Teleologische Erhabenheit der Vernunft bei Kant: Ein paradoxer Beweis der Einheit der Vernunft aus der Dualität des Erhabenen 9783110979916, 9783110991321, 9783110980165, 2022946857

Unlike conventional interpretations in the secondary literature on Kant’s philosophy, this book shows that Kantian philo

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Danksagung
Vorrede
Einleitung
Entwicklung der Fragestellung in den jeweiligen Kapiteln
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel I Problemstellung
1 Die Kluft zwischen dem Sinnlichen (Wahrnehmbaren) und dem Übersinnlichen (Denkbaren): Die Möglichkeit einer Vermittlerrolle des Gefühls des Erhabenen
a Das Gebiet der Natur und der Verstand als ihr Gesetzgeber
b Das Gebiet der Freiheit und die Vernunft als ihre Gesetzgeberin
2 Wichtigkeit des Erhabenen
a Geschichtlicher Hintergrund
b Stand der Forschung
3 Ausgangspunkt: Ursprung der Dualität des Erhabenen
a Ein Überblick über das Erhabene in der Kritik der Urteilskraft
b Kurze Charakterisierung des ästhetischen Gefühls des Erhabenen und seine Einteilung mathematisch-dynamisch
4 Gefühl als Übergang: Erläuterung wichtiger Aspekte des Erhabenen
a Das Problem des Übergangs
b Stimmung vs. Bestimmung
c Subreption
Kapitel II Synthese in den ästhetischen Urteilen des Erhabenen
1 Einführung zur Synthese
a Das Wesen der urteilenden Synthese
b Synthese als Handlung
c Vorstellung und ein Vorstellungsmerkmal für die Bestimmung der Vermögensart
2 Die dreifache Synthese in der A-Auflage
a Synthese der Apprehension
b Synthese der Reproduktion
c Synthese der Rekognition im Begriff
d Zur B-Deduktion der Kategorien in Bezug auf das Erhabene
3 Die zwei Synthesen in der B-Auflage
a Figürliche Synthese
b Intellektuelle Synthese
c Erste Rekapitulation
4 Die synthetische Unterscheidung mathematisch-dynamisch
a Mathematische Grundsätze: Gleichartige Synthese
b Dynamische Grundsätze: Ungleichartige Synthese
c Mathematische und dynamische Synthese: konstitutiver und regulativer Gebrauch
5 Deutung der Unterscheidung mathematisch-dynamisch angewandt auf das Erhabene
a Allgemeine Erläuterung des Problems
b Das mathematische Erhabene: ästhetisch-bedingte gleichartige Synthese?
Aggregation und Koalition: Quantität und Qualität
c Das dynamische Erhabene: ästhetisch-bedingte ungleichartige Synthese?
Physische und metaphysische Synthese: Relation und Modalität
Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen
1 Das ästhetische Urteil
a Eigentümlichkeit des ästhetischen Urteils
b Differenzierung des Schönen vom Erhabenen
c Apriorität der ästhetischen Urteile
2 Die innere Dualität des Gefühls des Erhabenen als Geistesgefühl und Gefühl des Übersinnlichen
a Interagierende Vermögen: Vernunft und Einbildungskraft
aa Vernunft
ab Einbildungskraft
b Gemischtes Gefühl: Lust und Unlust
ba Lust
bb Unlust
3 Die äußere Dualität des Erhabenen als Geistesgefühl und Gefühl des Übersinnlichen
a Das mathematische Erhabene: Übermaß der objektiven Größe als subjektive Unendlichkeit
b Das dynamische Erhabene: Übermaß der objektiven Macht als subjektive Freiheit
Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft jenseits der Dualität des Erhabenen
1 Der theoretische Gebrauch der Vernunft
a Der logische Gebrauch der Vernunft
b Transzendentaler Gebrauch der Vernunft
c System der Natur. Einheit und Totalität
2 Der praktische Gebrauch der Vernunft
a Der konstitutive Gebrauch der Vernunftideen in der Kritik der praktischen Vernunft
b Freiheit und Achtung
c System der Moral
3 Die Systematik der Vernunft: Eine Teleologische Einheit
a Probleme innerhalb und außerhalb der Trennung der Gesetzgebungen
b Die Vermittlungsrolle der Urteilskraft
c Einheit und System der Vernunft als Philosophie
d Zweite Rekapitulation
Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft
1 Das mathematische Erhabene und der theoretische Gebrauch der Vernunft
a Das mathematische Erhabene und die Teleologie der Natur
b Das mathematische Erhabene und die Metaphysik der Natur
2 Das dynamische Erhabene und der praktische Gebrauch der Vernunft
a Das dynamische Erhabene und die Teleologie der Freiheit
b Das dynamische Erhabene und die Metaphysik der Moral
3 Einheit der Vernunft und Einheit des Erhabenen
a Das Erhabene der Vernunft
b Die Teleologie der erhabenen Vernunft: Paradoxes Schicksal des endlichen Subjekts
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
I Werke Immanuel Kants
Siglenverzeichnis der in dieser Arbeit zitierten Schriften Kants
Andere Werke:
II Andere klassische Autoren
III Sekundärliteratur
Sachregister
Namensregister
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Teleologische Erhabenheit der Vernunft bei Kant: Ein paradoxer Beweis der Einheit der Vernunft aus der Dualität des Erhabenen
 9783110979916, 9783110991321, 9783110980165, 2022946857

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Paula Mariel Órdenes Azúa Teleologische Erhabenheit der Vernunft bei Kant

Kantstudien-Ergänzungshefte

Im Auftrag der Kant-Gesellschaft herausgegeben von Manfred Baum, Bernd Dörflinger, Heiner F. Klemme und Konstantin Pollok

Band 220

Paula Mariel Órdenes Azúa

Teleologische Erhabenheit der Vernunft bei Kant Ein paradoxer Beweis der Einheit der Vernunft aus der Dualität des Erhabenen

ISBN 978-3-11-099132-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-097991-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-098016-5 ISSN 0340-6059 Library of Congress Control Number: 2022946857 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

An Athena und an alle Frauen, die für die Wahrheit, die Gerechtigkeit und die Liebe kämpfen: an meine Mutter und Großmutter.

Inhalt Danksagung Vorrede

XI XIII

Einleitung 1 Entwicklung der Fragestellung in den jeweiligen Kapiteln

4

Kapitel I Problemstellung 8  Die Kluft zwischen dem Sinnlichen (Wahrnehmbaren) und dem Übersinnlichen (Denkbaren): Die Möglichkeit einer Vermittlerrolle des Gefühls 8 des Erhabenen 13 a Das Gebiet der Natur und der Verstand als ihr Gesetzgeber b Das Gebiet der Freiheit und die Vernunft als ihre Gesetzgeberin 15  Wichtigkeit des Erhabenen 18 18 a Geschichtlicher Hintergrund b Stand der Forschung 23  Ausgangspunkt: Ursprung der Dualität des Erhabenen 25 27 a Ein Überblick über das Erhabene in der Kritik der Urteilskraft b Kurze Charakterisierung des ästhetischen Gefühls des Erhabenen und seine Einteilung mathematisch-dynamisch 30  Gefühl als Übergang: Erläuterung wichtiger Aspekte des Erhabenen 34 34 a Das Problem des Übergangs b Stimmung vs. Bestimmung 40 c Subreption 41 Kapitel II Synthese in den ästhetischen Urteilen des Erhabenen 46  Einführung zur Synthese 46 a Das Wesen der urteilenden Synthese 48 b Synthese als Handlung 51 c Vorstellung und ein Vorstellungsmerkmal für die Bestimmung der Vermögensart 52  Die dreifache Synthese in der A-Auflage 57 a Synthese der Apprehension 58 b Synthese der Reproduktion 59 c Synthese der Rekognition im Begriff 60 d Zur B-Deduktion der Kategorien in Bezug auf das Erhabene 60

VIII







Inhalt

Die a b c Die a b c

zwei Synthesen in der B-Auflage 62 63 Figürliche Synthese Intellektuelle Synthese 65 Erste Rekapitulation 68 synthetische Unterscheidung mathematisch-dynamisch 70 71 Mathematische Grundsätze: Gleichartige Synthese Dynamische Grundsätze: Ungleichartige Synthese 72 Mathematische und dynamische Synthese: konstitutiver und regula74 tiver Gebrauch Deutung der Unterscheidung mathematisch-dynamisch angewandt auf das 77 Erhabene a Allgemeine Erläuterung des Problems 81 b Das mathematische Erhabene: ästhetisch-bedingte gleichartige 81 Synthese? c Das dynamische Erhabene: ästhetisch-bedingte ungleichartige Synthese? 83

Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen 86  Das ästhetische Urteil 86 a Eigentümlichkeit des ästhetischen Urteils 87 92 b Differenzierung des Schönen vom Erhabenen c Apriorität der ästhetischen Urteile 100  Die innere Dualität des Gefühls des Erhabenen als Geistesgefühl und Ge102 fühl des Übersinnlichen a Interagierende Vermögen: Vernunft und Einbildungskraft 102 b Gemischtes Gefühl: Lust und Unlust 110  Die äußere Dualität des Erhabenen als Geistesgefühl und Gefühl des Übersinnlichen 116 a Das mathematische Erhabene: Übermaß der objektiven Größe als subjektive Unendlichkeit 117 b Das dynamische Erhabene: Übermaß der objektiven Macht als subjektive Freiheit 130 Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft jenseits der Dualität des Erhabenen 142 142  Der theoretische Gebrauch der Vernunft a Der logische Gebrauch der Vernunft 143 b Transzendentaler Gebrauch der Vernunft 146 c System der Natur. Einheit und Totalität 151

IX

Inhalt





Der praktische Gebrauch der Vernunft 158 a Der konstitutive Gebrauch der Vernunftideen in der Kritik der prakti158 schen Vernunft b Freiheit und Achtung 159 c System der Moral 163 168 Die Systematik der Vernunft: Eine Teleologische Einheit a Probleme innerhalb und außerhalb der Trennung der Gesetzgebungen 168 b Die Vermittlungsrolle der Urteilskraft 171 c Einheit und System der Vernunft als Philosophie 175 177 d Zweite Rekapitulation

Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft 184  Das mathematische Erhabene und der theoretische Gebrauch der 184 Vernunft a Das mathematische Erhabene und die Teleologie der Natur 188 195 b Das mathematische Erhabene und die Metaphysik der Natur  Das dynamische Erhabene und der praktische Gebrauch der Vernunft 202 a Das dynamische Erhabene und die Teleologie der Freiheit 206 209 b Das dynamische Erhabene und die Metaphysik der Moral  Einheit der Vernunft und Einheit des Erhabenen 215 a Das Erhabene der Vernunft 221 b Die Teleologie der erhabenen Vernunft: Paradoxes Schicksal des end224 lichen Subjekts Zusammenfassung

227

Literaturverzeichnis 233 I Werke Immanuel Kants 233 Siglenverzeichnis der in dieser Arbeit zitierten Schriften Kants Andere Werke: 233 II Andere klassische Autoren 234 III Sekundärliteratur 234 Sachregister Namensregister

243 251

233

Danksagung Diese an der Universität Heidelberg eingereichte Dissertation wäre ohne die Unterstützung und Hilfe von verschiedenen Instanzen und Menschen nicht möglich gewesen. Ein doppelter Dank gebührt zwei Institutionen: dem DAAD und der FAZIT-Stiftung. An erster Stelle möchte ich mich bei dem Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) bedanken, dessen großzügige Unterstützung über mehrere Jahre einen großen Teil meiner philosophischen Forschung ermöglichte. Dem Programm STIBET-DAAD der Graduiertenakademie Heidelberg und der FAZIT–Stiftung schulde ich ebenfalls einen großen Dank für ihre monatelange finanzielle Unterstützung. Nicht nur während meiner Promotion hat mir die FAZIT-Stiftung geholfen, sondern auch bei der Veröffentlichung derselben. Dank ihrer Unterstützung und der seitens der Graduiertenakademie der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg kann dieses Werk in diesem editorischen Rahmen erscheinen. Dem philosophischen Seminar der Universität Heidelberg will ich dafür danken, mir im letzten Jahr meiner Forschung eine Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft gegeben zu haben, welche meine Doktorarbeit indirekt bei ihrer Vollendung unterstützen konnte. Auf dem langen Weg der Forschung und des Schreibens der Promotion begegnete ich vielen Personen, die nicht nur fachlich, sondern auch menschlich zu meiner Entwicklung beitrugen. Allen voran möchte ich mich bei meinem Doktorvater, Prof. Dr. Peter König, für seine Betreuung mit Worten und Taten herzlich bedanken. Zwei anderen Professoren des philosophischen Seminars der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Anton Koch und Prof. Dr. Peter McLaughlin, danke ich sehr für die fachliche Betreuung und ihre Bereitschaft, mir die Teilnahme an ihren Forschungskolloquien ermöglicht zu haben. Prof. Dr. Dr. Brigitte Falkenburg will ich dafür danken, mich mehrmals zu ihrem Forschungskolloquium an die Technischen Universität Dortmund eingeladen zu haben. Dank der Teilnahme an diesen vier verschiedenen Forschungskolloquien und an vielen verschiedenen Tagungen und Kongressen in Europa und Lateinamerika war es mir möglich, mein Forschungsspektrum zu erweitern. Mein besonderer Dank gilt den internationalen Professorinnen und Professoren und Kolleginnen und Kollegen der Kantforschung, die mich mit ihren verschiedenen Forschungsperspektiven auf diesem Weg immer wieder inspirierten und motivierten. Besonders danke ich dem vor kurzen verstorbenen Prof. Jacinto Rivera de Rosales für die Inspiration, Motivation und Unterstützung. Den Professoren Mario Caimi und Pablo Oyarzun möchte ich auch meinen Dank aussprechen.

https://doi.org/10.1515/9783110979916-001

XII

Danksagung

Für das Lektorat der Arbeit danke ich Anna Pickhan und Charlotte Döhrmann, die mich jahrelang bei meiner Arbeit begleiteten. Ebenfalls bedanke ich mich dafür sehr herzlich bei Anne Laudien, Gabriele Franz und Mark Fischer. Denen, die immer da waren und weiter da sein werden, gilt ein ewiger Dank: meiner Familie und meinen Freundinnen und Freunden. A mi madre, Inés Azúa, le agradezco desde lo más profundo de mi corazón por todo su apoyo más allá de los límites geográficos, por su infinito amor y por su contención, sin ella nada de esto sería posible. A mi abuela, Lissien Corvalán, le debo mucho como referente intelectual y moral, agradezco que siempre haya estado ahí. A Claudio Barrientos, el compañero de mi madre, le agradezco su cariño y apoyo en muchos momentos. Al resto de mi familia que desde la distancia me apoyó y sigue apoyando también le debo un agradecimiento. Christian Franz danke ich von ganzem Herzen für alles. Bei meinen Freunden und Freundinnen bedanke ich mich schwesterlich und brüderlich sehr, weil sie mich immer wieder vor Ort oder aus der Ferne unterstützen: Anne Laudien, Antonino Pane, Cecilia Otero, Charlotte Döhrmann, Clara Comas (gracias por ayudarme en tantas ocasiones y de tantas maneras), Irma Braschkat, Jazmín Kilman, Julia Heckel, Kathrin Lauer, Lorela Ceni-Hulek, Mark Fischer, Renate Delucchi, Sinah Görisch, Tamara Miller und Tamara Pino.

Vorrede Ziel dieser Arbeit ist es zu zeigen, dass die Unterscheidung des (mathematischen und dynamischen) Erhabenen bei Kant auch dem theoriearchitektonischen Zweck dient, die Kluft zwischen dem Gebiet der Natur und dem Gebiet der Freiheit zu schließen. Das Erhabene als eines von zwei Arten rein ästhetischer Urteile in der Kritik der Urteilskraft stellt in diesem Kontext entweder eine Lösung für dieses Problem oder ein zusätzliches Problem oder allein einen Zusatz dar. In der Sekundärliteratur zu Kant wird das Erhabene oft als bloßer Anhang des Schönen oder, aufgrund seiner mehrfachen Dualitäten (mathematisch/dynamisch, zweckwidrig/ zweckmäßig) als Bruch in Kants Ansatz angesehen. Im Unterschied zu diesen Interpretationen soll in dieser Arbeit aufgezeigt werden, dass es gerade die Dualität des Erhabenen ist, an der die systematische Einheit der kantischen Philosophie erscheint und greifbar wird. Dazu muss gesagt werden, dass es nicht die Absicht dieser Arbeit ist, die Dualität in der kantischen Philosophie absolut zu leugnen, sondern bloß, sie zu verschieben und auf einer anderen Ebene zu positionieren. Der spontane, freie Charakter des Subjekts und das Gegebene in der Welt konstituieren die zwei Elemente der transzendentalen Philosophie Kants. Die folgende Diskussion wird auf dieser Basis geführt. Eine Antwort auf das ontologische Problem des Monismus oder des Dualismus der kritischen Philosophie wird in dieser Arbeit nicht gegeben. Meine Fragestellung konzentriert sich eher auf das immanente Problem der Kluft oder des Übergangs zwischen dem theoretischen und praktischen Gebrauch der Vernunft. Ich muss mich bei der Leserin/beim Leser entschuldigen, falls sie/er in dieser Monographie eine topologische Behandlung des Erhabenen in der Kritik der Urteilskraft sucht, weil sie/er jene hier nicht finden wird. Die Methode dieser Arbeit könnte prima facie unorthodox scheinen, da ich mich auch der Kritik der reinen Vernunft und der Kritik der praktischen Vernunft anstatt nur der Kritik der Urteilskraft bediene. Dies aber ist nicht zufällig und ist damit zu begründen, dass in dieser Arbeit die Systematik der kritischen Philosophie hinterfragt wird. Wenn sie systematisch ist, dann sollte es möglich sein, eine thematische Parallelität zwischen den drei Werken herzustellen. Davon ausgehend werden wesentliche Themen innerhalb von Kants Philosophie behandelt, die eventuell die Erwartungen des Ästhetikers nicht erfüllen werden, aber dennoch – dies ist die Hoffnung – diejenigen der Philosophin/des Philosophen: die Synthese in ihren apriorischen und empirischen Dimensionen, ihr Zusammenhang mit den ästhetischen Urteilen im spezifischen Hinblick auf das Erhabene und seine Dualität, die Vernunft und ihre Ideen im theoretischen und praktischen Gebrauch, sowie https://doi.org/10.1515/9783110979916-002

XIV

Vorrede

die Resonanz der teleologischen Behandlung von der Vernunft innerhalb von Kants Philosophie. Zuletzt muss ich anmerken, dass ein großer Teil des ersten Abschnitts von Kapitel I und des dritten Abschnitts von Kapitel IV (etwa 7 % der gesamten Arbeit) nach vorheriger Absprache mit meinem Doktorvater bereits in einem mit Pickhan herausgegebenen Sammelband, Teleologische Reflexion in Kants Philosophie (2019), veröffentlicht wurden.

Einleitung In der Kant-Literatur wird das Erhabene häufig als ein Moment oder ein bloßer Anhang des Schönen angesichts der ästhetischen Betrachtung der Natur oder sogar als ein zusätzliches systematisches Problem angesehen,¹ sowohl hinsichtlich des unternommenen Vereinigungsprojekts (von der theoretischen und praktischen Vernunft) der Kritik der Urteilskraft ² als auch angesichts ihrer eigenen internen Struktur.³ Denn erstens sagt Kant selbst in §23 der KU,⁴ dass aus „der

 Cohen denkt z. B. an die Möglichkeit einer reduktiven Methode des idealen Einen erhöhten ästhetischen Inhalt, um die Behauptung Kants, das Erhabene sei ein „bloßer Anhang“ zur Betrachtung der Natur, zu verdeutlichen: „Immer aber bleibt das so gedachte Schöne das Gleichgewicht, welches selbst ideal ist, keine Bewegung ausführt, die Aufhebung vielmehr aller Bewegung ausdrückt: die realen Bewegungen selber, in denen das Schöne resultiert, sind das Erhabene und der Humor […]. Wie Natur und Sittlichkeit im Gefühl aufgehen, so verbinden sich das Erhabene und der Humor zum Schönen“ (Cohen 1889, S. 281 f.). Seine Methode ist m. E. nicht haltbar. Obwohl Kant in §54 der Kritik der Urteilskraft über den Humor referiert, enthält das „Lachen“ als „Affekt“ nichts rein Ästhetisches. Somit kann es nicht mit den Beurteilungen des Schönen und Erhabenen vergleichbar sein. Für Cohen ist diese Deutung des Erhabenen als ein „bloßer Anhang“ des Schönen, programmatisch gesehen, letztlich unbefriedigend: Kant habe „vielmehr, wie die Einleitung richtig sagt, einen „zweiten Hauptteil“ in der Analytik des Erhabenen beabsichtigt und geliefert“ (Cohen 1889, S. 283).  In der Auflistung der unvereinbaren Aspekte der KU zählt u. a. Bartuschat „das Erhabene in seiner Unlust hervorrufenden Formlosigkeit“ (Bartuschat 1972, S. 7) auf.  Seit Schopenhauers Kritik, die Kritik der Urteilskraft sei eine „barocke Vereinigung“ und kein inhaltlich einheitliches Buch, wird selbst das kantische Werk, dessen programmatischer Zweck es ist, die Einheit der Gebiete der Vernunft zu stiften, als ein Buch aus zwei unvereinbaren Teilen (Ästhetik und Teleologie) angesehen. Wie Kulenkampff (Kulenkampff 1974, S. 8 f.) diagnostiziert, wurde die KU nach ihrer Erscheinung bis Anfang des 20. Jahrhunderts als ein Text von zwei disparaten Teilen betrachtet. Die Veröffentlichung des Buches von Düsing, Die Teleologie in Kants Weltbegriff (1968), beginnt mit der konträren Tendenz. Heute kann man mehrere Versuche mit ästhetischen oder biologischen Betonungen in der Sekundärliteratur finden, welche sich vornehmen, die Einheit des Werks zu zeigen: Die Differenz von theoretischem und praktischem Vernunftgebrauch und dessen Einheit innerhalb der Kritik der Urteilskraft (1969) von Trade, The Transcendent Science: Kant’s Conception of Biological Methodology (1984) von Zumbach, Kants Theorie des reinen Geschmacksurteils (1990) von Fricke, Einbildungskraft und Interpretation (1997; Original in Englisch: 1990) von Makkreel, Kant on Beauty and Biology (2007) von Zuckert, Las Armonías de la Razón en Kant (2013) von Romanillos Andaluz, The Normativity of Nature: Essays on Kant’s Critique of Judgement (2014) von Ginsborg, u.v.a.. Ginsborg (2014) und Zuckert (2007) kommen auf verschiedenen – aber beide epistemisch orientierten – Wegen zum selben Schluss: Als Vereinigungsprinzip beider Teile sei die Zweckmäßigkeit als die Gesetzmäßigkeit der Zufälligkeit zu verstehen. Für mich ist dieser Versuch einer der besten in der Sekundärliteratur. Etwas Ähnliches, aber mit moralischer Emphase hinsichtlich der harmonischen Übereinstimmung des Subjekts mit der Natur, wird von Romanillos Andaluz unternommen. Jedoch funktioniert diese https://doi.org/10.1515/9783110979916-003

2

Einleitung

Theorie“ des Erhabenen ein bloßer „Anhang zur ästhetischen Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Natur“ gemacht wird (KU, AA 05: 246). Darüber hinaus benötigt das Erhabene im Unterschied zum Schönen keine echte Deduktion, da die Exposition, „was in ihm gedacht wird“ (KU, AA 05: 280), „über das Erhabene der Natur zugleich ihre Deduktion“ (KU, AA 05: 280) ist.⁵ Zweitens, da sich prima facie beim Erhabenen ein subjektiver Widerstand gegen die Natur ergibt, welcher aus der Formlosigkeit seines hervorrufenden Objekts entsteht, lässt sich das Prinzip der Zweckmäßigkeit in seiner Beurteilung nicht mit der Natur verbinden.⁶ Denn

Lesart nur, wenn das Erhabene beiseitegelassen wird. Denn der Anspruch richtet sich vornehmlich nach der Konkordanz der Natur mit unseren Erkenntniskräften, was beim Erhabenen prinzipiell nicht der Fall ist.  Im Folgenden werde ich Kants Werke nach der Akademie-Ausgabe angeben, außer im Fall der Kritik der reinen Vernunft, welche ich, wie üblich, nach der A und B Auflage zitieren werde. Im vorliegenden Text werde ich mich den gängigen Abkürzungen bedienen: für die Kritik der reinen Vernunft: KrV; für die Kritik der praktischen Vernunft: KpV; und für die Kritik der Urteilskraft: KU.  Zum Problem der abwesenden Deduktion des Erhabenen siehe Moore (2018). Ich teile mit Moores Ansicht, dass das eigentliche Erhabene in den Ideen der Vernunft (und in der Vernunft selbst) zu finden ist und nicht in der Natur und dass deshalb eine Deduktion gleich die Exposition ist, da keine objektive Erscheinung ohne Subreption als Erhabenes bezeichnet werden kann – was im Wesentlichen nichts Neues zu dem von Kant selbst Gesagten beiträgt. Nichtsdestoweniger kann ich seiner Ansicht bzgl. des Absehens der Natur bei der ästhetischen Erfahrung des Erhabenen nicht folgen. Ich teile eher die Meinung von Brady (Brady 2013, S. 78 – 84). Sie argumentiert gegen die von ihr so aufgefasste Haltung von Zuckert, Crawford und Lyotard, indem sie eine kausale Verbindung zwischen dem hervorrufenden Objekt des Erhabenen und diesem Gefühl als notwendig ansieht. M. E. kann man nicht allein und unabhängig von der Natur „erhabene Gefühle“ für sich verursachen. Eine andere Position, die auf die Notwendigkeit des Erscheinens eines übergroßen oder übermächtigen Objekts verzichtet, vertritt eine gefährliche Form des Idealismus – ein solcher, der für ästhetische Erfahrungen von der Gegebenheit absehen kann, wäre zumindest kein transzendentaler. Demzufolge wäre eine solche Interpretation des Erhabenen bei Kant keine mit seiner kritischen Philosophie kohärente Auffassung.  Laut Peña Aguado (1995) ergibt sich zu diesem Punkt ein epistemischer Zusammenbruch, welcher sogar die synthetische Einheit der Apperzeption in Gefahr bringen könnte, und zwar so: Aufgrund der Unermesslichkeit eines Objekts wird die synthetische Leistung, das sinnliche Objekt „in einer Anschauung“ zusammenzufassen, nicht hervorgebracht, d. h. das gegebene sinnliche Mannigfaltige lässt sich nicht synthetisieren und gehört nicht zu einer Vorstellung des Bewusstseins. Dieser Mangel an Synthese würde über die kognitiven Bestimmungen des transzendentalen Subjekts hinausgehen. Wäre dies der Fall, dann gäbe es sinnliche Phänomene, die trotz Affektion nicht vorstellbar wären, was aber im Rahmen der transzendentalen Elementarlehre der KrV unmöglich ist. Angesichts dieser Gefahr hatte Kant laut Peña Aguado die Theorie des Erhabenen in seiner Ästhetik nicht weiterentwickelt: „Es kann lediglich vermutet werden, inwieweit Kant das zerstörerisch Potential des Erhabenen für die transzendentale Kritik spürte. [ Es handelt sich um; Ergänzung von P. Ó. A.] die transzendentale Einheit des Selbstbewußtseins. Die Selbstverständlichkeit dieser Einheit wird im Augenblick des Gefühls des Erhabenen in Frage

Einleitung

3

die Unermesslichkeit der Natur, mathematisch und dynamisch betrachtet, lädt das Subjekt beim Gefühl des Erhabenen nicht zu einer ruhigen, erfreulichen, spielerischen Kontemplation derselben ein, sondern, ganz im Gegenteil, stößt sie das Subjekt wegen seiner eigenen Auffassungsunfähigkeit in der objektiven Wahrnehmung von jener ab. So scheint das Gefühl des Erhabenen keinen wichtigen Platz zu belegen, weder für die ästhetische Beurteilung der Natur noch für die Systematik der Vernunft. In meiner Arbeit werde ich gegen diese gängige Interpretation des Erhabenen in der kritischen Philosophie argumentieren. Da das Urteil des Erhabenen das rein ästhetische Urteil ist, welches die Natur der (menschlichen) Vernunft unmittelbar (im Gefühl als Faktum) beweist,⁷ und das Problem der Kritik der Urteilskraft die Verbindung der Dualität der Vernunft (theoretisch-praktisch) betrifft, lässt sich die Struktur der Vernunft durch die Untersuchung des Erhabenen besser beleuchten. Dafür wird es wesentlich sein, zu untersuchen, woraus die (mathematisch-dynamische) Dualität des Erhabenen entspringt und was sie für das Vereinigungsprojekt der Vernunft bedeuten kann. Meine Hauptthese ist, dass es anhand der Dualität des Erhabenen möglich ist, ein Argument für eine einheitliche Konzeption der Vernunft zu rekonstruieren. Dieser Ansatz mag zunächst paradox erscheinen, denn die Einheit ist am wenigsten im Erhabenen zu finden, da die Dualität als seine durchgängige Eigenschaft besiegelt wird. Beweis dafür sind sowohl seine äußere Einteilung in das mathematische (Größe) und dynamische (Macht) Erhabene, als auch seine innere Einteilung als gemischtes Gefühl der Unlust (objektive Unzweckmäßigkeit) und Lust (subjektive Zweckmäßigkeit). Im Folgenden werde ich für drei Nebenthesen argumentieren: 1. Im Erhabenen wird die Struktur der Vernunft widergespiegelt; 2. Im Erhabenen wird die übersinnliche Bestimmung der Vernunft gefühlt; 3. Das Übersinnliche in uns und außer uns wird im Gefühl des Erhabenen unmittelbar wiedererkannt.⁸ Schließlich werde ich zeigen, dass es durch die Dualität des Er-

gestellt, da das Berührtsein eine Lähmung des Subjekts des Vorstellens und Denkens hervorruft […]. Es geht um die Unmöglichkeit, unser ursprüngliches Bewußtsein dem Gegebenen gegenüber als Einheit zu bewahren, obwohl dies für die transzendentale Apperzeption nötig wäre.“ (Peña Aguado 1995, S. 73 f.).  „Erhaben ist, was auch nur denken zu können ein Vermögen des Gemüts beweist, das jeden Maßstab der Sinne übertrifft“ (KU, AA 05: 251). Dieses übersinnliche Vermögen ist die Vernunft.  Ich vermeide das Wort „erkennen“, weil in Kants Philosophie nur das Sinnliche erkannt werden kann und das Übersinnliche per se nicht, deswegen wäre es paradox mich dieses Ausdrucks zu bedienen. Ich werde das Wort „Wiedererkennung“ dafür benutzen und dabei denke ich an den griechischen Terminus „Anagnorisis“ (ἀναγνώρισις) aus dem Verb ἀναγνωρίζω: wiedererkennen. In der Poetik definiert Aristoteles sie als eins der drei wesentlichen Elemente der Tragödie. Neben Peripeteie (περιπέτεια) und Pathos (πάθος) bildet die Anagnorisis eins der entscheidenden Momente für den Glückswechsel (μετάβασις) eines tragischen Stücks, damit es Furcht (Φόβος) und

4

Einleitung

habenen möglich ist, die Vernunft als ein und dasselbe teleologische Vermögen zu denken.

Entwicklung der Fragestellung in den jeweiligen Kapiteln Kapitel I In diesem Kapitel stelle ich vier Elemente der Argumentation vor: 1. Was das Ausgangsproblem der These ist: Die Dualität der Gebiete der Vernunft: theoretisch und praktisch; 2.Was das Erhabene jenseits seiner ästhetischen Charakterisierung bei Kant ist: geschichtlich gesehen und als Thema der Kantforschung – auf diese Weise wird seine Wichtigkeit gezeigt. 3. Der Ausgangspunkt der vorliegenden Forschung: die Möglichkeit, die Dualität des Erhabenen als Beitrag zum Vereinigungsprojekt der Gebiete der Vernunft zu betrachten. 4. Inwiefern das Erhabene einen Übergang bilden kann. Dafür erläutere und deute ich drei begriffliche Aspekte des Problems: Übergang, Stimmung vs. Bestimmung und Subreption.

Kapitel II In diesem Kapitel untersuche ich den Begriff der Synthese in der KrV, da die ursprüngliche Trennung des Erhabenen in mathematisch und dynamisch aus der Unterscheidung der Synthese-Art der Kategorien und Grundsätze des reinen Verstandes entsteht. In §24 der KU erwähnt Kant die „Stimmungen“ der Einbildungskraft zum einzigen Mal in der kritischen Philosophie. Dort werden der Einbildungskraft zwei Stimmungen zugeschrieben: die „mathematische“ und die „dynamische“. Nirgendwo wird diese Einteilung von Kant erklärt. Deswegen bietet sich der Versuch einer Erklärung dafür an. Zwei wesentliche Prämissen für

Mitleid (Ἔλεος) in den Zuschauern (oder Lesern) verursachen kann. So kann die Reinigung (κάθαρσις) oder Befreiung dieser Gefühle stärker werden. Das Moment der Wiedererkennung zeichnet sich dadurch aus, dass der Protagonist der Tragödie Bewusstsein von etwas bekommt, was ihm bis zu diesem Punkt verborgen war („ἀναγνώρισις δέ, ὥσπερ καὶ τοὔνομα σημαίνει, ἐξ ἀγνοίας εἰς γνῶσιν μεταβολή“ (Aristoteles Poetik, 1452 A 29 – 30), obwohl es die ganze Zeit vor ihm stand, wie, wenn Ödipus wiedererkennt, wer er ist und was er tat. In diesem Sinne werde ich den Ausdruck, aber reflexiv (angesichts der reflektierenden Urteilskraft) benutzen, weil die Erfahrung des Erhabenen sich nur subreptiv auf Objekte bezieht und letztlich nur subjektiv ist. In der Erfahrung des Erhabenen wird das übersinnliche Substrat des Subjekts vom Subjekt selbst wiedererkannt.

Entwicklung der Fragestellung in den jeweiligen Kapiteln

5

meine Arbeit werden in diesem Kapitel aufgestellt, deren Wichtigkeit Kant nur impliziert: die mathematische Synthese bezieht sich auf Objekte in der Anschauung und die dynamische Synthese betrifft die Existenz dieser Objekte in Bezug auf das Subjekt.⁹ Die erste ist eine „gleichartige Synthese“ des Mannigfaltigen, die nur mit sinnlichen Objekten (ihrer Form nach) zu tun hat, die zweite eine „ungleichartige Synthese“ des Mannigfaltigen, die die Existenz des Objekts (seiner Materie nach) betrifft. Auf dieser Grundlage lassen sich die mathematischen und dynamischen Stimmungen der Einbildungskraft verstehen, wobei im mathematischen Erhabenen die Urteilskraft mit dem Erkenntnisvermögen und im dynamischen Erhabenen mit dem Begehrungsvermögen verbunden wird. Denn das Erkenntnisvermögen beschäftigt sich letztlich mit der Form der erkennbaren Natur, welche in der Anschauung vorgestellt werden muss. Das Begehrungsvermögen hingegen befasst sich mit dem handelnden Subjekt, welches als lebendiges (materielles) Wesen vorgestellt werden muss. Letzten Endes lässt sich sagen, dass es das Mannigfaltige ist, das prima facie bestimmt, welche Synthese-Art empirisch vollzogen werden muss, nicht die Vernunft. Die Vernunft ist ein transzendentales Vermögen, und spaltet sich nur aufgrund des Mannigfaltigen (der Form oder der Materie nach). Das heißt nicht, dass das Vermögen der Vernunft empirisch begründet ist, sondern vielmehr, dass sie ermöglicht, dass überhaupt eine Synthese vollzogen wird. Deswegen ist Kants Philosophie ein Kompromiss zwischen Realismus und Idealismus.¹⁰

Kapitel III In diesem Kapitel erforsche ich die wesentlichen Eigenschaften des Urteils des Erhabenen in der Kritik der Urteilskraft. Erstens wird die Erfahrung des Erhabenen als ästhetisches Urteil „a priori“ definiert und vom Schönen differenziert, zwei-

 Ich verwende in diesem Kapitel die Vokabel „Objekt“ spezifisch für das uns gegebene und diskursive Objekt oder den Gegenstand. Auf das Problem, ob das Objekt erst besteht, wenn das Subjekt seine Spontaneität auf das Mannigfaltige anwendet, werde ich nicht im Einzelnen eingehen. Es sei denn, ich muss etwas unterscheiden: Dann werde ich darauf hinweisen und das entsprechende Adjektiv dafür hinzufügen, wie z. B.: transzendentales, reines, empirisches, noumenales Objekt usw.  „Die Differenzierung zwischen mathematischem und dynamischem Erhabenen zeigt, wie ein solches Gefühl neue Aspekte des Individuums beleuchtet, die sich nur schwer auf formale Bedingungen unserer Erkenntnisvermögen zurückführen lassen und die solche Bedingungen sogar soweit entkräften, bis das transzendentale Prinzip in Frage gestellt wird.“ (Peña Aguado 1995, S. 72). In Kapitel III argumentiere ich im Detail gegen Peña Aguados Interpretation des Erhabenen bei Kant. In Kapitel II ebne ich den Weg dafür.

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Einleitung

tens wird die innere Dualität des gemischten Gefühls nach den Momenten der subjektiven Zweckmäßigkeit (Lust) und der objektiven Unzweckmäßigkeit (Unlust) erforscht, und drittens wird die äußere Dualität des Gefühls nach der Darstellung der Äußerlichkeit als Übergröße (mathematisches Erhabenes) und Übermacht (dynamisches Erhabenes) untersucht. Zum Schluss werde ich Folgendes feststellen: der paradoxe Charakter des Gefühls zeigt sich, indem aufgrund der Unzweckmäßigkeit der Natur die Zweckmäßigkeit der Vernunft vorgestellt wird. Das Erhabene ist ein subjektives Moment, welches uns das Übersinnliche bewusst macht: Vor einer unzweckmäßigen Erscheinung wird die Zweckmäßigkeit meiner selbst, meiner Vernunft, deutlich und so nehme ich das Übersinnliche in mir unmittelbar wahr.¹¹

Kapitel IV In diesem Kapitel untersuche ich die scheinbare Dualität der Vernunft im theoretischen und praktischen Gebrauch sowie das Problem der systematischen Einheit der Vernunft. Schließlich vertrete ich die These der teleologischen Einheit der Vernunft. Die Philosophie Kants ist eine Untersuchung der Vernunft. In ihr zeigt er, wie die Vernunft zweckmäßig und selbsttätig nach dem Unbedingten strebt. Sie diktiert in ihrem theoretischen Gebrauch die Idee einer Totalität des Systems der Natur, die zwar nur regulativ ist, aber die Regeln des Verstandes organisiert und systematisiert. Darüber hinaus postuliert sie in ihrem praktischen Gebrauch die Lehre des höchsten Gutes für das System der Freiheit, damit das Realisieren einer moralischen Welt kompatibel mit der Glückseligkeit gedacht wird. In beiden Gebieten (Natur und Freiheit) fordert sie eine Ganzheit, aber nicht eine bloß mechanische Anhäufung von Komposita, sondern eine organische, systematische Einheit, in der alle Teile sich wechselseitig bestimmen und Ursache und Wirkung von sich selbst sind. Diese organische Einheit zu garantieren, ist ihr absoluter Zweck: die unbedingte Bedingung, die in Kants Philosophie unter verschiedenen Namen auftritt.

 „Anderseits ist das Erhabene aber ein ‚Übergang‘ vom Sinnlichen zum Übersinnlichen im umfassendsten Sinne eines Perspektivenwechsels. Dieser Übergang ist der kritische Übergang par excellence. Er läßt sich auch in den anderen Übergangsversuchen innerhalb der Kritik der Urteilskraft wiederfinden, so daß das Erhabene in der dritten Kritik eine sehr viel zentralere Position einnimmt, als Kant ihm zugesteht. Er treibt die Einheitsbestrebungen der Kritik auf subjektiver, aber transzendentaler Ebene voran und kann so das kritische Auftreten der Vernunft legitimieren.“ (Pries 1995, S. 193).

Entwicklung der Fragestellung in den jeweiligen Kapiteln

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Kapitel V In diesem Kapitel verbinde ich das mathematische Erhabene mit dem theoretischen Gebrauch der Vernunft, das dynamische mit dem praktischen Gebrauch der Vernunft. Die Analytik des Erhabenen lehrt, dass die Mannigfaltigkeit sich für uns auf zwei verschiedene Weisen zeigt; auf die eine als bloße Größe (Form) und sie wird mit unserem Erkenntnisvermögen verbunden, auf die andere als Größe der Macht (Materie) und sie wird mit unserem Begehrungsvermögen verbunden. Die Mannigfaltigkeit ist gegeben und die Gegebenheit der Welt kann so divers sein wie irgend möglich, aber für das Subjekt stellt sie sich aufgrund seiner Naturanlage zweifach dar: für das erkennende Subjekt und für das handelnde Subjekt. Beide Dimensionen hängen von einer Voraussetzung ab, die wenig beachtet wird: das Subjekt ist ein lebendiges, vernünftiges Wesen. Es ist transzendental und empirisch zugleich. Die Endlichkeit des empirischen Subjekts zeigt sich in seinem Leben. Das Gefühl des Erhabenen ist in erster Linie ein Konstatieren von der Endlichkeit des Subjekts, in seinen erkennenden und handelnden Vermögen. Aus dem gefühlten unmittelbaren Faktum der Endlichkeit des Subjekts entsteht aber das Bewusstsein seiner Unendlichkeit. Deswegen ist das Gefühl des Erhabenen ein paradoxes Gefühl von Endlichkeit und Unendlichkeit, vom Sinnlichen und Übersinnlichen. Beide Aspekte leben in ein und demselben Wesen zusammen: dem Menschen als empirischem und transzendentalem Subjekt. Die ästhetische, sogar die teleologische Zweckmäßigkeit, kann als eine subjektive und objektive Wiedererkennung verstanden werden. Die organisierte Natur scheint uns zweckmäßig, weil ihre Struktur an unsere Kausalität nach Zwecken erinnert. Die Form des Schönen ist für uns zweckmäßig, weil sie die kognitive Übereinstimmung der Erkenntniskräfte demonstriert. Beim Erhabenen zeigt sich auch diese Wiedererkennung von etwas, was wir sind, obwohl wir es nicht erkennen können, nämlich: von unserem übersinnlichen Substrat. In den Erscheinungen, die das Gefühl des Erhabenen hervorrufen, zeichnet sich etwas ab, was prinzipiell nicht darstellbar ist: das Übersinnliche. Dabei geschieht bei der Vernunft eine Art Wiedererkennung dessen, was außer ihr steht – welches zu groß oder mächtig für eine sinnlich synthetische Leistung erscheint – und dessen, was in ihr liegt. Dieses Gefühl bestätigt die metaphysische Anlage unserer Vernunft. Daraus wiederum ziehe ich drei Schlussfolgen: 1. Die Dualität des Erhabenen verweist auf ein einziges Objekt, und zwar das des Übersinnlichen; 2. Die Vernunft ist ein einziges Vermögen, und zwar das Vermögen des Unbedingten, welches auf das Übersinnliche hinweist; 3. Die Dualität der Modi des Erhabenen und die Dualität der Anwendungen der Vernunft beweisen die teleologische Struktur derselben, welche mit der Doktrin des empirischen Realismus und transzendentalen Idealismus kompatibel ist.

Kapitel I Problemstellung Im Folgenden berücksichtige ich vier Aspekte als Problemstellung. Die ersten drei beziehen sich auf den Ausgangspunkt der Problematik der behandelten Dualität. Der letzte Aspekt bezieht sich auf das Verständnis der Lösung des Problems der Kluft als Übergang und die kontroversen Interpretationsmöglichkeiten seiner inneren Elemente.

1 Die Kluft zwischen dem Sinnlichen (Wahrnehmbaren) und dem Übersinnlichen (Denkbaren): Die Möglichkeit einer Vermittlerrolle des Gefühls des Erhabenen Kants kritische Philosophie wird von verschiedenen Seiten aufgrund ihres Mangels an systematischer Einheit kritisiert.¹ Kurz nach dem Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft wurde das kantische Projekt von Reinhold kritisiert, weil ein allgemeingültiges und notwendiges Prinzip fehle, worauf sich das ganze System stützen könne.² In seiner Elementarphilosophie versucht er, dieses erste Prinzip mittels des Faktums des Bewusstseins (oder des Vorstellungsvermögens) anzugeben, damit die kritische Philosophie einerseits fundiert und anderseits vervollständigt werden kann:³ „Das Bewusstsein ist also die Quelle aller Grundsätze der Elementarphilosophie, und diese Grundsätze sind Sätze, welche nichts als ein Bewußtsein ausdrücken.“ (Reinhold 2003, S. 110).⁴

 Eine leicht abweichende Version des ersten Abschnitts (a und b) des Kapitels I wurde bereits in Teleologische Reflexion in Kants Philosophie (Órdenes 2019, S. 66 – 74) veröffentlicht. Die drei anderen Abschnitte nicht.  „Diese Idee des Systemes als der wesentlichen Form jeder philosophischen Wissenschaft ist nichts weniger als neu. Allein bis jetzt hat noch kein Versuch sie auch nur in Einem Teile der Philosophie zu realisieren, gelungen“ (Reinhold 2003, S. 84).  „Eine Erörterung, welche die eigentlichen Prämissen der Kritik der Vernunft aufstellt, schiene mir daher schlechterdings notwendig, wenn das Schicksal der kritischen Philosophie eine andere Wendung nehmen sollte. Diese Prämissen, müssen, wenn sie nicht selbst wieder anderer Prämissen bedürfen sollen, allgemeingeltende Sätze sein; und ich glaube dieselben an denjenigen Sätzen gefunden zu haben, welche das Bewußtsein überhaupt, und seine drei Arten ausdrücken.“ (Reinhold 2003, S. 227).  Reinholds Komplettierungsprogramm der Kritik wurde auch von Fichte in seiner Wissenschaftslehre übernommen. https://doi.org/10.1515/9783110979916-004

1 Die Kluft zwischen Sinnlichem und Übersinnlichem

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Des Weiteren gibt es andere mögliche Ansichten, welche die Einheit des Systems der Vernunft in Frage stellen und eine radikale, dualistische Interpretation der kantischen Philosophie zur Auslegung erlauben, u. a. die ontologische Problematik der Trennung von einerseits dem Ding an sich und der Erscheinung und anderseits von dem Objekt und dem Subjekt, einer der Gemeinplätze des deutschen Skeptizismus (Jacobi, Schulze) und Idealismus (Fichte, Schelling, Hegel). Aus der Doktrin der zwei Erkenntnisstämme (Sinnlichkeit und Verstand) entsteht auch eine dualistische Perspektive der kantischen Philosophie, welche z. B. Heidegger (1929, S. 138 – 195) mit der These der gemeinsamen Wurzel (transzendentale Einbildungskraft) versucht zu vereinigen. Nichtsdestoweniger ist zu beachten, dass Heideggers Wurzelthese schon längst sowohl von Cassirer (1931)⁵ als auch von Henrich (1955) treffend als eine „unkritische“ Umdeutung der KrV beschrieben wurde.⁶ Ob die Antwort auf die Frage nach der Systematik der kantischen Philosophie als ein erster Grundsatz oder eine gemeinschaftliche Quelle der verschiedenen Gemütskräfte zu betrachten ist, bleibt ungeklärt. Trotzdem bilden diese beiden Antwortvorschläge einen Kontrapunkt zu der in dieser Arbeit vorgenommenen Annäherung an das Problem. Man kann sich die Vernunft auch als eine Dualität vorstellen, wenn man sie angesichts ihres Gebrauchs (theoretisch und praktisch) und ihres Geltungsbe-

 „Und hier liegt denn auch der eigentliche und wesentliche Einwand, den ich gegen Heideggers Kant-Interpretation zu erheben habe. Indem Heidegger alle ‚Vermögen‘ der Erkenntnis auf die „transzendentale Einbildungskraft“ zu beziehen, ja auf sie zurückzuführen versucht, bleibt ihm damit nur eine einzige Bezugsebene, die Ebene des zeitlichen Daseins zurück. Der Unterschied zwischen „Phänomena“ und ‚Noumena‘ verwischt und nivelliert sich: denn alles Sein gehört nunmehr der Dimension der Zeit, und damit der Endlichkeit, an. Damit aber ist einer der Grundpfeiler beseitigt, auf dem Kants gesamtes Gedankengebäude beruht, und ohne den es zusammenstürzen muß. Kant vertritt nirgends einen derartigen ‚Monismus‘ der Einbildungskraft, sondern er beharrt auf einem entschlossenen und radikalen Dualismus, auf dem Dualismus der sinnlichen und der intelligiblen Welt. Denn sein Problem ist nicht das Problem von „Sein“ und „Zeit“, sondern das Problem von „Sein“ und „Sollen“, von „Erfahrung“ und „Idee““ (Cassirer 1931, S. 16).  „Die Andeutung, die ‚gemeinschaftliche Wurzel‘ betreffend, weist also wirklich nicht voraus in einen auch für Kant etwa noch dunklen Zusammenhang, sondern sie formuliert entschieden eine Einsicht, die zwar kritische Bezüge besitzt, aber nicht durchaus im transzendentalen Sinne kritisch ist. Aus ihr wird manches zu verstehen sein, was im Aufbau der Kritik befremdlich geblieben ist, wie z. B. der indifferente Ausdruck ‚Gemüt‘, der synthetische Aufbau und die unsystematisch scheinende Gliederung der Deduktion, die Trennung der theoretischen von der praktischen Philosophie u.a.m. Alle Versuche, welche Kants Nachfolger anstrengten, um diese anstößigen „Vorläufigkeiten“ zu beseitigen, mü ßten ihn, hätte er sie verfolgen wollen und können, als ein Wiederholen seiner eigenen überwundenen Positionen erschienen sein. Die Einheit der Subjektivität, deren Konstruktion sein letztes Wort ist, ist teleologisch gedacht.“ (Henrich 1955, S. 46).

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Kapitel I Problemstellung

reichs (Natur und Freiheit) als zwei ontologische Instanzen betrachtet, als ob es eine sinnliche und eine intelligible Welt gäbe (radikale dualistische Interpretation),⁷ oder als zwei legislative Instanzen, als ob das Subjekt sich in einer theoretischen und praktischen Welt zugleich (moderate dualistische Interpretation) befände.⁸ Das Problem der Dualität theoretisch-praktischer Vernunft in der kantischen Philosophie und der damit einhergehende, scheinbare Widerspruch der Ableitung einer Einheit aus einer Dualität bestimmt die an Kant geübte Kritik zahlreicher Philosophen und es bleibt rätselhaft, wie diese zwei Gebräuche vereinigt werden können.⁹ In der Kant-Literatur lassen sich verschiedene Interpretationen dazu finden, die auf unterschiedlicher Ebene versuchen, an diese Problematik heranzugehen. In den letzten Jahrzehnten wird der Versuch von O′Neill (1989) als ein paradigmatischer erachtet.¹⁰ Sie interpretiert den kategorischen Imperativ als Vereinigungsprinzip der praktischen mit der theoretischen Ver-

 Gegen eine radikale dualistische Interpretation von Kants Philosophie à la Cassirer (Siehe Fn. 16): „Kants Transzendentalphilosophie ist also nicht, wie häufig vermutet wird, eine Erneuerung, sondern eine tiefgreifende Kritik der traditionellen Zweiweltenlehre. Denn es ist bei Kant ein und dieselbe „Welt“, die von Verstand und Vernunft auf grundsätzlich verschiedene Weise erkannt wird, wohingegen das „bisherige Verfahren“ der Metaphysik darin bestand, die „Art“ des Erkennens undifferenziert für „einerlei“ zu halten, so dass die Differenz zwischen Bedingtem und Unbedingtem zwangsläufig zum Seinsunterschied zwischen zwei „Welten“ hypostasiert werden musste.“ (Hutter 2009, S. 11).  „Ob nun zwar eine unübersehbare Kluft zwischen dem Gebiete des Naturbegriffs, als dem Sinnlichen, und dem Gebiet des Freiheitsbegriffs als dem Übersinnlichen, befestigt ist, so daß vom ersteren zum anderen (also vermittelst des theoretischen Gebrauchs der Vernunft) kein Übergang möglich ist, gleich als ob soviel verschiedene Welten wären, deren erste auf die zweite keinen Einfluß haben; so soll diese auf jene einen Einfluß haben; nämlich der Freiheitsbegriff soll den durch seine Gesetze aufgegebenen Zweck in der Sinnenwelt wirklich machen, und die Natur muß folglich so gedacht werden können, daß die Gesetzmäßigkeit ihrer Form wenigstens zur Möglichkeit der in ihr zu bewirkenden Zwecke nach Freiheitsgesetzen zusammenstimmt.“ (KU, AA 05: 176).  „Practically before the ink was dry on Kant′s Critical work, the suspicion arose that for all his talk of a system, his philosophy was not a systematic in any satisfactory sense, and this for at least two reasons: (i) that it only exacerbated rather than alleviated the challenge of skepticism, and (ii) that it lacked basic unity because it divided the world, the self, and philosophy into untenable strict dualism such as the phenomenal and the noumenal, the sensible and the rational, the theoretical and the practical. These problems dominated the worries Kant′s first influential critics – G.E. Schulze, F.H. Jacobi, and Fichte – and even of his first advocate, K. L. Reinhold, who soon insisted that Kant′s system must be revised radically, so that it can be brought into an adequately „firm“ and broad shape.“ (Ameriks 2001, S. 77).  „Onora O′Neill kommt daher zu dem überzeugenden Schluss, dass der kategorische Imperativ das höchste Prinzip nicht nur der praktischen, sondern auch der theoretischen Vernunft ist“ (Breitenbach 2009, S. 95).

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nunft.¹¹ Breitenbach (2007) folgt O′Neill in ihrer Interpretation und stellt Folgendes fest: Denn erst die Idee der Einheit aller Handlungen nach dem kategorischen Imperativ bedingt auch das Ziel der Einheit aller Erfahrungen als Erkenntnisse einer einzigen Natur […]. Die gesamte Leistung der einzelnen Vernunftvermögen ist daher nur mit Blick auf den höchsten praktischen Zweck zu verstehen […]. Die Gesamtheit der intellektuellen Vermögen des Menschen kann folglich betrachtet werden, als sei sie auf die Einheit aller Handlungen nach dem Prinzip der Selbstbestimmung ausgerichtet. (Breitenbach 2009, S. 97 f.)

Der selbstbestimmende Charakter der Vernunft wird auch von anderen Autoren, etwa Hiltscher (1987) und Konhardt (1979), als Angelpunkt für die Kompatibilität der praktischen und der theoretischen Vernunft betrachtet. Hiltscher interpretiert das Vermögen des Verstandes als einen bloßen Terminus für die selbstkonstitutive, endliche Vernunft und setzt endliche Vernunft mit Verstand gleich.¹² Etwas Ähnliches schlägt Konhardt vor, indem er die reflektierende Urteilskraft mit der Vernunft durch das Prinzip der Zweckmäßigkeit gleichsetzt.¹³ Fugate (2014) geht in eine ähnliche Richtung: „The true unity of these two realms [the theoretical and practical], I have argued, is secured transcendentally through the act of moral postulation.“ (Fugate 2014, S. 374). Jedenfalls scheinen die Selbsttätigkeit, Autonomie und Selbstsetzung von Prinzipien der Vernunft (sogar namens Verstand oder Urteilskraft) der Schlüssel für die Vereinbarkeit beider Gebräuche zu sein. Unabhängig von den erwähnten Interpretationen sagt Kant ausdrücklich, dass die praktische und die theoretische Vernunft jeweils einen eigenen Geltungsbereich besitzen, den der Freiheit und den der Natur: „Unser gesamtes Er-

 „The Grundlegung is clear enough that the supreme principle of practical reason is the Categorical Imperative. Could the Categorical Imperative be the supreme principle of all reason? Does this thought even make sense? I shall propose a reading of the Grundlegung III that presents the Categorical Imperative as the supreme principle of all reason. It has the corollary that freedom and autonomy are the heart not just of morality but of all reasoning. This reading will, I hope, help to show what can and what cannot be done to indicate reason, and how reason and autonomy are connected. The claim that the Categorical Imperative is the supreme principle of human reason, I shall argue, both offers a coherent view of Kant′s larger enterprise.“ (O′Neill 1989, S. 51 f.).  „Es sei jedoch schon soviel angedeutet, daß der Terminus Verstand gerade die Endlichkeit der Vernunft zum Ausdruck bringen soll.“ (Hiltscher 1987, S. 11).  „Der Einheitspunkt, auf den die Vernunft als reflektierende Urteilskraft gerichtet ist, das ‚übersinnliche Substrat‘ der Natur und Freiheit bleibt für endliche Vernunftwesen ein niemals dingfest zu machender focus imaginarius. Diesen zu denken, d. h. einen ‚Übergang‘ zwischen den ‚Gebieten‘ Natur und Freiheit vorzustellen, ist jedoch eine Forderung der reinen praktischen Vernunft, die ein Interesse in der Realisierung sittlicher Zwecke in der Welt der Natur nimmt.“ (Konhardt 1979, S. 320).

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Kapitel I Problemstellung

kenntnisvermögen hat zwei Gebiete, das der Naturbegriffe und das des Freiheitsbegriffs; denn durch beide ist es a priori gesetzgebend.“ (KU, AA 05: 174). Zusätzlich beschreibt er, welches Vermögen wodurch agiert: „Die Gesetzgebung durch Naturbegriffe geschieht durch den Verstand und ist theoretisch. Die Gesetzgebung durch den Freiheitsbegriff geschieht von der Vernunft und ist bloß praktisch.“ (KU, AA 05: 174) Das Gebiet des Naturbergriffs unter der einen, und das des Freiheitsbegriffs unter der anderen Gesetzgebung sind gegen allen wechselseitigen Einfluß, den sie für sich (ein jedes nach seinen Grundgesetzen) aufeinander haben könnten, durch die große Kluft, welche das Übersinnliche von den Erscheinungen trennt, gänzlich abgesondert. (KU, AA 05: 195)

Zudem behauptet Kant, dass noch ein Übergang fehlt, der den theoretischen mit dem praktischen Gebrauch der Vernunft verbindet. Das lässt darauf schließen, dass es eine Lücke im kritischen System gibt, die es irgendwie zu füllen gilt. Nun schließt sich die Frage an, was genau verbunden werden soll und was genau diese Verbindung ausmacht. Bis zur dritten Kritik „schienen“ sich diese zwei Gebiete gegenseitig auszuschließen. Ich setze „schienen“ hier in Anführungszeichen, weil sich in den ersten zwei Kritiken Anzeichen finden lassen, die eine potenzielle Vereinbarkeit andeuten. Ausdrücklich wird die Aufgabe des Findens eines Übergangs zwischen der theoretischen und der praktischen Vernunft jedenfalls erst von der Kritik der Urteilskraft übernommen. In ihrer Einleitung stellt Kant die folgende trianguläre Struktur des Gemüts dar: Auf der Ebene der Seelenvermögen ist es das Gefühl der Lust und Unlust, welches ein Bindeglied zwischen dem Erkenntnisvermögen und Begehrungsvermögen ausmacht; auf der Ebene der oberen Erkenntniskräfte ist die Urteilskraft die mittlere kognitive Kraft zwischen Verstand und Vernunft; und letztlich ist das Prinzip der Zweckmäßigkeit das Vermittlungsprinzip zwischen den Naturgesetzen und dem Freiheitsgesetz. Nun lässt sich fragen, inwiefern eine neue Einteilung bei dem Problem der Einheit hilft. Um das Problem anzugehen, soll zuerst beschrieben werden, woraus diese zwei verschiedenen Gebiete bestehen. Im Folgenden werden die Gebiete der Natur und der Freiheit kurz beschrieben. Danach wird versucht, zu erläutern, worin genau das Problem der Trennung der Gebiete der Vernunft besteht und was seine möglichen Folgen sind.

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a Das Gebiet der Natur und der Verstand als ihr Gesetzgeber Die Kritik der reinen Vernunft versucht meines Erachtens mindestens vier Fragen zu beantworten, die folgendermaßen formuliert werden können: (1) Wie ist die Metaphysik als Wissenschaft möglich? (2) Welche sind die Bedingungen der Möglichkeit der menschlichen Erkenntnis der Natur? (3) Kann die Vernunft Erkenntnis ermöglichen, ohne eine faktische (gegebene) Vorstellung ihrer transzendenten Objekte (Gott, Welt als Ganzes oder Freiheit und Unsterblichkeit) zu haben? Und (4), was ist der positive Beitrag der Vernunft zur Erkenntnis überhaupt? Um auf die erste Frage antworten zu können, untersucht Kant unsere Erkenntnisquellen in der Transzendentalen Ästhetik und in der Transzendentalen Analytik. Daraus ergibt sich zuerst, dass die Erkenntniskräfte des Subjekts keinen direkten Zugang zu den Dingen an sich haben, sondern nur zu den Erscheinungen derselben. Das komplette Resultat dieser Untersuchung ist in der Dialektik zu finden und es scheint die Möglichkeit der Metaphysik (zumindest der metaphysica specialis) als objektive Wissenschaft zu verneinen, da sich die Objekte der besonderen Metaphysik auf keine synthetischen Urteile a priori im theoretischen Sinne stützen können, d. h. auf keine raumzeitlich-kategoriale und synthetische Weise, wie es sowohl die Physik als auch die Mathematik kann. Ob die Vernunft theoretische Erkenntnis von Gott, der Welt als Ganzem und der Unsterblichkeit der Seele hervorbringt, lässt sich mittels der letzten Erklärung verneinen. Dennoch trägt sie etwas zum theoretischen Gebrauch bei, nämlich: (1) ihren logischen Gebrauch als Vermögen des Schließens, welcher als nur formell bezeichnet wird und (2) ihren transzendentalen Gebrauch als Vermögen der Prinzipien der Einheit der Verstandesregeln, welcher im Anhang zur transzendentalen Dialektik als „hypothetischer Gebrauch der Vernunft“ für das System der Natur bezeichnet wird. Obwohl die Vernunft die Natur nicht auf konstitutive Weise bestimmt, weil sie sich auf keine gegebene Erscheinung bezieht, sondern nur auf die Verstandesregeln durch ihre Prinzipien, spielt sie dennoch eine regulative Rolle bei der Systematisierung der Naturerkenntnis: Die Vernunft bereitet also dem Verstande sein Feld, 1. durch ein Prinzip der Gleichartigkeit des Mannigfaltigen unter höheren Gattungen, 2. durch einen Grundsatz der Varietät des Gleichartigen unter niederen Arten; und um die systematische Einheit zu vollenden, fügt sie 3. noch ein Gesetz der Affinität aller Begriffe hinzu, welches einen kontinuierlichen Übergang von einer jeden Art zu jeder anderen durch stufenartiges Wachstum der Verschiedenheit gebietet. (KrV, A 658/ B 686)

Diese drei Prinzipien der Formen (Homogenität, Spezifikation und Kontinuität) stellt die Vernunft dem Verstand zur Verfügung, damit seine Begriffe keine

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Kapitel I Problemstellung

„Rhapsodie“, sondern ein System ausmachen. Der zwar regulative, aber objektive Status dieser drei Prinzipien der Vernunft wird am Ende noch einmal thematisiert. Zuerst möchte ich etwas über die einzige Idee der Vernunft sagen, die sich auch in der Erfahrung bestätigen lässt: die Freiheit. Obgleich die Freiheit nichts zur Begrifflichkeit der Natur beiträgt, spielt sie eine wichtige – sogar die wichtigste – Rolle in der kantischen Philosophie. Sie bestimmt die praktische Vernunft laut dem, was Kant im Zuge der KrV sagt: Die praktische Freiheit kann durch Erfahrung bewiesen werden. Denn, nicht bloß das, was reizt, d.i. die Sinne unmittelbar affiziert, bestimmt die menschliche Willkür, sondern wir haben ein Vermögen, durch Vorstellungen von dem, was selbst auf entferntere Art nützlich oder schädlich ist, die Eindrücke auf unser sinnliches Begehrungsvermögen zu überwinden; diese Überlegungen aber von dem, was in Ansehung unseres ganzen Zustandes begehrungswert, d.i. gut und nützlich ist, beruhen auf der Vernunft. (KrV, A 802/ B 830)

Wenn man dieses Zitat in Betracht zieht, scheint es für Kant im Prinzip kein Problem bei der Gesetzgebung der Freiheit und der Natur zu geben. Die Vernunft „gibt daher auch Gesetze, welche Imperative, d.i. objektive Gesetze der Freiheit sind“ (KrV, A 802/ B 830). Diese schreiben jedoch vor – und jetzt taucht das Problem auf – „was geschehen soll, ob es gleich vielleicht nie geschieht, und sich darin von Naturgesetzen, die nur von dem handeln, was geschieht, unterscheiden, weshalb sie auch praktische Gesetze genannt werden“ (KrV, A 802/ B 830). Was kann uns dann die Gewissheit vermitteln, dass das Moralische von dem Gebiet des Sollens zu dem Gebiet des Seins übergehen kann? Dies ist die erste Annäherung an die Problematik der unterschiedlichen Gebiete der Vernunft, da es für die Möglichkeit der Realisierung des Sittengesetzes zumindest nötig ist, dass das, was geschehen soll, gleichzeitig geschehen kann.¹⁴

 „Die reine Vernunft enthält also, zwar nicht in ihrem spekulativen, aber doch in einem gewissen praktischen, nämlich dem moralischen Gebrauche, Prinzipien der Möglichkeit der Erfahrung, nämlich solcher Handlungen, die den sittlichen Vorschriften gemäß in der Geschichte des Menschen anzutreffen sein könnten. Denn, da sie gebietet, dass solche geschehen sollen, so müssen sie auch geschehen können, und es muß also eine besondere Art von systematischer Einheit, nämlich, die moralische, möglich sein, indessen daß die systematische Natureinheit nach spekulativen Prinzipien der Vernunft nicht bewiesen werden konnte, weil die Vernunft zwar in Ansehung der Freiheit überhaupt, aber nicht in Ansehung der gesamten Natur Kausalität hat, und moralische Vernunftprinzipien zwar freie Handlungen, aber nicht Naturgesetze hervorbringen können. Demnach haben die Prinzipien der reinen Vernunft in ihrem praktischen, namentlich aber, dem moralischen Gebrauche, objektive Realität.“ (KrV, A 808/ B 836).

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b Das Gebiet der Freiheit und die Vernunft als ihre Gesetzgeberin Die Aufgabe der zweiten Kritik ist es, die Bestimmung des Willens durch das moralische Gesetz festzustellen. Zuerst werden in der Analytik der Kritik der praktischen Vernunft die reinen Gesetze a priori zum Handeln aufgestellt. Zu diesem Zweck wird, wie es scheint, eine wechselseitige Argumentationsstrategie angewandt. Einerseits wird das moralische Gesetz als die ratio cognoscendi (der Erkenntnisgrund) der Freiheit bestimmt und anderseits wird die Freiheit als ratio essendi (der Seinsgrund) des moralischen Gesetzes angeführt.¹⁵ Dies bedeutet: Gibt es Bewusstsein des Sittengesetzes in uns, dann gibt es Freiheit. Da wir um das Sittengesetz wissen, erkennen wir, dass es Freiheit gibt. Freiheit ist aber auch die einzige unter allen Ideen der spekulativen Vernunft, wovon wir die Möglichkeit a priori wissen, ohne sie doch einzusehen, weil sie die Bedingung des moralischen Gesetzes ist, welches wir wissen. Die Ideen von Gott und Unsterblichkeit sind aber nicht Bedingungen des moralischen Gesetzes, sondern nur Bedingungen des notwendigen Objects eines durch dieses Gesetz bestimmten Willens. (KpV, AA 05: 04)¹⁶

Am Ende der Analytik versucht Kant mittels der Autonomie des Willens zu zeigen, wie der Mensch aus Pflicht und durch das Gefühl der Achtung vor dem moralischen Gesetz zum Handeln motiviert werden kann. In der Dialektik werden die zwei für die theoretische Erkenntnis abgelehnten Vernunftideen, das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit der Seele, als notwendige Postulate des Objekts der praktischen Vernunft bezeichnet, deren einzige Bedingung es ist, keinen inneren Widerspruch zu enthalten.¹⁷ Zwar tragen diese drei Ideen nichts zum Gebiet der Natur bei, aber zum Gebiet der Moral leisten sie einen großen Beitrag: Sie sind die

 „Der Begriff der Freiheit, so fern dessen Realität durch ein apodiktisches Gesetz der praktischen Vernunft bewiesen ist, macht nun den Schlußstein von dem ganzen Gebäude eines Systems der reinen, selbst der spekulativen Vernunft aus, und alle andere Begriffe (die von Gott und Unsterblichkeit), welche als bloße Ideen in dieser ohne Haltung bleiben, schließen sich nun an ihn an und bekommen mit ihm und durch ihn Bestand und objektive Realität, d. i. die Möglichkeit derselben wird dadurch bewiesen, daß Freiheit wirklich ist; denn diese Idee offenbart sich durchs moralische Gesetz.“ (KpV, AA 05: 3 f.).  In dem vorherigen Zitat des Kanons der KrV wird behauptet, dass die praktische Freiheit „durch Erfahrung bewiesen werden“ (KrV A 802/ B 830) kann. Nun aber ist die Freiheit in der KpV nicht „einzusehen“ (KpV, AA 05: 04). Zu diesem Widerspruch siehe Schönecker (2005, S. 77– 104).  „Gleichwohl aber sind die die Bedingungen der Anwendung des moralisch bestimmten Willens auf sein ihm a priori gegebenes Objekt (das höchste Gut). Folglich kann und muß ihre Möglichkeit in dieser praktischen Beziehung angenommen werden, ohne sie doch theoretisch zu erkennen und einzusehen. Für die letztere Forderung ist in praktischer Absicht genug, daß sie keine innere Unmöglichkeit (Widerspruch) enthalten.“ (KpV, AA 05: 04).

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Bedingungen der Möglichkeit einer kohärenten Konzeption des moralischen Lebens.¹⁸ Freiheit und Moral setzen sich gegenseitig voraus. Die Unsterblichkeit der Seele wird postuliert, damit der Mensch nach der Übereinstimmung seines Willens mit dem absolut guten Willen strebt. Der Glaube an das höchste Gut erlaubt das Zusammentreffen der natürlichen und moralischen Absichten beim Handeln, da das höchste Gut nach Kant das einzige Fundament sei (KpV, AA 05: 124– 126), das in sich sowohl das Reich der Glückseligkeit (in dieser Hinsicht als Natur betrachtet) als auch das Reich der Moralität enthalte, wobei beide Gebiete vereinigt werden können.¹⁹ Natur und Freiheit treffen sich bei der Erfahrung des Erhabenen.²⁰ In einem Gefühl wird die doppelte Beschaffenheit des Subjekts widergespiegelt, nämlich: als endliches und als unendliches vernünftiges Wesen. Diesbezüglich kommen der „konstitutive“ und der „regulative“ Gebrauch der Vernunft ins Spiel. Konstitutiv ist die Vernunft für das Gebiet der Freiheit, regulativ aber ist sie für das Gebiet der Natur. Natur und Freiheit sind die zwei Teile der kritischen Philosophie, die nicht vereinbar zu sein scheinen. Nicht nur, weil Kant sie tatsächlich separat thematisiert und sie gemäß der transzendentalen Struktur des Subjekts (theoretisch-praktisch) bestimmt, sondern dieser Schein der ontologischen Trennbarkeit entsteht auch aufgrund der üblichen Kritik am Einheitsmangel der kantischen Philosophie. Wenn aber die kantische Philosophie systematisch gelesen wird, kann es nicht sein, dass diese zwei heterogenen Gebiete im Subjekt tatsächlich ontologisch zweigeteilt sind. Eine Ausprägung dieser ungleichartigen Einheit zeigt sich im Erhabenen. Das ästhetische Urteil über das Erhabene bildet  Vgl. folgende Passage: „Ich nenne die Idee einer solchen Intelligenz, in welcher der moralisch vollkommenste Wille, mit der höchsten Seligkeit verbunden, die Ursache aller Glückseligkeit in der Welt ist, sofern sie mit der Sittlichkeit (als der Würdigkeit glücklich zu sein) in genauem Verhältnisse steht, das Ideal des höchsten Guts“ und einige Zeilen weiter: „Gott also und ein künftiges Leben, sind zwei von der Verbindlichkeit, die uns reine Vernunft auferlegt, nach Prinzipien eben derselben Vernunft nicht zu trennende Voraussetzungen.“ (KrV, A 811/ B 839).  Vgl.: „Thus far, then, we have the claims that the highest good must be considered to be possible in nature, and that its ground, a moral Author of nature, must be considered to be actual from a practical point of view, where that in turn means that it must be theoretically possible and a necessary presupposition of a mode of conduct, but not otherwise grounded. Finally, Kant adds the last element of his position, the claim that (iv) the concept of God can be given determinate content only from a practical point of view, that is, the only predicates that can be ascribed to him in order to amplify the vague conception of him as the author of nature are those that are necessary to conceive of him as the ground of the realizability of the highest good.“ (Guyer 2005, S. 292).  Nun beginnt der gänzlich neue Text. Das Vorherige des ersten Abschnitts von Kapitel I wurde in einer leicht geänderten Version an anderem Ort veröffentlicht. (Siehe Órdenes 2019, S. 66 – 74).

1 Die Kluft zwischen Sinnlichem und Übersinnlichem

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einen besonderen Übergang zwischen dem Praktischen (Freiheit) und Theoretischen (Natur) auf eine unmittelbare Weise – nämlich durch ein ästhetisches Urteil (Gefühl). Es gibt mehrere Übergangsmöglichkeiten zwischen dem Sinnlichen und dem Übersinnlichen, z. B. beim Schönen, beim Begriff der Materie oder des Körpers, bei den Organismen usw. Jedoch ist das Erhabene ein herausragendes Übergangsexemplar, weil es erstens paradox ist und zweitens, weil in ihm die Einheit der Vernunft bewiesen wird. Bei den anderen Übergängen lassen sich diese Einheit und die Gesamtheit der Vernunft nicht unbedingt beweisen. Die erste Hypothese dieser Arbeit lautet, dass die Vereinbarkeit von Natur und Freiheit durch die beurteilende Struktur des Subjekts zu erklären ist und die Philosophie Kants andernfalls kein System der Vernunft darstellt. Da die transzendentale Philosophie sich mit der Möglichkeit der synthetischen Urteile a priori befasst, spielt der Begriff der Synthese eine wesentliche Rolle für die systematische Auffassung der kritischen Philosophie. Die allgemeine Struktur der Subjektivität benötigt einen Zugang zur Objektivität. Dieser wird durch die figürliche Synthese im Urteil erzeugt, indem die Gegebenheit mit der Subjektivität in Kontakt gesetzt wird. Die allgemeine Synthese vollzieht sich auf zwei mögliche Weisen, entweder mathematisch oder dynamisch. Mathematisch heißt, dass die Verbindung aus gleichartigen Teilen zustande kommt. Dynamisch heißt aber, dass die Verbindung aus andersartigen Teilen hervorgebracht wird. Was synthetisiert wird, sind Vorstellungen des Mannigfaltigen, sei es in Bezug auf die Form der gegebenen Objekte oder in Bezug auf die Struktur des transzendentalen Subjekts. Diese Einteilung (mathematisch-dynamisch) lässt sich auch in der Beurteilung des Erhabenen auf eine unmittelbare Weise finden. Der Ursprung und die Bedeutung dieser Einteilung werden im zweiten Kapitel ausführlich erläutert. Im Folgenden wird es um die Relevanz des Erhabenen im kantischen System gehen. Das Urteil des Erhabenen wird zwar in der Analytik des Erhabenen, dem zweiten Buch der Kritik der ästhetischen Urteilskraft, erfasst, doch wird es weder in seiner vollständigen Komplexität definiert, noch wird seine Tragweite für das System der kritischen Philosophie expliziert. Das Erhabene wird in dieser Arbeit von seiner Dualität aus untersucht werden, um bewerten zu können, ob dieses Gefühl das Gebiet des Sinnlichen (Phänomena) mit dem Gebiet des Übersinnlichen (Noumena) verbindet.²¹ Wenn es gelingt zu zeigen, dass das Erhabene tatsächlich einen Übergang vom Gebiet der Natur zum Gebiet der Freiheit darstellt, kann man dieses Gefühl insofern als metaphysisch betrachten, als es von einem

 Vorläufig wird das Übersinnliche als solches definiert, was nicht wahrnehmbar ist, woran das Subjekt dennoch glaubt und das außerdem durch die Ausübung seiner Freiheit bestätigt wird.

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Kapitel I Problemstellung

menschlichen Vermögen zeugt, dessen Naturanlage auf das hinweist, was über die raumzeitlichen Grenzen der menschlichen Existenz hinausgeht: die Vernunft.

2 Wichtigkeit des Erhabenen Zu einem besseren Verständnis der Bedeutung des Erhabenen werden im Folgenden sowohl der geschichtliche Hintergrund vor Kants Konzeption des Erhabenen als auch die Forschung über das Erhabene in Anlehnung an die Kantische Philosophie kurz dargelegt.

a Geschichtlicher Hintergrund In seiner historischen Entwicklung hat der Begriff des Erhabenen eine gewisse Flexibilität in seiner Auslegung, die von einer Eigenschaft der Sprache bis zu einer Eigenschaft des Subjekts reicht. Die Kategorie des Erhabenen wurde zum ersten Mal von Pseudo-Longinus in seiner Abhandlung Über das Erhabene (Περὶ ὕψους) thematisiert.²² Das Buch des unbekannten Griechen konzentriert sich auf die Nutzung der Sprache in den zeitgenössischen (I oder III n.Chr.) literarischen Werken und auf die Frage nach den Eigenschaften des erhabenen Stils der Rede, den er als den „Widerhall von Seelengröße“ definiert. So scheint erstmals PseudoLonginus die Kategorie des Erhabenen auf die Rhetorik einzuschränken. Er behauptet, es gäbe fünf Quellen für den erhabenen Stil in der Rede, von denen zwei angeboren seien und drei erlernt werden könnten. Die erste und mächtigste sei die Kraft zur Konzeption von erhabenen Gedanken, die zweite sei das begeisternde und unaufhörliche Pathos, dann die Bildung der Figuren (von Gedanken und von Wendungen), die adlige Sprache und die „wundervolle und gehobene Wort- und Satzfügung“.²³  Als „Pseudo-Longinus“ wird er von der Forschung bezeichnet, weil die eigentliche Urheberschaft von Peri hypsous (wörtlich: über -die- Höhe/-den- Wipfeln) uns immer noch unbekannt ist. Lange Zeit wurde sie entweder Dionysios von Helikarnassos oder Kassius Longinos zugeschrieben. Heutzutage werden diese zwei Autoren wegen stilistischer und sachlicher Gründe ausgeschlossen (siehe die Einführung von Reinhard Brandt zu seiner Übersetzung „Vom Erhabenen“ (Brandt 1966, S.11) und die Einführung von Molina y Oyarzun zu ihrer Übersetzung „De lo sublime“ (Molina y Oyarzun 2008, S. X)).  „Überhaupt gelt es dir als Norm: erhaben und echt ist, was jederzeit und allen gefällt. Denn wenn trotz der Verschiedenheit in Sitten, Lebensweise, Neigungen, Lebensalter und Sprache alle zugleich ein und dieselbe Meinung über dasselbe haben, so bietet das ohne Verabredung übereinstimmende Urteil eine starke und unbestreitbare Gewähr für das Bewunderte“ (Longinus 1911,

2 Wichtigkeit des Erhabenen

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Nach einer langen Pause der Forschung über das Erhabene (mehr als ein Jahrtausend) folgten dem Weg des Pseudo-Longinus, dank der französischen Übersetzung seines Werkes von Nicolas Boileau 1674, nun andere Autoren, etwa Joseph Addison, Edmund Burke,²⁴ Lord Kames (Henry Home), John Baillie u. a.,²⁵

S. 9) und mit „dass das Erhabene in seinen verschiedenen Formen die höchste Vollkommenheit und der Gipfel sprachlicher Darstellung ist und dass die größten Dichter und Schriftsteller durch nichts anders als eben hindurch den ersten Preis errungen und ihrem Ruhme die Unsterblichkeit gewonnen haben“ (Longinus 1911, S. 2).  Kulenkampf behauptet, dass der Einfluss von Burke beim Erhabenen sich nicht auf die Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und des Erhabenen beschränkt. Hingegen erstrecke er sich auf die Kritik der Urteilskraft: „So ist zum Beispiel bei Burke in der Unterscheidung von Endlichkeit und Riesigkeit als Quellen des Erhabenen (verg. Burkes Schrift Kap. IV, Nr. 13. u. ö.) phänomenologisch die Unterscheidung zwischen dem Mathematisch-Erhabenen und dem Dynamisch-Erhabenen vorgebildet. Ebenso findet sich bei Burke, allerdings ganz psychologisch gedacht, die Erklärung, daß die psychische Wirkung des Erhabenen auf einem Wechsel zwischen Krampf und Lösung beruhe (IV, 3) und das positive Ergebnis eine reinigende Erschütterung sein kann (IV, 7) (verg. KdUB 80 ff. u. 102 ff.; 75).“ (Kulenkampf 1974, S. 11).  „But as the sublime in writing is no more than a description of the sublime in nature, and as it were painting to the imagination what nature herself offers to the senses, I shall begin with an inquiry into the sublime of natural objects, which I shall afterwards apply to writing.“ (Baillie 1747, S. 3). Für Baillie ist das Erhabene von Natur aus eine den Objekten zugeschriebene Eigenschaft. In seinem posthum veröffentlichen Text, An Essay on Sublime (1747), geht Baillie wie folgt vor: „Few are so insensible, as not to be struck even at first view with what is truly sublime; and every person upon seeing a grand object is affected with something which as it were extends his very being, and expands it to a kind of immensity. Thus in viewing the heavens, how is the soul elevated; and stretching itself to larger scenes and more extended prospects, in a noble enthusiasm of grandeur quits the narrow earth, darts from planet to planet, and takes in worlds at one view! Hence comes the name of sublime to every thing which thus raises the mind to fits of greatness, and disposes it to soar above her mother earth; hence arises that exultation and pride which the mind ever feels from the consciousness of its own vastness -that object can only be justly called the sublime, which in some degree disposes the mind to this enlargement of itself, and gives her a lofty conception of her own powers.“ (Baillie 1747, S. 4) Die zitierte Beschreibung dessen, was die Erhabenheit betrifft, kommt Kants vorkritischem Text über das Erhabene (1764) näher. Das folgende Zitat aber erinnert uns an die kritischen Merkmale, die in der Analytik des Erhabenen vorkommen: „An universal presence is one of the sublime attributes of the deity; then how much greater an existence must the soul imagine herself, when contemplating the heavens she takes in the mighty orbs of the planets, and is present to a universe, than when shrunk into the narrow space of a room, and how much nearer advancing to the perfections of the universal presence? This extending her being, raises in her a noble pride, and upon such occasions no wonder she conceives (as Longinus observes) something greater of herself. But as a consciousness of her own vastness is what pleases, so nothing can raise this consciousness but a vastness in the objects about which she is employed -for whatever the essence of the soul may be, it is the reflections arising from sensations only which makes her acquainted with herself, and know her faculties. Fast objects occasion vast sensations, and vast sensations give the mind a higher idea of h er own powers

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Kapitel I Problemstellung

die sich darin einig waren, dass die Kategorie des Erhabenen aus einer ästhetischen Perspektive der Natur analysiert werden soll (Scheck 2009, S. 35). Dabei wird das Erhabene oftmals mit Bezug auf Empfindungen wie Lust, Angst oder sogar Schmerz betrachtet, die in Verbindung mit bestimmten Naturereignissen oder Kunstwerken aufkommen.²⁶ Jedoch bekommt erst mit Kant die Kategorie des Erhabenen eine hauptsächlich moralische Bedeutung.²⁷ Sowohl in den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen als auch in der Kritik der Urteilskraft versucht Kant, den Begriff des Erhabenen neu zu definieren, indem er die ethische Komponente, die beim Erhabenen aufgezeigt wird, den Vorzug gegenüber den ästhetischen Aspekten gibt. Trotzdem ist, wie Oyarzun bemerkt, die zentrale Einsicht Kants nicht dieser neue Fokus auf das Moralische, sondern die „transzendentale Wendung“, die in der dritten Kritik aufkommt, nämlich, dass das Gefühl des Erhabenen als ein rein ästhetisches Urteil mit allgemeiner Gültigkeit untersucht werden muss (Oyarzun 2010, S. 87). Um diese Wendung erklären zu können, muss beachtet werden, dass die ästhetischen Betrachtungen von Objekten in der vorkantischen Philosophie entweder mit Bezugnahme auf einen Kanon vorbestimmter Begriffe (rationalistische Ästhetik) vorgenommen oder auf private, sinnliche Erfahrungen (empiristische Ästhetik) reduziert wurden, und dass entsprechend diese Betrachtungen entweder zu Erkenntnissen von Objekten führten oder bloß partikulare Erfahrungen der Subjekte waren.²⁸ Bei Kant hingegen sind sowohl das Schöne als auch das Erhabene keine Erkenntnisurteile, aber auch keine partikularen, privaten Urteile, sondern reine ästheti-

-small scenes (except from association, which I shall hereafter consider) have never this effect; the beauty of them may please, and the variety be agreeable, but the soul is never filled by them.“ (Baillie 1747, S. 6). All dies lässt sich im ersten Abschnitt seines Essays finden. Leider gibt es nicht viele Forschungsarbeiten über die Interpretation des Erhabenen von John Baillie und seine Verbindung mit anderen Autoren. Nichtsdestoweniger finde ich besonders interessant, dass sein kurzer Essay über das Erhabene viele Gemeinsamkeiten mit den von Kant dargelegten Ideen sowohl in den Beobachtungen über das Gefühl des Erhabenen und Schönen als auch denen in der Kritik der Urteilskraft hat.  „Whatever is fitted in any sort to excite the ideas of pain and danger; that is to say, whatever is in any sort terrible, or is conversant about terrible objects, or operates in a manner analogous to terror, is a source of the sublime; that is, it is productive of the strongest emotion which the mind is capable of feeling. I say the strongest emotion, because I am satisfied the ideas of pain are much more powerful than those which enter on the part of pleasure.“ (Burke 1823, S. 45).  Zwar wurde das Erhabene vor der kantischen Philosophie nicht explizit mit der Moral verbunden, jedoch lassen sich dann solche Spuren finden, indem man die Idee der Größe der Seele erweitert und nicht nur als eine rein intellektuelle Vorstellung annimmt.  Siehe III. Teil El Siglo XVIII, II. Kapitel La estética alemana en el siglo XVIII (Bayer 1980, S. 176 – 197). Dies ist auch das Thema der Antinomie des Geschmacksurteils in der Dialektik der ästhetischen Urteilskraft (Siehe KU, AA 05: 339).

2 Wichtigkeit des Erhabenen

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sche Urteile und gerade damit notwendig und allgemein. Nichtsdestoweniger bleiben sie in der Sphäre der subjektiven Gültigkeit. Zweifellos sind die Eigenschaften der Notwendigkeit und Allgemeinheit der ästhetischen Urteile die augenfälligsten Besonderheiten der kantischen Ästhetik, zumal besagte Notwendigkeit und Allgemeinheit sich bei Kant nicht in einer objektiven Bezugnahme auf die Dinge in der Welt gründen, sondern lediglich durch die transzendentale Struktur des Subjekts ermöglicht werden (Siehe Kapitel III, Abschnitt 1). Im Fall des Erhabenen geht es um die Beziehung zwischen dem Prinzip der Zweckmäßigkeit, stammend aus der reflektierenden Urteilskraft, und der Interaktion zwischen der Einbildungskraft und der Vernunft bezüglich gewisser Erscheinungen der Natur. Bei der Beurteilung des Erhabenen wird erst einmal die Tätigkeit der Einbildungskraft als eine Unstimmigkeit (Unlust) und danach diejenige der Vernunft als eine Übereinstimmung (Lust) in Bezug auf das beurteilte Objekt betrachtet. Daraus ergibt sich eine der zentralen Eigenschaften des Erhabenen, nämlich seine interne Dualität (von der Zweckwidrigkeit zur Zweckmäßigkeit). Dennoch lässt sich sagen, dass es nicht nur eine interne Zweispaltung bei der Artikulierung des Erhabenen gibt, sondern auch eine andere, die hauptsächlich als extern (und gleichzeitig intern wegen des reflektierenden Charakters des Urteils) charakterisiert werden kann, aus der die mathematische und die dynamische Dimension des Erhabenen stammen. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass das mathematische Erhabene eine Verbindung mit dem Erkenntnisvermögen durch die Vernunftidee der Totalität (als Unendlichkeit) und das dynamische Erhabene wiederum eine Verbindung mit dem Begehrungsvermögen durch die Vernunftidee des moralischen Gesetzes (als Freiheit) mit sich führt. Einerseits wird die Idee der Totalität aufgrund eines Objekts, welches das intuitiv erfassbare Maß des Subjekts übersteigt, präsentiert. Andererseits wird die Idee der Freiheit angesichts eines Objekts,²⁹ dessen physische Kraft die menschliche Kraft übersteigt, dargelegt.

 Obwohl Kant in der Analytik des Erhabenen das Wort „Freiheit“ kaum erwähnt, bedient er sich anderen Ausdrücken, um auf sie zu referenzieren: „Die Bestimmung des Menschen“, „die übersinnliche Bestimmung“, „die praktischen Ideen“, „Seelenstärke“, usw. Wenn er das moralische Gefühl als das Moment der Modalität des Erhabenen etabliert, impliziert er sein Objekt. Dieses ist die Freiheit. Aus methodologischen Gründen habe ich mich dafür entschieden, alle diese Termini als Freiheit (im Gegensatz zur Natur) zu bezeichnen. Denn im dynamischen Erhabenen wird die reflektierende Urteilskraft mit dem Begehrungsvermögen verbunden und dies geschieht auf zwei Weisen, die ich in Kapitel III behandle: die erste in Bezug auf das untere Begehrungsvermögen, wodurch wir Unlust angesichts einer so mächtigen Erscheinung verspüren, die zweite in Bezug auf das obere Begehrungsvermögen, welches vom Sittengesetz, der Freiheit, regiert wird. Nur dank dieses zweiten Moments vollzieht sich die Erfahrung des dynamischen Erhabenen.

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Kapitel I Problemstellung

Nach dieser kurzen Beschreibung des Erhabenen bei Kant lassen sich einige von den vorherigen Merkmalen anderer Denker wiedererkennen. Obwohl die erste Schrift über das Erhabene die ästhetische Kategorie auf die Rhetorik einschränkt, weist sie doch einige universale Kennzeichen auf. Wenn Pseudo-Longinus über die angeborenen Quellen für den erhabenen Stil redet, setzt er voraus, dass es eine Fähigkeit in den Menschen gibt, erhabene Gedanken und Gefühle zu entwickeln, die zugleich dafür sorgt, durch ihren wörtlichen Ausdruck anderen Menschen „ewig“ und „überall“ zu gefallen. All dies spricht für eine menschliche Anlage zur Erhabenheit, was abgesehen von ihrer Nutzung in der Rhetorik grundsätzlich bei der kantischen Version des Urteils des Erhabenen bleibt. Auch lassen sich die Gedanken der englischsprachigen Denker über die Verbindung zur Unermesslichkeit der Natur und über die Erweiterung der Gefühle in Kants Behandlung, besonders beim mathematischen Erhabenen, wiederfinden. Die kantische Ästhetik des Erhabenen beeinflusste tiefgehend die deutschsprachige Philosophie des 19. Jahrhunderts. Park (2008) und Pries (1995) behaupten sogar, dass es kaum eine Theorie des Erhabenen gab, welche sich mit der kantischen nicht auseinandersetzte (Park 2008, S. 11). Pries betrachtet eine Rezeptionslinie, die Kants Theorie des Erhabenen weiterentwickeln wollte und sie letztlich moralisierte, verschönte und „metaphysierte“ und somit eine neue „unkantische“ Theorie entwickelte; etwa Schiller, die Brüder Schlegel, Schelling, Solger, Schopenhauer und Vischer gehören zu dieser Linie (Pries 1995, S. 15 – 31). Sowohl Pries als auch Park stellen die Diagnose, dass sich trotz der anfänglich vielfältigen Thematisierung des Erhabenen keine Kontinuität in der Forschung desselben ergab und seine Renaissance erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam. Für Park gewinnt die kantische Theorie des Erhabenen „an Aktualität im Zuge des zunehmenden Interesses des Begriffs des Erhabenen an sich“ (Park 2008, S. 12). Für Pries fängt die Rehabilitation des Begriffs des Erhabenen erst langsam mit den Theorien von Weischedel (1960) und Adorno (1973) an, für Peña Aguado (1995) erst mit Adorno und Lyotard. Für die letztere findet diese Rehabilitierung in der Entwicklung einer Theorie der Kunst statt. Für Pries geschieht die Renaissance des Erhabenen schlagartig durch einen „Ästhetikboom“ in den achtziger Jahren. „Nichts ging mehr ohne das Erhabene – ein mit Blick auf die Begriffsentwicklung schier unglaublicher Vorgang“ (Pries 1995, S. 35). Kants Erhabenes ist Hauptreferenzpunkt der Renaissance des Erhabenen, und das nicht nur im deutschsprachigen, sondern auch im angelsächsischen und französischen Raum, ungeachtet der eigenen Traditionen des Erhabenen, über die diese Länder verfügen. Weiskel nennt Kant den ‚chief philosopher of the sublime‘. (Pries 1995, S. 36)

2 Wichtigkeit des Erhabenen

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Ich stimme mit Pries und Park überein, wenn sie meinen, das Erhabene habe kein Forschungskontinuum. Von diesem ästhetischen Gipfel des Erhabenen zum Ende des letzten Millenniums lässt sich heutzutage kaum etwas sehen, vor allem, wenn man vergleicht, wieviel mehr über das Schöne geschrieben, geforscht und diskutiert wird. Das Erhabene steht an zweiter, sogar dritter Stelle der ästhetischen Interessen Im nächsten Schritt wird der Stand der Kant-Forschung in Bezug auf die Ästhetik des Erhabenen summarisch dargelegt.

b Stand der Forschung In der Sekundärliteratur lassen sich verschiedene Diskussionen hinsichtlich der kritischen Auffassung Kants der Erhabenheit wiederfinden. Ich habe diese in den folgenden sechs Fragestellungen strukturiert und zusammengefasst. M. E. bilden diese sechs Hauptprobleme die komplette Palette der Debatte in den bis jetzt erschienenen und mir zugänglichen Texten über das Erhabene in Kants Philosophie ab. Natürlich werden hier nicht alle Autoren und Autorinnen genannt, sondern nur diejenigen, die mir mit ihren Pointen am meisten Resonanz in der Kantforschung bekommen zu haben schienen: 1. Die Herkunft der kantischen Ästhetik und die des Erhabenen: Die Fragestellung dieses Problems lautet, ob sich Kant in der Entwicklung seiner ästhetischen Theorie mehr von der altgriechischen Tradition Pseudo-Longinos (Doran 2015) beeinflussen ließ oder von der empiristischen Tradition, etwa von Autoren wie Addison, Burke, Hume, Hutcheson und Schaftesbury (Crowther 1989; Dickie 1996; Guyer 2005; Kulenkampff 1974 u.v.a.) oder von der rationalistischen Tradition, etwa von Autoren wie Baumgarten, Leibniz, Sulzer und Wolf (Hofmann 1913; La Rocca 2007; Model 1987 u. a.) oder von den letzteren zwei Traditionen gleichermaßen (Rayman 2012; Wenzel 2005 und 2009). 2. Der Status des Erhabenen als reines ästhetisches Urteil: Die Fragestellung hierzu lautet, ob das Erhabene sich als ein rein autonomes ästhetisches Urteil verstehen lässt (Crowther 1989; Pries 1995; Brady 2013; Park 2008; Zuckert 2019 u. v. a) oder ob es sich auf ein bloßes Anhängsel der Schönheit in der Betrachtung der Natur reduzieren lässt (Cohen 1889; Fœssel 2018; Guyer 1979 bzw. 1997)³⁰ oder ob es aufgrund seiner inneren (Lust-Unlust) und äußeren

 In der ersten Auflage von Kant and the Claim of Taste (1979) behauptet Guyer, das Erhabene spiele keine wichtige Rolle bei der kantischen Ästhetik und auch nicht bei der Absicht der dritten

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3.

