November 2019; URL (geplant): https://www.ius.uzh.ch/de/research/projects/pricl.html. Solvency II-Richtlinie, Richtlinie 2009/138/EC des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungsund der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), Abl. EU L 335/1. StPO, Gesetz vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, berichtigt S. 1319), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Juli 2019 (BGBl. I S. 1066), mit Wirkung vom 18. Juli 2019. VAG, Gesetz vom 1. April 2015 (BGBl. I S. 434), in Kraft getreten am 1. Januar 2016, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1002) mit Wirkung vom 16. Juli 2019. VVG, Gesetz vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631), in Kraft getreten am 1. Januar 2008, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214) mit Wirkung vom 1. Januar 2018. ZPO, Gesetz vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202, berichtigt 2006 S. 431, 2007 S. 1781), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. Januar 2019 (BGBl. I S. 54) mit Wirkung vom 16. Februar 2019.
Sach- und Paragraphenregister § 1055 ZPO 100 § 13 ADS 235 § 133 BGB 86, 89, 154, 204, 260, 302 § 138 BGB 228, 342 § 138 II VAG 244 ff. § 157 BGB 74, 86, 89 f., 204, 302, 350 § 177 VAG 244 f. § 209 VVG 70, 72, 154, 212, 217, 219, 251, 283, 359 § 242 BGB, siehe Treu und Glauben § 276 BGB 125 f., 146 f., 151, 328, 341 § 277 BGB 145 ff., 211, 226, 257, 332 f., 336 § 315 BGB 226 ff. § 346 HGB, siehe Handelsbrauch § 677 BGB 226 ff., 259, 333, 340 § 708 BGB 145, 332 f. § 710 BGB 283 § 779 BGB 31, 101 § 779 HGB a.F. 11, 67, 69, 72 § 826 BGB 338 Abandon 137, 164 AG (als Aktiengesellschaft) 231 f., 260, 324 AGB 16, 294 Aggregationsklausel 46, 201, 304 aktuarielle Modelle 182 Allokation der Risiken 267 ALR 71, 100, 143, 213 ff., 254, 263, 294 Analogie 212, 216 ff., 223, 357 Anerkenntnis 30 f., 121, 220 f. Anzeigepflicht des Erstversicherers 135 f., 138, 216, 241, 289, 297, 303, 317 f., 354
Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers 232, 236, 241 Arglist 106, 136, 140 ff., 144, 338, 343 arguably 188, 193, 198, 201 f., 205 ARIAS-US 353 arranged total loss 169 ff. Art. 13 Nr. 7 lit. a Solvency IIRichtlinie 11 Art. 3 I GG 245, 323 as original 187, 198, 305 asbestos-related claims 183 Atomisierung von Risiken 4, 266 ff., 271, 283, 356 Aufsichtsbehörde 8, 238, 269, 360, 361 Auslegungsfestigkeit 354, 363 Auslegungshilfe 88, 293, 355 Ausschluss der Leistungspflicht 19, 92 Ausschlussklausel 27, 46, 48 f., 113 Automatisierung 170, 296, 297 AVB 5, 16 f., 20, 26, 43, 59, 71, 212, 240 back-to-back 96, 149, 161, 182, 187 ff., 220, 274, 305 f., 350 BaFin, siehe Aufsichtsbehörde belohnendes Motiv 38 ff. Beweislast 143 f., 148, 171, 177, 230, 327, 351 Billigkeitsentschädigung 26 f., 112, 278 Billigkeitsentscheidung, siehe ex aequo et bono Bindungswirkung - Geschäftsführung 78 ff., 101, 127 f., 163, 172, 185, 187, 204, 209, 221, 256, 307, 321, 335, 338 - Haftpflichtversicherung 220, 337 f.
