Die Vita des Josef Busnaya: Eine historische Quelle des Nordiraks des 10. Jahrhunderts. Dissertationsschrift 9783631838273, 9783631838280, 9783631838297, 9783631838303

Der Band ist die erste größere Studie zur Vita von Josef Busnaya. Diese Quelle beschreibt in großem Detailreichtum das a

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German Pages 282 [284] Year 2021

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Danksagung
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Vita des Josef Busnāyā
2.1. Die Überlieferungsgeschichte
2.1.1. Übersetzungen und Handschriften
2.1.1.1. Handschrift V
2.1.1.2. Handschrift C
2.1.1.3. Handschriften der Alqūš-Familie (Al)
2.1.1.4. Die Vorlagen der arabischen Übersetzung
Die Handschriften K und L
2.1.2. Die Fragmente der indischen Überlieferung
2.1.3. Zeugen
2.1.4. Die textuelle Integrität
2.2. Der Autor
2.3. Aufbau und Struktur der Vita
2.3.1. Die tašʿīṯā des Josef Busnāyā
2.3.2. Historia monachorum
2.3.3. Lehrrede und Lehrtraktat
2.3.4. Struktur der Vita als Ganze
2.4. Die Vita als hagiographisches Werk
2.4.1. Quellenkritik und Hagiographie
2.4.2. Verortung der Vita des Josef Busnāyā
2.4.3. Konsequenzen für die Arbeit mit dem Text
2.5. Das historische Umfeld der Vita
2.5.1. Der zeitliche und räumliche Rahmen
2.5.1.1. Die zeitlichen und räumlichen Daten der Vita des Josef Busnāyā
2.5.1.2. Der Konflikt zwischen Būyiden und Ḥamdāniden
2.5.2. Religiöser und kultureller Rahmen – Ostsyrische Mystik und abrahamitische Klosterreform als Verstehenshorizont der Vita
2.5.2.1. Die antimonastische Zeit der Kirche des Ostens
2.5.2.2. Die Reformbewegung des Abraham von Kaškar
2.5.2.3. Der sogenannte ostsyrische Messalianismus
2.5.2.4. Die ostsyrische Mystik
2.5.2.5. Der Konflikt zwischen ostsyrischer Mystik und der Kirche
3. Darstellung der Klöster in der Vita des Josef Busnāyā
3.1. Die Geschichte der Klöster der Vita des Josef Busnāyā
3.1.1. Das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē
3.1.2. Das Kloster des Rabbān Hormizd
3.1.3. Das Kloster von Īnēšk
3.2. Der Aufbau des Klosters
3.2.1. ʿumrā und dayrā: Zwei monastische Formen?
3.2.2. Der Aufbau der ʿumrē in der Vita des Josef Busnāyā
4. Das monastische Leben
4.1. Die ersten Jahre als Mönch
4.2. Das Leben in der Abgeschiedenheit
4.2.1. Die Struktur des Tages
4.2.2. Die Zelle
4.2.3. Das Fasten
4.2.3.1. Fasten als asketische Übung der Eremiten
4.2.3.2. Das Nasiräertum (nazīrūṯā)
4.2.3.3. Das Fasten während der Fastenzeit
4.2.3.4. Abweichungen
4.2.4. Die tugendhaften Alten und der Abt
4.3. Frauen im Kloster
4.4. Die Mobilität der Mönche
5. Bildung und Wissen im Kloster
5.1. Erkenntnis und Lehre: Die monastische Unterweisung
5.2. Monastische Bildung
5.2.1. Syrischkenntnisse
5.2.2. Inhalt der Lektüre
5.3. Theologische Bildung
5.4. Johannes bar Kalduns Synthese im Kontext der Tradition der Kirche des Ostens
6. Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters
6.1. Die heilsgeschichtliche Verortung des Klosters
6.2. Die Lehrer des Josef Busnāyā
6.2.1. Das Kloster des Rabbān Hormizd
6.2.1.1. Māranzḵā
6.2.1.2. Der Kreis um Johannes von Ḥelap̄tā
6.2.2. Das Obere Kloster des Mār Gabriel in Mosul
6.2.3. Das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē
6.3. Das Klosternetzwerk
7. Das Kloster als Wirtschaftsbetrieb
7.1. Arbeitsteilung und Subsistenzwirtschaft
7.2. Einnahmequellen des Klosters
7.3. Besitz und Armut der Mönche
7.4. Ausgaben des Klosters
8. Die Außenbeziehungen des Klosters
8.1. Die mhaymnē und die ḥanpē
8.2. Die Kartwāyē, Ṭayyāyē und Taʿēlwāyē
8.2.1. Die Kartwāyē/Kurden
8.2.1.1. Begriffsgeschichte
8.2.1.2. Die Kurden: Ein Ethnonym oder ein Stereotyp?
8.2.2. Taʿēlwāyē
8.2.3. Die Ṭayyāyē und Harzdāyē
8.3. Das Kloster als Ort multi-religiöser Begegnung
9. Resümee
Transkription
Abkürzungsverzeichnis
Handschriftenverzeichnis
Zitierte Handschriften ohne Siglen
Literaturverzeichnis
Reihenübersicht
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Die Vita des Josef Busnaya: Eine historische Quelle des Nordiraks des 10. Jahrhunderts. Dissertationsschrift
 9783631838273, 9783631838280, 9783631838297, 9783631838303

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Die Vita des Josef Busnāyā

SCHOLA NISIBINA BEč SEFRO DA-NĉIḆIN Herausgegeben von der Forschungsstelle für Aramäische Studien

BAND 4

Ralph Barczok

Die Vita des Josef Busnāyā Eine historische Quelle des Nordiraks des 10. Jahrhunderts

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl.: Konstanz, Univ., Diss., 2018

Gefördert durch die NISIBIN- Stiftung für Aramäische Studien Umschlagabbildung: Al-Qosh Monastery, Kurdistan. Rabban Hormizd Monastery in Iraq. ©mbrand85/shutterstock.com D 352 ISSN 2566-6002 ISBN 978-3-631-83827-3 (Print) E-ISBN 978-3-631-83828-0 (E-PDF) E-ISBN 978-3-631-83829-7 (EPUB) E-ISBN 978-3-631-83830-3 (MOBI) DOI 10.3726/b17714 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Berlin 2021 Alle Rechte vorbehalten. Peter Lang – Berlin · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Diese Publikation wurde begutachtet. www.peterlang.com

Danksagung Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um meine Doktorarbeit, die ich im Jahr 2018 an der Universität Konstanz eingereicht und verteidigt habe. Da aufgrund finanzieller und beruflicher Notwendigkeiten die Dissertation zuletzt unter massiven Druck entstanden war, musste der Text für die Drucklegung nochmals gründlich stilistisch überarbeitet werden. Ansonsten betreffen die Unterschiede zwischen eingereichter Arbeit und vorliegendem gedruckten Werk lediglich zwei Punkte:  Da ich zurzeit eine Edition der Vita des Josef Busnāyā vorbereite, konnte ich weitere Handschriften einsehen, die mir zum Zeitpunkt der Abgabe noch nicht vorlagen. Diese Handschriften sind nun in der Einleitung enthalten. Des Weiteren fiel mir erst kurz vor Abgabetermin auf, dass die Vorlage von Chabot für dessen französische Übersetzung entgegen seiner Aussage nicht von der vatikanischen Handschrift V kopiert worden sein konnte. Einige Überlegungen hierzu mussten daher angepasst werden. Des Weiteren habe ich die inhaltlichen Anmerkungen, Kritikpunkte und Literaturhinweise meiner Gutachter und Prüfer berücksichtigt und weitere Literatur, auf die ich erst nach meiner Abgabe aufmerksam gemacht wurde oder die erst nach meiner Abgabe veröffentlicht wurden, eingefügt. Durch diese Erweiterungen haben sich inhaltliche Aussagen jedoch kaum verändert, sondern konnten vielmehr präzisiert werden. Auch wenn noch immer das Stereotyp des Wissenschaftlers vorherrscht, der allein in seiner Stube arbeitet und plötzlich zu Erkenntnissen gelangt, so ist wissenschaftliche Arbeit vielmehr ein kommunikativer Prozess, in dem Ideen, Vorstellungen und Erkenntnisse ausgetauscht und diskutiert werden. Dies ist in der vorliegenden Arbeit nicht anders. Es gehört sich daher, dass ich mich bei einer Vielzahl von LehrerInnen, KollegInnen und FreundInnen bedanke, die an diesem kommunikativen Prozess teilhatten und mich begleitet haben. Zunächst gebührt an erster Stelle meiner Doktormutter Prof. Dr.  Dorothea Weltecke Dank, die keine Bedenken hatte, mich als Theologen und Orientalisten in der Geschichtswissenschaft als Doktorand aufzunehmen. Während meiner Arbeit an der Dissertation und auch noch danach war sie mir in zahlreichen Diskussionen eine herausragende wissenschaftliche Begleiterin, die mir immer genug Freiraum ließ, eigene Themen zu erarbeiten und eigene Akzente zu setzen, gleichzeitig aber immer auf mögliche Gefahren und Irrwege hinwies. Auch die gemeinsame Arbeit, zuerst an der Universität Konstanz und später an der Universität Frankfurt, haben mich und meine wissenschaftliche Arbeit stark geprägt. Des Weiteren möchte ich Herrn Prof. Dr. Stefan Hauser

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Danksagung

danken, der in Konstanz meine Arbeit in ihrer Entstehungszeit ebenso begleitet hat. Seine wichtigen Anmerkungen und Kritikpunkte als Prüfungsvorsitzender haben die Qualität der Arbeit an wichtigen Stellen gesteigert. Des Weiteren möchte ich meinem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. Karl Pinggéra danken, einem wichtigen Gesprächspartner für mich im Bereich der ostsyrischen Mystik. Schließlich sei noch Herrn Prof. Dr. Daniel König für das notwendig gewordene Drittgutachten gedankt, dessen Anmerkungen zu Inhalt und Transkription des Arabischen ich ebenfalls noch in die vorliegende Arbeit einfließen lassen konnte. Während meiner Arbeit an der Dissertation war ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der „Forschungsstelle für Aramäische Studien“ angestellt, die von der Stiftung für Aramäische Studien1 finanziert wird. Sie hat meine Arbeit durch die Anstellung erst möglich gemacht. Den Stiftern – Aramäern, die die Erforschung ihrer Geschichte und Kultur vorantreiben möchten – sei herzlich gedankt. In einer Zeit, in der geisteswissenschaftliche Forschung zunehmend unter Rechtfertigungsdruck gerät und Forschende selbst immer wieder nach dem Sinn der eigenen Arbeit gefragt werden, ist derartiges privates Engagement eine Stärkung der unabhängigen, freien Forschung. Die Stiftung hat auch die Kosten der Veröffentlichung getragen, wofür ich ein weiteres herzliches tawdī sagen möchte. Hier ist auch besonders meinem Kollegen und Freund Zeki Bilgic zu danken, der als Koordinator zwischen der Stiftung und der Forschungsstelle immer für mich da war und auch als Wissenschaftler diese Arbeit unterstützt hat, z. B. durch Korrekturen und Beratung bei der Übersetzung und dem Verständnis syrischer und arabischer Texte. Obwohl als Stipendiat nur ein Jahr in der Forschungsstelle tätig, hat mich auch Herr George Toro aus Aleppo in der frühen Zeit meiner Dissertation mit seiner Expertise des Syrischen und des Arabischen sehr unterstützt, wofür ich mich auch bei ihm bedanken möchte. Ebenso hat Herr Dominik Giesen, bis 2019 Mitarbeiter der Forschungsstelle, meine Arbeit begleitet. Zwar ist er als Historiker auf die Moderne spezialisiert, jedoch hatte er für allgemeine Fragen immer ein offenes Ohr. Auch hat er mir als Kollege stets den Rücken frei gehalten, wenn es mal nötig war. An der Universität Konstanz lag gleich um die Ecke des Büros der Forschungsstelle für Aramäische Studien das Büro von Dr. Eleonor Coghill, die heute Professorin für Semitistik an der Universität Uppsala ist. Sie konnte mir bei einigen Fragen zu kniffligen syrischen Formulierungen helfen. Ebenso möchte ich die zahlreichen Kaffeepausen nicht missen, in der wir uns über

1 http://www.nisibin.de/

Danksagung

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allerlei Themen, die die syrische Sprache und Kultur betrafen, austauschten. Persönliche Gespräche zur Dissertation und Strukturierung meiner Arbeit und meiner Arbeitsweise führte ich mit Esther Schallenberg, der ich ebenso sehr danken möchte. Ebenso waren für diese Arbeit die Oberseminare bzw. Kolloquien von Bedeutung, in denen SchülerInnen von Dorothea Weltecke und Interessierte regelmäßig ihre Anmerkungen und Kritikpunkte zu meiner Arbeit äußerten. Dies waren im Laufe der Zeit zahlreiche ForscherInnen und Studierende. Ihnen allen sei gedankt. Besonders möchte ich mich bei meinen KommilitonInnen und FreundInnen Mareike Hartmann, Hanna Nüllen, Lukas-Daniel Barwitzki und Barbara Walter-Jeanrenaud bedanken, die sich der zeitintensiven Aufgabe annahmen, meine Arbeit Korrektur zu lesen. Herr Prof. Dr. István Perczel hatte mir sein Transkript der indischen Fragmente zugesandt, sodass ich diese mit den anderen Handschriften vergleichen konnte, und hat mit mir meine Ergebnisse mehrmals diskutiert. Dr. Monika Blanchard ermöglichte mir, an der Catholic University of America die Handschrift W einzusehen und abzufotografieren. Julie Dietman von der Hill Monastery and Manuscript Library hat mir seit 2015 die Einsicht in zahlreiche Handschriften ermöglicht. Ich bin sehr froh, dass ich sie im Sommer 2019 endlich kennenlernen konnte, als ich mithilfe des Swanson Family Fellowship persönlich an der HMML forschen konnte. Jessica Tearney-Pearce sandte mir Fotografien der Handschrift C zu, die aufzunehmen sie sich selbst die Mühe gemacht hatte. Sie alle haben mir mit ihrer Arbeit geholfen, dieses Werk bis zur Drucklegung zu bringen. Ihnen sei herzlich gedankt. Zum Schluss möchte ich auch meiner Familie danken, die mich während der üblichen emotionalen Ausnahmesituationen einer Dissertation ausgehalten und unterstützt hat. So sehr mich die oben genannten Personen beeinflusst, beraten und unterstützt haben, ohne meine Familie hätte ich es nicht geschafft.

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung �������������������������������������������������������������������������������������������������������� 13 2. Die Vita des Josef Busnāyā ���������������������������������������������������������������������� 19

2.1. Die Überlieferungsgeschichte ����������������������������������������������������������������� 19 2.1.1. Übersetzungen und Handschriften ���������������������������������������������  19 2.1.1.1. Handschrift V �������������������������������������������������������������������  20 2.1.1.2. Handschrift C �������������������������������������������������������������������  22 2.1.1.3. Handschriften der Alqūš-Familie (Al) �������������������������  22 2.1.1.4. Die Vorlagen der arabischen Übersetzung ������������������  28 2.1.2. Die Fragmente der indischen Überlieferung �����������������������������  29 2.1.3. Zeugen ����������������������������������������������������������������������������������������������  30 2.1.4. Die textuelle Integrität �������������������������������������������������������������������� 31



2.2. Der Autor ��������������������������������������������������������������������������������������������������  34

2.3. Aufbau und Struktur der Vita ���������������������������������������������������������������� 39 2.3.1. Die tašʿīṯā des Josef Busnāyā ���������������������������������������������������������  40 2.3.2. Historia monachorum ��������������������������������������������������������������������  42 2.3.3. Lehrrede und Lehrtraktat �������������������������������������������������������������  44 2.3.4. Struktur der Vita als Ganze ����������������������������������������������������������  45

2.4. Die Vita als hagiographisches Werk �����������������������������������������������������  46 2.4.1. Quellenkritik und Hagiographie �������������������������������������������������  46 2.4.2. Verortung der Vita des Josef Busnāyā �����������������������������������������  49 2.4.3. Konsequenzen für die Arbeit mit dem Text �������������������������������� 51



2.5. Das historische Umfeld der Vita ������������������������������������������������������������ 53 2.5.1. Der zeitliche und räumliche Rahmen �����������������������������������������  53 2.5.1.1. Die zeitlichen und räumlichen Daten der Vita des Josef Busnāyā ��������������������������������������������������������������  53 2.5.1.2. Der Konflikt zwischen Būyiden und Ḥamdāniden ����  54



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Inhaltsverzeichnis

2.5.2. Religiöser und kultureller Rahmen – Ostsyrische Mystik und abrahamitische Klosterreform als Verstehenshorizont der Vita �������������������������������������������������������   57 2.5.2.1. Die antimonastische Zeit der Kirche des Ostens �����   57 2.5.2.2. Die Reformbewegung des Abraham von Kaškar �����   58 2.5.2.3. Der sogenannte ostsyrische Messalianismus ������������   60 2.5.2.4. Die ostsyrische Mystik �������������������������������������������������   61 2.5.2.5. Der Konflikt zwischen ostsyrischer Mystik und der Kirche �����������������������������������������������������������������������   64

3. Darstellung der Klöster in der Vita des Josef Busnāyā ������������   67

3.1. Die Geschichte der Klöster der Vita des Josef Busnāyā ��������������������   68 3.1.1. Das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē �������������������������������������������������������   68 3.1.2. Das Kloster des Rabbān Hormizd ���������������������������������������������   75 3.1.3. Das Kloster von Īnēšk ������������������������������������������������������������������   77

3.2. Der Aufbau des Klosters �����������������������������������������������������������������������   78 3.2.1. ʿumrā und dayrā: Zwei monastische Formen? �������������������������   78 3.2.2. Der Aufbau der ʿumrē in der Vita des Josef Busnāyā ��������������   82

4. Das monastische Leben ��������������������������������������������������������������������������   91

4.1. Die ersten Jahre als Mönch ������������������������������������������������������������������   95

4.2. Das Leben in der Abgeschiedenheit ���������������������������������������������������  100 4.2.1. Die Struktur des Tages ����������������������������������������������������������������  102 4.2.2. Die Zelle ������������������������������������������������������������������������������������������ 110 4.2.3. Das Fasten ��������������������������������������������������������������������������������������  112 4.2.3.1. Fasten als asketische Übung der Eremiten ����������������� 113 4.2.3.2. Das Nasiräertum (nazīrūṯā) ������������������������������������������ 114 4.2.3.3. Das Fasten während der Fastenzeit ����������������������������� 116 4.2.3.4. Abweichungen ���������������������������������������������������������������� 117 4.2.4. Die tugendhaften Alten und der Abt ������������������������������������������ 118

4.3. Frauen im Kloster ����������������������������������������������������������������������������������  124



4.4. Die Mobilität der Mönche ��������������������������������������������������������������������  125

Inhaltsverzeichnis

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5. Bildung und Wissen im Kloster ���������������������������������������������������������� 131

5.1. Erkenntnis und Lehre: Die monastische Unterweisung ������������������� 131



5.2. Monastische Bildung �����������������������������������������������������������������������������  136 5.2.1. Syrischkenntnisse �������������������������������������������������������������������������  136 5.2.2. Inhalt der Lektüre ������������������������������������������������������������������������  139



5.3. Theologische Bildung ����������������������������������������������������������������������������� 145



5.4. Johannes bar Kalduns Synthese im Kontext der Tradition der Kirche des Ostens ����������������������������������������������������������������������������������� 157

6. Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters ������������� 161

6.1. Die heilsgeschichtliche Verortung des Klosters ��������������������������������� 162

6.2. Die Lehrer des Josef Busnāyā ���������������������������������������������������������������� 169 6.2.1. Das Kloster des Rabbān Hormizd ���������������������������������������������  169 6.2.1.1. Māranzḵā ������������������������������������������������������������������������  169 6.2.1.2. Der Kreis um Johannes von Ḥelap̄ tā ��������������������������  170 6.2.2. Das Obere Kloster des Mār Gabriel in Mosul ��������������������������  173 6.2.3. Das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē �������������������������������������������������������  175

6.3. Das Klosternetzwerk ������������������������������������������������������������������������������ 177

7. Das Kloster als Wirtschaftsbetrieb ��������������������������������������������������� 181

7.1. Arbeitsteilung und Subsistenzwirtschaft �������������������������������������������� 181



7.2. Einnahmequellen des Klosters ������������������������������������������������������������� 183



7.3. Besitz und Armut der Mönche ������������������������������������������������������������  190



7.4. Ausgaben des Klosters ��������������������������������������������������������������������������  198

8. Die Außenbeziehungen des Klosters �����������������������������������������������  203

8.1. Die mhaymnē und die ḥanpē ���������������������������������������������������������������  203

8.2. Die Kartwāyē, Ṭayyāyē und Taʿēlwāyē ������������������������������������������������� 210

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Inhaltsverzeichnis

8.2.1. Die Kartwāyē/Kurden ������������������������������������������������������������������� 211 8.2.1.1. Begriffsgeschichte ����������������������������������������������������������� 211 8.2.1.2. Die Kurden: Ein Ethnonym oder ein Stereotyp? ������  215 8.2.2. Taʿēlwāyē �����������������������������������������������������������������������������������������  219 8.2.3. Die Ṭayyāyē und Harzdāyē ����������������������������������������������������������  222

8.3. Das Kloster als Ort multi-religiöser Begegnung �������������������������������  224

9. Resümee ��������������������������������������������������������������������������������������������������������  239 Transkription ����������������������������������������������������������������������������������������������������  247 Abkürzungsverzeichnis ��������������������������������������������������������������������������������� 251 Handschriftenverzeichnis ���������������������������������������������������������������������������  253 Literaturverzeichnis ��������������������������������������������������������������������������������������  255

1.  Einleitung In einer seiner Lehrreden erklärte Josef Busnāyā seinen Schülern, dass es drei Wege gebe, die einen Mönch in das Himmelreich führen:  „Entweder in der Zelle in der Abgeschiedenheit zu sitzen; oder die Sorge für die Lehre und die Ordnung im Tempel; oder in den Weinbergen und auf den Feldern zu arbeiten.“2 Wer sich eingehend mit der monastischen Tradition der Kirche des Ostens beschäftigt, wird sich über diese Aussage wundern. In der monastischen Literatur wird immer nur der erste Weg als derjenige, der den Menschen perfekt macht und ihn über alle Dinge erhebt, behandelt. Auch Josef Busnāyā betont im weiteren Verlauf seiner Lehrrede, dass der erste der genannten Wege, das Leben in der Abgeschiedenheit der Zelle, der beste sei. Doch die Tatsache, dass die anderen beiden Wege – d. h. die kirchliche Laufbahn und die körperliche Arbeit – ihre Berechtigung und Würdigung erfahren, ist einzigartig. Josef Busnāyā akzeptiert hier eine Realität, mit der sich die monastische Tradition immer schwergetan hat: Ein Kloster ist nicht nur ein Ort des stillen Rückzugs im Gebet, sondern eine Institution, die wirtschaftet, mit der Außenwelt interagiert, Handel treibt und zahlreiche Besucher hat. Die vorliegende Arbeit fragt nach dieser Institution und versucht sie in ihren verschiedenen Aspekten zu fassen. Sie konzentriert sich dabei auf nur eine Quelle, nämlich auf die Vita des Josef Busnāyā. Der Autor dieser Vita war Johannes bar Kaldun, der selbst Schüler und Sekretär dieses Eremiten war und sein Leben etwa zehn Jahre lang begleitete. Johannes beschreibt das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē aus seinem persönlichen Erleben, zeichnet so das Bild eines Klosters im Nordirak des 10. Jahrhunderts und verewigt dadurch einen kurzen Moment der Geschichte. Andere Quellen für diese Zeit und Region gibt es nicht. Mit der Vita des Josef Busnāyā zu arbeiten bedeutet daher unweigerlich, sich zum „Gefangenen einer einzigen Quelle“3 zu machen – und noch dazu einer hagiographischen. Es lohnt sich allerdings, sich mit ihr zu beschäftigen, auch wenn es schwierig ist, aus hagiographischen Quellen geschichtswissenschaftliche Aussagen zu destillieren. Zu eigentümlich ist dieser Text, zu wenig weiß man über seinen Kontext. Aus Sicht der Islamwissenschaft ist das 10. Jahrhundert 2 V fol. 172v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 182–183 (ROC 4, 389–390). Die deutschen Übersetzungen der Vita des Josef Busnāyā in dieser Arbeit stammen von mir auf Grundlage des syrischen Texts der Handschrift V. 3 Howell/Prevenier, Werkstatt, 122.

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Einleitung

die Zeit der Desintegration des ʿAbbāsidenkalifats und der Beginn einer verstärkten tribalen Dominanz, die bis ans Ende des 11. Jahrhunderts andauerte und den Niedergang des urbanen Lebens in vielen Gegenden zur Folge hatte.4 Vorangegangen war ein kontinuierlicher Niedergang der Agrarproduktion im ʿabbāsidischen Kernland, verbunden mit einem entsprechenden Niedergang der Steuereinnahmen.5 Auch aus der Perspektive der Kunde vom Christlichen Orient ist das 10.  Jahrhundert eine Zeit, aus der nur wenige Werke überliefert sind. Die wenigen Quellen, die bekannt sind, und auch spätere Texte sprechen von einer Krisenzeit.6 Es ist auch die Zeit, in der die syrische Sprache als Sprache der Theologie und Wissenschaft vom Arabischen verdrängt wird. Dies führte dazu, dass die anschließende Phase vermehrter syrisch-sprachiger Textproduktion des 12. und 13. Jahrhunderts als „Syrische Renaissance“ bezeichnet wird.7 Auch die Zeit vor dem 10. Jahrhundert wird als Blütezeit der Kirche des Ostens wahrgenommen. Das 10. und 11. Jahrhundert erscheinen so als eine Zeit des Übergangs, aus der wenig bekannt ist. Diese Stellung des 10.  Jahrhunderts innerhalb der Wissenschaft macht es lohnenswert, auf diesen Abschnitt der Geschichte zu blicken und dabei auch das Wagnis einzugehen, auf diese eine Quelle angewiesen zu sein und sie geschichtswissenschaftlich zu bearbeiten. Die Vita des Josef Busnāyā selbst wurde noch in kaum einer wissenschaftlichen Arbeit ausführlich behandelt. 4 Vgl. die knappe Zusammenfassung von Heidemann, Renaissance der Städte, 29–33. Ausführlicher Bonner, Waning und Kennedy, Late ʿAbbāsid Pattern. Zur tribalen Dominanz in dieser Zeit, vgl. Franz, Beutezug. 5 Vgl. Campopiano, State; Waines, Internal Crisis, vgl. auch Adams, Land, 84–111, besonders 84–89 und 97–106. 6 So die Vita des Josef Busnāyā selbst, aber auch andere Autoren, die zu dieser Zeit und später lebten. In der Biographie des Johannes von Mardin (gest. 1165) wird berichtet, dass er viele Klöster in Nordmesopotamien wiederbelebte, die seit „200 oder 300 Jahren“ in Ruinen lagen (Vööbus, Synodicon, II [textus] 202 (syr.); II [versio] 214 (engl.)). Elias von Nisibis (975–1046) berichtet in seiner zweisprachigen Chronik, dass bereits 1012 Kirchen und Klöster der Kirche des Ostens dezimiert worden seien (nach dem syrischen Text) bzw. in Unordnung geraten waren (nach dem arabischen Text), s. Elias von Nisibis, Opus chronologicum, I [textus] 71 (syr.), 72 (arab.); I [versio] 36 (lat.)). 7 Das erste Mal spricht Baumstark von der syrischen Renaissance (Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur, 285). Mit der Übernahme des Begriffs durch Peter Kawerau in seinem Werk Die Jakobitische Kirche im Zeitalter der Syrischen Renaissance (= Kawerau, Jakobitische Kirche) hat sich dieser Begriff etabliert, vgl. Teule/Tauwinkl/Haar Romeny/van Ginkel, Syriac Renaissance.

Einleitung

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Die französische Übersetzung dieses Texts von Jean-Baptiste Chabot erschien von 1897 bis 1900 sukzessive in der Revue d’Orient Chrétien.8 Seitdem floss ihr Inhalt zwar in zahlreiche Studien ein, blieb aber stets nur Ergänzung zu anderen Quellen und Fragen.9 Am ausführlichsten wurde die Vita im Werk von Johannes van der Ploeg über das syrische Mönchsleben10 und in den topographischen Studien von Jean Maurice Fiey11 rezipiert. Die meisten anderen Werke greifen die Vita nur in einer oberflächlichen Weise auf.12 Eine Ausnahme bildet das Werk von Georg Günter Blum, der in seinen Schriften über die ostsyrische Mystik immer auch die Vita einbezieht13 und in dessen umfangreicher Monographie über die mystische Bewegung im Orient die Lehre des Josef Busnāyā ein eigenes Kapitel erhält.14 Doch selbst er bezieht sich ausschließlich auf das achte Kapitel der Vita und berücksichtigt andere Teile nur beiläufig. Die einzigen Arbeiten, die sich ausschließlich der Vita widmen, schrieben Vincent van Vossel, der sich mit der Einordnung der asketischen Praxis und der Mystik der Mönche in der Vita beschäftigte,15 und Hugo Zanetti, der über den historischen Wert hagiographischer Werke anhand des Beispiels der Vita des Josef Busnāyā schrieb.16 Hintergrund dieser Situation ist auch, dass der Text nie in seiner syrischen Sprachgestalt ediert wurde und somit für die Forschung in gedruckter Form lediglich als Übersetzung zugänglich ist. Die Vita des Josef Busnāyā bietet daher einen Text, der bisher nur am Rande in die Erforschung dieser Zeit und Region sowie der Kirche des Ostens im Allgemeinen einfloss. So wird in dieser Arbeit eine neue Quelle für die Geschichte des orientalischen Christentums erschlossen. Die Vita des Josef Busnāyā spricht eine Fülle an Themen und Fragen an, die Gegenstand dieser Arbeit sind. Im Zentrum stehen das Kloster, seine Bewohner

8 ROC 2 (1897), 357–405; 3 (1898), 77–121, 168–190, 292–327, 458–480; 4 (1899) 380– 415; 5 (1900) 118–143, 182–200. 9 Z. B. Tamcke, Saḇrīšōʻ, 108, Anm. 570; Desprez, Eucharistie, 221; Walker, Ascetic Literacy, 337–338. 10 van der Ploeg, Monniksleven. 11 Besonders Fiey, Assyrie chrétienne; Fiey, Sanctuaires. 12 Ein Beispiel einer nur oberflächlichen Kenntnis des Textes bietet die Zusammenfassung der Vita in Wilmshurst, Martyred Church, 226–227, die fast keine Ähnlichkeit mehr mit dem Ursprungstext hat. 13 Blum, Nestorianismus, 291–292; Blum, Mysticism, 36–37. 14 Blum, Geschichte der Begegnung, 451–465. 15 van Vossel, Spiritualité monastique. 16 Zanetti, Saints Moines.

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und sein Umfeld. Für das Verständnis der Quelle und ihrer Zeit müssen dabei auch andere Zeiten und Räume berücksichtigt werden, da gerade aus dem direkten zeitlichen und räumlichen Umfeld nur wenige Informationen erhalten sind. Der Zweck dieser Arbeit ist es jedoch nicht, der Entwicklung des Monastizismus nachzuforschen und die Vita darin zu verorten. Vielmehr sollen das Kloster, seine Bewohner und sein Umfeld in der Form, wie sie in der Vita beschrieben werden, durch Vergleiche mit anderen Texten derselben monastischen Tradition besser greifbar werden. Das Vorgehen der vorliegenden Arbeit ist daher, den Text quellenkritisch zu beleuchten und ihn zunächst aus sich selbst sprechen zu lassen. Dadurch soll verhindert werden, dass Rückschlüsse aus anderen Regionen und Zeiten auf die Vita des Josef Busnāyā deren Aussagen verdunkeln. In diesem Zusammenhang gibt es zunächst das Problem, dass das Vokabular oft nicht evident ist. Hinzu kommt, dass bisher kaum wissenschaftliche Arbeiten zur Entwicklung des Sprachgebrauchs der syrischen Sprache im Mittelalter existieren. Der Rückgriff auf andere Quellen und Texte dient vor allem dazu, dieses Vokabular zu erhellen. Gleichzeitig finden sich in der Vita Dynamiken in narrativen und lehrenden Episoden, die ebenso allein aus dem Kontext der Vita schwierig zu erfassen sind und die Erläuterung durch wissenschaftliche Literatur und Quellen anderer Zeiten und Räume benötigen. Auf diese Weise können Inhalte besser verstanden werden, die nicht im Zentrum des Interesses Johannes bar Kalduns stehen. Jene bereits zu kennen setzte er als selbstverständlich voraus und erwähnte sie beiläufig ohne Erklärung. Die vorliegende Arbeit trägt diese Inhalte zusammen und ergänzt sie um Informationen aus anderen Quellen. Dabei bleiben viele Fragen letzten Endes offen, damit dem Diskurs nicht allzu spekulative Überlegungen angelastet werden können. Da sich die Arbeit auf eine einzige Quelle stützt, beginnt sie ihre Gliederung mit einer quellenkritischen Untersuchung der Vita des Josef Busnāyā (Kapitel 2). Weil bisher keine kritische Edition des Texts vorhanden ist, muss die vorliegende Arbeit auf die syrischen Handschriften zurückgreifen. Diese werden zusammen mit bekannten Fragmenten und Testimonien beschrieben und deren Überlieferungsgeschichte beleuchtet. Dabei muss auch diskutiert werden, inwieweit der Text als integer gelten kann. Im Anschluss wird auch Johannes bar Kaldun, der Autor der Vita, vorgestellt. Auch der Inhalt der Vita und ihre Struktur werden dargestellt und in die syrische Literaturgeschichte eingeordnet. Die geschichtswissenschaftliche Arbeit mit hagiographischen Texten wie der Vita erfordert ein besonderes methodisches Vorgehen. Daher werden Erkenntnisse des methodischen Umgangs mit hagiographischen Quellen aus der Geschichtswissenschaft zusammengefasst und auf den speziellen Fall der Vita übertragen. Für das Verständnis des Textes ist es ebenfalls wichtig,

Einleitung

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ihn zu kontextualisieren, d. h. ihn in seine Zeit und Region einzuordnen. Dies geschieht durch eine Vorstellung der dominierenden politischen Ereignisse, die besonders die Geschichte der nahen Stadt Mosul im 10. Jahrhundert prägten. Viele Aspekte des monastischen Lebens der Vita blieben unverständlich, wenn die monastische und ekklesiastische Tradition, aus der es hervorging, nicht berücksichtigt würde. Auch sie wird daher kurz vorgestellt. Nach der Darstellung der textuellen und methodischen Grundlagen und nachdem der zeitliche, räumliche und thematische Rahmen der Arbeit abgesteckt wurde, gehen die einzelnen Kapitel auf die konkreten Themen der Arbeit ein. Zunächst wird in Kapitel 3 auf das Kloster als physischer Ort eingegangen. Die drei Klöster, über deren Aufbau die Vita Informationen preisgibt, werden in ihrem historischen und geographischen Raum vorgestellt und ihr Aufbau, wie ihn die Vita darstellt, wiedergegeben. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Bewohnern des Klosters, den Mönchen. Ausführlich behandelt Johannes bar Kaldun ihre Karrieren und ihren Tagesablauf sowohl in narrativen Teilen als auch in lehrenden Abschnitten. Zur Darstellung der Bewohner gehört auch die Frage der Ausbildung und Unterweisung der Mönche in der Vita des Josef Busnāyā, auf die in Kapitel 5 eingegangen wird. Hier stellt sich die Frage, welche Kenntnisse ein Mönch im Kloster haben musste, haben sollte und haben durfte – und welche er nicht haben sollte. Sie führt aber auch aus dem Kloster heraus, da die theologische Bildung immer auch die Perspektive für eine Karriere in der kirchlichen Hierarchie eröffnete. Kapitel 6 führt ebenso aus dem Kloster heraus. Hier wird gezeigt, wie der Autor das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē in die kirchliche, monastische und regionale Tradition einordnet. Dies spielt für das Selbstverständnis des Autors eine wichtige Rolle. Auch danach steht das Umfeld des Klosters im Fokus. Zunächst werden in Kapitel 7 die ökonomischen Grundlagen des Klosters beschrieben. Obwohl gutes Wirtschaften für den Erfolg eines Klosters schon damals unerlässlich war, hat es für den Autor der Vita eine untergeordnete Bedeutung. Zu weit weg führte es den Eremiten von der Konzentration auf seine Askese und sein Gebet in der Zelle. Trotzdem wird aus der Vita deutlich, dass die Mönche durch ihre Arbeit auf doppelte Weise das wirtschaftliche Überleben des Klosters sicherten:  durch ihre Arbeit im Kloster als Agrarbetrieb und als Pilgerzentrum. Die Frage nach dem nicht monastischen Umfeld des Klosters wird im letzten Kapitel 8 behandelt. Hier werden zunächst die verschiedenen Gruppen behandelt, mit denen das Kloster interagierte. Dabei handelte es sich nicht nur um Christen, sondern auch um andere Gruppen wie Muslime und Kurden. Die in der Vita verwendeten Bezeichnungen sind nicht immer leicht zuzuordnen und auch das hinter diesen Begriffen liegende Verständnis der Gruppen ist nicht

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Einleitung

evident. Daher werden zunächst die einzelnen Gruppenbezeichnungen untersucht und soweit möglich bestimmt. Im Anschluss wird untersucht, auf welche Weise die Mönche und das Kloster mit diesen Gruppen interagieren. Die Darstellung dieser Interaktion ist in der Vita vor allem durch das Kloster als Ort religiösen Handelns und religiöser Begegnung geprägt. Sie wird im Unterkapitel 8.3 untersucht. In diesen Kapiteln soll so das Kloster nicht nur in einem kleinen Ausschnitt, sondern in seinen vielen verschiedenen Aspekten dargestellt und ausführlich untersucht werden. Aufgrund der Quellenform als hagiographischen Text und des speziellen Fokus von Johannes bar Kaldun sind die einzelnen Themen in der Vita jedoch unterschiedlich stark gewichtet. Entsprechend sind auch die Kapitel der vorliegenden Arbeit in ihrem Aufbau, und Detailliertheit unterschiedlich. Jedoch können sie sich gerade in der gemeinsamen Betrachtung gegenseitig erhellen und besser verständlich machen.

2. Die Vita des Josef Busnāyā 2.1.  Die Überlieferungsgeschichte 2.1.1.  Ü bersetzungen und Handschriften Obwohl die Bedeutung der Vita des Josef Busnāyā für die Erforschung des Monastizismus der Kirche des Ostens immer wieder betont wurde, wurde der Text niemals ediert. Vorarbeiten zur Überlieferungsgeschichte des Texts liegen nicht vor, weswegen folgend eine Diskussion derselben geschehen soll.17 Sie ersetzt keine noch zu erfolgende textkritische Edition, soll aber die textuelle Grundlage dieser Arbeit absichern. Insgesamt sind 14 Handschriften in der Literatur belegt, die die Vita des Josef Busnāyā enthalten. Der Verbleib von zehn dieser Handschriften ist heute bekannt (s. Tab. 1), der Verbleib von vier weiteren ist unklar.18 Zusätzlich zu diesen sind Fragmente der Vita in drei Handschriften aus einer indischen Überlieferung erhalten (s. Tab. 2) sowie mehrere Handschriften, die etwa eine Seite der Vita im Werk des ʿAḇdmšiḥā von Ḥirtā überliefern. Von diesen Handschriften lagen mir B, C (in Auszügen), E, M, T, V und W als Fotografie oder als Kopie eines Mikrofiche vor. Eine von mir geplante Reise, um die Handschriften K, L, U und die fehlenden Teile von C in den britischen Museen persönlich zu untersuchen, musste aufgrund der Beschränkungen durch die Corona-Pandemie leider entfallen. Aufgrund der Arbeit von Perczel kann jedoch eine Einschätzung der Version der Handschrift U erfolgen. Die mir als Fotografie vorliegenden Auszüge von C erlauben hier eine vorläufige Einschätzung. Keine Aussagen können jedoch zu K und L gemacht werden, von denen ich zudem erst nach der Abgabe meines Dissertationsmanuskripts erfuhr. Ebenso erschien es aufgrund der aktuellen politischen Lage im Irak nicht ratsam, die Manuskripte F, G und H persönlich einzusehen, zudem wurde mir mitgeteilt, dass eine Einsicht vor Ort nicht möglich sei. Hier erlaubt aber der vermutliche Entstehungshintergrund der Handschrift B eine Einschätzung.

17 Die folgende Diskussion ist das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit den Textzeugen. Zurzeit bereite ich eine Edition des Textes sowie eine Übersetzung vor. 18 Das sind 1.) die Vorlage der französischen Übersetzung, 2.) zwei der drei Vorlagen der arabischen Übersetzung und 3.) die Handschrift aus den Katalogen von Vosté und Scher und wahrscheinliche direkte bzw. indirekte Vorlage von B, F, G und H.

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Die Vita des Josef Busnāyā

Tab. 1:  Lokalisierte Handschriften Kürzel Aktueller Standort V Città del Vaticano, Biblioteca Vaticana C Cambridge, University Library L London, British Library M Birmingham, Cadbury Research Library K London, British Library W Washington, DC, Catholic University of America F Alqūš, Kloster Schützerin der Saaten G Alqūš, Kloster Schützerin der Saaten H Alqūš, Kloster Schützerin der Saaten B Bagdad, Chaldäisches Patriarchat von Babylon

Signatur Vat. Sir. 467 Or. 1315 Or. 9387 Ming. Syr. 66 Or. 9388 Syr 11

Entstehungsort Entstehungszeit Mosul 1186 Urmia? ? Tall Kayf

19. Jh. 19. Jh. 1893 1893 1889

548

Alqūš Rabbān Hormizd Alqūš

549

Alqūš

1959

550

Alqūš

1959

CNMO 193

Bagdad

1965

1951

Der Text wurde dreimal übersetzt. Eine Übersetzung in das Französische stammt von Jean-Baptiste Chabot und wurde in der Revue de l’Orient Chrétien zwischen 1897 und 190019 veröffentlicht. 1900 erschien die Übersetzung in einem Sonderband.20 Die französische Übersetzung ist die Grundlage einer 2005 erschienenen italienischen Übersetzung, die daher für die vorliegende Arbeit ohne Belang ist.21 Eine arabische Übersetzung wurde von dem Priester Yūḥannān Ǧūlāġ aus Mosul 1983 herausgegeben.22

2.1.1.1.  Handschrift V Die wichtigste der Handschriften ist der älteste Textzeuge. Dabei handelt es sich um die Handschrift Vat. Sir. 467 (V), die in der Biblioteca Apostolica Vaticana

19 Revue de l’Orient Chrétien 2 (1897), 357–405; 3 (1898), 77–121, 168–190, 292–327, 458–480; 4 (1899) 380–415; 5 (1900) 118–143, 182–200; in Folge ROC. 20 Bar Kaldun, Youssef Bousnaya. 21 Bar Kaldun, Giuseppe Busnaya. 22 Bar Kaldun, Yūsuf Būsanāyā.

Die Überlieferungsgeschichte

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aufbewahrt wird.23 Sie umfasst auf fol. 1v–222r die Vita, gefolgt von einem Kolophon (222r–223r) und einer Hymne auf Josef Busnāyā, die eine Zusammenfassung der Vita darstellt (223r–230v).24 Schließlich folgen auf den letzten z. T. stark beschädigten Folien kürzere Geschichten und Anekdoten, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Vita des Josef Busnāyā stehen. Die Handschrift ist als Digitalisat auf der Homepage der Bibliothek der Öffentlichkeit zugänglich.25 Sie wurde 1871 vom damaligen Erzbischof von ʿAmādiyya und späteren chaldäischen Patriarchen Gīwargīs ʿAḇdīšōʿ Ḫayyāṭ26 der Biblioteca Apostolica Vaticana als Geschenk überreicht, wie aus einem Begleitschreiben hervorgeht.27 Angefertigt wurde sie im Jahr 1186 n. Chr./582 H.28 im Kloster des Mār Elias nördlich von Mosul.29 Einer weiteren Notiz in der Handschrift30 zufolge befand sie sich im Besitz des Katholikos-Patriarchen Mār Elias, Sohn des Priesters Gīwargīs, aus der Familie Mamā. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Mār Elias VI., der von 1558/9 bis 1591 in Alqūš die Kirche des Ostens leitete.31 Ḫayyāṭ schreibt in seinen einleitenden Worten, dass er die Handschrift von dessen Familie erworben habe.32 Der ursprüngliche Umfang ist heute nicht mehr erhalten, fast alle fehlenden Seiten wurden aber von einer jüngeren Hand

2 3 Eine Beschreibung der Handschrift findet sich in van Lantschoot, Inventaire, 7. 24 Zu diesem Hymnus vgl. auch Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 245–246 (ROC 5, 194–195). 25 http://digi.vatlib.it/view/MSS_Vat.sir.467. 26 Zu diesem Bischof und späteren Patriarchen vgl. Wilmshurst, Ecclesiastical Organisation, 741. 27 V, fol. 1r. 28 V, fol. 222v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 244–245 (ROC 5, 192–195). Der Kolophon gibt hier drei verschiedene Zeitrechnungen an: 1055 n. Chr., 582 H. und 6679 nach der Erschaffung Adams. Diese Daten stimmen nicht überein, da das Jahr 1055 n. Chr. dem Jahr 446/447 H. entspricht, das Jahr 582 H. hingegen dem Jahr 1186. Der Kopist war vermutlich mit der christlichen Zeitrechnung nicht vertraut, da die syrische Handschriftentradition vor allem der seleukidischen und der muslimischen Zeitrechnung folgt. Chabot gibt der arabischen Jahreszahl den Vorzug (Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 244 (ROC 5, 193), Anm. 5). Gestützt werden seine Überlegungen durch die Erwähnung der zweiten Belagerung Mosuls durch Ṣalāḥaddīn im Jahr 1185. 29 V, fol. 223r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 244 (ROC 5, 195). 30 V, fol. 80v. 31 Mehr zu diesem Katholikos-Patriarchen, s. Murre-van den Berg, Patriarchs, 242–244. 32 V, fol. 1r.

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Die Vita des Josef Busnāyā

ergänzt.33 Ḫayyāṭ merkt in einem Brief an, dass diese Ergänzungen auf der Grundlage einer Handschrift aus dem Kloster des Rabbān Hormizd angefertigt wurden. Diese wiederum soll eine Kopie der Handschrift V gewesen sein, die angefertigt worden sei, als jene noch komplett war. Die später ergänzten Seiten müssen dennoch als jüngere Textzeugen behandelt werden. Ḫayyāṭ merkt des Weiteren an, dass „nur ein oder zwei wenig interessante Seiten in dem langen Vorwort zu fehlen scheinen“.34 Dabei handelt es sich um das Ende des Vorworts und den Anfang einer Hymne auf den Schöpfer. Der Text dieser Seite kann aus der indischen Überlieferung und der Handschrift B ergänzt werden. Diese Handschrift lag mir als digitale Kopie vor und bildet die Grundlage für meine deutschen Übersetzungen.

2.1.1.2.  Handschrift C Eine weitere Handschrift ist Or. 1315 aus der Jenks Sammlung der orientalischen Sammlung der University of Cambridge (C).35 Der Kolophon datiert die Handschrift in das Jahr 1811 seleukidischer Zeit.36 Dies entspricht dem Jahr 1499/1500 n.  Chr. Wie bereits Goodman angemerkt hat, weist das Schriftbild jedoch eher in das 19. Jh.37 Weitere Angaben sind in dem Kolophon nicht enthalten. Der anglikanische Missionar David Jenks erwarb die Handschrift wohl während seiner Zeit in Urmia (1892 bis 1899), möglicherweise entstand die Handschrift auch dort. Später vermachte er seine Sammlung dem Pemroke College, das sie wiederum an die Universitätsbibliothek weitergab.38 Die ersten vier Hefte à 10 Folien (= 40 Folien) fehlen, die Handschrift umfasst ohne diese 140 Folien.39 Die Handschrift lag mir als Fotografie in Auszügen vor.

2.1.1.3.  Handschriften der Alqūš-Familie (Al) Ende des 19.  Jahrhunderts und im 20.  Jahrhundert entstanden eine Reihe von Handschriften, deren Texte eng miteinander verwandt sind. Man kann

3 3 Es handelt sich um die Folia 8, 18, 39, 58, 89, 159 und 168. 34 „[…] non pare che manchi che solamente una o due pagine poco interssanti nella lunga prefazione.“ V, fol. 1v. 35 Goodman, Jenks Collection, 594. 36 Goodman schreibt 1911, s. aber C, fol. 140v. 37 Goodman, Jenks Collection, 594. 38 Goodman, Jenks Collection, 581. 39 Die Handschrift setzt kurz vor der Erzählung über den Priester Markus von Mār Peṯyōn ein. V, fol. 55r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 58 (ROC 3, 87).

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sie daher in einer Familie zusammenfassen. Ihr Entstehungszusammenhang lässt vermuten, dass all diese Handschriften von einer gemeinsamen Vorlage abhängen. Zu dieser Familie gehören die Handschriften M, W, B sowie sehr wahrscheinlich die mir nicht vorliegenden Handschriften F, G und H. Anhand der Übersetzung von Chabot kann auch die ihm vorliegende, leider inzwischen verlorene Handschrift dieser Familie zugeordnet werden. ‒ Handschrift  M Aus dem Jahre 1893 stammt die Handschrift der berühmten MinganaSammlung in Birmingham Ming. Syr. 66 (M).40 Sie wurde in Tall Kayf für einen Auftraggeber in Mosul angefertigt und umfasst 242 Folien ausschließlich mit der Vita des Josef Busnāyā.41.Zusammen mit den meisten anderen Handschriften der Sammlung in Birmingham wurde sie wohl in den 1920erJahren von Alfons Mingana in der Gegend von Mosul erworben.42 Sie weist umfangreiche Lücken auf, die sie wohl aus der Vorlage übernommen hat und die mit den Lücken der Handschrift W übereinstimmen.43 ‒ Handschrift  W In der Bibliothek der Catholic University of America (CUA) befindet sich eine Handschrift aus dem Jahr 1889 (W).44 Die Handschrift stammt aus der Sammlung des ersten Orientalistik-Professors der CUA, Henry Hyvernat. Er erwarb sie auf einer Reise in den Nahen Osten 1888 bis 1889. Die Handschrift wurde für Hyvernat im Kloster des Rabbān Hormizd angefertigt.45 Die Handschrift umfasst 176 Folien und enthält nur die Vita des Josef Busnāyā. Sie enthält größere Lücken, die mit denen der Handschrift M exakt übereinstimmen.46 ‒ Die Vorlage der französischen Übersetzung Die Handschrift, die Chabot als Vorlage für die französische Übersetzung diente, befand sich in Leuven im Besitz des Sekretariats des Corpus

4 0 41 42 43

Vgl. Mingana, Catalogue, I 168–169. M, fol. 241v. Mingana, Catalogue, I v. Diese größeren Lücken befinden sich auf den Folien 9r–11r, 35v–36v, 46v–47v, 90r, 90v–91v, 101v–102v, 123v–124r, 143r–143v, 187v–188v, 220v–221v, 235v–236v und 239v–240v. 4 4 Syr. 11, s. Clemons, Checklist, 507. 4 5 W, fol. 176v; vgl. Catholic University of America, Travels of Henri Hyvernat, 13. 46 Die Lücken befinden sich auf den Folien 7r–8v, 26v–27v, 35r–36r, 66r, 66v–68r, 74v– 75v, 90v–91v, 105r–105v, 136v, 160r–161r, 171v–172v und 174v–175r.

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Die Vita des Josef Busnāyā

Scriptorum Christianorum Orientalium,47 ist heute aber nicht mehr auffindbar.48 Nach Chabot hat Šmūʾēl Ǧamīl49 die Handschrift 1897 in Rom als Kopie von V erstellt.50 Vergleicht man die französische Übersetzung jedoch mit den anderen Handschriften, so fällt auf, dass sie vermutlich zur selben Handschriftenfamilie wie B und und W gehört, da sie die gleichen Differenzierungsmerkmale enthält. Es ist daher zu vermuten, dass Šmūʾēl Ǧamīl eine Kopie der Vorlage von M und W anfertigen ließ bzw. angefertigt hat und die umfangreichen Lücken, die diese Familien auszeichnen, anhand der Handschrift V in Rom gefüllt hat und an Chabot sandte. Die Übersetzung von Chabot beruht daher größtenteils auf der Handschriftenfamilie Al und ist damit ein Zeuge dieser Familie, deren Vorlage verloren ist. Die Grundlage weiterer Teile der Handschrift von Chabot ist die Handschrift V. Die etwa ein Folio umfassende Lücke, die sowohl in Al als auch in V zu finden ist, ist auch in der Übersetzung von Chabot enthalten, obgleich dies in der Übersetzung nicht markiert ist. Stattdessen wird der unterbrochene Satz vor der Lücke mit dem halben Satz nach der Lücke trotz eines Wechsels von dritter zu zweiter Person zusammengezogen. Ob dies auf Chabot zurückgeht oder bereits in der Kopie der Handschrift so angelegt war, muss bis zum Wiederauffinden dieser Handschrift offenbleiben. ‒ Die Handschriften B, F, G und H Die Handschriften F, G und H befinden sich im chaldäischen Kloster Schützerin der Saaten bei Alqūš.51, das auf die Bibliothek des Klosters von Rabbān Hormizd zurückgeht.52 Es handelt sich um die Handschriften Nr. 548, 549 4 7 48 49 50 51

Halleux, Manuscrits syriaques, 35, Anm. 3. Nach persönlicher Auskunkft von Prof. Dr. Andrea Schmidt. Zu Šmūʾēl Ǧamīl und seiner Bedeutung in der Chaldäischen Kirche, s. Kiraz, Jamīl. Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, i–ii. Dieses chaldäische Kloster ist unter seinem französischen Namen Notre-Dame des Semance bekannt geworden. Seine Geschichte ist eng mit der Geschichte des Klosters von Rabbān Hormizd verknüpft. Vgl. daher zu seiner Geschichte Anm. 52. Ich verwende hier den deutschen Namen, den Hubert Kaufhold in seinen Werken verwendet, z. B. in Gabriel von Baṣra, Rechtssammlung, 24. Die Bibliothek befand sich lange im Chaldäischen Dawra-Kloster in Bagdad vgl. van Vossel, Spiritualité monastique, 157. Columban Stewart teilte mir mit, dass sich die Handschriften aktuell wieder in Alqūš befinden, persönliche E-Mail vom 15.10.15. 52 Für die bewegte Geschichte dieses Klosters und seiner Bibliothek, s. Scher, Notre-Damedes-Semences; Vosté, Notre-Dame des Semences; Fiey, Assyrie chrétienne, II 533–553; Macomber, Syriac Manuscripts, 476–477 und Wilmshurst, Ecclesiastical Organisation, 258–270. Für eine äußerst hilfreiche Konkordanz der Kataloge von Scher,

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und 550.53 Diese Handschriften konnten von mir bisher nicht eingesehen werden. Sie wurden in den Jahren 1951 (548) und 1959 (549 und 550) kopiert. Nach Angaben von Vincent van Vossel sind die Handschriften 549 und 550 vollständig, während 548 vor allem in Kapitel 8 große Kürzungen aufweist.54 Alle drei enthalten allein den Text der Vita55 und basieren auf einer älteren Handschrift, die in den Katalogen des Klosters von Addai Scher und Jacques Vosté auftaucht.56 Diese Vorlage stammt aus dem Jahr 1879 und ist nach Aussagen von Scher und Vosté unvollständig. Allerdings weist eine handschriftliche Notiz in der im Internet zugänglichen57 Ausgabe des Handschriftenkatalogs von Vosté in der Bibliothek der Dominikaner in Mosul darauf hin, dass die Handschrift 1933 „gemäß einer alten Handschrift eines Priesters aus Tiyari“58 vervollständigt wurde. Wo der gegenwärtige Aufenthaltsort dieser Handschrift ist, lässt sich der Notiz nicht entnehmen. Dieser Vermerk erklärt, warum die Handschriften G und H keine Lücken enthalten. Die Auslassungen in F sind vorsätzliche Kürzungen und nicht durch die Kopie einer lückenhaften Vorlage zu erklären. Der Verbleib der bei Scher und Vosté beschriebenen Vorlage von F, G und H ist ungewiss: Nach William Macomber wurde sie um 1960 mit einer Reihe weiterer Handschriften aus dem Muttergotteskloster Schützerin der Saaten in das Mār Gīwargīs Kloster bei Mosul verbracht und befand sich noch 1966 dort.59 Später wurden sie ins Dawra-Kloster in Bagdad gebracht, im Katalog von Ḥaddād von 1983 fehlt die Handschrift jedoch.60 Sie ist in der Zeit zwischen 1966 und 1988 verloren gegangen.

Notre-Dame-des-Semences, Vosté, Notre-Dame des Semences und Ḥaddād, Ḫizānat ar-Rahbāniyya al-Kaldāniyya, I s. Wilmshurst, Ecclesiastical Organisation, 372–375 und Ḥaddād, Ḫizānat ar-Rahbāniyya al-Kaldāniyya, I 513–516. 53 Vgl. Ḥaddād, Ḫizānat ar-Rahbāniyya al-Kaldāniyya, I 247–248. 54 S. van Vossel, Spiritualité monastique, 157, Anm. 8. 55 Ḥaddād, Ḫizānat ar-Rahbāniyya al-Kaldāniyya, I 247–248. 56 Scher, Notre-Dame-des-Semences, 64, Handschrift Nr. 95 bzw. Vosté, Notre-Dame des Semences, 74, Handschrift Nr. 195. Vgl. van Vossel, Spiritualité monastique, 155. 57 https://archive.org/stream/CatalogueDeLaBibliothqueSyro-chaldenneDuCouventDeNotre-dameDes/Cat122N-dDesSemencesvoste, S. 74, eingesehen am 26.05.2020. 58 „complétes en 1933 d’après un mss. ancient d’un prêtre tiarien,“ ebd. S. 74. Tyari ist eine Region in dem bis 1915 von den Angehörigen der Kirche des Ostens bewohnten Hakkari-Gebirge. 59 Macomber, Syriac Manuscripts, 476–477. 60 Wilmshurst, Ecclesiastical Organisation, 373.

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Die Vita des Josef Busnāyā

Eine weitere Handschrift (B) dieser Familie befindet sich im Chaldäischen Patriarchat von Bagdad (CNMO 193). Sie ist digitalisiert in der Hill Monastery and Manuscript Library (HMML) an der St. John’s University in Collegetown, MN einsehbar (CPB 00193). Insgesamt umfasst die Handschrift 160 Folien. Sie stammt aus dem Jahr 1965 und wurde im Priesterseminar des Chaldäischen Patriarchats kopiert. Der Text der Vita liegt in einer gekürzten Fassung vor, vor allem in Kapitel 8 wurden umfangreiche Kürzungen vorgenommen. Seine Version stimmt mit den Lesarten der Handschriften M und W größtenteils überein. Er enthält aber auch Texte, die in den Handschriften M und W fehlen, u. a. fast den gesamten Text des Folios, der auch in V fehlt. Aufgrund der Ähnlichkeit der Handschrift B mit der Beschreibung der Handschrift F und wegen der Nähe des Kopierortes zum vermutlichen Aufenthaltsort von F gehe ich davon aus, dass B tatsächlich eine Kopie der bereits gekürzten Version von F ist. Dies würde sowohl die Übereinstimmung ihrer Lesarten mit der Handschriftenfamilie Al, das Fehlen der für diese Familie charakteristischen Lücken und den vorsätzlich gekürzten Text erklären. All diese Handschriften enthalten zahlreiche Lesarten, die sie gemeinsam gegenüber dem Text der anderen Handschriften besitzen. Die meisten hiervon sind von unbedeutender, zumeist stilistischer Art, die in ihrer Menge bereits die nahe Verwandtschaft dieser Handschriften nahelegen. Die auffälligsten und für die Familienzusammengehörigkeit maßgeblichen werden im Folgenden, soweit sie für die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind – mit einer Begründung, warum ich in dieser Arbeit jeweils der Lesart von Handschrift V folge –, aufgezählt: a) Die im sechsten Kapitel enthaltene Geschichte über den fiebernden Enkel eines Einwohners von Bēṯ Mūrdānī lautet in den Handschriften V (fol. 59v) und C (fol. 4v) wie folgt: W-īṯ wā leh barṯā. W-lāh l-barṯeh īṯ wā lāh brā aḵ bar ḥammeš šnayyīn („Er hatte eine Tochter und seine Tochter hatte einen Sohn von etwa 5 Jahren…“), während die Handschriften W (fol. 46r), M (fol. 62r) und B (fol. 51v) hier folgende Worte wiedergeben: w-īṯ wā leh brā aḵ bar ḥammeš šnayyīn („Er hatte einen Sohn von etwa 5 Jahren“). Hier ist wohl ein Zeilensprung vom syr. barṯā (‫„ )ܒܪܬܐ‬Tochter“ zu brā (‫„ )ܒܪܐ‬Sohn“ der Grund für eine Auslassung. Die arabische Übersetzung folgt der ersten Lesart61 und die französische Übersetzung folgt der zweiten Lesart.62 6 1 Bar Kaldun, Yūsuf Būsanāyā, 62. 62 Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 62 (ROC 3, 91), vgl. u. S. 223.

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b) In der Handschrift V werden an zwei Stellen die nicht identifizierten Harzdāyē (‫ )ܗܪܙܕܝܐ‬erwähnt (V fol. 59v bzw. V fol. 116v). An einer dieser Stellen gebrauchen die Handschriften W (fol. 46r), M (fol. 62r) und B (fol. 51v) den Begriff Rahzdāyē (‫)ܪܗܙܕܝܐ‬. An der anderen Stelle ist leider in den Handschriften W (fol. 91) und M (fol. 123v/124r) eine Lücke. B (fol. 94r) enthält hier wie V das Wort Harzdāyē. Die arabische63 und französische64 Übersetzung folgt dem Befund der Handschrift B, d. h. sie enthalten im ersten Fall Rahzdāyē und im zweiten Fall Harzdāyē. Abweichende Lesarten bei Eigennamen sind nicht unüblich, insbesondere dann, wenn die betreffenden Gruppen nicht mehr bekannt sind. Welche der beiden Lesarten die ursprünglichere ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Für die vorliegende Arbeit wird der Begriff Harzdāyē gebraucht, weil er in den älteren Handschriften verwendet und dort an beiden Stellen gebraucht wird.65 c) V schreibt in fol. 22r law hāḏē āmar nā („dies sage ich nicht…“), während die Handschriften M (fol. 23v), W (fol. 18r) und B (fol 19r) l-hāḏē āmar nā („dies sage ich…“) angeben. Aus dem Kontext wird ersichtlich,66 dass im argumentativen Gedankengang Johannes bar Kalduns das „nicht“ stehen muss, sodass ich auch hier der Meinung bin, dass die Version von V die ursprünglichere ist. Die arabische Übersetzung folgt der ersten Lesart67 und die französische Übersetzung folgt der zweiten Lesart.68 Neben diesen gemeinsamen Lesarten sind noch die umfangreichen Lücken zu nennen, die in den Handschriften W und M vorliegen und die dort exakt übereinstimmen. Wie in der Beschreibung der Handschriften dargelegt, wurden diese Lücken in der Vorlage der Handschriften F, G und H anhand einer weiteren Handschrift gefüllt. Dieser Text ist mir nur aus der Handschrift B bekannt und wird daher als eigene Texttradition behandelt.69

6 3 64 65 66 67 68 69

Bar Kaldun, Yūsuf Būsanāyā, 108. Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 120–121 (ROC 3, 297–298). Vgl. u. S. 222–224. Vgl. u. meine deutsche Übersetzung, S. 151–152. Bar Kaldun, Yūsuf Būsanāyā, 28. Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 22 (ROC 2, 380). In der vorliegenden Arbeit spielen diese Textstellen jedoch keine Rolle. An den meisten Stellen kann auf die Handschrift V zurückgegriffen werden. Die wenigen Stellen, an denen das nicht möglich ist, werden nicht zitiert.

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Die Vita des Josef Busnāyā

2.1.1.4.  Die Vorlagen der arabischen Übersetzung Die arabische Übersetzung von Yūḥannān Ǧūlāġ von 1983 beruht auf drei Handschriften. Eine davon ist die gekürzte Handschrift F aus dem Jahr 1951.70 Er kennt aber noch zwei weitere, die in westlichen Katalogen nicht auftauchen und deren aktuelle Aufbewahrungsorte unbekannt sind.71 Eine der beiden Handschriften wurde im Jahre 1907 in Ašīṯā kopiert. Diese befand sich zur Zeit der Abfassung der Übersetzung in einem Dorf namens Kīrānǧaq.72 Die unvollständige zweite Handschrift ist nicht datiert, wird aber vom Übersetzer als „sehr alt“ bezeichnet. Sie befand sich 1983 in einer privaten Sammlung in Alqūš. Ǧūlāġ gibt an, dass er diese alte Handschrift als Grundlage für seine Übersetzung genommen habe.73 Die arabische Übersetzung weist Merkmale der verschiedenen aus den syrischen Handschriften bekannten Lesarten auf. Am deutlichsten wird dies in den Fällen a) und b) der unterscheidenden Merkmale der Handschriftenfamilie Al, die sich in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. Im Fall a) folgt die Übersetzung der Handschrift V, im Fall b) der Handschriftenfamilie Al. Da Ǧūlāġ nicht angibt, welche Lesarten aus welchen Handschriften stammen, muss seine Übersetzung daher als ein schwieriger indirekter Zeuge des syrischen Textes gelten. Für die Arbeit wurde sie daher nur in Ausnahmefällen herangezogen. Die Handschriften K und L Schließlich befinden sich noch zwei Handschriften in der Library of the British Museum in London. Dabei handelt es sich um London, British Library, Or 9387 (L) und Or 9388 (K). Diese Handschriften konnte ich bisher nicht einsehen. Aus ihrer kurzen Beschreibung74 lässt sich lediglich sagen, dass ihr Umfang von 227 (L) bzw. 242 Folien (K) es wahrscheinlich erscheinen lässt, dass die ganze Vita in ihnen enthalten ist. Während die Handschrift L in das 19. Jh. datiert wird,

7 0 Bar Kaldun, Yūsuf Būsanāyā, 4. 71 Bar Kaldun, Yūsuf Būsanāyā, 4. 72 Ein Dorf mit dem Namen Kīrānǧū befindet sich südlich von Alqūš nicht weit von Tall Usquf (syr. Tel Zqīp̄ ā), vgl. http://aina.org/maps/1961villages.htm, eingesehen am 26.05.2020. In anderen, geographisch zuverlässigeren Kartenwerken ist der Ort nicht zu finden. 73 Bar Kaldun, Yūsuf Būsanāyā, 9. 74 https://archive.org/details/BLHandlist, eingesehen am 26.05.2020. Informationen zu dieser in der Bibliothek in London selbst aufbewahrten Liste, vgl. http://syri.ac/ bibliography/1602191567, eingesehen am 26.05.2020.

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ist über die Handschrift K zu erfahren, dass sie im Jahr 1893 in Alqūš kopiert wurde, also in der Zeit und Region, in der auch die Handschriften M, W und die verlorene Vorlage von F, G und H kopiert wurden.

2.1.2. Die Fragmente der indischen Überlieferung István Perczel hat in zwei Aufsätzen auf eine indische Überlieferung der Vita des Josef Busnāyā hingewiesen.75 Ein Buch des Josef Busnāyā taucht in der Liste der als häretisch bezeichneten Bücher auf der von den Portugiesen veranstalteten Synode in der indischen Stadt Diamper (1599) auf.76 Zuvor hatte der jesuitische Missionar Francisco Roz bereits das Buch beschrieben und als häretisch bezeichnet.77 Nach der Synode wurden die Manuskripte verbrannt. Jedoch tradierte ein Kompilator Fragmente der Vita „wie Rosen unter den Dornen“78 weiter. Dieser Text ist in drei Sammelhandschriften erhalten (Tab. 2).79 Sie enthalten den langen Hymnus auf Gott, der die Einleitung abschließt und in keiner der oben beschriebenen Handschriften vollständig enthalten ist, sowie eine stark überarbeitete Version der Einleitung des neunten Kapitels über den Schöpfer und die Schöpfung. Das erste Fragment überliefert den größten Teil des Textes, der auf dem fehlenden Folio von V enthalten war.80 Dieser Text ist in der Handschrift B ebenso in einer – allerdings gekürzten – Fassung enthalten und der vollständige Text lag dem arabischen Übersetzer vor. Ein Vergleich der Textversion der indischen Überlieferung mit den anderen Handschriften und der arabischen Übersetzung zeigt, dass dieser Hymnus ohne vorsätzliche Veränderungen kopiert wurde. Die indische Tradition ist daher ein wichtiger Textzeuge für die Vita des Josef Busnāyā. Dagegen wurde der zweite Teil über den Schöpfer stark verändert, indem der Name des Josef Busnāyā getilgt und eine katholische Engellehre hinzugefügt wurde sowie aus der Sicht des Kompilators häretische Lehren entfernt wurden.

75 Perczel hatte zunächst angenommen, dass es sich bei den Fragmenten um eine bisher unbekannte Schrift des Johannes bar Kaldun handelte. Inzwischen haben weitere Untersuchungen gezeigt, dass die Fragmente mit der Vita des Josef Busnāyā übereinstimmen. 76 Vgl. Chabot, Autodafé, 616. 77 Roz, De erroribus nestorianorum, 27, vgl. Perczel, Syriac Manuscript, 249. 78 Vgl. Perczel, Diamper, 102. 79 Vgl. Perczel, Diamper, 101–102 und Perczel, Syriac Manuscript, 250–251. 80 Eine Übersetzung eines Teils, der in den Manuskripten der Vita fehlt, findet sich in Perczel, Diamper, 102–104.

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Die Vita des Josef Busnāyā

Tab. 2:  Handschriften der indischen Tradition Kürzel Aktueller Standort E Ernakulam, Bibliothek des syrischen Erzbischofs

Entstehungsort Entstehungszeit Pallippuram, 1828/nach 1830 Kerala

T

Kerala

18. Jh.

?

17./18. Jh.

U

Signatur Ms. 7, fol. 491r–504v Thrissur Syr. 7, Bibliothek des Metropoliten fol. der Kirche des Ostens 76r–102v Cambridge, University Oo. 1.29, Library p. 168–189

2.1.3.  Zeugen Obwohl der Text heute bei Gläubigen der Kirche des Ostens als erbauliche Literatur benutzt wird und so an Bekanntheit gewinnt, wurde er in der mittelalterlichen und vormodernen Literatur kaum zitiert. Allein der ostsyrische Mönch ʿAḇdmšiḥā von Ḥirtā (11. Jahrhundert?)81 zitiert das Vorwort des siebten Unterkapitels des siebten Kapitels der Vita als Teil einer Vita (tašʿīṯā) des Moses von Bēṯ Ṣayyārē. Es ist möglich, dass ʿAḇdmšīḥā von Ḥirtā aus einer solchen Vita zitiert, die heute nicht mehr vorliegt. Dies würde bedeuten, dass auch Johannes bar Kaldun von dieser Vorlage abschrieb – schließlich erwähnt auch Johannes bar Kaldun eine Vita des Moses. Gegen diese Annahme spricht jedoch, dass ʿAḇdmšiḥā von Ḥirtā zuvor eine Passage aus dem Buch der Vorsteher des Thomas von Margā als Vita des Abraham von Kaškar zitiert. Der Begriff tašʿīṯā bedeutet im Allgemeinen „Geschichte“ und wird nicht nur im Sinne von Heiligenvita gebraucht. Es ist daher wahrscheinlicher, dass ʿAḇdmšiḥā von Ḥirtā von Johannes bar Kaldun abschrieb als von einer gemeinsamen Vorlage. Dies ist das einzige bekannte Zitat der Vita des Josef Busnāyā aus vormoderner Zeit.

81 Baumstark datiert ihn in diese Zeit, weil ʿAḇdmšiḥā die Vita des Josef Busnāyā und einen Brief des Katholikos-Patriarchen ʿAḇdīšōʿ I. (963–986) zitiert (Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur, 241). Duval datiert ihn richtiger in die Zeit nach dem 10. Jahrhundert (Duval, Littérature syriaque, 232), denn die Entstehungszeit der Vita und des Briefes sind lediglich der terminus post quem. Der terminus ante quem ist 1501, die Entstehungszeit der ältesten bekannten Handschrift (Mardin, Chaldaean Cathedral, 447 (= Diyarbakir, Bibliothek des chaldäischen Erzbistums 102 = Collegeville, MN, HMML; CCM 00447), Scher, Diarbékir, 404–405.

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2.1.4.  Die textuelle Integrität Die älteste Handschrift aus dem 12. Jahrhundert (V) überliefert einen stringent komponierten Text, der zunächst keine Hinzufügungen und Auslassungen vermuten lässt. Es gibt keine Auffälligkeiten im Sprachgebrauch und keine plötzlichen Stilbrüche, die nicht aus kompositorischen Gründen erklärbar wären. Die Intention des Autors und seine Ankündigungen in der Einleitung spiegeln den Aufbau und den Inhalt des Werkes wider. So kündigt er bereits in der Einleitung an, dass er nicht nur das Leben (Kapitel 1–5; 9) und die Wunder des Josef Busnāyā (Kapitel 6) beschreiben möchte, sondern auch die Leben einer Reihe von Heiligen, die aus dem direkten Umfeld des Josef stammen (Kapitel  7). Ebenso ähnelt sich die Struktur der einzelnen Kapitel. Johannes beginnt jedes Kapitel mit anthropologischen Betrachtungen, die das nachfolgende konkrete Exemplum aus dem Leben des Josef Busnāyā auf eine abstrakte Ebene heben. In diesen vorgeschalteten Einleitungen entwickelt Johannes eine konsistente Anthropologie, die im Kontext der ostsyrischen Mystik gedeutet werden muss. Diese Einleitungen unterscheiden sich im Sprachgebrauch zwar stark von den konkreten Exempla, dies ist aber aus dem höheren Grad der Abstraktion und dem Gebrauch von termini technici erklärbar. Lediglich das achte Kapitel besitzt eine gewisse strukturelle Inkonsistenz, die jedoch vermutlich auf das Wirken des Autors selbst zurückgeht. Zunächst entspricht der Aufbau den anderen Kapiteln, indem nämlich Johannes bar Kaldun eine anthropologische Einleitung über die Epistemologie der geschaffenen Wesen entwickelt und den Menschen in diese einordnet. Der nun folgende Text besteht aus einer Reihe von kurzen Lehrreden und -sprüchen des Josef Busnāyā, die vom Autor der Vita durch eine kurze Einleitung kontextualisiert und auch kommentiert werden. Diese Lehrreden umfassen zunächst Noviziat, Tonsur und die Zeit im Zönobium, sodann die Zeit in der Zelle im ersten, zweiten und dritten Jahr. In diesen Reden spricht der Lehrer in der ersten Person seinen Schüler mit „mein Sohn“ in der zweiten Person an. Die Kommentare von Johannes bar Kaldun beschreiben das Mönchsleben in der dritten Person. Im Anschluss führt Johannes einige kurze Reden und Sprüche zu einzelnen Themen wie Abgeschiedenheit, Fasten, Nasiräertum, Gottesdienst, Nachtwache usw. an. Diese kurzen Ausführungen sind abwechseln in der zweiten und dritten Person gehalten. Schließlich unterbricht Johannes bar Kaldun diese Lehrreden, um in einem längeren Segment mit einer eigenen Überschrift eine Zusammenfassung der ostsyrischen Mystik in der Tradition des Josef Ḥazzāyā zu geben. Johannes bar Kaldun leitet diese Rede mit folgenden Worten ein:

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Die Vita des Josef Busnāyā Wisse, unser Bruder, dass es drei Stufen gibt, auf denen im monastischen Lebensweg gearbeitet wird. Und auf all diesen drei Stufen gibt es verschiedene Bereiche, Grade und Stufen. Du möchtest von mir, dass ich dich über sie unterrichte. Siehe, ich unterrichte dich kurz und knapp über sie, so wie ich es vom Rabban gelernt und gehört habe.82

Abweichend von dem Rest des Kapitels bietet Johannes bar Kaldun hier eine Beschreibung aus seiner eigenen Perspektive (mit der Ausnahme von zwei sehr kurzen Lehrreden Josef Busnāyās an die Mönche auf der ersten Stufe). Der auffälligste Bruch steht jedoch am Ende des Lehrtraktats über die dritte Stufe des geistigen Lebens: Glaube mir, mein Bruder, auch dies, was ich dir sage: Dies habe ich auch von einem geliebten Bruder gehört, der dies selbst erfahren und mir erzählt hat. Ich glaubte seinem Wort, weil er durch Vieles bewiesen hat, dass es wahr ist.83

Der Autor beruft sich also nicht auf Josef Busnāyā und seine Lehre, sondern auf einen ungenannten „geliebten Bruder“, der ihn in diesem Wissen unterrichtet habe.84 Am Schluss der Ausführungen schließt Johannes mit einer kurzen Doxologie ab und geht ohne Übergang in eine Form zurück, die wieder durch die Merkmale der Lehrrede Josef Busnāyās charakterisiert ist.85 Dieser Abschnitt wirkt wie ein Einschub in den fortlaufenden Text. Würde man ihn aus der Vita streichen, wäre der Aufbau des achten Kapitels nicht gestört. Sprachlich und inhaltlich jedoch weicht der Text nicht von der restlichen Arbeit des Johannes bar Kaldun ab. Hinzu kommt, dass er am Ende des achten Kapitels ausführlich darauf eingeht, warum er sich genötigt sah, diese Abschnitte einzufügen, obwohl er in der Beschreibung des Werkes in der Einleitung solche theoretischen Ausführungen noch nicht erwähnt hatte: Als ich meinem Vorsatz gemäß, den ich von Anfang an hatte, knapp schreiben wollte, traten an mich bittende Brüder heran. Durch ihre Bitten wurde ich zu dieser Niederschrift gebracht. Auf geistige Art machte ich dieses Traktat in diesen zwei Kapiteln so, wie es ihr [der Brüder] Wunsch war, dass dies in ihm [enthalten sein sollte], und gemäß dem, was sie von mir über die Lehre des Rabban gehört hatten.86

Der Eindruck, dass der Text ein späterer Einschub sei, wird daher durch Johannes bar Kaldun selbst bestätigt und auch der Verweis darauf, dass er das Wissen von einem geliebten Bruder habe, wird am Ende des Kapitels nochmals 8 2 83 84 85 86

V, fol. 193v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 208 (ROC 5 118). V, fol. 202r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 218 (ROC 5, 128). V, fol. 202r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 218 (ROC 5, 128). V, fol. 202r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 218 (ROC 5, 128). V, fol. 206r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 222 (ROC 5, 132).

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aufgegriffen. Denn er betont, dass er diese Texte geschrieben habe, ohne jemals selbst diese mystischen Wege betreten zu haben. Diese Ausführungen sowie die Einheitlichkeit in Stil und Inhalt machen es sehr wahrscheinlich, dass die Inkohärenzen vom Autor selbst stammen und er vielleicht das gesamte achte Kapitel – zumindest aber den Abschnitt über die drei Stufen – zu einem späteren Zeitpunkt entweder bereits während der Niederschrift oder kurz darauf eingefügt hat. Darauf deutet auch hin, dass er von zwei Kapiteln spricht, obwohl beide Teile in der Überschrift nur als ein Kapitel gezählt werden. Eine weitere Unsicherheit bezüglich der textuellen Integrität der Vita des Josef Busnāyā ergibt sich aus der abweichenden Beschreibung von Francisco Roz über den Inhalt des Textes. Er beschreibt zahlreiche „häretische“ Lehren der Kirche des Ostens, die in der Vita enthalten seien.87 Viele der Themen, beispielsweise die Christologie, werden jedoch in der Vita nicht besprochen. Hier ist es jedoch wahrscheinlich, dass Roz bei der häresiologischen Beurteilung des Textes vor allem auf katholische Stereotype der Glaubensinhalte der Kirche des Ostens zurückgriff und seine Beurteilung nicht den tatsächlichen Inhalt der Vita beschreibt. Eine andere Möglichkeit, die Abweichung der Beschreibung Roz’ vom Inhalt des Textes der Vita zu erklären, ist, dass die verlorene indische Version später um zusätzliche Inhalte angereichert wurde, die eine stärkere dogmatische Ausrichtung haben. Diese Version könnte Roz vorgelegen haben. Dagegen ist es eher unwahrscheinlich, dass ein hagiographischer Text der Kirche des Ostens bereits im späten 12. Jahrhundert, der Abfassungszeit von V, um dogmatische Inhalte gekürzt wurde. Inhaltliche Spannungen sind hingegen keine bemerkbar, außer zwischen den idealen Vorstellungen vom Klosterleben des Autors und den narrativen Teilen, die die Lebenssituation der Mönche beschreiben. Ein Vergleich der Handschrift V mit den anderen Handschriften, die mir zugänglich waren, und der arabischen Übersetzung sowie ein Vergleich der indischen Fragmente mit der Handschrift V zeigen, dass die Texttraditionen nur geringfügig vom ältesten Textzeugen V abweichen, der im Allgemeinen den besseren Text enthält. Es kann also festgestellt werden, dass es keine hinreichenden Indizien dafür gibt, dass die Vita des Josef Busnāyā nicht aus der Feder eines einzigen Autors stammt.88

8 7 Roz, De erroribus nestorianorum, 27, vgl. Perczel, Syriac Manuscript, 249. 88 Zur selben Einschätzung kommt auch Ugo Zanetti, s.  Zanetti, Saints Moines, 196–197.

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Die Vita des Josef Busnāyā

2.2. Der Autor Der Autor des Textes, Johannes bar Kaldun, wird ausschließlich in der Überschrift und im explicit der Vita genannt, nicht jedoch im Text, in dem er in der ersten Person von sich selbst spricht. Diese Zuschreibung wird auch in der gesamten Tradition wiederholt. Die Daten und Ereignisse der Vita sind die Hauptquelle über ihn und nur wenige Informationen sind abseits dieser Schrift zu finden. Er wird jedoch im Katalog des ʿAḇdīšōʿ bar Brīḵā (gest. 1318)  als Autor der Vita des Josef Busnāyā genannt.89 Nach ʿAḇdīšōʿ gibt es neben der Vita des Josef Busnāyā noch zwei weitere Werke dieses Autors: Die Schönheit der Schönheiten (šappīrūṯ šup̄ rē) und Das Gewerbe des Mönchtums (taggārūṯā ḏ-ḏayyrāyūṯā). Beide Werke sind zumindest namentlich nicht aus anderen Quellen bekannt. Lediglich eine weitere Schrift ist in einer Handschrift in Form von 33 kurzen Sprüchen spirituellen Inhalts in Versform erhalten.90 Zehn davon wurden von Gabriel Cardahi 1875 ediert.91 Ob es sich bei diesen Sprüchen um einen Teil der bei ʿAḇdīšōʿ genannten Werke handelt, muss offenbleiben. Des Weiteren wird Johannes in einigen Ḥuḏrā-Handschriften als Schüler des Moses von Bēṯ Ṣayyārē bezeichnet.92 Eine weitere Quelle über das Leben und Wirken Johannes bar Kalduns ist die Vita des Mār Michael, des Engelsfreunds.93 Hier werden Details über die letzten Jahre des Johannes bar Kaldun wiedergegeben, 89 Die Edition von Assemani weicht hier von der Hottingers, dessen handschriftliche Vorlage Rom, Biblioteca Nationale, Nr. 1194 (s. Kaufhold, Ecchellensis) ist, und der Übersetzung von Badger (Badger, Nestorians, II 378) ab. Die Version Assemanis spricht fälschlicherweise von einem „großen Buch der Untersuchung“ (kṯāḇā rabbā ḏ-ḇuḥḥānā), s. Assemani, Bibliotheca Orientalis, III.1, 265–266. Die Versionen von Hottinger und Badger überliefern hier anders (kṯāḇā rabbā ḏ-ḇusnāyā). Ihnen ist der Vorzug zu geben vgl. auch Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, i (ROC 5, 196). 90 Città del Vaticano, Biblioteca Vaticana, Vat. Sir. 90, Nr. 11, vgl. Assemani/Assemani, Catalogus, I.2 489. 91 Das vornehmliche Thema der Sprüche, die von Cardahi ediert wurden, sind die Vorzüge der Stille, vgl. Cardahi, Liber thesauri, 78–80. 92 Z. B. Città del Vaticano, Biblioteca Vaticana, Sir. Vat. 83, Assemani/Assemani, Catalogus, II 464, vgl. auch Assemani, Bibliotheca Orientalis, III.2 383. Johannes bar Kaldun wird des Weiteren in der Vita von Mār Awgēn zusammen mit Josef Busnāyā und zahlreichen anderen wichtigen Mönche als Schüler des Awgēn (4. Jahrhundert) bezeichnet, s. Tašʿīṯā ḏ-Mār Awgēn, 472–473. 93 Zusammenfassung der arabischen Übersetzung in: Fiey, Assyrie chrétienne, II 662– 665. A. Scher veröffentlichte eine Edition dieser arabischen Übersetzung aus dem 18. Jh. (Scher, Kitāb Sīrat, 107–127). Eine syrische Handschrift mit dieser Vita gehört der chaldäischen Kirche Mār Addai in Karamlīš (Nr. 12 im arabischen Katalog, Ḥaddād,

Der Autor

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in denen er Abt des Klosters von Mār Michael gewesen sein soll. Fiey hält diesen Text aufgrund von Anachronismen für wenig glaubwürdig und datiert ihn auf das 12. Jahrhundert oder später. Diese Anachronismen sind jedoch nur in der arabischen Übersetzung enthalten, welche allein Fiey vorlag, und nicht in der syrischen Version.94 Es ist daher möglich, dass die Vita des Mār Michael, des Engelsfreunds bereits im 11. Jahrhunderts geschrieben wurde, auch wenn eine spätere Abfassungszeit denkbar ist.95 Aus diesen Quellen lässt sich der Lebenslauf des Johannes bar Kaldun wie folgt skizzieren: Wahrscheinlich stammte er aus Mosul, wo auch sein Bruder lebte. Er erhielt seine Ausbildung „in der Lehre des Arabischen“ (b-yulpānā ḏ-ṭayyaytā)96 und beherrschte zum Zeitpunkt seines Klostereintritts noch kein Al-Maḫṭūṭāt, I 92; MACCK 00015 in der digitalen Bibliothek der Hill Museum & Manuscript Library (HMML)). 94 Fiey führt die Nennung der roten Moschee an, die erst im 12. Jh. gebaut wurde. Das Adjektiv „rot“ ist jedoch in der syrischen Handschrift Karamlīš, Bibliothek der Kirche Mār Addai, Nr. 12 nicht enthalten. Die Behauptung, dass Josef Busnāyā Schüler des Šmūʾēl, erster Nachfolger von Michael, sei, beruht ebenfalls auf der arabischen Übersetzung (Fiey, Assyrie chrétienne, II 664). In der syrischen Handschrift befindet sich ein Gebet zwischen dem Bericht über den Abt Šmūʾēl und dem Bericht über Josef Busnāyā, das in einem sehr verwilderten Syrisch gehalten ist. Nach dem Ende des Gebets beginnt der narrative Text mitten im Satz wieder. Aus dem Kontext wird klar, dass hier ein Teil des Textes fehlt, in dem Johannes bar Kaldun bereits vorgestellt worden ist, und dass Josef Busnāyā nicht im Kloster des Mār Michael verortet wurde (Karamlīš, Mār Addai Kirche, Ms. 12, Fol. 65r). Ich vermute, dass der arabische Übersetzer ähnliche Probleme mit diesem Text hatte wie ich und daher unverständliche Stellen in der Übersetzung ausgelassen hat. Dadurch wird in der arabischen Übersetzung der Bericht über Šmūʾēl und Johannes bar Kaldun bzw. Josef Busnāyā so nah aneinandergereiht, dass der Eindruck entstehen kann, dass es sich um aufeinanderfolgende Äbte handelt. 95 Die letzten Ereignisse, die in dieser Vita genannt werden, sind politische Unruhen, die nach dem Tod des Johannes bar Kaldun die Gegend um das Kloster des Mār Michael und Mosul sieben Jahre lang erfasst haben sollen. Die Beschreibung passt zwar gut zu der Situation der Christen zu Beginn des 11. Jahrhunderts, wie sie uns auch aus anderen Quellen bekannt sind (beispielsweise Elias von Nisibis, Opus chronologicum, I [textus] 71 (syr.), 72 (arab.); I [versio] 36 (lat.); Mārī b. Sulaymān/ʿAmr b. Mattā/Ṣalībā b. Yūḥannā, Commentaria, II.1, 96 (arab.), II.2, 56 (lat.), italienische Übersetzung: Ṣalībā b. Yūḥannā, Libri dei Misteri, 492), doch gerade für die Situation bei Mosul liegen keine Angaben vor, vgl. Fiey, Mossoul, 36. 96 Was die „arabische Lehre“ umfasste, wird in der Vita nicht angegeben. Jedoch ist anzunehmen, dass er die arabische Schriftsprache durch diese Ausbildung beherrschte, s. V, fol. 80r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 82 (ROC 3, 111).

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Die Vita des Josef Busnāyā

Syrisch. Die Quellen deuten an, dass Johannes bar Kaldun aus wohlhabenden Verhältnissen stammte, worauf auch seine Ausbildung hinweist. Von seiner Familie erhielt er nach der Vita des Mār Michael ein größeres Vermögen, aus dessen Mitteln er den Ausbau des Klosters von Mār Michael finanzierte.97 In der Vita des Josef Busnāyā wird berichtet, dass Johannes vor seiner Zeit im Kloster aufgrund seiner schwächlichen Konstitution nie zu Fuß, sondern immer auf einem Reittier unterwegs war, was ebenfalls auf einen wohlhabenden Hintergrund schließen lässt.98 Über seine Berufung und seine Zeit als Novize und Schüler von Josef Busnāyā berichten zahlreiche Anekdoten der Vita, die er jeweils im Kontext der Wundertätigkeit und der geistigen Führung des Josef Busnāyā deutet. Er absolvierte zunächst die 50 Tage des Dienstes im Zönobium, bevor er die Tonsur erhielt, entsprechend der Regelungen, die auch an anderen Stellen in der Vita beschrieben werden. Nach vier Jahren im Zönobium kaufte er sich eine Zelle und ließ sich zum Diakon weihen, da er Küster werden wollte. Es ist unklar, ob er diese Aufgabe auch tatsächlich ausführte, da sein Wunsch auf den Widerstand seines Meisters Josef Busnāyā stieß. Neben seinem Leben in der Abgeschiedenheit der Zelle arbeitete er als Sekretär für Josef und beantwortete an dessen Stelle die zahlreichen Briefe, die diesen erreichten. Er blieb mit Josef Busnāyā als dessen Schüler noch etwa zehn Jahre verbunden, bis dieser im Jahr 979 starb. Die Zeit nach dem Tod Josef Busnāyās wird in der Vita kaum beachtet. Sie beschreibt die Zerstörung der Gegend infolge der Eroberung durch den Būyiden-Fürsten ʿAḍudaddawla. Die Vita deutet an, dass in dieser Krisenzeit auch das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē starke Widrigkeiten zu ertragen hatte. Die Vita äußert sich nicht eindeutig dazu, ob das Kloster zerstört wurde. Das letzte Narrativ in der Vita, das im Kloster verortet ist, ist der Tod und das Begräbnis des Küsters Gabriel, das zwei Jahre nach dem Tod des Heiligen stattfand, d. h. im Jahr 981. In späteren Quellen finden sich keine Hinweise auf das Kloster. Fiey geht jedoch davon aus, dass das Kloster zur Abfassungszeit der Vita noch existierte.99 Tatsächlich gibt es in der Vita Stellen, die einen Fortbestand des Klosters vorstellbar erscheinen lassen. So wird am Ende des siebten Kapitels erbeten, dass das Gebet der eben genannten Heiligen eine mächtige Mauer sei, unter anderem – wie Chabot übersetzt – „pour le couvent dans lequel ils ont brillé“. Diese Stelle ist jedoch auch anders deutbar: Zum einen handelt es

9 7 S. Fiey, Assyrie chrétienne, II 664. 98 V, fol. 65v–66r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 68–69 (ROC 3, 97–98). 99 Fiey, Sanctuaires, 57.