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Kapitel I Problemstellung

Dualität (mathematisch-dynamisch) und Mangel an einer eigenen Deduktion und Dialektik kein richtiges ästhetisches Urteil bildet (Peña Aguado 1995).³¹ Das „ästhetische Objekt“ des kantisch-kritischen Erhabenen: Bei diesem Problem geht es zunächst darum, ob das Erhabene nur von natürlichen Objekten (Abaci u. a. 2008) oder auch von Kunstwerken (Lyotard 1984; Makkreel 1997; Clewis 2010; Crowther 2010 und Budd 1998) verursacht werden kann. Darüber hinaus gibt es andere Ansätze zum Ursprung des Gefühls des Erhabenen in Kants Theorie der dritten Kritik, die an eine fast vollständige Subjektivierung der Ursache der ästhetischen Lust appellieren, entweder mit Betonung auf die Erweiterung der Einbildungskraft (Schleich 2020) oder mit Betonung auf die Ideen der Vernunft (Moore 2018).³² Die Beiträge der Theorie des Erhabenen zur Architektonik bzw. zum System Kants: Hier handelt es sich um die Rolle des Erhabenen beim Vereinigungsproblem zwischen Natur und Freiheit der KU. Die Fragen danach lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: ob das Erhabene zum kritischen System (Pries 1989 und 1995; Park 2008 und Clewis 2015) beiträgt oder nicht (Peña Aguado 1995), und wenn ja, ob es nur zur Moralität (Allison 2001; Clewis 2009; Golob 2019; Guyer 1998, 2005 und 2006; McBay Merrit 2012 und 2018;

Kritik, da ihm die Analyse davon sogar inkompatibel mit dem Rest des Werkes scheine. In der zweiten Auflage desselben Buches 1997 korrigierte Guyer seine vorherige Meinung zur Wichtigkeit des Erhabenen und wiederholt, was er in mehreren anderen Texte vertritt, das Erhabene sei relevant, insofern es so wie das Schöne ein moralisches Symbol bildet: „I have tried to provide such a broader interpretation of Kant’s connection of aesthetics and morality in a number of chapters in Kant and the Experience of Freedom: Chapters 6 and 7 attempt to do justice to Kant’s conception of the sublime, which I now see as a much more important part of his work than I earlier did […]. Kant’s theory of artistic genius, like his theory of the sublime, was another of those subjects of the Critique of Aesthetic Judgment that I was initially inclined to see as a mere concession to eighteenth-century literary fashion but which I have subsequently come to see as essential to Kant’s larger intentions.“ (Guyer 1997, S. xxi).  Daraus folgt die Frage nach dem Verhältnis zwischen Einbildungskraft und Vernunft; inwiefern die erstere in der Beurteilung des Erhabenen als frei (spielerisch) betrachtet werden kann, wenn die Vernunft angesichts der Überwindung des Moments der Unlust zur Lust die Einbildungskraft zugunsten ihrer Ideen instrumentalisiert. Lyotard, Pries, Peña Aguado u. a. betonen diesen Aspekt des angeblich tyrannischen Verhaltens der Vernunft gegenüber der Einbildungskraft. In meiner Interpretation argumentiere ich für eine Kooperation zwischen beiden Vermögen und nicht für einen Widerstreit. In diese Richtung argumentiert auch Loose: „Contrary to Lyotard, ultimately we cannot take the sublime as the opposition and contradiction of reason and sensibility. Even more than as pivot, one can view the sublime as transition (Übergang) and even as point of interaction of nature and freedom, of mechanics and morality.“ (Loose 2011, S. 53).  Aus dieser Problematik folgt aufgrund des subreptiven Charakters des ästhetischen Urteils des Erhabenen, die Frage nach dem wahren Objekt des Erhabenen. Das thematisiere ich am Ende dieses Kapitels, sowie in Kapitel III und in Kapitel V.

3 Ausgangspunkt: Ursprung der Dualität des Erhabenen

5.

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Rayman 2012 und Recki 2011) oder auch zur Erkenntnis (Zuckert 2019) beiträgt. Das Erhabene und die Metaphysik. Diese Debatte lässt sich folgendermaßen als Fragestellung formulieren: ob das Erhabene bei Kant an sich metaphysisch ist (Zammito 1994 und Fœssel 2018) oder nicht (Schaper 1979), wenn ja, bezogen auf die Metaphysik der Moral (Crawford 1974; Goodreau 1998 und Loose 2011) oder auch auf die Metaphysik der Natur. Das kantische Erhabene jenseits der Parameter der kritischen Philosophie: In dieser Diskussion ist die Frage, ob die Kategorie des Erhabenen auf andere Domänen jenseits der Ästhetik der Natur anwendbar ist, wie etwa auf die Psychoanalyse (Weiskel 1976; Hertz 1985 und 2001); Dekonstruktionstheorie (Rogozinski 1988; Lyotard 1994; Pacholec 1999; Derrida 1978 bzw. 2005 und De Man 1990); Kunsttheorie (Lyotard 1994); Literatur (Böhme 1989; Bollman 1989 und Myskja 2002); Musikwissenschaften (Nicklaus 1989); Wissenschaft (Scobel 1989; Bartels 1989 und Polzer 2015); Religion (Lazaroff 1980 und Pöpperl 2007) und Politik (Clewis 2009; Lyotard 1984 und O’Gorman 2006).

Sicherlich gibt es im Detail noch mehr Diskussionsansichten des Erhabenen bei Kant. Diese können aber m. E. auf die oben erwähnten sechs Aspekte reduziert werden. Die Fragestellungen der entsprechenden Punkte 2, 3, 4 und 5 sind für die Zwecke dieses Projekts relevant, die anderen zwei Problematiken spielen bei der Systematik der Philosophie Kants keine große Rolle, somit auch nicht bei meiner Untersuchung.

3 Ausgangspunkt: Ursprung der Dualität des Erhabenen Kant teilt das ästhetische Gefühl des Erhabenen in der Kritik der Urteilskraft in zwei Arten auf: das mathematische Erhabene und das dynamische Erhabene. In §24 heißt es, dass eine solche Einteilung durch die Verbindung zwischen der Urteilskraft und den „Stimmungen“ der Einbildungskraft entsteht, denn im mathematischen Erhabenen bezieht sich die ästhetische Urteilskraft auf die Erkenntniskräfte durch die mathematische Stimmung der Einbildungskraft, während sie sich im dynamischen Erhabenen auf das Begehrungsvermögen durch die dynamische Stimmung der Einbildungskraft bezieht. Es stellt sich die Frage nach dem Grund dieser Einteilung. Angesichts heuristischer Zwecke wird erst einmal angenommen, dass die Direktionalität der Urteilskraft zu einer Stimmung der Einbildungskraft (in beiden Fällen) in Anbetracht gewisser Objekte der Natur nicht bloß beliebig ist, sondern dass sie auf einen Grund in der kantischen Philosophie zurückgeführt werden muss. Um dies

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Kapitel I Problemstellung

zu erarbeiten, wird davon ausgegangen, dass die Aufteilung des Erhabenen in mathematisch und dynamisch auf einer größeren Unterscheidung in der kritischen Philosophie beruht. Unter diesem Gesichtspunkt wird die leitende Frage dieser Arbeit folgendermaßen lauten: Welches ist die Unterscheidung auf systematischer Ebene, die es erlaubt, zwei Arten des Erhabenen zu differenzieren? Um auf diese Frage antworten zu können, muss zunächst erwogen werden, wo und wie die Einteilung in mathematisch und dynamisch im kantischen System entsteht. Inwiefern trägt diese Einteilung zu der Absicht der dritten Kritik bei? Anders formuliert: Inwiefern bildet die Dualität des Erhabenen einen Übergang zwischen dem Gebiet der Natur und dem Gebiet der Freiheit? Der ursprüngliche Ort dieser Einteilung befindet sich in der Transzendentalen Logik der Kritik der reinen Vernunft, wo sowohl die Kategorien als auch die Grundsätze in mathematisch und dynamisch aufgeteilt sind.³³ Die erste Klasse bezieht sich auf die Objekte der Anschauung und die zweite Klasse bezieht sich auf die Existenz der Objekte.³⁴ Dazu weist Kant in einer erhellenden Fußnote darauf hin, dass jede Verbindung (conjunctio) oder Synthese entweder durch Zusammensetzung (compositio) oder durch Verknüpfung (nexus) vollzogen wird – hierauf gründet sich diese zweiklassige Einteilung. Im ersten Fall handelt es sich um eine homogene Synthese (gleichartig), die nicht notwendig ist, und im zweiten Fall handelt es sich um eine heterogene Synthese (ungleichartig), die aber notwendig ist. Eine der Absichten dieser Arbeit ist aufzuzeigen, wie die Verbindungen einerseits durch Zusammensetzung im mathematischen Erhabenen und andererseits durch Verknüpfung im dynamischen Erhabenen geschehen. Nur wenn sich eine Antwort darauf findet, lässt sich verstehen, dass die Direktionalität der Ur-

 Kant sagt dazu: „Dieser Unterschied muß doch einen Grund in der Natur des Verstandes haben“ (KrV, B 110). Dennoch wird dieser Grund der Unterscheidung mathematisch-dynamisch der Kategorien bis zur Analytik der Grundsätze des reinen Verstandes, wo nur kurz die synthetische Unterscheidung behandelt wird, explizit nicht weiter thematisiert.  Diese Idee, die eine solche Einteilung direkt auf die Aufteilung der Kategorien und Grundsätze der ersten Kritik zurückzuführt, vertreten unterschiedliche Autoren wie Jean-François Lyotard (1994, S. 98, 123), Christian Helmut Wenzel (2005, S. 108), Kap Hyun Park (2008, S. 128 f.), u. a. Im folgenden Fragment legt Park Wert auf die epistemologische Leistung dieser Aufteilung des Erhabenen: „Diese Einteilung macht epistemologische Funktionen der synthetischen Grundsätze sowie die Kategorien klar vorstellig. Die mathematischen Kategorien sind zuständig für ‚alle inneren Bestimmungen‘ (FM 20: 280) der Anschauung, die dynamischen dagegen bestimmen das Verhältnis der Anschauungen oder die Beziehung des Erkenntnisobjekts zum Erkenntnissubjekt. So sind die mathematischen Grundsätze ‚in Ansehung {der Anschauung} konstitutiv‘, die dynamischen aber ‚bloß regulative Prinzipien der Anschauung (KrV: A 664/B 692; vgl. A 174 f./ 222 f.)‘.“ (Park 2008, S. 128).

3 Ausgangspunkt: Ursprung der Dualität des Erhabenen

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teilskraft zur mathematischen oder dynamischen Stimmung der Einbildungskraft nicht zufällig ist, sondern dass sie sich auf die urteilende Struktur des Subjekts stützt. Das bedeutet, dass sich die subjektive Zweckmäßigkeit der reflektierenden Urteilskraft im mathematischen Erhabenen auf homogene Weise ereignet, während sie sich im dynamischen Erhabenen heterogenerweise ergibt. Um den transzendentalen Charakter der Ausrichtung der Urteilskraft aufzuzeigen, muss zweierlei verstanden werden: einerseits, in welcher Hinsicht sich die homogene Synthese im mathematischen Erhabenen ereignet, und andererseits, in welcher Hinsicht die heterogene Synthese im dynamischen Erhabenen zustande kommt. Die aus dieser Betrachtung gewonnene Auffassung erlaubt es einzuschätzen, ob das Gefühl des Erhabenen in seiner dualen Dimension zum subjektiven Übergang vom Sinnlichen zum Übersinnlichen beiträgt. Um diesen Plan umzusetzen, wird zuerst auf die Charakterisierung des Erhabenen im Allgemeinen von Kant einzugehen sein, um anschließend im Einzelnen die Eigenschaften des mathematischen und dynamischen Erhabenen darzulegen. Gleichzeitig werden solche Eigenschaften hinsichtlich der Unterscheidung zwischen der homogenen und heterogenen Synthese berücksichtigt.

a Ein Überblick über das Erhabene in der Kritik der Urteilskraft In §23 der Analytik der ästhetischen Urteilskraft finden sich die ersten Bemerkungen über die Beurteilung des Erhabenen. In ihnen wird das Erhabene im Vergleich mit dem Schönen (Geschmacksurteil) dargestellt. In §24 wird das Erhabene in mathematisch und dynamisch eingeteilt. Danach werden von §25 bis §27 die Momente der Quantität und Qualität thematisiert, die beide gleichermaßen zum mathematischen Erhabenen gehören. Schließlich werden in den §§28 – 29 die Momente der Relation und der Modalität beschrieben, die zum dynamischen Erhabenen gehören. Erstens ist zu bemerken, dass in der Beurteilung des Erhabenen die Einbildungskraft in Relation zur Vernunft steht, um ein ästhetisches Urteil hervorzubringen. Dabei geht es nicht um eine positive Lust angesichts des betrachteten Objekts, wie im Fall des Schönen, sondern vielmehr um eine negative Lust in Bezug auf das Objekt. Mit anderen Worten: Wegen der Unfähigkeit des Vorstellungsvermögens, eine gewisse Art von Objekten in einer einzigen Anschauung zusammenzufassen, gibt es kein ausreichendes Material, worüber der Verstand mit seinen Begriffen urteilen kann. Denn die Begriffe des Verstandes brauchen in allen Fällen zur Anwendung eine Anschauung, sogar dann, wenn die begriffliche

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Kapitel I Problemstellung

Anwendung auf ein Objekt nicht notwendigerweise bestimmend ist, wie im Fall des Schönen. Ohne die Möglichkeit eines solchen Applizierens eines Begriffs auf eine Anschauung wird der Verstand keine Rolle mehr spielen können und die Vernunft muss an dieser Stelle wirken, weil ihre Ideen tatsächlich die Eigenschaft haben, ohne mögliche Anschauungen auszukommen. Die ästhetische Unangemessenheit des Objekts, durch die das Gefühl des Erhabenen im Subjekt geweckt wird, übt „Gewalt“ auf die Einbildungskraft aus,³⁵ weil sie bei der Zusammenfassung eines Objekts in einer einzigen sinnlichen Anschauung scheitert. Diese erste Bewegung (das Scheitern) der Gemütskräfte provoziert Unlust. Aus diesem Grund kommt die Vernunft mit ihren unbestimmten Ideen ins Spiel und erweitert die Vorstellungsmöglichkeiten der Einbildungskraft. Die Vernunftideen sind fähig, jede Erscheinung der Natur zu umhüllen, da sie selbst keine Darstellung in der Natur haben. Auf diese Weise wird die erste negative Bewegung des Gemütszustandes überwunden, indem das Gefühl der Unfähigkeit der Einbildungskraft in ein Erweiterungsgefühl verwandelt wird. Denn es gibt in der Natur keine geeignete Vorstellung (Darstellung) für solche übersinnlichen Ideen. Hieraus resultiert schlussendlich die Lust. Anders gesagt: Durch das Gefühl des Erhabenen wird die übersinnliche Bestimmung der Vernunft in der Menschlichkeit unmittelbar bestätigt. Dank einer Idee der Vernunft ist das Gemüt des Subjekts in der Lage, sich über die sinnliche Grenze hinaus zu erheben.³⁶ Die aus der Vernunft gelieferte „Idee“ der „Größe schlechthin“ wird von der Einbildungskraft als „Gesetz zur Darstellung“ bei der ästhetischen Beurteilung des Erhabenen verwendet. Wie die Idee der absoluten Größe vorgestellt wird, hängt davon ab, was für eine Erscheinung sich darstellt

 Es ist unklar, wer wem Gewalt antut. Die gängige Interpretation (von Lyotard und Pries) besagt, dass die Vernunft auf die Einbildungskraft Gewalt ausübt. Dennoch gibt es Passagen, in denen festgestellt wird, dass die Einbildungskraft selbst das Vermögen ist, welches z. B. Gewalt auf den inneren Sinn ausübt: „Sie [die Zusammenfassung der Vielheit in die Einheit; Ergänzung von P. Ó. A.] ist also (da die Zeitfolge eine Bedingung des innern Sinnes und einer Anschauung ist) eine subjektive Bewegung der Einbildungskraft, wodurch sie dem innern Sinne Gewalt antut, die desto merklicher sein muß, je größer das Quantum ist, welches die Einbildungskraft in eine Anschauung zusammenfaßt.“ (KU, AA 05: 256 f.). Oder das Vermögen, welches auf sich selbst „als Werkzeug der Vernunft“ Gewalt ausübt: „nur daß im ästhetischen Urteile über das Erhabene diese Gewalt durch die Einbildungskraft selbst, als durch ein Werkzeug der Vernunft, ausgeübt vorgestellt wird.“ (KU, AA 05: 269). Über das Verhältnis der Einbildungskraft und der Vernunft spreche ich im Detail in Kapitel III, Abschnitt 2.  „Es ist nämlich für uns Gesetz (der Vernunft) und gehört zu unserer Bestimmung, alles, was die Natur als Gegenstand der Sinne für uns Großes enthält, in Vergleichung mit Ideen der Vernunft für klein zu schätzen; und was das Gefühl dieser übersinnlichen Bestimmung in uns rege macht, stimmt zu jenem Gesetze zusammen.“ (KU, AA 05: 257).

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und somit davon, welcher Vernunftgebrauch (theoretisch oder praktisch) hervorgerufen wird. Die Vernunft gibt dem Subjekt das Gefühl, von der sinnlichen zur übersinnlichen Ebene zu transzendieren, indem sie dem sinnlichen Subjekt mit ihren Ideen ermöglicht, die anfängliche Unlust dank der Vorstellung einer Idee zu überwinden. Denn die Vernunft hat die Aufgabe, die übersinnliche (sittliche) Bestimmung des Subjekts, die Freiheit seiner eigenen Natur über die sinnliche Welt hinaus zu enthüllen.³⁷ Man darf bei Kant von einer Beurteilung des Erhabenen erst sprechen, nachdem die Vernunft mit ihren Ideen an ihr teilgenommen hat. Auf diese Weise sind die Ideen (zur Erweiterung der Einbildungskraft) diejenigen Vorstellungen, die mit der Zweckmäßigkeit der ästhetischen Urteilskraft im Erhabenen verknüpft sind und nicht die Vorstellungen der Form der Objekte, wie beim Schönen. Damit vergleichbar, wird für das Geschmacksurteil allgemeine Mitteilbarkeit des reinen Wohlgefallens verlangt. Außerdem darf es weder mit Interessen noch mit Begriffen verbunden werden, ähnlich wie das Erhabene. Aber das Gefühl des Erhabenen stellt mehrere Ansprüche,³⁸ wie z. B. eine Gemütsstimmung, die fähig ist, die praktischen Ideen darzustellen und überdies eine gewisse Kultur, die es erlaubt, von einer nur scheinbar bedrohlichen Erscheinung nicht erschreckt zu werden. Aus diesem Grund meint Kant, dass der Anspruch der Allgemeinheit beim Erhabenen auf einer subjektiven Voraussetzung, dem moralischen Gefühl im Menschen, beruht (KU, AA 05: 266). Anders verhält es sich beim Schönen, wo sich die Vorstellung auf den Verstand hinsichtlich der allgemeinen Erkenntnis bezieht und dessen Voraussetzung die Form des Objekts ist, was dem Schönen einen „objektiveren“ Charakter verleiht (KU, AA 05: 265). Ausgehend von diesem Standpunkt muss die Allgemeinheit des ästhetischen Urteils betrachtet werden, insofern als diese Eigenschaft des Urteils in Kants Argumentation mit der ästhetischen Reinheit verbunden wird, welche die Eigentümlichkeit der Urteile des Schönen und des Erhabenen ist. Sie charakterisiert sich durch die Form der Interaktion der Vermögen in beiden ästhetischen Urtei-

 Da es sich um ein Gefühl handelt, bleibt das Subjekt immer noch auf der Ebene der Sinnlichkeit. Christine Pries betont, dass man diese Erwägung in Betracht ziehen muss, wenn man die „falsche metaphysische Auslegung“ des Erhabenen – und ihre politischen Folgen – bei Kant vermeiden will. Sie stellt fest, dass diejenige Interpretation des Erhabenen, die sie als metaphysisch bezeichnet hat, einer der theoretischen Wegbereiter für den Nazismus war. Für Details der Argumentation: Pries 1995, S. 15 – 31.  „Thus, whereas both species of aesthetic judgment are noncognitive because based on sensation, they are so in different ways. Those of sense may be said to bypass cognition altogether, since the sensation arises immediately from the perception, independently of any reflection on it. By contrast, in an aesthetic judgment of reflection, it is precisely the reflective act of comparison, which does involve reference to the cognitive faculties and their normative relation, that produces the sensation in question.“ (Alison 2001, S. 50).

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len. Vom bisher über die Urteile des Erhabenen Gesagten muss Folgendes festgehalten werden: (i) Das Urteil des Erhabenen entsteht aufgrund einer „ernsten“ (jedoch freien) Tätigkeit (nicht einer spielerischen wie beim Schönen) zwischen der Einbildungskraft und der Vernunft. (ii) Aufgrund der Unangemessenheit der Einbildungskraft für die Darstellung des Objekts entsteht eine Idee der Vernunft. (iii) Sein Fundament liegt in der Voraussetzung des moralischen Gefühls oder der übersinnlichen Bestimmung des Menschen, damit die allgemeine Mitteilungsfähigkeit garantiert werden kann. (iv) Das Urteil des Erhabenen kann auf solche Weise nur entstehen, wenn die Unfähigkeit der Einbildungskraft vom übersinnlichen Vermögen, das heißt von der Vernunft, überwunden wurde. Andererseits sollte an dieser Stelle betont werden, dass das Erhabene nicht in den Objekten liegt, sondern in deren Beziehung zum Subjekt. Wir bezeichnen das Erhabene als „die Größe schlechthin“: die Größe ohne einen möglichen Vergleich, wie z. B. der Sternenhimmel und seine Unendlichkeit. Ebenfalls nennen wir den Sturm und die grenzenlose Ausbreitung des Ozeans erhaben. Jedoch enthält weder der Sternenhimmel noch der sturmhafte Ozean das Erhabene, denn es findet nur in uns statt.³⁹ Kant teilt das Erhabene in Bezug auf die Größe und Macht der Natur auf. Die erste Einteilung gehört zum mathematischen Erhabenen und die zweite zum dynamischen Erhabenen.

b Kurze Charakterisierung des ästhetischen Gefühls des Erhabenen und seine Einteilung mathematisch-dynamisch Das mathematische Erhabene ist das Resultat eines Zusammentreffens gewisser Erscheinungen der Natur, deren Haupteigenschaft die Unermesslichkeit ist, mit einer unbestimmten Idee der Vernunft, die diese Art von Erscheinungen umfassen kann. Angesichts solcher Erscheinungen wird die apprehensive und komprehensive Tätigkeit der Einbildungskraft überschritten, weil sie nicht in der Lage ist, eine solche Darstellung in einer einzigen Vorstellung komplett zusammenzufas-

 Kant sagt, dass das Erhabene nichts zum Begriff der Natur beiträgt. Aus diesem Grund wird das Erhabene von Fœssel als ein „akosmisches Gefühl“ betrachtet, da das Erhabene für ihn kein phänomenisches Korrelat hat: „In dem Augenblick, wo das Erhabene empfunden wird, weist es also auf keine ‚Technik der Natur‘ hin. Die reflektierende Urteilskraft kann nicht im Dienste einer nicht theoretischen Erweiterung unseres Naturbegriffs stehen, weil, in fine, nicht die Natur für das Erhabene zuständig ist, da jene unfähig ist, das Unbegrenzte darzustellen. Deshalb ist die ‚Analytik des Erhabenen‘ nur ein ‚bloßer Ansatz‘ zur Kritik der Urteilskraft: Durch sie erfahren wir nichts über die Natur. Von diesem Standpunkt aus gesehen kann wohl vom Erhabenen als von einem ‚akosmischen‘ Gefühl gesprochen werden.“ (Fœssel 2018, S. 96).

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sen. Diese sinnliche Unfähigkeit seitens der Einbildungskraft trifft auf die größte, intelligible, umfassende Fähigkeit des Subjekts: die Vernunft. Sie ist das einzige menschliche Vermögen, das das Übersinnliche denken und durch seine Ideen die Sinne übersteigen kann, weil unter diesen Ideen das Unendliche gedacht werden kann. Das dynamische Erhabene wird durch den Ausdruck der Macht in der Natur provoziert. Bei einem solchen Ausdruck der Natur tritt im Subjekt häufig eine Art Angst, Staunen, Achtung oder Bewunderung auf. Anlässlich solcher Naturerscheinungen wäre die Möglichkeit einer menschlichen Übermächtigkeit auf null reduziert, da unsere eigenen sinnlichen Kräfte in keinem Vergleich zu jenem als erhaben beurteilten Objekt stehen. Die menschlichen Kräfte bedeuten aus der Sicht der Sinnlichkeit in diesem Zusammenhang nichts. Diese auf den ersten Blick furchteinflößende Situation darf sich nicht des Gemütszustandes des Subjekts bemächtigen, sonst gibt es keine ästhetische Beurteilung des Gefühls des Erhabenen, sondern bloß den Affekt der Angst. Um das Erhabene erleben zu können, darf das Subjekt nicht in Gefahr sein. Diese Beziehung der Macht und Machtlosigkeit zwischen der Natur und unseren physischen Kräften entdeckt zugleich ein Vermögen, uns als von ihr unabhängig zu beurteilen, und eine Überlegenheit über die Natur, worauf sich eine Selbsterhaltung von ganz andrer Art gründet, als diejenige ist, die von der Natur außer uns angefochten und in Gefahr gebracht werden kann, wobei die Menschheit in unserer Person unerniedrigt bleibt. (KU, AA 05: 261– 262)

Letzten Endes vollzieht sich das Erhabene, wenn innerhalb des Gemüts des Subjekts eine Bewegung von seiner phänomenalen zu seiner noumenalen Kondition stattfindet. Diese Bewegung bedeutet nichts anderes als einerseits die Entdeckung des übersinnlichen Substrats des Menschen (in ihm und außer ihm) und andererseits die Befreiung von der sinnlichen Natur bei der Beurteilung des Gefühls.⁴⁰ Diese Möglichkeit zur Erhebung des Menschen durch ein Gefühl gibt seiner Existenz einen tieferen Sinn. ⁴¹

 Das könnte der einzige Beitrag des Erhabenen zur Idee der Natur sein, nämlich die Vorstellung einer Verbindung des Übersinnlichen vom Subjekt mit dem Übersinnlichen der Natur, die als absolut Ungreifbares scheint, zu spüren, wodurch dieses Gefühl erweckt wird. Von diesem spekulativen Zugang wird in Kapitel V die Rede sein.  „Darin liegt im letzten und tiefsten Grunde die Bedeutung und die Eigenart des ästhetischen Bewusstseins: nicht die Erkenntnis zu mehren, noch die Sittlichkeit zu bessern; sondern einzig und allein in der Beschwingung und Hebung der Kräfte, in der Reinigung und Harmonisirung der Einheit des Bewusstseins.“ (Cohen 1889, S. 287). Ich vertrete in diesem Punkt Cohens Position. In Kapitel IV werde ich meine Auslegung dieses Punktes ausführlich darstellen.

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Also ist das Gefühl des Erhabenen in der Natur Achtung für unsere eigene Bestimmung, die wir einem Objekte der Natur durch eine gewisse Subreption (Verwechselung einer Achtung für das Objekt statt der für die Idee der Menschheit in unserm Subjekte) beweisen, welches uns die Überlegenheit der Vernunftbestimmung unserer Erkenntnißvermögen über das größte Vermögen der Sinnlichkeit gleichsam anschaulich macht. (KU, AA 05: 257)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Einteilung auf zwei unterschiedlichen Verbindungsarten der ästhetischen Urteilskraft beruht. Diese Einteilung wird von den Tafeln der Kategorien und denen der Grundsätze der KrV übernommen, insofern sie dort in der kritischen Philosophie zum ersten Mal vorkam. Einerseits gibt es die mathematischen Kategorien, die zur Quantität und Qualität gehören, und andererseits gibt es die dynamischen Kategorien, die zur Relation und Modalität gehören (KrV, B 110). Dieselbe Struktur lässt sich in der Einteilung des Erhabenen wiederfinden. An dieser Stelle sollte sich die folgende Frage stellen: Was bedeutet diese Einteilung von einem transzendentalen Standpunkt aus? Oder, mit anderen Worten: Gibt es einen Unterschied auf der objektiven Ebene oder auf der subjektiven Ebene, der uns erlaubt, die Art des Erhabenen (mathematisch oder dynamisch) zu differenzieren? Und letztendlich: Inwiefern könnte eine solche Unterscheidung zu dem in der dritten Kritik angekündigten Vorhaben der Vereinigung der kritischen Philosophie (theoretisch und praktisch) beitragen? Hierzu lässt sich vorläufig sagen, dass die unterschiedlichen Synthese-Arten am Ende nur durch die Mannigfaltigkeit und nicht durch die Vernunft bestimmt werden, d. h. durch die Gegebenheit wird die eine oder die andere Synthese begründet. Dies ist ein Argument für das Verständnis der Widerlegung des Idealismus der ersten Kritik. Im Folgenden werden die letzten drei Fragen durch eine Rekapitulation des Problems kurz beantwortet, um die Thematik dieser Arbeit konkret einführen zu können. In den nächsten Kapiteln wird ausführlich gezeigt, inwiefern diese Fragen auf eine systematische Ebene zurückgeführt werden können. Dem zuvor Erwähnten zufolge versucht die Einbildungskraft im mathematischen Erhabenen, die Teile eines gegebenen Objekts in der Anschauung zusammenzufassen. Aber aufgrund der exzessiven Größe wird sie unfähig, diese Erscheinung in einer einzigen sinnlichen Vorstellung zu umfassen. Um dies zu ermöglichen, verlangt die ästhetische Urteilskraft die Idee der Totalität von der Vernunft. Die Vernunft umfasst jede sinnliche Größe und nur nach ihrem Intervenieren kann die Synthese des mathematischen Erhabenen vollzogen werden. Die Synthese wäre in diesem Fall homogen, weil in ihr sinnliche Teile eines Ganzen der Anschauung verbunden werden. Diese Teile sind teilweise darstellbar und teilweise nicht darstellbar, aber nur auf das Sinnliche bezogen. Hier betrachtet man bloß das

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Objekt in seiner für unser sinnliches Vorstellungsvermögen nicht auffassbaren Vorstellung. Die zwei Momente von Quantität und Qualität betreffen nur die sinnlichen Erkenntniskräfte und nicht unsere Lebenskräfte als moralische Wesen. Denn es gibt beim mathematischen Erhabenen keinen direkten relevanten Zugang zur menschlichen Natur als lebendiges Wesen, der die Beurteilung aus dieser Perspektive beeinflussen kann, hier geht es nur um das reine Betrachten eines Übergroßen. Die Lebensperspektive tut sich erst mit dem Moment der Relation beim dynamischen Erhabenen auf, wenn das Begehrungsvermögen mitspielt, weil in diesem Fall die ästhetische Beurteilung letztlich mit unserem Lebensgefühl (Angst) zu tun hat. Im dynamischen Erhabenen wird das Subjekt mit der performativen Möglichkeit des Verlustes des Lebens konfrontiert. Im dynamischen Erhabenen ist die Einbildungskraft auch – obgleich auf eine andere Weise – machtlos, denn im Sinnlichen hat die höchste Idee der Vernunft keine mögliche Darstellung: die Freiheit, die sittliche Bestimmung des Menschen. In diesem Fall ist die Synthese heterogen, weil zu ihr die Existenz des Subjekts gehört, indem aus dem Sinnlichen der Natur und dem Übersinnlichen der Freiheit die unterschiedlichen Teile des Urteils des dynamischen Erhabenen zusammengesetzt werden. Das Vorliegende ist der Ausgangspunkt der weiteren Argumentation dieser Arbeit. Nun lässt sich allgemein behaupten, dass das Gefühl des Erhabenen einen Übergang zwischen dem Naturgebiet und dem Freiheitsgebiet bildet, indem es sich im Fall des mathematischen Erhabenen auf das Erkenntnisvermögen und im Fall des dynamischen Erhabenen auf das Begehrungsvermögen bezieht. Daraus ergibt sich ein Weg, der es erlaubt, das Erhabene als ein Gefühl mit zwei Modi eines „einzigen Objekts“ des Übersinnlichen zu erläutern. Dies bedeutet, dass dieses Gefühl die Eigenschaft besitzt, auf der sinnlichen Ebene die Naturanlage des Menschen zum Übersinnlichen zu bestätigen. Vorläufig lässt sich sagen, dass im Erhabenen die Negation der absoluten Endlichkeit des Menschen zu finden ist, m. a. W. die Affirmation seiner partiellen Unendlichkeit. Die Endlichkeit des Subjekts kann als Beschränkung betrachtet werden, sowohl in seiner kognitiven Fähigkeit (seinen transzendentalen Vermögen) als auch in seiner Kondition als Lebewesen. Das Erhabene ist in diesem Kontext nichts anderes als das Bewusstsein der eigenen Beschränkung. Dies ermöglicht zugleich, die Schwelle zur Unbeschränktheit des (moralischen) Subjekts zu erahnen.

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Kapitel I Problemstellung

4 Gefühl als Übergang: Erläuterung wichtiger Aspekte des Erhabenen In dieser letzten Sektion werden die folgenden drei Thematiken bezüglich des Erhabenen in der dritten Kritik erörtert: das Problem des Übergangs, die Unterscheidung zwischen Bestimmung und Stimmung und die Bedeutung der Subreption für die Beurteilung des Erhabenen.

a Das Problem des Übergangs Im zweiten Abschnitt der veröffentlichten Einleitung der KU, Vom Gebiete der Philosophie überhaupt, stipuliert Kant, es sei eine „unübersehbare Kluft“ zwischen den Gebieten der Naturbegriffe (dem Sinnlichen) und dem Freiheitsbegriff (dem Übersinnlichen), als ob es „verschiedene Welten wären“ (KU, AA 05: 176).⁴² Zwei verschiedene Welten und ein vernünftige, endliches Subjekt machen keine systematische Philosophie aus: eine einheitliche Konzeption beider gesetzgebenden Gebiete ist für eine solche nötig.⁴³ Es soll prinzipiell eine und dieselbe  Durch den Begriff der Harmonie oder Übereinstimmung versucht Andaluz Romanillos (2013) die Vernunft zu vereinigen, was m. E. gelingt, solange das Erhabene nicht in Betracht gezogen wird. So sehen es auch viele andere Autoren und Autorinnen: „Lo que está en juego en la Crítica del Juicio no es la fundamentación de una teología, sino la unidad de la razón, el tránsito desde el modo de pensar según los principios de la naturaleza hacia el modo de pensar según los principios de la moralidad. Y ese tránsito no es sino la relación de lo sensible con lo suprasensible.“ (Andaluz Romanillos 2013, S. 168). „La unidad a la que hacíamos referencia más arriba tendrá más el sentido de ‘continuidad’ y ‘tránsito’ (en el nivel subjetivo del Juicio) de un lado al otro, que el sentido de fusión de conceptos de objetos.“ (Andaluz Romanillos 2013, S. 178) „Podríamos también decir que sistemática, propiamente, es la razón. Es por la libertad que Kant otorga al Juicio reflexionante por lo que se hace posible poner al descubierto esta naturaleza sistemática de la razón. El Juicio reflexionante teleológico propicia el tránsito desde la razón teórica hacia la razón práctica. Pero es en el nivel de la subjetividad (que es el nivel que corresponde al Juicio reflexionante) donde se produce ese tránsito. Y quien lidera, por así decir, ese tránsito es la razón moral; es lógico, pues ésta representa un uso más amplio de la razón. Lo incondicionado guía y subsume bajo sí a lo condicionado. El Juicio teleológico permite abarcar ahora con la mirada (utilizando una frase de Cassirer) ‘la totalidad de la vida de la naturaleza y del espíritu y comprenderla desde dentro como si se tratara de un solo organismo de la razón’“ (Andaluz Romanillos 2013, S. 218).  Horkheimer interpretiert die Kritik der Urteilskraft als kein „Verbindungsmittel“ zwischen dem theoretischen und praktischen Gebrauch der Vernunft, weil ihm zufolge keine Kluft zwischen ihnen besteht, indem er leugnet, „daß der Idee ‚niemals irgendeine Erfahrung kongruieren könne‘ (s.o.), denn es findet sich der Idee Kongruentes (nicht bloß für die reflektierende, sondern auf Grund von Sätzen der bestimmenden Urteilskraft) als wirklich in der wirklichen Welt.“ (Hork-

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Welt geben, damit das freie Subjekt seine Zwecke in der sinnlichen Natur realisieren kann. Deshalb muss zumindest die Möglichkeit einer Übereinstimmung seiner freien Zwecke mit der gesetzmäßigen Form der Natur gedacht werden. Dafür ist ein „Übergang“ zwischen beiden Gebieten erforderlich.Wie soll nun aber dieser Übergang aussehen? Ein Übergang kann als eine feste Stelle zum Überqueren verstanden werden, wie etwa eine Brücke. Doch jener Übergang hat keinen Ort, „kein eigentümliches Gebiet“ (KU, AA 05: 176). Das heißt, kantisch gesprochen, der Übergang hat weder Objekte noch Handlungen, welche er verbindlich konstituieren kann. Jedoch ist er, wenn nicht ein bestimmendes Gesetz auf einem Gebiet, so doch ein verbindender Begriff zwischen den Naturbegriffen und Freiheitsbegriffen. Was heißt ein Begriff als Übergang? Soll dieser Begriff verstanden werden, als ob in ihm beide andere Begriffsarten (theoretisch und praktisch) enthalten wären? Wenn ja, warum kann dann die Rede nicht einfach von einem gemischten Begriff sein? Was soll durch den Begriff überquert werden? Eine andere Option wäre, wie im Sprachgebrauch geläufig, einen Übergang als einen Wechsel von einem Zustand zu einem anderen zu verstehen. Welche wären dann diese „Zustände“? Stellen wir uns folgendes Szenario Kants vor: einerseits haben wir die Natur, wo der Verstand regiert, andererseits haben wir die Freiheit, wo die Vernunft regiert. Nun aber wird erfordert, dass die Natur und die Freiheit aus systematischen Gründen verbunden werden können. Da Verstand und Vernunft durch die Urteilskraft im logischen Gebrauch vermittelt werden, ist anzunehmen, dass, indem die Urteilskraft die Ehre erhält, zu einem der oberen Erkenntnisvermögen zu gehören, dieses Vermögen ein Prinzip enthält, welches einen Übergang von beiden Gebieten bildet. Dieses Prinzip ist bei Kant die Zweckmäßigkeit.

heimer 1925, S. 145): „In Beziehung auf die behandelten Einheiten besteht die Kluft nicht. Die Eigenart dieser Gegenstände, die nach Kants Meinung den Stempel der beiden Reiche theoretischer und praktischer Vernunft an sich tragen, ist ohne Rekurs auf praktische Vernunft, d. h. auf einen Willen, erkenntnistheoretisch zu begreifen. In dieser Hinsicht ist die Kritik der Urteilskraft kein ‚Verbindungsmittel‘.“(Horkheimer 1925, S. 145). Aber seine Position ist keine schlüssige, weil er das Problem der Realisierung der Freiheit auf der Welt nicht komplett löst: „Die Schwierigkeiten im Problem der Willenshandlung sind damit freilich noch lange nicht behoben. Aber es ist wenigstens gezeigt, daß die Kantischen ‚Ideen‘, insofern sie Einheiten besonderer Art nämlich ‚Systeme‘ darstellen, in Beziehung auf ihre Realisierbarkeit anderen, minder systematischen Zwecken gegenüber kein Spezialfall sind. Nicht ob das ‚Reich der Ideen‘ mit dem Naturreiche zu vereinigen sei, muß die Frage lauten – denn daß diese Gebiete nicht prinzipiell getrennt sind, hat sich uns gezeigt, – sondern wie die Möglichkeit der Verwirklichung einer Absicht theoretisch zu begreifen ist. Die Beantwortung dieser Frage setzt eingehende psychologische Analysen voraus und gehört nicht in den Rahmen dieser Arbeit.“ (Horkheimer 1925, S. 145 f.).

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Im Folgenden werde ich die aufgeworfenen Fragen beantworten, indem ich drei Ansätze bezüglich des Problems des Übergangs in Betracht ziehe.⁴⁴ Dies wird schließlich zu der Ausarbeitung meines eigenen Ansatzes beitragen. Es gibt mindestens sechs Ebenen, auf denen das Bedürfnis eines Übergangs besteht: 1. auf der Ebene der Vernunft: theoretisch vs. praktisch 2. auf der Ebene der Objekte der Gesetzgebung: Erkenntnis (Objekte) vs. Moral (Handlungen) 3. auf der Ebene der Prinzipien: Gesetzmäßigkeit der Natur vs. Freiheit 4. auf der Ebene der „Welten“: sinnliche vs. übersinnliche 5. auf der Ebene der Seelenvermögen: Erkenntnisvermögen vs. Begehrungsvermögen 6. auf der Ebene der Erkenntniskräfte: Verstand vs. Vernunft Die Punkte 5 und 6 lassen sich schnell architektonisch klären: Zwischen Verstand und Vernunft wird ein Übergang von der Urteilskraft hergestellt, sowie zwischen den Erkenntnisvermögen und Begehrungsvermögen vom Vermögen des Gefühls der Lust und Unlust. Wie die Vermittlung der anderen vier Punkte geschieht, ist komplizierter zu beantworten. Denn auf diesen vier Ebenen kommt eine ontologische Frage ins Spiel, und zwar die Frage, ob die kritische Philosophie Kants eher ein Monismus oder ein Dualismus ist. Die Antwort auf die Frage nach dem Charakter des Übergangs hängt von dem Zusammenhang zwischen diesen vier Punkten ab. Ich fange mit dem vierten Punkt an und verknüpfe ihn allmählich mit den drei anderen. Die theoretische Vernunft (namens Verstand) als das positive, kognitive Resultat der KrV betrachtet, bestimmt die Erkenntnis der sinnlichen Welt, während die praktische Vernunft als die positive, ethische Leistung der KpV die Moral aus der Sicht einer übersinnlichen Welt bestimmt. Aber eine übersinnliche Moral, deren Durchführung nicht im Sinnlichen vorgestellt werden kann, trägt wenig zur Ethik eines sinnlich-endlichen Vernunftwesens bei. Dies ist selbst für Kant ein gravierendes Problem der Einteilung der Vernunft. Aber es scheint mir dabei eine stetige Verwechslung oder Subreption zwischen einer objektiven und subjektiven Perspektive dieses Problems zu geben. Ein Aspekt ist, dass die Gesetzgebungen (als der subjektive Ansatz) der theoretischen und praktischen Vernunft miteinander nicht korrespondieren. Ein anderer Aspekt ist, die Gebiete der Natur und

 Der Übergang als Perspektivenwechsel: wie Pries (1995); der Übergang als ein Drittes, welches die zwei anderen Aspekte verbindet: König (2001) und Lerussi (2015); der Übergang als eine gemischte Zusammensetzung: Breitenbach (2009) und Andaluz Romanillos (2013).

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Freiheit als zwei verschiedene und unbegehbare Welten zu sehen. Von dieser doppelten Dichotomie lassen sich kombinatorisch vier Übergangsmöglichkeiten zusammenstellen. Zwei sind ohnehin einseitig legitim insofern, als dass die theoretische Vernunft die Natur (das Sinnliche) bestimmt und die praktische die Freiheit (das Übersinnliche). Was passiert aber mit den zwei anderen Möglichkeiten? Aus einer erkenntnistheoretischen Perspektive kann die Vernunft das Übersinnliche nicht bestimmen, sonst würden wir uns noch vor der kopernikanischen Wende befinden und die Doktrin des transzendentalen Idealismus und empirischen Realismus hätte Kant umsonst geliefert, was natürlich nicht der Fall ist. Eine Möglichkeit bleibt noch übrig, nämlich aus der moralpraktischen Perspektive auf die sinnliche Welt zu schließen: so s o l l doch diese [die Freiheit] auf jene [die Natur] einen Einfluß haben, nämlich der Freiheitsbegriff soll den durch seine Gesetze aufgegebenen Zweck in der Sinnenwelt wirklich machen; und die Natur muß folglich auch so gedacht werden können, daß die Gesetzmäßigkeit ihrer Form wenigstens zur Möglichkeit der in ihr zu bewirkenden Zwecke nach Freiheitsgesetzen zusammenstimme. (KU, 05: 176; Ergänzungen von P. Ó. A.)

Nun aber lässt sich fragen, wie dieses „Sollen“ verstanden werden muss. Es kann m. E. nur als praktisch verstanden werden, insofern das Primat der praktischen Vernunft akzeptiert wird. Das Verlangen nach einer systematischen Einheit kann aus drei Perspektiven verstanden werden: a) Systematische Einheit der Natur (oder der Erfahrung): Dafür wird das Prinzip der Zweckmäßigkeit der Natur als Leitfaden für die Erforschung der empirischen Natur postuliert. b) Systematische Einheit der Vernunft: Dafür muss es „einen Grund der Einheit des Übersinnlichen, welches der Natur zum Grunde liegt, mit dem, was der Freiheitsbegriff praktisch enthält“ geben (KU, AA 05: 176). c) Systematische Einheit der Philosophie: Das soll durch die Zweckmäßigkeit der Vernunft mit sich selbst gewährleistet werden. Am Ende der veröffentlichten Einleitung der KU kommentiert Kant, warum er seine Philosophie dreiteilig gliedert hat und dass dies „in der Natur der Sache“ (KU, 05: 197) liegt. Entweder werden die Begriffe analytisch nach dem Satze des Widerspruchs in zwei (A, ¬A) geteilt oder synthetisch in drei (A, ¬A, A ¬A (= ¬A A)) eingeteilt: [U]nd, wenn sie [die Einteilung; Ergänzung von P. Ó. A.] in diesem Falle aus Begriffen a priori (nicht, wie in der Mathematik, aus der a priori dem Begriffe korrespondierenden Anschauung) soll geführt werden, so muß, nach demjenigen, was zu der synthetischen Einheit

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überhaupt erforderlich ist, nämlich 1) Bedingung, 2) ein Bedingtes, 3) der Begriff, der aus der Vereinigung des Bedingten mit seiner Bedingung entspringt, die Einteilung notwendig Trichotomie sein. (KU, 05: 197)

Daraus können wir schließen, dass die Philosophie, analytisch betrachtet, in zwei geteilt ist, insofern die Natur das der Freiheit gegenüberliegende Objekt ist. Es ist leichter diese Opposition einzusehen, wenn wir über die „Welten“ der philosophischen Bestimmung sprechen: das Sinnliche (A) und das Übersinnliche oder Nicht-Sinnliche (¬A), als die zwei analytischen Elemente dieser Einteilung oder kurz als: theoretische und praktische Philosophie. Die zweifache Einteilung ist aufgrund „der Natur der Sache“ des „Definierens“, „Limitierens“, und „Einordnens“ erforderlich; ein A wird gesetzt, indem etwas, was nicht A ist, also ¬A, ausgegrenzt wird. Nun aber lässt sich fragen, welche Elemente in einer synthetischen Einteilung der Philosophie vorkommen würden. Sollten wir die drei Kritiken als die ersten drei Kandidaten für die Einteilung betrachten, dann muss entschieden werden, welchem Werk die Kategorie der „Bedingung“ korrespondiert, welchem die des „Bedingten“ und welchem die der „Vereinigung des Bedingten mit seiner Bedingung“. Programmatisch retrospektiv betrachtet sollte die Kritik der Urteilskraft die Kandidatin der Vereinigung sein, wobei sich die erste Kritik nicht unbedingt als die „Bedingung“ und die zweite nicht als das „Bedingte“ lesen lassen, sondern, in Anbetracht ihrer Gesetzgebungsgebiete, eigentlich umgekehrt. Aber wie lässt sich diese Trichotomie jenseits des Programms deuten? M. E. kann die „Bedingung“ nichts anderes als die Vernunft selbst sein, das „Bedingte“ die Sinnlichkeit, bestimmt durch den Verstand, und die Vereinigung von beidem die Aktualisierung von Beidem: ein existentes sinnliches Vernunftwesen oder ein in der Welt lebendiger Mensch oder kurz ein im Akt versinnlichtes Übersinnliches.⁴⁵  Nun muss ich wieder einen griechischen Ausdruck anführen, der m. E. beim Verständnis des Ausdrucks „im Akt“ helfen kann: Energeia als Entelequia. Diesen Akt verstehe ich im traditionellen aristotelischen Sinn als gleichzeitig energeia und entelechia (trotz Paradoxon); was der Akt ist, ist auch der Zweck einer Substanz: „᾿Aλλὰ μὴν καὶ οὐσίᾳ γε, πρῶτον μὲν ὅτι τὰ τῇ γενέσει ὕστερα τῷ εἴδει καὶ τῇ οὐσίᾳ πρότερα (οἷον ἀνὴρ παιδὸς καὶ ἄνθρωπος σπέρματος· τὸ μὲν γὰρ ἤδη ἔχει τὸ εἶδος ὸ δ’ οὔ), καὶ ὅτι ἅπαν ἐπ’ ἀρχὴν βαδίζει τὸ γιγνόμενον καὶ τέλος (ἀρχὴ γὰρ τὸ οὗ ἕνεκα, τοῦ τέλους δὲ ἕνεκα ἡ γένεσις), τέλος δ’ ἡ ἐνέργεια, καὶ τούτου χάριν ἡ δύναμις λαμβάνετα. οὐ γὰρ ἵνα ὄψιν ἔχωσιν ὁρῶσι τὰ ζῷα ἀλλ᾽ ὅπως ὁρῶσιν ὄψιν ἔχουσιν, ὁμοίως δὲ καὶ οἰκοδομικὴν ἵνα οἰκοδομῶσι καὶ τὴν θεωρητικὴν ἵνα θεωρῶσιν“ (Aristoteles Metaphysik, 1050 a, IX Buch, Θ, theta). Deutsche Übersetzung: „Aber auch der Wesenheit (ousia) nach ist sie es. Erstens weil das, was der Entstehung nach später ist, der Form (eidos) und der Wesenheit nach früher ist, z. B. der Mann früher als das Kind, der Mensch früher als der Same; denn das eine hat schon die Form, das andere aber nicht. Ferner darum, weil alles, was entsteht, auf ein Prinzip (arche) und ein Ziel (telos) hingeht; Prinzip nämlich ist das Weswegen, und um des Zieles willen ist das Werden. Ziel

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Mir scheint letzten Endes, dass die Idee eines Überganges darauf zu reduzieren ist, einen Übergang von Urteilen zu bilden, d. i. ein Übergang der Denkart ist in diesem Kontext ein Urteil mit einer doppelten Dimension: sinnlich und übersinnlich. Und zwar so, dass die Sinnlichkeit uns den Anlass gibt, in der Beurteilung gewisser Phänomene das Übersinnliche zu entdecken, wenn auch nur subjektiv und nicht objektiv betrachtet. Das Schöne, das Erhabene und die Naturzwecke zeigen diese doppelte Eigenschaft. Es ist die Natur, wo die Subjektivität auftritt und willkommen geheißen wird. Die Natur entspricht dem, was es in uns gibt. Der Ausgangs- und Schlusspunkt ist das Subjekt, aber durch die empirischzufällige Natur vermittelt. In der Betrachtung der Natur erkennt sich das Subjekt als übersinnliches Wesen. Zufälligerweise wird das Subjekt auf harmonische Weise mit der Natur konfrontiert. Diese ästhetische Harmonie lässt sich beim Schönen schnell als Affirmation des eigenen Lebens wiedererkennen. Aber wie ist es beim Erhabenen? Beim Erhabenen erscheint diese ästhetische Übereinstimmung prima facie nicht, zunächst kommt die Negation und dank ihr lässt sich noch eine stärkere Affirmation des Lebens jenseits der Sinne spüren. Die Organismen erinnern uns ihrer Struktur und Funktionsweise nach an unsere eigene Kausalität (nach Zwecken).⁴⁶ Die Idee der Affinität kann die Notion des Überganges klarlegen. Ein Übergang von einem Punkt zu einem anderen kann nur durch Affinität geschehen. Dabei sollten die Begriffe etwas Gemeinsames haben, damit es keine Brüche oder Sprünge gibt. Wir können diese Auffassung an mehreren Stellen im kritischen System sehen: Wenn Kant von einer zur anderen Begrifflichkeit geht, zeigt er zuerst, inwiefern die zwei „Begriffe“ etwas Gemeinsames haben, und dann zeigt er, inwiefern sie sich unterscheiden. Zum Beispiel zeigt er in §23 der KU, Übergang von dem Beurteilungsvermögen des Schönen zu dem des Erhabenen, zuerst die Gemeinsamkeiten beider ästhetischer Urteile, dann ihre Unterschiede. In Analogie zu diesem Fortgang kann behauptet werden, dass der Übergang im Fall der zwei Gebiete der Vernunft auch durch Affinität geschieht. Ist dies der Fall, dann

aber ist die Wirklichkeit, und um ihretwillen erhält man das Vermögen; denn nicht, um den Gesichtssinn zu haben, sehen die Tiere, sondern um zu sehen, haben sie den Gesichtssinn.“ (Bonitz 1966, S. 205 f.).  „Der Begriff eines Dinges, als an sich Naturzwecks, ist also kein konstitutiver Begriff des Verstandes oder der Vernunft, kann aber doch ein regulativer Begriff für die reflektierende Urteilskraft sein, nach einer entfernten Analogie mit unserer Kausalität nach Zwecken überhaupt die Nachforschung über Gegenstände dieser Art zu leiten und über ihren obersten Grund nachzudenken; das letztere zwar nicht zum Behuf der Kenntnis der Natur, oder jenes Urgrundes derselben, sondern vielmehr eben desselben praktischen Vernunftvermögens in uns, mit welchem wir die Ursache jener Zweckmäßigkeit in Analogie betrachteten.“ (KU, AA 05: 375).

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Kapitel I Problemstellung

muss gefragt werden, was beide Gebiete miteinander teilen. Was haben sie gemein? Meine Pointe ist, dass beide Gebiete der Vernunft (theoretisch und praktisch) miteinander teilen, nach dem Unbedingten, dem Übersinnlichen, zu streben und dies bildet gleichzeitig einen Zweck (oder Ziel) für beide Gebiete. Dieser nimmt nun verschiedene Gestalten an.

b Stimmung vs. Bestimmung Wie ich erwähnt habe, unterscheidet Kant das Erhabene in mathematisch und dynamisch aufgrund der zwei Stimmungen der Einbildungskraft. Was genau „Stimmung“ der Einbildungskraft bedeuten soll, ist jedoch unklar. Um Klarheit darüber zu gewinnen, behandle ich die Unterscheidung mathematisch-dynamisch in den nächsten Kapiteln. Im Gegensatz dazu ist es recht eindeutig, was Kant unter „Bestimmung“ versteht. Er bringt diesen Ausdruck immer in der Bedeutung, dass etwas eine wesentliche Eigenschaft von etwas ist, d. i. eine Konstitution. Die (mathematischen) Kategorien und Grundsätze des Verstandes z. B. sind bestimmend, weil sie nötig für die Konstitution der Objekte der Anschauung sind. Ein anderes Beispiel können wir in der Unterscheidung der bestimmenden und reflektierenden Urteilskraft finden. Die erste konstituiert die Objekte bzw. Handlungen mittels Gesetze des Verstandes oder der Vernunft, die letzte bezieht sich lediglich auf das Subjekt. Im Kontext des Erhabenen erscheint der Ausdruck „Bestimmung“, wenn Kant sich auf die Voraussetzung des Gefühls des Erhabenen oder, besser gesagt, auf die Ermöglichung des Wechsels von Unlust zur Lust beruft, nämlich auf die „Bestimmung des Menschen“; seine Moraldimension, seine Autonomie (Selbstbestimmung). Morphologisch verwandt sind zwei andere Ausdrücke, die im ästhetischen Kontext immer wieder vorkommen: „Übereinstimmung“ und „Zustimmung“. Der erste bezieht sich auf die Tätigkeit der Vermögen, um reine Lust zu erzeugen. Der letzte bezieht sich auf den Anspruch der Mitteilbarkeit des ästhetischen Urteils. Lyotard legt einen gewissen Wert auf den Wortstamm „Stimme“ (als Gemeinsinn) aller dieser Ausdrücke und betont diese morphologische Gemeinsamkeit, ohne etwas daraus zu schließen oder zu definieren, dennoch ist sie vorhanden: Dieser Ausdruck [eines Prinzips der allgemeinen Stimme als Voraussetzung des ästhetischen Urteils in §8 der KU; Ergänzung von P. Ó. A.] ist selten, wenn nicht einmalig im Text der dritten Kritik. Stimme (i. O. dt.) heißt noch ganz etwas anderes als französisch voix. Das deutsche Wort lässt sich sowohl an den Einklang der Stimmen, an Übereinstimmung denken als auch an die Atmosphäre im Gemüt (Stimmung, i. O. dt.) und an seine sich abzeichnende Determination (détermination, eigentlich auch ‚Bestimmung‘, dt. Ü.) als Bestimmung (destination). Der Ausdruck führt direkt zur Analyse des Gemeinsinns (i. O. dt.). In ihm stimmen

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die Stimmen des Verstandes und der Einbildungskraft überein, aber gerade ‚bevor‘ sie auf bestimmende Weise operieren, allein nach ihrer jeweiligen Disposition oder Stimmung: des einen zu begreifen, des anderen darzustellen. (Lyotard 1994, S. 28)

Jenseits einer morphologischen Familiarität zwischen den erwähnten Termini und unabhängig von allen ihren philologischen Leistungen, scheint es mir keinen Grund zu geben, diese weiter zu behandeln. Ich konzentriere mich dagegen auf den Ursprung der Unterscheidung mathematisch-dynamisch und darauf, was „Stimmung“ der Einbildungskraft in diesem Zusammenhang heißen soll.

c Subreption In diesem Abschnitt behandle ich den paradoxalen Charakter unserer menschlichen Natur aus der Perspektive der sogenannten „Subreption“. Obwohl Kant diesen Begriff nur selten verwendet, spielt die Subreption eine wichtige Rolle beim Verständnis der Aufgabe der kritischen Philosophie.⁴⁷ In der B-Auflage der ersten Kritik kommt der Begriff fünf Mal vor und in der A-Auflage nur zwei Mal.⁴⁸ In der Kritik der Urteilskraft erscheint der Begriff nur einmal, und zwar in Bezug auf das Erhabene. So wie die Vernunft in ihrem transzendentalen Gebrauch einen Hang (propensio) zum transzendentalen Schein hat, da sie „durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft“ (KrV, AVII), so führt auch die Erfahrung des ästhetischen Urteils des Erhabenen zu einem unvermeidlichen Schein, welchen ich als „ästhetischen Schein“ bezeichnen möchte. Wenn die Natur sich in ihrem Maximum, der Größe und der Macht nach, präsentiert und wir sie dadurch erhaben nennen, verfallen wir dem objektiven Schein der reflektierenden Urteilskraft. Das, was erhaben ist, ist aber nicht die Natur, sondern die Vernunft in uns: „[E]ine gewisse Subreption (Verwechslung einer Achtung für das Objekt statt der für die Idee der Menschheit in unserm Subjekte)“ (KU, AA 05: 257)

 Insofern die Kritik versucht, die Grenze und Weite des legitimen Gebrauchs aller Vermögen zu unterscheiden, ist die kritische Aufgabe eine, die alle Subreptionen aufdecken soll: „Denn nicht die Idee an sich selbst, sondern bloß ihr Gebrauch kann, entweder in Ansehung der gesamten möglichen Erfahrung überfliegend (transzendent) oder einheimisch (immanent) sein, […] und alle Fehler der Subreption sind jederzeit einen Mangel der Urteilskraft, niemals aber dem Verstande oder der Vernunft zuzuschreiben.“ (KrV, A 643/ B 671).  Vier von fünf Erwähnungen der B-Auflage erscheinen in der Transzendentalen Dialektik und einmal kommt der Begriff der Subreption in der Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihrer Beweise. In der A-Auflage erschien der Terminus zwei Mal in der Dialektik.

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Kapitel I Problemstellung

geschieht bei der Beurteilung des Erhabenen. Der subreptive Charakter des Urteils des Erhabenen ist ein zusätzlicher Grund, der seiner Entsprechung mit der Natur der Vernunft bestätigen kann. Eine Subreption geschieht im Erhabenen, so wie im epistemischen Transzendieren der Vernunft, insofern sie nichtkritisch vorgeht und versucht, Objekte zu bestimmen, welche aufgrund ihrer Nichtraumzeitlichkeit unbestimmt für sie bleiben. Nun wird das in der Natur gegebene Objekt als erhaben prädiziert, was aber nicht im Objekt zu finden ist, sondern nur im Subjekt. Sowohl das Schöne als auch das Erhabene besitzen einen reflexiv-subjektiven Charakter. Beim Fällen eines ästhetischen Urteils artikulieren wir, wie unser Gemütszustand angesichts des Objekts affiziert wird und attribuieren dem Objekt nichts aus der Perspektive der Erkenntnis desselben. Obwohl beide Urteile über den Gemütszustand des Subjekts Auskunft geben und keine objektiven Urteile sind, unterscheiden sie sich insofern, als dass die Form des Objekts beim Schönen immerhin eine Rolle spielt, beim Erhabenen hingegen nicht. Das Erhabene ist in „formlosen“ Objekten zu finden. All dies bedeutet zunächst, dass die Schönheit in der Form des Objekts liegt. In seinem objektiven Korrelat findet etwas statt, was das Spiel der Gemütskräfte zustande bringt. Das Gefühl der Lust verbindet sich mit der Darstellbarkeit des Objekts. Deshalb lädt das Objekt des Schönen einerseits zur Kontemplation ein, andererseits kann das Schöne als Werk des „Genies“ in der Kunst dargestellt werden. Für das Objekt des Erhabenen gilt weder das erstere noch das letztere. Mit der objektiven Undarstellbarkeit des Objekts beim Erhabenen wird Unlust verbunden. Die Lust ergibt sich erst nach der Überwindung der kognitiven Grenzerfahrung, wo die transzendentale Einheit der Apperzeption als Ganzheit der Vermögen vorgestellt wird,⁴⁹ indem die Ideen der Vernunft sich vorstellbar

 Jannis Pissis legt nach einer Stelle des Paralogismuskapitels (KrV, A 402) eine Interpretation vor, die in dieselbe Richtung wie meine Lektüre geht, nämlich die Idee der gesamten synthetischen Einheit der Apperzeption als die ganze Vernunft zu konzipieren. An dieser Stelle sagt Kant eindeutig, dass die transzendentale Apperzeption die Bedingung aller Einheit und selbst unbedingt ist: „Das transzendentale Selbstbewusstsein (Apperzeption) ist die Vorstellung eines Unbedingten. Der Begriff von diesem Unbedingten kann offenbar nur ein Vernunftbegriff sein, eine transzendentale Idee der ersten Klasse. Die unbedingte Einheit des denkenden Selbst kann natürlich, nach der Auflösung des Scheins, in der transzendentalen Dialektik nicht als gegenständlich gegeben verbürgt werden. Aus der Einheit der Apperzeption darf nicht auf eine einfache denkende Substanz geschlossen werden. Das denkende Ich erkennt ‚nicht sowohl sich selbst durch die Kategorien, sondern die Kategorien und durch sie alle Gegenstände in der absoluten Einheit der Apperzeption, mithin durch sich selbst‘. Nun kann ich ‚dasjenige, was ich voraussetzen muß, um überhaupt ein Objekt zu erkennen, nicht selbst als Objekt erkennen‘ (A 402; vgl. B 425). Das denkende Subjekt kann sich selbst nicht als hypostatisches Objekt erkennen. Alle Objekterkenntnis erfolgt nämlich durch die Kategorien. Das denkende Subjekt enthält aber selbst

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machen. Kant zufolge gibt es schöne Objekte der Natur; zwar hat das „SchönSein“ nichts mit Erkenntnis zu tun, es besitzt jedoch einen objektiven Status. Das Schöne ist darstellbar, das Erhabene nicht. Es gibt laut Kant schöne, aber nicht erhabene Kunst.⁵⁰ Das Schöne kann von jedem Subjekt in der Anschauungswelt gefunden werden und das „Genie“ kann es produzieren. Das Erhabene kann in der Natur nicht objektiv gefunden und auch nicht produziert werden. Warum? Weil es sich um eine Subreption handelt. Etwas „erhaben“ zu nennen, insofern das Erhabene das Übersinnliche betrifft, ist eine Subreption, weder ein Objekt der Kunst noch eines der Natur ist laut Kant erhaben.⁵¹ Die Subreption in der Beurteilung des Erhabenen gehört m. E. zu den wesentlichen Aspekten seiner Artikulation und hat die Abwesenheit einer Deduktion und einer Dialektik des Erhabenen zur Folge. Diverse Interpreten und Interpretinnen der kantischen Theorie des Erhabenen ignorieren diese Eigentümlichkeit oder relativieren ihre Wichtigkeit. Pries z. B. behauptet, dass die Subreption nicht nur mit dem Erhabenen korrespondiert, sondern mit allen reinen Urteilen der reflektierenden Urteilskraft, d. i. dem schönen und dem teleologischen Urteil: „Die ‚Subreption‘ im Erhabenen führt vor, wie die Urteilskraft in der dritten Kritik insgesamt arbeitet“ (Pries 1995, S. 86). Sie fügt an: Während im Schönen die harmonische Form der Vermögen der harmonischen Form der Naturgegenstände entspricht und die Subreption, die auch dem Schönen zugrunde liegt, unter der Hand vorgenommen werden kann, wird sie im Erhabenen, dadurch, daß die zweite Komponente des Unendlichen sich eben gerade nicht im Gegenstand, sondern nur im Subjekt findet, explizit. (Pries 1995, S. 89)

den Grund dieser Kategorien, und sein Selbstbewusstsein ist daher die Vorstellung eines Unbedingten, das vorausgesetzt werden muss. Dieses Unbedingte, den höchsten Punkt, an dem alles hängt, kann nur die Vernunft zum Gegentand haben. Sie hat damit sich selbst bzw. ihren Grund zum Gegenstand, daraus aber keine Erkenntnis. Der Vernunftbegriff von der absoluten Einheit des denkenden Subjekts als Totalität konstituiert kein Objekt. Der höchste Punkt selbst ist kein Gegenstand positiver Erkenntnis, sondern nur ein ‚Gegenstand in der Idee‘. Die Einheit des Verstandes bzw. der Vernunft ist nur ‚in der Idee‘ und nicht gegenständlich, überhaupt nicht positiv gegeben.“ (Pissis 2012, S. 82 f.).  Dieser Punkt ist dennoch kontrovers, denn es gibt architektonische Beispiele, wie etwa die Pyramiden und den Petersdom, die Kant im Kontext des mathematischen Erhabenen erwähnt. Höchstwahrscheinlich zählte für Kant die Architektur nicht zur darstellenden Kunst. Nur so können wir verstehen, warum er die Negation einer erhabenen Kunst kategorisch ablehnte, wobei er diese Beispiele doch hineinbringt. Sollte die Architektur auch zur Kunst gehören, dann liegt ein Widerspruch vor.  Andere Stellen, an denen Kant sagt, dass es inkorrekt ist, die Natur als Erhabene zu bezeichnen: KU, AA 05: 245 §23; KU, AA 05: 257 §25; AA 05: 264 §28 und AA 05: 280 §30.

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Kapitel I Problemstellung

Für Clewis (2009) ist die Subreption nur gelegentlich nötig (Clewis 2009, S. 72– 79). Er meint, dass sie zwar in der Erfahrung des Erhabenen häufig vorkommt, aber nicht notwendig für dieselbe ist, da es Beispiele gibt, wo sie nicht anwesend ist: „[A]lthough there may be some reasons to consider the subreption to be a necessary element of the sublime, there are better reasons for considering it to be a frequent but not necessary feature of the experience.“ (Clewis 2009, S. 72). Auf dieser Basis versucht er seine Pointe zu etablieren, dass es in der kantischen Analysis implizit noch eine dritte Art des Erhabenen gibt. Für Brady (2013) geschieht die Subreption hingegen notwendigerweise: „I will assume that it [the subreption; Ergänzung von P. Ó. A.] neccesarily occurs, and defend the role of the object in light of this more stringent interpretation.“ (Brady 2013, S. 70, Fn.4). Ich stimme Brady in diesem Punkt zu und halte den Weg von Clewis zwar für interessant, aber für nicht kantisch, da er eine ganz andere Deutung des Themas gibt und theoretische Aspekte mit phänomenologischen Aspekten vermischt: Another reason for my rejecting the claim that the subreption is a necessary part of the experience is that such a claim seems to limit the ability of the sublime to reveal human freedom to ordinary subjects who experience the sublime but have not read the third Critique. […] It is difficult to see how the sublime could reveal freedom if the subreption always obtains. (Clewis 2009, S.78)

Aus der Tatsache, dass Kant das Erhabene auf eine bestimmte Weise definierte, folgt nicht, dass aus diesem Grund alle Menschen, die die KU nicht lesen, kein authentisches Gefühl des Erhabenen haben, insofern sie sich der Subreption nicht bewusst sind. Diese Verwirrung ist aber nicht das einzige Problem von Clewis’ Deutung. Ein anderes ist, dass er versucht mittels dieser gelegentlichen Subreption seine Interpretation des „moral sublime“ zu etablieren. Clewis behauptet, dass geistige Zustände und Handlungen als erhaben bezeichnet werden können und Kants Theorie des Erhabenen diese Art des Erhabenen in seiner Einteilung fehlt. Laut Clewis hat Kant zwar jene impliziert, aber nicht richtig vom dynamischen Erhabenen differenziert. An anderer Stelle habe ich ausführlich dagegen argumentiert (Órdenes Azúa 2017, S. 185 – 195), nun kann ich kurz zusammenfassen, dass die ästhetische Beurteilung erstens nur Objekte und nicht Handlungen betrifft, zweitens, dass es, kantisch gesprochen, nicht möglich ist, eine externe Erfahrung oder Offenbarung der Freiheit zu haben, was Clewis am Ende mit seinem moralischen Erhabenen vertreten will, und drittens, dass die Vermischung von den analytisch-theoretischen Aspekten der Theorie des Erhabenen mit der tatsächlichen Erfahrung desselben schlicht und einfach eine methodische Verwirrung ist. Den Abschnitt über die Subreption beende ich, indem ich die Motive ihrer Wichtigkeit in Bezug auf die Abwesenheit der Deduktion und Dialektik des Er-

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habenen darlege. Die Ergebnisse fasse ich wie folgt zusammen: Warum gibt es keine Deduktion des Erhabenen? Weil das Erhabene in formlosen Objekten liegen kann und es keine erhabene Kunst gibt. Gibt es eine Antinomie des Erhabenen so wie eine des Schönen? Nein, auch nicht, im Erhabenen gibt es keine Dialektik. Warum gibt es keine Dialektik? Aufgrund der Subreption haben wir es im Fall des Erhabenen mit etwas zu tun, das nicht objektiviert werden kann. Wenn etwas nicht objektiviert werden kann, kann es auch nicht dargestellt werden. Dies heißt im Bereich der Ästhetik, dass etwas Erhabenes nicht produziert werden kann, d. i. es gibt keine Kunst des Erhabenen. Laut Kant, obwohl er architektonische Beispiele im Kontext des mathematischen Erhabenen anführt, kann die Kunst keine erhabenen Werke hervorbringen. Im Gegensatz dazu gibt es eine Antinomie des Geschmacksurteils, deren Frage lautet, ob das Schöne einen Begriff hat oder nicht. Woher kommt das Bedürfnis einer solchen Antinomie? Es kommt daher, dass die Schönheit in der Form der Objekte zu finden ist. Daraus ergeben sich zwei Folgen: 1. Kant sagt, es gebe Objekte, die als schön bezeichnet werden können, d. i. in der objektiven Welt gibt es Erscheinungen, die wir „schön“ nennen. Und „mit großer Zustimmung“ sind wir zu diesem Urteil berechtigt, da die Form dieser Objekte das harmonische Spiel zwischen Verstand und Einbildungskraft verursacht. 2. Da die Schönheit objektivierbar ist, gibt es Produkte der Kunst, die schön genannt werden. Ist der Künstler dazu fähig, schöne Werke zu produzieren, soll es somit einen Begriff (eine Regel) oder eine Technik für diese Kunstproduktion geben. Diese Annahme wird von Kant mit seiner Theorie des Genies verneint. Das Genie als Produzent der schönen Kunst handelt frei und nicht nach bestimmten Regeln, welche laut Kant keine schöne Kunst, sondern bloß mechanische erzeugen. Seine künstlerische Freiheit wird in einer für das Genie unbekannten Regel der Natur dargestellt. Die Kunst ist für Kant schön, insofern sie Natur zu sein scheint. Gäbe es keine schöne Kunst, gäbe es meiner Meinung nach kein Bedürfnis einer Antinomie des Geschmacksurteils. Gäbe es keine Objekte der Natur, die trotz ihrer Begrifflosigkeit (in ästhetischer Deutung) schön genannt würden, gäbe es keine schöne Kunst. Hätte das Schöne den subreptiven Charakter des Erhabenen, gäbe es keine Deduktion und keine Dialektik des Geschmacksurteils. Aufgrund der Subreption in der Beurteilung des Erhabenen gibt es weder eine Deduktion noch eine Dialektik des auch so genannten Geistesgefühls.

Kapitel II Synthese in den ästhetischen Urteilen des Erhabenen Im vorliegenden Kapitel werde ich mich mit dem Begriff der Synthesis innerhalb der Urteile des Erhabenen beschäftigen. Dafür werde ich mich erstens auf die Bedeutung der Synthese in der Kritik der reinen Vernunft und zweitens auf die zwei möglichen Arten der Synthese oder Verbindung (conjunctio) des Mannigfaltigen der Erfahrung konzentrieren, nämlich: die gleichartige (homogene) Synthese durch Zusammensetzung (compositio) und die ungleichartige (heterogene) Synthese durch Verknüpfung (nexus).¹ Aus dieser Urteilsdichotomie der KrV ergibt sich die Unterscheidung zwischen den mathematischen und den dynamischen Urteilen. Diese Dichotomie gilt sowohl für die Kategorien als auch für die Grundsätze des reinen Verstandes.Wenn es sich in der kantischen Philosophie um ein System handelt, sollte die Einteilung des Erhabenen (mathematisch und dynamisch) auf die allgemeine synthetische Einteilung der Urteile zurückgeführt werden können. Um dies aufzuzeigen, ist es nötig, drei Aspekte der Synthese der Urteile in Betracht zu ziehen: Erstens stellt sich die Frage, worin die allgemeine, beurteilende Synthese besteht. Zweitens, in welchen Merkmalen sich die mathematische und die dynamische Synthese unterscheiden. Drittens, wie diese Merkmale sich bei der Beurteilung des Erhabenen rekognoszieren/identifizieren lassen.

1 Einführung zur Synthese Da die Beurteilung des Erhabenen die Einbildungskraft und die Vernunft betreffen, stellt sich die Frage, warum die Distinktion der Begriffe und der Grundsätze des Verstandes für das Verständnis über die Einteilung des Erhabenen (mathe-

 „Allein die Verbindung (conjunctio) eines Mannigfaltigen überhaupt, kann niemals durch Sinne in uns kommen. Und kann also auch nicht in der reinen Form der sinnlichen Anschauung zugleich mit enthalten sein; denn sie ist ein Actus der Spontaneität der Vorstellungskraft, und, da man diese, zum Unterschiede von der Sinnlichkeit,Verstand nennen muss, so ist alle Verbindung […] eine Verstandeshandlung, die wir mit der allgemeinen Benennung Synthese belegen würden, um dadurch zugleich bemerklich zu machen, dass wir uns nichts, als im Objekt verbunden, vorstellen können, ohne es vorher selbst verbunden zu haben, und unter allen Vorstellungen die Verbindung die einzige ist, die nicht durch Objekte gegeben, sondern nur vom Subjekte selbst verrichtet werden kann, weil sie ein Actus seiner Selbsttätigkeit ist.“ (KrV, B 130). https://doi.org/10.1515/9783110979916-005

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matisch-dynamisch) wichtig ist. Eine solche Frage scheint zumindest in ihrem Strukturanspruch gerechtfertigt zu sein, weil die Vernunft beim Erhabenen das Vermögen ist, das mit der Einbildungskraft interagiert – nicht der Verstand wie beim Schönen. Nichtsdestoweniger gilt es, Folgendes nicht zu vergessen: 1. Die Transzendentale Analytik der KrV ist eine Logik der Wahrheit,² d. i. ein Kanon des objektiv gültigen Gebrauchs des Verstandes und der Urteilskraft.³ Dieser Kanon steht dementsprechend für jeden Gebrauch dieses Vermögens in Bezug auf Objekte der möglichen Erfahrung. Demzufolge ermöglicht er eine tatsächliche Erfahrung wie die beim Gefühl des Erhabenen. 2. Der Verstand ist das Vermögen der Begriffe und die Urteilskraft das Vermögen der Urteile. Beide gehören zum Vermögen des Denkens überhaupt (KrV, B 94). Die Urteile basieren auf Begriffen. Somit setzt das Erhabene als ästhetisches Urteil immer die Vermittlung des Gebrauchs des Verstandes und der Urteilskraft voraus, genauso wie jedes Urteil das Intervenieren dieser Vermögen in seiner Formulierung benötigt. Aber diese notwendige Vermittlung beim Denken ist nichts anderes als der Prozess des Urteilens überhaupt, dessen reflexive (ästhetische) Artikulierung nur nach dem Intervenieren der Vernunft den Fall der Beurteilung des Erhabenen abschließen kann.⁴ 3. Die Tatsache, dass die Vernunft die Protagonistin in der reflexiven Artikulierung des Gefühls des Erhabenen darstellt und nicht der Verstand, hängt von folgenden Faktoren ab: einerseits von den unterschiedlichen Bedingungen des Handelns eines jeden Vermögens in der reflexiv-kognitiven Tätigkeit des Subjekts und andererseits von der Eigentümlichkeit des subreptiv für erhaben gehaltenen Objekts. Zum Handeln benötigt der Verstand „eine“ Anschauung; ohne sie bleibt die Möglichkeit begrifflicher Anwendung verwehrt, selbst bei der ästhetischen Artikulierung. Eine solche Voraussetzung erfüllt das vom Erhabenen hervorgerufene Objekt nicht – jedoch das des

 „Der Teil der transzendentalen Logik also, der die Elemente der reinen Verstandeserkenntnis vorträgt, und die Prinzipien, ohne welche überall kein Gegenstand gedacht werden kann, ist die transzendentale Analytik, und zugleich eine Logik der Wahrheit. Denn ihr kann keine Erkenntnis widersprechen, ohne dass sie zugleich allen Inhalt verlöre, d. i. alle Beziehung auf irgend ein Objekt, mithin alle Wahrheit.“ (KrV, A 63/ B 171). Ohne die Prinzipien des Verstandes kann kein Objekt gedacht werden.  „Verstand und Urteilskraft haben demnach ihren Kanon des objektiv gültigen, mithin wahren Gebrauchs, in der transzendentalen Logik, und gehören also in ihren analytischen Teil.“ (KrV, A 131/ B 170).  Ich verstehe unter „reflexiver Artikulierung“ die ästhetische Beurteilung eines Gegenstandes, dessen Bestimmung nur subjektiv und nicht objektiv ist, d. h. welche über das Gefühl der Lust oder Unlust vom Gemütszustand des Subjekts berichtet. In einem Wort ist die reflexive Artikulierung als „Gemütsbestimmung“ zu verstehen.

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4.

Kapitel II Synthese in den ästhetischen Urteilen des Erhabenen

Schönen. Die Form des Objekts des Schönen ermöglicht, dass die Einbildungskraft ihre Tätigkeit (Auffassung und Zusammensetzung des Mannigfaltigen) erfüllen kann. Durch die erfolgreiche Tätigkeit der Einbildungskraft entsteht eine sinnliche, einheitliche Vorstellung: eine Anschauung. Diese erlaubt den Beginn des „freien Spiels“ zwischen der Einbildungskraft und dem Verstand. In diesem Fall werden die Bedingungen der Erkenntnis überhaupt (Anschauung und Begriff) erfüllt. Deswegen ist es nicht nötig, sich bei der Vollendung der reflexiven Artikulierung des Urteils der Schönheit an ein anderes Erkenntnisvermögen zu wenden. Im Gegensatz dazu kommt dem Objekt, das zur ästhetischen Reflexion des Erhabenen einlädt, keine der nötigen Bedingungen für die Auffassung und Zusammensetzung seiner Mannigfaltigkeit zu, sodass die Einbildungskraft unfähig ist, dieses Objekt zu einer einzigen sinnlichen Vorstellung (Anschauung) zu bringen. Diese Eigentümlichkeit des Objekts ist genau das, was nach einem Intervenieren der Vernunft verlangt. Die Ausübung der Vernunft richtet sich sowohl in ihrem theoretischen (regulativ) als auch in ihrem praktischen Gebrauch (konstitutiv) nach dem Unbedingten (Übersinnlichen), d. h. nach allem, was über die Erscheinungsbestimmungen hinausgeht. Infolgedessen lässt sich durch die Ideen der Vernunft – die ohne alle möglichen Anschauungen auskommen müssen und deshalb als einzige fähig sind, das Unangemessene der Sinnlichkeit zu synthetisieren – das ästhetische Urteil des Erhabenen reflexiv „bestimmen“. Mit der Vorstellung der Ideen der Vernunft vollendet sich das ästhetische Vorhaben des Erhabenen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Erhabene als Urteil eines aus der Erfahrung stammenden Objekts die allgemeinen Bedingungen des Urteils (Begriffe und Grundsätze des Verstandes) für seine Formulierung benötigt, aber seine Beschaffenheit erschöpft sich nicht in den Bedingungen des Denkens überhaupt, sondern sie fordert (aufgrund der Unfähigkeit der Sinnlichkeit bzw. Einbildungskraft) das Intervenieren – und damit die sinnliche Enthüllung – der Vernunft.

a Das Wesen der urteilenden Synthese In §10 der KrV definiert Kant die Synthese in der allgemeinsten Bedeutung als „die Handlung, verschiedene Vorstellungen zu einander hinzuzutun, und ihre Mannigfaltigkeit in einer Erkenntnis zu begreifen“ (KrV, A 77/ B 103). Obwohl das ästhetische Urteil kein Erkenntnisurteil ist, wird es von der Struktur aller Urteile bedingt, solange es sich um ein Urteil handelt. Von einer systematischen Lesart der kritischen Philosophie wird angenommen, dass die transzendentale Struktur

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des Urteils für die ganze Vorstellungstätigkeit des Subjekts gelten soll. Von dieser Annahme ausgehend werde ich die KrV in Betracht ziehen, um das Urteil des Erhabenen zu erläutern. Wenn man die obenstehende Definition (KrV, A 77/ B 103) analysiert und interpretiert, kann man daraus das Folgende schließen: 1. Jede Synthese ist immer eine Handlung. 2. Diese Handlung besteht darin, verschiedene Vorstellungen zu einer einzigen zu machen. 3. Die Mannigfaltigkeit wird durch diese Handlung in eine Erkenntnis verwandelt. 4. Eine Erkenntnis (in diesem Fall) ist ein Urteil. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Synthese die Handlung ist, die verschiedene Vorstellungen zu einer gemeinsamen verbindet, deren Endprodukt ein Urteil ist. Außerdem muss beachtet werden, dass der Begriff der Synthese in der kantischen Nomenklatur keine Eindeutigkeit hat, da seine Bedeutung von der Betrachtungsperspektive abhängt: Entweder wird die Synthese aus der Perspektive des Synthetisierenden (das synthetisierende Vermögen) oder aus der des Synthetisierten (das verbundene Mannigfaltige) definiert. Aber es handelt sich auf jeden Fall um eine Handlung, deren Funktion als „die Mannigfaltigkeit verbinden“ definiert wird: Alle Anschauungen, als sinnlich, beruhen auf Affektionen, die Begriffe also auf Funktionen. Ich verstehe unter Funktion die Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen. Begriffe gründen sich also auf die Spontaneität des Denkens, wie sinnliche Anschauungen auf der Rezeptivität der Eindrücke. (KrV, A 68/ B 93)

Das Relevante aus diesem Zitat ist die Betonung der systematischen Leistung von den gegenteiligen Termini „Funktion/Spontaneität“ seitens des Verstandes und „Affektion/Rezeptivität“ seitens der Sinnlichkeit, deren Beziehung laut der KrV von Interdependenz und gegenseitiger Irreduzibilität die mögliche empirische Erkenntnis von Objekten (als Erscheinungen) limitiert, aber auch garantiert.⁵ „[V]erschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen“ (KrV, A 77/ B 103), würde jedoch auch bedeuten, ein allgemeines Merkmal bei den Vor-

 „Wir können uns keinen Gegenstand denken, ohne durch Kategorien; wir können keinen gedachten Gegenstand erkennen, ohne durch Anschauungen, die jenen Begriffen entsprechen. Nun sind alle unsere Anschauungen sinnlich, und diese Erkenntnis, sofern der Gegenstand derselben gegeben ist, ist empirisch. Empirische Erkenntnis aber ist Erfahrung.“ (KrV, B 166).

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stellungen zu identifizieren und von den anderen nicht „gemeinschaftlichen“ Merkmalen zu abstrahieren, damit eine Synthese stattfinden kann. Damit es überhaupt verschiedene Vorstellungen geben kann, wird Folgendes vorausgesetzt: Erstens, dass es Vorstellungen gibt und zweitens, dass die einen von den anderen differenziert werden können (allgemeine Voraussetzung für Vielheit). Die Abgrenzung einer Vorstellung von irgendeiner anderen wird verlangt.⁶ Aber wie geschieht das? Erfolgt diese Abgrenzung bloß auf der rein sinnlichen Ebene? Diesbezüglich scheint nicht eindeutig zu sein, inwiefern die Rede von „verschiedenen Vorstellungen“ vor dem „Stattfinden“ einer Synthese erlaubt sein könnte. Wie wäre es möglich, vor der synthetischen Handlung als Vereinigung einer Mannigfaltigkeit eine sinnliche (noch nicht begriffliche, da die Synthese noch vollzogen werden muss) von einer anderen (gleichartigen – sogar identischen oder ungleichartigen) Vorstellung zu unterscheiden? Vor allem, wenn man darin noch die kantische Kritik an der erkenntnisstufigen Hierarchisierung der Vorstellungsarten seitens des Rationalismus miteinbezieht,⁷ indem „die Sinne nicht irren, aber nicht darum, weil sie jederzeit richtig urteilen, sondern weil sie gar nicht urteilen“ (KrV, A 293/ B 350). Wie kann man ohne Urteil sinnliche Vorstellungen voneinander differenzieren, damit es verschiedene geben kann? Hinsichtlich dieses Punktes scheint es mir, dass genauso wie beim Verstand die Vereinigungsfunktion als Bezeichnung seiner Eigentümlichkeit behauptet wird, bei der Sinnlichkeit die Mannigfaltigkeitsrezeption als wesentliche Eigenschaft derselben bestimmt wird. Es ist einfach eine Annahme, dass das Mannigfaltige namens „verschiedene Vorstellungen“ durch die Sinnlichkeit gegeben ist.⁸ Nichtsdestoweniger bleibt es rätselhaft, ob es überhaupt legitim ist, von verschiedenen „Vorstellungen“ zu reden, wenn keine Synthese, die prima facie eine notwendige Funktion für eine einheitliche Vorstellung wäre, realisiert wird.

 „[W]eil das, was begrenzt, von dem, was dadurch begrenzt wird, unterschieden sein muss.“ (KrV, A 515/ B 543).  Die Kritik Kants bezieht sich auf diese allgemeine rationalistische Idee, dass die Sinnlichkeit irrt, aber der Verstand nicht.  Allison erkennt auch den angenommenen Charakter der Eigentümlichkeit von Sinnlichkeit und Verstand in ihrer gegenseitigen Nichtableitbarkeit für Erkenntnis: „I argued in the first part of this book that Kant′s idealism, as an idealism of epistemic conditions, is inseparable from his analysis of the discursive nature of human cognition. I further suggested that this analyses is based on the three bedrock epistemological assumptions: (1) that cognition of any kind requires that an object somehow be given (this applies even to the problematic intellectual or archetypal intuition); (2) that since a finite mind like ours is receptive rather than creative, its intuition must be sensible, resting on affection by objects; and (3) that sensible intuition, of itself, is insufficient to yield cognition of objects and requires the cooperation of the spontaneity of the understanding.“ (Allison 2004, S. 77).

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Wenn Qualität und Quantität bei der inneren Bestimmung eines Dinges übereinstimmen, spricht man über ein- und dasselbe Objekt (numera identica), d. i. eine Einheit. Wie entsteht dann Vielheit? Eine schnelle Antwort wäre: Vielheit entsteht, wenn vor allem Qualität, aber auch Quantität eines (oder mehrerer) Dinge/-s nicht übereinstimmen. Wenn es einfach so wäre, wie könnte man zwei identische Dinge voneinander differenzieren? Kants Antwort lautet: Es „ist doch die Verschiedenheit der Örter dieser Erscheinung zu gleicher Zeit ein genugsamer Grund der numerischen Verschiedenheit des Gegenstandes (der Sinne) selbst“ (KrV, A 263/ B 320).⁹ Also ist in Raum und Zeit eine vor-urteilshafte Strukturierung (Formierung) der Erscheinungen notwendig, damit ein Vorstellungsmaterial zur kategorialen Synthese vorgelegt werden kann. Ob bei der Sinnlichkeit die Rede von einer Synthese ist oder nicht, bleibt erstmal unklar. Um der Komplexität dieses Punkts gerecht zu werden, wird im Folgenden die synthetische Handlung thematisiert. Ob es sich um eine oder mehrere Handlungsarten handelt, lässt sich noch im Laufe des Kapitels entscheiden.

b Synthese als Handlung Allein die Spontaneität unseres Denkens erfordert es, dass dieses Mannigfaltige zuerst auf gewisse Weise durchgegangen, aufgenommen und verbunden werde, um daraus eine Erkenntnis zu machen. Diese Handlung nenne ich Synthese. (KrV, A 77/ B 103) Die Spontaneität unseres Denkens verlangt, dass die Durchführung einer Vereinigung auf irgendeine Weise stattfindet, damit dieses Mannigfaltige „etwas“ für „ein“ Bewusstsein sein kann.¹⁰ Um diese Handlung von Durchgehen, Aufnehmen und Verbinden zu verstehen, wird es von Bedeutung sein, die Synthese in Bezug auf das Synthetisierte (was synthetisiert wird – Vorstellungen a priori oder a posteriori –) und in Bezug auf den Ausführenden (von wem synthetisiert wird)  „So kann man bei zwei Tropfen Wasser von aller innern Verschiedenheit (der Qualität und Quantität) völlig abstrahieren, und es ist genug, daß sie in verschiedenen Örtern zugleich angeschaut werden, um sie für numerisch verschieden zu halten.“ (KrV, A 263/ B 320).  „[D]er Begriff der Verbindung führt außer dem Begriffe des Mannigfaltigen, und der Synthese desselben, noch den der Einheit derselben bei sich. Verbindung ist Vorstellung der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen. Die Vorstellung dieser Einheit kann also nicht aus der Verbindung entstehen, sie macht vielmehr dadurch, daß sie zur Vorstellung des Mannigfaltigen hinzukommt, den Begriff der Verbindung allererst möglich.“ (KrV, B 131). Es handelt sich dabei nicht um die Kategorie der Einheit, welche schon Verbindung wie alle anderen Kategorien voraussetzt, sondern um den Grund der Einheit der Kategorien selbst, „mithin der Möglichkeit des Verstandes“ (KrV, B 131.), d. i. die transzendentale Einheit der Apperzeption (oder des Selbstbewusstseins).