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Sach- und Paragraphenregister
- Kulanz 30 - Mitversicherung 336 - Stellvertretung 333 bona fides, siehe Treu und Glauben Brexit 362 captive 227, 317 claims control 161, 308, 314 ff., 351 claims cooperation 161, 176, 308, 310 ff., 351 Common Law 7, 84, 162, 168, 241 commutation agreement 356 f. compromise settlement 162, 190 compromised total loss 169, 171 constructive total loss 167 ff. contra proferentem 313 cut through 67 f., 317 D&O-Versicherung 322 ff. de lege ferenda 9, 358 de lege lata 9, 358 De-novo-Überprüfung 82, 99, 124, 337 Disparität 17, 216, 219, 240 f., 251 dolos 138 dolus eventualis, siehe Eventualvorsatz Durchgriff des Versicherungsnehmers 66, 68, 122, 188, 254 f., 316 f., 335 Effektivität der Regulierung 24, 30, 84, 294, 309 Eigenkapital 268, 270, 272 eigenübliche Sorgfalt 144 ff., 257 einfache Fahrlässigkeit 139, 141, 144 ff., 150 f., 209, 237, 252, 257 f., 303, 332, 342, 352 Einflussnahme des Rückversicherers 53 ff., 230, 251, 272, 282, 306 ff., 313, 316 ff., 344 einverständliche Regulierung 20, 23, 32, 36 entgegenkommende Regulierung 36 ff., 50, 54 f., 57, 101, 112, 121, 130, 231 f., 238, 242, 245 f., 254, 279, 284, 291, 327, 329, 331 f., 339, 352 Erdbeben von San Francisco 42, 45 f., 56 f., 117, 119, 131, 135, 141, 159, 308 Erdbebenklausel 48, 50, 52, 117 ergänzende Vertragsauslegung 85 ff. Erstversicherermarkt 229, 363
Erstversicherungsfall 15 ff., 38, 46, 56 f., 65, 79 f., 82, 92, 96 ff., 101, 104, 117, 126, 128, 173, 216, 230, 241, 280, 307, 315, 318, 331, 337, 339, 357 EU 7, 245, 268 Eventualvorsatz 339 f. Evidenz 338 ff., 351, 354 ex aequo et bono 354 ex ante 115, 327 ex gratia 25, 36, 95, 104, 107 ff., 136, 142, 144, 149, 162, 185, 189, 195 ff., 207, 225, 253, 274, 278, 281, 335, 340, 350 ex post 115, 126, 202, 271, 349 extension of reinsurance 328 f. Fahrlässigkeit 3, 9, 151, 328 ff., 338, 343, 353 f., 363 Fall La Roche 70, 73, 265 Feuerversicherung 51, 54, 56, 175 Finanzrückversicherung 261 f. Folgepflicht des Rückversicherers, passim Folgepflicht im engeren Sinn 95 ff. Folgepflicht im weiteren Sinn 97 f., 103 Folgepflichtdogmatik 10, 97, 103, 148, 209, 328 Folgepflichtklausel 83, 85, 89 f., 112, 153, 160 ff., 169 ff., 180, 185, 190, 192, 195 f., 204, 207 ff., 253, 278, 301, 343, 350, 358, 363 follow the actions 95 follow the forms 187 follow the fortunes 94 f. follow the settlements 11, 94 f., 110, 162, 172 ff., 180, 185, 187 f., 191, 194 ff., 199, 204 ff. formelle Wahrheit 59 Fremdgeschäftsführung 226 f., 259, 333, 340 fronting 227, 315, 317 full reinsurance clause 187, 204, 207 funding shortfall 361 GDV 249 Gefahrtragungstheorie 15 f., 19 Gefälligkeit 32 Geldleistungstheorie 16, 19, 80
Sach- und Paragraphenregister generalreaktives Motiv 24, 37, 41 ff., 99 Gerichtskosten 39, 81 Geschäftsführung des Erstversicherers, Kap. 3 et passim Geschäftsführung ohne Auftrag, siehe § 677 BGB Geschäftspolitik 130, 327 Gesellschaftsrecht 212, 231, 266, 282, 284, 291 Gewinnbeteiligung 282, 286 f. Gewohnheitsrecht 71 ff., 86 f., 294, 307 gewöhnliche Geschäftsführung 124 ff., 130, 143, 149 f., 231, 257 Gleichbehandlungsgebot 243 ff. Gleichlauf der Regulierungsarten 97, 100, 102, 350 Globalvergleich 5, 35, 98, 101, 183, 186 ff., 207, 350 good faith, siehe Treu und Glauben grob-culpos 138 grobe Fahrlässigkeit 106, 126 ff., 135 ff., 224, 257 f., 303 f., 