Der Autor

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sich um eine Abschlussformel für das gesamte siebte Kapitel, in dem nicht nur Heilige aus dem Kloster von Bēṯ Ṣayyārē genannt wurden, zum anderen kann der Ethpaal der Wurzel NṢḤ, den Chabot mit „sie erstrahlten“ übersetzte, auch mit „sie wurden verehrt/sie waren bekannt“ übersetzt werden und kann sich somit auf alle Klöster beziehen, in denen diese Heiligen angerufen werden.100 Im Vorwort desselben Kapitels schreibt Johannes bar Kaldun, dass das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē „in unserer Zeit“ von Gott ausgewählt und über alle anderen Klöster erhoben wurde. Doch auch diese Stelle sollte nicht überbewertet werden: Dasselbe schreibt Johannes zuvor über das Kloster von Bēṯ ʿĀḇē, dass im 10. Jh. vermutlich nicht mehr Bestand hatte.101 Es wird auch kein Abfassungsort der Vita genannt, obwohl das Lebensumfeld des Johannes bar Kaldun in der Einleitung der Vita beschrieben wird. Über das weitere Leben des Johannes bar Kaldun wird in der Vita des Mār Michael berichtet. Hier weichen die Aussagen allerdings von denen der Vita des Josef Busnāyā ab. In dieser Vita schickte Josef Busnāyā Johannes bar Kaldun zusammen mit einem anderen Schüler, Johannes dem Lahmen, nach Mār Michael, einem Kloster unweit von Mosul, um dort nach dem Rechten zu sehen. Zunächst hielten sich jedoch beide Mönche in einem weiteren Kloster bei Mosul, dem Kloster des Mār Elias, auf und reisten erst später nach Mār Michael weiter. Johannes bar Kaldun erweiterte dieses Kloster mit Geld, das er von seiner Familie in Mosul erhalten hatte. Im nahen Mosul kamen nun Gerüchte auf, er ließe das Kloster neu errichten. Da dies unter der muslimischen Herrschaft verboten war, sammelte sich eine Gruppe Muslime aus Mosul, um das Kloster zu zerstören. Durch ein reiches Geldgeschenk konnte Johannes zwar die Zerstörung verhindern, aber die Stimmung im Kloster hatte sich dennoch gegen ihn gekehrt. Sein Freund Johannes der Lahme überredete ihn nun, in das Kloster des Mār Jakob des Einsiedlers in Qardū102 zu fliehen. Nach zwei Jahren entschlossen sie sich, wieder nach Mār Michael zurückzukehren. Johannes bar Kaldun starb noch auf der Reise dorthin in Gāzartā, dem heutigen Cizre. Die Mönche des Klosters Mār Michael überführten seinen Leichnam in ihr Kloster und begruben ihn im Martyrion neben dem Heiligen Michael.103 Aufgrund 1 00 V, fol. 164v, Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 172 (ROC 3, 480). 101 V, fol. 148v–149v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 155–156 (ROC 3, 463–464). 102 Zum Kloster des Heiligen Jakob des Einsiedlers, vgl. Fiey, Nisibe, 205–210. 103 Für eine Zusammenfassung des Lebens Johannes bar Kalduns gemäß der arabischen Version der Vita des Mār Michael, vgl. Fiey, Assyrie chrétienne, II 662–665, der syrische Text befindet sich in Karamlīš, Bibliothek der Kirche Mār Addai, 12 (= Collegeville, MN, HMML, MACCL 00015), fol. 66r–76r.

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dieser Geschichte vermutete Yūsuf Ḥabbī, dass Grab, das 1980 neben dem Grab des Mār Michael bei Renovierungsarbeiten im Kloster gefunden wurde, das Grab von Johannes bar Kaldun sei.104 Der Bericht aus der Vita des Mār Michael weicht an einigen Stellen von der Vita des Josef Busnāyā ab. Aus letzterer geht klar hervor, dass Johannes bar Kaldun sich während des Todes von Josef Busnāyā im Kloster von Bēṯ Sayyarē aufgehalten haben muss und sogar noch zwei Jahre danach zur Zeit des Todes von Gabriel dem Küster. Eine Sendung des Johannes bar Kaldun durch Josef Busnāyā erscheint daher unwahrscheinlich. Auch ist ein Johannes der Lahme aus der Vita des Josef Busnāyā unbekannt.105 Stattdessen wird im Vorwort neben Johannes bar Kaldun ein gewisser Īšōʿ von Nisibis erwähnt, der ebenfalls noch Josef Busnāyā gekannt haben soll. Nach dem Tod dieses Mönchs berichtet Johannes bar Kaldun von erhöhtem Druck auf ihn, das Leben und die Lehren seines Lehrers Josef Busnāyā aufzuschreiben, da die anderen Mönche ihn nicht mehr erlebt hatten. Johannes erscheint in der Einleitung der Vita somit als letzter lebender Zeuge des Josef Busnāyā. In der Vita des Mār Michael hingegen überlebt Johannes der Lahme Johannes bar Kaldun. Diese Darstellung aus der Vita des Mār Michael muss daher mit einem gewissen Misstrauen betrachtet werden. Es könnte durchaus sein, dass Johannes bar Kaldun durch diese Erzählung mit dem Kloster des Mār Michael verbunden werden sollte, damit das Kloster an Prestige gewinnt. Es lässt sich aber zumindest feststellen, dass zur leider nicht näher bestimmbaren Abfassungszeit dieses Teils der Vita des Mār Michael ein Grab des Johannes bar Kaldun in diesem Kloster bei Mosul verehrt wurde. Man kann daher auch annehmen, dass er einen Teil seines Lebens und seines Lebensabends in diesem Kloster

1 04 S. Ḥabbī, Michel Monastery; vgl. auch Ḥabbī, Michele. 105 Johannes der Lahme ist aus der Vita als Schüler des Josef Busnāyā nicht bekannt. Allerdings nennt ihn eine Schrift des Elias von Nisibis (975–1046): In der vierten Sitzung seiner Diskussion mit dem Wesir al-Maġribī in Nisibis berichtet er über ihn. Er bezeichnet ihn als seinen spirituellen Vater im Kloster des Mār Michael, wo er seine jungen Jahre als Mönch verbrachte (Elias von Nisibis, Maǧālis, 269, vgl. auch Caspar/Charfi/Samir, Dialogue islamo-chrétien, 263). Seine Zeit im Kloster des Mār Michael fällt also in die Zeit der späten Lebensphase von Johannes bar Kaldun. Man kann der Vita von Mār Michael zumindest hier keinen Anachronismus unterstellen, da sie Johannes bar Kaldun in die richtige Zeit datiert. Später war Elias von Nisibis Bischof von Bēṯ Nūhaḏrā (1002), die Diözese, in der sich auch das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē befand, bevor er schließlich Metropolit von Nisibis wurde (1008), vgl. zu Elias von Nisibis und seinem Werk Monferrer Sala, Elias of Nisibis.

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verbrachte. Zusammen mit den Berichten über die Zerstörung der Klöster im Ṣap̄ nātal deutet dies auf die Entstehung der Vita in einer anderen Region hin. Aufgrund dieser zwei Hinweise halte ich es für sehr plausibel, dass die Vita des Josef Busnāyā am Lebensabend des Johannes bar Kaldun um 1000 in einem der Klöster im Umfeld von Mosul geschrieben worden ist.106

2.3.  Aufbau und Struktur der Vita Betrachtet man den Aufbau der Vita, so fallen einige Besonderheiten auf, die nicht der traditionellen Vorstellung einer Vita folgen.107 Der Text beginnt nach einem verhältnismäßig langen Proömium mit einer Erzählung über die Eltern des Heiligen und seine Kindheit. Er berichtet dann über seinen Weg ins und die Zeit im Kloster, d. h. von seinem Leben als Zönobit, in der Klosterschule von Mār Gabriel in Mosul und als Eremit in der Zelle im Kloster des Rabbān Hormizd und Bēṯ Ṣayyārē (Kapitel 1–5). Mit dem sechsten Kapitel schließt eine Sammlung von miracula des Heiligen an – Wunderberichte und Anekdoten, die die Heiligkeit Josef Busnāyās beweisen und seine besondere Weisheit als Lehrer und Seelenführer der jungen Mönche demonstrieren sollen.108 So weit folgt die Vita der üblichen Form hagiographischer Berichte über Mönche und Eremiten. Das siebte Kapitel enthält eine historia monachorum. Dieses Kapitel ist in 106 Mögliche Kandidaten für den Abfassungsort sind das Kloster des Mār Michael selbst, das Kloster des Mār Elias, in dem auch die Abschrift V entstanden ist, sowie das Kloster des Mār Johannes des Einsiedlers, in dem Josef seine letzten beiden Jahre verbracht haben soll. 107 Für die Formen der Viten in westlichen Schriften s. beispielsweise Lotter, Methodisches, 308–310. Die hier vorliegende Form ist auch für syrische Verhältnisse ungewöhnlich, vgl. Brock, Syriac Hagiography, 260–261. 108 Dabei handelt es sich um Berichte von Wundern, die der Heilige noch während seiner Lebzeiten vollbracht haben soll. Die im Westen weitverbreitete Form der miracula, in der die Wunder gesammelt werden, die ein Heiliger nach seinem Tod an seinem Grab und durch seine Reliquien erwirkt haben soll, ist in der Kirche des Ostens nicht verbreitet. Dies mag an der Lehre des sogenannten Seelenschlafs des Theodor von Mopsuestia liegen, die in der Kirche des Ostens übernommen wurde. Die Lehre besagt, dass der Mensch nach seinem Tod nicht direkt in das jenseitige Leben übergeht, sondern seine Seele bis zur Auferstehung am Jüngsten Tag schläft. Die Vita des Josef Busnāyā enthält diese Lehre (V, fol. 216v–217r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 236 (ROC 5, 185); vgl. auch Blum, Geschichte der Begegnung, 465). Die Fürbittgebete an Heilige, die auch in der Vita des Josef Busnāyā zu finden sind, deuten darauf hin, dass diese Auffassung in seiner strengen Form unter den Gläubigen nicht durchgehend geteilt wurde.

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zwölf Unterkapitel unterteilt, von denen elf in jeweils unterschiedlicher Länge von Mönchen erzählen, die in der einen oder anderen Weise mit Josef Busnāyā verbunden waren. Das achte Kapitel  – dies ist ungewöhnlich für eine Vita  – fasst schließlich die mystische Lehre des Heiligen, wie er sie an seine Schüler weiterzugeben pflegte, zusammen. Das neunte und letzte Kapitel beschreibt die letzten Lebensjahre, den Tod sowie die Beerdigung des Heiligen, mit der die Vita endet. Ein kurzer Epilog, in der sich der Autor nochmals für seine Unfähigkeit, die Geschichte angemessen erzählen zu können, entschuldigt, schließt das Werk ab. Jedes der acht Kapitel beginnt außerdem mit einer Betrachtung des Menschen und entwickelt so über das ganze Buch verteilt eine theologische Anthropologie. Betrachtet man den Umfang der einzelnen Teile, so kann man feststellen, dass Vita und miracula (82 Seiten in der französischen Übersetzung) sowie historia monachorum (79 Seiten in der französischen Übersetzung) etwa denselben Raum einnehmen. Das Lehrtraktat umfasst immerhin 50 Seiten in der französischen Übersetzung. Insgesamt können so drei verschiedene Formen in der Vita des Josef Busnāyā unterschieden werden: eine Vita, eine historia monachorum und ein Lehrtraktat. Diese Formen sollen im Folgenden dargestellt werden.

2.3.1.  Die tašʿīṯā des Josef Busnāyā Der Titel der Vita des Josef Busnāyā lautet in der ältesten Handschrift „Die Geschichte (tašʿīṯā) der göttlichen und wunderbaren Lebensführung (dubbārē) des Wundertäters Rabbān Mār Joseph Busnāyā“109. Chabot hat diesem Werk den Titel „L’histoire de Rabbān Youssef Bousnaya“ gegeben. Bei dem syrischen Begriff tašʿīṯā handelt es sich  – insbesondere mit der Erweiterung mit ḏ-ḏubbarē – um eine gängige Bezeichnung für Viten von Asketen und Heiligen.110 Auch an anderen Stellen macht der Autor keinen Hehl daraus, dass er ein „Loblied auf die Heiligen“111 schreiben möchte. Der Text ist also auch durch Johannes bar Kaldun selbst explizit als hagiographischer Text gekennzeichnet. In seinem Aufbau führt er durch fünf Kapitel von Busnāyās Kindheit bis zu seinem Leben als heiliger Eremit, seiner Wundertätigkeit und seinem Tod. Der Autor ist sich auch bewusst, was man von einem Hagiographen erwartet, und kennt die spezifischen Methoden, mit denen vorgegangen wird. So charakterisiert er diese Arbeit wie folgt: 1 09 V, fol. 1v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 1 (ROC 2, 359). 110 Vgl. Debié, Biographical Dimension, 43. 111 V, fol. 6r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 5 (ROC 2, 363).

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Nun sollte von mir folgende Sache nicht vergessen werden, meine Brüder: Derjenige, der die Geschichten der Heiligen Männer aufschreibt, braucht eine geistige Vision, damit er durch sie bereits zuvor den Lebenswandel und die Wundertaten des Menschen sehe; damit er so in einer Meditation (tēʾōrīyā) seines Intellekts schaue, und dann dieses in einem Buch aufschreibe, so wie er es kann.112

Die Komposition und das Hinzufügen von Taten und Intentionen des Heiligen, die der Hagiograph nicht durch Berichte oder als Augenzeuge erfahren hat, sondern allein durch seinen Geist, gehören demnach zur Voraussetzung hagiographischer Arbeit. In gewisser Weise kritisiert Johannes bar Kaldun diese Arbeit bzw. weist sie für seine eigene Arbeit weit von sich, denn: Ich Armseliger aber besitze diese Vision des Geistes nicht! Wie soll ich die Geheimnisse des Mannes, Sohn der Mysterien Christi, kennen, damit ich über sie schreiben kann? Aber etwas von dem, was ich vom Rabbān [Josef] von Zeit zu Zeit gehört habe und was ich manchmal mit meinen Augen gesehen habe, als ich bei ihm war, das schreibe ich auf und zeige ich Eurer Liebe. Der Rest, der von ihm zuvor praktiziert wurde, der sich im Verborgenen, als er allein in tiefster Stille weilte, abspielte und das, was ich von ihm über diese Dinge nicht gehört habe, überlasse ich der Erkenntnis unseres Herrn Christus.113

Diese Demut, die Johannes bar Kaldun an den Tag legt, ist ein Topos, der zu den üblichen Werkzeugen der christlichen Hagiographen gehört.114 Indes führt Johannes bar Kaldun diesen Topos zu einer besonderen Höhe, die Eva Riad als eine Art „affektierter Bescheidenheit“ bezeichnet.115 Trotz dieser Bescheidenheit legt er auch ein großes Selbstbewusstsein an den Tag und bezeichnet sich selbst als Werkzeug Gottes116 und vergleicht sich schließlich sogar mit seinem Namensvetter, dem Evangelisten Johannes.117 Schließlich nimmt die Aussage des genannten Zitats eine entscheidende Wendung: Eben dadurch, dass er keine geistige Vision der verborgenen Taten Josef Busnāyās hat, erhält sein Werk eine besondere Authentizität. Diese Nähe zum Heiligen und die daraus resultierende Glaubwürdigkeit seiner Erzählungen sind ihm außerordentlich wichtig. So betont Johannes bar Kaldun bei etlichen Erzählungen, dass er entweder der

1 12 V, fol. 8r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 7 (ROC 2, 365). 113 V, fol. 8v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 7 (ROC 2, 365). 114 Zum sogenannten Bescheidenheitstopos vgl. Pratsch, Topos, 22–32 für die byzantinische Hagiographie sowie Krueger, Hagiography für die spätantike Hagiographie. 115 Riad, Syriac Preface, 197, 206–207. 116 V, fol. 6r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 5 (ROC 2, 363). 117 V, fol. 111r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 115–116 (ROC 3, 292–93) und V, fol. 124r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128 (ROC 3, 305).

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Augenzeuge der Ereignisse war oder er seine Erzählungen aus glaubwürdigen Quellen erhielt. Besonders bei Geschichten, die sehr wundersam erscheinen – z.  B.  die Belebung eines tot geborenen Kindes  –, oder bei denen, die vor die Zeit des Autors fallen, nennt er seine Quellen. In seinem relativ langen Vorwort verwendet er weitere gängige hagiographische Topoi. So tritt der Autor als ein Hagiograph auf, der den Anspruch erhebt, die Geschichte seines heiligen Lehrers von seinem Elternhaus bis zu seinem Tod glaubwürdig zu erzählen.

2.3.2.  Historia monachorum Neben der Vita kündigt Johannes bar Kaldun bereits in der Einleitung das siebte Kapitel an, in dem er die Taten einiger Zeitgenossen des Josef Busnāyā beschreiben möchte, insbesondere solcher, von denen Josef ihm selbst berichtete. Er nennt dieses Kapitel ein spirituelles Paradies mit einer großen Anzahl Bäume, deren Früchte „süß“ und „aromatisch“ seien.118 Er spielt hier auf die (ost-)syrische Gattung der Bücher des Paradieses an, von denen heute nur noch eins erhalten ist. Dabei handelt es sich um das Paradies der Väter des ʿNānīšōʿ,119 welches dieser aus der Historia Lausiaca des Palladius,120 den Paralipomena des Pachomius121 und einer einem Hieronymus zugeschriebenen historia monachorum sowie weiteren Traditionen kompiliert hat. Wie bei den Vorlagen handelt es sich um eine Sammlung einer großen Anzahl von Berichten über berühmte ägyptische Mönchsväter des 4. und 5. Jahrhunderts. Im Paradies der Väter steht kein einzelner Heiliger im Mittelpunkt, über den man biographische Details – wie etwa aus der Kindheit – erfährt. Vielmehr wurden exemplarische Anekdoten und Lehren niedergeschrieben, die die Mönchsväter als Exempla monastischen Lebens darstellen und zur Nachahmung anregen sollen. In der ostsyrischen Literaturgeschichte sind neben dieser Schrift auch Existenz und Titel zweier weiterer Bücher des Paradieses bekannt. Die Vita des Josef Busnāyā122 und ʿAḇdīšōʿ bar

1 18 V, fol. 7r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 6–7 (ROC 2, 364–365). 119 Der textus receptus wurde von E. A. Wallis Budge übersetzt und nach einer Handschrift ediert in ʿNānīšōʿ, Book of Paradise. Die aus der Historia Lausiaca stammenden Kapitel wurden von Draguet ediert und übersetzt (Palladius von Helenopolis, Formes syriaques). 120 Vgl. die griechische Version mit einer deutschen Übersetzung Palladius von Helenopolis, Historia Lausiaca. 121 Auch Asketikon des Pachomius (= Pachomius, Corpus athénien, 73–93 (griech.); 123–145 (franz.)). 122 V, fol. 111v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 116 (ROC 3, 293).

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Brīḵā123 berichten, dass Josef Ḥazzāyā, der ostsyrische Mystiker, ein Buch des Paradieses verfasst hat: das Paradies der Orientalen. Thomas von Margā wiederum berichtet in seinem Buch der Vorsteher von einem Kleinen Paradies, das ein gewisser David, Bischof der Kurden, verfasst haben soll.124 Beide Schriften sind nicht überliefert. Das siebte Kapitel der Vita des Josef Busnāyā hat somit Parallelen in der ostsyrischen Literatur, auf die Johannes bar Kaldun bewusst anspielt. Auch hier hebt der Autor die Bedeutung seines eigenen Textes hervor:  Sein Paradies sei viel wertvoller als das der alten Väter. Es sei nämlich Vätern gewidmet, die in seiner Zeit gelebt hätten, einer Zeit, die voller Unglauben und Laxheit sei, während das Paradies der alten Väter noch eine Zeit voller Wunder gewesen sei. Diese Bücher des Paradieses und so auch das siebte Kapitel der Vita des Josef Busnāyā können im Kontext der Beobachtungen zu den kollektiven Biographien, wie sie Patricia Cox Miller 2000 in einem wichtigen Aufsatz beschrieben hat,125 gezählt werden. Miller hebt die Bedeutung des Spiels zwischen Identity und Difference in solchen Kollektivwerken hervor. Dieses Spiel sei es, was die Betrachtung einer Sammlung von Biographien gegenüber der Betrachtung einzelner Biographien unterscheiden und das Prinzip seiner Organisation erhellen könne. Eine kollektive Biographie sei mehr als die einzelnen Teile.126 Miller macht deutlich, dass die Frage nach dem Prinzip der Organisation gestellt werden muss, um zu verstehen, worum es in den einzelnen Abschnitten geht.127 Im siebten Kapitel der Vita des Josef Busnāyā ist die primäre Differenz der einzelnen Erzählungen die Charakterisierung der Heiligen. Die Erzählungen der einzelnen Viten, elf an der Zahl, unterscheiden sich auch deutlich in der Länge. Die Art der Erzählungen und die der Wunder weisen ebenfalls eine erstaunliche Individualität auf, wobei bei bestimmten Heiligen bestimmte Themen im Vordergrund stehen. So charakterisieren die Wundererzählungen und Anekdoten über Rabbān Moses ihn als weisen Abt in der Leitung des Klosters und in Wirtschaftsfragen, während Īšōʿ bar Nūn als besonders demütig dargestellt wird. Der namenlose Mönch im dritten Unterkapitel hingegen sticht durch die Kraft seines gerechten Zorns hervor. Dieses Programm findet sich auch in der Einleitung der Vita wieder, in der das siebte Kapitel mit einem Paradiesgarten 1 23 Assemani, Bibliotheca Orientalis, III.1 102. 124 Thomas von Margā, Book of Governors, I 99 (syr.); II 225 (engl.). 125 Ich orientiere mich an Millers Bemerkungen zur kollektiven Biographie, vgl. Miller, Collective Biography, 214–220. 126 Miller, Collective Biography, 215. 127 Miller, Collective Biography, 220–221.

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verglichen wird, in dem jeder Baum andere Früchte hervorbringt, die alle durch ihren jeweils eigenen Wohlgeruch und -geschmack ausgezeichnet sind.128 Das entscheidende Organisationsprinzip, nach dem die elf Unterkapitel sortiert sind und die sie zu einem zusammenhängenden Text machen, d. h. die Identity im Aufsatz von Miller, ist die Verbindung zu Josef Busnāyā. Die Anekdoten und die Berichte über diese Heiligen stehen im direkten Zusammenhang mit Josef und seinem Biographen Johannes, der sie als Beispiele und Vertiefung der in den anderen Teilen der Vita dargestellten Lehre und monastischen Lebensweise anführt. So verschränkt Johannes bar Kaldun die kollektive Biographie des siebten Kapitels mit der Einzelvita des Josef Busnāyā und seiner Lehre.129

2.3.3.  Lehrrede und Lehrtraktat Das achte Kapitel stellt im Kontext einer Vita ein unerwartetes Kapitel dar. Im Vorwort, in dem der Autor sein Arbeitsvorhaben skizziert, wird es – anders als die Vita selbst und die historia monachorum des siebten Kapitels – nicht vorbereitend erwähnt. Erst am Ende des achten Kapitels geht Johannes bar Kaldun auf dessen Hintergründe ein. Dort schreibt er davon, dass er ursprünglich gar nicht intendiert habe, diese „zwei Kapitel“130 zu schreiben, da er sich ja habe kurzfassen wollen, wie er es in der Einleitung gesagt habe. Allerdings seien Brüder mit der Bitte an ihn herangetreten, er solle ein solches Kapitel über die Lehre des Josef Busnāyā einfügen. Dies habe er daher getan.131 Das achte Kapitel beginnt mit Ausführungen für Novizen und Zönobiten, die das Kloster neu betreten haben. Ausführlich beschäftigt er sich dann mit dem Tagesablauf des Eremiten in den ersten Jahren in der Zelle. Es folgt eine Art Tugendspiegel, in dem er die einzelnen Tugenden und Arbeiten des monastischen Daseins erläutert. Schließlich folgt eine Zusammenfassung der Drei-Stufen-Lehre der ostsyrischen Mystik, wie sie uns auch durch Josef Ḥazzāyā und Isaak von Ninive überliefert ist,132 und einige Abschlussermahnungen. Die Form des Lehrtraktats, wie man es hier vorfindet, ist in ähnlicher Form auch von anderen ostsyrischen Mystikern

1 28 V, fol. 7r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 6–7 (ROC 2, 364–365). 129 Für einen Überblick über die kollektiven Biographien im syrischen Sprachraum, vgl. die Ausführungen von Debié, Biographical Dimension, 46–50. 130 V, fol. 206r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 222 (ROC 5, 132). Vgl. auch die Ausführungen o. Seite 31–32. 131 V, fol. 206r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 222 (ROC 5, 132). 132 Vgl. u. Kapitel 2.5.2.4.

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wie Isaak von Ninive und Josef Ḥazzāyā erhalten. Sie sind entweder in einen Brief eingebettet oder als Lehrreden oder Predigten gestaltet.

2.3.4.  Struktur der Vita als Ganze Die Einzelelemente der kompositorischen Struktur  – Vita, historia monachorum, Lehrrede und -traktat – sind aus der syrischen Tradition bekannt und aus dieser heraus zu erklären. Die Gesamtstruktur der Vita ist aber meines Wissens aus anderen Werken in dieser Form nicht bezeugt. Es gibt allerdings eine mögliche Parallele in der syrischen Literatur, nämlich den textus receptus des Paradieses der Väter des ʿNānīšōʿ. Wie bereits erwähnt, hatte dieser in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts Stoff aus den syrischen Überlieferungen der Historia Lausiaca des Palladius, den Paralipomena des Pachomius sowie einer weiteren dem Hieronymus zugeschriebenen historia monachorum das Paradies der Väter kompiliert. Johannes bar Kaldun bezieht sich zwar nur für das siebte Kapitel auf das Paradies, es gibt aber bemerkenswerte strukturelle Ähnlichkeiten zwischen der Vita des Josef Busnāyā als Ganzem und dem Paradies der Väter, wenn man dessen gesamte Überlieferungssituation betrachtet. Der Umfang des Paradieses ist in den Handschriften seit der Kompilation im 7. Jahrhundert angewachsen, sodass bereits früh neben dem Material des Palladius und des Pachomius (Teil I und II des Paradieses) sowie des Hieronymus (Teil III) auch andere monastische Literatur integriert wurde. Im 9. Jahrhundert liefert das Buch der Vorsteher des Thomas von Margā Hinweise darauf, dass die Apophthegmata Patrum an das Paradies angehängt wurden und als sein vierter Teil verstanden wurde.133 Bei den Apophthegmata Patrum handelt es sich – ähnlich wie bei der Historia Lausiaca – um eine Sammlung zahlreicher Anekdoten und Sprüche der ägyptischen Mönchsväter. Anders als in der Historia Lausiaca sind diese aber nicht nach Mönchsvater sortiert, sondern thematisch. Diese Hinzufügung der Apophthegmata wird auch in der Vita des Josef Busnāyā im 10. Jahrhundert dokumentiert, denn viele der Andeutungen auf das Paradies der Väter stammen aus genau jenen Apophthegmata Patrum. In einer späteren Phase seiner Überlieferungsgeschichte wurde dem Paradies die Vita des Antonius von Athanasius vorgeschaltet. Der textus receptus des Paradieses (Vita Antonii  – Historia Monachorum  – Apophthegmata Patrum) ähnelt daher der Struktur der Vita des Josef Busnāyā (Leben des Josef Busnāyā – Historia Monachorum – Lehre – Tod des Josef Busnāyā). Allerdings stammen die ältesten Handschriften der jüngsten Version des Paradieses mit diesem 133 Palladius von Helenopolis, Formes syriaques, I [textus], 63*–65*.

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Umfang erst aus dem 16. Jahrhundert, sie können somit nicht als Vorlage für die Struktur der Vita des Josef Busnāyā gedient haben.134 So ist zu vermuten, dass die strukturellen Ähnlichkeiten zwischen der Vita des Josef Busnāyā und dem textus receptus des Paradieses von Palladius eine parallele Entwicklung sind, d. h., dass diese Struktur im monastischen Kontext als didaktisch besonders wertvoll erschien. Die Zusammenstellung der Vita des Josef Busnāyā, wie sie Johannes bar Kaldun im 10.  Jahrhundert tätigt und deren Struktur uns ansonsten unbekannt ist, wird dadurch besser verständlich.

2.4.  Die Vita als hagiographisches Werk 2.4.1.  Quellenkritik und Hagiographie Nachdem der Aufbau der Vita des Josef Busnāyā analysiert und in die ostsyrische Literaturgeschichte eingeordnet wurde, soll nun die Analyse ihrer Bedeutung als historische Quelle folgen. Die Vita des Josef Busnāyā hat – trotz der Besonderheiten im Aufbau – als hagiographischer Text zu gelten. Solche Texte stellen für die Geschichtswissenschaft ganz eigene Probleme dar. Hagiographische Texte haben in den historischen Wissenschaften schon länger nicht mehr den Ruch, aufgrund ihrer starken Tendenz, die Qualitäten des beschriebenen Heiligen zu überzeichnen und im Laufe der Überlieferungsgeschichte mit späterem Material angereichert zu werden, als Quelle wertlos zu sein.135 Inzwischen ist die Erschließung hagiographischer Quellen für die Geschichtswissenschaft

134 Zur Überlieferungsgeschichte des Paradieses vgl. Palladius von Helenopolis, Formes syriaques, I [textus], 45*–65*. Eine Aufstellung des Alters und des Umfanges der verschiedenen Handschriften des Paradieses befindet sich in Palladius von Helenopolis, Formes syriaques, I [textus], 68*–77*. 135 Besonders berühmt geworden ist hier Bruno Krusch (1857 bis 1940), der den Begriff der „kirchlichen Schwindelliteratur“ prägte (Krusch, Florians- und Lupus-Legende, 559). Jedoch soll darauf hingewiesen werden, dass Krusch bekannt für seine polemische Sprache in seinen „Entgegnungen“ gegen seine wissenschaftlichen Kritiker gewesen ist. Seine wissenschaftliche Leistung in Bezug auf die Erforschung und Datierung hagiographischer Texte ist jedoch unbezweifelbar. Seine Haltung gegenüber dem historischen Wert hagiographischer Quellen muss im Kontext der allzu oft unkritischen Auseinandersetzung der zeitgenössischen Geschichtswissenschaften gesehen werden, vgl. Heymann, Bruno Krusch; Breukelaar, Krusch. Eine ähnliche Bemerkung gibt es von Hoffmann zu der in Versform überarbeiteten Vita des Rabbān Hormizd, die er als „freche und plumpe Fälschung der Stiftungsgeschichte“ bezeichnete, vgl. Hoffmann, Auszüge, 180.

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vorangeschritten und ihre Wertigkeit für gewisse historische Fragestellungen in zahlreichen Arbeiten bewiesen.136 Im Zentrum des Erkenntnisinteresses steht dabei nicht mehr der Heilige als Person und die Historizität seiner Handlungen, sondern die in der jeweiligen Schrift mitüberlieferten Begleitumstände und die Erzählrahmen, die wertvolle Einblicke in die Lebens- und Geisteswelt des Autors erlauben.137 Jedoch ist bei der Bearbeitung einer solchen Quelle zu beachten, dass ihre Relation zu geschichtlichen Ereignissen und Zuständen enorm variieren kann und so im Einzelfall gesondert zu prüfen ist.138 So bemerkt Felice Lifshitz, dass die Unterscheidung zwischen Hagiographie und Historiographie erst ein Konstrukt der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts sei.139 Ebenso wie die Historiographen setzten auch die Hagiographen des Mittelalters für ihre Werke unterschiedliche Maßstäbe an, wenn es um die Auswahl von Erzählmaterial und -quellen ging,140 die es bei der Beurteilung der zu bearbeitenden Quelle zu berücksichtigen galt. Aus dieser Situation heraus ergibt sich jedoch auch, dass man von der Hagiographie nicht von einem – wie Friedrich Lotter schreibt – „literarhistorischen 136 Siehe zusammenfassend Goetz, Mittelalter, 127–133; ausführlicher Lotter, Methodisches; Patlagean, Ancienne hagiographie; Lifshitz, Hagiographical Texts. Eine gute Heranführung zu diesem Thema im Kontext christlicher Hagiographie im Nahen Osten bietet Tannous, Medieval Middle East, 505–524 in seinem Appendix 1 mit Beispielen aus seiner Arbeit. 137 Vgl. mit Beispielen Lotter, Methodisches, 337–348; Fouracre, Merovingian History, 3–8. 138 Der Bollandist Hippolyte Delehaye schreibt hierzu: „Von Anfang an muss ein Unterschied gemacht werden zwischen der Hagiographie und der Geschichte. Das Werk des Hagiographen kann, aber braucht nicht notwendigerweise historischer Natur zu sein. Es kann das Gewand jeder literarischen Form, die zum Ruhm der Heiligen geeignet ist, tragen, von der offiziellen Berichterstattung an, die zum Gebrauch der Gläubigen zugerichtet ist, bis zur überschwänglichsten und vollständig von der Wirklichkeit entfernten poetischen Bearbeitung.“ Delehaye, Legenden, 2. Thomas Pratsch gibt aus byzantinistischer Sicht einen Überblick über die wichtigsten Kategorien, die man bei der Bewertung von Informationen in hagiographischen Werken beachten muss. Er betont dabei aber auch die Unsicherheit solcher Bewertungen (Pratsch, Jungle). 139 Lifshitz, Hagiographical Texts, besonders 108–113. 140 So beispielsweise auch Johannes bar Kaldun im obigen Zitat, S. 24. Ebenso betont Thomas von Margā in seinem Buch der Vorsteher seine Intention, Geschichte und keine Hagiographie zu schreiben, obwohl er aus heutiger Sicht auch hagiographisch tätig ist (Thomas von Margā, Book of Governors, I 292–293 (syr.); II 522–523 (engl.)), vgl. hierzu auch Debié, Biographical Dimension, 64–66.

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Gattungsbegriff, dem bestimmte Genera zuzuweisen wären“ sprechen kann. Er möchte unter dem Begriff „vielmehr eine literarisch-historische Kategorie […] verstehen […], die literarische Tradition nicht nach der äußeren Form, sondern nach Entstehungsbedingungen, Struktur und Intention aufgrund spezifischer  – eben hagiographischer  – Merkmale klassifiziert.“141 Er scheut sich daher, von „hagiographischen Werken“ zu sprechen, sondern betont, dass es sich eher um „hagiographische Elemente“ oder um „Schrifttum, das teilweise hagiographischen Intentionen folgt,“ handelt.142 Bei der Einordnung und Beurteilung der Vita des Josef Busnāyā als Quelle ist daher auch nach diesen „hagiographischen Elementen“ zu fragen. Doch welches sind diese spezifischen hagiographischen Elemente? Ein Versuch, die grundlegenden Merkmale von Hagiographie zu erfassen, findet sich bei Mark van Uytfanghe, dem hier auch gefolgt werden soll. Er macht in hagiographischen Texten vier Komponenten aus, aus denen sich der Text zusammensetzt und die es zu beachten gilt:143 1.) Die Person des hagiographischen Texts ist mit dem Göttlichen oder mit Gott verbunden, ohne selbst ein Gott zu sein. 2.) Zwischen Text und der historischen Realität gibt es eine bestimmte Beziehung, die unterschiedlich ausgeformt sein kann. Van Uytfanghe beschreibt hierbei drei Phasen, die die endgültige Form des hagiographischen Textes bestimmen. Diese Phasen können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und die Endform unterschiedlich beeinflussen. Die erste Phase bezeichnet er als „la subjectivité du personnage“, also die bereits gefärbte Wahrnehmung des Heiligen durch seine Schüler, durch Pilger usw. Die zweite Phase betrifft den Einfluss der oralen Erzähltradition, die aus den historischen Ereignissen hervorgeht und sich an diesen orientiert, auf den Text. Diese Phase ist maßgeblich durch die Anzahl der Glieder der Überlieferungskette und dem zeitlichen Abstand zwischen Ereignis und Abfassung bestimmt. Die dritte Phase ist die Abfassung und Komposition des hagiographischen Textes durch den Autor. In dieser Phase ist damit zu rechnen, dass der Autor den Text entsprechend seiner kerygmatischen Zielsetzung überarbeitet. 3.) Mit dieser letzten Phase ist auch die nächste Komponente eines hagiographischen Textes verbunden, nämlich seine Funktion. Der Autor eines hagiographischen Werkes möchte nicht über historische Ereignisse informieren, sondern versucht mit seinem Werk ein bestimmtes Ziel

1 41 Lotter, Methodisches, 314. 142 Lotter, Methodisches, 314. 143 Es folgt eine Zusammenfassung und Kommentierung von van Uytfanghe, Hagiographie, 148–149.

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zu erreichen. Van Uytfanghe geht davon aus, dass hagiographische Texte mindestens eines der folgenden drei Ziele verfolgen: a) In der Form der Apologie soll eine gegnerische Darstellung des Heiligen als falsch erwiesen werden. b) Der Heilige soll idealisiert werden, um Bewunderung und Verehrung vonseiten der Leserschaft zu wecken. c) Der Heilige soll die Lesenden als Vorbild erbauen und sie anregen, in bestimmter Weise zu denken und zu handeln, also den Heiligen zu imitieren. 4.) Schließlich führt van Uytfanghe als letzte Komponente an, dass die Themen und die Archetypen der hagiographischen Texte sich mehr oder weniger an dem Bild des „Gottesmannes“ (θεῖος ἀνήρ) orientieren.144

2.4.2. Verortung der Vita des Josef Busnāyā Die Komponenten eins und vier liegen in der Vita eindeutig vor, helfen aber nicht bei der Einordnung der Vita als Quelle. Dies ist anders im Fall der Komponenten zwei und drei. Eine Analyse der Vita in Hinblick auf diese beiden Punkte soll daher hier erfolgen. Die wichtigste Feststellung bezüglich der drei Phasen van Uytfanghes ist zunächst einmal, dass davon auszugehen ist, dass Johannes bar Kaldun tatsächlich ein Schüler des Josef Busnāyā war und er die Vita nicht lange nach dessen Tod abgefasst hat. Er kennt zahlreiche Details der aus anderen Quellen bekannten Ereignisse dieser Zeit und Region sehr genau, wie die Auseinandersetzung zwischen Aḍudaddawla und Abū Taġlib, den Einfall von Aḍudaddawla in Kurdistan und die Umstände der Wahl des Katholikos-Patriarchen ʿAḇdīšōʿ I. Hinzu kommen seine topographischen Kenntnisse. Des Weiteren sind keine Anachronismen in der Vita zu erkennen. Johannes bar Kaldun ist selbst Augenzeuge von zahlreichen der von ihm beschriebenen Ereignisse – die zweite Phase ist demnach kaum vorhanden. In den meisten anderen Berichten sind die Augenzeugen direkte Informanten des Autors. Nur in wenigen Berichten ist dies nicht so. Von einer oralen Tradition der historischen Ereignisse über einen längeren Zeitraum kann daher nicht gesprochen werden. Es ist daher kaum möglich, die Subjektivität der Berichte und die kompositionelle Abfassung durch den Autor zu trennen, vor allem da der Autor in vielen Fällen auch der Augenzeuge ist. Es können jedoch einige Beobachtungen gemacht werden. Die

144 Van Uytfange nennt die folgenden: „image de l’homme assez statique, déterminée providentiellement, dotée d’une forte dimension éthique et spirituelle que reflètent des virtutes, effectivement au double sens de nobles vertus, y compris d’ascèse, et de dons surnaturels, thaumaturgiques le cas échéant.“ van Uytfanghe, Hagiographie, 149.

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Die Vita des Josef Busnāyā

grundlegende Situation ist eine Lehrer-Schüler-Beziehung, wobei der Augenzeuge in fast allen Fällen die Schülerposition innehat.145 So berichtet der Autor Johannes bar Kaldun in allen Fällen aus der Perspektive des Schülers des Josef Busnāyā. Sogar dann, wenn Josef Busnāyā selbst als Augenzeuge und Informant auftritt, ist er zumeist in der Schülerposition gegenüber einem anderen Heiligen, berichtet also aus seiner eigenen Lehrzeit. Daher ist die vornehmliche Wahrnehmung der Heiligen als spirituelle Autorität vorherrschend. Dies hat zur Folge, dass viele Wunderberichte und Anekdoten nicht von seiner Wundermächtigkeit gegenüber Pilgern und Laien berichten, sondern von erstaunlicher Menschenkenntnis und großer Weisheit. Selbst die Wunderberichte, die Pilger betreffen, werden aus der Perspektive eines Schülers berichtet. Eine weitere Beobachtung ist, dass es nur wenige Berichte von Wundern mit für Hagiographien typischen topischen Darstellungen gibt, wie sie aus anderen hagiographischen Texten bekannt sind. Diese haben mit großer Sicherheit ihre Grundlage in der Kompositionstätigkeit des Autors. Das auffälligste Beispiel ist der Bericht über den Versuch einiger Brüder des Klosters, Josef Busnāyā zu vergiften.146 An dieser Stelle gibt Johannes selbst einen Hinweis auf die Stereotypenhaftigkeit seines Berichts: Denn dies – das Überleben eines Giftmordanschlags – sei das letzte Wunder, das Josef Busnāyā noch fehle, um alle Wunder, die Christus seinen Jüngern versprach, zu erbringen.147 Den wenigen Berichten dieser Art stehen andere gegenüber, die so ungewöhnlich sind, dass es keine vergleichbaren hagiographischen Berichte gibt. Solche Geschichten werden entweder durch den Autor selbst oder durch den Heiligen in einen theologischen Sinnzusammenhang gestellt, der zuweilen umständlich wirkt und das Handeln der Heiligen im Kontext traditioneller monastischer Tugenden wie Demut, Armut und Entrücktheit von dieser Welt deutet. Ein Beispiel hierfür ist das Verhalten des Mönches Rabbān Īšōʿ bar Nūn. Mit geschwärztem Gesicht ritt er auf einem Stab wie auf einem Steckenpferd während der Messe durch die Kirche und schwang wie ein Krieger mit seiner Hand einen Stecken. Als ihn später sein Schüler nach seinen Beweggründen für dieses erstaunliche Verhalten fragte, antwortete der 145 Zu den wenigen Ausnahmen gehören der Kartwāyā Kēmēl, der als nicht christlicher Pilger Johannes bar Kaldun seine Geschichte erzählte (V, fol. 119r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 124–125 (ROC 3, 300–301)), und die wenigen Erzählungen, die keinen Informanten haben und aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers beschrieben werden, wie der Besuch Bar Yaldās bei Īšōʿ von Kūmāṯēh (V, fol. 106r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 109–110 (ROC 3, 185)). 146 V, fol. 212r–213r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 231–232 (ROC 5, 141–142). 147 V, fol. 212r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 231 (ROC 5, 141).

Die Vita als hagiographisches Werk

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Heilige ihm, dass er zu hochmütig geworden sei und sich daher durch dieses unwürdige Verhalten demütigen wollte.148 Solche seltsamen Berichte und die umständliche Art, wie der Autor mit diesen Geschichten umging, deuten auf sehr realitätsnahes und nur wenig durch Überformung verfremdetes Material hin. Da die meisten Erzählungen und Wunder das alltägliche Leben der Schüler betreffen, waren die Adressaten des Texts wohl keine Pilger im Kloster, sondern vor allem junge Mönche und Eremiten. Vor allem Josef Busnāyā, aber auch zahlreiche andere Heilige werden hier als exemplarische Vorbilder in allen Phasen des monastischen Daseins dargestellt. Dabei weisen sie nicht nur die Berichte über ihre Weisheit und Menschenkenntnis als von Gott gesandte spirituelle Führer aus, sondern auch ihre Wundermächtigkeit. Ein weiterer Beleg für diesen Adressatenkreis ist das achte Kapitel, in dem die Lehre des Josef Busnāyā zusammengefasst wird, und die Darlegung der Intention des Johannes bar Kaldun in der Einleitung und an anderen Stellen in der Vita. Dieses achte Lehrkapitel ist an Mönche in allen Stufen des monastischen Daseins gerichtet, auch wenn die zönobitische Lebensweise der Mönche in der ersten Phase des monastischen Lebens seltener Gegenstand der Vita ist.149 So enthält das Lehrkapitel auch Teile, die an die Zönobiten gerichtet sind. Dieser Teil ist aber angesichts der Lehrreden an die Eremiten sehr gering. Ebenso verdeutlicht das achte Kapitel, dass sich die Vita nicht an Laien oder Kleriker des nicht-monastischen Standes richtete, für die die exakten Regeln und Lehren sowie die Ausführungen über die Mystik nicht geeignet waren. Als Funktion der Vita können daher vor allem die Lehre und das Vorbild für junge Eremiten gelten, was auch der Erklärung des Autors über seine Intention in seiner Einleitung entspricht.

2.4.3. Konsequenzen für die Arbeit mit dem Text Die Vita des Josef Busnāyā hat – wie bereits gezeigt – gegenüber anderen hagiographischen Texten insbesondere zwei Vorteile, die sie als Quelle für ihren historischen Kontext wertvoll machen. Zunächst ist auf den kurzen zeitlichen Abstand zwischen Ereignissen und Abfassung hinzuweisen. Die Tatsache, dass der Autor oftmals aus eigener Erfahrung berichtet und meistens auch Augenzeugen als Informanten hat, macht die Vita als Text äußerst spannend. Zweitens richtet er sich an junge Mönche zum Zweck der Unterweisung und nicht an Laien und Pilger, um einen Kult zu initiieren. Er stellt die Mönche daher 1 48 V, fol. 100r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 103–104 (ROC 3, 178–179). 149 Vgl. hierzu das Kapitel 4.

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Die Vita des Josef Busnāyā

nicht als übermenschliche Heilige dar, deren Leben ganz anders als das des Lesers ist, sondern berichtet aus einem ihm selbst und dem Leser gleichermaßen bekannten Alltag. Die Heiligen in der Vita sind dabei zwar ideale Vorbilder, die den Adressatenkreis der Vita zur Imitation anregen sollen – und bei der Interpretation ist diese Funktion des Textes immer zu berücksichtigen –, es wird aber immer auch mögliches Scheitern angesprochen, insbesondere werden Ratschläge gegeben, wie dies verhindern werden kann oder wie damit umgegangen werden kann. In einigen Erzählungen berichtet Johannes bar Kaldun von Mönchen, die das oberste Ideal nicht erreichen konnten und deren Position und Arbeit im Kloster dennoch positiv bewertet werden. Die Erzählungen und Darstellungen der Vita des Josef Busnāyā bewegen sich daher immer zwischen diesen beiden Polen:  dem erstrebten, letzten Endes aber kaum erreichbaren Ideal und dem Scheitern. Sie behandelt dabei alle Zwischenstufen und betont auch die Notwendigkeit, demütig und bejahend anzuerkennen, wenn man das oberste Ideal nicht erreichen kann. Ein Beispiel ist der Mönch Māraṯqen, der zeitlebens auf der untersten Stufe des monastischen Lebenswegs blieb und diese Situation schließlich dankbar annahm. Er wird von Johannes bar Kaldun mit Ehrfurcht beschrieben und erhält sogar ein eigenes Unterkapitel. Das Gesagte bedeutet nun nicht, dass die Vita so gelesen werden soll, als berichtete sie über historische Ereignisse. Doch wegen des Entstehungshintergrundes der Vita gehe ich trotz der spezifischen Wahrnehmung der Augenzeugen und der literarischen Gestaltung des Autors davon aus, dass dieser seine Erzählungen in einen Rahmen einbettet, der den Alltag des monastischen Lebens seiner Zeit und Region realistisch widerspiegelt. Die Vita liefert daher wichtige Erkenntnisse über die Zeit des Josef Busnāyā und des Johannes bar Kaldun. Es gibt zahlreiche Anspielungen auf den monastischen Alltag und den idealen Tagesablauf und Lebensweg, aber auch Hinweise auf den Gestaltungsspielraum, den die Mönche in ihrem Leben hatten. Ihre Bildungssituation wird angedeutet. Ebenso wird das Verhältnis des Klosters zu seiner Umwelt angesprochen und seine Rolle als Wirtschaftsbetrieb und Pilgerzentrum besprochen. Dies bedeutet, dass Historiker mit einem gesunden Misstrauen an den Text herangehen sollten, ohne ihn jedoch als Quelle gänzlich zu verwerfen – eine Vorgehensweise, die schon andere Studien bereits an den Tag gelegt haben.150

150 Beispiele für besonders gelungene Auswertungen von Hagiographie für die Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens sind Palmer, Monk and Mason; Walker, Legend of Mar Qardagh; Payne, State of Mixture und Sahner, Christian Martyrs.

Das historische Umfeld der Vita

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2.5.  Das historische Umfeld der Vita 2.5.1.  Der zeitliche und räumliche Rahmen 2.5.1.1.  Die zeitlichen und räumlichen Daten der Vita des Josef Busnāyā Im geographischen Zentrum der Vita steht das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē mit seiner Umgebung. Seine exakte geographische Position ist heute nicht mehr bekannt, doch befindet es sich im Ṣap̄ nātal im nördlichen Teil des heutigen Staates Irak unweit der türkischen Grenze. Die Ṣap̄ nā ist ein linker Nebenfluss des Kleinen Ḫābūr, der wiederum ein linker Nebenfluss des Tigris ist.151 Das Ḫābūr- und das Ṣap̄ nātal bilden gemeinsam einen hügeligen Korridor zwischen dem heutigen Zāḫū im Westen und ʿAmādiyya im Osten, wo das Tal auf den Großen Zab trifft, einen weiteren Nebenfluss des Tigris. Im Westen jenseits von Zāḫū öffnet sich das Tal zum Tigris. Nördlich des Tals erstrecken sich die Qaraberge mit über 2000 m Höhe. Hinter diesem Gebirge schließt sich das Bawartal an, bevor das Hakkarigebirge mit seinen bis zu 4000 m hohen Gipfeln beginnt, in dem das Taurusgebirge auf das Zagrosgebirge trifft. Südlich des Tals schließen noch einige Mittelgebirge mit Bergen von ebenfalls über 2000 m Höhe an, bevor die Niniveebene mit seinen vereinzelten Erhebungen bis zum Ufer des Tigris anschließt. Das Tal selbst schwankt zwischen 700 und 900 m Höhe und gehörte stets zum Hinterland von Mosul, das in der Vita als Stadt eine besondere Rolle spielt. Kirchenpolitisch gehörte das Ṣap̄ nātal im Mittelalter zum Bistum Bēṯ Nūhaḏrā mit Sitz in Maʿalṯāyā, ein Vorort des heutigen Dahūk. Dieses Bistum wiederum war ein Suffraganbistum des Metropoliten von Mosul. Zeitlich umfasst die Vita des Josef Busnāyā in erster Linie zwei Generationen. Eine von ihnen ist durch die Erlebnisse und Berichte des Autors Johannes bar Kaldun und seiner Zeitgenossen geprägt. Johannes schloss sich dem Kloster vor 969 an.152 Seine Berichte gehen bis zu der wahrscheinlichen Zerstörung des Klosters etwa zwei Jahre nach dem Tod des Rabbān (4. September 979), also etwa bis ins Jahr 981. Den zweiten großen zeitlichen Erzählrahmen stellen die Anekdoten und Geschichten dar, die Johannes bar Kaldun von seinem Meister und dem Protagonisten der Vita, Josef Busnāyā, erhält. Dabei handelt es sich

151 Nicht zu verwechseln mit dem Großen Ḫābūr, der ein linker Nebenfluss des Euphrat ist. 152 Er kennt noch Rabbān Māraṯqen, der in diesem Jahr starb, vgl. V, fol. 141v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 147 (ROC 3, 324).

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um Erzählungen aus dem Leben Josef Busnāyās und seiner Lehrer. Die interne Chronologie der Vita geht vom hohen Alter des Josef von 110 Jahren aus. Da er am 4. September 979 starb, bedeutet dies, dass er im Jahre 869 geboren worden wäre. Im Alter von 30 Jahren betrat Josef das Kloster des Rabbān Hormizd (899) und verbrachte dort vier Jahre im Zönobium. Anschließend studierte er auf Drängen seines spirituellen Vaters Īšōʿ von Kūmāṯēh im Oberen Kloster in Mosul (903).153 Im Alter von 60 Jahren (929) zog er auf Bitten von Rabbān Moses in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē um. 946 starb Rabbān Moses – eine der wichtigsten Gestalten, über die Josef Busnāyā berichtet –, der auch an der Gründung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē beteiligt gewesen war. Das hohe Alter von 110 Jahren des Josef Busnāyā hat jedoch als eher unwahrscheinlich zu gelten. Als sicher kann daher im Kontext der Geschichte nur gelten, dass Josef Busnāyā vor dem Tod des Rabbān Moses in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē wechselte und zuvor einige Jahre im Kloster des Rabbān Hormizd verbracht hatte. Der Kern der Vita umfasst also die Zeit von vor 946 bis etwa 981. Die Vita überblickt darüber hinaus die gesamte Existenz des Klosters im 10. Jahrhundert.

2.5.1.2. Der Konflikt zwischen Būyiden und Ḥamdāniden Dieser Zeitraum, den die Vita des Josef Busnāyā abdeckt, war im Nahen Osten vor allem von der Desintegration des ʿAbbāsiden-Kalifats in Bagdad geprägt. Bereits im 9. Jahrhundert verlor es zunehmend seinen Einfluss auf zahlreiche Regionen, deren Steuergelder nun ausblieben. Dem Kalifen blieben als Herrschaftsgebiet in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts die Gegend um Bagdad und der heutige Südirak. Doch auch in diesem nun beschränkten Herrschaftsgebiet verlor der Kalif an Macht und wurde selbst zum Spielball zwischen mächtigen Bürokraten und militärischer Führung. Mit dieser politischen Krise ging auch ein wirtschaftlicher Verfall des Zentralstaates einher, insbesondere auch der landwirtschaftlichen Einnahmen.154 Ohne die Einnahmen aus den Provinzen und aufgrund der geringeren Produktion im Umland von Bagdad wurde es immer schwieriger, den großen Militärapparat zu finanzieren. Zunehmend wurde der Sold der Offiziere mit der iqṭāʿ, einer Art Steuerpacht, ersetzt, das heißt, ihnen wurden Ländereien überlassen, deren Steuereinnahmen – nach Abzug einer geringen Abgabe für die zentrale Regierung – in ihre 153 Der eigentliche Name war Mār Gabriel, doch war es allgemein als Oberes Kloster bekannt. Diesen Namen erhielt es aufgrund seiner Position auf einer Anhöhe am Tigris, vgl. zu seiner Geschichte und Bedeutung u. S. 174. 154 Waines, Internal Crisis; Campopiano, State, vgl. auch Adams, Land, 84–111.

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eigenen Taschen flossen.155 Dies führte zu einer Stärkung des Militärs, da nun Aufgaben der zivilen Verwaltung den Offizieren unterstanden.156 Im Jahr 936 schließlich wurde das Amt des Amīr der Amīre geschaffen, das die zivile Bürokratie, insbesondere die fiskalische Leitung, in die Hände der militärischen Führung legte. Dies setzte den Schlussstrich unter die schleichende politische Entmachtung des Kalifen. Nun folgte ein blutiger Machtkampf um diese neu geschaffene Position, der erst 945 vorläufig entschieden wurde, als die dailamitische Būyiden-Dynastie aus Persien kommend Bagdad eroberte und die Position des Amīrs der Amīre auf Dauer für sich selbst beanspruchte.157 Seit dem späten 9. Jahrhundert konnte sich derweil in Mosul und der nördlichen Ǧazīra die Ḥamdānidendynastie durchsetzen und ihr Einflussgebiet in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts bis in die Region nördlich von Tikrit ausweiten.158 Zunehmend erreichten die Ḥamdānidenherrscher auch eine Autonomie von Bagdad, die sich unter anderem dadurch auszeichnete, dass sie keine Steuern mehr abführten. Auch in den Machtkämpfen in Bagdad spielten die Ḥamdāniden eine aktive Rolle und der mächtige Ḥamdānide Nāṣiraddawla konnte sich im Jahr 942 sogar für eine kurze Zeit das Amt des Amīr der Amīre aneignen, ohne es sich jedoch auf Dauer zu sichern. Als es nun 945 dem dailamitischen Būyidenherrscher Muʿizzaddawla gelang, Bagdad zu erobern und die Position des Amīr der Amīre einzunehmen, trat dieser in ein spannungsreiches Verhältnis zu den Ḥamdāniden in Mosul (bis 967 Nāṣiraddawla, ab 967 Abū Taġlib). Diese weigerten sich immer wieder, den vereinbarten Tribut zu zahlen und die Vorherrschaft der Būyiden anzuerkennen. Mehrmals versuchten die Būyiden (948/9, 958/9 und 964) durch Feldzüge nach Mosul ihren Anspruch auf den Tribut durchzusetzen, aber ohne Erfolg. Die Taktik der Ḥamdāniden bestand darin, in solchen Fällen Mosul zu verlassen und Schutz in ihren umliegenden Festungen zu suchen, die sich in den Bergen nördlich

1 55 Vgl. Cahen, Iḳṭāʿ. 156 Da diese Offiziere nur wenig Erfahrung in der agrarwirtschaftlichen Verwaltung hatten und wohl auch wenig Interesse daran hatten, in die Infrastruktur einer ihnen nur temporär überlassene Länderei zu investieren, führte dies zusätzlich zu einer Verminderung der Erträge in dieser Zeit vgl. Bonner, Waning, 352–354; Waines, Internal Crisis; Campopiano, State. 157 Eine knappe Zusammenfassung der turbulenten Ereignisse in diesen Jahren findet sich in Bonner, Waning, 348–356. 158 Für die Geschichte der Ḥamdāniden grundlegend ist Canard, Dynastie des H’amdanides und die dreibändige Dissertation Bikhazis (Bikhazi, Hamdanid Dynasty), auf denen die folgenden Zusammenfassungen beruhen.

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Die Vita des Josef Busnāyā

von Mosul, also auch in der Nähe des in dieser Arbeit untersuchten Gebiets, befanden. Alles, was zur Herrschaftsausübung notwendig war  – inklusive Beamtenapparat – nahmen sie mit. So bildete sich zwischen den Ḥamdāniden und den Būyiden in Bagdad ein Kräftegleichgewicht aus. Dies änderte sich, als 977 der Būyide ʿAḍudaddawla von Fars kommend seinen Cousin in Bagdad verdrängte und gegen den Ḥamdāniden Abū Taġlib mit militärischer Entschlossenheit vorging. In einer Schlacht bei Samarra konnte ʿAḍudaddawla Abū Taġlib schließlich am 29. Mai 978 besiegen und betrat drei Wochen später Mosul. Die Ḥamdānidenstrategie, die Stadt ohne Verwaltungsinfrastruktur zurückzulassen, konnte ʿAḍudaddawla unwirksam machen, indem er ehemalige Verwaltungsbeamte aus Mosul, die nach Bagdad oder anderen Städten ausgewandert waren, mit nach Mosul nahm. Ebenso ließ er seine Feldherren die Festungen Abū Taġlibs in der Umgebung Mosuls erobern. Dadurch konnte ʿAḍudaddawla – anders als seine Vorgänger – die Machtbasis der Ḥamdāniden in Mosul und seiner Umgebung nachhaltig zerstören. Abū Taġlib blieb nichts anderes übrig, als über Mesopotamien in das byzantinische Gebiet zu fliehen. Von dort führte ihn seine Flucht nach Syrien, wo er sich den Fāṭimiden anschließen wollte. Er fand schließlich  – ein Jahr nach der entscheidenden Schlacht bei Samarra  – einen gewaltsamen Tod. ʿAḍudaddawla selbst konnte seine Herrschaft über Bagdad und Mosul bis zu seinem Tod 983 halten, ohne jedoch dauerhafte Strukturen auszubilden. Seine Nachfolger in Bagdad hingegen schafften es nur unter großen Anstrengungen, Mosul gegen die Bedrohung durch Kurden und Beduinen zu schützen. Erst die Beduinendynastie der ʿUqayliden konnte in den 90er-Jahren des 10. Jahrhunderts ein Emirat in Mosul aufbauen. Es blieb aber immer in der Auseinandersetzung mit den Kurden, die die Region nördlich und westlich von Mosul beherrschten und ihrerseits Dynastien ausbildeten.159 Dynastien wie diese begründen die zunehmende Dominanz nomadischer Gruppen im 11. Jahrhundert.160 Die muslimische Geschichtsschreibung bietet kaum Informationen darüber, welche Einflüsse diese Ereignisse und Konflikte auf die Landbevölkerung hatten. Ihr Fokus liegt primär auf den politischen Protagonisten und der Situation in den Städten. Daher erfährt man über die Peripherie, wie zum Beispiel auch das Ṣap̄ nātal, nur selten etwas, was darüber Aufschluss geben könnte, wie die Menschen dort gelebt haben. Auch ist die Region archäologisch noch kaum

1 59 Beispielsweise die Marwāniden, vgl. Ripper, Marwāniden. 160 Vgl. auch Heidemann, Renaissance der Städte, 29–33.

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erschlossen. Eine historische Einordnung der Vita in diese Ereignisse kann daher nur aus der Vita selbst erfolgen.

2.5.2. Religiöser und kultureller Rahmen – Ostsyrische Mystik und abrahamitische Klosterreform als Verstehenshorizont der Vita Der Zweck dieser Arbeit soll nicht in der Darstellung der theologischen und mystischen Ausrichtung der Vita liegen, obwohl dies ein lohnendes Forschungsthema wäre. Dennoch ist es nicht möglich, von der Struktur und dem Aufbau des Klosters und den Beziehungen zu seinem kirchlichen und monastischen Umfeld zu reden, ohne kurz die Geschichte und den Hintergrund der Klosterreform des Abraham von Kaškar erörtert zu haben. Des Weiteren muss kurz auf die Grundprinzipien der ostsyrischen Mystik eingegangen werden, um das Verständnis der inneren Struktur des Klosters und des idealen Lebenswegs der Eremiten zu gewährleisten. Dies ist hier nur in einer Weise möglich, die der Tiefe der Überlegungen und der Unterschiede der verschiedenen theologischen Denker nicht gerecht wird. Als Grundlage, um Zusammenhänge zwischen diesen Hintergründen mit dem alltäglichen Leben der Mönche zu begreifen, mag dieser Überblick hingegen genügen.161

2.5.2.1. Die antimonastische Zeit der Kirche des Ostens Die Vita des Josef Busnāyā ist ein Text, der aus der Perspektive der monastischen Bewegung formuliert wurde. Diese hatte nicht immer einen guten Stand in der Kirche des Ostens. Bereits im 5. Jahrhundert, also vor der Zeit der islamischen Eroberung, erließ die Kirche des Ostens in einer Reihe von Synoden Gesetze, die eine antizölibatäre und -monastische Stoßrichtung hatten. Der Zölibat wurde abgeschafft und Priester und Bischöfe sollten in Zukunft verheiratet sein. Der Initiator dieser Prozesse, der Metropolit Barṣaumā von Nisibis, gab selbst das Vorbild und heiratete.162 Im Rahmen derselben Entwicklung wurde auch das ostsyrische Mönchtum stärker an den Rand gedrängt: Mönche sollten nicht länger in den Städten und Dörfern, sondern außerhalb bewohnter Gegenden leben.163 Die Hintergründe dieser Maßnahmen sind noch nicht 161 Für tiefere Einlicke in die ostsyrische Mystik sei hier auf die Werke Beulay, Lumière und Blum, Geschichte der Begegnung verwiesen. 162 Vgl. zu den Hintergründen dieser Situation zusammenfassend Blum, Nestorianismus, 273–276; ausführlicher Gerö, Antiasketische Bewegung und Gerö, Barṣauma, 79–88. 163 Jullien, Monachisme en Perse, 11–14; Kavvadas, Mönchtum.

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hinlänglich erforscht. Bisher gab es zwei Erklärungsversuche:  Die einen vermuten, dass die Kirche des Ostens den persischen Herrschern entgegenkommen wollte, indem sie ein eigenständiges theologisches Profil gegenüber der römischen Kirche aufbauen wollte. Da in der zoroastrischen Staatsreligion der Perser Familie einen hohen Stellenwert einnahm und die Fortpflanzung eine religiöse Pflicht für einen Mann darstellte, stieß der Zölibat auf Unverständnis und sorgte für Spannung insbesondere als zunehmend auch Christen in die persische Oberschicht strebten.164 Die antiasketischen Gesetze wurden daher als eine solche Maßnahme des Entgegenkommens gesehen. Sie veranlassten in Folge, dass viele Mönche in die Opposition zur Kirche des Ostens gingen und sich der miaphysitischen Bewegung anschlossen.165 Andere vermuten, dass die antizölibatären und antimonastischen Maßnahmen eine Reaktion auf bereits vorhandene monophysitische Tendenzen des Mönchtums waren, die als Gefahr für die neu gewonnene Autokephalie der Kirche des Ostens Anfang des 5. Jahrhunderts wahrgenommen wurde.166 Unabhängig von der tatsächlichen Begründung, war das Ergebnis dieser Entwicklung, dass sich die monastische Bewegung im persischen Reich gegenüber der offiziellen Kirche in Opposition befand und sich in verschiedene Richtungen neu orientierte: Florence Jullien sieht insbesondere zwei Pole, zu denen sich die Mönche als marginalisierte Gruppe orientierten:  Auf der einen Seite schlossen sich Klöster und Mönche der syrisch-orthodoxen Kirche an, die sich damals stärker auf dem Gebiet der Kirche des Ostens ausbreiten konnten, auf der anderen Seite führte es zu einer Laxheit der Klosterdisziplin in den verbliebenen Klöstern, mit der die Kirche des Ostens noch lange kämpfen musste.167 Hinzu kam, dass der Monastizismus auch innerkirchliche Oppositionsbewegungen bildete, die später unter dem Vorwurf des Messalianismus subsumiert wurde.168

2.5.2.2. Die Reformbewegung des Abraham von Kaškar Die askesefeindliche Haltung der Kirche des Ostens in dieser Zeit konnte sich nicht lange halten. Bereits in der Mitte des 6.  Jahrhunderts wurde diese

164 Vgl. zur Spannung zwischen der christlichen und der zoroastrischen Sexualmoral Payne, State of Mixture, 108–117. 165 Z.B. Fitschen, Messalianismus, 289–291; Jullien, Monachisme en Perse, 12; für ältere Literatur vgl. auch Gerö, Antiasketische Bewegung. 166 Z. B. Kavvadas, Mönchtum; Gerö, Antiasketische Bewegung. 167 Jullien, Monachisme en Perse, 11–12. 168 Fitschen, Messalianismus, 295.

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Entwicklung wieder rückgängig gemacht. Diese Rücknahme ist zum einen mit dem Namen des Katholikos-Patriarchen Abbā verbunden, zum anderen mit dem des Abraham von Kaškar.169 Dieser gründete das semi-anachoretische Große Kloster auf dem Berg Izlā bei Nisibis. Dieses Kloster wurde unter ihm und seinen Nachfolgern Dāḏīšōʿ und Bāḇay170 zum Zentrum einer monastischen Reformbewegung, die die Kirche des Ostens nachhaltig prägte. Die Regeln171 des Großen Klosters auf dem Berg Izlā verbanden die zönobitische Lebensweise in einer Gemeinschaft mit einer eremitischen Lebensweise in einer Zelle, die aber nichtsdestotrotz an die Gemeinschaft rückgebunden wurde, beispielsweise durch gemeinsames Gebet und die Liturgie am Sonntag. Das zönobitische Leben in einem zentralen Klosterbereich wurde zeitlich begrenzt auf zwei bis vier Jahre festgelegt, nach deren Ende sich der Zönobit nunmehr als Eremit in die Zelle zurückziehen sollte, ohne sämtliche Bindungen zu dem Kloster zu verlieren.172 Diese Form findet sich auch in der Beschreibung des Klosters in der Vita des Josef Busnāyā. Die Stärke dieser Art des monastischen Lebens war es, dass die Eremiten an eine kirchliche Institution zurückgebunden waren und nicht außerhalb jeglicher kirchlichen Bindung lebten. Verbunden mit einer starken antimonophysitischen Ausrichtung der Klosterreform des Abrahams

169 Vgl. zum Leben des Abraham von Kaškar, vgl. Tamcke, Abraham; zu den Quellen vgl. Chialà, Abramo di Kashkar, 21–48; Jullien, Monachisme en Perse, 36–92. 170 Beide werden behandelt bei Jullien, Monachisme en Perse, 89–92 und bei Chialà, Abramo di Kashkar, 106–136. Chialà gibt auch italienische Übersetzungen der wichtigsten Quellen zu den beiden Nachfolgern in seinem zweiten Anhang, Chialà, Abramo di Kashkar, 183–238. 171 Es sind drei Regeln erhalten: Die Regel des Abraham von Kaškar, die Regel seines Nachfolgers Dāḏīšōʿ und die Regel des dritten Abtes des Großen Klosters Bāḇay. Alle drei Texte wurden von Arthur Vööus in seiner Anthologie syrischer und arabischer Rechtstexte zum syrischen Monastizismus (= Vööbus, Documents) ediert und ins Englische übersetzt (Abraham von Kaškar, Rules; Dāḏīšōʿ, Rules; Bāḇay der Große, Rules). Der Text der Regeln des Abraham und des Dāḏīšōʿ sind auf Syrisch erhalten, während die Regeln des Bāḇay nicht direkt, sondern in der kirchenrechtlichen Kompilation des Ibn aṭ-Ṭayyib auf Arabisch überliefert wurden. Eine weitere Edition haben Hoenerbach und Spies (Ibn aṭ-Ṭayyib, Fiqh an-naṣrānīya, II [textus], 174–178) mit einer deutschen Übersetzung (Ibn aṭ-Ṭayyib, Fiqh an-naṣrānīya, II [versio], 176–180) angefertigt. In ihrem Vorwort bezeichnen Hoenerbach und Spies das Werk Ibn aṭ-Ṭayyibs als ein gekürztes Kompendium (Ibn aṭ-Ṭayyib, Fiqh an-naṣrānīya, II [versio], vii–viii. Es handelt sich also nicht um eine wortgetreue Übersetzung. Allgemein zu Ibn aṭ-Ṭayyib, vgl. Butts, Ibn al-Ṭayyib; Faultless, aṭ-Ṭayyib. 172 Vgl. Jullien, Monachisme en Perse, 149–151; Tamcke, Saḇrīšōʻ, 45–46.

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konnte die neue monastische Bewegung das Mönchtum wieder in die Kirche des Ostens eingliedern.173 Im Zentrum dieser Entwicklung stand Bāḇay der Große (gest. 628). Der dritte Abt des Großen Klosters hatte während der Zeit der Sedisvakanz in der Kirche des Ostens 609 bis 628 faktisch die Kirchenleitung übernommen. Seine Position verdeutlicht, dass das Mönchtum wieder in der Kirche des Ostens seinen Platz gefunden hatte. In der Tat breitete sich diese monastische Bewegung schnell aus und erreichte eine solche Dominanz in der Kirche des Ostens,174 dass andere monastische Formen für die kommenden Jahrhunderte eine untergeordnete Rolle spielten.175

2.5.2.3. Der sogenannte ostsyrische Messalianismus Die abrahamitische Klosterreform hatte so zwar das Mönchtum im Zentrum der Kirche des Ostens wieder fest installiert, die Oppositionsbewegungen, die sich z. T. auch gegen die übernommene Schultradition des Theodor von Mopsuestia richtete, war allerdings noch nicht überwunden. Vielmehr steht am Anfang des 7. Jahrhunderts Bāḇay der Große als Abt des wichtigsten Klosters im Zentrum des Kampfes gegen die monastischen Oppositionsgruppen. Bereits im 6. Jahrhundert werden diese Oppositionsgruppen unter dem Begriff „Messalianer“ zusammengefasst.176 Dieser Begriff ist nicht neu. Die Messalianer177 (von syr. mṣallyānā Beter) waren eine enthusiastische Bewegung,178 auf die sich erste Hinweise im 4.  Jahrhundert im syrischen Raum finden. Dieser frühen, auf dem Konzil von Ephesos im Jahre 431 n. Chr. verurteilten Bewegung wurde unter anderem die Lehre zugeschrieben, dass die Sünde in der Natur des Menschen liege und die Taufe nur die begangenen Sünden entferne, nicht aber die Sündhaftigkeit der Seele. Daraus sollen sie die Ablehnung bzw. Geringachtung

1 73 Vgl. Kavvadas, Mönchtum, 101–103; Kavvadas, Beobachtungen, 178–180. 174 Zur Ausbreitung dieser Form vgl. auch sehr detailliert Jullien, Monachisme en Perse, 243–271. 175 So Kavvadas, Beobachtungen, 179, Anm. 8. Er schreibt, dass der Fortbestand vorabrahamitische Klöster als Missstand wahrgenommen wurde. Hierzu sei allerdings angemerkt, dass es auch weiterhin Hinweise auf andere monastische Formen in dieser Zeit gibt, s. Bettiolo, Scuole, 36–39. 176 Fitschen, Messalianismus, 293. 177 Zu den Messalianern im 4. und 5. Jahrhundert vgl. Stewart, Mesallian Controversy; Staats, Messalianer; Fitschen, Messalianismus, 18–88. 178 Fitschen plädiert dafür, den Messalianismus nicht als geschlossene Bewegung oder eine Gegenkirche zu sehen, sondern als eine geistige Strömung, vgl. Fitschen, Messalianismus, 15.

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der Taufe abgeleitet haben. Ebenso sollen sie körperliche Arbeit verachtet haben und faul gewesen sein. Des Weiteren wurde ihnen zur Last getragen, sie würden behaupten, Visionen zu haben und sogar die Trinität mit ihren Augen – d. h. physisch – zu sehen. Schließlich wurde ihnen vorgeworfen, sie verachteten die kirchliche Gemeinschaft und sahen den Empfang der Eucharistie als unnötig an.179 Inwieweit diese Vorwürfe zutreffend waren oder ob es sich um eine häresiologische Überspitzung handelt, muss offenbleiben. Sie ähneln aber den Vorwürfen, die der monastischen Opposition der Kirche des Ostens gemacht wurden. Es muss jedoch betont werden, dass diese nicht in Kontinuität zu der Gruppierung aus dem 4.  und 5.  Jahrhundert stand.180 Vielmehr wurde der Begriff „Messalianer“ in der Kirche des Ostens zu einem häresiologischen Schlagwort, das sich gegen nicht regulierte Mönche ebenso wie gegen miaphysitische Mönche richtete.181 Eine ausführliche Anklage gegen die monastische Opposition in der Kirche des Ostens ist uns von Bāḇay dem Großen in seinem Kommentar zu den Kephalaia Gnostica des Evagrius Ponticus erhalten.182

2.5.2.4. Die ostsyrische Mystik Ihren Anfang nimmt die Sonderform der ostsyrischen Mystik im 6. Jahrhundert und erfährt ihren Höhepunkt im 7. und 8. Jahrhundert. Sie entsteht und entwickelt sich parallel zur Reformbewegung des Abraham von Kaškar und ist in der Tat auch mit ihr verflochten. So charakterisiert Sabino Chialà die mystischen Autoren dieser Zeit anhand dreier Kategorien, die es erlauben, von einer Schule zu sprechen: a) Die Autoren stammen aus Klöstern der abrahamitischen Klosterreform, b) sie rezipieren bestimmte griechische Väter und c) sie gehen mit deren Texten auf eine ähnliche Art um.183 Zu beobachten ist auch,

1 79 Vgl. Staats, Messalianer, 607–608; Stewart, Mesallian Controversy, 52–65. 180 Ich folge hier Fitschen, der gegen Vööbus argumentiert: „[…] viel eher aber handelt es sich bei den ‚Messalianern‘, die uns in Ostsyrien von nun an [d. i. von der Zeit des Katholikos-Patriarchen Šīlā 502 bis 504 an] begegnen, um ganz unspezifische Träger alter Traditionen, die sich nicht angemessen als Messalianer […] ansprechen lassen.“ Fitschen, Messalianismus, 291. 181 Fitschen, Messalianismus, 295. 182 Für eine Zusammenfassung der Vorwürfe Bāḇays, vgl. Tamcke, Saḇrīšōʻ, 23–24 sowie Fitschen, Messalianismus, 295–297. 183 Chialà, Mystiques syro-orientaux, 76. Er bezeichnet diese Bewegung aufgrund ihrer Ähnlichkeiten sowohl als eine Epoche als auch als eine Schule. Kritisch ist hier anzumerken, dass über manche der Autoren wie Abraham bar Dašandad sehr wenig bekannt ist. Auch ist zu beachten, dass Bettiolo hinter Šuḇḥālmāran und Martyrius

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Die Vita des Josef Busnāyā

dass sich einige dieser ostsyrischen Mystiker wie Isaak von Ninive und Josef Ḥazzāyā aufeinander beziehen und in ihrer Arbeit aufeinander aufbauen. Auch Josef Busnāyā und sein Schüler Johannes bar Kaldun waren Anhänger dieser speziellen Form mystischer Theologie und Praxis und lebten in einem Kloster dieses Reformmonastizismus. Ein wichtiger gemeinsamer Bezugspunkt der ostsyrischen Mystik ist Evagrius Ponticus (346 bis 399) und seine Kephalaia Gnostica.184 Dies ist verwunderlich, denn Evagrius Ponticus war Anhänger der Lehren des Origenes (gest. 253/254), dessen Lehren im reichskirchlichen Konzil von 553 verurteilt wurden185 und auch in der Kirche des Ostens, ähnlich wie der Messalianismus, als häretisch betrachtet und bekämpft wurden. Dass Evagrius dennoch in der Kirche des Ostens einen großen Einfluss gewinnen konnte, liegt nicht zuletzt an Bāḇay. Ihm lag nämlich eine von den origenistischen Ideen gereinigte Version der Kaphalaia Gnostica vor, die er indes für die echte hielt.186 Als einflussreicher Denker seiner Zeit kommentierte Bāḇay die Kephalaia Gnostica und beförderte so Evagrius‘ Popularität in der Kirche des Ostens. In Folge wurden jedoch auch die ursprüngliche Version seiner Kephalaia Gnostica und andere Werke rezipiert. Die ostsyrische Mystik hat zunächst das praktische Anliegen, für die monastische Lebensweise konkrete Anleitungen zu geben, wie man durch Askese, Gebet und Meditation zu mystischen Erfahrungen gelangt. Diese Anleitungen wurden mithilfe eines theoretischen Fundaments systematisiert, das im Folgenden in der Form des Josef Ḥazzāyā dargestellt wird.187 Unter der mystischen Erfahrung ist eine „das gewöhnl[iche] Bewusstsein u[nd] die verstandesmäßige Erkenntnis übersteigende, unmittelbare Erfahrung der göttl[ichen] od[er] transzendenten Realität“188 zu verstehen. In der ostsyrischen Mystik wird diese

eine eigene Tradition sieht, die von Abraham von Kaškar zu unterscheiden ist, vgl. Bettiolo, Scuole, 36–39. 184 Zu Evagrius’ Leben und Werk s. Altaner/Stuiber, Patrologie, 265–268. Zu seiner Rolle im syrischsprachigen Raum vgl. Brock, Evagrius. 185 Zum Leben und Werk vgl. Altaner/Stuiber, Patrologie, 197–209. 186 Vgl. Blum, Nestorianismus, 279–280. 187 Es handelt sich im Folgenden um eine Zusammenfassung der Darstellung der Lehre des Josef Ḥazzāyā durch Gabriel Bunge (Ḥazzāyā, Briefe, 35–45). Fast alle Elemente der Lehre des Josef Ḥazzāyā finden sich auch in der Vita des Josef Busnāyā wieder. Für eine ausführliche Besprechung der mystischen Theologie Josefs s. Olickal, Three Stages. 188 Ohm, Mystik, 732.

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unmittelbare, rein geistige Erfahrung als Schauung oder Kontemplation der heiligen Trinität (tēʾōrīya ḏa-ṯlīṯāyūṯā)189 bezeichnet. Diese Kontemplation als höchstes Ziel wird zum einen auf das Licht der göttlichen Glorie bezogen, auf der anderen Seite findet man bei den Mystikern ebenso das Motiv der Henosis bzw. der unio mystica, also der Einswerdung des Mystikers mit Gott. In der Vita des Josef Busnāyā wird die Kontemplation der Heiligen Trinität als höchste zu erreichende Erfahrung genannt.190 Die Lehre der ostsyrischen Mystiker beschreibt den Weg, der zu einer solchen Erfahrung führt. Hierzu hat sich – ausgehend von Evagrius Ponticus – die Vorstellung eines dreistufigen Modells mit fünf unterschiedlichen Formen der Kontemplation durchgesetzt, das wiederum in einzelne feinere Stufen zerfällt. Bei der ersten Stufe handelt es sich um die Stufe der Leibhaftigkeit (mšuḥṯā ḏ-p̄ aḡrānūṯā), in der sich der Mystiker körperlicher Arbeit und der Perfektionierung der äußeren Sinne widmet. Auf dieser Ebene kann er nur die Kontemplation der materiellen Dinge praktizieren. Daher erschließt sich ihm auch Gott nur in materiellen Bildern. Das Ziel dieser Stufe ist die Reinheit (daḵyūṯā) des Körpers. Die zweite Stufe ist die Stufe der Seelenhaftigkeit (mšuḥṯā ḏ-nap̄ šānūṯā), auf der die zunehmende Verinnerlichung der körperlichen Arbeiten vonstattengeht. In der äußersten Form wird der Mönch nunmehr bereits als Bewohner der jenseitigen, mystischen Welt gesehen und seine Seele hat die Lauterkeit (šap̄ yūṯā) erreicht. Auf dieser Stufe praktiziert er die Kontemplation der geistigen Dinge, d. h. er schaut die Dinge auf einer rein intellektuellen Ebene. Er begreift auf dieser Stufe daher die materielle sowie die geistige Welt, so wie sie tatsächlich ist. Daraus erwächst auch die Kontemplation des Gerichtes Gottes, d.  h. der Schöpfung der materiellen und der geistigen Welt sowie die Kontemplation der Vorsehung Gottes, d. h. des Heilsplans Gottes und der Vollendung der Schöpfung. Die letzte Stufe, die Stufe der Geisthaftigkeit (mšuḥṯā ḏ-ruḥānūṯā), wird bei Josef Busnāyā als ein zeitlich begrenzter Zustand betrachtet, in dem eben jene mystische Erfahrung der Unmittelbarkeit Gottes erreicht wird. Auf dieser Stufe hat der Mönch keinerlei Bedürfnisse mehr und er gelangt zur Kontemplation der Heiligen Trinität. Er kann sich aber nicht auf Dauer auf dieser Stufe bewegen, weil er als Mensch die Bedürfnisse seines Körpers befriedigen muss. Diese letzte Stufe ist zwar nur als Gnadengabe möglich und kann nicht erzwungen werden, doch scheinen

189 In der Übersetzung der syrischen Fachbegriffe der ostsyrischen Mystik orientiere ich mich an der deutschen Übersetzung Josef Ḥazzāyās durch Gabriel Bunge. S. vor allem sein Glossar in Ḥazzāyā, Briefe, 388–395. 190 V, fol. 199v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 215 (ROC 5, 125).

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Die Vita des Josef Busnāyā

die zwei Stufen zuvor Voraussetzung für diese Erfahrung zu sein. Das Fortschreiten auf diesen Stufen ist nur in der Askese und der Abgeschiedenheit in der Zelle oder der Wildnis möglich und fordert eine absolute Abkehr von der profanen Welt, in extremen Fällen bis hin zur Ablehnung der Teilnahme an der Eucharistiefeier und damit zur Abkehr vom kirchlichen Leben.191

2.5.2.5.  Der Konflikt zwischen ostsyrischer Mystik und der Kirche Die Tendenz der ostsyrischen Mystik, Abgeschiedenheit und Abkehr auch vom kirchlichen Leben zu fordern, hatte zur Folge, dass die Spannungen zwischen monastischer Bewegung und Institution Kirche wieder auflebten. So wurden die Klöster der abrahamitischen Klosterreform trotz ihres Versuchs, Eremitentum und Zönobitentum zu verbinden, erneut zum Schauplatz der Auseinandersetzung mit der Kirche. In den Klöstern wuchs die Unzufriedenheit der Vertreter der ostsyrischen Mystik mit der „koinobitischen Überformung“,192 über die sich bereits im 8. Jahrhundert Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā193 und Isaak von Ninive194 erregten:  Das gemeinsame Gebet und die gemeinsame Liturgie wurden wieder stärker hervorgehoben, vermehrt wurden exegetische Kommentare und andere theologische Werke gelesen, die nach Ansicht der monastischen Autoren die Mönche von ihren eigentlichen mystischen Übungen ablenkten und wegen des wissenschaftlichen Diskussionspotenzials Unfrieden in das Kloster brachten.195 Auf der anderen Seite führte solche Kritik an Stundengebet und Lektüre sowie die Forderung nach strenger Abgeschiedenheit zu Misstrauen aufseiten der Amtskirche. Zu sehr erinnerte es manchen Hierarchen an den Messalianismus, den man im 6. und 7. Jahrhundert bekämpft hatte. Um solchen Vorwürfen von vornherein Wind aus den Segeln zu nehmen, betonten die Mystiker daher in ihren Schriften immer wieder ihre Treue zur Kirche des Ostens, zu den monastischen Regeln und

191 Die Lehre des Josef Busnāyā ist im achten Kapitel zu finden vgl. V, fol. 193v–202v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 208–218 (ROC 5, 118–128). Für eine Zusammenfassung seiner Lehre vgl. Blum, Geschichte der Begegnung, 453–465. 192 Kavvadas, Beobachtungen, 179. 193 Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Abba Isaie, [textus], 182–184 (syr.); [versio], 140–142 (franz.); vgl. auch Abramowski, Dadisho, 69–71; Kavvadas, Prestige, 134. 194 Vgl. Kavvadas, Beobachtungen, 183–185; Kavvadas, Prestige, 132–133. 195 Vgl. hierzu Abramowski, Dadisho, 71–75; Becker, Fear of God, 184–194; Bumazhnov, Wahrheit, 155–157.

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zu ihrem Haupttheologen, Theodor von Mopsuestia.196 Dennoch führte das anhaltende Misstrauen schließlich zur posthumen Verurteilung der drei bedeutenden ostsyrischen Mystiker Johannes von Apamäa, Josef Ḥazzāyā und Johannes von Dalyāṯā durch den Katholikos-Patriarchen Timotheos I. im Jahre 790. Inwieweit die Verurteilungen theologisch begründet waren oder ob – wie Īšōʿdnaḥ von Baṣra schreibt – Neid der Hauptgrund für Timotheos Vorgehen war, muss an dieser Stelle offenbleiben. Es genügt, auf die Diskussion in der Wissenschaft zu verweisen.197 Eine spätere Notiz von ʿAḇdīšōʿ bar Brīḵā (gest. 1318) aus dem 13. Jahrhundert berichtet allerdings, dass die Lektüre der Werke der drei Mystiker durch den Kommilitonen, Nachfolger und Gegner von Timotheos I., Īšōʿ bar Nūn, wieder gestattet wurde.198 Nach der Verurteilung und Rehabilitierung dieser Autoren wurde die ostsyrische Mystik nicht weiterentwickelt und es entstanden im 9.  Jahrhundert keine neuen mystischen Texte in der Kirche des Ostens, die bis heute erhalten geblieben sind. Von Ende des 9./Anfang des 10. Jahrhunderts ist eine christlicharabische Zusammenfassung der Lehre des Isaak von Ninive, die allerdings in einem nicht monastischen Kontext entstanden ist, erhalten199 sowie aus dem 10. Jahrhundert die in dieser Arbeit im Fokus stehende Vita des Josef Busnāyā, die sich ausführlich mit der ostsyrischen Mystik auseinandersetzt.

196 Zur Frage der Bedeutung Theodor von Mopsuestias für die ostsyrische Mystik vgl. Abramowski, Dadisho, 76–82; Pinggéra, Theodor. Zur der liturgischen Problematik vgl. Kavvadas, Beobachtungen, 183–186. 197 Martikainen, Timotheos; Berti, Grazia; Berti, Timoteo, 190–193; 274–278; Heimgartner, Timotheos. 198 Vgl. Heimgartner, Timotheos, 73, Anm. 10. Eine Einordnung dieser Ereignisse in die Gegnerschaft zwischen Īšōʿ bar Nūn und Timotheos I. macht Berti, Timoteo, 265–278. 199 S. Ibn aṣ-Ṣalt, Traités religieux; vgl. auch Swanson, Ibn al-Ṣalt.

3.  Darstellung der Klöster in der Vita des Josef Busnāyā In der Vita des Josef Busnāyā werden zahlreiche Klöster genannt, die miteinander in Kontakt standen und interagierten. Für zahlreiche dieser Klöster ist die Vita die einzige oder die früheste Nennung. Jean Maurice Fiey hat in Handschriften, Literatur und zuweilen auch vor Ort Unmengen von Informationen gesammelt und so zahlreiche Identifizierungsversuche von Klöstern und Dörfern des ostsyrischen Christentums, insbesondere im Irak, unternommen. Keine Arbeit über das Christentum im Irak kommt an seinem Gesamtwerk vorbei. Er hat auch versucht, die Orte und Klöster der Vita des Joseph Busnāyā zu identifizieren und bzw. für diese eine Verortung durchzuführen, was ihm nicht in allen Fällen gelang. 200 Die meisten dieser Klöster tauchen in der Vita lediglich als Handlungsorte auf, über deren Namen hinaus nichts berichtet wird. Nur über den Aufbau und die Struktur dreier Klöster werden in der Vita genauere Daten gegeben. Deren Geschichte und Verortung sollen hier kurz zusammengefasst werden, sowie Informationen dazu gegeben werden, inwieweit archäologische Quellen zu diesen Klöstern bekannt sind. Es handelt sich neben dem Kloster von Bēṯ Ṣayyārē um die Klöster von Rabbān Hormizd und Josef von Īnēšk. Im Anschluss soll der Aufbau eines Klosters dargestellt werden, wie er in der Vita greifbar wird. Informationen darüber begegnen vor allem in den Erzählungen, wenn in ihnen bestimmte klösterliche Bereiche eine Rolle spielen. Diese sind zumeist im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē situiert, das Johannes bar Kaldun in seiner Darstellung als ideales Kloster in der Tradition von Abraham von Kaškar und Mār Awgēn vor Augen hat. Zuweilen wird aber auch auf Bereiche in den Klöstern von Rabbān Hormizd und Josef von Īnēšk verwiesen. Um ein möglichst komplettes Bild der drei Klöster zu schaffen, wurde auch versucht, auf archäologische Quellen zurückzugreifen. Dies ist aber nur begrenzt möglich. Einerseits gibt es bisher keine Überblicksuntersuchungen zu diesem geographischen und zeitlichen Raum. Die einzige Ausnahme, die unveröffentlichte Dissertation von Narmen Ali Muhamad Amen, 201 verdeutlicht vor 200 Die topographische Auswertung der Vita des Josef Busnāyā ist besonders in folgende Werke eingeflossen Fiey, Balad; Fiey, Assyrie chrétienne; Fiey, Hakkari turc; Fiey, Sanctuaires. 201 Muhamad Amen, Églises et monastéres.