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zu thematisieren. Der erste Aspekt hat mit dem verbundenen Material, dem Vorgestellten, auch abgesehen von seiner Herkunft (objektiv oder subjektiv) zu tun. Der zweite Aspekt betrifft die synthetisierenden, transzendentalen Vorstellungskräfte (Einbildungskraft, Verstand, Urteilskraft oder Vernunft). Beide Gesichtspunkte bestimmen die Art der Synthese, die ausgeführt wird, und bestimmen somit die Art des Urteils (rein oder empirisch/konstitutiv oder regulativ/bestimmend oder reflektierend), dessen Bezeichnung im Prinzip von der Teilnahme eines dieser Vermögen abgeleitet werden kann. Demgemäß wird in diesem Teil des Kapitels gefragt, woraus die Synthese besteht und wer sie realisiert. Da es um keine durch die Willkür des Subjekts, sondern nur um eine durch die Spontaneität des Denkvermögens bestimmte Handlung geht, müssen die Bedingungen und Werkzeuge dieses Vermögens zum Handeln untersucht werden. Um die Beziehung zwischen dem synthetisierenden Vermögen und dem Synthetisierten zu begreifen, gilt es zunächst, die synthetisierenden Vorstellungskräfte von denen abzugrenzen, die dies nicht können. Dafür wird ein Unterscheidungsmerkmal benötigt, um aktives von passivem Vermögen zu differenzieren. Ein solches Merkmal wird die von den Vorstellungskräften produzierte Vorstellungsart, mittelbar oder unmittelbar, in Bezug auf ein Objekt sein.

c Vorstellung und ein Vorstellungsmerkmal für die Bestimmung der Vermögensart Bevor die Art der Vorstellungen bestimmt werden kann, muss zuallererst thematisiert werden, was eine Vorstellung ist und was sie für die kritische Philosophie bedeutet. Im Deutschen wird als „Vorstellung“ die lateinische Vokabel repraesentatio von Ch. Wolff eingeführt (Sandkühler 1999, S. 1702). Repraesentare heißt so viel wie emphatisch etwas „vor Augen stellen“, „vergegenwärtigen“, „nachahmen“, „vorstellen“, usw. Die Rede von „klaren“, „verworrenen“ und „dunklen“, oder „einfachen“ und „komplexen“ Vorstellungen führt auf die vorkantische Philosophie zurück. Damit beschäftigten sich Descartes, Leibniz, Wolff, Spinoza, Locke, Berkeley und Hume intensiv und die Folgen aus ihrer entsprechenden Deutung der Vokabel haben zum Teil ihre philosophische Ansicht und Richtung bestimmt. Ob das Vorgestellte dem Objekt selbst entspreche oder wie der Vorstellende es subjektiv wahrnehmen könne oder es gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun habe und es bloß ein geistiges Konstrukt sei, waren vereinfacht gesagt die damaligen Überlegungen zum jeweils vertretenen Realismus (Sandkühler 1999, S. 1702 ff.). Laut Bondeli schließt sich Kant „an damalige Lehrbücher der wolffschen Philosophie an, in welchen ‚Vorstellung‘ (lat. perceptio, repraesentatio, idea, notio) als Oberbegriff für die Wirkungen und Modifikationen des

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vorstellenden Subjekts oder Seelenvermögens fungiert“ (Bondeli 2015, S. 2565). Kant deutet diesen vorkritischen Begriff in seiner Stufenleiter ein wenig um und definiert Vorstellung als die Gattung, worunter alle möglichen Bewusstseinsformen stehen. Die Gattung ist Vorstellung überhaupt (repraesentatio). Unter ihr steht die Vorstellung mit Bewusstsein (perceptio). Eine Perzeption, die sich lediglich auf das Subjekt, als die Modifikation seines Zustandes bezieht, ist Empfindung (sensatio), eine objektive Perzeption ist Erkenntnis (cognitio). Diese ist entweder Anschauung oder Begriff (intuitus vel conceptus). Jene bezieht sich unmittelbar auf den Gegenstand und ist einzeln; dieser mittelbar, vermittelst eines Merkmals, was mehreren Dingen gemein sein kann. (KrV, A 320/ B 377)

Bewusste Vorstellungen sind Perzeptionen, von denen es subjektive und objektive gibt.Von Vorstellungen ohne Bewusstsein wissen wir nichts, aber wir wissen, dass sie zumindest nicht von Bedeutung für den kognitiven Apparat sind. Die subjektiven Perzeptionen sind für dieses Vorhaben zunächst nicht relevant und werden erst bedeutsam bei der Frage, ob reine ästhetische Gefühle wie das Schöne und das Erhabene zu ihnen gezählt werden können.¹¹ Die Objektive Perzeption als Erkenntnis, worunter entweder Anschauung oder Begriff fallen, ist eine starke Behauptung, die nicht problemlos aufgestellt werden kann. Denn nun scheint es so, als ob es separat möglich wäre, einerseits Erkenntnis aus der Anschauung, anderseits aus dem Begriff heraus zu erlangen.¹² Aber so eine starke

 In Kapitel III kommt die Frage auf, was ein Gefühl ist und inwiefern es ein Reines (ohne Empfindung als Bestimmungsgrund) wie das Erhabene geben kann.  Dieser Punkt ist sehr kontrovers und befindet sich im Rahmen der erkenntnistheoretischen Problematik von Konzeptualismus (McDowell 1994 u. a.), Kohärentismus (Davidson 1974) und Non-Konzeptualismus (Hanna 2001 und 2008). Es geht um die Frage, ob es überhaupt Anschauungen gibt, die nur sinnlich bedingt sind und von konzeptuellen Inhalten komplett abstrahiert werden können oder eben nicht. Innerhalb dieses Problems ergibt sich eine vierte „raffinierte Position“, die von Grüne vertreten worden ist. Sie argumentiert, „dass es möglich ist, Gegenstände anzuschauen, auch wenn man – in einem Sinne, der noch näher zu bestimmen sein wird – nicht über Begriffe verfügt. Kant lässt meines Erachtens somit zu, dass wir Anschauungen besitzen, die in einem gewissen Sinne nicht mit Begriffen verbunden, und das heißt, in einem gewissen Sinne blind sind.“ (Grüne 2009, S. 18). Für mich löst sich dieses Problem auf, indem man die Rede auf die bewussten Perzeptionen einschränkt: Eine blinde Anschauung ist eine unbewusste Vorstellung. Ohne irgendeinen Bezug auf ein Bewusstsein bedeutet sie nichts für unsere Erkenntnisansprüche. Jedoch finde ich die Arbeit von Grüne sehr hilfreich, um die verschiedenen Positionen dieser Debatte zu verstehen. Sie trennt die Interpretationspositionen in drei, von den oben erwähnten leicht abweichende, Kategorien: Die Konzeptualisten teilt sie in zwei Unterkategorien, die Urteilstheoretischen (McDowell, Allison, Ginsborg, Pippin, Strawson, Abela u. a.) und die Nicht-urteilstheoretischen (Haag, Longuenesse und Sellars) und benennt davon unter-

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und in vielerlei dem kritischen Vorhaben widersprechende Aussage darf nicht vorschnell wörtlich genommen werden. Hingegen würde ich die Konjunktion nicht disjunktiv, sondern additiv betrachten.¹³ Wenn es wirklich disjunktiv gemeint wäre, würde das ganze Programm der Interdependenz von Verstand und Sinnlichkeit zur Erlangung der objektiven Erkenntnis komplett in Frage gestellt werden, was unhaltbar wäre. Bondeli in seinem Eintrag über „Vorstellung“ im Kant-Lexikon nimmt überhaupt keinen Bezug auf diesen disjunktiven Aspekt der Vorstellungen zur Erkenntnis und greift das Disjunktive bloß in Bezug auf die Erkenntnisart und nicht auf die Vorstellungsart auf, d.i. einzelne und allgemeine Erkenntnis: Hinsichtlich dieser Einteilung des Vorstellungsbegriffs ist zu beachten, dass Kant bei der Unterteilung der Erkenntnis in einzelne und allgemeine bzw. in ‚Anschauung oder Begriff“ (intuitus vel conceptus)‘ (KrV, A 320/ B 377) auf die Unterscheidung von unmittelbarem oder mittelbarem Gegenstandsbezug hinweist. (Bondeli 2015, S. 2567)

Das bedeutet, wenn es eine Vorstellung gibt, die sich direkt auf ein Objekt bezieht und das letztere die erstere in ihrer inhaltlichen Möglichkeit bedingt, dann handelt es sich nicht um eine Spontanhandlung des Gemüts, sondern um eine bloße rezeptive Affektion, d.i. eine Anschauung. Einzelne „Erkenntnisse“ sind dann rezeptive Vorstellungen. Somit entsteht eine unmittelbare Vorstellung aus einem empfangenden Vermögen, da ihr Inhalt von einem objektiv gegebenen Korrelat abhängt und nicht von derselben Vorstellungskraft erzeugt wird (obwohl jene von dieser doch geformt wird). Im Gegensatz dazu handelt es sich um eine mittelbare, von der Spontaneität des Gemüts produzierte Vorstellung, wenn diese sich indirekt auf ein Objekt bezieht. Aber wie bezieht sich diese Vorstellung auf das Objekt? Kants Antwort lautet: „vermittelst eines Merkmals, was mehreren Dingen gemein sein kann“ (KrV, A 320/ B 377). Diese Antwort setzt aber zumindest zwei Tätigkeiten voraus: erstens, dass das Subjekt sich in Ausübung einer Identifizierungsfähigkeit von bereits erworbenen Merkmalen befindet, und zweitens, dass das Subjekt sich in Ausübung einer Abstrahierungsfähigkeit von den nicht gemeinsamen Merkmalen befindet.¹⁴ Worauf beruht diese doppelte Tätigkeit? Laut scheidend die Nonkonzeptualisten (Allais, Hanna, Rohs, Waxman u. a.). Für Details siehe Grüne (2009, S. 103 – 148). Für eine Aktualisierung der Debatte siehe Schulting (2016).  Im Deutschen ist „entweder… oder“ eine klare disjunktive Konjunktion. Im Lateinischen, „intuitus vel conceptus“ hingegen, kann die Konjunktion „vel“ auf den additiven Charakter einer „und“-Konjunktion verweisen.  Was Kant in der ersten Kritik unter Merkmalen versteht, ist nicht eindeutig. Aber Merkmale bezeichnet er in einigen Reflexionen und in der Jäsche-Logik als Teile (Eigenschaften oder Inhalt) einer Vorstellung und sogar als Vorstellung selbst. Insofern verfügt das Subjekt über intuitive und

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Kant beruht sie auf „d[er] ursprünglich-synthetische[n] Einheit der Apperzeption“ (KrV, B 131). Die Einheit der Apperzeption ist das reine Selbstbewusstsein, welche als analytische Einheit numerisch identisch mit sich selbst ist, sich von der fließenden Vorstellungsströmung absondert und „immer stabil“ und „unverändert“ bleibt. Als synthetische Einheit ist sie einerseits die erzeugende Quelle aller reiner Verstandesregeln und Verstandesgrundsätze, und anderseits die synthetisierende Kraft, welche das Mannigfaltige zu einem Bewusstsein bringt (KrV, B 133).¹⁵ Was heißt mittelbare Vorstellung? Sie ist eine indirekte Vorstellung vom Objekt, d.i. eine Vorstellung, welche eine Vermittlungsinstanz benötigt, damit sie sich auf das Objekt beziehen kann, wo ein „Übergang“ zwischen den Punkten A (direkte Vorstellung oder Affektion) und B (indirekte Vorstellung (Kategorie)) diese Beziehung ermöglicht. Welcher wäre dann dieser Übergang? Das transzendentale Schema, d. h. das Resultat der figürlichen Synthesis. Also ist es die synthetische Leistung, die den Zugang vom Subjekt zum Objekt ermöglicht. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Termini Spontaneität, Handlung und Synthetisieren einander entsprechen. Dementsprechend können nur die Vorstellungskräfte, deren Vorstellungen nicht unmittelbar sind, synthetisieren. Daraus folgt, dass die Sinnlichkeit das erste Vermögen ist, das von der Durchsuchung der Arten des aktiven Vermögens ausgeschlossen werden kann. Aufgrund ihres rein rezeptiven Charakters sind ihre Anschauungen nur unmittelbare (direkte) Vorstellungen, wodurch das Gemüt passiv affiziert wird, entweder a priori – durch das rein Mannigfaltige vom inneren Sinn (Zeit) oder vom

diskursive Merkmale, welche die Erkenntnisgründe eines Objekts bilden (Siehe dazu Log, AA 09: 58 und die Reflexionen in Refl, AA 16: 297 und 301). Daraus ergeben sich mehrere Probleme, u. a.: Inwiefern kann das intuitive Merkmal von „blau“ an einer Vorstellung von seinem diskursiven differenziert werden? Darüber hinaus kommt die Frage auf, ob eine Vorstellung als Ganzes wie ein Konglomerat von Vorstellungen verstanden werden soll oder eben nicht. Wenn es um Vorstellungen geht, die Gegenstandsbezug haben, lässt sich die Vorstellung eines Gegenstandes leicht als ein Konglomerat von Merkmalen auffassen. Was aber ist, wenn die Rede von einfachen sinnlichen (reinen oder empirischen) Vorstellungen ist: Anschauungen und sogar Empfindungen? Grüne versteht Merkmale als Inhalt sowohl von Begriffen als auch von Anschauungen.Wenn Anschauungen als einzelne Vorstellungen verstanden werden, ist Grünes Lösung entweder nicht deutlich oder nicht schlüssig. Aber sie löst dieses Problem angesichts einer qualitativen-quantitativen Unterscheidung: „Nehmen wir an, diese Wand ist braun. In diesem Fall hat die Anschauung der Wand lauter Braun-Tropen zum Inhalt, bei denen es sich um Instanziierungen der Eigenschaft, braun zu sein, an unterschiedlichen Raumstellen handelt. Die Brauntropen sind somit numerisch verschieden, aber qualitativ identisch. In anderen Worten: Der Inhalt einer solchen Anschauung ist quantitativ komplex, aber qualitativ einfach.“ (Grüne 2009, S. 71).  Die analytische Einheit der Apperzeption ist nur durch die synthetische Einheit der Apperzeption möglich. Sie ist auch die Bedingung der Möglichkeit des empirischen Bewusstseins (Siehe KrV, B 133).

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äußeren Sinn (Raum) – oder a posteriori – durch die empirischen Sinnesdaten.¹⁶ In diesen Vorstellungen gibt es keine aktive Vorstellungs-Vermittlung, weil sie, um überhaupt einen Inhalt zu haben, erfordern, dass ihnen das Mannigfaltige (rein oder empirisch) gegeben wird.¹⁷ Die menschliche Sinnlichkeit hat nicht die Fähigkeit, eigene Vorstellungen selbst zu erzeugen, da sie empfindend und nicht intellektuell ist. Laut Kant wäre eine intellektuelle Anschauung, wenn es sie gäbe, fähig, sich in ihrer eigenen Spontaneität selbst aufzufassen (KrV, B 72).¹⁸ Im Unterschied zur Sinnlichkeit ist der menschliche Verstand bloße Spontaneität, denn er hat einerseits die Fähigkeit eigene Vorstellungen (Begriffe) unabhängig von der Information, die über das sinnliche Mannigfaltige aufgenommen wird, zu generieren. Andererseits ist er spontan, weil seine Kategorien als Funktionen des Denkens überhaupt aufzufassen sind, wobei ihre Fähigkeit darin besteht, eine Gruppe verschiedener Vorstellungen zu einer gemeinschaftlichen zu vereinigen und sich so auf die Objekte gemäß der synthetischen Vermittlung beziehen zu können. Anders gesagt: Da es für den Verstand keinen direkten Zugang zu den Objekten durch Affektion gibt – wegen seines diskursiven und nicht intuitiven Charakters –, sondern nur einen indirekten Zugang mittels Vorstellungsverbindung (Synthese), sind seine Begriffe lediglich mittelbare Vorstellungen in Bezug auf irgendein Objekt. Gemäß diesem Vorstellungsmerkmal und den vorherigen Zitaten aus der KrV steht außer Frage, dass der Verstand ein aktives Vermögen ist, dessen mittelbare Vorstellungen eine Synthese implizieren, damit sie sich auf Objekte beziehen können.¹⁹ Und die Sinnlichkeit ist nach dem hier Gesagten im Prinzip ein passives  „Wir haben Formen der äußeren sowohl als inneren sinnlichen Anschauung a priori an den Vorstellungen von Raum und Zeit, und diesen muß die Synthese der Apprehension des Mannigfaltigen der Erscheinung jederzeit gemäß sein, weil sie selbst nur nach dieser Form geschehen kann. Aber Raum und Zeit sind nicht bloß als Formen der sinnlichen Anschauung, sondern als Anschauungen selbst (die ein Mannigfaltiges enthalten) also mit der Bestimmung der Einheit dieses Mannigfaltigen in ihnen a priori vorgestellt.“ (KrV, B 161).  Prima facie gibt es keine aktive Vorstellungs-Vermittlung in der Sinnlichkeit, dennoch bleibt in diesem Kontext rätselhaft, was genau Selbstaffektion bedeutet. Es sieht so aus, als ob die Rezeptivität doch in der Lage wäre, sich selbst zu affizieren bzw. aktiv zu sein.  Die intellektuelle Eigenschaft eines Subjekts bedeutet, dass es Vorstellungen selbst „verrichten kann“ (KrV, B 130).  Gegenstandbezug und Objektbezug nehme ich als Synonyme. Ich betone das nochmal, weil die Deutung des Objekts nicht univok ist und anders verstanden werden kann. Wie etwa Allison, bezugnehmend auf „Objekt aber ist das, in dessen Begriff das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung vereinigt ist.“ (KrV, B 137), meint: „This reflects Kant′s ‘Copernican’ turn: first-order talk about objects is replaced by second-order talk about the concept of an object and the conditions of the representations of an object. The meaning of ‘object’ is thus determined by an analysis of the conditions. And since the conditions consist in a given manifold of intuition and its

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Vermögen, dessen Vorstellungen sich unmittelbar auf das Objekt beziehen und die dabei keine Synthese (=Erzeugung einer neuen Vorstellung) implizieren. Aber es scheint nicht so klar zu sein, was mit der Einbildungskraft geschieht, und ob sie nur zu den aktiven oder nur zu den passiven Vorstellungskräften des Subjekts gehört. Obendrein gibt es verschiedene Stellen in der KrV, welche Folgendes andeuten: Entweder sei die Einbildungskraft ein autonomes Vermögen, das eine Mischung von beiden Arten darstellt, oder sie sei nicht autonom tätig, sondern könne nur dank des Einflusses des Verstandes handeln. Gemäß dem Vorstellungsmerkmal bleibt demnach zu unterscheiden, in welchen Fällen ihre Leistung einen unmittelbaren Charakter und in welchen sie einen mittelbaren Charakter hat. An dieser Stelle ist es nötig, auf die unterschiedliche Rolle der Einbildungskraft zwischen der ersten Auflage von 1781 (A) und der zweiten Auflage von 1787 (B) einzugehen. Denn ihre Rolle bei der Erkenntnis unterscheidet sich danach, welche Version der transzendentalen Deduktion der reinen Verstandesbegriffe in Betracht gezogen wird, weil je nach Auflage verschiedene Leistungen über die Erkenntniskräfte (besonders über die Einbildungskraft) abgeleitet werden. Das Ziel dieser Arbeit, nämlich das Urteil des Erhabenen in Kants kritischem System genauer zu konzipieren, ist es an dieser Stelle, die Rolle der Einbildungskraft beim Zusammentreffen der Erkenntnis zu verstehen und zu bestimmen. Im Folgenden wird nicht nur ihre Differenzierung in den zwei Versionen der KrV gezeigt, sondern auch die Festlegung auf eine der beiden vorgenommen.

2 Die dreifache Synthese in der A-Auflage Im zweiten Abschnitt der ersten Deduktion der reinen Verstandesbegriffe (A) wendet Kant die argumentative Strategie der dreifachen Synthese an, um die Gründe a priori zur Möglichkeit der Erfahrung zu definieren. Auf diese Weise bereitet er den Weg, um die Deduktion der reinen Verstandesbegriffe und ihr Verhältnis zu Gegenständen überhaupt in Hinblick auf die Möglichkeit ihrer Erkenntnis a priori zu bestimmen.

unification under a concept, an object may be understood as the correlate of an act of conceptual unification. Thus, whatever is represented through such a synthetic unity counts as an object.“ (Allison 2004, S. 173).

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a Synthese der Apprehension Die erste Synthese, die Apprehension in der Anschauung, setzt eine ursprüngliche Synthese des Mannigfaltigen seitens der Rezeptivität voraus (KrV, A 100). Dies meint das Gegenteil dessen, was in den vorigen Absätzen gesagt wurde. Denn es scheint nun, als ob die ursprüngliche Kondition der Sinnlichkeit doch synthetisch wäre, jedenfalls wird sie nur als formale Kondition für die Auffassung des gegebenen Objekts gesehen. Sollte die Sinnlichkeit allerdings als bloße Rezeptivität betrachtet werden, dann könnte sie keine Einheit herstellen. Laut Grüne (2015) bestehe die Funktion der Synthesis der Apprehension darin, komplexe Vorstellungen zu Bewusstsein zu bringen. Dafür seien zwei Tätigkeiten notwendig, nämlich das Durchlaufen und das Zusammennehmen einer Mannigfaltigkeit: [D]ie Teilvorstellungen einer Anschauung zu durchlaufen, bedeutet wohl sie (für einen Augenblick) bewusst zu machen […]. Erst dadurch, dass die nacheinander durchlaufenen Teilvorstellungen in einer Vorstellung zusammengefasst werden, entsteht eine einzige Vorstellung, in der sie alle als bewusste Vorstellung enthalten sind. Die beiden Aktivitäten des Durchlaufens und des Zusammennehmens konstituieren zusammen die Synthesis der Apprehension. (Grüne 2015, S. 2229)

Es sollte mithin nach dem verantwortlichen Vermögen gefragt werden, dessen Aufgabe es ist, den sinnlichen mannigfaltigen Inhalt (rein oder empirisch) zu einer einzigen Vorstellung zu vereinheitlichen. Es scheint, als ob die von der Apprehension der Mannigfaltigkeit in der Anschauung gelieferte Vorstellung eine Art Vor-Synthese oder eine „minimale Synthese“ – wie sie von Pries genannt wird – implizieren würde, um „eine“ Vorstellung zu schaffen: Damit die betreffende Vorstellung überhaupt als eine Vorstellung wahrgenommen werden kann, ist also bereits eine Synthese auf der Ebene der Anschauung selbst notwendig. Die ursprüngliche Rezeptivität der Sinnlichkeit bleibt dabei erhalten (die Synthese ist also so minimal, dass Kant sie nicht als Spontaneität bzw. Aktivität des Gemüts zu verbuchen scheint). Es findet also bereits auf der Ebene der Sinnlichkeit eine Synthese statt. (Pries 1995, S. 120)

Für mich widerspricht diese Behauptung dennoch dem rezeptiven Charakter der Sinnlichkeit und kann zu verschiedenen Missverständnissen führen, wie etwa die Notwendigkeit des Intervenierens der Kategorien beim kognitiven Geschäft in Frage zu stellen.Wenn die Sinnlichkeit doch synthetisierend wäre, entstünde eine gewisse epistemische Unabhängigkeit zwischen der sinnlichen Erkenntnis und der begrifflichen Erkenntnis. Das wäre aber das genaue Gegenteil von Kants Vorhaben bezüglich der Möglichkeit der Erkenntnis in der ersten Kritik. Denn es geht eigentlich um das notwendige Zusammentreffen von beiden Vermögen

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(Verstand und Sinnlichkeit) und um die beidseitige Irreduzibilität. Trotz ihres minimalen Charakters darf die Synthese nicht einfach durch die Sinnlichkeit vollzogen werden. Obwohl in der ersten Auflage der KrV die Univozität des rezeptiven Charakters der Sinnlichkeit in Zweifel gezogen wird, wird sie wegen der Absichten dieses Kapitels nur erwähnt und nicht weiter thematisiert.²⁰ Nun wird angenommen, dass die Einbildungskraft diese synthetische Leistung bei der Apprehension durchführt, was in der B-Auflage deutlicher gemacht wird.

b Synthese der Reproduktion Die Synthese der Reproduktion in der Einbildung besteht darin, dass die Einbildungskraft eine eigene (mittelbare) Vorstellung, ausgehend von dem gesammelten Material in der formalen Anschauung, erzeugt. Würde ich aber die vorhergehende (die ersten Teile der Linie, die vorhergehende Teile der Zeit, oder die nacheinander vorgestellten Einheiten) immer aus den Gedanken verlieren, und sie nicht reproduzieren, indem ich zu den folgenden fortgehe, so würde niemals eine ganze Vorstellung, und keiner aller vorgenannten Gedanken, ja gar nicht einmal die reinsten und ersten Grundvorstellungen von Raum und Zeit entspringen können. (KrV, A 102)

Hier handelt die Einbildungskraft insofern spontan, als sie das von der Apprehension in der Anschauung gelieferte Mannigfaltige synthetisiert und ausgehend von dieser eine neue Art von „Vorstellungsübersetzung“ generiert:

 Im Gegensatz zu Grüne (2009 und 2015), Hanna (2001 und 2008), Pries (1995) und Schleich (2020) vertrete ich die Auffassung, dass es Synthesis in der Sinnlichkeit ohne Spontaneität des Verstandes sogar unter dem Namen Einbildungskraft nicht geben kann. Das synthetische Primat haben die Einheitsfunktionen und nicht die Sinnlichkeit (Rezeptivität), selbst wenn gegen diese Positionen argumentiert wird, dass für die Bildung empirischer Begriffe zuerst die Wahrnehmung kommt, was u. a. das Problem der Wahrnehmungsurteile einbezieht. Ohne Kategorien kann einfach nicht beurteilt werden und selbst die Wahrnehmung benötigt die synthetische Einheit der Apperzeption, damit sie als bewusste Vorstellungen gelten können. Blinde Anschauungen mag es geben, aber diese sind nichts für unser Selbstbewusstsein. Diese Position findet man u. a. bei Longuenesse (1998), Ginsborg (1997) und Koch (2006): Es gibt „keine einfachen, atomaren Vorstellungsinhalte; und was immer ich vorstelle, ist bereits ein komplexer Inhalt. Die Verbindung von Inhalten zu komplexen aber ist als solche bereits das Objektivieren, das Beziehen der Inhalte auf Objekte als deren Bestimmungen; denn eine Mannigfaltigkeit kann ich als solche nur vorstellen, wenn ich mich von jedem ihrer Elemente auch unterscheiden kann, was nur möglich ist, wenn ich die Elemente immer schon objektiviert habe.“ (Koch 2006, S. 471). Dieses „Unterscheiden“ ist ohne Selbstbewusstsein nicht möglich.

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[S]o gehört die reproduktive Synthese der Einbildungskraft zu der transzendentalen Handlung des Gemüts und in Rücksicht auf dieselbe, wollen wir dieses Vermögen auch das transzendentale Vermögen der Einbildungskraft nennen. (KrV, A 103)

Dazu soll betont werden, dass die Synthese der Reproduktion mit der Synthese der Apprehension untrennbar verknüpft ist.

c Synthese der Rekognition im Begriff Die Aufgabe der dritten Synthese ist die vorher apprehendierte und reproduzierte Mannigfaltigkeit miteinander zu vereinbaren. Auf diese Weise wird die Mannigfaltigkeit zu einer Vorstellung für das Bewusstsein, indem sie durch einen Begriff rekognosziert wird. Ohne die Rekognition ist diese Mannigfaltigkeit für das Bewusstseins nichts: „[W]ir erkennen den Gegenstand, wenn wir in dem Mannigfaltigen der Anschauung synthetische Einheit bewirkt haben.“ (KrV, A 105). Die synthetische Einheit der Apperzeption ist die transzendentale Bedingung, welche die Synthesis des Mannigfaltigen in der Vorstellung ermöglicht (KrV, A 106 f.).

d Zur B-Deduktion der Kategorien in Bezug auf das Erhabene Viele Interpreten und Interpretinnen der kantischen Philosophie, die die Einbildungskraft für das wesentliche Vermögen halten (Lyotard 1994; Peña Aguado 1995; Pries 1995; Schleich 2020; Trebels 1967, u. a.)²¹ bevorzugen die erste Version der Deduktion der Kategorien,²² weil sie der Einbildungskraft eine wichtigere (und „klarere“) Rolle beim Erkennen zukommen lässt. Auch Autoren und Autorinnen

 Schleich vertritt im ihren exzellenten exegetischen Werk, Zur Bestimmung der Funktion der Einbildungskraft in der ‚Analytik des Erhabenen‘ (2020), dass die Einbildungskraft die Hauptrolle in der Beurteilung des Erhabenen spielt, während die Vernunft nur eine Nebenrolle spielt (Schleich 2020, S. 175 ff.). Sie interpretiert, wie ich vorher erwähnt habe, dass die Einbildungskraft per se schöpferisch sein kann und begründet dies anhand ihrer Darlegung beider Deduktionen der Kategorien (A und B): „Die von ihr [ von der Einbildungskraft/ Ergänzung von P. Ó. A] geschaffenen Vorstellungen können unabhängig von der Verstandesbegleitung bestehen, sind aber ein notwendiges Ingrediens, um die Erkenntnisbildung zu komplettieren. Dies unterstreicht einmal mehr die These, dass die Einbildungskraft auch ohne eine bestimmte, einheitsstiftende Ausrichtung eine Verbindung zu Stande bringen kann, nach der eine nicht-begriffliche anschauungshafte und wahrnehmbare Vorstellung gebildet wird.“ (Schleich 2020, S. 67).  Z. B. Heidegger (2010) mit seiner bekannten Wurzelthese und Wunsch (2007) mit seiner methodischen Funktion der Einbildungskraft ziehen die erste Version der Deduktion vor.

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wie Lyotard (1994) und Pries (1995) erklären bei der Beurteilung des Erhabenen die Funktion der Einbildungskraft in Bezug auf die Deduktion der ersten Auflage der KrV. Pries gibt dem mathematischen Erhabenen den Vorrang, indem sie es als Basis der beiden ästhetischen Urteile des Erhabenen versteht.²³ Dafür bedient sie sich der Version der A-Deduktion, denn in §26 der KU erfolgt eine ähnliche Beschreibung der synthetischen Arbeit der Einbildungskraft hinsichtlich des empirischen Inhaltes, deren Tätigkeit das Auffassen und Zusammensetzen ist.²⁴ Das Erscheinen dieser zweifachen Synthese erinnert an die dreifache Synthese aus der ersten transzendentalen Deduktion. Nichtsdestoweniger sind zwei verschiedene Aspekte bei der Synthese des Erhabenen zu erläutern. Die Strategie von der dreifachen Synthese der Einbildungskraft will aufzeigen, wie die ästhetische Erfahrung sich überhaupt entwickelt. Aber die Erklärung mittels der gleichartigen und der ungleichartigen Synthese will das Kriterium der Unterteilung des Erhabenen in mathematisch und dynamisch zeigen; letzteres entspricht meinem Vorhaben. Darüber hinaus gibt es Ansichten, wie die von Longuenesse (1998), die behaupten, dass die B-Deduktion die dreifache Synthese der A-Deduktion in den ersten vier Paragraphen enthält und dass die restlichen Paragraphen neues Material für die Lösung des gesamten Problems der Verbindung des gegebenen Mannigfaltigen zu der synthetischen Einheit der Apperzeption hinzufügen: The first sections of the B Deduction can be read as an exposition of the bare structure of the ‘threefold Synthese’ and its relation to the unity of apperception, expounded in psychological detail in the A Deduction. All combination of the manifold of sensible representations is the result of an act of Synthese (section 15). This act of combining the manifold depends on the original synthetic unity of apperception (section 16). The latter is therefore the source of the relation of our representations to an object (17,18). The results of the lengthy propaedeutic exposition of the ‘threefold Synthese’ in the first edition are here stated from the outset, and the new deduction takes up the explanation where the first prematurely left off. (Longuenesse 1998, S. 59)

Angesichts der Vervollständigung der B-Deduktion ist diese der ersten vorzuziehen.

 Um die Ästhetizität des Erhabenen zugunsten der Moral nicht zu verlieren und somit den Übergang vom Theoretischen zum Praktischen zu garantieren, betont Pries das mathematische Erhabene. (Pries 1995, S. 65, 90 f.).  Kant hat laut Pries in der zweiten Auflage der KrV die Bedeutung der Einbildungskraft abgeschwächt, was sie dazu motiviert, die erste Version der KrV zu präferieren: „Da es mir auf die Einbildungskraft ankommt und die ‚dreifache Synthesis‘ in der zweiten Auflage nur noch implizit vorkommt, werde ich mich hauptsächlich auf die erste Auflage beziehen, die zweite jedoch, wo es mir nötig erscheint, nicht aus dem Blick verlieren.“ (Pries 1995, S. 129).

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3 Die zwei Synthesen in der B-Auflage Wichtig ist noch zu sagen, dass die Synthese nicht nur als Verbindung des gegebenen Mannigfaltigen betrachtet werden soll, sondern sie ist auch als Verbindung von anderen Begriffen zu verstehen (KrV, B 130). Diese Spezifizierung wird m. E. deutlicher in der B-Auflage unter der doppelten transzendentalen Synthese: figürliche und intellektuelle. In der A-Auflage scheint es letztlich, als ob nur von einem apprehendierten gegebenen Mannigfaltigen eine Verbindung stattfinden könnte, was aber die Verbindung von der reinen Sinnlichkeit (aus dem Mannigfaltigen von Zeit und Raum) und die von diskursiven Vorstellungen (reine Begriffe und Ideen) ausschließen würde. Jedoch, da es um die Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis und nicht um die des Denkens geht, lässt sich jener Mangel an Präzision bei der A-Deduktion irgendwie nachvollziehen, diese Version aber nicht – wie Longuenesse vorschlägt – als vollständig zu betrachten. In der BAuflage findet auch eine Synthese der Apprehension statt, unter der „die Zusammensetzung des Mannigfaltigen in einer empirischen Anschauung“ verstanden wird und so „Wahrnehmung, d. i. empirisches Bewusstsein derselben, (als Erscheinung) möglich wird“ (KrV, B 160). Wie viele Synthesen können überhaupt stattfinden? Wenn die Synthese der Apprehension in Opposition zur Synthese der Apperzeption gedacht wird, und die figürliche Synthese in Opposition zur intellektuellen Synthese gedacht wird, wieso kann man nicht daraus schließen, dass die Synthese der Apprehension mit der figürlichen korrespondiert, so wie die Synthese der Apperzeption mit der intellektuellen? Was macht diese vorgeschlagene Korrespondenz unmöglich? Die erste Opposition kann sich nicht auf die Dualität der Vorstellungskräfte beziehen: Rezeptivität (vom gegebenen Objekt abhängig) und Spontaneität (vom Subjekt abhängig). Die zweite Opposition kann sich nicht auf die Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis a priori als Verbindung eines reinen Mannigfaltigen beziehen: aus der Sinnlichkeit heraus (namens transzendentaler Einbildungskraft) und aus dem Verstand heraus. Nichtsdestoweniger ergibt sich m. E. eine Art Verflechtung beider synthetischer Oppositionen, wobei die vier Synthesen verkettet werden und so nicht mehr als Opposition, sondern als Bedingung der anderen verstanden werden müssen. Man kann die synthetische Verkettung folgendermaßen einordnen: Wenn man auf einer Seite das Objekt (als Erscheinung) und auf der anderen Seite das (erkennende) Subjekt in Betracht zieht, wird ersichtlich, dass beim gegebenen Objekt dessen „Apprehendierbarkeit“ vorausgesetzt wird, sowie beim Subjekt dessen spontane einheitliche Apperzeption. Bedingung für die Synthese der Apprehension ist, dass dem Subjekt Gegenstände gegeben werden. Die Synthese der Apperzeption ist aber in ihrer Tätigkeit autonom, sie benötigt keinen Gegenstand, um synthetisieren zu können. Sollte dem

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nicht so sein, wäre es nicht nötig, „Denken“ von „Erkennen“ zu unterscheiden: Das Gedachte wäre identisch mit dem Erkannten und im Streitfeld der Metaphysik wäre die Kritik der reinen Vernunft keine Schiedsrichterin mehr. Mittels der figürlichen Synthese kann man Erkenntnis aus dem reinen Mannigfaltigen der Sinnlichkeit (im Raum und in der Zeit) erlangen. Dieses „synthetische“ Mannigfaltige bleibt aber ohne die intellektuelle Synthese gemäß den Verstandesregeln als unübersetzbar für unsere transzendentale Apperzeption, welche als synthetische Einheit die Übersetzungscodes des Mannigfaltigen enthalten, damit dieses zu einer diskursiven Perzeption wird, M. a. W. zu einem Urteil, also einer möglichen Erkenntnis. Ohne Apperzeption ergibt sich keine Perzeption. Das bedeutet, dass das Mannigfaltige, um eine Perzeption (bewusste Vorstellung) zu werden, die Organisation benötigt, die ihm ein Bewusstsein geben kann. Ohne die Bezugnahme des Mannigfaltigen auf ein Bewusstsein ergeben sich keine Erkenntnisse. Die letzten drei Synthesen sind deshalb transzendental, weil sie a priori Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis sind und deshalb die übrige Synthese ermöglichen und bestimmen. Die Synthese der Apprehension ist demzufolge nicht transzendental, weil sie nicht Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis a priori ist, sondern nur der empirischen Erkenntnis, von Gegebenheit zu Gegebenheit bedingt: empirisch wahrnehmungserzeugende Synthese. Nichtsdestoweniger haben wir keine unmittelbare Gewissheit, wenn diese Synthese nicht stattfindet. Die Verkettung dieser synthetischen Figuren ist nötig für die Erkenntnis.

a Figürliche Synthese Die figürliche Synthese oder auch „Synthese speciosa“ wird als „Synthese des Mannigfaltigen der sinnlichen Anschauung, die a priori möglich und notwendig ist“ (KrV, B 151), beschrieben. Da die figürliche Synthese vornehmlich mit der Sinnlichkeit zu tun hat, wird sie von der „transzendentalen Einbildungskraft“ und nicht vom Verstand realisiert. Wenn Kant die Einbildungskraft als das Vermögen „einen Gegenstand auch ohne dessen Gegenwart in der Anschauung vorzustellen“ (KrV, B 151) definiert, dann muss er an die „reproduktive Einbildungskraft“ und nicht an die reine „produktive Einbildungskraft“ denken; letztere ist m. E. mit der transzendentalen Einbildungskraft gleichzusetzen. Da es bei der figürlichen Synthese um die transzendentale Einbildungskraft geht, muss diese rein produktiv sein. Was sind ihre Produkte? In der Doktrin der Urteilskraft der ersten Kritik wird der erste Teil dem Schematismus gewidmet. Dort geht es vor allem darum, Schemata für die Kategorien aus den Modi der reinen Formen der Sinn-

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lichkeit zu erwerben, welche durch die transzendentale Einbildungskraft gestiftet werden. Ich sehe diese Schemata als die Produkte der figürlichen Synthese.²⁵  „Wir wollen diese formale und reine Bedingung der Sinnlichkeit, auf welche der Verstandesbegriff in seinem Gebrauch restringiert ist, das Schema dieses Verstandesbegriffs, und das Verfahren des Verstandes mit diesen Schematen den Schematismus des reinen Verstandes nennen. Das Schema ist an sich selbst jederzeit nur ein Produkt der Einbildungskraft; aber indem die Synthese der letzteren keine einzelne Anschauung, sondern die Einheit in der Bestimmung der Sinnlichkeit allein zur Absicht hat, so ist das Schema doch von Bilde zu unterscheiden.“ (KrV, A 140/B 179). Solange es nicht um empirische (einzelne), sondern um reine (allgemeine) Vorstellungen geht, darf das Schema kein Bild sein. Aber wenn es um eine empirische Bestimmung des Sinnlichen geht, darf die Rede doch von Schemata von Bildern sein: „[D]as Bild ist ein Produkt des empirischen Vermögens der produktiven Einbildungskraft, das Schema sinnlicher Begriffe (als der Figuren im Raume) ein Produkt und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft a priori.“ (KrV, A 142/B 181). Somit gibt es drei Formen, das Schema zu verstehen: als Bild, als Monogramm und als transzendentales Schema. Als Produkt der transzendentalen Einbildungskraft (mittels figürlicher Synthese) bezeichne ich das letztere, die anderen zwei als Produkt der Einbildungskraft (mittels Synthese der Apprehension und der Reproduktion), beim Bild in ihrem empirischen Gebrauch, wobei ein kongruiertes Objekt zu dem Schema zu finden ist, beim Monogramm in ihrem reinen apriorischen Gebrauch, wozu es kein kongruiertes Objekt gibt. Das transzendentale Schema ist das Dritte, welches die ungleichartigen Vorstellungen, Anschauung (einzeln und unmittelbar) und Begriff (allgemein und mittelbar), verbindet, deshalb soll das Schema gleichartig zu der Anschauung und zum Begriff zugleich sein. Wie ist dies zu verstehen? Das Schema hat mit dem Begriff gemein, dass es um eine allgemeine Vorstellung geht, welche aber nicht diskursiv ist, sondern sinnlich, und dies ist die Gemeinsamkeit mit der Anschauung. Ein transzendentales Schema ist dann eine Vorstellung, welche sich auf vieles beziehen kann, aber unmittelbar qua transzendentaler Zeitbestimmungen und dies ermöglicht, dass das Subjekt Erkenntnisse a priori erlangen kann. Dazu gibt es mehrere Interpretationen, welche laut Seel diskutieren, ob das Schema eine Art reiner Begriff oder reine Anschauung sei. Dazu siehe (Seel 2015, S. 2012– 2015). Bei der Einordnung der Interpreten begeht Seel aber einen Fehler, indem er Allison (1983) als Vertreter beider erwähnten Positionen ansieht. M. E. ist Allisons Lektüre eigentlich eine, die zur reinen Anschauung tendiert: „Kant here assumes a correlation between ′ condition of intuition′, or sensibility, ′form of intuition′, and ′pure intuition′. Given this correlation, it would seem plausible to maintain that transcendental schemata are pure intuitions if they can be shown to function as ′forms′ or ′conditions′ of sensible intuition […] Kant certainly seems to affirm such a function for transcendental schemata when he characterizes them as ′formal conditions of sensibility′ (A 140/B 179).“ (Allison 1983, S. 185). Es gibt eine andere Interpretation, die meiner näher steht. Curtius (1914) unterscheidet zwischen Synthese-Schematismus und Subsumptions-Schematismus. Er meint, so wie ich, dass die Schemata aus der figürlichen Synthese entstehen (§24 der Transzendentalen Analytik der KrV) und er schlägt vor, die Schemata statt als Subsumptionsinstanz von Gegenständen unter Begriffen, als Synthese-Instanz der Anwendung der Kategorien auf Anschauungen zu verstehen: „Subsumption ist ein logischer, Synthese ein erkenntnistheoretischer Begriff. Das Wesen des Schematismus ist aber erkenntnistheoretisch, wird also durch den Ausdruck Synthese adäquater bezeichnet als durch den Ausdruck Subsumption. Aus diesen Gründen verdient der Syntheseschematismus entschieden den Vorzug.“ (Curtius 1914, S. 363). Da die Rede über die transzendentale Urteilskraft sich im Schematismus-

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Meine Interpretation dazu ist, dass die „unmittelbare gegebene Gewissheit“ (KrV, B 202), welche nur in der Form der Anschauung zu finden ist, bei den mathematischen Grundsätzen des reinen Verstandes überwiegend auf der Möglichkeit dieser Synthese beruht. Dies werde ich am Ende dieses Kapitels mit dem mathematischen Erhabenen in Beziehung setzen. Die figürliche Synthese ermöglicht m. E. die Synthese durch „Zusammensetzung“, sie ist das transzendentale Korrelat für die gleichartige Synthese des Mannigfaltigen. Ich bin mir bewusst, dass diese Beschreibung bzgl. der Zusammensetzung und gleichartiger Synthese anschließend an die Synthese der Apprehension und der Kategorie der Größe in der B-Deduktion zu finden ist (KrV, B 162), und nicht bei der figürlichen. Aber selbst Kant sagt dazu, dass die Synthese der Apprehension, welche empirisch ist, der Synthese der Apperzeption, welche intellektuell und gänzlich a priori in der Kategorie enthalten ist, notwendig gemäß sein müsse. Es ist eine und dieselbe Spontaneität, welche dort, unter dem Namen der Einbildungskraft, hier des Verstandes, Verbindung in das Mannigfaltige der Anschauung hineinbringt. (KrV, B 163)

Die Synthese der Apprehension ist nur möglich, weil es eine figürliche Synthese gibt, welche ohne den Einfluss des Verstandes auch nicht möglich wäre. Darüber hinaus soll nicht vergessen werden, dass alle Objekte der Anschauungen eine extensive und eine intensive Größe haben, demzufolge ist die Zusammensetzung die erste synthetische Leistung, welche bei jeder Anschauung zu finden ist. Aber die Erfahrung als solche ist komplexer als eine statische (mathematische) nebeneinander zusammengesetzte Anschauungsreihe. Deshalb wird noch eine andere Synthese benötigt.

b Intellektuelle Synthese Die intellektuelle Synthese, oder auch „Verstandesverbindung“, ist diejenige, welche in Bezug auf das Mannigfaltige „einer Anschauung überhaupt in der bloßen Kategorie gedacht würde“ (KrV, B 151). Sie ist nicht nur transzendental,²⁶

Kapitel befindet, lässt sich m. E. nicht so einfach von der subsumierenden Funktion der Urteilskraft absehen. Nichtsdestoweniger halte ich es für wichtig, den synthetischen Charakter beim Schematismus nicht aus den Augen zu verlieren.  An dieser Stelle soll Folgendes in Erinnerung gerufen werden: „Transzendental“ heißt in Kants kritischem Kontext „Bedingung“ oder „Grund der Möglichkeit Erkenntnis a priori“ zu sein (KrV, B 151). Diese Bedeutung findet man auch in KrV, B 25; KrV, A 11; KrV A 56/ B 80. Die andere Verwendungsweise von „transzendental“ ist restriktiv und drückt aus, dass der Verstand empi-

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wie die figürliche, sondern auch rein intellektuell. Anders gesagt ist sie die Synthese, welche zum Urteil wird. Die intellektuelle Synthese ermöglicht die Verknüpfung, d. i. die „ungleichartige“ Synthese. Ihre Leistung wird von der reinen Spontaneität des Denkens durchgeführt, indem sie sich auf die strukturierte Mannigfaltigkeit richtet. In der Doktrin der Urteilskraft wird der zweite Teil den reinen Grundsätzen des Verstandes gewidmet. Dort geht es vor allem um die Anwendung der Grundsätze auf die Schemata; jene werden überwiegend durch den Verstand gestiftet.²⁷ Ich sehe diese Grundsätze des reinen Verstandes als das synthetische Resultat der intellektuellen Synthese mit der figürlichen. Am Ende der Deduktion der Kategorien, nachdem Kant festgestellt hat, dass die Anwendung der Kategorien auf die gegebenen (sinnlichen) Anschauungen die empirische Erkenntnis bestimmt, welche selbst die Erfahrung ist, sagt er: „Folglich ist uns keine Erkenntnis a priori möglich, als lediglich von Gegenständen möglicher Erfahrung.“ (KrV, B 166; Kursiv im Original). Dieses Zitat mag zunächst sehr gewichtig erscheinen und schließt aus, dass die menschliche Vernunft als solche Erkenntnis a priori außerhalb der Erfahrung erlangen kann. Was ist dann mit der Moral? Kant sieht diesen Einwand voraus und fügt eine sehr erhellende Passage als Fußnote hinzu: Damit man sich nicht voreiligerweise an den besorglichen nachteiligen Folgen dieses Satzes stoße, will ich nur in Erinnerung bringen, daß die Kategorien im Denken durch die Bedingungen unserer sinnlichen Anschauung nicht eingeschränkt sind, sondern ein unbegrenztes Feld haben, und nur das Erkennen dessen, was wir uns denken, das Bestimmen des Objekts, Anschauung bedürfe, wo, beim Mangel der letzteren, der Gedanke vom Objekte übrigens noch immer seine wahren und nützlichen Folgen auf den Vernunftgebrauch des Subjekts haben kann, der sich aber, weil er nicht immer auf die Bestimmung des Objekts, mithin aufs Erkenntnis, sondern auch auf die des Subjekts und dessen Wollen gerichtet ist, hier noch nicht vortragen läßt. (KrV, Fn., B 166; Herv. im Original)

risch auf Erscheinungen und nicht transzendental auf Dinge an sich (jenseits der Grenze der Erfahrung) anzuwenden ist. Siehe dafür das dritte Hauptstück der Transzendentalen Doktrin der Urteilskraft, Von dem Grunde der Unterscheidung aller Gegenstände überhaupt in Phaenomena und Noumena in der KrV.  B. Longuenesse sieht auch eine Komplettierung der Bedeutung der figürlichen Synthese beim Schematismus sowie der intellektuellen Synthese bei den Grundsätzen des reinen Verstandes: „Thus the Schematism and Principles give specific content to the relation between Synthese intellectualis (achieved by logical functions of judgment, according to its logical forms) and Synthese speciose (productive Synthese of imagination), which has been stated in the most general manner in section 24 of the Transcendental Deduction.“ (Longuenesse 1998, S. 245).

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Diese Fußnote enthält eine positive Umkehrung der Einschränkung des Denkens auf das Sinnliche für das Erkennen, welche in §22 der B-Deduktion deutlich erklärt wird (KrV, B 146 – 148). Nun wird dem Denken ein neues Feld eröffnet, in dem es ihm sogar trotz Mangel an Anschauung möglich ist, „wahre und nützliche Folgen auf den Vernunftgebrauch des Subjekts“ (KrV, Fn., B 166) zu haben. Soweit es aber nicht darum geht, Objekte zu bestimmen, sondern nur um die Bestimmung des Subjekts und seines Willens, bleibt dieses Feld offen für die Vernunft. Das ist genau das Thema der zweiten Kritik. Jedoch bleibt es in diesem Punkt rätselhaft, wie genau diese Synthese funktioniert. Vielleicht kann man sich hier in einer Erklärung versuchen, indem man sagt, dass die Synthese sich entweder ins Bedingte oder ins Unbedingte richtet. Das könnte aber nur die intellektuelle Synthese leisten. Wenn kein Schema seitens des sinnlichen Vermögens geliefert wird, wie kommt man dann zu dem Unbedingten? Eine Erklärungsmöglichkeit besteht darin zu sagen, dass das Denken als der Inbegriff der Verstandesregeln das Analogon eines Schemas ist, welches die Vernunft legitim und nicht dialektisch begreift, obwohl sie nur einen regulativen Nutzen für die Organisation der Natur hat. Dies wäre eine Weise zu erklären, wie die intellektuelle Synthese sich weiter mit mittelbaren Vorstellungen (Begriffen und Ideen) beschäftigen kann: Denken und nicht Erkennen. Die Ideen haben eine absolute Einheit, wie auch die Anschauung, als einzelne Totalitäten. Begriff ist vieles. Idee ist alles. Anschauung ist eins. Der Begriff ist entweder ein empirischer oder reiner Begriff, und der reine Begriff, so fern er lediglich im Verstande seinen Ursprung hat (nicht im reinen Bilde der Sinnlichkeit) heißt Notio. Ein Begriff aus Notionen, der die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt, ist die Idee, oder der Vernunftbegriff. (KrV, A 320/B 377)

Das bedeutet, dass die Idee der Vernunft, welche die Erfahrung übersteigt, d. i. worin keine figürliche Synthese stattfindet, ein Begriff aus reinen Begriffen ist. M. a. W. ist eine Idee ein Begriff aus Kategorien, welcher nicht auf die Erfahrung angewandt werden kann; eine mittelbare Vorstellung, die nicht unmittelbar werden wird. Das ist die Bedeutung von der Idee: ein notwendiger Vernunftbegriff, „dem kein congruirender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann“ (KrV, A 327/B 383). An dieser Stelle könnte man sich Folgendes fragen: Wenn eine Idee ein Konglomerat von Notionen ist, aus welchen Notionen entsteht die Freiheit? Aus welchen Notionen entsteht Gott? Aus welchen Notionen entsteht die Unsterblichkeit der Seele? Aber bevor ich zu diesem Punkt (Siehe Kapitel IV) komme, werde ich eine gebündelte Antwort auf ein paar leitende Fragen dieses Kapitels geben.

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Kapitel II Synthese in den ästhetischen Urteilen des Erhabenen

c Erste Rekapitulation 1.

2.

3.

4.

Ist die Einbildungskraft ein passives oder aktives Vermögen? Die Einbildungskraft ist mittels der Spontaneität des Subjekts ein aktives Vermögen, welches durch ihre Schemata die jeweilige Übergangsrolle zwischen sinnlichen und intellektuellen Vorstellungen spielt. Findet eine Synthese auf der Ebene der Sinnlichkeit statt? Ja. Wird sie von der Sinnlichkeit geleistet? Nein, der rezeptive Charakter der Sinnlichkeit kann keine Einheit stiften. Die Synthese der Apprehension (und Reproduktion), wie alle Synthese unserer Vorstellungskraft, wird von der Spontaneität derselben vollzogen. Welche Vermögen können synthetisieren? Wenn die Synthese sich auf das Sinnliche bezieht, wird sie von der Einbildungskraft realisiert. Wenn sie sich auf das Intellektuelle bezieht, wird sie vom Verstand durchgeführt. Wenn die Synthese einem nicht-empirischen Gebrauch dienen soll, wird sie von der Vernunft realisiert. Einbildungskraft, Verstand und Vernunft sind die Vermögen, die dank des spontanen Charakters des Subjekts synthetisieren können. Bei allen diesen synthetischen Leistungen handelt parallel die Urteilskraft – so werden aus Vorstellungen Urteile.²⁸ Wie kann man die mathematische von der dynamischen Synthese unterscheiden?

Die eröffnende Frage dieses Kapitel war, wodurch die Dichotomie mathematischdynamisch bei der Beurteilung des Erhabenen bedingt ist. Kant sagt uns dazu nur, dass die Urteilskraft sich in dem einen Fall auf die mathematische Stimmung der Einbildungskraft bezieht, während sie sich in dem anderen Fall auf die dynamische Stimmung derselben bezieht. Über diese Stimmungen gibt es keinen anderen textuellen Hinweis. Deshalb musste diese Frage auf einem anderen Weg beantwortet werden, indem zunächst die verschiedenen Dimensionen der Synthese in der ersten Kritik erforscht werden mussten. Nun wissen wir, dass, wenn die Spontaneität sich auf Sinnliches bezieht, es die Einbildungskraft ist, welche diese Arbeit leistet. Wenn Kant also über die Stimmungen der Einbildungskraft redet, meint er, dass die Einbildungskraft auf der sinnlichen Ebene entweder „mathematisch“ oder „dynamisch“ handelt. Dazu wissen wir auch, dass die Synthese die Kategorien bestimmt und die mathematisch-dynamische Unterscheidung, wie wir

 Die Urteilskraft kann auch als synthetisches Vermögen gedacht werden, aber nur in ihrem reflektierenden Gebrauch, deren erzeugte Vorstellung oder Begriff die ästhetische Zweckmäßigkeit ist. Detailliert erläutere ich dies in Kapitel III.

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gleich sehen werden, aus der Kategorientafel entsteht. Das heißt, dass sich die verschiedenen Aspekte zu einer Differenzierung innerhalb der Synthese befinden. Wir wissen auch, dass es verschiedene Synthesen und synthetisierende Vermögen gibt, die beachtet werden müssen, um diese Unterscheidung verständlich zu machen. Die synthetische Einheit der Apperzeption ist die Spontaneität und sie ist ein Vermögen und keine Synthese an sich. Dieses Vermögen namens Verstand realisiert die intellektuelle Synthese, indem es diskursive Vorstellungen verbindet. Dasselbe führt die figürliche Synthese namens transzendentale Einbildungskraft aus, hierbei handelt es sich nicht um mittelbare Vorstellungen, sondern um direkte, unmittelbare aus der Mannigfaltigkeit a priori gewonnene Vorstellungen. Dies alles ermöglicht, dass die Synthese der Apprehension (und Reproduktion) stattfinden kann, d. h. diese Möglichkeit beruht auf der Spontaneität unserer Erkenntniskräfte. Die Empfänglichkeit des Subjekts führt ein apriorisches Mannigfaltiges mit sich (Raum und Zeit), welches gemeinsam mit den Kategorien die synthetischen Urteile a priori ermöglicht, deren Gewissheit letztlich vom möglichen empirischen Inhalt abhängt. Aber ohne jenes Apriorische wäre dieses Empirische nicht möglich. Dies ist m. E. eine zweckmäßige Struktur des Erkennens zwischen Sinnlichkeit und Verstand: die teleologische Medaille der Synthesis. Jede Seite hängt von der anderen ab und eine kann nicht unabhängig von der anderen bestehen, es sei denn, man hätte keine Erkenntnisansprüche mehr. Aber für den gesamten Erkenntnisapparat ist diese gegenseitige und allzeitige Kodependenz der Vorstellungsarten wesentlich. Letzten Endes ist sie die Stütze der Korrespondenz-Theorie, die Wahrheit als gegenseitige Übereinstimmung von diskursiven und anschaulichen Vorstellungen, mittelbar oder unmittelbar zum Bewusstsein, zu verstehen.²⁹

 Für eine solche telische oder teleologische Struktur unserer Erkenntnis argumentieren mehrere Kommentatoren und Kommentatorinnen in der Kant-Forschung. Die zwei, die aus dem epistemischen Programm an die Problematik der Teleologie als philosophische Methode der „Kritik“ Kants herangehen, sind, m. E. am klarsten, Henrich (1994, S. 17– 54) und Fugate (2014, S. 148 – 196). Der erste mit einer wissensorientierten Haltung, der zweite mit einer wolffianischrationalistischen, ergo suchend nach einem organisierenden Arché. Für eine teleologisch-architektonische Erklärungsweise siehe auch König (2001, S. 41– 52) und Ameriks (2001, S. 73 – 91). Für eine tendenziell rein erkenntnistheoretische siehe Manfred Baum (2001, S. 25 – 39) und Günter Zöller (2001, S. 53 – 72). Die architektonische Perspektive setzt die erkenntnistheoretische voraus und versucht die praktische Perspektive zu integrieren. Die erkenntnistheoretische kann, soweit es um reines Bewusstsein geht, von der praktischen komplett abstrahieren. Wenn es aber um ein empirisches Bewusstsein geht, wird dieses auch ein Gewissen, und die technisch-praktischen und praktischen Urteile werden dem Subjekt in seiner Existenz in der gegebenen, gleichzeitig aber erschaffenden Welt Orientierung und Bestimmung geben.

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Kapitel II Synthese in den ästhetischen Urteilen des Erhabenen

Aus den dargelegten Gründen ist zu ersehen, dass es leichter wird, den Ursprung dieser Unterscheidung zu erforschen, wenn man einsieht, dass es einen solchen monogenetischen Ursprung unabhängig von allen anderen Teilen nicht geben kann, sondern dass eine Erklärung dafür nur möglich ist, soweit die anderen Teile einbezogen werden. Dennoch muss es ein Kriterium geben – wozu wäre andernfalls die Unterscheidung mathematisch-dynamisch der Kategorien, Grundsätze, Antinomien usw. nötig?

4 Die synthetische Unterscheidung mathematisch-dynamisch Die Unterscheidung der Grundsätze des reinen Verstandes in mathematisch und dynamisch wurde bereits in der A-Auflage vorgenommen, aber nicht für die Kategorien. Erst in der B-Auflage erscheint in §11 die Einteilung der Kategorien in mathematische und dynamische Klassen. Zudem wurde zu der Tafel der Grundsätze des reinen Verstandes eine für das Verständnis dieser Dichotomie bedeutsame Fußnote in der B-Edition hinzugefügt. Diese Fußnote enthält eine zentrale Differenzierung, die als Fundament der Dualität mathematisch-dynamisch im Allgemeinen (auch beim Erhabenen) betrachtet werden kann, nämlich die Differenzierung zwischen der gleichartigen und der ungleichartigen Synthese des Mannigfaltigen. Wie schon gesagt wurde, entstehen die synthetischen Urteile a priori zur Erfahrung bzw. die Grundsätze des reinen Verstandes aus der Kategorientafel als Regeln ihres objektiven Gebrauchs. Diese Grundsätze bilden wie die Kategorien vier Gruppen (Quantität, Qualität, Relation und Modalität), die in mathematisch und dynamisch eingeteilt wurden. Die Benennung der Grundsätze habe Kant vorsichtig gewählt, „um die Unterschiede in Ansehung der Evidenz und der Ausübung dieser Grundsätze nicht unbemerkt zu lassen“ (KrV, B 201). Dafür war es nötig, bei der zweifachen Synthese der B-Deduktion die Rede von unmittelbarer (bei der figürlichen) und mittelbarer Gewissheit (bei der intellektuellen) beizufügen.

Diejenigen, die zu einem ähnlichen Ergebnis kamen, jedoch auf anderen Wegen, betonen eine dynamisch-systemorientierte (lebendig-bedingte) Erklärungsweise: Düsing (1969), Breitenbach (2009) und Dörflinger (2000). Es mag die zunächst synthetisch-analytische korrespondenztheoretische, dann architektonische und am Ende gegenseitige Perspektive von der Erkenntnis als Ganzes sein (dessen Teile das Erkennbare und das Erkennende sind), die als gültige Begründung der kritischen Methode zumindest häufig vorkommt. Nicht nur die Kantforscher, sondern auch andere Philosophen wie Hegel haben diesen Fund als Begründung der theoretischen Philosophie Kants angesehen, siehe dazu Sedgwick (2012).

4 Die synthetische Unterscheidung mathematisch-dynamisch

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a Mathematische Grundsätze: Gleichartige Synthese Die mathematischen Grundsätze des Verstandes bestehen aus den Axiomen der Anschauung und den Antizipationen der Wahrnehmung. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die notwendigen Bedingungen zur Wahrnehmung aller Erscheinungen schaffen und ihre Gewissheit intuitiv und unmittelbar ist. In beiden Fällen handelt es sich um eine quantitative und qualitative Größe (Quantum): extensiv im Fall der Axiome der Anschauung („Alle Anschauungen sind extensive Größen.“ (KrV, B 202)) und intensiv im Fall der Antizipationen der Wahrnehmung („In allen Erscheinungen hat das Reale, was ein Gegenstand der Empfindung ist, intensive Größe, d. i. einen Grad.“ (KrV, B 208)). Die Antizipationen bestimmen den Grad des Realen, welcher sich in der Empfindung darstellt. In allen diesen Prinzipien realisiert sich die Synthese auf gleichartige Weise. Gleichartige Synthese ist die Zusammensetzung des Mannigfaltigen, „was nicht notwendig zu einander gehört.“ (KrV, B 202). Kant gibt das Beispiel eines Quadrats, welches durch eine Diagonale in zwei Triangel geteilt wird, die zwei Triangel sind zwar verbunden durch die Diagonale und bilden ein Quadrat, aber ihre Verbindung entspricht keiner notwendigen, sondern einer bloß beigeordneten Zugehörigkeit. Jedes von diesen Triangeln kann eine andere Figur bilden, ohne seine Eigentümlichkeit (ein Dreieck zu sein) zu verlieren, es zwingt sie nichts, dieses Quadrat zu formen. Die gleichartige Synthese gilt für alles, was „mathematisch erwogen werden kann“ (KrV, B 202).³⁰ Die mathematische Synthese (Zusammensetzung (compositio)) wird ebenfalls eingeteilt: Synthese der Aggregation und Synthese der Koalition. Ihre jeweiligen korrespondierenden Schemata sind Zahl als die sukzessive Addition „von Einem zu Einem (Gleichartigen)“ (KrV, A 142/ B 182) und Grad als die Quantität von Etwas, was in der Zeit erfüllt werden wird (Realität) oder eben nicht (leere Zeit), die Negation jenes Etwas (KrV, A 143/ B 183).

 Longuenesse versteht unter homogener Mannigfaltigkeit: „a manifold thought under the same concept“. (Longuenesse 1998, S. 250. In diesem Fall würde aber diese Definition defizitär sein, weil der Begriff eines Quadrats und der eines Triangels nicht derselbe ist. Dennoch, wenn man die Punkte und dann die Linie als Basis von beiden annimmt, und der eine und der andere Begriff als Konstruktion durch Parallelen und Orthogonalen betrachtet wird, könnte man die Geometrie als „the same concept“ verstehen. Jedenfalls ist die Geometrie eine Disziplin und kein allgemeiner Begriff, welchen man als Prädikat anwenden könnte. Homogenes Mannigfaltiges soll präziser verstanden werden. Wenn man aber annimmt, dass die zwei Triangeln die homogenen Teile der Synthese sind, dessen Beiordnung zufällig ein Quadrat bilden, kann man ihre „nicht notwendige“ Zugehörigkeit verstehen, aber das reicht immer noch nicht aus, um dieses Mannigfaltige unter demselben Begriff zu denken, da ein Quadrat und ein Triangel einfach zwei verschiedene geometrische Figuren sind.

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Kapitel II Synthese in den ästhetischen Urteilen des Erhabenen

b Dynamische Grundsätze: Ungleichartige Synthese Die dynamischen Grundsätze entstehen dagegen aus den Kategorien der Relation und Modalität, die zu den Analogien der Erfahrung und den Postulaten des empirischen Denkens gehören. Diese Grundsätze sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Anwendung nicht der bloßen objektiven Anschauung obliegt, sondern der Existenz der Objekte. Da die Existenz nur in der Erfahrung und nicht auf eine apriorische Weise gewiss werden kann, kann sie kein apodiktisches Merkmal des Objekts bilden. Der apodiktische Charakter der Gewissheit der mathematischen Grundsätze entsteht anscheinend aus der konstitutiven Unmittelbarkeit des Objekts. Alle Objekte benötigen eine extensive und eine intensive Größe, um konzipiert zu werden. Im Gegensatz dazu liefern die dynamischen Grundsätze aufgrund ihrer Mittelbarkeit zum Objekt eine indirekte und eine diskursive Gewissheit. Das bedeutet, dass ihre Synthese nicht gleichartig bleibt, sondern ungleichartig ist, weil von ihnen eine distinktiv vorstellbare Verbindung (unabhängig von der formalen Anschauung) verlangt wird. Dies lässt sich anhand der Struktur dieser Kategorien ausmachen. Um die dynamischen Kategorien konzipieren zu können, müssen ihre Korrelate gedacht werden, die als notwendige und untrennbare Teile dieser Funktionen des Denkens gelten.³¹ Kant bestimmt die dynamischen Kategorien und Grundsätze wie folgt: Ungleichartige Synthesis (nexus): physische Verknüpfung Kategorien der Relation Analogien der Erfahrung

Substanz und Akzidenz

Allgemeiner Grundsatz: „Erfahrung ist nur durch die Vorstellung einer notwendigen Verknüpfung der Wahrnehmung möglich.“ (KrV, B )³² . Grundsatz der Beharrlichkeit der Substanz: „Bei allem Wechsel der Erscheinungen beharret die Substanz, und das Quantum derselben wird in der Natur weder vermehrt noch vermindert.“ (KrV, B )³³

 „[S]o fern es notwendig zu einander gehört“ (KrV, B 202).  In der A-Auflage steht das Prinzip der Analogien der Erfahrung folgendermaßen: „Alle Erscheinungen stehen ihrem Dasein nach a priori unter Regeln der Bestimmung ihres Verhältnisses untereinander in einer Zeit.“ (KrV, A 177).  Die erste Analogie lautet in der A-Auflage: „Alle Erscheinungen enthalten das Beharrliche als den Gegenstand selbst und das Wandelbare als dessen bloße Bestimmung, d. i. eine Art, wie der Gegenstand existiert.“ (KrV, A 182).

4 Die synthetische Unterscheidung mathematisch-dynamisch

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Fortsetzung Ungleichartige Synthesis (nexus): physische Verknüpfung Kategorien der Relation Analogien der Erfahrung Ursache und Wirkung

Wechselwirkung zwischen dem Handelnden und Leidenden

. Grundsatz der Zeitfolge nach dem Gesetz der Kausalität: „Alle Veränderungen geschehen nach dem Gesetze der Verknüpfung der Ursache und Wirkung.“ (KrV, B )³⁴ . Grundsatz des Zugleichseins, nach dem Gesetze der Wechselwirkung, oder Gemeinschaft: „Alle Substanzen, so fern sie im Raume als zugleich wahrgenommen werden können, sind in durchgängiger Wechselwirkung.“ (KrV, B )³⁵

Ungleichartige Synthesis (nexus): metaphysische Verknüpfung Kategorien der Modalität Postulate des empirischen Denkens Möglichkeit und Unmöglichkeit

Dasein und Nichtsein Notwendigkeit und Zufälligkeit

. „Was mit den formalen Bedingungen der Erfahrung (der Anschauung und den Begriffen nach) übereinkommt, ist möglich.“ (KrV, B ) . „Was mit den materialen Bedingungen der Erfahrung (der Empfindung) zusammenhängt, ist wirklich.“ (KrV, B ) . „Dessen Zusammenhang mit dem Wirklichen nach allgemeinen Bedingungen der Erfahrung bestimmt ist, ist (existiert) notwendig.“ (KrV, B )

Obwohl die dynamischen Grundsätze aufgrund ihrer mittelbaren Gewissheit regulativ sind, bleiben sie notwendige Grundsätze für die Organisation der Erfahrung als System. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Synthese immer repräsentational ist: Was synthetisiert wird, sind Vorstellungen. Die homogene Synthese verbindet gleichartige Vorstellungen (aus der Unmittelbarkeit heraus). Die heterogene Synthese verbindet andersartige Vorstellungen (aus der Mittelbarkeit heraus). Die intellektuellen Vorstellungen repräsentieren nicht das Objekt, sondern eine Mediation des Objekts (deswegen sind sie die distinktiven Vorstellungen), oder wie das Objekt gedacht wird. Aber die sinnlichen Vorstellungen repräsentieren das Objekt selbst als Erscheinung, wie es gegeben ist.

 Die zweite Analogie lautet in der A-Auflage: „Alles was geschieht (anhebt zu sein), setzt etwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt.“ (KrV, A 189).  Die dritte Analogie lautet in der A-Auflage: „Alle Substanzen, sofern sie zugleich sind, stehen in durchgängiger Gemeinschaft (d. i. Wechselwirkung untereinander).“ (KrV, A 211).

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Die dynamische Synthese, Verknüpfung (nexus), wird ebenfalls eingeteilt: physische Synthese der Erscheinungen untereinander und metaphysische Synthese (d. h. dass „ihre Verbindung im Erkenntnis a priori“ liegt (KrV, B 202)).

c Mathematische und dynamische Synthese: konstitutiver und regulativer Gebrauch Das Kriterium der Gewissheit der Prinzipien (konstitutiv und regulativ) fundiert auf der Art des Mannigfaltigen. Aber wie genau soll dieses Mannigfaltige als gleichartig und ungleichartig verstanden werden? Mir scheint es entweder möglich zu sein, (a) dass die gleichartige Synthese die Verbindung (durch Zusammensetzung) von diversen Vorstellungen betrifft, die aber derselben Art angehören, nämlich Anschauung mit Anschauung. Die ungleichartige Synthese verbindet wiederum zwei verschiedene Vorstellungen, die aber zu unterschiedlichen Arten gehören, z. B. Anschauung mit Begriff, Begriff mit Empfindung (das Reale: Materie), usw. Oder, (b) dass bei Ersterer reine Vorstellungen miteinander (egal ob Anschauungen oder Begriffe) verbunden werden und bei Letzterer reine mit empirischen Vorstellungen. Die erste Möglichkeit käme allerdings nicht in Frage, denn dann wäre man außerhalb des kognitiven „Geschäfts“, in dem Anschauungen mit Begriffen verbunden werden sollen.³⁶ Letztere Möglichkeit scheint wiederum plausibler, aber es benötigt noch eine kleine Untersuchung, um dies zu überprüfen. Was sagt die Kantforschung dazu? Leider nicht viel, aber Adkins sieht es so: It is, in fact, the mathematical/dynamical distinction, which Kant introduces early in the analytic, that makes possible the constitutive/regulative distinction. Not only has the mathematical/dynamical distinction itself been disregarded, but the relation between the mathematical/dynamical and the constitutive/ regulative has been almost universally ignored by commentators. (Adkins 1999, S. 64.)

Adkins Diagnose hat sich in der Forschung in den letzten zwanzig Jahren nicht stark geändert.³⁷ Denn die Unterscheidung mathematisch-dynamisch und ihre

 Es sei denn, dass die Kategorien der Qualität und Quantität die Gründung der Anschauung sind, so wie die Kategorien der Relation und der Modalität die Gründung der Erfahrung sind.  „In the first place, Kant also draws the regulative/constitutive distinction within the concepts and the principles of understanding. The mathematical concepts and principles (of quantity and quality) are said to be constitutive, whereas the dynamical concepts and the principles (the analogies of experience governing substance, causality, and community; the postulates of empirical thought governing possibility, actuality, and necessity) are characterized as regulative“

4 Die synthetische Unterscheidung mathematisch-dynamisch

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Folgen bleiben bei vielen Autoren und Autorinnen unsichtbar. Aber ob diese Unterscheidung zugleich die der konstitutiven und regulativen parallel bestimmt und univok bleibt, wie Adkins behauptet, lässt sich noch diskutieren. Bei den Grundsätzen des reinen Verstandes kann man sie jedoch wiederfinden, denn die Axiome und Antizipationen (mathematische Grundsätze) sind konstitutiv, während die Analogien und Postulate (dynamische Grundsätze) regulativ für die Anschauung sind. Dort laufen die Parallelen problemlos, aber, ob diese Parallelität sich beim theoretischen und praktischen Gebrauch der Vernunft wiederfindet, lässt sich nur schwer rekonstruieren. Denn die theoretische Vernunft systematisiert regulativerweise den Inbegriff der reinen und empirischen Begriffe des Verstandes, die praktische wiederum bestimmt konstitutiv das Objekt der Moral durch freies Handeln.³⁸ Es sollte nicht vergessen werden, dass die Vernunft nicht nur einen irreführend dialektischen Gebrauch (aufgrund der Unmöglichkeit eines Beweises ihrer transzendenten Objekte) hat, sondern auch einen systematischen führenden Gebrauch. So wie in den mathematischen und dynamischen Paralogismen, Antinomien und Bestimmungen des Ideals der Vernunft, in denen der dialektische Gebrauch als theoretische Grenze dargestellt wird, wird aber seine Leistung nicht nur negativ eingeschätzt, sondern er wird gleichzeitig als Einfallstor zu ihrem praktischen Gebrauch eingeführt. Dieser ist nicht nur regulativ, sondern auch konstitutiv. Er ist nicht nur möglich, sondern auch notwendig. Aber er bedarf wiederum einer Dialektik. Dafür ist wesentlich, die dialektische Tätig-

(Friedman 1991, S. 75). Friedman erwähnt die „mathematisch-dynamisch“ Unterscheidung, ohne sie auf der Ebene der Synthesis zu erklären. Er interessiert sich mehr für die Rolle der Dichotomie „regulativ und konstitutiv“ in Rahmen der Opposition von Verstand und Vernunft in der ersten Kritik. Dabei bezieht er sich auch auf die Bedeutung der Differenzierung „regulativ und konstitutiv“ in der dritten Kritik. Aus diesem Problem ergibt sich eine andere Diagnose als die von der Unterscheidung mathematisch-dynamisch. Es gibt nämlich ein großes Interesse an der Debatte zwischen regulativ und konstitutiv. Im Kontext der KU wird die Unterscheidung „regulativ“ und „konstitutiv“ wiederaufgenommen, aber aus der Perspektive der Urteilskraft und ihrer Beurteilungsmodi. Dafür siehe McLaughlin (1989), Goy (2017), Ginsborg (2015), u.v. a. Dies wird in Kapitel III und IV behandelt.  Freiheit als Bestimmung des Subjekts: Was hat die Nichtunmittelbarkeit der Vorstellung eines Gegenstandes mit den dynamischen Grundsätzen zu tun? Warum erscheint in ihnen die Freiheit? Ist die Kausalität überhaupt unmittelbar? Nein, man benötigt immer etwas anders, um sie zu konzipieren. Wirkung und Ursache/Substanz und Akzidenz/Wechselwirkung und Gemeinschaft. Ist die Notwendigkeit unmittelbar? Nein. Die Deutung von der Entstehung der Freiheit aus den dynamischen Grundsätzen kann man auch in Adkins Argumentation finden: „The heterogeneous relation between the constituents of a dynamical relation allows for the possibility of unconditioned causality, or freedom. Kant is concerned to make a place for freedom, or for the practical employment of reason, and it is only by means of a dynamical relation that he can do so.“ (Adkins 1999, S.73).

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keit der Vernunft in ihrer theoretischen und praktischen Dimension in eine Disziplin derselben einzubetten, welche im Praktischen, jenseits des disziplinären theoretischen Gebrauchs, zu einer legitimen Doktrin verwandelt wird.³⁹ Die Notwendigkeit des praktischen Gebrauchs der Vernunft begründet sich in einem Faktum, dem des moralischen Bewusstseins (der praktischen Vernunft), und seinen Postulaten. Das Postulieren ist die Form, in der sich die metaphysische (ungleichartige) Synthese artikuliert, d. h. im theoretisch-empirisch-bezogenen Gebrauch, wie der Verstand (oder eben die Vernunft) qua Postulat des empirischen Denkens die Erfahrung regulativ nach den Kategorien der Modalität ihre Anwendung auf das Gegebene erklärt.⁴⁰ Das Analogieren hierbei ist die Form, wie die physische (ungleichartige) Synthese sich artikuliert, d. h. im theoretisch-empirisch-bezogenen Gebrauch stellt der Verstand ein qualitatives Verhältnis dar, wobei vorausgesetzt wird, dass die Erfahrung nur durch die Vorstellung einer notwendigen Verknüpfung des sinnlichen (objektbezogen) Wahrnehmbaren möglich ist. Postulate und Analogien sind nicht verantwortlich für die Konstituierung der Objekte der Erfahrung wie die Axiome und Antizipationen; sie sind jedoch für die Konstitution der Erfahrung selbst verantwortlich.⁴¹ Das metaphy-

 Es gibt mehrere Stellen in den Kritiken, die diese interpretative Zusammenfassung des Programms des kritischen Werks stützen. Eine von ihnen wird sehr deutlich im Paralogismen-Kapitel artikuliert, wo die Vernunft nur einen disziplinären, aber keinen doktrinären Gebrauch in ihrer theoretischen Dimension hat: „Es gibt also keine rationale Psychologie als Doktrin, die uns einen Zusatz zu unserer Selbsterkenntnis verschaffte, sondern nur als Disziplin, welche der spekulativen Vernunft in diesem Felde unüberschreitbare Grenzen setzt, einerseits um sich nicht dem seelenlosen Materialism in den Schoß zu werfen, anderseits ich nicht in dem, für uns im Leben, grundlosen Spiritualism herumschwärmend zu verlieren, sondern uns vielmehr erinnert, diese Weigerung unserer Vernunft, den neugierigen über dieses Leben hinaus reichenden Fragen befriedigende Antwort zu geben, als einen Wink derselben anzusehen, welches, wenn es gleich auch nur immer auf Gegenstände der Erfahrung gerichtet ist, seine Prinzipien doch höher hernimmt, und das Verhältnis so bestimmt, als ob unsere Bestimmung unendlich weit über die Erfahrung, mithin über dieses Leben hinaus reiche“ (KrV, B 422).  Diese Postulate des Denkens sind legitim, „weil sie ihren Begriff von Dingen überhaupt nicht vermehren, sondern nur die Art anzeigen, wie er überhaupt mit der Erkenntniskraft verbunden wird“ (KrV, A 235/B 287).  McLaughlin untersucht das Problem des Status der transzendentalen Voraussetzungen und Vernunftideen hinsichtlich der Dichotomie regulativ und konstitutiv. Über die Unterscheidung „mathematisch-dynamisch“ sagt er aber sehr wenig: „Thus at least the notion of necessity is no longer coupled to exceptionless generality and the constitution of objects. It is also true that Kant made some similar sounding distinctions when dealing with the Principles of Pure Understanding (Grundsätze) such that the Analogies and the Postulates were merely regulative for intuition, but constitutive of experience.“ (McLaughlin 2014, S. 556 f.). Gewinnbringender ist aber, was er in Bezug auf den Anhang der ersten Kritik darüber berichtet: „In the Appendix Kant reaffirms his position in connection with the regulative, not constitutive, use of some ideas of how to classify

5 Deutung der Unterscheidung mathematisch-dynamisch

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sische Postulieren und physische Analogieren wird letzten Endes vom Faktum der Materie abhängen. Die Materie ist kein transzendentales Prinzip, sondern ein Prinzip, welches ein ontophysisch gegebenes Korrelat für die Analogien der Erfahrung und ein ontometaphysisches für die Postulate des empirischen Denkens bildet.⁴²

5 Deutung der Unterscheidung mathematisch-dynamisch angewandt auf das Erhabene Das Ziel dieses Kapitels ist zudem, bei der Unterscheidung des Erhabenen in mathematisch und dynamisch eine Parallelität aufzuzeigen. Aber die Bezeichnungen „konstitutiv und regulativ“ erfahren eine zu Adkins Vorschlag konträre Zuschreibung (Adkins 1999, S. 64): Dass die mathematischen Prinzipien als konstitutiv und die dynamischen als regulativ in Bezug auf die Erfahrung betrachtet werden können, heißt nicht, dass in jedem Fall die Bezeichnungen regulativ und konstitutiv hinsichtlich dieses Kriteriums zugeschrieben werden. Wenn man die Unterscheidung mathematisch-dynamisch bis zur Vernunft ausdehnt, sieht man, dass diese Parallelität nicht mehr univok bleibt, denn die Vernunft ist in ihrem praktischen Gebrauch konstitutiv, während sie in ihrem theoretischen Gebrauch nur regulativ ist. Der Ursprung der Unterscheidung theoretisch-praktisch verhält sich m. E. orthogonal zu dem der Unterscheidung mathematisch-dynamisch. Dies lässt sich auf verschiedene Weise aufzeigen. Aus den dynamischen Antinomien entspringt z. B. die Möglichkeit (als problematischer Begriff) ein nichtsinnliches Mitglied in der Reihe der Erscheinungen: die Freiheit in der dritten Antinomie und das schlechthin notwendige Wesen in der vierten Antinomie. Diese kantische Öffnung des theoretischen Gebrauchs zum praktischen, die Welt nicht nur als mathematisch, sondern als eine dynamische Natur zu betrachten,⁴³ ergibt sich auf der spekulativen Ebene dank der dynami-

concepts or things. At KrV, B 692 (referring back to KrV, B 221 f.) he distinguishes three ways (or at least two and a half) of being constitutive: (1) constitutive of intuition (the mathematical categories); (2) constitutive of a priori concepts (the dynamical categories); and (3) constitutive of empirical concepts. But although the principles discussed cannot have a constitutive use, nonetheless they might have some kind of objective validity for the construction or ordering of specifically empirical concepts.“ (McLaughlin 2014, S. 565).  Siehe Einleitung der KU und Vorwort der Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können.  Siehe die Unterscheidung Welt als mathematisches Ganze und als dynamisches Ganze in System der kosmologischen Ideen (KrV, A 418 – 420/ B 446 – 448).

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schen Prinzipien. Zwei Elemente sind wesentlich für eine solch praktische Öffnung: die Existenz als Faktum der Freiheit und das Übersinnliche (als Unbedingtes) als Möglichkeit einer Notwendigkeit. Beim Erhabenen zeigt sich, dass die mathematische Stimmung der Einbildungskraft, die selbst Affektion/Reaktion ist, sich mit dem Erkenntnisvermögen verbindet, wo die theoretische Vernunft nur „regulativ“ sein kann; die dynamische Stimmung der Einbildungskraft verbindet sich mit dem Begehrungsvermögen, wo die praktische Vernunft konstitutiv handelt. Im Detail behandle ich diesen Punkt systematisch in den Kapiteln IV und V. Für den in dieser Arbeit skizzierten Interpretationsvorschlag ist auf eine notwendige Paradoxie in der Verknüpfung des Sinnlichen und Nichtsinnlichen aufmerksam zu machen, welche aber letztlich ästhetisch in einer teleologischen Erhabenheit der Vernunft hierbei begründet wird. Wenn Kant sagt, dass die dynamischen Kategorien der Existenz der Objekte obliegen, dann kann dies nicht a priori feststehen, weil die Existenz immer etwas Empirisch-Materielles ist. Und wenn er die ungleichartige Synthese thematisiert, scheinen m. E. reine Aspekte des Subjekts mit empirischen Aspekten der Welt gemischt zu werden. Die gleichartige Synthese ist dem Objekt konstitutiv, weil ihre Grundsätze die Formen enthalten, wie uns die Objekte als solche gegeben werden können, unabhängig davon, ob sie gegeben oder nicht gegeben sind. Letztlich ist es der reine Inhalt, welcher alle möglichen empirischen Inhalte modelliert. Aber wie sieht diese Parallelität beim Erhabenen aus? Beim mathematischen Erhabenen kann die Anschauung selbst nicht geformt werden. Aber nicht wie in Peña Aguados′ Argumentation (1995), in der sie behauptet,⁴⁴ dass die synthetische Apperzeption nicht in der Lage ist, diese Erscheinung (die das Erhabene erweckt) zu synthetisieren, sondern es ist die eigene Rezeptivität des Subjekts, welche es nicht schafft, den ganzen sinnlichen Inhalt des Objekts zu geben. Es ist die Sinnlichkeit, welche ihre Endlichkeit zeigt, indem sie beinahe eine Erfahrung des Unendlichen macht. Die Vernunft weiß, dass es nichts Unendliches in der sinnlichen Welt gibt. Aber dieses Moment des Urteils kommt danach. In der ästhetischen Beurteilung selbst ist es die Endlichkeit, welche die Unendlichkeit ans Licht bringt. Es ist die Erfahrung der subjektivperzeptiven „Endlichkeit“, welche die Unendlichkeit des Subjekts aktiviert. Die Anschauungen sind endliche Totalitäten. In der Erfahrung des mathematischen Erhabenen erscheint eine Intuition, die nicht totalisiert werden kann und dies ist die Erfahrung, welche die unendliche Totalität als Idee der Vernunft zur Vorstellung bringt.

 Diese Problematik wird bereits in der Einleitung erläutert und in Kapitel V wiederaufgenommen.

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Im dynamischen Erhabenen ist der Prozess der Beurteilung anders als beim mathematischen. Es geht vor allem nicht darum, dass ein bloßes Objekt in seiner Totalität aufgefasst und zusammengefasst werden kann, sondern darum, dass diesem Objekt eine physische Kraft (Macht) innewohnt, welche unserer physischen Kraft im Vergleich unschätzbar überlegen ist. Das Subjekt verbindet sich hier auch mit seiner Sinnlichkeit, aber nicht als Erkenntnisvermögen, sondern als Begehrungsvermögen. Was wird vom Subjekt in dieser Erfahrung begehrt? Sein eigenes Leben, erst auf der physischen Ebene, danach auf der metaphysischen (als moralisches Lebewesen). Beim mathematischen Erhabenen ergibt sich die Beurteilung aus der Perspektive der Urteilskraft linienförmig, beim dynamischen kreisförmig.⁴⁵ Kant identifiziert bewusst die metaphysischen Grundätze in seiner Erkenntnis-Theorie mit einem spezifischen Kriterium der Evidenz. Er entschied sich dafür, sie als Postulate (bei der dynamischen Synthese) und nicht als Axiome (bei der mathematischen Synthese) zu benennen. Die physischen Grundsätze, nämlich die Analogien der Erfahrung, definiert er als Verhältnis und nicht als Bestimmung der Objekte, wie bei den Axiomen der Anschauung und den Antizipationen der Wahrnehmung. Die Analogien benötigen die Existenz, das Dasein der Objekte, aber nicht nur die Existenz der Objekte, sondern auch die des Subjekts. Die Analogien der Erfahrung stellen eine etwas längere Erläuterung für die kurze Widerlegung des Idealismus bei den Postulaten dar. Das Innere (als Subjekt verstanden) benötigt notwendigerweise das Äußerliche (als Objekt verstanden) zum Existieren.⁴⁶ Der äußere Sinn, seiner Materie nach, gründet faktisch den inneren Sinn, seiner spontanen Vorstellungsvermögen nach.⁴⁷ Faktisch vollzieht es sich auf diese Weise, transzendental aber umgekehrt.

 Die Urteilskraft sowohl in ihrem reflektierenden als in ihrem bestimmenden Gebrauch entfaltet ihre Zweckmäßigkeit, entweder autonom aus sich selbst heraus oder heteronom in der Welt beurteilend und handelnd, für sich selbst wiederum heautonom kontemplativ beurteilend. Die ästhetische Zweckmäßigkeit ist ihr transzendentales Prinzip. Sie wendet sie auf die Welt an und macht u. a. rein ästhetische Erfahrungen wie die des Schönen und des Erhabenen. Hier wiederholt sich diese Bewegung, genauso wie in der Architektonik des Denkens.  „[D]as Bewußtsein meines eigenen Daseins ist zugleich ein unmittelbares Bewußtsein des Daseins anderer Dinge außer mir. […] Allein hier wird bewiesen, daß äußere Erfahrung eigentlich unmittelbar sei, daß nur vermittelst ihrer, zwar nicht das Bewußtsein unserer eigenen Existenz, aber doch die Bestimmung derselben in der Zeit, d.i. innere Erfahrung möglich sei. […] so, daß folglich innere Erfahrung selbst nur mittelbar und nur durch äußere möglich ist.“ (KrV, B 277).  Für ein empirisches und apriorisches Verständnis der Mittelbegriffe (wie der des Körpers) siehe Emundts (2004). Für die Bedeutung des Körpers als teleologischen Übergang zwischen Physik und Metaphysik siehe Pickhan (2019) „Es hat sich gezeigt, dass der Körperbegriff a priori hergeleitet werden kann. Außerdem wurde die Interpretation nahegelegt ihn als sog. ‚Mittelbe-

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Das Leben des Subjekts ist kein mathematisches Konstrukt, sondern ein dynamisches sich gegenseitig aufbauendes von Erfahrungen und Handlungen. Wenn das Reale materiell vorhanden ist und ein freies Subjekt damit konfrontiert wird, was passiert dann? Wird das Subjekt zwiegespalten sein? Wird das Subjekt nur theoretisch sein? Wird das Subjekt nur praktisch sein? Nein! Das Subjekt ist eins. Das empirische Bewusstsein, welches – wie wir gesehen haben – vom transzendentalen begründet wird, ist gleichzeitig das praktische Bewusstsein. Mit diesem wird reagiert und dementsprechend gehandelt. Es ist ein lebenslanger Prozess, in dem alle Subjekte, welche auch Teil der Erfahrung sind, in einer notwendigen „Verknüpfung“ miteinander (und der Welt) stehen. Das Subjekt selbst enthält in sich eine ungleichartige Synthese: Es ist einerseits sinnlich und andererseits übersinnlich. In der Analytik des Erhabenen werden verschiedene Kategorien angewandt, um dasselbe Objekt zu beurteilen: das Erhabene. Das Erhabene ist weder ein Objekt aus der Erfahrung noch ein erfahrungsunabhängiges Objekt, sondern ein vom Subjekt erschaffenes Objekt. Nicht nur aus diesem Grund soll vermieden werden, von zwei verschiedenen Objekten des Erhabenen zu reden, sondern auch, weil das Objekt des Erhabenen das Übersinnliche ist, von dem wir nichts wissen können. Beim mathematischen Erhabenen wird das Urteil nicht auf die Existenz des Subjekts bezogen wie beim dynamischen. Die Tatsache, dass die Existenz des Subjekts an das Urteil des dynamischen Erhabenen gebunden ist, ändert nichts am beurteilten Objekt, denn die Existenz ist „kein reales Prädikat“ (KrV, A 589/ B 626). Dies ist natürlich aus der spekulativen Perspektive und nicht aus der praktischen betrachtet – in dieser spielt die Existenz doch eine wesentliche Rolle. Und das ist der Grund, warum das dynamische Erhabene mit dem Begehrungsvermögen und der praktischen Vernunft verbunden wird und nicht das mathematische. Weil jenes das Subjekt in der Dimension des Agierens betrachtet, d. h. als moralisches, lebendiges Wesen. Im mathematischen Erhabenen spielt die Moralität des Subjekts keine Rolle, sondern nur sein Intellekt, welcher fähig ist, das Unendliche zu konzipieren. Das ist der Grund, warum dieses sich mit den Erkenntniskräften und der theoretischen Vernunft verbindet. In der Beurteilung des Erhabenen wird durch die reflektierende Urteilskraft die mathematische Stimmung der Einbildungskraft mit dem theoretischen Gegriff‘ (sowohl a priori als auch empirisch) zu lesen. Die Teleologie ist mit dem Körper als Endzweck noch tiefer in Kants Systemphilosophie verankert. Systematisch hat das den Vorteil, dass die Zweckmäßigkeit, wie ursprünglich schon in der KU beabsichtigt, nun im Opus postumum tatsächlich einen Übergang konstruiert, da sie a priori mit empirisch, also Metaphysik mit Physik, verbindet.“ (Pickhan 2019, S. 121).