329 ff., 337, 340 ff., 345, 352, 357 Großschaden 45 f., 267, 344 Groteskfall 339 Grundsatz der freien Geschäftsführung 77 f., 107, 130, 144, 205, 223, 298, 302, 313, 349, 351 Grundsatz, der Erstversicherer solle sich so verhalten, als wäre er nicht rückversichert 256, 320, 329, 350 Guidon de la Mer 70 f., 262 Haftpflichtversicherung 19, 22 f., 34, 81, 218 ff., 246 ff., 274, 308, 319, 322, 337 f. Handelsbrauch 6, 74, 84 ff., 114, 134, 137, 154, 160, 217 f., 235, 320, 322 f., 327 f., 349, 356 - ergänzend 85, 152 f., 209, 256, 310, 315, 318, 322, 324, 341 ff., 350 f. - interpretierend 85, 87, 90, 209, 218, 350 historischer VVG-Gesetzgeber 68, 122, 216, 219, 222 f., 254 f., 307 homogene Praxis 88, 90, 159, 209, 350 hours clause 304
403
IDD 249 f. Informationsrecht 310, 318 f., 328, 351 Insolvenz des Erstversicherers 66 ff., 71, 264, 304 f., 353 Inspektionsrecht 317, 319, 328, 351 integrativer Ansatz 153, 298, 350 f. Interessengerechtigkeit 107, 124, 150, 202, 206, 281, 328, 345 Interessenidentität 110, 129, 148 f., 154, 206, 321, 335 Interessenparallelität 154, 192, 197, 206, 259 f., 278 f., 282, 285, 291, 299 Interessenpriorisierung 297, 299 Interessenwertung 116, 120, 130, 281, 288 f., 299 Interessenwiderstreit 87, 128, 142, 149, 152, 191, 210, 349 Irrtumsklausel 302 ff. Kapitalmarkt 285 f., 349 karitatives Element 25, 29, 38 ff., 231 Kaufleute 25, 63, 66 Kaufmann 85, 145, 214, 229 Know-how des Rückversicherers 270 f., 310, 314 Kodexaufgabedienst 295 Kollusion 142, 181, 330, 337 ff., 351, 354 Kontrollrechte 280, 298, 302, 308, 345, 355 Kulanz 5, 22 ff., 50 ff., 98, 101 f., 105, 111 ff., 119 ff., 127 f., 130, 142, 149 f., 199 f., 212, 226, 232, 236, 242 f., 246, 251, 256, 278, 292 f., 332, 353 Kulanzpflicht 242 f. Kulanzvergleich 31, 33 Kumulrisiken 91, 267 Lebensversicherung 17, 44, 243 ff., 286 Leitlinien 177, 292 ff., 324, 331 Leiturteil 42 f., 169, 181 f., 200 Liberalitätsentschädigung, siehe Liberalitätsleistung Liberalitätsleistung 26 ff., 36, 112 f., 118, 225 Liberalitätszahlung, siehe Liberalitätsleistung
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Sach- und Paragraphenregister
Limit 164 f., 184 f., 201, 279, 304, 341, 345, 360 Lloyd’s 6, 9, 11, 14, 50, 57, 160, 184, 190, 264 f. MaGo-Rundschreiben 269 f., 361 materielle Rechtskraft 33, 100 Maximalgrenze 146, 197, 209, 257 mere settlement of account 173 Mindeststandard 146 ff., 197, 257 Missbrauch der Geschäftsführung 99, 103, 109, 126, 208, 229, 287, 297 f., 319, 331 f., 336, 338, 341, 343, 351 Missbrauchskontrolle 337 f. Mitversicherung 12, 13, 66 f., 255, 264 f., 276 f., 305, 334 ff., 341 - Außenverhältnis 277 - Innenverhältnis 335 f. net retention, siehe Selbsttragung des Selbstbehalts neutrale Irrelevanz 253, 256 Nicht-Ordnungsgemäßheit 139, 143, 145, 147, 163, 171, 177, 179, 200, 252, 257, 293 f., 304, 313, 318, 324, 327, 329 ff., 338 ff., 351 ff. Obliegenheit 20, 44, 125, 151, 223 f., 240, 321, 325 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht 31, 43, 51, 111, 115, 120, 123, 195, 198 f., 339 Optimierungsfunktion 243, 245 Patina rechtlich-materieller Wahrheit 33 pauschale Regulierung 21, 34 f., 98, 183 pay as may be liable to pay 166, 175 pay as may be paid 108, 163, 166, 169 ff., 175, 178 pay as may be settled 174 pay as might be paid 164 ff., 169 PEICL 70, 363 Prämienkalkulation 75, 279, 282, 285, 288, 296 PRICL 7, 8, 86, 88, 90, 95, 152, 202, 234, 277, 361 - Art. 1.2.1 PRICL 277 - Art. 2.1.2 PRICL 234 - Art. 2.1.4 PRICL 234, 277 - Art. 2.2.1 PRICL 234, 277 - Art. 2.3.1 PRICL 234, 277