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Darstellung der Klöster in der Vita des Josef Busnāyā

allem, dass die Überreste mittelalterlicher Klöster in dieser Region archäologisch noch nicht aufgearbeitet wurden und sich im Allgemeinen aktuell in einem schlechten Zustand befinden. Andererseits hat das einzige Kloster der Vita, das bis heute Bestand hat, das Kloster des Rabbān Hormizd, aufgrund seiner wechselhaften Geschichte im Laufe der Jahre deutliche bauliche Veränderungen erfahren und so kann aus seinem heutigen Erscheinungsbild nicht mehr direkt auf seine Form im Mittelalter geschlossen werden und somit kann es auch nicht unmittelbar als Auswertungshilfe dienen. 202 Aktuell finden in der Region des Ḫābūr- und Ṣap̄ nātals archäologische Surveys durch den Tübinger Archäologen Peter Pfälzner statt. 203 Es ist zu hoffen, dass diese neuen Forschungen zusätzliche Informationen über die Klöster der Region bereitstellen werden. Um die archäologischen Quellen für die vorliegende Arbeit fruchtbar zu machen, ist es daher nötig, auch Arbeiten aus einen größeren geographischen Raum einzubeziehen. Hierzu gibt es bereits deutlich mehr Arbeiten. Insbesondere sind christliche archäologische Funde der Sasanidenzeit zu nennen. 204 Einschränkend ist jedoch zu sagen, dass aus dem Kontext der Kirche des Ostens kein Kloster bekannt ist, über dessen Aufbau literarische Quellen erhalten sind, die wir mit archäologischen Erkenntnissen vergleichen könnten. Zumeist ist bei den archäologisch nachgewiesenen Klöstern daher der konfessionelle und monastische Hintergrund nicht bekannt.

3.1.  Die Geschichte der Klöster der Vita des Josef Busnāyā 3.1.1.  Das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē Die einzige Quelle, die ausführlich über die Geschichte des Klosters Abraham von Bēṯ Ṣayyārē berichtet, ist die Vita des Josef Busnāyā. Einzig der Nomocanon von ʿAḇdīšōʿ bar Brīḵā aus dem späten 13.  Jahrhundert überliefert eine weitere Information über dieses Kloster:  Es wurde unter dem

2 02 Vgl. zum Aufbau des Klosters von Rabbān Hormizd u. Kapitel 3.1.2. 203 Vgl. Pfälzner/Sconzo/Puljiz, First Results; Pfälzner/Sconzo, Achaeological Survey. 204 Eine ausgezeichnete Übersicht zu den christlichen Funden der Sasanidenzeit findet sich in Hauser, Christliche Archäologie; Hauser, Christen. Dort (S. 38) erwähnt Hauser 14 Kirchen aus sasanidischer Zeit. Viele dieser Kirchen waren auch noch im Mittelalter im Gebrauch. Hinzuzufügen wäre der später ergrabene Klosterkomplex von Bazyan, Déroche/Muhamad Amen, Bazyan.

Die Geschichte der Klöster der Vita des Josef Busnāyā

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Katholikos-Patriarchen ʿAḇdīšōʿ I. (963–986) exemt, d. h. direkt dem Katholikos-Patriarchen unterstellt.205 Die Vita des Josef Busnāyā überliefert auch die frühe Geschichte des Klosters. Gründer war demnach Abraham der Einsiedler. Dieser Asket stammte „aus der gesegneten Gemeinschaft der Anhängerschaft von Awgēn und Abraham“206 vom Berg Izlā nördlich von Nisibis. Abraham gründete im Ṣap̄ nātal östlich von Maʿalṯāyā (dem heutigen Dahūk im irakischen Kurdistan) ein Kloster und lebte zusammen mit einigen Schülern dort als Eremit. Als er starb, konnte sich sein Kloster nicht halten, seine Schüler verließen die Gegend und das Kloster zerfiel. Anschließend – so schreibt der Autor – soll sich Folgendes zugetragen haben:  Josef von Īnēšk, der Gründer des gleichnamigen Klosters unweit der Ruinen, prophezeite den Überresten des Klosters eine große Zukunft, die durch „zwei Säulen des Lichts“207 kommen solle, „von denen die Eltern der Eltern bis jetzt noch nicht geboren sind“.208 Die zwei Säulen des Lichts sind wohl die Neugründer des Klosters, Rabbān Bar Yaldā und Rabbān Moses. Den frühen Teil der Klostergeschichte datiert der Autor auf diese Weise auf eine Zeit, die mehr als drei Generationen vor der erneuten Klostergründung am Anfang des 10. Jahrhunderts liegt. Inwiefern dieser so geschilderte frühe Teil der Geschichte des Klosters seine Wurzeln in der Realität hat, ist schwer zu sagen. Zunächst scheint gegen eine Historizität der Name Abraham der Einsiedler selbst zu sprechen: Der Gründer des Klosters wird in keiner weiteren Quelle genannt. Selbst Īšōʿdnaḥ von Baṣra (9. Jahrhundert) berichtet in seinem Buch der Keuschheit, in dem er zahlreiche

205 S. Assemani, Bibliotheca Orientalis, III.1 343–344; ʿAḇdīšōʿ von Nisibis, Nomocanon, 314–315. ʿAḇdīšōʿ gibt hier einen Artikel eines Katholikos-Patriarchen ʿAḇdīšōʿ wieder (es gab drei Katholikos-Patriarchen dieses Namens: Der erste wird in der Vita erwähnt und regierte von 963–986, ʿAḇdīšōʿ II. war Katholikos-Patriarch 1074–1090, ʿAḇdīšōʿ III. regierte 1139–1148). Darin wird festgelegt, dass eine Exemtion mit einer direkten Unterstellung des Klosters an den Katholikos-Patriarchen einhergeht. Dies hat vor allem eine liturgische Unabhängigkeit des Klosters vom Ortsbischof zur Folge: Bei den liturgischen Handlungen, die einen Bischof erfordern, d. h. die Priester- und Diakonweihe sowie die Weihe eines neuen Altars, kann sich das Kloster einen beliebigen Bischof erwählen. Zudem darf im Kloster – mit wenigen Ausnahmefällen – während des Gottesdienstes nur noch der Name des Katholikos-Patriarchen im Gebet genannt werden. 206 V, fol. 150r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157 (ROC 3, 464–465). 207 V, fol. 150r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157 (ROC 3, 464–465). 208 V, fol. 150r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157 (ROC 3, 464–465).

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Darstellung der Klöster in der Vita des Josef Busnāyā

Klostergründer aus der Nachfolge des Abraham von Kaškar aufzählt, nicht über ihn.209 Selbst nachdem das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē wiederbelebt wurde und an Bedeutung gewann, spielte er keine Rolle. Er verschwindet einfach hinter den bedeutenderen Personen der zweiten Phase dieses Klosters, Rabbān Moses und Josef Busnāyā. Die wenigen Quellen, die den Namen des Klosters nennen, unterschlagen den Namen Abrahams und nennen das Kloster schlicht „Kloster von Bēṯ Ṣayyārē“. Selbst in der Vita sind die Spuren des Gründers spärlich. Neben der Gründungslegende ist der Name nur noch im Zusammenhang mit einer Wasserquelle als „Quelle des Wassers des Mār Abrahams“210 überliefert. Ansonsten wird nur noch sein Grab genannt, das aber keine Bedeutung mehr zu haben scheint: Josef Busnāyā wird im Martyrion im Schrein begraben, „in dem zuerst Mār Abraham war“.211 Damit ersetzt Josef Busnāyā die Gründergestalt auch am Ort seiner rituellen Verehrung. Auch könnte Hintergrund des Schweigens der Quellen sein, dass das Kloster unter Abraham dem Einsiedler nur kurzen Bestand und keine kirchenhistorische Bedeutung hatte. Īšōʿdnaḥ beispielsweise schreibt im 9. Jahrhundert, also zu einer Zeit, in der dieses Kloster noch in Trümmern lag und eine Wiederbelebung noch nicht in Aussicht stand. Für ihn gab es keinen Grund, es in seine Geschichte der Klostergründer einzubeziehen, sofern er überhaupt Kenntnis von diesem abgelegenen Kloster hatte. Die Geschichte Abrahams, die Gründung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē und die Bezeichnung der Orte könnten sich durchaus nur im unmittelbaren Umfeld des Klosters gehalten haben, wie beispielsweise im Kloster von Īnēšk. Aus muslimischen Quellen und archäologischen Untersuchungen kennen wir weitere Klöster, z. T. mit einer längeren Existenz, über die wir keine Nachrichten in syrischen Quellen erhalten. Die Existenz solcher aus syrischen Quellen unbekannten Klöstern abseits des Interesses muslimischer Autoren und der Grabungsregionen archäologischer Untersuchungen erscheint daher durchaus plausibel. Auch die Verbindung Abrahams zu Abraham von Kaškar (gest. 586)212 und Awgēn (4.  Jahrhundert),213 den beiden wichtigsten Gestalten der ostsyrischen monastischen Bewegung, scheint gegen die Historizität Abrahams 2 09 Īšōʿdnaḥ von Baṣra, Livre de la Chastité. 210 V, fol. 134r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 139 (ROC 3, 316). 211 V, fol. 217v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 238 (ROC 5, 186). 212 Zu Abraham von Kaškar, vgl. o. Kapitel 2.5.2.2. 213 Mār Awgēn wird in der monastischen Tradition als die Gründergestalt des syrischen Mönchtums gesehen. Er soll die monastische Tradition im 4. Jahrhundert aus Ägypten in den syrischen Raum gebracht haben, seine historische Existenz ist aber bis heute umstritten. Die Diskussion kann hier weder dargestellt noch fortgesetzt

Die Geschichte der Klöster der Vita des Josef Busnāyā

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zu sprechen. Denn auch in anderen hagiographischen Texten wurde versucht, Klöster und Klostergründer mit zumindest einem dieser beiden Mönche in direkte oder indirekte Beziehung zu setzen. Auf besonders drastische Weise geschieht dies in der Vita des Mār Awgēn selbst. In der Edition von Bedjan werden quasi alle bedeutenden Gestalten des ostsyrischen Mönchtums zu seinen Schülern erklärt, unabhängig von ihren Lebensdaten. Auch Josef Busnāyā und Johannes bar Kaldun tauchen dort auf.214 Eine Zuschreibung in die Nachfolge gleich beider Gestalten, wie es in der Vita geschieht, scheint eine nachträgliche Projektion zu sein. Dies bedeutet aber nicht, dass die Gründergestalt selbst erfunden worden ist. Auch spricht die Vita von keinem persönlichen Kontakt zwischen Abraham dem Einsiedler und den beiden zentralen Personen des ostsyrischen Mönchtums. Sie stellt lediglich fest, dass Abraham aus dem bēṯ (wörtl. Haus) dieser Heiligen stamme. Dies könnte durchaus die monastische Tradition dieser beiden Mönche bezeichnen. Insofern sind die Aussagen über Abraham den Einsiedler als eine Herkunftsbezeichnung aus dem großen Kloster vom Berg Izlā zu bewerten, das von Abraham von Kaškar gegründet worden war und in dessen Gegend zuvor Mār Awgēn gewirkt haben soll. Dass ein Mönch in einer Phase seines Lebens den Drang verspürte, sein Kloster zu verlassen und ein eigenes zu gründen, war nicht selten und ist gerade für das Große Kloster vom Berg Izlā häufig belegt.215 Auch eine spätere Neugründung eines Klosters auf den älteren Fundamenten eines verlassenen Klosters ist nicht selten.216 Dennoch könnte die Behauptung, dass das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē auf älteren Fundamenten errichtet wurde, einen fiktiven Hintergrund haben, der einen bestimmten Zweck verfolgte und nachträglich entwickelt wurde: Die muslimischen Rechtsgelehrten waren sich in der hier untersuchten Zeit einig, dass in Gebieten muslimischer Herrschaft der Bau neuer Kirchen und Klöster nicht gestattet werden sollte und nur diejenigen weiter bestehen durften, die bereits vor der muslimischen Eroberung existiert hatten.217 Auch wenn es genügend Beispiele dafür gibt, dass Rechtsnormen im Mittelalter  – und werden. Für eine Zusammenfassung der Quellen zu Awgēn und eine überzeugende Argumentation für seine historische Existenz, s. Chialà, Abramo di Kashkar, 13–19. 214 Nicht jedoch Abraham der Einsiedler, vgl. Tašʿīṯā ḏ-Mār Awgēn, 472. 215 Vor allem im Buch der Keuschheit, s. Īšōʿdnaḥ von Baṣra, Livre de la Chastité, 7–9 (syr.); 8–9 (franz.). Vgl. auch Jullien, Monachisme en Perse, 243–258 mit einer ausführlichen Besprechung dieser Stelle von Īšōʿdnaḥ. 216 Vgl. van Vossel, Spiritualité monastique, 158–159, vor allem Anm. 16. 217 Vgl. Tritton, Caliphs, 37–38; Fattal, Statut legal, 174–175; Levy-Rubin, Non-Muslims, 63–68.

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Darstellung der Klöster in der Vita des Josef Busnāyā

insbesondere die des sogenannten Paktes des ʿUmar  – keine strikte Durchsetzung erfahren haben,218 so könnte es durchaus sein, dass man mit solchen Gründungsgeschichten versuchte, Klöster auf die „sichere Seite“ zu stellen, indem man Klostergründungen als Wiederaufbau bzw. Renovierung eines Klosters darstellte.219 Eine solche Strategie könnte der Erzählung über die frühe Geschichte des Klosters zugrunde liegen. Insgesamt bleibt jedoch festzuhalten, dass über die Frühgeschichte des Klosters nichts anderes gesagt werden kann, als dass sie zwar durchaus plausibel ist, aber gleichzeitig so vage, dass sie auf Topoi der ostsyrischen monastischen Literatur beruhen könnte. In das Blickfeld des Johannes bar Kaldun rückte die Geschichte des Klosters durch seine erneute Gründung um 900. Obwohl diese zum Zeitpunkt des Klostereintritts des Autors der Vita etwa 70 Jahre zurücklag, kannte er sie aus Erzählungen seiner Mitbrüder und Lehrer. Eine Gruppe von Mönchen aus dem Kloster des Mār Saḇrīšōʿ von Bēṯ Qōqā220 bei Arbil kam in die Gegend, um das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē wiederaufzubauen. Ihre Motivation hierfür nennt die Vita nicht. Auch über die Zeit dieser erneuten Besiedlung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē gibt die Vita keine Details, lediglich, dass dort ein gewisser Bar Yaldā, ein außerhalb der Vita nicht bekannter Mönch, im monastischen Leben unterwiesen wurde. Nach kurzer Zeit mussten die Mönche das Kloster

218 Vgl. Tritton, Caliphs, 229–233; Fattal, Statut legal, passim. Obwohl Milka LevyRubin stärker die Kontinuität und Präsenz der diskriminierenden Gesetzgebung gegen die Christen betont, räumt auch sie ein, dass es temporär und regional größere Freiheiten für die Ḏimmīs gab, s. Levy-Rubin, Non-Muslims, 99–112. 219 Ein Beispiel ist das Kloster des Mār Michael, dessen Renovierung durch Johannes bar Kaldun als Neubau durch die Muslime deklariert wurde und dessen Zerstörung nur durch Bestechung aufgehalten werden konnte (Vita des Mār Michael dem Engelsgefährten in Karamlīš, Bibliothek der Kirche Mār Addai, Nr. 12, fol. 68r–69v.) Noch im 15. Jahrhundert kann man Beispiele dafür finden, s. Carlson, Christianity, 63. Für zahlreiche weitere Beispiele unterschiedlicher Handhabung dieser Regelungen vgl. Tritton, Caliphs, 37–60, für das 10. Jahrhundert 51–54; Fattal, Statut legal, 180–203, für das 10. Jh. 190–191. 220 Eine Geschichte des Klosters von Bēṯ Qōqā ist uns aus einer Quelle des 9. Jahrhunderts bekannt. Diese Geschichte umfasst eine Skizzierung der Leben der Äbte bis Anfang des 8. Jahrhunderts. Der Text wurde von Mingana zusammen mit einer französischen Übersetzung ediert (Mšiḥāzḵā, Beth Koka). Eine weitere französische Übersetzung hat Addai Scher angefertigt (Scher, Analyse). Eine Zusammenfassung des Textes ist bei Baumstark, Bêθ-Qôqâ zu finden. Für einen Überblick der Geschichte des Klosters von Bēṯ Qōqā vgl. Fiey, Assyrie chrétienne, II 130–157 und van Koningsveld, Bâqûqâ.

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nach einem Überfall wieder aufgeben. Bar Yaldā floh in ein anderes Kloster, Rabbān Baḵtyāzd,221 im nördlichen Zōzān. In diesem Kloster lebte zeitgleich Rabbān Moses als Zönobit. Bar Yaldā machte ihn zu seinem Vertrauten und kehrte, nachdem das Ṣap̄ nātal wieder sicherer geworden war, zum Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zurück und gründete es zusammen mit Rabbān Moses erneut. Das Kloster erblühte bereits unter Bar Yaldā, seine Hochphase aber hatte es unter dem Abbatiat Rabbān Moses’ mit 300 Mönchen, zahlreichen Zellen und einer florierenden Wirtschaft. Zwischen Bar Yaldā und Rabbān Moses als Äbte des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē soll Gabriel Busnāyā, der Bruder des Protagonisten der Vita, lange Abt in diesem Kloster gewesen sein.222 Nach dem Tod von Rabbān Moses 946 wird kein Abt mehr erwähnt.223 Für Moses' Zeit nennt Johannes bar Kaldun 300 Brüder im Kloster, davon 150 Eremiten in der Zelle. Diese Zahlen können zwar übertrieben sein, doch die Bedeutung des Klosters im 10.  Jahrhundert wird auch durch die Freundschaft des Protagonisten mit dem Katholikos-Patriarchen ʿAḇdīšōʿ I.  (963 bis 986)  unterstrichen. ʿAḇdīšōʿ war vor seinem Patriarchat Bischof von Maʿalṯāyā und Bēṯ Nūhaḏrā und damit für das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zuständig. Die Vita berichtet von einer Freundschaft zwischen dem Asketen und dem Bischof. Auch nach seiner Wahl zum Katholikos-Patriarchen stand er in Briefkontakt mit Josef Busnāyā. Unter diesem Katholikos-Patriarchen wurde das Kloster auch exemt.224 Josef Busnāyā starb 979. Das letzte in der Vita erwähnte Ereignis aber, das im Kloster stattfand, ist die Bestattung von Gabriel dem Küster in der Klosterkirche zwei Jahre nach dem Tod Josefs, d.  h. etwa 981.225 Die Vita berichtet,

221 Die Vita verortet dieses Kloster in Zōzān. Zōzān ist kein fest definiertes Gebiet, sondern bezeichnet die kurdischen Sommerweiden, vgl. Minorsky, Kurds, 450–451. Fiey, Hakkari turc, 466 wähnt dieses Kloster bei Lizan, ich kann jedoch seine Argumentation nicht nachvollziehen. 222 An dieser Darstellung gibt es aber Zweifel, vgl. u. S. 120–121. 223 Außer das namenlose „Haupt der Bruderschaft“ (riš aḥūṯā), das nach dem Tod von Gabriel dem Küster erwähnt wird. 224 Vgl. Assemani/Assemani, Catalogus, III.1 343–344; ʿAḇdīšōʿ von Nisibis, Nomocanon, 314–315. 225 Kurz vor Gabriels Tod wird von einer Vision zweier Mönche berichtet, die die Zerstörung der Kirche von Bēṯ Ṣayyārē beschreiben: Es bezieht sich zwar vor allem auf den Tod des Mannes, der 35 Jahre lang dem liturgischen Geschehen der Kirche vorstand und sich um das materielle Wohl des Kirchegebäudes gekümmert hatte, aber sein Tod musste im Nachhinein als schlechtes Omen gesehen worden sein (V, fol. 147v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 153–154 (ROC 3, 461)).

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dass andere Klöster wie das von Rabbān Hormizd und das ganze Land Dasen226 nach dem Tod Josefs zerstört wurden. Obgleich nicht ausdrücklich erwähnt, ist es wahrscheinlich, dass auch das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zerstört worden ist. Ob es wiederaufgebaut wurde – und falls ja, wann – ist nicht bekannt. Die Aufzählung zahlreicher Mönche, die zur Zeit Johannes bar Kalduns im Kloster gelebt haben, wird ausdrücklich nur bis zu der Zeit der „Veränderungen“ (šuḥlāp̄ ā) geführt.227 Während der Autor die Wiederbesiedlung des Landes Dasen und des Klosters von Rabbān Hormizd ausdrücklich erwähnt, schweigt er über das weitere Schicksal des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē. Selbst die Frage, in welchem Kloster Johannes bar Kaldun die Vita des Josef Busnāyā verfasst hat, kann nicht beantwortet werden. Falls das Kloster wieder besiedelt wurde, so hat dies keinerlei Spuren hinterlassen. Johannes bar Kaldun starb gemäß einer anderen Überlieferung in Gāzartā (das heutige Cizre) und wurde im Kloster des Mār Michael, des Engelsgefährten, begraben.228 Da keine durchgehende Besiedlung des Klosters vorliegt und archäologische Untersuchungen der Region fehlen, kann der tatsächliche Standort des Klosters nur rekonstruiert werden. Fiey vermutete ihn im kurdischen Dorf Zawita bzw. Pirāmus.229 Dort befand sich das muslimische Heiligtum eines Scheichs, hinter dessen Namen sich der Name des Rabbān Moses (kurd. Pir Mus) verbergen könnte.230 Im Rahmen der gegen die Kurden gerichteten Anfāl-Operation des ehemaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das Dorf zusammen mit dem Heiligtum zerstört. Die kurdische Bevölkerung baute das Dorf später an einer anderen Stelle wieder auf.231 Im Jahr 2012 besuchte Vincent van Vossel die Region und konnte im zerstörten Heiligtum von Pirāmus, das nun offen liegt, die Reste einer Klosterkirche erkennen.232 Ähnliche Beobachtungen machte auch Muhamad Amen.233

2 26 Dasen war die Region östlich des Ṣap̄ nātal, vgl. u. S. 214–215. 227 V 153v, Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 160 (ROC 3, 468). 228 S. o. S. 37–38. 229 Fiey, Sanctuaires, 55–56. 230 Vgl. Muhamad Amen, Églises et monastéres, 241. 231 van Vossel berichtet, dass nach Aussage eines Einheimischen mit den Steinen der Ruinen des alten Dorfes Bēṯ Ṣayyārē ein neues Dorf errichtet worden sei, vgl. van Vossel, Couvents, 36. 232 van Vossel, Couvents, 36. 233 Muhamad Amen, Églises et monastéres, 241.

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Es bleibt zu hoffen, dass die aktuellen archäologischen Expeditionen von Peter Pfälzner in der Region neue Erkenntnisse hervorbringen.234

3.1.2.  Das Kloster des Rabbān Hormizd Ein weiteres Kloster, über das die Vita des Josef Busnāyā detailliert berichtet, ist das Kloster des Rabbān Hormizd. Dieses Kloster ist das einzige in der Vita genannte Kloster, das bis heute Bestand hat. Dort verbrachte Josef Busnāyā die ersten Jahre seines monastischen Daseins. Er war dort zunächst Zönobit und anschließend Eremit. Das Kloster des Rabbān Hormizd, unweit der Stadt Alqūš gelegen, spielt bis heute in der Geschichte der ostsyrischen Kultur eine herausragende Rolle. Das Kloster wurde wahrscheinlich zwischen 628 und 647235 von Rabbān Hormizd gegründet, einem Schüler des Bar ʿĒttā, der selbst wiederum ein Schüler des Abraham von Kaškar (gest. 586)  gewesen war. Verschiedene hagio- und historiographische Quellen beschreiben die Lebensgeschichte von Rabbān Hormizd und die Gründung seines Klosters in den Bergen von Bēṯ ʿEḏray. Sie ist daher besser greifbar als die Geschichte von Bēṯ Ṣayyārē. All diese Überlieferungen über die Frühzeit des Klosters und seines Gründers entstammen jedoch dem 9. Jahrhundert oder gar einer späteren Zeit.236 Die Geschichte des Klosters liegt nach der Gründungsphase im Dunkeln. Erst die Vita berichtet wieder darüber, sodass weitere historische Details erst ab dem 9. Jahrhundert bekannt sind. Da das Kloster des Rabbān Hormizd nicht im Zentrum des Interesses Johannes bar Kalduns steht, erhalten wir Informationen über seine Geschichte nur am Rande. Die Vita informiert über die Geschichte des Klosters ab etwa zwei Generationen vor dem Klostereintritt von Josef Busnāyā, also etwa ab der Mitte des 9.  Jahrhundert. Zu dieser Zeit trat Johannes von Ḥelap̄ tā in das Kloster ein.237 Nach seiner Ausbildung wurde er Eremit im Gipfelkloster (dayrā ḏ-rēšā) auf dem Berg Maqlūb östlich von Mosul. Nach einigen Jahren kehrte er in das Kloster des Rabbān Hormizd zurück, wurde dort Abt und Lehrer zahlreicher Schüler.238 Einer seiner Schüler, Īšōʿ von

2 34 Pfälzner/Sconzo, Achaeological Survey; Pfälzner/Sconzo/Puljiz, First Results. 235 Ḥabbī, Hormizd, 168. 236 Gerö, Cyril, 91–92; vgl. auch Fiey, Assyrie chrétienne, II 535–536. 237 Zu der Lokalisierung des Ortes Ḥelap̄ tā, vgl. Fiey, Assyrie chrétienne, I 263. Fiey geht davon aus, dass der Ort im 9. Jh. bereits muslimisch war und der Namenszusatz von Johannes die Herkunft seiner Vorfahren bezeichnet. Er begründet seine Annahme allerdings nicht. 238 V, fol. 93r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 96–97 (ROC 3, 171).

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Kūmāṯēh, war später Lehrer von Josef Busnāyā, der sein Noviziat und seine ersten Jahre als Eremit im Kloster des Rabbān Hormizd verbrachte. Diese Zeit wird schlaglichtartig in Anekdoten in der Vita des Josef Busnāyā beschrieben. Einige andere Schüler von Johannes von Ḥelap̄ tā verließen später das Kloster und brachten dessen Lehre in andere Klöster. So stellt die Vita das Kloster als Zentrum einer monastischen Schule innerhalb der ostsyrischen Mystik dar. Das Kloster des Rabbān Hormizd tritt schließlich aus dem Blickfeld des Autors der Vita, nachdem Josef Busnāyā dieses Kloster verlassen hatte und nach Bēṯ Ṣayyārē übergesiedelt war. Die Vita berichtet noch, dass in der Zeit um 980 das Kloster des Rabbān Hormizd den Unruhen nach dem Fall von Abū Taġlib zum Opfer fiel. Der Nomokanon des ʿAḇdīšōʿ bar Brīḵā (gest. 1318) berichtet, dass das Kloster durch den Katholikos-Patriarchen Johannes V. (1000 bis 1011) oder Johannes VI. (1012 bis 1020)  exemt wurde.239 Dies lässt den Schluss zu, dass dieses Kloster Anfang des 11.  Jahrhunderts wieder in Betrieb war. Auch aus späteren Zeiten sind Nachrichten über das Kloster des Rabbān Hormizd überliefert: Ab dem 13. Jahrhundert wurden in diesem Kloster Handschriften produziert, die heute noch erhalten sind.240 Später wurde das Kloster schließlich Sitz bzw. Grablege der Katholikos-Patriarchen der Kirche des Ostens (1551 bis 1804). Heute ist es berühmt für deren Grabinschriften, die wichtige historische Zeugnisse einer ansonsten quellenarmen Zeit sind.241 Im Laufe seiner Geschichte wurde das Kloster immer wieder Opfer von Zerstörung und Plünderungen. Kurz nach dem Beginn des 19. Jahrhunderts baute der chaldäische Mönch Gabriel Dambo es jedoch wieder auf. Seitdem wird es von der katholischen Chaldäischen Kirche betreut. Eine der wichtigsten ostsyrischen Manuskriptsammlungen geht auf die Bibliothek dieses Klosters zurück. Heute wird das Kloster zwar nicht mehr bewohnt, aber von dem nahen chaldäischen Muttergotteskloster Schützerin der Saaten betreut. Da es bis heute existiert, stellt sich die Frage, inwieweit sich das, was in der Vita davon beschrieben wird, im modernen Aufbau des Klosters widerspiegelt. Da es aber keine archäologischen Untersuchungen zu dem Kloster gibt, kann diese Frage aktuell nicht beantwortet werden. Die Einschätzungen zur Bausubstanz des Klosters und ihrem

239 Die Unsicherheit rührt daher, dass die Liste der exemten Klöster chronologisch nach Amtszeiten der Katholikos-Patriarchen aufgebaut ist, vgl. Assemani/Assemani, Catalogus, III.1 343–344; ʿAḇdīšōʿ von Nisibis, Nomocanon, 314–315. 240 Vgl. Fiey, Assyrie chrétienne, II 544–545; Wilmshurst, Ecclesiastical Organisation, 258. 241 Vgl. Harrak, Inscriptions, 456–502.

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Alter durch verschiedene Forscher variieren zum Teil stark.242 Da das Kloster in seiner Geschichte immer wieder überfallen, zerstört und wieder aufgebaut wurde,243 ist es aber wahrscheinlich, dass der heutige Aufbau ohne ausführliche archäologische Untersuchungen nur wenig über das Kloster im 10. Jahrhundert aussagen kann.

3.1.3.  Das Kloster von Īnēšk Die Vita des Josef Busnāyā ist die einzige Quelle, die über das Kloster von Īnēšk berichtet. Es wird zwar nicht ausführlich behandelt, da die Vita aber Erzählungen aus der Bauphase des Klosters überliefert, ist es für die Frage nach dem Aussehen eines idealen Klosters von großem Interesse. Auch der Klostergründer – Josef von Īnēšk – ist nur aus der Vita bekannt. Dort wird ihm eine Prophezeiung über das verlassene Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zugeschrieben.244 Über die Gründungsphase schweigt die Vita. Aufgrund der genannten Prophezeiung des Gründers Josef über die Ruinen des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē, muss es jedoch nach dem Kloster von Bēṯ Ṣayyārē gegründet worden sein. Details sind erst über die Geschichte des 10. Jahrhunderts bekannt. Das Kloster stand zur Zeit des Todes des Abtes von Bēṯ Ṣayyārē, Rabbān Moses, im Jahre 946 aufgrund der unsicheren Lage in der Gegend leer und seine ehemaligen Mönche lebten in anderen Klöstern.245 ʿAḇdīšōʿ Dasenāyā, der zusammen mit Rabbān Moses ein Schüler Bar Yaldās gewesen war, verließ zu dieser Zeit das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē, um das Kloster von Īnēšk neu zu beleben. Er verlegte allerdings das Kloster an eine höher gelegene Stelle, sodass das Kloster von der Umgebung aus besser gesehen werden konnte. Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass die Bevölkerung der umliegenden Dörfer so die Schreie der Mönche hören konnte, wenn diese überfallen würden.246 Die Beschreibung des 242 Für moderne Einschätzungen siehe Muhamad Amen, Églises et monastéres, 138–151 und Brelaud, Programme, 384. Beide datieren die Rabbān-Hormizd-Kirche in das 14. Jh. Harrak nennt die Trinitätskirche als ältesten Teil des Klosters, vgl. Harrak, Inscriptions, 457. Möglicherweise verwechselt er jedoch die Kirche, da er sie auch als Ort des Grabes des Rabbān Hormizd nennt. Einen Versuch einer relativen Bestimmung der Baureihenfolge wagt van Vossel, Couvents, 38–43. 243 Für zusammenfassende Berichte über das Kloster siehe: Fiey, Assyrie chrétienne, II 533–551, sowie Wilmshurst, Ecclesiastical Organisation, 258–270. 244 V, fol. 150v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157 (ROC 3, 464–465). 245 V, fol. 134r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138 (ROC 3, 315). 246 Hier wird auch die vollkommene Verlegung dieses Klosters an eine andere Stelle als Wiedererichtung eines alten Klosters und nicht als Neubau gewertet. Hintergrund

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Baus des Klosters erwähnt auch, dass es eine Mauer erhielt, die sogar die Zellen der Mönche umfasste. Durch diesen Neubau konnte ʿAḇdīšōʿ das Kloster wiederbeleben, er selbst blieb jedoch nicht auf Dauer dort. Er starb später in einem anderen Kloster, dem Kloster von Šamraḵ. Die Beschreibung der Beerdigung von Josef Busnāyā im Jahr 979 ist die letzte Erwähnung dieses Klosters in der Vita, da bei ihr auch Mönche aus dem Kloster von Īnēšk anwesend waren. Fiey verortet das Kloster beim heutigen Dorf Inišk im Osten des Ṣap̄ nātals kurz vor ʿAmādiyya. Bei seinen Reisen in den 1950er-Jahren beschrieb er Ruinen auf einen Hügel mit dem Namen „Hügel des Mār Josefs“ (Neuaramäisch) bzw. „Rotes Kloster“ (Kurdisch). Auch konnte er noch Reste einer großen Mauer, die das Areal umgab, erkennen. Aufgrund dieser Hinweise identifizierte er den Ort als das Kloster von Īnēšk.247 Auch hier bleibt zu hoffen, dass die archäologischen Surveys, die in dieser Region aktuell durchgeführt werden, neue Erkenntnisse hervorbringen.248

3.2.  Der Aufbau des Klosters 3.2.1.  ʿumrā und dayrā: Zwei monastische Formen? Die Vita des Josef Busnāyā verwendet, wie andere Werke der syrischen Sprache auch, unterschiedliche Begriffe für monastische Einrichtungen. Bevor daher auf den Aufbau der in der Vita des Josef Busnāyā genannten Klöster eingegangen werden kann, müssen zunächst diese Begriffe untersucht werden, da ansonsten die Gefahr besteht, verschiedene monastische Typen in der Beschreibung zu einem Klostertyp zusammenzufassen. Chabot verwendet in seiner Übersetzung die französischen Begriffe „couvent“ und „monastère“ unterschiedslos für alle syrischen Begriffe, die für monastische Einrichtungen stehen. So werden die Begriffe dayrā (pl. dayrāṯā) und ʿumrā, (pl. ʿumrē) aber zuweilen auch qenōbīn, gawwā und bēṯ mit „couvent“ oder „monastère“ übersetzt, was die Übersetzung zuweilen schwer verständlich macht.249 Er folgt damit einer

könnte hier das islamische Recht sein, dass den Neubau von Klöstern und Kirchen verbot, vgl. o. S. 71–72. 247 Vgl. Fiey, Sanctuaires, 48–51. 248 Pfälzner/Sconzo, Achaeological Survey. 249 Ein Beispiel dafür ist der Wunsch Johannes bar Kalduns, das „Couvent“ zu verlassen. Erst ein Blick in den syrischen Text macht deutlich, dass Johannes bar Kaldun das Zönobium verlassen möchte, um in eine Zelle zu ziehen, nicht das Kloster an sich, s. V, fol. 73v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 76 (ROC 3, 105).

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langen Tradition moderner Übersetzungen syrischer monastischer Texte.250 Während die Übertragung von qenōbīn, gawwā und bēṯ mit „Kloster“ oder „Konvent“ falsch ist, da diese Begriffe eine deutlich andere Bedeutung haben, ist die Unterscheidung von dayrā und ʿumrā schwerer zu fassen. Georg Hoffmann gibt bereits in seiner wichtigen Schrift von 1880 einen Überblick über die syrischen monastischen Begriffe, die er ihrer jeweiligen griechischen Entsprechung gegenüberstellt. Bei ihm steht dayrā für eine griechische mandra, ʿumrā für das griechische koinobion und ḥīrtā für die griechische laura.251 Diese Gleichsetzungen werden aber den Eigenheiten der Klöster der Kirche des Ostens nicht gerecht, insbesondere die der Klosterreform des Abraham von Kaškar  – und gerade darauf bezieht sich dieses Vokabular bei Hoffmann. Dagegen differenziert die Wissenschaft heute stärker. Sie ist sich einig, dass ein ʿumrā in der Literatur der Zeit vor 1000 in der Kirche des Ostens ein Kloster mit einer dem dayrā gegenüber komplexeren monastischen Struktur bezeichnet.252 Zum einen gab es in solchen Klöstern eine zönobitische Struktur, also eine Lebensweise, in der Zönobiten ein enges gemeinschaftliches Leben führten. Hierzu gehörten auch die Orte, an denen sie gemeinsam lebten. Auf der anderen Seite befanden sich in solchen Klöstern auch Eremiten, die wie in den Lauren des palästinensischen und byzantinischen Raumes in einer eher lockeren Gemeinschaft lebten und sich nur zur gemeinsamen liturgischen Feier trafen. Ihre Zellen befanden sich im Umfeld dieses zönobitischen Zentrums des Klosters. Dies spiegelt der Form nach die Klosterreform von Abraham von Kaškar wider.253 Darin, was unter einem dayrā zu verstehen sei, gehen die Meinungen stärker auseinander. Jullien sieht darin einen allgemeinen Begriff für eine monastische Einrichtung, der allerdings noch etliche Bedeutungsnuancen beinhaltet, die sie aus dem terminologischen Gebrauch des Buch der Keuschheit des Īšōʿdnaḥ von Baṣra (Ende des 9. Jahrhunderts) ableitet. Dabei scheint sie darin eher eine zönobitische Form monastischen Zusammenlebens zu verstehen.254 Van Vossel hingegen, mit Berufung auf dieselben Quellen, sieht in einem dayrā eine Eremitage, in der einige Eremiten zusammen um eine Kirche 250 Zum Beispiel in den Übersetzungen von E. A. Wallis Budge, Alphonse Mingana oder Arthur Vööbus. 251 Hoffmann, Auszüge, 172, Anm. 1332. 252 Z. B. Chialà, Abramo di Kashkar, 66; Jullien, Monachisme en Perse, 99–100; Jullien, Forms of Religious Life, 97; van Vossel, Spiritualité monastique, 158–159. In späteren Quellen werden die Begriffe zunehmend synonym gebraucht. 253 Jullien, Monachisme en Perse, 99–100; Jullien, Réseaux, 37. 254 Jullien, Monachisme en Perse, 100–101.

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lebten, zuweilen mit einer Schule.255 Arthur Vööbus256 und der Großteil der modernen Lexikographie dagegen setzen beide Begriffe wie auch Chabot als monastische Einrichtung synonym.257 Betrachtet man die Situation in der Vita des Josef Busnāyā, die auch in die Untersuchungen van Vossels eingeflossen ist, sehen wir, dass beide Begriffe in ihrem jeweiligen Kontext konsequent und nicht synonym verwendet werden: Die meisten in der Vita genannten Klöster werden als ʿumrā bezeichnet, während nur zwei Klöster durchgehend mit dem Wort dayrā belegt werden. Das erste dieser Klöster ist das Obere Kloster (syr. dayrā ʿellāytā) in Mosul, das zweite das Gipfelkloster (dayrā ḏ-rēšā) auf dem Berg Maqlūb östlich von Mosul. Genauere Angaben, die einen Rückschluss auf einen strukturellen Unterschied zwischen diesen und den in der Vita ʿumrā genannten Klöstern geben könnten, gibt es nicht. Hingegen nennt die Vita ein Beispiel einen Fall, in dem ein dayrā zu einem ʿumrā ausgebaut wurde. In der Erzählung der Gründungsgeschichte des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē berichtet Johannes bar Kaldun Folgendes: Indem nun Mār Abraham der Einsiedler, Gründer dieses heiligen ʿumrā, aufbrach, verließ er die gesegnete Gruppe der Gefährten Mār Awgēns und Mār Abrahams und kam auf diesen Berg. Er baute ein dayrā an diesem Ort und wohnte darin. Deswegen wurde dieses ʿumrā zuerst „dayrā von Mār Abraham dem Einsiedler bei Bēṯ Ṣayyārē“ genannt.258

Für gewöhnlich nennt Johannes bar Kaldun das Kloster „ʿumrā von Bēṯ Ṣayyārē“, sodass in diesem Zitat die Betonung entweder auf dem Namen Abrahams liegen könnte, dessen Grab im Martyrion (bēṯ sāhdē) des Klosters verehrt wurde, oder auf der Bezeichnung als dayrā. Diese Bezeichnung wird konsequent bis zur zweiten Neugründung des Klosters durch Bar Yaldā und Rabbān Moses verwendet, erst dann wird es ʿumrā genannt, ohne dass ein Grund für diesen plötzlichen Wortwechsel angegeben wird. Doch auch schon die Prophezeiung des Josef von Īnēšk über das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē, während er auf die Ruinen des alten dayrā blickt, hat einen solchen Wechsel angekündigt: „Gott wird seine Kraft in diesem dayrā wohnen lassen und er wird es zu einem berühmten 2 55 van Vossel, Spiritualité monastique, 157. 256 Vööbus, Ascetism, II 61. 257 Robert Payne Smith sieht den ursprünglichen Unterschied darin, dass das dayrā den konkreten Ort und ʿumrā die monastische Lebensweise bezeichnet: „accurate ܳ ‫ ܰܕܝܪܐ‬locus fuit, et ‫ ܥܘܡܪܐ‬modus vivendi sub disciplina monastica; sed passim valet ipsum coenobium.“ Smith, Thesaurus, II 2920. Ein solcher Gebrauch liegt in der Vita und in den Werken der hier genannten Autoren allerdings nicht vor. 258 V, fol. 150r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157 (ROC 3, 464).

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ʿumrā mit vielen Brüdern machen.“259 Der Umbau oder die Erweiterung eines dayrā zu einem ʿumrā ist in der ostsyrischen monastischen Literatur ein oft belegter Vorgang.260 Er impliziert, dass ein dayrā weniger komplex oder kleiner als ein ʿumrā war. Was ein solcher Umbau konkret bedeutete, also ob eine Eremitage um ein Zönobium oder ein Zönobium um die Zellen für Eremiten erweitert wurde, ist den Quellen nicht zu entnehmen. In dieselbe Richtung weist eine weitere Stelle, diesmal bezüglich des Klosters von Rabbān Hormizd, dass in der Vita konsequent als ʿumrā bezeichnet wird. Josef Busnāyā berichtet dem Autor, dass er als junger Zönobit gerne die Berge „außerhalb des dayrā“261 aufsuchte, um dort zu beten. Dies kann sich im Kontext der Erzählung nur auf das ʿumrā von Rabbān Hormizd beziehen. Diese Verwendung des Begriffs erinnert an die Mönchsregeln, die Rabbula zugeschrieben werden:  „Kein Mönch soll in einem dayrā in einem großen ʿumrā sein; oder in einem mit zwei monastischen Wegen.“262 Hier erinnert der Begriff eher an ein Gebäude, als an eine Institution. Betrachtet man den Gebrauch in der Vita, so kommt der Begriff ʿumrā deutlich häufiger vor als der Begriff dayrā.263 In der Vita werden ʿumrē und dayrāṯā immer wieder in einem Satz genannt, um die Gesamtheit der monastischen Einrichtungen auszudrücken, doch häufiger noch wird nur auf die ʿumrē verwiesen. In der Beschreibung der Zerstörung des Ṣap̄ nātals durch die Kartwāyē und die Taʿēlwāyē schreibt Johannes, sie würden „die ʿumrē und die dayrāṯā“264 zerstören. An anderer Stelle werden die Mönchsväter Abraham und Awgēn genannt, die der Grund seien, warum „ʿumrē und dayrāṯā“ im Orient entstanden seien. Im achten Kapitel, in der die Lehre Josef Busnāyās ausgebreitet wird, warnt dieser die Eremiten vor den Verführungsstrategien des Teufels. Dieser versuche nämlich, sie zu überzeugen, dass sie bereits die höchste Stufe asketischen Daseins erreicht hätten und ihre Zelle verlassen sollten, „sei es um ein zerstörtes ʿumrā wieder zu errichten, sei es um ein dayrā zu bauen.“265 Häufiger jedoch wird an Stellen, an denen beide Begriffe stehen könnten, nur der Begriff

2 59 V, fol. 150r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157 (ROC 3, 464). 260 Vgl. van Vossel, Spiritualité monastique, 158–159, vor allem Anm. 16. 261 V, fol. 20v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 19–20 (ROC 2, 377–378). 262 S. Pseudo-Rabbūlā von Edessa, Rules, 84. 263 Ganz anders sieht die Situation in der kanonischen Literatur aus, wo es gerade umgekehrt ist, vgl. die zahlreichen Quellen in Vööbus, Documents. 264 V, fol. 51v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 54 (ROC 3, 83). 265 V, fol. 186r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 199 (ROC 4, 406).

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Darstellung der Klöster in der Vita des Josef Busnāyā

ʿumrā verwendet.266 Eine Ausnahme sind die Frauenklöster, die konsequent dayrā genannt werden.267 Eine abrahamitische Form weiblicher monastischer Strukturen scheint es nicht gegeben zu haben. Da die Begriffe nicht synonym verwendet wurden, sondern die Bezeichnungen konsequent durchgehalten wurden, kann man der vorsichtigen Bemerkung Sabino Chialàs folgen. Er hält fest, dass diese Begriffe wohl einst einen klaren Bedeutungsunterschied hatten, dieser heute aber nicht mehr nachzuvollziehen sei.268 Es muss daher offenbleiben, was genau unter einem dayrā zu verstehen ist und welche Unterschiede zu einem ʿumrā bestanden.269 Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass Aussagen über Struktur und den Aufbau nur über die Klöster geleistet werden kann, die ausführlicher beschrieben werden, d. h. über die ʿumrē.

3.2.2. Der Aufbau der ʿumrē in der Vita des Josef Busnāyā Die Vita äußert sich insbesondere über den Aufbau der drei oben genannten Klöster:  das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē, das Kloster des Rabbān Hormizd und das Kloster von Īnēšk, wobei das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē am ausführlichsten beschrieben wird. Den Aufbau dieser Klöster so zu beschreiben, wie ihn sich Johannes bar Kaldun vorgestellt hat, ist ein schwieriges Unterfangen. Er richtete sich an junge Mönche, die sich in ihren Klöstern auskannten, und nicht etwa an Außenstehende. Er setzt also dieses Wissen voraus. Jedoch versucht er, die jungen Mönche mit Geschichten und Anekdoten aus ihrem vertrauten Umfeld anzuregen. So kann man in der Vita immer wieder Geschichten aus dem Kontext des klösterlichen Lebens finden, die Details über das Kloster enthüllen. Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass in solchen Erzählungen exakte Beschreibungen eines konkreten Klosters erfolgen, vielmehr liefern sie eine Mischung aus dem, was dem Autor selbst vertraut war, wie auch aus dem,

266 Zum Beispiel werden bei den Zerstörungstaten der Kurden im Ṣap̄ nātal neben der Formel „ʿumrē, dayrāṯā und Dörfer“ (V fol. 51r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 54 (ROC 3, 83)) auch die Formeln „ʿumrē, Dörfer und Städte“ (ebd.) sowie „ʿumrē und Kirchen“ genannt (ebd.). 267 van Vossel, Spiritualité monastique, 158–159. 268 Chialà, Abramo di Kashkar, 66, Anm. 53. 269 Um diese Frage entscheiden zu können, muss der Gebrauch dieser zwei Begriffe in der syrischen Literatur anderer Konfessionen sowie die Übersetzungsliteratur, insbesondere die ins Arabische, geprüft werden. Dies kann an dieser Stelle nicht geleistet werden.

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was er von einem Kloster erwartete. Johannes bar Kaldun berichtet z. T. aus seinem eigenen Erleben, aber er gibt auch Erzählungen von anderen Mönchen, insbesondere von Josef Busnāyā, wieder, die er in seine eigenen Vorstellungen einbettet. Dies gilt insbesondere für das Kloster des Rabbān Hormizd. Im Folgenden werden daher die Informationen über den Aufbau der Klöster aus der Vita zusammengestellt, unabhängig davon, über welches Kloster die konkrete Erzählung, in der die Information gegeben wird, berichtet. Einen grundlegenden Überblick darüber, was in der Vorstellung des Johannes bar Kaldun zu einem Kloster gehört, kann man im achten Unterkapitel des siebten Kapitels der Vita finden. Darin wird berichtet, wie ʿAḇdīšōʿ Dasenāyā das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē verließ und das Kloster von Īnēšk neu errichtete: Und er machte sich daran, es [das ʿumrā] zu bauen, bis alles vollendet war, was benötigt wurde:  einen Tempel (hayklā), meine ich, und ein Martyrion (bēṯ sāhdē) und einen Gemeinschaftsbereich (gawwā). Auch eine Mauer, die alle Zellen (kurḥē) der Brüder umgab.270

Hier finden wir, was ein ʿumrā im Kern ausmacht: eine Kirche, ein Martyrion, ein Gemeinschaftsbereich und Zellen. Lediglich die Mauer ist ein Zusatz, der nicht grundlegend ein ʿumrā auszeichnet.271 Daher sollen hier zunächst diese Begriffe aus der Sicht der Vita beschrieben werden. Der Begriff Kirche (ʿettā) hat im Syrischen dieselbe Ambiguität wie im Deutschen:  Zum einen bezeichnet es die Kirche als Institution, zum anderen ein geweihtes Gebäude, in dem die Liturgie gefeiert wird. So verwendet auch die Vita den Begriff. Ein Kirchengebäude hingegen, das zu einem Kloster gehört und nicht zu einer Gemeinde in einem Dorf oder in der Stadt, wird in der Vita nicht als Kirche bezeichnet, sondern mit dem Begriff hayklā (Tempel) belegt.272 Auch dieser Begriff erhält dadurch eine Doppelbedeutung:  Er bezeichnet in vielen syrischen Texten, die sich mit dem Aufbau der Kirche beschäftigen, das Kirchenschiff, in dem sich die Laien aufhalten.273 In der Vita jedoch wird er nur selten in der Bedeutung Kirchenschiff, sondern zumeist für das gesamte Kirchengebäude verwendet. Über den genauen Aufbau der Kirche schweigt

2 70 V, fol. 134r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138 (ROC 3, 315). 271 Mauern für das Innere des Klosters sind jedoch auch in den Klöstern von der Insel Khārg des persischen Golfs gefunden worden. An den Mauern wurden dort die Zellen der Mönche integriert, vgl. Stève/Hardy-Guilbert/G̣a ffārī/Gasche, Île de Khārg, 90, Plan 10. 272 Vgl. van Vossel, Spiritualité monastique, 159, Anm. 20. 273 Vgl. Fiey, Mossoul, 74.

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die Quelle. So wird nicht gesagt, wie viele Flügel die Klosterkirche hatte. Die Kirchen des heutigen Klosters von Rabbān Hormizd haben durchgehend ein Schiff ohne Flügel,274 was dem üblichen Aufbau der moderner Kirchen in dieser Region entspricht.275 Ein Bema, wie es im Kirchenschiff anderer ostsyrischer Kirchen archäologisch nachgewiesen ist, wird nicht erwähnt.276 Auch dies entspricht dem aktuellen Befund des Klosters von Rabbān Hormizd. Im Kirchenschiff hielten sich diejenigen auf, die keine priesterlichen Pflichten trugen, also die einfachen Mönche (insbesondere die Zönobiten) und die Gäste des Klosters. Für gewöhnlich im Osten des Kirchengebäudes befand sich das erhöhte Heiligtum (qankē),277 in dem sich der Altar befand. Das Heiligtum war vom Kirchenschiff durch eine Plattform als Zwischenbereich, dem qesṭrōmā, abgetrennt. Dieses qesṭrōmā war ebenfalls erhöht und für die gewöhnlichen Besucher des Gottesdienstes nicht zugänglich. Ferner befand sich im Kirchengebäude eine Sakristei (= Diakonion, syr. bēṯ dyāqōn, in der Vita seltsamerweise als bēṯ yaqund bezeichnet),278 die sich in syrischen Kirchen gewöhnlich im linken Nebenraum des Heiligtums befand. Im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē befand sie sich zwischen dem Kirchengebäude/Kirchenschiff (hayklā) und dem Martyrion (bēṯ sāhdē).279 Das Diakonion ist der Arbeitsbereich des Küsters (qankāyā). Dort befand sich auch ein Ofen (tannūrā), in dem das Brot für die Eucharistiefeier gebacken wurde. Von zwei Mönchen wird berichtet, dass sie auch im Diakonion begraben wurden.280 Das Martyrion (bēṯ sahdē) war von dort aus 274 Man beachte jedoch, dass die heutige Bausubstanz nicht bis in das 10. Jh. zurückreicht, vgl. Kapitel 3.1.2. 275 Vgl. Muhamad Amen, Églises et monastéres, 348–349. 276 Zu den verschiedenen Kirchenformen im Irak vgl. Harrak, Architecture, 336–339. Zu den Kirchen im nordöstlichen Kurdistan, vgl. Muhamad Amen, Églises et monastéres, 353–359. 277 Einen Überblick über die liturgischen Begriffe im Syrischen gibt Gazzola, Termes liturgiques. Sein Überblick beruht auf den Aufsätzen in Cassingena/Jurasz, Liturgies syriaques. 278 Dieser Begriff ist ansonsten unbekannt. In der Manuskripttradition wird er jedoch durchgehalten. Der Kopist der Handschrift W notiert zu diesem Begriff am Rande: „Dyāqōn: Pāḏā-w d-ḵāṯōḇā ḏ-āp̄ -lī appeḏ“ – „Dyāqōn. Es ist ein Fehler des Schreibers, der auch mich in die Irre führte“, vgl. W, fol. 114v. 279 V, fol. 148r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 154 (ROC 3, 462). 280 Zum einen Gabriel der Küster, der 35 Jahre seines Lebens den Dienst des Küsters ausübte und der daher im Diakonion begraben wurde (V, fol. 148r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 154–155 (ROC 3, 462)). Zum anderen David Dasenāyā, für dessen Begräbnis im Diakonion keine Begründung gegeben wird, (V, fol. 159v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 166–167 (ROC 3, 474)).

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erreichbar. Das räumliche Verhältnis zum Kirchengebäude wird zwar nicht genau beschrieben, aber der Text legt nahe, dass es sich dabei wohl um keinen in das Kirchengebäude integrierten Raum, sondern um einen eigenen Bereich handelte und im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē recht groß gewesen sein muss.281 Ein Mönch berichtet in der Vita, er habe in einer Vision etwa zehn Mönche gesehen, die sich in diesem Bereich aufhielten.282 Ein anderer Bruder sah dort  – ebenfalls in einer Vision – einen Adler fliegen.283 Obgleich es sich bei beiden Berichten um Visionen handelt, deutet ihr raumgreifender Inhalt darauf hin, dass das Martyrion genug Platz bot, um als Hintergrund solcher Visionen zu fungieren. Als Begräbnisort der bekannteren Eremiten des Klosters war es ein Zentrum für die ankommenden Pilger. Auch wenn sie Hilfe von den lebenden Heiligen des Klosters suchten, wurden sie oft in das Martyrion geschickt, um dort Heilung und Hilfe zu finden.284 Mitunter schliefen sie dort auch.285 Für die Behandlung von Besessenen wurde das Martyrion mit Ketten ausgestattet. Die Besessenen verbrachten – an diesen festgekettet – einige Zeit im Martyrion, um dort, ohne Möglichkeit zum Ausbrechen, in der Nähe der Reliquien geheilt zu werden.286 Ein weiterer zentraler Ort des Klosters, wie es Johannes bar Kaldun beschreibt, sind die Gemeinschaftsgebäude der Zönobiten, in denen sie im Normalfall zwei bis vier Jahre verbrachten, bevor sie als Eremiten in der Zelle leben durften. Die Vita nennt diese jungen Mönche qenōbāyā (Zönobiten). Die Gesamtheit der Zönobiten, deren Vorsteher der rabbaytā (der „Meister des Hauses“) war, wird gawwā genannt. Dies bedeutete ursprünglich das „Innere“ und wird in der monastischen Literatur in der Bedeutung von Gemeinschaft gebraucht. Es kann daher im selben Sinne von Kongregation (knūšyā) gebraucht werden, obwohl dieser Begriff eher für die gesamte Klostergemeinschaft eines ʿumrā gebraucht wurde, also die Eremiten einschloss. Die Zönobiten erledigten die Arbeit des gawwā und reisten im Auftrag des rabbaytā an verschiedene

281 Der Ort und der Aufbau der Martyria in den syrischen Kirchen ist sehr unterschiedlich, vgl. Sodini, Archéologie, 240–242; Déroche/Muhamad Amen, Bazyan, 373–374. Im Kloster des Mār Behnam östlich von Mosul befand sich ein Martyrion in einem eigenen Gebäude, aber auch ein kleineres in einem Raum neben der Kirche, vgl. Muhamad Amen, Églises et monastéres, 132–136, bes. den Plan auf S. 135. 282 V, fol. 148r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 154 (ROC 3, 462). 283 V, fol. 217r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 236 (ROC 5, 185). 284 Zum Beispiel in V, fol. 58r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 61–62 (ROC 3, 91–92). 285 V, fol. 84r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 86 (ROC 3, 115–116). 286 Zum Beispiel V, fol. 60v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 63 (ROC 3, 92).

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Orten und in umliegende Städte, um Angelegenheiten des gawwā zu erledigen. Daneben wird aber auch das Gebäude, in dem die Zönobiten lebten und arbeiteten, als gawwā bezeichnet. So ließ ʿAḇdīšōʿ Dasenāyā neben einer Kirche und einem Martyrion auch ein gawwā erbauen und die Besucher des Klosters standen vor der Tür des gawwā.287 Wenn also über einen Zönobiten gesagt wurde, er verlasse das gawwā, so ist beides gemeint: Er verließ die Gemeinschaft der Zönobiten, der er so lange angehörte, und auch das Gebäude, in dem die Zönobiten lebten und arbeiteten. Dagegen bezeichnet das syrische Wort qenōbīn in der Vita weder das Gebäude, noch die Gemeinschaft, sondern die zönobitische Lebensweise. So ist zum Beispiel eine immer wiederkehrende Formel:  „die zönobitische Lebensweise arbeiten“ (plaḥ qenōbīn).288 Zum Zönobium gehörten neben dem gawwā auch die Wirtschaftsgebäude der Gemeinschaft. Zunächst gab es das bēṯ šabbṯā, das „Wochenhaus“. Der Name rührt daher, dass die Aufgaben der Zönobiten im Kloster ursprünglich als „Wochenarbeit“ bezeichnet wurden.289 Das bēṯ šabbṯā war das zentrale Wirtschaftsgebäude, in dem sich die Arbeitsräume der Zönobiten befanden, so beispielsweise die Küche. Die Novizen, d. h. die jungen Mönche, die noch nicht die Tonsur erhalten hatten, und somit noch keine vollen Zönobiten waren, schliefen auch im bēṯ šabbṯā.290 Es ist zu vermuten, dass sich auch der Bereich, in dem die gemeinsamen Mahlzeiten stattfanden, nämlich die „Kammer des Tisches“ (qellāytā ḏ-pāṯūrā),291 sowie die Nebenräume (z.B. kurḥā gawwāyā, die innere Kammer, in der Vorräte aufbewahrt wurden)292 in diesem Gebäude befanden. Daneben wurden Nahrungsmittel noch außerhalb des bēṯ šabbṯā aufbewahrt, wie z.B.  in einem kleinen Lager über dem Tor des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē, in dem sich Getreide und andere Lebensmittel befanden.293 2 87 V, fol. 150r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157 (ROC 3, 464). 288 Beispielsweise V, fol. 20r, 65v, 66v, 136r, 142r. 289 Der Begriff wird schon in den pachomianischen Klöstern Ägyptens verwendet. Hier bezeichnet der Begriff die Pflicht, das gemeinsame Gebet im Kloster zu organisieren. Eine manuelle Ausrichtung hatte diese Tätigkeit, da während des Gebets Seile und Matten hergestellt wurden und den „Wochenbrüdern“ (die „Hebdomadare“) die Verwaltung der Rohstoffe oblag (vgl. Joest, Mönchsregeln, 123–125). In den syrischen Mönchsregeln scheint dieser Begriff jedoch für jede Arbeit für die klösterliche Gemeinschaft zu stehen, vgl. Pseudo-Rabbūlā von Edessa, Rules, 83; Mārūṯā von Mayp̄ erqaṭ, So-Called Canons, 138, 141; Bāḇay der Große, Rules, 184. 290 V, fol. 168v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 178 (ROC 4, 385). 291 V, fol. 114r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 118 (ROC 3, 296). 292 V, fol. 114r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 118 (ROC 3, 296). 293 V, fol. 113v–114r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 117–118 (ROC 3, 295).

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Neben dem gawwā, in dem die Zönobiten ihr zönobitisches Leben führten, gab es noch die Zellen der Eremiten (īḥīḏāyā). Die Vita nennt die Zellen mal qellāytā (Zelle), mal kurḥā (etwa „Hütte“).294 Ein semantischer Unterschied wird nicht gemacht, beide Worte werden synonym verwendet.295 Der Aufbau der Zellen wird in der Vita unterschiedlich beschrieben. Der einfachste Zellenaufbau, der in der Vita erwähnt wird, ist die erste Zelle von Josef Busnāyā im Kloster des Rabbān Hormizd, in die er nach seiner Zeit im Zönobium zog: „Seine Zelle (kurḥā) nämlich war sehr klein und eng. Es gab nichts darin außer zwei Flanken/Flügeln (gabbā), die aus dem Stein herausgeschlagen waren, und einen kleinen Hof (dārtā) vor ihnen.“296 Bei den Flanken handelt es sich wahrscheinlich um Grotten, in denen der Mönch schlief. Der Hof, der sich vor diesen Grotten befand, war ummauert und konnte durch eine Holztür erreicht werden. In der Mauer befand sich ein Fenster (psāqā, kawtā), durch das man dem zurückgezogen lebenden Mönch das Essen reichen konnte.297 Oft wurde es jedoch auch für Gespräche genutzt.298 Doch es gab nicht nur solche Zellen. Andere waren nicht in den Felsen hineingeschlagene Höhlen, sondern tatsächlich kleine Hütten, ebenfalls mit einem ummauerten Hof. Eine dieser Hütten war die Zelle, in der Josef Busnāyā nach seiner Übersiedlung im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē lebte. Dort hatte er neben dem Hof noch ein Vordach (esṭwā, von griech. stoa) vor der eigentlichen Hütte, an der ein Vorhang (prīsā) angebracht war.299 Der Hof selbst war nicht immer leer, z. B. konnten sich dort größere Steine300 oder Bäume301 befinden. Auch eine Feuerstelle war in der Zelle vorhanden, auf der sich der Mönch bei Bedarf einen Eintopf kochen konnte.302 Die Zellen im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē könnten ähnlich, wenn auch kleiner, 294 Ähnlich auch in anderer monastischer Literatur der Kirche des Ostens, vgl. Jullien, Monachisme en Perse, 157. 295 Einmal sogar im gleichen Absatz in Bezug auf denselben Raum, wobei hier ein Vorratsraum neben dem Speisesaal gemeint ist. V, fol. 114r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 118–119 (ROC 3, 296). 296 V, fol. 33r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 34 (ROC 2, 392). 297 V, fol. 135r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 139–140 (ROC 3, 316–317). 298 V, fol. 33r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 35 (ROC 2, 393); V, fol. 102v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 107 (ROC 3, 182); V, fol. 106v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 109–110 (ROC 3, 185). 299 V, fol. 74v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 77 (ROC 3, 106). 300 V, fol. 53r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 56 (ROC 3, 85); V, fol. 126r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 130 (ROC 3, 307). 301 V, fol. 55v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 59 (ROC 3, 88). 302 V, fol. 37v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 40 (ROC 2, 398).

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ausgesehen haben, wie man es aus den Eremitensiedlungen der Sketis oder von den Lauren kennt303 und es auch von anderen Klöstern der Kirche des Ostens überliefert ist.304 Die Beschreibung der ersten Zelle Josefs ist allerdings der einzige Hinweis darauf, dass die Zellen im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē dreiteilig gewesen sein könnten, wie es in der Engelsregel des Pachomius überliefert wurde, d. h. aus zwei, in diesem Fall aus dem Fels gehauenen Grotten und einem Hof bestanden. Die Vita des Josef Busnāyā beschreibt nicht, wie die Gebäude des Klosters räumlich zusammenhingen. Aufgrund der archäologischen Ausgrabungen von Klöstern im Nahen Osten ist es aber sehr wahrscheinlich, dass die meisten dieser Gebäude als ein gemeinschaftlicher Komplex um einen Innenhof herum erbaut waren.305 Hier waren das gawwā und die dazugehörigen Wirtschaftsgebäude, aber auch die Kirche und das Martyrion zu verorten. Das Tor (bēlṯā), das in der Vita erwähnt wird, bezeichnete den Eingang zum gawwā, wo sich die Pilger und die Kranken sammelten.306 Lediglich die Zellen der Eremiten befanden sich außerhalb dieses zentralen Klosterkomplexes. Das Kloster von Īnēšk hatte sogar eine Mauer, die auch die Zellen der Eremiten umfasst haben soll. Aber auch ohne diese Erweiterung der Mauer konnte das gawwā stark befestigt sein, wie es zum Beispiel im Kloster von Bazyan zu sehen ist.307 Auch von anderen Klöstern ist bekannt, dass sie stark befestigt waren.308 Des Weiteren besaß das Kloster mindestens eine Mühle (raḥyā), in der Getreide gemahlen wurde. Die Vita beschreibt den Bau dieser Mühle am Ufer der Ṣap̄ nā.309 Im Verlauf der jüngsten archäologischen Surveys in dieser Gegend stieß man am nahen Ḫābūrfluss auf Ruinen einer sogenannten Drop-Tower Gristmill aus muslimischer Zeit.310 Solche Mühlen wurden auch in der Gegend zwischen Tigris und dem Vorgebirge des Taurus gefunden und sie scheinen

3 03 Patrich, Monastic Landscape, 416–417. 304 Beispielsweise auf der Insel Khārg, vgl. Stève/Hardy-Guilbert/G̣a ffārī/Gasche, Île de Khārg, 90, Plan 11. 305 So in Musayfna in der Nähe Balads östlich von Mosul (vgl. Abbu, Excavations, vgl. auch Hauser, Christliche Archäologie, 97) und im ostirakischen Bazyan (Déroche/ Muhamad Amen, Bazyan). 306 V, fol. 113v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 117 (ROC 3, 295). 307 Hier wurde der Gebäudekomplex nachträglich, noch in Sasanidischer Zeit, verstärkt, vgl. Déroche/Muhamad Amen, Bazyan, 379. 308 Für Beispiele vgl. Campbell, Heaven of Wine, 35–38. 309 V, fol. 125v–126r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128–130 (ROC 3, 306–307). 310 Pfälzner/Sconzo, Achaeological Survey, 19–21.

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dort der gängige Mühlentyp gewesen zu sein.311 Er wurde bereits in vorislamischer Zeit entwickelt und war gut an die Gegebenheiten hügeliger Flusstäler angepasst. Die Funktionsweise der Mühle bestand darin, dass das Wasser eines Flusses über einen Kanal in einen Schaft gelenkt wurde, in dem es sich sammelte. In diesem Schaft entstand auf diese Weise Druck, der das Wasser durch eine am unteren Ende des Schafts liegende Öffnung spritzen ließ. So trieb das Wasser ein horizontal liegendes Wasserrad an. Mittels eines langen Stabes wurde diese Drehbewegung auf einen Mühlstein übertragen, der in einem Raum oberhalb des Mühlrads lag. Dort wurde dann das Getreide gemahlen.312 Solche Mühlen fanden in dieser Gegend bis in die jüngste Zeit noch Verwendung.313 Es ist daher wahrscheinlich, dass sowohl die Mühle, die in der Kindheitserzählung von Josef Busnāyā erwähnt wird, als auch die Mühlen, die dem Kloster gehörten, dieser Kategorie zuzuordnen sind. Über weitere Gebäude berichtet die Vita nicht. Die Klostergebäude selbst waren aus Stein und Kalk (b-ḵēp̄ ē wa-ḇ-ḵelšā)314 gebaut. Für dekorative Elemente, wie das Grabmal Gabriels des Küsters, wurde Gips (gaṣṣā)315 verwendet, der in dieser Gegend bis in jüngste Zeit als besonders wertvoll galt.316

311 Von 34 dort gefundenen Mühlen gehörten 32 zu dem beschriebenen Typ. Nur zwei waren pferdebetriebene Mühlen, vgl. Morandi Bonacossi/Iamoni, Landscape and Settlement, 30–32. 312 Eine ausführliche Besprechung der Geschichte, der Funktionsweise und Effizienz solcher Mühlen bietet Neely, Drop-Tower Gristmills. 313 Geoffrey Khans dreibändiges Werk über den neu-aramäischen Dialekt von Bawar, dem nördlich an das Ṣap̄ nātal angrenzende Tal, enthält Beispieltexte aus dem 20. Jahrhundert, in dem ebensolche Mühlen beschrieben werden, s. Khan, Barwar, III 1475 für eine schematische Illustration einer solchen Mühle mit neu-aramäischen Vokabular und Khan, Barwar, III 1988–1991 für eine Beschreibung der Funktionsweise aus der Sicht eines Einheimischen. 314 V, fol. 134v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138–139 (ROC 3, 315–316). 315 V, fol. 148v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 155 (ROC 4, 462). 316 Khan, Barwar, III 1960–1963.

4. Das monastische Leben Die große Bedeutung der monastischen Kultur in den Kirchen der syrischen Tradition wurde durch zahlreiche Forschungsarbeiten nachgewiesen und zahlreiche Werke widmen sich ihr.317 Für das Mittelalter haben im Bereich der Kirche des Ostens besonders die mystische Theologie, die Hagiographie, die Topographie sowie die Entwicklung des Klosterwesens im Allgemeinen und im Speziellen eine besondere Aufmerksamkeit erhalten. Auch das alltägliche Leben der Mönche wurde bearbeitet, ohne jedoch eine ähnliche Prominenz wie die zuvor genannten Themen zu erhalten.318 Doch gerade in den letzten Jahrzehnten hat die Literatur über das Leben der Mönche und Nonnen in den Klöstern der syrischen Tradition zugenommen. So treten in einigen Sammelbänden diese Themen stärker in den Vordergrund.319 Auch Einzeldarstellungen zu bestimmten Thematiken sind inzwischen vorhanden, z. B. zu den Klosternetzwerken320 oder zum Wirtschaftsleben,321 obwohl es sich hier um Ausnahmen handelt. Betrachtet man die Forschung zu monastischen Strukturen, so fällt auf, dass die Literatur vor allem die Zeit bis in das 8.  Jahrhundert, seltener bis in das 9.  Jahrhundert, behandelt. Besonders stark im Vordergrund stehen dabei die Klöster der abrahamitischen Klosterreform,322 zu denen in den letzten Jahren gleich zwei ausführliche Monographien von Florence Jullien323 und Sabino Chialà324 entstanden sind, die sich vor allem mit der Zeit des Begründers dieser Bewegung, Abraham von Kaškar, und der seiner Nachfolger Dāḏīšōʿ und Bāḇay beschäftigen. Wichtige Vorarbeiten leistete auch Martin Tamcke in seiner

317 Eine umfangreiche Bibliographie über das syrische Mönchtum bietet Jullien, Bibliographie. 318 Die frühesten Arbeiten zu diesem Thema sind van der Ploeg, Monniksleven und Hendriks, Vie quotidienne. 319 So die Konferenzbände der zwei Tagungen des Kolloquiums des „Patrimoine Syriaque“ in Kaslik 1997 und 1998 (Kabbani, Le monachisme syriaque (1998) und Kabbani, Le monachisme syriaque (1999)), oder Band 7 der Reihe Études Syriaques (Jullien, Monachisme syriaque). 320 Jullien, Monachisme en Perse; Jullien, Réseaux. 321 Villagomez, Fields; Villagomez/Morony, Ecclesiastical Wealth. 322 Vgl. o. Kapitel 2.5.2.2. 323 Jullien, Monachisme en Perse. 324 Chialà, Abramo di Kashkar.

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Das monastische Leben

Dissertation über den Katholikos-Patriarchen Saḇrīšōʿ.325 Diese und andere Autoren gingen außerdem in einer Reihe von Aufsätzen auf das Wesen und die Struktur der abrahamitischen Klosterreform ein. Das Interesse an dieser Reformbewegung ist sicherlich auch dadurch gegeben, dass die Gelehrten der ostsyrischen Mystik aus dem Umfeld dieser Klosterreform stammten.326 Daher hat auch die Forschung zu den ostsyrischen Mystikern deren Werke als Quellen für verschiedene geschichtswissenschaftliche Fragen erschlossen, wie beispielsweise für die Frage der Besitzverhältnisse von Mönchen,327 des Verhältnisses der Klöster zur Institution der Kirche328 und auch zur Frage der Bildung in den Klöstern und ihrer Beziehung zur ostsyrischen Schultradition.329 Der Grund für die inzwischen gute Forschungslage ist unzweifelhaft die gute Quellenlage. So ist aus diesem Umfeld mit dem Buch der Vorsteher des Thomas von Margā (Mitte des 9. Jahrhunderts) ein umfangreiches Werk über das Kloster von Bēṯ ʿĀḇē überliefert, das mit der Geschichte über Abraham von Kaškar beginnt.330 Zahlreiche Details über das Klosterleben des 7. und 8. Jahrhunderts sind darin zu finden. Kurze Zeit später kompilierte Īšōʿdnaḥ von Baṣra eine umfangreiche Sammlung von Berichten von über 100 Klostergründern, das Buch der Keuschheit, in der zahlreiche Details über die monastische Geographie und das Leben einzelner Mönche verzeichnet sind.331 Ebenso enthält die christlich-arabische Chronik von Seert aus dem 11. Jahrhundert über diese Zeit sehr viele Details.332 3 25 Tamcke, Sab̲rīšōʻ. 326 Chialà, Monaci siro-orientali, 67–69. 327 Villagomez, Fields. 328 Kavvadas, Beobachtungen; Kavvadas, Mönchtum. 329 Abramowski, Dadisho; Becker, Fear of God. 330 Trotz seiner Bedeutung ist relativ wenig über Thomas von Margā geforscht worden. Immer noch von Relevanz ist die Edition und englische Übersetzung des Buches der Vorsteher von W. A. T. Wallis Budge (Thomas von Margā, Book of Governors) sowie die spätere Edition von Paul Bedjan, der Zugriff auf eine weitere Handschrift hatte (Thomas von Margā, Liber superiorum), vgl. auch noch Fiey, Thomas de Marga; Witakowski, Toma. 331 Sein Buch der Keuschheit wurde von Jean-Baptiste Chabot übersetzt und ediert (Īšōʿdnaḥ von Baṣra, Livre de la Chastité). Für einen knappen Überblick und einleitende Literatur zu Īšōʿdnaḥ von Baṣra, vgl. Brock, Ishoʿdnaḥ. 332 Obwohl sie vermutlich erst im 11. Jahrhundert entstanden ist, sind nur die Teile bis zum 7. Jahrhundert erhalten. Sie wurde von Addai Scher in vier Teilen in der Patrologia Orientalis ediert und übersetzt (Histoire Nestorienne 1.1; Histoire Nestorienne 1.2; Histoire Nestorienne 2.1; Histoire Nestorienne 2.2), vgl. auch Monferrer Sala, Chronicle of Seʿert und Wood, Chronicle of Seert, 1–13.

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In den letzten Jahrzehnten wurden auch die Werke wichtiger ostsyrischer Mystiker333 wie Isaak von Ninive,334 Josef Ḥazzāyā335 und Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā336 ediert, übersetzt und bearbeitet. Ihre Werke bieten einen Einblick in das monastische Leben der Zeit. Auch die Briefsammlungen der Katholikos-Patriarchen Īšōʿyaḇ III. und Timotheos I.337 berichteten einiges über das Leben in den Klöstern. Für die Zeit nach dem 9. Jahrhundert sieht die Quellenlage hingegen mager aus. Wenn in der Wissenschaft überhaupt die Zeit jenseits des 9. Jahrhunderts behandelt wird, so wird meistens auf die Vita des Josef Busnāyā zurückgegriffen. Diese Situation hat bei Vööbus in seinem dreibändigen Werk über die syrische monastische Tradition338 dazu geführt, dass er die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts in drei kurze Unterkapitel mit den Titeln „Destructive Forces“, „Devastation“ und „Annihilation“ zusammenfasst und von einem Niedergang der syrischen monastischen Tradition spricht.339 Erst im 12. Jahrhundert macht er eine Wiederbelebung des Mönchtums aus, bezieht sich dabei aber nur auf die syrisch-orthodoxe Kirche.340 Das Mönchtum der Kirche des Ostens erwähnt er mit keinem Wort mehr. Anders bemerkt David Wilmshurst – auch wenn er ebenfalls auf einen Niedergang des Mönchtums im 10. Jahrhundert verweist –, dass die Klöster auch weiterhin die Elite der kirchlichen Hierarchie stellten.341 Für die Zeit danach nennt er zudem einige Quellen, die eine lebendige monastische Kultur in der Kirche des Ostens bezeugen.342 Doch auch wenn es sicherlich

333 Zur ostsyrischen Mystik vgl. die ausführlichen Bibliographien von Kessel/Pinggéra, Bibliography und Kessel, Literature. 334 Zu Isaak ist inzwischen eine große Menge an Literatur entstanden. S. einführend zu Leben und Werk des Isaak Alfeev, Isaak. 335 Vgl. zusammenfassend Kitchen, Hazzaya. Zum Leben und Werk von Josef, vgl. Olickal, Three Stages, 9–38. 336 Vgl. zusammenfassend Brock, Dadisho. Vgl. auch ausführlicher die Einleitung zur Edition der Garshuni-Version seines Kommentars zum Paradies der Väter, Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Paradise, 1–10 mit neuester Literatur. Die bereits länger angekündigte syrische Edition ist noch immer nicht erschienen. 337 S. zusammenfassend Bundy, Timotheos. Seine Briefe wurden in zahlreichen Veröffentlichungen besprochen. Vgl. zu seinem Leben und Werk vor allem Berti, Timoteo. Dort findet man auch einen Überblick über die Editionen und Übersetzungen der Briefe (Berti, Timoteo, 41–44). 338 Vööbus, Ascetism. 339 Vööbus, Ascetism, III 384–389. 340 Vööbus, Ascetism, III 390–406. 341 Wilmshurst, Martyred Church, 225–227. 342 Wilmshurst, Martyred Church, 268–271.

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keinen Untergang des ostsyrischen Mönchtums gab, lässt sich feststellen, dass zumindest das abrahamitische Klostermodel in späteren Texten nicht mehr zu finden ist und auch keine neuen Texte zu der speziellen Form der ostsyrischen Mystik entstanden sind.343 Aufgrund dieser Quellen- und Forschungslage ist es notwendig, dass der folgende Abschnitt, der den Alltag der Mönche im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē beschreibt, auch auf Literatur zurückgreift, die in den Jahrhunderten zuvor geschrieben wurde. Viele Konzepte in der Vita werden erst aus den älteren Texten verständlich. Im Lehrkapitel der Vita und in der Jugendbeschreibung des Josef zeichnet Johannes bar Kaldun das Idealbild eines monastischen Lebenswegs. Diesen stehen viele andere narrative Darstellungen in der Vita entgegen, die den Fokus stärker auf die Schwierigkeiten, die einem Mönch auf diesem Weg begegnen können, legen. Johannes ist sich bewusst, dass der Weg auf die höchste Stufe des geistigen Lebenswandels steinig ist und das Ideal nicht von heute auf morgen erreicht werden kann. Er zeigt in den vielen Anekdoten und Wunderberichten, dass gerade in den Niederlagen im Kampf gegen die eigenen Leidenschaften und Sünden eine große Bedeutung liegt, denn Erfolge und ein zu schneller Fortschritt bergen die Gefahr des Stolzes. Ist die Demut die wichtigste aller Tugenden, so ist der Stolz der gefährlichste Gegner. Durch ihn werden Wunder zu zweischneidigen Ereignissen und sogar die spirituelle Erfahrung der Nähe zu Gott kann durch ihn alle erreichten Erfolge zunichtemachen. Daher ist Johannes bar Kaldun mild gegenüber Fehltritten und skeptisch gegenüber Erfolgen. In den Erzählungen tritt die Spannung zwischen Realität und Ideal besonders hervor und der Kampf, den der Mönch in seiner Zelle mit den Dämonen ausficht, geht nicht immer siegreich für den Mönch aus. Die Erzählungen der Vita sollen daher den angehenden Eremiten nicht nur vor den Gefahren warnen, sondern ihn ermutigen, den Weg trotzdem weiterzugehen. Es sind schließlich auch die Heiligen und die Alten, d.  h. die Vorbilder der jungen Mönche, die diese Geschichten der Niederlage von sich erzählen. Trotzdem wird ein idealer Weg vom Novizen bis zum perfekten Mystiker gezeichnet, auf dem der Mönch ohne Abweichung wandeln soll. Das folgende Kapitel soll sowohl dieses Ideal 343 Als Beispiel für das Verschwinden der abrahamitischen Klosterreform in der Literatur ist der Abschnitt über das Mönchtum im Buch des Turmes zu nennen (s. Mārī b. Sulaymān, La vie monastique). Er erwähnt keinen einzigen Mönch aus dem abrahamitischen Umfeld oder aus dem Umfeld der ostsyrischen Mystik. Auch das zweistufige System aus Zönobiten und Eremiten wird nicht erwähnt. Dies gilt hingegen nicht für die Kirchenrechtsliteratur, die die alten Regeln aus der abrahamitischen Klosterreform – wohl konservierend – weitertradiert.

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beschreiben als auch auf die Abweichungen hinweisen, die immer wieder in der Vita durchscheinen.344

4.1.  Die ersten Jahre als Mönch Am Anfang des monastischen Lebens steht die Entscheidung eines Mannes, die „Welt zu verlassen“.345 Um im Kloster aufgenommen zu werden, muss er zunächst eine Probezeit von 50 Tagen absolvieren. In dieser Zeit muss er harte und anstrengende Arbeiten für die Gemeinschaft leisten.346 Johannes bar Kaldun berichtet von seiner eigenen Zeit der harten Arbeit an der Salzmühle und vom Kneten und Backen beim heißen Ofen.347 Durch diese Arbeiten sollten die angehenden Mönche zeigen, dass sie die Demut und den Gehorsam für das monastische Leben mitbrachten. Sie waren in dieser Zeit den Zönobiten untergeben, die ihnen gegenüber weisungsbefugt waren. Die Novizen mussten von den Zönobiten getrennt essen und schliefen gemeinsam im bēṯ šabbṯā des Klosters. Sie sollten so merken, dass sie nicht als würdig erachtet wurden, sich mit den Zönobiten zu mischen.348 Die 50 Tage Arbeit begründet Johannes bar Kaldun mit einer „Regel der heiligen Väter“.349 Jedoch ist diese Regelung m.  W.  weder in einer der bekannten Klosterregeln noch in anderen Quellen bezeugt.350 Erst nachdem sie diese 50 Tage gearbeitet hatten, erhielten die Mönche die Tonsur (suppārā),351 durch die sie offiziell in das Kloster aufgenommen

344 Eine knappe, nur an dem idealen Lebensweg orientierte Zusammenfassung des Kapitels 8 findet sich in van Vossel, Spiritualité monastique, 164–172. 345 So berichtet beispielsweise Johannes bar Kaldun über seine eigene Entscheidung, ins Kloster zu gehen (V, fol. 65v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 69 (ROC 3, 98)). 346 V, fol. 168r–168v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 177–178 (ROC 4, 384–385). 347 V, fol. 65v–66v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 67–68 (ROC 3, 97–98). 348 V, fol. 168v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 178 (ROC 4, 385). 349 V, fol. 168r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 177 (ROC 4, 384). 350 V, fol. 268r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 177 (ROC 4, 384). Beispielsweise wird in der Typologisierung der unterschiedlichen monastischen Formen bei Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā (8. Jh.) die Stufe der Zönobiten als Stufe der „Novizen“ bezeichnet (Rücker, Geistliche Übungen, 192–193 (deutsch); Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Cinco tratados, 48–49 (syr.)). Die Probezeit, die in den Regeln seines Namensvetters Dāḏīšōʿ vorgesehen ist, entspricht der gesamten Zeit im Zönobium, s. Regel 13 in Dāḏīšōʿ, Rules, 170–171. 351 Diese Tonsur spielt im syrischen  – insbesondere im ostsyrischen  – Raum eine besondere Rolle. Von Abraham von Kaškar wird berichtet, dass er die besondere kreuzförmige Tonsur bei den ostsyrischen Mönchen einführte, um ein deutliches

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wurden. Diese Tonsur wird von Johannes bar Kaldun als eine zweite Taufe beschrieben. Durch die erste Taufe würden die Menschen durch die göttliche Gnade zu Kindern Gottes, durch Tonsur aber wohne diese Gnade in ihnen.352 Die Anwärter wurden durch die Tonsur zu vollkommeneren Menschen. Diese Einwohnung der Gnade, d. h. des Heiligen Geistes, hatte auch einen speziellen liturgischen Platz: Die angehenden Mönche hielten sich während der Eucharistiefeier vor dem Eingang zum Allerheiligsten auf und die Einwohnung fiel mit der Wandlung der Gaben zusammen.353 So werden die herausragende Bedeutung der Tonsur und ihre lebensverändernde Wirkung hervorgehoben. Der Mönch hat nun endgültig die Welt verlassen. Wer die 50 Tage überstanden und die Tonsur erhalten hatte, wurde zum Zönobiten (qenōbāyā). In der Vita wird Josef Busnāyā als der perfekte Zönobit beschrieben.354 Sein Verhalten entspricht den Aussagen über die Zeit im Zönobium des achten Kapitels. Die Zönobiten lebten, aßen und schliefen gemeinsam im Zönobium (gawwā).355 Sie sollten im Zönobium Gehorsam und Demut Unterscheidungsmerkmal zu den syrisch-orthodoxen Mönchen zu schaffen, vgl. Jullien, Monachisme en Perse, 119–124. 352 V, fol. 169r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 178 (ROC 4, 385–386). Zum Bild der zweiten Taufe, vgl. van Vossel, Spiritualité monastique, 165–166. Dort beschreibt van Vossel auch die mögliche Bedeutung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē für die liturgische Ausgestaltung der Einkleidung in der Kirche des Ostens. Leider war es mir nicht möglich, das entsprechende Werk von Vosté einzusehen, s. van Vossel, Spiritualité monastique, 166, Anm. 39. 353 van Vossel, Spiritualité monastique, 166. 354 V, fol. 20r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 19 (ROC 2, 377). 355 So verstehe ich den Befund der Vita des Josef Busnāyā. Chialà geht davon aus, dass die Zönobiten im Mutterkloster der abrahamitischen Klosterreform auf dem Berg Izlā nicht gemeinsam in einem Haus schliefen, sondern in Zellen, die im Umfeld des Zönobiums gelegen waren (Chialà, Règles monastiques, 116–117). Ebenso deutet Jullien eine Episode aus der Chronik von ʿAmr b. Mattā (bzw. Mārī b. Sulaymān) so, dass die Mönche in den vor-abrahamitischen Klöstern in einem Schlafsaal (chambrée) nächtigten, in den abrahamitischen Klöstern hingegen in Zellen (Jullien, Monachisme en Perse, 110). Die Vita des Josef Busnāyā äußert sich nicht ausdrücklich zu dieser Frage. Die Formulierung, dass die Zönobiten am Ende ihres Zönobiats die gawwā verließen, um in die Zellen zu gehen, spricht jedoch gegen die Vermutung Chialàs. In der vorliegenden Arbeit kann nicht im Detail auf die abrahamitische Klosterreform eingegangen werden, aber eine These sei hier gestattet: Die Diskussion fußt auf der Interpretation des arabischen Wortes diyārāt als Plural des arabisch dār (Haus). Diyārāt kann aber auch als Plural von dayr = Kloster verstanden werden, wie es beispielsweise im Titel des Klosterbuches des Šābuštī der Fall ist, vgl.

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lernen, vor allem gegenüber dem Abt und dem rabbaytā „als seien sie Christus selbst“.356 Ihr Leben war vom gemeinsamen Gebet sowie von der Arbeit für die Gemeinschaft und für die Eremiten in den Zellen geprägt. Ihre Aufgaben umfassten, ähnlich wie die Arbeiten im Noviziat, alle Bereiche des klösterlichen Arbeitslebens (qurdāḥā ḏ-ḡawwā). So mussten sie auf den Feldern und in den Weinbergen des Klosters arbeiten,357 ebenso in den Mühlen358 und in der Küche.359 Sie reisten im Auftrag des Klosters in die Städte, um dort Geschäfte für das Kloster zu erledigen.360 Bereits in ihrer Zeit im Zönobium sollten sich die angehenden Eremiten auf ihr Leben in der Zelle vorbereiten. So sollten sie sich schon daran gewöhnen, nur einmal am Tag zu essen und zwar nur Brot. Sonntags konnten sie sich eine einfache Suppe kochen.361 Ein besonderes Gebot, das Rabbān Moses für die Zönobiten des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē eingeführt hatte, war das sogenannte Nasiräertum (nazīrūṯā). Neben dem Verbot, Alkohol zu konsumieren, beinhaltete dieses Gebot eine vegane Lebensweise, allerdings waren auch frisches Gemüse und frische oder getrocknete Früchte verboten, was die Nahrung im Wesentlichen auf Brot beschränkte. Auch Mönche, die bereits das Zönobium verlassen hatten, hielten sich an diese strenge Form der Askese, dann aber als freiwilliger Zusatz. Diese strengen Formen des Fastens ließen sich – insbesondere bei den körperlichen Arbeiten, die zum Tätigkeitsfeld der Zönobiten gehörten – nicht durchhalten. Die Vita beschreibt zahlreiche Ausnahmen von diesem Ideal.362

dazu auch Graf, Verzeichnis, 38. Beachtet man dann noch, dass die Chronik von Seert für den Begriff Kloster für gewöhnlich das arabische ʿumr verwendet, seltener jedoch auch den Begriff dayr, kann man in der Chronik von Seert ein ähnliches System von zwei Begriffen voraussetzen wie in syrischen Texten, vgl. dazu auch van Vossel, Spiritualité monastique, 159, Anm. 16. Die Aussage über Abraham von Kaškar kann daher so verstanden werden, dass er ʿumrē und Zellen in monastischen Einrichtungen baute, die zuvor dayrāṯā (= arab. diyārāt) waren. In den Mārūṯā von Mayp̄ erqaṭ zugeschriebenen Kanones wird zumindest davon ausgegangen, dass die Mönche eines Klosters in einem gemeinsamen Haus (syr. bēṯ) schliefen (vgl. Mārūṯā von Mayp̄ erqaṭ, Canons, [versio] 82 (engl.); [textus] 98 (syr.)). 356 V, fol. 170r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 181 (ROC 4, 388). 357 V, fol. 152v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 158–159 (ROC 3, 466–67). 358 V, fol. 144v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 150–151 (ROC 3, 458). 359 Wie der junge Johannes bar Kaldun, vgl. V, fol. 66v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 69 (ROC 3, 98). 360 V, fol. 129r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 133–134 (ROC 3, 310–311). 361 V, fol. 152v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 158 (ROC 3, 466). 362 Für eine ausführlichere Diskussion von Fasten und Nasiräertum, vgl. u. Kapitel 4.2.3.