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brauch der Vernunft (Erkenntnisvermögen) und die dynamische Stimmung der Einbildungskraft mit dem praktischen Gebrauch der Vernunft (Begehrungsvermögen) verbunden.

a Allgemeine Erläuterung des Problems In der Kritik der Urteilskraft wird das ästhetische Urteil des Erhabenen eingeteilt in das mathematische und das dynamische Erhabene. Kant betitelt §24: Von der Einteilung einer Untersuchung des Gefühls des Erhabenen. Zunächst könnte vermutet werden, dass diese Einteilung sich nur auf die Analytik des Gefühls bezieht und nicht auf das Gefühl selbst. Dementsprechend wäre das Erhabene entweder nur ein einziges Gefühl mit zwei Beurteilungsmodi (mathematisch und dynamisch), oder es gäbe aufgrund der Einteilung dieses ästhetischen Urteils zwei unterschiedliche Gefühle des Erhabenen. Dies genau werde ich in den nächsten Kapiteln diskutieren. Nun stelle ich vorläufig fest, dass das Gefühl zwei Modi hat, aber das wahre Objekt des Erhabenen nur ein einziges ist. Es muss nun erklärt werden, wie sich die gleichartige Synthese im mathematischen Erhabenen auf eine extensive und intensive Weise ergibt, also per Aggregation und Koalition. Beim dynamischen Erhabenen muss es eruiert werden, inwiefern sich die ungleichartige Synthese auf eine physische und metaphysische Weise ergibt. Dies würde bedeuten, dass die subjektive Zweckmäßigkeit der reflektierenden Urteilskraft sich beim mathematischen Erhabenen auf eine gleichartige Weise, wohingegen sich die subjektive Zweckmäßigkeit beim dynamischen Erhabenen in ungleichartiger Weise ereignet.

b Das mathematische Erhabene: ästhetisch-bedingte gleichartige Synthese? Aggregation und Koalition: Quantität und Qualität Zunächst soll erwähnt werden, dass es beim Erhabenen um die ästhetische und nicht um die numerische (wie bei der Anwendung der bestimmenden Urteilskraft) Einschätzung der Größe geht. Um ein angeschautes Quantum (empirisch) einzuschätzen, soll die Einbildungskraft zwei Tätigkeiten oder Synthesen realisieren: Auffassung (apprehensio) und Zusammenfassung (comprehensio aesthetica). Die erste, sagt Kant, kann „unendlich“ fortgehen, aber die zweite habe bald ihr Maximum erreicht, dies ist „die ästhetisch größten Grundmaße der Größenschätzung“ (KU, AA 05: 252). Dieses Maximum genügt dem möglichen vorstellbaren aufgenommenen Progressus in der Anschauung einer Erscheinung nicht, die das Erhabene evoziert. Die von diesem Prozess erzeugte Unangemessenheit wird

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durch die eigene Tätigkeit der Einbildungskraft enthüllt. Was vor einem solchen Objekt erscheint, ist die synthetische Unfähigkeit der Einbildungskraft, indem sie der Sinnlichkeit mit der Auffassung dient. Aus dieser sinnlichen Unfähigkeit erfolgt die von der Vernunft verlangte Totalität, was m.a.W. die Vorstellung der gegebenen Unendlichkeit ist, die „potenziell“ durch die Auffassung erreichbar wäre, aber genauer gesagt nur eine Aspiration der Einbildungskraft bleibt, da die Unendlichkeit als solche nicht anschaulich werden kann. An dieser Stelle ergibt sich eine neue Unangemessenheit, aber jetzt aus der Vernunft heraus zur Einbildungskraft, da es keine mögliche Darstellung von der Totalität oder Unendlichkeit gibt, welche von der Vernunft verlangt wird. Dies aber erweitert die Einbildungskraft in ihrer eigenen Tätigkeit, indem sie eine höhere Beschränkungsart als das vorher beschriebene Maximum entdeckt. Diese sinnliche Beschränkung verwandelt sich nun aber in eine intellektuelle Unbeschränktheit, die Bericht über die übersinnliche Bestimmung des über das Erhabene beurteilende Subjekt erstattet. Nun aber, wie lässt sich dies mit der beschriebenen gleichartigen Synthese verbinden? Die sinnlich-homogenen Teile, die nicht zusammengefasst werden können, sind das Gleichartige, synthetisierbar seitens des Objekts in der Erfahrung des Erhabenen. Aber in der ästhetischen Beurteilung geht es vordergründig nicht um das Objekt, sondern um das Subjekt. Das Objekt wird vom Gemüt des Subjekts reflektiert. Diese ästhetische Reflexion bedeutet, dass die ästhetische Zweckmäßigkeit aus der Verbindung des Objekts mit dem Gemütszustand des Subjekts entsteht. Im Fall des Erhabenen geschieht sie auf eine reine Weise, da ihre interessenlose Ermöglichung weder von einer Empfindung noch von einem bestimmten Begriff abhängt. Also müssen sowohl das Subjekt als auch das Objekt etwas als Element zur Synthese beitragen: Was trägt das Objekt zur Synthese im mathematischen Erhabenen bei? Was trägt das Subjekt bei? Die Auffassung des gestirnten Himmels über mir kann ich prinzipiell ins Unendliche fortführen (Aggregation), aber die Zusammenfassung hat laut Kant ein ästhetisches Maximum. Ein weiter und weiter sinnliches Apprehendieren ist an sich möglich, aber die Einheit eines Phänomens, welches das Erhabene evoziert, kann nicht zusammengefasst werden, d. h. die Vorstellung dieser Erscheinung wird nicht zu einer Einheit ihrer Ganzheit gebracht. Das bedeutet, dass die Synthese dieser ganzen Wahrnehmung nicht stattfindet. Es ist ein unvollständiges Materielles, welches seitens des Objekts als Element für die Synthese gegeben wird. Die Vernunft seitens des Subjekts vermittelt bei dieser ästhetischen Beurteilung die Idee der Totalität, welche ebenfalls keine Darstellbarkeit hat. Aber die Idee der Totalität bezieht sich auf den Kosmos, auf das Sinnliche. Die Totalität als Inbegriff aller Erscheinungen wäre mit der ästhetischen vorstellbaren Totalisierungsunfähigkeit in der Synthese der Wahrnehmung als gleichartig betrachtet, da

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es um dar-vorstellbares Sinnliches geht: Sinnliches, welches unsere Sinnlichkeit weder – im Fall der Ganzheit des Objekts – vorstellen kann noch – im Fall der Idee der Totalität – darstellen kann. Die reflektierende Zweckmäßigkeit erweist sich als gleichartig, aber nicht, weil das Mannigfaltige unter demselben Begriff subsumiert werden kann, sondern weil die Beurteilung das Zusammentreffen zweier nicht vorstellbarer Totalitäten ist, die sich gegenseitig annullieren (Koalition), wobei kein komplettes Bild zustande kommen wird. Das darstellbare Objekt wird nicht als Einheitliches vorstellbar, d. h. wird nicht Anschauung eines Objekts in seiner Totalität; das Vorstellbare in der Idee wird nicht darstellbar. Die Unmittelbarkeit wird nicht mittelbar, weil die Einbildungskraft keine Anschauung der Totalität des Objekts geben kann. Die Mittelbarkeit wird nicht unmittelbar, weil die Einbildungskraft keine Anschauung der Totalität geben kann. Aber das Bild des Nichtvorstellbaren ist gleichzeitig die Erweiterung der Einbildungskraft, d. h. das Unendliche ästhetisch zu reflektieren. In Bezug auf das mathematische Erhabene versucht die Einbildungskraft, die Teile eines in der Anschauung gegebenen Objekts aufzufassen, dessen Größe sie in einer einzigen sinnlichen Vorstellung nicht zusammenfassen kann. Um diese Aufgabe zu erfüllen, wird die ästhetische Urteilskraft eine Idee der Vernunft benötigen, die fähig ist, alle mögliche sinnliche Größe zusammenzufassen. So konkludiert die Synthese bei der mathematischen Beurteilung des Erhabenen. Die Synthese ist gleichartig, weil sie zwei sinnliche Nichtdarstellbarkeiten zusammensetzt.

c Das dynamische Erhabene: ästhetisch-bedingte ungleichartige Synthese? Physische und metaphysische Synthese: Relation und Modalität Das dynamische Erhabene wird durch gewisse Machtdemonstrationen (stürmisches Meer, Erdbeben, Tsunamis, Strom, Orkane, Vulkane usw.) in der Natur erweckt. Diese Erscheinungen können eine Art von Angst, Bewunderung, Achtung oder Erstaunen im Subjekt provozieren. Solche Erscheinungen werden als erhabene beurteilt, weil es keine Möglichkeit gibt, eine menschliche Gewalt gegen sie auszuüben, insofern unsere Kräfte im Vergleich zur Macht der Natur auf null reduziert werden. Die von dieser Erfahrung erzeugte Art von Angst darf sich nicht des Gemütszustands des Subjekts bemächtigen. Wäre dies der Fall, dann ergäbe sich nicht das Zustandekommen eines Urteils des Erhabenen, weil das Erhabene gefällt (Unlust-Lust).⁴⁸ Obwohl die Beurteilung des dynamischen Erhabenen ei-

 Wenn die Lust beim Erhabenen in der Quantität zu finden ist, ist dem so, weil ein Maß der

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nen Gegenstand der Furcht erfordert, darf das Subjekt sich nicht vor ihm fürchten. Es wird lediglich dazu gebraucht, einen gewissen Abstand zu diesem Gegenstand zu wahren und sich in Sicherheit zu bringen, um dieses Urteil fällen zu können.⁴⁹ Diese Beziehung zwischen der Macht der Natur und der physischen Machtlosigkeit des Subjekts kann „die Seelenstärke über ihr gewöhnliches Mittelmaß erhöhen, und ein Vermögen zu widerstehen von ganz anderer Art in uns entdecken lassen, welches uns Mut macht, uns mit der scheinbaren Allgewalt der Natur messen zu können“ (KU, AA 05: 261). Betrachten wir den Ausdruck „ein Vermögen zu widerstehen von ganz anderer Art in uns“ (KU, AA 05: 261). Was sagt dies aus? Die Macht des Subjekts, die nicht von einer anderen Art ist und nicht aus der Natur stammt, ist die interne und subjektive Offenbarung der Freiheit (keine Objektivierung der Freiheit, wie Clewis (2009) behauptet).⁵⁰ Beim dynamischen Erhabenen ist die Einbildungskraft wie beim mathematischen unfähig, ihre Tätigkeit auszuführen. Aber dies ergibt sich auf eine andere Weise, es geht um die Ungeheuerlichkeit der Wirkung des Gegebenen, oder um die Größe der Kraft als Grundbestimmung von Macht und Gewalt. Die Einbildungskraft ist unfähig, eine einheitlich bestimmte Vorstellung von der Größe der Kraft zu gewinnen. Wie messen wir diese Kraft? Durch Widerstand, d. h. durch eine Gegenkraft. Physisch ist die Gegenkraft der Körper des Subjekts sein Dasein. Metaphysisch ist die Gegenkraft die notwendige Freiheit des Subjekts, welche als Gegenkraft zur Kraft verstanden wird. Dadurch bekommt die Freiheit sozusagen die Qualität, ein Maß zu sein. Die Synthese ist in diesem Fall ungleichartig und umfasst die komplexe Existenz des Subjekts.⁵¹ Die sinnliche Natur und die übersinnliche Freiheit des Subjekts verbinden sich als „die ungleichartigen Teile“ der Verknüpfung des ästhetischen Urteils des dynamischen Erhabenen. Die Notwendigkeit dieses ästhetischen Urteils beruht auf dem moralischen Gefühl in der Menschheit. Laut Kant hat, wer das Schöne in der Natur nicht sehen kann, keinen Geschmack. Wer aber das Erhabene nicht beurteilen kann, hat kein Gefühl. Die Urteilskraft bezieht in der Beurteilung des Erhabenen die EinbilTotalität sich präsentiert: die Totalität der Welt und die Totalität des Subjekts (seine moralische Existenz).  Laut Pries wird Kants Ästhetik des Erhabenen aufgrund dieses Scheincharakters der Gefahr als eine bürgerliche Sofaästhetik angesehen (Pries 1995, S. 55 – 56).  Zu dieser m. E. nicht kantischen Interpretation des Erhabenen als ein moralisches Urteil habe ich in „Una crítica a lo sublime moral en Clewis y una defensa a lo sublime dinámico en Kant“ (2017) berichtet.  Hier ist eine Existenz-Beziehung zu finden, aber gerichtet auf das Subjekt. Der ganze transzendentale Apparat wird nun nicht auf Objekte bezogen, sondern auf das Subjekt, da es sich um ästhetische Urteile handelt. Denn als ästhetisches Urteil verbindet sich die Existenz mit dem Subjekt und nicht mit dem Objekt wie in den dynamischen Grundsätzen des reinen Verstandes.

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dungskraft auf die Vernunft als Vermögen der Ideen. Diese ästhetische Beziehung ist von „einer subjektiven Voraussetzung (die wir aber jedermann ansinnen zu dürfen uns berechtigt glauben)“ (KU, AA 05: 266) gefordert, nämlich von „der des moralischen Gefühls im Menschen, und hiermit auch diesem ästhetischen Urteile Notwendigkeit beilegen“ (KU, AA 05: 266) kann. Wenn die Sinnlichkeit doch nicht synthetisch ist, wie kann man dann das Mannigfaltige an sich unterscheiden und über ungleichartiges Mannigfaltiges reden? Wenn eine Unterscheidung als solche ein „Definieren“ benötigt, müsste schon eine begriffliche Anwendung stattfinden. Mein Punkt ist: Die gleichartige Synthese bezieht sich auf formales Mannigfaltiges, die ungleichartige Synthese bezieht sich auf materiales (inhaltsvolles) Mannigfaltiges. Anders ausgedrückt, bei der ungleichartigen Synthese haben wir es entweder mit verschiedenen Vorstellungsarten zu tun (sinnlich und begrifflich) oder mit verschiedenen Wesen (dem Objekt der Ursache und dem Objekt der Wirkung) oder nicht mit Vorstellungen (vom Geist erschaffen), sondern mit etwas Materiellem und etwas Formalem. Aber bei der Beurteilung des dynamischen Erhabenen kommt die Existenz ins Spiel. Das ist der qualitative Unterschied. Aber inwiefern ist die Beurteilung anders? Die Existenz kann nicht vorausgesetzt werden. Entweder gibt es sie oder nicht; sie ist keine formale Vorstellung. Ihr Sich-Geben hat eine direkte Verbindung mit der Materialität der Objekte, d. h. mit ihrer Kraft und ihrer Trägheit. Dynamischerweise ergeben sich zwei qualitative Unterscheidungswelten: Natur und Freiheit. In der Existenz treffen sich diese zwei notwendigen Aspekte des Subjekts: sinnlich und übersinnlich. Jenseits dieser qualitativen Unterscheidung bleibt noch die zwischen Sein als Denken und Existenz als Materie (das materiale Wesen versus das formale Wesen).⁵² Dies sind zwei verschiedene Dinge, die hierbei am Beispiel des Erhabenen wiederzufinden sind: Das eine ist die Analyse des Urteils des Erhabenen, das andere ist das Fällen des Urteils (das Gefühl). Beim zweiten braucht man diese ganze Theorie nicht, es muss nur ein endliches vernünftiges, moralisches Wesen da sein, das mit einer derartigen Erfahrung konfrontiert ist.

 Die Materie lässt sich kritisch-philosophisch nicht ableiten. Die Materie ist ein physisches und metaphysisches Prinzip, nicht ein transzendentales, welches aus einer Deduktion stammen kann, ihre Eigenschaft usw. folgen aus ihrer Definition und sind dadurch notwendig.

Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen Dieses Kapitel hat drei Aufgaben. Die erste Aufgabe lautet, im Allgemeinen die Ähnlichkeiten und die Unterschiede zwischen dem Urteil des Schönen und dem Urteil des Erhabenen aufzuzeigen. Dazu werden einerseits die zwei Einleitungen der KU und anderseits die Analytik der ästhetischen Urteilskraft der KU zu betrachten sein. Hauptsächlich wird §23 behandelt, aus dem eine zusammenfassende Darstellung des jeweiligen Urteils zu entnehmen ist. Zunächst wird erörtert, inwiefern diese ästhetischen Urteile als Urteile a priori verstanden werden können. In einem ersten Schritt müssen wir uns fragen, was Kant unter einem ästhetischen Urteil versteht und inwiefern ein solches Urteil als „rein“ charakterisiert werden kann. Nachdem wir dies bestimmt haben, werden wir weitergehend fragen können: Sind das Schöne und das Erhabene ästhetische Urteile a priori? Worin bestehen sie als reine ästhetische Urteile? Welches sind ihre jeweiligen Bestimmungsgründe? Welche transzendentalen Vermögen sind zum Gebrauch dieser Urteile notwendig? Auf diese Weise wird das Schöne und das Erhabene einerseits verglichen. Andererseits wird entschieden, ob die Bedingungen für die „Reinheit“ der Urteile in beiden Fällen gegeben sind. Reinheit und Apriorität der Urteile fließen bei Kant begrifflich ineinander, gleichzeitig divergieren sie definitorisch. Die zweite Aufgabe dieses Kapitels lautet, die innere Dualität des Erhabenen als Geistesgefühl und Gefühl des Übersinnlichen im Hinblick auf die folgenden Punkte genau zu erläutern: 1. Interagierende Vermögen: Einbildungskraft und Vernunft und 2. Als gemischtes Gefühl der Lust und Unlust mit den zwei Momenten der reflektierenden Urteilskraft: Zweckwidrigkeit mit der Einbildungskraft und Zweckmäßigkeit mit der Vernunft. Die dritte Aufgabe lautet, die äußere Dualität des Erhabenen als Geistesgefühl und Gefühl des Übersinnlichen zu betrachten: 1. Das mathematische Erhabene: Objektive Größe als subjektive Unendlichkeit und 2. Das dynamische Erhabene: Objektive Macht als subjektive Freiheit.

1 Das ästhetische Urteil Im Folgenden wird das ästhetische Urteil im Rahmen der KU erläutert. Es wird dabei bewertet, ob die reinen ästhetischen Urteile zur transzendentalen Philosophie Kants gehören. Die zwei reinen ästhetischen Urteile, das Schöne und das Erhabene, werden letztlich verglichen und charakterisiert. https://doi.org/10.1515/9783110979916-006

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a Eigentümlichkeit des ästhetischen Urteils Für Kant bestimmen die ästhetischen Urteile nicht ihr Objekt (KU, AA 05: 189). Sie beziehen sich auf den Gemütszustand des Subjekts und zwar auf denjenigen Gemütszustand, welcher im Subjekt „unmittelbar“ nach der Affizierung des Objekts vorkommt (KU, AA 05: 203). In dem Geschmacksurteil „x ist schön“ benennen wir keine bestimmte Qualität des Objekts (das Prädikat „Schönsein“), sondern wir beziehen uns lediglich auf unsere Stimmung bezüglich der Vorstellung von diesem Objekt. Auch wenn wir sagen: „x ist angenehm“, benennen wir keine Eigenschaft, die x tatsächlich zukommt. Es ist auch möglich, dass x nur für uns angenehm ist, für jemand Anderen hingegen nicht. Es geht also um einen Subjektbezug und keinen Objektbezug bei der ästhetischen Beurteilung. In beiden Fällen haben wir mit ästhetischen Urteilen zu tun, wenn auch von verschiedener Art. In beiden Urteilen arbeitet die reflektierende Urteilskraft und nicht die bestimmende Urteilskraft. Die Aufgabe der Urteilskraft, sowohl der reflektierenden als auch der bestimmenden, ist es, das Besondere unter das Allgemeine zu subsumieren (KU, AA 05: 180). Im theoretischen Bereich ist es der Verstand, der das Gesetz für die Subsumption gibt, im praktischen Bereich die Vernunft (KU, AA 05: 175). Die reflektierende Urteilskraft hingegen bezieht ihr Gesetz, das heißt ihr Prinzip a priori, von keiner äußeren Instanz, sondern muss es sich selbst geben. Dies tut sie auf eine rein subjektive Art, da sie nicht objektiv bestimmen kann, wie es im Bereich des Theoretischen und Praktischen möglich ist: Diese Gesetzgebung müsste man eigentlich Heautonomie nennen, da die Urteilskraft nicht der Natur, noch der Freiheit, sondern lediglich ihr selbst das Gesetz gibt und kein Vermögen ist, Begriffe von Objekten hervorzubringen, sondern nur mit denen, die ihr anderweitig gegeben sind, vorkommende Fälle zu vergleichen und die subjektive Bedingungen der Möglichkeit dieser Verbindung a priori anzugeben. (EEKU, AA 20: 225)

Eben diese reflektierende Urteilskraft besteht aus zwei Vermögen, nämlich: 1. der ästhetischen Urteilskraft, die als „das Vermögen, die formale Zweckmäßigkeit (sonst auch subjektive genannt) durch das Gefühl der Lust oder Unlust“ zu beurteilen definiert ist, und 2. der teleologischen Urteilskraft, die als „das Vermögen, die reale Zweckmäßigkeit (objektive) der Natur durch Verstand und Vernunft zu beurteilen“ (KU, AA 05: 193) definiert ist. Ich ziehe hier nur die ästhetische Urteilskraft in Betracht, da ich an diesem Punkt an der Profilierung der Urteile über das Schöne und das Erhabene inter-

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essiert bin, noch nicht an der teleologischen Urteilskraft.¹ Zunächst muss deshalb geklärt werden, was Kants Definition der ästhetischen Urteilskraft impliziert. Einerseits muss beachtet werden, dass die Seelenvermögen auf drei Vermögen reduziert werden können (KU, AA 05: 178): das Erkenntnisvermögen, das Gefühl der Lust und Unlust, und das Begehrungsvermögen. Jedes dieser Seelenvermögen hat ein oberes Vermögen als Gesetzgeber. Der Gesetzgeber ist beim Erkenntnisvermögen der Verstand, dessen Prinzip a priori die Gesetzmäßigkeit der Natur ist; beim Gefühl der Lust und Unlust die Urteilskraft, deren Prinzip a priori die Zweckmäßigkeit ist; und beim Begehrungsvermögen die Vernunft, deren Prinzip a priori der Endzweck ist.² Daraus folgt zweierlei: Erstens, in dieser Struktur ist es die Urteilskraft, die zwischen dem Verstand und der Vernunft vermittelt. M. a. W., die Urteilskraft macht den Schritt vom Praktischen zum Theoretischen (KU, AA 05: 176 f.). Zweitens, die ästhetische Urteilskraft ist es, welche das Prinzip für die Bestimmung des Gefühls der Lust und Unlust gibt, um den Gemütszustand des Subjekts im Zusammenhang mit einer gegebenen Vorstellung zu beurteilen. Der Gegenstand dieser Vorstellung wird „alsdann nur darum zweckmäßig genannt, weil seine Vorstellung unmittelbar mit dem Gefühle der Lust verbunden ist: und diese Vorstellung selbst ist eine ästhetische Vorstellung der Zweckmäßigkeit“ (KU, AA 05: 190). Die ästhetische Zweckmäßigkeit kann einerseits entweder formell oder materiell, andererseits unmittelbar oder mittelbar sein. Im Fall einer formell-unmittelbaren Zweckmäßigkeit handelt es sich um ein reines ästhetisches Urteil (das Schöne und das Erhabene). Im Fall einer materiell-unmittelbaren Zweckmäßigkeit handelt es sich um ein ästhetisches Sinnenurteil (das Angenehme).³ Im Fall

 „Die ästhetische Urteilskraft ist also ein besonderes Vermögen, Dinge nach einer Regel, aber nicht nach Begriffen, zu beurteilen. Die teleologische ist kein besonderes Vermögen, sondern nur die reflektierende Urteilskraft überhaupt […]. [D]ie ästhetische Urteilskraft [trägt] zum Erkenntnis ihrer Gegenstände nichts [bei] […], und [trägt] also nur zur Kritik des urteilenden Subjekts und der Erkenntnisvermögen desselben [bei] sofern sie der Prinzipien a priori fähig sind.“ (KU, AA 05: 194; Ergänzungen von P. Ó. A).  „Die Urteile, die auf diese Art aus Prinzipien a priori entspringen, welche jedem Grundvermögen des Gemüts eigentümlich sind, sind theoretische, ästhetische und praktische Urteile.“ (EEKU, AA 20: 246).  Hier eine Ausführung zum Urteil des Angenehmen und des Schönen: „Ich kann den ersten den Sinnengeschmack, den zweiten den Reflexionsgeschmack nennen, sofern der erstere bloß Privaturteile, der zweite aber vorgebliche gemeingültige (publike), beiderseits aber ästhetische (nicht praktische) Urteile über einen Gegenstand, bloß in Ansehung des Verhältnisses seiner Vorstellung zum Gefühle der Lust und Unlust, fällt.“ (KU, AA 05: 214).Vgl. auch mit (EEKU, AA 20: 223 f.).

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einer formell-mittelbaren Zweckmäßigkeit handelt es sich um ein Urteil zur Bestimmung des Willens durch einen Begriff des Guten an sich und im Fall einer materiell-mittelbaren Zweckmäßigkeit um ein Urteil zur Bestimmung des Willens durch einen Begriff des Nützlichen. Einerseits bestehen die ästhetischen Urteile aus den reinen Urteilen, deren Bestimmungsgrund nur in der Form der Vorstellung des Gegenstandes mit den subjektiven Erkenntniskräften liegt (KU, AA 05: 290, Fn.), welche der formell-subjektiven Zweckmäßigkeit entspricht. Andererseits bestehen sie aus den interesseverbundenen Urteilen, deren Bestimmungsgrund nicht in der bloßen Form der Vorstellung liegt, sondern der entweder mit einem unmittelbaren Interesse für die Existenz des Objekts (das Angenehme) (KU, AA 05: 205 – 207) oder mit einem mittelbaren Interesse für die Existenz des Objekts oder der Handlung (das Nützliche und das Gute) verbunden wird.⁴ Ein ästhetisches Urteil ist somit eine unmittelbare Vorstellung, deren unmittelbarer Bezugspunkt das Gemüt des Subjekts ist, d.i. das Vermögen des Gefühls der Lust und Unlust wird durch eine mittelbare (Begriff) oder unmittelbare Vorstellung (Empfindung) affiziert; das Ergebnis davon ist ein Gefühl. Das Relevante in einem reinen ästhetischen Urteil besteht darin, dass der Bestimmungsgrund des Wohlgefallens interesselos sein soll, d. h. dieser ist weder in einer Empfindung noch in einem Begriff zu finden, sondern bloß in der Form der Interaktion unserer Erkenntniskräfte. Nun aber stellt sich die Frage, ob wir bei den ästhetischen Urteilen überhaupt über Urteile „a priori“ reden dürfen. Dies kann sowohl bejaht als auch verneint werden. Wenn „a priori“ mit „transzendental“ gleichgesetzt wird, dürfen wir es, aber dafür muss „transzendental“ eine neue, umfassendere Deutung als in der ersten Kritik bekommen. Wenn aber „a priori“ als unabhängig von der Erfahrung verstanden wird und nur auf Erkenntnis referenziert wird, dann dürfen wir die ästhetischen Urteile nicht „a priori“ nennen. Denn erstens ist das ästhetische Urteil trotz seiner Reinheit bei der reflexiven Artikulierung immer erfahrungsbedingt und zweitens trägt dieses Urteil nichts zum Erkennen des Objekts bei. Denn die Lust oder Unlust ist die Wirkung einer unmittelbaren Vorstellung als ihrer Ursache, somit steht die Verknüpfung dieses Gefühls immer in einem Kausalverhältnis zu etwas Gegebenem. Aber das ästhetische Urteil beruht auf Gründen a priori, wie uns Kant in den Einleitungen und in §12 der KU mitteilt. Immerhin laufen das Begründete und die Begründung nicht unbedingt auf dasselbe hinaus,  „Gut ist das, was vermittelst der Vernunft, durch den bloßen Begriff, gefällt.Wir nennen einiges wozu gut (das Nützliche), was nur als Mittel gefällt; ein anderes aber an sich gut, was für sich selbst gefällt. In beiden ist immer der Begriff eines Zwecks, mithin das Verhältnis der Vernunft zum (wenigstens möglichen) Wollen, folglich ein Wohlgefallen am Dasein eines Objekts oder einer Handlung, d.i. irgend ein Interesse enthalten.“ (KU, AA 05: 207).

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deshalb wäre es vorsichtiger, das Adjektiv „a priori“ zu vermeiden, wie die meisten Kommentatoren und Kommentatorinnen es tun.⁵ Nichtsdestoweniger gibt es wichtige Gründe danach zu fragen, ob die reinen ästhetischen Urteile als „a priori“ bezeichnet werden können. Wenn mit „a priori“ die „Form“ der Erkenntniskräfte gemeint ist (KrV, A 50/B 75), besteht die Möglichkeit die reinen ästhetischen Urteile doch als „a priori“ zu bezeichnen. Jedoch muss diese Hypothese noch bewiesen werden. Ein ästhetisches Urteil betrifft „bloß das Verhältnis der Vorstellungskräfte zueinander, sofern sie durch eine Vorstellung bestimmt werden“ (KU, AA 05: 221). Die Termini „Erkenntniskräfte“ und „Vorstellungskräfte“ pflegt Kant als Synonyme zu gebrauchen. Wenn nun die „Form“ als dieses Verhältnis zu verstehen wäre, könnte es gleichgesetzt werden. „A priori“ wäre in dieser Bedeutung als „ursprünglich“ zu begreifen. Wie verhält sich „transzendental“ dazu? In der Allgemeinen Anmerkung zur Exposition der ästhetischen reflektierenden Urteile stellt Kant Folgendes fest: Man muß hier überhaupt darauf acht haben, was oben schon erinnert worden ist, daß in der transzendentalen Ästhetik der Urteilskraft lediglich von reinen ästhetischen Urteile die Rede sein müsse, folglich die Beispiele nicht von solchen schönen oder erhabenen Gegenständen der Natur hergenommen werden dürfen, die den Begriff von einem Zwecke voraussetzen; denn alsdann würde es entweder teleologische oder sich auf bloßen Empfindungen eines Gegenstandes (Vergnügen oder Schmerz) gründende, mithin im ersteren Falle nicht ästhetische, im zweiten nicht bloße formale Zweckmäßigkeit sein. (KU, AA 05: 270; Herv. von P. Ó. A.)

Wenn sich also die transzendentale Ästhetik der Urteilskraft nur mit diesen zwei ästhetischen Urteilen beschäftigt, dürfen wir dann diese Urteile in irgendeiner Weise „transzendental“ nennen? Nun aber ist die Bedeutung von „transzendental“ in diesem Kontext anders als im vorherigen Kapitel, und zwar nicht als Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis a priori zu verstehen, sondern als Bedingung der Möglichkeit des reinen ästhetischen Urteilens. Es geht nicht um  Im Gegensatz zu dieser Richtung schließe ich mich der Lesart von W. Wieland an: „Die Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Urteilen ist nicht nur für den Einzugsbereich der ‚Kritik der reinen Vernunft‘ relevant. So macht die praktische Philosophie von ihr Gebrauch, wenn sie den formalen Status des Sittengesetzes als den eines synthetischen apriorischen Satzes bestimmt. Auch in der Dritten Kritik greift Kant auf diese Unterscheidung zurück, wenn er das Geschmacksurteil als ein synthetisches apriorisches Urteil oder zumindest als ein auf apriorischen Prinzipien beruhendes Urteil einstuft und damit auch die Erörterungen der ‚Kritik der ästhetischen Urteilskraft‘ unter das Generalthema der Transzendentalphilosophie stellt. Wer dem Geschmacksurteil die apriorische Fundierung abspricht, kann schwerlich erklären, warum es überhaupt zu den Themen gehören soll, deren Erörterung in den Kompetenzbereich der Transzendentalphilosophie fällt.“ (Wieland 2001, S.105).

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Erkenntnisse, sondern um ästhetische Urteile. Welcher zusätzlichen Bedeutung von „transzendental“ bedient sich Kant in der KU? „Die Untersuchung des Geschmacksvermögens als ästhetischer Urteilskraft“ wird „hier nicht zur Bildung und Kultur des Geschmacks“, „sondern bloß in transzendentaler Absicht angestellt“ (KU, AA 05: 170). Privativ lässt sich sagen, dass es nicht um Inhaltliches geht. Analogisch betrachtet sollte die Urteilskraft, wie der Verstand und die Vernunft, trotz Ermangelung eines Gebiets, in dem sie Objekte konstitutiv bestimmen könnte, ein eigenes Prinzip, „allenfalls ein bloß subjektives, a priori in sich enthalten“ (KU, AA 05: 178). Dieses apriorische Prinzip ist, wie bereits gezeigt wurde, die reflektierende Zweckmäßigkeit. Was ist nun als transzendentales Prinzip zu verstehen? Kant behauptet: „Ein transzendentales Prinzip ist dasjenige, durch welches die allgemeine Bedingung a priori vorgestellt wird, unter der allein Dinge Objekte unserer Erkenntnis überhaupt werden können.“ (KU, AA 05: 181). Hinsichtlich dieser Definition würde nur die materiell-objektive Zweckmäßigkeit „als die Möglichkeit der Erfahrung, mithin der Erkenntnis der Natur, aber nicht bloß als Natur überhaupt, sondern als durch eine Mannigfaltigkeit besonderer Gesetze bestimmten Natur“ (KU, AA 05: 182) zu den transzendentalen Prinzipen gehören. Aber können die transzendentalen Prinzipien tatsächlich nur in dieser Weise aufgefasst verstanden werden? Am Ende der zweiten Einleitung zur KU sagt Kant, dass das Prinzip der Zweckmäßigkeit der Natur zu den Naturbegriffen als regulatives Prinzip für das Erkenntnisvermögen zu verstehen ist, dasselbe aber als „konstitutiv“ für das Gefühl der Lust und Unlust zu gelten hat, und jenes wird von dem ästhetischen Urteil veranlasst (KU, AA 05: 197). Insoweit scheint das ästhetische Prinzip Vorrang vor dem teleologischen zu haben. Wenn aber die ästhetische Zweckmäßigkeit als formale Zweckmäßigkeit bezeichnet wird, dann sollte Kants transzendentale Absicht (s. oben, KU, AA 05: 170) sein, eine Zweckmäßigkeit in der Form der Generierung eines ästhetischen Urteils und nicht in seinem Inhalt zu begründen. Aber welche Form ist damit gemeint? Ist die Form des Objekts (die Gestalt) oder die Form, in der das Urteil gefällt wird, oder etwas anderes damit gemeint? Aus der Tatsache, dass die ästhetischen Urteile durch ein Prinzip a priori gefällt werden, folgt prinzipiell nicht, dass die Urteile, die unter diesen Bedingungen (ohne Empfindung und ohne Begriff als Bestimmungsgrund) gefällt werden, als a priori bezeichnet werden dürfen. Aber warum darf man diese nicht als a priori charakterisieren? Wenn ein Urteil a priori notwendig und allgemein sein muss (KrV, B 5), und Kant in der Analytik der ästhetischen Urteilskraft mittels des Prinzips der ästhetischen Zweckmäßigkeit versucht, zu beweisen, dass es

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ästhetische Urteile gibt, welche diesen beiden Voraussetzungen entsprechen,⁶ obwohl auf eine besondere Weise, warum darf man dann jene nicht als ästhetisch a priori bezeichnen? In der Tat kann diese Vermeidung auf die ästhetisch-logischen Unterscheidung der Urteile zurückgeführt werden. Am Anfang der Analytik der ästhetischen Urteilskraft unterscheidet Kant die logischen Urteile von den ästhetischen Urteilen, indem die ersteren objektive Notwendigkeit und Allgemeinheit verlangen, die letzteren hingegen, wenn überhaupt, bloß subjektive Notwendigkeit und Allgemeinheit beanspruchen können (KU, AA 05: 222, Vgl. auch mit KU AA 05: 288). Um zu verstehen, wie beide Voraussetzungen als subjektive bei ästhetischen Urteilen möglich sind, werde ich nun eine kurze vergleichende Analyse der Urteile über das Schöne und das Erhabene vornehmen.

b Differenzierung des Schönen vom Erhabenen Wir haben gesehen, dass die ästhetischen Urteile über das Schöne und Erhabene gemeinsam haben, dass ihr Prädikat keine Eigenschaft des Objekts bestimmt (so wie bei Erkenntnisurteilen), sondern nur die Art und Weise, wie die Erkenntniskräfte des Subjekts von der Form des Objekts affiziert werden. Nun versuche ich zu zeigen, dass außer ihrem subjektiven Charakter eine weitere Gemeinsamkeit besteht: ihr apriorischer Charakter. Dieser manifestiert sich gemäß unserer Argumentation auf zwei sehr verschiedene Arten. Sowohl die transzendentalen Vermögen, die an dem jeweiligen Urteil teilnehmen, als auch die Art des Vernunftgebrauchs, sind jeweils unterschiedlich. Überdies unterscheiden sich der Grund der Beurteilung und die Art des Wohlgefallens, die aus den Urteilen resultiert (EEKU, AA 20: 249). Wir werden uns in unserer Analyse auf §23 Übergang von dem Beurteilungsvermögen des Schönen zu dem des Erhabenen konzentrieren, weil in ihm ein ausführlicher Vergleich zwischen dem Schönen und dem Erhabenen vorgenommen wird. Hier betont Kant, dass beide ästhetischen Urteile wesentlich unterschiedliche Eigenschaften aufweisen, obwohl sie einen gemeinschaftlichen Status als reine Reflexionsurteile besitzen. In diesem Paragraphen finden wir vier essenzielle Aspekte für den Vergleich: 1. Die Art von Urteilen, zu denen sie gehören: Beide sind einzelne Urteile und sie beanspruchen Zustimmung bei jedem Subjekt, jedoch nicht in Anbetracht der Erkenntnis, sondern nur des Gefühls der Lust oder Unlust. Dazu kommt die  „Die Erörterung dieser Frage [„ob im Geschmacksurteil das Gefühl der Lust vor der Beurteilung des Gegenstandes, oder diese vor jener vorhergehe“ KU, AA 05: 217; Hinzugefügt von P. Ó. A.] müssen wir uns bis zur Beantwortung derjenige[n]: ob und wie ästhetische Urteile a priori möglich sind, vorbehalten“ (KU, AA 05: 218).

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Frage, welche Vermögen bei diesen Urteilen miteinander interagieren (KU, AA 05: 244). Die Form der Vorstellung des zu beurteilenden Objekts: Um zustande zu kommen braucht das Schöne die Vorstellung der „Begrenzung“, das Erhabene aber die Vorstellung der „Unbegrenztheit“ (KU, AA 05: 244). Die Art des Wohlgefallens, die aus den Urteilen resultiert: Im Falle des Schönen ist es eine positive, im Falle des Erhabenen eine negative Lust (KU, AA 05: 245). Die ästhetische Zweckmäßigkeit ergibt sich auf verschiedene Weise: Formale Zweckmäßigkeit beim Schönen vs. eine bloß subjektive Zweckmäßigkeit,⁷ sogar eine Zweckwidrigkeit in der Form der Vorstellung beim Erhabenen (KU, AA 05: 245).

Zunächst sagt Kant, dass sowohl das Schöne als auch das Erhabene an sich selbst gefallen, und dass beide reflektierende Urteile sind (KU, AA 05: 244). Das bedeutet einerseits, dass beide von keiner besonderen Empfindung (wie im Fall des Gefühls des Angenehmen) und keinem bestimmenden Begriff (wie dem des Guten) abhängen. Es bedeutet andererseits, dass sie nur den Gemütszustand des Subjekts mit Bezug auf eine gegebene Vorstellung bestimmen: „Daher sind auch beiderlei Urteile einzelne und doch für sich allgemeingültig in Ansehung jedes Subjekts ankündigende Urteile, ob sie zwar bloß auf das Gefühl der Lust und auf kein Erkenntnis des Gegenstandes Anspruch machen.“ (KU, AA 05: 244). Aber das Vermögen der Darstellung (oder die Einbildungskraft) bezieht die gegebene Anschauung, sowohl für das Schöne als auch für das Erhabene, auf unbestimmte Begriffe, entweder des Verstandes oder der Vernunft. Aus dieser Beziehung entsteht die Art des Wohlgefallens. An dieser Stelle wird der erste und vielleicht wichtigste Unterschied zwischen den beiden ästhetischen Urteilen deutlich: Für das Schöne wird die Vorstellung (durch die Einbildungskraft) auf einen unbestimmten Begriff des Verstandes bezogen und für das Erhabene wird die Vorstellung auf einen unbestimmten Begriff der Vernunft bezogen. Die Beurteilung des Schönen wird durch ein freies Spiel zwischen Einbildungskraft und Verstand dank der Form einer Objektsvorstellung charakterisiert (KU, AA 05: 217). Dieses Spiel ist frei, insofern kein bestimmter Begriff als Regel des Verstandes diese Vorstellung auf eine besondere Erkenntnis einschränkt (KU, AA 05: 217 und auch KU, AA 05: 238). Dies ermöglicht, die Vorstellung des Objekts

 Da die Zweckmäßigkeit beim Erhabenen nicht wie beim Schönen aus der Form des Objekts resultiert, sondern nur aus der Vorstellung unserer Ideen (der Vernunft), wird sie „bloße subjektive“, nicht formelle, Zweckmäßigkeit im Fall des Erhabenen genannt. Vgl. mit KU, AA 05: 192.

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als Beförderung der Erkenntnis überhaupt zu betrachten.⁸ Sobald sich das Subjekt der harmonischen und freien Beziehung zwischen den Vermögen (der Einbildungskraft und dem Verstand) bewusst wird, entsteht das Wohlgefallen, welches auf der Form der Vorstellung des Gegenstandes beruht.⁹ Diesem Bewusstsein geht die „allgemeine Mitteilungsfähigkeit des Gemütszustandes in der gegebenen Vorstellung“ (KU, AA 05: 217) voraus, welche als subjektive Bedingung des Geschmacksurteils demselben zum Grunde liegen und die Lust an dem Gegenstande zur Folge haben muss […]. Soll nun der Bestimmungsgrund des Urteils über diese allgemeine Mitteilbarkeit der Vorstellung bloß subjektiv, nämlich ohne einen Begriff vom Gegenstande, gedacht werden, so kann er kein anderer als der Gemütszustand sein, der im Verhältnisse der Vorstellungskräfte zu einander angetroffen wird, sofern sie eine gegebene Vorstellung auf Erkenntnis überhaupt beziehen. (KU, AA 05: 217)

Wie im Fall des Schönen zu sehen war, ist es das freie Spiel zwischen der Einbildungskraft und dem Verstand, das auf Erkenntnis überhaupt bezogen ist, welches die allgemeine „Mitteilbarkeit“ dieses Urteils begründet. Da dieses Urteil reflektierend und nicht bestimmend ist, kann es nur subjektiv (in Bezug auf die Form des Wohlgefallens) sein (KU, AA 05: 222). Die Allgemeingültigkeit dieses Urteils liegt in der Absicht der allgemeinen Mitteilbarkeit über den Gemütszustand, welcher mit der Vorstellung verbunden ist. Mit dieser allgemeinen „Mitteilbarkeit“ ist das Erfordernis der Zustimmung aller verbunden. Dieses Kriterium der Zustimmung der anderen verweist auf einen „Gemeinsinn“, demgemäß jedes

 Kant behauptet, dass dieser Zustand allgemein mitgeteilt werden können muss, weil die Erkenntnis die einzige allgemeine Vorstellungsart ist. Deshalb kann man verstehen, warum das Schöne eine Beziehung zum Verstand hat, das Erhabene jedoch nicht. Dabei ist es nicht zufällig, dass es eine Deduktion der Geschmacksurteile und keine der ästhetischen Urteile des Erhabenen gibt. Auf diesen Punkt gehe ich später näher ein.  Das genannte Wohlgefallen ist immer frei und kann nur später durch die Beurteilung des Objekts als zweckmäßig mit den Vorstellungskräften zustande kommen. Wenn das nicht passiert, handelt es sich um kein reines Geschmacksurteil, dessen Wohlgefallen unabhängig von der Existenz des Gegenstandes ist, sondern nur um ein empirisches, ästhetisches Urteil. Denn wenn die Beurteilung des Wohlgefallens ein Interesse oder einen Begriff als Grund hätte, wäre es ein privates Wohlgefallen und somit ohne Anspruch der allgemeinen Mitteilbarkeit (welche eine notwendige Bedingung für das Geschmacksurteil darstellt). In diesem Fall würde es sich auf das Begehrungsvermögen anstatt auf die ästhetische Urteilskraft (das Vermögen des Gefühls der Lust und Unlust) beziehen, wie es sich in den Fällen sowohl des Angenehmen als auch des Guten verhält, deren interessiertes Wohlgefallen seinen Grund hat entweder in der Existenz des Gegenstandes oder in einem besonderen Begriff, und nicht nur in der bloßen Beurteilung der Vorstellung.

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Subjekt, wenn es „x als schön“ beurteilt, von allen anderen verlangt, in Bezug auf die exemplarische Vorstellung dasselbe Urteil zu fällen.¹⁰ Nach Kant ist diese Mitteilungsfähigkeit des Gemütszustands als solche von einem Gefühl der Lust begleitet. Das Subjekt wird sich hier der gegenseitigen Übereinstimmung der Gemütskräfte (durch die „Belebung“ derselben) bewusst. Die Belebung beider Vermögen (der Einbildungskraft und des Verstandes) zu unbestimmter, aber doch vermittelst des Anlasses der gegebenen Vorstellung einhelliger Tätigkeit, derjenigen nämlich, die zu einem Erkenntnis überhaupt gehört, ist die Empfindung, deren allgemeine Mitteilbarkeit das Geschmacksurteil postuliert […] bei einem Verhältnis, welches keinen Begriff zum Grunde legt […] ist auch kein anderes Bewusstsein desselben, als durch Empfindung der Wirkung, die im erleichterten Spiele beider durch wechselseitige Zusammenstimmung belebten Gemütskräfte (der Einbildungskraft und des Verstandes) besteht, möglich. (KU, AA 05: 219)

Bis hierher muss man sich vor Augen halten, dass (i) das Geschmacksurteil durch das freie Spiel zwischen der Einbildungskraft und dem Verstand hervorgerufen wird. (ii) Angesichts der Form der Vorstellung vom Gegenstand, (iii) die im Bezug zur Erkenntnis überhaupt steht, ergibt sich eine Möglichkeit der allgemeinen Mitteilbarkeit, jedoch ohne einen bestimmenden Begriff. (iv) Durch das Gefühl der Belebung der Gemütskräfte wird dies dem Subjekt bewusst. In Anbetracht dieser Punkte verlassen wir den kurzen Exkurs über das Schöne, um zu einer „ernsteren“ Tätigkeit der Vermögen – kein Spiel, sondern eine Anstrengung –, die an den ästhetischen Urteilen über das Erhabene beteiligt sind, überzugehen. Gleichwie die ästhetische Urteilskraft bei der Beurteilung des Schönen die Einbildungskraft auf eine freispielerische Weise mit dem Verstand verbindet und deren Vorstellung mit dessen unbestimmtem Begriff in ein harmonisches Verhältnis bringt, so verbindet sie die Einbildungskraft bei der Beurteilung des Erhabenen mit der Vernunft; aber dies geschieht nicht auf eine spielerische, sondern auf eine „ernstere“ Weise, wie Kant betont. Die Vorstellung der Einbildungskraft wird mit den Vernunftideen – empirisch unbestimmt, aber praktisch bestimmt – verbunden. Dies bringt eine Gemütsstimmung hervor, „welche derjenigen gemäß und mit ihr verträglich ist, die der Einfluß bestimmter Ideen (praktischer) auf das Gefühl bewirken würde“ (KU, AA 05: 256). Einbildungskraft und Vernunft verbinden sich bei der ästhetischen Beurteilung des Erhabenen. Diese Verbindung ruft kein harmonisches Wohlgefallen hervor, sie ist keine positive Lust wie beim Schönen, vielmehr handelt es sich um

 Dieses Erfordernis würde in keinem ästhetischen Sinnenurteil geschehen, denn das Wohlgefallen liegt in diesem Fall in einem Interesse begründet und somit ist es unmöglich dieses für alle zu betrachten.

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eine negative Lust (KU, AA 05: 244). Beim Erhabenen wird durch die Vorstellung des Gegenstandes keine Lust hervorgerufen, sondern im Gegenteil. Wegen seines Charakterzuges der „Formlosigkeit“ sieht sich die Einbildungskraft in ihrer eigenen repräsentierenden Kraft als unfähig an, da sie eine Anschauung von ihm nicht auf einmal auf- und zusammenfassen kann. Diese erste Begegnung mit der „Unangemessenheit“ des Objekts bewirkt auf der sinnlichen Ebene im Subjekt Unlust.¹¹ Dazu kommt die Vernunft mit ihren in der Natur unbestimmten Ideen, welche fähig sind, jedes Naturobjekt zu erfassen. Die unbestimmten Ideen der Vernunft sind genau dazu fähig, weil sie keine mögliche Darstellung in der Natur haben. Sodann wird das Gefühl von der Unfähigkeit der Einbildungskraft in ein Gefühl der Erweiterung derselben umgekehrt, denn jetzt befindet sich in der Sinnlichkeit keine adäquate Darstellung der Vernunftideen. Das Bewusstsein eines so großen vorstellenden Vermögens in uns führt letztendlich zur Lust.¹² Die Qualität des Gefühls des Erhabenen ist, daß sie ein Gefühl der Unlust über das ästhetische Beurteilungsvermögen an einem Gegenstande ist, die darin doch zugleich als zweckmäßig vorgestellt wird; welches dadurch möglich ist, daß das eigne Unvermögen das Bewußtsein eines unbeschränkten Vermögens desselben Subjekts entdeckt, und das Gemüt das letztere nur durch das erstere ästhetisch beurteilen kann. (KU, AA 05: 259)

Mit anderen Worten wird im Gefühl des Erhabenen die übersinnliche Bestimmung des menschlichen Wesens festgestellt. Also ist das Subjekt fähig, sich über die Grenzen der Sinnlichkeit für eine Idee hinwegzusetzen, die von der Einbildungskraft übernommen wird, um wie ein Gesetz dargestellt zu werden (KU, AA 05: 257). Diese Idee ist erst einmal die absolute Größe, entweder als mathematische Größe oder als Größe der Macht (nach der Umkehrung des Gemüts als Freiheit vorgestellt). Dieses Gefühl, das der Pflicht – wenn man es so nennen darf – von der Einbildungskraft hinzugefügt wird, ist analog zum Gefühl der Achtung für unsere eigene Bestimmung. Die Vernunft ist das Vermögen, welches der Einbildungskraft erlaubt, sich vermittelst seiner empirisch-unbestimmten Ideen über das anfängliche Gefühl der Unlust hinwegzusetzen. Sie ist es, welche dem Subjekt seine übersinnliche, praktisch-moralische Bestimmung aufzeigt, die Freiheit seiner eigenen Natur, die über die sinnliche Welt hinausweist. Erst nachdem die Vernunft mit ihren Ideen interveniert hat, kann man tatsächlich von einer Beur-

 „Erhaben ist also die Natur in derjenigen ihrer Erscheinungen, deren Anschauung die Idee ihrer Unendlichkeit bei sich führt. Dieses letztere kann nun nicht anders geschehen, als durch die Unangemessenheit selbst der größten Bestrebung unserer Einbildungskraft in der Größenschätzung eines Gegenstandes.“ (KU, AA 05: 256).  Hier soll erwähnt werden, dass die Faktoren für die negative Lust des Erhabenen in §28 der KU umgekehrt werden.

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teilung des Erhabenen reden.¹³ Denn erst mit der Vorstellung dieser Ideen (für die Erweiterung der Einbildungskraft) kann sich die Zweckmäßigkeit der ästhetischen Urteilskraft vereinen, nicht hingegen mit der bloßen Form des Objekts. So, wie man bereits für die allgemeine Mitteilungsfähigkeit des reinen Wohlgefallens im Geschmacksurteil notwendig voraussetzen muss, dass dieses Wohlgefallen weder an ein besonderes Interesse noch an einen Begriff gebunden ist, muss man dies auch für das Erhabene annehmen. Für das Gefühl des Erhabenen muss jedoch darüber hinaus noch eine Stimmung gegeben sein, die in der Lage ist, sich die Ideen der praktischen Vernunft vorzustellen, sowie eine gewisse Kultur, die davor bewahrt, sich vor einer Erscheinung, die bedrohlich wirken kann, zu ängstigen, insofern sie tatsächlich keine Gefahr ist. Infolgedessen behauptet Kant, dass der Allgemeinheitsanspruch im Erhabenen auf einer subjektiven Voraussetzung basiert, und zwar auf der des „moralischen Gefühls“ im Menschen (KU, AA 05: 266). Im Schönen hingegen verbindet sich die Vorstellung mit dem Verstand hinsichtlich der Erkenntnis überhaupt, sodass das Fundament letztlich objektiv ist, da ihr Grund in der Form des Objekts liegt. Darum aber, weil das Urteil über das Erhabene der Natur Kultur bedarf (mehr als das über das Schöne), ist es doch dadurch nicht eben von der Kultur zuerst erzeugt, und etwa bloß konventionsmäßig in der Gesellschaft eingeführt; sondern es hat seine Grundlage in der menschlichen Natur, und zwar demjenigen, was man mit dem gesunden Verstande zugleich jedermann ansinnen und von ihm fordern kann, nämlich in der Anlage zum Gefühl für (praktische) Ideen, d.i. zu dem moralischen. (KU, AA 05: 266)

Das Verständnis der Allgemeinheit der ästhetischen Urteilskraft ist nur möglich mit Blick auf die Vermögen, die in den verschiedenen Beurteilungen miteinander interagieren. Vom bisher über die Urteile des Erhabenen Gesagten ist festzuhalten: (i) Das Urteil des Erhabenen entsteht aufgrund einer „ernsten“ Tätigkeit zwischen der Einbildungskraft und der Vernunft. (ii) Angesichts der Unangemessenheit der Vorstellung des Objekts (das Scheitern der Einbildungskraft) findet man eine

 „Das Gefühl des Erhabenen ist also ein Gefühl der Unlust aus der Unangemessenheit der Einbildungskraft in der ästhetischen Größenschätzung zu der Schätzung durch die Vernunft und eine dabei zugleich erweckte Lust aus der Übereinstimmung eben dieses Urteils der Unangemessenheit des größten sinnlichen Vermögens mit Vernunftwidrigen, sofern die Bestrebung zu denselben doch für uns Gesetz ist. Es ist nämlich für uns Gesetz (der Vernunft) und gehört zu unserer Bestimmung, alles, was die Natur als Gegenstand der Sinne für uns Großes enthält, in Vergleichung mit Ideen der Vernunft für klein zu schätzen; und was das Gefühl dieser übersinnlichen Bestimmung in uns rege macht, stimmt zu jenem Gesetze zusammen.“ (KU, AA 05: 258).

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empirisch-unbestimmte Idee der Vernunft in der Beurteilung. (iii)Um die allgemeine Mitteilungsfähigkeit zu sichern, liegt deren Fundament in der Voraussetzung des moralischen Gefühls oder der übersinnlichen Bestimmung des Menschen. (iv) Das Urteil des Erhabenen kann auf solche Weise nur entstehen, wenn die Unfähigkeit der Vorstellungskräfte vom übersinnlichen Vermögen, d. h. von der Vernunft, überwunden wurde. Laut unserer Analyse teilen vorläufig also beide Urteile einen besonderen reinen Status, jedoch weisen sie zahlreiche Unterschiede auf. Bisher habe ich versucht, diese Unterschiede mit Bezug auf die Interaktion der Vermögen innerhalb des jeweiligen Gefühls aufzuzeigen.¹⁴ Denn, wie zu Beginn des Abschnitts gesagt wurde, liegt in dieser Interaktion das Hauptmoment der Modalität dieser Urteile, aber auch die größten Unterschiede. Von hier aus sind die übrigen Implikationen zu betrachten. Dementsprechend werden nun die drei übrigen Vergleichspunkte untersucht, die Kant in §23 benennt. Aus der Tatsache, dass sich das Schöne auf die Form des Objekts bezieht, folgt seine formale Zweckmäßigkeit, welche sich unmittelbar mit dem Wohlgefallen verbindet. Ebenso folgt aus der Unangemessenheit in der Vorstellung des Objekts für das Erhabene dessen formale Zweckwidrigkeit, was wiederum unmittelbar ein Gefühl der Unlust (in der sinnlichen Auffassung des Objekts) hervorruft, welches erst mit der Darstellung der Idee der Totalität oder Freiheit überwunden wird. Denn im letzteren Fall wird die Unbegrenztheit vorgestellt, was heißt, dass das Gefühl des Erhabenen sich auf formlose Objekte beziehen kann (KU, AA 05: 245). Beim Schönen hingegen wird die Begrenzung vorgestellt, die es mit der Qualität verbindet, wohingegen sich das Erhabene mit der Quantität verbindet. Folglich kann die Art der Lust oder Unlust, die hier aus den jeweiligen Urteilen entsteht, sehr verschieden ausfallen. [I]ndem dieses (das Schöne) direkte ein Gefühl der Beförderung des Lebens bei sich führt, und daher mit Reizen und einer spielenden Einbildungskraft vereinbar ist; jenes aber (das Gefühl des Erhabenen) eine Lust ist, welche nur indirekte entspringt, nämlich so daß sie durch das Gefühl einer augenblicklichen Hemmung der Lebenskräfte und darauf sogleich folgenden desto stärkern Ergießung derselben erzeugt wird, mithin als Rührung kein Spiel, sondern Ernst in der Beschäftigung der Einbildungskraft zu sein scheint. (KU, AA 05: 245)

 Ich verstehe diese Unterscheidung hier als die größte externe Unterscheidung, also außerhalb der Urteile selbst liegend. Man könnte diese Unterscheidung deshalb auch als kognitiv-transzendentale Unterscheidung bezeichnen, da sie sich auf die Vermögen bezieht, die für die Urteilskraft arbeiten und nicht auf deren tatsächliche Inhalte. In letzterem Fall wäre die größte Unterscheidung (intern) mit dem Fundament der Bestimmung der Zweckmäßigkeit des Schönen und Erhabenen verbunden.

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So ist beim Schönen von einer positiven Lust die Rede, beim Erhabenen von einer negativen Lust, weil es diese zwei Momente (Unlust und Lust) hat und in seiner Form des Fühlens mit Gefühlen der Achtung und der Bewunderung stark verbunden ist. Nachdem wir den Blick auf die Frage nach der Art des Wohlgefallens (positive versus negative Lust) und der Vorstellungsform des Objekts (Begrenztheit versus Unbegrenztheit) gerichtet haben, soll nun der letzte Vergleichspunkt betrachtet werden, nämlich, inwiefern sich die Zweckmäßigkeit in den ästhetischen Urteilen des Schönen und des Erhabenen ergibt. Wie bereits gezeigt, basiert die Zweckmäßigkeit des Schönen in der Natur auf der Form des Objekts, welche für die Vorstellungskraft prädestiniert erscheint und so unmittelbar ein Gefühl der Lust hervorruft. Was hingegen das Gefühl des Erhabenen in der Natur hervorruft, liegt nicht in der Auffassung der Anschauung, welche eher eine Unzweckmäßigkeit in der Form für die Urteilskraft darstellt. Diese Unangemessenheit der Einbildungskraft, das Resultat der Vorstellung des Objekts, ist nicht das, was wir als das Erhabene bezeichnen. Vielmehr kann das eigentliche Erhabene „in keiner sinnlichen Form enthalten sein, sondern trifft nur Ideen der Vernunft: welche, obgleich keine ihnen angemessene Darstellung möglich ist, eben durch diese Unangemessenheit, welche sich sinnlich darstellen läßt, rege gemacht und ins Gemüt gerufen werden“ (KU, AA 05: 246). Das heißt, der wesentliche Unterschied liegt darin, dass das Schöne mit dem Zweck der ästhetischen Urteilskraft in der Vorstellung der Natur übereinstimmt, das Erhabene hingegen nicht.¹⁵ Aus diesem Grund wird das Erhabene häufig als ein zusätzliches Problem des Projekts der Vereinigung der Gebiete angesehen. Dies bedeutet, dass sich das Fundament des Schönen außerhalb des Subjekts befindet, das Fundament des Erhabenen jedoch ausschließlich im Subjekt. Daraus folgt, dass wir die Objekte der Natur als schön bezeichnen können, ohne damit eine Subreption zu begehen. Dagegen können wir Objekte, die das Gefühl

 „Denn so wie wir dem, der in der Beurteilung eines Gegenstandes der Natur, welchen wir schön finden, gleichgültig ist, Mangel des Geschmacks vorwerfen: so sagen wir von dem, der bei dem, was wir erhaben zu sein urteilen, unbewegt bleibt, er habe kein Gefühl. Beides aber fordern wir von jedem Menschen und setzen es auch, wenn er einige Kultur hat, an ihm voraus: nur mit dem Unterschiede, dass wir das erstere, weil die Urteilskraft darin die Einbildung bloß auf den Verstand als Vermögen der Begriffe bezieht, geradezu von jedermann, das zweite aber, weil sie darin die Einbildungskraft auf Vernunft als Vermögen der Ideen bezieht, nur unter einer subjektiven Voraussetzung (die wir aber jedermann ansinnen zu dürfen uns berechtigt glauben) fordern, nämlich der des moralischen Gefühls im Menschen, und hiermit auch diesem ästhetischen Urteile Notwendigkeit beilegen.“ (KU, AA 05: 266). Aus diesem Grund wird Kant eine Deduktion des Schönen vornehmen, denn im Gegensatz zum Erhabenen hat das Schöne prinzipiell Anwendungsgebiete (die Natur und die Kunst).

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des Erhabenen hervorrufen, nur subreptiv als erhaben bezeichnen. Denn nicht an den Objekten lässt sich eine Zweckmäßigkeit erkennen, sondern lediglich an den Ideen, die sich uns aufgrund der Betrachtung dieser Objekte vorstellen (KU, AA 05: 246). Daraus sehen wir, daß der Begriff des Erhabenen der Natur bei weitem nicht so wichtig und an Folgerungen reichhaltig sei, als der des Schönen in derselben; und daß er überhaupt nichts Zweckmäßiges in der Natur selbst, sondern nur in dem möglichen Gebrauche ihrer Anschauung, um eine von der Natur ganz unabhängige Zweckmäßigkeit in uns selbst fühlbar zu machen, anzeige. (KU, AA 05: 246)

Hiermit ist das Hauptanliegen des ersten Abschnitts dieses Kapitels, eine kurze vergleichende Analyse des Gefühls des Schönen und des Erhabenen, erfüllt. Nachdem komparativ gezeigt wurde, worin diese Gefühle bestehen, können wir übergehen zu der Frage, ob in beiden Fällen hinreichende Bedingungen gegeben sind, um von Apriorität zu sprechen.

c Apriorität der ästhetischen Urteile Kants Argument ist, grob gefasst, das folgende: Beide reinen ästhetischen Urteile sind Einzelurteile, die allerdings gleichzeitig einen Allgemeinheitsanspruch aufrechterhalten. Das heißt, einen Anspruch darauf, dass jedes Subjekt die Fähigkeit besitzt, aufgrund derselben Vorstellung dasselbe Urteil zu fällen, sowohl beim Schönen als auch beim Erhabenen. Dieses Kriterium der Allgemeingültigkeit kann jedoch nur aufrechterhalten werden, wenn aus dem Urteil notwendig ein reines Gefühl der Lust resultiert, das heißt, wenn die Vorstellung in jedem Moment als zweckmäßig (immerhin ohne Zweck) für die ästhetische Urteilskraft beurteilt wird (direkt, im Fall des Schönen, oder indirekt, im Fall des Erhabenen). Die Urteile des Erhabenen und des Schönen sind rein ästhetische Einzelurteile und erheben einen Allgemeinheitsanspruch, weil beide eine „angemaßte Notwendigkeit“ bei sich tragen, welche in der transzendentalen Struktur des Subjekts begründet ist, und „in dieser Modalität“ (KU, AA 05: 266) „ein Hauptmoment für die Kritik der Urteilskraft“ (KU, AA 05: 266) liegt. Das bedeutet, wenn jene Bedingungen gegeben wären, läge ein notwendiges ästhetisches Urteil vor. Alles scheint darauf hinzudeuten, dass die Kriterien für die Apriorität hier gegeben sind – solange wir über einen Gemeinsinn für die Allgemeingültigkeit des Gefühls der Lust verfügen, sowohl mit Blick auf die Erkenntnis überhaupt, als auch mit Blick auf das moralische Gefühl – allerdings auf eine ganz andere Art, als es bei den theoretischen und praktischen Urteilen der Fall ist. Denn in diesen reinen ästhetischen Fällen gibt es keine Möglichkeit, mit Gewissheit zu bestim-

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men, wann etwas korrekterweise als schön oder erhaben beurteilt werden soll. Das einzige Kriterium dafür ist subjektiv und basiert darauf, dass nur mit „exemplarischer“ Notwendigkeit (durch ein einzelnes und kein allgemeines Urteil wie sonst) ein reines Gefühl der Lust (oder Unlust) festgestellt werden kann. Doch da, wie erwähnt, ein reflektierendes ästhetisches Urteil nichts am Objekt, sondern lediglich den Gemütszustand des Subjekts bestimmt, scheint das Kriterium der Gewissheit hier keine wichtige Rolle zu spielen. Die subjektive Notwendigkeit der ästhetischen Urteile ist anscheinend der wichtigste Grund, warum die ästhetischen Urteile des Schönen und des Erhabenen „aus der empirischen Psychologie“ (KU, AA 05: 266) in die Klasse der Urteile a priori gehoben werden können, „um sie und vermittelst ihrer die Urteilskraft in die Klasse derer zu stellen, welche Prinzipien a priori zum Grunde haben, als solche aber sie in die Transzendentalphilosophie hinüberzuziehen“ (KU, AA 05: 266). Mithin scheinen am Ende des §29 der KU „a priori“ und „transzendental“ ineinanderzulaufen. Nichtsdestoweniger könnten hier verschiedene Aspekte in Frage gestellt werden, um zu sehen, wie Kants Konzeption der reinen ästhetischen Urteile (a priori) funktioniert, wenn man ein zusätzliches Kriterium für die Beurteilung miteinbezieht. Könnte ein Subjekt ein Objekt in einem Moment als schön bezeichnen und in einem späteren nicht mehr? Falls dem nicht so ist, müsste es dafür einen Grund im Objekt selbst geben, jenseits meiner Vorstellung mit Bezug auf dasselbe. Was bedeutet in diesem Fall die Form des Objekts? Bezieht sie sich auf das Objekt selbst und dessen Eigenschaften oder auf die Form der Interaktion meiner Vermögen mit Bezug auf die Vorstellung? Es müsste entweder eine bestimmende Schönheit geben oder wir müssten annehmen, dass sich die Art der Interaktion unserer Vermögen mit der Zeit ändern kann. Wenn sich die Art der Interaktion nicht ändert, wäre es nicht möglich, ein Objekt in einem Moment als schön, in einem anderen als nicht schön zu bezeichnen (was hieße, dass wir dem Objekt an sich das Prädikat der Schönheit zusprächen). Weiterhin, wenn unsere Vermögen mit der Zeit gleichblieben, wäre das Kriterium der Kultur für das Erhabene nicht anwendbar, denn die Kultur könnte die Art der Interaktion nicht beeinflussen. Wenn mir ein Objekt in einem Moment als angsteinflößend erscheint, so muss es mir, wenn die Art der Interaktion der Vermögen sich mit der Zeit nicht ändert, auch in jedem anderen Moment als angsteinflößend erscheinen. Doch könnte man in diesem Fall anhand einer Vorstellung von der Natur in einem Moment das Gefühl der Erhabenheit hervorrufen, in einem anderen anhand derselben Vorstellung nicht mehr? Falls sich die Interaktion unserer Vermögen nicht verändert, könnte sich auch unser Urteil nicht verändern, und das hieße, es müsste etwas in den Objekten selbst geben, das uns dazu bewegt, sie als schön oder erhaben zu bezeichnen. Also: Warum können die Schönheit und die Erhabenheit keine tat-

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sächlichen Eigenschaften der Objekte sein? Die Antwort auf diese Frage liegt darin, dass die kritische Philosophie sich mit der Legitimation der Ansprüche unserer Erkenntniskräfte beschäftigt und, wie bewiesen wurde, geben uns die Prädikate „schön-sein“ oder „erhaben-sein“ keine Information über das Objekt, worauf mein Urteil sich bezieht, sondern nur über den Gemütszustand des Subjekts. Darüber hinaus benötigt das Fällen dieser Urteile die empirische Mannigfaltigkeit, welche immer gegeben ist und deren ästhetische Zufälligkeit nicht a priori konstitutiverweise bestimmt werden kann. Bis hierher habe ich versucht, Kants ästhetische Kritik im begrifflichen Rahmen der Analytik der ästhetischen Urteilskraft besonders in Bezug auf §23 zu betrachten. Sie erfüllt ihre selbstgesetzten Kriterien. Indes, wenn wir Dinge in Frage stellen, die sich außerhalb der Theorie befinden, scheinen sich innerhalb der kritischen Theorie mögliche Widersprüche zu ergeben, von denen wir jedoch bisher nicht sagen können, inwiefern sie wirkliche Einwände gegen Kants Ästhetik darstellen. Da das wesentliche Anliegen des ersten Abschnitts dieses Kapitels, ein Vergleich der ästhetischen Urteile und die Frage nach ihrem apriorischen Charakter, behandelt wurde, können wir zum zweiten Teil des Kapitels übergehen.

2 Die innere Dualität des Gefühls des Erhabenen als Geistesgefühl und Gefühl des Übersinnlichen Im folgenden Abschnitt des Kapitels III wird die innere Dualität des Erhabenen betrachtet, die sich sowohl im mathematischen als auch im dynamischen Erhabenen widerspiegelt. Die zwei Momente des Erhabenen werden aus der Perspektive der zwei interagierenden Vermögen, der Lust und Unlust, und der beiden Darstellungsweisen der Zweckmäßigkeit in Betracht gezogen.

a Interagierende Vermögen: Vernunft und Einbildungskraft Beim Gefühl des Erhabenen interagiert die Einbildungskraft mit der Vernunft. In diesem Fall spielt der Verstand keine Rolle, da im Prinzip keine zusammengefasste Anschauung zur Verfügung steht, auf welche seine Regeln überhaupt und allgemein (ohne Bestimmung wie beim Schönen) appliziert werden können. Angesichts des Mangels an einer sinnlichen Vorstellung tritt die Vernunft auf und somit fängt die ernste, jedoch rein ästhetische Interaktion zwischen der Einbildungskraft und der Vernunft an. Es gibt Interpretationen wie etwa die von Lyotard (1994), Peña Aguado (1995), Pries (1995) und Welz (1997), die die Meinung ver-

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treten, dass es sich um eine hierarchische Beziehung handelt, in der die Vernunft die Einbildungskraft unterordnet, da sie Gewalt auf die Einbildungskraft ausübt und diese somit das Opfer des Urteils wird.¹⁶ Dagegen ist einzuwenden, dass das Subjekt eins ist und innerhalb seiner Subjektivität keine Opfer-Täter-Beziehung besteht. Selbst wenn das obere das untere Begehrungsvermögen zu praktischen Zwecken bestimmen soll, ergibt sich auch dort keine Opfer-Täter-Beziehung innerhalb der subjektiven Vermögen, die das Bedürfnis einer Befreiung der Einbildungskraft von der Vernunft hervorrufen könnte. Sollten derartige Termini verwendet werden, dann sollte nicht vergessen werden, dass die Vernunft selbst Freiheit ist, und in der Beurteilung des Erhabenen geschieht – wenn überhaupt, dann – eine Befreiung der Einbildungskraft von der Sinnlichkeit dank der Ideen der Vernunft, und keine Inhaftierung der ersteren seitens der letzteren. Trotz der anfänglichen Unlust ist die ästhetische Erfahrung des Erhabenen eine subjektivreflektierend-zweckmäßige, in der eine Übereinstimmung der Gemütskräfte notwendigerweise vorkommt. Andernfalls kann keine Rede von einem reinen ästhetischen Urteil sein. aa Vernunft Die Vernunft ist das Vermögen der Ideen, welches über die Grenzen der bestimmbaren Erfahrung hinausgeht.¹⁷ Zwei Ideen der Vernunft werden im Erhabenen vorgestellt: die Totalität der Natur als Unendlichkeit und die Freiheit des Subjekts. Beide Ideen können theoretisch-empirisch nicht bestimmt werden, aber sie spielen eine sehr wichtige Rolle außerhalb der Konstitution der Objekte der Erfahrung. Die erste Idee reguliert das System des Naturbegriffs, die zweite bestimmt das System des Freiheitsbegriffs. Beide Ideen sind an der Spitze in ihren jeweiligen Gebieten. Die Idee der Totalität der Natur ist der Höhepunkt für die Erforschung der Natur als System. Die Idee der Freiheit ist das moralische Prinzip überhaupt. Da ich in Kapitel IV eine ausführliche Behandlung beider Gebiete der Vernunft gebe, werde ich mich im Folgenden nur auf die wesentlichen Aspekte der Ideen innerhalb der ästhetischen Erfahrung des Erhabenen konzentrieren.

 Allegorisch erzählt uns Lyotard einen „Familienroman des Erhabenen“ (Lyotard 1994, S. 200), in dem der Vater die Vernunft (die Idee oder das Gesetz), während die Mutter die Einbildungskraft (die Form) von diesem ästhetischen Urteil darstellt: „Das Erhabene ist das Kind der unglückseligen Begegnung von Idee und Form […]. Er [der Vater] fordert nur Rücksicht für sich selbst, für das Gesetz und dessen Realisierung. Er bedarf keiner schönen Natur. Er verlangt gebieterisch nach einer vergewaltigten, überwältigten, erschöpften Einbildungskraft. Sie stirbt bei der Geburt des Erhabenen. Sie glaubt zu sterben.“ (Lyotard 1994, S. 201).  Die Definition der Vernunft in der dritten Kritik ist diese: „Die Vernunft ist ein Vermögen der Prinzipien und geht in ihrer äußersten Forderung auf das Unbedingte.“ (KU, AA 05: 401).

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Kant sagt in der Ersten Einleitung der KU, die Analytik des Erhabenen sei die Kritik des Geistesgefühls und „so nenne ich vorläufig das Vermögen an Gegenständen eine Erhabenheit vorzustellen“ (EEKU, AA 20: 250). Dieses Vermögen sollte die Vernunft sein. Kant hätte die Analytik des Erhabenen auch „Kritik des Vernunftgefühls“ nennen können. Jedoch könnte so eine Überschrift zu mehreren Zweideutigkeiten führen, weil Kant emphatisch unterscheidet zwischen formellen und materiellen, mittelbaren und unmittelbaren Objekt- und Subjektbezugsvorstellungen zum Bewusstsein. Er verneint u. a. die Möglichkeit einer intellektuellen Vergnügung und gibt dadurch Epikur Unrecht, welcher „das intellektuelle und selbst praktische Wohlgefallen zu den Vergnügen zählte“ (KU, AA 05: 331), denn es sind „immer Vergnügung und Schmerz zuletzt doch körperlich“ (KU, AA 05: 278), weil „sie insgesamt das Gefühl des Lebens affizieren“ (KU, AA 05: 278), und das intellektuelle Wohlgefallen auf der Vernunft und nicht dem Körper beruht.¹⁸ „Geist“ versteht Kant in ästhetischer Bedeutung als „das belebende Prinzip im Gemüte“ (KU, AA 05: 313). Dementsprechend wären Geist und Körper miteinander verknüpft und laut der Doktrin der Urteilskraft der ersten Kritik entspräche ihre Synthese (nexus) einer dynamisch-ungleichartigen Verbindung.¹⁹ Prinzipiell gäbe es eine Korrelation zwischen Geist und Körper, andersartig als die zwischen Vernunft und Körper, und zwar eine kausal-begründende, wo der Geist das Leben des Körpers veranlasst. Ein Beweis dafür sollte auf der physischen und metaphysischen Erklärung der transzendentalen Welt basieren. Ob aber der Geist nach der Analyse (Trennung) vom Körper, deren Verknüpfung empirisch-beweisbar sein sollte, subsistiert, lässt sich nur praktisch spekulieren und postulieren (über die Unsterblichkeit der Seele) dank des Faktums der Freiheit im Menschen. D. h. es  Was Epikur laut Kant im Prinzip auch vertritt, nur dass er „sich selbst missverstand“ (KU, AA 05: 331), denn „[d]as Wohlgefallen und Mißfallen beruht hier auf der Vernunft und ist mit der Billigung oder Mißbilligung einerlei; Vergnügung und Schmerz aber können nur auf dem Gefühl oder der Aussicht auf ein (aus welchem Grunde es auch sei) mögliches Wohl – oder Übelbefinden beruhen.“ (KU, AA 05: 331). Vergnügung und Schmerz beziehen sich auf den lebendigen Körper und ihre Möglichkeit sollte letztlich auf dem Lebensprinzip des Geistes aufbauen. Etwas als Schönes oder Erhabenes beurteilt kann das Körperliche fördern, ohne dabei etwas von seinem Geltungsanspruch zu verlieren, solange aber die Bestimmung des Urteils das reine Wohlgefallen (und Missfallen) ist und nicht die Vergnügung selbst: „Man kann also, wie mich dünkt, dem Epikur wohl einräumen: daß alles Vergnügen, wenn es gleich durch Begriffe veranlaßt wird, welche ästhetische Ideen erwecken, animalische, d. i. körperliche, Empfindung sei; ohne dadurch dem geistigen Gefühl der Achtung für moralische Ideen, welches kein Vergnügen ist, sondern eine Selbstschätzung (der Menschheit in uns), die uns über das Bedürfniß desselben erhebt, ja selbst nicht einmal dem minder edlen des Geschmacks im mindesten Abbruch zu tun.“ (KU, AA 05: 334– 335).  Die ontometaphysische und die ontophysische Synthese sollten diesen Zusammenhang regulieren.

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gibt keinen möglichen physischen Beweis der Subsistenz des Geistes, jedoch einen ontometaphysischen Beweis der Unabhängigkeit der Vernunft vom Körper. Welcher ist dieser Beweis? Die teleologische Erhabenheit der Vernunft. Die ästhetische Erfahrung der lebendigen Vernunft: das Gefühl des paradoxen Geistes. Der Geist wird in seiner komplexen ästhetischen Dimension im Erhabenen gefühlt, wobei die Hemmung der Lebenskräfte gespürt und gleichzeitig überwunden wird. Die momentane Abwesenheit des Gefühls des Lebens verweist einerseits auf das Unvorstellbare und andererseits auf das Maß, die Größe und den Grad des Lebens. Dies ist eine nichtvergegenständlichte Magnitude, d.i. die Undarstellbarkeit als Maß der Vorstellung einer Vernunftidee.²⁰ Die Entgegensetzung von Vernunft und Körper ist anders als die von Körper und Geist. Deshalb lässt es sich verstehen, warum der Ausdruck „Vernunftgefühl“ von Kant vermieden wurde. Selbst der Ausdruck „Geistesgefühl“ kommt nur einmal in der publizierten Version der KU und danach nicht mehr vor, vermutlich, weil „Geist“ eine Wende noch in der Deduktion der reinen ästhetischen Urteile erfährt. „Geist“ ist zugleich, „was die Gemütskräfte zweckmäßig in Schwung versetzt, d.i. in ein solches Spiel, welches sich von sich selbst erhält und selbst die Kräfte dazu stärkt“ (KU, AA 05: 313). Wenn Geist das belebende Prinzip ist und  Es ist interessant, die Wichtigkeit der Negation bei der Affirmation einer Entität zu beobachten: sei es Zustand, Vorstellung, Begriff, Idee, usw. Dieser Zusammenhang zwischen Negation und Affirmation wiederholt sich stets in verschiedenen Bereichen. Man wird sich der Anwesenheit von etwas bewusst, indem sich seine Abwesenheit präsentiert und umgekehrt. So paradox es sein mag, basiert diese Notwendigkeit auf der Grundlage unseres logischen Denkens: der Vernunft. Der Satz des Widerspruchs sowie der Satz der Identität bilden die Grundlage aller analytischen Sätze. Für Kant ist der Satz des Widerspruchs „das allgemeine und völlig hinreichende Principium aller analytischen Erkenntnis […] aber weiter geht auch sein Ansehen und Brauchbarkeit nicht als eines hinreichenden Kriteriums der Wahrheit.“ (KrV, A 153/ B 191). Kant präzisiert den Ausdruck des Prinzips, indem er das Kriterium der Simultaneität als zeitliche Bedingung der Unmöglichkeit der Affirmation und Negation eines Dinges redefiniert, wobei nicht das Subjekt des Urteils verneint wird, sondern nur sein Prädikat: „Ein Ding = A, welches etwas = B ist, kann nicht zu gleicher Zeit non B sein; aber es kann gar wohl beides (B so wohl, als non B) nach einander sein […] Sage ich, ein Mensch, der ungelehrt ist, ist nicht gelehrt, so muss die Bedingung: zugleich, dabei stehen; denn der, so zu einer Zeit ungelehrt ist, kann zu einer andern gar wohl gelehrt sein. Sage ich aber, kein ungelehrter Mensch ist gelehrt, so ist der Satz analytisch, weil das Merkmal (Ungelehrtheit) nunmehr den Begriff des Subjekts mit ausmacht, und alsdenn erhellt der verneinende Satz unmittelbar aus dem Satz des Widerspruchs, ohne daß die Bedingung: zugleich hinzukommen darf. Dieses ist eben auch die Ursache, weswegen ich oben die Formel desselben so verändert habe, daß die Natur eines analytischen Satzes dadurch deutlich ausgedr[ü]ckt wird“ (KrV, A 153/B 192 f.). Die ästhetischen reinen Urteile sind keine analytischen, sondern subjektivsynthetische. Deswegen tritt bei ihnen die zeitliche Bedingung auf und ermöglicht, dass etwas gefallen und nicht gefallen kann. Hier beziehe ich mich auf die Lust und Unlust beim Gefühl des Erhabenen. Das Prädikat sagt aber nichts über das Objekt aus, sondern nur über das Subjekt.

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Vernunft das Vermögen der Ideen, auf welche Weise entsteht der Zusammenhang zwischen Vernunft und Geist? „Nun behaupte ich, dieses Prinzip [des Geistes; Ergänzung von P. Ó. A.] sei nichts anders als das Vermögen der Darstellung ästhetischer Ideen.“ (KU, AA 05: 314). Also sind sowohl Vernunft als auch Geist für Ideen zuständig. Es bietet sich aber an, zu hinterfragen, was der Ausdruck von einer ästhetischen Idee bedeutet, wenn Ideen nicht ästhetisch darstellbar sind? [U]nter einer ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbildungskraft die viel zu denken veranlaßt, ohne daß ihr doch irgend ein bestimmter Gedanke, d.i. Begriff, adäquat sein kann, die folglich keine Sprache völlig erreicht und verständlich machen kann. (KU, AA 05: 314)

Dieses Prinzip des Geistes und seine ästhetischen Ideen gehören allerdings nicht zur Vernunft, sondern zur Einbildungskraft als ihre Produkte. Der Darsteller solcher ästhetischen Ideen wird von Kant als Genie benannt (KU, AA 05: 317– 318). Dieses bringt den Geist auf eine freie Weise in der Kunst zum Ausdruck. Aber wie soll diese Idee in Bezug auf die Vernunft verstanden werden? „Man sieht leicht, dass sie das Gegenstück (Pendant) von einer Vernunftidee sei, welche umgekehrt ein Begriff ist, dem keine Anschauung (Vorstellung der Einbildungskraft) adäquat sein kann“ (KU, AA 05: 314). Hiermit haben wir einen zusätzlichen Grund, um zu verstehen, warum Kant die Analytik des Erhabenen nicht als Vernunftgefühl, sondern als Geistesgefühl in der ersten Einleitung der KU definiert hat; weil das Erhabene letztlich „die Natur in derjenigen ihrer Erscheinungen [ist], deren Anschauung die Idee ihrer Unendlichkeit bei sich führt“ (KU, AA 05: 256); was nur „durch die Unangemessenheit selbst der größten Bestrebung unserer Einbildungskraft in der Größenschätzung eines Gegenstandes“ (KU, AA 05: 256) geschehen kann. Nun sieht es so aus, als ob Einbildungskraft und Vernunft in einer noch engeren Beziehung stehen würden, und zwar in einer solchen, in der beide in Anbetracht der Ideen homologiert werden können, wobei die erste eine immer unmittelbare Vorstellung in Bezug auf das Objekt (bestimmende Urteilskraft) oder auf das Subjekt (reflektierende Urteilskraft) impliziert und die letztere immer eine mittelbare Vorstellung in Bezug auf das Objekt oder das Subjekt.²¹ Eine ästhetische Idee kann keine Erkenntnis werden, weil sie eine Anschauung (der Einbildungskraft) ist, der niemals ein Begriff adäquat gefunden werden kann. Eine Vernunftidee kann nie Erkenntnis werden, weil sie einen Begriff (vom Übersinnlichen) enthält, dem niemals eine Anschauung angemessen gegeben werden kann.

 „Ideen in der allgemeinsten Bedeutung sind nach einem gewissen (subjektiven oder objektiven) Prinzip auf einen Gegenstand bezogene Vorstellung, sofern sie doch nie eine Erkenntnis desselben werden können.“ (KU, AA 05: 342).

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Nun glaube ich, man könne die ästhetische Idee eine inexponibele Vorstellung der Einbildungskraft, die Vernunftidee aber einen indemostrabelen Begriff der Vernunft nennen. (KU, AA 05: 342)

Dies sollte uns an die figürliche und intellektuelle Synthese und an den daraus entstandenen Apparat einer notwendigen und wechselseitig-bestimmenden Dichotomie erinnern, welche sich in der KU widerspiegelt: an die Metapher der teleologischen Medaille in Kapitel II. Wie verhält sich nun die Einbildungskraft im Erhabenen? ab Einbildungskraft Die Einbildungskraft spielt eine sehr wichtige Rolle bei der ästhetischen Beurteilung. Sie ist nämlich die Protagonistin der ganzen Kritik der ästhetischen Urteilskraft; beim Schönen interagiert sie mit dem Verstand, beim Erhabenen mit der Vernunft. In der Analytik des Erhabenen entfalten sich viele ihrer Dimensionen. Einerseits werden zwei Momente ihrer empirischen Tätigkeit genau erläutert: Auffassung (apprehensio) und Zusammenfassung (comprehensio aesthetica) bei der Beschreibung des mathematischen Erhabenen. Andererseits werden ihr zwei Stimmungen bei der Einteilung des Erhabenen zugesprochen, von denen kein anderer Beleg – außer dem präsentierten in §24 der Analytik des Erhabenen – in der kritischen Philosophie zu finden ist: die mathematische und dynamische Stimmung. Die ersten zwei Tätigkeiten der Einbildungskraft erinnern uns an die dreifache Synthese der ersten Auflage der KrV, wobei die dritte Synthese, nämlich die der Rekognition im Begriff, nicht auf diese Weise stattfindet, weil das Erhabene ein ästhetisches und kein logisches Urteil ist. Die zweite Dichotomie erinnert uns an die zweifache Synthese des Mannigfaltigen der KrV: die gleichartige und ungleichartige. Darüber hinaus definiert Kant die Einbildungskraft in der KU als das Vermögen der Anschauungen oder der Darstellungen und der Zusammensetzung des Mannigfaltigen der Anschauungen (KU, AA 05: 287). Alle diese Definitionen betreffen hauptsächlich ihren sinnlich-reproduktiven Charakter. Dennoch ist die Einbildungskraft auch hier produktiv, und zwar, wenn sie sich auf einen Gegenstand in ihrer freien Gesetzmäßigkeit bezieht, d.i. selbsttätig „als Urheberin willkürlicher Formen möglicher Anschauungen“ (KU, AA 05: 240) ist. Ein mittelbares Produkt dieses Verfahrens ist die ästhetische Idee, ein unmittelbares Produkt sind die Gefühle des Schönen und des Erhabenen. Ein drittes Produkt ist das Werk des Genies, eine aus der Mittelbarkeit zur Unmittelbarkeit gebrachte Darstellung.²²

 Die schöne Kunst bekommt ihre Regel, indem sie „nicht als ein Produkt des Verstandes und

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Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen

Im Erhabenen ist die Einbildungskraft entscheidend für die Artikulierung eines besonderen Wohlgefallens, dies beruht auf einer Tätigkeit der Einbildungskraft und ergibt sich auf besondere Weise; es ist „nicht etwa ein Wohlgefallen am Objekte, wie beim Schönen (weil es formlos sein kann)“ (KU, AA 05: 249), „sondern an der Erweiterung der Einbildungskraft an sich selbst.“ (KU, AA 05: 249). Nach der Wiedererkennung der Einbildungskraft ihrer eigenen Grenzen erfolgt eine Erweiterung von sich selbst; ohne diese wird das Urteil nicht ästhetisch, sondern bleibt unästhetisch (Unlust). Diese zwei Momente, einmal bezogen auf die Grenzen, einmal auf die Erweiterung der Einbildungskraft, konstituieren die Eigentümlichkeit des gemischten Gefühls des Erhabenen. Beide sind nötig. Wie erkennt die Einbildungskraft ihre Grenzen und Erweiterung wieder? Bei der dargestellten Undarstellbarkeit eines sogenannten erhabenen Objekts. Wie bereits erwähnt wurde, wird in der Sekundärliteratur über das Erhabene die Einbildungskraft häufig so verstanden, als ob sie ein Opfer der Vernunft wäre. Dies geschieht u. a., weil Kant selbst verschiedene Äußerungen mit dieser Konnotation bei der Beschreibung der Beurteilung des Erhabenen tätigt: „wo die Vernunft der Sinnlichkeit Gewalt antun muß“ (KU, AA 05: 269), „ein Gefühl der Beraubung [oder Aufopferung; Ergänzung von P. Ó. A.] der Freiheit der Einbildungskraft“ (KU, AA 05: 269), die Einbildungskraft, die die „Ursache fühlt, der sie unterworfen wird“ (KU, AA 05: 269), etc. Anstatt diese Opfer-Täter-Rollen der interagierenden Vermögen beim Erhabenen zu betonen, sollte erst verstanden werden, was damit gemeint ist und was genau als Aufopferung begriffen werden soll. Obwohl Kant behauptet, dass im Geschäft der Sittlichkeit „die Vernunft der Sinnlichkeit Gewalt antun muß; nur daß im ästhetischen Urteile über das Erhabenen diese Gewalt die Einbildungskraft selbst, als einem Werkzeug der Vernunft ausgeübt vorgestellt wird“ (KU, AA 05: 269), soll nicht vergessen werden, dass es dieselbe Einbildungskraft ist, welche diese Gewalt ausübt und dass sie gleichzeitig das Vermögen ist, welches jene erfährt. Die Anspannung der Einbildungskraft ergibt sich in erster Linie durch ein sinnliches Phänomen, diese Anstrengung wird nur dank der Erweckung des Übersinnlichen in uns seitens der Vernunft zur Entspanntheit. Mittels eines Gegenstandes wird sie sich über ihre mathematischen und dynamischen Grenzen bewusst. Aber dies kann nur stattfinden, solange die Einbildungskraft dazu fähig ist. M. a. W., ohne ein Gemüt, das empfänglich für die moralische Ideen ist, wäre diese Interaktionsart der Vermögen nicht möglich. Jene Empfänglichkeit hängt vom moralischen Gefühl im Subjekt ab. Was die Einbildungskraft verliert, ist nichts im Vergleich dazu, was sie dabei

der Wissenschaft, sondern des Genies betrachtet werden muss, und also durch ästhetische Ideen, welche von Vernunftideen bestimmter Zwecke wesentlich unterschieden sind.“ (KU, AA 05: 351).

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gewinnt, nämlich, das stärkste rein ästhetische Gefühl, das die Menschen spüren können, weil das Erhabene das ästhetische Gefühl des Übersinnlichen ist. Das Gemüt wird erschüttert, das „Objekt“ des Erhabenen ist für das Subjekt anziehend (lusterweckend) und abstoßend (unlusterweckend) zugleich. Mittels der Undarstellbarkeit des Objekts, sei es das des äußeren Sinns, sei es das des inneren Sinns, wird, angesichts der Unfähigkeit der Einbildungskraft eine Darstellung von ihm zu liefern, Unlust ausgelöst. Dieses negative Moment ist aber überwunden, indem die Einbildungskraft sich etwas vorstellen kann, was diese Undarstellbarkeit umfassen kann. Trotz der zwei unterschiedlichen Momente bleibt das Urteil rein, interesselos und ästhetisch. Beim Erhabenen findet eine subjektive Wiedererkennung statt, nämlich von der Art, dass das Subjekt jenseits seiner sinnlichen Grenzen etwas, was nichts Sinnliches ist, erahnen kann. Durch objektive Negation wird subjektive Affirmation erzeugt. Der holotische innere Sinn wird durch den äußeren Sinn im Erhabenen ästhetisch erweckt. Insofern ist die Erfahrung des Erhabenen kompatibel mit dem transzendentalen Idealismus und dem empirischen Realismus, weil das Subjekt die Gegebenheit der Welt für die Aktivierung seines empirischen Bewusstseins benötigt, so wie in der (kantischen) Widerlegung des Idealismus dargelegt wird. Hier geht es nicht um eine Trennung des Sinnlichen vom Übersinnlichen, wo das Subjekt sich selbst erhebt und über der Natur oder anderen Menschen steht,²³ sondern um eine Wiedererkennung davon, dass beide Aspekte dem Subjekt innewohnen. Es ist die Gesamtheit der Erkenntnisvermögen, welche aufgrund der objektiven Negation evoziert und dabei bestätigt wird. Aber die Bestätigung oder Wiedererkennung des Inneren – in seiner Totalität – ohne das Äußere ist nicht möglich. Deshalb ist eine Theorie des Erhabenen ohne Ansiedlung in der Wirklichkeit und nur mit Blick auf die Ideen keine kantische. Die Erweiterung der Einbildungskraft bedeutet nichts anderes als die Rekognition der Größe und der Macht des Gemüts: die Vernunft wird durch ihre Größe und Macht gefühlt. Nun sollen die zwei Aspekte des gemischten Gefühls des Erhabenen erforscht werden. Das erste Moment der objektiven Negation ist die reine Unlust und das zweite Moment der subjektiven Affirmation ist die reine Lust.

 Eine der klassischen Interpretationen des Erhabenen ist die als übersinnliche Erhebung, welche eine Missachtung oder Verachtung der Natur und anderer Menschen zur Folge haben kann. Der Romantizismus sei überladen mit solchen Merkmalen. Dazu siehe Pries (1995, S. 11– 25) und Brady (2013, S. 90 – 113).

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Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen

b Gemischtes Gefühl: Lust und Unlust „In Beziehung auf das Gefühl der Lust ist ein Gegenstand entweder zum Angenehmen oder Schönen oder Erhabenen oder Guten (schlechthin) zu zählen (iucundum, pulchrum, sublime, honestum)“ (KU, AA 05: 267).²⁴ Kant dekliniert die vier Lüste unter den vier Kategorien und bestimmt: das Gefühl der Lust des Angenehmen bestehe in der Quantität der Vorstellung, das des Schönen in der Qualität, das des Guten in der Modalität und das des Erhabenen „bloß in der Relation, worin das Sinnliche in der Vorstellung der Natur für einen möglichen übersinnlichen Gebrauch desselben als tauglich beurteilt wird“ (KU, AA 05: 267). Aber Kant sagt zugleich etwas anderes in §23 der KU, nämlich dass das Wohlgefallen beim Schönen „mit der Vorstellung der Qualität“ (KU, AA 05: 244) verbunden wird, während es beim Erhabenen mit derjenigen von „der Quantität verbunden“ (KU, AA 05: 244) wird. Zwar bleibt die Parallelität beim Schönen gleich, beim Erhabenen allerdings nicht. Warum muss das Wohlgefallen des Erhabenen nun anders dekliniert werden? Hat Kant einfach vergessen, was er sechs Paragraphen zuvor feststellt? Welche von beiden entspricht der richtigen Kategorie zum Deklinieren des Wohlgefallens des Erhabenen? Versuchen wir nun diese Verschiebung zu verstehen. In §24 der KU erläutert Kant die Reihenfolge seiner analytischen Methode der ästhetischen Urteile und sagt, dass er aufgrund der Bestimmung des Wohlgefallens in der Qualität der Vorstellung mit dieser Kategorie die Analyse des Schönen beginnen muss. Dasselbe gilt für das Erhabene: da der Grund seines Wohlgefal Es ist interessant, dass Kant in seiner Dohna-Vorlesung zur Anthropologie im Wintersemester 1791– 1792 unter dem „Wohlgefallen“ das Erhabene nicht erwähnt. Dies wäre vielleicht in der vorkritischen Periode zu erwarten gewesen, aber nach der Veröffentlichung der dritten Kritik lässt sich nicht so gut nachvollziehen, warum Kant es nicht in der Auflistung erwähnt. Dies kann nur die Hypothese bestätigen, dass Kant sich in seinen Vorlesungen hauptsächlich auf andere Lehrbücher stützt und nicht (nur) auf seine eigenen Werke. Die drei erwähnten Arten des Wohlgefallens in der Dohna-Vorlesung zur Anthropologie sind: Wohlgefallen durch den Sinn (das Angenehme), Wohlgefallen durch Reflexion (das Schöne) und Wohlgefallen durch den Verstand (das Gute). Aber die Idee, dass das Schöne Allgemeinheitsanspruch hat, vergisst er nicht zu erwähnen: „Vom Angenehmen muß man sagen: es ist mir angenehm, und nicht: es ist angenehm. Vom Schönen muß man sagen: es ist schön, und nicht: für mich ist es schön. Denn was schön sein soll, muß jedermann gefallen, nicht a priori durch die Vernunft, sondern durch die Erfahrung“. (Kant 1924, S. 200). „Die Gegenstände, aus denen das Gefühl der Lust und Unlust entspringen, werden nach der Verschiedenheit desselben genannt. 1.angenehm (oder schmerzlich), 2.schön (oder häßlich), 3. gut (oder böse).“ (Kant 1924, S. 174). Da diese Vorlesung noch nicht zu den Kants gesammelten Werken der Akademie Ausgabe gehört, werde ich die sorgfältige Edition vom Arnold Kowalewski nutzen: Die philosophischen Hauptvorlesungen Immanuel Kants: nach den neu aufgefundenen Kollegheften des Grafen Heinrich zu Dohna-Wundlacken (1924).