- Art. 2.3.2 PRICL 277 - Art. 2.4.1 PRICL 234, 277 - Art. 2.4.2 PRICL 77, 202, 234, 253, 277 - Art. 2.4.3 PRICL 10, 86, 88, 90, 93, 95, 152, 202, 339, 343 Privatautonomie 15, 72, 116, 122, 146, 221, 228, 273, 288, 329, 342 f., 351 professionelle Rückversicherer 4, 66, 244, 251, 266, 270, 333 Quote nach Leistungspflichtwahrscheinlichkeit 106, 150 Quotenrückversicherung 110, 277 ff. rechtlich-materielle Wahrheit 33, 58 ff., 99, 106 f., 114, 149, 188, 199, 242, 290, 339, 349 f. Rechtsprodukt 5, 57, 69, 103 Rechtsquelle 6, 70, 72 ff., 89, 103, 226 Rechtssicherheit 3, 8, 74, 111, 123 f., 128, 182, 200, 208, 325, 332 f., 353 f., 358, 361 Redlichkeit 104, 106, 130 ff., 143 f., 148, 150 ff., 166, 199, 233, 236 f., 249 f. Regelkulanz 242 Regulierung des Erstversicherers, Kap. 2 et passim Regulierungsart 5, 21, 33, 36 f., 45, 58, 97 ff., 111, 123, 129, 142, 148 ff., 153, 172, 203 f., 208, 220, 242, 338, 350 Regulierungsentscheidung 9, 11, 17, 46, 52, 58, 99, 115, 120, 129, 164, 237, 292 f., 317, 340, 351, 357 Regulierungsermessen 5, 22, 79, 104, 129, 145, 230, 279, 285, 287, 290, 296, 330, 332, 340, 349 Regulierungskosten 38 f., 41, 81 Regulierungspraxis des Erstversicherers 9, 21, 154, 170, 242, 253, 256, 261, 292 ff. Regulierungspraxis des Rückversicherers 9, 282, 289 Relativität der Schuldverhältnisse 122, 179, 250, 253 renewal 344, 353 Reputationsgewinn 42, 50 f., 275 Reputationsverlust 42, 59, 291
Sach- und Paragraphenregister Retrozession 11 ff., 135 f., 268, 355 ff., 362 Richterrecht 72 f., 134, 162, 200 Risikobeschreibung 16, 95, 189, 201, 205 f. Risikoteilung 67, 163, 240, 265, 267, 271, 297 ff., 304, 316, 320 f., 329, 334, 349, 351 f. Risikotransfer 261 ff., 281, 314, 316 Rückversicherung - Akzessorietät 69 - Art 10, 272, 277 f., 281, 326 - Branche 8, 54, 86, 88, 124, 170, 200, 208, 344, 361 f. - Brauch, siehe Handelsbrauch - Deckung 96, 99 f., 103, 105, 120, 126, 152, 171, 178, 185, 207, 288, 304, 310, 324, 326, 332, 350, 352 - Effektivität 124, 126, 128, 299, 343, 354 - fakultativ 192, 260, 267, 273 ff., 306, 309, 321 - Form 10, 272 ff. - Internationalität 3, 6 ff., 86, 88, 90, 94 f., 159, 202, 217, 363 - Kapazität 237, 288 - klassisch 6, 261 f. - nicht-proportional 253, 260, 277 ff., 296, 304, 306, 326 - obligatorisch 109, 267, 273 ff., 291, 309, 312, 318, 345 - Politik 269, 360 - Praxis 6, 9, 72, 83, 88, 91, 153, 155, 159 f., 173, 200, 202, 209, 210, 213, 215, 294, 327, 333, 343 - proportional 207, 253, 277 ff., 286, 291, 296, 301, 304, 309, 326 - Verbot 133, 163, 265 - Verrechtlichung 7 ff., 238, 319, 355 - Versicherungsfall 80, 201, 318 - Vertrag, passim - Wesen 132, 228, 236, 238, 315, 334, 351 Rückversicherungsprodukt 4, 46, 272 Schadenanzeige des Erstversicherers, siehe Anzeigepflicht des Erstversicherers Schadenaufgabedienst 296