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Die Zeit im Zönobium umfasste in der Regel drei bis vier Jahre, konnte sich aber auch länger hinziehen, je nach Einschätzung der Meister.363 Danach verließen die Zönobiten das Zönobium und konnten gemäß der Lehre von Josef Busnāyā aus drei Wegen wählen. Johannes bar Kaldun schreibt: Sobald nun der Bruder hinausging aus dem Zönobium, sprach er [Josef Busnāyā] in etwa diese Worte zu ihm in göttlicher Liebe: „Wisse mein Sohn, dass auch die gesegneten Väter berichteten und zeigten, dass es drei Wege seien, auf denen die Mönche in das himmlische Königreich reisen. Es sind folgende: ‒ der, bei dem der Mönch in seiner Zelle in guter Abgeschiedenheit sitzt, das heißt, er soll an seinem Platz in der Abgeschiedenheit aufgrund des Geschenks sein, das er erwartet, von Gott zu empfangen:  die Reinheit seines Körpers und die Lauterkeit seiner Seele, meine ich. Und er soll nicht [an seinem Platz in der Abgeschiedenheit] wegen eitlem Ruhm und weltlichem Besitz sein. Dieser [Weg] ist der beste. ‒ Oder, dass er für Gott diene, das heißt, dass sein Dienst nicht für etwas von dieser Welt sei, sondern für Gott allein. ‒ Oder, dass er leidet, während er bekennt, das heißt aufgrund von Leiden, die ihn befallen haben, ist es ihm nicht möglich, zu arbeiten. Indem er Gott und seine Güte bekennt, nimmt er seine Züchtigung an. Anstelle einer erhabenen Arbeit wird ihm dies bei Gott angerechnet. Aber da wir in der letzten Zeit leben und nun die Leidenschaft der Gottesfurcht erkaltet ist, sind nun auch die Wege der Mönche von anderer Beschaffenheit. Siehe, ich lege sie vor dir dar. Du nun, o mein Sohn, wähle dir den [Weg], den du von ihnen möchtest, und ich werde für dich beten. Es sind wiederum drei Wege: ‒ entweder in der Zelle in der Abgeschiedenheit zu sitzen; ‒ oder die Sorge für die Lehre und die Ordnung im Tempel (yaṣṣīp̄ ūṯā ḏ-ʿal yulpānā waqyāmā ḏa-ḇ-hayklā); ‒ oder in den Weinbergen und auf den Feldern zu arbeiten. Siehe, mein Sohn, und wähle dir das, was du willst.“ Und wenn nun einer der Brüder eine von den beiden wählte, d. h. die Lehre oder die Weinberge, behandelte er ihn wie ein schwaches Körperteil. Demjenigen, der die Lehre ersehnte, befahl er, dass er den Dienst im Tempel in aller Sorgfalt erledigte. Und demjenigen, der sich selbst der Arbeit in den Weinbergen und dem Land und den Feldern gab, riet er, dass er den Fremden und den Armen Essen von seiner Arbeit gebe.

363 Auch Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā nennt drei Jahre als Standard, fügt aber für besonders junge und unerfahrene Mönche die Möglichkeit hinzu bis zu zehn Jahre in der Zelle zu bleiben, s. Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Paradise, 78–81.

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Jenen aber, der in Gedanken der Gottesfurcht den arbeitsamen und beschwerlichen Weg der Abgeschiedenheit gehen wollte, wählte er aus und nahm ihn in seinem Kreis auf und liebte ihn.364

Die Lehre der Väter, auf die Josef Busnāyā Bezug nimmt, ist eine Anspielung auf eine Episode im Paradies der Väter des ʿNānīšōʿ. Dort werden die genannten drei Wege in einem Spruch knapp zusammengefasst, der Abba Poemen zugeschrieben wird.365 Der Verweis auf aktuelle Herausforderungen erlaubt aber in den Augen des Verfassers eine Transformation überlieferter Regeln. Ein solcher Prozess ist vermutlich eher eine rückwirkende Rechtfertigung notwendiger Anpassungen an die Zeit als eine bewusste Modifizierung der traditionellen Regeln. Hier wird deutlich, wie schwierig es ist, aus den Normen der Klosterregeln auf die Lebenswirklichkeit der Mönche zu schließen. Auch prägte das Vorbild der ägyptischen Väter, wie es im Paradies der Väter des ʿNānīšōʿ im Syrischen überliefert und zugänglich war, das klösterliche Leben der Asketen stärker als die Regeln der abrahamitischen Klosterreform, die in der Vita nicht erwähnt werden.366 Die Zönobiten hatten diesem Text zufolge nicht nur die Möglichkeit, nach ihrer Zeit im Zönobium ein Leben als schweigende Eremiten zu verbringen. Sie konnten sich auch entscheiden, weiterhin in den Weinbergen oder auf den Feldern der Klöster zu arbeiten, d. h. bis an ihr Lebensende diese Arbeiten zu verrichten: Sie stützten durch ihre Arbeit den wirtschaftlichen Wohlstand des Klosters und leisteten so ihren Beitrag zu der materiellen Lebensgrundlage des Klosters.367 Der zweite Weg, den Josef Busnāyā den Mönchen beschreibt, ist „die Sorge für die Lehre und die Ordnung im Tempel“ (yaṣṣīp̄ ūṯā ḏ-ʿal yulpānā wa-qyāmā ḏa-ḇ-hayklā). Darunter muss man zum einen eine lehrende, zum anderen eine liturgische Aufgabe verstehen. Sind darunter also die Mönche zu verstehen, die für den priesterlichen Dienst für das Kloster abgestellt wurden? Im Kloster gab es Priester und auch die Aufgabe des Küsters umfasste liturgische Dienste. Für sie war zumindest die Diakonatsweihe notwendig, da es nur Geweihten erlaubt war, das Allerheiligste zu betreten.368 Von den zwei Küstern 364 V, fol. 172r–173r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 182–183 (ROC 4, 389–390). Spiegelstriche von mir. 365 Vgl. ʿNānīšōʿ, Book of Paradise, I  883 (engl.); II 667–668 (syr.). Vgl. dazu auch Deseille, Évangile, 291, Anm. 8. 366 S. auch u. S. 140–141 und S. 164–166. 367 Auf die Rolle der Zönobiten für die Wirtschaft des Klosters geht das Kapitel 7.1 genauer ein. 368 Vgl. Īšōʿyaḇ IV., Nestorian Questions, 199; Fiey, Mossoul, 74, Anm. 3.

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im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē wird außerdem berichtet, dass sie die Eucharistie feierten, also Priester waren.369 Fiey bezeichnet daher den Küster (franz. Sacristain) als eine Art Hauptpriester der jeweiligen Kirche, ähnlich dem byzantinischen Skeuophylax.370 Auch gab es im Kloster Lehrer, die den Mönchen Kirchengesänge beibrachten.371 Dieser zweite Weg könnte sich daher auf Mönche beziehen, die diese Aufgaben erfüllten. Möglicherweise ist hier aber auch die Ausbildung einiger Mönche in der Lehre der Kirche gemeint, die sie auf eine Aufgabe in der Hierarchie in selbiger vorbereitete.372

4.2.  Das Leben in der Abgeschiedenheit Die zwei genannten Lebensentwürfe sind für Josef Busnāyā und Johannes bar Kaldun weniger wertvoll als das, was sie als Königsdisziplin des monastischen und letztendlich christlichen Lebens gesehen haben:  das eremitische Dasein in der Abgeschiedenheit der Zelle. Über die ersten zwei Lebenswege berichtet die Vita wenig und nur beiläufig. Für den dritten Weg hingegen hat Johannes bar Kaldun in der Vita Informationen zusammengestellt, die den Tagesablauf und die Lebensweise der jungen Eremiten ausführlich beschreiben. Im achten Kapitel der Vita, dem Lehrkapitel, werden diese Regeln zusammengefasst und dargestellt. Der Mönch erhält hier die wichtigsten Informationen. Dieses Kapitel darf aber nicht getrennt von dem restlichen Werk gelesen werden. Das achte Kapitel stellt ein Ideal dar, das in vielen Erzählungen anderer Kapitel durchbrochen wird. Beides soll im Folgenden dargestellt werden. Nachdem die Zelle, in der der Mönch von nun an seine Zeit als Eremit im Schweigen verbringen sollte, in einem feierlichen Akt eingeweiht und gesegnet worden war, wurde als Symbol für das Grab Christi ein Stein vor ihre Tür gelegt.373 Die Mönche galten nun für die Welt als tot und hatten bereits Anteil am jenseitigen, geistigen Leben. Sobald der Mönch die Zelle betreten hatte, begann für ihn der geistige Lebenswandel, der in der ostsyrischen Mystik seit Johannes von Apamäa in drei Stufen gegliedert wurde, nämlich die Stufe der Leibhaftigkeit, die Stufe der Seelenhaftigkeit sowie die Stufe der Geisthaftigkeit.374 3 69 V, fol. 145v–146r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 152 (ROC 3, 459–460). 370 Vgl. Īšōʿyaḇ IV., Nestorian Questions, 199; Fiey, Mossoul, 74, Anm. 3. 371 V, fol. 78r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 79–80 (ROC 3, 109). 372 Vgl. u. Kapitel 5.3. 373 V, fol. 173r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 183 (ROC 4, 391). 374 Johannes bar Kaldun geht hier allerdings einen anderen Weg als die Mystiker vor ihm: Für Josef Ḥazzāyā begann die Stufe der Leibhaftigkeit bereits im Zönobium, also gleich nach der Tonsur, vgl. Ḥazzāyā, Lettre, 302–303 (syr./franz.); Ḥazzāyā,

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Die Erklärungen und die Unterweisung, die Johannes bar Kaldun seinem Lehrer Josef Busnāyā zuschreibt, spiegeln diese dreigliedrige Struktur wider. So schrieb Josef Busnāyā dem angehenden Eremiten zunächst körperliche asketische Übungen (pulḥānā) vor, die der Mönch in seiner Zelle erfüllen musste. Diese körperlichen Übungen konnten auch alltägliche Arbeiten sein, denen der Mönch im Kloster nachging. Vor allem verstand Johannes bar Kaldun darunter jedoch das Fasten, die mit lauter Stimme gelesene Lektüre und das laut gesprochene Gebet. Die beiden letzten Übungen sollten zudem mit Proskynesen und Kniebeugen verbunden werden. Ihnen schrieb Johannes bar Kaldun eine den Körper reinigende Wirkung zu (daḵyūṯā), die schließlich von der Stufe der Leibhaftigkeit zur Stufe der Seelenhaftigkeit führte. Nach diesem Aufstieg sollte der Eremit diese Übungen nicht mehr äußerlich praktizieren, sondern verinnerlichen. Er sollte die Lektüre im Stillen lesen und das Gebet nicht mehr laut sprechen. Das Fasten wurde weiterhin auch in Form der Speiseenthaltung praktiziert, aber nun zudem als innere Haltung interpretiert. Gemeinsames Gebet und Eucharistieempfang verloren auf dieser Stufe zunehmend an Bedeutung. Durch die zunehmende Verinnerlichung der Übungen sollte nach der Reinheit des Körpers die „Lauterkeit“ oder „Klarheit“ (šap̄ yūṯā) der Seele erreicht werden. Erst dann konnte die Stufe der Geisthaftigkeit erreicht werden, auf der durch die göttliche Gnade mystische Erfahrungen möglich waren. Im Folgenden wird das abgeschiedene Leben, wie es die Eremiten gemäß dem achten Kapitel der Vita gestalten sollten, beschrieben. Allerdings handelt es sich hierbei um einen normativen Text. Die narrativen Abschnitte der Vita zeigen, dass das monastische Leben an vielen Stellen von diesem Ideal abwich. Johannes bar Kalduns Vorstellung vom Leben in der Abgeschiedenheit beruht auf einer alten monastischen Tradition. Um seine Ausführungen besser begreifen und einordnen zu können, werden im Folgenden daher auch andere Werke der ostsyrischen monastischen Literatur berücksichtigt. Besonders der Brief über die drei Stufen des Josef Ḥazzāyā (8. Jahrhundert)375 und das Traktat über die Abgeschiedenheit des Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā (7. Jahrhundert)376 enthalten Briefe, 89 (deutsch). Für Johannes bar Kaldun begann sie erst nach dem Zönobium mit dem Eintritt in die Zelle, vgl. V, fol. 184r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 197 (ROC 4, 404). 375 Ḥazzāyā, Lettre (syr. Edition mit französischer Übersetzung); Ḥazzāyā, Briefe (deutsche Übersetzung). 376 Rücker, Geistliche Übungen (deutsche Teilübersetzung); Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Cinco tratados (syrische Edition und spanische Übersetzung); Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Treatise (Faksimile einer syrischen Handschrift und englische Übersetzung).

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Details, die das Verständnis für die Vita vertiefen. Dennoch gilt es dabei immer zu bedenken, dass zwischen diesen Texten fast dreihundert bzw. vierhundert Jahre liegen.

4.2.1.  Die Struktur des Tages Für den Eremiten in der Abgeschiedenheit der Zelle sah Johannes bar Kaldun für das erste Jahr einen strikten Tagesablauf vor. Dieser wurde durch die sieben Stundengebete der monastischen Tradition plus die Nachtwache vorgegeben. Die Vita folgt hier den Stundengebetsregelungen der Kirche des Ostens.377 Diese liturgischen Gebete bestanden hauptsächlich aus Psalmengesängen und Hymnen.378 Der Mönch betete sie in seiner Zelle. Dazu gehörten nach den Morgenpsalmen die Terz, die Sext und die Non. Am Abend fanden vor dem Abendessen die Abendpsalmen und das Komplet (syr. subbāʿā) statt. Nach dem Essen gab es noch ein weiteres Gebet, das subbʿāṯā, das ansonsten im ostsyrischen Stundengebet unbekannt ist. Chabot vermutet daher, dass dies eine Besonderheit des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē gewesen sein muss.379 In den Ausführungen des Josef Ḥazzāyā gibt es allerdings ebenfalls ein „Gebet nach dem Tisch“, das ihm entsprechen könnte.380 Nach diesem Gebet sollten die Mönche in sitzender Haltung gegen die Wand gelehnt mit Blick auf das Kreuz schlafen.381 Die Nachtruhe wurde zur Vigil unterbrochen. Eine solche Vigil dauerte für den angehenden Eremiten die halbe Nacht bis zum Sonnenaufgang.382 Das ließ den Mönchen noch eine kurze Ruhephase zwischen Morgendämmerung und Morgenpsalmen.383 Johannes bar Kaldun legte großen Wert auf die Einhaltung des Stundengebets, insbesondere in den ersten Jahren. So hielt Josef Busnāyā als ideales Vorbild das Stundengebet in allen Einzelheiten ein.384 Das Gebet wurde laut gesprochen und war von Proskynesen und Kniebeugen begleitet, solange sich der Eremit auf der Stufe der Leibhaftigkeit befand. Mit zunehmender

3 77 Vgl. Vellian, Divine Office, 293. 378 Ebd. Vgl. auch V, fol. 174r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 185 (ROC 4, 392). 379 Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 188, Anm. 1 (ROC 4, 395). 380 Ḥazzāyā, Lettre, 354–355 (syr./franz.); Ḥazzāyā, Briefe, 135 (deutsch). 381 Diese Haltung beim Schlaf ist weitverbreitet unter den Eremiten. Sie ist bereits in den Engelsregeln in der Historia Lausiaca zu finden (Palladius von Helenopolis, Historia Lausiaca, 208–209). 382 V, fol. 182v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 195 (ROC 4, 402–403). 383 V, fol. 33r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 34 (ROC 2, 391). 384 V, fol. 32r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 33 (ROC 2, 391).

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Erfahrung sollte der Eremit jedoch nach Erreichen der Stufe der Seelenhaftigkeit das Gebet nicht mehr sprechen, sondern im Stillen verrichten. Tagsüber war zwischen diesen Gebeten vor allem Lektüre (qeryānā) vorgesehen. Während der drei Stunden zwischen den Morgenpsalmen und der Terz sollte der Eremit das Neue Testament lesen, zwischen Terz und der Mittagsliturgie sowie zwischen Mittag und Non die „Väter“, also die monastische Literatur.385 Für das Neue Testament war gegenüber der Väterliteratur somit nur halb so viel Zeit vorgesehen. Während es bei der Lektüre der Väterliteratur vor allem darum ging, den Inhalt zu erfassen und für das eigene monastische Leben umzusetzen, kam der Lektüre des Neuen Testamentes noch eine weitere Bedeutung zu:  Sie stellte eine spirituelle Arbeit dar, denn  – so Johannes bar Kaldun – im Neuen Testament sehe man mit den Augen der Seele „im geschaffenen Körper der Schrift“ die göttlichen Geheimnisse.386 Bevor der Eremit mit der Lektüre des Neuen Testaments begann, sollte er daher vor dem Evangelium zehn maṭṭūnīā387 vollführen, begleitet von einem Bittgebet um das rechte Verständnis der Schrift. Im Anschluss sollte der Eremit das Evangelium nehmen, es küssen und auf die Augen und das Herz legen. Es folgte ein weiteres Bittgebet: Ja, Christus, unser Herr! Siehe ich bin unwürdig! Auf meinen unreinen Händen wirst du getragen in deinem Evangelium. Durch die Gnade sprich zu mir die Worte des Lebens und des Trostes durch den beredten Mund, dessen Zunge das Schreibrohr des Heiligen Evangeliums ist. Gib mir, Herr, dass ich durch neue, innere Ohren hören und dass ich durch eine Zunge des Geistes deinen Ruhmen singen möge. Amen.388

Es folgte die Lektüre. Das tägliche Pensum betrug drei Kapitel aus dem Evangelium, zwei Kapitel aus der Apostelgeschichte und drei Kapitel aus den Apostelbriefen.389 In der Mitte und am Ende der Lektüre folgten erneut zehn maṭṭūnīā.390 Das Neue Testament war für die Mönche des Klosters mehr als ein Schriftstudium, es war ein liturgisches und spirituelles Geschehen, das den gesamten Körper umfasste. In ihm verehrte der Mönch das Wort Gottes in seiner irdischen Gestalt. Johannes bar Kaldun berichtet stolz, dass jeden Morgen 385 Der Frage, was unter der Väterliteratur zu verstehen ist und was der Inhalt der Lektüre war, wird in Kapitel 5.2.2 nachgegangen. 386 V, fol. 173v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 184 (ROC 4, 392). 387 Zur Beschreibung der maṭṭūnīā in der Vita, s. u. Anm. 450. 388 V, fol. 173v–174v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 184 (ROC 4, 391–392). 389 V, fol. 173v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 184 (ROC 4, 392). Die Kapiteleinteilung der syrischen Bibel (Peschitta) ist länger als die der westlichen Überlieferung, vgl. Brock, Bible, 118–120. 390 V, fol. 173v–174v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 184 (ROC 4, 391–392).

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200 Exemplare des Neuen Testaments im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē aufgeschlagen und gelesen wurden.391 Auch wenn diese Zahl übertrieben sein mag, so zeigen sie die Bedeutung der Lektüre des Neuen Testaments für Johannes bar Kaldun. Ähnlich wie das Stundengebet wurde das Neue Testament mit lauter Stimme gelesen. Wie auch beim Gebet sollte der Eremit mit zunehmender Erfahrung, nach Erreichen der Stufe der Seelenhaftigkeit, schweigen und im Stillen lesen.392 Im achten Kapitel erscheint die Tagesstruktur mit Gebet und Lektüre starr in seinem zeitlichen Ablauf. Johannes bar Kaldun beschreibt aber an anderer Stelle, dass dieser grundlegende Tagesablauf auch aufgebrochen und individuell gestaltet wurde. Er schreibt: Die restlichen [Eremiten, d. h. diejenigen, die noch nicht die Stufe der Geisteshaftigkeit erreicht hatten,] machten nun im Unterschied ihr Stundengebet, ihre Lektüre und ihr Gebet, indem die einen früh in der Nacht im Stundengebet standen und spät in der Nacht ein wenig ruhten und die anderen früh in der Nacht ein wenig ruhten und dann im intensiven Stundengebet und inbrünstigen Gebet verharrten bis zum Morgen. Und auch am Tag machten sie es so, indem die einen zuerst das Stundengebet machten und später ihre Lektüre, und andere zuerst dieses und dann jenes.393

Die Regeln des achten Kapitels erscheinen so als eine grundlegende Orientierung und weniger als eine strikte Regel. Eine solche Handhabung erlaubte es dem Kloster auch, der neutestamentlichen Forderung nach dem „Betet ohne Unterlass!“ (1 Thess 5, 17)  Folge zu leisten. Das ununterbrochene Gebet und Lesen im Kloster vergleicht Johannes bar Kaldun daher mit dem Summen eines Bienenstocks, das jeden Besucher des Klosters erstaunte.394 Die Zeit zwischen Non und dem Abendgebet war für sonstige anstehende Arbeiten vorgesehen.395 Zunächst dürfte es sich um Tätigkeiten gehandelt

391 Er rechnet hier wohl die 150 Eremiten in der Zelle und die 50 Zönobiten zusammen, (V, fol. 153v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 160 (ROC 3, 468)). 392 Isaak von Ninive hingegen thematisierte die stille Lektüre von Anfang an. Zur stillen Lektüre bei Isaac von Ninive, s. Walker, Ascetic Literacy, 317; Alfeev, Spiritual World, 174–184; Becker, Fear of God, 184–188. 393 V, fol. 154r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 160–161 (ROC 3, 468–469). 394 V, fol. 154r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 160–161 (ROC 3, 468–469). 395 V, fol. 176r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 187 (ROC 4, 394). Josef Ḥazzāyā räumt in seinen Regeln der manuellen Arbeit mehr Zeit ein. Während die Zeit nach der Non bis zum Abend der Speisenzubereitung gewidmet ist, ist die Zeit zwischen Sext und Non für manuelle Arbeit vorgesehen, vgl Ḥazzāyā, Lettre, 348–353 (syr./franz.); Ḥazzāyā, Briefe, 131–132 (deutsch).

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haben, die bei den Mönchen in deren alltäglichen Leben anfielen. Die Arbeit für die Klostergemeinschaft übernahmen zwar die Zönobiten, doch für ihr eigenes alltägliches Leben mussten die Eremiten selbst sorgen. Als eine solche Tätigkeit wird in der Vita das Vorbereiten der Speisen für das Abendessen genannt. Es wird in der Vita zwar berichtet, dass den Eremiten Brot von der Gemeinschaft zugeteilt wurde, aber wenn ihnen Getreide geschenkt wurde, waren sie selbst dafür zuständig, dieses zu mahlen und zu backen, zumindest, wenn sie keine Schüler hatten, die diese Arbeit für sie übernahmen.396 Von einigen Mönchen wird berichtet, dass sie Texte des Neuen Testaments, patristische oder monastische Literatur abschrieben. Auch hier werden die konkreten Arbeitszeiten nicht genannt, doch es ist anzunehmen, dass die Mönche diese Tätigkeiten ebenfalls während des Nachmittags erledigten. In der Vita ist belegt, dass die Mönche diese Texte zum einen für sich selbst,397 zum anderen aber auch für andere Mönche kopierten.398 Hingegen werden keine professionellen Kopisten im Kloster genannt.399 Das Kopieren, insbesondere des Neuen Testaments, war – ähnlich dem Lesen  – eine spirituelle Tätigkeit.400 Andere Tätigkeiten, die diese Zeitspanne ausfüllen konnten, waren die Aufgaben, die die Eremiten an ihre Schüler delegierten. Beispielsweise erhielt Johannes bar Kaldun von seinem Lehrer die Aufgabe, Briefe, die ihn erreichten, zu beantworten.401 Die Lehrer gaben ihren Schülern auch zusätzliche Aufgaben, von denen sie glaubten, dass sie ihnen in ihrer monastischen Unterweisung nutzten.402 So ist in der Vita belegt,

3 96 V, fol. 54v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 57 (ROC 3, 86). 397 V, fol. 78r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 81–82 (ROC 3, 110–111). 398 V, fol. 116r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 120 (ROC 3, 298). 399 Ähnliches scheint im ostsyrischen Raum insgesamt der Fall gewesen zu sein, vgl. Walker, Ascetic Literacy, 326. 400 Vgl. hierzu auch Rapp, Scriptural Holiness, 205–206. Sie argumentiert hier auch, dass es wahrscheinlich war, dass in der Spätantike junge Mönche während ihrer Ausbildung ein Exemplar der Bibel für ihren eigenen Gebrauch abschrieben. In der Vita wird hierzu nichts gesagt. Jedoch spricht dafür, dass jeder Mönch ein Exemplar des Neuen Testaments in seiner Zelle besaß, was eine solche Kopiertätigkeit schon aus praktischen Gründen nahelegt (V, fol. 154v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 151 (ROC 3, 459)). Andererseits berichtet Johannes bar Kaldun, dass seine erste Kopiertätigkeit auf Syrisch nicht das Neue Testament, sondern ein Traktat des Isaak von Ninive umfasste, und er für diese Tätigkeit erst syrisch schreiben lernen musste (V, fol. 79r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 81–82 (ROC 3, 110–111)). 401 V, fol. 78v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 81–82 (ROC 3, 109–110). 402 V, fol. 179v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 191–192 (ROC 4, 399).

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dass ein Eremit in der Übergangszeit zwischen Verlassen des Zönobiums und zurückgezogenem Leben weiterhin auf den Feldern arbeiten musste.403 Das Eucharistiegebet fand zur Non statt.404 Josef Busnāyā schrieb den jungen Eremiten im ersten Jahr vor, dass sie jeden Tag die Eucharistie empfangen sollten, um in ihrem Kampf gegen die Sünde gestärkt zu werden.405 Ab dem zweiten Jahr in der Zelle sollten sie nur noch dreimal die Woche (Mittwoch, Freitag und Sonntag) die Kommunion zu sich nehmen. Je nachdem, wie stark die mystische Bindung des Eremiten an Gott und wie groß die damit einhergehende Loslösung von den irdischen Notwendigkeiten war, reduzierte er den Kommunionsempfang auf nur noch einmal pro Woche (am Sonntag), bis er sie schließlich nur noch einmal während des jeweiligen Kirchenjahresabschnitts empfangen sollte. Der perfekte Eremit schließlich empfing die Kommunion nur noch selten oder gar nicht mehr.406 Johannes bar Kaldun begründet in seinem Lehrkapitel diese sukzessive Verringerung des Kommunionsempfangs auf zweierlei Weise: 1.) Der Eremit versteht mit zunehmender spiritueller Erkenntnis immer mehr, wie unwürdig er als irdische Kreatur ist, Leib und Blut Christi zu empfangen.407 2.) Auf einer höheren Stufe begründet er es mit der wachsenden Entfremdung des Mönchs von den irdischen Bedürfnissen. Der Mönch nehme schon an der geistigen Eucharistiefeier der jenseitigen Welt teil. Er empfange dort Christus bereits ohne Vermittlung der eucharistischen Gaben und bedürfe ihrer nicht mehr.408 Diese Argumentation ist apologetisch formuliert. Johannes bar Kaldun erklärt ausdrücklich, dass man die Eremiten, die gar nicht mehr die Kommunion empfangen, nicht verurteilen solle. Der Hintergrund dieser Apologetik ist, dass die Haltung Josefs und die Kritik an ihr in der Kirche des Ostens bereits eine lange Geschichte hat.409 Eremiten standen immer 4 03 V, fol. 132r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 136 (ROC 3, 312). 404 V, fol. 145r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 151 (ROC 3, 459) und V, fol. 152v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 159 (ROC 3, 467). Nach Gabriel von Baṣra entsprach dies auch den Apostolischen Kanones, vgl. Gabriel von Baṣra, Rechtssammlung, 266–267. 405 V, fol. 180r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 192–193 (ROC 4, 399–400). 406 V, fol. 179v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 192 (ROC 4, 399). Chabot kannte anscheinend das Konzept der Siebenwochen-Abschnitte der ostsyrischen Kirche nicht. Er glättet an jenen Stellen den Text und seine Übersetzung weicht dort stark von dem syrischen Text ab, s. z. B. Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 192, Anm. 1 (ROC 4, 399). 407 V, fol. 180r–81r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 193–194 (ROC 4, 400–401). 408 V, fol. 181r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 194–195 (ROC 4, 401–402). 409 Vgl. Desprez, Eucharistie, 215–221, bes. 218.

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unter dem Verdacht, der Häresie des Messalianismus nahezustehen, einer asketischen Bewegung, deren Anhängerschaft die kirchlichen Sakramente für sich selbst gänzlich ablehnte.410 Diese Apologetik ist ein wiederkehrendes Thema der Autoren der ostsyrische Mystik, die mit Beteuerungen und Verurteilungen des Messalianismus versuchten, ihre eigene Rechtgläubigkeit zu beweisen.411 In der Kirche des Ostens, wie in anderen Konfessionen auch, war es außer in wenigen Ausnahmefällen kirchenrechtlich verboten, das konsekrierte Brot über die Eucharistiefeier hinaus aufzubewahren.412 Es sollte vielmehr direkt in der Liturgie verzehrt werden, d.  h. es wurde während des Gottesdienstes im Anschluss an das Hochgebet empfangen. Da ein täglicher Kommunionsempfang für die angehenden Eremiten vorgesehen war, kann man von einer täglichen Eucharistiefeier im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē ausgehen. Dies ist auch in anderen Quellen des ostsyrischen Raums als Praxis bezeugt.413 Der liturgische Charakter der eucharistischen Gaben, deren Empfang in ein gemeinschaftlich-liturgisches Geschehen eingebettet ist, spielt in der Darstellung für Johannes bar Kaldun keine Rolle. Die Eucharistie wurde als von Sünden reinigende Speise wahrgenommen, deren Wirkung vom liturgischen Rahmen unabhängig war. Es ist daher auch möglich, dass die Kommunion unabhängig von der Feier konsumiert oder sogar in die Zelle mitgenommen bzw. gebracht wurde.414 Die Berichte in der Vita sind zu dieser Frage allerdings nicht eindeutig. In einem Fall wird berichtet, dass ein Mönch die Eucharistie in der Nacht empfangen sollte, also nachdem die Eucharistiefeier stattgefunden hatte.415 Dass dies nicht so zu verstehen ist, dass nachts eine weitere Eucharistiefeier stattgefunden hatte, verdeutlicht eine weitere Anekdote: Johannes bar Kaldun berichtet über den Eremiten Johannes Dasenāyā, dass ein inneres Licht in ihm leuchtete. Er sei daher unfähig gewesen, die Tageszeit richtig einzuschätzen. Er ging daher immer wieder nachts zur Kirche, um dort die Eucharistie zu empfangen. Der Küster informierte ihn in diesen Fällen darüber, dass die Messe bereits gefeiert worden war, und gab ihm etwas von dem buḵrā (wörtl. „Erstgeborener“).416 4 10 Zu den Vorwürfen vgl. o. Kapitel 2.5.2.3. 411 Vgl. Kavvadas, Beobachtungen, 183–186. 412 Vgl. Īšōʿyaḇ IV., Nestorian Questions, 207–211; Vries, Sakramententheologie, 245–247. 413 Vgl. Īšōʿyaḇ IV., Nestorian Questions, 121; Vries, Sakramententheologie, 244; Gabriel von Baṣra, Rechtssammlung, 266–267. 414 Vgl. auch Brightman, Liturgies, I 573–574; Īšōʿyaḇ IV., Nestorian Questions, 209. 415 V, fol. 81v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 83 (ROC 3, 112–13). 416 V, fol. 142v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 148 (ROC 3, 325).

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Das monastische Leben

Von Josef Busnāyā wird berichtet, dass er während einer Fastenzeit jeden Tag von nur drei Stücken des buḵrā lebte.417 Da fortgeschrittene Mönche wie Josef Busnāyā während der Fastenzeit keinen Gottesdienst besuchten, wurde ihnen das buḵrā wahrscheinlich gebracht und durch die dafür vorgesehene Öffnung in der Mauer der Zelle gereicht. Chabot übersetzt buḵrā mit „pain eucharistique“.418 Heute wird in der Kirche des Ostens mit dem Begriff buḵrā das eucharistische Brot bis zur Brechung in der Liturgie bezeichnet.419 Historisch ist dieser Begriff schwieriger zu fassen. In den im 11. Jahrhundert entstandenen Quaestiones zur Eucharistie des ostsyrischen Katholikos-Patriarchen Īšōʿyaḇ IV. wird der Begriff nicht eindeutig verwendet420 und auch aus der Vita geht die exakte Bedeutung nicht unmissverständlich hervor. Vor der Liturgie wird für das Brot in der Vita der Begriff qṣāṯā verwendet, nach der Brechung der Begriff puršānā. Eventuell könnte es sich bei buḵrā auch um eine Bezeichnung für das Eulogion handeln, d. h. für den nicht gewandelten Rest des in der Liturgie verwendeten Brots, das denjenigen Teilnehmern der Messe gegeben wurde, die nicht an der Kommunion teilnehmen wollten oder durften. Dieses Brot wird jedoch im syrischen Raum gewöhnlich burktā oder mḵapprānā genannt.421 Es ist daher möglich, dass es sich beim buḵrā um den gewandelten Leib Christi handelte, der über die Messfeier hinaus aufbewahrt wurde. Dies war kirchenrechtlich zwar nicht gestattet, aber auch andere Quellen deuten an, dass es in den Klöstern üblich war, den

417 V, fol. 53v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 56–57 (ROC 3, 85–86). Die syrisch-orthodoxen Regeln des Johannes Bar Qūrsos von Mār Zakkay untersagen die Praxis, streng Fastenden mehrere Stücke der Eucharistie zu geben, ausdrücklich, vgl. Bar Qūrsos, Rules for Mār Zakkai, 61. Diese Praxis scheint also nicht unbekannt gewesen zu sein. 418 Die Festlegung eines genauen Zeitpunktes der Wandlung erhielt in der Kirche des Ostens allerdings nicht dieselbe Aufmerksamkeit wie in der lateinischen Kirche. Vgl. auch die ausführliche Diskussion bei Vries, Sakramententheologie, 225–242. 419 Zum Vokabular vgl. Brightman, Liturgies, I 572. 420 Zum Beispiel Fragen 15 und 17 in Īšōʿyaḇ IV., Nestorian Questions, 162 und Fragen 58, 60, 61, 64 und 65 auf 173–174. In seiner Erklärung des Begriffes būḵrā verweist van Unnik auf Brightman, der eine moderne Version der ostsyrischen Liturgie verwendet, vgl. Īšōʿyaḇ IV., Nestorian Questions, 194. Die älteste bekannte Textgestalt der ostsyrischen Liturgie enthält leider keine Rubriken, die Aussagen über den Sprachgebrauch im 10. Jahrhundert machen, vgl. Macomber, Addai and Mari. 421 Vgl. Brightman, Liturgies, I 577.

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gewandelten Leib aufzubewahren.422 In diesem Falle wäre ein täglicher Kommunionsempfang auch ohne tägliche Messfeier möglich. Die Regeln des achten Kapitels sahen vor, dass der Eremit, je weiter er in seinem Leben in der Abgeschiedenheit voranschritt, seltener die Kommunion empfangen sollte. Mit diesem Rückgang ging die Vorschrift einher, Treffen mit den Mitbrüdern zu verringern. Solche Treffen beinhalteten das gemeinsame Gebet, die Eucharistiefeier und das gemeinsame Essen.423 Auch dadurch wird deutlich, dass der Kommunionsempfang nicht als gemeinschaftliches Geschehen empfunden wurde, sondern getrennt davon behandelt wurde. Der idealisierte Tagesablauf des Eremiten in der Zelle umfasste also Stundengebet, Lektüre und Arbeit. Diese Tätigkeiten sollten vor allem in der Zelle praktiziert werden. Im ersten Jahr waren auch Kommunion und Zusammentreffen mit anderen Brüdern in den Tagesablauf integriert. Mit der Zeit wurden jedoch alle gemeinschaftlichen Tätigkeiten nach und nach reduziert. Dieser Tagesablauf in der Zelle wurde schließlich nur noch an besonderen Tagen des liturgischen Kirchenjahres durchbrochen. Dies waren die Herrenfeste, bestimmte Gedenktage sowie „Anfang und Ende der šāḇōʿā“.424 Bei diesen šāḇōʿē handelt es sich um neun Jahresabschnitte, die von Īšōʿyaḇ III. im 7. Jahrhundert in den ostsyrischen Kirchenjahreskalender eingeführt wurden.425 Für diese besonderen Tage beschreibt Johannes bar Kaldun einen abweichenden Tagesablauf der Mönche, die in der Zelle lebten. An solchen Tagen „versammelten sich die Alten und die Bewohner der Zellen bei der Zelle des Heiligen [Josef Busnāyā]. Und sie lasen die Lesung der Perikope. Und sie beteten die Terz, ebenso die Mysterien und die Abendpsalmen. Zur Zeit des Abendessens versammelten sich alle Brüder bei der Zelle, die er dafür ausgewählt hatte.“426 So sah der Tagesablauf der

422 Vgl. für eine Aufstellung Īšōʿyaḇ IV., Nestorian Questions, 207–210 und Vries, Sakramententheologie, 245–247. Elias von Nisibis stellt die Praxis der Aufbewahrung der Eucharistie als eine spezifisch syrisch-orthodoxe Handlung dar, vgl. Elias von Nisibis, Buch vom Beweis, 99–100. 423 V, fol. 152v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 159 (ROC 3, 467). 424 V, fol. 152v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 159 (ROC 3, 467). 425 Subbārā-yaldā (Advent-Weihnachten), denḥā (Epiphanias), ṣawmā (Fasten), qyāmtā (Auferstehung), šlīḥē (Apostel), qayṭā (Sommer), Elias-Mūšē (Elias-Moses), ṣlīḇā (Kreuz), quddāš ʿēttā (Kirchweih). Je nach Ostertermin schwankten die Dauer der Abschnitte z. T. enorm; vgl. Cassingena-Trévedy, Cycle annuel, 25–26. Eine ausführlichere Zusammenfassung des ostsyrischen Kirchenjahres gibt Heinz, Licht, 63–96, jedoch mit Blick auf die indische Tradition. 426 V, fol. 152v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 159 (ROC 3, 467).

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fortgeschrittenen Eremiten nur noch zu diesen besonderen Tagen ein gemeinsames Gebet und die Eucharistiefeier vor.427

4.2.2. Die Zelle Für den Eremiten wird die Zelle zum Zentrum seines Lebens, demgegenüber das restliche Kloster zurücktritt. Johannes bar Kaldun findet für sie je nach Stufe des Mönchs eine andere Bezeichnung. Zu Beginn des Lebens in der Zelle, auf der Stufe der Leibhaftigkeit, ist sie für den Mönch ein Gefängnis, das er nicht mehr verlassen soll, und er ihr Gefangener. Auf der Stufe der Seelenhaftigkeit wird die Zelle zur Arena, in der der Mönch als Krieger seinen Kampf mit den Dämonen kämpft. Nachdem er die höchste Stufe, die Stufe der Geisthaftigkeit, erlangt hat, wird die Zelle zu einem „ruhigen Gefäß, das alle Unterstützung und Annehmlichkeiten hervorbringt.“428 Teufel und Dämonen haben hier keine Macht mehr. Der Eremit hat nun Anteil an der himmlischen Welt und wird als „Bewohner der Stadt des lebendigen Gottes“ bezeichnet.429 Johannes bar Kaldun geht hier sogar so weit zu sagen: „Es ist eher so, dass er [der Eremit], auch wenn er im Wesen Mensch ist, auch Gott genannt wird“.430 Diese höchste Form des menschlichen Daseins erreiche der Mönch nur in der Abgeschiedenheit der Zelle. Johannes bar Kaldun betont daher, dass der Mönch in der Zelle keine Kontakte nach außen unterhalten solle. Dieses Ideal wird beständig beschworen: Von Josef Busnāyā schreibt Johannes bar Kaldun, dass in den ersten zwölf Jahren in seiner ersten Zelle im Kloster des Rabbān Hormizd weder seine Familie noch andere Eremiten seine Zelle betraten.431 Gleichzeitig habe auch er keine Zelle betreten, außer diejenigen seiner Lehrer. Kontakt konnte so allenfalls durch das Fenster in der Mauer der Zelle stattfinden.432 Der Eremit war auch angehalten, all seine Arbeiten in seiner Zelle zu verrichten, wie zum Beispiel Texte zu kopieren und Suppe zu kochen. Er sollte die Zelle nur zu 4 27 Bereits im 7. Jh. unterscheidet Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā zwischen den Eremiten, die die „Stille der kleinen Woche“ halten, d. h. sich jeden Sonntag versammelten und denen, die die Stille der „sieben Wochen“ halten, vgl. Rücker, Geistliche Übungen, 192–193 (deutsch); Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Cinco tratados, 48–49 (syr.). 428 V, fol. 184r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 197–198 (ROC 4, 404–405). 429 V, fol. 184r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 197–198 (ROC 4, 404–405). 430 V, fol. 184r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 197–198 (ROC 4, 404–405). 431 V, fol. 35r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 37 (ROC 2, 395). 432 Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā erlaubt Kontakt mit der Außenwelt selbst mit den Lehrern der Eremiten nur durch dieses Fenster, vgl. Rücker, Geistliche Übungen, 196; Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Cinco tratados, 33.

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der gemeinsamen Liturgie und zum Verrichten seiner Notdurft433 verlassen.434 Besonders streng war diese Form der Zurückgezogenheit während der Fastenzeit, in der der Eremit die Zelle auch am Sonntag nicht verlassen sollte. Für die perfekten Eremiten war das Ideal, während der gesamten Jahreskreisabschnitte ihre Zelle nicht zu verlassen und erst wieder am Ende jeweils eines Abschnittes auf andere Mönche zu stoßen.435 Sobald Johannes bar Kaldun jedoch aus dem Klosteralltag erzählt, wird deutlich, dass in den Klöstern dieses Ideal der vollkommenen Abgeschiedenheit nicht durchgehalten werden konnte. Vielmehr erscheint das Kloster als ein Zentrum sozialer Kontakte unterschiedlichster Menschen und die Zelle selbst als Begegnungsort mit der Weisheit und der Wundertätigkeit der Eremiten. Die Heiligen empfingen zahlreiche Gäste in ihren Zellen. So empfing Rabbān Moses nicht nur Mönche aus dem eigenen Kloster, sondern auch Mönche aus anderen Klöstern und Pilger, die seine Weisheit suchten.436 Īšōʿ von Kūmāṯēh empfing in seiner Zelle Kurden  – sogar während der Fastenzeit.437 Auch für Josef Busnāyā sah es nicht anders aus. Oft empfing er Mönche aus seinem und fremden Klöstern, selbst den kurdischen Stammesführer Ḥasan bar Ibrāhīm.438 Auch in der Nacht hatte er keine Ruhe, weswegen ein Schüler vor seiner Zelle schlief, um unangekündigte Besuche zu unterbinden. Die Schüler übernahmen die Aufgabe, den Heiligen die Bitten der Pilger zu überbringen und sie vor zu viel Zudringlichkeit zu schützen.439 Dennoch gab es zahlreiche Situationen, in denen die Pilger, selbst Frauen, denen dies in besonderer Weise untersagt war, direkt an der Tür der Zelle der Heiligen klopften.440 Auch Kranke wurden in 433 Im bēṯ suʿrānē, dem „Haus der (weltlichen) Taten“, V, fol. 33r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 36 (ROC 2, 394). 434 V, fol. 33r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 36 (ROC 2, 394). 435 V, fol. 179v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 191–192 (ROC 4, 399). 436 V, fol. 76r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 78 (ROC 3, 107–108); V, fol. 128r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 131–133 (ROC 3, 309). 437 V, fol. 104r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 108 (ROC 3, 183). 438 V, fol. 57r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 59 (ROC 3, 89). 439 V, fol. 74v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 77 (ROC 3, 106). 440 V, fol. 122r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 126 (ROC 3, 303). In den westsyrischen monastischen Regeln wird jeglicher Besuch von Frauen im Kloster untersagt, vgl. z. B. Regel 1 in Rabbūlā von Edessa, Rules for the Monks, 27, Regel 15 in Rabbūlā von Edessa, Rules for the Clergy and the Qeiama, 40, Regel 6 in Bar Qūrsos, Rules, 58 und Regel 11 in Jakob von Edessa, Rules, 96. Die abrahamitischen Regeln erwähnen hingegen keine besonderen Vorschriften bezüglich von Frauen in den Klöstern. Angesichts der Tatsache, dass sie selbst den Aufenthalt anderer Mönche

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den Zellen behandelt, wie beispielsweise Johannes bar Kaldun selbst, der während einer Krankheit in der Zelle seines Mitbruders Jesaja behandelt wurde.441 Johannes Dasenāyā soll sich sogar drei Jahre lang um einen Leprakranken in seiner Zelle gekümmert haben.442 Falls man dieser Erzählung überhaupt Glauben schenken darf, so war dies mit Sicherheit eine Ausnahme. Diese Geschichten zeigen jedoch, dass es nicht nur möglich war, das strenge Ideal der absoluten Abgeschiedenheit in der Zelle aufzuheben, sondern tatsächlich der Normalfall. In den Zeiten der absoluten Abgeschiedenheit der Fastenzeiten, in der die erfahrenen Eremiten die Zelle nicht einmal am Sonntag für die Liturgie verließen, konnte das extreme Fasten zu einem gefährlichen Unterfangen werden. Mehrmals wird von fastenbedingten Krankheiten berichtet, die so manchen Asketen in die Knie zwangen.443 Doch auch in dieser Zeit des besonderen Rückzugs war es üblich, dass sich Mönche gegenseitig besuchten und halfen. Die Zelle war also nicht nur ein Ort der Ruhe und Zurückgezogenheit, sondern auch ein Ort der Begegnung.

4.2.3.  Das Fasten Neben dem Gebot der Abgeschiedenheit gehörte das Fasten (ṣawmā) zu der wichtigsten asketischen Übung der Mönche: Johannes bar Kaldun bezeichnet es als Waffe des Mönchs im Kampf gegen die Dämonen.444 Beim Fasten spielten drei Aspekte eine Rolle:  1.) Die Nahrungsaufnahme nur zu bestimmten Zeiten, 2.) der Verzicht auf bestimmte Speisen und 3.) die Menge der Speisen pro Mahlzeit. Diese drei Aspekte konnten unterschiedlich stark ausgeprägt sein, je nach Stand und Gelübde des Mönchs sowie nach Form des Fastens. Insgesamt sind drei Formen des Fastens in der Vita greifbar:  das Fasten als allgemeine asketische Übung, das Fasten während der Fastenzeit und das Nasiräertum (nazīrūṯā). Die beiden ersten Praktiken wurden terminologisch nicht in den Zellen der Eremiten untersagten, ist jedoch anzunehmen, dass auch in den abrahamitischen Klöstern der Frauenbesuch reglementiert wurde. In den späten Regeln des Katholikos-Patriarchen Timotheos II. (1318–1332) durften Frauen die Zelle eines Mönchs nicht betreten und nur im Martyrion schlafen, vgl. Timotheos II, Canons, 207. 4 41 V, fol. 70v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 73 (ROC 3, 102). 4 42 V, fol. 143r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 149 (ROC 3, 326). 4 43 V, fol. 54v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 57 (ROC 3, 86); V, fol. 107v–108r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 111–112 (ROC 3, 186) und V, fol. 137r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 142 (ROC 3, 319). 4 44 V, fol. 186r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 199 (ROC 4, 406).

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unterschieden und als ṣawmā bezeichnet. Die Eremiten sollten dabei ihre Fastenpraxis in und außerhalb der Fastenzeit mit ihrem Meister abstimmen.445

4.2.3.1.  Fasten als asketische Übung der Eremiten Alle Mönche, die im Kloster lebten, waren dazu angehalten, eine beständige Form des Fastens als asketische Übung zu praktizieren. Hierzu gehörte als älteste Regel, dass von den Mönchen kein Fleisch konsumiert wurde.446 Andere Einschränkungen wie der Verzicht auf Wein, Fisch und tierische Produkte scheint es grundsätzlich nicht gegeben zu haben. Grundlegend für diese Form des Fastens war der Abstand zwischen den Mahlzeiten. Nachdem sich die Mönche dem Kloster angeschlossen hatten, empfahl Johannes bar Kaldun, sich schon während ihrer Zeit im Zönobium auf die Zelle vorzubereiten, indem sie sich daran gewöhnen sollten, nur einmal am Tag zu essen.447 Diese einzige Mahlzeit sollte am Abend stattfinden. Schließlich sollte sich der Eremit im ersten Jahr in der Zelle an dieses „Fasten des Abends“ halten.448 Zwar waren die Eremiten angehalten, sich nicht satt zu essen,449 doch konnten sie am Abend zumindest so viel essen, dass Johannes bar Kaldun für die nachfolgenden Gebete vor Kniebeugen (maṭṭūnīā) warnte, die bei einem gefüllten Bauch krank machen sollten. Stattdessen solle man auf Proskynesen (gurgāḥā) ausweichen.450 Johannes berichtet auch von Fällen, in denen die Dauer des alltäglichen Fastens über einen Tag hinaus ausgeweitet wurde. So berichtet er 4 45 V, fol. 53r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 56 (ROC 3, 85); V, fol. 187v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 201 (ROC 4, 408). 4 46 Der Verzicht auf Fleisch gehört seit dem Beginn der monastischen Bewegung zur asketischen Praxis der Mönche (vgl. Arbesmann, Fastenspeise). Er wird auch in der ältesten greifbaren monastischen Regel der Kirche des Ostens benannt, s. Mārūṯā von Mayp̄ erqaṭ, Canons, [versio] 85 (engl.); [textus] 102 (syr.). 4 47 V, fol. 171v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 181 (ROC 4, 388). 4 48 V, fol. 182v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 195 (ROC 4, 402). 4 49 V, fol. 176v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 188 (ROC 4, 395). Johannes bar Kaldun beschreibt in der Vita eine Ausnahme. Rabbān Moses erlaubte eines Abends allen Mönchen, sich satt zu essen. (S. V, fol. 136v–137r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 141–142 (ROC 3, 318–319)). 450 V, fol. 177v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 189–190 (ROC 4, 396–97). Johannes bar Kaldun beschreibt, was unter diesen Begriffen zu verstehen ist. Eine maṭṭūnīā sei wie folgt zu verstehen: „Man verbeugt sich vor dem Kreuz, bis die Knie und der Kopf den Boden berühren.“ (ebd.) Eine gurgāḥā dagegen sei so zu vollziehen: „Die Knie erreichen nicht den Boden, sondern nur die Hände und der Kopf, während der Körper angehoben wird.“ (ebd.).

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Das monastische Leben

bewundernd über Rabbān Jakob, dass er bis in das hohe Alter nur alle zwei Tage das Fasten brach.451 Von den größten Eremiten, beispielsweise von Josef Busnāyā, wird berichtet, dass sie sogar nur ein- oder zweimal pro Woche etwas aßen.452 Die Praxis solch strenger Askese gehört zu den üblichen Idealen, die in hagiographischen Werken evoziert werden. Es entspricht durchaus Johannes bar Kaldun, solche unerreichbaren Ideale zu postulieren, um Stolz aufgrund von Erfolgen in der Askese zu unterbinden. Er warnt daher ausdrücklich vor solchen strengen Formen des Fastens: Man solle dies niemals ohne Rücksprache mit seinem Lehrer tun.453

4.2.3.2. Das Nasiräertum (nazīrūṯā) Wie bereits erwähnt, waren die Mönche während ihrer Zeit im Zönobium angehalten, das sogenannte Nasiräertum einzuhalten. Dieser Begriff wird aus der gleichnamigen alttestamentlichen Praxis abgeleitet:  Dort bezeichnet das Nasiräertum neben dem Verbot, Leichen zu berühren und dem Gebot, sich die Haare des Kopfes abzurasieren, vor allem die Abstinenz von alkoholischen Getränken.454 Ebenso wird in der Rechtssammlung von Gabriel von Baṣra das Nasiräertum als Abstinenz von alkoholischen Getränken verstanden.455 Diese Bedeutung von Abstinenz findet sich auch in der Vita, wenn es bezüglich der Umkehr heißt:  „Einer, der ein Esser (aḵōlā) war, wird fasten und einer der ein Trinker (šaṯōyā) war, wird abstinent (nazīrā) werden.“456 In der Vita wird das Nasiräertum als eine Ergänzung zum Fasten begriffen: Ist das Fasten die Waffe, mit der der Mönch gegen die Dämonen und die körperlichen Begierden kämpft, so ist das Nasiräertum der Schild, mit dem er sich verteidigt. Das Nasiräertum  – so Johannes bar Kaldun  – vollende das Fasten.457 Neben der Grundbedeutung, auf Alkohol zu verzichten, wird in der Vita die Praxis des Nasiräertums breiter gefasst: 4 51 V, fol. 162v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 170–171 (ROC 3, 478). 452 V, fol. 182v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 195 (ROC 4, 402); V, fol. 33r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 34 (ROC 2, 392). 453 V, fol. 182v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 195 (ROC 4, 402). 454 S. Mayer, nzr; Willi, Nasiräer. 455 Gabriel von Baṣra, Rechtssammlung, 264–265. 456 V, fol. 31r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 33 (ROC 2, 391). Dagegen unterscheidet Bar Bahlūl zwischen diesen beiden Begriffen nicht. Er bezeichnet beides als Enthaltsamkeit von bestimmten Speisen, vgl. Bar Bahlūl, Lexicon, II 1233 (nazīrūṯā) und Bar Bahlūl, Lexicon, II 1659 (ṣawmā). 457 V, fol. 187v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 201 (ROC 4, 408).

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Den Zönobiten wurde das Gesetz des Nasiräertums auferlegt: Sie sollten keinen Eintopf und kein Gemüse essen, nur am Sonntag sollten sie einen einfachen Eintopf kochen. Sobald sie davon gegessen hatten, sollten sie nichts Anderes essen. Und für gewöhnlich enthielten sie sich auch der Trauben, Feigen und anderer [Früchte].458

Die Zönobiten sollten sich also vor allem von Getreide, Brot und Hülsenfrüchten ernähren und Wasser trinken. Eintöpfe waren eine beliebte Speise im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē, „[…] damit du nicht gequält wirst von einer starken Austrocknung“.459 Die Vita berichtet auch von der Zubereitung sehr spartanischer Eintöpfe. So zum Beispiel in einer Erzählung über Gabriel den Küster, der auch nach seiner Zeit im Zönobium das Nasiräertum beibehielt: Er legte ein altes Stück Brot in eine Schale. Dieses bestreute er mit Salz und fügte ein wenig Olivenöl und Kräuter hinzu. Anschließend übergoss er es mit kochendem Wasser.460 Von einer weiteren spartanischen Suppe berichtet Johannes Bar Kaldun im Zusammenhang mit dem jungen Josef Busnāyā, dessen Suppe aus nichts anderem als wilden Kräutern bestand.461 Weitere Speisen neben Früchten, die den Zönobiten und den freiwilligen Nasiräern verboten waren, waren Fisch462 und Käse.463 Diese strenge Form des Nasiräertum ist aus anderen Schriften unbekannt. Die Vita schreibt sie dem Befehl des Rabbān Moses zu, der sie den Zönobiten auferlegte.464 Ob Rabbān Moses diese strenge Regelung selbst geschaffen oder aus einem anderen Kloster übernommen hatte, muss jedoch offenbleiben. Auch scheint nicht allen Zönobiten diese Form des Fastens auferlegt worden zu sein. Zum Beispiel wurden den Brüdern, die am Bau der Mühle beteiligt waren Wein serviert und sie speisten auch nicht nur am Abend.465 Sobald die Zönobiten das Zönobium verlassen hatten, wurden ihnen diese strengen Einschränkungen erlassen:  Es war ihnen wieder erlaubt, Wein zu trinken und alle Speisen außer Fleisch zu sich zu nehmen. Doch nicht nur die Zönobiten praktizierten das Nasiräertum, auch andere Mönche, die im Kloster

4 58 V, fol. 152r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 158 (ROC 3, 466). 459 V, fol. 176v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 188 (ROC 4, 395). 460 V, fol. 145r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 151 (ROC 3, 459). 461 V, fol. 33r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 34 (ROC 2, 393). 462 V, fol. 128r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 132 (ROC 3, 309); V, fol. 130r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 134 (ROC 3, 311). 463 V, fol. 130r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 134 (ROC 3, 311) 464 V, fol. 153v–154r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 160–161 (ROC 3, 468–469). 465 V, fol. 125r–126r, Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128–130 (ROC 3, 305–307).

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von Bēṯ Ṣayyārē lebten,466 und sogar Mönche aus dem Kloster des Rabbān Hormizd467 übten sich in dieser Form der asketischen Übung. Für sie war es jedoch eine optionale, zusätzliche Verpflichtung, die dann allerdings sehr ernst genommen wurde. Solche zusätzlichen Gelübde mussten mit dem spirituellen Meister abgesprochen werden. Beispielsweise verbot Josef Busnāyā seinem Schüler Johannes bar Kaldun ein Gelübde abzulegen, auf Wein zu verzichten.468

4.2.3.3.  Das Fasten während der Fastenzeit Während bestimmter Jahresabschnitte verschärften die Mönche ihre Fastenpraxis.469 Diese Jahresabschnitte werden in der Vita allgemein als die „gebundenen Wochen“ (šāḇōʿē asīrē) bezeichnet. Es handelte sich – neben der großen Fastenzeit vor Ostern – um die Fastenzeit der Apostel (nach Pfingsten) und der Propheten Elias und Moses (im Herbst).470 Genaue Angaben zu der Praxis der Fastenzeit werden in der Vita nicht gemacht, doch scheint, dass im Allgemeinen alle drei Aspekte des Fastens ausgeweitet wurden. Der Abstand zwischen den Mahlzeiten nahm zu und die Menge und Art der Speisen nahm ab. Johannes bar Kaldun beschreibt in der Vita besonders extreme Beispiele: Der Mönch Jakob speiste nur einmal während dieser Periode471 und Josef Busnāyā selbst wurde nach acht Tagen harter Arbeit ohne Essen von Rabbān Moses gezwungen, sein strenges Fasten zu lockern.472 Während einer Hungersnot ernährte sich Josef täglich nur von drei Stücken des buḵrā.473 Ebenso wurde während der 4 66 V, fol. 145r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 152 (ROC 3, 459). 467 V, fol. 128r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 132 (ROC 3, 309). 468 V, fol. 81v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 83 (ROC 3, 112–113). 469 Das Fasten in der Fastenzeit sollte sich von dem Fasten außerhalb der Fastenzeit unterscheiden. So beschuldigte Elias von Nisibis die Kopten, ihre Mönche äßen während der Fastenzeit Fisch und Milchprodukte. Da sie wie alle Mönche immer auf Fleisch verzichteten, bestehe bei ihnen daher keine Besonderheit in der Fastenzeit mehr, vgl. Elias von Nisibis, Buch vom Beweis, 104–105. 470 So bei Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā vgl. Rücker, Geistliche Übungen, 194; vgl. Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Cinco tratados, 49. Gabriel von Baṣra (Ende des 9. Jh.) erwähnt, dass das Fasten des Moses mit dem Fasten der Adventszeit ausgetauscht wurde, vgl. Gabriel von Baṣra, Rechtssammlung, 280–281. Ob dies auch im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē der Fall war, wird aus der Vita nicht ersichtlich. Zu den Fastenzeiten in der Kirche des Ostens allgemein vgl. Vellian, Fast, 30–34. 471 So verstehe ich zumindest diese sprachlich schwierige Stelle, V, fol. 162v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 170–171 (ROC 3, 478). 472 V, fol. 53r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 56 (ROC 3, 85). 473 Zum buḵrā s. o. S. 108.

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Fastenzeit die Variation der Speisen eingeschränkt. Die Vita des Josef Busnāyā nennt hier keine Regeln, jedoch war es in der ostsyrischen Kirche üblich, die Fastentage vegan zu verbringen und auch keinen Wein zu trinken.474 Nahrungsaufnahme wurde als ein Zeichen von Körperlichkeit und Erdgebundenheit verstanden. Das Vermögen, auf sie zu verzichten, wurde daher als ein Beweis der Nähe des Asketen zur transzendenten Welt verstanden. Daher nimmt gerade dieser Verzicht in der Praxis mittelalterlicher Gottesmänner und -frauen eine so große Bedeutung ein und die extremen Beispiele sind als hagiographischer Topos in diesem Kontext zu sehen. Doch auch wenn die extremsten Beispiele, die in der Vita beschrieben werden, körperlich kaum möglich scheinen, sollte nicht der Ernst, mit der das Fasten betrieben wurde, unterschätzt werden. So kennt Johannes durchaus die Folgen, die ein solch strenges Fasten zeigen: Es wird von Krankheiten berichtet, die die Heiligen während dieser Zeit befielen und die auf solche Praktiken zurückzuführen sind.475

4.2.3.4. Abweichungen Wie bei allen Beschreibungen der asketischen Praxis im Kloster handelt es sich auch hier um ein Ideal, dass keinesfalls von allen  – vermutlich nicht einmal von der Mehrheit – durchgehalten wurde. Selbst für die Asketen und diejenigen, die das Gelübde des Nasiräertums ablegen mussten oder freiwillig abgelegt hatten, gab es immer wieder Ausnahmen. So tranken Moses und Josef zusammen mit dem Zönobiten Šaḥlep̄ Wein und aßen Obst im Advent.476 Dem Mönch Ḥayyā, der das Gelübde des Nasiräertums abgelegt hatte, wurde von Rabbān Moses Fisch serviert477 und Māraṯqen erhielt während einer Krankheit im Winter von seiner sonstigen Diät abweichende Speisen, vielleicht tierische Produkte.478 Auch der eindrücklichste Bruch des asketischen Ideals wird von Māraṯqen berichtet. Eines Tages erlaubte Rabbān Moses seinen Mönchen, sich satt zu essen. Māraṯqen verspeiste in Folge 13 Brotlaibe, was angesichts 4 74 V, fol. 81v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 83 (ROC 3, 112–113). 475 V, fol. 53v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 56–57 (ROC 3, 85–86); V, fol. 107v–108v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 111–112 (ROC 3, 186–187). 476 V, fol. 118r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 122–123 (ROC 3, 299–300). Es gibt Hinweise darauf, dass der Advent in dieser Zeit eine Fastenzeit war, s. o. Anm. 470. 477 V, fol. 128r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 132 (ROC 3, 309). 478 V, fol. 137r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 142 (ROC 3, 319). An anderer Stelle werden die hier verwendeten Begriffe im Zusammenhang von tierischen Fetten genannt. Eventuell sind daher hier nicht vegane Lebensmittel gemeint. Vgl. u. Anm. 820.

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seiner sonstigen asketischen Disziplin zu großem Erstaunen führte.479 All diese Ausnahmen waren an die ausdrückliche Erlaubnis des Abtes bzw. des Meisters gebunden, wie besonders die Anekdote um Ḥayyā zeigte: Ihm war zwar erlaubt worden, bei einem Förderer des Klosters, einem christlichen Schreiber in Balad, alles zu essen, was dieser ihm vorsetzte. Als er sich aber nach dem Treffen aus eigenem Verlangen heraus Käse kaufte und aß, traf ihn wegen dieses Regelbruchs eine göttliche Strafe.480 Auch erhielten die Zönobiten, die arbeiten mussten, zusätzliches Essen und Wein.481 Insgesamt lässt sich wahrnehmen, dass es eine große Variabilität gab, wer wie viel fastete. Es wird betont, dass man Fastengebote mit seinem Meister absprechen musste.482 Es gab viele Abstufungen und Variationen der drei Formen des Fastens, die alle drei Aspekte umfassten.

4.2.4. Die tugendhaften Alten und der Abt Das Ziel des asketischen Lebens war das Erreichen der Stufe der Geisthaftigkeit, auf der man den Glanz der Heiligen Trinität schaute. Hier hatte der Asket die maximale Entfremdung von der hiesigen Welt erreicht und stand auf der höchsten Stufe menschlichen Seins, die ihn sogar mit Christus gleichstellte.483 Für Johannes bar Kaldun galt ein solcher Mönch bereits als Bewohner der jenseitigen Welt. Dort war er immun gegen die Anfechtungen des Teufels. Dem Eremiten war es hingegen nicht vergönnt, beständig auf dieser Stufe zu bleiben, sondern er musste immer wieder in die materielle Welt zurückkehren. Dies war schon allein deswegen nötig, weil sein Körper Nahrung benötigte.484 Solche Eremiten gehörten zu den „tugendhaften Alten“ (sāḇē myattrē), die das höchste Ansehen im Kloster genossen. Sie wurden mit dem Titel Rabbān („unser Meister“) angesprochen. Johannes bar Kaldun erwähnt in der Zeit seines Klostereintritts 150 Eremiten in der Zelle, von denen 30 diese Stufe erreicht haben sollen.485 Diese waren geeignet, als Lehrer und spirituelle Führer im Kloster zu wirken. Sie wurden vom Abt ausgewählt, um die jüngeren Mönche auf ihren

4 79 V, fol. 136r–137v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 141–142 (ROC 3, 318–319). 480 V, fol. 130r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 134 (ROC 3, 311–312). 481 So beim Bau der Mühle an der Ṣap̄ nā (V, fol. 125r–126r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128–130 (ROC 3, 306–307)). 482 V, fol. 187v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 201 (ROC 4, 408). 483 Vgl. u. S. 150. 484 V, fol. 200v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 216 (ROC 5, 126). 485 V, fol. 153v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 160 (ROC 3, 468).

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Weg zu begleiten und zu lehren.486 Johannes bar Kaldun nennt solche Schüler in der Vita zumeist talmīḏā („Schüler“). Zu einigen Schülern unterhielt der Lehrer ein engeres Verhältnis. Diese waren auch Diener ihrer Lehrer, vor allem dann, wenn es sich dabei um greise, von der Askese gezeichnete Männer handelte, die die Hilfe jüngerer Mönche benötigten.487 Für diese Schüler wird der Begriff bēṯāyā (etwa: „Der zum Haus Gehörige“) verwendet. Diese Alten, die von ihrem jeweiligen Schülerkreis aus bēṯāyē umgeben waren, bildeten eine feste Gruppe innerhalb des Klosters. Der Meister beauftragte seine Vertrauten mit besonderen Aufgaben. Der Mönch Isaia beispielsweise nächtigte an der Türschwelle zu Josefs Zelle, um zu verhindern, dass ihn nächtliche Besucher überraschten.488 Johannes selbst, der eine arabische Ausbildung genossen hatte, agierte als Josefs Sekretär und beantwortete für ihn die an ihn adressierten Briefe, die Josef nur an den engen Kreis seiner Schüler weiterreichte.489 Sobald Pilger einen solchen Rabbān im Kloster besuchen wollten, kümmerten sich zunächst seine Schüler um sie.490 Auch Eremiten, die bereits lange Zeit in der Zelle lebten, suchten diese Lehrer auf, um sie um Rat zu bitten. Doch nicht nur auf andere Mönche und Eremiten übten diese Meister eine große Anziehungskraft aus. Aufgrund ihrer Askese wurde ihnen Weisheit und Wundermacht zugetraut, die zahlreiche Pilger in die Klöster, in denen sie lebten und wirkten, lockten. Gläubige, die das Kloster nicht besuchen konnten, schickten Briefe dorthin, in denen sie um Rat und Gebet baten.491 Die tugendhaften Alten standen sowohl für die anderen Mönche als auch für die Pilger im Zentrum des Klosters. Dies stand dem Lebenswandel des Eremiten mit seiner Forderung nach Abgeschiedenheit und Stille entgegen. So betont Johannes bar Kaldun, dass diese genannten Verpflichtungen von den Alten nicht erwünscht waren. Nur widerwillig hätten sie diese Aufgaben erfüllt. Das 4 86 Auf die Form und den Inhalt der geistigen Unterweisung geht Kapitel 5.1 ein. 487 Īšōʿ von Kūmāṯēh lebte z. B. viele Jahre in den Bergen als Einsiedler, bevor er das Kloster des Ap̄ nīmāran betrat, weil er sich nicht mehr um sich selbst kümmern konnte (V, fol. 103v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 108 (ROC 3, 183)). 488 V, fol. 74v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 77 (ROC 3, 104). 489 V, fol. 78v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 80–81 (ROC 3, 109–110). 490 Beispielsweise wurden die Eltern eines toten Jungen zunächst von einem Schüler Josef Busnāyās empfangen. Dieser brachte dann den Leichnam in die Zelle des Heiligen, wo der Junge wiederbelebt wurde (V, fol. 84r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 86–87 (ROC 3, 115–116)). Als der kranke Galōlā zu ihm gebracht wurde, beschwerte sich Josef, dass seine Schüler ihn nicht zuerst in das bēṯ sahdē gebracht hatten (V, fol. 58r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 61–62 (ROC 3, 90–91)). 491 V, fol. 44r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 47 (ROC 2, 405).

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Das monastische Leben

gesamte fünfte Kapitel der Vita behandelt nichts Anderes als Erzählungen darüber, wie Josef Busnāyā gegen seinen Willen die Aufgabe der Seelsorge gegenüber seinen Mitbrüdern übernahm und aufgrund seines wachsenden Renommees gezwungen war, einen Schülerkreis zu unterhalten und sich um zahlreiche Pilger zu kümmern. Dabei handelt es sich um eine Form des Bescheidenheitstopos, den der Autor der Vita in diesem Fall nicht auf sich selbst, sondern auf den Protagonisten seines Werkes anwendet. Johannes bar Kaldun betont den Widerwillen seines Protagonisten deswegen, weil die gesamte Situation für ihn paradox und erklärungsbedürftig war: Der perfekte Eremit fand seine Erfüllung in der Abgeschiedenheit und der Ruhe. Das Verlangen danach, sich um Schüler und Pilger zu kümmern, wird von ihm als Stolz verstanden. Wer dieses Verlangen habe, sei vom Teufel in den Fehlschluss geführt worden, er habe bereits die höchste Stufe des monastischen Daseins erreicht.492 Solche Aufgaben zu erstreben, disqualifiziere demnach geradezu, diese auch ausführen zu können. Diese Argumentation soll gewährleisten, dass die Askese und die Stille in der Zelle im Vordergrund stehen und diese notwendigen, aber nicht primären Aufgaben im Kloster keinen falschen Ehrgeiz hervorrufen. Johannes bar Kaldun beschreibt auch den Abt als einen solchen tugendhaften Alten. Auch in anderen Quellen der Kirche des Ostens wird den Eremiten immer auch eine Führungskompetenz für die Klöster zugeschrieben.493 Doch diese Beschreibungen sind oft allgemein gefasst und tragen Züge hagiographischer Topoi. In der Vita wird deutlich, dass die besonderen Fähigkeiten der Äbte entgegen der allgemeinen Beschreibungen nicht in ihrem Eremitentum und der Askese lagen. In der Vita werden nur drei Äbte namentlich erwähnt: Bar Yaldā, Rabbān Moses und Gabriel Busnāyā, der jüngste Bruder von Josef Busnāyā. Gabriels Abbatiat wird von Johannes bar Kaldun zeitlich zwischen das des Bar Yaldā und das des Moses gestellt, die Einordnung seines Abbatiats in die relative Chronologie der Vita ist jedoch schwierig, worauf weiter unten noch eingegangen wird. Anders als die beiden Äbte, zu denen es zahlreiche Anekdoten und Wunderberichte gibt, bleibt Gabriels Gestalt jedoch unbestimmt und skizzenhaft. Seine Person spielt nur in zwei Kontexten eine Rolle:  Zunächst eilte er seinem Bruder Josef voraus, als dieser ins Kloster gehen wollte, um ebenfalls Mönch im Kloster des Rabbān Hormizd zu werden. Während ihre Mutter durch Flehen Josef davon überzeugen konnte, wieder mit ihr in das Dorf

4 92 V, fol. 185r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 198 (ROC 4, 405). 493 Villagomez, Fields, 76–77, 119, 183.

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zurückzukehren, blieb Gabriel im Kloster und wurde dort Mönch.494 Gabriel taucht ein zweites Mal in der Geschichte der Übersiedlung Josef Busnāyās in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē auf:  Es wird berichtet, dass Gabriel in dieses Kloster gewechselt sei, wo er lange Zeit als Abt gewirkt habe. Als er schließlich erkrankte, wurde nach Josef Busnāyā geschickt, der noch im Kloster des Rabbān Hormizd lebte und sofort in das andere Kloster reiste, seinen Bruder allerdings nicht mehr lebendig antraf. Moses und die Alten des Klosters überredeten Josef Busnāyā, in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zu wechseln und versprachen ihm die ehemalige Zelle seines Bruders mit dessen Mobiliar.495 Er taucht also nur zu Beginn und zum Ende seines monastischen Lebens als eine Art Wegbereiter seines Bruders auf. Es ist daher unwahrscheinlich, dass er tatsächlich Abt des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē war. Auch aufgrund der inneren Chronologie hätte er sehr jung Abt werden müssen und wäre zudem sehr früh gestorben.496 Hinzu kommt, dass die Erzählungen über Bar Yaldā und Rabbān Moses implizieren, dass ihre Abbatiate direkt aufeinander folgten.497 Seine Rolle in der Geschichte des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē ist daher schwierig zu bestimmen. Die zwei anderen Äbte, Bar Yaldā und Rabbān Moses, werden ausführlicher behandelt. Während Bar Yaldā vor allem als zweiter Gründer von Bēṯ Ṣayyārē und als Lehrer von Rabbān Moses thematisiert wird, ist Moses neben Josef Busnāyā der zweite Protagonist der Vita. Sein Unterkapitel im siebten Kapitel ist das umfangreichste der Kurzviten und enthält zahlreiche Anekdoten und Wunderberichte. Johannes bar Kaldun erwähnt auch eine eigene Vita des Rabbān Moses, die 80 Kapitel umfasst haben soll, uns heute allerdings nicht

4 94 V, fol. 36v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 39 (ROC 2, 394). 495 V, fol. 17v–18r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 17–18 (ROC 2, 375). 496 Hierbei wird davon ausgegangen, dass Josef Busnāyā tatsächlich 110 Jahre geworden ist. Für den wahrscheinlicheren Fall, dass Josef Busnāyā nicht so alt geworden ist und die Fixdaten der Vita, d. h. das Todesjahr Josef Busnāyās (979) und Rabbān Moses’ (946) korrekt sind, verschärft sich diese Problematik zusätzlich. 497 Dazu gehören die Gegenüberstellung der Größe des Klosters zur Zeit Bar Yaldās und Rabbān Moses’ (V, fol. 151r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157–158 (ROC 3, 465)) und die Tatsache, dass Rabbān Moses Johannes von Dasen nach dem Tod Bar Yaldās tröstete (V, fol. 142r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 148 (ROC 3, 325)). Ebenso impliziert die Vision des Īšōʿ von Menšā, dass Rabbān Moses direkt nach Bar Yaldā Abt wurde: Zu Lebzeiten Bar Yaldās sah er Engel auf dessen Zelle herabsteigen, um diesem zu dienen. Nach dessen Tod sah Īšōʿ Engel in gleicher Weise auf die Zelle des Rabbān Moses herabsteigen. (V, fol. 159r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 167 (ROC 3, 474–475).

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Das monastische Leben

mehr vorliegt.498 Rabbān Moses wird als idealer Abt beschrieben und unter den vielen Titeln, die Johannes ihm beigibt, sticht rabbaytā ḏa-mšīḥā heraus. Dieser Titel weist direkt auf seine Leitungsfunktion im Kloster hin, während die anderen Epitheta seine Heiligkeit und Perfektion als Eremit betonen.499 Dieser Titel stellt ihn einerseits auf eine Stufe mit einem Bischof, denn der griechische Titel topotērētēs Christou „Stellvertreter Christi“ wird mitunter mit rabbaytā ḏa-mšīḥā wiedergegeben.500 Ebenso erinnert er an den Titel rabbaytā ḏ-alāhā in der Peschitta-Version des Titusbriefs (Tit 1, 7), der das griechische oikonomos theou „Haushälter Gottes“ als Beschreibung der Aufgabe eines Bischofs wiedergibt. Andererseits hat der Titel des rabbaytā auch noch eine andere Konnotation: In den Klöstern der abrahamitischen Reform gab es immer das Amt des rabbaytā („Hausmeisters“), das dem des Abtes untergeordnet war. In der Vita des Josef Busnāyā taucht dieser Hausmeister nur selten auf.501 Aus den Regelwerken des Großen Klosters ist bekannt, dass er dem Zönobium vorstand und die anfallenden Aufgaben unter den Zönobiten verteilte. Er musste sich auch um das leibliche Wohl der Mönche kümmern. Er spielte daher eine wichtige Rolle für das wirtschaftliche Wohlergehen des Klosters.502 Der Titel Hausmeister Christi, den Johannes für Rabbān Moses gebraucht, impliziert daher nicht nur seine Rolle als Leiter des Klosters, sondern auch seine wirtschaftlichen und organisatorischen Fähigkeiten. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass auch die Anekdoten über Moses oft im Bereich des wirtschaftlichen Wohlergehens des Klosters angesiedelt sind. Ein Beispiel hierfür ist ein Wunder, das ihm zugeschrieben wurde: Anders als das Getreidewunder der Eltern des Josef Busnāyā, die Arme und Fremde während einer Hungersnot sättigten, ohne dass die Menge des Getreides in ihrer Getreidekammer abnahm,503 ermöglicht ein 498 Bei dem Zitat des ʿAḇdmšīḥā von Ḥirtā, das er unter dem Titel Geschichte des Rabbān Moses zitiert, handelt es sich um einen Teil aus der Vita des Josef Busnāyā, vgl. o. Kapitel 2.1.3. 499 V, fol. 114r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 118 (ROC 3, 295). 500 S. Leontios von Neapolis, Mār Yōḥannān Mraḥmānā, 326 (syr.); Leontios von Neapolis, Leben des Iohannes des Barmherzigen, 26 (griech.). Die Kapitelzählung weicht in der syrischen Übersetzung (hier Kapitel 11) vom griechischen Text ab (hier Kapitel 13). 501 Als Vorsteher der Zönobiten taucht er in der Vita nur einmal auf. In der Erzählung schickt er einen Zönobiten in die Stadt, um dort einige Angelegenheiten des Klosters zu erledigen (V, fol. 129r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 133–134 (ROC 3, 310–311). 502 Zur Rolle des Hausmeisters im Großen Kloster, vgl. Tamcke, Sab̲ rīšōʻ, 43–44. 503 V, fol. 14r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 13–15 (ROC 2, 371–373).

Das Leben in der Abgeschiedenheit

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ähnliches Getreidewunder des Moses vor allem eine verstärkte Bautätigkeit im Kloster.504 Gleichzeitig fehlen Anekdoten, die über Moses als Eremiten berichten, fast völlig. Das Amt des Abtes eines Klosters umfasste Aufgaben, die dem Leben in der Stille deutlich entgegenstanden. Der Klostervorsteher kümmerte sich um die Problemfälle des Klosters, wie beispielsweise um den Umgang mit kriminellen Brüdern505 oder problematischem Alkoholkonsum.506 Ebenso musste er in organisatorischen und finanziellen Fragen entscheiden, wie etwa beim Bau507 und Umbau508 von Zellen oder bei der Errichtung neuer Wirtschaftsgebäude.509 Seine Anwesenheit war mitunter bei den gemeinsamen Mahlzeiten der Mönche510 verlangt. Ebenso besuchte er die Eremiten, die außerhalb des Klosters lebten.511 In einem Fall wird berichtet, dass Rabbān Moses in das Kloster von Bēṯ Qōqā bei Arbil reiste, um dort in einem Streitfall zu vermitteln.512 Zu den Tätigkeiten von Rabbān Moses gehörte es auch, gezielt Mönche aus anderen Klöstern anzuwerben, deren Fähigkeiten im eigenen Kloster benötigt wurden. So geht es auf Moses’ Wirken zurück, dass Josef Busnāyā vom Kloster des Rabbān Hormizd nach Bēṯ Ṣayyārē wechselte.513 Gleichzeitig war der Abt als Leiter des Klosters für die Kommunikation und Verhandlungen mit dem nicht immer freundlich gesonnenen Umfeld des Klosters zuständig.514 Die Vita des Josef Busnāyā stellt Rabbān Moses als einen herausragenden Abt dar, der in einer relativ ruhigen Zeit sein Kloster zur Blüte führte. Auch die Erwähnung einer umfangreichen, leider verloren gegangenen Vita deutet auf eine solche Rolle hin. Nach dem Tod des Rabbān Moses wird in der Vita kein Abt mehr erwähnt. Warum dies der Fall ist, muss offenbleiben. Es deutet jedoch darauf hin, dass das Amt des Abtes als Leiter des Klosters aus spiritueller Sicht eine weniger große Bedeutung im Kloster hatte als z. B. die tugendhaften Alten mit

5 04 V, fol. 113v–114r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 117–118 (ROC 3, 295). 505 V, fol. 120v–121r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 124–125 (ROC 3, 301–302). 506 V, fol. 76r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 78–79 (ROC 3, 107–108). 507 V, fol. 113v–114r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 117–118 (ROC 3, 295). 508 V, fol. 126r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 130 (ROC 3, 307). 509 V, fol. 125r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128 (ROC 3, 306). 510 V, fol. 153r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 159–160 (ROC 3, 467–468); V, fol. 136v–137r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 141–142 (ROC 3, 318–19). 511 V, fol. 94v–95r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 97–98 (ROC 3, 173). 512 V, fol. 37r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 39–40 (ROC 2, 397–398). 513 Vgl. u. S. 196. 514 Vgl. u. S 231–232.

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Das monastische Leben

ihrem Schülerkreis. Die besondere Rolle des Abtes Rabbān Moses bezog sich auf seine Person und nur mittelbar auf sein Amt. Josef Busnāyā und sein direktes Umfeld erscheinen im Kloster als eine Gruppe relativ unabhängig von der monastischen Organisation gewesen zu sein. Die tugendhaften Alten standen so im Zentrum des monastischen Lebens, wie es die Vita des Josef Busnāyā beschreibt. Die Aufgabe des Abtes war vor allem eine organisatorische, wie die Darstellung des Rabbān Moses zeigt.

4.3.  Frauen im Kloster Frauen stehen in der Vita, wie in den meisten anderen monastischen Texten der Kirche des Ostens, nicht im Vordergrund. Wenn sie genannt werden, dann als Pilgerinnen, die aus dem einen oder anderen Grund das Kloster besuchten. Gewiss wurde Frauenbesuch in den Klöstern kritisch gesehen: Nach der – allerdings späten – Regel des Timotheos II (1318 bis 1332) war es ihnen verboten, im Kloster zu schlafen und sich in den Mönchszellen aufzuhalten. Wenn sie im Kloster blieben, so sollten sie im Martyrion übernachten.515 In der abrahamitischen Klosterreform sind keine Frauenklöster oder gar gemischte Klöster vorgesehen.516 Man weiß zwar, dass es Frauenklöster in der syrischen Tradition gab, doch diese scheinen nicht im Zusammenhang mit der abrahamitischen Klosterreform zu stehen.517 In der Vita wird nur einmal ein solches Kloster erwähnt, ohne dass auf Details eingegangen wird.518 Die Vita nennt jedoch zwei Frauen, die in einem Kloster der abrahamitischen Klosterreform lebten. Die erste ist Amrūnā, die Mutter des Josef Busnāyā. Nachdem ihre Tochter gestorben war und ihre vier Söhne Mönche im Kloster des Rabbān Hormizd geworden waren, tat es ihnen die Witwe gleich: Sie zog sich in eine Zelle (kurḥā) in das Kloster des Rabbān Hormizd zurück und „ihre Söhne dienten ihr“.519 Aus dem Kloster von Bēṯ Ṣayyārē wird vom Mönch Petrus berichtet,

5 15 Timotheos II, Canons, 207. 516 In den Klosterregeln der abrahamitischen Klosterreform werden keine Nonnen genannt. Darin könnte der Grund liegen, warum Frauenklöster immer dayrā und nie ʿumrā genannt werden. Zur Unterscheidung dieser beiden möglichen Klosterformen vgl. o. Kapitel 3.2.1. 517 Vgl. Fiey, Cénobitisme féminin; Jullien, Monachisme féminin. Es sind Fragmente einer Regel für Frauenklöster aus der syrisch-orthodoxen Tradition erhalten, vgl. Rules for the Nuns. 518 V, fol. 132r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 136 (ROC 3, 313). 519 V, fol. 34v–35r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 36 (ROC 2, 394).

Die Mobilität der Mönche

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der unter einer schweren Krankheit litt. Daher lebte seine Mutter mit ihm im Kloster und kümmerte sich um ihren Sohn. Im ersten Fall weist Johannes bar Kaldun ausdrücklich darauf hin, dass die Mutter auf Befehl des Abtes und mit der Erlaubnis der anderen Mönche im Kloster leben durfte.520 In beiden Fällen scheint es sich um ungewöhnliche Situationen gehandelt zu haben, in denen die Anwesenheit der Frauen eine besondere Rechtfertigung erhielt.

4.4. Die Mobilität der Mönche In den Regelwerken der abrahamitischen Klosterreform, d.  h. in den Regeln von Abraham von Kaškar, Dāḏīšōʿ und Bāḇay dem Großen, wird der Grundsatz der stabilitas loci reglementiert, denn das Reisen von Mönchen barg besondere Risiken. Sie sind außerhalb der schützenden Klostermauern nicht nur den physischen Gefahren der Welt in Form von Räubern und wilden Tieren ausgesetzt, sondern auch der Gefahr der Verstrickung in die weltlichen Belange und ihren Verführungen. So betonte bereits Abraham von Kaškar in seinen Regeln, dass Brüder nicht in andere Klöster und in die umliegenden Dörfer gehen sollten. Ebenso war der Zutritt zur Stadt521 nur in Notfällen und mit Erlaubnis des Abtes erlaubt522 und selbst im Fall einer schweren Erkrankung sollten sie nicht in den Häusern der Laien einkehren, sondern im Xenodochion bleiben.523 Auch unter seinem Nachfolger Dāḏīšōʿ werden diese Regeln beibehalten.524 In den Regeln des Bāḇay werden die Ausführungen detaillierter. So sollte der Mönch nicht bei Laien wohnen (Regel 9) und nicht länger als drei Tage außerhalb des Klosters bleiben (Regel 10). Auch war es ihm nicht erlaubt, seine Familie zu besuchen (Regel 11). Nur im äußersten Notfall durfte ein Mönch das Kloster verlassen und selbst dann Dörfer und Städte nicht betreten (Regel 12).525 Trotz dieser Versuche, die Mobilität der Mönche einzuschränken, sind die Klöster der Kirche des Ostens nie starke Anhänger des Gelübdes der stabilitas loci gewesen, auch wenn, wie bereits oben gezeigt, das Verharren in der Zelle als Ideal galt. Während die syrisch-orthodoxen Styliten dieses Ideal im eigentlichen Sinne des

5 20 V, fol. 218v–219r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 238–239 (ROC 5, 187–188). 521 Im Falle des Großen Kloster vom Berg Izlā ist damit die Stadt Nisibis gemeint. 522 Regel 6 in Abraham von Kaškar, Rules, 160. 523 Regel 11 in Abraham von Kaškar, Rules, 162. Dieses Szenario betrifft die Stadt Nisibis. Ende des 6. Jh. zu Lebzeiten Abrahams existierte dort noch die Schule von Nisibis mit ihrem Xenodochion. 524 Regeln 5 und 6 in Dāḏīšōʿ, Rules, 169. 525 Bāḇay der Große, Rules, 179–181.

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Das monastische Leben

Wortes auf die Spitze trieben,526 scheint es in der Vita des Josef Busnāyā nicht zu den wichtigsten Merkmalen eines heiligen Lebens zu gehören. Im Gegenteil – die Vita des Josef Busnāyā dokumentiert zumindest was die nähere Umgebung betrifft eine große Reisefreudigkeit der Mönche. Reisen, die klösterliche Aufgaben betrafen, mussten dabei nicht begründet werden. Diese erledigten die Zönobiten im Auftrag des Hausmeisters oder des Abtes. Hierzu gehörten auch Reisen zu Förderern, die das Kloster unterstützen, aber nicht selbst in das Kloster reisten. Im Auftrag des Klosters kehrten die Mönche dabei auch in den Häusern der Mäzene ein und erhielten dort auch Speis und Trank, wofür sie mitunter von ihren asketischen Verpflichtungen dispensiert wurden. Ob sie dort auch nächtigten, ist ungewiss. Die Vita berichtet von einem Mönch, der während eines Aufenthaltes in Balad im dortigen Nonnenkloster übernachtete.527 Ein weiterer Mönch begleitete eine Karawane, die die Produkte des Klosters nach Mosul brachte.528 Das Gleiche galt für eine Reise, um während einer Hungersnot Getreide zu kaufen.529 In der Vita wird aber auch oft beschrieben, dass Mönche das eigene Kloster verließen, um andere Klöster oder Eremiten zu besuchen. In der Tat ist dies sowohl unter den Zönobiten als auch unter den Eremiten so weit verbreitet, dass es bei Johannes bar Kaldun überhaupt keine Rechtfertigung erfährt. Oft geschah dies auf Geheiß des Abtes. Nach dem Tod seines Meisters im Kloster des Rabbān Hormizd wurde Josef Busnāyā zu einem Schüler von Īšōʿ von Kūmāṯēh geschickt, der im Kloster des Ap̄ nīmāran lebte. Dieser wiederum verlangte zunächst von ihm, im Obere Kloster in Mosul530 zu studieren und sich anschließend zu einem weiteren Lehrer namens Šuḇḥālīšōʿ in das Kloster des Mār Īšōʿyaḇ zu begeben, um dort mehr über das Eremitentum zu lernen.531 Rabbān Moses wurde von Mönchen aus dem Kloster des Rabbān Hormizd, die bei ihm Schüler waren, besucht.532 Mönche aus dem Kloster von Bēṯ Qōqā besuchten ihn, ohne dass ein Grund dafür angegeben wurde.533 Auch Mönche,

526 Bei al-Ǧāḥiẓ werden zumindest die Styliten als syrisch-orthodoxes Phänomen und die Eremiten als Phänomen der Kirche des Ostens wahrgenommen, vgl. Ǧāḥiẓ, Polémique christiano-musulmane, 138. 527 V, fol. 132r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 136 (ROC 3, 313). 528 V, fol. 124r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128 (ROC 3, 305). 529 V, fol. 94r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 97 (ROC 3, 172). 530 V, fol. 26v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 27 (ROC 2, 385). 531 V, fol. 32v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 34 (ROC 2, 392). 532 V, fol. 127v–128v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 131–132 (ROC 3, 308–309). 533 V, fol. 125r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128–130 (ROC 3, 306–307).

Die Mobilität der Mönche

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die in der Wildnis lebten, waren häufig Ziel monastischer Pilgerreisen. So besuchte ein Mönch namens Israel den Eremiten Benjamin, der in den Bergen von Margā lebte, um von ihm Rat zu erhalten.534 Der Eremit Rabbān Ap̄ nīmāran, der auf einem Berg südlich des Klosters von Rabbān Hormizd lebte, hatte um sich eine ganze Schar Mönche aus dem Kloster des Rabbān Hormizd versammelt.535 Auch ganz normale Besuche von Freunden oder Gefährten scheinen üblich gewesen zu sein. So verwunderte es Josef Busnāyā nicht, als eines Tages, als er noch im Kloster des Rabbān Hormizd lebte, ein junger Zönobit aus Bēṯ Ṣayyārē vor seiner Tür stand, der ihm Botschaft von Rabbān Moses bringen sollte.536 Der Gründer des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē, Bar Yaldā, besuchte angeblich Rabbān Īšōʿ von Kūmāṯēh in seiner Zelle.537 Schließlich verließ auch der Abt das Kloster. So schreibt Johannes bar Kaldun, dass der Abt des Klosters des Rabbān Hormizd für gewöhnlich die Eremiten, die in den Bergen und der Wildnis um das eigene Kloster lebten, besuchte538 und dass Rabbān Moses in das ferne Kloster von Bēṯ Qōqā reiste, um dort einen Streit zu schlichten.539 Andere Mönche scheinen zeitweise das Kloster verlassen zu haben, um ihre asketischen Übungen und ihr Gebet abseits des Klosters in der Wildnis der Berge ausüben zu können.540 Diese Formen monastischer Mobilität werden mit einer Selbstverständlichkeit vorgetragen, dass man davon ausgehen muss, dass Johannes bar Kaldun in diesen Formen keine problematische Entwicklung sah. Er sah lediglich die Gefahr, in der Welt außerhalb des Klosters weltlichen Verführungen zu erliegen. In der Vita gibt es nur eine Form von monastischer Mobilität, die Johannes bar Kaldun versucht, zu rechtfertigen, bzw. deren Umstände er versucht klarzustellen. Dies betrifft das Verlangen einiger Mönche, das Kloster dauerhaft zu verlassen. Damit ist nicht die Rückkehr in das weltliche Dasein gemeint – eine solche wird nur einmal für einen diebischen Mönch erwähnt.541 Vielmehr beschreibt Johannes bar Kaldun einige Mönche, die ihr Kloster verließen, um entweder in ein anderes zu wechseln oder für einen längeren Zeitraum in der Wildnis zu leben. Auch die Kurzviten im siebten Kapitel erwähnen, dass viele 5 34 V, fol. 43r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 46 (ROC 2, 404). 535 V, fol. 126v–r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 130 (ROC 3, 307). 536 V, fol. 37v–38r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 40–41 (ROC 2, 398–399). 537 V, fol. 106r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 109–110 (ROC 3, 185). 538 V, fol. 94v–95r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 97–98 (ROC 3, 173). 539 V, fol. 37r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 39–40 (ROC 2, 397–398). 540 V, fol. 20v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 19–20 (ROC 2, 377–378). 541 V, fol. 120v–121r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 124–125 (ROC 3, 301–302).