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lens in der Quantität der Vorstellung liegt, muss er die Analytik des Erhabenen mit der Kategorie der Quantität – angesichts der „Formlosigkeit“, „welche dem, was wir erhabenen nennen, zukommen kann“ (KU, AA 05: 247) – anfangen. Um die Totalität des Objekts, subreptiver Weise „erhaben“ genannt, in der Anschauung zusammenzusetzen, wird eine Idee der Vernunft (Unendlichkeit/Totalität) evoziert. Auf diese Weise kann eine einheitliche Vorstellung zustande kommen, damit das Erhabene gefallen kann. Totalität und Einheit sind die Quantitätskategorien, die in der Artikulierung des mathematischen Erhabenen auftreten. Das dritte Moment der Analytik des Erhabenen ist das der Relation und koinzidiert mit dem Anfang der Erläuterung des dynamischen Erhabenen der Natur. Kann es sein, dass Kant in der Deklination der Lüste nur an das dynamische Erhabene dachte und nicht an das mathematische? Oder ist die Lust am Gegenstand etwas anderes als die Vorstellungsart des Wohlgefallens? Diese zwei Fragen können vorläufig bejaht werden. Analytisch betrachtet korrespondieren im mathematischen Erhabenen die Quantitäts- und Qualitätsmomente, also müsste das mathematische Erhabene nicht von den dynamischen (Relation und Modalität) Kategorien dekliniert werden, sondern von den mathematischen. Genauso könnten wir im Fall des dynamischen Erhabenen assumieren, dass es Quantität und Qualität nicht betrifft. Da das Erhabene, mathematisch oder dynamisch, gefallen muss, muss Kant diesen Mangel beheben und uns zwei verschiedene Quellen des Wohlgefallens beim Erhabenen darbieten, weil es zwei Gefühle des Erhabenen gibt. Einmal liegt das Wohlgefallen im mathematischen Erhabenen in der Quantität und ein anderes Mal in der Relation im dynamischen Erhabenen. So könnten beide Urteile gefallen. Aber ist dieses Modell widerspruchsfrei? Nicht unbedingt. Bei der Interpretationsentscheidung, ob die Lust am Gegenstand etwas anderes als die Vorstellungsart des Wohlgefallens ist, lässt sich noch etwas Kohärenteres sagen. Meine Pointe ist, dass das Objekt des Gefühls des Erhabenen einund dasselbe ist; die Modi, wie das Gefühl erweckt wird, aber zwei unterschiedliche sind. Die Lust beim Erhabenen, wie Kant am Ende sagt, liegt in der subjektiven Relation ausgehend von einem Gegenstand, aber nicht im Gegenstand selbst, weil das Objekt des Erhabenen kein Gegenstand ist und sich schlechthin nicht präsentiert: „worin das Sinnliche in der Vorstellung der Natur für einen möglichen übersinnlichen Gebrauch desselben als tauglich beurteilt wird“ (KU, AA 05: 267). Das Wohlgefallen, verbunden mit der Quantität, entspricht dem Wohlgefallen am Objekt selbst, das nicht der Gegenstand ist, sondern die Quantifizierung des Übersinnlichen: die Unendlichkeit als Einheit betrachtet, die

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Totalität. Als gemischtes Gefühl enthält das Erhabene Lust und Unlust.Was genau damit gemeint ist, will ich im Folgenden klarer erläutern.²⁵ ba Lust In der KpV definiert Kant Lust folgendermaßen: „Lust ist die Vorstellung der Übereinstimmung des Gegenstandes oder der Handlung mit den subjektiven Bedingungen des Lebens“ (KpV, AA 05: 10). Leben und Lust stehen seit jeher in engem Zusammenhang, auch für Kant gilt diese Verbindung in seiner Ästhetik: das Schöne als Belebung unserer Gemütskräfte und das Erhabene als momentane Hemmung unserer Lebenskräfte (s. §23 der KU). Leben versteht Kant aber als das

 In einer seiner Vorlesungen zur Metaphysik in der Mitte der 1770er Jahre (Datierung laut der englischen Übersetzung von Ameriks und Naragon, Lectures on Metaphysic (1997), S. XVI) formuliert Kant die Frage nach dem Charakter eines Gefühls folgendermaßen: „Was ist aber ein Gefühl? Das ist etwas schwer zu bestimmen. Wir empfinden uns selbst. Die Vorstellungen können zweifach sein: Vorstellung des Objekts und des Subjekts. Unsere Vorstellungen können verglichen werden, entweder mit den Gegenständen oder mit der gesamten Lebenskräfte, die Gegenstände zu rezipieren oder auszuschließen, ist das Verhältnis des Wohlgefallens oder Mißfallens. Also ist das Gefühl nicht das Verhältnis der Gegenstände zur Vorstellung, sondern zur gesamten Kraft des Gemüts, dieselben entweder innigst zu rezipieren oder auszuschließen. Das Rezipieren ist das Gefühl der Lust, und das Ausschließen der Unlust.“ (V-Met-L1/Pölitz, AA 28: 246– 247). Es ist zu bemerken, dass Kant in jener Zeit seine transzendentale Wende der oberen Erkenntnisvermögen noch nicht vollzogen hatte. Deshalb ist noch nicht die Rede von einem Gefühl aus einem reinen ästhetischen Urteil. In der oben zitierten Vorlesung zur Anthropologie (Dohna), also nach der Veröffentlichung der Kritik der Urteilskraft (1790), beschreibt Kant laut des Grafs von Dohna, am 4. Januar 1792, was ein Gefühl sei und inwiefern es keine Erkenntnis sein könne und zu welcher Gattung der Vorstellungen es gehöre. Obwohl ein Gefühl zur Empfindung gehört und diese aufgrund seines Objektsbezugs Erkenntnisstücke sein können, ist das Gefühl nur eine subjektive Empfindung. „Gefühl, generaliter genommen, ist das Subjektive unserer Vorstellung, was keine Erkenntnis sein kann. Empfindung ist das Genus und Gefühl die species. Empfindungen können auch Erkenntnisstücke werden. Alle unsere Vorstellungen von Farben oder vom sauren und süßen Geschmack sind Empfindungen. So auch Licht, kann ein Erkenntnisstück werden. Man braucht diese Empfindungen, um sich die Beschaffenheit eines Gegenstandes vorzustellen. Lust und Unlust sind subjektive Empfindungen. Denn ich kann es von keinem Gegenstande außer mir sagen. Sie liegen bloß in mir“. (Kant 1924, S. 173 f.). Nichtsdestoweniger bleibt es unerwähnt, welche Ergebnisse die Kritik der ästhetischen Urteilskraft erbracht hat: „Der Geschmack gründet sich auf Interesse und dieses hat er nur in Gesellschaft. In ihr werden die Gegenstände des Geschmacks erst wichtig.“ (Kant 1924, S. 205). Durch dieses Zitat wird bestätigt, dass das ganze kritisch-ästhetische Projekt (der Interesselosigkeit der ästhetischen Urteile) beim Diktieren der Vorlesung nicht wirklich berücksichtigt wurde. Aus diesem Grund halte ich die veröffentlichten Texte der kritischen Periode für am relevantesten, denn Kants Gedanken sind hier am reifsten. Die Vorlesungen hingegen ziehe ich nur in Betracht, wenn im veröffentlichten Text Auskunft über etwas fehlt, das thematisch erforderlich ist. Ich behandle diese aber bloß am Rande.

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„Vermögen der Kausalität einer Vorstellung in Ansehung der Wirklichkeit ihres Objekts (oder der Bestimmung der Kräfte des Subjekts) zur Handlung, es hervorzubringen“ (KpV, AA 05: 10). Wenn Lust mit diesem zweckmäßigen Vermögen des Lebens assoziiert ist, bedeutet sie keine rein ästhetische Lust, sondern eine mit Interesse verbundene (das Gute oder das Angenehme). Die reine Lust enthält auch eine Zweckmäßigkeit, aber ohne Zweck: eine interesselose, weder von einem Begriff noch von einer Empfindung bestimmt. Die Lust als ein reines ästhetisches Urteil betrifft „bloß das Verhältnis der Vorstellungskräfte zueinander, sofern sie durch eine Vorstellung bestimmt werden.“ (KU, AA 05: 221). Wenn mit der bloßen Auffassung (apprehensio) der Form eines Gegenstandes der Anschauung, ohne Beziehung derselben auf einem Begriff zu einem bestimmten Erkenntnis, Lust verbunden ist, so wird die Vorstellung dadurch nicht auf das Objekt, sondern lediglich auf das Subjekt bezogen; und die Lust kann nichts anders sein als die Angemessenheit desselben zu den Erkenntnisvermögen, die in der reflektierenden Urteilskraft im Spiel sind, und sofern sie darin sind, also bloß eine subjektive formale Zweckmäßigkeit des Objekts ausdrücken. (KU, AA 05: 190)

Obwohl es sich beim Erhabenen anders verhält, erläutert dieses Zitat, wie es bei der reinen Beurteilung geschieht und worauf geachtet werden soll: 1. Reine Lust ist als die Angemessenheit des Objekts zu den Erkenntnisvermögen bei der Auffassung der Form eines Gegenstandes zu verstehen. 2. In der ästhetischen Reflexion sind Erkenntnisvermögen im Spiel. 3. Das Gefühl wird unabsichtlich vom Verhältnis dieser Vermögen erweckt. 4. Wenn dieses Verhältnis angesichts der Vorstellung das Subjekt „in Einstimmung“ versetzt, erst dann sprechen wir über reine Lust. Wie ist es beim Erhabenen? Was passiert, wenn bei der Auffassung keine formale Darstellung hinzukommt? Der erste Aspekt trifft beim Erhabenen nicht zu, da die Angemessenheit sich nicht aufgrund der Auffassung der Form ergibt.²⁶ Aber diese Uneinigkeit erläutert gleichzeitig, inwiefern das erste Moment der Beurteilung des Erhabenen mit Unlust verbunden ist. Der zweite Aspekt trifft beim Erhabenen zu, aber das Vermögen der Begriffe ist nicht der Verstand, sondern die Vernunft. Dies lässt sich damit begründen, dass der erste Aspekt nicht zutrifft. Der dritte Aspekt trifft zu: Das Subjekt benötigt das Sich-Geben des Objekts (Gegenstand) der Beurteilung und kann weder dieses Sich-Geben produzieren noch seine subjektive Vorstellung erkenntnisgemäß bestimmen. Der vierte Aspekt trifft auf  Im Erhabenen wird die Angemessenheit wie beim Schönen „nicht durch Übereinstimmung mit Begriffen, sondern durch das Gefühl“ entschieden (KU, AA 05: 194). Aber die Angemessenheit wird auch nicht durch die Form des Objekts hervorgebracht: Die Form entspricht nicht der Erhabenheit, jedoch aktiviert die Unform die Erhabenheit im Gemüt.

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das Erhabene auch zu, wobei das Subjekt erst nach der Unstimmigkeit bei der Beurteilung „in Einstimmung“ versetzt wird. „Die Empfänglichkeit einer Lust aus der Reflexion über die Formen der Sachen (der Natur sowohl als der Kunst) bezeichnet“ (KU, AA 05: 192) nicht nur eine Zweckmäßigkeit der Formen gemäß des Naturbegriffs am Subjekt,²⁷ sondern bezeichnet sie auch, angesichts seines Freiheitsbegriffs, eine Zweckmäßigkeit „des Subjekts in Ansehung der Gegenstände ihrer Form, ja selbst ihrer Unform nach“ (KU, AA 05: 192). So wird das ästhetische Urteil nicht nur „als Geschmacksurteil auf das Schöne, sondern auch, als aus einem Geistesgefühl entsprungenes, auf das Erhabene bezogen“ (KU, AA 05: 192). Da die reine Lust (ohne Interesse) sich so entfaltet,²⁸ hat die Kritik der ästhetischen Urteile zwei Teile. Ein Teil behandelt das reine Gefühl der Lust angesichts der Form des Gegenstandes und der andere Teil das reine gemischte Gefühl der Unlust in der Formlosigkeit des Gegenstandes und der Lust aufgrund des Geistes des Subjekts. Die unmittelbare Lust beim Erhabenen ergibt sich aus der Erweckung der Vernunft dank der Erweiterung der Einbildungskraft.²⁹ Die ästhetische Zweckmäßigkeit ergibt sich mit der Vernunft, als

 In der Anthropologie-Vorlesung Dohna unterscheidet Kant zwischen der Empfindsamkeit, was hier m. E. als Empfänglichkeit zu bezeichnen ist, und der Empfindseligkeit. Letztere charakterisiert er als Affektibilität, Affektation der Empfindsamkeit (Delikatesse), die erste als „das Vermögen sich denen Empfindungen, die aus einer Idee entspringen, zu überlassen.“ (Kant 1924, S. 188). In diesem Kontext meint die Empfindsamkeit die Empfänglichkeit, d. h. die subjektive Fähigkeit von praktischen Ideen affektiert zu werden.  Die Reinheit der ästhetischen Urteile gründet auf einer notwendigen Interesselosigkeit an der Existenz des Gegenstandes und an der Bedeutung eines Begriffs: „Die ästhetische Zweckmäßigkeit ist die Gesetzmäßigkeit der Urteilskraft in ihrer Freiheit. Das Wohlgefallen an dem Gegenstande hängt von der Beziehung ab, in welcher wir die Einbildungskraft setzen wollen: nur daß sie für sich selbst das Gemüt in freier Beschäftigung unterhalte.Wenn dagegen etwas anderes, es sei Sinnenempfindung oder Verstandesbegriff, das Urteil bestimmt, so ist es zwar gesetzmäßig, aber nicht das Urteil einer freien Urteilskraft.“ (KU, AA 05: 271).  „[Z]weytens mag das Object für die Reflexion bei der Wahrnehmung nicht das mindeste Zweckmäßige zu Bestimmung einer Form an sich haben, gleichwohl aber kann dessen Vorstellung, auf eine a priori im Subjecte liegende Zweckmäßigkeit, zur Erregung eines Gefühls derselben, (etwa der übersinnlichen Bestimmung der Gemüthskräfte des Subjects) angewandt, ein ästhetisches Urtheil gründen, welches sich auch auf ein (zwar nur subjectives) Princip a priori bezieht, aber nicht, so wie das erstere, auf eine Zweckmäßigkeit der Natur in Ansehung des Subjects, sondern nur auf einen möglichen zweckmäßigen Gebrauch gewisser sinnlicher Anschauungen ihrer Form nach vermittelst der blos reflectirenden Urtheilskraft. Wenn also das erstere Urtheil den Gegenständen der Natur Schönheit beilegt, das zweyte aber Erhabenheit und zwar beide blos durch ästhetische (reflectirende) Urtheile, ohne Begriff vom Object blos in Rücksicht auf subjective Zweckmäßigkeit, so würde für das letztere doch keine besondere Technik der Natur vorauszusetzen sein, weil es dabei blos auf einen zufälligen Gebrauch der Vorstellung, nicht zum Behuf der Erkenntniß des Objects, sondern eines andern Gefühls, nämlich dem der

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Vermögen einerseits der nichtdarstellbaren Formen (das Übersinnliche) und andererseits der praktischen Ideen. Das Gefühl der Lust beim Erhabenen ist als subjektive und nicht formelle ästhetische Zweckmäßigkeit zu verstehen. Das Wohlgefallen beim Erhabenen lässt sich aufgrund seines doppelten Charakters als gemischtes Gefühl nicht, wie seine Analytik in der KU zeigt, an einer einzigen Vorstellung festmachen. Das Erhabene als bewegendes Gefühl bedeutet, dass seine Lust und Unlust sowohl mit der Anstrengung der Einbildungskraft in ihrer sinnlichen Erweiterung als auch mit der Erweckung der Vernunft in der intellektuellen Erweiterung der Einbildungskraft begründet werden. Dies ist ein anderer paradoxer Aspekt dieses ästhetischen Gefühls.Wie ich bereits erläuterte, ist in der Sekundärliteratur die Rede von einer Opfer-Täter-Beziehung zwischen der Einbildungskraft und der Vernunft, wo die Einbildungskraft die Rolle der UnlustInstanz für das Gemüt spielt; nichtsdestoweniger lässt sich selbst diese Deutung innerhalb der Analytik des Erhabenen nicht univok halten, wie das nächste Zitat zeigt: Hier ist nun merkwürdig: daß, wenn wir gleich am Objekte gar kein Interesse haben, d. i. die Existenz desselben uns gleichgültig ist, doch die bloße Größe desselben, selbst wenn es als formlos betrachtet wird, ein Wohlgefallen bei sich führen könne, das allgemein mittheilbar ist, mithin Bewußtsein einer subjektiven Zweckmäßigkeit im Gebrauche unsrer Erkenntnisvermögen enthält; aber nicht etwa ein Wohlgefallen am Objekte, wie beim Schönen (weil es formlos sein kann), wo die reflektierende Urteilskraft sich in Beziehung auf das Erkenntnis überhaupt zweckmäßig gestimmt findet, sondern an der Erweiterung der Einbildungskraft an sich selbst. (KU, AA 05: 249)

Was an dieser Stelle als Grund des Wohlgefallens genannt wird, wird im nächsten Abschnitt als der Grund der Unlust betrachtet.³⁰

innern Zweckmäßigkeit in der Anlage der Gemüthskräfte, ankommt. Gleichwohl würde das Urtheil über das Erhabene in der Natur von der Eintheilung der Ästhetik der reflectirenden Urtheilskraft nicht auszuschließen sein, weil es auch eine subjective Zweckmäßigkeit ausdrückt, die nicht auf einem Begriffe vom Objecte beruht.“ (EEKU, AA 20: 249 – 250).  „Das Wohlgefallen am Erhabenen der Natur ist daher auch nur negativ (statt dessen das am Schönen positiv ist), nämlich ein Gefühl der Beraubung der Freiheit der Einbildungskraft durch sie selbst, indem sie nach einem andern Gesetze, als dem des empirischen Gebrauchs zweckmäßig bestimmt wird. Dadurch bekommt sie eine Erweiterung und Macht, welche größer ist als die, welche sie aufopfert, deren Grund aber ihr selbst verborgen ist, statt dessen sie die Aufopferung oder die Beraubung und zugleich die Ursache fühlt, der sie unterworfen wird.“ (KU, AA 05: 269)

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Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen

bb Unlust Die Qualität des Gefühls des Erhabenen ist: daß sie ein Gefühl der Unlust über das ästhetische Beurteilungsvermögen an einem Gegenstande ist, die darin doch zugleich als zweckmäßig vorgestellt wird; welches dadurch möglich ist, daß das eigne Unvermögen das Bewußtsein eines unbeschränkten Vermögens desselben Subjekts entdeckt, und das Gemüt das letztere nur durch das erstere ästhetisch beurteilen kann. (KU, AA 05: 259; Herv. von P. Ó. A.)

Bei der Beurteilung des Gegenstandes wird Unlust in der Erfahrung des Erhabenen gefühlt. Aber was genau ist Unlust? „Unlust [ist] diejenige Vorstellung, die den Zustand der Vorstellungen zu ihrem eigenen Gegenteile zu bestimmen (sie abzuhalten oder wegzuschaffen) den Grund enthält.“ (KU, AA 05: 220). Die Bewegung des Gemütszustandes beim Erhabenen verläuft von Unlust zur Lust (und umgekehrt): Das Gefühl des Erhabenen ist also ein Gefühl der Unlust, aus der Unangemessenheit der Einbildungskraft in der ästhetischen Größenschätzung, zu der Schätzung durch die Vernunft, und eine dabei zugleich erweckte Lust, aus der Übereinstimmung eben dieses Urteils der Unangemessenheit des größten sinnlichen Vermögens mit Vernunftideen, sofern die Bestrebung zu denselben doch für uns Gesetz ist. (KU, AA 05: 257; Herv. von P. Ó. A.)

Aber nicht alle „stürmischen Gemütsbewegungen“, unabhängig davon, wie sehr sie die Einbildungskraft in Spannung halten, können „auf die Ehre einer erhabenen Darstellung Anspruch machen“ (KU, AA 05: 274). Denn „wenn sie nicht eine Gemütsstimmung zurücklassen, die, wenn gleich nur indirekt, auf das Bewußtsein seiner Stärke und Entschlossenheit zu dem, was reine intellektuelle Zweckmäßigkeit bei sich führt (dem Übersinnlichen), Einfluß hat“ (KU, AA 05: 274), handelt es sich so nicht um eine erhabene Darstellung, sondern nur um etwas, was das Gemüt stürmisch bewegt: „Also muß das Erhabene jederzeit Beziehung auf die Denkungsart haben, d.i. auf Maximen, dem intellektuellen und den Vernunftideen über die Sinnlichkeit Obermacht zu verschaffen“ (KU, AA 05: 274). Das Gefühl der Unlust beim Erhabenen kann als subjektive Zweckwidrigkeit mit der Natur verstanden werden.

3 Die äußere Dualität des Erhabenen als Geistesgefühl und Gefühl des Übersinnlichen In diesem letzten Abschnitt wird die äußere Dualität des Erhabenen behandelt. Es wird argumentiert, dass die zwei Modi des Erhabenen bei Kant nur zwei Aspekte ein- und desselben Gefühls sind: die ästhetische Erfahrung des Übersinnlichen in uns. Die Trennbarkeit entspringt aus der Natur der Sache. Da das Gefühl des Er-

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habenen das Gefühl des Übersinnlichen ist und wir vom Übersinnlichen nichts wissen, können wir daraus nicht schließen, dass es „zwei verschiedene“ Darstellungen des Übersinnlichen gibt. Deshalb ist das Erhabene ein einziges Gefühl mit zwei Modi, welche angesichts der Gegebenheit der Erscheinungen zwei Anwendungen ein- und derselben Vernunft entsprechen.

a Das mathematische Erhabene: Übermaß der objektiven Größe als subjektive Unendlichkeit „Erhaben nennen wir das, was schlechthin groß ist.“ (KU, AA 05: 248)

In der einzigen dem Erhabenen gewidmeten Seite in der Anthropologie-Vorlesung Dohna (1792) wird folgendes gesagt: „Das Erhabene bedeutet eine Vergleichung, übertreffend den gewöhnlichen Maßstab der Größen, oder was über den gewöhnlichen Maßstab der Größen hinausgeht“ (Kant 1924, S. 204).³¹ Obwohl die Behandlung des Erhabenen in dieser Vorlesung weder von seinem reinen Charakter noch seiner Einteilung (mathematisch-dynamisch) zeugt, werden in ihr mit einer gewissen Deutlichkeit vier relevante begriffliche Zusammenhänge für seine mathematische Artikulierung präsentiert: Größe, Vergleichung, Maßstab und Übertreffen. Etwas vergleichen bedeutet unmittelbar etwas „mit etwas anderem“ zu vergleichen. Es wird zumindest „etwas anderes“ für den Vergleich verlangt: ein Maßstab. Nun aber stellt das Erhabene das Übertreffende in diesem Vergleich dar, weil es „absolute, non comparative magnum“ ist, „was über alle Vergleichung groß ist“ (KU, AA 05: 248). Was aber ist für Kant eine Größe? In der Analytik des Erhabenen spezifiziert er, dass Größe-Sein (quantitas) und Groß-Sein (magnitudo) nicht dasselbe ist, so wie es auch nicht dasselbe ist, dass etwas im Vergleich zu allen anderen Größen das Größte ist: „Daß etwas eine Größe (quantum) sei, läßt sich aus dem Dinge selbst ohne alle Vergleichung mit andern erkennen: wenn nämlich Vielheit des Gleichartigen zusammen Eines ausmacht“ (KU, AA 05: 248). Ein „Ding“ als Größe bezeichnen zu können, ist genau das kritische Resultat der mathematischen Schemata (mittels der figürlichen Synthese und der Synthese der reinen Appre Wie vorher erwähnt, scheint mir die Anthropologie-Vorlesung des Grafen Dohna-Wundlacken besonders interessant, da sie nach der Veröffentlichung der Kritik der Urteilskraft (1790) gehalten wurde. Somit liegt die Vermutung nahe, dass sie in Korrelation mit der dritten Kritik gebracht werden kann, obwohl, wie der Leser/die Leserin an einer anderen Stelle gesehen hat, diese Vorlesung nicht immer mit der ästhetischen Theorie Kants der dritten Kritik kompatibel wird.

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hension des Mannigfaltigen), welche m. E. ohne die gleichartige (mathematische) Synthese nicht denkbar werden können.³² Aus der Zusammensetzung ergeben sich, wie in Kapitel II behandelt, die Axiome der Anschauung und die Antizipationen der Wahrnehmung. Mathematische Schemata und Grundsätze begründen die intuitive Gewissheit des Erkennens via Zusammensetzung, weil sie die Evidenz und Bestimmung aller Anschauungen a priori betreffen (KrV, B 201). M.a.W.: ohne sie gibt es keine Anschauungsbildung, wie auch nicht ohne effektive (reine oder empirische) Affektion. In der KrV definiert Kant das erste mathematische Schema der Einbildungskraft anhand der reinen Bilder von Raum und Zeit folgendermaßen: „Das reine Bild aller Größen (quantorum) vor dem äußeren Sinne ist der Raum; aller Gegenstände der Sinne aber überhaupt, die Zeit. Das reine Schema der Größe aber (quantitatis), als eines Begriffs des Verstandes, ist die Zahl.“ (KrV, A 142/ B 182) Und das zweite mathematische Schema wird so definiert: „das Schema einer Realität, als der Quantität von Etwas, so fern es die Zeit erfüllt, ist eben diese kontinuierliche und gleichförmige Erzeugung derselben in der Zeit“ (KrV, A 143/ B 183; Herv. von P. Ó. A.). Jede Empfindung hat „einen Grad oder Größe, wodurch sie dieselbe Zeit […] mehr oder weniger erfüllen kann“ (KrV, A 142/ B 183). Dies macht die Realität eines Gegenstandes aus. „Realität ist im reinen Verstandesbegriffe das, was einer Empfindung korrespondiert“ (KrV, A 142/ B 183). Größe und Grad konstituieren gemeinsam alle Gegenstände, beide sind quantitas, die erste extensive (im Raum), der letztere intensive (in der Zeit). „Alle Anschauungen sind extensive Größen“ (KrV, B 202) wird als Prinzip der Axiome der Anschauung herausgestellt, so wie das Prinzip der Antizipationen der Wahrnehmung auf die intensive Größe hinweist: „In allen Erscheinungen hat das Reale, was ein Gegenstand der Empfindung ist, intensive Größe, d.i. einen Grad.“ (KrV, B 208). In der mathematischen Synthese wird ein kontinuierliches und gleichartiges Mannigfaltiges erst einmal „apprehendiert“ und dann „zusammengesetzt“, einmal zum äußeren Sinn in der „Aggregation“ gerichtet, einmal zum inneren Sinn in der „Koalision“ gerichtet. In der Mathematik finden die Geometrie und Arithmetik ihre transzendentale Basis in der Aggregation und Koalision der gleichartigen Synthese. Die Erfahrung des mathematischen Erhabenen scheint eine solche zu sein, wo die Synthese der Aggregation in ihrer äußerlichen ästhetischen Artikulation und die Synthese der Koalision in ihrer innerlichen ästhetischen Artikulation zu ihrem Maximum gebracht werden, bis sie kollabieren. Beide Synthesen sollten laut unserer Hypothese über die Systematik der Einteilung des Erhabenen im mathematischen Erhabenen vorkommen, selbst

 Die Gegebenheit der Gegenstände ohne das synthetisierende Bewusstsein ist für uns nichts.

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wenn es empirisch fortginge.³³ Denn es ist davon auszugehen, dass die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung auf die tatsächliche Erfahrung angewandt werden können. Dies muss am Ende des Abschnitts noch geprüft werden. Folgendes erläutert Kant in der Analytik des Erhabenen: Die Einbildungskraft schreitet in der Zusammensetzung, die zur Größenvorstellung erforderlich ist, von selbst, […] ins Unendliche fort; der Verstand leitet sie aber durch Zahlbegriffe, wozu jene das Schema hergeben muß; und in diesem Verfahren, als zur logischen Größenschätzung, ist zwar etwas objektiv Zweckmäßiges nach dem Begriffe von einem Zwecke (dergleichen jede Ausmessung ist), aber nichts für die ästhetische Urteilskraft Zweckmäßiges und Gefallendes. (KU, AA 05: 253)

Das zuvor Erläuterte könnte uns zur Annahme veranlassen, dass das Vermögen, das für das Vergleichen der Größen zuständig ist, der Verstand ist. Jedoch ist der Vergleich kein Verstandesbegriff, sondern ein Reflexionsurteil.³⁴ Wenn wir (unter der obgenannten Einschränkung) von einem Gegenstande schlechtweg sagen, er sei groß: so ist dies kein mathematisch=bestimmendes, sondern ein bloßes Reflexionsurteil über die Vorstellung desselben, die für einen gewissen Gebrauch unserer Erkenntniskräfte in der Größenschätzung subjektiv zweckmäßig ist; und wir verbinden alsdann mit der Vorstellung jederzeit eine Art von Achtung, so wie mit dem, was wir schlechtweg klein nennen, eine Verachtung. (KU, AA 05: 249)

 Hier ist die folgende Hypothese gemeint, dass die Einteilung des Erhabenen mathematischdynamisch einen systematischen Grund hat und nicht bloß beliebig ist. Da es keine zusätzliche Information von der mathematischen und dynamischen Stimmung der Einbildungskraft (außer in §24, KU) gab, war ein anderer Leitfaden zur Entdeckung dieses systematischen Grundes nötig. Dieser wurde im Rahmen der Doktrin der Synthese in der ersten Kritik gefunden, wo Kant die Kategorien in mathematische und dynamische Klassen aufteilt (s. Kapitel II). Nun will ich prüfen, inwieweit die Kriterien der mathematischen (gleichartigen) Synthese auf das mathematische Erhabene anwendbar sind.  „Die Überlegung (reflexio) hat es nicht mit den Gegenständen selbst zu tun, um geradezu von ihnen Begriffe zu bekommen, sondern ist der Zustand des Gemüts, in welchem wir uns zuerst dazu anschicken, um die subjektiven Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen wir zu Begriffen gelangen können. Sie ist das Bewußtsein des Verhältnisses gegebener Vorstellungen zu unseren verschiedenen Erkenntnisquellen, durch welches allein ihr Verhältnis untereinander richtig bestimmt werden kann. […] Aber alle Urteile, ja alle Vergleichungen bedürfen einer Überlegung, d. h. einer Unterscheidung der Erkenntniskraft, wozu die gegebenen Begriffe gehören. Die Handlung, dadurch ich die Vergleichung der Vorstellungen überhaupt mit der Erkenntniskraft zusammenhalte, darin sie angestellt wird, und wodurch ich unterscheide, ob sie als zum reinen Verstande oder zur sinnlichen Anschauung gehörend untereinander verglichen werden, nenne ich die transzendentale Überlegung.“ (KrV, A 261/B 317). Laut diesem Zitat lässt sich behaupten, dass Kant in der Kritik der Urteilskraft eine transzendentale Reflexion unternimmt.

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Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen

Das bedeutet zunächst, dass die Urteilskraft für Vergleiche zuständig ist.³⁵ Anschließend wird gesagt, dass es um eine ästhetische subjektiv-zweckmäßige und keine logische mathematisch-bestimmende Messung geht. Somit handelt die Urteilskraft ohne die Hilfe von Zahlen (der Größe der Vielheit), d.i. nicht durch comprehensio logica, sondern mit der Hilfe eines anderen Maßes (der Größe der Einheit), d.i. durch die comprehensio aesthetica,³⁶ ein Maßstab, „den man für jedermann als eben denselben annehmen zu können voraussetzt, der aber zu keiner logischen (mathematisch=bestimmten), sondern nur ästhetischen Beurteilung der Größe brauchbar ist.“ (KU, AA 05: 249). Im Anschluss daran wird eine Bewertung festgestellt, nämlich, dass, was jedermann als groß bezeichnen kann, bei dieser Vorstellung mit „eine[r] Art von Achtung“ verbunden wird, während dasjenige, das klein genannt wird, mit einer Vorstellung von „Verachtung“ verbunden wird. Im Auffassen (progressiv) kann die logische Größenschätzung ins Unendliche „nach einem Progressionsprinzip verrichtet“ fortgehen, aber „nicht komprehensiv“ (KU, AA 05: 254). Egal, ob dieses Progressionsprinzip einen Maßstab, den „man in einem Blick fassen kann, z. B. einen „Fuß“ oder einen „Erddurchmesser“ darstellt (KU, AA 05: 254), kann die Einbildungskraft das Unendliche als Totalität nicht ästhetisch komprehendieren. Der Verstand wird „ebensogut bedient und befriedigt“ (KU, AA 05: 254), solange die Einbildungskraft für die Einheit einer Größe einen Maßstab wählt. Mit der Auffassung hat es keine Not, denn damit kann es ins Unendliche gehen; aber die Zusammenfassung wird immer schwerer, je weiter die Auffassung fortrückt, und gelangt bald zu ihrem Maximum, nämlich dem ästhetisch-größten Grundmaße der Größenschätzung. (KU, AA 05: 252)

Die Einbildungskraft kann in der Auffassung (apprehensio) sowie in der logischen Zusammenfassung („comprehensio logica in einen Zahlbegriff“) ins Unendliche fortgehen, aber nicht in der ästhetischen Zusammenfassung (comprehensio ae-

 „Was will nun aber der Ausdruck, daß etwas groß, oder klein, oder mittelmäßig sei, sagen? Ein reiner Verstandesbegriff ist es nicht, was dadurch bezeichnet wird; noch weniger eine Sinnenanschauung; und eben so wenig ein Vernunftbegriff, weil es gar kein Prinzip der Erkenntnis bei sich führt. Es muß also ein Begriff der Urteilskraft sein, oder von einem solchen abstammen und eine subjektive Zweckmäßigkeit der Vorstellung in Beziehung auf die Urteilskraft zum Grunde legen.“ (KU, AA 05: 248). Bei der Vergleichung von Begriffen in den objektiven Urteilen bedient sich Kant an den conceptus comparationis: Einerleiheit und Verschiedenheit; Einstimmung und Verschiedenheit. Dazu siehe: KrV, A 262/ B 318.  Comprehensio aesthetica als „Die Zusammenfassung in eine Anschauung der Einbildungskraft“ (KU, AA 05: 254).

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sthetica) (KU, AA 05: 254); „indes daß diese zu[r] Auffassung mehrerer fortrückt, so verliert sie auf einer Seite ebensoviel, als sie auf der anderen gewinnt, und in der Zusammenfassung ist ein Größtes, über welches sie nicht hinauskommen kann.“ (KU, AA 05: 252). Welcher ist jener ästhetische Maßstab? Erst einmal stellt sich heraus, dass das „Augenmaß“ das ästhetische Maß ist – dies wird aber noch eine Wendung erfahren.³⁷ Wenn das Maß das Sichtvermögen ist, braucht selbst dieses einen anderen Maßstab, um sich zu orientieren. Welches ist sein Maß?³⁸ Dies kann nichts anderes als der Körper sein, das sinnliche Substrat des Subjekts.³⁹ Wenn aber die Menschen unterschiedlich groß sind und verschiedene Sehkräfte besitzen, wie können wir in jener Hinsicht noch Anspruch auf einen ästhetischen allgemeingültigen Maßstab der Größe erheben? Wenn das Erhabene alle gewöhnlichen Objekte an Größe übertreffen soll, sollten wir vor dem Fällen des ästhetischen Urteils eine Erfahrung gemacht haben, die uns alle Objekte des Universums gezeigt hat, damit wir über ihre ästhetische Größe urteilen und feststellen können, dass dies X erhaben sei. In der Natur sind alle Größenschätzungen relativ, selbst wenn wir gewöhnliche Maßstäbe der Gegenstände rekognoszieren. Wie kann dann etwas als absolut groß bezeichnet werden? Wenn wir aber etwas nicht allein groß, sondern schlechthin, absolut, in aller Absicht (über alle Vergleichung) groß, d. i. erhaben, nennen, so sieht man bald ein: daß wir für dasselbe keinen ihm angemessenen Maßstab außer ihm, sondern bloß in ihm zu suchen verstatten. Es ist eine Größe, die bloß sich selber gleich ist. Daß das Erhabene also nicht in den Dingen der Natur, sondern allein in unsern Ideen zu suchen sei, folgt hieraus. (KU, AA 05: 250; Herv. von P. Ó. A.)

 „Die Größenschätzung durch Zahlbegriffe (oder deren Zeichen in der Algebra) ist mathematisch, die aber in der bloßen Anschauung (nach dem Augenmaße) ist ästhetisch.“ (KU, AA 05: 251).  „Er mag übrigens empirisch sein, wie etwa die mittlere Größe der uns bekannten Menschen, Tiere von gewisser Art, Bäume, Häuser, Berge u. d. gl.; oder ein a priori gegebener Maßstab, der durch die Mängel des beurteilenden Subjekts auf subjektive Bedingungen der Darstellung in concreto eingeschränkt ist: als im Praktischen die Größe einer gewissen Tugend, oder der öffentlichen Freiheit und Gerechtigkeit in einem Lande; oder im theoretischen die Größe der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer gemachten Observation oder Messung u. d. gl.“ (KU, AA 05: 249).  Laut der ersten Deduktion der Verstandesbegriffen spielt der Körper die Rolle einer Regel für unsere Erkenntnis von äußeren Erscheinungen: „So dient der Begriff vom Körper nach der Einheit des Mannigfaltigen, welches durch ihn gedacht wird, unserer Erkenntnis äußerer Erscheinungen zur Regel. Eine Regel der Anschauungen kann er aber nur dadurch sein: daß er bei gegebenen Erscheinungen die notwendige Reproduktion des Mannigfaltigen derselben, mithin die synthetische Einheit in ihrem Bewußtsein, vorstellt. So macht der Begriff des Körpers, bei der Wahrnehmung von Etwas außer uns, die Vorstellung der Ausdehnung, und mit ihr die der Undurchdringlichkeit, der Gestalt etc. notwendig“ (KrV, A 106).

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Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen

Daraus folgt eindeutig, dass das Erhabene als absolute Größe sein eigenes Maß bildet und, dass es nicht in der Natur zu suchen ist, sondern nur im Vermögen der Ideen. Welcher ist sein eigener Maßstab? Die Vernunft. Es ist nämlich für uns Gesetz (der Vernunft) und gehört zu unserer Bestimmung, alles, was die Natur als Gegenstand der Sinne für uns Großes enthält, in Vergleichung mit Ideen der Vernunft für klein zu schätzen; und was das Gefühl dieser übersinnlichen Bestimmung in uns rege macht, stimmt zu jenem Gesetze zusammen. (KU, AA 05: 257; Herv. von P. Ó. A.)

Der ultimative übertreffende Maßstab ist dann nicht das Augenmaß, sondern die Vernunft mittels ihrer Ideen. Wir haben am Anfang festgestellt, dass in dieser Vergleichung das Übertreffende das Erhabene ist. Nun haben wir zwei Maßstäbe: die Natur und die Vernunft, wobei die Vernunft überlegen ist. Wenn aber das Erhabene nur in unseren Ideen zu finden ist, welche Rolle spielt überhaupt die Anschauung eines riesengroßen Gegenstandes? Nichts also, was Gegenstand der Sinnen sein kann, ist, auf diesen Fuß betrachtet, erhabenen zu nennen. Aber eben darum, daß in unserer Einbildungskraft ein Bestreben zum Fortschritte ins Unendliche, unserer Vernunft aber ein Anspruch auf absolute Totalität als auf eine reelle Idee liegt, ist selbst jene Unangemessenheit unseres Vermögen der Größenschätzung der Dinge der Sinnenwelt für diese Idee die Erweckung des Gefühls eines übersinnlichen Vermögens in uns. Mithin ist die Geistesstimmung durch eine gewisse, die reflektierende Urteilskraft beschäftigende Vorstellung, nicht aber das Objekt erhabenen zu nennen. (KU, AA 05: 250; Herv. von P. Ó. A.)

Kann ich also für mich ästhetische Zweckmäßigkeit (absichtlich) erzeugen, indem ich einfach an die Ideen der Vernunft denke? Nein, das Erhabene benötigt den Gegenstand als Unlustinstanz für die Erweckung der Ideen im Gemüt.⁴⁰ An etwas

 Es gibt mehrere Interpreten und Interpretinnen des Erhabenen, die das Objekt schlechthin nicht als wichtigen Aspekt der reinen ästhetischen Erfahrung des Erhabenen bei Kant betrachten, was m. E. mit der Komplexität der Kantischen Ästhetik einfach unversöhnlich ist, etwa Polzer: „Kant unterstreicht, dass man über das Erhabene ohne Bezug auf die Objekte der Realität urteilen muss, da diese von sich selbst her sinnlos seien, erst unsere Reflexion mache sie schön oder erhaben“ (Polzer 2015, S. 73). Eine Sache ist es, dass wir diese Objekte der Natur (wie auch die Organismen) erkenntnisgemäß bei der reflektierenden Beurteilung nicht bestimmen, eine andere Sache ist es zu behaupten, dass diese Objekte überhaupt unbestimmbar (sinnlos) bleiben. Und eine völlig andere Sache ist es, Kants kritischer Ästhetik eine radikale Dissektion der objektiven Realität zuzuschreiben. Alle Objekte der Natur richten sich nach den reinen Kategorien und reinen Anschauungen. Dies sind unsere Erscheinungen, die wir jederzeit a priori und empirisch bestimmen können. Andernfalls ist es unmöglich eine bewusste Vorstellung von den Objekten der Natur zu haben. Viele Interpreten und Interpretinnen missverstehen einen zentralen Punkt der Restriktion der Bestimmung des Objekts bei der ästhetischen Beurteilung. Das, was unbe-

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denken und dabei eine reine gemischte Lust zu empfinden ist nicht einerlei; selbst wenn ich bei der Evokation einer diskursiven Vorstellung Lust empfinden könnte, wäre diese Lust notwendigerweise (laut der Deklination der Lüste) keine reine ästhetische, sondern nur eine solche mit Interesse verbundene. Nun ist die größte Bestrebung der Einbildungskraft in Darstellung der Einheit für die Größenschätzung eine Beziehung auf etwas Absolut Großes, folglich auch eine Beziehung auf das Gesetz der Vernunft, dieses allein zum obersten Maße der Größen anzunehmen. Also ist die innere Wahrnehmung der Unangemessenheit alles sinnlichen Maßstabes zur Größenschätzung der Vernunft eine Übereinstimmung mit Gesetzen derselben und eine Unlust, welche das Gefühl unserer übersinnlichen Bestimmung in uns rege macht, nach welcher es zweckmäßig ist, mithin Lust ist, jeden Maßstab der Sinnlichkeit den Ideen der Vernunft unangemessen zu finden. (KU, AA 05: 258; Herv. von P. Ó. A.)

Der Kollaps der empirischen Synthese der Zusammenfassung, insofern eine Erscheinung so groß ist, kann gleichzeitig als eine Art von Kollaps der Synthese der Zusammensetzung (compositio) betrachtet werden. Mathematisch-schematisch gesehen bringt diese „erhabene“ Erscheinung der Natur die Einbildungskraft dazu, ein Bild des ganzen Raumes und fließender Zeit als Schema zu liefern, einerseits für die extensive Größe, die progressive Unendlichkeit in der Aggregation, welche einheitlich-ungreifbar bleibt, und anderseits für die intensive Größe (Grad), die Affirmation (Realität) und Negation in der Koalision, welche augenblicklich-ungreifbar bleibt. Aggregation und Koalision scheitern, denn das Phänomen kann nicht in einem Augenblick als Einheitliches von der Einbildungskraft wahrgenommen werden. Trotz aller Bestrebung in der Apprehension gelingt ihr keine objektive Anschauung von diesem Ganzen in der ästhetischen Zusammenfassung. Diese Unangemessenheit zur Erreichung einer Anschauung evoziert eine andere Unangemessenheit zum Erreichen einer anderen Vorstellung. Ab jetzt bewegt sich das Gemüt und es ist nicht mehr deutlich, ob die ästhetische Zusammenfassung eines Phänomens oder die Darstellung einer Idee die Unangemessenheit des Gemüts (Unlust) verursacht: Nun aber hört das Gemüt in sich auf die Stimme der Vernunft, welche zu allen gegebenen Größen […] Totalität fordert, mithin Zusammenfassung in einer Anschauung und für alle jene Glieder einer fortschreitend-wachsenden Zahlreihe Darstellung verlangt, und selbst das Unendliche (Raum und verflossene Zeit) von dieser Forderung nicht ausnimmt, vielmehr es

stimmbar ist, ist nicht das Objekt, sondern die Prädikate „schönsein“ und „erhabensein“. Diese Prädikate entsprechen keiner Art von Erkenntnissen: Wenn ich sage, dass etwas schön ist, sage ich nichts über die Bestimmung des Objekts, aber das heißt immer noch nicht, dass dem Objekt keine anderen informativen Prädikate (etwa solid, grün, weich, usw.) zukommen können.

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Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen

unvermeidlich macht, sich dasselbe (in dem Urteile der gemeinen Vernunft) als ganz (seiner Totalität nach) gegeben zu denken. (KU, AA 05: 254)

Die mathematische Synthese gelingt nicht und das Gemüt muss an etwas anderes appellieren: „Das gegebene Unendliche aber dennoch ohne Widerspruch auch nur denken zu können, dazu wird ein Vermögen, das selbst übersinnlich ist, im menschlichen Gemüte erfordert“ (KU, AA 05: 254). Durch dieses Vermögen „wird das Unendliche der Sinnenwelt in der reinen intellektuellen Größenschätzung unter einem Begriffe ganz zusammengefasst, obzwar es in der mathematischen durch Zahlbegriffe nie ganz gedacht werden kann“ (KU, AA 05: 255). Da dieses Vermögen „das Unendliche der übersinnlichen Anschauung“ als gegeben denken kann, „übertrifft [es] allen Maßstab der Sinnlichkeit, und ist über alle Vergleichung selbst mit dem Vermögen der mathematischen Schätzung groß“. (KU, AA 05: 255) Aber nicht in theoretischer Absicht für das Erkenntnisvermögen, denn da muss die Vernunft mit ihrem Verlangen gezügelt werden, „aber doch als Erweiterung des Gemüts, welches die Schranken der Sinnlichkeit in anderer (der praktischen Absicht) zu überschreiten sich vermögend fühlt.“ (KU, AA 05: 255). Das Gemüt wird dadurch in seiner Totalität bewegt, die Totalität des inneren Sinns wird aufgrund der Unerreichbarkeit eines Ganzen in der Zusammenfassung erweckt, das Sein wird durch das Nicht-Sein des Subjekts evoziert, wobei das Subjekt sich selbst empfindet. Aber nicht in der ermüdenden Progression des Mannigfaltigen, sondern in dem Anspruch auf Totalität seines Vermögens erkennt es sich wieder, jener Anspruch stellt sich als nicht zur Natur gehörig heraus, somit erinnert sich das Subjekt an seine eigene intellektuelle, nicht sinnliche Größe. Ohne die metaphysische Anlage des Subjekts ist die Umkehrung des ersten Moments vom Kollaps zum Durchbruchmoment nicht möglich. Mit dieser Deutung der Erfahrung des mathematischen Erhabenen scheinen die mathematischen Schemata und Grundsätze auf die Erfahrung partiell anwendbar zu sein. Dennoch muss betont werden, dass die Parallelität zu Schematismus- und Grundsätze- Kapitel der Doktrin der Urteilskraft der KrV nur restriktiv auf die ästhetische Urteilskraft angewandt werden kann. Die Restriktion beruht m. E. auf zwei zentralen Aspekten der Artikulierung des ästhetischen Urteils: 1. Das ästhetische Urteil ist kein logisches, d.i. es darf das Objekt nicht bestimmen (keine Subsumtion der ästhetischen Vorstellung unter einen Begriff). 2. Das ästhetische Urteil ist interesselos. Es verweist auf eine Zweckmäßigkeit ohne Zweck (weder die Existenz noch der Begriff des Gegenstandes spielen eine Rolle in seiner reinen Beurteilung). Beide Aspekte sollten gewahrt werden, sonst verliert das Erhabene seinen reinen Status. Kant sagt eindeutig in der Deduktion des Geschmacksurteils, dass „die Einbildungskraft ohne Begriff schematisiert“ (KU, AA 05: 287). Natürlich können der Einbildungskraft keine Gegenstände ohne die

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synthetische Leistung unserer Spontaneität gegeben werden, aber in der ästhetischen Bestimmung muss „kein Begriff vom Objekte zum Grunde lieg[en]“ (KU, AA 05: 287), sonst ist der Grund des Wohlgefallens eine mittelbare Vorstellung des Objekts, und nicht die formale Unmittelbarkeit des letzteren. Das mathematische Erhabene dürfte – aber nur unter der Annahme, dass angesichts der Abwesenheit einer eigenen Deduktion einige Kriterien der Deduktion des Geschmacks auf das Urteil des Erhabenen angewandt werden können – dann schematisiert werden, aber ohne Begriffe.⁴¹ Die Einbildungskraft kann ohne Begriffe schematisieren, solange der Geschmack, als subjektive Urteilskraft, […] ein Prinzip der Subsumtion [enthält; Ergänzung von P. Ó. A.], aber nicht der Anschauungen unter Begriffe, sondern des Vermögens der Anschauungen oder Darstellungen (d. i. der Einbildungskraft) unter das Vermögen der Begriffe (d. i. den Verstand). (KU, AA 05: 287)

Die Restriktion dieser ästhetischen Subsumtion lautet: „[S]ofern das erstere [Einbildungskraft] in seiner Freiheit zum letzteren [Verstand] in seiner Gesetzmäßigkeit zusammenstimmt.“ (KU, AA 05: 287; Ergänzungen von P. Ó. A). Was subsumiert wird, sind nicht bloß Vorstellungen eines Gegenstandes unter anderen, wie beim Erkenntnisurteil, sondern Tätigkeiten der Erkenntniskräfte, welche reflektierend im Gemüt zusammenstimmen oder nicht zusammenstimmen können. Wenn die Zusammenstimmung oder die Nichtzusammenstimmung sich aufgrund der Form der Interaktion der Vermögen ergibt, wird diese Interaktion subjektiv in Form von Gefühlen übersetzt. Kantisch gesprochen: Wenn die formale Zweckmäßigkeit als Prinzip der ästhetischen Beurteilung fungiert, dann fällen wir ein Urteil über das Schöne. Wenn die Freiheit der Einbildungskraft mit der Gesetzmäßigkeit des Verstandes nicht zusammenstimmt, dann erfüllen sich die Bedingungen zum Prinzip der Subsumtion des Geschmacks nicht. In diesem Kontext stellen sich zwei Fragen. Was passiert mit dem Prinzip der Subsumtion des Erhabenen? Gehört es zum Geschmack und ist es dasselbe? So wie die Zusammenstimmung von Verstand und Einbildungskraft stattfindet, geschieht eine solche von der letzteren auch mit der Vernunft? Als Vermögen der Begriffe lässt sich laut §23 der KU nicht nur der Verstand, sondern auch die Ver-

 Kant verspricht in §25, dass er es für die Deduktion aufbewahren wird, welche die Ideen sind, wo das Erhabene zu suchen ist (vgl. KU, AA 05: 250). In der ersten Einleitung der KU deutet er auch an, dass das Erhabene eine Deduktion haben wird. In §30 sagt er, dass „unsere Exposition der Urteile über das Erhabene der Natur zugleich ihre Deduktion“ sei (KU, AA 05: 280). Der Grund liegt (s. I Kapitel) in der Formlosigkeit des Objekts und in der entsprechenden Subreption beim Urteil des Erhabenen.

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Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen

nunft verstehen: Das Wohlgefallen von beiden Reflexionsurteilen liegt daran, dass „die Einbildungskraft bei einer gegebenen Anschauung mit dem Vermögen der Begriffe des Verstandes oder der Vernunft, als Beförderung der letzteren, in Einstimmung betrachtet wird“ (KU, AA 05: 244; Herv. von P. Ó. A.). Nehmen wir an, dass das Prinzip der Subsumtion auf beide Fälle anwendbar wäre, dann sollten wir uns fragen, ob diese Zusammenstimmung sich überhaupt ergibt und wie sie geschieht. Prüfen wir, welche die Elemente des mathematischen Erhabenen sind: Beim Scheitern der Einbildungskraft, eine einheitliche objektive Empfindung eines Gegenstandes zu liefern, empfindet das Subjekt „die innere Wahrnehmung der Unangemessenheit“ (KU, AA 05: 258), welche zur Folge „das Gefühl unserer übersinnlichen Bestimmung in uns rege macht“ (KU, AA 05: 258). Aber das erste Moment der Auffassungsunfähigkeit stellt keine formelle Zweckmäßigkeit mit der Vorstellung des Objekts dar, wie beim Schönen, sondern es ist sogar „zweckwidrig für unsere Urteilskraft“ (KU, AA 05: 245). Also fühlt das Gemüt keine Zusammenstimmung, sondern das Gegenteil davon; man kann dieses erste Moment „formelle Zweckwidrigkeit“ nennen. Um dies zu verstehen, muss Folgendes verdeutlicht werden: Die Vorstellungen des Subjekts sind zwar seine Vorstellungen, aber nicht es selbst; die Unfähigkeit eine einheitliche Darstellung zu bilden, bedeutet nicht, dass das Subjekt seine Kapazität zum Synthetisieren verliert, sondern, dass es Bewusstsein von seiner synthetisierenden Fähigkeit in ihrer Abwesenheit gewinnt. Die analytische Einheit der Apperzeption wird von der synthetischen Einheit der Apperzeption begründet und nicht umgekehrt. Die Erfahrung der ästhetischen Unangemessenheit beim Erhabenen bedeutet nicht, dass die synthetische Einheit der Apperzeption kollabiert und die transzendentale Subjektivität in Frage gestellt werden könnte, wie Peña Aguado (1995) argumentiert, sondern ganz im Gegenteil, dass durch die objektive Negation (das Scheitern, ein sinnliches Ganzes aufgrund seiner exzessiven Größe in einem Augenblick einheitlich aufzufassen und zusammenzusetzen) subjektive Affirmation (das synthetisierende Bewusstsein) gezeigt wird.⁴² Dieses affirmative Moment nach der Negation ist das, was als subjektive Zweckmäßigkeit beim Erhabenen fungiert. M. a.W.: dies ist das Moment der

 „Das Bewußtsein seiner selbst, nach den Bestimmungen unseres Zustandes, bei der innern Wahrnehmung ist bloß empirisch, jederzeit wandelbar, es kann kein stehendes oder bleibendes Selbst in diesem Flusse innrer Erscheinungen geben, und wird gewöhnlich der innre Sinn genannt, oder die empirische Apperzeption. Das was notwendig als numerisch identisch vorgestellt werden soll, kann nicht als ein solches durch empirische Data gedacht werden. Es muß eine Bedingung sein, die vor aller Erfahrung vorhergeht, und diese selbst möglich macht, welche eine solche transzendentale Voraussetzung geltend machen soll“ (KrV, A 107).

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Zusammenstimmung der ästhetischen Erfahrung des Erhabenen. Einbildungskraft in ihrer Erweiterung stimmt mit der Vernunft in ihrer Forderung überein. Das Subjekt erkennt seine Spontaneität wieder, indem sich ihm die Undarstellbarkeit als Maßstab seiner Ideen präsentiert, d. i. „ein Gefühl, daß wir reine selbständige Vernunft haben“ (KU, AA 05: 258). Die Zusammenstimmung der Vermögen trifft beim Erhabenen zu, aber anders als beim Schönen. Beim Erhabenen wird die Totalität der Natur untergeordnet zur Größe der Vernunft dargestellt, beim Schönen ist es nur eine Form eines einzigen Gegenstandes, welcher als prädestiniert erscheint und die Zusammenstimmung erzeugt. Das Erhabene ist „ein Gegenstand (der Natur), dessen Vorstellung das Gemüt bestimmt, sich die Unerreichbarkeit der Natur als Darstellung von Ideen zu denken.“ (KU, AA 05: 258; Herv. von P. Ó. A..). Das Erhabene kann nur da gespürt werden, wo die Natur ästhetisch unermesslich wird, diese Unermesslichkeit veranlasst das Subjekt zu einer Art der Darstellung seiner eigenen Ideen. Nichtsdestoweniger können, „[b]uchstäblich genommen und logisch betrachtet, […] Ideen nicht dargestellt werden. Aber wenn wir unser empirisches Vorstellungsvermögen (mathematisch, oder dynamisch) für die Anschauung der Natur erweitern: so tritt unausbleiblich die Vernunft hinzu, als Vermögen der Independenz der absoluten Totalität, und bringt die, obzwar vergebliche, Bestrebung des Gemüts hervor, die Vorstellung der Sinne dieser angemessen zu machen.“ (KU, AA 05: 268; Herv. von P. Ó. A.)

Dieses Zitat ist von höchster Relevanz, weil es uns eine zusätzliche Bezeichnung von der Bedeutung der mathematischen oder dynamischen Stimmung der Einbildungskraft verleiht. Als empirisches Vorstellungsvermögen kann sie mathematisch oder dynamisch aufgrund einer Anschauung erweitert werden, das bedeutet, dass die gegebenen Gegenstände den einen oder den anderen Modus aufrufen können. Es ist die faktische Erfahrung eines riesigen Gegenstandes, wie etwa die Anden in ihrer Ausdehnung (als die längste Gebirgskette der Erde) und der Aconcagua in seiner Höhe (ca.7000 m), die das Vorstellungsvermögen zu seiner mathematischen Stimmung (Quantität und Qualität) und zu seiner Erweiterung evoziert, und dadurch die Idee der absoluten Totalität im Gemüt „reflektierend“ erweckt. Bevor ich mit der Erläuterung des dynamischen Erhabenen fortfahre, muss ich noch darauf eingehen, inwiefern die Größe der Natur im mathematischen Erhabenen mit den Erkenntniskräften, und nicht mit dem Begehrungsvermögen, verbunden ist. Kant selbst fügt in §27 Von der Qualität des Wohlgefallens einen Vergleich hinzu, welcher die Einordnung der Richtung der Stimmung der Einbildungskraft zu einem der oberen Vermögen der Seele verkompliziert: er vergleicht das Gefühl der Unangemessenheit bei der „Achtung“ mit dem des „Absolut-

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Ganzen“. Achtung sollte in Anbetracht einer distributiven Systematik und laut §24 erst beim dynamischen und nicht beim mathematischen Erhabenen vorkommen, da sich dort die dynamische Stimmung der ästhetischen Beurteilung (seitens der Einbildungskraft) mit dem Begehrungsvermögen, d.i. mit der Moralität, verbindet: Das Gefühl der Unangemessenheit unseres Vermögens zur Erreichung einer Idee, die für uns Gesetz ist, ist Achtung. Nun ist die Idee der Zusammenfassung einer jeden Erscheinung, die uns gegeben werden mag, in die Anschauung eines Ganzen eine solche, welche uns durch ein Gesetz der Vernunft auferlegt ist, die kein anderes bestimmtes, für jedermann gültiges und unveränderliches Maß erkennt, als das Absolut-Ganze. (KU, AA 05: 257)

In §25 wurde eine Bewertung hinzugefügt, in der festgestellt wurde, dass die besonders großen Dinge, etwa eine Tugend, eine Haltung, ein Berg, verehrt oder hochgeschätzt werden, während die kleinen Dinge verachtet werden. In den Beobachtungen über das Schöne und das Erhabene (1764) erscheint diese Bewertung auch, indem das Schöne klein sein kann, das Erhabene jedoch nur groß, und das erstere meistens in Frauen zu finden ist, das letztere hingegen nur in Männern.Wir wissen wohl, dass Frauen in jener Zeit nicht denselben Respekt wie Männer beanspruchen konnten, ob das gerecht war und ob das von den jeweiligen Größen abhängig war, ist eine andere Sache. Summa summarum steht die Größenschätzung mit der Bewertung in einem engeren Zusammenhang und die Größe enthält an sich eine Art von Respekt für das Subjekt, das Kleine wiederum nicht. Denken wir abgesehen von der kantischen Theorie darüber nach, wie sich dies in gewöhnlicher Sprache verhält. Alles, was als groß betrachtet wird, lässt ein gewisses Erstaunen oder eine gewisse Bewunderung aufkommen, während alles Kleine jedoch nicht unbedingt eine Verachtung enthält, wie Kant behauptet, sondern dies lässt andere Gefühle hervortreten.Viele Sprachen sind von solchen räumlich, meistens vertikal, bewertenden Termini beladen, wo groß und hoch homologiert werden und oben als gut und unten als schlecht angesehen werden. So ist z. B. im Deutschen eine höhere Bewertung damit verbunden, zu sagen, dass man zu etwas hinaufblickt, als zu etwas hinabblickt; „Scheitern“ kann auch als „durchfallen“ bezeichnet werden, „Erfolg haben“ hingegen als „aufsteigen“; „über den Berg sein“ als „etwas Schlimmes überstanden haben“; usw. Aber nicht nur in der Sprache ist diese räumliche Bewertung zu finden, sondern auch im Handeln und in Haltungen, z. B. steht der Sieger immer über den Besiegten auf dem höchsten Podest; die Trophäen werden in die Höhe gehalten; als Ausdruck der Billigung oder Missbilligung wird der Daumen nach oben oder nach unten gezeigt; usw. Auch soll nicht vergessen werden, dass das Erhabene in seinem Ursprung „Ὕψος“ hieß, was auf altgriechisch „Höhe, Gipfel, Kulminationspunkt“ usw. bedeutet. Alle Termini in Verbindung mit dem Erhabenen entsprechen einer Hoheit. Die höchsten Ideen der Vernunft haben ihre Ansiedlung

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und Rechtfertigung in der praktischen und nicht in der theoretischen Philosophie. Nichtsdestoweniger lassen sie sich anhand von räumlichen ästhetischen Schätzungen von Gegenständen der Natur vorstellen, soweit die letztere unser empirisches Vorstellungsvermögen übersteigen und kein Maß durch Zahlbegriffe, sondern nur das Grundmaß der Natur als absolutes Ganzes derselben ihr dabei helfen kann. Zusammenfassend findet die Beurteilung des mathematischen Erhabenen in der Prozedur folgendermaßen statt: Obwohl die Einbildungskraft in der Auffassung (Progressus) ins Unendliche (als Kontinuum) fortfahren kann, hat sie in der Zusammenfassung (Regressus) des apprehendierten Mannigfaltigen ein ästhetisches Maximum, das schnell erreicht wird. Sie scheitert, weil sie die Synthese der Reproduktion des aufgefassten Mannigfaltigen nicht vollziehen kann, ohne dabei den Progressus desselben zu verlieren. Es ist schlicht zu viel für die Einbildungskraft, um dies alles in einem „Augenblick“ aufzufassen und zusammenzufassen. Die Vielheit eines empirischen Ganzen kann nicht zur Einheit in der Anschauung gebracht werden, dies erzeugt Unlust im Gemüt: [A]ber die Unlust wird doch in Hinsicht auf die notwendige Erweiterung der Einbildungskraft zur Angemessenheit mit dem, was in unserem Vermögen der Vernunft unbegrenzt ist, nämlich der Idee des absoluten Ganzen, mithin die Unzweckmäßigkeit des Vermögens der Einbildungskraft doch für Vernunftideen und deren Erweckung als zweckmäßig vorgestellt. (KU, AA 05: 260)

Der Gegenstand erscheint für unsere ästhetische Urteilskraft als zweckwidrig, weil seine Anwesenheit auf eine Unzweckmäßigkeit des sinnlichen Vorstellungsvermögens verweist. Aber diese ergibt sich auf zwei Weisen, vom Gegenstand zum Vorstellungsvermögen (Unlust) und von der Vernunft zu diesem. Zwei sinnliche Unzweckmäßigkeiten machen die subjektive Zweckmäßigkeit (Lust) aus, weil beide die Erweiterung der Einbildungskraft fordern: Einbildungskraft und Vernunft bringen „durch ihren Widerstreit subjektive Zweckmäßigkeit der Gemütskräfte hervor“; ihr subjektives Spiel „selbst durch ihren Kontrast als harmonisch“ wird vorgestellt (KU, AA 05: 258). Die Erweiterung der Einbildungskraft zur Idee des Übersinnlichen befreit sie von der Sinnlichkeit, wo sie ihre kognitiven Grenzen hat und öffnet ihr den Weg zu einem Gebiet, wo das Übersinnliche nicht nur als Grenzbegriff Bedeutung gewinnt, sondern wo es postuliert wird und darauf ein System des guten Handelns aufgebaut wird: die Moral: Diese Idee des Übersinnlichen aber, die wir zwar nicht weiter bestimmen, mithin die Natur als Darstellung derselben nicht erkennen, sondern nur denken können, wird in uns durch einen Gegenstand erweckt, dessen ästhetische Beurteilung die Einbildungskraft bis zu ihrer Grenze, es sei der Erweiterung (mathematisch), oder ihrer Macht über das Gemüt (dyna-

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misch), anspannt, indem sie sich auf dem Gefühle einer Bestimmung desselben gründet, welche das Gebiet der ersteren gänzlich überschreitet (dem moralischen Gefühl), in Ansehung dessen die Vorstellung des Gegenstandes als subjektiv=zweckmäßig beurteilt wird. (KU, AA 05: 268; Herv. von P. Ó. A.)

Allein dieser Gedanke, sich die Natur als Ganzes bei Vorlage einer riesengroßen Erscheinung derselben vorzustellen, erweitert die „mathematische Stimmung“ der Einbildungskraft. Ihre „dynamische Stimmung“ wird auch durch Anlass einer Naturerscheinung erweitert. Dies sehen wir im nächsten Abschnitt.

b Das dynamische Erhabene: Übermaß der objektiven Macht als subjektive Freiheit In §28, Von der Macht der Natur, beginnt die Analytik des dynamischen Erhabenen. „Macht ist ein Vermögen, welches großen Hindernissen überlegen ist“ (KU, AA 05: 260). Aus der physischen Perspektive kann die Natur als überlegene Macht in Vergleichung mit unseren Kräften verstanden werden. Solange wir uns jedoch in Sicherheit befinden, bietet diese Macht aus der reinen ästhetischen Perspektive eine andere Möglichkeit dar, wo sie keine Gewalt oder Gefahr für uns ist und ihre Darstellung hingegen als „dynamisch-erhaben“ (KU, AA 05: 260) betrachtet werden kann. Furchterregend müssen die Gegenstände der Natur sein, damit wir sie als dynamisch-erhaben beurteilen können. Aber nicht Furcht an sich kann als erhaben betrachtet werden. Kant sagt dazu, nur „in der ästhetischen Beurteilung (ohne Begriff) kann die Überlegenheit über die Hindernisse […] nach der Größe des Widerstandes beurteilt werden“ (KU, AA 05: 260). Das bedeutet, wenn sich kein größerer Widerstand in Bezug auf den furchterregenden Gegenstand vorstellen lässt, erzeugt dieser Gegenstand wahre Angst in uns, und, wer Angst hat, kann nicht ästhetisch-frei über das Erhabene der Natur urteilen. Genauso wenig kann derjenige, der „Appetit“ verspürt, über die Schönheit derselben ein reines Urteil fällen. Der Grund der reinen ästhetischen Beurteilung darf nicht in irgendeinem Affekt liegen. Ein Gegenstand der Furcht ist nicht erhaben an sich. Jedoch kann man „einen Gegenstand der Natur als furchtbar betrachten, ohne sich vor ihm zu fürchten“ (KU, AA 05: 260). Sich solche Gegenstände – als bloßen Fall des Denkens – vorzustellen und ihnen Widerstand leisten zu wollen, ergibt, „daß alsdann aller Widerstand bei weitem vergeblich sein würde“ (KU, AA 05: 261): Kühne überhangende gleichsam drohende Felsen, am Himmel sich auftürmende Donnerwolken, mit Blitzen und Krachen einherziehend, Vulkane in ihrer ganzen zerstörenden Gewalt, Orkane mit ihrer zurückgelassenen Verwüstung, der grenzenlose Ozean, in Empörung

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gesetzt, ein hoher Wasserfall eines mächtigen Flusses u. dgl. machen unser Vermögen zu widerstehen, in Vergleichung mit ihrer Macht, zur unbedeutenden Kleinigkeit. (KU, AA 05: 261)

Überlegenheit, Größe und Vergleichung sind Elemente, die auch bei der Beurteilung des mathematischen Erhabenen zu sehen waren. Nun wurden neue Elemente wie Macht, Widerstand, Gewalt, Gefahr und Furcht hinzugefügt. In der Erfahrung des mathematischen Erhabenen spielten unsere sinnlichen Vorstellungskräfte zwar eine Rolle, unsere physischen Kräfte wurden hingegen überhaupt nicht erwogen. Ein Gegenstand als Ausganspunkt für das mathematische Erhabene bringt die mathematische Stimmung der Einbildungskraft zur Bewegung, wo diese in der ästhetischen Beurteilung desselben die Urteilskraft mit den Erkenntniskräften verbindet. Nun ist aber die dynamische Stimmung der Einbildungskraft im Spiel und die Urteilskraft wird mit dem Begehrungsvermögen verbunden. In der Erfahrung des dynamischen Erhaben wird auf unsere Kondition als lebendiges Wesen zurückgegriffen. Denn eine Macht in der Natur, welche das eigene Leben nehmen könnte, wenn eine echte Gefahr bestünde, stellt sich darin dar. In Lebensgefahr sind wir jedoch nicht in der Lage, ästhetisch urteilen zu können. Aber so, wie die Unermesslichkeit der Natur die Idee der Totalität evozieren kann, genauso gibt auch die Unwiderstehlichkeit ihrer Macht uns, als Naturwesen betrachtet, zwar unsere physische Ohnmacht zu erkennen, aber entdeckt zugleich ein Vermögen, uns als von ihr unabhängig zu beurteilen, und eine Überlegenheit über die Natur, worauf sich eine Selbsterhaltung von ganz andrer Art gründet, als diejenige ist, die von der Natur außer uns angefochten und in Gefahr gebracht werden kann, wobei die Menschheit in unserer Person unerniedrigt bleibt, obgleich der Mensch jener Gewalt unterliegen müßte. (KU, AA 05: 261 f.)

Ein der Natur überlegenes Vermögen begründet eine Selbsterhaltung, die mit unserer als Naturwesen nicht zu vergleichen ist, sondern mit der „Menschheit“ in uns zusammenhängt. M. a. W.: selbst, wenn das untere Begehrungsvermögen keinen Widerstand zur Natur in ihrer Macht darstellen kann, kann das obere Begehrungsvermögen, solange es geübt und entwickelt wird, einen Widerstand von anderer Art gegenüber der Natur darstellen: „die Natur [wird] in unserm ästhetischen Urteile nicht, sofern sie furchterregend ist, als erhaben beurteilt, sondern weil sie unsere Kraft (die nicht Natur ist) in uns aufruft, um das, wofür wir besorgt sind (Güter, Gesundheit und Leben) als klein“ anzusehen (KU, AA 05: 262). Auch hier befindet sich eine Subreption bei der Beurteilung des Erhabenen. Das dynamische Erhabene ist nicht die Natur in ihrer Macht, sondern, was durch sie in uns aufgerufen wird:

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Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen

[W]ir nennen diese Gegenstände gern erhaben, weil sie die Seelenstärke über ihr gewöhnliches Mittelmaß erhöhen, und ein Vermögen zu widerstehen von ganz anderer Art in uns entdecken lassen, welches uns Mut macht, uns mit der scheinbaren Allgewalt der Natur messen zu können. (KU, AA 05: 261)

Beim dynamischen Erhabenen findet wieder ein Vergleich statt, nun aber nicht zwischen den verschiedenen Größen der Gegenstände der Natur, wie beim mathematischen, sondern zwischen der Macht der Natur und der Macht des Subjekts. Ein neues Maß sollte dem dynamischen Erhabenen zustehen, da der Vergleich in einem anderem Zusammenhang steht. Welches Maß entspricht seiner Macht? Kant sagt dazu, die „Seelenstärke“ wird angesichts der Gegebenheit der Natur in ihrer Macht „über ihr gewöhnliches Mittelmaß“ (KU, AA 05: 261) erhöht. Diese Erhöhung ruft in uns ein Bewusstsein von einem noch mächtigeren Vermögen zu widerstehen hervor. Also ist es kein physisches Maß, welches dieses andere Maß darstellt, sondern ein metaphysisches; ein Maß von der Seele oder der Menschheit in uns. Dieses Bewusstsein kann das anfängliche Moment der geschätzten Ohnmacht in Macht umwandeln und so kann ein Wohlgefallen zustande kommen: Denn das Wohlgefallen betrifft hier nur die sich in solchem Falle entdeckende Bestimmung unseres Vermögens, so wie die Anlage zu demselben in unserer Natur ist; indessen daß die Entwickelung und Übung desselben uns überlassen und obliegend bleibt. Und hierin ist Wahrheit; so sehr sich auch der Mensch, wenn er seine Reflexion bis dahin erstreckt, seiner gegenwärtigen wirklichen Ohnmacht bewußt sein mag. (KU, AA 05: 262)

Um den paradoxalen Charakter eines derartigen Wohlgefallens zu konzipieren, kontextualisiert Kant in der Allgemeine[n] Anmerkung zur Exposition der ästhetischen reflektierenden Urteile, wie ein reines Wohlgefallen gegenüber den physischen Interessen (Vergnügungen) verstanden werden kann. Für die Beurteilung des dynamischen Erhabenen ist diese Unterscheidung von großer Relevanz, da ein wesentliches Element seiner Beurteilung anschaulich gemacht wird. Um dies zu vollziehen, unterscheidet Kant zwei verschiedene Einbildungskrafttätigkeiten voneinander. Das Unterscheidungsmerkmal dafür ist die Freiheit der Einbildungskraft. Die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit ihres Handelns determiniert letztlich die Art der Beurteilung: Wenn die Einbildungskraft sich durch das untere Begehrungsvermögen (physisch) bestimmen lässt, dann ist sie körperlich abhängig.⁴³ Wenn sie sich aber durch die transzendentale Struktur des Subjekts

 Alle Wohlgefallen mit Interesse gehören zum Begehrungsvermögen. Zum unteren ist das Wohlgefallen physisch bedingt und richtet sich nach der Existenz (oder dem Verbrauch) des Objekts, z. B. „unseren[m] Zustand der Zufriedenheit“ (KU, AA 05: 269). Zum oberen Begeh-

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bestimmen lässt, dann handelt sie „geistig“ frei. Die erste Direktive ihrer Handlung nennt Kant „Assoziationsgesetze“, die zweite „Prinzipien des Schematismus der Urteilskraft“. Im folgenden Zitat wird uns überraschen, dass die Prinzipien des Schematismus nicht der Spontaneität namens Verstand laut der KrV untergeordnet werden,⁴⁴ sondern der Freiheit namens Vernunft: Denn die Einbildungskraft nach dem Assoziationsgesetze macht unseren Zustand der Zufriedenheit physisch abhängig; aber eben dieselbe nach Prinzipien des Schematisms der Urteilskraft (folglich sofern der Freiheit untergeordnet) ist Werkzeug der Vernunft und ihrer Ideen, als solches aber eine Macht, unsere Unabhängigkeit gegen die Natureinflüsse zu behaupten, das, was nach der ersteren groß ist, als klein abzuwürdigen und so das Schlechthin=Große nur in seiner (des Subjekts) eigenen Bestimmung zu setzen. (KU, AA 05: 269; Herv. von P. Ó. A.)

Dies erlaubt uns zu erwägen, dass es jederzeit dieselbe Spontaneität des existenziellen Subjekts ist, welche die Freiheit ausmacht und umgekehrt. Freiheit und Spontaneität sind ein- und dieselbe Kraft in der menschlichen Existenz, nur die Objekte der Prinzipienanwendung werden nach ihren legitimen Geltungsansprüchen in Kants kritischem Projekt voneinander unterschieden. Die analytische und transzendentale Unterscheidung der Vernunft entwirft Grenzen für die Bestimmung ihrer legitimen Ansprüche in jeglichen Objektbereichen.⁴⁵ Die Einbildungskraft ist hier frei, weil sie spontan ist und sich ihre eigene Tätigkeit entfaltet.

rungsvermögen ist es intellektuell und richtet sich nach dem moralischen Gesetz „in seiner Macht“, „de[m] Gegenstand eines reinen und unbedingten intellektuellen Wollgefallens“ (KU, AA 05: 272) oder nach Begriffen, die mit ihm verbunden sind. Fricke betrachtet die „Theorie der Begehrungsvermögen und der Achtung des Menschen vor dem moralischen Gesetz“ von der zweiten Kritik als Modell der dritten Kritik für die „Entwicklung seiner [Kants; hinzugefügt von P.Ó A.] Theorie der ästhetischen Erfahrung und Beurteilung der Schönheit und Häßlichkeit von Gegenständen“ (Fricke 1990, S. V). Nicht nur Fricke sieht zwischen beiden Modellen eine Entsprechung, sondern auch Henrich (1995).  „Dieser Schematismus unseres Verstandes, in Ansehung der Erfahrung der Erscheinungen und ihrer bloßen Form, ist eine verborgene Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren wahre Handgriffe wir der Natur schwerlich jemals abraten, und sie unverdeckt vor Augen legen werden […] Das Schema eines reinen Verstandesbegriffs [ist; hinzugefügt von P. Ó. A.] etwas, was in gar kein Bild gebracht werden kann, sondern ist nur die reine Synthese gemäß einer Regel der Einheit nach Begriffen überhaupt, die die Kategorie ausdrückt, und ist ein transzendentales Produkt der Einbildungskraft, welches die Bestimmung des inneren Sinnes überhaupt, nach Bedingungen seiner Form, (der Zeit,) in Ansehung aller Vorstellungen, betrifft, so fern diese der Einheit der Apperzeption gemäß a priori in einem Begriff zusammenhängen sollten.“ (KrV, A 142/ B 181).  „Die Gesetzgebung der Vernunft geht nicht auf Gedanken, sondern auf die Denkungsart“ (HN, AA 15: 821).

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Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen

Sie befreit sich von ihren sinnlichen Grenzen, von denen sie physisch-mechanisch bedingt ist, insofern sie sich jenseits der Materialisierung der Anschauungsformen im Horizont der Vernunft befindet: Diese Reflexion der ästhetischen Urteilskraft, sich zur Angemessenheit mit der Vernunft (doch ohne einen bestimmten Begriff derselben) zu erheben, stellt den Gegenstand selbst durch die objektive Unangemessenheit der Einbildungskraft in ihrer größten Erweiterung für die Vernunft (als Vermögen der Ideen) doch als subjektiv=zweckmäßig vor.“ (KU, AA 05: 269)

Die subjektive Zweckmäßigkeit in der Beurteilung des Erhabenen wird durch Übereinstimmung zwischen zwei sinnlichen „Unformen“ erzeugt. Aber diese zwei „Unformen“ oder „Formlosigkeiten“ ergeben sich nicht auf dieselbe Weise in beiden Urteilen des Erhabenen. Zwar bedeutet das Erhabene an sich, dass zwei sinnlich nichtdarstellbare Größen zusammenstimmen, diese Größen bilden aber mathematisch und dynamisch betrachtet nicht dieselben. Aufgrund der sinnlichen Kondition des Subjekts kann das Sinnliche nicht nur auf eine epistemischtheoretische Weise dargestellt werden, sondern auch auf eine moralisch-praktische Weise. So wie Spontaneität und Freiheit auf einer Seite ineinandergreifen, greifen auf der anderen Seite Sinnlichkeit und unteres Begehrungsvermögen ineinander. Nun geht es um das Leben des Subjekts, denn dies ist die anwesende Form der Sinnlichkeit bei der Beurteilung des dynamischen Erhabenen. Leben ist für Kant, sich nach Vorstellungen des Begehrungsvermögens zu bewegen (KpV, AA 05: 9 f.). Diese Bedeutung des Lebens beschränkt sich auf Tiere, da Pflanzen Kant zufolge keine Vorstellungskraft und kein Begehrungsvermögen besitzen. Dazu muss gesagt werden, dass die Rede vom Leben als gleich organsiertes Wesen nicht eindeutig ist. Obwohl alle Lebewesen zumindest Naturzwecke (der Mensch ist nicht nur das) sein sollten, dürfen nicht alle Naturzwecke als Lebewesen bezeichnet werden. Leben ist nun die sinnliche Form, welche in der fiktiven Darstellung seiner Negation (Unform) von der Vernunft rein ästhetisch aufgehoben wird. Somit wird „die Erhabenheit unseres Geistesvermögen[s]“ (KU AA 05: 262), selbst bei möglicher Lebensbedrohung, keiner Gefahr ausgesetzt, weil das absolute Große in der Beurteilung des dynamischen Erhabenen die Macht der Vernunft darstellt. Angesichts der obigen Definition wäre rationales Leben, sich nach Vorstellungen des oberen Begehrungsvermögens zu bewegen, d. h. nach dem Diktat der Freiheit. Dies bedeutet im Kontext des dynamischen Erhabenen, dass die Macht der lebendigen praktischen Vernunft aus ihrer Latenz dank eines furchteinflößenden Phänomens erweckt wird. Hinsichtlich des soeben Erwähnten muss noch geprüft werden, inwiefern das dynamische Erhabene mit der dynamischen Synthese, d.i. mit der ungleichartigen

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Synthese im Zusammenhang steht, um das Adjektiv „dynamisch“ auf systematische Weise in der Beurteilung des Erhabenen anwenden zu können. Die dynamische Synthese, Verknüpfung (nexus), ist die Verbindung des Mannigfaltigen, welche Ungleichartiges miteinander verknüpft, „so fern es notwendig zu einander gehört, wie z. B. das Akzidens zu irgend einer Substanz, oder die Wirkung zu der Ursache“ (KrV, B 202). Diese Verbindung sei a priori und nicht willkürlich, „darum dynamisch“ von Kant genannt, „weil sie die Verbindung des Daseins des Mannigfaltigen betrifft[, welche] wiederum in die physische der Erscheinungen unter einander, und metaphysische, ihre Verbindung im Erkenntnisvermögen a priori, eingeteilt werden kann“ (KrV, B 202; Herv. von P. Ó. A..). Diese zwei Synthesen, die physische und die metaphysische, korrespondieren einerseits mit den Kategorien der Relation und anderseits mit denen der Modalität. Weiter korrespondieren sie einerseits mit den Analogien der Erfahrung und anderseits mit den Postulaten des empirischen Denkens. Welche Elemente bilden diese Korrespondenz in der Analytik des dynamischen Erhabenen? Da es in der Ästhetik nicht um die Bestimmung der Objekte geht – und selbst die ästhetische Beurteilung des Erhabenen subreptiv ist, weil die Lust beim Gefühl des Geistes und nicht beim Objekt liegt –, sondern um die Reflexion des Subjekts bzgl. seines Gemütszustands, müssen wir die Faktoren Objektivität und Subjektivität umwandeln. Dies bedeutet, dass das Dasein des Mannigfaltigen das Gefühl des Daseins des Subjekts angesichts eines anderen empirischen Daseins (Entgegensetzung) ist. Hier ist es das Dasein des Subjekts, das in die Beurteilung ästhetisch einbezogen wird. Was ist aber dynamisch? „Dynamisch“ stammt aus dem altgriechischen Wort δύναμις, was „Kraft“, „Vermögen“, „Macht“, usw. heißt; in der Physik bedeutet Dynamik: „Lehre vom Einfluss der Kräfte auf die Bewegungsvorgänge von Körpern.“⁴⁶ Nun ist aber nicht bloß die Rede von einer reinen „Ursubstanz“ oder „Grundkraft“, sondern von Gegenständen der materiellen Erfahrung, d.i. Körper, die das Subjekt ästhetisch affizieren können. Die Begriffe „Materie“, „Kraft“, „Bewegung“ spielen eine wesentliche Rolle bei der Behandlung der Analogien der Erfahrung der ersten Kritik, weil es bei ihnen um die Verknüpfung des Daseins der Erscheinungen untereinander geht, was Kant als dynamisch bezeichnet. Eine solch wichtige Rolle spielen diese Begriffe beim dynamischen Erhabenen auch, weil das Begehrungsvermögen, mithin der lebendige Körper des Subjekts, betroffen ist. Kant definiert Materie in der ersten Kritik auf verschiedene Weisen, mal als die Empfindung der Anschauung, mal als das Bestimmbare überhaupt in Kontrast zur Form (die Bestimmung), mal als die Substanz, die im Raum er-

 Siehe: Deutsche Universalwörterbuch des Dudenverlags 2015, S. 465.

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Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen

scheint, mal als das Beharrliche in der Zeit usw. (KrV, A 266/ B 322).⁴⁷ Auch der Begriff vom „Körper“ hängt vom Begriff der Materie ab. In den Metaphysischen Anfangsgründen der Dynamik wird Körper physisch betrachtet als „eine Materie zwischen bestimmten Grenzen (die also eine Figur hat)“ (MAN, 04: 525) und Materie selbst wie folgt: Materie ist das Bewegliche, sofern es einen Raum erfüllt. Einen Raum erfüllen, heißt allem Beweglichen widerstehen, das durch seine Bewegung in einen gewissen Raum einzudringen bestrebt ist. Ein Raum, der nicht erfüllt ist, ist ein leerer Raum. (MAN, 04: 496)

In den Metaphysischen Anfangsgründen der Mechanik wird Materie als „das Bewegliche, so fern es als ein solches bewegende Kraft hat“ (MAN, 04: 536) definiert. In der Phoronomie wird Materie schlicht als „das Bewegliche im Raume“ (MAN, 04: 480) definiert und in der Phänomenologie als „das Bewegliche, so fern es als ein solches ein Gegenstand der Erfahrung sein kann“ (MAN, 04: 554). Also können wir feststellen, dass Materie und Bewegung in einer Korrespondenzbeziehung stehen, so wie Dynamik und Körper. Erfüllter Raum als Antriebskraft zum Widerstand (Undurchdringlichkeit) heißt, grob gesagt, Materie. „Bewegung ist so wie alles, was durch Sinne vorgestellt wird, nur als Erscheinung gegeben“ (MAN, 04: 554), d.i. ohne die Sinnesinformationen (materielle Anschauungen: Empfindungen) gäbe es keine Vorstellung der Bewegung, zumal die Begriffe des Verstandes das Dasein der Materie nicht antizipieren können. Wenn wir nicht im Besitz von Sinnesorganen wären, würden wir keine Empfindungen (Materie), empirische unmittelbare Vorstellungen, durch die reinen Anschauungsformen der Sinnlichkeit (Raum und Zeit) rezipieren können. Da wir Materie (und somit auch Bewegung) wahrnehmen können, sind wir im Besitz nicht nur von einem Bewusstsein, sondern von einem lebendigen Körper. Der Körper ist phänomenologisch betrachtet gleichzeitig eine notwendige materielle (jedoch nicht zureichende) Bedingung, um bewusste empirische Vorstellungen zu haben. So wie das Augenmaß in der ästhetischen Größenschätzung mittels unseres Körpers ein Maß für die mathematische Beurteilung des Erhabenen darstellt – obwohl es, wie wir sahen, kein ultimatives Maß für die reine ästhetische Erfahrung bildet –, genauso stellt der Körper ein Maß für das dynamische Erhabene dar. Nun aber wird das sinnliche Maß nicht bloß auf die Sichtkraft eingeschränkt, sondern gewinnt seine Bedeutung jenseits dieser und betrifft die Dauer des Daseins, d.i. das Leben. Nicht alle Phänomena der tatsächlichen Welt lassen sich in allem empirischen Bewusstsein ästhetisch gleich übersetzen. Deshalb kann in der  Zum Begriff der Materie siehe Carrier (1990).

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transzendentalen Untersuchung der rein-ästhetischen Urteile nicht die Rede von erhabenen Gegenständen sein, sondern nur von einem erhabenen Gefühl:⁴⁸ Es gibt unzählige Dinge der schönen Natur, worüber wir Einstimmigkeit des Urteils mit dem unsrigen jedermann geradezu ansinnen, und auch, ohne sonderlich zu fehlen, erwarten können; aber mit unserm Urteile über das Erhabene in der Natur können wir uns nicht so leicht Eingang bei andern versprechen. Denn es scheint eine bei weitem größere Kultur, nicht bloß der ästhetischen Urteilskraft, sondern auch der Erkenntnisvermögen, die ihr zum Grunde liegen, erforderlich zu sein, um über diese Vorzüglichkeit der Naturgegenstände ein Urteil fällen zu können. (KU, AA 05: 264)

Kant zufolge sind alle Gegenstände der Natur, die als erhaben beurteilt werden, keine an sich erhabenen Gegenstände. Nur aufgrund des geistigen Charakters dieses ästhetischen Gefühls und der ästhetischen Anspielung auf materielle Objekte werden sie subreptiv als erhaben gekennzeichnet.⁴⁹ Da die Gegenstände, die das dynamische Erhabene evozieren, furchterregend sein können, wird eine „gewisse Kultur“ (theoretisches, aber vor allem praktisches Wissen – Kultur der „Zucht“) verlangt, damit das Subjekt von einem Geschehnis (etwa einem Sturm) nicht bloß erschreckt wird, ohne die Erfahrung der Erhabenheit zu fühlen. Sobald das Subjekt die Erfahrung des Widerstandes gegen seine eigene Natur (Beherrschung der Begierde) kennt, kann es laut Kant das dynamische Erhabene spüren. In diesem Zusammenhang erscheint der größte äußere Unterschied zwischen dem mathematischen und dem dynamischen Erhabenen. Beim mathematischen wird nur über statische Gegenstände geurteilt, während beim dynamischen hauptsächlich über Naturereignisse geurteilt wird, welche Antriebskraft oder eine Art (mechanische) Lebendigkeit der Natur andeuten. Das dynamische Erhabene, genauso wie das Leben, involviert Bewegung. Bewegung kann entweder von äußerer oder innerer Kraft verursacht und aufrechterhalten werden. Die Grenzen einer Bewegung sind äußerer oder innerer Widerstand (Kraft) eines Körpers. Die Analogien der Erfahrung befassen sich, grob gesagt, mit dem Problem der Veränderung (Folge), wozu die Beharrlichkeit und das Zugleichsein notwendiger-

 Lyotard deutet Kant sogar so, dass nur das Gefühl erhaben sei: „Diese Geste des Sichumwendens ist erschlichen (subreptice). Anläßlich des Erhabenen war von einer ‚Subreption‘ als der ‚Verwechslung einer Achtung für das Objekt statt der für die Idee der Menschheit in unserem Subjekte‘ die Rede gewesen (B 97). Diese Projektion, diese Objektivierung wird von der Analytik des Erhabenen kritisiert: es gibt keine erhabenen Objekte, nur Gefühle.“ (Lyotard 1994, S. 204). Über das Objekt des Erhabenen berichte ich detailliert in Kapitel V.  Herder, Hepburn und die konsekutive empiristische Deutung über Ästhetik kritisieren Kant in diesem Punkt. Sie bezeichnen diese Sicht als egozentrisch und fragen sich, wie die Erhabenheit eines Berges nur am Subjekt und nicht am Objekt selbst liegen kann. (Brady 2013, S. 72– 84).