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Schadenbearbeiter 79, 82, 177, 292, 308, 324, 331 Schadenexzedent 169, 277, 278 ff., 303, 308, 326 Schadenmeldung des Versicherungsnehmers 20, 22, 35, 43, 49, 296 Schadensversicherung 19, 215, 221 f., 225, 292 Schadenteilungsabkommen 34 f., 339, 356 Schenkung 29 f., 225 Schicksalsteilungspflicht 71, 91 ff., 102, 179, 237, 259, 279, 281, 287 ff. Schiedsgericht 6, 8, 26, 39, 53, 73, 88, 131, 134, 153, 173, 195, 203, 210, 238, 302, 319, 325, 329, 345, 352 f., 355, 363 Schiedsklausel 72, 159, 203, 266, 353 Schiedsspruch 6, 33, 36, 58, 67, 73, 92, 98 ff., 129, 143, 184, 189, 203, 353 Schutzpflichten 248, 250 f., 254, 256, 313 Scor-Entscheidung 161, 168, 175, 177 ff., 186 ff., 200 ff., 208, 308, 310 ff., 315 Selbstbehalt 66, 75, 99, 125, 139, 143, 192, 196 f., 272, 280 f., 287, 298, 302, 304, 308 f., 319 ff., 331 f., 336, 341, 351, 356 Selbsttragung des Selbstbehalts 322 ff. Serviceleistungen 25, 75, 270 f. settlement of loss 162, 190 Solvabilität 7, 239, 267, 269 ff., 360 Solvency II-Richtlinie 7, 11, 262, 268, 360 Sorgfaltsmaßstab 144 ff., 150 ff., 209, 257, 323, 330 f., 337, 352, 363 Sorgfaltspflicht 146 f., 185, 227, 231, 256 Spannungsverhältnis 59, 63, 149, 159, 205, 329 Spende 30, 40, 108, 231 f. spezialreaktives Motiv 24, 37 f. Standardisierung 16, 23 f., 41, 74, 242, 261, 292 f., 333 Stellvertretung 142, 333, 338 ff. subjektiver Ansatz 141, 145, 207, 257
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Sach- und Paragraphenregister
Summenexzedent 278, 326 Summenversicherung 19, 21 f., 222 tension of reinsurance, passim Transparenz 7, 37, 57, 89, 240 f. Treu und Glauben 24, 27, 86, 109, 131 ff., 140, 146, 151, 166 f., 171, 173, 176, 212, 223, 232 ff., 245, 248 f., 293 f., 302, 313, 319, 329 f., 338, 354 Übergang des Ersatzanspruchs 225 f. uberrima fides 202, 212, 232 ff., 253, 277 Umfang der Haftung 91, 96, 132 unbestimmter Rechtsbegriff 120, 123 f., 128, 234, 249, 332, 352 underwriting 160, 185, 312 Urteil 10, 21, 30, 32 f., 36, 39, 43, 58, 67, 72 f., 78, 84, 87, 92, 96 ff., 116, 129, 132 ff., 149, 159 ff., 172 ff., 203 f., 220, 233, 294, 310, 312, 338, 342, 357 utmost good faith, siehe uberrima fides venire contra factum proprium 236, 293 Verbraucher 7, 16, 40, 115, 219, 220, 329, 338 Verein Verkehrsopferhilfe e.V. 34 Vergleich 5, 21, 30 ff., 39, 43, 53, 75, 78, 98 ff., 105, 110, 113, 116, 118, 123, 128, 131, 135, 142 f., 162 ff., 167, 171 ff., 178, 184, 188, 190, 193, 213, 230, 240, 254, 305 Verkehrssitte 74, 86, 90 f., 153 f., 350 verkehrsübliche Sorgfalt 328, 332, 336, 352 Verschulden 44, 94, 125, 136, 140 f., 144 ff., 151, 332, 336 f. verschuldensunabhängige Haftung 337, 342
Versichertenkollektiv 244 Versicherungsaufsichtsrecht 255, 261, 268, 270, 358 ff. Versicherungsbetrug 115, 176, 179 ff., 312 Versicherungsfall, siehe Erstversicherungsfall Versicherungsprodukt 5, 15 ff., 20, 23 f., 68, 103, 250, 272, 291, 317, 359 Versicherungstechnik 18, 56, 78, 92 f., 114, 261 ff., 273, 277, 288, 295, 298, 333, 360 Versicherungswirtschaft 7, 17, 34, 43, 46, 51, 59, 74, 170 Vertrag zugunsten Dritter 68 Vertrag zulasten Dritter 121 ff., 250 Vertragsauslegung 74, 85, 87, 154 f., 160, 204, 218, 260, 314, 317, 350, 353 Vertragsfreiheit, siehe Privatautonomie Vertragssicherheit 8 f., 361 Vertraulichkeit von Schiedssprüchen 6, 73, 353 Vorbehalt der Erstversicherung 252, 254 ff., 350 ff., 359 Vorsatz 126 ff., 141 ff., 151 f., 224, 257, 332 f., 337 ff., 351, 354, 357 vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls 20, 92 VVaG 85, 244 ff., 260, 324 VVG-Reform 2008 72, 220 Wellington Agreement 46, 183 ff., 203 Willkür 4, 5, 21, 24, 33, 103, 107, 147, 228, 230 f., 237, 246, 251, 274, 280 without prejudice 195, 198 f. without question 195, 197, 208 Zeichnungskapazität 265 ff. Zinsertrag 285