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Das monastische Leben

der Asketen eine Zeit lang in der Wildnis lebten. So wird von einem Lehrer von Josef Busnāyā gesagt, dass er nach einiger Zeit im Kloster des Rabbān Hormizd in die umliegenden Berge als Eremit ging. Erst als er alt und gebrechlich war und sich nicht mehr selbst versorgen konnte, stieg er in das Kloster des Ap̄ nīmāran herab, um dort zu leben.542 Inwieweit diese Vorhaben die Erlaubnis eines Abtes bedurften, ist nicht ganz klar. Hier scheinen der Status des Mönchs und seine Erfahrung eine Rolle gespielt zu haben. Auch sein Erfolg ermöglichte zumindest eine nachträgliche Legitimation seiner Beweggründe. Der junge Mönch Ḥayyā beispielsweise wurde schwer krank, als er trotz Warnung seines Meisters versuchte, ein Leben in der Wildnis zu beginnen, während bei anderen, dauerhaft in der Wildnis lebenden Mönchen, keine kritischen Stimmen zu hören sind. Dies bedeutet nicht, dass es sie nicht gegeben hätte, es könnte allerdings ein Hinweis darauf sein, dass kein Mönch bei solchen Ambitionen aufgehalten wurde, auch wenn er bei seiner Rückkehr mit Sanktionen rechnen musste. Der eben erwähnte Mönch Ḥayyā wurde jedenfalls, obwohl er bereits das zönobitische Leben hinter sich gelassen hatte, mit den anderen Mönchen zur körperlichen Arbeit auf die Felder geschickt.543 Der Wechsel oder die Neugründung bzw. die Wiedererrichtung eines Klosters ist noch häufiger belegt. Josef selbst verließ das Kloster des Rabbān Hormizd nach 30 Jahren in der Zelle, um in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zu wechseln.544 Gabriel der Küster wechselte nach seinen vier Jahren als Zönobit ebenfalls vom Kloster des Rabbān Hormizd in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē.545 Johannes von Ḥelap̄ tā wiederum war Zönobit im Kloster des Rabbān Hormizd, bevor er Eremit im Gipfelkloster auf dem Berg Maqlūb wurde. Von dort kehrte er viele Jahre später in das Kloster des Rabbān Hormizd zurück.546 Rabbān Šuḇḥālīšōʿ ging nach seiner Zeit im Kloster des Rabbān Hormizd in das Kloster des Mār Īšōʿyaḇ,547 verließ es aber, um im Kloster des Abba Josef bei Balad zu sterben.548 ʿAḇdīšōʿ Dasenāyā verbrachte seine Lehrzeit und seine ersten Jahre als Eremit im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē, bevor er das Kloster von Īnēšk wiedererrichtete.549 Kurz vor seinem Tod wechselte er in das Kloster von Šamraḵ, 5 42 V, fol. 103v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 108 (ROC 3, 183). 543 V, fol. 132v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 136 (ROC 3, 312–313). 544 V, fol. 38v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 41 (ROC 2, 399). 545 V, fol. 144v–145r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 150–151 (ROC 3, 458). 546 V, fol. 93r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 96–97 (ROC 3, 171–72). 547 V, fol. 107r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 110–111 (ROC 3, 186). 548 V, fol. 110r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 113–114 (ROC 3, 189). 549 V, fol. 134r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138 (ROC 3, 315).

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wo er auch starb.550 Schließlich waren auch die Gründer des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē Eremiten, die ihr Kloster verließen, um es zu gründen bzw. neu zu errichten: Abraham verließ das Kloster auf dem Berg Izlā, um das erste Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zu gründen.551 Jahre später errichteten es Mönche aus dem Kloster von Bēṯ Qōqā bei Erbil erneut,552 und nachdem es wieder zerstört worden war, war es Rabbān Moses aus dem Kloster des Baḵtyāzd in Zōzān, der es zusammen mit Bar Yaldā wieder aufbaute.553 Die Mobilität zwischen den Klöstern, sowohl was den zeitweiligen Aufenthalt in anderen Klöstern als auch den dauerhaften Wechsel anging, war enorm. Von einer stabilitas loci kann nicht die Rede sein. Dennoch fühlte Johannes bar Kaldun im Kontext des dauerhaften Wechsels des Klosters einen gewissen Rechtfertigungsdruck. Das gesamte vierte Kapitel beschäftigt sich nur mit dem Wechsel Josef Busnāyās aus dem Kloster des Rabbān Hormizd in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē und seiner Rechtfertigung. Das Vorwort, das Johannes bar Kaldun diesem Kapitel vorausschickt, versucht daher, den Hintergrund dieser Reisen zu erläutern. Hinter dem Willen der Mönche, das Kloster zu verlassen, um einem anderen beizutreten oder ein neues zu gründen, sieht er Gottes Willen – und gegen diesen kann man letzten Endes nicht handeln.554 Jedoch deutet der Bericht Johannes bar Kalduns auch einen anderen Beweggrund für Josef Busnāyās Umzug in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē an. Ihm wird dort die Zelle seines verstorbenen Bruders Gabriel Busnāyā mit dem gesamten Mobiliar angeboten.555 War also ein Erbe der Grund für den Wechsel des Klosters? Dies ist nicht anzunehmen. Zum einen war dies in den Klosterregeln des Bāḇay verboten: Zellen gingen nach dem Tod des Besitzers wieder an das Kloster.556 Zum anderen hatte Josef noch zwei weitere Brüder, die, wenn noch am Leben, dann zu berücksichtigen gewesen wären. Die Zelle wurde ihm von den Alten des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē angeboten, obwohl er keinen Anspruch auf sie hatte. Josefs Bruder war laut Vita bis zu seinem Tod der Abt des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē. Wie bereits gezeigt, war die Zelle eines Abtes von herausragender Bedeutung für das Geschehen im Kloster. Er empfing dort zahlreiche Gäste, besonders die lokalen und überregionalen Eliten. Die Zelle musste daher auch 5 50 V, fol. 136r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 140 (ROC 3, 317). 551 V, fol. 150r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157 (ROC 3, 464). 552 V, fol. 150v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157 (ROC 3, 465). 553 V, fol. 112v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 116 (ROC 3, 293). 554 V, fol. 35v–36r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 38–39 (ROC 2, 396–397). 555 V, fol. 36r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 39 (ROC 2, 397). 556 Vgl. u. S. 194–197.

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Das monastische Leben

repräsentativen Ansprüchen genügen. Auch versammelten sich dort regelmäßig zu den Fest- und Gedenktagen die Asketen zum gemeinsamen Gebet und Essen. Es musste bei der Zelle entsprechend genügend Raum für solche Versammlungen vorhanden gewesen sein. Josef Busnāyā konnte also bei einem Wechsel mit einer luxuriösen Zelle rechnen, die ihm seine Zelle im Kloster des Rabbān Hormizd nicht bot. Für Johannes bar Kaldun konnte dies aber nicht der Grund sein, warum Josef sein Kloster verließ, da es sich hierbei um rein materielle Vorteile handelte. Er betont daher im vierten Kapitel, dass sich Josef Busnāyā erst nach vielmaligen Drängen der Brüder von Bēṯ Ṣayyārē und des Abtes Rabbān Moses bereit erklärte, nach Bēṯ Ṣayyārē zu wechseln. Ein weiteres Beispiel für einen Klosterwechsel gibt Johannes bar Kaldun in der Geschichte von ʿAḇdīšōʿ Dasenāyā. Nach dem Tod von Rabbān Moses gibt es ihm gegenüber Anfeindungen aus dem Kloster von Bēṯ Ṣayyārē. Die Vita gibt als Grund an, dass die Beliebtheit seines geistigen Rats bei Zönobiten und auch fortgeschrittenen Mönchen den Neid anderer Mönche weckte.557 Eventuell spielte hier auch eine Rolle, dass Rabbān Moses vor seinem Tod ʿAḇdīšōʿ als denjenigen benannte, der die Entscheidung über seine Nachfolge treffen sollte.558 Die Anfeindungen führten dazu, dass ein Mönch ihm nachts heimlich das Fenster zu seiner Zelle zumauerte.559 Sogar mit Josef Busnāyā scheint es zu Spannungen gekommen zu sein.560 ʿAḇdīšōʿ verließ aufgrund dieser Konflikte das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē und errichtete das verlassene Kloster von Īnēšk erneut. Solche klosterinternen Streitigkeiten als Grund, ein Kloster zu verlassen, finden sich auch an anderen Stellen in der ostsyrischen monastischen Literatur.561

5 57 V, fol. 134r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138 (ROC 3, 315). 558 V, fol. 41r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 44–45 (ROC 2, 402–403). 559 V, fol. 135r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 139–140 (ROC 3, 316–317). 560 V, fol. 139r–140v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 144–146 (ROC 3, 321–323). 561 Z.  B.  findet sich dieses Motiv in der Vita des Mār Michael des Engelgefährten (Karamlīš, Bibliothek der Kirche Mār Addai, Nr. 12, fol. 72r–v); und im Buch der Vorsteher (Thomas von Margā, Book of Governors, I 32–33 (syr.); II 59–60 (engl.) und Thomas von Margā, Book of Governors, I 67–68 (syr.); II 120–121 (engl.)).

5.  Bildung und Wissen im Kloster 5.1.  Erkenntnis und Lehre: Die monastische Unterweisung Erkenntnis (iḏaʿṯā) und Lehre (yulpānā) spielen in der Vita eine besondere Rolle. Dies ist unter anderem der Intention der Vita geschuldet, die sich als Lehrwerk an junge Mönche richtete: Durch das Vorbild der verschiedenen Mönche und die Lehre des Josef Busnāyā sollten diese auf ihrem Weg als Asketen vorankommen. Erkenntnis und Lehre stehen aber auch im Zentrum der anthropologischen Überlegungen des Johannes bar Kaldun, wie er sie zum Beispiel zu Beginn des achten Kapitels ausbreitet.562 Dort führt er aus, dass nur Gott vollkommene und ewige Erkenntnis besitze, die weder Wachstum noch Verringerung kenne. Unter den geschaffenen Wesen unterscheidet Johannes die Menschen von den Tieren auf der einen Seite und den Engeln auf der anderen Seite. Tiere, als rein körperliche Wesen ohne Verstand und Seele, müssten ihre Erkenntnis nicht erlernen, weil sie vom Schöpfer in ihre Natur gelegt worden sei. So wisse der Hund, dass er wachsam sein und bellen solle und der Hahn, wann er krähen müsse. Beide müssten dies nicht erlernen. Die rein geistigen Wesen ohne Körper und Sinne, die Engel, haben zwar vollkommene Erkenntnis (iḏaʿṯā mšamlaytā), die aber nicht vollständig (gmīrtā) sei. Sie erlernten jeden Tag neue Dinge und ihre Erkenntnis nehme jeden Tag zu. Die vollständige Erkenntnis würden sie so in der Zeit nicht erreichen, sondern erst an deren Ende, in der Ewigkeit.563 Eine besondere Situation trifft nun nach Johannes auf den Menschen zu, der die Vollendung der Schöpfung sei, nämlich sowohl als körperliches als

562 Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf der Einleitung zum achten Kapitel der Vita (V, fol. 164v–168r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 173–177 (ROC 4, 380–384)). 563 Ich vermute, dass hinter der Unterscheidung zwischen vollkommener und vollständiger Erkenntnis die Annahme steht, dass die Engel als reine geistige Wesen ihre Erkenntnis ohne Vermittlung der äußeren Sinne haben, also die Dinge so wissen, wie sie in ihrem Wesen sind (vollkommene Erkenntnis). Dies heißt jedoch nicht, dass sie alles wissen. So wird auch über Josef Busnāyā gesagt, dass er die körperlosen Dinge auf vollkommene Weise auf der Stufe der Seelenhaftigkeit schaut und auf der Ebene der Geisthaftigkeit das vollständige Wissen erhält (V, fol. 40v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 43–44 (ROC 2, 401–402), vgl. auch meine deutsche Übersetzung, u. S. 133.

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Bildung und Wissen im Kloster

auch als geistiges Wesen. Die Erkenntnis sei ihm von Gott in die Natur seiner Seele gelegt worden. Hier zieht Johannes eine Parallele zu den Tieren, deren Erkenntnis ebenfalls in ihrer Natur angelegt wurde. Er führt nun weiter aus, dass, obwohl diese Erkenntnis bereits da sei, sie erst mit der Zeit, zusammen mit dem Körper, Fortschritte mache. Hier ist eine Parallele zu den Engeln zu erkennen, deren Erkenntnis mit der Zeit auch zunimmt. Nach Johannes ist dieser Fortschritt der Erkenntnis im Menschen an Erziehung (durrāšā) und Lehre (yulpānā) durch andere Menschen gebunden. Obwohl also Gott Ursprung aller Erkenntnis sei, könne der Mensch sie sich nur durch andere aneignen. Diese Regel gilt bei Johannes bar Kaldun sowohl für die profanen Handwerke, Künste und Kenntnisse als auch für das Mönchtum. Die Abhängigkeit der Menschen von Lehrern und geistigen Führern ist für Johannes bar Kaldun eine anthropologische Konstante, die verhindern soll, dass die Menschen übermütig werden: Es gefiel Gott nämlich nicht, dass er demjenigen, der ihm seine Seele anvertraute, ein unmittelbarer Führer sei. Obwohl er der Führer aller ist, und in ihm jeder Sieg und Ruhm der Kämpfe liegt und von ihm stammt, unterrichtet und erzieht er dennoch durch andere in dem, was notwendig ist. Dies ist für uns zur Demütigung, Erniedrigung und Freiheit von Stolz und Überheblichkeit.564

Eine solche Vorstellung bewegt sich stark in der Lehrer-Schüler-Beziehung, wie sie auch Josef Ḥazzāyā565, Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā566 und anderen ostsyrischen Mönchen vorschwebt, obwohl meines Wissens diese Abhängigkeit nirgends sonst als anthropologische Konstante begründet wurde. Für das Leben der Mönche ergab sich daraus, dass eine vollkommene Isolierung als Eremiten in der oftmals gewünschten Abgeschiedenheit nicht möglich war. Solange der Mönch die Stufe der Geisthaftigkeit des kontemplativen Daseins noch nicht erreicht hatte, ist demnach ein weiterer Fortschritt in der Erkenntnis nur mit der Hilfe eines Lehrers möglich. Hatte er die Perfektion erreicht, benötigte er keine Lehrer mehr, „sondern er selbst ist sein Lehrer“567. Er ist dann selbst dazu qualifiziert, andere zu unterrichten (wie Josef Busnāyā) oder andere höhere Positionen im Kloster auszuüben, beispielsweise als Abt.568 So erkannte Rabbān Moses Josefs Eignung als Lehrer unter anderem an der Perfektion seiner Erkenntnis: 5 64 V, fol. 167v–168r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 176 (ROC 4, 383–384). 565 S. Ḥazzāyā, Lettre, 316–318 (syr./franz.); Ḥazzāyā, Briefe, 102 (deutsch). 566 Vgl. Rücker, Geistliche Übungen, 191. 567 V., fol. 199v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 215 (ROC 5, 125). 568 Beachte die Beschreibung Rabbān Moses als Abt des Klosters, besonders auch als „Haushälter“ (rabbaytā) (V, fol. 114r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 118 (ROC 3, 295)). Zu der Leitungskompetenz, die man Asketen auch unter ökonomischen

Erkenntnis und Lehre: Die monastische Unterweisung

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[…] weil er seit einiger Zeit in der Erkenntnis vollkommen war; weil er erleuchtet war; weil das Auge seines Geistes klar war; weil er ein Experte in den Kämpfen der Dämonen und in ihren Hinterhalten und in den Bewegungen der Gedanken, seien sie gut oder böse, war. Er kannte aus eigener Erfahrung alle Variationen, die in dem Weg der Abgeschiedenheit gelegt sind. Er war instruiert in den Ein- und Ausgängen aller Stufen [des monastischen Daseins]. Er sah mit dem Auge seiner Seele die Geheimnisse, die verborgen sind in der Kontemplation der Körper. Von dieser [Kontemplation der Körper] wurde er erhoben zur der [Kontemplation der Dinge] ohne Körper in vollkommener Weise und seine Erkenntnis vervollständigte sich in der Anschauung der Heiligen Trinität. Und sein Verstand war geübt in der [Kontemplation] der Vorsehung und des Urteils.569 Und wegen dieser Dinge und durch diese Dinge war er sehr geeignet für die Leitung der Brüder und für die Führung auf dem Weg des Mönchtums.570

Eine Isolation war daher auch für die perfekten Mönche nicht sinnvoll, da ihre Erkenntnis nicht allein ihrem eigenen Nutzen dienen sollten. So war für Johannes bar Kaldun die Erkenntnis, deren Perfektion alle anstrebten, die Garantie, dass der Mensch in seinem Wesen von anderen abhängig bleibt und sich nicht isolieren kann. Die Lehrer-Schüler-Beziehung band die Mönche selbst auf der Stufe der Geisthaftigkeit zurück an die Gemeinschaft. Dies bedeutete für Johannes bar Kaldun aber auch, dass im Grunde nur derjenige Lehrer werden konnte, der das Leben in der Zurückgezogenheit vorzog und eben nicht Lehrer werden wollte. Aus seiner Sicht durfte die Rekrutierung solcher Lehrer daher nicht auf Freiwilligkeit der Eremiten beruhen. Der Wunsch, Lehrer zu werden, disqualifizierte einen Mönch geradezu für dieses Amt. Auch durfte der Mönch nicht seiner eigenen Einschätzung folgen, wenn es darum ging, den Grad seiner Erkenntnis und mystischen Erfahrung einzuschätzen. So warnte Johannes bar Kaldun die Eremiten davor, sich für perfekt zu halten, denn dies seien Einflüsterungen des Teufels.571 Als Beispiel für eine solche Fehleinschätzung der eigenen Person nennt er den Eremiten David, über den er schreibt, dass der Heilige Geist immer wieder in ihm eingewohnt haben soll, was ihn in ekstatische Zustände gebracht haben soll. Über Josef Busnāyā wird berichtet, dass er ihn dann wieder in den normalen Zustand zurückholte, da er die Gefahr des Stolzes in Davids Ekstasen sah, die sich auch Gesichtspunkten zutraute, vgl. auch Villagomez, Fields, 76–77, 119, 183, vgl. auch o. Kapitel 4.2.4. 569 Die fünf Kontemplationen (Körper, körperlose Dinge, Heilige Trinität, Vorsehung und Gericht) sind ein Konzept aus der evagrischen Mystik, die die Vertreter der ostsyrischen Mystik übernommen haben, s. o. Kapitel 2.5.2.4. 570 V, fol. 40v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 43–44 (ROC 2, 401–402). 571 V, fol. 186r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 199 (ROC 4, 406).

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Bildung und Wissen im Kloster

in dem zweiten Teil der Schilderung bestätigt. Johannes bar Kaldun berichtet, dass nachdem David sich bei einer erneuten Ekstase von Josef fernhielt, um in ihr zu bleiben, ihn dieser Ungehorsam zur Sünde des Stolzes führte. Infolgedessen soll ein Dämon von ihm Besitz ergriffen haben, von dem Josef Busnāyā ihn später wieder befreite. Johannes gegenüber betonte Josef, dass David nichts falsch gemacht hätte und die Besessenheit eine pädagogische Maßnahme Gottes gewesen sei, um ihn vor dem Stolz zu schützen.572 Zu der höchsten Form des monastischen Daseins – so schreibt Johannes bar Kaldun an anderer Stelle – gehöre eben auch die perfekte Demut, die vor Stolz und Übermut schütze.573 Offenbar hatte David diese Demut noch nicht erreicht. Johannes bar Kaldun beschreibt daher ausführlich  – das gesamte fünfte Kapitel der Vita handelt davon – wie Josef Busnāyā als geeigneter Lehrer ausgewählt wurde. Dies geschah zunächst durch den Abt Rabbān Moses, der Josefs Eignung erkannte, und wurde von anderen Mönchen des Klosters bestätigt, die Josef Busnāyā als Ratgeber und geistigen Führer aufsuchten, obwohl dieser die beratende Tätigkeit immer ablehnte. Schließlich beglaubigte sogar eine externe Autorität, der Eremit Benjamin, der in den Bergen der benachbarten Region Marga lebte, dessen Eignung.574 Johannes bar Kaldun berichtet auch von der Briefkorrespondenz zwischen Josef und dem Katholikos-Patriarchen ʿAḇdīšōʿ I. (963 bis 986), der ihn auch auf Anraten der Gelehrten in Bagdad um Rat fragte.575 Sie wies Josef Busnāyā als orthodoxen Gläubigen der Kirche des Ostens aus. Während dieses ganzen Prozesses betonte Johannes den beständigen Widerwillen Josefs, die Rolle des Lehrers zu übernehmen. Die Darstellung seines beständigen Unwillens – eine Zeit lang habe er sich in seiner Zelle sogar taub gestellt, um die Anfragen nicht zu beantworten576 – sollten ein Beweis für seine Demut und Selbstverachtung sein und somit seine Eignung als Lehrer betonen. Der Umfang, den Johannes bar Kaldun diesem Prozess einräumt, zeigt, wie wichtig ihm die Auflösung dieses Konflikts zwischen dem Wunsch des Eremiten, in Zurückgezogenheit zu leben, und der Notwendigkeit der Lehre für die unerfahrenen Mönche und Eremiten war. Johannes bar Kaldun berichtet, dass die Unterweisung zumeist in Einzelsitzungen ablief. Oft wird berichtet, dass die Lehrer in der Nacht aufgesucht

5 72 V, fol. 61r–63v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 64–66 (ROC 3, 93–95). 573 V, fol. 200v–201r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 216 (ROC 5, 126). 574 V, fol. 43r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 46 (ROC 2, 404). 575 V, fol. 44r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 46–47 (ROC 2, 404–405). 576 V, fol. 41r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 44–45 (ROC 2, 402–403).

Erkenntnis und Lehre: Die monastische Unterweisung

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wurden.577 In seltenen Fällen versammelte der Meister mehrere Schüler, um allgemeinere Unterweisungen zu halten.578 Die Unterweisung, so wie sie in der Vita greifbar ist, bestand vor allem aus individuellem Rat, den der Meister als spiritueller Vater dem Schüler gab. Die Grundlage für diese Unterweisung bildete der absolute Gehorsam, den der Schüler seinem Lehrer entgegenbringen sollte. Er sollte seinem Meister alles berichten, was in seinem Geist vorging.579 Auf dieser Grundlage wurde der Schüler dann in seinem Lebenswandel beraten. Neben dieser sehr individuellen Behandlung wurde den jungen Mönchen auch Allgemeines über den monastischen Wandel und die ostsyrische Mystik beigebracht. Diese Unterrichtung erfolgte ebenfalls zumeist im Einzelunterricht. Eine Reihe von Lehrreden des Josef Busnāyā gibt das achte Kapitel wieder. Hier lassen sich zwei Typen unterscheiden: Zum einen richteten sich die Reden an Schüler, die unterschiedliche Stufen des monastischen Wandels erreicht hatten. So gibt es eine Lehrrede, die sich an die Novizen richtet, die neu in das Kloster gekommen waren und nun vor der 50 Tage langen Probezeit standen.580 Eine weitere richtete sich an die Zönobiten, die zunächst drei bis vier Jahre im Zönobium arbeiten mussten, bevor sie sich in die Zelle als Eremiten zurückziehen durften.581 Die längste Lehrrede richtet sich an die Eremiten, die das erste Jahr in der Zelle verbrachten. In ihr ist auch der ausführlich beschriebene Tagesablauf enthalten.582 Weitere Lehrreden für die Eremiten im zweiten und dritten Jahr modifizierten diese grundlegende Rede.583 Des Weiteren werden im achten Kapitel allgemeine kürzere Lehrreden wiedergegeben, die sich zu einzelnen Themen äußern, wie beispielsweise der Ruhe, dem Fasten, dem Nasiräertum, dem Stundengebet, der Nachtwache, der Lektüre, dem Gebet und einer Reihe von christlichen Tugenden. Diese kurzen Reden fassen jeweils den Nutzen eines dieser asketischen Werke bzw. eine dieser Tugenden für den Mönch zusammen. In der Unterweisung der Mönche im Kloster band Johannes die einzelnen Mönche an die Gemeinschaft zurück, sowohl die unerfahrenen als auch die 577 Beispielsweise V, fol. 38v, Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 41 (ROC 2, 399); V, fol. 74v, Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 77 (ROC 3, 106); V, fol. 213r–v, Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 232 (ROC 5, 142). 578 V, fol. 183r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 197 (ROC 4, 404). 579 V, fol. 56r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 59 (ROC 3, 88). 580 V, fol. 167r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 178 (ROC 4, 385). 581 V, fol. 169v–172r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 178–182 (ROC 4, 386–388). 582 V, fol. 173r–179v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 183–191 (ROC 4, 391–399). 583 V, fol. 179v–183v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 192–196 (ROC 4, 399–404).

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Bildung und Wissen im Kloster

erfahrenen. Diese Rückbindung der Schüler an ihre Lehrer und der Lehrer an die Gemeinschaft ist im Kontext der Spannungen zwischen dem Mönchtum und der Amtskirche zu verstehen, die Eremiten oft messalianische Tendenzen unterstellte.584 Indem Johannes die Eremiten in eine kirchliche Institution mit ihrem liturgischen Geschehen einband, versuchte er, auf der einen Seite messalianische Tendenzen im Kloster zu unterbinden und auf der anderen Seite einem möglichen Vorwurf des Messalianismus vonseiten der Amtskirche den Wind aus den Segeln zu nehmen.

5.2.  Monastische Bildung Ohne Unterweisung gibt es also der Überzeugung Johannes bar Kalduns zufolge kein Vorankommen auf dem Weg zur Perfektion im geistigen Leben als Mönch. Das achte Kapitel der Vita, in dem die Lehre des Josef Busnāyā ausgebreitet wird, enthält daher viele Anweisungen zu den praktischen Übungen der Mönche und deren Tagesablauf. Sie umfassen Gebet, Liturgie, Fasten, Bibellektüre und andere Übungen, die die Zeit in der Zelle des Mönchs prägten. Dieser Tagesablauf mit seinen Arbeiten wurde bereits ausführlich betrachtet.585 Im Folgenden sollen die die Grundfähigkeiten und Kenntnisse, die nicht den körperlichen Aspekt, sondern den geistigen Bereich der monastischen Lehre umfassen, beschrieben und analysiert werden.

5.2.1.  Syrischkenntnisse Zu den Grundfähigkeiten, die ein Mönch für das Leben in der Zelle mitbringen musste, gehörte die Fähigkeit, das klassische Syrisch als Sprache der Liturgie, Theologie und Mystik lesen und rezitieren zu können.586 Um die syrischen Gebete, Psalmen und Hymnen auswendig zu lernen, mussten die Mönche zwar nicht lesen können, doch sobald sie begannen, in der Abgeschiedenheit der Zelle zu leben, umfasste ein nicht unerheblicher Teil ihres Tagesablaufs die

584 Zum Inhalt der Vorwürfe des Messalianismus und zur Geschichte der Spannungen zwischen der Kirchenhierarchie und des Mönchtums, vgl. o. Kapitel 2.5.2.3 und 2.5.2.5. 585 S. o. Kapitel 4.2.1. 586 Die Texte der Lektüre wurden laut rezitiert. Erst auf einer höheren Stufe des geistigen Lebens wurden die Texte leise gelesen, vgl. V, fol. 196v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 212 (ROC 5, 122). Zum stillen Lesen bei Isaak von Ninive, vgl. auch Walker, Ascetic Literacy, 317.

Monastische Bildung

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regelmäßige Lektüre des Neuen Testaments und der Väterliteratur.587 Diese Texte wurden auf Syrisch und nicht auf Arabisch oder einer anderen Sprache gelesen,588 obwohl im 10. Jahrhundert in der Kirche des Ostens das Arabische selbst in der kirchlichen Kommunikation das Syrische teilweise ablöste.589 In der Vita jedoch blieb das klassische Syrische die Sprache der Liturgie und der Theologie, während das Arabische eine profane Sprache war.590 Johannes macht vor allem in einer Erzählung deutlich, dass das Arabische als Sprache für religiöse Themen ungeeignet war: Ein Diakon aus Mosul wurde in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē gebracht, weil er von einem Dämon besessen war. Josef Busnāyā konnte diesen Dämon exorzieren, der ihn – wie ausdrücklich betont wird – auf Arabisch verfluchte.591 Zu den Voraussetzungen, das Leben in der Abgeschiedenheit der Zelle führen zu können, gehörte also die Fähigkeit, Syrisch zu lesen. Es stellte sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt sich die Mönche diese Fähigkeit aneigneten. In der Klosterregel des Dāḏīšōʿ (Ende des 6. Jahrhunderts) gehört die Fähigkeit, Syrisch zu lesen und zu schreiben zu den Aufnahmekriterien eines Mönchs.592 Dagegen waren die Fähigkeiten, mit denen die jungen Männer das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē betraten, je nach ihrer bisherigen Biographie sehr unterschiedlich. Möglicherweise hatten die jungen Mönche bereits in ihrer Heimat in einer Dorfschule, die an die Kirche angegliedert war, die Möglichkeit gehabt, eine gewisse kirchliche Grundbildung zu erhalten. Es ist allerdings nicht sicher, inwieweit im 10. Jahrhundert solche Dorfschulen noch existierten.593 Die Vita 5 87 Vgl. o. Kapitel 4.2.1. 588 Es wird zwar nirgends betont, dass die Texte ausschließlich auf Syrisch gelesen wurden, in einer Episode wird jedoch zugrunde gelegt, dass jemand, der einen theologischen Text kopieren wollte, auch die syrische Schrift beherrschen musste, s. V, fol. 107r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 111 (ROC 3, 186). 589 Zum zunehmenden Erstarken der arabischen Sprache in der Kirche des Ostens, vgl. Troupeau, Littérature arabe chrétienne, Graf, Geschichte, II 103–109. Weitere Alltagssprachen des Klosters und seiner Region waren vermutlich kurdische und aramäische Dialekte, die die Vorgänger der modernen dort gesprochenen kurdischen und neoaramäischen Sprachen waren. 590 Ende des 9. Jh. gibt es zwar die erste christlich-arabische Zusammenfassung der Lehre des Isaac von Ninive, aber diese entstand nicht im klösterlichen Kontext, vgl. Ibn aṣ-Ṣalt, Traités religieux; Swanson, Ibn al-Ṣalt. 591 V, fol. 64r–65v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 67–68 (ROC 3, 97–98). Eine ähnliche Geschichte findet man auch bei Thomas von Margā, Book of Governors, I 289–290 (syr.); II 518–519 (engl.). 592 Dāḏīšōʿ, Rules, 170. 593 Zu den ostsyrischen Dorfschulen, vgl. Becker, Fear of God, 163–166.

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Bildung und Wissen im Kloster

selbst bezeugt in der Kindheitserzählung des Josef Busnāyā, dass dessen Eltern in ihrem Heimatdorf östlich von Alqūš mit dem Lehrer der Kirchenschule befreundet waren.594 Die Vita geht zwar nicht auf den dortigen Lehrplan ein, jedoch zeigen Quellen des 9.  Jahrhunderts, dass der Unterricht in den Dorfschulen selten über die Fähigkeit zu lesen und eine basale liturgische Bildung hinausging.595 Johannes berichtet zudem, dass Josefs Vater zusätzlich für seine Kinder einen Privatlehrer engagierte, der diese in der göttlichen Lehre (yulpānā alāhāyā) unterrichten sollte. So wollte er ihnen eine weitergehende Bildung als die ermöglichen, die in einer Dorfschule möglich war.596 Das Zeugnis der Vita ist jedoch auch hier kritisch zu betrachten: Kindheitserzählungen von Heiligen wurden oftmals mit Topoi ausgeschmückt, um deren besondere Gelehrtheit von Kindheit an und die Frömmigkeit der Eltern hervorzuheben.597 Die Vita bezeugt auch, dass andere angehende Mönche keine kirchliche Bildung vor ihrem Leben im Kloster genossen hatten. So bringt Josef Busnāyā seinen Mitbrüdern im Zönobium den Psalter bei, da sie ihn noch nicht beherrschten.598 Johannes bar Kaldun wiederum berichtet von sich selbst, dass er kein Syrisch konnte, als er Mönch wurde. Er hatte allerdings auf Wunsch seiner Eltern eine arabische Ausbildung erhalten.599 Anders als in den Klosterregeln des Dāḏīšōʿ war die Fähigkeit, Syrisch lesen zu können, bei Eintritt in das Kloster gemäß der Erfahrung von Johannes bar Kaldun nicht erforderlich. Da jedoch die Lektüre zu den Grundlagen des Lebens in der Zelle gehörte, musste jeder Mönch wohl bis zum Betreten der Zelle lernen, Syrisch zu lesen. Wie die Mönche im Kloster dies taten, wird leider an keiner Stelle der Vita beschrieben. Nur einmal erwähnt Johannes bar Kaldun einen Lehrer im Kloster,600 allerdings im Zusammenhang mit dem Auswendiglernen von liturgischen Texten.601

5 94 V, fol. 12v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 12 (ROC 2, 370). 595 Vgl. Becker, Fear of God, 163. 596 V, fol. 17r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 17 (ROC 2, 374). 597 So bezeugen Thomas von Margā und Īšōʿdnaḥ von Baṣra viele heilige Eremiten, die in ihrer Jugend solche Einrichtungen besuchten. Zu diesem hagiographischen Topos in der byzantinischen Welt vgl. Pratsch, Topos, 66–68. 598 V, fol. 20v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 20 (ROC 2, 378). 599 V, fol. 80r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 82 (ROC 3, 111). 600 Wenn man von dem ehemaligen Lehrer des Oberen Klosters in Mosul Sargīs und dessen Schüler Šlēmōn absieht, die sich ins Kloster zurückgezogen hatten (V, fol. 24v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 25 (ROC 2, 383)). 601 V, fol. 78r; Bar Kaldun, Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 79–80 (ROC 3, 109).

Monastische Bildung

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Neben der Fähigkeit die Texte lesen und auch rezitieren zu können, kam als weitere Voraussetzung hinzu, das Gelesene auch verstehen zu können. Dies ist nicht selbstverständlich, da liturgische Hymnen und Psalmen zu singen und biblische Texte zu rezitieren auch asketische Übungen waren. In diesem Fall stand nicht das Verständnis des Textes im Vordergrund, sondern ihre spirituelle Bedeutung. So war die Bibellektüre, wie sie in der Vita beschrieben wurde, eine hochgradig ritualisierte Tätigkeit, die mit Gebeten und Proskynesen verbunden war.602 Johannes bar Kaldun verlangte jedoch auch eine geistige Auseinandersetzung mit den Texten, zumal nicht nur die biblischen Bücher auf dem Leseplan standen. Nicht verlangt wurde hingegen die Fähigkeit, syrische Texte zu kopieren oder gar abzufassen – diese war fakultativ.603

5.2.2. Inhalt der Lektüre Wie bereits dargelegt, war die Lektüre des neuen Testaments und der Väterliteratur prominent im idealen Tagesablauf der Mönche vertreten. An dieser Stelle wurde auch auf das Ritual, das die Bibellektüre als spirituelles Geschehen begleiten sollte, eingegangen. Dabei fiel auf, dass Johannes bar Kaldun der nichtbiblischen Lektüre mehr Zeit einräumte als der biblischen:  Am späten Vormittag und frühen Nachmittag sollte sich der Eremit in seiner Zelle der Lektüre der Väter widmen.604 Johannes macht keine Angaben darüber, wer diese Väter genau sind und welche ihrer Werke zu studieren seien. Er betont lediglich, dass jeder Mönch aus den Werken der Väter die Lektüre auswählte, die seinem Rang (aqmā) und seiner Stufe (mšuḥṯā) entsprach.605 Doch welche Texte waren konkret damit gemeint? In der ostsyrischen monastischen Literatur findet man immer wieder den Auftrag, sich mit der Väterliteratur zu beschäftigen. Die Bezeichnung „Vater“ kann sich dabei auf jeden christlichen Schriftsteller beziehen, der sich in der einen oder anderen Art zu monastischen Fragen geäußert hat. Es muss daher in jedem Fall eigens eruiert werden, welche Texte und welche Väter damit gemeint waren.

6 02 Vgl. oben S. 103–104. 603 Im syrischen Sprachgebrauch sind beide Tätigkeiten eng verknüpft und nur schwer zu unterscheiden. Dies führt zuweilen zu Schwierigkeiten bei der Zuordnung, vgl. Walker, Ascetic Literacy, 325. Vgl. zum Phänomen der Lesefähigkeit ohne gleichzeitige Schreibfähigkeit im Mittelalter auch McKitterick, Uses of Literacy, 2–3 und Harris, Ancient Literacy, 5, der von „non-writing readers“ spricht. 604 Vgl. o. Kapitel 4.2.1. 605 V, fol. 172r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 185 (ROC 4, 393).

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Den Grundbestand der monastischen Väterliteratur stellen die Berichte über die ägyptischen Mönchsväter des 4. Jahrhunderts und die Überlieferung ihrer Sprüche dar. Diese Literatur war in der ostsyrischen Kirche vor allem über die beiden Werke Das Paradies der Väter des ʿNānīšōʿ606 und das Asketikon des Abba Jesaja zugänglich. Beide Texte erfreuten sich großer Beliebtheit in der Kirche des Ostens – und dies über den monastischen Raum hinaus.607 Sie enthalten Erzählungen und Sprüche, die dem Mönch praktische Anleitungen für das monastische Leben und Rat bezüglich der Probleme, die während seines Verlaufs entstehen könnten, geben. Auch für die Mönche in der Vita des Josef Busnāyā gehörten diese Texte zur Basis ihrer Lektüre. Johannes bar Kaldun zitiert sie immer wieder, nimmt auf sie Bezug und macht Anspielungen. So bezieht er sich bei der Beschreibung monastischer Praktiken ganz konkret auf bestimmte Sprüche der Mönchsväter Arsenius und Poemen, die aus dem Paradies der Väter stammen.608 Die herausragende Stellung dieser Werke für das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē wird auch dadurch deutlich, dass vom Asketikon des Abba Jesaja berichtet wird, es sei in der Kirche während der Vigil vorgelesen worden.609 606 Zur Zusammensetzung dieser Kompilation und seiner Überlieferungsgeschichte, vgl. o. Kapitel 2.3.4. 607 Dies Bedeutung dieser Schriften ist z. B. in den Anordnungen des Katholikos-Patriarchen Abraham (837–850) zu sehen, die im Rechtsbuch des Gabriel von Baṣra erhalten sind: „Wenn die alten Leute das arbeitsfähige Alter überschritten haben und ungefähr 50 Jahre alt sind, sollen sie im ‚Buch des Paradieses‘, in den Büchern des Abba Isaias (von Skete) und des Mār Ewagrius (Pontikos) und in den übrigen Schriften studieren.“ Gabriel von Baṣra, Rechtssammlung, 304–305. Zwar ist zu bezweifeln, dass dieser Text einen angewandten Gesetzestext darstellt, jedoch verdeutlicht er das Ansehen dieser Bücher in der Kirche des Ostens. Der Sekretär des Katholikos-Patriarchen Abraham war im Übrigen Thomas von Margā, der Verfasser des Buches der Vorsteher, in dem die Entstehungsgeschichte des Paradieses der Väter beschrieben wird. Bereits im 7. Jh. hatte Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā Kommentare zu beiden Werken geschrieben. Der Kommentar zum Paradies der Väter ist in seiner syrischen Textgestalt noch nicht ediert und übersetzt, jüngst ist allerdings die Garshuni-Version ediert und übersetzt worden (Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Paradise). Dāḏīšōʿs Kommentar zu Abba Isaja wurde ediert und übersetzt von Draguet (Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Abba Isaie). 608 Vgl. z. B. zur Praxis der Nachtwache V, fol. 182v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 195 (ROC 4, 402–403) und ʿNānīšōʿ, Book of Paradise, I 620 (engl.); II 458 (syr.); zu den verschiedenen Formen des monastischen Lebens V, fol. 172r–173r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 182–183 (ROC 4, 389–390)) und ʿNānīšōʿ, Book of Paradise, I 883 (engl.); II 667–668 (syr.). Vgl. dazu auch Deseille, Évangile, 291, Anm. 8. 609 Während des mawtḇā, einen Teil der Vigil, der im Sitzen nach den langen Psalmengesängen zuvor gelesen bzw. gesungen wurde, vgl. Taft, Liturgie des heures, 232.

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Der Lektor in der Kirche erlaubte sich einen Scherz mit dem Gebot des Abba Jesaja, nur drei Kelche Wein am Tag zu trinken,610 indem er das syrische Wort tlaṯā („drei“) in den Plural setzt (tlaṯīn = 30). Er verzehnfacht also den zugelassenen Weinkonsum durch ein Wortspiel  – eine Blasphemie, für die der Lektor mit seinem sofortigen Tod bestraft wird.611 Die Bedeutung des Asketikons erreicht so sogar den liturgischen Bereich. Neben diesen Büchern, die die Basis der Väterlektüre bildeten, nennt und zitiert die Vita noch andere Werke. Wahrscheinlich wurden auch diese Texte als Väterliteratur gelesen. Interessant ist, dass die griechischen Väter Basilius der Große, Johannes Chrysostomos, Gregor612 und schließlich Theodor von Mopsuestia als Bischöfe und Mönche genannt werden,613 jedoch nur Theodor zitiert wird.614 Eine viel größere Bedeutung hatten dagegen die ostsyrischen Mystiker, von denen in der Vita Isaak von Ninive und Josef Ḥazzāyā genannt werden. Ihre Texte wurden aber als Literatur für Fortgeschrittene gesehen und nicht als Literatur für Laien oder unerfahrene Mönche.615 So schreibt Johannes bar Kaldun zu dem Werk Über die Vorsehung Gottes (ʿāl mp̄ arnsānūṯā ḏ-alāhā) von Isaak von Ninive: „Es ist nicht nützlich, dass jeder diesen Teil betrachtet, sondern [nur] diejenigen, die mehr oder weniger erfahren sind in den göttlichen Mysterien, die in ihm verborgen sind.“616 Johannes bar Kaldun kopierte diesen Text für seine persönliche Lektüre in der Zelle.617 Am Ende der Vita zitiert Johannes außerdem aus Isaaks Traktat Über die Zeichen der Bewegung der guten und schlechten Gedanken (ʿal yaḏʿē ḏ-mettzīʿānūṯā ḏ-ḥuššāḇē yammīnāyē w-semmālāyē).618 Ein anderer Bruder erzählt, er habe die Werke von Isaak von

610 Logos 5,4 (Isaias von Sketis, Ascéticon syriaque, I [textus] 24 (syr.); I [versio] 17 (griech. u. franz.)); Logos 10, 66 (Isaias, Ascéticon Syriaque, Isaias von Sketis, Ascéticon syriaque, I [textus] 119 (syr.); I [versio] 146 (franz. u. griech.)). 611 V, fol. 99r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 102 (ROC 3, 177–178). 612 Es wird nicht genauer erläutert, ob Gregor von Nyssa oder von Nazianz gemeint ist. 613 V, fol. 22v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 22 (ROC 2, 380). 614 V, fol. 189r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 203 (ROC 4, 410). 615 Ibn as-Salt berichtet Ende 9. Jh./Anfang 10. Jh., dass die Werke Isaaks von Ninive nur erfahrenen Mönchen als Literatur empfohlen wurde, vgl. Ibn aṣ-Ṣalt, Traités religieux, 75–76; Swanson, Ibn al-Ṣalt, 158. 616 V, fol. 79v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 81 (ROC 3, 110). 617 V, fol. 78r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 81–82 (ROC 3, 110–111). 618 „Bezüglich jeder Rührung, die sich im Sinn eines Menschen bezüglich eines Objekts, welches auch immer es sei, erhebt und wenn dieses Objekt zur Existenz und zur Umsetzung gelangt und vollendet wird: Wisse, dass diese Bewegung vom Herrn

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Ninive und Josef Ḥazzāyā gelesen, leider ohne spezifische Werke zu nennen. Beide ostsyrischen Mystiker werden an dieser Stelle sogar als Säule der Kirche und des Mönchtums bezeichnet.619 Josef Ḥazzāyā hat in der Vita des Josef Busnāyā möglicherweise eine größere Bedeutung als Isaak von Ninive, obwohl er nicht wörtlich zitiert wird und von seinen Werken nur eines, das leider nicht mehr erhaltene Paradies der Orientalen,620 genannt wird. Das achte Kapitel enthält nämlich starke inhaltliche Überschneidungen mit dem Brief über die drei Stufen des Josef Ḥazzāyā, sodass man davon ausgehen muss, dass Johannes bar Kaldun diesen Text oder eine Zusammenfassung davon kannte, auch wenn keine literarische Abhängigkeit festzustellen ist. Selbst Regelungen des Tagesablaufes stimmen zwischen diesen beiden fast gänzlich überein, sodass man das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē in die monastische Tradition des Josef Ḥazzāyā stellen kann.621 Während also Isaak von Ninive und Josef Ḥazzāyā als Vorbilder Johannes bar Kalduns gelten können, werden andere ostsyrische Mystiker und Theologen nicht genannt. Die Vita des Josef Busnāyā bezeugt also, dass im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē die monastische Literatur über die ägyptischen Mönchsväter, Theodor von Mopsuestia und die ostsyrischen Mystiker gelesen und vermutlich auch als Väterliteratur verstanden wurden. Ein weiterer Text, den zumindest Johannes bar Kaldun als Väterliteratur verstanden wissen wollte, darf aber nicht vergessen werden: Die Vita des Josef Busnāyā selbst. Johannes bar Kaldun verfasste die Vita als Schrift, die den jungen Mönchen als Lektüre dienen sollte. In der Einleitung seiner Schrift schreibt er explizit, dass er ein Buch schreiben möchte, das dem Paradies der Väter ähneln solle. Den Vorteil seiner eigenen Schrift beschreibt Johannes bar Kaldun darin, dass sein Paradies in einer Zeit entstanden sei, in

stammt. Das, was sich [im Sinn eines Menschen] erhebt und nicht zur Umsetzung gelangt, auch wenn es sich viele Male erhebt, stammt nicht von Gott.“. V, fol. 220r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 241 (ROC 5, 190). 619 Die Betonung, dass diese beiden „Säulen der Kirche“ seien, ist wahrscheinlich der Problematik geschuldet, dass Josef Ḥazzāyā von Timotheos I. als Messalianer verurteilt wurde, und ist eine Reaktion auf die spannungsreiche Geschichte zwischen Mystik und kirchlicher Institution, vgl. o. Kapitel 2.5.2.5. 620 V, fol. 111v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 116 (ROC 3, 293). Das Paradies der Orientalen wird auch im Katalog des ʿAḇdīšōʿ bar Brīḵā genannt, vgl. Assemani, Bibliotheca Orientalis, III.1 102, vgl. auch Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur, 222–223. 621 Josef Ḥazzāyās Wirkungsraum war Qardū, eine Nachbarregion von Bēṯ Nūhaḏrā, vgl. zu seinem Leben Olickal, Three Stages, 9–15.

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der Wunder und Heiligkeit selten und ungewöhnlich seien. Dagegen sei das Paradies der Väter in einer Zeit entstanden, in der es viele Wunder und Heilige gegeben habe.622 Daher glaube er, dass seine Leser von seinem eigenen Paradies deutlich mehr profitieren würden als von denen seiner Vorgänger. Auch das achte Kapitel deutet darauf hin, dass Johannes bar Kaldun die Vita des Josef Busnāyā als Väterlektüre konzipiert hatte: Am Ende desselben entschuldigt er sich für die langen Ausführungen über die Mystik und die Tagesstruktur der Eremiten, die vom ursprünglichen Plan, Josefs Leben und das anderer zeitgenössischer Eremiten zu beschreiben, abweichen. Er sei aber von seinen Mitbrüdern darum gebeten worden, dieses Lehrkapitel zu schreiben, das für seine Leser nützlich sein möge.623 Durch ihren Aufbau und ihren Inhalt bestätigt so die Vita selbst, was durch die zitierte und benutzte Literatur bereits deutlich geworden ist: Die Lektüre der Väter, die im Tagesablauf der Vita so wichtig ist, besteht vor allem aus narrativen Texten zur monastischen Praxis sowie – als Texte für Fortgeschrittene – aus Traktaten zur ostsyrischen Mystik. Bei all dem ist auch interessant, was als Lektüre fehlt:  Theologische Fragen, die gerade in der Auseinandersetzung mit anderen religiösen Gruppen eine Rolle spielten, wie Trinitätstheologie und Christologie, werden gar nicht thematisiert. So befasst sich beispielsweise das einzige Zitat von Theodor von Mopsuestia mit dem Gebet und nicht mit dogmatischen Fragen.624 Zudem fällt auf, dass das Alte Testament nicht zu der Lektüre der einfachen Mönche gehörte, von ihnen also weder gelesen, noch studiert wurde. Es taucht auch nicht auf, wenn von Manuskripten und Büchern gesprochen wird. An diesen Stellen ist nur vom Neuen Testament und mystischen Texten die Rede.625 In einer Episode, welche die Gelehrsamkeit des Josef Busnāyā hervorheben soll, rezitiert dieser aus dem Propheten Jesaja, was Johannes bar Kaldun voll Erstaunen bemerkt. Dies unterstreicht, dass eine systematische Kenntnis des Alten Testaments für einen Mönch nicht normal war.626 Eine Ausnahme hiervon bilden der Psalter, der als liturgisches Liedgut von den Mönchen beherrscht werden musste, und narrative Texte, auf die zuweilen Bezug genommen wird, wie z. B. die Geschichte des Propheten Bileam und seiner Eselin oder der Auszug Israels aus Ägypten. Schließlich wird vor der Beschäftigung mit weltlichen 6 22 V, fol. 8r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 7 (ROC 2, 365). 623 V, fol. 206r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 222 (ROC 5, 132). 624 V, fol. 189r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 203 (ROC 4, 410). 625 Z. B. V, fol. 79r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 81–82 (ROC 3, 110–111); V, fol. 106r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 109 (ROC 3, 184–185). 626 V, fol. 25r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 25–26 (ROC 2, 383–84).

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Themen und philosophischen Werken ausdrücklich gewarnt. Damit sollte sich ein Mönch auf keinen Fall befassen.627 Auch wenn die Lektüre eine so herausragende Bedeutung hatte, so wurde sie doch hauptsächlich als einführendes Material betrachtet. Wie bereits erwähnt, sollte der Eremit mit zunehmendem Fortschritt die Lektüre nicht mehr laut rezitieren, sondern im Stillen verrichten. Auf der nächsten Stufe jedoch hörte der Eremit gänzlich auf zu lesen. Dies wird wiederum in der eben erwähnten Geschichte deutlich, in der Johannes bar Kaldun beschreibt, wie er Josef Busnāyā beim Rezitieren von Passagen aus dem Propheten Jesaja hört. Johannes bar Kaldun ist darüber verwundert und denkt sich diesbezüglich: Ich weiß, dass, wenn sich ein Mönch auf der Stufe der Seelenhaftigkeit befindet und die geistige Lebensführung praktiziert, er nicht mehr in einem Buch lesen kann. Wie kann dieser Alte, der sich doch auf der Stufe der Geisthaftigkeit befindet, diese Sprüche auswendig behalten?628

Johannes vermutet, dass Josef zu diesem Zeitpunkt bereits 40 Jahre auf der Stufe der Seelenhaftigkeit verbracht habe. Josef korrigiert ihn mit dem Hinweis, dass er bereits seit 50 Jahren in keinem Buch mehr gelesen habe.629 Es wird an dieser Stelle keine Erklärung für den Grund dieser Enthaltsamkeit von der Lektüre gegeben, doch es kann hier eine ähnliche Argumentation angenommen werden wie bei der Frage nach der Enthaltsamkeit vom Stundengebet. Johannes bar Kaldun erklärt dort, dass für einen Eremiten auf der Stufe der Seelenhaftigkeit das Sprechen der Worte des Stundengebets nicht mehr nützlich sei. Ja, es schade ihm sogar, weil die Sätze des Stundengebets den Eremiten zu sehr an die materielle Welt erinnerten, einen Ort, an dem er bereits ein Fremder sei.630 So ist es auch zu erklären, dass Johannes Josef folgende Worte zuschreibt: „Ich nun bin ein Erbärmlicher und [schlimmer] als alle Ignoranten. Zuvor und jetzt bin ich leer von aller Lehre und auch von aller Erkenntnis.“631 Josef fühlte sich als Fremder gegenüber der Lehre und Erkenntnis, die an das Diesseits gebunden sind.

6 27 V, fol. 189r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 203 (ROC 4, 410). 628 V, fol. 25r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 25–26 (ROC 2, 283–84). 629 V, fol. 25r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 25–26 (ROC 2, 283–84). 630 V, fol. 196v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 212 (ROC 5, 122). 631 V, fol. 77v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 78–79 (ROC 3, 108–09).

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5.3.  Theologische Bildung Das vorangegangene Kapitel ging ausführlich auf die monastische Lehrtradition im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē ein. Dabei wurden zwei grundlegende Einflüsse auf die Mönche des Klosters deutlich: Zum einen nahmen sie auf die monastische Literatur Bezug, die aus Ägypten zu ihnen gelangte, zum anderen auf die Tradition der ostsyrischen Mystik. Die klassische theologische Lehre, die heute unter dem Begriff „systematische Theologie“ gefasst wird, ist dabei noch nicht zur Sprache gekommen, ebenso wenig wie das Kirchenrecht. Während das monastische Leben und die mystische Theologie in Klöstern wie demjenigen von Bēṯ Ṣayyārē gelernt und eingeübt wurden, wurde die Kirchenlehre von speziellen Lehrern an Schulen unterrichtet. Innerhalb der Kirche des Ostens traten diese theologische Bildung und das klösterliche Leben  – Chialà nennt diese zwei Formen „akademische“ und „monastische Ausbildung“632 – in eine komplexe Beziehung zueinander. Auf der einen Seite wurden sie komplementär verstanden, auf der anderen Seite traten beide in eine deutliche Spannung und sogar in Konkurrenz zueinander. Beide Haltungen werden in verschiedenen Quellen der Kirche des Ostens erkennbar: Auf der einen Seite erwähnt z. B. Īšōʿdnaḥ von Baṣra im 9. Jahrhundert in seinem Buch der Keuschheit den Mönch Yonas von Adiabene. Er wurde von einem Asketen zunächst an die berühmte Schule von Nisibis geschickt, um dort zu lernen, bevor er sich im Großen Kloster auf dem Berg Izlā der Askese widmen sollte.633 Auch von anderen Mönchen berichtet Īšōʿdnaḥ, dass sie Schulen besuchten, bevor sie das monastische Leben begannen, und sogar von solchen, die in ihren Klöstern Schulen gründeten.634 Solche in Klöstern angesiedelten Schulen genossen einen guten Ruf in der Kirche des Ostens, wie es für das Kloster Dayr Qunnā oder das Obere Kloster in Mosul der Fall ist.635 Auf der anderen Seite wurden das Studium und die Kenntnis der theologischen Wissenschaften als Gefahr für die Askese und das Zusammenleben der Mönche gesehen. So warnte Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā in seinem Kommentar zu Abba Jesaja bereits im 7. Jahrhundert junge Mönche vor der Diskussion über die Auslegung biblischer Texte, die nur Unfriede in das Kloster bringen

632 „Formation academique“ und „formation monastique“, Chialà, Mystiques syro-orientaux, 73. 633 Nr. 27 in Īšōʿdnaḥ von Baṣra, Livre de la Chastité, 16–17 (syr.); 15–16 (franz.).. 634 So beispielsweise Mār Georg (Nr. 57 in Īšōʿdnaḥ von Baṣra, Livre de la Chastité, 36 (syr.); 31 (franz.))) und Mār Theodor (Nr. 74 in Īšōʿdnaḥ von Baṣra, Livre de la Chastité, 42–43 (syr.); 36 (franz.)). 635 Zu dem Typus der Klosterschule, vgl. Becker, Fear of God, 160–163.

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würden. Geeigneter für die Gespräche unter Mönchen seien die Sprüche der Väter. Die sogenannte historische Exegese der Väter sei ausschließlich Aufgabe der eskōlāyē (Akademiker).636 Ein weiteres Beispiel für diese Spannung ist im Buch der Vorsteher des Thomas von Margā aus dem 9.  Jahrhundert überliefert: Als Īšōʿyaḇ III. (649 bis 659) im Kloster von Bēṯ ʿĀḇē eine Schule einrichten wollte, wehrten sich die Mönche, da eine Schule im Kloster ihren Vorstellungen des monastischen Lebens widersprechen würde.637 Die Mönche nannten vor allem die lärmenden Schüler als Grund, Adam Becker sieht darin dagegen aber auch einen Angriff auf die Institution der Schule.638 Mit Chialà kann man zwischen diesen beiden Formen religiöser Ausbildung daher sowohl eine ergänzende auf der einen Seite als auch eine angespannte Situation auf der anderen Seite erkennen.639 Je nach Quelle wird eher die Trennung dieser beiden Bereiche betont, wie bei Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā und Thomas von Margā, oder ihre Reziprozität, wie bei Īšōʿdnaḥ von Baṣra. Über die kirchlichen Schulen gibt es für das 10. Jahrhundert so gut wie keine Informationen. Es ist auch kein Lehrplan – beispielsweise des Oberen Klosters, an dem Josef Busnāyā studierte  – aus dem Mittelalter überliefert. Der kurze Abschnitt, der aus den Regeln des Oberen Klosters bei Ibn aṭ-Ṭayyib erhalten geblieben ist, ist diesbezüglich nicht aufschlussreich. Dort werden lediglich die Schriften der Bibel und die liturgischen Gebete genannt, neben denen die Schüler je nach Fortschritt ein kleines, mittleres oder volles Pensum absolvieren mussten.640 Der Vita zufolge erlernte Josef im Oberen Kloster „die ganze Lehre der göttlichen Bücher und aller Ordnungen der Heiligen Kirche […], so dass er in der Lehre alle Lehrer, die es in seiner Zeit gab, übertraf.“641 An anderer Stelle schreibt Johannes bar Kaldun, dass dieser infolge seiner Lehrzeit

636 Dāḏīšōʿ beruft sich hier auch auf die Wüstenväter, die ebenfalls schon vor Diskussionen über die Schriftauslegung warnten, vgl. Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Abba Isaie, [textus] 180–181 (syr.); [versio] 139–140 (franz.). Vgl. zur Interpretation auch Abramowski, Dadisho, 71–73; Becker, Fear of God, 188–190; Chialà, Mystiques syro-orientaux, 74–75. 637 Thomas von Margā, Book of Governors, I 73–76 (syr.), II 131–132, 147–150 (engl.). Vgl. Becker, Fear of God, 169–170. 638 Becker, Fear of God, 170. 639 Chialà, Mystiques syro-orientaux, 74–75. 640 Für eine Edition und englische Übersetzung s. Rules of the Upper Monastery; für eine deutsche Übersetzung der Regeln s. Ibn aṭ-Ṭayyib, Fiqh an-naṣrānīya, II [versio] 171. Was konkret der Inhalt des Pensums ist, wird jedoch nicht erwähnt. 641 V, fol. 27r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 27 (ROC 2, 385).

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in diesem Kloster das Alte und das Neue Testament, alle 33 Bände des Theodor von Mopsuestia642 sowie ein Traktat des Diodor von Tarsus643 auswendig beherrschte. Mehr ist in der Vita nicht zu erfahren. Dabei muss aber beachtet werden, dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass der Autor der Vita selbst eine theologische Ausbildung genossen hätte. Es ist daher anzunehmen, dass er die Ausbildung in der „göttlichen Lehre“ nicht aus eigener Erfahrung kannte und dass er daher Josef Busnāyā die Kenntnisse zuschrieb, die er für die zentralen Inhalte des Lehrbetriebs in Oberen Kloster hielt. Theodor von Mopsuestia und sein Lehrer Diodor von Tarsus sind die zentralen Theologen der Kirche des Ostens, deren Lehre in den anderen christlichen Kirchen verurteilt worden waren. Die Theologie der beiden wurde zu einem der wichtigsten Identifikationspunkte der Kirche des Ostens, weswegen zur Ausbildung ihrer Theologen eine profunde Kenntnis dieser Lehren gehörte. Johannes bar Kaldun schreibt Josef Busnāyā daher die Kenntnisse zu, die seiner Ansicht nach ein Theologe seiner Zeit beherrschen musste. Ein tieferer Einblick in den Lehrplan des Oberen Kloster in Mosul ergibt sich aus dem Werk des Emmanuel bar Šahhārē (gest. 980), der im 10.  Jahrhundert dort als Lehrer tätig war und als repräsentativer Vertreter der ostsyrischen Schultradition seiner Zeit gelten kann.644 In seinem Werk kann man nicht nur eine profunde Kenntnis von Theodor von Mopsuestia erkennen, sondern ebenso vom ostsyrischen Theologen Narsay (gest. 503). Beide entwickelten ihre Theologie auf Grundlage der griechischen Philosophie, deren Kenntnis im 6 42 Für gewöhnlich werden Theodor von Mopsuestia 41 Bände zugeschrieben, vgl. Assemani, Bibliotheca Orientalis, III.1 30–31. 643 Vgl. V, fol. 25v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 25 (ROC 2, 383–384). Das Traktat wird in der Vita „Buch über die Vorsehung“ (penqīṯā ḏa-mp̄ arnsānūṯā) genannt. Diese Schrift ist zwar nicht überliefert, aber bekannt (CPG 3821), vgl. auch Abramowski, Diodore und Brière, Fragments, 274–280. Für das syrische Fragment dieser verlorenen Schrift vgl. Assemani, Bibliotheca Orientalis, III.1 324 und Šlēmōn von Baṣra, Book of the Bee, 140–141, wo der Text in einer lateinischen bzw. in einer englischen Übersetzung vorliegt. Brière, Fragments, 279 zitiert die lateinische Übersetzung von Assemani und gibt zusätzlich eine französische Übersetzung. Die Stelle behandelt die Lehre der Apokatastasis. Ein weiterer Verweis auf diesen Text findet man in dem Buch der Auferstehung von Johannes von Darā. Dieser Text ist noch nicht ediert, vgl. Assemani, Bibliotheca Orientalis, II 537–538. Dieser Text ist inzwischen digitalisiert auf der Webseite der Vatikanischen Bibliothek zugänglich: http:// digi.vatlib.it/view/MSS_Vat.sir.100 /0146, eingesehen am 29.11.2017. 644 van Rompay, Emmanuel. Zur Geschichte der ostsyrischen Schuldtradition vgl. Becker, Fear of God.

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Werk des Emmanuel ebenso deutlich wird. Schließlich kann man ihm noch bescheinigen, dass er sich sehr gut mit der aristotelischen Naturwissenschaft auskannte.645 Dies ist nicht verwunderlich. Die griechische Philosophie, Naturwissenschaft und Medizin waren im syrisch- und arabischsprachigen akademischen Bereich seit Langem feste Bestandteile des Curriculums.646 Sie bildeten die gemeinsame Grundlage, auf der über Religionsgrenzen hinweg diskutiert werden konnte, auch über Glaubensfragen. Eine profunde Kenntnis der griechischen Philosophie war daher ebenso notwendig wie fundierte Kenntnis der Theologie des Theodor von Mopsuestia, um in interreligiösen und -konfessionellen Streitgesprächen bestehen oder um Apologien und Polemiken gegen andere Religionen verfassen zu können.647 Während von Emmanuel bar Šahhārē nur Werke in syrischer Sprache erhalten sind, verdeutlicht die Literatur der syrischen Christen im späten 10. Jahrhundert, dass zunehmend auch das Arabische die Grundlage wissenschaftlicher Literatur wurde und das Syrische als Wissenschaftssprache selbst im christlich-theologischen Fachbereich ablöste. Auch wenn weiterhin Literatur auf Syrisch entstand, so war sie stark von der Rezeption der arabischen Wissenschaftskultur beeinflusst.648 So schrieb der aus der Gegend um Mosul stammende spätere Metropolit von Nisibis Elias (975–1046) sein Werk schon hauptsächlich auf Arabisch oder zweisprachig. Auf ihn geht auch ein syrisch-arabisches Wörterbuch zurück, das Buch des Übersetzers (Kitāb at-Tarǧumān). Die Vita des Josef Busnāyā entsteht genau in diesen Zeiten des Wandels, weswegen nicht genau gesagt werden kann, ob die Ausbildung des Josef Busnāyā bereits Kenntnis des Arabischen voraussetzte. Sein Schüler Johannes bar Kaldun genoss auf jeden Fall eine solche und die Briefe, 6 45 Vgl. hierzu Napel, Influence of Greek Philosophy. 646 Im arabischen Wissenschaftsbetrieb wirkten nicht allein Muslime, sondern auch zahlreiche christliche, jüdische und sabäische Wissenschaftler. Vgl. allgemein das grundlegende Werk von Dimitri Gutas (Gutas, Greek Thought) zur Übersetzungsbewegung der ʿAbbāsidenzeit (8.–10. Jahrhundert); dazu auch zusammenfassend Perkams, Übersetzung philosophischer Texte. Seitdem sind zahlreiche Arbeiten zu diesem Thema entstanden. Auch in der Syrologie hat man sich intensiv mit dem Thema der Aneignung der griechischen Philosophie beschäftigt, s. besonders die ausführliche Bibliographie in Arzhanov, Syriac Philosophie mit der jüngsten Forschungsliteratur. 6 47 Zur Bedeutung der Philosophie in interreligiösen Streitgesprächen vgl. Gutas, Greek Thought, 67–69. 648 Zum zunehmenden Gebrauch des Arabischen in der syrischen Theologie, vgl. Troupeau, Littérature arabe chrétienne; Graf, Geschichte, II 103–109; Teule, Syriac Renaissance.

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die Josef Busnāyā von zahlreichen Ratsuchenden erreichten und die Johannes bar Kaldun für ihn beantwortete, wurden in der Regel auf Arabisch abgefasst.649 Das Kirchenrecht hatte in dieser Zeit aufgrund der rechtlichen Stellung der Christen im Nahen Osten auch eine starke zivilrechtliche Komponente, insbesondere was Ehe- und Erbrecht anging. Für die Bewohner der Klöster waren die Verteidigung des Glaubens der Kirche des Ostens gegenüber anderen Religionen und Konfessionen ebenso wie die Rechtsprechung weltliche Angelegenheiten und Aufgaben des Klerus – und somit kein Betätigungsfeld von Mönchen: Auf der Ebene der mystischen Theologie und des monastischen Lebenswandels spielten daher weder die Fragen um die rechte Lehre noch das Kirchenrecht eine Rolle.650 Dies spiegelt sich auch in der Vita des Josef Busnāyā wider. So war auch im 10. Jahrhundert in der Vita des Josef Busnāyā dieses spannungsreiche Verhältnis zwischen der Institution der Schule mit ihrer Art der Beschäftigung mit Glaubensfragen und der monastischen Einrichtung des Klosters zu spüren. Johannes bar Kaldun erkannte jedoch die Notwendigkeit der Lehre für das kirchliche und monastische Leben, wiewohl er sie als unnötig und als Ablenkung von dem eigentlichen Ziel des monastischen Daseins sah. In der Einleitung zum zweiten Kapitel beschäftigt er sich ausführlich mit dieser Spannung und erörtert die Frage, ob ein Mönch sich auch in der göttlichen Lehre fortbilden sollte. Nicht unähnlich zu Īšōʿdnaḥ von Baṣra unterscheidet Johannes bar Kaldun auch hier zwischen akademischer und monastischer Ausbildung. Beide belegt Johannes mit dem terminus technicus „Übung“ (pulḥānā): Und weil der Mensch aus zweien besteht, wie ich gesagt habe, nämlich aus Körper und Seele, setzte er [d. i. Gott] für ihn zwei Übungen ein: die spirituellen Gesetze und die göttlichen Gebote. Durch sie nun wird der Mann Gottes perfekt und vollendet auf der Stufe unseres Herrn Christus. Die erste der Übungen: Sie hebt den Menschen auf den zweiten Grad der Kirche. Es ist die Arbeit in der göttlichen Lehre aus Liebe zu Christus. Gott nämlich setzte in seiner Kirche zunächst Apostel und Propheten ein, und dann Lehrer – sagt der Heilige Apostel. Die zweite Übung ist nun der Weg des Reklusen und des Zellenbewohners im perfekten Eremitentum. Dieses ist es, was den Menschen über alle Maße erhebt. Und er [der Weg] vermischt ihn mit unserem Herrn Christus. Der Mensch wird Christus. Und für alle opfert er sich selbst als Darbringung für Gott, seinem Vater.651

6 49 V, fol. 80r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 82–83 (ROC 3, 111–112). 650 Vor diesem Hintergrund ist auch zu erklären, warum sich Schriftsteller der ostsyrischen Mystik in anderen Konfessionen großer Beliebtheit erfreuen, allen voran Isaak von Ninive, dessen Werk in viele Sprachen wie äthiopisch und kirchenslawisch übersetzt wurde. Oft wird ihr Werk dabei Theologen anderer Konfessionen zugeordnet. 651 V, fol. 21v–22r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 21–22 (ROC 2, 379–80).

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Diese zwei Übungen, die Johannes auf die doppelte Konstitution des Menschen bezieht (Körper – Geist), entsprechen zwei der drei Wege, die er für den Mönch am Ende seiner Zeit als Zönobit vorsah. Hier wie dort führt er aus, dass beide Wege ihre Berechtigung hatten. Die Lehrer, die wahrscheinlich auch Priester waren,652 konnten sich immerhin auf ein Amt berufen, das von Gott eingesetzt wurde – wie in Bezug auf Paulus gesagt wird (1 Kor 12,28). Ihre Bedeutung für die Kirche stellt Johannes also unzweifelhaft fest. Und doch: Der zweite Weg, der Weg in der Abgeschiedenheit, hebe den Mönch „über alle Maße“ hinaus. Auch im achten Kapitel findet man diese Überzeugung, denn Josef behandelte diejenigen, die sich für den Weg der Lehre entschieden, wie einen „schwachen Körperteil“. Der Mönch in der Zelle hingegen werde dadurch, dass er sich selbst Gott opfere, nicht nur auf eine Stufe mit Christus gehoben, sondern mit diesem „vermischt“ und selbst zu Christus. Die Formulierungen in diesem Abschnitt sowie im achten Kapitel legen nahe, dass sich beide Übungen gegenseitig ausschlossen. Der Mönch musste nach seiner Zeit im Zönobium wählen, ob er studieren oder sein Leben in der Zelle verbringen wollte. So schreibt Johannes bar Kaldun seinem Lehrer folgende Aussage zu: Er warnte die Brüder sehr, welche in die Abgeschiedenheit wollten. Er sagte zu ihnen:  „Dieser Weg der Abgeschiedenheit, meine Kinder, ist keine gemischte Last, so wie es sich nicht gehört, dass jemand seine Erde gemischt mit Weizen und Gerste sät.“ Wenn dann einer zu ihm sagte: „Warum hast du dann in beiden Dingen gearbeitet?“, antwortete er ihm dies: „Nicht allen Menschen gelingt dies. Ich nun bin ein Erbärmlicher und [schlimmer] als alle Ignoranten. Immer schon und jetzt bin ich leer von aller Lehre und auch von aller Erkenntnis.“ 653

Josef Busnāyā verbot seinen Schülern ausdrücklich, Dinge zu lernen, die für das Leben in der Abgeschiedenheit nicht benötigt wurden. Dies beinhaltete nicht nur ein volles Studium der Theologie, sondern selbst die Lektüre mystischer Texte und das Auswendiglernen von Hymnen.654 Im zitierten Text verweist jedoch ein Schüler Josefs genau auf jenen Punkt, an dem sich dieser widersprach:  Er selbst sei doch Schüler in Mosul gewesen. Josefs Ausflucht besteht aus einem Verweis auf seine eigene Sonderstellung. Betrachtet man die 652 So verstehe ich die Formulierung „der zweite Grad der Kirche“. Der erste Weihegrad ist das Diakonat, der zweite das Priesteramt, der dritte das Bischofsamt, so z. B. in Yuyaqim d-Ḇēṯ Yaʿquḇ, Key of Language, 478. 653 V, fol. 77v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 79 (ROC 3, 108). 654 V, fol. 77v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 79 (ROC 3, 108); V, fol. 78r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 79–80 (ROC 3, 109).

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Beschreibung von Josefs Studium im zweiten Kapitel, so fällt auf, dass Johannes die Unfreiwilligkeit dieser doppelten Ausbildung betont: Er erzählt, wie Josef von seinem Lehrer Īšōʿ von Kūmāṯēh nahegelegt wurde, Theologie zu studieren. Josef wehrte sich darauf: „Ich wünsche mir, Herr, in der Abgeschiedenheit zu sitzen. Warum befiehlst du mir, dafür zu lernen? Dies ist ohne Nutzen für das Leben in der Abgeschiedenheit.“655 Īšōʿ von Kūmāṯēh beruhigte ihn, dass sein Studium seinem Leben in der Zelle nicht entgegenstehen würde. Am Ende war Josef gegen seinen eigenen Wunsch gehorsam und studierte die kirchliche Lehre und das Kirchenrecht. Tatsächlich war es nicht nur nutzlos für ihn, der das Eremitendasein anstrebte, zu studieren, es war für die eigentliche Berufung sogar gefährlich: Durch sein Studium wurde Josef von den Gläubigen und den Kirchenführern als hinreichend kompetent angesehen, um als Bischof oder Metropolit eine Gemeinde zu leiten. Dreimal wurde er zum Bischof gewählt und jedes Mal entzog er sich der Wahl: Einmal durch Weigerung, einmal durch Flucht und einmal, indem er drohte, sich umzubringen, denn: „[…] die Gabe, die den Mönchen, die in der Abgeschiedenheit und in ihren Zellen wohnen, wird nicht außerhalb, im Lärmen der Menschen, im Handel, in der Laxheit und den übrigen Angelegenheiten, die mit dem Regierungsgeschäft verbunden sind, gefunden.“656 So beschreibt Johannes bar Kaldun die aus seiner Sicht schwierige Situation der Mönche: Die höchste Form des spirituellen Lebens war das Leben in der Abgeschiedenheit der Zelle. Für dieses Leben war das Studium der Theologie nicht notwendig, wenn nicht sogar hinderlich. Beide Formen schlossen sich gegenseitig aus. Warum also ging Josef Busnāyā diesen Weg auf Befehl seines Lehrers? Warum war auch Josefs Bruder Gabriel „sehr gelehrt und fähig und fest in der Kirche“657 da er doch gleichzeitig das Amt des Abtes ausübte? Johannes bar Kaldun bemüht sich um eine Erklärung im Anschluss an die oben zitierten Ausführungen über die beiden Übungen. Nachdem er hervorgehoben hat, dass das monastische Leben einer Beschäftigung mit der Lehre überlegen ist, erklärt er Folgendes: Aber die Mühe, die in jener ersten Übung der Lehre liegt, ist der Lehrer und der Weg, der zur zweiten führt, der Abgeschiedenheit in der Zelle. Aber es sind nicht alle, sondern nur wenige, die unter den Vätern gefunden werden und in beiden (Übungen) vollendet sind. Ein solcher ist in Gelehrtheit und im Mönchtum vollendet. Und dieser, der

6 55 V, fol. 24r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 24 (ROC 2, 382). 656 V, fol. 27v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 27–28 (ROC 2, 386). 657 V, fol. 34v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 36 (ROC 2, 394).

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in beiden gefunden wird, wird vollendet genannt. Ich sage nicht, dass ein Mensch nicht perfekt im Mönchtum ohne Gelehrsamkeit sein kann, sondern ich sage, dass er dann in beiden perfekt genannt wird.658 Wie aber kann ich es wagen, dies zu sagen? Der größte Teil der Väter war einfach in Kenntnis und ungebildet in der Lehre der Bücher, wie Abba Antonios, Abba Makarios, Abba Paulos und andere, die vollkommen waren in ihrer Einfachheit und all ihrer Geistigkeit, die über alle Lehre, über die Welt und alles, was in ihr ist, hinausgeht. Perfekt nenne ich den, der in diesen beiden vollendet ist, wie die heiligen Väter [perfekt] genannt werden, die darunter sind, wie Mār Evagrius, Abba Markus – der Mönch dem der Engel das Heilige [d. h. die Kommunion] vom Altar gab aufgrund seiner Größe –, und wie die, die aus dem Hause des Mār Gregorius,659 Mār Basilius, Mār Johannes [Chrysostomos] und Mār Interpret [d. i. Theodor von Mopsuestia], der Säulen der Kirche, stammen. [Sie waren] perfekte Lehrer und perfekte Mönche, fleißig und erfolgreich in beidem.660

Es gibt nach Johannes also Menschen, die wie Josef Busnāyā in beiden Übungen eine erfolgreiche Ausbildung genossen haben. Aber es sind nur wenige, die sowohl im Mönchtum als auch in der Beschäftigung mit der Lehre eine herausragende, perfekte Stellung erreichten:  „Dies gelingt nicht allen“,661 wie Josef Busnāyā an anderer Stelle bemerkt. Er gehörte zu diesen wenigen und befindet sich dabei in berühmter Gesellschaft: Es tauchen die Namen großer Theologen auf wie der des Evagrius Ponticus, Schüler des Gregor von Nazianz, ein Mönch und Gelehrter, der mit seinem Werk die Grundlage der ostsyrischen Mystik gelegt hatte. Auch Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa und Basilius der Große waren bedeutende Autoren der monastischen Bewegung. Sie waren außerdem Bischöfe und erlangten Bekanntheit durch ihre Schriften, die sie gegen die Theologie der Pneumatomachen richteten. Johannes Chrysostomos’ Predigten gehören ebenso zum Grundbestand orientalischer Theologie. Theodor von Mopsuestia war zwar auch Mönch, jedoch erlangte er Berühmtheit durch seine Werke der Bibelexegese, weswegen er in der Kirche des Ostens nur „der Interpret“ (mp̄ ašqānā) genannt wird. Aus der Reihe fällt lediglich Abba Markus, von dem eine Geschichte im Text zitiert wird, die in seiner syrischen

658 Chabot übersetzt entsprechend der Handschriftenfamilie Alqūš das Gegenteil: „Je déclare qu’un homme ne peut être parfait dans le monachisme sans la science, et je proclame parfait celui en qui les deux choses sont réunies.“ Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 22 (ROC 2, 380). 659 Hier könnte sowohl Gregor von Nazianz als auch Gregor von Nyssa gemeint sein. 660 V, fol. 21v–22v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 21–23 (ROC 2, 379–81). 661 V, fol. 77v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 79 (ROC 3, 108).

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Gestalt im Paradies der Väter des ʿNānīšōʿ überliefert wird.662 Die Bildung des Abba Markus bestand darin, dass er das gesamte Alte und Neue Testament auswendig kannte. Dieser Abba Markus wird im Kommentar des Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā mit Marcus Eremita663 gleichgesetzt.664 Seine theologischen und mystischen Traktate665 waren in ostsyrischen Kreisen weitverbreitet.666 Diese Theologen haben in der Ansicht Johannes bar Kalduns in beiden Übungen die Perfektion erreicht. Johannes betont jedoch, dass der Großteil der Väter nicht gelehrt gewesen sei, wie die im Zitat genannten Mönchsväter Antonius, Markarius und Paulus. Der Weg dieser perfekten Mönche wird deutlich über den Weg der Lehre herausgehoben. In Einfachheit und Geistigkeit perfekt zu sein, stehe über der Perfektion, die durch die Lehre erworben wird. Letztere wird von Johannes bar Kaldun mit der materiellen Welt und der Leibhaftigkeit des Menschen auf eine Stufe gestellt, die durch den monastischen Weg letzten Endes überwunden werden. Daher erwähnt Johannes auch diejenigen nicht explizit, die die Perfektion nur in der Lehre erreicht haben. Ihr Weg ist nach Johannes für den Eremiten nicht interessant. Ein Beispiel für diese Haltung ist die Beschreibung des Lehrers Sargīs. Dieser saß lange auf dem Lehrstuhl des Oberen Klosters in Mosul und war ein Experte der kirchlichen Lehre. Er wechselte schließlich mit einem seiner Schüler in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē, um dort Eremit zu werden. Ein Rückzug in das Eremitentum war im Oberen Kloster offensichtlich nicht möglich, das monastische Leben scheint sich dort von dem im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē unterschieden zu haben.667 Sargīs und sein Schüler entschieden sich also, sich nach einem Leben für die Lehre und Bildung als Eremiten

662 ʿNānīšōʿ, Book of Paradise, I 300 (engl.); II 242 (syr.); vgl. auch die Historia Lausiaca Kap.18, 25 (Palladius von Helenopolis, Historia Lausiaca, 160–161 (griech./deutsch); bei Draguet Kap. 18, 18 (Palladius von Helenopolis, Formes syriaques, I [textus] 148 (syr.); I [versio] 104 (franz.)). 663 Vgl. Brock, Mark. 664 S. Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Paradise, 165–166. 665 Die syrische Version des Werkes von Marcus Eremita ist noch nicht ediert worden (vgl. Brock, Mark). Der griechische Text seiner Traktakte wurde ediert und in das Französische übersetzt (Markus, Traités). 666 Vgl. Brock, Mark. 667 Man würde hier den syrischen Begriff dayyrāyā erwarten, der für den einfachen Mönch im Kloster steht, beispielsweise in der Erklärung von Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā (Rücker, Geistliche Übungen, 192 (deutsch); Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Cinco tratados, 48 (syr.)). Dieser Begriff taucht in der Vita des Josef Busnāyā jedoch nicht auf.

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zurückzuziehen und erhielten dadurch „Anteil an der Erhabenheit der Heiligen“.668 Hier zeigt Johannes bar Kaldun auch in einem narrativen Rahmen, dass seiner Ansicht nach das Leben als Eremit höherwertiger sei als eine Beschäftigung mit der kirchlichen Lehre. Um den Unterschied dieser beiden Übungen auch systematisch zu verdeutlichen, spricht Johannes in Anlehnung an Mt 25, 14–30 von zehn Talenten, die sich aus jeweils fünf Talenten als Ergebnis der beiden Übungen zusammensetzen. Die Talente stellen dabei das Erreichen der Vervollkommnung der äußeren und inneren Sinne dar. In der Beschäftigung mit der Lehre perfektioniere der „Mann Gottes“ seine äußeren Sinne,669 d.h. sein Verhältnis zur materiellen Welt. Der Weg des Lehrers besteht aus Sicht Johannes bar Kalduns überwiegend aus äußeren Dingen und war eine weltliche Aufgabe.670 Nach dem Verständnis der monastischen Bewegung verlasse jedoch der Mönch die materielle Welt, sobald er das Kloster betreten habe. In der Abgeschiedenheit der Zelle perfektioniere der Mönch seine inneren Sinne,671 die als geistige Sinne über denen der materiellen Welt stünden. Durch die Arbeit an diesen Sinnen in der Zelle kämen auch die äußeren Sinne und damit der Körper zur Ruhe.672 Die inneren und die äußeren Sinne werden miteinander verbunden.673 Die äußeren Sinne würden bei den Eremiten daher nicht so perfekt wie bei denen, die die Lehre meistern, sondern eher transzendiert in ihrer Verbindung mit den inneren Sinnen. Diese Beruhigung der äußeren Sinne ist wohl auch der Grund, warum es Īšōʿ von Kūmāṯēh so wichtig war, dass Josef Busnāyā, nachdem er das Studium in Mosul absolviert hatte, das volle Programm des Stundengebets mit 6 68 V, fol. 25r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 25 (ROC 2, 283). 669 Darunter werden traditionell das Sehen (ḥzāṯā), Hören (šemʿā), Riechen (sawqā), Schmecken (ṭaʿmā) und Fühlen (geššṯā) verstanden, vgl. Smith/Smith, Compendious Syriac Dictionary, 529. 670 Eine ähnliche Vorstellung ist bereits bei Evagrius Ponticus zu finden, der die Metapher vom Schreiben und Lesen für die Kontemplation der körperlichen Dinge gebraucht, d. h. der Form der Kontemplation auf der Stufe der Leibhaftigkeit, vgl. Becker, Fear of God, 132–133. 671 Die fünf inneren Sinne variieren je nach Quelle. Bar Bahlūl nennt z. B. hawnā, maḥšaḇtā, buyyānā, maddʿā und mellṯā, (Bar Bahlūl, Lexicon, II 1873; vgl. Smith/ Smith, Compendious Syriac Dictionary, 529). Diese Begriffe sind z. T. schwierig voneinander abzugrenzen. Die Fünfzahl ist jedoch konstant. Die Nennung solcher Zahlenspiele im mystischen Zusammenhang ist auch bei Josef Ḥazzāyā in dessen Capita Scientiae zu finden, vgl. Ḥazzāyā, Briefe, 24–25. 672 Vgl. auch V, fol. 189v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 203 (ROC 4, 411). 673 Vgl. auch V, fol. 127r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 131 (ROC 3, 308).

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allen Feiertagen vollführte.674 Dieses gehört nämlich neben der Lektüre, den Nachtwachen und den Bußübungen zu den körperlichen Übungen der ersten Stufe des monastischen Daseins. Warum also sollten sich die Mönche mit diesen weltlichen Angelegenheiten beschäftigen, wenn sie doch die Welt hinter sich gelassen hatten? Warum wird in der Vita die Sorgfalt von Josef Busnāyā in der Beschäftigung mit der Lehre und dem Kirchenrecht herausgestellt, wenn es doch für die Perfektion im Mönchtum nicht relevant war? Die Lehre, so schreibt Johannes, sei der „Lehrer und der Weg“,675 die den Eremiten in das Leben in der Zelle führten. Wie sah diese Beschäftigung mit der Lehre als Bedingung für das Leben in der Zelle aus? Johannes bar Kaldun beantwortet diese Fragen nicht. Meines Erachtens ist die nächstliegende Erklärung dafür, dass Johannes bar Kaldun hier ein Zugeständnis an die Kirche macht. Das Misstrauen vonseiten der Institution Kirche gegenüber der ostsyrischen Mystik war, wie oben dargelegt, nach wie vor vorhanden. Die Forderung nach der Beschäftigung mit der Lehre könnte daher als Versicherung aufgefasst werden, dass die Mönche, die in der Zelle lebten, auf ihre Rechtgläubigkeit hin überprüft worden seien. Der Hintergrund derjenigen Mönche, die in beiden Wegen die Perfektion erreicht hatten, könnte darin bestanden haben, ein Garant für die Rechtgläubigkeit des Klosters zu sein:  Sie befanden sich schließlich auf derselben Stufe wie die großen Theologen Basilius, Gregor, Johannes und Theodor. Darüber hinaus verbanden sie in ihrer Bildung auch beide Wege und standen so zumindest nach der Überzeugung Johannes bar Kalduns über denjenigen, die nur in der Lehre und im Kirchenrecht eine Ausbildung hatten. So sei Josef Busnāyā durch seine doppelte Ausbildung den Gelehrten im fernen Bagdad überlegen gewesen, die den Katholikos-Patriarchen aufforderten, ihn in Briefen um Rat zu fragen.676 Auch der Katholikos-Patriarch der Kirche des Ostens, ʿAḇdīšōʿ I., hatte wie Josef Busnāyā eine Ausbildung im Oberen Kloster erhalten. Dennoch ordnete Johannes bar Kaldun ihn in der Vita der doppelten Kompetenz Josef Busnāyās unter: Bereits als Bischof von Bēṯ Nūhaḏrā habe ʿAḇdīšōʿ Josef um Rat gefragt, als dieser mit dem Gedanken spielte, von seinem Amt als Bischof zurückzutreten,677 und auch nach seiner Wahl zum Katholikos-Patriarchen blieb er im ständigen brieflichen Kontakt mit Josef.678 6 74 V, fol. 32r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 33 (ROC 2, 391). 675 V, fol. 21v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 21 (ROC 2, 379). 676 V, fol. 43r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 46 (ROC 2, 404). 677 V, fol. 52r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 55–56 (ROC 3, 84–85). 678 V, fol. 43r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 46 (ROC 2, 404).

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Doch nicht nur innerhalb der Kirche des Ostens, auch außerhalb der Kirche in der multireligiösen Umwelt mussten sich die Mönche gegen Anfeindungen wehren. Es sind in der Vita zwar keine konfessionellen und nur wenige religiöse Spannungen spürbar, wohl aber berichtet Johannes bar Kaldun von interkonfessionellen und -religiösen Begegnungen.679 Die von ihm erwähnten Anhänger anderer Konfessionen und Religionen werden jedoch nur als Pilger erwähnt, die an der Wundermächtigkeit der Mönche teilhaben wollten. Von einer konfessionellen oder religiösen Auseinandersetzung berichtet er hingegen nur in einem einzigen Fall, als ein Lehrer (mallp̄ ānā) der Muslime (ṭayyāyē) das Kloster betritt, um mit dem Abt Rabbān Moses zu diskutieren.680 In Anbetracht des multireligiösen Charakters des Ortes ist es nicht überraschend, dass ein Muslim aus der religiösen Elite den Abt herausforderte, eine theologische Diskussion zu führen.681 Das Kloster musste so von den muslimischen Eliten als Konkurrent wahrgenommen worden sein. Diese Geschichte zeigt, dass im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē ein gewisser Rechtfertigungsdruck vonseiten der nicht christlichen Umwelt herrschte. Die Aufgabe der Verteidigung des Glaubens durch Argumente gehörte aber zu den Aufgaben der Theologen und nicht der Mönche. Die ostsyrischen Klöster waren daher von den Experten der Lehre abhängig, wenn es darum ging, ihre Positionen und ihr Kloster gegen Anfechtungen von außen zu verteidigen. Auch hierin dürfte der Nutzen der Experten beider Wege gelegen haben.682 Die Laufbahn in der Kirchenhierarchie, deren Grundlage das Studium der Lehre und des Kirchenrechts bildete, war also aus Sicht der Mönche dem zurückgezogenen Leben in der Zelle untergeordnet. Dennoch erfüllte die doppelte Ausbildung in der Lehre und im monastischen Leben einen wichtigen Zweck:  Es gab so Mönche mit theologischer Kompetenz im Kloster. Warum

679 Vgl. zum multireligiösen Charakter der Klöster der Vita des Josef Busnāyā das Kapitel 8.3 680 V, fol. 116v–117r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 120–121 (ROC 3, 297–298). 681 Theologische Diskussionen zwischen Muslimen und Christen sind in den Quellen aus dem Mittelalter greifbar, vgl. unten Anm. 996. 682 Dies mag auch der Grund sein, warum Josef Ḥazzāyā und Isaak von Ninive, die ebenso Säulen der Kirche genannt werden, nicht in der Auflistung der Heiligen, die als Mönche und als Theologen vollendet waren, auftauchen. Aufgrund ihrer Bildung könnten sie jedenfalls mit den genannten mithalten, vgl. Walker, Ascetic Literacy, 317. Jedoch beruht die Bildung, die für die kirchliche Lehre von so großer Bedeutung ist, auf der Auseinandersetzung mit den gegnerischen Glaubensvorstellungen, hat also eine apologetische Komponente.

Johannes bar Kalduns Synthese

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gestatteten hingegen die Meister den im Kloster lebenden Zönobiten nach der ihnen vorgeschriebenen Zeit im Zönobium, das Leben mit dem Studium zu verbringen und nicht in der Zelle? Dies – so räumt Johannes bar Kaldun ein – sei eine neue Entwicklung, die dem Wunsch der Väter nicht entsprochen hätte.683 Obwohl es zwischen dem weltlichen Leben der Hierarchen der Kirche und dem vollkommeneren der Mönche Spannungen gab, waren die Klöster von der Institution der Kirche durch ihre theologisch begründete Macht abhängig. Immer waren die Klöster auch der Jurisdiktion eines Bischofs oder des Katholikos-Patriarchen untergeordnet. Dass sich die kirchliche Elite auch aus dem Mönchtum konstituierte, stärkte die kirchenpolitische Position des Mönchtums gegenüber der zweiten starken Gruppe innerhalb der Kirche des Ostens – den christlichen Laien. Deren Elite spielte nach wie vor eine bedeutende Rolle am Hofe des Kalifen und anderer Herrscher, übte dadurch Einfluss auch auf Kirchenfragen aus und stellte selbst Kirchenführer aus ihren Reihen.