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Kapitel III Das ästhetische Urteil des Erhabenen

weise in Betracht gezogen werden; diese Analogien bilden die Regeln für die drei Modi der Zeit.⁵⁰ Alle Lebewesen verändern sich innerhalb ihrer existenziellen Grenzen von Geburt zum Tod (Dauer) stetig. Existenz (Position im Raum), Veränderung und Leben entsprechen einander, selbst wenn Leben nur eine mechanische Deutung hat. Wenn wir aber Leben jenseits der Antriebskraft des Lebendigen und angesichts der Bildungskraft betrachten, wird Leben erst eine teleologische Deutung gewinnen. Einerseits wird Widerstand als Trägheit der Materie verstanden, was letztlich nichts Anderes ist, als das, was das Dasein eines Mannigfaltigen ausmacht. Andererseits ist die Zeit überhaupt dasjenige, was rein schematisch unter Beharrlichkeit verstanden wird. Die Zeit überhaupt ist Bedingung alles Sukzessiven, das, was bleibt oder beharrt, wenn alles sich ändert. Das Bleibende oder Beharrliche kann vom Nichtbeharrlichen und vom Zugleichsein in der Vorstellung eines Bewusstseins ohne empirischen Inhalt und ohne kategoriale Leistung nicht unterschieden werden (KrV, B 291- B 294). Die Zeit als innerer Sinn ist nichts Anderes als unser empirisches Selbstbewusstsein in Anwendung der Kategorien. Dies alles macht die Form aller unserer bewussten Vorstellungen aus. Die Sukzession der Wahrnehmungen für sich selbst gesehen enthält keine Notwendigkeit. Die Relation der Wahrnehmungen wird erst bei der Anwendung der dynamischen Kategorien als notwendig verstanden und dies geschieht unter der Voraussetzung des Prinzips der Analogien der Erfahrung: „Erfahrung ist nur durch die Vorstellung einer notwendigen Verknüpfung der Wahrnehmungen möglich.“ (KrV, B 218).⁵¹

 „Die drei Modi der Zeit sind Beharrlichkeit, Folge und Zugleichsein. Daher werden drei Regeln aller Zeitverhältnisse der Erscheinungen, wonach jeder ihr Dasein in Ansehung der Einheit aller Zeit bestimmt werden kann, vor aller Erfahrung vorangehen, und diese allererst möglich machen. Der allgemeine Grundsatz aller dreien Analogien beruht auf der notwendigen Einheit der Apperzeption, in Ansehung alles möglichen empirischen Bewußtseins (der Wahrnehmung), zu jeder Zeit, folglich, da jene a priori zum Grunde liegt, auf der synthetischen Einheit aller Erscheinungen nach ihrem Verhältnisse in der Zeit. Denn die ursprüngliche Apperzeption bezieht sich auf den innern Sinn (den Inbegriff aller Vorstellungen), und zwar a priori auf die Form desselben, d.i. das Verhältnis des mannigfaltigen empirischen Bewußtseins in der Zeit. In der ursprünglichen Apperzeption soll nun alles dieses Mannigfaltige, seinen Zeitverhältnissen nach, vereinigt werden; denn dieses sagt die transzendentale Einheit derselben a priori, unter welcher alles steht, was zu meinem (d.i. meinem einigen) Erkenntnisse gehören soll, mithin ein Gegenstand für mich werden kann. Diese synthetische Einheit in dem Zeitverhältnisse aller Wahrnehmungen, welche a priori bestimmt ist, ist also das Gesetz: daß alle empirische Zeitbestimmungen unter Regeln der allgemeinen Zeitbestimmung stehen müssen, und die Analogien der Erfahrung, von denen wir jetzt handeln wollen, müssen dergleichen Regeln sein.“ (KrV, B 219).  Kant hat das oberste Prinzip der Analogien der Erfahrung in der zweiten Auflage der KrV präzisiert, wahrscheinlich weil die Version der ersten Auflage zu einer Missdeutung in der Richtung eines transzendentalen Empirismus führen könnte. Das Prinzip lautete in der A-Auflage

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Die notwendige Verknüpfung der materiellen Wahrnehmungen fügt unsere Spontaneität hinzu, nicht die materielle Gegebenheit. Die ungleichartigen Elemente der dynamischen Synthese sind somit Form und Materie; das dynamische Synthetisierte ist, was sich aus notwendigem Denken und zufälligem Gegebenen ergibt.⁵² Bei der dynamischen Synthese geht es nicht um die bloße Hervorbringung der Anschauungen wie bei der mathematischen, sondern um die Verknüpfung aller Erscheinungen ihrem Dasein nach in einer Erfahrung, welche selbst keine Erfahrung ist (die Idee eines Systems der Erfahrung). Nun ist in dem ästhetischen Urteil des Erhabenen angesichts seines reflexiven Charakters die Verknüpfung des Daseins aller Erscheinungen nicht objektiv und unabhängig vom eigenen Dasein betrachtet, sondern ganz im Gegenteil findet die ästhetische Artikulierung des eigenen Daseins anlässlich eines dynamischen Gegenstandes statt. Das Subjekt fühlt sich selbst nicht bloß als lebendiges, sondern als freies Subjekt, weil es eine Kraft zum Widerstand hat, die nicht Natur ist, sondern Freiheit. Um dies besser zu veranschaulichen, betrachten wir folgendes Beispiel: Es gab am 27. Februar 2010 ein sehr starkes Erdbeben (8,8 MW) in Chile, auf welches in den zentralsüdlichen Küsten des Landes ein Tsunami folgte. Für viele Menschen war dies eine wahre Tragödie, unversöhnlich mit irgendeinem Gefühl der Lust, aber für viele andere, die auf der Höhe eines Bergs waren und nach dem Erdbeben den Tsunami aus dieser Sicht sehen konnten, war es möglicherweise eine ästhetische Erfahrung des dynamischen Erhabenen. Dasselbe Phänomen wurde anders gefühlt und gedeutet. Die Menschen, die dabei verletzt wurden oder die ihr Zuhause, ihren Arbeitsplatz oder sogar ihre Familie verloren haben, waren verständlicherweise nicht in der Lage eine reine ästhetische Erfahrung anlässlich dieses Ereignisses zu erleben. Sie hatten höchstwahrscheinlich eine schreckliche Angst um ihr Leben, weil es bei ihnen in jenem Moment nicht um die Ästhetik der Natur gehen konnte, sondern um die faktische Gewalt derselben gegen ihr Leben

folgendermaßen: „Der allgemeine Grundsatz derselben ist: Alle Erscheinungen stehen, ihrem Dasein nach, a priori unter Regeln der Bestimmung unter einander in der Zeit.“ (KrV, A 177).  Deshalb lehnt Kant einen absoluten Idealismus ab: „Ich dagegen sage: es sind uns Dinge als außer uns befindliche Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein von dem, was sie an sich selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinung, d. i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne affizieren. Demnach gestehe ich allerdings, daß es außer uns Körper gebe, d. i. Dinge, die, obzwar nach dem, was sie an sich selbst sein mögen, uns gänzlich unbekannt, wir durch die Vorstellungen kennen, welche ihr Einfluß auf unsre Sinnlichkeit uns verschafft, und denen wir die Benennung eines Körpers geben; welches Wort also bloß die Erscheinung jenes uns unbekannten, aber nichts desto weniger wirklichen Gegenstandes bedeutet. Kann man dieses wohl Idealismus nennen? Es ist ja gerade das Gegenteil davon.“ (Prol, AA 06: 289).

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und ihre gewohnte Umgebung. Bei den letzteren ging es um nichts anderes als das Überleben. Bei den anderen, die sich in Sicherheit befanden, war diese Erfahrung wahrscheinlich eine der intensivsten ästhetischen Erfahrungen ihres Lebens. Aber ein solches Gefühl ist nur dank einer gewissen Distanz möglich, weil diejenigen Menschen von der Destruktion der Natur nicht direkt betroffen wurden. Die Macht der Natur ließ sich von ihnen gefahrlos betrachten und war für sie nicht am eigenen Leibe zu spüren. Dies ist die größte äußere Differenz zwischen den zwei Gruppen: die Distanz. Zugang zu den Gefühlen der Anderen zu haben, ist nur möglich, wenn überhaupt, durch das, was mit Worten und Mimik ausgedrückt wird.Was eigentlich der Tsunami für jedes einzelne Subjekt konkret bedeutet hat, werden wir niemals wissen. Maximal können wir Verständlichkeitsansprüche auf unsere eigenen Gefühle erheben. Nichtsdestoweniger können wir Elemente der Analytik des dynamischen Erhabenen angesichts jener Ereignisse in Betracht ziehen. Kant sagt, dass es abschreckend für die Sinnlichkeit ist, die Natur als Schema der Ideen zu betrachten (KU, AA 05: 265). Wenn die Natur sich in ihrer Darstellung den Ideen annähert und dabei ihre Übermacht zeigt, bildet sie einen Abgrund für die Sinnlichkeit. Eine Gewalt, die sich letztlich auf paradoxe Weise bei der Erweiterung der Einbildungskraft ergibt, da sie nun von der Vernunft gegen die Sinnlichkeit ausgeübt wird und nicht von der Natur gegen die Sinnlichkeit. Diese Gewalt wäre im praktischen Bereich zu erwarten, aber im ästhetischen Bereich kann sie keine echte Gewalt sein, sondern es ergibt sich keine reine Lust. Dies aber ist „ohne Entwicklung sittlicher Ideen, [nicht möglich. D]as, was wir, durch Kultur vorbereitet, erhaben nennen, [würde] dem rohen Menschen bloß abschreckend vorkommen.“ (KU, AA O5: 265; Ergänzungen von P. Ó. A.). Der sittlich ungebildete Mensch „wird an den Beweistümern der Gewalt der Natur in ihrer Zerstörung und dem großen Maßstabe ihrer Macht, wogegen die seinige in nichts verschwindet, lauter Mühseligkeit, Gefahr und Not sehen, die den Menschen umgeben würden, der dahin gebannt wäre.“ (KU, AA 05: 265). Selbst die Distanz macht so eine Erfahrung des dynamischen Erhabenen nicht aus, sie verlangt Freiheitsbewusstsein, Sittlichkeit und Moralität im Menschen. Eine Voraussetzung, die im mathematischen Modus des Erhabenen nicht als Bestimmung der ästhetischen Artikulierung verlangt wurde, wird bei dem dynamischen Modus unentbehrlich. Die Modalität des dynamischen Erhabenen und somit des Erhabenen überhaupt basiert auf der Natur des Menschen: sein moralisches Gefühl, seine Freiheit und somit seine Spontaneität (sein Geist). Ohne diese gibt es keine Notwendigkeit eines erhabenen Gefühls im Menschen, wie ohne die Postulate des empirischen Denkens keine systematische Erfahrung der Natur. Die metaphysische Synthese der Modalitätsklasse in der ersten Kritik ist die Eintrittstür für die kritische Me-

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taphysik, sowohl für die der Natur als auch für die der Freiheit. Diese selbstgebende (zwecksetzende) Struktur der Vernunft ist teleologisch. Die Teleologie der Vernunft widerspiegelt, sowohl im theoretischen (mathematischen Erhabenen) als auch im praktischen (dynamischen Erhabenen) Gebrauch eine organische (kollektive) Einheit. Das nächste Kapitel geht auf diese Problematik in Verbindung mit dem Erhabenen ausführlich ein.

Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft jenseits der Dualität des Erhabenen Im vierten Kapitel wird die scheinbare ontologische Dualität der Vernunft untersucht, und zwar in ihrem theoretischen (Kritik der reinen Vernunft) und praktischen (Kritik der praktischen Vernunft) Gebrauch. Anschließend wird die Dichotomie Natur und Freiheit auf jene Dualität zurückbezogen. Am Ende wird die sich daraus ergebende Kluft (wiederaufgenommen in der Kritik der Urteilskraft) der Vernunft thematisiert und die Systematik derselben als eine teleologische Einheit aufgezeigt.

1 Der theoretische Gebrauch der Vernunft In der Kritik der reinen Vernunft macht Kant es sich zur Aufgabe, die Grenzen und die Tragweite der Vernunft zu untersuchen. In dieser Untersuchung werden die Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis a priori erschlossen: Aus diesem allem ergibt sich nun die Idee einer besonderen Wissenschaft, die K r i t i k d e r r e i n e n Ve r n u n f t heißen kann. Denn Vernunft ist das Vermögen, welches die P r i n z i p i e n der Erkenntnis a priori an die Hand gibt. Daher ist reine Vernunft diejenige, welche die Prinzipien, etwas schlechthin a priori zu erkennen, enthält. (KrV, B 25)

Im weiteren Sinne wird die Vernunft als das gesamte obere Erkenntnisvermögen definiert, diese Bedeutung umfasst den Verstand, die Urteilskraft und die Vernunft im engeren Sinne.¹ Aus dieser Sicht bildet die Vernunft die ganze spontantranszendentale Struktur des Subjekts.²

 Die Sinnlichkeit und die Einbildungskraft in ihrer reproduktiven Tätigkeit gehören zum unteren Erkenntnisvermögen, da sie nicht spontan sind.  Man sollte vorsichtig mit der Anwendung des Adjektivs „transzendental“ in Verbindung mit den Begriffen „System“ und „Philosophie“ umgehen. Denn Kant behauptet in der ersten Kritik, alle transzendentale Erkenntnis habe mit unserer Erkenntnisart, Gegenstände a priori zu erkennen, zu tun und ein System solcher Begriffe würde Transzendental-Philosophie heißen (KrV, B 26). Daraus ergibt sich, dass die Kritik der reinen Vernunft keine Doktrin des Systems der Transzendental-Philosophie sei, sondern nur eine Propädeutik zum System der reinen Vernunft. In der Kritik der Urteilskraft wird diese Bedeutung subtil erweitert und „transzendental“ scheint homolog zu „nach Prinzipien a priori zu urteilen“: „Eine Kritik der reinen Vernunft, d. i. unseres Vermögens, nach Prinzipien a priori zu urteilen, würde unvollständig sein, wenn die der Urteilskraft, welche für sich als Erkenntnisvermögen darauf auch Anspruch macht, nicht als ein besonderer Teil derselben https://doi.org/10.1515/9783110979916-007

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Die Vernunft im engeren Sinne wird als das Vermögen der Prinzipien und der Einheit der Verstandesregeln definiert (KrV, A 299/ B 356): [S]o ist die Vernunft das Vermögen der Einheit der Verstandesregeln unter Prinzipien. Sie geht also niemals zunächst auf Erfahrung oder auf irgendeinen Gegenstand, sondern auf den Verstand, um den mannigfaltigen Erkenntnissen desselben Einheit a priori durch Begriffe zu geben, welche Vernunfteinheit heißen mag und von ganz anderer Art ist, als sie von dem Verstande geleistet werden kann. (KrV, A 302/ B 359)

In ihrem logischen Gebrauch wird sie als das Vermögen des mittelbaren Schließens und in ihrem transzendentalen Gebrauch als das Vermögen der transzendentalen Ideen (Vernunftbegriffe) betrachtet.

a Der logische Gebrauch der Vernunft Die Vernunft in ihrem logischen Gebrauch wird in der Kritik der reinen Vernunft folgendermaßen definiert: Vernunft, als Vermögen einer gewissen logischen Form der Erkenntnis betrachtet, ist das Vermögen zu schließen, d. i. mittelbar (durch die Subsumtion der Bedingung eines möglichen Urteils unter die Bedingung eines gegebenen) zu urteilen. (KrV, A 322/ B 387)

Mit „Vermögen des mittelbaren Schließens“ ist gemeint, dass die Vernunft eine der Gemütskräfte ist, die aus einem Urteil ein anderes ableiten kann, und zwar nicht unmittelbar, sondern durch Mediation.³ Aus dem Satz „alle Menschen sind sterblich“ lassen sich unmittelbar Sätze schließen wie: „einige Menschen sind sterblich“, „einige Sterbliche sind Menschen“ und „nichts, was unsterblich ist, ist ein Mensch“ (KrV, A 330/ B 360). Bei solchen Schlussfolgerungen ist keine andere Vermitt-

abgehandelt würde; obgleich ihre Prinzipien in einem System der reinen Philosophie keinen besonderen Teil zwischen der theoretischen und praktischen ausmachen dürfen, sondern im Notfalle jedem von beiden gelegentlich angeschlossen werden können.“ (KU, AA 05: 168). Wäre die Transzendental-Philosophie gleichgesetzt mit dem System der reinen Vernunft, dann gehörte die Kritik der Urteilskraft zur Propädeutik der transzendentalen Philosophie; obwohl sie nichts zu unserer Erkenntnis Gegenstände a priori zu erkennen beiträgt, trägt sie jedoch zum System bei, indem sie Prinzipien a priori enthält. Nach dieser Erläuterung lässt sich besser begreifen, was in dieser Arbeit unter „transzendentale Struktur des Subjekts“ verstanden werden soll.  „Unter Schließen ist diejenige Function des Denkens zu verstehen, wodurch ein Urtheil aus einem andern hergeleitet wird. Ein Schluß überhaupt ist also die Ableitung eines Urtheils aus dem andern.“ (Logik, AA 09: 114).

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lungsinstanz (terminus medium) nötig,⁴ weil es sich um eine consequentia immediata handelt, für welche der Verstand zuständig ist. Deswegen soll in der vorherigen Definition des logischen Gebrauchs der Vernunft auf das Attribut „mittelbar“ (zu schließen) geachtet werden. Obwohl nicht nur die Vernunft mittelbar schlussfolgert – denn die (reflektierende) Urteilskraft schließt auch mittelbar, aber nur auf eine induktive oder analoge Weise –,⁵ ist jene jedoch die einzige Gemütskraft, die auf eine notwendige Weise verfährt.⁶ M. a. W. ist die Vernunft für die Konklusion jedes (gültigen) Syllogismus zuständig, aber nicht für jede Schlussfolgerung, da es auch Verstandesschlüsse und Schlüsse der Urteilskraft gibt. Das allgemeine Prinzip aller Vernunftschlüsse heißt: „Was unter der Bedingung einer Regel steht, das steht auch unter der Regel selbst.“ (Log, AA 09: 120). Die Art des Vernunftschlusses wird am Verhältnis zwischen dem Obersatz (eine Regel) und dem Untersatz (eine Erkenntnis unter einer Bedingung) festgemacht. Aus solcher Verhältnisart resultieren drei mögliche Vernunftschlüsse: kategorisch, hypothetisch und disjunktiv. Durch die folgende Struktur wird ihr logischer Gebrauch besser erläutert.

 Außerdem ergibt sich keine Veränderung in der „Materie“ des unmittelbaren Schlusses, sondern nur in der „Form“, wie Klimmek in Beziehung auf den §44 der Logik betont: „Schließlich wechseln im obigen Beispiel eines Konversionsschlusses die Rollen des grammatikalischen Subjekts und des grammatikalischen Prädikats (zwischen Menschen und Sterblichen und vice versa)“ (Klimmek 2005, S.19).  In §85 des von Jäsche herausgegebenen Handbuchs über Logik (1800) erklärt Kant den Grund der Mittelbarkeit der Schlüsse der Urteilskraft, nämlich, dass ihr Verfahren auf einem Prinzip eines notwendigen gemeinschaftlichen Grundes von der Übereinstimmung des Zufälligen beruht: „Das Princip, welches den Schlüssen der Urtheilskraft zum Grunde liegt, ist dieses: daß Vieles nicht ohne einen gemeinschaftlichen Grund in Einem zusammenstimmen, sondern daß das, was Vielem auf diese Art zukommt, aus einem gemeinschaftlichen Grunde nothwendig sein werde. Anmerkung. Da den Schlüssen der Urtheilskraft ein solches Princip zum Grunde liegt, so können sie um deswillen nicht für unmittelbare Schlüsse gehalten werden.“ (Log, AA 09: 132).  In der zweiten Anmerkung des §84 der Logik behauptet Kant folgendes: „Ein jeder Vernunftschluß muß Nothwendigkeit geben. Induction und Analogie sind daher keine Vernunftschlüsse, sondern nur logische Präsumtionen oder auch empirische Schlüsse; und durch Induction bekommt man wohl generale, aber nicht universale Sätze.“ (Log, AA 09: 132).

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Obersatz (major)

Allgemeine Regel unter einer Bedingung (gegebenes Urteil⁷ [notwendig?])

‒ Alles Zusammengesetzte ist veränderlich.

Untersatz (minor)

Subsumtion unter der Bedingung der Regel (ein anderes mögliches Urteil)

‒ Alle Körper sind zusammengesetzt.

Schluss (conclusio)

Assertion der Regel in dem subsumierten Fall (das wirkliche Urteil)

‒ Alle Körper sind veränderlich.

Wie in diesem perfekten Modus-Barbara-Syllogismus beobachtet werden kann, empfängt die Vernunft aus einer anderen Instanz (wahrscheinlich aus dem Verstand) den Obersatz und den Untersatz als mögliche Prämisse, um die Assertion der Regel zu konkludieren. Kant behauptet dazu: „Man sieht leicht, dass die Vernunft durch Verstandeshandlungen, welche eine Reihe von Bedingungen ausmachen, zu einem Erkenntnisse gelange.“ (KrV, A 330/ B 387). Die Reihe von Bedingungen ist in diesem Fall die Prämisse und die Erkenntnis ist die Konklusion. Aus einem gegebenen Urteil lässt sich eine Reihe fortsetzen, d. i. ratiocinatio polysillogistica mittels der logischen Vernunfthandlung. Diese Reihe von Schlüssen ist entweder aufsteigend (auf der Seite der Bedingungen: per prosyllogismos) oder absteigend (auf der Seite des Bedingten: per episyllogismos) (KrV, A 331/ B 388). Die aufsteigende Reihe der Vernunftschlüsse ergibt sich a priori als Glied einer Reihe von Gründen, wenn die Erkenntnis einer Bedingung von einer anderen Erkenntnis abhängt. Hier wird die Reihe als gegeben (vorausgesetzt) betrachtet. Die absteigende Reihe der Vernunftschlüsse ergibt sich hingegen a posteriori und kann sich erstrecken, wie weit sie mag. Hier wird die Reihe als „werdende“ gedacht, demzufolge nur als „ein potentialer Fortgang“. Nun lässt sich sagen, dass die für die Funktion der Vernunft zur Erkenntnis der Natur interessante syllogistische Reihe die aufsteigende ist. Die Vernunft fordert, ihre Erkenntnis als a priori zu bestimmen, sei es „an sich selbst“ oder als „Glied einer Reihe von Gründen“ (KrV, A 333/ B 390). Dies ist ihre Leistung im logischen Gebrauch, aber die Vernunft leistet als transzendentales Vermögen noch mehr. Was bedeutet nun transzendental? Bedeutet es, dass sie Erkenntnis von Objekten a priori darbietet? Oder bedeutet dies, dass sie zum Geschäft der Erkenntnis auf eine synthetische Weise vorgeht? Um zu wissen, ob der Vernunft ein transzendentaler Gebrauch zugeschrieben ist, muss in der transzendentalen Dialektik der KrV erörtert werden, ob sie „a priori synthetische Grundsätze und Regeln enthalte, und worin diese Prinzipien bestehen mögen?“ (KrV, A 306/ B 363). Im Folgenden wird eine Rekonstruktion der Be Es ist unvermeidlich an dieser Stelle zu fragen, wer der Vernunft das Urteil gibt. Ich nehme bisher einfach an, dass der Verstand dafür zuständig ist.

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Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft

deutung von der Vernunft in ihrem transzendentalen Gebrauch durchgeführt, um auf diese Fragen eingehen zu können.

b Transzendentaler Gebrauch der Vernunft Zuerst soll gesagt werden, dass die für dieses Kapitel wesentliche Einteilung der Vernunft in theoretisch und praktisch aus ihrem transzendentalen Gebrauch entsteht und prinzipiell nichts mit ihrem logischen Gebrauch zu tun hat, da letzterer nur ein formaler Aspekt der Vernunft ist, der die Möglichkeit der Erkenntnis weder reguliert noch konstituiert. Nichtsdestoweniger ist er als formaler Gebrauch wichtig, weil er die Form des transzendentalen Gebrauchs bestimmt.⁸ Der transzendentale Gebrauch der Vernunft soll sich vom transzendentalen Gebrauch des Verstandes unterscheiden. Der letztere ist ein illegitimer Gebrauch der Kategorien jenseits der Erscheinungen (Noumena).⁹ Es mag zuerst verwirrend sein, dass Kant die Bezeichnung „transzendental“ in Verbindung mit dem Verstand als eine ungültige Anwendung der Kategorien betrachtet, aber es ist tatsächlich so gemeint. Dieser Gebrauch wird auch dialektisch genannt und ist derjenige, wo der Verstand sich von seinen Kategorien und Grundsätzen „über die Grenzen der Erfahrung hinaus“ bedient und „allein wagt, synthetisch über Gegenstände überhaupt zu urteilen, zu behaupten und zu entscheiden“ (KrV, A 63/ B 88). In der Erläuterung zu den Postulaten des empirischen Denkens überhaupt behauptet Kant von den Grundsätzen der Modalität, dass sie nichts Weiteres seien als Erklärungen der Kategorien der Modalität, was hierher unproblematisch ist. Zudem sind aber „hiermit zugleich Restriktionen aller Kategorien auf den bloß empirischen Gebrauch ohne den transzendentalen zuzulassen und zu erlauben“ (KrV, A 219/ B 267). Über den Unterschied zwischen dem empirischen und transzendentalen Gebrauch des Verstandes ist im Abschnitt Von dem Grunde der Unterscheidung aller Gegenstände überhaupt in Phaenomena und Noumena ausführlich die Rede:

 „Das formale und logische Verfahren derselben in Vernunftschlüssen gibt uns hierüber schon hinreichende Anleitung, auf welchem Grunde das transzendentale Principium derselben in der synthetischen Erkenntnis durch reine Vernunft beruhen werde.“ (KrV, A 306/ B 363).  „Es ist also die Frage: ob außer jenem empirischen Gebrauche des Verstandes (selbst in der Newtonischen Vorstellung des Weltbaues) noch ein transzendentaler möglich sei, der auf das Noumenon als einem Gegenstand gehe, welche Frage wir verneinend beantwortet haben.“ (KrV, A 258/ B 313).

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Daß also der Verstand von allen seinen Grundsätzen a priori, ja von allen seinen Begriffen keinen andern als empirischen, niemals aber einen transzendentalen Gebrauch machen könne, ist ein Satz, der, wenn er mit Überzeugung erkannt werden kann, in wichtige Folgen hinaussieht. (KrV, A 238/ B 298)

„Transzendentaler Gebrauch“ ist in diesem Zusammenhang nicht als Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis a priori zu verstehen, sondern als die Beziehung von Begriffen „auf Dinge überhaupt und an sich selbst“ (KrV, A 238/ B 298) und nicht „auf Erscheinungen, d. i. Gegenstände einer möglichen Erfahrung“ (KrV, A 238/ B 298). Laut dieser Erklärung scheint es, als ob Kant damit einen „transzendenten Gebrauch“ hätte meinen sollen.Wenn es nur eine Verwechslung wäre, hätte er in der B-Auflage die Möglichkeit gehabt, sie zu korrigieren, da er diesen Abschnitt viel modifizierte. Er machte jedoch keine Korrekturen an diesem Punkt. Der transzendentale Gebrauch der Vernunft ist ein hypothetischer Gebrauch. Das bedeutet im theoretischen Kontext, dass er dazu dient, ein Prinzip für die Organisation des Systems der Natur zu geben. Obwohl dieses Prinzip nicht konstitutiv für Gegenstände der Erfahrung (Erscheinungen) ist, ist es regulativ notwendig für die Schematisierung der Verstandesregeln zur Erkenntnis der Natur.¹⁰ Dies ist eine der Funktionen der Vernunft in ihrem theoretischen Gebrauch. Das regulative Prinzip der Vernunft bietet die Idee von Einheit und Totalität für die gesamten Verstandesbegriffe dar. Die andere Funktion der Vernunft ist, reine Begriffe zu erzeugen, die nicht in der Erfahrung zu finden sind und durch die Vernunft selbst entstehen, um die wissenschaftliche Erfahrung anzuleiten. Beispiele für diese Produkte der Vernunft sind die Begriffe eines brennlichen Wesens (Phlogiston), des reinen Wassers und der Grundkraft. Die Vernunft kann sich in ihrem transzendentalen Gebrauch nicht unmittelbar auf Gegenstände der Erfahrung beziehen, sondern nur mittelbar durch Urteile und Begriffe des Verstandes, deren synthetische Einheit von ihr begriffen wird. So wie der Verstand die Funktion der Einheit des Mannigfaltigen in der Anschauung zur Möglichkeit der Erfahrung hat, genauso funktioniert die Vernunft für die mannigfaltigen Begriffe des Verstandes. Für die Ausübung ihres transzendentalen Gebrauchs nimmt die Vernunft eine aus dem logischen Gebrauch entspringende Maxime, welche folgendermaßen lautet: „[Z]u dem bedingten Erkenntnisse des Verstandes das Unbedingte zu finden, womit die Einheit desselben vollendet

 Natur als natura formaliter spectata und nicht als natura materialiter spectata. Die letzte betrifft das Hauptthema der Kritik der Urteilskraft, das erste dasjenige von der Kritik der reinen Vernunft.

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wird.“ (KrV, A 307/ B 364).¹¹ Das Prinzip des Unbedingten dient dazu, die bedingten Erkenntnisse des Verstandes zu vereinheitlichen. Zudem behauptet Kant: „Ein solcher Grundsatz der reinen Vernunft ist aber offenbar synthetisch; denn das Bedingte bezieht sich analytisch zwar auf irgend eine Bedingung, aber nicht aufs Unbedingte“ (KrV, A 308/ B 365).¹² Jedenfalls sind Kant zufolge die aus diesem Grundsatz entspringenden Grundsätze transzendent bezüglich der Erscheinungen und haben keinen immanenten Gebrauch bei der Bestimmung der Erfahrung. Im ersten Buch der Transzendentalen Dialektik behauptet Kant, dass die Vernunftbegriffe (Ideen) im Kontrast zu den Verstandesbegriffen, welche zum Verstehen der Wahrnehmungen dienen, zum Begreifen dienen (KrV, A 311/ B 367). Aber was genau wird von der Vernunft begriffen, wenn nicht die schon verstandene Immanenz der Erscheinungen? Kant sagt über die Vernunftbegriffe: „Wenn sie das Unbedingte enthalten, so betreffen sie etwas, worunter alle Erfahrung gehört, welches selbst aber niemals ein Gegenstand der Erfahrung ist“ (KrV, A 311/ B 368; Herv. von P. Ó. A.), und was auch niemals ein Glied der empirischen Reihe ausmachen kann. Daraus ergeben sich zwei Arten von Begriffen: Die ersteren haben objektive Gültigkeit, die letzteren nicht und führen zur Dialektik. ‒ Conceptus ratiocinati: „richtig geschlossene Begriffe“. Sie folgen aus einem richtigen Schluss. ‒ Conceptus ratiocinantes: „vernünftelnde Begriffe“. Sie folgen aus einem scheinbaren Schluss.¹³

 Diese Maxime, wie Kant sie in der KrV bezeichnet, sollte dem allgemeinen Prinzip der Vernunftschlüsse entstammen. Obwohl nicht eindeutig ist, wie aus diesem Satz: „Was unter der Bedingung einer Regel steht, das steht auch unter der Regel selbst.“ Der Satz: „[Z]u dem bedingten Erkenntnisse des Verstandes das Unbedingte zu finden, womit die Einheit desselben vollendet wird.“ abgeleitet wird. Außerdem ist es merkwürdig, dass der logische formale Gebrauch der Vernunft eine Maxime enthält. In diesem Fall sollte Kant mit „formal“ nicht Mangel an Inhalt meinen, sonst lässt sich die Opposition Inhalt versus Form in diesem Kontext nicht verstehen, es sei denn, die Maximen hätten keinen Inhalt.  Gleich dazu behauptet Kant folgendes: „Das Unbedingte aber, wenn es wirklich Statt hat, kann besonders erwogen werden, nach allen den Bestimmungen, die es von jedem Bedingten unterscheiden, und muss dadurch Stoff zu manchen synthetischen Sätzen a priori geben.“ (KrV, A 308/ B 365). Diese Feststellung ist zumindest auf zwei Ebenen kontrovers und kann sich als paradox herausstellen. Denn inwiefern soll das Unbedingte Stoff zu einigen synthetischen Sätzen a priori geben, wenn seine Wirklichkeit nicht einmal geprüft werden kann? Wie lässt sich von der Möglichkeit der Wirklichkeit des Unbedingten eine notwendige Annahme von seiner Anwendung auf die Begriffe der Erfahrung ableiten?  Diese werden auch dialektische Vernunftschlüsse genannt. Diese konzeptuelle Unterscheidung ratiocinati (ratiocinatus) – ratiocinantes (ratiocinans) tritt bei der Definition der Grenzen des Begriffs „Naturzweck“ in der Kritik der Urteilskraft auf. Dazu sagt Kant: „Der Begriff eines Dinges

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Ein Vernunftbegriff oder eine Idee ist „ein Begriff aus Notionen, der die Möglichkeit der Erfahrung übersteigt“ (KrV, A 320/ B 377), das hat Kant m. E. mit dem vorherigen Ausdruck „das Unbedingte enthalten“ gemeint. Also sind es Begriffe, die weder von der Erfahrung abgeleitet werden können noch in der Erfahrung zu finden sind, welche aber doch die Möglichkeit haben, in einer notwendigen Verbindung mit der Erfahrung zu stehen, sonst wären sie nicht als „transzendentale Ideen“ benannt, sondern einfach dialektische Begriffe der Vernunft. Woraus diese Verbindung besteht, macht die Unterscheidung zwischen dem transzendentalen und dem dialektischen Gebrauch der Vernunft aus. Die transzendentalen Ideen regulieren „den Verstandesgebrauch im Ganzen der gesamten Erfahrung nach Prinzipien“ (KrV, A 321/ B 378). Gemäß den drei Verhältnisarten des Verstandes bei der Deklination der Kategorien geschieht es mit den Begriffen der Vernunft. Diese Verhältnisarten bei den reinen Vernunftbegriffen lauten (KrV, A 323/ B 379): 1. Ein Unbedingtes der kategorischen Synthesis in einem Subjekt – Ein Subjekt, welches selbst nicht mehr Prädikat ist. (Prosyllogismen zum Unbedingten) 2. Die hypothetische Synthesis der Glieder einer Reihe – Eine Voraussetzung, die nichts Weiteres voraussetzt. 3. Die disjunktive Synthesis der Teile in einem System – Sie ist ein Aggregat der Glieder der Einteilung, zu welchem nichts weiter erforderlich ist, um die Einteilung eines Begriffes zu vollenden. Kant behauptet zu diesen: Daher sind die reinen Vernunftbegriffe von der Totalität der Bedingungen wenigstens als Aufgaben, um die Einheit des Verstandes, wo möglich, bis zum Unbedingten fortzusetzen, notwendig und in der Natur der menschlichen Vernunft gegründet, es mag auch übrigens

als Naturzwecks ist aber zwar ein empirisch bedingter, d. i. nur unter gewissen in der Erfahrung gegebenen Bedingungen möglicher, aber doch von derselben nicht zu abstrahierender, sondern nur nach einem Vernunftprinzip in der Beurteilung des Gegenstandes möglicher Begriff. Er kann also als ein solches Prinzip seiner objektiven Realität nach (d. i. daß ihm gemäß ein Objekt möglich sei) gar nicht eingesehen und dogmatisch begründet werden; und wir wissen nicht, ob er bloß ein vernünftelnder und objektiv leerer (conceptus ratiocinans), oder ein Vernunftbegriff, ein Erkenntnis gründender, von der Vernunft bestätigter (conceptus ratiocinatus), sei. Also kann er nicht dogmatisch für die bestimmende Urteilskraft behandelt werden: d. i. es kann nicht allein nicht ausgemacht werden, ob Dinge der Natur, als Naturzwecke betrachtet, für ihre Erzeugung eine Kausalität von ganz besonderer Art (die nach Absichten) erfordern, oder nicht; sondern es kann auch nicht einmal darnach gefragt werden, weil der Begriff eines Naturzwecks seiner objektiven Realität nach durch die Vernunft gar nicht erweislich ist (d. i. er ist nicht für die bestimmende Urteilskraft konstitutiv, sondern für die reflektierende bloß regulativ).“ (KU, AA 05: 396).

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diesen transzendentalen Begriffen an einem ihnen angemessenen Gebrauch in concreto fehlen, und sie mithin keinen anderen Nutzen haben, als den Verstand in die Richtung zu bringen, darin sein Gebrauch, indem er aufs äußerste erweitert, zugleich mit sich selbst durchgehend einstimmig gemacht wird. (KrV, A 323/ B 380)

Daraus ergibt sich, dass der gemeinschaftliche Titel aller Vernunftbegriffe die absolute Totalität der Bedingungen und das Unbedingte ist. Das Absolute sollte definiert werden als das Maximum, das man einem Objekt prädizieren kann, „was in aller Absicht, in aller Beziehung möglich ist“ (KrV, A 325/ B 381).¹⁴ Die Vernunft gibt dem Verstand seine Einheit, „um ihm die Richtung auf eine gewisse Einheit vorzuschreiben, von der der Verstand keinen Begriff hat, und die darauf hinausgeht, alle Verstandeshandlungen, in Ansehung eines jeden Gegenstandes, in ein absolutes Ganzes zusammen zu fassen“ (KrV, A 327/ B 383). Die transzendentalen Ideen „betrachten alles Erfahrungserkenntnis als bestimmt durch eine absolute Totalität der Bedingungen. Sie sind […] durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, und beziehen sich daher notwendiger Weise auf den ganzen Verstandesgebrauch“ (KrV, A 325/ B 384). Sie dienen dem Verstand zum Kanon seines eigenen Gebrauchs (KrV, A 320/ B 386). Hinsichtlich des Allgemeinen (als nötige Eigenschaft für einen Vernunftschluss) kann sich die Vernunft auf die folgenden Vorstellungen beziehen, aus denen ein Begriff oder eine Idee gemacht wird: entweder auf das Subjekt oder auf das Mannigfaltige des Objekts oder auf alle Dinge überhaupt. Und so wie die Begriffe des Verstandes mit der synthetischen Einheit der Vorstellung zusammenhängen, hängen die Ideen der Vernunft mit der „unbedingten synthetischen Einheit aller Bedingungen überhaupt“ (KrV A 334/ B 391) zusammen. Daraus wiederum ergeben sich drei Modi oder drei Klassen der transzendentalen Ideen der reinen Vernunft: 1. Die absolute Einheit des denkenden Subjekts (Psychologie) 2. Die absolute Einheit der Reihe der Bedingungen (Kosmologie) 3. Die absolute Einheit der Bedingungen aller Gegenstände des Denkens überhaupt (Theologie)¹⁵ Die Ideen der Vernunft haben keinen direkten Zugang zu den Gegenständen der Erfahrung; sie verbinden sich mit ihnen durch die Begriffe des Verstandes; sie

 „Nun geht der transzendentale Vernunftbegriff jederzeit nur auf die absolute Totalität in der Synthesis der Bedingungen, und endigt niemals, als bei dem schlechthin, d. i. in jeder Beziehung, Unbedingten.“ (KrV A 326/ B 383).  Vgl. KrV, A 334/ B 391. Sie sind ein „echtes Produkt der Vernunft“ und nicht des Verstandes (KrV, A 335/ B 392).

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sind jederzeit nur mittelbare Vorstellungen der Gegenstände. Was die Vernunft sucht, ist die Bedingung und nicht das Bedingte. Deswegen dienen die transzendentalen Ideen der aufsteigenden Reihe der Bedingungen, um so die Vorstellung des Unbedingten zu erreichen. In der absteigenden Reihe der Bedingungen gibt es keine transzendentale Leistung der Vernunft, sondern nur eine logische (KrV, A 336/ B 394). Die wichtigste Aufgabe der Ideen der Vernunft ist, einheitliche Systematik zur Erkenntnis der Natur zu liefern. Aufgrund der eigenen Natur der Vernunft können jedoch die Ideen beim Versuch ihrer Objektivierung in eine dialektische Bewegung geraten. Die dialektischen Vernunftschlüsse stammen aus dem transzendentalen Begriff der absoluten Einheit des Subjekts (die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele), aus dem transzendentalen Begriff der absoluten Totalität der Bedingungen zu einer gegebenen Erscheinung (die Fragen nach der Ewigkeit/ dem Anfang der Welt, ihrer Komposition, ihrer Kausalität und ihrer Ursache) und aus dem transzendentalen Begriff der absoluten synthetischen Einheit aller Bedingungen der Möglichkeit der Dinge überhaupt (die Frage nach der Existenz Gottes). Die daraus entspringenden vernünftelnden Schlüsse werden in den Kapiteln von den Paralogismen, den Antinomien und dem Ideal der Vernunft behandelt. Wenn die subjektive Realität dieser Prinzipien zur objektiven gebracht wird, entsprechen sie den Objekten der sogenannten metaphysica specialis, deren Möglichkeit zur Wissenschaft Kant verweigert. Nun lässt sich feststellen, dass die regulativen Ideen des hypothetischen Gebrauchs der Vernunft von diesen zuerst aus logischen Schlüssen gewonnenen Begriffe, über Begriffe aus transzendentalen Schlüssen (conceptus ratiocinati) zu Begriffen aus dialektischen Schlüssen (conceptus ratiocinantes) werden, wenn sie konstitutiv verstanden werden, d.i. wenn das Denken mit dem Sein identifiziert wird. Anders formuliert kann gesagt werden, dass der Ursprung der regulativen Ideen derselbe ist wie der von den transzendentalen Ideen der Vernunft. Die Vernunft hat einen validen Gebrauch im theoretischen Bereich. Dieser Gebrauch ist aber nur hypothetisch und regulativ. Er wird durch die Annahme eines allgemeinen Prinzips charakterisiert, dessen Gegenstand trotz seiner Nichtobjektivierbarkeit als wahr gilt. Die Regel lässt sich erst universalisieren, wenn das Besondere sich zu dieser Regel auf zweckmäßige Weise verhält. Diese Art der Anwendung der Regeln wird als regulativer oder hypothetischer Gebrauch der Vernunftideen gekennzeichnet.

c System der Natur. Einheit und Totalität Wie bereits antizipiert wurde, bestimmt die Vernunft die Erkenntnis der Natur nicht auf konstitutive Weise, weil sie sich auf keine gegebene Erscheinung direkt

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bezieht, sondern nur auf die Verstandesregeln durch ihre Prinzipien. Sie spielt jedoch eine wichtige Rolle bei der Systematisierung der Naturerkenntnis. Um eine Erkenntnis der Natur zu haben, muss diese ihren Zweck der Wahrheit erfüllen. Ist das Urteil „S ist P“ nicht wahr, dann stellt es keine Erkenntnis dar. Die Wahrheitsdefinition in der KrV entspricht der Idee der Korrespondenz zwischen einem Urteil über ein Objekt und dem, was dieses Objekt in der Tat ist (Sachverhalt).¹⁶ In der Erforschung der empirischen Natur wird ebenfalls nach (materialer) Wahrheit gesucht, was m. E. das Hauptthema der Kritik der teleologischen Urteilskraft ist.¹⁷ Für das Finden der Übereinstimmung von Begriffen mit Objekten muss zuallererst die Möglichkeit, dass es eine solche Übereinstimmung überhaupt gibt, angenommen werden.¹⁸ Um empirische Begriffe bilden und strukturieren zu können, muss dann vorausgesetzt werden, dass es einerseits in der Welt eine Regelmäßigkeit der Naturerscheinungen gibt, und, dass andererseits ein

 Wahrheit ist „die Übereinstimmung unserer Begriffe mit dem Objekte“ (KrV, A 643/ B 671).  König postuliert in Bezug auf das Problem der Einheit der Kritik der Urteilskraft, dass es nicht nur in der Teleologie um die Bedingungen der materialen Wahrheit geht, sondern auch in der Behandlung des Schönen: „Eine Lektüre der Kritik der Urteilskraft, die sich von der Annahme führen ließe, dass sich Kant in diesem Werk um die Aufdeckung von (a priori anzugebenden) Bedingungen einer objektiven oder materialen Wahrheit der (empirischen) Erkenntnis bemühte, hätte zwei unmittelbare Vorzüge. Zum einen ließe sich leichter nachvollziehen, was für Hegel und die moderne Ästhetik an Kants Leistung auf dem Gebiet einer Theorie des Schönen von wesentlicher Bedeutung war, dass nämlich für Kant das Schöne in einer Beziehung zur Wahrheit steht. Zum anderen erschiene die Einteilung der Kritik der Urteilskraft in eine Kritik der ästhetischen Urteilskraft und in eine Kritik der teleologischen Urteilskraft weniger heterogen und disparat. Denn die Suche nach einer Theorie apriorischer Bedingungen materialer Wahrheit wäre ein beide Teile übergreifendes und sie verbindendes gemeinsames Thema.“ (König 2019, S. 41 f.). Diese These ist plausibel, aber löst das Problem der Einheit des Werkes nicht, weil das Erhabene nicht berücksichtigt wird.  König sieht eine argumentative Parallelität zwischen der ersten und der dritten Kritik in der Rechtfertigung der Objektivitätsansprüche unserer Urteile. Damit stimme ich völlig überein: „Kant argumentiert insofern ähnlich wie bei der Auflösung des Deduktionsproblems in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft. Die Pointe seiner Argumentation besteht in der Annahme, dass eine objektive Erkenntnis eine Objektivität des erkennenden Subjekts zur Voraussetzung hat – in diesem Fall: das dem Anspruch nach allgemeingültige Geschmacksurteil über die Schönheit eines einzelnen Gegenstands setzt eine allgemeine Empfänglichkeit aller Subjekte für die Schönheit voraus. Wenn die Frage ist, unter welchen Bedingungen sich ein Urteil über das Schöne, über das uninteressierte Wohlgefallen an einem Gegenstand, zugleich als eines verstehen lässt, von dem erwartet werden darf, dass es jedermann teilt, dann stellt sich die Frage nach dem Grund dieser Erwartung der Einhelligkeit unter den Urteilen. Dieser Grund kann nur darin zu finden sein, dass alle urteilenden Subjekte etwas gemeinsam haben: nämlich dass sie, wenn sie über die Schönheit eines bestimmten, einzelnen Gegenstandes urteilen müssten, zu dem gleichen Urteil kommen müssten wie jeder andere.“ (König 2019, S. 56 f.).

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zweckmäßiges Verhältnis zwischen unseren Erkenntniskräften und den Gegenständen der Erfahrung besteht. Regelmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Einstimmigkeit seitens der Welterscheinung mit den kognitiven Kräften des Subjekts werden als Voraussetzungen der Gründung seiner eigenen Natur angenommen, weil die Erscheinungen letzten Endes zu uns gehören: Alles, was in der Natur unserer Kräfte gegründet ist, muss zweckmäßig und mit dem richtigen Gebrauche derselben einstimmig sein, wenn wir nur einen gewissen Mißverstand verhüten und die eigentliche Richtung derselben ausfindig machen können. (KrV, A 643/ B 671)

Genauso wie es mit unseren Gemütskräften geschieht, dass sie auf eine Einheit zurückgerufen werden, geschieht es mit der Natur, um zu einer systematischen Erkenntnis derselben zu gelangen. In diesem Kontext wird der Verstand das Objekt der Vernunft. Sie hat die Aufgabe, die Begriffe des Verstandes zu einer kollektiven Einheit zu bringen, indem die Vernunft aus ihrer entspringenden Idee eines systematischen Ganzen Einheit von seinen Begriffen verlangt.¹⁹ Sie gibt dem Verstand das Ziel zur Anordnung seiner Begriffe, die Idee der systematischen Einheit als focus imaginarius, einen Punkt, zu dem der Verstand ohne die Vernunft Kant zufolge niemals gelangen würde. Bei der Erfüllung dieser Tätigkeit bietet die Vernunft Begriffe an, welche sich zwar in der Realität nicht als Erscheinungen darstellen können, aber welche für das Verständnis und Organisation derselben notwendig-immanent (einheimisch) sind, um ihnen andere Begriffe gestuft unterzuordnen. Alle reinen Begriffe der empirischen Gegenstände werden von der Vernunft geliefert (reines Wasser, reine Luft, reine Erde, usw.). Das paradigmatische Beispiel davon ist die Grundkraft, die als Gipfel aller anderen Kräfte (bzw. aller Substanzen) betrachtet wird, sodass die restlichen entsprechenden Begriffe sich absteigend organisieren lassen. Man gesteht: daß sich schwerlich reine Erde, reines Wasser, reine Luft etc. finde. Gleichwohl hat man die Begriffe davon doch nötig (die also, was die völlige Reinigkeit betrifft, nur in der Vernunft ihren Ursprung haben), um den Anteil, den jede dieser Naturursachen an der Erscheinung hat, gehörig zu bestimmen, und so bringt man alle Materien auf die Erden (gleichsam die bloße Last), Salze und brennliche Wesen (als die Kraft), endlich auf Wasser und Luft als Vehikeln (gleichsam Maschinen, vermittelst deren die vorigen wirken), um nach

 „Die Vernunft hat also eigentlich nur den Verstand und dessen zweckmäßige Anstellung zum Gegenstande, und wie dieser das Mannigfaltige im Objekt durch Begriffe vereinigt, so vereinigt jene ihrerseits das Mannigfaltige der Begriffe durch Ideen, indem sie eine gewisse kollektive Einheit zum Ziele der Verstandeshandlungen setzt, welche sonst nur mit der distributiven Einheit beschäftigt sind.“ (KrV, A 644/ B 672).

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Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft

der Idee eines Mechanismus die chemischen Wirkungen der Materien unter einander zu erklären. Denn, wiewohl man sich nicht wirklich so ausdruckt, so ist doch ein solcher Einfluss der Vernunft auf die Einteilungen der Naturforscher sehr leicht zu entdecken. (KrV, A 646/ B 674)

Die Vernunft als das Vermögen, „das Besondere aus dem Allgemeinen abzuleiten“ (KrV, A 646/ B 674) hat zwei mögliche Gebrauchsweisen, entweder eine apodiktische oder eine hypothetische. Im ersten Fall ist das Allgemeine an sich gewiss und gegeben, woraufhin das Besondere notwendig unter dieser allgemeinen Regel bestimmt wird und nicht weiter geprüft werden muss. Beim hypothetischen Gebrauch wird das Allgemeine der Regel hingegen nur problematisch als eine bloße Idee angenommen, das Besondere aber ist gewiss. Um ihre Geltung beweisen zu können, muss die Regel in verschiedenen besonderen Fälle geprüft werden. Solange die Regel der Wirklichkeit nicht widerspricht, wird sie als Hypothese zur Erforschung der Natur angenommen. Demzufolge spielt der hypothetische Gebrauch der Vernunft keine konstitutive Rolle, sondern nur eine regulative und versucht, soweit es geht, „Einheit in die besonderen Erkenntnisse zu bringen und die Regel dadurch der Allgemeinheit zu nähern“ (KrV, A 647/ B 675). Einer der interessantesten Punkte bzgl. der Notwendigkeit von systematischer Einheit ist, dass es ohne sie keine Vernunft gäbe, so Kant: Denn das Gesetz der Vernunft, sie [die systematische Einheit; ergänzt von P. Ó. A.] zu suchen, ist notwendig, weil wir ohne dasselbe gar keine Vernunft, ohne diese aber keinen zusammenhängenden Verstandesgebrauch, und in dessen Ermangelung kein zureichendes Merkmal empirischer Wahrheit haben würden, und wir also in Ansehung des letzteren die systematische Einheit der Natur durchaus als objektivgültig und notwendig voraussetzen müssen. (KrV, A 651/ B 679)

In derselben Stoßrichtung behauptet Kant folgendes bezüglich des Verstandes: Wäre unter den Erscheinungen, die sich uns darbieten, so große Verschiedenheit […] der Mannigfaltigkeit existierender Wesen […], so würde das logische Gesetz der Gattung ganz und gar nicht stattfinden, und es würde selbst kein Begriff von Gattung oder irgend ein allgemeiner Begriff, ja sogar kein Verstand stattfinden. (KrV, A 654/ B 682)

Neben dem Prinzip der Gleichartigkeit (Gattung) stehen das Prinzip der Verschiedenheit und das der Affinität als notwendige heuristische Grundsätze der Vernunft. Demzufolge sind diese die drei Prinzipien der Vernunft, welche die Arbeit des Verstandes in der Erkenntnis der Natur verrichten, nämlich: die Grundsätze der Homogenität (Gleichartigkeit), Spezifikation (Variation) und der Kontinuität (Affinität).

1 Der theoretische Gebrauch der Vernunft

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Die Grundsätze der reinen Vernunft haben einen indirekten Gebrauch in Bezug auf den Gegenstand der Erfahrung. Jedoch haben sie objektive Realität, aber nicht um etwas an den Gegenständen der Erfahrung zu bestimmen, „sondern nur um das Verfahren anzuzeigen, nach welchem der empirische und bestimmte Erfahrungsgebrauch des Verstandes mit sich selbst durchgängig zusammenstimmend werden kann“ (KrV, A 666/ B 694). Kant benennt alle subjektiven Grundsätze, die nicht von der Beschaffenheit des Gegenstands hergenommen sind, sondern von den Interessen der Vernunft einer möglichen Vollkommenheit seiner Erkenntnis nach, als Maximen der Vernunft. Wenn regulative Grundsätze als konstitutiv angenommen werden, können sie als objektive Prinzipien einen Widerstreit verursachen. Aber wenn man sie als Maxime betrachtet, ergeben sie keinen echten Widerstreit, „sondern bloß ein verschiedenes Interesse der Vernunft, welches die Trennung der Denkungsart verursacht“ (KrV, A 666/ B 694). Was für eine Trennung der „Denkungsart“ ist damit gemeint? Ist damit gemeint, dass die Vernunft denkt, dass sie einerseits die Natur, die äußere und die innere, unabhängig von empirischer Evidenz bestimmen kann, andererseits, dass sie sie nur mit Evidenz bestimmen kann? Ist dabei eine Art absoluter Idealismus versus eines empirischen Realismus gemeint? Oder ist das verschiedene Interesse der Vernunft schlicht und ergreifend ihr praktischer und theoretischer Gebrauch? Die letzten drei Fragen können bejaht werden. Paradoxerweise folgt dann diese Stelle in der KrV: „In der Tat hat die Vernunft nur ein einziges Interesse und der Streit ihrer Maximen ist nur eine Verschiedenheit und wechselseitige Einschränkung der Methoden, diesem Interesse eine Genüge zu tun.“ (KrV, A 666/ B 694). Also hat sie doch nur ein Interesse. Was ist dieses tatsächlich einzige Interesse der Vernunft? Ihr Streben nach dem Unbedingten, nach dem Übersinnlichen, ist ihr einziges Interesse, was in theoretischem und praktischem Gebrauch eine andere Ausformung hat. Solange die Grundsätze der Vernunft nicht als konstitutiv betrachtet werden, können sie laut Kant bei der Systematisierung der Natur nur helfen und keine Art wahren Widerstreit erzeugen. Ohne diese Grundsätze gibt es keine Möglichkeit, die Natur als eine einheitliche (konsistente) Totalität einzusehen. Infolgedessen müssen diese Prinzipien als notwendige Maximen angenommen werden, um ein System der Natur überhaupt zu konzipieren. Aber nicht nur diese Prinzipien benötigt die Systematisierung der Natur, sondern auch die Idee „einer obersten Intelligenz, die nach weisen Absichten Urheber“ (KrV, A 697/ B 725) der Welt sei: „Auf solche Weise aber k ö n n e n wir doch (wird man fortfahren zu fragen) einen einigen weisen und allgewaltigen Welturheber annehmen? O h n e a l l e n Z w e i f e l ; und nicht allein dies, sondern wir m ü s s e n einen solchen voraussetzen.“ (KrV, A 697/B 725). Eine transzendente Idee, was Kant „transzendentales Ideal“ nennt, von einer weisen und obersten Intelligenz als Welturheber muss

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vorausgesetzt werden, damit wir in der Welt nach einheitlicher Ordnung, somit Beständigkeit der empirischen Gesetze, suchen können. Wäre alles chaotisch in der Welt, gäbe es keinen Kosmos derselben.²⁰ Dieses Ideal der Vernunft, welches aus hypothetischen Gründen von der Vernunft im theoretischen Bereich verlangt werden darf, wird eine andere Gestalt im praktischen Bereich gewinnen, dennoch denselben Platz des Zwecks der Vernunft bewahren. Zum Schluss bringe ich einige Aspekte der jetzigen Exposition hinsichtlich meiner Arbeitshypothese in Zusammenhang. Die Idee der Totalität ist die Einheit des (mannigfaltigen) Unendlichen. Diese Einheit hängt von der Voraussetzung einer obersten Intelligenz als Welturheber ab. Sie bilden gemeinsam die theoretische Gestalt der regulativ-legitimierten Idee des Übersinnlichen (Unbedingten). Von der Idee der Unendlichkeit der Natur gibt es keine mögliche Anschauung und sie lässt sich nur als Einheit bzw. Totalität vorstellen. Alle Glieder der phänomenischen Reihe werden zu einer einheitlichen Totalität gebracht; diese Vorstellung gilt auch als focus imaginarius für den Verstandesgebrauch. Die Idee der Totalität aller Erscheinungen der Welt sowie das transzendentale Ideal sind nichtdarstellbare Anschauungen, jedoch mittelbare Vorstellungen, welche das theoretische Streben der Vernunft in ihrer Suche nach der unbedingten Bedingung aller Bedingungen befriedigt, d. i. die Idee des mathematischen Unendlichen (quantitativ).²¹ Diese Bewegung der Vernunft zeigt sich im theoretischen Bereich durch diskursive Vorstellungsverkettung (vom Bedingten ins Unbedingte) auf eine mittelbare Weise, auf eine unmittelbare Weise zeigt sie sich hingegen im ästhetischen Bereich durch ein Gefühl: Durch das Gefühl des mathematischen Erhabenen. Kant behauptet, wie in Kapitel III behandelt wurde, dass unser Gemüt angesichts unangemessener Erscheinungen, welche übergroß sind, zum Denken des Unendlichen gebracht wird. Nach anfänglicher Unzweckmäßigkeit seitens der Sinnlichkeit wird die Vernunft ästhetisch wachgerufen: Nun aber hört das Gemüt in sich auf die Stimme der Vernunft, welche zu allen gegebenen Größen, selbst denen, die zwar niemals ganz aufgefaßt werden können, gleichwohl aber (in der sinnlichen Vorstellung) als ganz gegeben beurteilt werden, Totalität fordert, mithin Zusammenfassung in eine Anschauung und für alle jene Glieder einer fortschreitend wachsenden Zahlreihe Darstellung verlangt und selbst das Unendliche (Raum und verflossene Zeit) von dieser Forderung nicht ausnimmt, vielmehr es unvermeidlich macht, sich dasselbe

 Wenn wir an den Ursprung des Wortes „Kosmos“ zurückdenken, war die Bedeutung von κόσμος (auf altgriechisch) nicht nur „Welt“, sondern auch „Ordnung“.  Quantitatives (mathematisches) Unendliches (KrV, B 455) im Gegensatz zum qualitativen (realen) Unendlichen (KpV AA 05: 101).

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(in dem Urteile der gemeinen Vernunft) als ganz (seiner Totalität nach) gegeben zu denken. (KU, AA 05: 254; Herv. von P. Ó. A.)

Die Aktualisierung des Unendlichen in uns als gegebenes Unendliches, was an sich niemals gegeben ist und nur als Kontinuum verstanden werden kann, ist die Forderung von Totalität seitens der Vernunft als Einheit der Unendlichkeit, betrachtet im mathematischen Erhabenen. Diese Forderung zeigt dasselbe Muster des Vernunftverfahrens, das wir in ihrem theoretischen Gebrauch sahen. In der ästhetischen Beurteilung des mathematischen Erhabenen wiederholt sich jene Forderung von Totalität. Im Fall des mathematischen Erhabenen richtet sich die Vernunft auf die Komprehension eines in der Anschauung gegebenen Objekts. Zu diesem hat sie aber keinen direkten Zugang und sie kann nur durch Negation des Verstandes aufgrund des Scheiterns der Zusammensetzung seitens der Einbildungskraft zu ihm gelangen. Die Vernunft bietet ein Maß an, welches größer als das Maß der Sinnlichkeit ist. Das unermessliche Objekt wird vom Verstand aufgrund der Formlosigkeit nicht ästhetisch reflektierend-verstanden, sondern von der Vernunft ästhetisch reflektierend-begriffen. Natürlich bedeutet hier „reflektierend-begreifen“ und „reflektierend-verstehen“ nur die Handlung dieser Vermögen in der ästhetischen Reflexion, weil die Vernunft per se begreift und der Verstand per se versteht.²² Beide Vermögen vermitteln einen unbestimmten Begriff in der reinen ästhetischen Beurteilung, der Verstand für das Schöne und die Vernunft für das Erhabene (siehe Kapitel III). Demzufolge verleihen diese Begriffe dem Objekt nichts Konstitutives, d. i. keine Erkenntnis des Objekts wird dabei generiert, sondern nur Auskunft des Gemütszustands des Subjekts in Bezug auf jenes Objekt gegeben. Anders ausgedrückt, das theoretische Streben (der Zweck) der Vernunft wird beim mathematischen Erhabenen gespürt. In Form eines Gefühls offenbart sich die Gestalt des theoretischen Übersinnlichen. Vom Übersinnlichen wissen wir nichts, außer dass die Vernunft nach ihm verlangt. Was gespürt wird, ist somit das Verlangen der Vernunft nach dem Übersinnlichen, d.i. das Übersinnliche in uns. Wie bekannt, enthält die Vernunft nicht nur ein theoretisches Interesse, sondern auch ein praktisches. Der folgende Abschnitt ist dem praktischen Gebrauch der Vernunft und seinem Zusammenhang mit dem dynamischen Erhabenen gewidmet.

 „Vernunftbegriffe dienen zum Begreifen, wie Verstandesbegriffe zum Verstehen (der Wahrnehmung).“ (KrV, A 311/ B 368).

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2 Der praktische Gebrauch der Vernunft In dieser Sektion wird der praktische Gebrauch der Vernunft angesichts der Vernunftideen und des Gefühls der Achtung für das System der Moral behandelt. Dabei wird nach den Spuren des Erhabenen in der zweiten Kritik gesucht und seine teleologische Resonanz gezeigt.

a Der konstitutive Gebrauch der Vernunftideen in der Kritik der praktischen Vernunft Der eingeschränkte regulative Status der Ideen der Vernunft in ihrem theoretischen Gebrauch wird in ihrem praktischen Gebrauch erweitert. Hier sind die Ideen der Vernunft nicht bloß Regeln oder Maximen zur Organisierung der Erkenntnisse der Natur, sondern praktische Gesetze, allgemein und notwendig, zum moralischen Handeln.²³ Bereits in der KrV spricht Kant den praktischen Ideen trotz ihres Status als bloße Ideen und ihrer nicht absoluten Realisierbarkeit, Wirklichkeit zu: Demnach ist die praktische Idee jederzeit höchst fruchtbar und in Ansehung der wirklichen Handlung unumgänglich notwendig. In ihr hat die reine Vernunft sogar Kausalität, das wirklich hervorzubringen, was ihr Begriff enthält. (KrV, A 328/ B 385)

In der Kritik der praktischen Vernunft gewinnt die Vernunft eine neue Gestalt, wo sie die legitime Gesetzgeberin für die Moral ist.²⁴ Die Kausalität des Sollens und nicht die Kausalität des Seins ist das Thema der Moralität.

 „Hier [im praktischen Gebrauch der Vernunft] werden sie [die Ideen: Freiheit, Unsterblichkeit und Gott] immanent und konstitutiv, indem sie Gründe der Möglichkeit sind, das notwendige Objekt der reinen praktischen Vernunft (das höchste Gut) wirklich zu machen, da sie, ohne dies, transzendent und bloß regulative Prinzipien der spekulativen Vernunft sind, die ihr nicht ein neues Objekt über die Erfahrung hinaus anzunehmen, sondern nur ihren Gebrauch in der Erfahrung der Vollständigkeit zu näheren, auferlegen.“ (KpV, AA 05: 135; Ergänzungen von P. Ó. A).  Nicht nur in der Kritik der praktischen Vernunft, sondern auch in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und in der Metaphysik der Sitten, spielt die Vernunft die Hauptrolle bei der Gesetzgebung der Moral.

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b Freiheit und Achtung Das notwendige und allgemeingültige Gesetz der praktischen Vernunft ist die Freiheit: Freiheit und unbedingtes praktisches Gesetz weisen also wechselweise auf einander zurück. […] [D]enn Erfahrung gibt uns nur das Gesetz der Erscheinungen, mithin den Mechanism der Natur, das gerade Widerspiel der Freiheit, zu erkennen. (KpV, AA 05: 29)

Freiheit ist das Bestimmungsprinzip der Sittlichkeit, d.i. ein Prinzip, welches als Ursache von moralischen Handlungen gilt. Sie bildet eine „intellektuelle Kausalität“ (KrV, AA 05: 73), die komplett anders als die mechanische ist, welche die Reihe der Erscheinungen steuert. Freiheit ist als Mechanismus insofern anders, als dass sie keine äußere Instanz als sich selbst benötigt, um die Ursache einer Handlung zu sein. Sie ist praktisch-spontan und die Natur (weder in uns noch außer uns) gibt kein Maß, von welchem wir die Freiheit ableiten oder entnehmen können. Sie stellt sich bloß als Faktum des Sittengesetzes im Bewusstsein dar; ein Faktum, welches sich in seiner Tätigkeit zeigt, nicht als Ereignis oder Objekt, sondern als Spontaneität. Sie ist somit keine Erscheinung: Also ist es das moralische Gesetz, dessen wir uns unmittelbar bewusst werden (sobald wir uns Maximen des Willens entwerfen), welches sich uns zuerst darbietet, und, indem die Vernunft jenes als einen durch keine sinnliche Bedingungen zu überwiegenden, ja davon gänzlich unabhängigen Bestimmungsgrund darstellt, gerade auf den Begriff der Freiheit führt. (KpV, AA 05: 29 f.; Herv. von P. Ó. A.)

Freiheit bestimmt moralisches Handeln. Ein Handeln gilt, negativ betrachtet, als moralisch-frei, sobald es unabhängig von Interessen, Instinkten, Appetiten und Neigungen determiniert ist. Es gilt, positiv betrachtet, als moralisch-frei, insofern es autonom ist und das Sittengesetz als Objekt hat.²⁵ M. a. W., damit eine Hand-

 Nicht nur in der KpV erscheinen diese Äußerungen zu einem freien Handeln aus einer negativen (Unabhängigkeit) und einer positiven (Autonomie) Bestimmung der Freiheit. Baum zeigt z. B., dass diese beiden Perspektiven der Freiheit bereits in der ersten Kritik und in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten vorhanden sind: „Was hier also als sich ‚unter der Idee der Freiheit‘ im Sinne der ‚Unabhängigkeit von stimmenden Ursachen der Sinnenwelt‘ denken genannt wird, ist gar nichts anderes als das, was in der Kritik der psychologische Begriff der Freiheit der Willkür (liberum arbitrium) hieß. Da aber dieser Begriff von Freiheit, wie gezeigt, nicht den negativen Begriff der Unabhängigkeit enthält, sondern auch den des Selbstanfangs, der aber innerhalb der Sinnenwelt als Natur unmöglich war, so kommt positive Freiheit der Willkür, wenn überhaupt, nur als intelligibler Ursache zu, oder, wie es jetzt heißt, ihr als Teil der Verstandeswelt. Der Übergang zur positiven Freiheit der Willkür als intelligibler Ursache war schon in der Kritik durch das

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lung als moralisch bezeichnet werden kann, muss der Wille vom oberen (von der praktischen Vernunft) und nicht vom unteren Begehrungsvermögen (von der Sinnlichkeit) unmittelbar bestimmt werden. Das Wesentliche alles sittlichen Werts der Handlungen kommt darauf an, daß das moralische Gesetz unmittelbar den Willen bestimme. Geschieht die Willensbestimmung zwar gemäß dem moralischen Gesetze, aber nur vermittelst eines Gefühls, welcher Art es auch sei, […] nicht um des Gesetzes willen: so wird die Handlung zwar Legalität aber nicht Moralität enthalten. (KpV, AA 05: 72)

Dennoch ist es wenigstens kurios, über Unmittelbarkeit des Gesetzes zu reden. Denn wie kann sich ein Gesetz unmittelbar zeigen? Ein praktisches Gesetz ist ein Imperativ (Urteil), eine mittelbare Vorstellung in Form eines Sollens oder NichtSollens. Um sich unmittelbar zu zeigen, fehlt dem Gesetz etwas, was keine zusätzliche mittelbare Vorstellung benötigen soll. Aber was kann es sein, wenn es unabhängig von aller Sinnlichkeit (Affekte oder Neigung – als negatives Gefühl von Kant verstanden) sein soll, wobei sinnliche Vorstellungen diejenigen sind, welche sich unmittelbar zeigen? Kein Affekt und kein zusätzliches Urteil darf es sein. Welche Alternative haben wir noch? Kant präsentiert dafür ein Gefühl – aber ein positives, nicht der Sinnlichkeit entnommenes, sondern ein notwendiges und apriorisches. Welches Gefühl kann uns erlauben, von Unmittelbarkeit des Gesetzes zu reden? „Die unmittelbare Bestimmung des Willens durchs Gesetz und das Bewußtsein derselben heißt Achtung, so daß diese als Wirkung des Gesetzes aufs Subjekt und nicht als Ursache desselben angesehen wird.“ (GMS, AA 04: 401). Ohne das Gefühl der Achtung könnte sich das praktische Gesetz dem endlichen Vernunftwesen als Triebfeder des Willens nicht unmittelbar geben.²⁶

Bewußtsein vermittelt, daß eine Handlung durch mich nicht geschehen sei, die habe geschehen sollen. Und so heißt es jetzt in der Grundlegung: ‚wenn wir als frei denken, so versetzen wir uns als Glieder in die Verstandeswelt und erkennen [!] die Autonomie des Willens [. . .], denken wir uns aber als verpflichtet, so trachten wir uns als zur Sinnenwelt und doch zugleich zur Verstandeswelt gehörig‘ (IV 453). 453). Wobei zu beachten ist, daß wir uns jeweils als positiv frei bzw. als verpflichtet ‚denken‘, was bedeutet, daß Autonomie und Verpflichtung unseres Willens durch sittliche Gesetze nur Implikationen des jeweiligen Begriffes sind, den wir von uns haben.“ (Baum 2008, S. 51).  „Kants These lautet bekanntlich, daß die Wirkung des Gesetzes auf das menschliche Begehrungsvermögen im Gefühl der Achtung besteht und daß die Achtung fürs Gesetz die einzige wahrhaft sittliche Triebfeder der Willensbestimmung ist. Das Verständnis dieser These hängt entscheidend davon ab, daß man versteht, ‚auf welche Art‘ das moralische Gesetz Triebfeder wird.“ (König 1994, S. 198). Ich pflichte Königs Position darin bei, dass die Achtung letztlich eine intellektuelle und sinnliche Komponente beinhaltet. Diese Mischung bringt uns dazu, die Achtung als das wahre Vernunftgefühl zu bezeichnen. Denn obwohl das Erhabene die Struktur der

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Achtung wird ebenfalls als negative Lust charakterisiert.²⁷ Achtung für das Gesetz ist ein Gefühl, „welches durch einen intellektuellen Grund gewirkt wird, und dieses Gefühl ist das einzige, welches wir völlig a priori erkennen, und dessen Notwendigkeit wir einsehen können“ (KpV, AA 05: 73). Achtung wäre in diesem Kontext die beste Kandidatin für das oben genannte Vernunftgefühl – nicht das Erhabene. Die praktische Vernunft gibt dem Menschen das Sittengesetz, welches unmittelbar durch Pflicht geachtet werden kann und soll. Dessen Grundgesetz lautet folgendermaßen: „Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“ (KpV, AA 05: 30). Das Sittengesetz zu achten, d. i. sich Maximen zu bilden, die ihm korrespondieren und dementsprechend handeln, macht die Ausübung eines freien Willens aus. Diese Übereinstimmung der Maxime mit dem Gesetz ist, objektiv gesehen, eine Forderung des Begriffes der Pflicht an die Handlung und, subjektiv gesehen, Achtung fürs Gesetz, so Kant: Der Begriff der Pflicht fordert also an der Handlung, objektiv, Übereinstimmung mit dem Gesetze, an der Maxime derselben aber, subjektiv, Achtung fürs Gesetz, als die alleinige Bestimmungsart des Willens durch dasselbe. (KpV, AA 05: 81)

Zudem wird deutlich, dass der einzige moralische Bestimmungsgrund (die Triebfeder) die Achtung für das Gesetz ist. Alle Willenshandlungen haben ein Objekt.Wenn wir „Bestimmungsgrund“ und „Objekt des Willens“ gleichsetzen, ist die Achtung fürs Gesetz das Objekt des freien und nicht pathologisch affizierten Willens. Nichtsdestoweniger sagt Kant in der Dialektik der KpV, dass „das höchste

Vernunft reflektierend zeigt, darf es keine intellektuelle Bestimmung bei seiner Artikulierung haben, sonst ginge seine Urteilsreinheit verloren, was bei der Achtung jedoch nicht geschieht und sogar erforderlich ist: „Beide Aspekte – daß die Achtung fürs Gesetz sich auf der einen Seite durch eine intellektuelle Komponente (= Aufmerksamkeit auf den objektiven Grund der Willensbestimmung), auf der anderen Seite durch eine emotionale Komponente (= Empfindung der Bestimmbarkeit des Willens durch die Vernunft selbst) auszeichnet – scheinen sich verbinden zu lassen, wenn man die Achtung im Kern als ein Wohlgefallen an der Zweckmäßigkeit des menschlichen Willens für eine Bestimmung durch objektive Gründe (und letztlich durch einen reinen Willen) interpretiert.“ (König 1994, S. 202).  Achtung wird in der KU in ihrer Verwandtschaft mit dem Erhabenen implizit als negatives Wohlgefallen bezeichnet: „[D]as Wohlgefallen am Erhabenen [enthält| nicht sowohl positive Lust als vielmehr Bewunderung oder Achtung […], d. i. negative Lust.“ (KU, AA 05: 245). Aber auch in der KpV lässt sich diese Deutung wiederfinden, insofern das Gefühl der Achtung fürs Gesetz mit Demütigung gleichgesetzt wird: „[S]o ist die Wirkung dieses Gesetzes aufs Gefühl bloß Demütigung, welche wir also zwar a priori einsehen, aber an ihr nicht die Kraft des reinen praktischen Gesetzes als Triebfeder, sondern nur den Widerstand gegen Triebfedern der Sinnlichkeit erkennen können.“ (KpV, AA 05: 78 f.).

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Gut das ganze Objekt der reinen praktischen Vernunft“ sei (KpV, AA 05: 119). Daraus ergibt sich ein kontroverser Punkt, nämlich, dass, jenseits der Perspektive des endlichen Vernunftwesens und der formalen Bedingungen der Sittlichkeit, Achtung für das Sittengesetz, objektiv-materiell betrachtet, Achtung für das höchste Gut sei: Das moralische Gesetz ist nämlich für den Willen eines allervollkommensten Wesens ein Gesetz der Heiligkeit, für den Willen jedes endlichen vernünftigen Wesens aber ein Gesetz der Pflicht, der moralischen Nötigung und der Bestimmung der Handlungen desselben durch Achtung für dies Gesetz […]. Ein anderes subjektives Prinzip muss zur Triebfeder nicht angenommen werden. (KpV, AA 05: 82)

Auf der formalen subjektiven Ebene bleibt die Achtung für das Gesetz als die einzige mögliche moralische Triebfeder. Da wir als endliche Vernunftwesen meistens pathologisch handeln und keinen heiligen Willen besitzen, müssen unsere Handlungen, damit sie moralisch betrachtet werden können, zuerst von allem materialen Inhalt abstrahiert werden. Das Ergebnis dieser Absonderung ist die Bestimmung des reinen guten Willens: das Sittengesetz. Da wir jedoch sinnlich sind, muss das Gesetz durch ein Gefühl vermittelt werden, damit es in uns wirkt: die Achtung. Nun aber ist die Theorie noch nicht vollständig, es fehlt noch eine Garantie der Realisierbarkeit der Moral, nicht aus der subjektiven, sondern objektiven Perspektive. Davor muss noch geklärt werden, woher dieses praktische Interesse der Vernunft kommt. Worauf stützt es sich? Das moralische Gesetz ist heilig (unverletzlich). Der Mensch ist zwar unheilig genug, aber die Menschheit in seiner Person muß ihm heilig sein. In der ganzen Schöpfung kann alles, was man will, und worüber man etwas vermag, auch bloß als Mittel gebraucht werden; nur der Mensch, und mit ihm jedes vernünftige Geschöpf, ist Zweck an sich selbst. (KpV, AA 05: 87; Herv. von P. Ó. A.)

Die Idee der Menschheit in uns, was Kant als Persönlichkeit versteht, sei das Heiligste in uns. Das Interesse der praktischen Vernunft basiert auf dieser Idee. Die Idee der Menschheit ist dieselbe Gegenkraft in Opposition zur Naturkraft beim dynamischen Erhabenen. Von dieser Grundlage aus lässt sich der Weg zur Idee des höchstens Guts erblicken. Die Idee des höchsten Guts spielt eine wichtige Rolle für die Konkretisierung des kantischen Systems der Moral. Durch dieses Ideal werden zwei andere Ideen vorausgesetzt. Die Idee Gottes und der Unsterblichkeit der Seele müssen Kant zufolge für die Vollendung des Systems postuliert werden. Das ist Thema des folgenden Abschnitts.

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c System der Moral Wie Kant in der Erkenntnistheorie das Modell einer Dualität im Subjekt entwirft, wobei zwei verschiedenartige Grundvermögen, Sinnlichkeit und Verstand, die Möglichkeit der Erkenntnis der Natur garantieren, genauso verfährt er für das Modell der Theorie der Moral. Jedoch erstreckt sich dieses Modell in der KpV viel weiter, sodass das Subjekt jenseits des Besitzes ungleichartiger Vermögen zu zwei Welten gehöre (KpV, AA 05: 87). Die Frage, ob dies metaphorisch oder ontisch gemeint ist, wird in der Literatur zu Kants Philosophie in einer unendlichen Reihe von Schriften erörtert. Der Erwartungshorizont dieser Arbeit beschränkt sich hingegen auf das von Kant präsentierte Problem der Kluft der Gesetzgebungen. Die Affizierung des Willens des Subjekts bleibt, wie gesagt, zweistämmig: sinnlich-gesteuert strebt es nach Glückseligkeit und intellektuell-geleitet nach der Moral. Sein Wille kann entweder vom unteren oder vom oberen Begehrungsvermögen bestimmt werden. Das Subjekt kann heteronom oder autonom handeln. Heteronomie mag sogar der Weg der Legalität sein, aber nicht der Weg der Moralität, dorthin gibt es nur einen Pfad: Selbstgesetzgebung. Für Kant gehört alles, was mit dem unterem Begehrungsvermögen zu tun hat, zu unserem tierischen Teil. Tiere sind Lebewesen. „Leben“ heißt für Kant, nach Vorstellungen (Gesetzen) des Begehrungsvermögens zu handeln.²⁸ Dies ist unsere Gemeinsamkeit mit den Tieren, aber nicht unsere Eigentümlichkeit. Das Selbst des Menschen ist seine Vernunft: seine Persönlichkeit. Diese unterscheidet ihn von allen anderen Wesen; lebendigen, organisierten oder mechanischen. Sich selbst Gesetze zu geben, heißt nichts anderes als auf die eigene Erhabenheit der Vernunft zu hören: Pflicht! Du erhabener großer Name […], wo findet man die Wurzel deiner edlen Abkunft, welche alle Verwandtschaft mit Neigungen stolz ausschlägt, und von welcher Wurzel abzustammen die unnachlaßliche Bedingung desjenigen Werts ist, den sich Menschen allein selbst geben können? […] Es ist nichts anderes als die Persönlichkeit, d. i. die Freiheit und Unabhängigkeit von dem Mechanism der ganzen Natur […] [. D]ie Person also, als zur Sinnenwelt gehörig, [ist] ihrer eigenen Persönlichkeit unterworfen […], so fern sie zugleich zur intelligibelen Welt gehört.“ (KpV, AA 05: 86 f.; Herv. P. Ó. A.)

Die Persönlichkeit, die Vernunft ist aber kein privates Vermögen, sondern ein universelles. Wir teilen die Vernunft mit allen anderen Menschen. Die Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit der Prinzipien der Vernunft sowie ihre Erha-

 „Begehrungsvermögen ist das Vermögen durch seine Vorstellungen Ursache der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein. Das Vermögen eines Wesens, seinen Vorstellungen gemäß zu handeln, heißt das Leben.“ (MS, AA 06: 211). Vgl. mit der Fußnote in (KpV AA 05: 9 f.).

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benheit können nur im Rahmen einer menschlichen Intersubjektivität, sowohl in Bezug auf die Erkenntnis als auch in Bezug auf die Moral, verstanden werden. Diese Achtung erweckende Idee der Persönlichkeit, welche uns die Erhabenheit unserer Natur (ihrer Bestimmung nach) vor Augen stellt, indem sie uns zugleich den Mangel der Angemessenheit unseres Verhaltens in Ansehung derselben bemerken lässt, […] ist selbst der gemeinsten Menschenvernunft natürlich und leicht bemerklich. […] So ist die echte Triebfeder der reinen praktischen Vernunft beschaffen; sie ist keine andere, als das reine moralische Gesetz selber, so fern es uns die Erhabenheit unserer eigenen übersinnlichen Existenz spüren lässt. (KpV, AA 05: 87 f.; Herv. von P. Ó. A.)

Die hier gemeinte Erhabenheit unserer Natur und die Erhabenheit unserer übersinnlichen Existenz beruhen auf demselben: dem Besitz unserer Vernunft als freie Gesetzgeberin. Diese Erhabenheit ist dynamisch, weil sie zunächst durch eine Verknüpfung des Unbedingten mit dem Bedingten verstanden werden soll. Diese ungleichartige Verknüpfung macht die Freiheit aus. Am Ende der Analytik der KpV deklariert Kant, dass alles, was gedacht werden soll, durch Kategorien konzipiert werden muss, weil ohne diese nichts gedacht werden kann: „Nun sind alle Kategorien in zwei Klassen, die mathematische, welche bloß auf die Einheit der Synthesis in der Vorstellung der Objekte, und die dynamische, welche auf die in der Vorstellung der Existenz der Objekte gehen, eingeteilt.“ (KpV, AA 05: 104). Die dynamische Idee der Freiheit entsteht aus der dynamischen Kategorie der Kausalität. In ihr ist der Grundsatz der Sittlichkeit zu finden: Also ist jene unbedingte Kausalität und das Vermögen derselben, die Freiheit, mit dieser aber ein Wesen (ich selber), welches zur Sinnenwelt gehört, doch zugleich als zur intelligiblen gehörig nicht bloß unbestimmt und problematisch gedacht (welches schon die spekulative Vernunft als tunlich ausmitteln konnte), sondern sogar in Ansehung des Gesetzes ihrer Kausalität bestimmt und assertorisch erkannt und so uns die Wirklichkeit der intelligiblen Welt, und zwar in praktischer Rücksicht bestimmt, gegeben worden, und diese Bestimmung, die in theoretischer Absicht transzendent (überschwänglich) sein würde, ist in praktischer immanent. (KpV, AA 05: 105)

Dabei betont Kant die Relevanz der Freiheit in seinem moralischen System, da wir nur durch ihre Vermittlung zur zweiten dynamischen Idee (eines notwenigen Wesens außer uns) über die Sinnenwelt hinauskommen könnten, was ohne Vermittlung bloß transzendent wäre. Denn die Freiheit, soweit sie in uns ist, ist die einzige Idee, die es gestattet, „dass wir nicht außer uns hinausgehen dürfen, um das Unbedingte und Intelligible zu dem Bedingten und Sinnlichen zu finden.“ (KpV, AA 05: 105). M. a. W., wir wären nicht frei, hätten wir keine Idee des Unbedingten. Denn es könne nur das Praktische dasjenige sein, „welches uns über

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die Sinnenwelt hinaushilft und Erkenntnisse von einer übersinnlichen Ordnung und Verknüpfung verschaffe, die aber eben darum freilich nur so weit, als es gerade für die reine praktische Absicht nötig ist, ausgedehnt werden können“ (KpV, AA 05: 106). In diesem Kontext ist die Lehre des höchsten Gutes zu verorten. Sie nimmt einen wichtigen Platz in Kants System der Moral ein, weil sie die Realisierungsmöglichkeit einer moralischen Welt darstellt. Das höchste Gut ist eine andere Form für das Unbedingte und wird in der Dialektik der KpV als Vereinigungsinstanz von Glückseligkeit und Sittlichkeit betrachtet. Kant sagt: „die reine Vernunft hat jeder Zeit ihre Dialektik“ (KpV, AA 05: 107) und ihr Verlangen nach „absolute[r] Totalität der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten“ (KpV, AA 05: 107), „was [im Praktischen] auf Neigung und Naturbedürfnis beruht“ (KrV, AA 05: 108), „kann nur in Dingen an sich selbst angetroffen werden“ (KpV, AA 05: 107). Diese „unbedingte Totalität des Gegenstandes der reinen praktischen Vernunft [ist] unter dem Namen des höchsten Guts“ (KrV, AA 05: 108) zu verstehen. Der Begriff des Höchsten beinhaltet aber eine Zweideutigkeit: Das Höchste kann das Oberste (supremum) oder auch das Vollendete (consummatum) bedeuten. Das erstere ist diejenige Bedingung, die selbst unbedingt, d. i. keiner anderen untergeordnet ist (originarium); das zweite, dasjenige Ganze, das kein Teil eines noch größeren Ganzen von derselben Art ist (perfectissimum). (KpV, AA 05: 110)

Was sollen das oberste Gut und das perfekte Gut aus der Perspektive eines endlichen Wesens bedeuten? Laut Kant ist die Tugend „als Würdigkeit glücklich zu sein“ (KpV, AA 05: 110) das oberste Gut, was aber nur durch eine Verbindung mit der allgemeinen Glückseligkeit, nicht parteiisch, vervollständigt werden kann. Die Verbindung von beiden Aspekten in der Idee des höchsten Gutes stellt eine Antinomie im Menschen dar. Beide Aspekte sind nicht identisch und können nicht durch eine analytische Verbindung, wie es die Epikureer und Stoiker Kant zufolge versuchten, vereinigt werden. Diese Einheit kann nur durch eine ungleichartige synthetische Verbindung (Verknüpfung = dynamische Synthese) generiert werden. Das heißt, um diese Antinomie aufzulösen, müssen zuerst phänomenische und noumenische Aspekte (das Bedingte und das Unbedingte) voneinander unterschieden werden, was in der Analytik der KpV bereits geschieht, und in der Dialektik werden sie wieder verknüpft.²⁹ Cohen (1910) betrachtet die Einfügung der Idee des höchsten Gutes und somit die Dialektik der KpV in seiner ethischen Abhandlung, Kants Begründung der Ethik nebst ihren Anwendungen auf Recht,  „Die Möglichkeit dieser Verbindung aber beruht auf dem dynamischen Verhältnis zwischen sinnlicher Erscheinung und übersinnlicher Bedingung.“ (Cohen 1910, S. 358 f.).

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Religion und Geschichte, als unnötig und „schlüpfrig“ (Cohen 1910, S. 348). Denn in der Analytik sei das Objekt des Willens als das Sittengesetz definiert worden und nun gewinne diese reine praktische Form des Willens eine Materie, indem das Höchste Gut das Objekt des Sittengesetzes sei. Dabei liefen Phantasie und Heteronomie der Glückseligkeit hinterher und diese Idee wirke letzten Endes gegen den Formalismus des Gesetzes und das Prinzip der Persönlichkeit.³⁰ Für Kant hingegen ist diese Idee notwendig, a priori und ebnet den Weg zu den Postulaten der reinen praktischen Vernunft.³¹ In der Idee des höchsten Gutes befindet sich die dynamische Verknüpfung von Glückwürdigkeit und Glückseligkeit (KpV, AA 05: 113). In der Sekundärliteratur zur Lehre und Funktion des höchstens Gutes ergibt sich eine Diskussion über die Deutung dieses Theoriestücks in Kants Moralphilosophie.³² Zobrist berichtet darüber folgendermaßen: Einerseits wird die Lehre vom höchsten Gut in einer der Motivationstheorie der Vorlesungen vor 1784 ähnlichen Weise in Beziehung zur Motivationsfrage gesetzt, wodurch dieses Lehrstück unweigerlich dem Eudämonismus-Vorwurf ausgesetzt ist, der daher auch eine lange Tradition innerhalb der Rezeptionsgeschichte besitzt. Auf der anderen Seite wird die systematische Funktion des höchsten Gutes im Rückgriff auf die Suche der reinen Vernunft nach der unbedingten Totalität bestimmt, die auf Seiten der theoretischen Vernunft durch die drei Ideen der speziellen Metaphysik („Gott, Freiheit und Unsterblichkeit“) näher bezeichnet werden kann. Doch – so wird nun besonders hervorgehoben – strebt auch die praktische Vernunft, sofern auch sie reine Vernunft ist, nach ihrem ‚Unbedingten‘, und zwar unter dem Namen des höchsten Gutes als dem ganzen Gegenstand der reinen praktischen Vernunft. (Zobrist 2008, S. 285 f.)

 „Für eine ‚ruchlose Denkart‘; wie Schopenhauer den Optimismus eines Leibniz zu nennen wagt, hat Kant denselben freilich nicht gehalten. Aber als eine Frage der Ethik hat er denselben auch nicht zugelassen. Und für eine methodische Frage der theoretischen Philosophie ebensowenig. Daher befinden wir uns auch von dieser Seite aus betrachtet im Einklang mit Kants Grundrichtung, wenn wir die ganze Erörterung über das höchste Gut, soweit dieselbe nicht in der Darstellung der ethischen Realität enthalten ist, aus dem Bezirke der Ethik ausschliessen. Was jenes Objekt als Ideal bedeutet, hat sich nach seiner ganzen Fülle im formalen Sittengesetze entfaltet; was es als Idee besagt, leistet nicht grössere Genauigkeit, als unser ethisches Kriterium, das Prinzip der Persönlichkeit zu leisten vermag. Was dagegen als Darstellung augenscheinlich machen will, das schwächt nur unser ethisches Interesse ab, indem es dem Endzweck noch ein Ende anhängt.“ (Cohen 1910, S. 353).  Zimmerman behauptet in dieselbe Richtung gehend, dass „die Postulate der Seele und Gottes erst über den Begriff des höchsten Gutes vermittelt ins Spiel kommen (dem zufolge das Maß meiner gelebten Tugend ein ihr proportioniertes Maß an Glückseligkeit bewirkt). Entscheidend ist einzig dies, dass aus dem Faktum des Sittlichen, als welches der kategorische Imperativ sich mir zu wissen gibt, unwiderstehlich folgen soll, dass ich an die Unsterblichkeit meiner Seele, die Freiheit meines Willens sowie das Dasein Gottes glauben muss.“ (Zimmerman 2016, S. 137).  Für Details dieser Diskussion siehe Zobrist (2008).

2 Der praktische Gebrauch der Vernunft

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Ich schließe mich dieser systematischen Interpretation der Funktion der Lehre des höchsten Gutes in Kants kritischer Philosophie an. Die Motivationsfrage lässt sich in der KpV durch das Gefühl der Achtung (Pflicht gegenüber dem Gesetz) lösen, wo „das moralische Gesetz […] der alleinige Bestimmungsgrund des reinen Willens [ist]“ (KpV, AA 05: 109). Demzufolge, wie Zobrist Albrecht (1978) referiert (Zobrist 2008, S. 290),³³ geht es bei diesem um zwei verschiedene Probleme. Die Frage nach dem Bestimmungsgrund („was soll ich tun?“) beantworte bereits die Analytik, „während die ‚Dialektik‘ allein nach der unbedingten Totalität des Gegenstandes der reinen praktischen Vernunft frage, ohne diesen zum Bestimmungsgrund zu machen“ (Zobrist 2008, S. 290). Die systematische Pointe ist außerdem mit der Lehre des Primats der praktischen Vernunft versöhnbar und diese ermöglicht die Argumentation für die Idee einer ursprünglichen einheitlichen teleologischen Vernunft im Subjekt. Die dynamische Verknüpfung von Bedingung (nötig) und Bedingtem (zufällig) im höchsten Gut bildet zwar die Auflösung der Antinomie der praktischen reinen Vernunft, aber sie gibt keine Garantie in der Sinnenwelt, wo die Realisierung des moralisch Bedingten (Glückseligkeit) als Folge der Bedingung (Tugend) nur eine proportionale Erwartung angesichts des Maßes der letzteren bildet. Dennoch erlaubt sie uns, uns als Mitglieder einer Verstandeswelt zu betrachten: „In dieser Unterordnung allein ist das höchste Gut das ganze Objekt der reinen praktischen Vernunft, die es sich notwendig als möglich vorstellen muß“ (KpV, AA 05: 119). Warum? „[W]eil es ein Gebot derselben [praktischer Vernunft] ist, zu dessen Hervorbringung alles Mögliche beizutragen“ (KpV, AA 05: 119). In der KpV muss das höchste Gut wenigstens als Ideal möglich sein, dessen Wirklichkeit keine große Rolle für unsere Willensbestimmung in der sinnlichen Welt spielt.³⁴

 Laut Zobrist (2008) Paraphrase von Albrecht (Albrecht 1978, S. 57 f.).  Ich muss betonen, dass die Realisierbarkeit des höchsten Gutes so wie die der Idee Gottes und der Unsterblichkeit der Seele in der Sinnenwelt in der KpV m. E. keine große Rolle spielt und ihre Möglichkeit sich zur übersinnlichen Welt verschiebt. Ein wenig anders drückt sich Kant in einem zwei Jahre früheren Text aus, Was heißt: Sich im Denken orientieren? (1786): „Weit wichtiger ist das Bedürfniß der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauche, weil es unbedingt ist, und wir die Existenz Gottes voraus zu setzen nicht bloß alsdann genöthigt werden, wenn wir urtheilen wollen, sondern weil wir urtheilen müssen. Denn der reine praktische Gebrauch der Vernunft besteht in der Vorschrift der moralischen Gesetze. Sie führen aber alle auf die Idee des höchsten Gutes, was in der Welt möglich ist, so fern es allein durch Freiheit möglich ist: die Sittlichkeit; von der anderen Seite auch auf das, was nicht bloß auf menschliche Freiheit, sondern auch auf die Natur ankommt, nämlich auf die größte Glückseligkeit, so fern sie in Proportion der ersten ausgetheilt ist. Nun bedarf die Vernunft, ein solches abhängiges höchste Gut und zum Behuf desselben eine oberste Intelligenz als höchstes unabhängiges Gut anzunehmen: zwar nicht um davon das verbindende Ansehen der moralischen Gesetze, oder die Triebfeder zu ihrer Beobachtung abzuleiten

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Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft

Es ist der Endzweck der Menschheit, ein angestrebtes Ziel, dessen Erreichung eine Möglichkeit in der übersinnlichen Natur hat. Diese Möglichkeit besteht durch das Postulieren der zwei anderen dynamischen Ideen, der Unsterblichkeit der Seele und eines notwendigen sowie gerechten und schöpferischen Vernunftwesens (Gott). Die dynamische Verknüpfung zwischen Sittlichkeit (Heiligkeit) und wahrer Glückseligkeit (Seligkeit) ist aber nur denkbar, wenn die Willensbestimmung zuerst als abgesondert von allem Inhalt angesehen wird. Die Radikalität der Wichtigkeit des höchstens Gutes als Endziel der Moralität betrachtet, lässt sich im folgenden Zitat zeigen: „Ist also das höchste Gut nach praktischen Regeln unmöglich, so muss auch das moralische Gesetz, welches gebietet, dasselbe zu befördern, phantastisch und auf leere eingebildete Zwecke gestellt, mithin an sich falsch sein.“ (KpV, AA 05: 114).

3 Die Systematik der Vernunft: Eine Teleologische Einheit Zwei wichtige Anmerkungen sind diesem Abschnitt voranzustellen. Die erste ist, dass ich die Annahme einer teleologischen Einheit der Vernunft bei Kant vertrete, insofern ich zeigen kann, dass eine teleologische Bewegung derselben sowohl in ihrem praktischen als auch in ihrem theoretischen Gebrauch geschieht. Die zweite Anmerkung ist, dass ein weiter Teil dieses ganzen dritten Abschnitts des Kapitels IV bereits in Teleologische Reflexion in Kants Philosophie (2019) veröffentlicht wurde.

a Probleme innerhalb und außerhalb der Trennung der Gesetzgebungen Wie in Kapitel I behandelt, wird Kants Philosophie im Hinblick auf ihre systematische Form aufgrund des Mangels an einer Verbindung zwischen den Begriffen der Natur (Wissenschaft) und den Begriffen der Freiheit (Moral) seit jeher von unterschiedlichen Seiten (Reinhold, Jacobi, Schopenhauer, Hegel, Fichte, Schelling, u. a.) stark kritisiert. Wie bekannt artikulierte Kant sein kritisches System der Philosophie in drei Hauptwerken. Während die erste und die zweite Kritik die Grundlage für die theoretische bzw. praktische Philosophie bilden, weist Kant (denn sie würden keinen moralischen Werth haben, wenn ihr Bewegungsgrund von etwas anderem, als von dem Gesetz allein, das für sich apodiktisch gewiß ist, abgeleitet würde); sondern nur um dem Begriffe vom höchsten Gut objective Realität zu geben, d. i. zu verhindern, daß es zusammt der ganzen Sittlichkeit nicht bloß für ein bloßes Ideal gehalten werde, wenn dasjenige nirgend existirte, dessen Idee die Moralität unzertrennlich begleitet.“ (WDO, AA 08: 139).

3 Die Systematik der Vernunft: Eine Teleologische Einheit

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der dritten Kritik die Aufgabe zu, die beiden anderen durch einen „Schlussstein“ zu vereinigen. Durch das Prinzip der Zweckmäßigkeit sollen die Naturgesetze mit den Sittengesetzen als vereinbar gedacht werden können. Die Natur, ästhetisch betrachtet und teleologisch erforscht, soll für das Subjekt der Freiheit ein Ort zur Realisierung seiner Zwecke sein, womit eine Übereinstimmung zwischen dem Sinnlichen und dem Übersinnlichen wesentlich wird, sowohl am Subjekt selbst als auch außer ihm. Andernfalls zerfiele Kants System, trotz postulierter Einheit der Vernunft, in zwei einander unversöhnliche Teile. Der Zeitpunkt, zu dem die Doktrin der Einheit der Vernunft von Kant vertreten wurde, den Kleingeld (1998, S. 312 f.) und auch Guyer (2005, S. 278 f.) als Problem der Kant-Forschung aufführen, ist m. E. nur ein illusorisches Problem: ob Kant sich mit dem Problem der Vernunfteinheit erst in seinen späteren Jahren (im Opus Postumum) beschäftigte, was Förster (1993, S. 237) behauptet,³⁵ oder ein wenig früher in der Kritik der Urteilskraft, wie Allison (1995, S. 38) und Freudiger (1996) sagen, oder schon in den ersten zwei Kritiken, wie es Neiman (1994, S. 70), Hiltscher (1987), Konhardt (1979) und Kleingeld (1998) sehen, ist am Ende irrelevant für das Problem der Einheit der Vernunft selbst. Obwohl die chronologische Betrachtung einer Idee etwas äußerst Interessantes aus allen anderen Perspektiven sein könnte, spielt sie m. E. in diesem Zusammenhang keine Rolle. Denn die Grundidee des gesamten kritischen Projekts sollte, wenn die Rede von einem System der Vernunft ist, schon in der ersten Kritik (grob) zu finden sein. Das Problem liegt eigentlich darin, wie die zwei Gesetzgebungen der Vernunft auf dem Boden ein- und derselben Erfahrung übereinstimmen können, wie es Kant selbst in der Einleitung der KU präsentiert.³⁶ Die epistemologische, aus der KrV geerbte Basis besagt, dass wir nur in der Lage sind, Erscheinungen und nicht „Dinge an sich“ zu erkennen. Unter anderem bedeutet dies, dass die Welt uns letztlich in ihrer Wesenheit verborgen bleibt. Aber solange man nur mit Erscheinungen zu tun hat, stellt diese Trennung für Kant (nicht hingegen für den Skeptiker) dank der Ergebnisse der Doktrin des tran-

 Jedenfalls ist zu beachten: „Das Opus postumum ist die Dokumentation von 17 Jahren kontinuierlicher philosophischer Arbeit Kants, beginnend nach dem 2. Dezember 1786, endend an der Jahreswende 1803/1804 – Kants philosophisches Tagebuch.“ (Tuschling 2001, S. 128).  Es gibt Autoren wie etwa Clewis, die behaupten, dass dieses ein bloß erfundenes Problem von Kant sei: „What is meant by this problem – which Kant himself created and addressed – will be explained below.“ (Clewis 2015, S. 149), was Clewis dann aber nicht erläutert. Wie ich in Kapitel I gezeigt habe, geht dieses Problem auf Reinhold zurück.

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Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft

szendentalen Idealismus und der transzendentalen Deduktion der Kategorien kein Problem dar.³⁷ Nun lässt sich zuerst fragen, inwiefern es trotz der Einschränkung unserer Kenntnis der Natur auf unsere Erkenntniskräfte möglich ist, in einer Natur zurechtzukommen, welche uns teils gegeben und teils konzipiert ist. M. a. W: Was gibt uns die Sicherheit anzunehmen, dass die Natur eine erkennbare Einheit ist? Vorläufig kann gesagt werden, dass die Begründung einer erkennbaren Natur mathematisch und dynamisch gesehen eine Sache ist, teleologisch gesehen aber eine andere.³⁸ Die KrV beschäftigt sich mit der Erkenntnis überhaupt, d. h., mit der Frage, wie man Erkenntnis von der Natur erlangen kann. Der Verstand scheint mit den Werkzeugen der KrV zur Erkenntnis die Objekte der Natur im Prinzip nur als eine mathematische Einheit konstitutiv bestimmen zu können. Die Natur wird erst als eine dynamische Einheit angesehen, wenn die Existenz ihrer Objekte in Betracht gezogen wird.³⁹ Wie in Kapitel II behandelt, bilden die dynamischen Grundsätze in der Doktrin der Urteilskraft der ersten Kritik im Unterschied zu den mathematischen keine apodiktischen Grundsätze des reinen Verstandes für die Objekte der Natur (KrV, A 161/ B 200). Trotz ihrer „mittelbaren“ Notwendigkeit für die Auffassung einer einheitlichen, gesetzmäßigen Erfahrung gelten die dynamischen Grundsätze nicht als konstitutive, sondern nur als regulative Grundsätze für die Anschauung (KrV, A 180/ B 223). Weil die Existenz etwas Positionelles ist und immer gegeben werden muss, ist Kant kein transzendentaler, sondern ein empirischer Realist.⁴⁰ Dies lässt jedoch das Problem der Einheit der Natur offen.

 Siehe in Torreti: „La filosofía crítica de Kant se funda en la doctrina de la idealidad trascendental del espacio y del tiempo y en la deducción o justificación de la validez objetiva del uso de las categorías. En la presentación de ambas Kant recurre al distingo entre la cosa en sí y el fenómeno, entre los entes tal y como existen en sí mismos, independientemente del ejercicio de nuestra facultad de conocer, y los entes tal y como se muestran en el contexto de la experiencia construida en ese ejercicio.“ (Torreti 2005, S. 657)  Es ist zu beachten, dass weder die Bezeichnung „mathematisch“ auf die Mathematik noch die Bezeichnung „dynamisch“ auf die Dynamik der Physik, sondern auf die Einteilung „mathematisch-dynamisch“ der Kategorien und Grundsätze des reinen Verstandes zurückzuführen sind.  Ich bediene mich nun der Unterscheidung zwischen Welt als mathematisches Ganzes und Natur als dynamisches Ganzes aus dem System der kosmologischen Ideen. (KrV A 418 – 420/ B 446 – 448).  „Hätten wir diese Analogien dogmatisch, d. i. aus Begriffen, beweisen wollen […], so wäre alle Bemühung gänzlich vergeblich gewesen. Denn man kann von einem Gegenstande und dessen Dasein auf das Dasein des Andern, oder seine Art zu existieren, durch bloße Begriffe dieser Dinge gar nicht kommen, man mag dieselben zergliedern, wie man wolle.“ (KrV, A 217/ B 264).

3 Die Systematik der Vernunft: Eine Teleologische Einheit

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Als teleologisch wird die Vernunft im Zusammenhang mit der Natur erst angesehen, wenn die letztere nicht nur aus mechanischer Sicht betrachtet wird, sondern, wenn sie im Zusammenspiel mit der (moralischen) Freiheit und mit ihrer tatsächlichen organischen Beschaffenheit betrachtet wird. Die KrV verlangt von den Prinzipien, die in der Natur herrschen, allgemeine Notwendigkeit. Demzufolge gibt es in ersterer scheinbar keinen Raum für das Zufällige, solange das Bedingte im Dasein (Materielles) von der „formalen“ Natur abgesondert wird.⁴¹ Das Zufällige tritt zwar in der zweiten Kritik auf, aber mit voller Relevanz erst in der KU. ⁴² Das Faktum der Freiheit besagt unter anderem, dass der Mensch dazu fähig ist, die empirische Reihe der Ereignisse zu modifizieren. Das mag zunächst heißen, dass die allgemeine Notwendigkeit nur auf einen Teil der Natur zutrifft, aber nicht auf das Ganze. Das öffnet den Weg für zwei zusätzliche Komplikationen; die eine aus der Perspektive des erkennenden Subjekts, und die andere aus der des moralischen Subjekts. Zum einen muss man sich fragen, wie es dann möglich ist, dass die Welt stabil bleibt und die gewonnene Erkenntnis in die Zukunft projizierbar ist. Zum anderen muss man sich fragen, wie es möglich ist, dass das Subjekt sowohl frei handeln als auch seine Zwecke in der Welt realisieren kann. Diese zwei Fragen sind existenziell, da sie sich mit dem lebendigen Subjekt befassen, d. i. mit der Anwendung und Verwirklichung der Prinzipien und wie dies alles in einem wechselseitigen Zusammenhang zwischen dem Subjekt und der Welt, Spontaneität und Gegebenheit bestehen kann. Mechanische Kausalität und freie Kausalität scheinen zwei Arten von Gesetzgebung für zwei verschiedene Welten zu sein und eine kompatible Interaktion von beiden legislativen Instanzen verlangt noch nach einem Beweis.Von dieser Perspektive ausgehend gehe ich nun auf das Problem der Verbindung der beiden Gebiete ein.

b Die Vermittlungsrolle der Urteilskraft Nun möchte ich rekapitulieren und vervollständigen, was in Kapitel III über die Urteilskraft bereits gesagt wurde. Laut der KrV ist die Aufgabe der Urteilskraft, das Besondere unter das Allgemeine zu subsumieren (KrV, A 133/ B 172). Als transzendentale Urteilskraft ist sie das Vermögen des Subjektes, das den gegebenen  „Das Bedingte im Dasein überhaupt heißt zufällig, und das Unbedingte notwendig. Die unbedingte Notwendigkeit der Erscheinungen kann Naturnotwendigkeit heißen.“ (KrV, A 419/ B 447).  Diese Unterscheidung beruht auf der von natura formaliter spectata und natur materialiter spectata.

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Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft

allgemeinen Begriff einem besonderen Fall möglicher Anwendung zuordnet. Kant führt in der dritten Kritik eine neue Einteilung der Urteilskraft an, die in den zwei vorherigen Kritiken nicht zu finden ist: (1) die bestimmende und (2) die reflektierende Urteilskraft. Die bestimmende Urteilskraft konstituiert Erkenntnis mittels gegebener Gesetze, die ihr entweder vom Verstand im theoretischen Bereich oder von der Vernunft im praktischen Bereich zur Subsumption angeboten werden. In diesem Fall geht sie heteronom vor (KU, AA 05: 179). Dagegen geht die reflektierende Urteilskraft autonom, oder besser gesagt „heautonom“, vor, weil sie sich selbst das Gesetz (ihr apriorisches Prinzip) zur Subsumption gibt. Dieses Prinzip der reflektierenden Urteilskraft ist die Zweckmäßigkeit. Sie bestimmt keine Objekte oder Handlungen auf konstitutive, sondern nur auf regulative Weise und betrifft die Natur in ihrer empirischen Mannigfaltigkeit. Die reflektierende Urteilskraft kann mit ihrem Prinzip der Zweckmäßigkeit ästhetisch oder teleologisch verfahren:⁴³ „Daß der Begriff einer Zweckmäßigkeit der Natur zu den transzendentalen Prinzipien gehöre, kann man aus den Maximen der Urteilskraft, die der Naturforschung der Natur a priori zum Grunde gelegt werden […] hinreichend ersehen.“ (KU, AA 05: 83). Die Maximen der Urteilskraft für die Erforschung der Natur in ihrer Zufälligkeit sind: lex parsimoniae, lex continui in natura und principia praeter necessitatem non sunt multiplicanda. Dazu sagt Kant, dass die objektive (aber regulative) Notwendigkeit dieser Maximen darin liegt, „denn sie sagen nicht, was geschieht […] und wie geurteilt wird, sondern wie geurteilt werden soll“ (KU, AA 05: 185; Herv. von P. Ó. A.), damit die empirischen Gesetze der Natur ein System ausmachen können und so „aus gegebenen Wahrnehmungen einer allenfalls unendlichen

 Es ist merkwürdig, dass eine der wichtigsten – wenn nicht die wichtigste in den letzten Jahren – der kantischen Teleologie gewidmeten Monografien, nämlich: The Teleology of Reason von Fugate, (2014), die Kritik der Urteilskraft (obwohl nicht das ganze Buch, sondern nur das Schöne und „das Leben“) in einem bloßen Exkurs (S. 337– 359) am Ende eines Kapitels behandelt. Dieser Mangel an Emphase in Bezug auf die dritte Kritik bei der Behandlung der Teleologie zeigt zumindest, dass, obwohl die Idee der Teleologie für Fugate eine erweiterte, nicht nur für die Kritik der Urteilskraft relevante Konzeption innerhalb Kants Philosophie darstellt (mit welcher Auffassung ich völlig übereinstimme), das Gesagte in der Teleologischen Urteilskraft nicht besonders neu oder wesentlich ist, um die kritische Teleologie-Auffassung Kants für sein System zu begreifen (dem folge ich nicht). Dagegen sprechen Guyer (2005, S. 316 – 342) und Freudiger (1996, S. 423 – 435), von letzterem wird die Kritik der teleologischen Urteilskraft sogar als „die vierte Kritik“ in Kants System bezeichnet. Er behauptet, dass die Einheit der Vernunft „erstens in der Methodenlehre der vierten Kritik zu finden ist“, wo Kant „zweitens darauf abzielt zu zeigen, daß Natur als auf denselben Endzweck hin geschaffen aufgefaßt werden muß, auf den hin Handlungen geboten sind und daß er drittens durchaus gelingt.“ (Freudiger 1996, S. 423).

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Mannigfaltigkeit empirischer Gesetze enthaltenden Natur eine zusammenhängende Erfahrung […] machen“ (KU, AA 05: 185). [S]o muss die Urteilskraft, die in Ansehung der Dinge unter möglichen (noch zu entdeckenden) empirischen Gesetzen bloß reflektierend ist, die Natur in Ansehung der letzteren nach einem Prinzip der Zweckmäßigkeit für unser Erkenntnisvermögen denken, welches dann in obigen Maximen der Urteilskraft ausgedrückt wird. (KU, AA 05: 184)

Das Prinzip der Zweckmäßigkeit wird auch in zwei Arten eingeteilt: formell und materiell. Gleichermaßen wird die formale Zweckmäßigkeit zweigeteilt in eine objektive und eine subjektive. Tonelli bewies in seinem Text Von den verschiedenen Bedeutungen des Wortes Zweckmäßigkeit in der Kritik der Urteilskraft (1958), wie vielfältig und mehrdeutig der Begriff der Zweckmäßigkeit innerhalb der dritten Kritik ist. Gleichzeitig zeigt er in seiner Forschung, dass man schnell in Schwierigkeiten gerät, sobald man mit der Einteilung „objektive“ und „subjektive“ Zweckmäßigkeit anfängt. Deshalb gehe ich von der Trennung „formell“ und „materiell“ aus und die Bezeichnungen „objektiv“ und „subjektiv“ nutze ich nur bei textimmanenten Problemen. Wenn die formale Zweckmäßigkeit im Zusammenhang mit dem Gefühl der Lust und Unlust steht, betrifft sie das Gefühl des Schönen und das des Erhabenen und ist somit subjektiv. Diese Beziehung macht die ästhetische Urteilskraft aus. Die teleologische Urteilskraft korrespondiert u. a. mit dem Prinzip der materiellen Zweckmäßigkeit. Diese ist objektiv und wird auch in zwei Arten unterteilt: eine äußere und eine innere. Die äußere Zweckmäßigkeit wird in Bezug auf die Nützlichkeit eines Gegenstandes für etwas anderes definiert. Beispielsweise ist das Wasser oder die Beschaffenheit der Flüsse für die Ansiedlung menschlichen Lebens (oder des Lebens überhaupt) nötig. Aber das Wasser enthält „für sich selbst“ keine zusätzliche Funktion. Hingegen wird die innere Zweckmäßigkeit durch den Vorzug der selbsttätigen Bildungskraft gegenüber den mechanischen Kräften definiert. Solche Eigenschaften besitzen die organischen Wesen, welche Kant als „Naturzwecke“ bezeichnet. Vom Prinzip der Bildungskraft werden wiederum drei weitere abgeleitet: die Fortpflanzung der Gattung, die Selbstbildung des Individuums und die Selbsterhaltung seiner Teile. Die Organismen scheinen die Besonderheit zu haben, dass sich in ihnen Ganzes und Teile gemeinschaftlich und wechselseitig bestimmen. Somit ist ihr Zusammenstehen die Bedingung der Möglichkeit ihrer eigenen Beständigkeit. Diese Wesensart entspricht in sich einer „artikulierend-kollektiven“ oder kurz „teleologischen“ Einheit. Die Frage ist, ob dieses Prinzip der Zweckmäßigkeit auch zur Einheit der theoretischen und praktischen Vernunft beitragen kann.

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Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft

Dieser transzendentale Begriff einer Zweckmäßigkeit der Natur ist nun weder ein Naturbegriff, noch ein Freiheitsbegriff, weil er gar nichts dem Objekt (der Natur) beilegt, sondern nur die einzige Art, wie wir in der Reflexion über die Gegenstände der Natur in Absicht auf eine durchgängig zusammenhängende Erfahrung verfahren müssen, vorstellt, folglich ein subjektives Prinzip (Maxime) der Urteilskraft. (KU, AA 05: 184)

Wie diese Passage zeigt, sollte die Unabhängigkeit von den Gesetzgebungen der Freiheit und der Natur ein wichtiges Kriterium der Eigentümlichkeit des Prinzips der Zweckmäßigkeit sein. Aber in §75 der KU behauptet Kant, dass der Begriff einer objektiven Zweckmäßigkeit der Natur ein kritisches Prinzip der Vernunft für die reflektierende Urteilskraft darstellt. Dies würde bedeuten, dass es nicht mehr um ein „heautonomes“ Prinzip der Urteilskraft geht, wie Kant in beiden Einleitungen zur KU anführte, sondern dass es sich bei der reflektierenden Beurteilung der empirisch organisierten Natur um ein Auferlegen seitens der Vernunft handelt. Sollte es so sein, dann ergäben sich mehrere Probleme bezüglich des Status der reflektierenden Urteilskraft als Bestandteil der oberen Vermögen des Gemüts und der Erklärung der Entstehung einer Antinomie der teleologischen Urteilskraft. Denn laut §69 ist es eine ihrer wesentlichen Voraussetzungen, autonom zu sein, und nicht durch ein aus dem konstitutiven Gebrauch des Verstandes oder der Vernunft gegebenes Prinzip zu urteilen.⁴⁴ Wenn nicht in diese Richtung gedacht werden soll, dann bedeutet die „Heautonomie“ des Prinzips der Zweckmäßigkeit etwas anderes und hängt nicht von der „Autonomie des Prinzips“ ab. Zugleich könnte diese Schwierigkeit eine Lösung für das Problem der Einheit darstellen.⁴⁵ Wie ist dies zu verstehen? Gehört das Prinzip der Zweckmäßigkeit eigentlich zur Vernunft und gar nicht zur reflektierenden Urteilskraft?

 Laut dem, was Kant in §69 sagt, würde ein Streit zwischen zwei verschiedenen Gesetzgebungen in der bestimmenden Urteilskraft keine eigentliche Antinomie darstellen. Denn die Prinzipien dieser Gesetzgebungen stammen nicht von ihr in ihrer autonomen Tätigkeit ab, sondern das Gegenteil ist der Fall: Jene sind dank dem Einfluss eines anderen Vermögens erreicht, sei es dem der Vernunft in ihrem praktischen Gebrauch oder dem des Verstandes in seinem spekulativen Gebrauch in Hinsicht auf eine mögliche Erkenntnis. Da sie nicht nomothetisch ist, kann sie mit sich selbst nicht „in Uneinigkeit (wenigstens den Prinzipien nach) geraten.“ (KU, AA 05: 385).  Nicht nur bei der Lösung des Problems der Einheit der Vernunft könnte diese Schwierigkeit helfen, sondern auch bei der Bestimmung des Status der formalen Zweckmäßigkeit als das echte (und einzige) Prinzip a priori der reflektierenden Urteilskraft. Sollten wir diese Perspektive einnehmen, dann gäbe es keine wirkliche Antinomie der teleologischen Urteilskraft und sie würde auf den bloßen Schein einer solchen reduziert.

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c Einheit und System der Vernunft als Philosophie Sollte die Vernunft überhaupt eine Einheit bilden, wären ihre Gesetzgebungen nicht widersprüchlich. Der Gewinn einer einheitlichen Konzeption wäre die Vereinbarkeit der Gesetzgebungen. Dies entspräche der bereits im ersten Kapitel genannten, moderaten dualistischen Interpretation. Die Welt des Subjekts besteht mindestens aus zwei Elementen: Natur und Freiheit. Wenn diese zwei Teile eine Einheit ausmachen sollten, was für eine Einheit wäre das? Wenn sie eine mathematisch-distributive Einheit wäre, wo jeder Teil unabhängig vom anderen bestehen könnte und nur ein Aggregat im Ganzen ausmachte, wäre erstens anzunehmen, dass ohne einen Teil (z. B. Freiheit) der andere Teil (Natur) weiter bestehen dürfte; zweitens, dass es ein erstes homogenisierendes Prinzip gäbe, das die Teile zusammensetzte. Dies alles bezieht sich auf meine erste Annäherung an das Problem durch Reinholds Kritik oder Heideggers Wurzelthese, d.i. auf die Frage, ob die Lösung in einem oberen oder gemeinschaftlichen Prinzip liegt, woran das ganze System hängt oder wovon das ganze System abgeleitet wird. Entweder ist das System der Vernunft ein mathematisches und es gibt ein axiomatisches Prinzip, von welchem alle restlichen Prinzipien abgeleitet werden, oder eben nicht. Wenn nicht, was ist dann unter System zu verstehen? In der Disziplin der reinen Vernunft der KrV sagt Kant ausdrücklich, dass die Philosophie nicht aus Axiomen bestehen kann, da ihre Gewissheit wie in der Mathematik nicht unmittelbar per Konstruktion, sondern nur „akroamatisch“ (diskursiv) durch Begriffe bewiesen werden kann (KrV, A 732/ B 760 und A 735/ B 763). Dadurch wird die Möglichkeit, das System der Vernunft als eine distributive Einheit zu betrachten, versagt. Sollte die Vernunft doch noch eine Einheit ausmachen, müsste sodann gefragt werden, welche andere Art von Einheit in Frage käme. Eine kollektiv-artikulierende (teleologische) Einheit wäre eine andere Option. Aber bevor diese Möglichkeit im nächsten Abschnitt dieses Kapitels dargestellt wird, muss kurz auf die Notion der eigenen Philosophie Kants zurückverwiesen werden. Die Philosophie Kants ist eher eine Untersuchung der Vernunft. Dieser Genitiv (der Vernunft) muss als subjektiver und objektiver Genitiv verstanden werden. Die Vernunft selbst entfaltet sich gezielt in ihrer mannigfaltigen Ganzheit und die Erfahrung ist ihr Probierstein zur Erkenntnis der Natur, natürlich nach der Doktrin der Idealität von Raum und Zeit und der Deduktion der Kategorien, im Rahmen des von der Kritik angeführten Programms. Dazu sagt Kant: Gleichwohl kann die Methode [der Vernunft; ergänzt von P. Ó. A.] immer systematisch sein. Denn unsere Vernunft (subjektiv) ist selbst ein System, aber in ihrem reinen Gebrauche, vermittelst bloßer Begriffe, nur ein System der Nachforschung nach Grundsätzen der Einheit, zu welcher Erfahrung allein den Stoff hergeben kann. (KrV, A 738/ B 766)

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Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft

Darauf bezugnehmend lässt sich fragen, ob die Vernunft von sich selbst Erkenntnis haben kann oder, anders ausgedrückt, ob die von der Kritik hervorgebrachte Leistung bzgl. der Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis der Natur nicht die Erkenntnis von der Vernunft selbst sei. Allen Erkenntnissen wird Wahrheit zugeschrieben, sonst sind sie keine Erkenntnisse.⁴⁶ Wenn Wahrheit also durch die Übereinstimmung von einem Begriff und seinem Objekt definiert wird, dann muss gefragt werden, welches das passende Objekt zu diesem Begriff sein soll. Wenn die Vernunft das Objekt ist, was ist dann ihr Begriff? Ist es doch die Kritik? Eine Zwischenlösung wäre, die Kritik nicht als Erkenntnis der Vernunft zu betrachten, sondern als eine bloße Rechtfertigung unserer Erkenntnisarten. Das ist eine der gängigen Interpretationen in der Kant-Literatur.⁴⁷ Trotzdem bleibt offen, ob die Kritiken dem System der Philosophie entsprechen oder nicht. Kant behauptet an mehreren Stellen in den drei Kritiken, dass sie nicht dem System der Philosophie, sondern einer Propädeutik zur Doktrin des Systems der Philosophie entsprechen.⁴⁸ Aber in einer auf den 7. August 1799 datierten, öffentlichen Erklärung in Beziehung auf Fichtes Wissenschaftslehre behauptet Kant das Gegenteil: Hierbey muß ich noch bemerken, daß die Anmaßung, mir die Absicht unterzuschieben: ich habe bloß eine Proprädevtik zur Transscendental Philosophie, nicht das System dieser Philosophie selbst, liefern wollen, mir unbegreiflich ist. Es hat mir eine solche Absicht nie in Gedanken kommen können, da ich selbst das vollendete Ganze der reinen Philosophie in der Crit. der r. V. für das beste Merkmal der Wahrheit derselben gepriesen habe […S]o erkläre ich hiermit nochmals, daß die Critik allerdings nach dem Buchstaben zu verstehen, und bloß aus dem Standpunkte des gemeinen nur zu solchen abstracten Untersuchungen hinlänglich cultivirten Verstandes zu betrachten ist. (Br, AA 12: 370)

Nach dieser Feststellung gegen die „Anmaßung“ zur Vollendung der kritischen Philosophie seitens Fichte sagt Kant, es sei besser, sich vor denen zu hüten, die meinen, Freunde der kritischen Philosophie zu sein, und fährt wie folgt fort:

 Zur Wahrheitsdefinition in der ersten Kritik: KrV, A 58/ B 82; A 158/ B 197; A 191/ B 236; A 237/B 296; A 643/ B 671; A 820/ B 848.  König argumentiert gegen die übliche Richtung: „Kant definiert die Philosophie als den Inbegriff aller Vernunfterkenntnis aus Begriffen und betont gleichzeitig, dass die reine Vernunft in der Philosophie nur mit sich selbst zu tun habe. Die Philosophie ist insofern eine Selbsterkenntnis der Vernunft.“ (König 2001, S. 41 f.)  „So können wir eine Wissenschaft der bloßen Beurteilung der reinen Vernunft, ihrer Quellen und Grenzen, als die Propädeutik zum System der reinen Vernunft ansehen.“ (KrV, B 25; vgl. auch KrV, A 841/ B 869; KU, AA 05: 194, u. a.).

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Aber demungeachtet muß die kritische Philosophie sich durch ihre unaufhaltbare Tendenz zu Befriedigung der Vernunft in theoretischer sowohl als moralisch praktischer Absicht überzeugt fühlen, daß ihr kein Wechsel der Meynungen, keine Nachbesserungen oder ein anders geformtes Lehrgebäude bevorstehe, sondern das System der Critik auf einer völlig gesicherten Grundlage ruhend, auf immer befestigt, und auch für alle künftige Zeitalter zu den höchsten Zwecken der Menschheit unentbehrlich sey. (Br, AA 12: 371)

In dieser öffentlichen Erklärung sagt Kant zweifellos, dass die Kritik das System der reinen (transzendentalen) Vernunft ist. Ein Vorschlag, um diesem Widerspruch zu entgehen, wäre: Wenn die Philosophie mit der alten Metaphysik gleichgesetzt wird, dann ist die Kritik keine Philosophie, sondern eine Propädeutik. Aber wenn die Philosophie die Erkenntnis der Grenzen und Tragweite der Vernunft sein soll, kann die Kritik nichts anderes als das System der Philosophie sein. Letzten Endes bleibt dieser Punkt in der Kant-Literatur umstritten. Nun lässt sich fragen, welche die Grundlage sei, worauf sich das System stützt, das „auf immer befestigt, und auch für alle künftige Zeitalter zu den höchsten Zwecken der Menschheit unentbehrlich sey.“ (Br, AA 12: 371).

d Zweite Rekapitulation Die Ausübung der Vernunft, wie sie bisher beschrieben wurde, richtet sich in ihrem theoretischen sowie in ihrem praktischen Gebrauch nach dem Unbedingten, d. h. nach dem, was über die Erscheinungsbestimmungen hinausgeht. Einerseits schreibt sie bei der theoretischen Erkenntnis die Idee einer Totalität des Systems der Natur vor, dies jedoch nur zur Regulierung der Tätigkeit des Verstandes. Andererseits etabliert sie die Lehre des höchsten Gutes zum System der Freiheit, damit die Tugend mit der Glückseligkeit als kompatibel betrachtet werden kann und auf diese Weise die Möglichkeit der Realisierung einer moralischen Welt garantiert werden kann. Diese zwei Ausübungen der Vernunft scheinen nach demselben Zweck zu streben, nämlich: eine systematische Einheit bezüglich ihrer selbst zu schaffen. Passagen, wie die folgende, zeigen bereits in der KrV diese zweckorientierte Richtung der Vernunft in ihrer Ausübung: Die Sittlichkeit an sich selbst macht ein System aus, aber nicht die Glückseligkeit, außer, sofern sie der Moralität genau angemessen ausgeteilt ist. Dieses aber ist nur möglich in der intelligiblen Welt, unter einem weisen Urheber und Regierer. (KrV, A 812/ B 840).

Dazu sagt Kant, dass dieses Wesen nötig ist, um die moralischen Gesetze als Gebote anzusehen. Durch die Lehre der Achtung in der zweiten Kritik wird dieses

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Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft

Wesen nicht mehr nötig sein, um auf das Gebot des Sittengesetzes zu hören. Dennoch bleibt seine Wichtigkeit aus der systematischen Perspektive bestehen. Die Verheißung eines künftigen Lebens und die Hoffnung darauf, der Glückseligkeit würdig zu sein, spielen in der ersten Kritik noch eine wichtige Rolle bei der „Motivation“ zu einer moralischen Handlung.⁴⁹ Dieses [Verheißung und Drohung] können sie [die moralischen Gesetze] aber auch nicht tun, wo sie nicht in einem notwendigen Wesen, als dem höchsten Gut liegen, welches eine solche zweckmäßige Einheit allein möglich machen kann. (KrV, A 812/ B 840)

In diesen Passagen der KrV ist eindeutig, dass die Idee Gottes als Garantie des höchsten Gutes verstanden wird und die Funktion einer zweckmäßigen Einheit ausübt: Ohne also einen Gott, und eine für uns jetzt nicht sichtbare, aber gehoffte Welt, sind die herrlichen Ideen der Sittlichkeit zwar Gegenstände des Beifalls und der Bewunderung, aber nicht Triebfedern des Vorsatzes und der Ausübung, weil sie nicht den ganzen Zweck, der einem jeden vernünftigen Wesen natürlich und durch eben dieselbe reine Vernunft a priori bestimmt und notwendig ist, erfüllen. (KrV, A 813/ B 841)

Die Frage ist nun, ob diese zweckmäßige Einheit namens Gott (und erhoffter unsichtbarer Welt) sich nur auf das Moralische beschränkt oder ob sie darüber hinausgeht und die Garantie für alle anderen Bereiche der Vernunft ist. Dazu sollte noch gefragt werden, ob diese Absicht der Vernunft zum Unbedingten in jeder ihrer Gebrauchsarten ausreicht, um einen Übergang zwischen den Gebieten des Sinnlichen und des Übersinnlichen zu garantieren. Die Möglichkeit eines wechselseitigen Überganges scheint es jedenfalls nicht zu geben. Zumindest gibt es keinen Grund zur Annahme, dass die Naturgesetze irgendeinen Einfluss auf die Moralgesetze hätten. Sollte ein Übergang möglich sein, dann müsste er vom Praktischen zum Theoretischen führen. Also muß es doch einen Grund der Einheit des Übersinnlichen, welches der Natur zum Grunde liegt, mit dem, was der Freiheitsbegriff praktisch enthält, geben, wovon der Begriff, wenn er gleich weder theoretisch noch praktisch zu einem Erkenntnisse desselben gelangt, mithin kein eigentümliches Gebiet hat, dennoch den Übergang von der Denkungsart nach

 Es ist zu beachten, dass die Motive des moralischen Handelns in der Kritik der praktischen Vernunft nichts mit der Verheißung eines künftigen Lebens und der Hoffnung glückselig zu sein, zu tun haben (wenn, dann nur hypothetisch und nicht kategorisch). Wie in der Behandlung des praktischen Gebrauchs der Vernunft gezeigt wurde, versucht Kant in der Analytik der KpV zu veranschaulichen, dass der Mensch aus Pflicht und durch das Gefühl der Achtung für das Sittengesetz zum Handeln motiviert worden sei.

3 Die Systematik der Vernunft: Eine Teleologische Einheit

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den Prinzipien der einen, zu der nach Prinzipien der anderen, möglich macht. (KU, AA 05: 176)

Die Aufgabe, den Grund der Einheit des Übersinnlichen innerhalb der gesamten Struktur der Erkenntniskräfte zu finden, wird von der reflektierenden Urteilskraft mittels des Prinzips der Zweckmäßigkeit der Natur geleistet. Das vorherige Zitat bezieht sich direkt auf einen intelligiblen Grund zur Verbindung zweier verschiedener Kausalitäten. In der KU wird damit an die Idee eines intuitiven Verstandes als heuristischem Prinzip appelliert, welcher, anders als unserer, vom Ganzen zum Teil und nicht vom Teil zum Ganzen verfährt.⁵⁰ Solche Vorstellung würde bei der Kompatibilität dieser zwei Gesetzgebungsarten helfen, soweit der intuitive Verstand als heuristisches Prinzip gilt und ihm keine Realität zugeschrieben wird. Alles, was in der Natur unserer Kräfte gegründet ist, muss zweckmäßig und mit dem richtigen Gebrauche derselben einstimmig sein, wenn wir nur einen gewissen Mißverstand verhüten und die eigentliche Richtung derselben ausfindig machen können. (KrV, A 643/ B 671)

Der Gebrauch der Ideen entscheidet über ihre Richtigkeit. Die Zweckmäßigkeit ist ein Kriterium zur Begründung des Charakters unserer Kräfte und scheint ein Prinzip der Vernunft zu sein. Die Vernunft hat also eigentlich nur den Verstand und dessen zweckmäßige Anstellung zum Gegenstande, und wie dieser das Mannigfaltige im Objekt durch Begriffe vereinigt, so vereinigt jene ihrerseits das Mannigfaltige der Begriffe durch Ideen, indem sie eine gewisse kollektive Einheit zum Ziele der Verstandeshandlungen setzt, welche sonst nur mit der distributiven Einheit beschäftigt sind. (KrV, A 644/ B 672)

Der hypothetische Gebrauch der theoretischen Vernunft wird durch die Annahme eines allgemeinen Prinzips (zur Systematisierung der Natur) charakterisiert, das trotz seiner nicht erkennbaren Objektivität als wahr gilt. Das Besondere kann aus

 Vgl. mit §77 der KU: „Nun können wir uns aber auch einen Verstand denken, der, weil er nicht wie der unsrige diskursiv, sondern intuitiv ist, vom Synthetisch-Allgemeinen (der Anschauung eines Ganzen, als eines solchen) zum Besondern geht, d. i. vom Ganzen zu den Teilen; der also und dessen Vorstellung des Ganzen die Zufälligkeit der Verbindung der Teile nicht in sich enthält, um eine bestimmte Form des Ganzen möglich zu machen, die unser Verstand bedarf, welcher von den Teilen, als allgemein-gedachten Gründen, zu verschiedenen darunter zu subsumierenden möglichen Formen, als Folgen, fortgehen muß. Nach der Beschaffenheit unseres Verstandes ist hingegen ein reales Ganzes der Natur nur als Wirkung der konkurrierenden bewegenden Kräfte der Teile anzusehen.“ (KU, AA 05: 407).

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Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft

dieser allgemeinen Regel geschlossen werden, sobald deutlich wird, dass das Besondere sich zu dieser Regel auf zweckmäßige Weise verhält. Erst dann lässt sich die Regel verallgemeinern. Diese Art der Anwendung der Regeln entspricht dem regulativen Gebrauch der Vernunftideen. Das Ziel dieser Anwendung ist dabei das gleiche wie das Ziel der Anwendung der Maximen der reflektierenden Urteilskraft auf die empirische Natur. Es gilt die Natur zu systematisieren. Der größte Unterschied zwischen den beiden Maximen ist die Richtung der Anwendung des Prinzips. Während die Vernunft deduktiv vorgeht, geht die Urteilskraft induktiv vor. Während die Vernunft Maximen zur Organisation des Systems der Natur vorschreibt, versucht die Urteilskraft mit diesen Maximen in der Erforschung der empirischen Natur voranzukommen. Sowohl die Vernunft als auch die Urteilskraft leiten den Verstandesgebrauch in der Erkenntnis der Natur. Beide Arten der Maximen haben zwar keinen konstitutiven, aber immerhin einen objektiven, wenn auch regulativen Status. Sie strukturieren, wie die Natur in ihrer Spezifikation erforscht und gedacht werden soll. Beide setzen die Idee eines Systems voraus, während die Idee eines Systems die Idee einer Einheit voraussetzt. Jeder Teil soll zum Ganzen beitragen, aber das Ganze als solches ist die Bedingung aller Teile. Diese Vernunfteinheit setzt jederzeit eine Idee voraus, nämlich die von der Form eines Ganzen der Erkenntnis, welches vor der bestimmten Erkenntnis der Teile vorhergeht und die Bedingungen enthält, jedem Teile seine Stelle und Verhältnis zu den übrigen a priori zu bestimmen. (KrV, A 646/ B 674)

Was die Vernunft mit den Begriffen des Verstandes als Vereinigungsprinzip macht, ist dieselbe selbstbestimmende Leistung, die sie in allen Bereichen hervorbringt. Sie setzt das Ganze voraus, sodass sie alle Teile gegenseitig a priori bestimmt und diese kein bloßes Aggregat darstellen, sondern einen Organismus bilden. Auf diese Weise formiert die Vernunft eine kollektiv-artikulierende Einheit. Breitenbach vertritt einen ähnlichen Standpunkt: Der Richtung weisende und Orientierung bietende Charakter der auf selbstbestimmte Handlung ausgerichteten Vernunft macht es auf diese Weise möglich, die Gesamtheit der verschiedenen intellektuellen Fähigkeiten nach der Analogie mit einem Organismus als eine praktisch zweckgerichtete, systematische Einheit zu verstehen. Die Einheit, nach der die Vernunft im engeren Sinne in ihren Handlungen strebt, wird so auf das Vernunftganze übertragen. (Breitenbach 2009, S. 96)

Nachdem alle Elemente aufgeführt wurden, lässt sich nun erörtern, was mit der teleologischen Einheit der Vernunft gemeint ist. Einheitlich soll die Vernunft in ihrem theoretischen und praktischen Gebrauch verstanden werden, insofern sie

3 Die Systematik der Vernunft: Eine Teleologische Einheit

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sich in beiden nach Zwecken orientiert. Aber letztendlich richtet sie sich nicht nach irgendeinem Zweck, sondern (in beiden Bereichen ihrer Gesetzgebung) nach dem Unbedingten. Dies bedeutet, dass die Vernunft in ihrer Tätigkeit teleologisch ist und ihrer Struktur nach einheitlich, insofern ihre Funktion ihre Form bestimmt. Die teleologische Einheit besagt, dass die Vernunft, indem sie das Unbedingte verlangt, gleichzeitig nach einem Zweck verlangt, der das Absolute erfüllt. Die theoretische Vernunft setzt systematische Einheit voraus. Letztere wird weder gegeben noch abgeleitet; sie ist nur eine notwendige Annahme für die Erforschung der Natur. Die Natur ist im theoretischen Gebrauch der Vernunft das Objekt, welches uns einerseits zur Auffassung eines moralischen Urhebers ihrer selbst bringt, damit sich unsere Sittenzwecke in einer mechanischen Welt realisieren können. Andererseits ist es die Natur in ihrer Tatsächlichkeit, die uns zur Auffassung eines intelligenten Urhebers ihrer selbst bringt. Dieser wiederum erlaubt es uns, die Kompatibilität zwischen mechanischen und finalen Gesetzen für die Erklärung der organisierten Wesen zu erfassen und dadurch ihre „Tauglichkeit“ für unsere Erkenntniskräfte als Naturzwecke zu erkennen. Die Systematik der Natur ist eine notwendige Annahme, um die Natur in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit als ein kohärentes Erfahrungsgefüge zu betrachten. Das höchste Gut, sei es in Form eines intuitiven Verstandes oder in Form eines objektiven Endzwecks, eines notwendigen Wesens oder einer unbedingten Bedingung, erlaubt es uns, die Idee der Übereinstimmung zwischen den Gesetzen der Natur und der Freiheit zu denken.⁵¹ Zur Erläuterung dieser Behauptung hilft das, was Euler in Bezug auf die Verbindung zwischen dem höchsten Gut und dem objektiven und subjektiven Endzweck sagt. Laut ihm zeigt Kant in der KpV, dass das moralische Gesetz dank des Endzwecks und des höchsten Guts zur Religion führe. In der Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft setze, so Euler, das höchste Gut „die Idee von einem höchsten Wesen, als dem ‚Endzweck aller Dinge‘ (der Vereinigungspunkt aller Zwecke), als Bedingung voraus [RGV, AA 06: 5]“ (Euler 2015, S. 506). Darüber hinaus betont Euler Folgendes: Aus dem göttlichen Willen geht der Endzweck der Weltschöpfung hervor, der identisch mit dem ist, was ‚der Endzweck des Menschen sein kann und soll‘ (6: 6). Er ist der Endzweck aller Dinge, in dem der subjektive Endzweck der Natur und der objektive Endzweck der Sittlichkeit vereinigt sind. (Euler 2015, S. 506)

 Vgl. mit Breitenbach: „Theoretische und praktische Vernunft bilden eine Einheit, da das Interesse der theoretischen letztlich auf das der praktischen Vernunft hinausläuft.“ (Breitenbach 2009, S. 95).

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Kapitel IV Die scheinbare Dualität der Vernunft

Was Kant also sowohl in der ersten, als auch in der zweiten und dritten Kritik leistet, ist uns zu zeigen, dass das Bedürfnis der Einheit aus unserer Vernunft selbst kommt. Dies ist die Leistung der kritischen Philosophie, Bewusstsein bezüglich einer ständigen Subreption zwischen dem Objekt (Natur) und dem Subjekt (Vernunft) zu schaffen. Aber diese systematische Einheit der Zwecke in dieser Welt der Intelligenzen, welche, obzwar, als bloße Natur, nur Sinnenwelt, als ein System der Freiheit aber intelligibele, d. i. moralische Welt (regnum gratiae) genannt werden kann, führet unausbleiblich auch auf die zweckmäßige Einheit aller Dinge, die dieses große Ganze ausmachen, nach allgemeinen Naturgesetzen, so wie die erstere nach allgemeinen und notwendigen Sittengesetzen, und vereinigt die praktische Vernunft mit der spekulativen. (KrV, A 816/ B 844; Herv. von P. Ó. A.)

In der Kant-Literatur wird die Frage nach der Systematik der Vernunft zumindest auf zwei Weisen kritisch beantwortet: Erstens, indem der selbstbestimmende Charakter der Vernunft betont wird und die theoretische Vernunft unter der praktischen Vernunft subordiniert wird – wie etwa O’Neill (1989), Hutter (2009) u. a. – und zweitens, indem ihr zweckmäßiger Charakter betont wird – etwa Henrich (1955), Dörflinger (2000), Dü sing (1968), Guyer (2005), Fugate (2014), Neiman (1994), Allison (1995), Freudiger (1996), Kleingeld (1998) u. a. Beide Emphasen korrespondieren miteinander, insofern die Vernunft in Analogie zu einem Organismus – wie Breitenbach (2009) vertritt – gedacht wird. Die teleologische Bestimmung der Struktur der Vernunft ist keineswegs eine neue Idee bzgl. des kantischen Systems, aber immerhin ist sie meines Erachtens eine zentrale Auffassung der kantischen Philosophie. In diesem Kapitel habe ich einen einfachen Weg eingeschlagen, auf dem sich bei allen hier dargestellten Problemen die zweckmäßige Struktur der Vernunft zeigt. Denn sowohl die Frage nach der Systematik der Vernunft als auch die nach der Einheit des theoretischen mit dem praktischen Gebrauch derselben tragen eine teleologische Forderung in sich. Diese Fragen verlangen nach der Bestimmung jedes einzelnen Teils eines Ganzen. Solche Bestimmung ist die Funktion eines Teils in Bezug auf das Ganze. Dies hat eine nach Zwecken orientierte Erklärungsweise zur Folge, da eine Funktion die Erfüllung eines Zwecks beinhaltet. Dieser Zweck der Vernunft ist das Übersinnliche, sei es in ihrer praktischen oder theoretischen Form. Vom Übersinnlichen (Unbedingten) wissen wir allerdings nichts, wir können es nicht bestimmen. Was wir davon wissen ist allein, dass die Vernunft nach ihm strebt. Demzufolge ist die Vernunft das Vermögen, von welchem wir wissen, dass es nach dem Unbedingten verlangt. Das Wissen von diesem Verlangen wurde bei Kant nach einer kritischen Untersuchung der Vernunft durch die Vernunft selbst vermittelt, und in derselben Untersuchung wurden auch ihre Anmaßungen identifiziert, differenziert und zu ihrem richtigen Gebrauch orga-

3 Die Systematik der Vernunft: Eine Teleologische Einheit

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nisiert. Diese Untersuchung der Vernunft wird durch ihre innere Spezifikation (Analysis ihrer Teile), Affinität (Übergang vom einen zum anderen) und Einheit (Synthese aller Teile) mit sich selbst ermöglicht. Kants Bemühungen in seiner kritischen Philosophie zielen darauf ab, uns aufmerksam zu machen auf eine gefährliche und dennoch unentbehrliche Subreption seitens der Vernunft und ihres Objekts, sogar wenn dieses Objekt die Vernunft selbst ist. Die teleologische Einheit der Vernunft scheint nichts anderes zu sein als die gleichzeitige Spezifikation, Affinität und Einheit ihrer selbst und ihres Objekts. Diese teleologische Forderung des Übersinnlichen seitens der Vernunft wird im Gefühl des Erhabenen unmittelbar spürbar. Im folgenden Kapitel behandle ich, was der paradoxale Charakter der Teleologie der Vernunft aus der Dualität des Erhabenen bedeuten soll.

Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft In diesem Kapitel vereine ich das mathematische Erhabene mit dem theoretischen Gebrauch der Vernunft und das dynamische Erhabene mit dem praktischen Gebrauch der Vernunft in teleologischer und metaphysischer Hinsicht. Ich nehme die vorher dargestellte These wieder auf, dass die Vernunft in ihrer „Dualität“ ihre einheitliche Struktur zeigt, indem sie praktisch und theoretisch teleologisch handelt. Ihr Telos ist sie selbst: das Unbedingte. Die Vernunft als Vermögen des Übersinnlichen ist dasjenige, welches uns im Erhabenen dargestellt wird. Sie ist ihr Selbstzweck: ein komplexer Zusammenhang von wechselseitigen Vermögen und ihren jeweiligen Vorstellungen. Unter diesen gibt es solche, die uns unmittelbare Gewissheit geben, nämlich: die wahrnehmbaren Vorstellungen. Das Gefühl des Erhabenen ist eine unmittelbare Vorstellung, welche uns Auskunft über die Unendlichkeit und Freiheit unserer Vernunft gibt. Das Prinzip der Zweckmäßigkeit wird als eine subjektive (ästhetische) und objektive (teleologische) Wiedererkennung verstanden. Der in der Einleitung der KU gesuchte „Grund der Einheit des Übersinnlichen“ (KU, AA 05: 176) ist die Vernunft selbst, als Vermögen des Unbedingten. Da das Urteil des Erhabenen letztendlich kein Urteil über die Natur ist, sondern über das Übersinnliche in uns, lässt sich sagen: Insofern wir vom Übersinnlichen nichts wissen können, kann es nicht zwei verschiedene Gefühle des Übersinnlichen geben – demzufolge muss das Urteil des Erhabenen ein einziges Objekt haben, welches aufgrund der endlichen Natur des Menschen zweifach erscheint. Es gibt also zwei endliche Wege für denselben Zweck: für das Unbedingte. Das Gefühl des Erhabenen ist im Grunde genommen eine ästhetische (unmittelbare) Feststellung vom Grund unserer Anlage zur Metaphysik: der Vernunft.

1 Das mathematische Erhabene und der theoretische Gebrauch der Vernunft Die Totalität der Reihe der Bedingungen des Bedingten ist das Unbedingte. Dies verlangt die Vernunft in ihrem theoretischen Gebrauch. Diese Totalität, die sich auch als Unendlichkeit verstehen lässt, ist, was sich auf eine unmittelbare Weise im Gefühl des Erhabenen mittels der Vernunft vorstellbar macht. Die Darstellbarkeit dieser Totalität steht außerhalb der Wahrnehmungsfähigkeit des Subjekts. Das Unbedingte ist in diesem Kontext als das Übersinnliche zu verstehen: https://doi.org/10.1515/9783110979916-008

1 Das mathematische Erhabene und der theoretische Gebrauch der Vernunft

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Denn das, was uns notwendig über die Grenze der Erfahrung und aller Erscheinungen hinaus zu gehen treibt, ist das Unbedingte, welches die Vernunft in den Dingen an sich selbst notwendig und mit allem Recht zu allem Bedingten, und dadurch die Reihe der Bedingungen als vollendet verlangt. (KrV, BXX)

Wie in Kapitel III gründlich behandelt wurde, steht das mathematische Erhabene in Verbindung mit dem Erkenntnisvermögen. Am Ende des ersten Abschnitts von Kapitel IV wurde die Parallelität zwischen dem theoretischen Gebrauch der Vernunft und dem mathematischen Erhabenen gezeigt: Durch die Idee der Totalität vollzieht sich die Erfahrung des Erhabenen hinsichtlich der ästhetischen Betrachtung der Naturgrößen und diese Idee ist gleichzeitig diejenige, die im theoretischen Bereich als Einheit der unendlichen Erscheinungsreihe regulativ postuliert werden muss, um ein System der Natur konzipieren zu können. Diese Idee nimmt im theoretischen (spekulativen) Bereich aber verschiedene Gestalten an. Immanent-physisch betrachtet ist die Totalität der Sinnenwelt die Sammlung aller Erscheinungen, welche aber nicht notwendigerweise miteinander verbunden sind. Transzendent-hyperphysisch betrachtet lässt sich diese Totalität als einheitlich verstehen, wenn alle Erscheinungen einen gemeinsamen Grund als Ursache aller Dinge haben.¹ Unabhängig davon, wie die Totalität der Natur oder der Welt betrachtet wird, bleibt diese immer eine nicht darstellbare Idee, die aber im mathematischen Erhabenen evoziert wird.² Sie sind andere Formen des Übersinnlichen, aber in theoretischer Perspektive. Wo das Erlangen von Erkenntnis zur Aufgabe gemacht wird, können sie keinen Anspruch auf Wissenserweiterung erheben, jedoch spielen sie eine heuristische Rolle beim Erkennen. Über das Übersinnliche spricht Kant zwar explizit nur einmal in der Vorrede zur zweiten Auflage der ersten Kritik, der Begriff wird jedoch überall impliziert als  Am Ende der transzendentalen Dialektik der KrV nennt Kant drei Ideen der spekulativen Vernunft, welche zur systematischen Einheit der Verstandeserkenntnisse beitragen. Diese gelten als Maxime oder Grundsatz. Dennoch sind sie „objektiv auf unbestimmte Art (principium vagum)“ (KrV, A 680/ B 708): „Das erste Objekt einer solchen Idee bin ich selbst, bloß als denkende Natur (Seele) betrachtet“, „von einer einfachen selbstständigen Intelligenz“ (KrV, A 682/ B 711); „Die zweite regulative Idee der bloß spekulativen Vernunft ist der Weltbegriff überhaupt. Denn Natur ist eigentlich nur das einzige gegebene Objekt, in Ansehung dessen die Vernunft regulative Prinzipien bedarf. Diese Natur ist zwiefach, entweder die denkende, oder die körperliche Natur.“ (KrV, A 684/ B 712); „Die dritte Idee der reinen Vernunft, welche eine bloß relative Supposition eines Wesens enthält, als der einigen und allgenugsamen Ursache aller kosmologischen Reihen, ist der Vernunftbegriff von Gott.“ (KrV, A 685/ B 714).  Goodreau sieht auch, dass die Wichtigkeit des Erhabenen in der Erfahrung des Übersinnlichen liegt: „[T]he importance of the aesthetic response to the sublime is that through it one feels the mind’s supersensible vocation and hence in a way experiences the supersensible itself.“ (Goodreau 1998, S. 10).

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Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft

das, was außerhalb der möglichen Erkenntnis liegt, als das Vernunftstreben, als das Ding an sich, als die noumenale oder intelligible Welt, usw.³ Nun bleibt uns immer noch übrig, nachdem der spekulativen Vernunft alles Fortkommen in diesem Felde des Übersinnlichen abgesprochen worden, zu versuchen, ob sich nicht in ihrer praktischen Erkenntnis Data finden, jenen transzendenten Vernunftbegriff des Unbedingten zu bestimmen, und auf solche Weise, dem Wunsche der Metaphysik gemäß, über die Grenze aller möglichen Erfahrung hinaus mit unserem, aber nur in praktischer Absicht möglichen Erkenntnisse a priori zu gelangen. (KrV, BXXI)

In der zweiten und dritten Kritik kommt der Terminus aufgrund der entsprechenden Thematiken häufiger vor. Allein in der Behandlung des mathematischen Erhabenen erscheint der Terminus „übersinnlich“ wörtlich sieben Mal, inhaltlich wird er aber durch die ganze Analytik dieses Gefühls impliziert. „[D]ie Erweckung des Gefühls eines übersinnlichen Vermögens in uns“ (KU, AA 05: 250) geschieht durch die „Unangemessenheit unseres Vermögens der Größenschätzung der Dinge der Sinnenwelt für diese Idee“ (KU, AA 05: 250), die Idee der absoluten Totalität, welche von der Vernunft im Gefühl des Erhabenen beansprucht wird. Denn „[e ] r h a b e n i s t , w a s a u c h n u r d e n k e n z u k ö n n e n e i n Ve r mögen des Gemüts beweist , das jeden Maßstab der Sinne ü b e r t r i f f t .“ (KU, AA 05: 250). Die von Kant in der zweiten Anmerkung zur Dialektik der ästhetischen Urteilskraft proklamierten drei Antinomien der Vernunft beruhen auf zwei Gründen: Einerseits, dass es drei Erkenntnisvermögen (Vernunft, Verstand und Urteilskraft) gibt, und andererseits, dass die Vernunft über ihre Prinzipien a priori urteilt und das Unbedingte zum Bedingten fordert, „welches sich doch nie finden läßt, wenn man das Sinnliche, als zu den Dingen an sich selbst gehörig betrachtet, und ihm nicht vielmehr, als bloßer Erscheinung, etwas Übersinnliches (das intelligible Substrat der Natur außer uns und in uns) als Sache an sich selbst unterlegt.“ (KU, AA 05: 345). Daraus ergeben sich drei Antinomien der Vernunft, die erste „in Ansehung des theoretischen Gebrauchs des Verstandes bis zum Unbedingten hinauf für das Erkenntnisvermögen“ (KU, AA 05: 345), die zweite „in Ansehung des ästhetischen Gebrauchs der Urteilskraft für das Gefühl der Lust und Unlust“ (KU, AA 05: 345) und die dritte „in Ansehung des praktischen Gebrauchs der an

 Model behauptet, dass Kant erst 1786 (in Was heißt sich im Denken zu orientieren?) anfing, den Begriff des „Übersinnlichen“ zu benutzen: „Seit der Kritik der praktischen Vernunft (1787) wird ‚übersinnlich‘ mit dem Begriff der Freiheit als einem übersinnlichen Prinzip zu einem Grundbegriff seiner Ethik (und damit seiner Philosophie überhaupt). Was die theoretische Vernunft nicht darf und was ihr nicht gelingt, das Fortschreiten zum Übersinnlichen, dazu soll sich der Mensch mit seiner praktischen Vernunft erheben.“ (Model 1986, S. 186).

1 Das mathematische Erhabene und der theoretische Gebrauch der Vernunft

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sich selbst gesetzgebenden Vernunft für das Begehrungsvermögen“ (KU, AA 05: 345).⁴ Aus diesen drei Antinomien entstehen drei kritische Ideen des Übersinnlichen: Räumt man aber unserer Deduktion wenigstens so viel ein, daß sie auf dem rechten Wege geschehe, wenn gleich noch nicht in allen Stücken hell genug gemacht sei, so zeigen sich drei Ideen: e r s t l i c h des Übersinnlichen überhaupt, ohne weitere Bestimmung, als Substrats der Natur; z w e i t e n s eben desselben, als Prinzips der subjektiven Zweckmäßigkeit der Natur für unser Erkenntnisvermögen; d r i t t e n s eben desselben, als Prinzips der Zwecke

 In der Tat behandelt Kant mehrere Antinomien, allein in der KrV sind es vier kosmologische Antinomien. Nun werden die zwei mathematischen und dynamischen Antinomien auf eine Antinomie des theoretischen Gebrauchs der Vernunft reduziert. In der KU erscheint in der Dialektik der teleologischen Urteilskraft noch eine Antinomie zwischen Mechanismus und Finalismus, welche in keinerlei Weise auf die Antinomie des Geschmacksurteils reduzierbar ist, jedoch wird sie, wie McLaughlin betont, häufig auf die dritte kosmologische Antinomie reduziert, das heißt, auf den theoretischen Gebrauch der Vernunft. Entweder hat Kant sie vergessen, was unwahrscheinlich ist, oder sie stellt keine echte Antinomie dar, was Kant auch erwähnt, oder sie ist keine Antinomie der Vernunft, wie McLaughlin argumentiert. Er löst diesen Punkt folgendermaßen auf: „Diese – siebte – Antinomie heißt die „Antinomie der Urteilskraft“ und hat kein eigenes Vermögen des Gemüts, worauf sie sich bezieht. Der Unterschied ist insofern wichtig, als wir keinen Streit der Vernunft mit sich selbst erwarten dürfen, sondern einen Streit der Urteilskraft mit sich selbst. Die Unvermeidbarkeit des dialektischen Scheins kann z. B. nicht auf die Forderung der Vernunft nach dem Unbedingten zurückgeführt werden, wie dies für die Antinomie der praktischen Vernunft und die der ästhetischen Urteilskraft behauptet wird. Es ist auch zu fragen, ob die Unterscheidung von Erscheinung und Ding an sich die Lösung der Antinomie erbringen wird. Es handelt sich bei der Antinomie der Urteilskraft um die Übertragung dieser uns inzwischen bekannten Argumentationsfigur auf einen anderen Bereich“ (McLaughlin (1989): 115). „Die Antinomie der Urteilskraft entsteht nicht bloß dadurch, daß Kant die dogmatischen Postulate seiner Vorgänger als regulative Prinzipien übernimmt, sondern dadurch, dass die regulativen Prinzipien beim Naturzweck (und nur dort) eingesetzt werden müssen“ (McLaughlin (1989): 146). Also stellt sie für ihn eine Antinomie dar, jedoch auch nicht: „Allgemein gesehen, gibt es keinen Gegensatz zwischen Mechanismus und Teleologie, genauso wenig wie es einen Gegensatz zwischen den Arbeitsmitteln eines Handwerkers und den Plänen, nach denen er sie einsetzt, gibt. In jedem Herstellungsprozess spielen ideale und reale Ursachen eine Rolle. Ein Problem kann nur dann entstehen, wenn der zu erklärende Gegenstand ein Naturprodukt sein soll. Auch wenn die Notwendigkeit der regulativen Maximen eine bloß subjektive ist, könnte die regulative Annahme, dass ein Ding mechanisch erklärbar, also ein Naturprodukt ist, in Widerstreit zu der Annahme geraten, ein Zweck sei auch Ursache des Produkts. Um diesen möglichen Widerstreit aufzulösen, führt Kant das Übersinnliche an, wodurch eine gewisse Analogie zur Auflösung der dritten Antinomie der KdrV entsteht, die eine Reihe von Kommentatoren veranlaßt hat, in der Antinomie der Urteilskraft eine bloße Wiederholung der Antinomie von Freiheit und Determinismus zu sehen“ (McLaughlin (1989): 147). Wichtig scheint mir zu sein, dass unabhängig davon, ob die Antinomie der Urteilskraft zur Vernunft gehört oder nicht, aus dieser auch eine Gestalt des Übersinnlichen entsteht, nämlich, der anschauende Verstand.

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Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft

der Freiheit und Prinzips der Übereinstimmung derselben mit jener im Sittlichen. (KU, AA 05: 346)

Die erste Idee des Übersinnlichen, „das Übersinnliche überhaupt“ als Substrat der Natur, korrespondiert mit der Unterscheidung zwischen Noumena und Phänomena der ersten Kritik, die zweite Idee des Übersinnliches impliziert eine Konkordanzbedingung zwischen unserem Geist und der Natur und referiert auf die Thematik der dritten Kritik und die letzten Idee des Übersinnlichen stellt sich als Garant für die Konkordanz zwischen den freien Absichten des Menschen und der Sittlichkeit dar, dem Thema der zweiten Kritik. ⁵ Der gemeinsame Grund aller dieser Ideen des Übersinnlichen ist die Vernunft selbst und ihre Beschäftigung mit sich selbst. Das Erhabene ist das Gefühl des Übersinnlichen, wo dieses sich im Gemüt anfühlt, weil es die Vernunft selbst ist, was sich dabei fühlen lässt. Das Erhabene ist an sich dialektisch. Aufgrund seines subreptiven Charakters, wo weder Begriff (Regel für die Kunst) noch Anschauung (Formen der Natur) als erhaben gelten, gibt es keine Deduktion des Erhabenen, weil es auch keine Dialektik desselben gibt.⁶ Denn das Erhabene stimmt mit dem Übersinnlichen selbst überein.

a Das mathematische Erhabene und die Teleologie der Natur Die Natur wird als eine einheitliche Ganzheit betrachtet. Dies ist eine Annahme für ein mögliches System der (sowohl mechanischen als auch organischen) Natur in theoretischer Hinsicht. Nicht nur aus der Perspektive der gesamten Gesetzmäßigkeit derselben, sondern auch aus der Perspektive ihrer empirischen Erforschung muss sie als einheitlich gedacht werden. Das ist eine notwendige Annahme, deren Grundlage nur auf die Struktur unseres Denkvermögens zurückzuführen ist, da diese einheitliche Totalität der Natur weder gegeben noch ableitbar ist. Es ist auch eine Annahme, die das Bedürfnis nach dem Unbedingten begründet. Das Unbedingte spielt nicht nur eine Rolle als erstrebenswertes, wenn auch unerreichbares

 Makkreel sieht es auch so: „The first may denote the noumenal reality which defies the theoretical knowlege sought by speculative metaphysics. This idea of the supersensible substrate could be identified with the absolute conditions aimed at in the cosmological regress of the Critique of Pure Reason. The third idea is related to the postulate of freedom which is claimed to be necessary for morality in the Critique of Practical Reason. It is the second idea of the supersensible, ‘as the principle of the subjective purposiveness of nature for our cognitive faculty,’ that represents the principle of reflective judgment.“ (Makkreel 1984, S. 312).  Im letzten Abschnitt von Kapitel I habe ich diesen Aspekt begründet.

1 Das mathematische Erhabene und der theoretische Gebrauch der Vernunft

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Ziel, sondern auch als Endzweck im objektiven Sinn für den subjektiven Endzweck. Das mathematische Erhabene ist in diesem Kontext nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine sinnliche Bestätigung dieses „Telosdrangs“, welcher nicht aus der Natur, sondern aus uns selbst entsteht. Die reflektierende Urteilskraft bezieht die Vorstellung des wahrgenommenen Objekts in der Beurteilung des Erhabenen nicht auf eine Zweckmäßigkeit in der Natur, sondern diese wird auf „eine a priori im Subjecte liegende Zweckmäßigkeit, zur Erregung eines Gefühls derselben, (etwa der übersinnlichen Bestimmung der Gemüthskräfte des Subjects) angewandt“ (EEKU, AA 20: 249 f.). Diese Bestätigung unseres „Telosdrangs“, die sich aufgrund des ästhetischen Scheins der Negation der „Form“ (Formlosigkeit/Unform) eines Objekts in der Natur zeigt, beruht auf einer subjektiven Zweckmäßigkeit. Diese Pointe mag paradox scheinen, denn es ist im mathematischen Erhabenen, wo die Natur für unsere Erkenntniskräfte nicht tauglich scheint; die Natur zeigt sich dort als zweckwidrig. Dieser Aspekt des Erhabenen ist m. E. der Hauptgrund, weshalb viele Interpreten und Interpretinnen die Analytik desselben entweder als eine bloße ästhetische Anmerkung zum Schönen betrachten oder komplett ignorieren, weil sie zum Programm der Systematizität nicht wie die Behandlung des Schönen beiträgt: Sie habe keine systematische Relevanz, sie gilt als ein „further evidence of the last-minute of Kant′s inclusion of the sublime“ (Allison 2001, S. 305).⁷ Diese anfängliche Zweckwidrigkeit der Natur hinsichtlich

 Es besteht eine gewisse Diskrepanz hinsichtlich der Genese und Inklusion der Analytik des Erhabenen in der KU. Allison scheint mit Souriaus (1926) Position darin übereinzustimmen, dass die Analytik des Erhabenen kurz vor der Erscheinung der KU hinzugefügt wurde. Diese Position teilen Tonelli (1954) und Meredith (1911) laut Zammito nicht. Zammito schließt sich Tonelli an und behauptet, dass das Erhabene nach der zweiten kognitiven Wende Kants, der ethischen Wende im Frühling 1789, und nicht im März 1790, hinzugefügt wurde: „Meredith, at one extreme, considered the material on the sublime to be among the oldest writing in the Third Critique, and hence ‚almost certainly included‘ in the original version of the ‚Critique of Taste‘. Souriau, at the other extreme, claimed that the treatment of the sublime was ‘the very last exposition of Kant′s aesthetic thought’, and dated it to the very last days as prior to publication of the book in spring 1790. Tonelli argues that the treatment of the sublime, as it stands in the Third Critique, is informed by the full conception of reflective judgment, hence had to follow the ‘cognitive turn’ of Spring 1789.“ (Zammito 1992, S. 275). Die im Zitat gemeinte „Critique of Taste“ bezieht sich auf die erste Ankündigung des Programms einer dritten Kritik, welche sich in dem bekannten Brief an K. L. Reinhold auf den 28. und 31. Dezember 1787 datieren lässt: „So beschäftige ich mich jetzt mit der Critik des Geschmaks bey welcher Gelegenheit eine neue Art von Principien a priori entdeckt wird als die bisherigen. Denn der Vermögen des Gemüths sind drey: Erkentnisvermögen Gefühl der Lust und Unlust und Begehrungsvermögen. Für das erste habe ich in der Critik der reinen (theoretischen) für das dritte in der Critik der practischen Vernunft Principien a priori gefunden. Ich suchte sie auch für das zweyte und ob ich es zwar sonst für unmöglich hielt, dergleichen zu

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unserer Erkenntniskräfte weist in eine andere Richtung oder sogar in die Gegenrichtung als die übliche Argumentation für eine Teleologie der Natur in ästhetischer Hinsicht: nämlich gegen die Tauglichkeit der Natur für unsere Erkenntniskräfte. Die schönen Formen der Natur können gedacht werden, „als ob sie ganz eigentlich für unsere Urteilskraft angelegt wären“ (KU, AA 05: 359), als ob sie für uns gemacht worden wären, damit wir uns in der Welt willkommen fühlen könnten.⁸ Die „subjektive Unzweckmäßigkeit der Vorstellung für die Urteilskraft in der Größenschätzung“ (KU, AA 05: 253) beim Erhabenen bringt hingegen die

finden, so brachte das Systematische was die Zergliederung der vorher betrachteten Vermögen mir im menschlichen Gemüthe hatten entdecken lassen und welches zu bewundern und wo möglich zu ergründen mir noch Stoff gnug für den Uberrest meines Lebens an die Hand geben wird mich doch auf diesen Weg so daß ich jetzt drey Theile der Philosophie erkenne deren jede ihre Principien a priori hat die man abzählen und den Umfang der auf solche Art moglichen Erkentnis sicher bestimmen kan – theoretische Philosophie Teleologie und practische Philosophie von denen freylich die mittlere als die ärmste an Bestimmungsgründen a priori befunden wird. Ich hoffe gegen Ostern mit dieser unter dem Titel der Critik des Geschmaks ein Mscpt. obgleich nicht im Drucke fertig zu seyn.“ (Br, AA 10: 514 f.). Zur Zeit des Briefes scheint Kant nur eine Verbindung zwischen Teleologie, einer Kritik des Geschmacks und dem Gefühl der Lust und Unlust hergestellt zu haben. Ob dies das Erhabene ausschließt, lässt sich mit so wenig Information nicht sagen, aber vermutlich hat er entweder das Erhabene als Teil der Kritik des Geschmacks angesehen oder einfach nicht beachtet. Die Tatsache, dass Kant in der Ersten Einleitung (EE) zur KU versprach neben einer Kritik des Geschmacks eine des Geistesgefühls zu liefern, deutet die letztere Option an. Aber, was ich auf jeden Fall sagen kann, ist, dass Kant bereits bei der Verfassung der Ersten Einleitung der KU das Erhabene programmatisch in der Einteilung des Werkes plante: „Die Kritik der reflektierenden Urteilskraft in Ansehung der Natur wird also aus zwei Teilen bestehen, aus der Kritik des ästhetischen und der des teleologischen Beurteilungsvermögens der Dinge der Natur. Der erste Teil wird zwei Bücher enthalten, davon das erste die Kritik des Geschmacks oder der Beurteilung des Schönen, das zweite die Kritik des Geistesgefühls (in der bloßen Reflexion über einen Gegenstand) oder der Beurteilung des Erhabenen sein wird.“ (EE, AA 20: 251). Die philologische Forschung Kants besagt aufgrund des Briefwechsels zwischen Kant und Garve, dass die Erste Einleitung der KU bereits im Januar 1790 beendet wurde: „Wir wissen durch den Briefwechsel zwischen Kant und seinem Verleger François Théodore de la Garve, dass Kant die EE vom Dezember 1789 bis Januar 1790 fertig geschrieben und sie dann bis Ende März desselben Jahres gekürzt hat. Daraus wurde die endgültige Version der Einleitung.“ (Tanaka 2014, S. 16). Wenn Tanaka Recht hat, wurde die Analytik des Erhabenen bereits vor März konzipiert. Demzufolge haben weder Allison noch Souriau Recht mit ihrer Datierung.  „Auch Schönheit der Natur, d. i. ihre Zusammenstimmung mit dem freien Spiele unserer Erkenntnißvermögen in der Auffassung und Beurteilung ihrer Erscheinung, kann auf die Art als objektive Zweckmäßigkeit der Natur in ihrem Ganzen, als System, worin der Mensch ein Glied ist, betrachtet werden: wenn einmal die teleologische Beurteilung derselben durch die Naturzwecke, welche uns die organisirten Wesen an die Hand geben, zu der Idee eines großen Systems der Zwecke der Natur uns berechtigt hat.“ (KU, AA 05: 380).

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Vorstellung der Unangemessenheit, mit der das interesselose Wohlgefallen des Erhabenen verbunden wird. Also ist es die Negation der Zweckmäßigkeit der Natur für unsere Erkenntniskräfte, welche den größten Zweck derselben auf unbestimmte Weise zum Bewusstsein bringt.⁹ Nun aber soll Folgendes nicht vergessen werden: „[W]enn das ästhetische Urteil rein (mit keinem teleologischen als Vernunfturteile vermischt) und daran ein der Kritik der ästhetischen Urteilskraft völlig anpassendes Beispiel gegeben werden soll“ (KU, AA 05: 253), darf man das Erhabene weder an Kunstprodukten, „wo ein menschlicher Zweck die Form sowohl als die Größe bestimmt, noch an Naturdingen, deren Begriff schon einen bestimmten Zweck bei sich führt“ (KU, AA 05: 253) aufzeigen, sondern nur „an der rohen Natur (und an dieser sogar nur, sofern sie für sich keinen Reiz, oder Rührung aus wirklicher Gefahr, bei sich führt), bloß sofern sie Größe enthält“ (KU, AA 05: 253). Die ästhetische Zweckmäßigkeit des mathematischen Erhabenen liegt weder an einer möglichen Nützlichkeit des Objekts noch an seiner Vorstellung, also weder an einem Begriff oder Zweck desselben noch an seiner Empfindung oder Darstellung, sondern an der Resonanz seiner Vorstellung in unserem Bewusstsein:¹⁰ „Ein reines Urteil über das Erhabene aber muß gar keinen Zweck des Objekts zum Bestimmungsgrunde haben, wenn es ästhetisch und nicht mit irgend einem Verstandes- oder Vernunfturteile vermengt sein soll.“ (KU, AA 05: 253). Die Erfahrung der Übergröße der Natur deutet in erster Linie etwas an, was im Prinzip nicht darstellbar ist und was jenseits der Grenzen der Erfahrung steht.

 In eine ähnliche, argumentative Richtung gehend betont Loose die teleologische Wichtigkeit des Erhabenen in der KU, obwohl er sich hauptsächlich nur auf das dynamische, nicht auf das mathematische Erhabene, konzentriert und demzufolge auch auf die Teleologie der Freiheit und nicht auf die der Natur: „Kant’s analysis of the sublime, and the dynamic sublime in particular, can be considered as the pivoting point between nature and freedom. My explanation aims at correcting the classic view of Kantian dualism in general and readjusting the characterization of the dynamic sublime as mere conflict and resistance to the supremacy of nature or as indication of the collapse of the mental faculties. Contrary to Lyotard, ultimately we cannot take the sublime as the opposition and contradiction of reason and sensibility. Even more than as pivot, one can view the sublime as transition (Übergang) and even as point of interaction of nature and freedom, of mechanics and morality. In that sense my analysis dissociates itself from that of P. Crowther and the Anglo-Saxon tradition in general that wants to reduce Kant’s doctrine of the sublime to a currently acceptable aesthetics, and for that reason eases it away from the architectonics of freedom and the metaphysical-moral context in which it functions.“ (Loose 2011, S. 53).  „Hier ist nun merkwürdig: daß, wenn wir gleich am Objekte gar kein Interesse haben, d.i. die Existenz desselben uns gleichgültig ist, doch die bloße Größe desselben, selbst wenn es als formlos betrachtet wird, ein Wohlgefallen bei sich führen könne, das allgemein mitteilbar ist, mithin Bewußtsein einer subjektiven Zweckmäßigkeit im Gebrauche unsrer Erkenntnisvermögen enthalte; […] ein Wohlgefallen […] an der Erweiterung der Einbildungskraft an sich selbst.“ (KU, AA 05: 249).

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Diese ästhetische Andeutung als wahrgenommene Unlust (Unzweckmäßigkeit) in der noch nicht vollendeten Beurteilung des Erhabenen ruft das Übersinnliche in uns auf. Diese Wiedererkennung des Übersinnlichen in uns ist das wahre Moment der Erhabenheit in der Beurteilung. Man sieht hieraus auch, daß die wahre Erhabenheit nur im Gemüte des Urteilenden, nicht in dem Naturobjekte, dessen Beurteilung diese Stimmung desselben veranlaßt, müsse gesucht werden. Wer wollte auch ungestalte Gebirgsmassen, in wilder Unordnung über einander getürmt, mit ihren Eispyramiden, oder die düstere tobende See, u.s.w. erhaben nennen? Aber das Gemüt fühlt sich in seiner eigenen Beurteilung gehoben, wenn, indem es sich in der Betrachtung derselben, ohne Rücksicht auf ihre Form, der Einbildungskraft, und einer, obschon ganz ohne bestimmten Zweck damit in Verbindung gesetzten, jene bloß erweiternden Vernunft, überläßt, die ganze Macht der Einbildungskraft dennoch ihren Ideen unangemessen findet. (KU, AA 05: 256)

Obwohl laut Kant die Natur selbst nicht als erhaben betrachtet werden darf, sondern nur die Resonanz von ihr im Gemüt des Menschen, insofern der Mensch Träger der Vernunft ist, bleibt die ästhetische Beurteilung des Erhabenen ohne die Anwesenheit der Natur undenkbar. Denn, wenn sich die Natur als das Sinnliche präsentiert, präsentiert sie sich nicht nur als etwas außerhalbes des Subjekts, sondern gleichzeitig als etwas im Subjekt selbst. Es sind die innere und äußere Sinnlichkeit und Übersinnlichkeit, die sich im Gefühl des Erhabenen treffen, wobei das „übersinnliche Substrat“ des Menschen zum Übersinnlichen überhaupt führt. Man kann, wie Loose und andere es tun, angesichts dieser Perspektive einen teleologischen Gewinn aus der Natur für die praktische Vernunft ziehen: Precisely this further development of the aesthetic representation of the sublime offers the link with the purposiveness of nature also only to be thought by human beings themselves for the benefit of their freedom. The sublime forces us to make the transition to what is also the ultimate argument in the teleology of nature: ultimately it is about an external purposiveness of nature as a whole for humans. (Loose 2011, S. 58)

Eine andere Alternative ist es, einfach einen Gewinn aus der Tätigkeit der Einbildungskraft in ihrem Regressus für die Beziehung zwischen der Natur und unseren Erkenntniskräften zu ziehen. Somit kann das Erhabene auf eine gewisse Weise mit dem Schönen gleichgesetzt werden, wie es Makkreel im Fall des mathematischen Erhabenen vorschlägt: Thus the supersensible substrate disclosed in the regress of the sublime is a transcendental idea that allows us to assume the mutual purposiveness of nature and the subject in aesthetic judgments. This purposiveness is a well-recognized feature of judgments of beauty. But the sublime is equally important for developing the full reciprocity of the relationship […].

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Whereas our judgments of beauty are made with reference to a purposiveness of the object, judgments of the sublime involve a ‘purposiveness of the subject’. Reflection on beauty leads us to hope for a greater harmony and systematic order in nature; the sublime points to the possibility of an overall integration of our faculties of mind. (Makkreel 1984, S. 312)

Das Problem, das Makkreel dadurch nicht lösen kann, ist, dass im Regressus der Einbildungskraft in der Beurteilung des Erhabenen aufgrund der Unangemessenheit der Natur ein zweckwidriges Verhältnis zur ihr zu finden ist und nicht ein zweckmäßiges.¹¹ Die Natur ist ohnehin notwendig für die ästhetische Erfahrung des Erhabenen, sonst würde Kant eine solipsistische Ästhetik vertreten, was gegen seinen transzendentalen Idealismus sprechen würde. Eine Position, wie die folgende von Moore: „we see why Kant thought that natural objects are not strictly speaking sublime, we need not attribute to them any necessary role in experiences of sublimity. Instead, rational ideas are necessary conditions of experiences of sublimity“ (Moore 2018, S. 368)¹², welche sich die Natur wegdenkt, meint, dass die Erfahrung des Erhabenen nur den Ideen der Vernunft entspricht. Dies bedeutet, dass die Erfahrung des Erhabenen auf beliebige Weise verursacht werden kann, indem man an die Ideen der Vernunft denkt, als ob es ausreichend wäre, an etwas zu denken, um es zu fühlen. So eine Position lässt sich nicht mit einer systematischen Konstruktion und einem Verständnis der Grundlage der ästhetischen Theorie der Urteilskraft vereinbaren. Es wäre einfach, die ästhetische Erfahrung auf eine intellektuelle Erfahrung zu reduzieren, die mit Interesse verbunden und demzufolge keine reine ästhetische Beurteilung ist.¹³ Denn „[d]ie ästhetische

 Die Idee des Regressus der Einbildungskraft hat Makkreel weiterentwickelt, ohne dieses Problem zu erwägen, und sogar behauptet, dass der Regressus der Einbildungskraft den progressiven Charakter der Zeit aus der ersten Kritik annullieren kann: „I would argue that the regress of the imagination does not annihilate time as such, but merely suggest the possibility of negating the mathematical or lineal form of time.“ (Makkreel 1990, S. 73). „In the case of the instantaneous comprehension involved in the sublime, the time flow is suspended, as it were; in the case of the lingering inherent in the contemplation of beauty, the passage of time is slowed.“ (Makkreel 1990, S. 93).  Anders als Moore ist die Position von Brady. Sie sieht, wie ich, die Erfahrung mit der Natur als einen notwenigen Teil der Beurteilung des Erhabenen und spricht über ein kausales Verhältnis: „I would like to return to the complex feeling of the sublime response, and the way that it shows how natural objects are causally central. Kant is clear that sensibility must be confronted with the formlessness of the mathematically or dynamically sublime in nature, and that what follows from this is a complex mental (and emotional) process which keeps natural objects at the centre of sublime experience.“ (Brady 2013, S. 81).  Auf ähnliche Weise, aber mit Betonung auf die praktischen Ideen, argumentiert Feger: „Kants Theorie des Erhabenen bildet einen bloßen ‚Anhang‘, ein ‚Werkzeug der Vernunft‘, das dem

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Zweckmäßigkeit ist die Gesetzmäßigkeit der Urteilskraft in ihrer Freiheit“ (KU, AA 05: 271). Kant ist aber auch kein Empirist, welcher vertritt, dass für einige – für andere jedoch nicht – gewisse sinnliche Eigenschaften der Objekte Erhabenheit oder Schönheit haben können.¹⁴ Es geht jederzeit um die formale Zweckmäßigkeit, selbst in der anscheinenden Formlosigkeit des Objekts, ohne Begriff und ohne Empfindung als Bestimmungsgrund eines reinen ästhetischen Urteils. Wenn man also den Anblick des bestirnten Himmels erhaben nennt, so muß man der Beurteilung desselben nicht Begriffe von Welten, von vernünftigen Wesen bewohnt, und nun die hellen Punkte, womit wir den Raum über uns erfüllt sehen, als ihre Sonnen, in sehr zweckmäßig für sie gestellten Kreisen bewegt, zum Grunde legen, sondern bloß, wie man ihn sieht, als ein weites Gewölbe, was alles befaßt; und bloß unter dieser Vorstellung müssen wir die Erhabenheit setzen, die ein reines ästhetisches Urteil diesem Gegenstande beilegt. (KU, AA 05: 271)

Das mathematische Erhabene trägt doch zur Teleologie der Natur bei, aber nicht als eine Bestätigung der Zweckmäßigkeit der äußeren Natur, sondern als eine Bestätigung unseres Bedürfnisses nach Zweckmäßigkeit mit der Natur, was letzten Endes auch Natur ist, aber zur inneren Natur des Menschen gehört.¹⁵

Pathos des ittlich Guten nur dient und letztlich als mit dem Willen der praktischen Vernunft identisch betrachtet wird.“ (Feger 1996, S. 67).  „Man muß hier überhaupt darauf Acht haben, was oben schon erinnert worden ist, daß in der transzendentalen Ästhetik der Urteilskraft lediglich von reinen ästhetischen Urteilen die Rede sein müsse, folglich die Beispiele nicht von solchen schönen oder erhabenen Gegenständen der Natur hergenommen werden dürfen, die den Begriff von einem Zwecke voraussetzen; denn alsdann würde es entweder teleologische, oder sich auf bloßen Empfindungen eines Gegenstandes (Vergnügen oder Schmerz) gründende, mithin im ersteren Falle nicht ästhetische, im zweiten nicht bloße formale Zweckmäßigkeit sein.“ (KU, AA 05: 269).  Deligiorgi interpretiert die Rolle der Zweckwidrigkeit auf eine ähnliche Weise und beschreibt diesen entdeckten Telosdrang im Erhabenen so: „What is thereby thwarted and threatened, however, is acknowledged; we are beings capable of estimating our world in light of ends we contemplate, and we are capable of acting to achieve them. In the ordinary run our lives, we do not have experiences that make vivid these features to us (the combination of theoretical and practical abilities) and do so in the right measure (the combination of limits and abilities). The experience of the sublime requires an object that can stop us in our tracks and thereby heighten what is fundamentally a basic and rather ordinary sense of agency.“ (Deligiorgi 2014, S. 32).

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b Das mathematische Erhabene und die Metaphysik der Natur Das mathematische Erhabene, insofern es mit dem Erkenntnisvermögen und der Idee der Totalität (Unendlichkeit) in Zusammenhang steht, lässt sich eher mit dem transzendenten (hyperbischen) Gebrauch der Vernunft in Bezug auf die Natur verbinden, nämlich mit dem übersinnlichen Substrat derselben, als mit der direkten Natur. Zamitto z. B. behauptet Folgendes: „As an experience of nature, the sublime was an erroneous projection […]. What the sublime illuminated rather was metaphysics.“ (Zammito 1994, S. 280). In der Rezeption des kantischen Erhabenen wurde der Zusammenschluss zwischen Metaphysik und Erhabenheit von verschiedenen Autoren und Autorinnen vertreten, mit besonderer Betonung auf dem dynamischen Erhabenen. Es gibt eine lange Tradition des Metaphysisch-Erhabenen, dokumentiert von Christine Pries, welche mit Friedrich Schiller anfängt und mit Vischer endet. Diese Rezeptionslinie beruht laut Pries auf „einem tiefen Mißverständnis“ (Pries 1995, S. 14): „Nahezu alle Interpreten in der Kant-Nachfolge meinten, das Kantische Erhabene stehe in engem Verhältnis zur Metaphysik oder müßte zumindest, wo Kant dem zu widersprechen scheint, in diese Richtung modifiziert werden.“ (Pries 1995, S. 14). Die metaphysische Relevanz des Erhabenen lässt sich auch in der Sekundärliteratur zu Kant der letzten Jahrzehnte wiederfinden, z. B. in der Monographie von Crowther, The Kantian Sublime: From Morality to Art (1989), und in der von Goodreau, The role of the sublime in Kant’s moral metaphysics (1998). Beide Monographien betonen die moralische Rolle des Erhabenen in der Metaphysik. Was Metaphysik für Kant bedeutet und wie die von Pries dokumentierte Tradition des Metaphysisch-Erhabenen die Metaphysik deutete, ist aber nicht unbedingt dasselbe: Allein der Romantizismus vertritt andere Prinzipien als Kant vor und nach der kopernikanischen Wende. In vielen Aspekten teile ich Pries’ Meinung, die gegen die Metaphysierung des Erhabenen spricht. Dies werde ich in der nächsten Sektion über das dynamische Erhabene und die Metaphysik der Moral zum Thema machen. Nichtsdestoweniger halte ich es für unerlässlich, dass wir uns erst eine Notion der Metaphysik im kritischen Kontext bilden, bevor wir eine mögliche Verwandtschaft zwischen der Metaphysik und Kants Theorie des Erhabenen negieren oder bestätigen. Zunächst werde ich eine kurze Rekonstruktion des Begriffs der Metaphysik in Kants kritischem Projekt erarbeiten. Am Ende werden wir sehen, dass Metaphysik als Naturanlage des Menschen in einer engen Verbindung mit dem Erhabenen steht. Ob diese Verwandtschaft die Interpretation von Pries unterstützt, soll erst am Ende der nächsten Sektion entschieden werden.

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Die Metaphysik wird von Kant außer als ein „Kampfplatz“, „auf dem noch niemals irgend ein Fechter sich auch den kleinsten Platz hat erkämpfen und auf seinen Sieg einen dauerhaften Besitz gründen können“ (KrV, BXV) auch als „das System der reinen Vernunft (Wissenschaft)“ (KrV, A 841/ B 869) definiert. Laut der damaligen Schuldefinition versteht sich die Metaphysik als „die Wissenschaft von den ersten Prinzipien der menschlichen Erkenntnis“ (KrV, A 843/ B 871)¹⁶ und sie wird in Ontologie (allgemeine Metaphysik); Theologie, Kosmologie und Psychologie (spezielle Metaphysik) eingeteilt.¹⁷ Kant deutet die Metaphysik, ihre Grenze, Tragweite und somit die Aufgabe der Philosophie in seinem kritischen Projekt um:¹⁸ „Die Gesetzgebung der menschlichen Vernunft (Philosophie) hat nun zwei

 Die hier gemeinte Schule ist die von Wolff und Baumgarten. Im ersten Paragraphen der Metaphysik von Baumgarten wird sie als „scentia primorum in humana cognitione principiorum“ definiert. Diese Definition erinnert uns an die von Aristoteles über das Objekt der Weisheit (σοφία) in seinem ersten Buch der Metaphysik, auf Altgriechisch: „περὶ τὰ πρῶτα αἴτια καὶ τὰς άρχάς“ und auf Latein: „circa primas causas et principia“ (Aristoteles, Metafísica, I, 1, 981b 28). Mir ist dabei aufgefallen, dass das Wort „πρῶτα“ sowohl in englischen als auch in deutschen Übersetzungen nicht als „erste“, sondern als „letzte“ oder sogar gar nicht übersetzt wird. Die spanischen Übersetzungen der Metaphysik von Aristoteles pflegen dieses Wort nicht wegzulassen und als „erste“ zu übersetzen. Deswegen sehe ich die Verwandtschaft zwischen beiden Definitionen. Jedoch kann diese rätselhafte Situation hier leider nicht weiter behandelt werden.  Diese Einteilung lässt sich im zweiten Paragraphen der Metaphysik vom Baumgarten wiederfinden.  In Bezug auf die Diskussion, ob das kritische Projekt von Kant die traditionelle Schulmetaphysik einfach kontinuierte oder komplett umdeutete, bin ich der Meinung, dass es hier nicht um ein bloßes Kontinuum (wie De Boer oder Ficara laut Rivero vertreten würden) der Wolffschen Metaphysik geht, sondern um eine Reform derselben, wie Rivero behauptet: „Was Kant im Architektonik-Kapitel darlegt, ist keineswegs als eine bloße Reproduktion bzw. Übernahme des Wolffschen und schulmetaphysischen Metaphysiksystems zu erachten. Der Nachweis des kritischen Charakters des Systems stellt einen wesentlichen Schritt zur Deutung des kantischen Ontologiebegriffs dar, denn anhand dessen lässt sich letztlich nachvollziehen, aus welchen Gründen Kant die vermeintliche Gleichsetzung von Ontologie und Transzendentalphilosophie vornahm und welche Funktion der Ontologie innerhalb des kritischen Systems der Metaphysik zukommen kann.“ (Rivero 2014, S. 12). Zwar weist Kant die Erkennbarkeit der Objekte der alten Metaphysik zurück, was das Resultat seiner metaphysischen Reform ist, jedoch bedient er sich einiger Elemente der Wolffschen Methode und seiner logischen Kriterien für eine Wissenschaft. In diesem Zusammenhang folge ich den Interpretationen von Falkenburg und Baum: „Im kritischen Projekt einer systematischen Metaphysik sind unverändert zwei Motive wirksam […]. Das eine ist, die haltbaren Prinzipien einer Metaphysik im Wolffschen Stil mit den bewährten Grundannahmen der Newtonschen Physik zu vereinigen. Das andere ist das Bestreben, dies systematisch und nicht eklektizistisch zu tun – nach einer wohldefinierten Methode.“ (Falkenburg 2000, S. 263; kursiv im Original). „Dieses künftige und von Kant nie fertig gestellte ‚System der Metaphysik‘ wird ‚der strengen Methode des berühmten Wolff, des größten unter allen dogmatischen Philosophen, folgen‘

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Gegenstände, Natur und Freiheit, und enthält also sowohl das Naturgesetz, als auch das Sittengesetz.“ (KrV, A 840/ B 868). Auf dieselbe Weise teilt sich die Metaphysik „in die des spekulativen und praktischen Gebrauchs der reinen Vernunft, und ist also entweder Metaphysik der Natur oder Metaphysik der Sitten“ (KrV, A 841/ B 869). „Die Metaphysik der spekulativen Vernunft ist nun das, was man im engeren Verstande Metaphysik zu nennen pflegt.“ (KrV, A 842/ B 870). Also entspricht die Metaphysik der Natur teilweise der traditionellen Einteilung in besondere und allgemeine Metaphysik. Nun aber sind diese komplett umgedeutet, sodass die Ontologie der transzendentalen Philosophie und die spezielle Metaphysik der rationalen Physiologie der reinen Vernunft entsprechen (KrV, A 845/ B 873). Die Physiologie der reinen Vernunft wird ebenfalls aufgeteilt in immanent und transzendent. Zur immanenten Physiologie gehören die rationale Physik und die rationale Psychologie; zur transzendenten Physiologie gehören die transzendentale Welterkenntnis (Kosmologie) und die transzendentale Gotteserkenntnis (Theologie) (KrV, A 846/ B 874). Neben der Metaphysik der Natur gewinnt die Metaphysik der Sitten als reine Moral, nicht als Anthropologie, einen neuen Platz in der Haupteinteilung Kants, insofern „die Moralität die einzige Gesetzmäßigkeit der Handlung [ist], die völlig a priori aus Prinzipien abgeleitet werden kann“ (KrV, A 841/ B 869).¹⁹

müssen. Die Momente dieser strengen Methode, die Kant erwähnt (‚gesetzmäßige Feststellung der Principien, deutliche Bestimmung der Begriffe, versuchte Strenge der Beweise,Verhütung kühner Sprünge in Folgerungen‘), beschreiben in der Tat die ‚methodus scientifica‘ des Wolffischen Gesamtwerkes.“ (Baum 2001, S. 29).  Daraus folgt, wie ich in Kapitel IV bereits problematisiert habe, die Unterscheidung zwischen Propädeutik und Doktrin, wobei die Kritik die erste und die Metaphysik die letztere bilden. In der systematischen Einteilung in Kritik und Metaphysik in der KrV wird nicht thematisiert, ob die zwei parallel miteinander laufen und ob jedem Teil der Metaphysik eine entsprechende Kritik vorangeht oder eben nicht, wie Kant erst in der Vorrede der KU präzisiert: Die dritte Kritik nimmt einen Platz im System der Prinzipien a priori der Erkenntniskräfte ein, aber sie hat kein eigenes Gebiet. Somit folgt aus dieser Kritik keine Metaphysik, aber ohne sie ist das System der Prinzipien a priori inkomplett: „Eine Kritik der reinen Vernunft, d. i. unseres Vermögens, nach Prinzipien a priori zu urteilen, würde unvollständig sein, wenn die der Urteilskraft, welche für sich als Erkenntnisvermögen darauf auch Anspruch macht, nicht als ein besonderer Teil derselben abgehandelt würde; obgleich ihre Prinzipien in einem System der reinen Philosophie keinen besonderen Teil zwischen der theoretischen und praktischen ausmachen dürfen, sondern im Notfalle jedem von beiden gelegentlich angeschlossen werden können. Denn, wenn ein solches System unter dem allgemeinen Namen der Metaphysik einmal zu Stande kommen soll (welches ganz vollständig zu bewerkstelligen möglich und für den Gebrauch der Vernunft in aller Beziehung höchst wichtig ist): so muß die Kritik den Boden zu diesem Gebäude vorher so tief, als die erste Grundlage des Vermögens von der Erfahrung unabhängiger Prinzipien liegt, erforscht haben, damit es nicht an

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Falkenburg bringt das Problem auf den Punkt und behauptet, die KrV solle der Metaphysik ein erkenntnistheoretisches Fundament verschaffen, dafür sei Systematizität das einzige Kriterium, um wissenschaftliche Erkenntnis in derselben zu erlangen: Kant redefiniert seine vorkritischen Methodenideale, indem er das analytisch-synthetische Vorgehen nun auf das Erkenntnisvermögen anwendet; die kritische Methode beruht auf der Einsicht, daß die Metaphysik durch vernunfteigene systematische Prinzipien zur Wissenschaft wird. (Falkenburg 2000, S. 263)

Um den „sicheren Gang einer Wissenschaft“ (KrV, B XXIII) zu gewährleisten, müsste der „wahre“ vom „scheinbaren“ Teil der Metaphysik unterschieden und sein Platz im System gesichert werden: Analog dazu [zur experimentellen Hervorbringung in der Physik; Ergänzung von P. Ó. A.] beruht die Metaphysik als Wissenschaft auf denjenigen Prinzipien, die durch die Vernunft selbst hervorbracht werden. Nur aus ihnen kann der „sichere Gang einer Wissenschaft“ resultieren. Die Metaphysik ist im Gegensatz zu Logik und Mathematik wie die Physik eine Realwissenschaft, d. i. eine Disziplin des realen Vernunftgebrauchs. Ihre Gegenstände werden traditionellerweise als etwas Gegebenes angesehen. (Falkenburg 2000, S. 267)

Welche sind die damit gemeinten gegebenen Gegenstände der Metaphysik? Diese Gegenstände sind sowohl die reinen Begriffe der Vernunft mit Anwendbarkeit für die Systematik der Natur wie Grundkraft,²⁰ reines Wasser, Phlogiston, usw., wie sie in Kapitel IV als Produkte der Vernunft bezeichnet wurden, als auch die transzendenten Ideen derselben. Wie können nun aber diese Prinzipien nicht nur nach der Wolffschen Methode, nämlich dogmatisch, kohärent und einhellig etabliert werden, sondern auch in ihrer Gültigkeit (wie in der Physik) überprüft werden, damit sie den sicheren Gang einer Wissenschaft erlangen? Für Falkenburg ist die Antinomienlehre der ersten Kritik die Durchführung eines metaphysischen Experiments „zur Konstruierbarkeit des Gegenstands ‚Welt‘ der kosmo-

irgend einem Teile sinke, welches den Einsturz des Ganzen unvermeidlich nach sich ziehen würde.“ (KU, AA 05: 168). Im Kontext der Architektonik der ersten Kritik zum selben Thema behauptet Baum: „Von dieser Transzendentalphilosophie als dem ‚System aller Principien der reinen Vernunft‘, unterscheidet sich die ‚Kritik der reinen Vernunft‘ nur durch ihre Unvollständigkeit, die darin besteht, daß sie keine ‚ausführliche Analysis der ganzen menschlichen Erkenntnis a priori‘ enthält.“ (Baum 2001, S. 31). Die Vollständigkeit des Systems der Metaphysik ist eine Bedingung sine qua non, um dieses als wissenschaftliches charakterisieren zu können.  Grundkraft oder Ursubstanz ist das einheitliche Prinzip für alle anorganische Natur, ein metaphysisches Prinzip, welches „den Gesetzen der Newtonschen Mechanik unterliegt.“ (Falkenburg 2000, S. 264).