5.4.  Johannes bar Kalduns Synthese im Kontext der Tradition der Kirche des Ostens Lehre und Bildung umfassen in der Vita des Josef Busnāyā eine Reihe von Inhalten, die es durchaus zu unterscheiden gilt. Auf der einen Seite gehörte die Lektüre für die Mönche zu einer der wichtigsten Beschäftigungen. Neben dem Neuen Testament wurde eine Reihe von Texten gelesen, die in der Vita „Väter“ genannt wurden. Diese bestanden hauptsächlich aus der monastischen Literatur über die ägyptischen Väter, daneben spielte als Fortgeschrittenenliteratur auch die Lektüre der ostsyrischen Mystiker, besonders die Werke von Isaak von Ninive und Josef Ḥazzāyā, eine Rolle. Das Schrifttum der griechischen Väter wie Basilius dem Großen oder Johannes Chrysostomos wird hingegen nicht genannt. Auf der anderen Seite warnte Josef Busnāyā seine Schüler ausdrücklich davor zu lernen: Er riet nicht nur von der Lektüre der kirchlichen Lehre und des Kirchenrechts ab, sondern sogar von dem Auswendiglernen liturgischer Hymnen. Dies würde sich nicht mit dem monastischen Weg vertragen. Ausgehend von diesem Kapitel wird deutlich, dass es zwar mit älteren monastischen Autoren der Kirche des Ostens Gemeinsamkeiten gibt, aber auch Unterschiede dazu bestehen. Johannes bar Kaldun geht bei vielen Fragen denselben Weg wie seine Vorgänger, in anderen Fragen schlägt er neue Wege ein. So finden wir auch bei anderen Autoren die Tendenz, Kirchenrecht und die

683 Vgl. dazu o. S. 98–100.

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göttliche Lehre auf Fragen außerhalb des Klosters, d. h. in weltlichen Bereichen, anzuwenden. Schon Abba Isaia warnte in seinen Logoi vor zu viel Bildung, was Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, der sein Werk kommentierte, aufgriff und vertiefte. Die Auseinandersetzung mit den Bedeutungen einzelner Begriffe in der Bibel, d. h. die wissenschaftliche Exegese, sei nichts für die Mönche, sondern für die eskōlāyē, d.  h. für die Absolventen einer ostsyrischen theologischen Schule.684 Diesen Begriff benutzt Dāḏīšōʿ verächtlich.685 Das Misstrauen vor zu vielen Streitigkeiten über die Bibellektüre brachte ihn soweit, die Mönche sogar vor der Bibellektüre zu warnen. Viel geeigneter seien die Sprüche der Väter als Lektüre, weil sie einfacher zu verstehen seien.686 Ebenso hat – wie Dimitri Bumazhnov zeigen konnte  – der große ostsyrische Mystiker Isaak von Ninive eine genaue Vorstellung davon, was ein Mönch lesen sollte und was nicht.687 So listete dieser neben dem Alten und dem Neuen Testament auch Bücher über die Vorsehung Gottes und alle Bücher, die „ausschließlich über den Weg des Mönchslebens, seine Ordnung und äußere Form berichten“, auf.688 Die Literatur jedoch, die den Mönch von seiner eigentlichen Bestimmung ablenkten, d. h. von der „geistige[n]‌Meditation über das Überweltliche“, sollte nicht gelesen werden.689 Dazu gehörten neben profanen Geschichtswerken und allen Werken, die der Aneignung von Wissen dienten,690 auch kirchliche Werke wie das Kirchenrecht, Polemiken gegen andere Konfessionen und Religionen sowie Werke, die sich mit den Unterschieden der verschiedenen „Häresien“ beschäftigten. Schließlich beinhaltete diese Liste auch Werke, die sich nicht allein an Mönche, sondern an alle Christen richteten. An diesem Punkt scheint Johannes bar Kaldun ganz auf der Linie der ostsyrischen Mystik zu liegen. Er geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er auch das Alte Testament, dessen Inhalte schwierig im christlichen Sinne zu deuten sind, als Lektüre der Mönche nicht erwähnt. Gleichzeitig erkennt er jedoch die Notwendigkeit an, dass Theologen und Bischöfe in den oben genannten Werken geschult sein sollten, auch wenn sie gleichzeitig Mönche waren. Ein Beispiel für 684 Dāḏīšōʿ, Commentaire, Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Abba Isaie, [textus] 180–181 (syr.); [versio] 139–140 (franz.); vgl. auch Abramowski, Dadisho, 75. 685 Abramowski, Dadisho, 70. 686 Abramowski, Dadisho, 72. 687 Bumazhnov, Wahrheit. 688 Bumazhnov, Wahrheit, 155–156. 689 Bumazhnov, Wahrheit, 157. 690 Bumazhnov sieht hinter dieser Formulierung auch philosophische, naturwissenschaftliche und kirchenhistorische Werke, s. Bumazhnov, Wahrheit, 156–157.

Johannes bar Kalduns Synthese

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einen solchen gelehrten Mönchsbischof war für ihn Theodor von Mopsuestia.691 Bei Johannes wird auch explizit angesprochen, was Dāḏīšōʿ und Isaak in ihrer Person darstellten und was sie dennoch ablehnten: Spirituelle Mönche, die sich in der Lehre der Kirche des Ostens auskannten und mit theologischen Argumenten umgehen konnten.692 Tatsächliche Gründe, warum dies notwendig sei, gibt Johannes bar Kaldun nicht, aber in seiner Synthese versucht er zumindest zu erklären, warum dies nicht zwangsläufig ein Widerspruch sein musste und verankert die Gelehrten im Gotteswillen durch das paulinische Zitat, dass die Lehrer von Gott eingesetzt seien (1 Kor 12, 28).693 Wie hier gezeigt wurde, waren diese Gründe vermutlich pragmatischer Natur, denn sie verwurzelten die monastische Bewegung stärker in der Institution Kirche, um ihr innerhalb und außerhalb der Kirche einen besseren kirchenpolitischen Stand zu geben.

691 V, fol. 22v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 22 (ROC 2, 380); V, fol. 189r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 203 (ROC 4, 410). 692 Für Dāḏīšōʿ s. Dāḏīšōʿ, Commentaire, Dāḏīšōʿ Qaṭrāyā, Abba Isaie, [versio] 8*–9*; für Isaak vgl. Walker, Ascetic Literacy, 317. 693 V, fol. 22r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 22 (ROC 2, 380).

6. Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters Johannes bar Kaldun beschreibt das Leben des Josef Busnāyā nicht ausschließlich in Form einer chronologischen Darstellung mit einem einzigen Handlungsort. An vielen Stellen berichtet er auch von Mönchen und Heiligen aus anderen Klöstern, die mit Josef Busnāyā in direkter oder indirekter Weise verbunden waren. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang das siebte Kapitel, in dem Johannes bar Kaldun in zwölf Unterkapiteln kürzere Viten und Anekdoten verschiedener Eremiten, die aus dem Umfeld Josef Busnāyās stammten, beschreibt. Nach eigener Aussage verfasste er sie nach dem Vorbild des Paradieses der Väter. In Unterkapitel 2.3.2 wurde bereits auf die Form des siebten Kapitels als „kollektive Biographie“ hingewiesen. Darunter werden Kompilationen von Biographien – im Falle der Vita des Josef Busnāyā von einzelnen Viten – verstanden, die als Ganzes betrachtet mehr zu ihrem Kontext aussagen können als die jeweiligen Einzelteile. Wichtig sind in diesem Zusammenhang das Prinzip ihrer Zusammenstellung und das Verhältnis zwischen den Gemeinsamkeiten und den Unterschieden der einzelnen Teile. Die Gemeinsamkeiten und das Auswahlkriterium der einzelnen Viten liegen in der Beziehung der dargestellten Heiligen zu Josef Busnāyā. Zu Beginn eines jeden Unterkapitels wird der jeweilige Heilige einem Lehrer zugeordnet, der entweder selbst Lehrer des Josef oder aber Lehrer eines Lehrers des Josef war. Der Unterschied der Einzelviten untereinander ist vor allem der Vorbildcharakter der einzelnen Heiligen für bestimmte monastische Tugenden. Sie dienen so als Beispiele für die von Johannes bar Kaldun dargestellte Lehre. Zu Beginn eines jeden Unterkapitels fügt Johannes überdies hinzu, in welchem Kloster der jeweilige Heilige Mönch wurde und beschreibt, ob dieser im Laufe seines Lebens das Kloster wechselte. Auf diese Weise verbindet er verschiedene Klöster miteinander und erschafft ein monastisches Netzwerk. Durch seine Lehrer und deren Lehrer mit ihrem jeweiligen Schülerkreis war daher auch Josef Busnāyā Teil dieses lokalen Klosternetzwerks. Hinzu kommt, dass der Autor auch einzelne Heilige durch Vergleiche und Andeutungen mit nicht zeitgenössischen Heiligen der ostsyrischen monastischen Traditionen in Verbindung bringt und das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē in die christliche Heilsgeschichte einordnet. Dadurch werden Kloster und Heilige auch in einen überregionalen Zusammenhang gestellt. Dieses Kapitel soll zeigen, wie Johannes bar Kaldun diese monastischen Verbindungen nutzt, um Josef Busnāyā auf der einen Seite in einer überregionalen,

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Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters

auf der anderen Seite in einer lokalen monastischen Tradition zu positionieren. Die einzelnen Lehrer, ihre Schülerkreise und ihre Beziehungen untereinander werden in Folge als Stammbäume dargestellt, die in der Person von Josef Busnāyā zusammenlaufen.

6.1.  Die heilsgeschichtliche Verortung des Klosters Am Anfang des zwölften Unterkapitels des siebten Kapitels erzählt Johannes bar Kaldun die Geschichte des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē.694 Er beginnt jedoch nicht mit der Gründung des Klosters im 7. Jahrhundert durch Abraham den Einsiedler, sondern fängt vielmehr mit der Schöpfung der Welt an und stellt so die Vita in einen heilsgeschichtlichen Zusammenhang. Johannes bar Kaldun führt dort aus, dass Gott bereits von Anfang an spezielle Regionen und „Völker“ (ʿammē)695 ausgewählt habe. Er greife aus ihnen dann jeweils Städte und Personengruppen heraus, um anhand ihrer seine Macht zu demonstrieren. Johannes führt dann eine direkte Linie von den Urmenschen im Paradies zu den Mönchen im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē: Nach den Urmenschen folgten die alttestamentlichen Patriarchen, das Volk Israel und König David in Jerusalem. Mit der Inkarnation Jesu ging dann die besondere Stellung Israels auf das „Volk der Christen“696 über. Unter den Christen wurde zunächst der Apostelkreis in Antiochien hervorgehoben. Einige Zeit später sei die göttliche Auserwählung auf die ägyptischen Mönche der Sketis übergegangen, bis sie durch die beiden Mönche Mār Awgēn und Abraham von Kaškar in den Ṭūr ʿAḇdīn auf den Berg Izlā gelangte. Johannes bar Kaldun bezieht sich hier auf das Große Kloster, dass im 6.  Jahrhundert der Ausgangspunkt der Klosterreform des Abraham von Kaškar gewesen war.697 Aus diesem Kloster stammten zahlreiche Klostergründer der Kirche des Ostens. Es ist nicht bekannt, wann dieses Kloster seine Bedeutung verlor, doch scheint dies bereits im 8. Jahrhundert der Fall gewesen zu sein. Zur Zeit der Abfassung der Vita Anfang des 11.  Jahrhunderts hatte das Kloster wahrscheinlich keinen Bestand mehr.698 Für Johannes bar Kaldun

6 94 V, fol. 148v–250r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 155–157 (ROC 3, 463–64). 695 V, fol. 149r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 155 (ROC 3, 463). 696 V, fol. 149v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 155 (ROC 3, 463). 697 Vgl. o. Kapitel 2.5.2.2. 698 Fiey vermutet, dass bereits kurz nach dem Tod Bāḇays 628 das Kloster fast unbewohnt war, vgl. Fiey, Nisibe, 148–159. Jullien ist vorsichtiger und setzt den Untergang im 8. Jh. an, s. Jullien, Monachisme en Perse, 33–35. Chialà verweist noch auf Nennungen in Quellen des 9. und 10. Jahrhunderts, vgl. Chialà, Abramo di Kashkar,

Die heilsgeschichtliche Verortung des Klosters

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ging nun die göttliche Auserwählung auf das Kloster von Bēṯ ʿĀḇē über. Dieses Kloster war die Gründung eines Eremiten aus dem Großen Kloster und stieg im 7. und 8. Jahrhundert zu einem der bedeutendsten der Kirche des Ostens auf und zahlreiche Bischöfe und Metropoliten stammten daraus.699 Thomas von Margā überliefert in seinem Buch der Vorsteher, dass das Kloster bereits in der Mitte des 9. Jahrhunderts eine nicht näher spezifizierte Krise durchlief und vermutlich aufgelöst wurde.700 Unabhängig davon, ob dieses Kloster zur Abfassungszeit der Vita noch aktiv war oder nicht, ging für Johannes bar Kaldun das Privileg, die von Gott auserwählte Gruppe und ein Abbild des Himmlischen Jerusalems zu sein, in den „letzten Zeiten“701 auf das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē über. Dadurch wird die Wirkungsstätte des Josef Busnāyā als der zentrale Ort des göttlichen Heilswirkens dargestellt. Neben dieser Verortung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē in einen konkreten heilsgeschichtlichen Zusammenhang, betont Johannes bar Kaldun die Bedeutung einiger in der Vita genannten Heiligen, indem er sie mit Personen der ostsyrischen Kirchengeschichte vergleicht. Dabei fällt auf, dass die Bewohner des Klosters nur selten mit Personen aus der Bibel verglichen werden. Dies ist ein deutlicher Gegensatz zu anderen hagiographischen Texten aus der syrischchristlichen Tradition. Dort ist es im Allgemeinen üblich, die Heiligen und ihre Taten mit biblischen Vorbildern zu vergleichen.702 Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Johannes bar Kaldun schreibt, dass er um diesen Topos weiß. Er schreibt im ersten Kapitel: Die Regel für einen Text wie diesen verlangt zu Recht, dass, wenn ein Autor in einer Vita irgendeine Geschichte schreibt, er nach ihr auch einen Lobpreis und ein Gleichnis aus den Heiligen Büchern bringt, wie es sorgfältig getan wird von vielen Autoren von Viten der heiligen Menschen: Nach jeder Geschichte, die sie schrieben, fügten sie auch

145–146. Unsicher jedoch ist auf jeden Fall eine Notiz aus dem 12 Jh., nach der sich der ostsyrische Katholikos-Patriarch Īšōʿ bar Nūn (823–828) in das Große Kloster zurückziehen wollte, Jullien, Monachisme en Perse, 35, vgl. auch Berti, Timoteo, 266, Anm. 784. 699 Thomas von Margā, Book of Governors, I 238–239 (syr.); II 447–449 (engl.). 700 Vgl. Thomas von Margā, Book of Governors, I cxix; cxvii. 701 V, fol. 150r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 156 (ROC 3, 464). 702 Derek Krueger sammelte zahlreiche Beispiele in seinem Werk über die Praxis der hagiographischen Autorenschaft, besonders in seinem Kapitel über Theodoret von Cyrrhus’ Historia Religiosa, vgl. Krueger, Writing, 17–22.

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Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters

einen Lobpreis hinzu, der passend war und sie brachten auch Gleichnisse, die aus den Heiligen Büchern stammten und die für die Geschichte nützlich waren.703

Er selbst jedoch möchte dies nicht tun. Er führt zwei Argumente dafür an: Zunächst schreibt er, dass sein Werk ansonsten zu lang werden würde. Sein zweites Argument ist, dass die biblischen Wunder in einer Zeit geschahen, als es mehr Glauben, größere Gottesfurcht und daher auch mehr Wunder gegeben habe. Im 10. Jahrhundert sei „der Glaube vergangen und die Liebe erkaltet“.704 Die Wunder und Taten, von denen er in der Vita berichtet, hätten daher eine höhere Bedeutung als biblische Vorbilder. Häufiger werden daher das Kloster und seine Mönche mit den großen monastischen Vorbildern, den Mönchsvätern der ägyptischen Wüste, verglichen. So werden in einer idealisierten Darstellung des Klosters als Himmlisches Jerusalem die Praktiken der Mönche wie folgt beschrieben: Die ganze Bußfertigkeit der Gefolgschaft des Antonius, die Anachorese der Gefolgschaft des Abbā Antonios zusammen mit der Demut der Gefolgschaft des Abbā Makarius, der Abgeschiedenheit der Gefolgschaft des Abbā Arsenios zusammen mit der Abstinenz (nazīrūṯā) und den Arbeiten der Gefolgschaft des Abbā Pachomius, auch die Einfachheit der Gefolgschaft des Abbā Paulē zusammen mit der Demut der Gefolgschaft des Abbā Moses, der Liebe und der Eintracht der Gefolgschaft des Abbā Pomen, zusammen mit allen Tugenden der gesamten Lebensweise, die in der Wüste geführt wird: In diesem Kloster wurden sie vollendet und perfektioniert. Sie waren sichtbar und offenbar und wurden eifrig erfüllt.705

Auch in Bezug auf die Regelungen des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē beruft sich Johannes bar Kaldun auf ägyptische Vorbilder, genauer auf den ägyptischen Mönch Pachomius und dessen Regeln: Die Kanones nun und die Gesetze, die in diesem heiligen Kloster festgelegt wurden, unterschieden sich nicht in irgendetwas von denen der Jünger des Abba Pachomius. Und wahrhaftig gesprochen: sie ahmen auch, so sehr es geht, die geistige Ordnung der Engel nach.706

Auf welche Kanones und Gesetze Johannes bar Kaldun hier Bezug nimmt, ist schwierig zu beantworten. Die Regeln der Pachomianer, die heute nur in ihrer lateinischen Übersetzung vorliegen,707 sind im syrischen Sprachraum

7 03 V, fol. 16r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 15–16 (ROC 2, 373–374). 704 V, fol. 8r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 7 (ROC 2, 365). 705 V, fol. 151r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157–158 (ROC 3, 465–466). 706 V, fol. 153v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 160 (ROC 3, 468). 707 Übersetzung zuletzt von Joest, Mönchsregeln, 73–102.

Die heilsgeschichtliche Verortung des Klosters

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nicht bezeugt. In der Historia Lausiaca des Palladius, die Johannes in seiner syrischen Gestalt im Paradies der Väter vorlag, wird jedoch ein anderes Klosterregelwerk des Pachomius überliefert. Sie wird die Engelsregel genannt, weil Pachomius sie von einem Engel erhalten haben soll.708 Doch obwohl Johannes bar Kaldun sie sehr wahrscheinlich kannte, kommt sie als Bezugspunkt des obigen Zitats nicht in Betracht. Das Klosterleben in der Vita des Josef Busnāyā wich zu sehr von den Bestimmungen dieser Regel ab.709 Wie bereits im Kapitel über das Klosterleben gezeigt, folgte die monastische Praxis im Großen und Ganzen den Regeln der abrahamitischen Klosterreform. Warum bezieht sich Johannes bar Kaldun dann auf die Regeln der Pachomianer? Die plausibelste Erklärung ist hier, dass Johannes bar Kaldun Pachomius und seine Anhänger als Vorbilder verstand. Im Paradies der Väter ist auch ein Teil der Paralipomena des Pachomius enthalten, in dem Anekdoten, Lehrreden und Visionen des selbigen überliefert werden. Die darin enthaltenen Beschreibungen des Klosterlebens sind keine konkreten Regeln zum Klosteralltag, wie sie die Engelsregel bietet, sondern allgemeine Ratschläge zur monastischen Lebensführung, die nicht auf monastische Strukturen eingehen. Sie sind daher einfacher auf den Alltag der Mönche in einem Kloster des 10. Jahrhunderts übertragbar, als es die Engelsregeln mit ihren konkreten Anweisungen sind. Diese Überlegung gewinnt an zusätzlichem Gewicht, da die einzige Stelle in der Vita, die Pachomius als Person ins Zentrum stellt, auf diese Paralipomena Bezug nimmt.710 Der explizite Verweis auf die Pachomregel ist daher im Kontext des Verständnisses des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē als ideeller Nachfolger des ägyptischen monastischen Erbes zu verstehen. Während das Kloster als Ganzes mit den ägyptischen Mönchsvätern in Verbindung gebracht wird, werden einzelne Eremiten der Vita mit Heiligen der monastischen Bewegung der Kirche des Ostens in eine Reihe gestellt. Dies geschieht auf verschiedene Weisen: Entweder wird ein Mönch direkt mit einer

708 Palladius von Helenopolis, Historia Lausiaca, 208–215 (griech./deutsch); Palladius, Formes syriaques, Palladius von Helenopolis, Formes syriaques, II [textus] 133–137 (syr.); II [versio] 159–162 (franz.). Für eine Besprechung der Engelsregeln, siehe Joest, Mönchsregeln, 22–35. 709 Beispielsweise ist in der Engelsregel vorgesehen, dass in einer Zelle jeweils drei Personen leben und dass die Mönche eines Klosters in 24 Gruppen eingeteilt werden sollten. 710 V, fol. 136r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 140 (ROC 3, 317). Die Stelle, auf die Bezug genommen wird, befindet sich in der syrischen Fassung des Paradieses der Väter in ʿNānīšōʿ, Book of Paradise, I 449–450 (engl.); II 316–317 (syr.).

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Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters

solchen Persönlichkeit verglichen oder er kommt auf seinem Lebensweg mit deren Wirkstätten in Kontakt. Das ist zunächst immer der Fall, wenn ein Eremit in einem Kloster lebte, das von einem bestimmten Heiligen gegründet wurde. Die Bedeutung der Klostergründer wird daher in der Vita hervorgehoben. Dies ist beim Kloster des Rabbān Hormizd der Fall, in dem Josef Busnāyā seinen monastischen Lebensweg begann. Rabbān Hormizd lebte im 7.  Jahrhundert und war ein Schüler des Bar ʿĒttā, der selbst Schüler des Abraham von Kaškar, dem Reformator des ostsyrischen Klosterwesens, gewesen ist.711 Ebenso stammte der Gründer des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē, Abraham der Einsiedler, aus dem Umkreis des Großen Klosters und ist dadurch mit Abraham von Kaškar verbunden. Zwar lagen zwischen seiner Klostergründung und der erneuten Besiedlung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē viele Jahre und seine Historizität kann bezweifelt werden,712 doch im 10. Jahrhundert sahen sich die Mönche dieses Klosters durch ihn in der Tradition und der Nachfolge Abrahams. Einer der Lehrer in der Vita, Johannes von Ḥelap̄ tā, verbrachte zunächst die Zeit als Zönobit im Kloster des Rabbān Hormizd. Im Anschluss daran verließ er dieses, um im Gipfelkloster auf dem Berg Maqlūb Eremit zu werden. Dies ist kein Zufall: Die Vita von Rabbān Hormizd berichtet, dass dieser zusammen mit seinen Gefährten viele Jahre seines Lebens in diesem Kloster verbrachte, nachdem er sein Heimatkloster verlassen hatte. Johannes von Ḥelap̄ tā folgte ihm auf diesem monastischen Lebensweg. Schließlich baut Johannes bar Kaldun auch eine direkte Verbindung zwischen Johannes von Ḥelap̄ tā und Rabbān Hormizd auf: Er stellt ihn auf dieselbe spirituelle Stufe wie Rabbān Hormizd.713 So wird mit Johannes von Ḥelap̄ tā eine wichtige Person der Vita direkt mit Rabbān Hormizd in Bezug gesetzt und mit der regionalen monastischen Geschichte verknüpft. Der Hintergrund für diese Charakterisierung ist vermutlich, dass Johannes bar Kaldun Johannes von Ḥelap̄ tā hervorheben wollte. Er ist der erste Heilige, der in einem Unterkapitel im siebten Kapitel beschrieben wird und steht am Anfang einer monastischen Tradition, auf die sich Johannes bar Kaldun beruft. Ein weiterer Eremit, der auf eine ähnliche Weise mit einem Heiligen verglichen wird, ist der Abt des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē, Rabbān Moses.

711 Für eine Zusammenfassung der Vita des Rabbān Hormizd, vgl. Thomas von Margā, Book of Governors, clvii–clxvii. 712 Vgl. dazu die Diskussion auf S. 69–72. 713 V, fol. 94r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 97 (ROC 3, 172).

Die heilsgeschichtliche Verortung des Klosters

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Johannes bar Kaldun schreibt Josef Busnāyā einen Ausspruch zu, der Rabbān Moses auf eine Stufe mit Johannes von Daylam714 stellte. Johannes von Daylam war ein Heiliger, dessen Leben heute aus dem Buch der Vorsteher des Thomas von Margā,715 aus dem Buch der Keuschheit des Īšōʿdnaḥ von Baṣra716 sowie einer eigenen Vita bekannt ist.717 Mit Johannes von Daylam ist eine Verbindung zu dem Kloster von Bēṯ ʿĀḇē gegeben, in dem dieser Mönch seine Zeit als Zönobit verbrachte.718 Das Kloster von Bēṯ ʿĀḇē wurde bereits im Zusammenhang mit der heilsgeschichtlichen Einordnung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē genannt. Dort wurde es als direkter Vorgänger des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē als Ort des göttlichen Auserwähltseins bezeichnet. Rabbān Moses wird zudem noch mit dem alttestamentlichen Moses verglichen, indem er in Anspielung auf Num 12,3 als demütigster Mensch auf Erden bezeichnet wird – eine der wenigen Ausnahmen, in der eine Person in der Vita mit einer biblischen Gestalt verglichen wird.719 Rabbān Moses ist nach Josef der Heilige, über den Johannes bar Kaldun am häufigsten berichtet. Sein Unterkapitel im siebten Kapitel ist das umfangsreichste der Vita. Über einen weiteren Eremiten, ʿAḇdīšōʿ Dasenāyā, berichtet Josef Busnāyā nach Aussage von Johannes bar Kaldun, dass er ein „Seher“ (ḥazzāyā) gewesen

714 Obwohl Johannes von Daylam ein Mönch der Kirche des Ostens war, ist seine Vita auch im westsyirschen Raum verbreitet. Von dort ist sie über das Arabische auch in das Äthiopische übersetzt worden, vgl. Fiey, Jean de Dailam; Fiey, Provinces sudcaspiennes, 338–340; Brock, John of Dailam. 715 Thomas von Margā, Book of Governors, I 96–101 (syr.); II 221–227 (engl.). 716 Nr. 116 in Īšōʿdnaḥ von Baṣra, Livre de la Chastité, 60 (syr.); 50 (franz.). 717 Vgl. hierzu Fiey, Jean de Dailam; Brock, John of Dailam. 718 Daylam ist eine Gegend südlich des Kaspischen Meeres. Die Überlieferung des Johannes von Daylam berichtet, dass er als junger Mönch von Daylamitern entführt wurde und sie anschließend christianisierte. Für die Geschichte der Gegend aus christlicher Sicht vgl. Fiey, Provinces sud-caspiennes. Die Gegend und vor allem ihre kurdischen Einwohner kamen im 10. Jh. zur Berühmtheit. Sie dienten als Söldner im ganzen muslimisch dominierten Raum. Im frühen 10. Jh. konnte ein Daylamit Westiran erobern. Dieser unternahm auch den letzten Versuch, den Islam zugunsten des Zoroastrismus zurückzudrängen. Ursprünglich aus Daylam stammte auch die kurdische Būyiden-Dynastie, die im 10. Jh. den Irak dominierte, vgl. Bonner, Waning, 346–348. 719 V, fol. 112v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 117 (ROC 3, 294). Dies ist eine von nur zwei Vergleichen eines Mönchs mit einer biblischen Person. Die zweite Person in der Vita, die ob ihrer Demut mit Moses verglichen wird, ist Rabbān David Dasenāyā (V, fol. 157v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 164 (ROC 3, 472)).

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Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters

sei.720 In diesem Zusammenhang wird ein Versprechen genannt, dass Christus dem ägyptischen Mönchsvater Pachomius gemacht habe, dass es immer Mönche dieser Art geben werde.721 Gleichzeitig erinnert die Kategorie des Sehers an Josef Ḥazzāyā (Josef der Seher), den ostsyrischen Mystiker, der im 8. Jahrhundert in Qardū, einer Gegend östlich des Ṣap̄ nātals, lebte und wirkte. In diesem Kontext ist interessant, dass noch ein weiterer Dasenāyā mit Josef Ḥazzāyā in Verbindung gebracht wird:  David Dasenāyā soll  – gemäß einer Vision eines Mönchs – exakt so ausgesehen haben wie Josef Ḥazzāyā.722 Die Protagonisten der Vita des Josef Busnāyā werden so in einen überregionalen monastischen Kontext eingebunden, der die heilsgeschichtliche Einordnung in die Geschichte von der Schöpfung an ergänzt. Die Bezugspunkte weisen nach Westen (Qardū, Ṭūr ʿAḇdīn), Osten (Daylam) und Süden (Margā) über das unmittelbare geographische Umfeld der Vita des Josef Busnāyā hinaus. Zusätzlich bindet Johannes bar Kaldun das Kloster in die monastische Geschichte der Kirche des Ostens ein, in der Johannes von Daylam, Josef Ḥazzāyā und Rabbān Hormizd wichtige Personen sind. Auffällig ist, dass die apostolische Sukzession über die monastische Bewegung festgehalten wird. Der kirchliche Klerus, insbesondere das Patriarchenamt, das in anderen Schriften als maßgeblicher Träger der Verbundenheit zur apostolischen Zeit hervorgehoben wird, fehlt gänzlich. Nicht die Mission der Apostel(schüler) Addai und Mari in Mesopotamien und die ununterbrochene Linie der Katholikos-Patriarchen in SeleukiaKtesiphon und später Bagdad, garantiert diese Verbundenheit in der Vita des Josef Busnāyā, vielmehr geschieht der Bezug auf die Apostel über die Mönchsväter in Ägypten. Durch ihre Studienreisen zu ihnen verbinden die syrischen Mönchsväter Awgēn und Abraham also die Klöster der Kirche des Ostens mit den Aposteln. Hierin kann durchaus ein Gegenmodell zur klerikalen Institution der Kirche des Ostens gesehen werden, durch die die monastische Bewegung ein eigenes apostolisches Fundament beansprucht, das unabhängig von der Amtskirche funktioniert.

7 20 V, fol. 135v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 140 (ROC 3, 317). 721 Dies bezieht sich wohl auf die Paralipomena des Pachomius, die ein Teil des Werks Paradies der Väter sind, vgl. ʿNānīšōʿ, Book of Paradise, I 449–450 (engl.); II 317–318 (syr.). 722 V, fol. 158v–159r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 165–166 (ROC 3, 473–474).

Die Lehrer des Josef Busnāyā

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6.2. Die Lehrer des Josef Busnāyā Nachdem das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē in einen konfessionellen und überregionalen Kontext eingeordnet wurde, sollen im Folgenden Josefs Beziehungen zu seinen Lehrern und deren Klöstern erörtert werden. Jene Beziehungen werden in diesem Kapitel durch Linien eines Stammbaums dargestellt, die in der Person von Josef Busnāyā zusammenlaufen. Dies ist komplex, da Josef Busnāyā sich nicht allein auf einen Lehrer berief:  Bevor Josef seine Zelle betrat, hatte er bereits bei sechs Lehrern – drei für das monastische Leben und drei für die kirchliche Lehre  – gelernt. Später, als er nach Bēṯ Ṣayyārē wechselte, wurde Rabbān Moses ebenfalls zum Lehrer Josefs  – trotz dessen fortgeschrittenen Alters und bereits erlangten monastischen Fähigkeiten.723 Mit sieben Lehrern aus drei unterschiedlichen Linien stellt ihm Johannes bar Kaldun eine solide Basis als monastische Autorität. Diese drei Linien werden im Folgenden beschrieben.

6.2.1.  Das Kloster des Rabbān Hormizd 6.2.1.1.  Māranzḵā Johannes bar Kaldun berichtet, dass im Kloster des Rabbān Hormizd der erste Lehrer Josefs der greise Māranzḵā gewesen sei. Er begleitete Josef während seiner vier Jahre im Zönobium. Als Josef es gerade verlassen und sein Leben in der Zelle beginnen wollte, starb Māranzḵā – nach Johannes im hohen Alter von 150 Jahren. Josef Busnāyā musste sich nun auf die Suche nach einem neuen Lehrer begeben und fand ihn im Kloster des Ap̄ nīmāran in der Nähe des heutigen Cizre in Īšōʿ von Kūmāṯēh.724 Durch den Wechsel seines Lehrers verzögerte sich für Josef der Umzug in die Zelle, denn Īšōʿ gab ihm neue Auflagen, die er erfüllen musste, bevor er sich in die Zelle zurückziehen durfte. Die Beschreibung Māranzḵās in der Vita unterscheidet sich von denen der anderen monastischen Lehrer Josefs:  Die Berichte über ihn sind knapp und allgemein gehalten. Anekdoten und Angaben über sein Leben finden sich nicht und er erhält auch kein eigenes Unterkapitel. Seine Person bleibt in der Vita vage und scheint nur eine narrative Funktion zu haben. Daher sind das hohe Alter von Māranzḵā und sein Todeszeitpunkt für Josef im Kontext der

7 23 V, fol. 38v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 41 (ROC 2, 399). 724 V, fol. 19v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 19 (ROC 2, 376–377); V, fol. 23r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 23 (ROC 2, 381).

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Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters

Erzählung erklärungsbedürftig. Eine mögliche Begründung, warum Johannes bar Kaldun ihm ein so hohes Alter zuschreibt, könnte sein, dass er dadurch mit den vorigen Jahrhunderten verbunden wird. Da Josef Busnāyā laut der internen Chronologie der Vita im Jahre 899 in das Kloster des Rabbān Hormizd eintrat, reichte das Leben Māranzḵās somit zurück in das 8. Jahrhundert. In diesem Jahrhundert entstanden die letzten uns erhaltenen Werke der ostsyrischen Mystik.725 Johannes bar Kaldun beschreibt seine eigene Gegenwart als eine verdorbene, in der die Gottesfurcht und -liebe erkaltet sei726 und Māranzḵā ist eine Verbindung zu einer früheren, aus seiner Sicht besseren, Zeit. Auf der anderen Seite ermöglichte sein Todeszeitpunkt, dass sich Josef einen Lehrer in einem anderen Kloster suchen und dennoch im Kloster des Rabbān Hormizd bleiben konnte: Māranzḵā starb kurz nachdem Josef Busnāyā seine vierjährige Zeit im Zönobium abgeschlossen und seine Zelle bezogen hatte. Das Recht auf diese Zelle hatte Josef durch seine Arbeit als Zönobit im Kloster des Rabbān Hormizd erworben. Ein Wechsel zu einem Lehrer im Kloster des Ap̄ nīmāran wäre noch zu seinen Zeiten als Zönobit auch mit einem Wechsel in dieses Kloster verbunden gewesen. Er hätte dann eventuell seine Zeit als Zönobit wieder von vorne beginnen müssen.727 Erst nach dem Abschluss seiner Zeit im Zönobium hatte Josef die Freiheit, in das Kloster des Ap̄ nīmāran zu reisen, um sich dort Rat einzuholen und weiterhin Mönch im Kloster des Rabbān Hormizd zu bleiben. Johannes bar Kaldun gibt keine Erklärung dafür, warum Josef eine solche Entscheidung traf, aber der Todeszeitpunkt Māranzḵās ermöglichte sie ihm. Diese Entscheidung Josefs führte dazu, dass er schließlich in den Kreis des Johannes von Ḥelap̄ tā und in das Obere Kloster in Mosul gelangte.

6.2.1.2. Der Kreis um Johannes von Ḥelap̄ tā Josefs Lehrer in den ersten Jahren als Asket in der Zelle, Īšōʿ von Kūmāṯēh, war ein Schüler von Johannes von Ḥelap̄ tā. Von Johannes von Ḥelap̄ tā haben wir nur aus der Vita des Josef Busnāyā selbst Kenntnis.728 Johannes’ Wirken als Īšōʿs Lehrer fiel wohl in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts. Sein Herkunftsort, Ḥelap̄ tā, lag weiter östlich in der Gegend von Margā, unweit des bekannten

7 25 Vgl. Chialà, Mystiques syro-orientaux, 64–65. 726 V, fol. 8r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 7 (ROC 2, 365). 727 Zum Erwerb der Zellen vgl. u. Kapitel 7.3. 728 Das Leben von Johannes von Ḥelap̄ tā wird im ersten Unterkapitel des siebten Kapitels der Vita behandelt (V, fol. 93r–97r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 96–100 (ROC 3, 171–175).

Die Lehrer des Josef Busnāyā

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Klosters Mār ʿĀḇē.729 Thomas von Margā, ein älterer Zeitgenosse des Johannes von Ḥelap̄ tā, beschreibt die Geschichte dieses Klosters in seinem Buch der Vorsteher. Er selbst war im Jahr 832 in Mār ʿĀḇē eingetreten und berichtet, dass das Kloster kurz zuvor mehrere Male überfallen und geplündert worden sei. Es konnte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an seine Glanzzeiten anknüpfen und Budge vermutet, dass das Kloster auch bald darauf aufgegeben wurde.730 Diese Situation könnte der Hintergrund sein, warum Johannes von Ḥelap̄ tā in das Kloster des Rabbān Hormizd ging, um Mönch zu werden, anstatt in Margā zu bleiben. Johannes bar Kaldun beschreibt, dass Johannes von Ḥelap̄ tā seine Zeit als Zönobit im Kloster des Rabbān Hormizd verbrachte und anschließend auf den Berg Maqlūb östlich von Mosul zog, um dort im renommierten Gipfelkloster zu leben. Durch diesen Schritt wird in der Vita die Verbindung zwischen Johannes von Ḥelap̄ tā und dem Heiligen Rabbān Hormizd, der ebenfalls viele Jahre im Gipfelkloster verbracht hatte, vertieft. Nach langer Zeit kehrte er in sein altes Kloster, das des Rabbān Hormizd, zurück und wurde dort Abt. Dort sammelte er etliche Schüler um sich. Einer seiner vielen Schüler war Īšōʿ von Kūmāṯēh, einer der Lehrer des Josef Busnāyā.731 Auch er ist nur aus der Vita bekannt.732 Wie sein Lehrer Johannes von Ḥelap̄ tā begann er seine Laufbahn als Mönch im Kloster des Rabbān Hormizd. Johannes bar Kaldun berichtet, dass er nach dem Tod seines Lehrers in die Wildnis der Berge von Kūmāṯēh im Umfeld des Klosters von Rabbān Hormizd zog. Dort verbrachte er viele Jahre als Eremit. Als er alt und gebrechlich geworden war und sich nicht mehr selbst versorgen konnte, ging er in das Kloster des Ap̄ nīmāran in der Nähe des heutigen Cizre. Dort lehrte er einen Schülerkreis, zu dem auch der aus dem Kloster des Rabbān Hormizd anreisende Josef Busnāyā gehörte. Īšōʿ beeinflusste Josef Busnāyā nicht nur durch seine eigene Lehre, er schickte ihn auch zu Rabbān Šuḇḥālīšōʿ in das Kloster des Mār Īšōʿyaḇ

729 Fiey geht davon aus, dass der Ort im 9. Jh. bereits muslimisch war und der Namenszusatz von Johannes die Herkunft seiner Vorfahren bezeichnete. Er begründet seine Annahme allerdings nicht, vgl. Fiey, Assyrie chrétienne, I 263. 730 Vgl. Thomas von Margā, Book of Governors, I lxix; cxvii; Budge führt aus, dass es für die Geschichte des Klosters nach dem Buch der Vorsteher keine Kenntnisse mehr gibt. Fiey erwähnt Manuskripte aus dem 13. Jahrhundert, die in diesem Kloster entstanden sind, vgl. Fiey, Assyrie chrétienne, II 247. 731 V, fol. 23v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 23–24 (ROC 2, 381–82). 732 Das Leben von Īšōʿ von Kūmāṯēh wird im fünften Unterkapitel des siebenten Kapitels der Vita behandelt (V, fol. 102v–107r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 106–110 (ROC 3, 181–185)).

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Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters

bei Dahūk.733 Dieser war wie Īšōʿ von Kūmāṯēh ein Schüler des Johannes von Ḥelap̄ tā und auch er verließ nach dessen Tod das Kloster des Rabbān Hormizd. Während sich Īšōʿ jedoch in die Berge zurückzog, ging Šuḇḥālīšōʿ in das Kloster des Mār Īšōʿyaḇ. In der Vita wird er als „Ozean der Weisheit“ bezeichnet.734 Šuḇḥālīšōʿ blieb auch Josefs Ansprechpartner, nachdem Īšōʿ gestorben war. Dieser starb nicht im Kloster des Mār Īšōʿyaḇ, sondern beschloss sein Leben im Kloster des Abba Josef am Tigrisufer gegenüber der Stadt Balad.735 Als weitere Schüler von Johannes von Ḥelap̄ tā erwähnt Johannes bar Kaldun Īšōrāḥmeh,736 Īšōʿ bar Nūn,737 Yonan738 sowie einen namentlich nicht genannten Eremiten.739 Sie blieben im Kloster des Rabbān Hormizd. Die Erzählungen, die Johannes bar Kaldun in der Vita über sie aufschrieb, dienten Josef als konkrete Beispiele für seine Lehren, die er über Šuḇḥālīšōʿ und Īšōʿ von Kūmāṯēh auf Johannes von Ḥelap̄ tā zurückführte. Māranzḵā und die Linie von Johannes von Ḥelap̄ tā verbinden Josef Busnāyā fest mit der Tradition des Klosters von Rabbān Hormizd. Diese Verbindung wurde nochmals dadurch gestärkt, dass Johannes durch seine Zeit im Gipfelkloster den Lebensweg des Klostergründers nachging. Hinzu kommt, dass Johannes von Ḥelap̄ tā in der Vita auch in Bezug auf seine Spiritualität direkt mit Rabbān Hormizd verglichen wird. Während seine anderen Schüler im Kloster des Rabbān Hormizd blieben, gingen Īšōʿ von Kūmāṯēh und Šuḇḥālīšōʿ in andere Klöster, wo sie dessen Lehre verbreiteten. Es sind diese beiden, die sich Josef Busnāyā nach dem Tod seines ersten Lehrers im Kloster des Rabbān Hormizd, Māranzḵā, als neue Lehrer aussuchte. Sie verbinden Josef Busnāyā mit den Klöstern des Mār Īšōʿyaḇ und Ap̄ nīmāran in der Region westlich des Klosters von Rabbān Hormizd. Die Angehörigen dieser Linie stammten zum Teil aus der Region Margā östlich des Klosters von Rabbān Hormizd zwischen

733 Auch er erhält ein eigenes Unterkapitel (V, fol. 107r–111r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 110–115 (ROC 3, 186–90)). 734 V, fol. 32r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 33 (ROC 2, 391). 735 V, fol. 110r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 114–115 (ROC 3, 189–90). Zu diesem Kloster vgl auch Fiey, Assyrie chrétienne, II 561–564. 736 V, fol. 94v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 97 (ROC 3, 173). 737 Mit einem eigenen Unterkapitel: V, fol. 99v–102v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 103–106 (ROC 3, 178–181). 738 Mit einem eigenen Unterkapitel: V, fol. 97r–98r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 100–101 (ROC 3, 175–176). 739 Mit einem eigenen Unterkapitel: V, fol. 98r–99v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 101–103 (ROC 3, 176–178).

Die Lehrer des Josef Busnāyā

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den Flüssen Gomel und dem kleinen Zab gelegen, wo das Kloster von Bēṯ ʿĀḇē lag.

6.2.2. Das Obere Kloster des Mār Gabriel in Mosul Die Vita berichtet, dass Josef Busnāyās zweiter Lehrer Īšōʿ von Kūmāṯēh von ihm verlangte, dass er nicht nur ein Leben in der Abgeschiedenheit führen, sondern dass er sich auch mit dem Studium der kirchlichen Lehre beschäftigen solle. Josef gehorchte ihm, obwohl er befürchtete, dass dieses Studium seinem Wunsch, als Eremit in der Zelle zu leben, eher entgegenstand.740 Dem Studium ging Josef Busnāyā zunächst bei Rabbān Sargīs nach, der im Kloster des Rabbān Hormizd lebte. Sargīs war zuvor Lehrer im berühmten Oberen Kloster gewesen.741 Dieses Kloster war im 10. Jahrhundert eine der wichtigsten Ausbildungsstätten der Kirche des Ostens. Nach seiner Zeit als Lehrer in diesem Kloster zog sich Rabbān Sargīs in das Kloster des Rabbān Hormizd zurück, um dort als Eremit zu leben. Mit ihm kam sein Schüler Šlēmōn, der ebenfalls von Josef aufgesucht wurde. Die Anwesenheit dieser beiden Lehrer ermöglichte es Josef, die kirchliche Lehre und das Kirchenrecht zu studieren, ohne das Kloster verlassen zu müssen. Nach dem Tod Sargīs’ war Josef Busnāyā jedoch gezwungen, in das Kloster des Mār Gabriel selbst zu gehen, wo er Schüler des Lehrers ʿAḇdīšōʿ A ͑ wn wurde.742 Johannes bar Kaldun berichtet, dass Josef dort solange Schüler war, bis er die Bibel, die Lehre der Kirche des Ostens in Form von Theodor von Mopsuestia und Diodor von Tarsus sowie das Kirchenrecht gemeistert hatte.743 Angeblich habe er alle Lehrer seiner Zeit an Kenntnis übertrumpft: So schreibt Johannes in einer Erzählung über Josefs Studium, dass sich ʿAḇdīšōʿ A ͑ wn vor seinem intelligenten Schüler Josef so sehr fürchtete, dass er seinen Unterricht unterbrach, wenn Josef Busnāyā in seine Nähe kam.744 7 40 V, fol. 24r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 24 (ROC 2, 382). 741 V, fol. 24v–25r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 25 (ROC 2, 383). 742 V, fol. 26v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 27 (ROC 2, 385). Chabot liest hier entsprechend der Handschriftenfamilie Alqūš gawn, entsprechend auch Fiey, Assyrie chrétienne, II 442. In der ostsyrischen Schrift können ʿayn und gāmal leicht verwechselt werden. Ich folge hier der Lesart von V (fol. 26v). ʿAwn könnte vom Arabischen für ‫ عون‬Helfer, Beistand kommen. Möglicherweise handelt es sich hierbei um Ibn Naṣīhā, der als Lehrer des späteren Katholikos-Patriarchen ʿAḇdīšōʿ I. bei ʿAmr b. Mattā (bzw. Mārī b. Sulaymān) genannt wird, s. Mārī b. Sulaymān/ʿAmr b. Mattā/Ṣalībā b. Yūḥannā, Commentaria, I.1 99 (arab.); I.2 88 (lat.). 743 V, fol. 27r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 27 (ROC 2, 385). Zu unseren Kenntnissen des Lehrplans des Oberen Klosters, vgl. o. S. 146–149. 744 V, fol. 27r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 27 (ROC 2, 385).

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Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters

Durch sein Studium im Oberen Kloster beschrieb Johannes bar Kaldun Josef als einen der wenigen Mönche, die sowohl in der kirchlichen Lehre als auch im Leben als Eremit ausgebildet waren745 und stellt ihn so in eine Reihe mit zentralen Personen aus der Geschichte der Kirche des Ostens.746 Durch die Ausbildungszeit in Mār Gabriel fand Josef Busnāyā auch Anschluss an die kirchliche Institution: Die Schule im Oberen Kloster war zuvor von Abraham bar Dāšandāḏ in Bāšōš unterhalten und im Laufe des 8. Jahrhunderts nach Mosul verlegt worden.747 Dieser Abraham ist auch Lehrer des Katholikos-Patriarchen Timotheos I. (gest. 823) und seines Nachfolgers Īšōʿ bar Nūn (gest. 828) gewesen.748 Timotheos blieb zeitlebens dem Oberen Kloster verbunden und verlieh dem Kloster sogar die Exemtion.749 Auch der Katholikos-Patriarch ʿAḇdīšōʿ I.  (963 bis 986)  wurde in diesem Kloster ausgebildet. Sein Lehrer war Ibn Naṣīhā,750 der wiederum Schüler des syrisch-orthodoxen Bischofs von Mosul Severus (Moses) bar Kēp̄ ā (gest. 903) gewesen war.751 ʿAḇdīšōʿ war zunächst als Bischof von Bēṯ Nūhaḏrā für das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zuständig. Johannes berichtet, dass er eine freundschaftliche Beziehung zu Josef Busnāyā unterhielt, die auch noch andauerte, nachdem er zum Katholikos-Patriarchen gewählt worden war. Seine Beziehung zum Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zeigt sich auch darin, dass während seines Patriarchats das Kloster exemt wurde. Die Ausbildung am Oberen Kloster qualifizierte Josef Busnāyā auch dazu, Bischof zu werden, obwohl er alle drei Versuche, ihn zum Bischof zu ernennen, abwies. Auf diese Weise macht Johannes bar Kaldun deutlich, dass Josef Busnāyā nicht nur ein Eremit im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē war, sondern dass er aufgrund seiner Ausbildung und Kenntnis fest in der Lehre und der Institution der Kirche des Ostens verwurzelt war.

7 45 Vgl. o. Kapitel 5.3. 746 Vgl. o. S. 152–153. 747 Vgl. Rücker, Obere Kloster, 183–184; Berti, Timoteo, 198–199. 748 Timotheos I. war es, der die Werke wichtiger syrischer Mystiker verurteilt hatte. Sein Nachfolger Īšōʿ bar Nūn rehabilitierte sie jedoch wieder, vgl. o. Kapitel 2.5.2.5. 749 Berti, Timoteo, 238–239; Assemani, Bibliotheca Orientalis, III.1 343–344; ʿAḇdīšōʿ von Nisibis, Nomocanon, 314–315. 750 Arab. Ibn Naṣīḥā bedeutet „Sohn des guten Beistands/Beraters“. Syr. naṣīḥā steht für „der Leuchtende/Siegreiche/Berühmte“. 751 Mārī b. Sulaymān/ʿAmr b. Mattā/Ṣalībā b. Yūḥannā, Commentaria, I.1 99 (arab.); I.2 88 (lat.).

Die Lehrer des Josef Busnāyā

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6.2.3.  Das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē Mit dem Wechsel in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē betrat Josef Busnāyā eine neue monastische Tradition, die mit der Gründung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē begann. Eine Gruppe von Mönchen aus dem Kloster von Bēṯ Qōqā kam wahrscheinlich gegen Ende des 9. Jahrhunderts in das Ṣap̄ nātal mit dem Ziel, das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē wieder zu errichten. Zu dieser Zeit war auch ein gewisser Bar Yaldā Schüler in diesem Kloster. Ob er mit den anderen Mönchen aus dem Kloster von Bēṯ Qōqā kam oder erst hier in das Kloster eintrat, geht aus der Vita nicht hervor. Johannes bar Kaldun berichtet, dass er nach der bald darauf folgenden Zerstörung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē in das Kloster des Boḵtyazd in Zōzān floh,752 in dem gerade der spätere Abt von Bēṯ Ṣayyārē Moses seine Zeit als Zönobit verbrachte. Bar Yaldā machte Moses zu seinem Schüler und als er schließlich wieder in das Ṣap̄ nātal zurückkehrte, um das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē erneut zu gründen, begleitete ihn dieser. Trotz der wichtigen Rolle Bar Yaldās für die Geschichte des Klosters, erhält er in der Vita nur wenig Raum. Seine Bedeutung als Neugründer des Klosters verschwindet hinter der Person des Rabbān Moses. Er taucht als Nebenfigur im Unterkapitel über Rabbān Moses auf und wird in der Gründungsgeschichte des Klosters erwähnt. Johannes beschreibt ihn aber vor allem als Vorgänger des Rabbān Moses im Abbatiat des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē. Ein Beispiel dafür ist, dass Johannes ausführt, dass unter Bar Yaldā 60 Mönche im Kloster lebten, unter Moses hingegen 300.753 Rabbān Moses nimmt nach Josef Busnāyā den meisten Raum in der Vita ein:  Er wird in der längsten der elf Kurzviten des siebten Kapitels beschrieben. Zum Beginn des Unterkapitels verweist Johannes Bar Kaldun auf eine umfangreiche Vita, die 80 Kapitel umfasst haben soll.754 Johannes berichtet, dass Rabbān Moses gegenüber Josef Busnāyā die Rolle eines Lehrers übernommen und ihm Ratschläge bezüglich des spirituellen Lebens gegeben habe.755 Zu 752 Fiey verortet dieses Kloster in Untertiyari. Seine Begründung kann ich jedoch nicht nachvollziehen. Badger, auf den er verweist, erwähnt dieses Kloster oder eine Kirche mit diesen Namen nicht. Er beruft sich auch nicht auf lokale Traditionen, wie er es an anderer Stelle tut, vgl. Fiey, Hakkari turc, 466. Die Gegend Zōzān (vom kurdischen Begriff für „Sommerweiden“) kann ein sehr großes Gebiet bezeichnen, das nicht nur das heutige Hakkari oder Tiyari umfasst, vgl. James, Territoire tribal, Rn. 27–29. 753 V, fol. 151r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157–158 (ROC 3, 465). 754 V, fol. 111r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 116 (ROC 3, 293). Diese Vita ist nicht erhalten. 755 V, fol. 38v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 41 (ROC 2, 399).

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Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters

diesem Zeitpunkt war Josef nach der internen Chronologie bereits 60 Jahre alt und hatte zuvor 25 Jahre lang ein Leben als Eremit im Kloster des Rabbān Hormizd gelebt.756 In den Erzählungen über die Beziehung zwischen Josef Busnāyā und Rabbān Moses betont Johannes bar Kaldun jedoch vor allem, dass dieser Moses Josef aus seiner Abgeschiedenheit der Zelle holte und ihm neue Aufgaben gab. So befahl er ihm, wieder zu lesen und zu schreiben,757 obwohl Josef bereits die Stufe der Geisthaftigkeit erreicht hatte, in der dies nicht mehr getan werden sollte.758 Vor allem aber befahl er ihm, jüngere Mönche zu unterrichten.759 Ebenso verlangte er von ihm, Pilger zu empfangen. Dafür gab er ihm ein Bündel Ḥnānā,760 damit er dieses unter ihnen verteile.761 Zwar werden Moses im Kloster auch seelsorgerische Aufgaben zugeschrieben, aber im Fokus der Darstellung in der Vita stehen die Organisation und die Wirtschaft des Klosters. Auch die Aufgaben, die er Josef auferlegte, zielten in die Richtung, das Kloster bekannter und attraktiver für Pilger und junge Mönche zu machen. Neben Rabbān Moses gab es noch zahlreiche weitere Mönche, die in der Vita als Schüler Bar Yaldās bezeichnet werden. Sie spielen jedoch nicht dieselbe herausragende Rolle wie Moses. Selbst Mönche wie Johannes Dasenāyā762 und Māraṯqen763, die ein eigenes Unterkapitel im siebten Kapitel erhalten, erreichen nicht die monastische Stufe, wie sie Johannes bar Kaldun Josef Busnāyā, Rabbān Moses oder allen Schüler aus der Linie von Johannes von Ḥelap̄ tā zuschreibt. Diese Mönche dienen zumeist als Beispiele für Tugenden wie Demut oder Nächstenliebe. Zuweilen spielen sie Nebenrollen in Geschichten über Bar Yaldā, Rabbān Moses oder Josef Busnāyā. Lediglich ʿAḇdīšōʿ Dasenāyā764 erhält von Johannes bar Kaldun eine besondere Rolle als Schüler von Bar Yaldā. Obwohl er von Johannes bar Kaldun als Heiliger beschrieben wird, lässt der Bericht 7 56 Für die innere Chronologie der Vita vgl. o. Kapitel 2.5.1.1. 757 V, fol. 114v–115r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 118 (ROC 3, 296). 758 V, fol. 25r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 25–26 (ROC 2, 283–84). 759 V, fol. 41r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 44 (ROC 2, 402). 760 Dabei handelt es sich um eine Masse bestehend aus Öl und dem Staub bzw. der Erde aus dem Martyrion oder von Gräbern der Heiligen. Diese wurde von Pilgern verwendet, um Krankheiten zu heilen, Dämonen zu vertreiben usw. Ein Beispiel dafür ist das Ḥnānā von Bar Yaldā, mit dem ein Mönch auf einer Reise ein taubes Kind heilte (V, fol. 132r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 136 (ROC 3, 313)). 761 V, fol. 41r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 44 (ROC 2, 402). 762 V, fol. 134r–136r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138–140 (ROC 3, 315–318). 763 V, fol. 136r–141v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 141–147 (ROC 3, 318–324). 764 Er erhält ein eigenes Kapitel: V, fol. 134r–136r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138–140 (ROC 3, 315–317).

Das Klosternetzwerk

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erkennen, dass zwischen ʿAḇdīšōʿ und den anderen Mönchen im Kloster Spannungen bestanden, aufgrund deren dieser das Kloster verließ und das Kloster von Īnēšk erneut gründete.765 Er starb jedoch nicht dort, sondern beschloss sein Leben im Kloster von Šamraḵ.766 Durch die Linie des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē verbindet Johannes bar Kaldun Josef Busnāyā zunächst indirekt mit dem Kloster von Bēṯ Qōqā bei Erbil, das von einem Schüler des Abraham von Kaškar gegründet wurde. Auf der anderen Seite verschränkt diese Linie Josef Busnāyā stark mit der Region, in der das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē lag: Moses selbst stammte aus Zōzān, der Region in den Bergen nördlich von Bēṯ Ṣayyārē, ʿAḇdīšōʿ und Johannes Dasenāyā stammten aus Dasen, das weiter östlich lag.767 Durch ʿAḇdīšōʿ bestand ebenso eine Verbindung zu den zwei Klöstern von Šamraḵ und von Īnēšk in der direkten Umgebung von Bēṯ Ṣayyārē. Diese drei Linien des monastischen Stammbaums von Josef Busnāyā haben unterschiedliche Funktionen in der Vita. Māranzḵā verband Josef mit den vorigen Jahrhunderten, die aus der Sicht des Autors besser und frommer waren als sein eigenes. Inhaltlich musste er Māranzḵā daher nicht besonders ausschmücken. Der Kreis um Johannes von Ḥelap̄ tā aus dem Kloster des Rabbān Hormizd betont das Eremitendasein und setzt den Schwerpunkt der Ausbildung von Josef Busnāyā im monastischen Bereich. Daher sind die genannten Mönche dieses Stammbaums durchweg selbst erfolgreiche Eremiten. Seine Ausbildung im Oberen Kloster des Mār Gabriel in Mosul betont seine theologischen Kenntnisse und Kompetenzen in der Lehre der Kirche des Ostens – und damit seine Rechtgläubigkeit. Die Linie von Bēṯ Ṣayyārē schließlich, die erst spät in seinem Leben eine Rolle spielte, verdeutlicht seine lehrende und seelsorgerische Tätigkeit.

6.3.  Das Klosternetzwerk Durch die Beziehung von Josef Busnāyā zu seinen Lehrern positioniert Johannes bar Kaldun ihn nicht nur in der kirchlichen und monastischen Tradition der Kirche des Ostens, sondern stellt auch eine Beziehung zwischen einzelnen Klöstern her. Johannes bar Kaldun beschreibt solche Beziehungen aber auch 7 65 V, fol. 134r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138 (ROC 3, 315). 766 V, fol. 136r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 140 (ROC 3, 317). 767 Ein anderer Schüler von Bar Yaldā stammte aus dem Dorf Menšā, das leider nicht identifiziert werden kann (V, fol. 159v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 167 (ROC 3, 474–475)).

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Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters

in den narrativen Teilen der Vita, in denen Josef mit anderen Klöstern in Kontakt tritt. An diesen Stellen wird eine persönliche Verbindung hergestellt. Ein Beispiel für eine solche Erzählung ist die Bestattung von Josef Busnāyā. Hier werden eine Reihe von Klöstern genannt, deren Brüder aus diesem Anlass in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē gekommen waren:768 Sie stammen aus den Klöstern des Rabbān Hormizd,769 des Īšōʿyaḇ,770 von Īnēšk,771 von Šamraḵ772 und des Qayyūmā.773 Alle diese Klöster befanden sich weniger als eine Tagesreise von Bēṯ Ṣayyārē entfernt und standen mit Ausnahme des Klosters von Rabbān Qayyūmā774 in direktem Kontakt mit Josef Busnāyā. Zwar mussten damals die Körper schnell beerdigt werden, da es keine Möglichkeiten gab, die Leichen zu präservieren, jedoch kann man anhand der Geschichten von Josef Busnāyās Bruder Gabriel775 und von Johannes bar Kaldun776 erkennen, dass man bereits während einer schweren Krankheit nach Angehörigen schickte, damit diese rechtzeitig zum Sterbenden bzw. Toten gelangten. In der Auflistung der Klöster während der Beerdigung fehlen einige Klöster, zu denen an anderen Stellen bereits eine Verbindung aufgebaut wurde. So werden keine Mönche aus dem Kloster des Ap̄ nīmāran genannt, in dem Josef Busnāyās Lehrer Īšōʿ von Kūmāṯēh wirkte. Dies könnte daran liegen, dass dieses Kloster, das auch Zafaran-Kloster777 genannt wurde, unterhalb einer kurdischen Festung

7 68 V, fol. 217v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 237 (ROC 5, 185–186). 769 S. o. Kapitel 3.1.2. 770 Dieses Kloster befand sich westlich von Dahūk. Zur Geschichte des Klosters vgl. Fiey, Assyrie chrétienne, II 707–720. 771 Vgl. o. Kapitel 3.1.3. 772 Dieses Kloster befand sich südlich von Mengeš, vgl. Fiey, Sanctuaires, 62–64. Josef Busnāyā war mit diesem Kloster verbunden, weil er dort untertauchte, um seiner Wahl zum Metropoliten von Nisibis zu entkommen (V, fol. 283r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 28–29 (ROC 2, 386–387)). 773 Dieses Kloster befand sich nördlich des Ṣap̄ nātals auf der anderen Seite des Qaragebirges in Bawar, vgl. Fiey, Sanctuaires, 64–66. 774 Das Kloster des Qayyūmā wird nur ein weiteres Mal in der Vita erwähnt, und zwar bei der Beerdigung von Rabbān Moses (V, fol. 132v–133r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 136–138 (ROC 3, 314)). 775 Josef reiste zu seinem todkranken Bruder vom Kloster des Rabbān Hormizd nach Bēṯ Ṣayyārē, V, fol. 36r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 39 (ROC 2, 397). 776 Als Johannes bar Kaldun schwer erkrankte, wurde nach seinem Bruder in Mosul geschickt, der am neunten Tag der Krankheit seines Bruders das Kloster erreichte, V, fol. 70v–71v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 73–74 (ROC 3, 102–103). 777 Nicht zu verwechseln mit dem Zafaran-Kloster bei Midyat im Ṭūr ʿAḇdīn.

Das Klosternetzwerk

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lag, die etwa zu dieser Zeit Schauplatz von militärischen Auseinandersetzungen war.778 Auch andere Klöster, die mit dem Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zu Zeiten des Rabbān Moses in Verbindung gestanden hatten, werden nicht erwähnt, wie beispielsweise das Kloster von Bēṯ Qōqā. Auch die Verbindungen nach Balad werden nach Rabbān Moses’ Tod nicht mehr erwähnt. Es fällt außerdem auf, welche Klöster und Regionen überhaupt nicht genannt werden. Nordwestlich des behandelten Gebiets lag die Region Qardū, in der es zu dieser Zeit zahlreiche Klöster gab.779 Es war auch ein Zentrum der ostsyrischen Mystik, wo beispielsweise der in der Vita viel genannte Josef Ḥazzāyā wirkte.780 Nur einmal findet sich eine Beziehung zu dieser Region in einer Erzählung:  Īšōʿ von Kūmāṯēh, Josefs Lehrer in Ap̄ nīmāran, empfängt eines Tages einen Bruder, von dem wir erfahren, dass er von jenseits des Ḫābūr gekommen war. Angesichts der geographischen Lage des Klosters Ap̄ nīmāran kann sich diese Bemerkung nur auf die Region Qardū beziehen.781 Ein weiteres Beispiel ist die Region um Mosul. Hier gab es neben dem Oberen Kloster noch weitere Klöster, die in der Vita mit keinem Wort erwähnt werden. Dagegen werden in der Region Balad, die noch jenseits von Mosul auf der anderen Seite des Tigris liegt, zwei Klöster genannt. Die Gründe, weswegen diese Regionen und ihre Klöster nicht erwähnt werden, sind aus der Vita nicht herzuleiten. Aus den bisherigen Ausführungen lassen sich hingegen die beiden folgenden Tendenzen beobachten: Die Beziehungen des Klosters scheinen vor allem aufgrund persönlicher Treffen und Begegnungen zwischen einzelnen Bewohnern bestanden zu haben und nicht institutionalisiert gewesen zu sein. Verbindungen zwischen Klöstern konnten daher durch den Tod eines Eremiten verloren gehen. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Mobilität der Mönche eine große Bedeutung spielte. Es wird so besser verständlich, warum sich Schüler von Johannes von Ḥelap̄ tā in anderen Klöstern niederließen und warum sich junge Mönche Lehrer in anderen Klöstern suchten und dennoch in ihren alten Klöstern wohnen blieben. Gerade durch diese Lehrer-Schüler-Beziehungen konnte es gelingen, die Beziehungen zwischen den Klöstern zu stabilisieren.

778 Zur Geschichte und Verortung dieses Klosters, vgl. Fiey, Assyrie chrétienne, II 707–737. Es handelt sich dabei um die Festung Qalʿat Zafaran, vgl. Fiey, Assyrie chrétienne, II 743. 779 Vgl. Fiey, Nisibe, 193–228. 780 Chialà, Mystiques syro-orientaux, 68. 781 V, fol. 105r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 108 (ROC 3, 183–184).

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Das monastische und kirchliche Umfeld des Klosters

In seinen Genealogien bemüht sich Johannes bar Kaldun, das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zum einen in der christlichen Heilsgeschichte und zum anderen in der konkreten Geschichte der Kirche des Ostens, genauer in der Geschichte der abrahamitischen Klosterreform, zu verorten. Dabei entwickelt er eine apostolische Sukzession als Gegenmodell zur Amtskirche, das in der monastischen Bewegung begründet ist, indem das Kloster von Bēṯ Sayyārē über die syrischen Mönche Abraham von Kaškar und Awgēn in die Tradition der ägyptischen Mönchsväter gestellt wird, die wiederum auf die Apostel zurückgeführt wird. In den konkreten Fällen berichtet er aber vor allem von den Beziehungen zu den Klöstern im direkten Umfeld von Bēṯ Ṣayyārē. Angesichts der lokalen Ereignisse ist zu vermuten, dass Johannes bar Kaldun zur Zeit der Abfassung der Vita auf eine Region blickte, die durch die Folgen der Auseinandersetzung zwischen den Ḥamdāniden und den Būyiden verwüstet worden war. Johannes bar Kaldun versuchte durch die Vita des Josef Busnāyā auch, an die Klöster und ihre Bewohner zu erinnern, die durch die Gewalt in andere Regionen und deren Klöster flohen. Die Vita erfüllte damit auch einen anamnetischen Zweck. Durch das literarische Festhalten ihrer Verbindungen untereinander dokumentierte Johannes bar Kaldun ihre Beziehungen nicht nur, sondern aktualisierte sie auch.

7.  Das Kloster als Wirtschaftsbetrieb In der Vita des Josef Busnāyā wird – ebenso wie in anderer Literatur aus dem christlich-monastischen Bereich – das Kloster in erster Linie als Ort der Askese dargestellt. Nur selten scheint in den Quellen durch, dass Klöster auch zum Teil florierende Wirtschaftsbetriebe waren, die sich besonders im Bereich der Agrarwirtschaft betätigten. Anders als in Gebieten christlicher Herrschaft oder Dominanz wie im lateinischen Europa, in der byzantinischen Welt, Äthiopien oder im Kaukasus werden die Klöster in der islamischen Welt auch nicht oder nur im sehr geringen Maße durch staatliche oder soziale Strukturen gestützt oder geschützt. Ihr wirtschaftlicher Beitrag, der vor und in der Frühzeit des Islam noch durchaus eine gewisse Rolle gespielt haben mag, nimmt daher im Laufe des Mittelalters ab. Daher spielen sie auch in islamischen Quellen eine geringe Rolle. Der wirtschaftliche Aspekt des mittelalterlichen Klosterlebens ist im Orient aufgrund dieser schwierigen Quellenlage nur selten in den Fokus wissenschaftlicher Arbeit gerückt. Eine Ausnahme ist die Dissertation von Cynthia Villagomez über das Wirtschaftsleben des Klosters von Bēṯ ʿĀḇē, die vor allem das 7. und 8. Jahrhundert behandelt.782 Ähnlich wie das Buch der Vorsteher des Thomas von Margā aus dem 9. Jahrhundert, auf das sich Villagomez hauptsächlich beruft, gibt auch die Vita des Josef Busnāyā einige Details über das Wirtschaftsleben des Klosters preis. Sie sind weder häufig noch umfangreich und sie erfolgen nur dann, wenn der Autor sie für die Gestaltung einer Geschichte benötigt. Dennoch liefern sie wertvolle, wenngleich lückenhafte Einblicke in die wirtschaftliche Situation der Klöster des 10. Jahrhunderts.

7.1.  Arbeitsteilung und Subsistenzwirtschaft Manuelle Arbeit als Form der Subsistenzwirtschaft gehörte zu den frühen Formen des ägyptischen Eremitendaseins. Doch bereits in den frühesten ägyptischen Klöstern bildete sich bald eine komplexe Arbeitsteilung aus, in der die Mönche landwirtschaftlichen und verschiedenen handwerklichen Tätigkeiten nachgingen. Die daraus entstandenen Produkte wurden auf den Märkten verkauft.783 Die Klosterregeln der Pachomianer sahen vor, dass die Mönche nach

7 82 Villagomez, Fields. 783 Vgl. mit Beispielen Brenk, Monasteries, 455–460.

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Das Kloster als Wirtschaftsbetrieb

ihrem Handwerk sortiert in Häusern zusammenlebten.784 Über die Situation in den Reformklöstern des Abraham von Kaškar gibt die Regel des Dāḏīšōʿ Auskunft: Sie verteilte die Arbeiten im Kloster gleichermaßen auf alle Brüder des Klosters.785 Von einer speziellen Arbeitsteilung ist noch keine Rede. Die Klosterregeln Bāḇays hingegen sehen vor, dass die Zönobiten die meisten Arbeiten für die Gemeinschaft im bēṯ šabbṯā ausführen. Zu diesem Zeitpunkt gab es eine Arbeitsteilung im Kloster: Die manuellen Arbeiten für das Kloster wurden von den Zönobiten ausgeführt, während sich die Eremiten in der Zelle ausschließlich dem Gebet widmeten.786 Dies ist auch die Situation im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē. Die manuelle Arbeit, d. h. die Arbeiten auf dem Feld und in der Küche, Bauarbeiten, wirtschaftlich motivierte Reisen und Ähnliches wurden fast gänzlich von den Zönobiten durchgeführt.787 Selbst nach der Zeit im Zönobium kam es vor, dass sich die Mönche viele Jahre, mitunter ihr gesamtes Leben lang, nicht dem asketischen Dasein, sondern anderen Arbeiten im Kloster widmeten. Diese Mönche wählten den „ersten Weg“ der drei möglichen Wege des Mönchtums.788 Doch auch diejenigen, die sich für den Weg der Abgeschiedenheit entschieden, widmeten sich nicht ausschließlich der asketischen Stille. In den ersten Jahren, wenn sie noch viel geistige Leitung benötigten, halfen sie ihren Lehrern bei den alltäglichen Arbeiten, besonders dann, wenn diese greis und durch ihre Askese schwach waren. Dies umfasste weniger manuelle Arbeit in der Produktion, sondern die Pflege des Meisters und Unterstützung bei der Bewältigung der Anfragen der vielen Bittsteller, sowohl die anderer Mönche als auch von Pilgern. Gleichzeitig boten die alten Lehrer den jungen Mönchen Lehre und 7 84 Vgl. Joest, Mönchsregeln, 3–8. 785 Regel 10 in Dāḏīšōʿ, Rules, 170. 786 Hoenerbach und Spies übersetzen: „Keiner der Brüder, die im Wochenzimmer [arab. bīt as-sabbā, von syr. bēṯ šabbṯā] arbeiten, die zum Coenobium Gehörigen, darf eine Arbeit verrichten, die ihn oder einen anderen persönlich angeht; denn ihre Dienstleistung gehört der Klostergemeinschaft; […]“ Ibn aṭ-Ṭayyib, Fiqh an-naṣrānīya, II [versio] 179 (deutsch), II [textus] 177–178 (arab.). Man beachte jedoch, dass Chialà anders übersetzt und das Zönobium nicht auf die Brüder bezieht, sondern auf das bēṯ šabbṯā: „Quanto ai fratelli che servono nel refettorio del cenobio, […]“ Chialà, Abramo di Kashkar, 181. Ebenso übersetzt Vööbus: „For brothers who are performing the ‚week‘ (duty) at the coenobium […]“ Bāḇay der Große, Rules, 184. 787 Vgl. o. S. 96–97. Ausnahmen waren körperliche Arbeiten, die sich die Mönche als Bußarbeit selbst auferlegten, wie zum Beispiel die Zerstörung eines Felsen in der Zelle Josef Busnāyās (V, fol. 53r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 56 (ROC 3, 85)). 788 Zu den drei möglichen monastischen Wegen nach Josef Busnāyā vgl. o. S. 98–100.

Einnahmequellen des Klosters

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Unterweisung sowie den Pilgern Trost und Interzessionen an. Das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē war damit ein Ort, an dem die Arbeiten auf spezifische Gruppen verteilt waren. Diese Struktur entstand aus dem Subsistenzgedanken heraus, der im frühen Mönchtum fußt und in den Schriftsammlungen der frühen Mönchsväter seine Ausgestaltung erfährt. Doch schon früh werden Klöster zu wirtschaftlichen Faktoren, die über die Subsistenzwirtschaft hinausgehend regionalen und sogar überregionalen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung hatten.789 Die Bedeutung der Wirtschaft für das Kloster von Bēṯ Sayyārē und der Wirtschaft des Klosters für seine Region soll im Folgenden untersucht werden. Die Wirtschaft des Klosterbetriebs lässt sich dabei in verschiedene Bereiche einteilen, die näher untersucht werden. Zunächst steht das Kloster als landwirtschaftlicher Betrieb im Fokus, der zahlreiche Produkte für den eigenen Bedarf, aber auch für den Verkauf herstellte. Eine weitere wichtige Einnahmequelle waren die Pilger, die das Kloster besuchten, sowie externe Förderer. Auf der anderen Seite hatte das Kloster auch Ausgaben und tätigte Investitionen. Die folgende Aufstellung der Einnahmen und der Ausgaben des Klosters ist lückenhaft und kann in keiner Weise das wirtschaftliche Leben des Klosters in seiner Gesamtheit erfassen. Sie kann daher lediglich eine Annäherung sein.

7.2.  Einnahmequellen des Klosters Ebenso wie in anderen Regionen entwickelten sich die Klöster auch im Wirkungsbereich der Kirche des Ostens zu einem wirtschaftlichen Faktor. Bereits im 6.  Jahrhundert entstand im Persischen Reich unter den Sasaniden eine christliche Oberschicht und Aristokratie,790 gleichzeitig endete die kirchliche Marginalisierung der monastischen Bewegung, die die Kirchenpolitik seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts bestimmt hatte. Mit dem Reformmonastizismus von Abraham von Kaškar erblühte der Monastizismus im Persischen Reich erneut und zahlreiche Neugründungen entstanden. Diese wurden vom christlichen Adel gefördert, die die Klöster auch mit Land ausstatteten.791 Thomas

789 Vgl. Brenk, Monasteries für das spätantike Ägypten und Savramis, Soziologie, 42–45 für das Byzantinische Reich, auch wenn dessen Zahlen und Quelleninterpretation mit Vorsicht zu genießen sind, so verdeutlichen seine Ausführungen die Bedeutung des Mönchtums für die wirtschaftliche Entwicklung des Byzantinischen Reiches. 790 Vgl. Payne, State of Mixture, passim, besonders aber 127–163. 791 Vgl. Villagomez, Fields, 60–61 und Morony, Iraq, 203–204 mit zahlreichen Beispielen.

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von Margā überliefert in seinem Buch der Vorsteher, dass christliche Klöster in Mesopotamien noch im 8./9. Jahrhundert mitunter große Ländereien besitzen konnten.792 Es ist jedoch anzunehmen, dass im Laufe der zunehmenden Islamisierung der Bevölkerung im Irak auch der Einfluss und die Wirtschaftskraft der Klöster abgenommen haben, während sich in christlich beherrschten Regionen die Klöster zu Großgrundbesitzern entwickeln. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass der verstärkte agrarwirtschaftliche Produktionsrückgang, der den Irak zwischen dem 8. und dem 10. Jahrhundert erfasste, auch Einfluss auf den Wohlstand der dortigen Klöster hatte. Es ist daher ungewöhnlich, dass im Ṣap̄ nātal im 10. Jahrhundert das monastische Leben eine Blüte erfuhr. Die Gründer des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē kurz vor 900 stammen laut der Vita aus dem Kloster von Bēṯ Qōqā. Warum sie ihr Kloster verließen und in das Ṣap̄ nātal reisten, um dort ein Kloster zu gründen, ist jedoch nicht bekannt. Ebenso ist unbekannt, in welcher Form das Kloster die Gebiete erhielt, die es bewirtschaftete. Die Ländereien um Mosul und in Margā, d. h. die Ebenen zwischen den kurdischen Bergen von Zōzān und dem Tigris, gehörten größtenteils Großgrundbesitzern aus Mosul.793 Die gebirgige Gegend unmittelbar vor dem Hochgebirge des Taurus hingegen war kurdisches Gebiet, über deren Struktur des Landbesitzes im 10. Jahrhundert keine Informationen vorliegen. Es kann lediglich als sicher gelten, dass das Kloster einige Ländereien als Weinberge und Felder benutzte794 und an der Ṣap̄ nā eine Mühle errichtet hatte.795 In der Vita werden in dieser Gegend auch Dörfer und andere Klöster genannt, über deren wirtschaftliche Situation ebenso wenig bekannt ist. Es ist daher ungewiss, ob das Kloster in einer bereits florierenden Gegend neu gegründet und als Konkurrent wahrgenommen wurde oder als „Investor“ sogar für einen Aufschwung sorgte. Der Vita lässt sich entnehmen, dass sowohl Christen als auch Muslime die Gegend bewohnten. Andere Quellen berichten zudem, dass die kurdischen Bevölkerungsgruppen in der Gegend Festungen besaßen, in die sich bei Gefahr zurückziehen konnten.796 7 92 Vgl. Villagomez, Fields, 163–165. 793 Ibn Miskawayh berichtet, dass in der Mitte des 10. Jahrhunderts Nāṣiraddawla und nach ihm sein Sohn Abū Taġlib die größten Großgrundbesitzer im Umfeld von Mosul waren (vgl. Ibn Miskawayh, Experiences, II.1 382–383 (arab.); II.2 S. 421–422 (engl.)), vgl. für die Zeit vor den Ḥamdāniden Orthmann, Stamm, 179–180. 794 V, fol. 152v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 158 (ROC 3, 466); V, fol. 132r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 136 (ROC 3, 312). 795 V, fol. 125v–126r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128–130 (ROC 3, 306–307). 796 S. o. S. 232–233.

Einnahmequellen des Klosters

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Über die klimatischen Bedingungen des Ṣap̄ nātals im 10. Jahrhundert sind keine Informationen erhalten. Heute ist es eine fruchtbare Gegend. Neben den Flüssen und Bächen aus den nahen Gebirgen findet man Niederschlagswerte zwischen 500 und 700  mm pro Jahr, was eine landwirtschaftliche Nutzung möglich macht. Besonders an den Flüssen findet man Obst- und Gemüseanbau.797 Die Vita berichtet darüber, dass die Gemeinschaft Weinberge (karmē) besaß.798 Die dort geernteten Trauben wurden im Kloster auch verarbeitet.799 Zwar berichtet Johannes bar Kaldun nur von einer Traubenpresse, doch ist auch anzunehmen, dass das Kloster seinen eigenen Wein produzierte.800 Johannes bar Kaldun erwähnt nicht nur Weinberge, sondern auch Felder, auf denen Getreide angebaut wurde. Er nennt vor allem Weizen, aber auch Hülsenfrüchte wie Kichererbsen und Linsen.801 Im Kloster befand sich zumindest ein Nussbaum, der der Gemeinschaft gehörte.802 Für die Ernte der Trauben und des Getreides waren die Zönobiten abgestellt, aber auch Mönche, die das Zönobium bereits verlassen hatten. Aufbewahrt wurde das Getreide in dafür vorgesehenen Speichern zusammen mit anderen Lebensmitteln. Im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē wurde dieses Getreide in der Zeit von Rabbān Moses in einer Kammer in der oberen Etage eines Tores aufbewahrt.803 Das Getreide wurde, wie auch die Trauben, im Kloster weiterverarbeitet. Dazu ließ Rabbān Moses an der Ṣap̄ nā eine Mühle errichten.804 Da die Mühle direkt am Fluss gebaut wurde, ist anzunehmen, dass es sich dabei um eine Wassermühle handelte. Gestärkt wird diese Vermutung dadurch, dass durch archäologische Surveys in der unmittelbaren Umgebung des Standortes des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē eine sogenannte Tower Grist Mill entdeckt wurde, die aus der islamischen Zeit stammt.805 Das Kloster hatte auch einen Müller, den Mönch Kōmā, der bestellt war, sich um die Mühlen des Klosters zu kümmern und sie instand zu halten. Daher ist anzunehmen,

7 97 Vgl. Pfälzner/Sconzo/Puljiz, First Results, 98. 798 V, fol. 152v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 158 (ROC 3, 466). 799 V, fol. 137r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 142 (ROC 3, 319). 800 Klöstern war es erlaubt, Wein herzustellen, den sie schon aus kultischen Zwecken benötigten. Die Weinproduktion gehörte daher zu ihren wichtigsten Wirtschaftzweigen, vgl. auch Campbell, Heaven of Wine, 123–124. 801 V, fol. 113v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 117 (ROC 3, 295). 802 V, fol. 135r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 139–140 (ROC 3, 316–317). 803 V, fol. 113v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 118 (ROC 3, 295). 804 V, fol. 125r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128 (ROC 3, 306). 805 Vgl. 88–89.

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Das Kloster als Wirtschaftsbetrieb

dass das Kloster mehrere Mühlen besaß.806 Die Mühlen wurden von den Mönchen benutzt, um dort ihr Getreide zu Mehl mahlen zu lassen.807 Johannes bar Kaldun berichtet über Josef Busnāyās Vater, dass er die Dorfkirche von Bā Ḇūsā mit Getreide versorgte, dem er besondere Aufmerksamkeit widmete:808 Er wählte die Ähren selbst aus und rieb sie eigenhändig, um sie von der Spreu zu trennen. So wollte er verhindern, dass Körner zur Produktion von Hostien verwendet wurden, die die Tiere zuvor mit ihren Hufen zertrampelt hatten. Er brachte dann das Getreide mit seinem Sohn zusammen unter Psalmengesängen zu einer Mühle und verrichtete dort alle Aufgaben selbst. Der Bericht nennt als diese Aufgaben das Reinigen des Mühlsteins, das Werfen des Getreides auf den Mühlstein sowie das Einsammeln des Mehls.809 Johannes bar Kaldun berichtet weiterhin, dass Josefs Vater das Getreide für die Produktion der Hostien für die Kirche in einem eigenen Behälter, dem Kawwārā (wörtl. Bienenkorb), getrennt vom übrigen Getreide aufbewahrte.810 Ob diese besondere Form der Behandlung des Getreides für die Hostienherstellung üblich war oder ob es sich nur um eine hagiographische Darstellung der besonderen Frömmigkeit des Vaters handelt, muss an dieser Stelle offenbleiben. Dennoch kann man aus dieser Erzählung gewisse Details über die Getreideverarbeitung erfahren. Insgesamt galten Getreide und Mehl für die Herstellung der Hostie als besonders fromme Form der Spende. So berichtet Johannes bar Kaldun über einen Mönch im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē, der einen Teil des Brots, das die Gemeinschaft ihm stellte, gegen Getreide eintauschte, das er der Kirche zur Produktion der Hostien spendete.811 Die Brotherstellung erfolgte im Kloster selbst. Dafür gab es im bēṯ šabbṯā einen großen Ofen, in dem die Zönobiten das Brot buken.812 Diese Tätigkeit entfiel wie alle weltlichen Tätigkeiten auf die Novizen und Zönobiten. Johannes bar Kaldun erwähnt noch andere landwirtschaftliche Produkte wie Birnen,813 Datteln814 und Feigen,815 allerdings ohne Angaben darüber zu machen, 8 06 V, fol. 76r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 78 (ROC 3, 107). 807 V, fol. 54v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 57 (ROC 3, 87). 808 V, fol. 12v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 12–13 (ROC 2, 370–371). 809 V, fol. 12v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 12–13 (ROC 2, 370–371). 810 V, fol. 15v–16r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 15 (ROC 2, 373). 811 V, fol. 218r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 238 (ROC 5, 186–187). 812 V, fol. 66v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 69 (ROC 3, 98). Das Brot für die Hostien hingegen wurde im Diakonion gebacken (V, fol. 145r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 152 (ROC 3, 459)). 813 V, fol. 152v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 158 (ROC 3, 466). 814 V, fol. 152v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 158 (ROC 3, 466). 815 V, fol. 53v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 57 (ROC 3, 86).

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ob sie im Kloster in großem Umfang angebaut wurden. Sie standen aber dem Kloster als Lebensmittel zur Verfügung. Auch Produkte wie Honig und Kreuzkümmel werden erwähnt,816 ebenso wie Olivenöl, das als pflanzliches Öl eine wichtige Rolle als Nahrungsmittel spielte.817 Allerdings werden Olivenbäume, Oliven und die Ölproduktion nicht erwähnt.818 Selten erwähnt Johannes bar Kaldun Fische819 und Butter,820 die konsumiert werden durften. Fleisch wird nicht erwähnt, durfte von den Mönchen aber auch nicht verzehrt werden. Es ist anzunehmen, dass das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē nicht nur für den Eigenbedarf produzierte. So berichtet Johannes bar Kaldun, dass zur Zeit von Rabbān Moses, d. h. vor 946, das Kloster im Besitz von einem Dutzend Maultieren war, die nicht genauer benannte Produkte nach Mosul transportierten.821 Leider beschreibt Johannes bar Kaldun nicht genauer, was mit den Produkten in Mosul geschah. Entweder wurden sie dort verkauft oder als Steuer abgeführt. Doch aus welchen Gründen immer dieser Transport durchgeführt wurde, zeigt er doch, dass das Kloster ein florierender landwirtschaftlicher Betrieb war, der ein Dutzend Maultiere mit eigenen Produkten beladen konnte. Neben den landwirtschaftlichen Erzeugnissen scheint das Kloster keine weiteren Produkte hergestellt zu haben. Eine professionelle Buchproduktion scheint es im Kloster nicht gegeben zu haben. Abschriften wurden nur zum Eigenbedarf produziert.822 Eine weitere Einnahmequelle des Klosters waren Förderer und Pilger. Es wird berichtet, dass nicht nur mittellose Pilger das Kloster besuchten, sondern auch wohlhabende Personen mit einem hohen sozialen Status. So soll ein Baumeister aus dem Dorf Bēṯ Mūrdānī das Kloster besucht haben, um sich von 816 Diese Produkte standen aber nur geringfügig mit der Ernährung im Zusammenhang, sondern in einem medizinischen, vgl. V, fol. 55r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 58–59 (ROC 3, 87–88). 817 V, fol. 54v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 58–59 (ROC 3, 87–88); V, fol. 145v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 151 (ROC 3, 459). 818 Für das Kloster von Bēṯ ʿĀḇē in der Nachbarregion Margā hingegen war die Olivenund Ölproduktion wichtig, vgl. Villagomez, Fields, 164–165. 819 V, fol. 128r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 132 (ROC 3, 309). 820 Die Identifikation von Butter ist nicht ganz einfach. Lediglich an einer Stelle wird die Formulierung mšḥānē ḏ-ʿānē (Öl vom Kleinvieh) verwendet, die Chabot als „Beurre“ (Butter) übersetzt., s. V, fol. 163v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 171 (ROC 3, 479). 821 V, fol. 124r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128 (ROC 3, 305). 822 Dies scheint so für die meisten Klöster der Fall gewesen zu sein, vgl. Walker, Ascetic Literacy, 326; Debié, Livres et monastères, 145–147. Vgl. auch für das Kloster von Bēṯ ʿĀḇē Villagomez, Fields, 167.

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einer Lähmung heilen zu lassen.823 Aus Mosul soll ein Priester gekommen sein, der von einem Dämon besessen war.824 Ebenfalls von dort soll ein berühmter Schreiber und Gelehrter das Kloster besucht haben, um von einem Handleiden, das seine berufliche Existenz bedrohte, geheilt zu werden.825 Es ist zu erwarten, dass sich solche Pilger erkenntlich zeigten, insbesondere dann, wenn ihre Bitten erhört wurden. Andererseits wird nur an einer Stelle berichtet, dass „Gläubige“, die das Kloster betraten, Almosen mitbrachten:  En passant wird in einer Geschichte berichtet, dass die Gläubigen, die im Kloster empfangen wurden, den Mönchen Almosen (burktā) gaben.826 Solche Almosen konnten dabei nicht nur aus kleinen Gaben bestehen, sondern durchaus umfangreich sein.827 Ansonsten beschreibt Johannes bar Kaldun das Verhalten der Pilger anders: Sie danken Gott, lobpreisen ihn und verlassen das Kloster. Dieses Verhalten soll die göttliche Handlung, die durch den Heiligen vollbracht wurde, in den Vordergrund stellen. In einer weiteren Geschichte berichtet Johannes bar Kaldun, dass eine Gegenleistung erwartet wurde: Ein im Kloster geheilter Diakon musste auf Josefs Anordnung zwei Wochen im Zönobium für das Kloster arbeiten.828 In eine andere Richtung geht der Bericht über Išōʿ von Kūmāṯēh, dem Lehrer von Josef Busnāyā: Als er als Eremit im Gebirge lebte, wurde er von einer Gruppe von Kurden überfallen, konnte sie jedoch durch ein Wunder von ihrem Vorhaben abbringen. Johannes berichtet, dass die Kurden den Eremiten deswegen regelmäßig im Kloster des Ap̄ nīmāran besuchten und jedes Mal Geschenke mitbrachten.829 Anders als die Geschichten über die Pilger, die das Wirken Gottes an seinen Gläubigen zeigen sollen, demonstriert Johannes bar Kaldun hier die Macht des Eremiten über die ungläubigen Kurden. Aufgrund des hagiographischen Charakters dieser Erzählung ist ihr historischer Hintergrund nicht mehr sicher festzustellen. Sie zeigt aber, dass eine Gegenleistung für die Handlungen der Eremiten erwartet wurde. Auf der anderen Seite berichtet Johannes bar Kaldun von externen Förderern, die nicht persönlich in das Kloster reisten: So schickte der Abt Rabbān 8 23 V, fol. 58r–59v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 61–62 (ROC 3, 90–91). 824 V, fol. 64r–65v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 67–68 (ROC 3, 96–97). 825 V, fol. 86r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 88 (ROC 3, 117). 826 V, fol. 218v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 238 (ROC 5, 187). 827 Wie die Almosen des Gelehrten aus Balad, der sie jedoch nicht in das Kloster bringt, sondern bei sich abholen lässt (V, fol. 130r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 135 (ROC 3, 311)). 828 V, fol. 65v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 68 (ROC 3, 97). 829 V, fol. 104v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 108 (ROC 3, 183).

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Moses den Zönobiten Ḥayyā in das Dorf Balad zu einem christlichen Schreiber. Dieser wollte dem Kloster „Geld, Gewänder und andere Dinge“ als Almosen überlassen, die der Zönobit nun abholen sollte.830 Auch andere Reisen von Zönobiten könnten in einem ähnlichen Kontext stehen, wenngleich in weiteren Berichten keine Details über die Hintergründe einer solchen Reise gegeben werden. Kostbare Geschenke und die Unterstützung durch wohlhabende Laien oder kirchliche Führer spielten laut Cynthia Villagomez in der Kirche des Ostens auch in der spätsasanidischen und der frühislamischen Zeit eine große Rolle, insbesondere während der Frühphase der abrahamitischen Klosterreform Anfang des 7. Jahrhunderts. Mit Rückgriff auf Stephen Gerö und Michael Morony betont sie, dass die persischen Eliten in der finanziellen Förderung der monastischen Bewegung oder gar durch eine monastische Laufbahn ihre soziale Stellung als „social and economic patrons“831 in der frühislamischen Zeit bewahren konnten, in der ihr Status auf der politischen Ebene schwand.832 Sie sieht daher in dieser Zuwendung des alten persischen Adels zur monastischen Bewegung einen Grund für die zahlreichen Neugründungen von Klöstern im 7.  Jahrhundert. Im 10.  Jahrhundert hingegen werden wohlhabende und einflussreiche Förderer von Klöstern nur noch selten genannt.833 Ob das Kloster durch den Eintritt reicher Novizen finanziell profitierte, spricht Johannes bar Kaldun nicht an. Insgesamt wird über den sozialen oder finanziellen Stand der Familien der Mönche kaum Auskunft gegeben. Wenn die Herkunft eines Mönchs im Kloster angeben wird, so stammt dieser meistens aus dem ländlichen Raum ohne Angaben über den Status und den Wohlstand der Eltern. Lediglich aus den Angaben von Johannes bar Kaldun über sich selbst kann geschlossen werden, dass er aus einem wohlhabenden Haushalt in Mosul stammte.834 Dieser Eindruck wird durch die spätere hagiographische Tradition über ihn, die in der Vita des Michael des Engelsgefährten überliefert

8 30 V, fol. 130v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 134 (ROC 3, 311). 831 Vgl. Villagomez, Fields, 61. 832 Vgl. Villagomez, Fields, 40, Anm. 24; 60–61. 833 Ein Beispiel ist der christliche Wesir des Būyiden-Herrschers ʿAḍudaddawla, der die Erlaubnis erhält, Klöster und Kirchen zu bauen (Ibn Miskawayh, Experiences, II.1 408 (arab.); II.2 447 (engl.); vgl. auch Bürgel, Hofkorrespondenz, 22). 834 Seine Eltern legten bei ihm Wert auf Bildung und er berichtet, dass er aufgrund seiner schlechten Konstitution als Kind und junger Mann immer auf einem Reittier unterwegs war. Schließlich berichtet die Vita des Michael des Engelsgefährten, dass er mit dem Geld seiner Eltern das Kloster des Mār Michael renovierte und vergrößerte, vgl. o. S. 35–36.

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wird, bestätigt. Dort wird berichtet, dass er mit dem „Geld seiner Väter“ das Kloster des Mār Michael renoviert und ausbaut.835

7.3.  Besitz und Armut der Mönche Abgesehen vom Besitz der monastischen Gemeinschaft gilt es hier noch, den persönlichen Besitz und das Eigentum der Mönche zu erörtern, denn während der gemeinschaftliche Besitz eines Klosters von je her zwar nicht unumstritten ist, aber zumindest als Notwendigkeit akzeptiert wurde,836 gehört zum Verständnis des Mönchtums in den christlichen Gemeinschaften in aller Welt neben Gehorsam und sexueller Enthaltsamkeit auch die persönliche Armut.837 Auch in der Vita des Josef Busnāyā gehört die persönliche Armut, d. h. der freiwillige Verzicht auf Besitz, zu den Tugenden des Mönchs. Im achten Kapitel wird in einem kurzen Abschnitt auf die Vorstellung des Verzichts, d.  h. der freiwilligen Armut, der Mönche eingegangen: Über den Verzicht:  Der Verzicht nun ist das, was den Triumph im monastischen Lebenswandel bringt. Ohne Verzicht gibt es keine richtige Abgeschiedenheit und keinen Lebenswandel, der in ihr [sein sollte]. Nicht nur den Verzicht auf alle Gegenstände ohne Unterschied meine ich, sondern auch den auf gierige Gedanken. Denn es gibt welche, die arm (aksnāyā)838 sind und überhaupt nichts besitzen, die aber nicht verzichten, wenn es um ihre Gedanken geht. Vielmehr noch, wenn sie die ganze Welt besitzen könnten, sie dächten immer noch und sinnierten [d. h. wie sie mehr Besitz anhäufen könnten]. Und es gibt wiederum welche, die nicht auf weltliche Gegenstände verzichten und in ihren Gedanken auf die Liebe zum Geld und auf alle Wünsche verzichten. Verzichte, mein Sohn, auf das Überflüssige und auch auf gierige Gedanken, so dass du gerüstet bist und in deinem Leben in der Abgeschiedenheit siegreich bist.839

Diese freiwillige Armut des Mönchs ist von einer anderen Qualität als diejenige, zu der ein Mensch aufgrund seiner Lebensumstände gezwungen ist. Diese Armen werden immer wieder erwähnt, jedoch nur als Objekt karitativer Tätigkeit und nicht als Subjekt der Erzählungen. Ihre Armut ist nicht heilsbringend. Der freiwillige Verzicht des Mönchs imitiert daher nicht die Armut

8 35 Karamlīš, Bibliothek der Kirche Mār Addai, Nr. 12, fol. 67v. 836 Villagomez, Fields, 101–104. 837 Zu Beispielen zum Verständnis der persönlichen Armut von Mönchen in der Kirche des Ostens vgl. Villagomez, Fields, 68–74. 838 Dieser Begriff bezeichnet eigentlich die „Fremden“ (von griech. xenos). In der Vita wird dieses Wort allerdings oft im Sinne von „arm, bedürftig“ gebraucht. 839 V, fol. 191r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 205 (ROC 4, 412).

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des Armen, sondern übersteigt diese, indem er als eine geistige Einstellung jegliches Eigentum gering schätzt. Sobald ein Mönch, der diese Form freiwilliger Armut praktiziert, etwas erhält, so teilt er es oder gibt es gänzlich ab. Auf Dinge wie Nahrung und Kleidung zu verzichten, wird daher als besondere Fähigkeit angesehen. Auch über Josef Busnāyā schreibt Johannes bar Kaldun, dass er diese Form der Armut praktizierte und dass er sie auch zur Perfektion brachte – entsprechend seines Vorbildcharakters für die jungen Mönche. Die Vita berichtet mehrmals, dass er überhaupt nichts besaß. Schon als junger Mönch brachte er seinem Lehrer im Oberen Kloster in Mosul eine Ladung Holz aus den Bergen, weil er sonst nichts besaß, was er diesem hätte geben können.840 Ein anderes Mal, während einer großen Hungersnot, ernährte er sich winters jeden Tag von nur drei Datteln und einem Stück vom eucharistischen Brot (buḵrā). In der darauffolgenden Fastenzeit ernährte er sich sogar nur von dem eucharistischen Brot. Als er in der Hohen Woche schließlich ausgezehrt zusammenbrach, kam ein Bruder zu ihm, der seine Not in seiner eigenen Zelle gespürt hatte, und brachte ihm zwei Makkuke (ca. 12 kg)841 Getreide. Dies verstand Johannes bar Kaldun als Wunder, das Gott vollbrachte, um Josef vor dem Hungertod zu retten. Er behielt es aber nicht für sich allein, sondern er teilte es mit seinem Mitbruder Māraṯqen, der besonders stark unter der Hungersnot zu leiden hatte.842 Im Übrigen ist es genau dieses Moment, das in der Geschichte besonders hervorgehoben wird: Josef teilte aufgrund seiner großen Barmherzigkeit das, was ihm ein anderer Mönch gegeben hatte, um seine Not zu lindern, mit einem Mitbruder. Er gab also nicht von seinem Überfluss, sondern von dem, was er zum Leben brauchte. Auch von anderen Mönchen wird berichtet, dass sie diese Form der freiwilligen Armut bis zum Exzess betrieben. So besaß Rabbān Barḥaḏbšabbā nur zwei Gewänder und in seiner Zelle befand sich nichts, um sich eine Suppe zu machen, sondern nur Brot und Salz.843 Johannes bar Kaldun berichtet, dass 8 40 V, fol. 26v–27r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 27 (ROC 2, 385). 841 Hinz, Masse und Gewichte, 44. 842 V, fol. 53v–54v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 56–58 (ROC 3, 85–87). Die Anfälligkeit Māraṯqens für den Hunger wird besonders in einer Anekdote unterstrichen: Eines Tages erlaubt Rabbān Moses den Mönchen, sich satt zu essen. Alle sind erstaunt, dass Māraṯqen ganze 13 Brotlaibe isst, da er normalerweise nur einen Brotlaib am Tag zu sich nimmt (V, fol. 136r–137v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 141–142 (ROC 3, 318–319)). 843 V, fol. 161r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 168 (ROC 3, 476).

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er einem Mönch Paulus Almosen gab, die das Kloster von Gläubigen erhalten hatte. Er benutzte sie allerdings nicht, um sich selbst davon Nahrung zu erwerben, sondern gab sie an Arme und Zönobiten weiter. Auch das Brot, das er von der Gemeinschaft erhielt, tauschte er gegen Getreide, das er dem Küster gab, damit dieser daraus das Brot für die Eucharistie buk.844 Auf die Spitze trieb es schließlich ein Heiliger namens Īšōʿameh: Er aß kaum etwas und kochte sich nichts in seiner Zelle. Er besaß nichts und nahm auch nichts vom Kloster an. Wie er überhaupt überleben konnte, war für Johannes ein großes Wunder.845 Diese übersteigerte Form Armut zu praktizieren, ist zwar in der Vita ein hagiographischer Topos, sie zeigt aber auch, wie angesehen die Praxis der freiwilligen Armut unter den Eremiten war. Sie ist ein Teil ihrer asketischen Praxis, die in der Vita wiederum ein Gradmesser für ihre Heiligkeit war. Bei dieser Form der Armut und der Freigiebigkeit ging es allerdings nicht darum, das Leid der Armen durch karitative Taten zu lindern. Eine solche Intention wurde vielmehr als hinderlich auf dem Weg zur monastischen Vollkommenheit betrachtet. So soll sich ein Mönch davor hüten, sich von Dämonen zu solchen guten Taten verleiten zu lassen: Sie [die Dämonen] provozieren ihn [den Bruder] auf verschiedene Weisen in der Gestalt der Tugend, damit er die Abgeschiedenheit verlässt, wie dass er die Kranken besuche, den Brüdern diene, die Erschöpften sammle, die Schwachen erfrische, den Ermatteten Ruhe gebe, den Bedrückten helfe oder den Hungrigen zu Essen und den Dürstenden zu trinken gebe und die Armen und Mittellosen unterstütze und vieles Ähnliches.846

Eine solche Haltung ist bereits bei Isaak von Ninive (gest. um 700) zu finden, der für Johannes eine der wichtigsten Autoritäten im Bereich der Mystik und asketischen Praxis darstellte. Isaak warnte, ähnlich wie Johannes bar Kaldun, davor, in karitativer Arbeit aufzugehen.847 Doch er verlangte nicht eine Abwendung von dem Leid in der Welt, vielmehr warnte er vor einer Verstrickung in die Geschäfte der Welt, in die der Eremit gerate, wenn er sich darum bemühe, Güter für Bedürftige zu sammeln.848 Wenn es hier also um das Verschenken von Eigentum geht und dieses Verhalten gelobt wird, so geht es nicht um das Ergebnis, d.  h. um das Lindern der Leiden der Bedürftigen, sondern um die Motivation des Mönchs. Es ist eine vollkommene Form der Barmherzigkeit, die

8 44 V, fol. 218r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 238 (ROC 5, 186–187). 845 V, fol. 163v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 171 (ROC 3, 479). 846 V, fol. 185r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 198 (ROC 4, 405). 847 Für die Haltung Isaaks zur karitativen Arbeit, vgl. Villagomez, Fields, 79–83. 848 Villagomez, Fields, 81.

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dem Akt des Verschenkens von Dingen, vor allem von solchen, die der Gebende selbst benötigt, zugrunde liegt. Diese Barmherzigkeit ist unabhängig von der Menge dessen, was gegeben wird.849 Johannes bar Kaldun macht dies in einer Geschichte, die er über den Eremiten Petrus schreibt, deutlich: Petrus war Eremit im ersten Jahr und verschenkte einen Teil des Brots, das er von der Klostergemeinschaft erhielt, an Arme. Da ihm das Brot nun nicht mehr reichte, ging er zu Josef Busnāyā in der Hoffnung, dort mehr Brot zu erhalten. Josef gab ihm etwas Brot, aber nur drei kleine Laibe. Dies war alles, was er zu dieser Zeit in seiner Zelle hatte. Petrus – so berichtet Johannes – war darüber enttäuscht, weil er auf mehr Brot gehofft hatte, das er den Armen geben könnte. Er bemerkt jedoch bald, dass dieses Brot und auch das Brot, das er von der Gemeinschaft erhielt, nun nicht mehr weniger wurde, soviel er auch an die Armen weiterverschenkte. Nach einem Jahr fragte ihn Josef, ob ihm denn kein Brot mehr fehle. Als ihm Petrus von dem Brot erzählte, beendete Josef das Wunder.850 Petrus lebte im ersten Jahr in der Zelle als Eremit. Er war zu der extremen Armut, zu der beispielsweise Paulus in obiger Anekdote fähig war, noch nicht in der Lage und das Brot, das er verschenkte, fehlte ihm als Nahrung. Auch hier steht also die Askese im Vordergrund. Dass dieses Wunder nach einem Jahr nach dem Willen Josefs aufhörte, zeigt, dass es auch hier nicht um das Lindern der Not der Armen ging. Johannes bar Kaldun zeigt mit dieser Geschichte, dass auch die freiwillige Armut eine Fähigkeit fortgeschrittener Asketen war, die erst gelernt werden musste. Auf der anderen Seite zeigen diese Geschichten aber auch, dass die Mönche Petrus und Paulus beide Brot von der klösterlichen Gemeinschaft erhielten. In den Klosterregeln des Dāḏīšōʿ für das Große Kloster sollte der Hausmeister (rabbaytā) regelmäßig die Eremiten besuchen und kontrollieren, dass sie genug zu essen hatten. Er sollte sich auch darum kümmern, dass ihnen sonst nichts fehle.851 Die Regeln des Bāḇay verdeutlichen, dass damit auch die Kleidung gemeint war. Bāḇay betont auch, dass die Mönche mit den Leihgaben des Klosters sorgsam umgehen sollten.852 Ob den Eremiten in der Vita des Josef Busnāyā die Kleidung gestellt wurde, ist nicht eindeutig. Formelhaft wird über die Armut bestimmter Eremiten gesagt, dass sie nichts besaßen, außer dem

849 Vergleiche hierzu auch das Kapitel Johannes bar Kalduns über die Barmherzigkeit (V, fol. 191r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 205–206 (ROC 4, 412–413)). 850 V, fol. 75r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 77–78 (ROC 3, 106–107). 851 Regeln 22 und 23 (Dāḏīšōʿ, Rules, 172–173); vgl. auch Tamcke, Sab̲ rīšōʻ, 43–44. 852 Regel 14 (Bāḇay der Große, Rules, 181).

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Gewand, das sie trugen.853 Ebenso berichtet Johannes bar Kaldun, dass er Josef Busnāyā immer wieder ohne Untergewand angetroffen habe, weil er dieses einem Armen geschenkt hatte. Johannes bar Kaldun kam es dann zu, ihm neue Untergewänder zu bringen.854 Bei diesen Berichten könnte es sich um hagiographische Armutstopoi handeln. Sie sind daher nicht als eindeutiger Hinweis darauf zu werten, dass die Kleidung den Mönchen gehörte und ihnen nicht nur vom Kloster zur Nutzung überlassen wurde. Diese Betonung der freiwilligen Armut und des Verzichts auf Besitz bedeutet jedoch nicht, dass es den Eremiten nicht erlaubt war, Besitz zu haben.855 Vielmehr beschreibt Johannes bar Kaldun herausragende Eremiten als Meister des Verzichts, weil diese Besitzlosigkeit nicht allgemein verlangt wurde. Sie war ähnlich wie das Fasten und die Nachtwache eine asketische Praxis und Beispiele aus der Vita zeigen, wie diese Form der Askese in sehr unterschiedlichen Graden bei den Mönchen des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē und anderer Klöster ausgeprägt war. Johannes bar Kaldun will in der Vita diese Praxis der freiwilligen Armut betonen, geht es ihm doch um die Perfektion der Askese in der Abgeschiedenheit der Zelle. Doch oft erwähnt er en passant, im Rahmen von Anekdoten oder Wunderberichten, dass selbst diejenigen Mönche, deren Armut besonders gerühmt wurde, Besitz hatten. Dies fängt schon auf der basalsten Ebene des monastischen Lebens an: Die Zelle des Mönchs war sein Eigentum. So ist es den Regeln des Katholikos-Patriarchen Īšōʿ bar Nūn (gest. 828) zu entnehmen. In diesen wird ausgeschlossen, dass die Familie eines Mönchs dessen Zelle und andere Besitztümer erbt. Dort wird auch festgesetzt, dass die Zelle eines Mönchs nach seinem Tod wieder in den Klosterbesitz zurückfällt.856 Dies wäre nicht notwendig, wenn die Zelle dem Mönch lediglich überlassen worden und nicht dessen Besitz gewesen wäre. Im Gegenzug durfte auch der Mönch nichts von seinen Blutsverwandten erben, wohl aber Geschenke von ihnen annehmen.857 In den drei Klosterregeln der abrahamitischen Klosterreform finden sich Regelungen dazu, wie der Erwerb einer Zelle vor sich ging. Man kann dort sogar eine Entwicklung wahrnehmen: In der ersten von Abraham von Kaškar abgefassten Klosterregel wird erwähnt, dass sich die Eremiten 853 V, fol. 88v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 90 (ROC 3, 119); V, fol. 161v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 168 (ROC 3, 476). 854 V, fol. 88v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 90 (ROC 3, 119). 855 Ähnliche Beobachtungen machte Cynthia Villagomez im Buch der Vorsteher des Thomas von Margā, vgl. Villagomez, Fields, 143. 856 Vgl. Regelung 67 bei Īšōʿ bar Nūn (Īšōʿ bar Nūn, Rules, 192–193). 857 Vgl. Regelung 68 bei Īšōʿ bar Nūn (Īšōʿ bar Nūn, Rules, 193–194).

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jeweils eine Zelle erbauten oder eine Höhle in den Berg gruben, um dort zu leben.858 Bereits unter seinem Nachfolger Dāḏīšōʿ wird die Neuaufnahme von Novizen genauer geregelt. Wenn sich diese während ihrer Zeit im Zönobium bewährt hatten, konnten sie im Kloster als Eremiten bleiben und sich eine Zelle erbauen, wobei die Gemeinschaft ihnen drei Tage lang helfen durfte. Falls sich leere Zellen im Kloster befanden, sollten sie diese erhalten.859 Die Regel des dritten Abtes des Großen Klosters, Bāḇay des Großen, wird noch spezifischer: Der Mönch soll drei Jahre im Coenobium Dienst tun; sodann erhält er aus dem Klosterschatz [arab. al-ǧāwa, von syr. gawwā] 5 Silberastern, um eine Zelle zu bauen, und alle Brüder helfen ihm mit dem Drittel seiner Arbeit; ist im Kloster eine leere Zelle vorhanden, so arbeitet er vier Jahre (im Coenobium), worauf er die Zelle zugewiesen erhält. Ist er ein Novize und kräftig, arbeitet er noch länger; und wenn jemand die Zelle von seinem eigenen Geld baut, so arbeitet er zwei Jahre.860

Die Arbeit im Zönobium wurde also nicht nur – wie in der Vita dargestellt – als Noviziat und Schule des Gehorsams und der Demut verstanden, sondern auch als Arbeit für das Kloster, durch das sich der Mönch ein Recht auf eine Zelle erwarb. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass der angehende Mönch, je nach Eigeneinsatz, unterschiedlich lange im Zönobium arbeiten musste. Übernahm er eine bereits vorhandene Zelle, war sein persönlicher Einsatz geringer als der des Mönchs, der die Zelle selbst baute. Daher musste er auch ein Jahr länger für das Kloster arbeiten. Gleichzeitig musste ein Mönch, der ohne finanzielle Hilfe des Klosters eine Zelle erbaute, weniger Zeit im Zönobium verbringen. In späteren Quellen ist auch der Kauf von fertigen Zellen vom Kloster und von anderen Mönchen möglich. So berichtet aš-Šābuštī über die Situation des Klosters Dayr Qunnā südlich von Bagdad Folgendes: Die Mönche verkauften dort ihre Zellen zu Preisen zwischen 50 und 1000 Dinar. Diese Preisunterschiede lassen sich durch die verschiedenen Gestaltungen und Ausstattungen der Zellen erklären. So gehörten in Dayr Qunnā zu den Zellen auch Gärten, deren Erträge die Mönche für zwischen 50 und 200 Dinar pro Jahr verkauften, um sich so ihren Lebensunterhalt zu verdienen.861 Für die Novizen hieß das aber auch, dass sie z. T. die Unterstützung ihrer Eltern brauchten, um

8 58 Abraham von Kaškar, Rules, 153; Jullien, Monachisme en Perse, 130. 859 So die Regel 13 der Regeln von Dāḏīšōʿ, vgl. Dāḏīšōʿ, Rules, 170–171; Jullien, Monachisme en Perse, 141. 860 Siebte Regel (Bāḇay der Große, Rules, 179 (arab./engl.); Ibn aṭ-Ṭayyib, Fiqh annaṣrānīya, II [textus] 175 (arab.); II [versio] 177 (deutsch)). 861 Sachau, Klosterbuch, 17.

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sich das monastische Leben leisten zu können, wie es in einer Anekdote bei Yāqūt überliefert wird.862 So geht es auch Johannes bar Kaldun, der am Ende seiner Zeit im Zönobium ebenfalls eine Zelle, die ihm gefiel, von einem Mitbruder kaufen wollte.863 Da die Zelle nach dem Tod eines Mönchs wieder in den Gemeinschaftsbesitz des Klosters fiel, ist anzunehmen, dass der Verkauf von Zellen ein durchaus lukratives Geschäft für die Klostergemeinschaft war. Wie oben erwähnt, lässt Rabbān Moses während seiner Zeit als Abt zahlreiche Zellen bauen, selbst für die Zönobiten, die noch keinen Anspruch auf eine Zelle hatten und in der Gemeinschaft lebten.864 Durch eine solche Investition konnte Rabbān Moses durch den Verkauf der Zellen Gelder generieren, aber auch den Zönobiten längere Arbeitszeiten im Zönobium abverlangen. Des Weiteren konnten mit günstigen oder geschenkten Zellen auch gezielt Mönche in das Kloster gelockt werden. So zahlte sich der Bau von Zellen für Rabbān Moses aus: Unter seinem Vorgänger Bar Yaldā befanden sich noch 60 Mönche in Bēṯ Ṣayyārē, während Moses die Zahl auf 300 erhöhen konnte.865 Johannes bar Kaldun schreibt, dass fast alle Zellen während seiner Zeit als Abt erbaut wurden.866 Zwar könnte es sein, dass Johannes bar Kaldun den Erfolg Rabbān Moses’ übertreibt, um seine Fähigkeiten als Abt hervorzuheben, doch auch andere Erzählungen deuten darauf hin, dass Moses die Überlassung von Zellen gezielt einsetzte, um Mönche in sein Kloster zu holen:  Eine Person, die er so nach Bēṯ Ṣayyārē holte, war Josef Busnāyā. Die Klostergemeinschaft von Bēṯ Ṣayyārē überließ ihm nach dem Tod seines Bruders Gabriel dessen Zelle mitsamt der Möblierung.867 Ob zur Zelle der Mönche in Bēṯ Ṣayyārē ein Garten gehörte, wie es aš-Šābuštī für die Klöster Dayr Qunnā und Dayr Kaškar erwähnt, wird nicht ausgeführt. Die Vita nennt lediglich einmal einen Schatten spendenden Baum als Bestandteil einer Zelle.868 Ein weiterer Fall betrifft Gabriel den Küster. Dieser wurde zunächst im Kloster des Rabbān Hormizd Zönobit. Während seiner Zeit in diesem Kloster wollte er jedoch in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē wechseln, da er Schüler von Rabbān Moses werden wollte. Dieser erlaubte es ihm, aber er musste zunächst seine Zeit im Zönobium im Kloster des Rabbān Hormizd beenden, bevor er nach Bēṯ Ṣayyārē umziehen durfte. Nachdem er vier Jahre im 8 62 Vgl. Troupeau, Couvent chrétien, 269; Campbell, Heaven of Wine, 41–42. 863 V, fol. 69v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 72 (ROC 3, 101). 864 V, fol. 113r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 117 (ROC 3, 294–295). 865 V, fol. 151r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 157–158 (ROC 3, 465). 866 V, fol. 113r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 117 (ROC 3, 294). 867 Vgl. o. S. 129. 868 V, fol. 55v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 59 (ROC 3, 88).

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Zönobium im Kloster des Rabbān Hormizd verbracht hatte, befahl ihm Rabbān Moses, dass er erneut die volle Zeit im Zönobium, diesmal in Bēṯ Ṣayyārē dienen musste.869 Dies passt zu der Vermutung, dass sich ein Zönobit durch seine Arbeit für das Kloster das Recht auf eine Zelle in diesem Kloster erwarb. Gabriel hatte nach vier Jahren im Zönobium in dem Kloster des Rabbān Hormizd das Recht auf eine Zelle erworben, nicht jedoch für das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē, wo er nochmals vier Jahre arbeiten musste. Zellen waren nicht der einzige Besitz der Mönche. Es gehörte zwar zum Ideal, dass der Mönch nichts anderes in seiner Zelle besitzen sollte als ein Kreuz an der Wand, ein Neues Testament für die tägliche Lektüre, Gefäße, in denen er Wasser und Brot aufbewahren konnte, und Kleidung, die er am Leibe trug, doch die Vita offenbart, dass ein Bruder in seiner Zelle durchaus auch Gegenstände und Möbel besitzen konnte. So befand sich nicht nur in der Zelle von Josef Busnāyā ein Stuhl.870 Als er noch während seiner Zeit als Mönch im Kloster des Rabbān Hormizd in einer Höhle in den Bergen einen Anhänger in Kreuzesform fand, nahm er ihn mit in seine Zelle, um ihn dort zu verstecken: Als er in seine Zelle zurückkam, legte er es [den Anhänger] in ein kleines Gefäß (ḥuqtā) und versteckte das kleine Gefäß in einem Schatz (ḥāzīṯā)871, das heißt einem Versteck, das er hatte, und schloss die Tür des Verstecks.872

Das ḥuqtā,  – dieses Wort kann ein kleines Gefäß oder eine kleine Schatulle bezeichnen  – in der Josef seinen Wertgegenstand aufbewahrte, und das Versteck gehören zu der narrativen Konstruktion der Anekdote. Doch allein die Tatsache, dass Johannes bar Kaldun in der Vita einem Eremiten ein solches Versteck zuschreiben konnte, zeigt, dass dies keine undenkbare Ausstattung einer Zelle war. Eine andere Geschichte zeigt auf, dass Johannes bar Kaldun davon ausging, dass auch andere Brüder Wertgegenstände in ihren Zellen aufbewahrten: Er berichtet davon, dass einer der Mönche in die Zellen seiner Mitbrüder einbrach, um dort nach wertvollen Gegenständen zu suchen und diese 8 69 V, fol. 144v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 150–151 (ROC 3, 458). 870 V, fol. 38r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 41 (ROC 2, 398); V, fol. 136r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 141 (ROC 3, 318). 871 Chabot übersetzt dieses Wort mit „armoire“, d. h. Schrank (Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 53 (ROC 3, 81)). In den gängigen Wörterbüchern konnte ich dieses Wort nicht finden. Chabot scheint die Übersetzung aus dem Zusammenhang erschlossen zu haben. Die angeführte Übersetzung konnte ich lediglich in dem 2016 erschienenen einsprachigen Wörterbuch von Yuyakim d- Ḇēṯ Yaʿquḇ finden (Yuyaqim d-Ḇēṯ Yaʿquḇ, Key of Language, 652). 872 V, fol. 49v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 52 (ROC 3, 81).

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zu stehlen.873 Vor diesem Hintergrund erscheint auch die Existenz eines Verstecks in der Zelle sinnvoll. Von einem anderen Bruder wird berichtet, dass er einen wertvollen Rohstoff besaß:  Gips (gaṣṣā). Dies war noch bis in jüngster Zeit ein Luxusgut im Ṣap̄ nātal,874 das verwendet wurde, um Innenräume zu verputzen. Der besagte Bruder spendete es dem Kloster, um das Grabmal eines Mitbruders plastisch zu gestalten.875

7.4.  Ausgaben des Klosters Neben dem Lebensunterhalt für die Eremiten durch die Bereitstellung von Lebensmitteln und Kleidung hatte das Kloster weitere Ausgaben. Insbesondere sind in der Vita die Investitionen greifbar, die in der Zeit des Rabbān Moses getätigt wurden. So ließ er  – wie bereits beschrieben  – unter seiner Aufsicht zahlreiche Zellen bauen. Johannes schreibt, dass der größte Teil der Zellen des Klosters aus dieser Zeit stammt.876 Es wird auch von einer Mühle berichtet, die unter seiner Aufsicht errichtet wurde. Den Bau der Mühle führten Brüder aus, sogar Rabbān Moses selbst legte Hand an.877 Ähnlich ist auch anzunehmen, dass für den Bau der Zellen Brüder herangezogen wurden. Darauf deutet zumindest hin, dass die Berechnung der Kosten für den Bau der Zellen nicht in einer Währung erfolgte. Stattdessen begutachtete Rabbān Moses den Füllstand der Getreidekammer. Daraus ergab sich für ihn die Anzahl der Zellen, die gebaut werden konnten. Bei dieser Berechnung ging es nicht um den Wert des Getreides auf dem Markt, sondern um die zusätzliche Menge, die während des Baus konsumiert wurde.878 Denn es ist anzunehmen, dass die körperlich arbeitenden Mönche auch Anspruch auf größere Essensrationen hatten als die zurückgezogen lebenden Eremiten.879 Ob dem Kloster seine eigene Lebensmittelproduktion ausreichte, erwähnt Johannes bar Kaldun nicht, doch es ist 8 73 V, fol. 120v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 124 (ROC 3, 301). 874 Vgl. zur Situation im 20. Jahrhundert und zur Herstellung und dem Gebrauch von Gips im Bawar-Gebiet Khan, Barwar, III 1960–1963. 875 V, fol. 148v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 154 (ROC 3, 462). 876 Vgl. o. S. 196. 877 V, fol. 125v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128 (ROC 3, 306). 878 V, fol. 113v–114r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 117–118 (ROC 3, 295). 879 Bereits in den Kanones des Mārūṯā wird geschrieben, dass körperlich arbeitende Mönche Anspruch auf zwei Mahlzeiten hatten, vgl. Mārūṯā von Mayp̄ erqaṭ, SoCalled Canons, 141; Mārūṯā von Mayp̄ erqaṭ, Canons, [versio] 82 (engl.); [textus] 98 (syr.). In der Vita wird dieser Anspruch zwar nicht explizit genannt, in der Lehrrede an die Zönobiten schreibt Johannes bar Kaldun aber, dass die Zönobiten sich daran

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zu vermuten. Nur an einer Stelle erzählt er, dass während einer Lebensmittelknappheit das Kloster des Rabbān Hormizd Getreide einkaufen musste.880 Externe Arbeitskräfte, wie sie in älteren Quellen greifbar sind,881 werden in der Vita nicht erwähnt. Die einzige Ausnahme davon ist beim Bau der Kirche des Klosters des Josef von Īnēšk zu finden. In dieser Erzählung wird berichtet, dass ʿAḇdīšōʿ Dasenāyā einen Baumeister (ardeḵlā) beauftragte, um die Kirche zu errichten.882 Allerdings erbaute ʿAḇdīšōʿ ein neues Kloster und konnte daher nicht auf die Ressourcen eines bereits wirtschaftenden Klosters zurückgreifen. Nach dem Tod von Rabbān Moses verließ er das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē und gründete das verlassene Kloster von Īnēšk an anderer Stelle neu. Ob er bei diesem Unternehmen bereits Gefolgsleute hatte und wie er den Neubau finanzierte, wird nicht erwähnt. Weitere Ausgaben kamen durch die karitativen Tätigkeiten des Klosters zustande. Allerdings erwähnt sie Johannes bar Kaldun nur am Rande. Obwohl er den Dienst an den Armen nicht als Aufgabe der Eremiten sah, gehörte die Weitergabe von Nahrungsmitteln und Kleidung als ein Topos zu der Charakterisierung der Mönche: Die Eremiten gaben das wenige, das sie besaßen, an Bedürftige ab.883 Auch über die Heilung von Kranken finden sich viele Erzählungen in der Vita. Hingegen berichtet Johannes bar Kaldun nur einmal davon, dass ein Eremit längere Zeit einen Kranken pflegte: Johannes Dasenāyā kümmerte sich drei Jahre lang um einen kranken Mann in seiner eigenen Zelle bis zu dessen Tod.884 Auf der anderen Seite finden sich in der Vita Hinweise darauf, dass sich das Kloster insgesamt in der Pflicht sah, sich um Arme, Kranke und Fremde (aksnāyā)885 zu kümmern. Dies war jedoch die Aufgabe der Zönobiten. Die Armen sammelten sich an der Tür zum Gemeinschaftsgebäude (gawwā),886 ein eigenes Gebäude für diese Besucher wie in anderen Klöstern scheint es in gewöhnen sollten, nur einmal am Tag zu essen (V, fol. 171v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 181 (ROC 4, 388)). Dies zeigt, dass sie den Anspruch auf eine weitere Mahlzeit hatten. Auch wird erwähnt, dass sich Mönche zum Frühstück versammelten (V, fol. 153r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 159–160 (ROC 3, 467–468)). 880 V, fol. 94r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 97 (ROC 3, 172). 881 Vgl. Villagomez, Fields, 143. 882 V, fol. 135v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138–139 (ROC 3, 315–316). 883 Vgl. auch o. Kapitel 7.3. 884 V, fol. 143r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 149 (ROC 3, 326). 885 Auffällig ist, dass der syrische Begriff aksnāyā (von griech. xenos) in der Vita häufig in der Bedeutung von „Armer“ verwendet wird. So kann man in der Vita nur im Kontext unterscheiden, ob ein Pilger, der das Kloster betritt, bedürftig ist. 886 V, fol. 143r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 149 (ROC 3, 326).

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den in der Vita beschriebenen Klöstern nicht gegeben zu haben.887 Johannes bar Kaldun berichtet des Weiteren, dass im Kloster des Rabbān Hormizd ein Mönch der Aufgabe nachging, sich um alle Besucher zu kümmern und ihnen Essen zu besorgen.888 Für die Verteilung der Nahrungsmittel des Klosterbesitzes an diese Armen war der Abt zuständig. So wird von Rabbān Moses berichtet, dass er Nahrungsmittel aus dem Klosterbesitz an jene gab, die ihn darum baten.889 Auch wird geschildert, dass ein Christ aus Bā Ḇūsā Johannes von Ḥelap̄ tā, den Abt von Rabbān Hormizd, um Nahrungsmittel für seine Familie bat.890 Schließlich hatte das Kloster als Wirtschaftsbetrieb auch eine Steuer zu entrichten. Eine Anekdote aus der Spätzeit des Klosters berichtet Folgendes: Ein alter Mönch des Klosters, Išōʿ von Menšā, traf auf Johannes bar Kaldun und dessen Bruder, der ein Soldat in der Armee des Ḥamdāniden-Herrschers Abū Taġlib war und auf dessen Seite gegen ʿAḍudaddawla kämpfte. Der Alte wusste dies und rief dem Bruder zu: Wisse, dass dieser Mächtige, mit dem du bist, deswegen, weil er es anmaßend wagt, Steuern (maddaṯā) von den Eremiten (īḥīdāyē) zu erheben in Kürze eine Bestrafung ohne Erbarmen empfangen wird.891

Der Bruder des Johannes bat den Mönch um Erbarmen für seinen Fürsten, aber es half nichts: Abū Taġlibs Schicksal war bereits entschieden. Die Geschichte bezieht sich auf die Niederlage Abū Taġlibs gegen den Būyidenherrscher von Shiraz und Bagdad ʿAḍudaddawla bei Samarra im Mai 978. Zwar konnte sich Abū Taġlib der Gefangenschaft entziehen, er starb aber ein Jahr darauf auf der Flucht im August 979 bei einer Schlacht in der Nähe von Damaskus.892 Der Text berichtet aber auch, dass den Eremiten eine Steuer (maddaṯā) auferlegt wurde. Auch wenn es über die Steuerpolitik der Ḥamdāniden keine Informationen 887 In vielen Klöstern gab es sogenannte Xenodochien, in dem Pilger und Kranke untergebracht wurden (vgl. zu den Xenodochien Hiltenbrunner, Krankenhaus, 893–895 im Allgemeinen sowie 897–900 für die Situation bei den Syrern). Eine solche Einrichtung wird in den Klöstern der Vita nicht genannt. Auch den Kranken, um den sich Johannes Dasenāyā kümmerte, fand dieser an der Tür zum gawwā und versorgte ihn in seiner Zelle (V, fol. 143r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 149 (ROC 3, 326)) und der kranke Johannes bar Kaldun wird in einer Zelle eines Mitbruders gepflegt (V, fol. 69v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 72 (ROC 3, 101)). 888 V, fol. 127v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 131 (ROC 3, 308). 889 V, fol. 113v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 118 (ROC 3, 295). 890 V, fol. 95v–96r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 98 (ROC 3, 173–174). 891 V, fol. 160v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 168 (ROC 3, 476). 892 Vgl. ausführlicher o. Kapitel 2.5.1.2.

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gibt, so kann man davon ausgehen, dass sie sich nicht von den Prinzipien der damaligen muslimischen Steuerpraxis unterschieden. Ihre Grundlage bestand aus zwei Steuern, die den geduldeten Religionen, den ahl aḏ-ḏimma, auferlegt wurden: die ǧizya, einer Kopfsteuer,893 und der ḫarāǧ, einer Bodensteuer,894 die auf das bearbeitete Land entfiel. Der hier gebrauchte syrische Begriff maddaṯā konnte beides bezeichnen.895 Für gewöhnlich mussten die nicht muslimischen Landbesitzer für ihr Land Steuern bezahlen.896 Es besteht daher kein Anlass zu glauben, dass das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē keine solche Steuer bezahlen musste, auch wenn sie in der Vita nicht erwähnt wird. Andere Quellen verdeutlichen die Regelmäßigkeit, mit der diese Steuer von den Klöstern verlangt wurde.897 Jene Steuer, von der im oben genannten Text die Rede ist, wurde jedoch von den Eremiten, den īḥīdāyē, erhoben und nicht vom Kloster als Landbesitzer. Hinzu kam, dass sie nach diesem Zitat von Abū Taġlib eingeführt wurde, zuvor also keinen Bestand hatte. Es ist daher wahrscheinlicher, dass es sich hier um die Kopfsteuer handelte. Grundsätzlich war unter den ḏimmī jeder männliche freie Erwachsene ohne Behinderung verpflichtet, diese Kopfsteuer zu zahlen. Ausgenommen waren Frauen, Kinder, Sklaven, Behinderte und alte Männer.898 Wie die Situation für die Mönche aussah, ist schwieriger zu bestimmen. Immer wieder wurden die Priester, Bischöfe, Mönche und Eremiten von der Kopfsteuer ausgenommen.899 Diese Regelungen waren aber keinesfalls einheitlich, sondern variierten

893 Vgl. Cahen, Ḏj̲ izya; Fattal, Statut legal, 264–291; Freidenreich, Christians in Sunnī Law, 102–103. Vgl. auch zur frühen Geschichte der Kopfsteuer Morony, Iraq, 106–111. 894 Vgl. Cahen, K̲ h̲ arād̲ j̲ ; Fattal, Statut legal, 292–343, vgl. zur frühen Geschichte der Landsteuer vgl. auch Morony, Iraq, 99–106. 895 Z. B. im Wörterbuch des Bar Bahlūl wird es für beide Begriffe gebraucht (Bar Bahlūl, Lexicon, I 1009; vgl. auch Smith, Thesaurus, 2011). Anders im Übersetzerbuch des Elias von Nisibis. Dieser setzt die maddaṯā mit der ḫarāǧ gleich. Die ǧizya ist bei ihm das ksep̄ rišā, (Elias von Nisibis, Kitāb at-Tarǧumān, 18). Vgl. auch Morony, Iraq, 109. 896 Der Status des Landes war von der Situation desselben zur Zeit der Eroberungen durch die Muslime abhängig. So wurde die Landsteuer auch auf Ländereien erhoben, dessen Besitzer zum Islam konvertiert waren, oder wenn das Land an Muslime verkauft wurde, vgl. Fattal, Statut legal, 295–297. 897 Vgl. Villagomez, Fields, 124. Eine Aufstellung von Ausnahmen, die von Kalifen bestimmten Klöstern gewährt wurden, findet sich bei Fattal, Statut legal, 300–301. 898 Vgl. Cahen, Ḏj̲ izya, 561. 899 Vgl. Fattal, Statut legal, 270–273.

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Das Kloster als Wirtschaftsbetrieb

während des Mittelalters. Auch konnten die Regelungen je nach Region voneinander abweichen. So berichtet eine muslimische Quelle, dass 925 der Kalif al-Muqtadir Bischöfe und Mönche von der Kopfsteuer freistellte.900 Im gleichen Jahr verlangte der neue Wesir in Ägypten von den dortigen Mönchen die Kopfsteuer, von der sie zuvor ausgenommen waren.901 Es ist daher möglich, dass Abū Taġlib während der zwölf Jahre, die er über Mosul und Umgebung herrschte, die Kopfsteuer für Eremiten erhoben hat. Im Jahr 979, ein Jahr nach der Flucht Abū Taġlibs, erneuerte der Kalif aṭ-Ṭāʾiʿ nochmals die Bestimmung seines Vorgängers aus dem Jahre 925.902 Dies könnte durchaus eine Reaktion auf eine solche Steuerpraxis des Abū Taġlib gewesen sein, mit der der Kalif die Steuerpraxis in der Mosuler Provinz wieder auf die Linie Bagdads bringen wollte. Der faktische Herrscher Bagdads, ʿAḍudaddawla, zumindest war Christen gegenüber nicht prinzipiell negativ eingestellt. So erlaubte er seinem Wesir, dem Christen Naṣr b. Harūn, Kirchen und Klöster zu erbauen.903

9 00 Vgl. Fattal, Statut legal, 272. 901 Mushe von Nisibis, der Abt des Syrerklosters in Ägypten, reiste 925 nach Bagdad, um diese Steuerauflagen durch Intervention am Kalifenhof rückgängig zu machen, vgl. Brock, Mushe, 15–16. 902 Fattal, Statut legal, 272. 903 Ibn Miskawayh, Experiences, II.1 408 (arab.); II.2 447 (engl.); vgl. auch Bürgel, Hofkorrespondenz, 22.

8. Die Außenbeziehungen des Klosters In der Vita des Josef Busnāyā wird das Kloster nicht nur in seiner Beziehung zu anderen Klöstern und als wirtschaftlicher Betrieb betrachtet, sondern auch in seiner Interaktion mit seinem nicht monastischen Umfeld. Im Nordirak des 10.  Jahrhunderts bestand dieses aus einer Vielzahl unterschiedlicher Gruppen. Die Mönche, an die sich die Vita des Josef Busnāyā richtete, agierten mit ihnen auf einer alltäglichen Ebene. Daher soll sich das letzte Kapitel mit diesen Gruppen beschäftigen, die Johannes bar Kaldun vor allem aus der Innenperspektive des Klosters betrachtet. In den Beschreibungen der Vita finden diese Interaktionen in den meisten Fällen im Kloster statt, das von vielen Menschen besucht wurde. Diese Besucher spielen in der Vita eine bestimmte, vom Autor gewünschte Rolle, die in der narrativen Episode jeweils betont wird. Dabei charakterisiert der Autor diese Personen nicht nur durch ihr Verhalten, sondern auch indem er sie einer Gruppe zuordnet. Die Assoziationen und Konnotationen, die mit der jeweiligen Gruppenbezeichnung in einer bestimmten Zeit, Sprache und Region verbunden waren, sind heute oft nicht mehr geläufig, weswegen eine genaue Betrachtung der Gruppenbezeichnungen sinnvoll ist. In der vorliegenden Arbeit müssen daher auch scheinbar klare Begriffe genauer betrachtet werden, um begreifen zu können, wer hier mit dem Kloster in Kontakt tritt und wie ein solcher Kontakt zu bewerten ist. Die Gruppen, ihre Namen und ihre Funktion im Text müssen einer Analyse unterzogen werden. Erst im Anschluss ist es möglich, auch die Beziehung des Klosters mit den Gruppen zu untersuchen. Diese Beziehungen nehmen zwei Formen an: Zum einen gestaltete das Kloster mit seiner Umgebung das Zusammenleben in friedlicher Weise. Zum anderen kam es zu Konflikten und Spannungen. Je nach den historischen Rahmenbedingungen in der Region oszillierte das Verhältnis zwischen diesen Formen.

8.1.  Die mhaymnē und die ḥanpē Die Interaktionspartner der Mönche, die in der Vita am häufigsten in Erscheinung treten, sind die mhaymnē (Sg. mhaymnā, „Gläubige“). Dieser Begriff steht in der Vita in verschiedenen Kontexten. In der Forschungsliteratur und in Übersetzungen werden die mhaymnē oftmals als Angehörige der jeweiligen Konfession des Autors verstanden. Sie werden dadurch sowohl von den

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Die Außenbeziehungen des Klosters

Angehörigen anderer Konfessionen als auch anderer Religionsgemeinschaften abgegrenzt. In der Vita wird der Begriff mhaymnā zunächst von dem Begriff ḥanpā (pl. ḥanpē, „Heide“)904 abgegrenzt. Als Johannes Bar Kaldun in der Vita den Bekanntheitsgrad des Josef Busnāyā beschreibt, unterstreicht er dies mit folgenden Worten: „Von überall eilten Mönche ebenso wie Weltliche, mhaymnē und ḥanpē zu ihm.“905 Anders als in den gängigen Wörterbüchern verzeichnet, wird dieser syrische Begriff in muslimischer Zeit nur noch in speziellen Fällen für Anhänger polytheistischer Religionen gebraucht. Im Allgemeinen muss man davon ausgehen, dass dieser Begriff im Mittelalter vor allem verwendet wird, um Muslime zu bezeichnen.906 Diesen Eindruck aus der syrischen Literatur bestätigen für den Fall der Vita des Josef Busnāyā auch die zwei weiteren Nennungen des Begriffs ḥanpē: Der Mönch Jakob verließ – von einem Dämonen getrieben – das Kloster und floh nach Mosul. Dort – so heißt es – machten sich „die ḥanpē und die Kinder“ über ihn lustig.907 Der Begriff ḥanpē bezeichnet in diesem Fall all jene Menschen, die dem Asketen ohne den in der christlichen Religion üblichen Respekt gegenüberstanden, denn für die Zeit des 10.  Jahrhunderts sind in Mosul keine polytheistischen Religionen zu erwarten.908 Die Nutzung des Begriffs im selben Kontext wie die Kinder impliziert ebenso Unmündigkeit wie Unwissenheit. An einer anderen Stelle im achten Kapitel, in dem Johannes Bar Kaldun die Lehre des Josef Busnāyā wiedergibt, taucht eine weitere Abgrenzung auf, die in dieselbe Richtung deutet. Josef Busnāyā zählt hier seinem Schüler die Dinge auf, für die er Gott seine Dankbarkeit entgegenbringen solle: […] für dein Kommen ins Sein; für deine Vernunft, die er dir gegeben hat, damit du nicht wie die wilden Tiere bist; für die guten Dinge, die er dir in dieser Welt zugeteilt hat; auch dafür, dass du vorbereitet bist für das Kommen Christi unseres Herrn und für seine (Welten-)Lenkung zu deinen Gunsten […]; für deine Unterscheidung von den

904 Vgl. Sokoloff/Brockelmann, Syriac Lexicon, 473; Smith, Thesaurus, 1322; Elias von Nisibis, Kitāb at-Tarǧumān, 19; vgl. auch Graf, Verzeichnis, 40. 905 V, fol. 43v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 46 (ROC 2, 404). 906 Vgl. Penn, Dog, 218. 907 V, fol. 60v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 63 (ROC 3, 92). 908 Im 10. Jahrhundert konnten sich polytheistische Religionen nur im ländlichen Bereich halten. Ausnahmen hiervon waren Ḥarran mit seiner polytheistischen Sabiergemeinde und Bagdad, wo eine Reihe sabischer Wissenschaftler am Hof des Kalifen angestellt war vgl. Hämeen-Anttila/Ibn Waḥshiyya, Last Pagans, 46–51; Morony, Iraq, 396–399.

Die mhaymnē und die ḥanpē

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ḥanpē; für die besondere Erkenntnis, die er dir gab, durch die du glaubst wie die Christen; für dein Verlassen der Welt909 und der andauernden Mühen, die in ihr sind; für deine Nähe zu seiner Vertrautheit; für deine Befreiung von Ablenkungen von außen; für deine Leben in deiner Zelle, um mit ihm zu jeder Zeit zu sprechen und dass er dich würdig gemacht hat, seinen heiligen Namen mit deinem unreinen Mund zu rufen; für das Überreichliche, das er dir gegeben hat, nämlich, dass du Gnade über Gnade empfängst. Kurz: du schuldest Gott mit jedem Hauch der dich verlässt und mit jedem Atemzug, den du tust, die überreichliche Gnade, die du empfangen hast.910

Josef Busnāyā beginnt diese Aufzählung, indem er die biographischen Etappen des angehenden Asketen bis zu seiner aktuellen Situation verfolgt und heilsgeschichtlich deutet. Am Anfang steht dessen Erschaffung als vernünftiges Wesen, seiner Zugehörigkeit zur christlichen Religion und der damit einhergehenden Erlösung seiner Person durch das allgemeine Heilswirken Christi. Er endet mit der Entscheidung des Schülers, das Kloster zu betreten und in der Isolation der Zelle seine persönliche Spiritualität zu leben. Eine dieser Etappen, die Josef Busnāyā anführt, behandelt auch den christlichen Glauben und die Abgrenzung von den ḥanpē. Als entscheidende Kategorie nennt er eine besondere Kenntnis, die Gott dem Menschen gibt, und ihm so seinen christlichen Glauben ermöglicht. Ähnlich wie die zuvor beschriebene Stelle der Vita wird auch hier der Begriff ḥanpē mit Unkenntnis in Verbindung gebracht. Beide Stellen deuten darauf hin, dass hier nicht Polytheisten gemeint sind, wie die moderne Übersetzung der Vita von Chabot impliziert, sondern ḥanpē als Gegenbegriff zu den Christen gebraucht wird. Eine Übersetzung des Begriffs ḥanpā als „Nicht-Christ“ ist daher angemessen. Die mhaymnē sind dann als dessen Gegenbegriff zu betrachten. Daher stellt sich die Frage, ob dieser Begriff auch alle Christen ungeachtet ihrer Konfession umfasste. Die oben zitierte Stelle nennt zwar den christlichen Glauben, nicht jedoch das Bekenntnis zu einer bestimmten Konfession.911 Nicht der orthodoxe 9 09 Das „Verlassen der Welt“ bezeichnet den Eintritt in ein Kloster. 910 V, fol. 179r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 190 (ROC 4, 397). 911 Ich setzte hier voraus, dass der Autor anerkannte, dass Angehörige anderer Konfessionen ebenfalls Christen waren. Zwar gibt es in anderen Texten polemische Abschnitte, die Angehörige anderer Konfessionen als Heiden bezeichnen. Diese verwenden dann aber Begriffe aus dem Bereich der pejorativen „Götzendienerei“ (pṯaḵrūṯā) und nicht das neutrale ḥanpē. Vgl. aber auch das aus spätmittelalterlicher Zeit stammende liturgische Formular Ṭekksā ḏ-meštammaš ʿal Yaʿqōḇāyē w-Malkāyē ʿam šarkā ḏ-kolhēn tawdyāṯā ḏ-īṯ ʿalayhēn šmā ḏa-mšīḥā ḏ-hāyēn krīsṭyānē („Die Ordnung, die gefeiert werden soll über die Jakobiten und die Melkiten mit dem Rest aller Konfessionen, die auf sich den Namen Christi (Mšīḥā) haben, die Christen

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Die Außenbeziehungen des Klosters

Glaube, sondern das „Verlassen der Welt“ und somit der Klostereintritt ist die nächste Spezifizierung der Aufzählung. Der Abgrenzung der Christen von den ḥanpē folgt also nicht eine Gegenüberstellung von Häretikern und Rechtgläubigen, sondern von Weltlichen und Mönchen. Auf der anderen Seite wird an weiteren Stellen der Begriff mhaymnē verwendet, um diese Gruppe von Bischöfen, Mönchen und Klerikern abzugrenzen, also von der religiösen Elite. Mhaymnē wird hier im Sinne von „Laie“ gebraucht. So wird betont, dass sowohl Mönche (aḥē) als auch mhaymnē das Kloster besuchten.912 Es sind mhaymnē und Kleriker (bnay ʿēttā), die Briefe mit Bitten um Ratschläge und Unterstützung an den Heiligen schicken.913 Schließlich nennt Johannes bar Kaldun auch Gelehrte (sāp̄ rē), die er als mhaymnē bezeichnet.914 Als Josef Busnāyā mehrmals das Amt des Bischofs (in Nūhaḏrā und Hadiṯā) bzw. Metropoliten (in Nisibis) angeboten wird, sind es die mhaymnē der jeweiligen Städte, die den zuständigen Metropoliten über ihren Wunsch informieren.915 Nachdem der Bischof von Nūhaḏrā ʿAḇdīšōʿ zum Katholikos-Patriarchen der Kirche des Ostens gewählt wurde, schrieben die Metropoliten an die mhaymnē in Mosul, dass sie den Gewählten nach Bagdad schicken sollen.916 Im Erzählkontext dieser Stellen ist es die offizielle kirchliche Funktion der Bischöfe und Priester sowie die Weltentsagung der Mönche, die diese Gruppen von den mhaymnē abgrenzen. Schließlich sollte der Begriff mhaymnē nicht als Beschreibung einer persönlichen Religiosität im Sinne einer Frömmigkeit einer Person gedeutet werden, denn dafür verwendet der Autor den Begriff „wahrer Gläubiger“ (mhaymnā šrīrā).917

sind/werden“). Beide Übersetzungen sind möglich und sinnvoll. Man könnte die Überschrift dieses Formulars so verstehen, dass die Angehörigen der anderen Konfessionen durch das Formular erst zu richtigen Christen werden („… die Christen werden“), aber auch so, dass das Formular nur für diejenigen zu verwenden ist, die bereits Christen sind („… die Christen sind“) und die Konfession wechseln. Das Gebet findet sich in der Handschrift Cambridge, University Library, Add. 1988, ff. 142a-143b. Hier zitiert nach Wright, Catalogue University of Cambridge, I 347. Zur Datierung s. Carlson, Christianity, 272–273. 912 V, fol. 43v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 47 (ROC 2, 405). 913 V, fol. 78v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 80 (ROC 3, 109). 914 Um welche Art Gelehrte es sich handelt, muss offenbleiben. Chabot übersetzt diesen Begriff entweder mit „scribe“ oder mit „légiste“. 915 V, fol. 27r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 28 (ROC 2, 386). 916 V, fol. 53r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 56 (ROC 3, 85). 917 V, fol. 10v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 10 (ROC 2, 386).

Die mhaymnē und die ḥanpē

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In diesen bisherigen Beobachtungen zeigt sich, dass eine Person der Gruppe der mhaymnē zugeordnet wird, wenn sie zum einen kein „Nicht-Christ“ und zum anderen kein kirchlicher Würdenträger bzw. Mönch ist. Eine Konnotation, dass ein mhaymnā ein Mitglied der Kirche des Ostens ist, d. h. der speziellen Kirche, zu der auch das Kloster des Rabbān Hormizd und Bēṯ Ṣayyārē zählten, schwingt dabei mit, ohne dass man sicher davon ausgehen kann. Eine konfessionelle Zugehörigkeit scheint in dem Verständnis, wer zu den Gläubigen gehört, nur von untergeordneter Bedeutung zu sein. Daher stellt sich die Frage, wie Johannes bar Kaldun an weiteren Stellen mit anderen Konfessionen umgeht. Es können zahlreiche Quellen angeführt werden, die zeigen, dass im Mittelalter in Mosul und Umgebung verschiedene Konfessionen und Religionen existierten.918 Auch für die Niniveebene und die Diözese Nūhaḏrā lassen sich Belege für syrisch-orthodoxe kirchliche Strukturen neben der der Kirche des Ostens finden, wenn auch weniger zahlreich.919 Es ist daher davon auszugehen, dass zur Zeit der Existenz des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē im 10. Jahrhundert andere Konfessionen eine Rolle gespielt haben, wahrscheinlich nicht nur in den Kontakten des Klosters mit Mosul und Balad. In der Vita des Josef Busnāyā lassen sich jedoch nur wenige Hinweise auf andere Konfessionen finden und all diese Stellen sind inhaltlich ambivalent. Hinzu kommt, dass nur in einer Passage explizit die „Orthodoxie“ genannt wird: Das Dorf, aus dem Josef Busnāyā stammt, war „ein Schmuck in der Schönheit des orthodoxen Glaubens, […] unvermischt mit der Finsternis des Irrtums, die Lügen über Gott hervorbringt.“920 Unter dem orthodoxen Glauben wird in der Vita die Lehre der Kirche des Ostens verstanden, der auch Josef Busnāyā angehörte. Diese Beschreibung stammt jedoch aus der Kindheitserzählung der Vita und beschreibt seine Herkunft und Familie. Auf diese biographische Etappe des Heiligen hatte selbst ein zeitgenössischer Autor wie Johannes bar Kaldun wenig Zugriff, weswegen hier besonders mit einem verstärkten Gebrauch von Topoi zu rechnen ist.921 Hinzu kommt, dass die Charakterisierung der Herkunft des Heiligen als besonders fromm und rechtgläubig zu einem häufigen Topos in der byzantinischen und orientalischen 918 Für Mosul aus christlicher Sicht, vgl. Fiey, Mossoul, aus jüdischer Sicht Ahram, Mosul; Ben-Yaʿaqōv/Borchardt/Cohen, Mosul. 919 Vgl. Fiey, Sanctuaires, 202, 228–229. So spielt auch in der Vita des Rabbān Hormizd die Auseinandersetzung mit der syrisch-orthodoxen Kirche eine bedeutende Rolle, vgl. die Zusammenfassung der Vita in Budge, Histories, II.1 xii–xix. 920 V, fol. 11v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 11 (ROC 2, 369). 921 Vgl. auch Pratsch, Jungle, besonders 62–63 und 70.

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Die Außenbeziehungen des Klosters

Hagiographie gehört.922 Die Betonung der Orthodoxie des Heimatdorfes darf daher weder als Hinweis auf eine besondere Bedeutung der konfessionellen Zugehörigkeit in der Vita gewertet, noch als Aussage zur konfessionellen Zusammensetzung des Heimatdorfes Josef Busnāyās verstanden werden. Auch die Tatsache, dass in der Vita ansonsten von den Begrifflichkeiten, die Orthodoxie und Häresie beschreiben, jegliche Spur fehlt, verhärtet den Eindruck, dass der Autor hier einen hagiographischen Topos verwendet. Die Verwendung des Begriffs „Orthodoxie“ ist daher kein Nachweis einer besonderen Betonung von konfessionellen Unterschieden. Eventuell sind folgende Stellen im Sinne konfessioneller Spannungen deutbar: Ein Mann, der ins Kloster kam, wird als Christ (krīsṭyānā) bezeichnet.923 Die Verwendung dieses neutralen Begriffs um eine Person zu beschreiben ist einmalig in der Vita. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass diese Person einer anderen Konfession angehörte. Da der betreffende Mann in der Anekdote jedoch ungehorsam gegenüber den Mönchen auftrat, kann es sich hier auch um eine bewusste Abgrenzung von den anderen durchwegs gehorsamen mhaymnē handeln, die als Bittsteller das Kloster besuchten. Noch eine weitere Passage ist für die Frage, wie das Verhältnis des Klosters zu anderen Konfessionen in der Vita gestaltet wurde, relevant. Der Autor stellt das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē zur Zeit seiner Jugend als das vollkommene Kloster dar und beschreibt, wie die Besucher das beständige Beten der 150 Mönche erlebten: Sobald nun jemand ins Kloster kam, sei er ein Vertrauter und Sohn des Glaubens (bar haymānūṯā), sei er ein Fremder und von einem anderen Bekenntnis (tawdīṯā), stand er in Erstaunen da, weil er alle Zellen wie das Gesumme eines geschäftigen Bienenstocks hörte.924

Hier werden die Vertrauten den Fremden gegenübergestellt. Diese unspezifischen Begriffe ergänzt Johannes bar Kaldun um weitere, die in der Vita ansonsten nicht verwendet werden. Er bezeichnet einen Vertrauten des Klosters als bar haymānūṯā, „Sohn des Glaubens“. Die einschlägigen Wörterbücher übersetzen 922 Vgl. Pratsch, Topos, 66–68. Dagegen ist die Bezeichnung der Eltern des Heiligen als „wahrhafte Gläubige“ nicht im konfessionellen Sinne gemeint, sondern im Sinne ihrer persönlichen Frömmigkeit. Darauf deutet vor allem die Bezeichnung der Mutter als „versehen mit dem Glauben der wahrhaften Gläubigen, mit der man Berge versetzt“ hin (V, fol. 14v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 14 (ROC 2, 372)). Hier wird gerade ihr über den einfachen Glauben der anderen Kirchenmitglieder hinausgehender Glaube hervorgehoben. 923 V, fol. 95v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 99 (ROC 3, 174). 924 V, fol. 154v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 161 (ROC 3, 469).

Die mhaymnē und die ḥanpē

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dies als Glaubensgenosse. Die Fremden hingegen werden in der Vita als Angehörige einer anderen tawdīṯā beschrieben. Dies übersetzen die Wörterbücher wiederum als „Konfession“ oder „Religion“. Dass Johannes bar Kaldun hier nicht das Begriffspaar mhaymnē – ḥanpē verwendet, sondern auf das gegenüber dem mhaymnē vertraulichere bar haymānūṯā und das gegenüber dem ḥanpē neutralere tawdīṯā zurückgreift, ist ein starkes Indiz für eine konfessionelle Interpretation der vorliegenden Episode. Diese Geschichten sollen die Bedeutung und Wirkmächtigkeit des Klosters betonen. Doch gerade der größte Konkurrent der Kirche des Ostens – die syrisch-orthodoxe Kirche – wird im Kontext der Wundertätigkeit der Bewohner des Klosters nicht erwähnt und konfessionelle Unterschiede werden nicht thematisiert. Es scheint, dass für die Adressaten der Vita  – die Mönche, die wie Josef Busnāyā ein asketisches Leben führten – die konfessionellen Unterschiede der klösterlichen Besucher von untergeordneter Bedeutung waren oder diese sie gar nicht wahrnahmen. Eine viel wichtigere Differenz sah der Autor der Vita des Josef Busnāyā in der Unterscheidung der geistigen Lebensweise im Kloster von der profanen Lebensweise in der Welt. Die „Orthodoxie“ war zwar bekannt und die Namen der großen Lehrer der christologischen Streitigkeiten des 4. und 5. Jahrhundert werden genannt, doch erscheinen sie nur am Rand. Johannes bar Kaldun thematisiert die interkonfessionellen Streitpunkte nicht einmal im ausführlichen achten Kapitel über die Lehre des Josef Busnāyā. Die Verweise auf die für die Kirche des Ostens so wichtigen Lehrer wie Theodor von Mopsuestia und Diodor von Tarsus scheinen bloße Floskeln zu sein und vor allem im innerkirchlichen Kontext der Spannungen zwischen monastischer Bewegung und kirchlichem Lehramt zu stehen. Johannes bar Kaldun sichert so die Rechtgläubigkeit des Textes ab. Eine viel größere Bedeutung erhalten die großen Lehrer der ostsyrischen Mystik, Isaak von Nisibis und Josef Ḥazzāyā, die z. T. überkonfessionelle Bedeutung genossen und in der Vita an vielen Stellen genannt und sogar zitiert werden.925 In der Vita wird so fast durchgängig die konfessionelle Differenz ignoriert. Abgesehen von wenigen Ausnahmen erscheint es fast so, als existierten andere Konfessionen für Johannes bar Kaldun gar nicht. Seine Bestimmung des Begriffs mhaymnē wird durch die Abgrenzung von den „Nicht-Christen“ im interreligiösen sowie den kirchlichen Eliten und den Mönchen im innerkirchlichen Kontext erreicht. Dieser Verzicht des Johannes bar Kaldun auf

925 Zur Rolle von Josef Ḥazzāyā in der Vita, vgl. o. S. 141–142.

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Die Außenbeziehungen des Klosters

interkonfessionelle Polemik und Angriffe steht im Gegensatz dazu, wie immer wieder Kurden und Muslime durch die Wunder der Mönche zurechtgewiesen werden.

8.2.  Die Kartwāyē, Ṭayyāyē und Taʿēlwāyē Die Begriffe mhaymnē und ḥanpē haben in ihrem Ursprung und Gebrauch eine klar religiöse Bedeutung, die auch in den Erzählungen, in denen sie auftauchen, eine Rolle spielt. Neben dieser Einteilung werden aber auch andere Begriffe benutzt, um verschiedene Gruppen zu bezeichnen, mit denen die Klosterbevölkerung interagierte. Diese sind schwieriger zu fassen. Es handelt sich zumeist um Ethnonyme.926 Wie solche Begriffe in der Vita verstanden werden können, soll in der folgenden Diskussion über die Bezeichnung der einzelnen Bevölkerungsgruppen erfolgen. Grundlage sind hier vor allem die Untersuchungen von Boris James über die ethnonymen und ethnographischen Begriffe des Orients des Mittelalters.927 James hat sich vor allem mit den arabischen Begriffen für die kurdische Bevölkerung in der muslimischen Literatur beschäftigt. Im Folgenden sollen daher seine Überlegungen auf die syrischen Texte übertragen werden. Zuvor müssen jedoch die syrischen Begrifflichkeiten, die in der Vita

926 Ich verstehe den Begriff Ethnonym im Sinne von James, Arab Ethnonyms, 684, d. h. als eine Bezeichnung, die nicht durch eine Etymologie definiert ist. Die Zuordnung einer Person zu dieser Bezeichnung erfolgt allein durch die Zuordnung zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Wie diese Bevölkerungsgruppen in der Vita zu verstehen sind, wird in Folge untersucht. Hinter den den Ethnonymen zugeordneten Gruppen wurden dabei in den Lexika und der Literatur Stämme oder Ethnien verstanden (zu dem Ethniebegriff vgl. auch Stone, Ethnicity, 260–261, zum Gebrauch der Kategorie Ethnie in der Erforschung des Mittelalters im Nahen Osten vgl. auch James, Usage. Zur Diskussion des Stammesbegriffs, vgl. Sharp, Tribe, 883–884 und Orthmann, Stamm, 203–205). In der vorliegenden Arbeit geht es jedoch nicht – wie gezeigt werden soll – darum, unter den ethnoymen Begriffen eine homogene Gruppe zu verstehen, die eine Ethnie oder einen Stamm im modernen Sinne bezeichnet. Dies ist auch deshalb der Fall, da diese Ethnonyme in der Vita niemals als Eigenbezeichnung, sondern immer als Fremdbezeichnung gegenüber anderen Gruppen vorliegen. Dies bedeutet, dass hier nichts über das Selbstverständnis oder die Homogenität einer Gruppe ausgesagt werden kann, sondern nur über die Wahrnehmung einzelner Personen und Gruppen durch Johannes bar Kaldun. Dieser verwendet gerade dann keine Ethnonyme, wenn er sich selbst oder Personen beschreibt, die zu einer Gruppe gehören, zu der er sich selbst zugehörig fühlte. 927 Vgl. James, Ethnographie succincte; James, Usage; James, Arab Ethnonyms.

Die Kartwāyē, Ṭayyāyē und Taʿēlwāyē

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verwendet werden, untersucht werden. Dafür werden auch andere syrische Texte zurate gezogen.

8.2.1.  Die Kartwāyē/Kurden 8.2.1.1.  Begriffsgeschichte Das am häufigsten genannte Ethnonym sind die sogenannten Kartwāyē. Dieser Begriff wurde im 19. Jahrhundert diskutiert und zumeist, aber nicht immer, mit „Kurden“ übersetzt.928 Dies gilt ebenso für die Begriffe Qardwāyē und Qurdāyē, mit denen er gleichgesetzt wurde. Diese Gleichsetzung geht auf Robert Payne Smiths Thesaurus Syriacus zurück. Dort werden die Kartwāyē im Artikel Qardwāyē929 zusammen mit den Qurdāyē als Nebenformen der Qardwāyē behandelt und als Kurden verstanden. Das A Compendious Syriac Dictionary, die englische Überarbeitung und Erweiterung des Thesaurus Syriacus, übernahm diese Zuweisung der Begriffe.930 Beide Wörterbücher sind bis heute der internationale Standard und die einzigen, die überhaupt Ethnonyme enthalten, sodass sich diese Gleichsetzung durchsetzen konnte. In anderen Werken, die sich intensiv mit den Ethno- und Toponymen der syrischen Welt auseinandersetzen, wurde der Begriff anders verstanden.931 Sie gingen von der grammatikalischen Struktur des Begriffes Kartwāyē aus, denn durch das syrische Suffix -āyē (im Plural, -āyā im Singular) können „beliebig[e]‌relative Adjektive von Substantiva“ gebildet werden.932 So wurden die Kartwāyē als die Kartaw-Kurden bezeichnet, also nicht als Oberbegriff für kurdische Gruppen im Allgemeinen, sondern als ein bestimmter kurdischer Stamm. Etymologisch leiteten sie ihn von einem nicht näher definierten Kartaw ab, das meiner Kenntnis nach jedoch nirgends belegt ist. Als Erster verwendete Georg Hoffmann in einer Arbeit von 1880 diese Bezeichnung.933 Er identifizierte die Kartaw-Kurden mit einem kurdischen Stamm namens al-Qartāwiyya, der in einem muslimisch-arabischen

928 Außer in den Übersetzungen, die die Ethnonyme in ihrer ursprünglichen Form stehen lassen, wie z. B. die Übersetzung von Barhebraeus’ Chronologia Syriaca von Earnest W. Budge (Bar ʿEḇrāyā, Chronography (1932)). 929 Smith, Thesaurus, 3731. 930 Smith/Smith, Compendious Syriac Dictionary, 517. 931 Beispielsweise in Hoffmann, Auszüge, 207; Baethgen, Fragmente, 132; Chabot, Synodicon Orientale, 675; Thomas von Margā, Book of Governors, II 224, Anm. 1. 932 Nöldeke, Syrische Grammatik, 74–75. 933 Es handelt sich dabei um den zweiten Teil seines Werkes Auszüge aus syrischen Akten persischer Märtyrer, hier zitiert als Hoffmann, Auszüge.

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Die Außenbeziehungen des Klosters

Text des 14.  Jahrhunderts als kurdische Gruppe erwähnt und in der Region „westlich vom Kleinen Zab oberhalb Irbils“ lokalisiert wird.934 Weitere Wissenschaftler folgten ihm in dieser Interpretation, so auch Jean-Baptiste Chabot in seiner Übersetzung der Vita des Josef Busnāyā.935 Schließlich ist sie auch in den Supplement to the Thesaurus Syriacus of R. Payne Smith eingeflossen.936 Die Gleichsetzung der drei Ethnonyme, die Robert Payne Smith in seinem Thesaurus Syriacus machte, ist ebenso kritisch zu sehen wie die Interpretation der Kartwāyē als bestimmter kurdischer Stamm:  So kritisierte bereits Theodor Nöldeke in einem Aufsatz von 1898 philologisch die Gleichsetzung der drei Begriffe und forderte eine strikte Trennung.937 Während es sich bei den Qardwāyē um die Einwohner des Landes Qardū (bei Nöldeke die Carduchen) und bei den Qurdaye um die Kurden handele, seien die Kartwāyē der eigenständige Name „iranischer Bergstämme“.938 Eine Gleichsetzung dieser Stämme mit den al-Qartāwiyya-Kurden sah er zwar kritisch, er schloss sie aber nicht aus.939 In seiner philologischen Untersuchung dieser drei Begriffe nennt er zahlreiche Beispiele für die Nennung der Kartwāyē in syrischen Quellen. Aus seiner Beobachtung des Gebrauchs des Begriffs Kartwāyē in der Vita des Yaḇalāhā aus dem 14. Jahrhundert schließt er, dass dieser Begriff speziell in diesem Werk allgemein für die Kurden gebraucht werde und nicht für nur einen bestimmten Stamm.940 Er zieht diesen Schluss aber nicht für die anderen von ihm zitierten Texte. Doch kann dieser Befund auch auf diese Quellen ausgeweitet werden. Die zweisprachige Chronik des ostsyrischen Metropoliten Elias von Nisibis aus dem 11.  Jahrhundert und eine spätere Ergänzung dieses Werkes in einer Handschrift aus dem 13.  Jahrhundert941 verwenden beide im syrischen Text Kartwāyē, wo im arabischen Text Kurden (arab. Akrād) gebraucht wird. Elias

9 34 Hoffmann, Auszüge, 207, Anm. 1639. 935 Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 55 (ROC 3, 84), Anm. 2. 936 Smith/Smith, Supplementum, 173. 937 „Noch einmal betone ich zum Schluss, dass Karduchen (mit Nebenformen), Kurden und Kartĕwājē völlig auseinander zu halten sind.“ Nöldeke, Kurden, 80. 938 Nöldeke, Kurden, 79. 939 Die Identifikation beruht auf einem unpunktierten arabischen Text. Nöldeke verweist daher auf die Möglichkeit, die kurdische Gruppe als al-Fartāwiyyā zu lesen und mit einer iranischen kurdischen Gruppe zu identifizieren, Nöldeke, Kurden, 80. 940 Vgl. Nöldeke, Kurden, 81; Histoire de Mar Jab-Alaha, 123, 166 (syr.); Toepel, Mönche des Kublai Khan, 114, 138 (deutsch). 941 Vgl. Elias von Nisibis, Opus chronologicum, I [textus] 229 (syr.), 230 (arab.); I [versio] 113 (lat.).

Die Kartwāyē, Ṭayyāyē und Taʿēlwāyē

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gibt als Quelle für seine Information einen arabisch schreibenden muslimischen Historiker des 10.  Jahrhunderts an. Bereits im frühen 11.  Jahrhundert ist also der Gebrauch des Begriffs Kartwāyē als Bezeichnung für eine Gruppe nachgewiesen, die im arabischen Sprachgebrauch als Kurden bezeichnet wurde. Ebenso fiel bereits Nöldeke auf, dass die Verwendung des Begriffs Kartwāyē fast ausschließlich auf Werke ostsyrischer Provenienz beschränkt ist.942 Ihm entging aber, dass man den Begriff Kurdāyē in ostsyrischen Werken genauso vergeblich sucht wie Kartwāyē in den westsyrischen Texten.943 Dies verhärtet meines Erachtens den Verdacht, dass in den Quellen des ostsyrischen Raums der Begriff Kartwāyē als Sammelbegriff für die Kurden gebraucht wurde, während im westsyrischen Raum Kurdāyē im selben Sinn Verwendung fand. Die Unterscheidung von Kartwāyē und Kurdāyē, an der Nöldeke festhält, ist eine philologische, die sich auf die westsyrische und ostsyrische Literatur bezieht. Beide werden jedoch in der Bedeutung dem arabischen Begriff Akrād gleichgesetzt. Elias von Nisibis schrieb in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und war damit ein jüngerer Zeitgenosse des Johannes Bar Kaldun und entstammte demselben geographischen Raum. Diese zeitliche und geographische Nähe 942 Er nennt Beispiele aus dem Synodicon Orientale, Thomas von Margās Buch der Vorsteher, der Chronik des Elias von Nisibis und der Vita des Jaḇalāhā. Die einzige Stelle, die Nöldeke als Beleg dieser Schreibweise bei einem Westsyrer nennt (dem Fortführer der Chronik des Bar ʿEḇrāyā) konnte ich an der von ihm angegebenen Stelle nicht finden, weder in der Ausgabe von Bedjan (Bar ʿEḇrāyā, Chronicon Syriacum (1890), 579) noch an der entsprechenden Stelle in der Ausgabe von Bruns und Kirsch (Bar ʿEḇrāyā, Chronicon Syriacum (1789), 587–588). 943 Die einzige ostsyrische Quelle, die den Begriff Kurdāyē verwendet, ist m. W. die Vita des Mār Saba, eine Vita aus der Sammlung persischer Märtyrererzählungen. Hier schwankt der Gebrauch zwischen Kurdāyē und Kartwāyē in den verschiedenen Handschriften, vgl. Tašʿīṯā ḏ-rabbān Mār Sāḇā, 673. Diese Vita gehört zu den Akten persischer Märtyrer und stammt eventuell aus dem 5. Jh. (vgl. auch Brock, Mār Ma‘in). Die älteste Handschrift, Add. 7200 der Library of the British Museum in London aus dem 12./13. Jh., die der Übersetzung von Hoffmann (vgl. Hoffmann, Auszüge, 5, Anm. 10) zugrunde liegt, gebraucht den Begriff Kurdāyē. Dies ist daher die älteste bekannte Lesart. Es liegt jedoch keine kritische Edition vor. Der Gebrauch des Begriffs Kardwāyē bzw. Qardwāyē (die Karduchen in Nöldekes Aufsatz) ist hingegen sowohl in ost- als auch westsyrischen Quellen geläufig und bezieht sich auf die Bewohner von Qardū, z. B. bei Bar ʿEḇrāyā, Chronicon Ecclesiasticum, III 75 (Willmshurst übersetzt hier „to the region of the Kurds“ (Bar ʿEḇrāyā, Ecclesiastical Chronicle, 330), wo Abeloos und Lamy korrekt „in regionem Carduaerum“ übersetzen) und Īšōʿdnaḥ von Baṣra, Livre de la Chastité, 3 (syr.) (Chabot übersetzt allerdings „Kurdes“, Īšōʿdnaḥ von Baṣra, Livre de la Chastité, 3 (franz.)).

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legt ein ähnliches Verständnis der Ethnonyme nahe. Diese Vermutung lässt sich anhand des Gebrauchs des Begriffs Kartwāyē in der Vita des Josef Busnāyā bestätigen. Die Mönche des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē begegneten den Kartwāyē in verschiedenen Kontexten. Der Begriff wird gebraucht, um eine Person oder eine Gruppe zu bezeichnen. In einigen Fällen wird den Kartwāyē eine Untergruppe zugeordnet. Zum einen gibt es die „Kartwāyē, die Hakkarāyē genannt werden“.944 Die Hakkarāyē (arab. al-Hakkāriyya) sind ein bekannter kurdischer Stamm dieser Zeit. Im 10. Jahrhundert sind sie in der Region um das heutige ʿAmādiyya (damals eine kurdische Festung)945 die dominante kurdische Gruppierung.946 Die Herkunft ihres Namens ist unbekannt, im Mittelalter existierte noch keine Region dieses Namens. Eine weitere Untergruppe, die den Kartwāyē zugeordnet wird, ist die der „Kartwāyē, die Dasenāyē genannt werden“.947 Nur einmal wird diese Gruppe als Untergruppe der Kartwāyē bezeichnet, bei den übrigen Nennungen der Gruppe der Dasenāyē handelt es sich um Namensepitheta. Die Mönche Johannes,948 ʿAḇdīšōʿ,949 David950 und Ḥannānʿīšōʿ951 werden als Dasenāyā bezeichnet. Anders als bei den Hakkarāyē handelt es sich bei dem Begriff Dasenāyā auch um eine regionale Bezeichnung. Die Region Dasen lag östlich des Ṣap̄ nātals und ʿAmādiyyas jenseits des Großen Zabs, der die Region im Westen und im Süden abschloss.952 Diese Unterordnung der zwei kurdischen 9 44 V, fol. 52r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 55 (ROC 3, 84). 945 Vgl. Streck/Minorsky, ʿAmādiya. 946 Ibn al-Aṯīr (12./13. Jh.) berichtet von einem Konflikt zwischen den Hakkarāyē (arab. al-Hakkāriyya) und dem Būyiden ʿAḍudaddawla im Jahr 979. Er beschreibt sie auch als Herren über die Bergfestungen der Kurden in dieser Region (Ibn al-Aṯῑr, AlKāmil, VI 149, vgl. auch Bürgel, Hofkorrespondenz, 139). Erst im 12. Jh. wanderten die Hakkarāyē nach Norden in jene Region aus, die bis heute nach ihnen benannt ist, vgl. Hoffmann, Auszüge, 203. 947 V, fol. 199r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 123 (ROC 3, 300). Heute bezieht sich die Bezeichnung Dāsinī auf die Jesiden, vgl. Hoffmann, Auszüge, 206; Kreyenbroek, Yazīdī. Ob schon damals in dieser Region eine Gruppe existierte, die eine direkte Vorstufe der späteren Jesiden darstellte, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Scheich ʿAdī, dessen Verehrung mit der jesidischen Religion fest verbunden ist und dessen Grabmal nicht weit von der Geburtsstadt Josef Busnāyās entfernt liegt, lebte etwa 100 Jahre nach der Fertigstellung der Vita des Josef Busnāyā, vgl. auch Tritton, ʿAdī. 948 V, fol. 141v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 147 (ROC 3, 324). 949 V, fol. 134r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138 (ROC 3, 315). 950 V, fol. 157v–159v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 164–167 (ROC 3, 472–474). 951 V, fol. 164r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 171–172 (ROC 3, 479–480). 952 Diese Region ist seit frühester Zeit als Bischofssitz der Kirche des Ostens bekannt und zahlreiche kirchliche Persönlichkeiten stammen aus dieser Region, vgl.

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Gruppen der Hakkarāyē und der Dasenāyē unter die Kartwāyē bestärkt den durch andere mittelalterliche Quellen gewonnenen Eindruck, dass der Begriff Kartwāyē nicht einen bestimmten kurdischen Stamm bezeichnet, wie ihn Chabot in seiner Übersetzung der Vita versteht, sondern allgemein als Bezeichnung für die Kurden stand.

8.2.1.2. Die Kurden: Ein Ethnonym oder ein Stereotyp? Wenngleich in den Lexika der syrischen Sprache und den modernen Übersetzungen der Begriff Kurde immer als ein Ethnonym bzw. als Bezeichnung eines Stammes verstanden wird, ist in der Islamwissenschaft nicht unumstritten, ob diese Bezeichnung im 10. Jahrhundert immer in diesem Sinne verwendet wurde.953 Im letzten Jahrhundert wurde dieser Gebrauch von der Forschung der kurdischen Geschichte des Mittelalters angezweifelt, die den arabischen Begriff Akrād in dieser Zeit als Synonym zu Nomade deutete.954 Der Begriff wurde ethnographisch, d. h. durch die Beschreibung äußerer Verhaltens- und Lebensweisen, gedeutet. Hintergrund dieser Interpretation ist, dass die Kurden in der frühen muslimischen Literatur immer wieder in den Kontext ihrer pastoralnomadischen Lebensweise gesetzt wurden. In einer Reihe von Veröffentlichung hat nun Boris James diese Ablehnung jeglicher ethnonymer Bedeutung der Bezeichnung Kurde kritisiert. Anhand arabischer-muslimischer Autoren des 10. und 11. Jahrhunderts weist er nach, dass dieser Begriff weder im Sinne einer existenzialistischen Vorstellung von Ethnie955 verstanden wurde, d. h. als fest definierte homogene Volksgruppe, noch als ethnographischer Begriff, d. h. als Gruppenbezeichnung, die zunächst die Lebensweise der Kurden als Nomaden beschrieb. Der Begriff Kurde sei vielmehr nicht fest definiert und bewege sich um eine Reihe von Stereotypen. In der muslimischen geographischen Literatur des 10. und 11.  Jahrhunderts seien diese vor allem aus der Perspektive Hoffmann, Auszüge, 202–207; van Lantschoot, Bêth Dasen; Fiey, Sanctuaires, 73. Für die Verortung vgl. Fiey, Hakkari turc, 447–448, anders Hoffmann, Auszüge, 202–207, der diese Region weiter südwestlich verortet. 953 Über den Begriff der Ethnie in den Islamwissenschaften im Allgemeinen, vgl. James, Usage. 954 Die Forschung berief sich auf Wladimir Minorsky, zitiert bei James, Arab Ethnonyms, 685–687. James weist jedoch darauf hin, das Minorsky nur in einem zeitlich und geographisch begrenzten Raum, nämlich Westiran im 10. Jahrhundert, die synonyme Verwendung der Begriffe Nomade und Kurde erwähnt, s. James, Arab Ethnonyms, 685–686. 955 Vgl. James, Arab Ethnonyms, 685–686, besonders Fußnote 7.

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von städtischen Schriftstellern entwickelt worden. Der Kern dieser Stereotype sei die Lebensweise der Kurden, die nicht mit den Werten einer muslimischen Gesellschaft, wie sie diesen Schriftstellern vorschwebte, kompatibel sei. Diese Werte umfassen nach James eine Bezugnahme auf eine Zentralgewalt, die die Ordnung garantiert, die Ausübung des Islams und das Beherrschen der arabischen Sprache, die für die Ausübung des Islams und das Leben in einer urbanen Gesellschaft notwendig seien.956 Die Stereotype, die von diesen Schriftstellern bezüglich der Kurden gebraucht werden, betonen dagegen ihre pastoralnomadische Lebensweise in den Bergen, ihre Gewalttätigkeit und ihren Unwillen, sich einer zentralen Macht unterzuordnen, sowie ihre religiöse Heterodoxie und nicht arabische Sprache.957 Diese Elemente würden die Wahrnehmung der Kurden durch die arabisch schreibenden muslimischen Schriftsteller bestimmen, ohne eine feste Definition zu sein.958 Eine ähnliche Betrachtungsweise bietet sich auch für den Gebrauch des Begriffes Kartwāyē in der Vita des Josef Busnāyā an. So treten die Kartwāyē in der Vita in allen Fällen als gewalttätige Gruppe auf. Sie überfallen einzelne Reisende959 sowie ganze Landstriche.960 Selbst in den Geschichten, in denen Kartwāyē als Freunde des Klosters auftreten, spielt ihre potenzielle Gewaltausübung eine wichtige Rolle: Īšōʿ von Kūmāṯēh – so berichtet Johannes bar Kaldun – wurde in den Bergen von einer Gruppe Kartwāyē überfallen. Er konnte sie allerdings durch ein Wunder zum Einlenken bewegen. Die Kartwāyē bereuten ihre Tat, schworen der Wegelagerei ab und besuchten den Heiligen nun regelmäßig.961 In diesen Berichten wird deutlich, dass die Kartwāyē von Johannes bar Kaldun als Bedrohung wahrgenommen wurden. In diesem Zusammenhang werden auch die Hakkarāyē und die Dasenāyē als Untergruppe der Kartwāyē

9 56 S. James, Territoire tribal, Rn. 14–18. 957 Vgl. James, Uses and Values, 8–11. Aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Lebensweise mit der der Beduinen werden sie zum Teil in eine arabische Genealogie eingeordnet. Dabei wird jedoch betont, dass sie die arabische Sprache aufgegeben haben, vgl. James, Arab Ethnonyms, 688–693. Zur transhumanten Lebensweise der Kurden vgl. auch James, Ethnographie succincte, Rn. 20–25. 958 Vgl. James, Arab Ethnonyms, 702. 959 V, fol. 85v–86r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 87–88 (ROC 3, 116–117); V, fol. 103r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 107–108 (ROC 3, 182–183) und V, fol. 124r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128 (ROC 3, 305). 960 V, fol. 51r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 54 (ROC 3, 83); V, fol. 51v–52r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 54–55 (ROC 3, 84). 961 V, fol. 144r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 150 (ROC 3, 327).

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genannt. Ihnen werden Überfälle auf das Kloster962 und auf die Region Dasen963 zugeschrieben. Selbst in Geschichten, in denen Mitglieder dieser Gruppen dem Kloster gegenüber eine positive Rolle einnehmen, spielt die Gewaltbereitschaft eine wichtige Rolle, denn durch sie wird das Kloster vor der möglichen Gewalt dieser Gruppen geschützt.964 Ein weiteres Stereotyp, das nach James die arabisch-muslimischen Geographen über die Kurden verbreiteten und benutzten, war ihre religiöse Heterodoxie. Für die Muslime bezog sich dies auf das Abweichen von den religiösen Normen des Islam.965 In der Vita ist dieser Maßstab ein anderer. Über die religiösen Überzeugungen der Kartwāyē werden keine allgemeinen Aussagen gemacht. Allerdings ist aus anderen Quellen bekannt, dass es Gruppen unter den Kartwāyē gab, die von den Muslimen als christlich bezeichnet wurden.966 Bei Thomas von Margā wird sogar ein „David, Bischof der Kartwāyē“ genannt.967 Dennoch wird in der Vita von keinem gläubigen Kartwāyā berichtet oder von einem Mönch, der ein Kartwāyā gewesen sei, obwohl einige Mönche aus dem direkten Umfeld des Klosters stammten, das in einer hauptsächlich von Kurden bewohnten Region lag. Auffällig ist auch, dass keinem Kartwāyā eine Religion zugeordnet wird. Einzig über die Hakkarāyē wird als Stereotyp gebraucht, dass sie Mörder und keine Christen seien:  Johannes bar Kaldun berichtet über Josef Busnāyā, dass dieser bereit gewesen wäre, sich selbst von Christus loszusagen, wenn er dadurch „alle Mörder der Hakkarāyē dem Schoß Christi näherbrächte.“968 Hier ist zumindest auf der Ebene der Hakkarāyē das Stereotyp der religiösen Abweichung spürbar, wobei wiederum die Gewalt-Perspektive dominiert. Die sprachliche Komponente, die in der Repräsentation der Kurden bei den Muslimen eine Rolle spielt, ist in der Vita nicht zu spüren. Von Kommunikationsproblemen auf der Ebene der alltäglichen Begegnung berichtet sie nicht. Eine besondere Rolle für den Versuch, den Gebrauch des Begriffes Kartwāyā in der Vita zu fassen, spielen in diesem Zusammenhang die Dasenāyē. Es wurde bereits erwähnt, dass sie nur an einer einzigen Stelle als Untergruppe der 9 62 V, fol. 144r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 150 (ROC 3, 327). 963 V, fol. 51v–52r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 54–55 (ROC 3, 84). 964 Z. B. V, fol. 57r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 60 (ROC 3, 89), V, fol. 119r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 123–124 (ROC 3, 300–301). 965 Vgl. James, Uses and Values, 10. 966 Vgl. Canard, Dynastie des H’amdanides, 132–133. 967 Thomas von Margā, Book of Governors, I 99 (syr.); II 225 (engl.). 968 V, fol. 73r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 76 (ROC 3, 105).

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Kurden bezeichnet werden, in der ihre Gewaltbereitschaft eine zentrale Rolle spielt.969 In den anderen Fällen wird der Begriff Dasenāyā hingegen neutral verwendet. Die Mönche Johannes, ʿAḇdīšōʿ, David und Ḥannānʿīšōʿ werden durch diesen Namenzusatz näher bestimmt. In den Fällen von Johannes und ʿAḇdīšōʿ wird zusätzlich betont, dass sie aus „der Region Dasen“970 stammten, sodass der Zusatz vor einem geographischen Hintergrund stand. Keiner dieser Mönche wird hingegen als Kartwāyē bezeichnet. In diesem Zusammenhang steht auch ein weiterer Bericht über die Region Dasen. Johannes bar Kaldun berichtet, dass diese Region von den „Kartwāyē, die Hakkarāyē genannt werden,“ überfallen wurde.971 In diesem Fall wird jedoch nicht von Dasenāyē gesprochen, sondern von den Bewohnern der Region Dasen. So wird in einem Fall, als die Gewalt von einem Dasenāyā ausgeht, dieser als Mitglied einer Untergruppe der Kurden dargestellt, in anderen Fällen, in dem die Bewohner Dasens die Opfer sind, stehen sie selbst den Kurden gegenüber und die Bezeichnung Dasenāyē wird vermieden. Ähnlich steht es mit den vier Mönchen, die in der Vita mit dem Namensepithet Dasenāyā versehen sind. Meines Erachtens ist es eher unwahrscheinlich, dass Johannes bar Kaldun zwei Gruppen von Dasenāyē unterscheidet, eine, für die der Begriff eine kurdische Untergruppe bezeichnet, und eine, für die es eine reine geographische Herkunftsbezeichnung war. Vielmehr scheint es plausibel, dass die Dasenāyē die Bewohner Dasens waren und zu der gleichen Bevölkerungsgruppe wie die Untergruppe der Kartwāyē gehörten, der Begriff also eine ethno-geographische Bedeutung hatte. Die Tatsache, dass die Mönche nicht als Kartwāyē bezeichnet wurden, deutet darauf hin, dass in dem speziellen Fall der Namensepitheta eine Herkunftsbezeichnung üblich und naheliegend war. So ist es bei Josef Busnāyā selbst der Fall, dessen Namensepithet auf seinen Herkunftsort Bā Ḇūsā verweist. Auch zahlreiche andere Namenepitheta wie Nṣīḇīnāyā (aus Nisibis), Tinnāyā (aus Tinnā) oder Mūrdānāyā (aus Bēṯ Mūrdānī) verweisen auf bestimmte Ortschaften. Die unterschiedliche Verwendung des Begriffes Kartwāyē und des Begriffes Dasenāyē ist somit in der stereotypenhaften Verwendung des Begriffes Kartwāyā zu suchen. Vom Pastoralnomadismus der Kurden, der zu einem der Stereotype der arabisch-muslimischen Geographen gehörte, ist in der Vita kaum etwas zu spüren. Die zwei in der Vita genannten Gruppen, die Hakkarāyē und die Dasenāyē,

9 69 V, fol. 199r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 123 (ROC 3, 300). 970 V, fol. 134r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138 (ROC 3, 315); V, fol. 141v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 147 (ROC 3, 324). 971 V, fol. 51v–52r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 55 (ROC 3, 84).

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lebten in der unmittelbaren Umgebung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē. Dasen war die Gegend östlich von ʿAmādiyya, zu der das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē Kontakte pflegte. Die Hakkarāyē wiederum scheinen in der unmittelbaren Nachbarschaft des Klosters beheimatet gewesen zu sein, zumindest ordnet ihnen Ibn al-Aṯīr die dortigen Festungen zu.972 Allein eine Stelle könnte auf eine nomadische Lebensweise hindeuten. Sie betrifft die Lebensweise eines der Männer, der als Dasenāyā bezeichnet wurde, bevor er Mönch im Kloster von Bēṯ Ṣayyārē wurde: Johannes Dasenāyā war zu dieser Zeit verheiratet und hatte Kinder. In Kontakt mit dem Kloster trat er, weil er jedes Jahr mit seiner Familie und seinen Gefährten von Dasen zur Ernte in das Gebiet von Mosul zog und dabei am Kloster haltmachte.973 Der verwendete Begriff der Ernte (ḥeṣdā), der hier gebraucht wird, bezieht sich laut einschlägiger Wörterbücher auf die Ernte von Getreide oder anderen Pflanzen, nicht aber auf tierische Produkte. Das macht es wahrscheinlicher, dass diese Episode eher als Beleg von Wander- bzw. Saisonarbeit gedeutet werden muss als im Sinne eines Pastoralnomadismus, wie er den Kurden nachgesagt wurde.974

8.2.2. Taʿēlwāyē Weitere Gruppen werden in der Vita seltener genannt. Eine davon sind die Taʿēlwāyē. Der Begriff ist aus anderen Texten nicht bekannt. Aus dem Textzusammenhang lassen sich auch nur wenige Informationen gewinnen. In der Vita wird der Begriff insgesamt in drei Zusammenhängen verwendet. Der erste Erzählzusammenhang sind die Vorahnungen, die Josef Busnāyā kurz vor seinem Tod hatte. Johannes bar Kaldun bezieht diese auf Ereignisse, die die Gegend im Winter 979 heimsuchten. Er berichtet darüber, dass nun die Kartwāyē und die Taʿēlwāyē die Gegend beherrschten und die Klöster zerstörten.975 Einen möglichen Hinweis auf ein besseres Verständnis der genannten Ereignisse lässt sich in der Universalchronik des Ibn al-Aṯīr finden: Dieser berichtet, dass im frühen Winter 979  ʿAḍudaddawla die Festungen der Hakkarāyē (arab. alHakkāriyya) nördlich von Mosul belagern ließ und in Folge erobern konnte.976 Der Anlass für diesen Feldzug in das Ṣap̄ nā- und Ḫābūrtal bleibt bei Ibn al-Aṯīr

9 72 Vgl. o. Anm. 946. 973 V, fol. 141v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 147 (ROC 3, 324). 974 In der muslimisch-arabischen Literatur ist neben der Transhumanz auch die sesshafte Agrarwirtschaft für die Kurden belegt, vgl. James, Territoire tribal, Rn. 30–32. 975 V, fol. 51v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 54 (ROC 3, 83). 976 Ibn al-Aṯῑr, Al-Kāmil, VI 149.

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offen, jedoch vermutet Christoph Bürgel, dass die al-Hakkāriyya durch Raubzüge den Feldzug provoziert hätten.977 Wenn dies der Fall gewesen sein sollte, könnten mit der Herrschaft der Kartwāyē und der Taʿēlwāyē diese Überfälle und die Reaktion des ʿAḍudaddawla gemeint sein. Hingegen nennt Ibn al-Aṯīr keine anderen Gruppen außer den al-Hakkāriyya. Jean-Baptiste Chabot begreift die Taʿēlwāyē ebenso wie die Kartwāyē jeweils als einen bestimmten kurdischen Stamm.978 Da die Kartwāyē mit den Kurden jedoch gleichzusetzen sind und keine eigenständige Untergruppe der Kurden darstellen und die Taʿēlwāyē neben ihnen genannt werden, ist es eher unwahrscheinlich, dass Johannes bar Kaldun unter den Taʿēlwāyē eine kurdische Gruppe verstand. Die zwei anderen Nennungen geben leider nur wenig zusätzliches Material her, um diese Gruppe zu identifizieren. In einem Fall wurde eine Gruppe von Mönchen von einem Wegelagerer der Taʿēlwāyē überfallen, der ihnen ihren Besitz stehlen wollte.979 In einem anderen Fall begegnet der Eremit Šuḇḥālīšōʿ einem reisenden Taʿēlwāyē auf dessen Kamel und unterhält sich mit ihm über eine Prophezeiung, die er erhalten hatte. In dieser Geschichte steht im Zentrum, dass sich Šuḇḥālīšōʿ dafür schämte, dass ein Taʿēlwāyē ihm den Inhalt einer Prophezeiung erklären musste.980 Anders als die Ereignisse, die mit den Kartwāyē und ihren Untergruppen verbunden sind, sind diese zwei Begebenheiten nicht in der Gegend des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē zu verorten. Der Überfall fand auf der Reise der Mönche in das Kloster des Ap̄ nīmāran statt. Bei diesem Kloster handelt es sich um das Zafaran-Kloster981 unweit des östlichen Ufers des Tigris vor dessen Zusammenfluss mit dem kleinen Ḫābūr in der Nähe des heutigen Cizre.982 Das zweite Ereignis spielte sich in der Gegend um Balad ab. Beide Gegenden befanden sich in dieser Zeit im Einflussbereich arabischer Gruppen. Es ist daher naheliegend, die nicht-kurdische Gruppe der Taʿēlwāyē unter den arabischen Gruppen zu suchen. Im 10. Jahrhundert sind zwei Gruppen bekannt, die gemeint sein könnten. Zum einen wäre es möglich, die Gruppe mit den Taġlibiten zu identifizieren.

9 77 Bürgel, Hofkorrespondenz, 139. 978 Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 55, Anm. 1 (ROC 3, 84). 979 V, fol. 104v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 108 (ROC 3, 183). 980 V, fol. 109v–110r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 61 (ROC 3, 90). 981 Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen syrisch-orthodoxen Kloster im Ṭūr ʿAḇdīn unweit Midyats. 982 Zur Lokalisierung und Geschichte des Klosters, vgl. Fiey, Assyrie chrétienne, II 707–737.

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Bei den Taġlibiten handelt es sich um den Stamm, der in der Gegend von Mosul dominant war.983 Die Ḥamdāniden entstammten ihm und gründeten ihre Macht aus dieser Verbindung.984 Auch die Unterschiede in der Schreibweise lassen sich ohne weitere Probleme erklären. Das arabische ġayn (‫ )غ‬wird im syrischen gewöhnlich mit einem gāmal (‫ )ܓ‬wiedergegeben. In der ostsyrischen Schrift ist die Verwechslung zwischen dem gāmal (‫ )ܓ‬und dem ͑ayn (‫ )ܥ‬ein häufiger Lesefehler, gerade bei Eigennamen, die dem Kopisten nicht mehr geläufig waren. Ein Beleg für einen solchen Fehler findet sich auch in der Vita des Josef Busnāyā selbst. Der Herrscher von Mosul Abū Taġlib, aus dem Kontext eindeutig identifizierbar, wird in der Vita Abū Taʿlib geschrieben. Auch die Schreibweise des Taġlibiten mit einen waw anstelle eines bēṯ ist im ostsyrischen Sprachgebrauch erklärbar. In der ostsyrischen Aussprache wird ein nach dem Vokal weich ausgesprochenes bēṯ wie ein waw ausgesprochen,985 sodass die Schreibweise mit einem waw eine Anpassung an die ostsyrische Aussprache sein könnte. Ein ähnlicher Fall findet sich auch in der Handschrift V, die konsequent tawʿā für taḇʿā schreibt.986 Eine andere arabische Gruppe, die sich hinter dem Begriff Taʿēlwāyē verbergen könnte, sind die Ṯaʿlabiten. Dieser Name findet sich häufig in der arabischen Genealogie.987 Die Ṯaʿlabiten sind auch in der Gegend von Mosul nachgewiesen und zwar gerade als Gegner der oben genannten Taġlibiten.988 Ebenso waren die Šaybān, eine Gruppe nomadischer Araber, mit der sowohl Abū Taġlib in Mosul als auch die Būyiden in Bagdad ihre Probleme hatten, eine Untergruppe eines Stammes mit der Bezeichnung Ṯaʿlabiten.989 Allerdings war ihr vornehmliches Ausbreitungsgebiet die Gegend zwischen den beiden Zab-Flüssen. Hier lag auch das Zentrum ihrer Auseinandersetzungen mit dem BūyidenHerrscher ʿAḍudaddawla, der sich 979 um die von ihnen ausgehende Gefahr der Instabilität kümmern musste. Diese geographische Ausbreitung spricht gegen die Šaybān. Gegen die Ṯaʿlabiten spricht auch, dass im ältesten Manuskript eine

9 83 Bikhazi, Hamdanid Dynasty, I 161. 984 Zu der Frage der Abstammung der Ḥamdāniden, vgl. Bikhazi, Hamdanid Dynasty, I 220–221. 985 Nöldeke, Syrische Grammatik, 21. 986 Vgl. V, fol. 98v; 132v; im Vergleich dazu anders W, fol. 76v; 103r. 987 Vgl. Bräu, T̲ h̲ aʿlaba. 988 Canard, Dynastie des H’amdanides, 142; Orthmann, Stamm, 465. 989 Vgl. Bianquis, S̲ h̲ aybān.

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Die Außenbeziehungen des Klosters

harte Aussprache des taw ausdrücklich vermerkt ist. Aufgrund all dieser Faktoren ist daher die plausibelste Identifikation der Taʿēlwāyē die Taġlibiten.990

8.2.3.  Die Ṭayyāyē und Harzdāyē Anders als die Taʿēlwāyē sind die Ṭayyāyē als arabischer Stamm der Ṭayyiʾ aus anderen syrischen Werken wohlbekannt. Für die Syrer war der Kontakt mit dieser Gruppe sogar so intensiv, dass der Begriff Ṭayyāyē zum Synonym für Araber schlechthin wurde.991 So wird der Begriff auch in der Vita gebraucht: Ṭayyāyā ist der Begriff für die arabische Sprache und zumeist bedient sich Johannes bar Kaldun der Zeitrechnung der Ṭayyāyē, d. h. der Zeitrechnung nach der hiǧra. Die Interpretation des Wortes Ṭayyāyā ist dennoch nicht immer evident, da es nach der arabischen Eroberung ebenso zum Synonym für Muslim wird.992 Es ist daher nicht immer einfach zu unterscheiden, ob in einem bestimmten Zusammenhang ein Ṭayyāyā als Muslim oder als Araber zu deuten ist. Diese Frage ist im Zusammenhang mit der Vita des Josef Busnāyā nicht irrelevant. Zwei Personen werden in der Vita als Ṭayyāyē bezeichnet. Zum einem handelt es sich um einen Ṭayyāyā, der seine Söhne im Kloster taufen lässt.993 Zunächst scheint der Umstand, dass die Söhne eines Ṭayyāyā getauft wurden, gegen eine Interpretation dieses Begriffs als Muslim zu sprechen. Aus anderen Quellen ist allerdings bekannt, dass christliche Priester tatsächlich muslimische Kinder tauften.994 Außerdem beschreibt Johannes bar Kaldun den Ṭayyāyā zunächst als Gegner der Mönche, der erst von seiner Frau und dann von einem göttlichen Strafwunder davon überzeugt wurde, seine Kinder taufen zu lassen. Wie in den Geschichten mit den Kartwāyē steht somit die Abwendung von Unbill im Vordergrund. Bei der anderen Person handelt es sich um einen Ṭayyāyā, der als ein Lehrer (mallp̄ ānā) der Harzdāyē bezeichnet wird und mit dem Abt Rabbān Moses eine religiöse Disputation (drāšā) führen möchte.995 Aus der ʿAbbāsiden-Zeit gibt es zahlreiche Beispiele solcher Streitgespräche, vor allem zwischen Christen und Muslimen.996 Zumeist sind die Aufzeichnungen von gegenseitigem Respekt 9 90 So auch Zanetti, Saints Moines, 202. 991 Shahîd, Ṭayyiʾ. 992 S. Penn, Dog, 220–221, Anm. 37. 993 V, fol. 98r–99r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 101–102 (ROC 3, 176–177). 994 S. u. S. 230–231. 995 V, fol. 116v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 120–121 (ROC 3, 297–298). 996 Die bekannteste Disputation fand zwischen dem Katholikos-Patriarchen Timotheos I. und dem Kalifen al-Mahdī statt, vgl. Heimgartner, Letter 59. Allgemein zu den

Die Kartwāyē, Ṭayyāyē und Taʿēlwāyē

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geprägt, davon ist hier allerdings nichts zu spüren. Der Ṭayyāyā wurde nicht durch Argumente, sondern durch ein Strafwunder zum Schweigen gebracht. Die Disputation und die Qualifikation des Ṭayyāyā als Lehrer stellen die Geschichte daher in einen religiösen Kontext. Durch die vollkommen unbekannte Bezeichnung Harzdāyē wird die Interpretation jedoch komplizierter. Die genaue Bedeutung dieser Gruppe bleibt unklar. Die einzige weitere Stelle, in der dieser Begriff verwendet wird, steht in einem anderen Zusammenhang:  Der Enkel eines „Großen der Harzdāyā“ Abūlqā aus dem Dorf Bēṯ Mūrdānī, genauer der Sohn seiner Tochter,997 war erkrankt und wurde im Kloster von Josef Busnāyā geheilt. Diese Geschichte klingt zunächst nach einem normalen Heilungswunder, jedoch ist der Ton der Geschichte aggressiver als in anderen Erzählungen. Die Mutter hatte bereits häufiger das Kind in das Kloster geschickt, ohne dass es geheilt wurde. Erst als sie selbst erscheint und droht, das Kloster nicht mehr zu verlassen, bewirkt Josef verärgert das Heilungswunder.998 Diese Geschichte deutet auf ein nicht freundschaftliches Verhältnis zwischen der Bittstellerin und dem Asketen hin. Auch erscheint es ungewöhnlich, dass der Großvater des Kindes erwähnt wird, obwohl er als Handelnder in der Geschichte keine Rolle spielt. Ǧūlāġ interpretiert die Harzdāyē als die kurdischen Bewohner des nordwestlich des Ṣap̄ nātals gelegenen Dorfes Hārz bzw. Ārz.999 Da Abūlqā jedoch explizit aus dem Ort Bēṯ Mūrdānī kam, ist es eher unwahrscheinlich, dass hier eine regionale Bezeichnung vorliegt. Zur Interpretation der Harzdāyē, vor allem auch in Kombination mit dem Begriff Ṭayyāyē, gibt es daher drei Möglichkeiten: 1a) Ṭayyāyē bezeichnet eine ethno-religiöse Zugehörigkeit zu den muslimischen Arabern und die Harzdāyē sind mit einem arabischen Unterstamm gleichzusetzen. Dagegen spricht, dass die Harzdāyē aus dem direkten Umfeld des Klosters stammen. In der arabisch-muslimischen Literatur wird diese Gegend hingegen vor allem den Kurden zugeordnet. Unmöglich ist eine arabische Besiedlung hingegen nicht. Für diesen Fall ist auch anzunehmen, dass mit der ethnonymen Bezeichnung Ṭayyāyā auch die Konnotation einer muslimischen Religionszugehörigkeit mitschwingt; 1b) Ṭayyāyā bezeichnet die ethno-religiöse Zugehörigkeit zu arabischen Muslimen und die Harzdāyē sind eine religiöse Untergruppe. Dafür Religionsgesprächen der damaligen Zeit vgl. Griffith, Disputes; Hunter, Interfaith Dialogues, vgl. auch die zahlreichen Einträge zu Religionsgesprächen in CMR. 997 In Chabots Übersetzung ist es der Sohn des Abūlqās selbst, der zudem als Rahzdāyē bezeichnet wird. Vgl. hierzu o. Seite 26–27. 998 V, fol. 59v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 62 (ROC 3, 91). 999 Bar Kaldun, Yūsuf Būsanāyā, 62, Anm. 2.

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Die Außenbeziehungen des Klosters

spricht der Inhalt der Geschichte über die Diskussion, denn der Ṭayyāyā wird als „Lehrer der Harzdāyē“ bezeichnet, was eher an eine religiöse Gruppe als an eine ethnonyme Bezeichnung denken lässt; 2) Ṭayyāyā bezeichnet eine rein religiöse Zuordnung der Personen zum Islam und bei den Harzdāyē handelt es sich um einen kurdischen Stamm. Dass Kurden aufgrund ihrer muslimischen Religionszugehörigkeit als Ṭayyāyē bezeichnet werden, ist allerdings meines Wissens in der syrischen Literatur erst im frühen 14. Jahrhundert belegt.1000 Die wahrscheinlichste Interpretation scheint mir daher zu sein, Ṭayyāyā als religiösen Begriff „Muslim“ zu deuten, Harzdāyē dagegen entweder als religiöse oder kurdische Untergruppierung zu verstehen. In jedem Fall ist sie jedoch als Gruppe zu deuten, die von den christlichen Gläubigen zu unterscheiden ist.

8.3.  Das Kloster als Ort multi-religiöser Begegnung Es wurde bereits erörtert, dass das Kloster als landwirtschaftlicher Betrieb und Pilgerzentrum wahrscheinlich ein nicht unwesentlicher Faktor in der Region war. Es handelte mit seinen Produkten, bot karitative Dienstleistungen an und zahlte Steuern. Doch der eigentliche Fokus des Autors lag auf dem Kloster als heiligem Ort und auf seinen Bewohnern als heiligen Eremiten. Primär richtete er sich an Mönche, die mit ihren Lehrern, den Heiligen, auf vielfältige Weise in Kontakt traten. Das Kloster diente jedoch als Ort der Interaktion von Pilgern, Bittstellern und anderen Gästen mit den Mönchen. Wie bereits beschrieben, generierte ihr Ruf als wundermächtige Männer durch Almosen der Pilger und Förderer weitere Einnahmen für das Kloster. Für Johannes bar Kaldun stand jedoch eine ganz andere Motivation im Vordergrund: Die Wundermacht der Heiligen erwies sich als wichtiger Legitimationsfaktor für die Lehre, die er ihnen in der Vita zuschreibt. Johannes bar Kaldun erzählt dabei nicht nur von Wundern, die sich an Mönchen ereigneten. Viele Wunderberichte handeln von einfachen mhaymnē (Gläubigen), die das Kloster besuchten. In der Vita beschreibt Johannes bar Kaldun unterschiedliche Hintergründe der Pilger und ihrer Motivationen, das Kloster zu besuchen. So kamen Bedürftige in das Kloster, um um Almosen und Nahrungsmittel zu bitten.1001 Die meisten Erzählungen in der Vita beschreiben aber Wunderheilungen. Unter den Kranken, die in das Kloster kamen, um bei den Eremiten oder im Martyrion

1000 In der Biographie des Katholikos-Patriarchen Yaḇalāhā III. (Histoire de Mar JabAlaha, 121 (syr.); Toepel, Mönche des Kublai Khan, 112–113 (deutsch)). 1001 S. o. Kapitel 7.4.

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um Hilfe zu bitten, waren nicht nur Mittellose, sondern auch wohlhabende Personen, Gelehrte und Kleriker. Johannes berichtet auch gleichermaßen von Männern und Frauen, die das Kloster besuchten. Von Frauen schreibt er in der Vita ausschließlich in ihrer Funktion als Mütter: Sie kamen in das Kloster, um für ihre Kinder Heilung zu erbitten.1002 Die Vita berichtet in erster Linie von Pilgern aus dem direkten lokalen Umfeld des Klosters, seltener auch aus der nächstgelegenen Großstadt Mosul. Johannes bar Kaldun erwähnt an einer Stelle, dass Gläubige anderer christlicher Konfessionen das Kloster besuchten, geht aber dabei nicht ins Detail.1003 Für diese Gläubigen war die Hoffnung auf Heilung ein Phänomen, das alle Schichten und Gruppen gleichermaßen ansprach. Johannes berichtet jedoch nicht nur von Christen, sondern auch von Angehörigen der Gruppen der Kartwāyē und der Ṭayyāyē. Berichte über sie sind jedoch selten und werden von Johannes bar Kaldun in einen anderen Kontext als die Berichte über die mhaymnē gestellt. Grundlegend lassen sich hier zwei verschiedene Formen solcher Wunderberichte unterscheiden:  Im ersten Fall kamen Mitglieder der Gruppen der Kartwāyē oder der Ṭayyāyē in das Kloster, weil sie von der heilenden Kraft der Asketen profitieren wollten, d. h. sie kamen aus derselben Motivation heraus in das Kloster wie die mhaymnē. Im zweiten Fall wird von Mitgliedern dieser Gruppen berichtet, die dem Kloster Schaden zufügen wollten und dann durch ein Strafwunder daran gehindert wurden. Johannes betont in diesen Fällen, dass durch diese Wunder ihre Einstellung gegenüber dem Kloster positiv beeinflusst wurde. Das Phänomen, dass Menschen anderer Religionen christliche religiöse Zentren besuchten, ist aus anderen Zeiten (insbesondere der Zeit der Kreuzzüge) und anderen Regionen (Levante und Ägypten) bekannt und dort näher untersucht worden.1004 Wie an anderen Stellen auch kann aufgrund der schwierigen Quellenlage für diese Zeit und diesen Raum nur die Vita des Josef Busnāyā untersucht werden.1005 Allerdings entwickelte Dorothea Weltecke1006 auf Benjamin Kedar1007 aufbauend ein Modell, das helfen kann, Quellen über 1002 Die einzige Frau in der Vita, die nicht als Mutter erscheint, ist die Schwester des Josef Busnāyā, die noch in Kindesalter starb (V, fol 34v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 36 (ROC 2, 394)). Selbst die beiden Nonnen, die in der Vita erwähnt werden, sind durch ihre Rolle als Mütter von Mönchen charakterisiert, vgl. o. Kapitel 4.3. 1003 Vgl. o. S. 208–209. 1004 Vgl. für Beispiele Kedar, Convergences; Weltecke, Loca Sancta, 80–89. 1005 Ein Beispiel aus der Umgebung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē ist das Kloster des Mār Behnam südöstlich von Mosul (vgl. Snelders, Identity, 92–99). 1006 Weltecke, Loca Sancta. 1007 Kedar, Convergences.

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Die Außenbeziehungen des Klosters

multireligiöse loca sancta zu analysieren und zu verstehen: Kedar unterscheidet drei Arten multireligiöser Räume mit verschiedenen Formen spiritueller Konvergenz. Zunächst Orte reiner räumlicher Konvergenz, an denen sich die verschiedenen Religionen ohne weitere Interaktion an einem heiligen Ort nur physisch begegnen. Die Heiligkeit dieses Ortes ist dabei in der Tradition der jeweiligen Religion begründet. Als Beispiel für diese Form von Konvergenz gibt Kedar eine heilige Quelle in al-Maṭariyya an, wo die Heilige Familie auf ihrer Flucht nach Ägypten Halt gemacht haben soll und an der sowohl christliche als auch muslimische Pilger beteten.1008 Als zweite, seltenere Form beschreibt Kedar die egalitäre Konvergenz. Diese Form findet aber eher an neutralen Orten statt, wie dem öffentlichen Stadtgebiet und bezeichnet ein von verschiedenen Religionen gemeinsam geplantes religiöses Ritual. Als Beispiel nennt Kedar das gemeinsame Gebet von Christen, Juden und Muslimen für Regen während einer Dürre im Jahre 1317 in Jerusalem.1009 Die dritte Form der Konvergenz ist die ungleiche Konvergenz: Verschiedene Religionen treffen sich an einem heiligen Ort. Dieser wird jedoch von einer Religion dominiert, die dort die Rituale und Feiern organisiert und das Monopol über den heiligen Ort hat. Die Klöster der Vita des Josef Busnāyā, über die multireligiöse Geschichten erzählt werden, sind Orte einer solchen ungleichen spirituellen Konvergenz. Weltecke hat diese Kategorisierung verschiedener Räume spiritueller Konvergenz um fünf Differenzierungen erweitert, die es bei solchen Räumen näher zu untersuchen gilt. Dabei handelt es sich um das Objekt der Verehrung, die Beteiligten und ihre Absicht sowie die Verhältnisse von Zeit und Macht.1010 Diese Punkte sollen im Folgenden helfen, das Verhältnis zwischen dem Kloster und den außenstehenden Gruppen besser zu verstehen. Die Motivation der Pilger, sowohl der nicht christlichen als auch der christlichen, die in das Kloster kamen, war vor allem die Hoffnung auf Heilung, sowohl von körperlichen Krankheiten als auch von seelischen Gebrechen und Besessenheit. Doch an welchem Objekt machte sich diese Hoffnung auf Heilung fest? In den Erzählungen der Vita fällt auf, dass es in den meisten Fällen der Eremit selbst ist, der die Macht hat, Heilungen zu bewirken. In einer Anthropologie des Thaumaturgen erklärt Johannes bar Kaldun die Wundermächtigkeit des Eremiten als das Ergebnis seiner asketischen Arbeit in der Zelle.1011

1 008 Kedar, Convergences, 59–60. 1009 Kedar, Convergences, 61. 1010 Weltecke, Loca Sancta, 77–83. 1011 V, fol. 45r–48r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 48–51 (ROC 3, 77–80).

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Entsprechend ist die Wundertätigkeit auch in der Vita mit der Segnung des Eremiten verbunden:  Um zu heilen, machte er das Kreuzzeichen mit Wasser und/oder einem Kreuz über dem zu heilenden Körperteil oder dem Kranken.1012 In der Vita werden diese Heilungswunder fast ausschließlich von den lebenden Eremiten bewirkt. Johannes bar Kaldun beschreibt nur ein einziges posthumes Heilungswunder.1013 Dennoch kann hinter den Berichten, die den lebenden Asketen in den Vordergrund stellen, noch ein zweites ob seiner Wundermächtigkeit verehrtes Objekt ausgemacht werden: In einigen Geschichten wurde der Eremit erst als zweiter Schritt in Anspruch genommen. Die Kranken wurden zunächst in das Martyrion gebracht, d. h. in den Raum bzw. das Gebäude bei der Kirche, in der der Klostergründer und die berühmtesten Eremiten des Klosters beerdigt wurden. Kranke verbrachten dort die Nacht,1014 um geheilt zu werden und für Besessene gab es im Martyrion Ketten, an die sie bis zur Heilung gefesselt wurden.1015 Erst wenn dieser Schritt nicht erfolgreich war, wurde der Heilige eingeschaltet. So war der besessene ʿĪsā von Mār Peṯyōn zunächst drei Tage im Martyrion angekettet, bevor er zu Josef Busnāyā gebracht wurde, der ihn dann mit Wasser und Kreuz heilte.1016 In einer anderen Geschichte reagierte Josef Busnāyā verärgert, als man den gelähmten Baumeister Galōlā zunächst zu ihm brachte. Er bestimmte, dass der Erkrankte zunächst in das Martyrion gebracht werden solle. Erst als dies keine Wirkung zeitigte, wurde er wieder zum Heiligen gebracht, der ihn mit Wasser und Kreuz segnete und so heilte.1017 Johannes bar Kaldun konstruiert in diesen Geschichten Josef Busnāyā als mit einer wirksameren Heilungskraft ausgestattet als das Martyrion. Durch die Erzählungen wird aber erkennbar, dass die Pilger sich zunächst in des Martyrion begaben, um dort geheilt zu werden. Das Martyrion scheint daher das vornehmliche Ziel der Pilger gewesen zu sein. Im engen Zusammenhang mit dem Martyrion steht das Ḥnānā. Ursprünglich bedeutet dieses Wort Güte, Mitleid oder Gnade. In der Vita steht es für

1012 V, fol. 57r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 59–60 (ROC 3, 89); V, fol. 59v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 62 (ROC 3, 91); V, fol. 161v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 169 (ROC 3, 477). 1013 V, fol. 132r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 136 (ROC 3, 313). 1014 V, fol. 84v–85r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 86–87 (ROC 3, 115–116); V, fol. 64r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 66–67 (ROC 3, 96). 1015 V, fol. 60v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 63 (ROC 3, 92); V, fol. 64r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 66–67 (ROC 3, 96). 1016 V, fol. 65v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 68 (ROC 3, 97). 1017 V, fol. 58r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 61 (ROC 3, 90).

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eine Masse aus Staub bzw. Erde aus dem Martyrion – d. h. von den Gräbern der Heiligen – und Öl. Mit dieser Masse wurden die Kranken gesalbt, um sie zu heilen. In der Vita wird nur von zwei Wundern berichtet, in denen die Wundermacht des Ḥnānā verdeutlicht wird: Im ersten Fall wurde einem Zönobiten von Rabbān Moses ein Ḥnānā mit auf seine Reise gegeben. Mit diesem Ḥnānā, das vom Grab Bar Yaldās, des Meisters des Rabbān Moses, stammte, konnte der Zönobit in Balad ein taubstummes Kind heilen.1018 Im zweiten Fall wurde ein Muslim dreimal mit dem Ḥnānā gesalbt,1019 dem danach drei Söhne geboren wurden.1020 Zwar berichten nur diese zwei Erzählungen in der Vita von Heilungen durch Ḥnānā, doch die Bedeutung dieser Form der Reliquie wird durch eine weitere Erzählung deutlich: Johannes bar Kaldun beschreibt, wie Josef von Rabbān Moses aufgefordert wurde, Schüler zu unterrichten und Pilger zu empfangen. In diesem Kontext brachte ihm Rabbān Moses „ein Bündel Ḥnānā“. Er befahl ihm, dieses an alle zu verteilen, die ihn darum baten.1021 Johannes bar Kaldun verdeutlicht dadurch, dass dies zu einer wichtigen Aufgabe der Eremiten gehörte, wenn sie Pilger empfingen. Auch zeigt diese Geschichte, dass jene Reliquien eine zentrale Rolle für die Pilger im Kloster hatten. Der Hintergedanke ist dabei derselbe, der sich auch bei den Heilungen durch den lebendigen Eremiten findet und der im Christentum weitverbreitet ist: Es ist die segnende Berührung durch den physischen Körper des Eremiten, die heilt – im einen Fall die Segnung des lebenden Asketen, im anderen die Segnung mit dem Ḥnānā, d. h. mit dem Staub aus dessen Grabkammer. Ein weiterer Vorteil der Reliquie ist ihre Transportierbarkeit, während der Eremit seine Zelle nur selten verließ.1022 Dieses Vertrauen auf die Heilungskraft der Eremiten ist für mhaymnē nicht verwunderlich. Doch Johannes bar Kaldun berichtet auch von Angehörigen anderer Gruppen, die das Kloster besuchten, um von ihren Leiden geheilt zu werden. Dies ist der Fall in der Geschichte über den rēšānā der Hakkarāyē namens Ḥasan bar Ibrāhīm. Er besuchte Josef Busnāyā, der ihn vom Aussatz

1 018 V, fol. 132r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 136 (ROC 3, 313). 1019 So verstehe ich die Formulierung: „Dann gab er ihm drei Siegel ḥnānē“ (hāydēn yaḇ leh tlāṯ ṭawʿe (=ṭaḇʿe) ḥnānē), V, fol. 98v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 102 (ROC 3, 177). In der Liturgie wird der Begriff Siegel für rituelle Salbungen verwendet. 1020 V, fol. 98v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 102 (ROC 3, 177). 1021 V, fol. 40v–41r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 44 (ROC 2, 402). 1022 In den meisten Fällen der Vita geschieht die Heilung in der Zelle. Der Kranke wird von den Schülern in Empfang genommen und in die Zelle des Heiligen gebracht.

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heilte.1023 Ebenso kam die bereits genannte Tochter des Abūlqā, dem Harzdāyā, in das Kloster, um ihren Sohn von einem Fieber heilen zu lassen. Als Tochter eines Mitglieds einer muslimischen Bevölkerungsgruppe war sie selbst Muslima.1024 Doch aus welchem Grund war es überhaupt für sie möglich, ein christliches Kloster zu besuchen und weswegen vertrauten sie auf die Heilkraft der Eremiten? Ist dies nur eine Fiktion des Autors, die die Wirkmächtigkeit der Heiligen auch über Personen anderer Religionen zeigen soll? Dass diese Erzählungen eine Grundlage in der Realität haben könnten, zeigen andere Berichte aus der islamisch dominierten Welt des Mittelalters. Die Verehrung von Asketen als heilige Personen ist bei den Muslimen nicht unbekannt. In ihrer Dissertation von 2009 nennt Elisabeth Campbell zahlreiche Beispiele für Beschreibungen von Treffen christlicher und muslimischer Asketen aus der muslimischen Perspektive.1025 So scheint es ein Topos in Biographien von Sufis ab dem 10. Jahrhundert zu sein, dass ein Sufi einen christlichen Asketen aufsucht, um von ihm eine Unterweisung in die Askese zu erhalten. Die Mönche treten dabei nicht als theologische Autoritäten auf, sondern geben Ratschläge zu zahlreichen Praktiken der Askese wie z. B. zum Fasten, zur Abgeschiedenheit und zu den Gebeten. Zuweilen werden die Mönche auch nach Details gefragt, die stärker in Richtung der persönlichen Frömmigkeit gehen, wie ihrem Verhältnis zu Gott und ihren eschatologischen Erwartungen.1026 Campbell betont in ihrer Arbeit, dass solche Berichte nicht als tatsächliche Begegnungen gewertet werden dürfen, dass sie aber dennoch Aussagen darüber zulassen, wie muslimische Asketen über christliche Mönche dachten.1027 Sie kann zeigen, dass es vonseiten der Muslime einen großen Respekt vor der Leistung und dem Wissen dieser Eremiten gab und dass die Tradition von Askese im Islam eng mit der christlichen Form der Askese verbunden war. Nicht zuletzt wurde Jesus im Islam oft als Asket betrachtet und Asketen als Imitatoren seiner Lebensweise gesehen.1028 Es darf dabei nicht vergessen werden, dass in der muslimischen Literatur die Mehrheit der christlichen 1 023 V, fol. 57r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 60 (ROC 3, 89). 1024 V, fol. 59v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 62 (ROC 3, 91), zu den textkritischen Problemen dieser Stelle vgl. o. S. 26–27. Auf die besondere Rolle von Frauen in der Heiligenverehrung aufgrund ihrer Rolle als Mutter hat bereits Alexandra Cuffel hingewiesen, vgl. Cuffel, Shared Saints. 1025 Campbell, Heaven of Wine, 84–98. 1026 Vgl. mit einer Liste der Fragen und Beispielen Campbell, Heaven of Wine, 90–93. 1027 Campbell, Heaven of Wine, 84–85. 1028 Campbell, Heaven of Wine, 75–76; vgl. auch Anawati, ʿĪsā, 85.

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Mönche nicht als Nachfolger Jesu galten, sondern ausschließlich die Eremiten, insbesondere jene, die in der Wildnis und nicht in einem Kloster lebten.1029 Es erscheint aufgrund dieser Ansichten plausibel, dass die muslimische Bevölkerung gegenüber der asketischen Lebensweise nicht notwendigerweise negativ eingestellt war und daher auch in christlichen Eremiten heilige Menschen auf den Spuren Jesu gesehen hat, durch die Gott Wunder wirkte. Die Kraft und die Macht, die die Eremiten  – sowohl die Verstorbenen als auch die Lebenden  – durch die Nachfolge Jesu erhielten, kann daher sowohl für die muslimische als auch für die christliche Pilgerschaft als Objekt der Verehrung gesehen werden. Für die muslimische Seite lässt sich auch noch eine weitere Begründung für den Besuch des Klosters ausmachen: In der Vita wird von den Taufen der Söhne eines Muslims berichtet. Die christliche Taufe muslimischer Kinder ist uns in der muslimisch dominierten Welt auch aus anderen Zeiten und Regionen bekannt. Aus Kleinasien der osmanischen Zeit sind Beispiele der Taufe von muslimischen Kindern überliefert.1030 Die Mütter erhofften sich eine apotropäische Wirkung von der Taufe. Auf keinen Fall war allerdings darin ein Initiationsritus in die christliche Kirche eingeschlossen, zumindest war dies nicht die Intention der Mütter. Ein byzantinischer Kirchenrechtler des 12.  Jahrhunderts erwähnt, dass die Muslime annahmen, die Kinder würden von Dämonen besessen und stänken wie Hunde, wenn sie nicht getauft werden würden.1031 Im selben Jahrhundert gab der syrisch-orthodoxe Bischof von Mardin Johannes (gest. 1165) sogar liturgische Anweisungen, wie muslimische Kinder getauft werden sollten. Sie dürften auf keinen Fall mit den christlichen Kindern gemeinsam getauft werden und auch nicht im Namen der Dreifaltigkeit. Vielmehr sollte sie der Priester in einer reduzierten Zeremonie durch die Taufe des Johannes des Täufers „im Namen des Herrn mit einfachem Wasser und mit einfachem Öl“ taufen.1032 Beispiele für die Taufe muslimischer Kinder ohne das Ziel, sie in die Kirche zu initiieren, gibt es somit aus der byzantinischen Kirche, der syrisch-orthodoxen Kirche und  – mit der Vita des Josef Busnāyā – der Kirche des Ostens. Die Taufe in dieser Form und ihre Anziehungskraft auf Muslime ist aus der muslimischen Tradition weniger erklärbar

1 029 Campbell, Heaven of Wine, 94. 1030 Hasluck, Christianity, I 31–34. 1031 Taylor, David G. K., Syriac Baptism, 438–440. 1032 Für den syrischen Text dieses Abschnitts und eine englische Übersetzung mit einem Kommentar und einer Rekonstruktion des Ablaufs der Taufliturgie für muslimische Kinder Taylor, David G. K., Syriac Baptism, 443–450.

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als die Überzeugung, dass Eremiten heilige Männer waren, die Zugriff auf göttliche Kräfte hatten. Eine mögliche Antwort auf diese Frage könnte in der Rolle liegen, die Frauen in solchen Erzählungen einnehmen: In der Geschichte über die Taufe des muslimischen Kindes und einer weiteren Erzählung gibt Johannes bar Kaldun ihnen eine Art Mittlerrolle zwischen ihren Ehemännern, die dem Kloster gegenüber negativ eingestellt waren, und dem Kloster. In der Erzählung über die Taufe des muslimischen Jungen war es die Mutter des Kindes, die den Vater überredete, den Sohn im Kloster taufen zu lassen und das, obwohl er jeden Mönch, der durch seinen Heimatort kam, belästigte (šḥaq). Aufgrund dieses Verhaltens des Vaters starb das Kind während der Taufe. Dieses als göttliche Strafe aufgefasste Ereignis veranlasste den Muslim, von nun an die Mönche in Ruhe zu lassen.1033 In dieser Geschichte ist es die Mutter, die das Geschehen ermöglicht, das zu einer besseren Situation der Mönche führt. In der Geschichte des Kurden Kēmēl, der versucht hatte, einen Mönch zu töten, und daher von Gott mit einer Lähmung bestraft wurde, war es ebenfalls dessen Mutter, die ihren Sohn gegen dessen Willen auf einen Esel band und ihn in das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē brachte, wo er schließlich geheilt wurde.1034 Johannes bar Kaldun gibt in beiden Erzählungen für das Verhalten der Mütter keine Begründung an. Wie bereits erwähnt, wurde die spirituelle Autorität christlicher Eremiten auch bei Muslimen teilweise anerkannt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass ihre Hilfe in diesen Fällen eingeholt wurde. Auch ist es möglich, dass die Mütter Christinnen waren und keine Muslimas. In diesem Fall wäre es denkbar, dass christliche Elemente in ihren Familien weiterhin eine Rolle spielten. Interreligiöse Ehen waren in Gegenden mit gemischter Bevölkerung durchaus gegeben.1035 Auch der Bericht über die Taufen muslimischer Türken des byzantinischen Kirchenrechtlers Balsamon führte diese Taufen auf ihre orthodoxen Mütter zurück.1036 Es ist daher durchaus denkbar, dass der Ruf der Eremiten und familiäre Verbindungen Muslime und Kartwāyē in Klöster lockten und Johannes bar Kalduns Berichte ihre Grundlagen auf tatsächlichen Ereignissen hatten. Gleichzeitig zeigen diese Geschichten auch, dass Johannes diese Gruppen immer in ihrem Gewaltpotenzial gegen das Kloster betrachtete. In den bisher genannten

1 033 V, fol. 98r–99r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 101–102 (ROC 3, 176–177). 1034 V, fol. 119v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 124 (ROC 3, 301). 1035 Vgl. Tannous, Medieval Middle East, 437–455 Zu religiösen Mischehen aus der Perspektive des syrischen Kirchenrechts, vgl. Simonsohn, Communal Membership. 1036 Vgl. Taylor, David G. K., Syriac Baptism, 438.

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Berichten wenden die Mönche immer irgendeine Form potenzieller Gefahren vom Kloster ab. Selbst bei der Heilung des Hakkarāyā Ḥasan bar Ibrāhīm, in der von keinem Gewaltakt berichtet wird, steht dies im Hintergrund, denn am Ende des Berichts wird betont, dass dieser rešānā bis zu seinem Tod die Mönche vor Überfällen seiner Gefährten schützte. Auch in anderen, oben bereits beschriebenen Berichten stehen solche Prozesse im Vordergrund:  Īšōʿ von Kūmāṯēh, der in seiner Eremitenzelle außerhalb des Klosters von Kurden überfallen wurde, konnte sie durch ein Wunder abschrecken. Von nun an kamen sie einmal im Jahr in das das Kloster und brachten Geschenke.1037 Ein anderes Beispiel ist jene Geschichte über den muslimischen Lehrer der Harzdāyē, der mit Rabbān Moses einen Disput führen wollte und mit einer Lähmung geschlagen wird. Am Ende wurde er von Moses wieder geheilt und in Folge von der göttlichen Legitimität des Klosters überzeugt.1038 Johannes bar Kaldun beschreibt in beiden Geschichten eine beständige Gefahr durch das nicht-christliche Umfeld der Klöster, aber auch, dass es die Mönche schafften, sich mit dieser Umwelt zu arrangieren. In der Vita ist es die spirituelle Autorität der Mönche, die dies ermöglicht und erzählerisch in den Strafwundern ihren Ausdruck findet. Jedoch deuten die vielen anderen Berichte der Vita, in denen von Gewalt gegen Klöster und Mönche berichtet wird, darauf hin, dass dies allein nicht ausreichte. Welche Arrangements die Klöster vor solcher Gewalt schützten und ihr Überleben sicherten, muss hingegen offenbleiben. Bezüglich der allgemeinen Sicherheitslage in der Region äußert sich die Vita nicht. Auch aus anderen Quellen wissen wir über diese Region fast nichts. Die Ereignisse dieser Zeit waren jedoch durch den Konflikt zwischen den Ḥamdāniden und der Zentralregierung der Būyiden in Bagdad bestimmt. Die Region des Ḫābūr und der Ṣap̄ nā im Norden von Mosul war in diese Streitigkeiten involviert, weil die Ḥamdāniden in Mosul ausgezeichnete Beziehungen zu den Kurden in der Region unterhielten. Obwohl sich die Ḥamdāniden als Araber verstanden, waren die Ḥamdānidenherrscher Nāṣiraddawla (reg. 929 bis 967) und auch sein Nachfolger Abū Taġlib (reg. 967 bis 979) Söhne kurdischer Mütter und die Verbindungen reichten so tief, dass die Ḥamdāniden ihr Vermögen in den Festungen der Kurden aufbewahrten und sich dort auch in Zeiten der Krisen verschanzten. Die Taktik der Ḥamdāniden bestand darin, dass sobald die Būyiden oder andere Feinde die Stadt Mosul bedrohten, sie mit ihrem Vermögen und der gesamten Verwaltungsinfrastruktur inklusive

1 037 V, fol. 104v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 108 (ROC 3, 183). 1038 V, fol. 116v–117r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 120–121 (ROC 3, 297–298).

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Beamten die Stadt verließen und in diesen Burgen Schutz suchten.1039 Eine herausragende Rolle spielte dabei Ardumušt westlich von Maʿalṯāyā.1040 Es werden aber auch andere Burgen genannt, deren genaue Positionen heute nicht mehr bekannt sind.1041 Jedoch scheint auch die unweit des Klosters von Bēṯ Ṣayyarē gelegene Stadt ʿAmādiyya, die erstmals im 11. Jahrhundert erwähnt wurde, eine solche Festung gewesen zu sein.1042 Welche Rolle diese Festungen in den Zeiten zwischen den militärischen Auseinandersetzungen zwischen den Būyiden und den Ḥamdāniden spielten und welchen Einfluss sie auf die regionalen Verhältnisse hatten, behandeln die Quellen allerdings nicht. Auch in der Vita des Josef Busnāyā werden sie nicht erwähnt. Details über das Verhältnis der Klosterbewohner zu den Ḥamdāniden nennt Johannes bar Kaldun ebenfalls nicht. Er scheint jedoch die Būyiden negativer zu beurteilen als die Ḥamdāniden. Der Būyide ʿAḍudaddawla wird in der Vita mit der Zerstörung der christlichen Landschaft der Region in Zusammenhang gebracht.1043 Außerdem kämpfte Johannes bar Kalduns leiblicher Bruder gegen die Būyiden als Soldat in der Armee Abū Taġlibs1044 und schien loyal und positiv gegenüber seinem Herrn eingestellt gewesen zu sein. Gleichzeitig wurde Abū Taġlib aber von einem Eremiten kritisiert, weil er Steuern von den Eremiten eintrieb.1045 Die einzelnen Erzählungen über die Gewalt gegen Kloster und Mönche kann man chronologisch selten einordnen, da Johannes bar Kaldun auf die zeitliche Reihenfolge kaum Wert legt. Jahreszahlen werden nur bei den Todesdaten weniger Mönche genannt. Außerdem ist zu erwarten, dass Johannes bar Kaldun nur eine Auswahl solcher Gewalterzählungen überhaupt überliefert 1039 Diese Festungen als Rückzugsort der Ḥamdāniden ziehen sich durch die gesamte Geschichte ihrer Dynastie, vgl. Bikhazi, Hamdanid Dynasty, I 222–223. 1040 Zur Lokalisierung von Ardumušt vgl. Fiey, Assyrie chrétienne, II 674 und die Karte zwischen den Seiten 704 und 705. 1041 Im unmittelbaren Zusammenhang mit der Zerschlagung des ḤamdānidenEmirats von Mosul nennt Ibn Miskawayh in der Gegend östlich des Tigris neben Ardumušt die Festungen aš-Šaʿbānā, Uhrūr, Mulayṣā und Barqī, vgl. Ibn Miskawayh, Experiences, II.1 392–393 (arab.); II.2 431 (engl.). 1042 Vgl. Streck/Minorsky, ʿAmādiya. 1043 In der Vita nennt Johannes bar Kaldun den Būyiden-Herrscher nach seinen Geburtsnamen Panāh Ḥēsraw (V, fol. 51r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 53–54 (ROC 3, 83)). 1044 Vielleicht in der Schlacht bei Samarra am 29. Mai 978 (V, fol. 57v–58r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 60–61 (ROC 3, 89–90)); vgl. auch Fiey, Assyrie chrétienne, II 543; Zanetti, Saints Moines, 196, Anm. 17. 1045 V, fol. 160v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 168 (ROC 3, 476), vgl. auch o. S. 200–202.

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Die Außenbeziehungen des Klosters

hat, und eventuelle historische Berichte hagiographisch überformt hat. Eine wirklich repräsentative Aussage über die Sicherheitslage des Klosters ist daher kaum möglich. So wird der einzige Bericht über einen konkreten Überfall auf das Kloster und nicht nur reisende Mönche aus der Zeit des Johannes Dasenāyā berichtet: Als das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē von Hakkārāyē überfallen wurde, flohen alle Mönche in die Berge. Dieser Überfall kann zeitlich nicht datiert werden und trägt starke Züge eines hagiographischen Topos.1046 Auch berichtet Johannes bar Kaldun aus allen Zeitphasen seiner Vita von Überfällen auf Mönche, die durch die Region reisten.1047 Auch hier überwiegen jedoch die toposhaften Züge dieser Überfälle. Das solche Berichte nicht gänzlich aus der Luft gegriffen sind, zeigt jedoch der glaubwürdige Bericht der erneuten Gründung des Klosters von Īnēšk durch Abdīšōʿ Dasenāyā kurz nach dem Tod Rabbān Moses’ (946): Aufgrund der unsicheren Zeiten verlegte Abdīšōʿ den Standort des Klosters auf eine erhöhte Stelle, sodass die Bewohner der umliegenden Dörfer die Mönche schreien hören konnten, sobald diese überfallen wurden. Zusätzlich ließ er eine Mauer um das Kloster herum errichten, die sogar die Zellen umschlossen haben soll.1048 Gleichzeitig zeigt die Vita jedoch, dass es während des Bestandes des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē relativ friedlich war: Insbesondere die Zeit von Bar Yaldā und Rabbān Moses an der Spitze des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē ist von Erzählungen über die wirtschaftliche und religiöse Blüte des Klosters dominiert. Insgesamt nennt Johannes bar Kaldun zwei Zeitphasen, die konkretere Aussagen über die Sicherheitslage in dieser Region erlauben: Die Gründungsphase des Klosters um 900 und die Zeit der Zerstörung des Klosters nach 979. Die Gründung des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē durch Mönche aus dem Kloster von Bēṯ Qōqā wird zwar nicht datiert, aus der relativen Chronologie des Klosters kann man aber eine Zeit um 900 ansetzen.1049 Die Vita macht keine Angaben, warum diese Mönche ihre Heimat in der Adiabene westlich von Erbil verließen. Über die genaue Sicherheitslage vor Ort gibt es keine Kenntnis. Westlich dieser Region war jedoch das Zentrum eines ḫāriǧitischen Aufstands, dem die 1 046 V, fol. 144r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 150 (ROC 3, 327). 1047 V, fol. 85v–89r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 87–88; V, fol. 124r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 128 (ROC 3, 305); V, fol. 104v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 108 (ROC 3, 183). 1048 V, fol. 134r, Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138 (ROC 3, 315). 1049 Ich gehe dabei davon aus, dass Johannes bar Kaldun das korrekte Todesdatum des Rabbān Moses (946) angibt, V, fol. 133v–134r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 138 (ROC 3, 315).

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von einem Bürgerkrieg in den 60er-Jahren und dem Zanǧ-Aufstand im Südirak in den 70er- und frühen 80er-Jahren des 9.  Jahrhunderts geschwächte ʿAbbāsiden-Dynastie nicht Herr wurde. Der Aufstand, der zuweilen auch bis nach Mosul und Maʿalṯāyā (beim heutigen Dahūk) hinausgriff, mag ein Grund gewesen sein, warum die Gründer des Klosters von Bēṯ Ṣayyārē nach Norden gingen.1050 Kurze Zeit nach der Gründung durch diese Mönche wurde das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē jedoch wieder zerstört. Sie flohen und einer der jüngeren Mönche, Bar Yaldā, gelangte so nach nach Zōzān, wo er den jungen Moses kennenlernte, der später Abt in Bēṯ Ṣayyārē werden sollte. Mit diesem kehrte er in das Ṣap̄ nātal zurück, als sich dort die Lage wieder beruhigte. In dieser Zeit kurz nach 900 konnten auch die ʿAbbāsiden die Region um Mosul wieder stärker in ihren Herrschaftsraum einbinden. In Mosul selbst konnten sich die Ḥamdāniden fest an der Spitze der Regierung etablieren, zunächst als Statthalter der ʿAbbāsiden, später zunehmend autonom von der ʿabbāsidischen Zentralregierung in Bagdad.1051 Erst zum Ende des Lebens Josef Busnāyās nahm die unsichere Lage in der Region des Ṣap̄ nātals wieder zu. Josef Busnāyā begann vier Jahre vor der Ankunft des ʿAḍudaddawla die Zerstörung der Klöster und Dörfer dieser Region zu prophezeien. Johannes bar Kaldun gibt selten konkrete Daten an, aber hier dokumentiert er als Auslöser dieser unsicheren Zeiten das Jahr der Ankunft des Būyidenherrschers mit 367 n.  H. (978 n.  Chr).1052 Dies ist das Jahr der Niederlage und Flucht des Abū Taġlib und der beginnenden Herrschaft der Būyiden über Mosul. Noch im Juni desselben Jahres befahl ʿAḍudaddawla auch die Eroberung der kurdischen Festungen nördlich von Mosul, die in der direkten Umgebung von Bēṯ Ṣayyārē und den anderen Klöstern lagen. Diese Festungen konnten aber weitgehend durch Verhandlungen mit den Kurden zur gewaltlosen Übergabe bewegt werden.1053 In dieser Zeit, unmittelbar nach der Übernahme des Ḥamdāniden-Emirats durch die Būyiden, gab es nach der Vita noch keine Zerstörungen, die erst nach dem Tod des Josef Busnāyā stattfanden.1054 Josef starb am Mittwoch, den 4. September 1050 Eine detaillierte Darstellung der Ereignisse mit dem Fokus auf Mosul findet sich bei Canard, Dynastie des H’amdanides, 291–298 sowie Bikhazi, Hamdanid Dynasty, I  224–236; für eine knappe Zusammenfassung siehe Honigmann/Bosworth, al-Mawṣil, 900. 1051 Vgl. o. Kapitel Der Konflikt zwischen Būyiden und Ḥamdāniden. 1052 V, fol. 51r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 53–54 (ROC 3, 83). 1053 Vgl. Ibn Miskawayh, Experiences, II.1 392–293 (arab.); II.2 431–432 (engl.). 1054 V, fol. 51r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 54 (ROC 3, 83).

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Die Außenbeziehungen des Klosters

979,1055 also ein Jahr und vier Monate nach der entscheidenden Schlacht zwischen den Būyiden und den Ḥamdāniden bei Samarra, ohne – so Johannes – die Zerstörung der Klöster und Kirchen der Region miterlebt zu haben. Erst nach seinem Tod habe die Herrschaft des „Kurdentums“ (Kartwāyūṯā) und „Taġlibitentums“ (Taʿēlwāyūṯā) begonnen, die den großen Umbruch brachte, der die gesamte Region zerstörte. Neben der Zerstörung von Bēṯ Ṣayyārē wird auch von der Zerstörung Dasens und von der Ermordung seiner Bewohner durch die Hakkarāyē berichtet. Ibn al-Aṯīr (1160 bis 1233) schildert über den Todeszeitpunkt von Johannes bar Kaldun im November 979 eine interessante Begebenheit:  ʿAḍudaddawla schickte in dieser Zeit sein Heer zu den kurdischen Festungen im Ḫābūrtal. Das Heer belagerte die Festungen, während die Hakkarāyē (bei Ibn al-Aṯīr arab. al-Hakkāriyya) dort ausharrten und den Schnee abwarteten, der die Belagerung unmöglich machen sollte. Der Schnee ließ jedoch auf sich warten und die Kurden ergaben sich, nachdem ihnen Milde versprochen wurde. Diese Milde wurde ihnen jedoch anschließend verwehrt und Ibn al-Aṯīr berichtet, dass die Kurden am Straßenrand von Maʿalṯāyā nach Mosul auf einer Strecke von fünf Farsach (etwa 30 km) gekreuzigt wurden.1056 Doch auch diese Ereignisse markierten noch nicht das Ende des Klosters: Das letzte datierte Ereignis, von dem in der Vita berichtet wird, ist die Beerdigung des Küsters Gabriel im zweiten Jahr nach dem Tod von Josef Busnāyā, also um 981. Betrachtet man nun die Geschichte des Klosters im Kontext der Geschichte des 10. Jahrhunderts, wie sie von den muslimischen Quellen überliefert wird, so fällt auf, dass die rund 80-jährige Existenz des Klosters mit der Geschichte der Ḥamdāniden in Mosul verbunden war. So fiel die Gründung des Klosters um 900 ungefähr mit der Etablierung der Ḥamdāniden in Mosul als Provinzgouverneure zusammen. Was folgte, war eine relativ ruhige Zeit, in der das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē blühen konnte, was jedoch 979 aufhörte. Das Kloster erlebte zusammen mit seiner Umgebung eine schwere Zeit, die vermutlich in der Zerstörung des Klosters mündete. Diese Zerstörung könnte mit der Strafexpedition ʿAḍudaddawlas gegen die Hakkarāyē nach dem Untergang der Ḥamdānidenherrschaft in Mosul zusammenhängen. Es ist jedoch schwierig, die konkreten Dynamiken und Protagonisten zu erfassen, die jeweils zur Verschlechterung und zur Verbesserung der Lage führten. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die guten Beziehungen, die die Ḥamdāniden mit den Kurden

1 055 V, fol. 219v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 240 (ROC 5, 188–189). 1056 Ibn al-Aṯῑr, Al-Kāmil, VI 149; vgl. auch Bürgel, Hofkorrespondenz, 139.

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nördlich und östlich von Mosul pflegten, den entscheidenden Faktor für die Sicherheitslage im Ṣap̄ nātal bildeten. Durch diese Verbindung spielte die Gegend des Ḫābūr- und Ṣap̄ nātals eine bedeutende Rolle in der Strategie der Ḥamdāniden, sich in Situationen der Gefahr aus Mosul zurückzuziehen. Diese strategisch wichtige Lage mag den Grund für die gute Sicherheitslage in der Region darstellen, die es dem Kloster von Bēṯ Ṣayyārē ermöglichte, eine Blütezeit im 10. Jahrhundert zu erleben. Während dieser Zeit war es den Klöstern in der Region gelungen, sich mit der muslimischen und kurdischen Umgebung des Klosters zu arrangieren. Die potenzielle oder tatsächliche Gewalt, die von diesen Gruppen ausging, zeigt aber, dass die Klöster von diesen Vereinbarungen abhängig waren und dass die Situation schnell kippen konnte. In dieser ruhigeren Zeit kamen Christen aller Schichten, Status und Geschlechter in die Klöster, um von der Wundermächtigkeit der Eremiten zu profitieren. Ebenso kamen Personen in das Kloster, die Johannes bar Kaldun nicht als Gläubige bezeichnete. Auch diese erhofften sich Heilung und Hilfe. Das Kloster wurde so zu einem regionalem Zentrum interreligiöser Begegnung.

9.  Resümee In seiner Einleitung schreibt Johannes bar Kaldun, dass er hoffe, dass seine Beschreibung der heiligen Eremiten eine „Geschichte wie ein ersehnenswertes Paradies voller geistiger Früchte“ sei.1057 Die Früchte, d.  h. die Taten und das Vorbild der Eremiten, seien auf je ihre eigene Art und Weise süß und aromatisch und dem Leser eine Unterstützung. Für Johannes bar Kaldun endet hier der Vergleich des Klosters mit einem Paradies, in dem die fruchtreichen Bäume der Eremiten wachsen. Dieser Vergleich lässt sich jedoch noch erweitern, denn beschrieben werden nicht allein die spirituellen Früchte, sondern auch die Arbeit, die der Ernte vorausgeht. Die Bäume müssen von fleißigen Mönchen gepflegt und gewässert werden, damit sie sich voll entfalten können. Man muss den Garten auch vor Gefahren von außen und vor Krankheiten von innen schützen; und nicht jeder Setzling wird zu einem fruchttragenden Baum: Johannes bar Kaldun geht in seiner Vita über eine bloße Aufzählung von Wundergeschichten heiliger Eremiten hinaus. Die vorliegende Arbeit wollte diesen altbekannten Text als Quelle neu erschließen und so für die Geschichte der Region fruchtbar machen. Dabei sollte vor allem der Text selbst zur Sprache kommen, weswegen seine quellenkritische Untersuchung und Bearbeitung im Vordergrund stand. Wo es sinnvoll erschien, wurde zum besseren Verständnis auf weitere Quellen, vor allem aus der vorausgegangenen Zeit, zurückgegriffen. Aufgrund des hagiographischen Charakters des Texts und der damit verbundenen Interessen des Johannes bar Kaldun sind die Themen der vorliegenden Arbeit unterschiedlich in ihrer literarischen Ausgestaltung und ihrem Detailreichtum. Jedes Thema steht zunächst unabhängig von den anderen da. Eine grundlegende Differenz besteht vor allem zwischen der Perspektive, die Johannes bar Kaldun auf das Klosters und auf dessen Umwelt hat. Das Kloster wird aus der Innenperspektive von einem Teilnehmer an den monastischen Prozessen beschrieben, während die Welt außerhalb des Klosters aufgrund dieser monastischen Perspektive als etwas Fremdes wahrgenommen und dargestellt wird. Johannes spricht zu anderen Mönchen und verlässt seine Innenperspektive in der Vita nicht. Er kennt zwar die Außenperspektive, da er selbst aus dieser Welt stammt, und er pflegt seine Kontakte dorthin, wie die zu seinem Bruder, aber sein Fokus liegt allein auf den Prozessen im Kloster und auch die

1057 V, fol. 7r–v; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 6–7 (ROC 2, 364–365).

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Außenwelt wird nur insoweit wahrgenommen, wie sie mit dem Kloster und den Mönchen interagiert. Weil dies so ist, kann aus der Vita viel über das Leben im Kloster abgeleitet werden. Da sich Johannes aber besonders an junge Mönche richtet, ist hier auch die Gefahr am größten, auf Ideale zu stoßen, die gerade nicht die tatsächliche Lebenssituation im Kloster widerspiegeln. Dies wurde insbesondere in den Untersuchungen über den monastischen Alltag der Eremiten in ihren Zellen deutlich. Daher musste auf der einen Seite die ideale Vorstellung, wie sie vornehmlich im normativen achten Kapitel und in der exemplarischen Lebensbeschreibung Josef Busnāyās zu finden ist, herausgearbeitet werden. Gleichzeitig wurden die zahlreichen Abweichungen von diesen Idealen dokumentiert, die insbesondere in den narrativen Abschnitten zu finden sind. In diesem Spannungsfeld zwischen normativen Idealen und menschlicher Schwäche kann somit eine Vorstellung vom Leben im Kloster gewonnen werden. Die Ergebnisse verdeutlichen auch, wie stark die Klöster der Vita des Josef Busnāyā in der Tradition der abrahamitischen Klosterreform stehen und wie hoch diese geschätzt wurde. Gleichzeitig dokumentieren sie aber auch, dass sie im Kloster nicht als unveränderlich wahrgenommen wurde. Während die Struktur und Organisation des Klosters der abrahamitischen Klosterreform weitgehend beibehalten wurde, überrascht, dass die detaillierten Bestimmungen des Abraham von Kaškar und seiner Nachfolger keine Rolle zu spielen scheinen. Zum einem gab es Unterschiede, die fest etabliert waren, wie beispielsweise die Mobilität der Mönche: In den Klosterregeln wird diese streng eingeschränkt, während man in der Vita des Josef Busnāyā den Eindruck erhält, dass die Mönche nach Belieben das Kloster verlassen konnten. Zum anderen erlaubten die Äbte und die tugendhaften Alten zahlreiche Ausnahmen bezüglich der asketischen Praxis und entwickelten auch neue Regeln, die ansonsten unbekannt sind. Bemerkenswert an den narrativen Abschnitten ist außerdem, dass Johannes bar Kaldun sich auch ausführlich mit dem Scheitern beschäftigt und sich bewundernd über Mönche äußert, die dieses Scheitern erfahren. Diese achtungsvolle Darstellung des monastischen Weges in all seinen Facetten und Abstufungen ermöglichten es, nicht nur den Tagesablauf und das Leben der Mönche in einer idealen Entwicklung vom Novizen zum perfekten Eremiten, sondern auch das Leben der einfachen Mönche in all seinen Brüchen zu betrachten. Dies unterscheidet die Vita von vielen anderen hagiographischen Texten, die vor allem dazu geschrieben wurden, ihre Protagonisten als besonders heilige und ehrwürdige Männer Gottes ohne Fehl darzustellen.

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Aufgrund dieser Darstellung kann man deutlich erkennen, dass die Klostergemeinschaft nicht nur aus Eremiten, die zurückgezogen in Askese und Gebet lebten, bestand, sondern auch ein Ort komplexer Arbeitsteilung und Lebensgestaltung war. Selbst die erfahrenen Eremiten erfüllten eine Aufgabe im Kloster, indem sie jüngere Mönche unterwiesen und Pilger empfingen. Unterstützt wurden sie dabei von ihren Schülern. Sie waren persönliche Diener oder Sekretäre der von der Askese gezeichneten Eremiten. Johannes bar Kaldun stellt aber auch die Jahre im Zönobium dar, die in anderen Texten der monastischen Tradition nur am Rande behandelt werden. Er geht dabei nicht nur in hagiographischen Topoi auf die jungen Jahre der Heiligen wie Josef Busnāyā ein, sondern beschreibt auch Mönche  – sich selbst eingeschlossen  –, die von ihren Erfahrungen als Zönobiten im Kontakt mit den Heiligen berichten. Diese Zeit wird von Blum mit Verweis auf die mystische Literatur als „Schule der Demut“1058 bezeichnet, und auch Josef Busnāyā sieht sie so.1059 Allerdings erfüllten die Zönobiten als Arbeiter die profane Aufgabe, das wirtschaftliche Überleben des Klosters zu sichern, da es sich aus Spenden allein nicht finanzieren konnte. Sie waren für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klosters zuständig, reisten im Auftrag des Klosters und übernahmen andere wichtige Aufgaben. Gegen die Tradition der abrahamitischen Klosterreform, die nur einen zeitlich begrenzten Aufenthalt im Zönobium vorsah, wurden Mönche dabei auch auf Lebenszeit für bestimmte Arbeiten abgestellt. Dies war angesichts der zahlreichen Eremiten, die ein Kloster unterhielt, und der Steuer, die es zahlen musste, notwendig. Johannes bar Kaldun ehrt auch diese Mönche, indem er ihnen eigene Geschichten widmet und sich, obwohl sie nicht ganz oben in der monastischen Disziplin stehen, bewundernd über sie äußert. In diesem Kontext liefert die Vita auch Details über das Wirtschaftsleben des Klosters. Sie ist allerdings kein Hauptthema der Vita des Josef Busnāyā. Dass überhaupt auf die wirtschaftliche Situation des Klosters eingegangen wird, zeigt, wie stark die Mönche in den Wirtschaftsbetrieb eingebunden waren. Aufgrund der wenigen Informationen ist es zwar unmöglich, ein vollständiges Wirtschaftsprofil zu erstellen, es wird aber deutlich, dass das Kloster auf zwei Einnahmequellen fußte: die landwirtschaftliche Produktion und die Popularität als religiöses Pilgerzentrum. Auf beiden Ebenen waren die Mönche involviert. Die Zönobiten waren in der Produktion tätig, während sich die Eremiten und ihre Schüler um die Pilger kümmerten. Seine Einnahmen investierte

1 058 Blum, Geschichte der Begegnung, 349–353. 1059 V, fol. 170v–r; Bar Kaldun, Youssef Bousnaya, 179–180 (ROC 4, 386–387).

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das Kloster in die Weiterentwicklung seiner landwirtschaftlichen und monastischen Infrastruktur. Die Ausgabenseite lässt sich in der Vita nur schwer erfassen, allerdings ist sicher, dass das Kloster seine Mönche unterhalten und Steuer abführen musste. Auch erwähnt werden die karitativen Arbeiten des Klosters, obwohl sie nicht sehr umfangreich erscheinen. Ebenfalls schwer fassbar ist die Rolle, die Privatbesitz im Kloster spielte. Es wird erwähnt, dass sich die Mönche ihre eigene Zelle kaufen mussten und auch anderen Besitz hatten. Es wird aber auch deutlich, dass das Kloster sich um ihre Versorgung kümmerte. Inwieweit hier eine gegenseitige oder einseitige finanzielle Verpflichtung zwischen Kloster und Mönch herrschte, muss offenbleiben. Neben den Mönchen in den Zellen und den körperlich arbeitenden werden auch jene erwähnt, die für den Dienst in der Kirche bestellt waren, d. h. die Kleriker und Theologen. Sie erfüllten ihren Dienst in den Gemeinden, Schulen und Bistümern. Über das Leben und die Aufgaben dieser Mönche bietet die Vita leider keine Informationen, da sie nicht im Kloster lebten. Die Aufgaben, die sie außerhalb des Klosters erfüllen mussten, standen im Gegensatz zur Weltabgewandtheit der abrahamitischen Reformklöster. Die Grundlage ihrer Arbeit war eine profunde Kenntnis der Lehre und des Kirchenrechts der Kirche des Ostens. Die Lehre beruhte auf der Kenntnis der griechischen Kirchenväter, in der Kirche des Ostens besonders des Theodor von Mopsuestia, doch genauso wichtig war die griechische Philosophie, die durch die ausgiebige Übersetzungstätigkeit der vorangegangenen Jahrhunderte auf Syrisch und Arabisch zugänglich war. Von den ostsyrischen Mystikern wurden solche Kenntnisse jedoch als schädlich für die Mönche angesehen, da das Kirchenrecht, die Theologie und die Philosophie Fächer waren, mit denen man sich in der Kirche beschäftigte, um in den interkonfessionellen und juristischen Streitigkeiten bestehen zu können. Es verwundert daher nicht, dass die Eremiten tendenziell die Beschäftigung mit solchen Themen verboten. Die vorliegende Arbeit konnte hingegen zeigen, dass Johannes bar Kaldun versucht hat, monastische Unterweisung und kirchliche Ausbildung zu verbinden, wenn auch nicht für jeden. Er möchte dabei sowohl der mystischen als auch der kirchlichen Tradition gerecht werden. Auf der einen Seite wurde den Mönchen die Entscheidung überlassen, ob sie nach ihrer Zeit im Zönobium ein Leben als Priester oder Theologe führen wollten. Dadurch wurde sichergestellt, dass die monastische Bewegung auch in der kirchlichen Institution vertreten war. Auf der anderen Seite versucht er zu begründen, warum es wenigen Eremiten, die im Kloster blieben, erlaubt sei, sich auch mit beiden zu beschäftigen. Sobald Johannes bar Kaldun aus dem Kloster hinausblickt, kann man zwei Welten erkennen: Zunächst nimmt er eine Umwelt wahr, zu dem das Kloster

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und die Mönche gehörten. Dies sind die anderen Klöster und die Kirche. Auf den zweiten Blick zeigt sich ihm eine Umgebung, in der das Kloster nicht zu Hause ist – jene Welt, die der Mönch verlassen will, sobald er in das Kloster eintritt. Johannes versucht das Kloster, Josef Busnāyā und damit auch sich selbst in dieser ersten Welt zu positionieren. Dies geschieht auf drei Ebenen. Zunächst verortet sich Johannes bar Kaldun auf der Ebene der christlichen Ökumene. Das Kloster von Bēṯ Ṣayyārē wird dabei in eine kontinuierliche Heilsgeschichte von der Erschaffung der Welt bis in die aktuelle Zeit eingeordnet. Dadurch soll gezeigt werden, dass die Klostergemeinschaft von Bēṯ Ṣayyārē der jüngste Träger der Auserwählung Gottes sei. Dabei ist bemerkenswert, dass die apostolische Sukzession nicht auf die kirchliche Institution des Katholikats von Seleukia-Ktesiphon zurückgeführt wird, sondern auf die monastische Bewegung, die von den Apostel auf die ägyptischen Mönchsväter übertragen wurde und durch die Vermittlung der syrischen Mönche Awgēn und Abraham von Kaškar im syrischen Mönchtum weiterlebt. Auf einer zweiten Ebene platziert er das Kloster in die konkrete Geschichte des ostsyrischen Mönchtums. Durch zahlreiche Analogien zwischen ägyptischen Wüstenvätern, asketischen Heiligen aus der Frühzeit der abrahamitischen Klosterreform, ostsyrischen Mystikern und den in der Vita beschriebenen Mönchen fügt er Letztere in diese apostolisch-monastische Tradition ein. Auf der dritten Ebene verbindet er die lokalen Traditionen der Klöster und Mönche im Ṣap̄ nātal und seiner Umgebung eng miteinander. In diesem Zusammenhang spielen das Lehrer-SchülerVerhältnis und die Mobilität der Mönche eine zentrale Rolle. In der Vita des Josef Busnāyā werden diese Kontakte zwischen den Klöstern über solche Lehrer-Schüler-Beziehungen dargestellt und gefestigt. Eine von der Person unabhängige Institutionalisierung der Kontakte zwischen den Klöstern scheint es nicht gegeben zu haben. Auffällig an dieser Darstellung ist das Fehlen von überregionalen Verbindungen des Klosters. Sie sind zwar hie und da zu erahnen, doch hatte Johannes bar Kaldun vor allem das Klosternetzwerk im Ṣap̄ nātal und der Umgebung im Blick. Möglicherweise verfolgte Johannes bar Kaldun hier einen anamnetischen Zweck und versuchte, die lokalen Begebenheiten für die Nachwelt und die nach der Zerstörung von Bēṯ Ṣayyārē und seiner Region zerstreuten Brüder aufzuzeichnen. Der zweite Blick aus dem Kloster heraus zeigt die Welt, die der Mönch verlassen hat. Diese Welt betrachtete Johannes bar Kaldun nur, wenn sie mit Mönchen oder dem Kloster in Kontakt trat. Sie war von zahlreichen unterschiedlichen Gruppen bevölkert:  Zum einen gab es solche, die das Kloster besuchten, um dort von der Heiligkeit der Mönche zu profitieren und zum anderen solche, die das Kloster und seine Mönche bedrohten. Die Bezeichnung einer Gruppe und

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die Zuschreibung einer Person zu ihr geschahen dabei mit einem Vokabular, dessen Bedeutung heute nicht immer klar ist. Die meisten Pilger, die mit einem Anliegen in das Kloster kamen, werden als Gläubige bezeichnet und gehörten der Kirche des Ostens an. Obwohl an einer Stelle erwähnt wird, dass auch Gläubige anderer Konfessionen das Kloster besuchten, spielen die kirchlichen Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen keine Rolle. Andere Gruppen sind schwieriger zu fassen. Die genaue Bedeutung und Herkunft einzelner Gruppen konnte nicht in allen Fällen geklärt werden. Es ist aber auffällig, dass die Muslime und Personen, die einer Gruppe mit ethnonymen Bezeichnung wie Kartwāyē oder Taʿēlwāyē zugeordnet waren, in der Regel als (potenzielle) Gewalttäter auftauchen. Dies ist bei Gruppenbezeichnungen, die auf eine geographische Bezeichnung zurückgehen, nicht der Fall. Gleichzeitig darf man den Begriff Kartwāyē nicht einfach im Sinne einer homogenen Bevölkerungsgruppe verstehen. Vielmehr sind diese Begriffe für Johannes bar Kaldun stereotypenhafte Bezeichnungen eines bestimmten negativen Verhaltens. Diese Begriffe sind dementsprechend auch immer Fremdzuschreibungen. Auf der Grundlage dieser Überlegungen wurden in der Arbeit die Beziehungen dieser Gruppen zum Kloster untersucht und analysiert. Die Darstellung der Beziehungen ist vom Wesen des Klosters als Pilgerzentrum geprägt. Da Johannes bar Kaldun nicht nur Besuche der Gläubigen im Kloster dokumentiert, sondern auch die der anderen, nicht christlichen Gruppen, wurde es in diesem Zusammenhang als interreligiöser Ort betrachtet. Die Gläubigen und die Angehörigen anderer Gruppen besuchten aus ähnlichen Gründen das Kloster: Sie suchten dort Heilung durch den Segen der lebendigen oder durch die Überreste der verstorbenen Eremiten. Die Wundermacht lag in ihrer asketischen Arbeit. Christliche Asketen als Objekt der Verehrung sind auch auf muslimischer Seite belegt. Auch die besondere Rolle von Frauen unter den Pilgernden konnte analysiert werden. Frauen tauchen in der Vita fast ausschließlich in ihrer Rolle als Mütter auf. Dabei agieren sie auch als Vermittlerinnen zwischen dem Kloster und Nichtgläubigen. Anders als die beteiligten Männer werden die Frauen in diesem Zusammenhang keiner religiösen Gruppe zugeordnet. Die Frage, ob es sich um christliche Frauen in gemischtreligiösen Ehen oder um Muslimas handelte, konnte daher nicht endgültig beantwortet werden. Angesichts ihrer Rolle scheint eine Zugehörigkeit zum Christentum allerdings wahrscheinlich. Schließlich wurden auch die gewaltvollen Begegnungen zwischen Mönchen und Angehörigen nicht christlicher Gruppen betrachtet. Hier gibt es eine Reihe von Strafwundern von Eremiten, die solche potenziell bedrohlichen Personen wohlwollend stimmten. Johannes bar Kaldun betont in seinen Darstellungen solcher Kontakte die Macht des Eremiten über sie. Im

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Hintergrund dürften jedoch Prozesse gestanden haben, in denen das Kloster einen schwächeren Status hatte und seine Position im Ṣap̄ nātal bestimmen und aushandeln musste. Welche tatsächlichen Abmachungen zwischen Kloster und Umgebung bestanden, ist nicht mehr auszumachen. Es gelang dem Kloster jedoch durch solche Kontakte, seine Existenz in dieser Region abzusichern. Dass dies keine Selbstverständlichkeit war, zeigt die Geschichte des Klosters: Es war in seiner Existenz von der allgemeinen Sicherheitslage der Region abhängig. Nur in politisch stabilen Zeiten konnte es hier bestehen. Es ist bemerkenswert, dass das Kloster in einer Zeit, die durch Unruhen, einen Niedergang urbaner Strukturen und agrarwirtschaftlicher Produktion sowie der Desintegration des ʿAbbāsidenkalifats geprägt war, erblühen konnte. Der Vergleich mit der überregionalen Geschichte macht deutlich, dass die Blüte des monastischen Lebens eng an den Erfolg der ḤamdānidenDynastie in Mosul gebunden war. Durch die strategische Bedeutung des Ṣap̄ nāund Ḫābūrtals für die Ḥamdāniden und durch ihre politische und familiäre Verbundenheit mit den örtlichen Kurden war eine relativ friedliche Grundsituation in der Region gegeben. Mit der Niederlage der Ḥamdāniden und der Eroberung der kurdischen Festungen durch ʿAḍudaddawla endete diese Zeit im Ṣap̄ nātal und die Klöster, die in der Vita genannt werden, verschwinden größtenteils aus den Quellen. Wie die Zusammenfassung der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigt, berührt die Vita des Josef Busnāyā vielfältige Themen. Um sie herauszuarbeiten, war eine intensive Auseinandersetzung mit dem Text notwendig. Bei jedem Thema mussten Aussagekraft und historischer Wert der Quelle neu beurteilt werden. Die einzelnen Kapitel konnten auf dieser Grundlage einen Einblick in die Situation der Klöster im Nordirak des 10. Jahrhunderts geben und Bild des monastischen Lebens zeichnen, das durch weitere Forschungsarbeiten vertieft und an etlichen Stellen in einen größeren Zusammenhang gestellt werden kann. Insbesondere kann es an Betrachtungen vieler Arbeiten, die über die Zeit vor dem 10. Jahrhundert veröffentlicht wurden, angeknüpft werden. Dies bietet sich besonders für die Themen des monastischen Alltags, des monastischen Wirtschaftens, der Bildungssituation und der Interaktion des Klosters mit seiner Umwelt an. Die Frage des Verständnisses von Ethnonymen und anderer Gruppenbezeichnung in der syrischen Sprache ist ebenso ein Gebiet, auf dem weitere Forschungsarbeiten nötig sind. Auch hat die vorliegende Arbeit nicht alle Themenbereiche angesprochen, die man auf der Grundlage der Vita untersuchen könnte. Hier ist insbesondere die mystische Theologie des Josef Busnāyā und ihr Verhältnis zu den anderen ostsyrischen Mystikern, insbesondere Josef Ḥazzāyā, zu nennen. Um eine solche Arbeit zu bewerkstelligen, ist

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es aber nötig, auf der Grundlage der in Kapitel 2.1 genannten Handschriften, Testimonien und Fragmente zunächst eine textkritische Edition zu erstellen. Dies ist das dringlichste Desiderat für eine weitere Beschäftigung mit der Vita des Josef Busnāyā.1060

1060 Zurzeit bereite ich eine digitale Edition der Vita des Josef Busnāyā vor.

Transkription Zur besseren Lesbarkeit habe ich mich entschieden, die syrischen und arabischen Begriffe zu transkribieren und die arabische und syrische Schrift zu vermeiden. Nur in Fällen, in denen das Schriftbild für die Argumentation von Bedeutung ist, habe ich diese verwendet. Bei der Transkription des Arabischen halte ich mich an die Prinzipien der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, wobei ich bei den Diphthongen die Nebenform ay und aw verwende und nicht ai und au.1061 Bei der Transkription des Syrischen ist es schwieriger, da es keinen ähnlichen Standard gibt und fast jede Grammatik ein anderes System verwendet. So gibt es verschiedene Ansätze: Die einen Systeme sind komplex und versuchen alle sprachlichen Eigenheiten in der Transkription zu fassen, andere Systeme vereinfachen so stark, dass man am Ende in der Transkription nicht mehr das ursprüngliche Wort erkennen kann. Gleichzeitig überschneiden sich in den Grammatiken moderne Aussprachekonventionen der west- und ostsyrischen Traditionen, von den mittelalterlichen Grammatikern festgehaltenen Regeln und in der semitistischen Sprachwissenschaft rekonstruierte Formen. Da die Philologie und Semitistik der Geschichtswissenschaft zur Transkription kein praktikables System zur Verfügung stellt, bin ich wohl oder übel gezwungen, mir einen eigenen Weg durch die komplexen Regeln zu kämpfen. Leider bedeutet dies auch, dass ich gezwungen bin, mich nach Regeln zu richten, die nicht eindeutig sind, so z. B. die Frage, wann die Femininendung auf -tā, wann auf -ṯā lautet.1062 Die einfachste Lösung, einfach bei der syrischen Schrift zu bleiben, wollte ich dennoch aufgrund des Syrischen nicht mächtiger Leser vermeiden. Transkriptionen verwende ich zudem nur dort, wo die syrische Textgestalt für die Argumentation notwendig erschien, zumeist habe ich mich auf die Wiedergabe meiner Übersetzung beschränkt. Da die Handschrift V im digitalen Bereich der Biblioteca Apostolica Vaticana ohne Beschränkung einzusehen ist, kann die syrische Textgestalt ohne Probleme eingesehen werden. Ich habe die Aussprache in der Regel nach der klassischen Tradition transkribiert und nicht nach der Provenienz der Quellen, d. h. nap̄ šā statt des ostsyrischen nawšā, ʿAḇdīšōʿ statt des ostsyrischen ʿAwdīšōʿ oder gar ʿŌdīšōʿ oder 1 061 Brockelmann/Fischer/Heffening/Taeschner, Transliteration. 1062 Vgl. Nöldeke, Syrische Grammatik, 23 E: „Die Einzelheiten sind hier sehr verwickelt; die Ueberlieferung schwankt zuweilen.“ So ist es nach seinen Ausführungen für mich nicht zu entscheiden, ob es gmīrṯā oder gmīrtā heißen muss.

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Transkription

Bar ʿEḇrāyā statt des westsyrischen Bar ʿEbrōyō. Ebenso unterscheide ich zwischen o, u und i und ō, ū und ī, wohl wissend, dass diese Differenzierung in der Aussprache des Syrischen wahrscheinlich keine Rolle mehr spielte und wissenschaftlich umstritten ist.1063 Gleichzeitig unterscheide ich – ebenso nach dem klassischen System – nicht zwischen langem geschlossenem ẹ̄ und langem offenem ę̄ , wie es zuweilen üblich ist. Auf der anderen Seite schreibe ich keinen Murmelvokal, wie es oftmals noch in Grammatiken zu finden ist. Verdoppelte Konsonanten behalte ich bei, auch wenn sie vor einem geschwundenen Murmelvokal stehen. Ich verzichte auf Buchstaben, die zwar geschrieben aber nicht ausgesprochen werden, sei es, weil sie assimiliert werden, sei es, weil sie gänzlich wegfallen. Teilassimilationen berücksichtige ich auf der anderen Seite nur, wenn sie auch in der Schrift ihren Niederschlag gefunden haben. Die weiche Aussprache der Laute b, g, d, k, p und t markiere ich durch einen Strich über bzw. unter dem jeweiligen Buchstaben. Die Konsonanten und Vokale (hier mit ostsyrischen Namen entsprechend der hier verwendeten Transkription) transkribiere ich wie folgt:

‫ܐ‬ ‫ܒ‬ ‫ܓ‬ ‫ܕ‬ ‫ܗ‬ ‫ܘ‬ ‫ܙ‬ ‫ܚ‬

ʾ b, ḇ g, ḡ d, ḏ h w z ḥ

               

‫ܛ‬ ‫ܝ‬ ‫ܟ‬ ‫ܠ‬ ‫ܡ‬ ‫ܢ‬ ‫ܣ‬ ‫ܥ‬

ṭ y k, ḵ l m n s ʿ

               

‫ܦ‬ ‫ܨ‬ ‫ܩ‬ ‫ܪ‬ ‫ܫ‬ ‫ܬ‬

p, p̄ ṣ q r š t, ṯ

               

Pṯāḥā Zqāp̄ ā Rḇāṣā ʾarrīḵā Rḇāṣā karyā Ḥḇāṣā ʿṢāṣā ʾallīṣā ʿṢāṣā rwīḥā

a ā e ē i, ī u, ū o, ō

Bei der Transkription von Eigennamen ging es mir darum, einen angenehmen Lesefluss zu ermöglichen, weswegen ich in der Regel die im Deutschen verwendeten Formen benutzt habe, wie beispielsweise Josef, Johannes oder Jakob für Yawsep̄ , Yōḥannān oder Yaʿqōḇ, während ich europäisierende Formen orientalischer Namen wie Ebedjesu für ʿAḇdīšōʿ vermieden habe. Gleichzeitig hatte ich das Ziel, die Zuordnung von Namen möglichst eindeutig zu gestalten. Daher habe ich moderne Autoren, die auf Arabisch oder Syrisch veröffentlichten, in transkribierter Form wiedergegeben, wie beispielsweise Yūḥannān Ǧūlāġ. Auf der anderen Seite habe ich die Namen orientalischer Autoren, die in europäischen Sprachen veröffentlichten und unter ihren europäisierten Namensformen

1063 Vgl. z. B. Muraoka, Classical Syriac, 6, Anm. 8; 8 Anm. 14.

Transkription

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bekannt sind, in der europäischen Form verwendet, wie beispielsweise Addai Scher. Namen von historischen Personen wie Theodor von Mopsuestia oder Diodor von Tarsus habe ich ebenso in der in der deutschen Literatur gebräuchlichen Form verwendet. Bei den Bezeichnungen von geographischen Begriffen bin ich ähnlich vorgegangen, sodass ich auf der einen Seite Mosul und Bagdad schreibe, auf der anderen Seite aber Bēṯ Ṣayyārē und Ṣap̄ nā. In diesen Fällen sind die Übergänge fließend, sodass es auch Fälle gibt, in denen eine andere Entscheidung, als sie in diesem Buch getroffen wurden, möglich gewesen wäre.

Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen insbesondere der Zeitschriften und Reihen erfolgen nach: Schwertner, Siegfried:  IATG3. Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben. Berlin 2014. Die Kürzel der Handschriften werden im Handschriftenverzeichnis aufgelöst. Die Kurztitel werden im Abschnitt Quellen und Quellensammlungen sowie im Literaturverzeichnis aufgelöst.

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Handschriftenverzeichnis Zitierte Handschriften mit Siglen B = Bagdad, Chaldäisches Patriarchat von Babylon, CNMO 193 (1965) = Collegeville, MN, HMML, CPB 193. C  = Cambridge, University Library, Or. 1315, (1599/1600). F = Alqoš, Kloster „Muttergottes von den Saaten, Nr. 548 (1951). G  = Alqoš, Kloster „Muttergottes von den Saaten, Nr. 549 (1959). H = Alqoš, Kloster „Muttergottes von den Saaten, Nr. 550 (1959). K = London, British Library, Or. 9388 (1893). L = London, British Library, Or. 9387 (19. Jh.). M = Birmingham, Cadbury Research Library, Ming. Syr. 66 (1893). E = Ernakulam, Bibliothek des syrischen Erzbischofs, Ms 7 (1828/nach 1830) = Collegeville, MN, HMML, APSTCH 00462. T = Thrissur, Bibliothek des Metropoliten der Kirche des Ostens, Ms. 7 (18. Jh.) = Collegeville, MN, HMML, APSTCH THRI 00007. U = Cambridge, University Library, Oo. 1.29, (17./18. Jh.). V = Città del Vaticano, Biblioteca Vaticana, Vat. Sir. 467 (1186). W = Washington, DC, Catholic University of America, Semitics/ICOR Library, Syr. 11 (1889).

Zitierte Handschriften ohne Siglen Karamlīš, Bibliothek der Kirche Mār Addai, Nr. 12 (1704) = Collegeville, MN, HMML, MACCL 00015. Mardin, Chaldaean Cathedral, Nr.  447 (1501)  =  Collegeville, MN, HMML, CCM 00447. Città del Vaticano, Biblioteca Vaticana, Vat. Sir 90 (1570/1571). Cambridge, University Library, Add. 1988 (1558).

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