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logischen Idee“ (Falkenburg 2000, S. 267).²¹ Im Vergleich zur Methode der Chemie in der Herstellung von Stoffen gleiche die KrV in der Transzendentalen Analytik der Reduktion in der Chemie, „insofern ihr Ergebnis die Scheidung der Gegenstände reiner Erkenntnis a priori in phaenomena und noumena ist“ (Falkenburg 2000, S. 268),²² während die Transzendentale Dialektik der Synthese von Stoffen gleiche, „insofern sie prüft, inwieweit die so geschiedenen Begriffe mit dem Begriff eines Unbedingten kombinierbar sind“ (Falkenburg 2000, S. 268). Das Ergebnis ist bekannt – mit der Unterscheidung der wahren von der scheinbaren metaphysischen Erkenntnis liefert die Analytik der KrV eine neuartige Ontologie: [D]er stolze Name einer Ontologie, welche sich anmaßt, von Dingen überhaupt synthetische Erkenntnisse a priori in einer systematischen Doktrin zu geben (z. E. den Grundsatz der Kausalität) muß dem bescheidenen, einer bloßen Analytik des reinen Verstandes, Platz machen. (KrV, A 247/ B 303)

Diese Ontologie basiert auf einer Untersuchung, in der die Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis bestimmt wurden, nämlich, was ein Objekt der Erkenntnis der menschlichen Vernunft sein kann und was nicht.²³ Die Dialektik zeigt, wie weit die Vernunft mit ihrer scheinbaren Erkenntnis gehen kann, und reduziert letztlich diese gegebenen, aber problematischen Objekte der Vernunft auf den Status von regulativen Ideen derselben für die Systematik der Natur. Daraus folgt, dass auf der Ebene der rationalen Physiologie der Vernunft nur die immanente (physische) Physiologie, somit die rationale Physik und Psychologie, wahre metaphysische Erkenntnis heißen dürfen und sie basieren auf zwei in der Erfahrung nachweisbaren Objekte: den Begriff des denkenden Wesens und den Begriff der Materie.²⁴ Die transzendente (hyperphysische) Physiologie, demzu „Die psychologische oder theologische Vernunftidee für sich genommen kann nach Kant beliebig vom empiristischen Skeptiker verworfen oder vom metaphysischen Dogmatiker postuliert werden. Für die kosmologische Idee dagegen sieht Kant diesen Ausweg dadurch versperrt, daß jede ihm bekannte Theorie ihres Gegenstands epistemische Annahmen zugrundelegt, die antinomisch sind.“ (Falkenburg 2000, S. 261).  S. dritte Anmerkung der Vorrede zur zweiten Auflage der KrV in BXXI.  „Die Systemform der metaphysischen Erkenntnisse ist also gerade dadurch, dass diesen irgendwie das Kategoriensystem zugrunde liegt, ‚die Einheit (dieser) mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee‘. Aber auch umgekehrt können diese Kategorien, als Erkenntnisse oder Erkenntnisstücke, nur dadurch ein System bilden, dass ihnen ihrerseits eine Idee zugrunde liegt. ‚Diese ist der Vernunftbegriff von der Form eines Ganzes, so fern durch denselben der Umfang des Mannigfaltigen sowohl, als die Stelle der Theile untereinander a priori bestimmt wird.‘ (KrV, B 680)“ (Baum 2011, S. 35).  „[W]ie kann ich eine Erkenntnis a priori, mithin Metaphysik, von Gegenständen erwarten, so fern sie unseren Sinnen, mithin a posteriori gegeben sind? Und, wie ist es möglich, nach Prin-

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Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft

folge auch die transzendentale Welterkenntnis (Kosmologie) und transzendentale Gotteserkenntnis (Theologie), können nur behilflich bei der Organisation des Systems der Vernunft sein, aber sie legen keinerlei Wissen vor, weil sie keine synthetischen Urteile a priori bilden können: Durch Metaphysik aber von der Kenntnis dieser Welt zum Begriffe von Gott und dem Beweise seiner Existenz durch sichere Schlüsse zu gelangen, ist darum unmöglich […], weil ein jeder Existenzialsatz, d.i. der, so von einem Wesen, von dem ich mir einen Begriff mache, sagt, daß es existiere, ein synthetischer Satz ist. (KpV, AA 05: 138 – 139)

Die Metaphysik ist für Kant aber nicht nur eine Disziplin mit Ansprüchen auf Erkenntnis ihrer durch die Vernunft gegebenen Objekte, sondern sie konstituiert im Menschen einen Teil seiner eigenen Natur: Metaphysik ist, wenn gleich nicht als Wissenschaft, doch als Naturanlage (metaphysica naturalis) wirklich […] in allen Menschen, so bald Vernunft sich in ihnen bis zur Spekulation erweitert, irgend eine Metaphysik zu aller Zeit gewesen, und wird auch immer darin bleiben. […] Wie ist die Metaphysik als Naturanlage möglich? d.i. wie entspringen die Fragen, welche reine Vernunft sich aufwirft, und die sie, so gut als sie kann, zu beantworten durch ihr eigenes Bedürfnis getrieben wird, aus der Natur der allgemeinen Menschenvernunft? (KrV, B 21 f.)

Die Frage nach der Möglichkeit der Metaphysik als Naturanlage wird durch ihre Wirklichkeit beantwortet: Was wirklich ist, ist auch möglich. Wie bereits behandelt, ist, was Kant eigentlich beschäftigt, ob die Metaphysik den Status einer Wissenschaft erreichen kann: „[E]s muß möglich sein, mit ihr es zur Gewißheit zu bringen, […] entweder unsere reine Vernunft mit Zuverlässigkeit zu erweitern, oder ihr bestimmte und sichere Schranken zu setzen.“ (KrV, B 22). Denn „Metaphysik, als Naturanlage der Vernunft, ist wirklich, aber sie ist auch vor sich allein […] dialektisch und trüglich“ (Prol, AA 04: 365). Die Metaphysik als Naturanlage kann nicht geleugnet werden. Das Bedürfnis unserer Vernunft, Objekte jenseits der Erfahrungsgrenzen zu postulieren und Erkenntnisansprüche derselben zu erheben, kommt aus unserer eigenen menschlizipien a priori, die Natur der Dinge zu erkennen und zu einer rationalen Physiologie zu gelangen? Die Antwort ist: wir nehmen aus der Erfahrung nichts weiter, als was nötig ist, uns ein Objekt, teils des äußeren, teils des inneren Sinnes zu geben. Jenes geschieht durch den bloßen Begriff Materie (undurchdringliche leblose Ausdehnung), dieses durch den Begriff eines denkenden Wesens (in der empirischen inneren Vorstellung: Ich denke). Übrigens müßten wir, in der ganzen Metaphysik dieser Gegenstände, uns aller empirischen Prinzipien gänzlich enthalten, die über den Begriff noch irgend eine Erfahrung hinzusetzen möchten, um etwas über diese Gegenstände daraus zu urteilen.“ (KrV, A 847 f./ B 875 f.).

1 Das mathematische Erhabene und der theoretische Gebrauch der Vernunft

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chen Natur. Die Endlichkeit des Subjekts bringt es dazu, die Unendlichkeit und das Übersinnliche in ihm und außer ihm zu suchen. Das Erhabene als Objekt des Übersinnlichen ist somit mit der Natur verbunden, aber in erster Linie mit der Natur des Menschen mehr als mit der äußerlichen Natur, wobei die letztere den Anlass für das Gefühl der Erhabenheit der inneren Natur bildet. „Das gegebene Unendliche aber dennoch ohne Widerspruch auch nur denken zu können“ (KU, AA 05: 254) erfordert ein übersinnliches Vermögen im Gemüt des Menschen: Denn nur durch dieses und dessen Idee eines Noumenons, welches selbst keine Anschauung verstattet, aber doch der Weltanschauung, als bloßer Erscheinung, zum Substrat untergelegt wird, wird das Unendliche der Sinnenwelt […] ganz zusammengefaßt“ (KU, AA 05: 255)

Die Idee der Welt als Ganzes zu betrachten, ist an sich metaphysisch und diese ist die Idee, die unter der Totalität oder Unendlichkeit beim mathematischen Erhabenen unbestimmt dargestellt wird, um die Synthesis in der Beurteilung zu vervollständigen. Ob die Erfahrung des Erhabenen ohne Mystizismus möglich ist, fragt man sich in der Sekundärliteratur zu Kant bereits seit ein paar Jahrzenten. Verständlicherweise lasst sich nicht ohne Weiteres annehmen, dass das Transzendente sich präsentiert und noch weniger ist dies aus kritischer Sicht mit den etablierten Grenzen der Erkenntnis in der ersten Kritik zu vereinbaren.²⁵ Der Punkt ist, dass das Erhabene, wie in Kapitel III behandelt wurde, keinen Anspruch auf Erkenntnis erhebt. Bei der Beurteilung desselben wird keine Eigenschaft des Objekts bestimmt, es wird nur etwas über das Subjekt in Bezug auf das Objekt gesagt. Hätte das Erhabene keinen subreptiven Charakter, wäre es dann ein Problem etwas als Erhabenes in der Äußerlichkeit zu bezeichnen. Nun ist das Erhabene aber mit Anlass dieser einen Erfahrung des Übersinnlichen im Subjekt eine ästhetische Erfahrung der Vernunft selbst. Zwar trägt das Erhabene nichts zur Metaphysik als Wissenschaft bei und entspricht selbst keiner Wissenschaft, bestätigt aber in Form eines Gefühls durch die Vorstellung des Übersinnlichen unsere Naturanlage zur Metaphysik. Nun bleibt uns immer noch übrig, nachdem der spekulativen Vernunft alles Fortkommen in diesem Felde des Übersinnlichen abgesprochen worden, zu versuchen, ob sich nicht in ihrer

 Über die Diskussion, ob das Erhabene im Allgemeinen als transzendente Erfahrung möglich sei, siehe Sircello (1993), und ob das Erhabene nach der ersten Kritik möglich sei, siehe Forsey (2007), Aagaard-Mogensen (2017), Zuckert (2019) und Golob (2019). Zuckert und Golob versuchen auf verschiedene Weise das Erhabene bei Kant zu entmystifizieren und eine Position zu etablieren, die kompatibel mit der KrV ist, indem sie sich entweder auf die Endlichkeit des Subjekts fokussieren (Golob 2019, S. 20 – 23) oder auf seine limitierten kognitiven Grenzen (Zuckert 2019, S. 100).

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Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft

praktischen Erkenntnis Data finden, jenen transzendenten Vernunftbegriff des Unbedingten zu bestimmen, und auf solche Weise, dem Wunsche der Metaphysik gemäß, über die Grenze aller möglichen Erfahrung hinaus mit unserem, aber nur in praktischer Absicht möglichen Erkenntnisse a priori zu gelangen. (KrV, BXXI)

Im nächsten Abschnitt wird diese Möglichkeit überprüft, nämlich, ob das Unbedingte im praktischen Bereich doch bestimmt werden kann, was im Theoretischen verneint wurde. Auch wird in diesem Kontext sein Zusammenhang mit dem dynamischen Erhabenen thematisiert.

2 Das dynamische Erhabene und der praktische Gebrauch der Vernunft Die meisten Interpreten und Interpretinnen der Theorie des Erhabenen bei Kant betonen seinen moralischen Aspekt: Crowther (1989), Goodreau (1998), Guyer (2005; 1998 und 1993), Matthews (1996), Park (2008) u. a. Die Folgenden behaupten sogar, dieser sei der einzige Gewinn der Theorie: McBay Merrit (2018), Rayman (2012), und reduzieren das mathematische auf das dynamische Erhabene, Loose (2011). Andere (Clewis 2009 und auch McBay Merrit 2012) möchten die Theorie von Kant verbessern, indem sie eine neue von Kant implizierte, aber nicht thematisierte Art des Erhabenen, „the moral sublime“, hinzufügen. Noch weitere Autoren und Autorinnen, etwa Brady (2013), Grier (2014), Hughes (2007), Pries (1995) und Zuckert (2019), sehen diese Reduktion als nicht kantisch und versuchen, den theoretischen Aspekt des mathematischen Erhabenen zu akzentuieren. Ich selbst will weder das mathematische oder das dynamische Erhabene hervorheben noch einen Modus auf den anderen reduzieren, sondern seinen teleologischen Charakter im Paradoxon zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit auf der Ebene der Ästhetik zeigen und somit seine Einheit auf der Seite der Vernunft vertreten, auf der Seite der Sinnlichkeit aber seine unentrinnbare Dualität verteidigen. Wie in Kapitel III behandelt, hat die Beurteilung des dynamischen Erhabenen andere Konnotationen als die vom Mathematischen. Bei ihr wird die reflektierende Urteilskraft mit dem Begehrungsvermögen, nicht mit dem Erkenntnisvermögen verbunden. Hier geschieht eine heterogene Synthesis, nicht eine homogene zwischen zwei sinnlichen Formen der Undarstellbarkeit wie beim mathematischen, sondern es ist eine Synthesis der physischen Kraft mit unserer hyperphysischen Kraft. In Kapitel IV wurde gezeigt, wie diese dynamische Verknüpfung im praktischen Gebrauch der Vernunft in der Opposition von Glückseligkeit und Sittlichkeit wiederzufinden ist.

2 Das dynamische Erhabene und der praktische Gebrauch der Vernunft

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Macht, Widerstand, Lebenskraft, Seelenstärke, Kultur, moralisches Gefühl und menschliche Bestimmung sind Begriffe, die erst bei der Analyse des dynamischen Erhabenen relevant werden. Die Natur stellt sich als eine Macht dar, der wir aus der Perspektive unserer Lebenskräfte keinen Widerstand leisten können, aber dank des moralischen Gefühls in uns und seiner Entwicklung durch eine gewisse Kultur werden wir angesichts solcher Erscheinungen unserer Seelenstärke bewusst und erkennen unsere Überlegenheit über die physische Natur wieder, sowohl in uns als auch außer uns, insoweit die Bestimmung unseres Geistesvermögens evoziert wird. Das erste Moment der Unlust geschieht, wenn wir uns nur als physische Natur betrachten. Betrachten wir uns als übersinnliche Natur angesichts der Menschheit in uns, verändert sich die Situation und das Gefühl des dynamischen Erhabenen kommt zustande, wie es auch König betont: Die Betrachtung des Dynamisch-Erhabenen macht uns nach Kant bewusst, daß wir in uns ein Vermögen haben, das die Kraft besitzt, der Natur (nicht nur in uns) Widerstand zu leisten. […] Insofern ist das Erhabene in der Natur nicht ohne das Bewußtsein einer moralischen Kraft in uns möglich, die auch gegen die stärkste Naturgewalt noch standhält. (König 1994, S. 219).

Gefühle mit Bezug auf die Moral kommen bei Kant nicht nur in der dritten, sondern auch in der zweiten Kritik vor, wie bereits in Kapitel IV über die „Achtung“ berichtetet wurde. In der Metaphysik der Sitten erweitert er die Anzahl von Gefühlen der Empfänglichkeit für Pflicht.²⁶ Diese Gefühle stehen entweder in Verbindung mit anderen Menschen oder mit dem Subjekt selbst oder mit dem Sittengesetz. Nur das Erhabene wird durch die äußere Natur evoziert. Hierin liegt seine Eigentümlichkeit, weil in der Beobachtung der Natur etwas erscheint, was das Übersinnliche in der Form der menschlichen Bestimmung zum Wiedererkennen bringt: „Also heißt die Natur hier erhaben, bloß weil sie die Einbildungskraft zur Darstellung derjenigen Fälle erhebt, in welchen das Gemüt die eigene Erhabenheit seiner Bestimmung, selbst über die Natur, sich fühlbar machen kann“ (KU, AA 05: 262). Das Gefühl des Erhabenen ist ein rein ästhetisches Urteil und kein moralisches, wie Clewis und McBay Merrit zur Verbesserung der kantischen Theorie des Erhaben hinzufügen wollen.²⁷ Denn ein moralisches Urteil ist niemals interesse Das behandle ich im übernächsten Abschnitt anhand der Diskussion über die Metaphysierung des Erhabenen.  McBay Merrit unterscheidet zwischen zwei Quellen des Erhabenen, „through Aesthesis“ und „through Logos“. Aus der ersten entstehe ein unaufrichtiger Modus des Erhabenen, etwa der Enthusiasmus. Aus der zweiten entstehe der wahre Modus: „An uplifted state of mind that

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Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft

los. Einem rein ästhetischen Urteil darf hingegen kein Interesse zugrunde liegen, deswegen kann das Erhabene als rein ästhetisches Urteil nicht auf ein moralisches reduziert werden. Zwar bildet das Moralische an sich eine Bedingung der Möglichkeit des Erhabenen, doch ist das Erhabene nicht mit dem moralischen Gefühl oder mit der Achtung gleichzusetzen. Selbst wenn Kant das Adjektiv „erhaben“ in mehreren moralischen Kontexten einbringt, heißt das nicht, dass er dadurch ein reines Urteil der Erhabenheit meint. In diesem Punkt stimme ich mit Allison überein. Obwohl das Erhabene einen indirekten Wert für die Moralität hat, bleibt es ein ästhetisches Urteil: Nevertheless, as I have insisted on repeatedly, it must also be kept in mind that the judgment of the sublime (like that of taste) is aesthetic; that the feeling is merely analogous to (not

depends on the subject’s consciousness of a rational principle“ (McBay Merrit 2012, S. 47). Durch den Logos entstehe „the natural sublime“, welches das dynamische und mathematische Erhabene involviert, und „the moral sublime: the uplifted state of mind manifest as moral feeling, or respect“ (McBay Merrit 2012, S. 47): „The Kantian sublime – the sublime that Kant endorses and takes up under the banner of critical philosophy – can be distinguished as the ‘logical’ sublime in the sense that it depends on the subject’s consciousness of rational principles. Moral feeling is a mode of the Kantian sublime: it is an elevated state of mind, registering as the subject’s attraction to an ideal conceived through the moral law […]. Thus Kant implies that the moral sublime is experienced as respect, or moral feeling, whereas the natural sublime is experienced as admiration.“ (McBay Merrit 2012, S. 46 – 47). Ihre Unterscheidung ist nicht haltbar, weil sie Kants ästhetischer Theorie widerspricht, indem sie sagt, dass die unaufrichtige Art des Erhabenen, also das, was sie in ihrer Nomenklatur als ästhetisch bezeichnet, durch das Gefühl der Lust und Unlust determiniert wird, das logische hingegen durch einen Begriff oder Regel. Kant selbst bedient sich in §1 der KU der Unterscheidung ästhetisch-logisch für die Urteile und behauptet dabei, das erstere bezieht sich auf das Gefühl des Subjekts, das letztere auf den Begriff des Objekts. Von der ersten Klasse gibt es die reinen ästhetische Urteile, das Schöne und das Erhabene, und die empirischen mit Interesse an der Existenz des Objekts aufgrund eines Begriffs (das Gute) oder einer Empfindung (das Angenehme). Die Interesselosigkeit des Urteils, wie wir sie in Kapitel III sahen, ist eine der wichtigsten Eigenschaften der ästhetischen Urteile: Wenn wir darauf verzichten, haben wir keine ästhetische Theorie, die zur transzendentalen Philosophie gehören kann. Etwas Ähnliches geschieht mit der Theorie von Clewis über das moralische Erhabene: „Although the moral sublime is not explicitly characterized as a form of sublimity in the Analytic of the Sublime, the existence of such a form is implied by Kant’s claim that the sublime represents the moral law aesthetically even better than does the beautiful (KU 5: 271). Moreover, there are references to real experiences of the moral sublime throughout the corpus, as we shall see. By ‘moral sublime’, I refer to the effect on consciousness when the moral law, or some representation or embodiment thereof, is observed or perceived aesthetically rather than from a practical perspective. That is, an experience of the sublime is one of the moral sublime if and only if something moral, such as an idea, object, mental state, act, event, or person, elicits the sublime in an aesthetic judge who observes, imagines, hears, or somehow reflects on that object.“ (Clewis 2009, S. 84). Zu dieser Diskussion siehe Órdenes (2017).

2 Das dynamische Erhabene und der praktische Gebrauch der Vernunft

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identical with) moral feeling; that the respect it involves is both causally and phenomenologically distinct from respect for the moral law […]. In fact, the sublime (like the beautiful) is viewed by Kant merely as a preparation for morality and is, therefore, without any direct moral significance. (Allison 2001, S. 341 f.)

Die These, dass das Erhabene uns für die Moralität vorbereitet oder bei dem Motivationsproblem der Moral hilft, gehört zu den Standardpositionen in der Sekundärliteratur über das Erhabene. Nicht nur Allison, sondern auch Guyer, insofern er das Erhabene als ein Symbol zur Sittlichkeit versteht, und die meisten Interpreten und Interpretinnen (Crawford 1974; Kok 2012; Recki 2012; Rogerson 1986; van Erp 2012, u.v.a.) sehen diese Verbindung ein.Von einigen, wie Goodreau, wird sogar der metaphysische Wert des Erhabenen auf dieser Grundlage angesiedelt: An interpretation of the feeling of the sublime as phenomenologically important to the problem of moral motivation, since it provides an additional doorway to the supersensible, would seem to be consistent with Kant’s apparat belief as evidenced by the lectures and his other published works. Here lies, most probably, the significance of the sublime in Kant’s moral metaphysics. (Goodreau 1998, S. 122 f.)

Guyer meint, die ästhetische Autonomie könne nicht mit absoluter Unabhängigkeit von der Moral begründet werden, denn Kant ist ein Philosoph „whose deepest conviction is the primacy of practical reason“ (Guyer 1998, S. 339). Der Grund, warum Kant die KU schreibe, sei, die Moralität weniger streng und attraktiver als in der KpV darzustellen, selbst wenn die rein ästhetischen Gefühle keine moralischen Inhalte hätten: [T]he very fact that makes that law appear to us in the form of an imperative, the fact that we are not purely rational wills but are finite, embodied creatures, also makes it necessary that not just the constraints but also the attractions of morality be accessible to our senses as well as our intellect. (Guyer 1998, S. 340)

Die kantische Absicht, die Natur mit der Freiheit zu vereinen, zeige sich durch die Ästhetik: „[O]ne of the forms this effort takes is that of finding was in which morality, based in freedom, can be made accessible to feeling as well as reason. Aesthetic experience then becomes vital because it can contribute to the development of moral feeling“ (Guyer 1998, S. 340). Die radikalste Prämisse in der neuen Argumentation der KU sei nach Guyer, dass „the aesthetic can provide sensory representations of moral ideas in ways that can increase their grasp upon our feelings, and that taste can be demanded of every human being for precisely that reason“ (Guyer 1998, S. 341).Während das Schöne eine positive Erfahrung der Freiheit darstelle, stelle das dynamische Erhabene eine negative davon dar.

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Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft

Deswegen sei das Erhabene nicht so relevant wie das Schöne. (Guyer (1998): 345 ff.) Ohne Zweifel steht das dynamische Erhabene in einer engen Beziehung zur Sittlichkeit. Aber ich frage mich, inwiefern uns das Erhabene auf die Sittlichkeit vorbereiten soll, wenn die Freiheit ein unmittelbares Faktum unseres Bewusstseins ist und jeder möglichen Erfahrung vorhergeht. Werden wir moralischer, indem wir mehr Erfahrungen der Erhabenheit erleben? Nein. Werden wir kognitiv besser ausgestattet für die Moral, indem wir das Zusammentreffen von Unzweckmäßigkeit und Zweckmäßigkeit gleichzeitig in Form eines Gefühls spüren als eine Art geistiges Training zur Sittlichkeit? Vielleicht. Doch löst die Bejahung dieser Frage nicht das Problem der Vereinigung der Freiheit mit der Natur.Werden wir uns durch das Erhabene in seiner anfänglichen Opposition zur Natur und seiner nachfolgenden Überwindung der Macht der Vernunft bewusster, der Natur in uns und außer uns (wenn auch fiktiv) Widerstand zu leisten? M. E. kann die Erfahrung des Erhabenen nur in dieser letzten Hinsicht als Vorbereitung zur Moral betrachtet werden, indem sie uns den paradoxalen Charakter unserer eigenen Natur, den in uns innewohnenden Widerspruch zwischen Sinnlichkeit und Vernunft, zeigt; so gilt sie als Analogie zur Achtung. Eine Position, die meint, dass dank des Erhabenen oder des Schönen das Sittengesetz anwendbarer wird, führt zum Absurdum der Verwechslung der Bedingung mit dem Bedingten. Wären wir keine freien Wesen, hätten wir keine Erfahrung des Erhabenen. Wir sind freie Menschen, deswegen können wir das Erhabene erleben und nicht umgekehrt.

a Das dynamische Erhabene und die Teleologie der Freiheit Wie wir in Kapitel IV gesehen haben, postuliert die praktische Vernunft ein Unbedingtes als Telos im System der Moral: das höchste Gut.²⁸ Dieser objektive Endzweck besteht aus einer dynamischen Verknüpfung zwischen Glückseligkeit und Sittlichkeit. Eine dynamische Verknüpfung findet im dynamischen Erhabe-

 „Die Bewirkung des höchstens Guts in der Welt ist das notwendige Objekt eines durchs moralische Gesetz bestimmbaren Willens. In diesem aber ist die völlige Angemessenheit der Gesinnungen zum moralischen Gesetze die oberste Bedingung des höchstens Guts […]. Die völlige Angemessenheit des Willens aber zum moralischen Gesetze ist Heiligkeit, eine Vollkommenheit, deren kein vernünftiges Wesen der Sinnenwelt, in keinem Zeitpunkte seines Daseins, fähig ist. Da sie indessen gleichwohl als praktisch notwendig gefordert wird, so kann sie nur in einem ins Unendliche gehenden Progressus zu jener völligen Angemessenheit angetroffen werden, und es ist, nach Prinzipien der reinen praktischen Vernunft, notwendig, eine solche praktische Fortschreitung als das reale Objekt unseres Willens anzunehmen“ (KpV, AA 05: 122).

2 Das dynamische Erhabene und der praktische Gebrauch der Vernunft

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nen statt, insofern die sinnliche Kraft des Subjekts als Moment der Unzweckmäßigkeit der Natur durch die übersinnliche Kraft desselben als Moment der subjektiven Zweckmäßigkeit überwunden wird. Diese betrifft nun den subjektiven Endzweck. Ohne die Überwindung des ersteren Moments kann das dynamische Erhabene nicht entstehen. Die Überwindung des ersten Moments wird laut Kant durch Kultur ermöglicht. Dazu sagt Loose, dass das dynamische Erhabene in der dritten Kritik die Aufgabe hat, einen Übergang zwischen dem Schönen und der Teleologie der Natur zu bilden.²⁹ Diese Vermittlung geschieht, insofern das dynamische Erhabene das ästhetische Gefühl ist, welches uns von der Unzweckmäßigkeit der Natur zur Zweckmäßigkeit der Freiheit führt: We can summarize the sublime’s mediating position between the aesthetics of the beautiful and the objective purposiveness of nature in CPJ as follows: it is a feeling of pleasure in the purposelessness of nature that turns out to be purposive for the culture of freedom. (Loose 2011, S. 59)

Loose hat auf jeden Fall Recht, wenn er behauptet, dass die Zweckmäßigkeit der Freiheit in der Kultur des Menschen als Äußerung derselben zu finden ist und dass diese im dynamischen Erhabenen verlangt wird. Die Kultur der Menschheit hat einen teleologischen und gleichzeitig natürlichen Anspruch, sie nimmt im teleologischen Zusammenhang zwischen dem Menschen und der Welt einen wichtigen Platz ein. Denn die Kultur stellt, insofern der Mensch die Fähigkeit zur (freien) Zwecksetzung besitzt, den sogenannten „letzten Zweck“ des Menschen in der Natur dar. In §83 der KU leuchtet Kant diese Idee ein: Die Hervorbringung der Tauglichkeit eines vernünftigen Wesens zu beliebigen Zwecken überhaupt (folglich in seiner Freiheit) ist die Kultur. Also kann nur die Kultur der letzte Zweck

 Was Loose damit genau meint, ist aber unklar. Wenn er sich bloß auf die Struktur des Textes bezieht, stimmt seine Aussage teilweise, aber nur auf der Ebene der Analytik. Denn zwischen der Analytik des Schönen und der der teleologischen Urteilskraft befindet sich die Analytik des Erhabenen. Aber danach kommt die Deduktion und Dialektik des Geschmacksurteils, von daher stellt sich das Erhabene als eine unterbrochene Überbrückung innerhalb der KU heraus. Dazu soll erwähnt werden, dass, da die ästhetische Theorie keine Wissenschaft ausmacht, nach der Dialektik keine Methodenlehre folgt. Etwas anderes hingegen geschieht mit der Teleologie: Das Erhabene hat weder eine eigene Deduktion außerhalb seiner Exposition noch eine Dialektik. Dies beruht, wie ich in Kapitel I behandelte, auf der Formlosigkeit seines Objekts. Die Struktur des Textes der KU, insofern sie drei Analytiken, zwei Dialektiken und eine Methodenlehre enthält, hat zur Hypothese veranlasst, die Kritik der Urteilskraft als zwei Kritiken anzusehen: Die dritte Kritik wäre die Kritik der ästhetischen Urteilskraft und die „vierte“ Kritik die Kritik der teleologischen Urteilskraft. Zu diesem Punkt siehe Freudiger (1996).

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Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft

sein, den man der Natur in Ansehung der Menschengattung beizulegen Ursache hat (nicht seine eigene Glückseligkeit auf Erden, oder wohl gar bloß das vornehmste Werkzeug zu sein, Ordnung und Einhelligkeit in der vernunftlosen Natur außer ihm zu stiften). (KU, AA 05: 431)

Dazu behauptet Kant, dass nicht jede Kultur (nicht nur die der Geschicklichkeit) hier gemeint ist, sondern die Kultur der Disziplin, und zwar diejenige, die „der Befreiung des Willens von dem Despotism der Begierden“ entspricht (KU, AA 05: 432). Laut Kant soll der letzte Zweck der Natur des Menschen gesucht werden, wo er sich dazu vorbereiten kann, um selbst ein Endzweck zu werden. In dieser Hinsicht kann nur die Kultur und nicht seine Vorstellung der Idee der Glückseligkeit dem Menschen dabei helfen, sich selbst nicht als bloßes Glied in der Naturkette anzusehen, sondern als Endzweck derselben, d. h. sich nicht nur als bedingtes Wesen, sondern auch als ein Unbedingtes zu betrachten: „Endzweck ist derjenige, der keines anderen als Bedingung seiner Möglichkeit bedarf“ (KU, AA 05: 434). Und somit kann der Mensch seinen eigenen Wert, wozu er lebt, wiedererkennen.³⁰ Wir können nach dem Gesagten besser verstehen, inwiefern die Kultur für das Erhabene nötig ist, denn ohne sie hätte der Mensch kaum Erfahrung davon, was es bedeutet der Sinnlichkeit zu widerstehen. Sie bereite den Menschen auf eine Herrschaft vor, „in welcher die Vernunft allein Gewalt haben soll“ (KU, AA 05: 433). Dieser Widerstand zwischen Natur und Freiheit zeigt sich im dynamischen Erhabenen zugunsten der letzteren.³¹ Da das Erhabene nach Kant Kultur erfordert,

 „Was das Leben für uns für einen Wert habe, wenn dieser bloß nach dem geschätzt wird, was man genießt (dem natürlichen Zweck der Summe aller Neigungen, der Glückseligkeit), ist leicht zu entscheiden. Er sinkt unter Null; denn wer wollte wohl das Leben unter denselben Bedingungen, oder auch nach einem neuen, selbst entworfenen (doch dem Naturlaufe gemäßen) Plane, der aber auch bloß auf Genuß gestellt wäre, aufs neue antreten? Welchen Wert das Leben dem zufolge habe, was es, nach dem Zwecke, den die Natur mit uns hat, geführt, in sich enthält und welches in dem besteht, was man tut (nicht bloß genießt), wo wir aber immer doch nur Mittel zu unbestimmtem Endzwecke sind, ist oben gezeigt worden. Es bleibt also wohl nichts übrig, als der Wert, den wir unserem Leben selbst geben, durch das, was wir nicht allein tun, sondern auch so unabhängig von der Natur zweckmäßig tun, daß selbst die Existenz der Natur nur unter dieser Bedingung Zweck sein kann“ (KU, AA 05: 434).  Das Erhabene, insofern es uns vom Bereich der Natur zum Bereich der Moral hebt, stellt sich als ein Gefühl heraus, welches uns für die moralische Zwecke vorbereitet, d. h. für die Zweckmäßigkeit der Freiheit. In einer ähnlichen Interpretationslinie steht Goodreau: „The sublime is a presentation of nature that excites this same intellectual pleasure in us and thereby gives us reason to believe that nature is supportive of the ends of freedom. The theme of feeling one’s freedom, of feeling the elevation of the soul seems to be present in Kant’s thought throughout his life, and while he is careful not to make knowledge claims in this area, it does seem to be true that he always believed this is an accurate account of the human condition“ (Goodreau 1998, S. 122).

2 Das dynamische Erhabene und der praktische Gebrauch der Vernunft

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wurde er als elitär bezeichnet und sein Anspruch auf allgemeine Mitteilbarkeit des ästhetischen Gefühls kritisiert. Obwohl Kant sich nicht expressis verbis dazu äußert, gewinnt man unvermeidlicherweise im Laufe seiner Darstellung den Eindruck, daß das Erhabene ein sehr elitäres Gefühl ist. Elitär, weil das Gefühl des Erhabenen nicht jedem und jeder zugänglich ist, obwohl dieses Gefühl sich auf eine Grundlage beziehen läßt, die im Prinzip alle innehaben sollten. (Peña Aguado 1995, S. 60)

Dabei wurde nicht verstanden, was er unter „Kultur“ verstand. Kultur ist nicht eine bloße Sammlung von praktischen und theoretischen Erkenntnissen, sondern die Fähigkeit, Widerstand zu leisten, sich nicht von Neigungen beherrschen zu lassen und sich von höheren Prinzipien leiten zu lassen. Kultur als der letzte Zweck der Natur durch die Menschengattung lässt sich als Ausübung seiner Freiheit verstehen, um ihm dabei zu helfen, Endzweck zu werden und nicht bloß Mittel zum Zweck (von sich selbst und seinen Neigungen oder von anderen). Die Besonderheit beim dynamischen Erhabenen ist, dass die Natur uns eine Gelegenheit bietet, wo wir diesen Widerstand auf einer rein ästhetischen Ebene erleben können. Das ist der Beitrag der Natur zur Teleologie der Freiheit, uns eine ästhetische Erfahrung zu geben, in der wir die Macht unserer Vernunft spüren können.

b Das dynamische Erhabene und die Metaphysik der Moral Wie ich bereits vorweggenommen habe, werde ich mich in diesem Abschnitt auf die Diskussion über die Metaphysik der Moral und ihre Verbindung mit dem dynamischen Erhabenen konzentrieren, spezifisch werde ich diese angesichts der Interpretation von Christine Pries behandeln. Pries behauptet, die Überbetonung des dynamischen Erhabenen wäre in der Geschichte Deutschlands gefährlich gewesen. Sie charakterisiert diese Überbetonung als die deutsche Metaphysierung und Moralisierung des Erhabenen seitens der Kantrezeption (von Schiller bis Vischer).³² Dabei entdeckt sie drei Gründe, die zur Metaphysierung des Erhabenen beigetragen hätten:³³ seine „Darstellbarkeit“ und „Machbarkeit“ in der Kunst, die

 „Daraus folgte eine sinnlichkeitsfeindliche Moralisierung des Erhabenen, die nicht nur Hinwendung zu ‚erhabenen Handlungen‘, insbesondere in der Tragödie, und damit eine ‚Aktivierung‘ des Erhabenen bedeutete, sondern auch dazu führte, daß das Erhabene gänzlich dem Gebiet der Ethik zugeschlagen wurde.“ (Pries 1995, S. 15 f.).  „Damit will ich keinen notwendigen Zusammenhang zwischen Metaphysik und Faschismus herstellen, aber doch auf die Gefahr hinweisen, daß das lustvolle Streben der ersteren nach dem

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Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft

Auflösung der kantischen kritischen „Unterscheidung von Mathematisch- und Dynamisch-Erhabenen zugunsten des Dynamisch-Erhabenen“ (Pries 1995, S. 15) und „seine Verschmelzung mit dem Schönen“ (Pries 1995, S. 15). Diese theoretischen Exzesse seien laut Pries von den Nazis politisch instrumentalisiert worden und hätten letztlich schreckliche Folgen gehabt: Die bombastischen Großinszenierungen der Nazis hatten gezeigt, in welchem Maße die von einem ‚beschönigten‘ Dynamisch-Erhabenen ausgehende Kunstauffassung des 19. Jahrhunderts für politische Zwecke instrumentalisiert werden konnte. Die Grundannahme, daß ‚das Erhabene‘ in der Kunst (und anderswo) ‚gemacht‘ werden könne, ohne seinen ‚edlen‘ Charakter zu verlieren, war ein alter und metaphysischer Traum des endlichen Menschen gewesen. Die nationalsozialistische Propaganda hat sich damit verbundenen Pathetisierungen auf grausame Weise zunutze gemacht. (Pries 1995, S. 32)

Insofern der Mensch sich selbst für erhaben hielte und über anderen Menschen stehen zu können meinte, hätte eine theorieästhetische Grundlage des Nazismus bestehen können. Deshalb sei es besser, das mathematische Erhabene zum Vorschein zu bringen, damit das dynamische als eine bloße Ableitung davon als Grenzhorizont, nicht als Erweiterung, betrachtet wird. Dieser pseudomoralische und metaphysische Ansatz scheint mir allerdings nicht kantisch. Es ist absolut verständlich, dass die Theoretiker verschiedene Hypothesen versuchten, um das Zustandekommen des Nazismus zu erklären. Dennoch scheint es mir zwar sehr interessant eine solche Idee zu konzipieren, aber nicht mit der moralischen Philosophie Kants vertretbar. Die Moralisierung des Erhabenen kann nicht der Grund des Nazismus sein, es sei denn wir missdeuten die ganze Moral Kants, was eigentlich die Rede von einer Entmoralisierung erfordern würde. Das Problem liegt m. E. nicht in einer Überschätzung des dynamischen Erhabenen seitens der deutschen ästhetischen Tradition nach Kant und somit in der falschen sogenannten „Moralisierung“ desselben, sondern in deren Gegenteil. Sollte Kants Moral überhaupt mit dem Nazismus in Kontakt gesetzt werden, dann ist es die Abwesenheit des Grundgesetzes der Sittlichkeit, was zu einer menschenverachtenden Politik führen könnte. Die Vergessenheit des kategorischen Imperativs steht meiner Meinung nach als Anlass für eine so spezifische Theorie im Vordergrund und nicht die Moralisierung des Erhabenen. Sollte Kants Ästhetik im Verhältnis zum Nazismus stehen, dann geht es wieder um eine Absenz der ästhetischen Prädispositionen zur Pflicht. Diese werden in der Tugendlehre

Absoluten die Mittel für letzteren bereitstellt, wenn das Absolute inhaltlich besetzt und für ‚realisierbar‘ gehalten wird. Ähnliches ließe sich übrigens auch für den Stalinismus und sein Verhältnis zur Kunst zeigen.“ (Pries 1995, Fn. 152, S. 32).

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der Metaphysik der Sitten als „ästhetische Vorbegriffe der Empfänglichkeit des Gemüths für Pflichtbegriffe überhaupt“ (MS, AA 06: 399) bezeichnet. Die nationalsozialistische Doktrin, dass „das Gute“ nicht für jeden Menschen gilt und gefördert werden soll, kann nicht mit der kantischen Metaphysik der Moral in Verbindung gesetzt werden. Wenn überhaupt die Rede davon sein soll, handelt es sich um eine Entmoralisierung der Metaphysik. Die folgenden ästhetischen Vorbegriffe oder moralischen Gefühle des Gemüts verpflichten den Menschen nach der reinen Form des Gesetzes und nicht nur nach einem materialen Motiv zu handeln, das letztere führt kein reines praktisches Interesse bei sich, sondern das Interesse eines affizierten Gemüts: „Sie sind das moralische Gefühl, das Gewissen, die Liebe des Nächsten und die Achtung für sich selbst (Selbstschätzung)“ (MS, AA 06: 399). Es besteht jedoch laut Kant keine Pflicht diese Prädispositionen zu haben: Sie sind insgesammt ästhetisch und vorhergehende, aber natürliche Gemüthsanlagen (praedispositio) durch Pflichtbegriffe afficirt zu werden; welche Anlagen zu haben nicht als Pflicht angesehen werden kann, sondern die jeder Mensch hat und kraft deren er verpflichtet werden kann. – Das Bewußtsein derselben ist nicht empirischen [materiellen] Ursprungs, sondern kann nur auf das eines moralischen Gesetzes, als Wirkung desselben aufs Gemüth, folgen. (MS, AA 06: 399; Herv. von P. Ó. A.)

Obwohl es völlig richtig ist, zu sagen, dass, wenn etwas X u. a. zu Y beitrug und Y eine Katastrophe war, sollte X vermieden werden. Der Punkt ist, dass dieses X nicht die Überbetonung des dynamischen Erhabenen sein kann, wenn das dynamische Erhabene richtig verstanden wird.³⁴ Denn erstens soll es berücksichtigt werden, dass wir ohne die Bedingungen der Möglichkeit, das dynamische Erhabene zu fühlen, keine Erfahrung von der Totalität der Subjektivität haben können und somit auch kein mathematisches Erhabenes erfahren können – also geht das eine nicht ohne das andere; zweitens, dass die praktische Philosophie Kants, worauf das dynamische Erhabene beruht, weder auf der Ebene des moralischen Gesetzes noch auf der Ebene der moralischen Gefühle mit Nazismus vereinbart werden kann. Denken wir zum Beispiel an die Formel des Zwecks des kategorischen Imperativs in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten: „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“ (GMS, AA 04: 429). Was in den verschiedenen Konzentrationslagern geschah, sich für ein bes-

 Das Missverständnis beruht nicht auf der Überbetonung des dynamischen Erhabenen, wenn es überhaupt mit dem kantischen Erhabenen in Verbindung gebracht werden soll, dann mit einem Missverständnis des dynamischen Erhabenen.

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Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft

seres Wesen zu halten aufgrund seiner Ethnie und sich das Recht zu geben, über das Leben von anderen zu entscheiden, ist genau das Gegenteil zum kategorischen Imperativ. Der Humanismus und Universalismus der moralischen Philosophie Kants, welche hinter der Analyse des dynamischen Erhabenen der KU steckt, ist absolut inkompatibel mit einer nazistischen Theorie. Meine Pointe ist im Gegensatz zu Pries, dass sogar die Erfahrung des mathematischen Erhabenen die praktischen Ideen benötigt.³⁵ Pries versucht, das mathematische Erhabene als Basis des Urteils des Erhabenen zu etablieren, damit die Erfahrung des Übersinnlichen – beim dynamischen Erhabenen durch die Freiheit charakterisiert – nicht als solche verstanden wird, sondern als epistemische Grenzerfahrung.³⁶ Wären wir aber als Menschen nicht frei, hätten wir keine Erfahrung des Erhabenen, und somit auch keine subjektive Erfahrung der Unendlichkeit. Wir wissen einerseits, dass in der erkennbaren Welt alles endlich ist; unsere eigene sinnliche Endlichkeit als sterbliches Wesen zeugt davon. So wie unser Raum auf eine gewisse Masse (Körper) begrenzt ist, ist unsere Zeit auf eine Anzahl von Jahren (Leben) begrenzt. Wir waren nicht immer auf der Welt und werden auch nicht für immer bleiben. Wir wissen selbst nicht, wie lange die Welt vor unserer Geburt bestand oder wie lange sie nach unserem Tod bestehen wird und es mag sein, dass sie länger besteht, als es Leben auf ihr geben kann. Davon haben wir keine Gewissheit und aufgrund unserer Grenzen können wir auch keine haben, wie Kant in der ersten mathematischen Antinomie der KrV kritisch zeigte. Dennoch bestätigen wir auf dieser Welt, dass wir durch unseren Willen (Freiheit) die mechanische Welt irgendwie modifizieren können. Dies ist das Erbe des kritisch gewonnenen Begriffs der ersten dynamischen Antinomie, nämlich die transzendentale Freiheit. Durch sie kann eine neue Reihe von Ereignissen aus freiem Handeln entstehen. Somit können wir die Welt modifizieren – natürlich nicht in ihrer Totalität durch eine Handlung, jedoch einen Teil von ihr:

 Genauso wie das dynamische Erhabene braucht es die Idee der Unendlichkeit, weil die Subjektivität in ihrer Faktizität nicht als ein in Teile trennbarer Apparat operiert, sondern nur als Einheit. Die Analyse der Beurteilung ist eine Sache, die Erfahrung selbst ist die Synthese aller Teile.  In einer ähnlichen Richtung argumentiert Zuckert, indem sie betont, dass das mathematische Erhabene nichts Moralisches enthält und zum theoretischen Projekt Kants, nicht zum Praktischen, beiträgt: „I note in closing, why Kant claims that the experience of the sublime, even apparently the mathematical sublime, gains its significance and justification from its connection to the practical (5: 256). The experience of the mathematical sublime does not have moral ideas or practical reason as part of its content; it is rather, I have suggested, a feeling of the freedom of reason, theoretically employed“ (Zuckert 2019, S. 116).

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Wenn ich jetzt (zum Beispiel) völlig frei und ohne den notwendigen bestimmenden Einfluss der Naturursache, von meinem Stuhle aufstehe, so fängt in dieser Begebenheit, samt deren natürlichen Folgen ins Unendliche, eine neue Reihe schlechthin an, obgleich der Zeit nach diese Begebenheit nur die Fortsetzung einer vorhergehenden Reihe ist. (KrV, A 450/ B 478).

Dieses Ereignis geschieht zwar aus Naturkausalität, wie die ganze Erscheinungswelt, es folgt also aus der vorherigen Erscheinung. „[A]ber [erfolgt] daraus nicht […], und [muß] daher zwar nicht der Zeit nach, aber doch in Ansehung der Kausalität, ein schlechthin erster Anfang einer Reihe von Erscheinungen genannt werden“ (KrV, A 450/ B 478). Hier ist keine aus der Natur entstandene Ursache zuständig für dieses Ereignis, obwohl dies in der Natur stattfindet: Seine Ursache ist noumenal.³⁷ Koch bezeichnet diese These als den Kantischen Metakompatibilismus und fasst sie treffend folgendermaßen zusammen: Eine Begebenheit kann in einer Hinsicht eine transzendentale freie Handlung und als solche unbestimmt durch Kausalität nach Naturgesetzen und zugleich in einer anderen Hinsicht die Wirkung eines natürlichen Ereignisses gemäß Naturgesetzen sein – weil sie Erscheinung ist. (Koch 2006, S. 520).

Ein anderes Beispiel für die Faktizität unserer Freiheit, d. h. eine Reihe von Ereignissen zu beginnen, ist, etwas Neues durch einen Natur- oder Freiheitsbegriff zu kreieren: Eine freie Handlung nach Kant ist eine rationale Handlung, die zielgerichtet oder zweckmäßig ist und deren Zweck durch einen Begriff repräsentiert oder mindestens vermittelt wird. Je nachdem ob der Begriff ein Freiheitsbegriff oder ein Naturbegriff ist, ist die Handlung moralisch-praktisch oder technisch-praktisch (zweckrational). (McLaughlin 2019, S. 150).

Etwas „Neues“ auf die Welt zu bringen, kann vieles im Rahmen der Kultur der Geschicklichkeit bedeuten, wie etwa eine Institution, eine Universität, eine Kirche, einen Staat oder etwa ein Artefakt wie eine Uhr, ein Handy, ein Laptop, oder etwa ein Kunstwerk oder ein Werk des Geistes, eine Symphonie, ein Gemälde, eine

 Anhand Kants moraltheoretischer Absicht positioniert Koch seine eigene Theorie. Davor ruft er uns das kantische Primat der Freiheit gegenüber der Naturkausalität in Erinnerung: „Für die Moralbegründung ist Kant an der Dominanz der Freiheitsperspektive interessiert, d. h. interessiert an dem Resultat: Wenn eine Handlung in der einen Perspektive frei und in der anderen Perspektive naturnotwendig ist, dann ist sie in letzter Analyse frei. Für die Begründung des Zeitpfeils müssen wir zumindest eine Gleichrangigkeit beider Perspektiven erreichen. Doch in Wahrheit verlangt die Subjektivitätsthese auch von uns, die Naturperspektive der Freiheitsperspektive unterzuordnen oder sie in diese einzubetten.“ (Koch 2006, S. 520).

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Kapitel V Das Erhabene und die Teleologie der Vernunft

Theorie, etc. Stellen wir uns die extensive Reihenfolge von Ereignissen dieser Produkte der menschlichen Handlung vor. Solche zweckrationalen Handlungen sind zwar nicht unbedingt moralisch bestimmt, benötigen aber die Spontaneität eines freien vernünftigen Wesens, um zustande kommen zu können.³⁸ Etwas kreieren zu können, leugnet natürlich nicht unsere Endlichkeit oder die der sinnlichen Welt, aber zeugt von einer Kraft, die jenseits der gegebenen Grenzen etwas „Neues“ auf der Welt hervorbringen und setzen kann. Somit entsteht eine neue Reihe, deren Folgen „ins Unendliche“ fortgesetzt werden können. Deshalb ist die Unendlichkeit, welche im mathematischen Erhabenen subjektiv vorgestellt wird, unvorstellbar ohne die menschliche Freiheit. Die Bedingung der Möglichkeit, ein reines Urteil des Erhabenen zu fällen (worin die Notwendigkeit seiner Modalität besteht), ist das moralische Gefühl, welches auf der Freiheit beruht. Dies gilt sowohl für das mathematische als auch für das dynamische, wie in Kapitel III behandelt. Die häufigste Verwirrung bei verschiedenen Interpreten und Interpretinnen liegt an einem atomisierten Verständnis des kritischen Subjekts. Eine teleologische Denkweise aller seiner Vermögen hilft als Antidot gegen diese Perspektive. Das Subjekt ist eine Totalität aus heterogenen Teilen (Vermögen), aber ein Ganzes; die Vernunft im weiteren Sinn ist nicht anders zu verstehen als ein freier selbstzwecksetzender Organismus. So radikal es scheinen mag, aber ohne Freiheit gibt es keine Wahrheit.³⁹ Im nächsten Abschnitt erkläre ich diese scheinbar radikale Äußerung.

 Höchstwahrscheinlich beruhen alle diese zweckrationalen Handlungen auf denen von Kant „technisch-praktischen“ genannten Urteilen, wie McLaughlin behauptet. Er bestreitet zudem, ob diese instrumentellen Handlungen als Differenzierung zwischen den Menschen und den Tieren gelten können. Er gibt Argumente in Anlehnung an Davidsons Handlungstheorie, um beide voneinander zu unterscheiden, und betont letztlich, die moralische Freiheit sei die entscheidende Eigentümlichkeit des Menschen: „Man unterscheidet relativ fundamental zwischen dem Verhalten eines Tieres und der Handlung eines Menschen schon vor aller Betrachtung der möglichen moralischen Dimensionen dieser Handlung – und erwartet vergeblich, dass Kant dies auch tut. Kant selbst allerdings betont immer wieder die Ähnlichkeit zwischen instrumenteller Vernunft und Instinkt: es ist nicht die instrumentelle Zweckmäßigkeit, sondern die Moral, die uns von den Tieren unterscheidet.“ (McLaughlin 2019, S. 146 f.).  „Ohne alles moralische Gefühl ist kein Mensch; denn bei völliger Unempfänglichkeit für diese Empfindung wäre er sittlich tod, und wenn (um in der Sprache der Ärzte zu reden) die sittliche Lebenskraft keinen Reiz mehr auf dieses Gefühl bewirken könnte, so würde sich die Menschheit (gleichsam nach chemischen Gesetzen) in die bloße Tierheit auflösen und mit der Masse anderer Naturwesen unwiederbringlich vermischt werden. – Wir haben aber für das (Sittlich=) Gute und Böse eben so wenig einen besonderen Sinn, als wir einen solchen für die Wahrheit haben, ob man sich gleich oft so ausdrückt, sondern Empfänglichkeit der freien Willkür für die Bewegung der-

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3 Einheit der Vernunft und Einheit des Erhabenen In dieser letzten Sektion werde ich alle wichtigen Aspekte und Ergebnisse der vorherigen Kapitel in Zusammenhang bringen. Das Hauptanliegen meines Vorhabens ist, eine einheitliche Konzeption der Vernunft und des Erhabenen zu vertreten, ohne unsere doppelte Natur als vernünftiges und lebendiges Wesen zu leugnen. Auf der Ebene der Sinnlichkeit, wie sich die Natur uns gibt und wie wir auf sie reagieren, lässt sich weder eine Einheit der Vernunft noch eine des Erhabenen feststellen. Denn das Mannigfaltige präsentiert sich als Gleichartiges und Ungleichartiges. Aus dem Zusammentreffen dieser zweierlei Mannigfaltigkeit mit unserer Spontaneität ergeben sich die mathematische und die dynamische Synthese, wie uns die erste Kritik lehrt und die Analytik des Erhabenen bestätigt. Aber diese Spontaneität ist nicht nur eine Kraft zum Erkennen, sondern auch zum Handeln: sie ist gleichzeitig Freiheit. In dieser doppelten Dimension als theoretische und praktische Vernunft lässt sich eine Eigentümlichkeit von ihr wiedererkennen: die Vernunft in ihrem Streben nach dem Unbedingten handelt teleologisch und selbstgesetzgebend.⁴⁰ Um die Einheit der Vernunft zu veranschaulichen, werde ich die zuvor getroffene radikale Aussage, ohne Freiheit gäbe es keine Wahrheit, erörtern. Die Wahrheit ist transzendental-objektiv bestimmt, wird in Form eines Urteils geäußert und ist in der Erfahrung verifizierbar. Wir reden im Kant-kritischen Kontext nicht darüber, was die Dinge an sich sind, sondern nur darüber, wie wir sie erkennen können. Das heißt, alle Wahrheiten haben ultimativ etwas objektivesGegebenes und etwas subjektives-Gedachtes. Wahrheit definiert Kant als Übereinstimmung zwischen einem Begriff und seinem Objekt (KrV, A 643/ B 671). Der Begriff kann nun als Urteil (Form) über dieses Objekt verstanden werden, und das Objekt kann als gegebener oder materieller Inhalt dieses Urteils verstanden

selben durch praktische reine Vernunft (und ihr Gesetz), und das ist es, was wir das moralische Gefühl nennen“ (MS, AA 06: 400).  „Nun aber, nachdem die [erste] Kritik in jener Deduktion erstlich bewies, daß sie [die Kategorien] nicht empirischen Ursprungs sind, sondern a priori im reinen Verstande ihren Sitz und Quelle haben; zweitens auch, daß, da sie auf Gegenstände überhaupt, unabhängig von ihrer Anschauung, bezogen werden, sie zwar nur in Anwendung auf empirische Gegenstände theoretisches Erkenntnis zu Stande bringen, aber doch auch, auf einen durch reine praktische Vernunft gegebenen Gegenstand angewandt, zum bestimmten Denken des Übersinnlichen dienen, jedoch nur so fern dieses bloß durch solche Prädikate bestimmt wird, die notwendig zur reinen a priori gegebenen praktischen Absicht und deren Möglichkeit gehören. Spekulative Einschränkung der reinen Vernunft und praktische Erweiterung derselben bringen dieselbe allererst in dasjenige Verhältnis der Gleichheit, worin Vernunft überhaupt zweckmäßig gebraucht werden kann“ (KpV, AA 05: 141; Herv. von P. Ó. A.).

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werden, welches (Objekt) als Subjekt des Satzes definiert wird. Wenn ich das folgende empirische Urteil äußere: „Alle Rosen sind Blumen“, dann definiere ich, dass das Sein der Rosen (das Objekt als Subjekt des Satzes) zum Blumenseins (dem Urteil als Prädikat des Satzes) gehört. Wenn ich es verifizieren will, dann nehme ich die Wirklichkeit wahr und vergleiche, was im Urteil geäußert wurde mit seinem Fall (Objekt) und erkenne dabei die Übereinstimmung von beiden (Urteil und Objekt). Somit deklariere ich dieses empirische Urteil als wahrhaft und schreibe es meinem Erkenntniskonto gut. Wenn ich aber das Prädikat und das Subjekt desselbigen Urteils vertausche und sage: „Alle Blumen sind Rosen“, wechsle ich dabei das Objekt und seinen Begriff, obwohl ich kein neues sprachliches Element hinzufüge. Nun ist mein Objekt „alle Blumen“ (das Subjekt des Satzes) und mein Begriff „die Rosen“ (das Prädikat des Satzes). Dann verifiziere ich, ob sie übereinstimmen. Bei der Verifizierung des Urteils nehme ich wahr, dass es Tulpen, Orchideen, Dahlien,Veilchen, Hortensien, Lavendel, Jasmin, usw. gibt. Das Urteil „alle Blumen sind Rosen“ ist somit nicht wahr. Das Gedachte entspricht in diesem Fall nicht dem Gegebenen. Bei Kant verhält es nicht wie bei Hegel; bei diesem gilt: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig.“ (HW, 7: 24). Wenn Vernunft mit Denken und Wirkliches mit Erkennbarem gleichzusetzen ist, ist es bei Kant grundsätzlich anders, denn „[s]ich einen Gegenstand denken, und einen Gegenstand erkennen, ist […] nicht einerlei. Zum Erkenntnisse gehören nämlich zwei Stücke“ (KrV, B 146): Der Begriff und die Anschauung. Durch den ersten kann ich einen Gegenstand denken, durch die zweite kann er gegeben werden. Aber reine Anschauungen und reine Begriffe liefern keine Erkenntnis: Nun ist alle uns mögliche Anschauung sinnlich (Ästhetik), also kann das Denken eines Gegenstandes überhaupt durch einen reinen Verstandesbegriff bei uns nur Erkenntnis werden, sofern dieser auf Gegenstände der Sinne bezogen wird. […] Folglich liefern uns die Kategorien vermittelst der Anschauung auch keine Erkenntnis von Dingen, als nur durch ihre mögliche Anwendung auf empirische Anschauung, d.i. sie dienen nur zur Möglichkeit empirischen Erkenntnis. Diese aber heißt Erfahrung. (KrV, B 147)

Bei Kant ist alles, was mit den formalen Bedingungen der Erfahrung übereinstimmt, möglich. Aber alles Mögliche ist weder unbedingt Wirkliches noch unbedingt Notwendiges. Alles Wirkliche und Notwendige ist wahrhaft. Die Notwendigkeit eines Urteils hängt in erster Linie von den allgemeinen transzendentalen Bedingungen der Erfahrung ab, seine Wirklichkeit aber von den materiellen Bedingungen der Erfahrung und seine Möglichkeit von ihren formalen Bedingungen.⁴¹ Mögliche

 Siehe die Postulate des empirischen Denkens überhaupt in KrV, A 218/ B 266 und hier Kapitel II.

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Erfahrung und mögliches Denken sind nicht einerlei, weil Erfahrung jenseits kategorialer Bestimmung raumzeitliche Bestimmung benötigt. Alles Gegebene ist Wirkliches, aber nicht alles Wirkliche ist Notwendiges. Sein Sich-Geben-Können ist aber notwendig bestimmt. Ohne Raum und Zeit geben sich uns keine Objekte, ohne Kategorien aber gibt es kein Bewusstsein von ihnen. Diese sind die notwendigen Elemente aller möglichen Erkenntnis.⁴² Die Synthesis als Handlung der synthetischen Einheit der Apperzeption ermöglicht die Urteile über Objekte. Alle synthetischen Handlungen werden durch die Spontaneität des Gemüts vollzogen. Wenn der Inhalt einer Vorstellung durch die Sinopsis geliefert wird, dann ist die Einbildungskraft mit ihrer figürlichen Synthesis beauftragt, dem Verstand mittels ihrer Schemata den Pass zu den Kategorien zu geben, damit er die intellektuelle Synthesis durchführt und so ein Urteil mit Erkenntnisanspruch realisiert werden kann. Ein Mannigfaltiges zur Einheit zu bringen ist immer eine Tätigkeit der synthetischen Apperzeption. In der Analyse der Erkenntnisquelle gilt es die Vorstellungen getrennt voneinander zu thematisieren. Daraus zu schließen, dass sich im Bewusstsein selbst Anschauungen absolut unabhängig von begrifflicher Tätigkeit ergeben können, ist aber m. E. ein Fehlschluss. Weil Anschauungen, wie Begriffe, Wahrnehmungen (Perzeptio) sind, d. i. bewusste Vorstellungen, sind sie ohne Bewusstsein für das Subjekt nichts. M. a. W., eine Perzeptio ist nur durch eine Apperzeptio möglich; der reflexiv-synthetische Charakter unserer Vorstellungen bestimmt unsere Gemütsart gemeinsam mit unseren Vorstellungskräften. Einheitliche Vorstellungen, seien sie Anschauungen (intuitio) oder Begriffe (notio), werden dank dieser synthetischen Kraft der Apperzeption erzeugt. Ohne Bewusstsein gibt es keine Synthesis, ohne Synthesis aber keine Vorstellung. Das diskursive Bewusstsein impliziert Artikulationsmöglichkeit. Der Inhalt des Flusses meines Bewusstseins bleibt mir durch seine Begrifflichkeit

 „Die objektivierende Verbindung aber tritt explizit in der Kopula des Urteils hervor. Also zeigen die Formen und Funktionen der Urteile Weisen des Objektivierens an, die dem Objektivieren selber als dessen kategoriale Bestimmung zukommen. So weit also der Operationsbereich der Ich-denke-Begleitung reicht – und er reicht so weit wie mein Vorstellungsvermögen –, kann ich sicher sein, daß die reinen Verstandesbegriffe als kategoriale Bestimmungen der Objekte objektiv gültig sind. [… Kant] zeigt, daß die Elemente der vorbegrifflichen Mannigfaltigkeit, wenn auch nicht als solche, so doch als raumzeitliche Gegebenheiten notwendigerweise unter den Bedingungen der diskursiven Synthesis stehen, da diese am reinen Mannigfaltigen von Raum und Zeit immer schon ausgeübt worden ist. Denn die reinen Anschauungsinhalte Raum und Zeit sind ja selber wesentlich komplexe Vorstellungen, Vorstellungen nämlich von Prinzipien vorbegrifflicher Mannigfaltigkeit. Was immer in Raum und Zeit vorkommt und gegeben werden kann, ist daher ipso facto und ohne weiteres schon der diskursiven Synthesis zugänglich. (Es besteht eben ein Wechselverhältnis zwischen unserer diskursiven Subjektivität und dem materiellen RaumZeit-System.)“ (Koch 2006, S. 471).

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nicht verborgen, andernfalls wäre er nur ein verworrener Fluss. Wenn eine Anschauung zur Verfügung steht, heißt diese synthetische Kraft „Verstand“. Ohne synthetische Handlung gibt es keine mögliche Erkenntnis und kein Bewusstsein von sich selbst, „[d]as, Ich denke, drückt den Actus aus, mein Dasein zu bestimmen“ (KrV, Fn., B 158). Habe ich nun nicht noch eine andere Selbstanschauung, die das Bestimmende in mir, dessen Spontaneität ich mir nur bewußt bin, eben so vor dem Actus des Bestimmens gibt, wie die Zeit das Bestimmbare, so kann ich mein Dasein, als eines selbsttätigen Wesens, nicht bestimmen, sondern ich stelle mir nur die Spontaneität meines Denkens, d.i. des Bestimmens, vor, und mein Dasein bleibt immer nur sinnlich, d.i. als das Dasein einer Erscheinung, bestimmbar. Doch macht diese Spontaneität, daß ich mich Intelligenz nenne (KrV, Fn., B 158)

Aber nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch bewirkt diese Spontaneität, dass wir uns Intelligenz nennen können. Wenn Begriffe zur Verfügung stehen, heißt diese synthetische Kraft „Vernunft“. Der Verstand „versteht“, die Vernunft „begreift“ (KrV, A 311/ B 368). Die Begriffe der Vernunft, eine Sammlung von Notionen, sind die Ideen. Sie haben kein empirisches Korrelat, demzufolge keine entsprechende Anschauung; das ist im Erkenntnisbereich ihr Siegel. Dazu müssen zwei ihrer Eigentümlichkeiten betrachtet werden. Eine ist, dass sie ein Gebiet jenseits dieses Bereichs besitzen, worauf sie sich beziehen können und wo sie ein rationales System ermöglichen: die Moral. Vom Subjekt wissen wir, dass es seiner Natur nach sinnlich bedingt, aber auch moralisch bestimmt ist, d. h. wir haben die Erkenntnis, dass es sinnlich, aber frei ist. Auf einer Seite der teleologischen Medaille ist es erkenntnisfähig, auf der anderen Seite moralfähig. Rezeptivität zur Sinnlichkeit und Spontaneität zur Freiheit laufen in den jeweiligen Seiten der Medaille parallel, sowie Rezeptivität zur Spontaneität und Sinnlichkeit zur Freiheit auf der einen und auf der anderen Seite orthogonal laufen. In der Metaphysik Dohna, einer Vorlesung des Wintersemesters 1792– 1793 (mehr als zwei Jahre nach der Veröffentlichung der dritten Kritik), wird diese Parallelität und Orthogonalität sehr deutlich gezeigt. Zwar gab Kant in seinen Vorlesungen über Metaphysik hauptsächlich Kommentare zur Metaphysik von Alexander Baumgarten.⁴³ Seine eigene Theorie lässt sich jedoch im folgenden Zitat wiederfinden:⁴⁴

 Stark gilt als ein Experte von den Kants Vorlesungen. In mehreren Artikeln behauptet er, dass Kants Vorlesungen an sich keine eigene akademische Lehrform hatten, da sie hauptsächlich anhand anderer Lehrbücher geschrieben wurden: „Seinen Vorlesungen liegen stets gedruckte Lehrbücher anderer Autoren zugrunde. […] Für die beiden Disziplinen der theoretischen Philosophie – Logik und Metaphysik – wird über ein Jahrzehnte hin an einmal gewählten Kompendien aus der Wolffschen Schule, d. h. im Wesentlichen der Halleschen, ebenfalls Praußischen Uni-

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Ein arbitrium, welches determiniert wird per stimulos, heißt brutum. Ihm steht entgegen: liberum, independens a neccessittione per stimulos. [Wir werden durch stimulos affiziert, aber nicht determiniert.] We r d u r c h M o t i v e d e t e r m i n i e r t w i r d , i s t f r e i . D e n n e r h a n d e l t n a c h d e n G e s e t z e n s e i n e r e i g n e n Ve r n u n f t , n a c h S p o n t a n e i t ä t u n d n i c h t n a c h R e z e p t i v i t ä t . Der Wille ist das Begehrungsvermögen, insofern es durch Vorstellung einer Regel affiziert wird. Der Wille hat nicht Maximen, sondern die Willkür. Das arbitrum liberum ist: 1. purum, 2. affectum, affiziert [durch die Materie]. Jedes Objekt der Willkür heißt die Materie. Die freie Willkür heißt pura, wenn sie bloß durch die Vorstellung des Gesetzes, durch die Form der Gesetzmäßigkeit bestimmt wird. Elateres animi – Triebfedern des Gemüts heißen die causae impulsivae der Willkür. D a s Ve r m ö g e n d e r W i l l k ü r, a r b i t r u m l i b e r u m p u r u m i s t d e r h ö c h s t e G r a d d e r F r e i h e i t , d i e m o r a l i s c h e . Wir würden es für ungereimt halten – hätten wir keine Moral. – Wo w i r g a r n i c h t d i e M ö g l i c h k e i t e i n s e h n , w e i l u n s k e i n e Erfahrung gegeben ist, so können wir doch sagen, wir können es tun, denn wir sollens. Der mor alische Imper ativ ist kate gorisch – u n bedingt. – Das bloße Bewusstsein des moralischen Gesetzes gibt uns den Begriff von Freiheit . Das ist das große Erhabne – von der ganzen Natur u n a b h ä n g i g , s o b a l d e s d a r a u f a n k o m m t , u n s r e P f l i c h t z u t u n . “ (V-Met/ Dohna, AA 28: 677/ Eckige Klammer und Kursivschrift im Orignal; Herv. durch Sperrschrift von P. Ó. A.)

Die synthetische Handlung wird zur praktischen Handlung, Spontaneität wird zur Freiheit. Zwei gesetzgebende Gebiete, Erkenntnis und Moral, wohnen dem transzendentalen Subjekt inne, welches gesetzgeberisch und zurechnungsfähig zugleich ist. Beide Seiten bestimmen gegenseitig, was das Subjekt ist. Das bedeutet: so, wie es ohne Rezeptivität keine Spontaneität gibt, so gibt es auch ohne Freiheit keine (bewusste) Sinnlichkeit. Es bedeutet aber auch, dass es ohne Freiheit (als Faktum des Bewusstseins) keine Spontaneität gibt. Da es ohne Spontaneität als Handlung des Bewusstseins keine Wahrheit gibt, gibt es somit keine Wahrheit ohne Freiheit.⁴⁵

versität festgehalten. […] Die deutlich sperrige ‚Metaphysik‘ wird nach dem erfolgreichen lateinischen Lehrbuch von Alexander Gottlieb Baumgarten vorgetragen.“ (Stark 2015, S. 7 f.).  Vázquez Lobeiras sagt, zu dieser Zeit habe Kant seit mehr als zwanzig Jahren diese Vorlesung über Metaphysik gegeben und sei fast vierzig Jahre als Dozent tätig gewesen. Nicht umsonst habe er Baumgarten anstatt seiner eigenen Theorie unterrichtet und zwar, weil es philosophische Gründe dafür gab, nicht eine spezifische Philosophie, sondern die Tätigkeit des Philosophierens zu lehren, da für Kant Baumgarten der beste Metaphysiker war: „Baumgarten es considerado por Kant como el mejor metafísico de su tiempo. Nada hay de despreciable en sus manuales cuando el objetivo pedagógico no es aprender filosofía, sino aprender a filosofar“ (Vázquez Lobeiras 2017, S. 7).  „In der Verbindung also der reinen spekulativen mit der reinen praktischen Vernunft zu einem Erkenntnisse führt die letztere das Primat, vorausgesetzt nämlich, daß diese Verbindung nicht

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In der Analytik des Erhabenen teilt Kant das Urteil in mathematisch und dynamisch, weil die Natur sich uns so präsentiert. Aber dieses Präsentieren der Natur hängt laut der Doktrin des transzendentalen Idealismus von unserer eigenen Natur als endliches Vernunftwesen ab. Es wäre in Analogie zur Methode der KrV zu hoffen, dass in einer Dialektik des Erhabenen das Mathematische und das Dynamische desselben wiedervereint würden. Zur Erinnerung an diese Methode: Das metaphysische Experiment trennt in der Analytik zunächst alle Elemente und diese werden in der Dialektik „mit der notwendigen Vernunftidee des Unbedingten“ vereint (KrV, BXXI). Etwas, was nicht nur in der ersten Kritik, sondern auch in der KpV geschieht, insofern Glückseligkeit und Sittlichkeit im höchsten Gut verbunden werden. Aber es gibt keine Dialektik des Erhabenen (sowie keine Deduktion) und dies ist so, weil das Erhabene selbst dialektisch ist, insofern es das Gefühl des Unbedingten ist; ein Paradox, bei dem, was nicht sinnlich ist, sich fühlbar macht. In den Kapiteln II und III wurde bewiesen, dass in der Beurteilung des Erhabenen eine Synthesis stattfindet, eine mathematische und eine dynamische. Aus diesem Grund lässt sich die These nicht übernehmen, dass das Erhabene nicht weiter von Kant thematisiert wurde, weil diese Erfahrung den Grundstein der Deduktion der Kategorien in Gefahr bringe. Diese These wird von Peña Aguado (1995) vertreten. Sie meint, dass, insofern die Einbildungskraft nicht in der Lage sei, eine einheitliche Anschauung einer Erscheinung hervorzubringen, die synthetische Apperzeption und somit die ganze Theorie des transzendentalen Subjekts kollabiere; nun aber, was eigentlich kollabiert, ist die endliche Sinnlichkeit.⁴⁶ Hier ist es nicht das Hauptproblem, dass das Subjekt die subreptiv genannte erhabene Äußerung der Natur nicht synthetisieren kann; was das Subjekt auf keine Weise leisten kann, ist eine Darstellung des Unbedingten in der

etwa zufällig und beliebig, sondern a priori auf der Vernunft selbst gegründet, mithin notwendig sei.[…] [W]eil alles Interesse zuletzt praktisch ist, und selbst das der spekulativen Vernunft nur bedingt und im praktischen Gebrauche allein vollständig ist.“ (KpV, AA 05: 121).  „Trotz aller Bemühungen gelingt Kant keine überzeugende Erklärung des Phänomens des Erhabenen. […] Es handelt sich vielmehr um die Feststellung, daß eine ausführliche Entfaltung dieses Begriffs allenfalls zerstörerisch für die transzendentale Philosophie Kants gewesen wäre.“ (Peña Aguado 1995, S. 71) „Das Gefühl des Erhabenen hätte unter Kants Prämissen seine kopernikanische Revolution in Gefahr gebracht, weil es letzten Endes die Integrität des transzendentalen Subjekts bedroht hätte. […] Es handelt sich um die transzendentale Einheit des Selbstbewusstseins. Die Selbstverständlichkeit dieser Einheit wird im Augenblick des Gefühls des Erhabenen in Frage gestellt, da das Berührtsein eine Lähmung des Subjekts des Vorstellens und Denkens hervorruft. […] Es geht um die Unmöglichkeit, unser ursprüngliches Bewußtsein dem Gegebenen gegenüber als Einheit zu bewahren, obwohl dies für die transzendentale Apperzeption nötig wäre.“ (Peña Aguado 1995, S. 73 f.).

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ästhetischen Forderung des Erhabenen. Das ist die absolute Grenze; über sie hinaus gibt es nichts zu sagen und noch weniger zu bestimmen. Das ist der wahre Grund, warum das Erhabene weder eine Deduktion noch eine Dialektik hat und nicht, weil das Erhabene die kantische transzendentale Theorie gefährdet. Das Erhabene ist nur ein Objekt, aber mit zwei ästhetischen Beurteilungen. So, wie die Vernunft theoretisch-praktisch ist, ist das Erhabene mathematisch-dynamisch. Es ist nicht möglich, eine Medaille zu begreifen, ohne an ihre zwei Seiten denken zu müssen. Aber es ist genauso unmöglich, beide Seiten gleichzeitig zu betrachten. So wie bei der Medaille vorausgesetzt wird, dass sie zwei Seiten hat, so verhält es sich auch mit der Vernunft und dem Erhabenen. Diese Medaille ist durch eine höchste Zweckmäßigkeit gekennzeichnet.

a Das Erhabene der Vernunft Wenn man der Frage nachgeht, welches das wahre Objekt des Erhabenen ist, kommt man zumindest zu vier möglichen Szenarien. Erstes Szenario: Das Gefühl selbst ist das, was als Erhabenes zu betrachten ist. Diese Alternative halte ich für nicht gewinnbringend, denn die Rede über ein ästhetisches Urteil lässt sich von seiner Resonanz als Gefühl nicht trennen. Moore bietet dies als eine Alternative für das Objekt des Erhabenen an: „There is one striking passage which might be taken to indicate that the experience, or feeling, associated with sublimity is itself the sublime object. In a passage previously quoted in full from 5: 246, Kant talks about ‘a feeling which is itself sublime’.“ (Moore 2018, S. 361). In dieser Linie bevorzuge ich Lyotards Interpretation, um diesen Zusammenhang von ästhetischem Urteil und Gefühl zu lösen. Er definiert ihn als eine „Tautegorie der Reflexion“: Dieser „Ausdruck bezeichnet die Identität von Form und Inhalt oder von ‚Gesetz‘ und ‚Gegenstand‘ in demjenigen reinen reflektierenden Urteil, das uns die Ästhetik liefert.“ (Lyotard 1994, S. 23). „Die reine Reflexion ist zunächst die Fähigkeit des Denkens, über seinen Zustand und durch keine anderen Kriterien als die des Gefühls informiert zu werden.“ (Lyotard 1994, S. 22). Zweites Szenario: Da das Erhabene ein ästhetisches Urteil ist, soll etwas auf der Welt der Grund dafür sein: ein Phänomen. Aus dieser Perspektive lassen sich zwei Varianten finden. Die radikale Variante (wie etwa nach Burke, Baillie und Herder) behauptet, die Objekte selbst seien erhaben. Eine moderate Variante sieht die Objekte als eine Bedingung des Urteils, aber nicht als den zureichenden Grund, wie etwa Brady: „This disposition would not exist were it not fort he object′ s effect, so objects are certainly essential to sublime feeling.“ (Brady 2013, S. 64). Wie wir bereits gesehen haben, sind die Objekte bei Kant, welche die Beurteilung des Erhabenen motivieren, nicht an sich selbst erhaben. Diese Eigenschaft wird

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ihnen durch eine Subreption zugeschrieben, dennoch sind die Objekte der Natur nötig für die Beurteilung. Diese Subreption bedeutet die „Verwechslung einer Achtung für das Objekt, statt für die Idee der Menschheit in unserem Subjekte“ (KU, AA 05: 257). Infolgedessen, als drittes Szenario, ist das Erhabene die Idee der Menschheit in uns. Geht es dann nur um diese Idee, sowohl für das mathematische als auch für das dynamische Erhabene? Diese Frage lässt sich bejahen und verneinen. Nein, solange die Idee der Menschheit auf das Praktische reduziert wird. Ja, insofern diese Idee jenseits des Praktischen konzipiert wird und auf die Totalität des eigentümlichen Charakters des Menschen erstreckt wird. Dies bringt uns zum vierten Szenario: das Übersinnliche als Objekt des Erhabenen anzusehen. Solange der Mensch als Träger des Übersinnlichen, d. h. als Träger der Vernunft, verstanden wird, lässt sich eine komplette Vorstellung der Idee der Menschheit begreifen. Somit kann das dritte mit dem vierten Szenarium kombiniert werden und als Objekt des Erhabenen betrachtet werden. Jedoch gibt es keinen Anlass für die ästhetische Beurteilung des Erhabenen ohne einen Gegenstand der Natur, „dessen Vorstellung das Gemüt bestimmt, sich die Unerreichbarkeit der Natur als Darstellung von Ideen zu denken“ (KU, AA 05: 268). Diese Bestrebung und das Gefühl der Unerreichbarkeit der Idee durch die Einbildungskraft ist selbst eine Darstellung der subjektiven Zweckmäßigkeit unseres Gemüts im Gebrauche der Einbildungskraft für dessen übersinnliche Bestimmung und nötigt uns, subjektiv die Natur selbst in ihrer Totalität, als Darstellung von etwas Übersinnlichem, zu denken, ohne diese Darstellung objektiv zu Stande bringen zu können. (KU, AA 05: 268)

Natürlich können weder die Natur in ihrer Totalität noch das Übersinnliche (anwesend in den Ideen) dargestellt werden. Aber genau deshalb bietet so eine Erscheinung der Natur die Gelegenheit, uns unsere übersinnliche Bestimmung bewusst zu machen. Dies verhält sich so, weil beide (Totalität der Natur und Übersinnliches) unerreichbar sind. Diese Erfahrung kristallisiert sich nur auf diese Weise als eine subjektive Zweckmäßigkeit der Vernunft für die Natur heraus. Diese subjektive Wiedererkennung wird als ein allgemeingültiges Gefühl der Lust verstanden, insofern sie als eine unabsichtliche Erreichung eines reinen Zweckes gedeutet werden kann: Die Erreichung jeder Absicht ist mit dem Gefühl der Lust verbunden; und ist die Bedingung der ersteren eine Vorstellung a priori, wie hier ein Prinzip für die reflektierende Urteilskraft überhaupt, so ist das Gefühl der Lust auch durch einen Grund a priori und für jedermann gültig bestimmt. (KU, AA 05: 187)

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Diese Wiedererkennung oder Zweckmäßigkeit bedeutet im Allgemeinen: Wenn wir die Realisierung unserer Zwecke wahrnehmen, konstatieren wir, dass wir einen direkten Einfluss auf die tatsächliche Welt haben. Insofern diese unsere Absichten willkommen heißt, ist das Erreichen der Zwecke für uns mit Lust verbunden. Wenn unsere Zwecke mit Interesse verbunden sind, ist sie eine private, bloß empirisch-subjektive Lust. Wenn aber ein unabsichtlicher Zweck erreicht wird und dieser einen Grund a priori hat, wie die formale ästhetische Zweckmäßigkeit, ist diese Erfahrung mit einem Gefühl der reinen Lust verbunden, welche „für jedermann gültig bestimmt“ (KU, AA 05: 187) wird, wie im Fall des Schönen als innere formale Zweckmäßigkeit oder im Fall des Erhabenen als relative formale Zweckmäßigkeit. Die doppelte Unerreichbarkeit der Darstellung im Fall des Erhabenen enttarnt sich als nichtbeabsichtigte Erreichung eines höchsten Zweckes, welcher für jedermann gültig ist. Die formale Zweckmäßigkeit des Erhabenen ist relativ, weil es nicht die Form des Objekts betrifft wie beim Schönen, sondern seine Formlosigkeit zu einer ästhetischen Zweckmäßigkeit für das Subjekt dient. Das heißt, die Äußerlichkeit gibt uns eine Erscheinung, die uns zum übersinnlichen Substrat der Natur in uns und außer uns bringt und davon bewusst macht: „Das Erhabene besteht bloß in der Relation, worin das Sinnliche in der Vorstellung der Natur für einen möglichen übersinnlichen Gebrauch desselben als tauglich beurteilt wird.“ (KU, AA 05: 267): [S]o muß diejenige Größe eines Naturobjekts, an welcher die Einbildungskraft ihr ganzes Vermögen der Zusammenfassung fruchtlos verwendet, den Begriff der Natur auf ein übersinnliches Substrat (welches ihr und zugleich unserm Vermögen zu denken zum Grunde liegt) führen, welches über allen Maßstab der Sinne groß ist, und daher nicht sowohl den Gegenstand, als vielmehr die Gemütsstimmung in Schätzung desselben, als erhaben beurteilen läßt. (KU, AA 05: 255 f.; Herv. von P. Ó. A.)

Dieses Substrat ist der ultimative Zweck der Vernunft: das Übersinnliche, welches in der Erfahrung des Erhabenen, im mathematischen Modus als Unendlichkeit und im dynamischen als Freiheit, präsentiert wird. Die Vernunft selbst ist das übersinnliche Vermögen, weil sie das Vermögen des Unbedingten ist. Insofern das Erhabene das Gefühl des Übersinnlichen ist und kein Objekt der Natur ohne Subreption als erhaben bezeichnet werden darf, ist die Vernunft selbst das Erhabene. Sie ist aber auch teleologisch, zielgerichtet. Ihr ultimativer Zweck ist das Erhabene, somit ist sie sich selbst Zweck. Das Unbedingte, Übersinnliche und Erhabene ist die Vernunft als ihr Selbstzweck. Das Paradox ist nicht nur das Zusammentreffen von Sinnlichkeit und Übersinnlichkeit in einem Subjekt, sondern jenseits davon ist das Paradox auch die Suche, das Streben nach etwas in der Äußerlichkeit (transzendent), was in der Innerlichkeit (immanent) zu finden ist.

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Das Gefühl des Erhabenen bietet eine Gelegenheit, sich dessen bewusst zu werden. Die äußerliche Natur schenkt uns eine Erfahrung, welche uns zum Wiedererkennen unserer höchsten Zweckmäßigkeit bringt. Ohne Natur gibt es kein Gefühl des Erhabenen, genauso wie ohne Vernunft. Beide gehören zusammen und keine ist auf die andere reduzierbar, solange wir vernünftige, aber lebendige Wesen sind. Sie koordinieren miteinander und bilden letztlich in der ästhetischen Beurteilung des Erhabenen eine Einheit.

b Die Teleologie der erhabenen Vernunft: Paradoxes Schicksal des endlichen Subjekts Das Erhabene als das Übersinnliche ist der Zweck der Vernunft: ein Ziel, welches zugleich ihr bildendes Prinzip und ihre Bestimmung ist. Das Gefühl des Erhabenen ist ein paradoxes Gefühl, welches auf die Dichotomie des lebendigen Vernunftwesens hinweist. Auf der Ebene der Unmittelbarkeit zeigt sich durch das Gefühl des Erhabenen die Endlichkeit und Unendlichkeit des Subjekts. Beide Aspekte, das Sinnliche und das Übersinnliche, sind in ihm. Mittels der Unzweckmäßigkeit der Natur wird auf die Zweckmäßigkeit der Vernunft verwiesen. Dabei weist das Unzweckmäßige der Natur zweierlei auf: erstens wie zweckmäßig die Natur ansonsten ist (durch die Negation); zweitens die Zweckmäßigkeit für die Vernunft (durch die Affirmation derselben). Die Vernunft ist sowohl in ihrem theoretischen als auch in ihrem praktischen Gebrauch teleologisch, wie in Kapitel IV gezeigt wurde, und dies wird durch die Endlichkeit des Subjekts ermöglicht. Wäre das Subjekt nicht endlich, das heißt, wenn es keinen Anfang und kein Ende hätte,⁴⁷ dann wäre unsere Vernunft nicht notwendigerweise gezielt orientiert, und Prinzip und Zweck wären nicht zu unterscheiden. Das Paradox zeigt sich so, da das Subjekt in der Reflexion bejahen kann, was es ist, indem es die Verneinung dessen, was es nicht ist, erlebt (conceptus comparationis). Die Reflexion ist „der Zustand des Gemüts, in welchem wir uns zuerst dazu anschicken, um die subjektiven Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen wir zu Begriffen gelangen können.“ (KrV, A 260/ B 316). Die reflexiven

 Das Erhabene als Äußerung der reinen reflexiven Artikulation eines ästhetischen Urteils erhebt Ansprüche darauf, zu der transzendentalen Philosophie Kants zu gehören, ohne die Perspektive eines in der Erfahrung platzierten Subjekts zu verlieren. Das bedeutet, das Erhabene bleibt aus der zeitlichen bzw. existenziellen Perspektive des „Bewusstsein[s] seiner selbst, nach den Bestimmungen unseres Zustandes, bei der innern Wahrnehmung“, welche „bloß empirisch“ ist, „jederzeit wandelbar […] und wird gewöhnlich der innre Sinn genannt, oder die empirische Apperzeption“ (KrV, A 107).

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Verhältnisse, in denen „die Begriffe in einem Gemütszustande zu einander gehören können, sind die der Einerleiheit und Verschiedenheit, die der Einstimmung und des Widerstreits, des Inneren und des Äußeren, endlich des Bestimmbaren und der Bestimmung (Materie und Form).“ (KrV, A 261/ B 317). Aus der Negation einer Sache ergibt sich ihre Absonderung von anderen Sachen, dadurch die Vielheit mehrerer Sachen und somit die Affirmation der einen Sache. Dieses Procedere bildet eine Eigentümlichkeit unserer Vernunft im weitesten Sinn. Die Möglichkeit, sich selbst und die Welt betrachten zu können, beruht auf den zwei wesentlichen Prinzipien unseres logischen Denkens: das Identitätsprinzip und das Kontradiktionsprinzip, was von Kant in seiner kritischen Lehre von analytischen und synthetischen Urteilen mit anderen Zügen wiederaufgenommen wird. Affirmation und Negation stehen als Basis aller assertorischen Urteile, nicht nur bezüglich der Form der Aussage (ob die Kopula verneint oder bejaht wird), sondern auch bezüglich der Materie derselben (ob das Prädikat oder das Subjekt affirmiert oder negiert wird). Obwohl es in der ästhetischen Beurteilung nicht um Begriffe, sondern um Gefühle geht, lassen sich die vier Reflexionsmomente der Doktrin der transzendentalen Urteilskraft in der Analytik des Erhabenen wiederfinden. Das Erhabene als ästhetische Grenzerfahrung zwischen Vernunft und Natur bringt alle diese reflexiven Verhältnisse mit sich. Insofern das Erhabene ein gemischtes Gefühl von Unlust und Lust ist, präsentiert sich einerseits die „Verschiedenheit“, die sich aus dem „Widerstand“ mit der Natur und der „Einstimmung“ mit der Vernunft ergibt. Anderseits präsentiert sich die „Einerleiheit“, insofern sich das Erhabene als gemischtes Gefühl von Lust und Unlust mathematisch und dynamisch ergibt, und dennoch ein und dasselbe Gefühl ist, insofern seine „Form“ die übersinnliche Bestimmung und seine „Materie“ das sinnliche bestimmbare Leben des Subjekts bilden. Dank der „Äußerlichkeit“ bin ich mir meiner „Innerlichkeit“ bewusst. Dies geschieht in der Erfahrung des Erhabenen und stellt eine Argumentation für den realen Empirismus bzw. transzendentalen Idealismus dar. Anlässlich einer anscheinend unzweckmäßigen Erscheinung entspringt die Zweckmäßigkeit meiner selbst, meiner Vernunft, und so wird das Übersinnliche in mir konstatiert. Egal, wie das Mannigfaltige beschaffen ist, ist es immer eine und dieselbe Vernunft, die auf das Mannigfaltige reagiert, entweder theoretisch oder praktisch. Der Spontaneitat und Freiheit der Vernunft wohnt das teleologische Siegel der Bestrebung nach dem Übersinnlichen inne. In den Erscheinungen, welche das Erhabene hervorrufen, zeichnet sich das Übersinnliche ab. Und das, was mit der Vernunft geschieht, ist eine Wiedererkennung dessen, was außer ihr liegt, durch das, was in ihr liegt. Die Vernunft als Vermögen der Zwecksetzung in ihrem praktischen und theoretischen Gebrauch zu verstehen, ist keine neue Idee oder kein neuer syste-

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matischer Rekonstruktionsversuch der kritischen Philosophie innerhalb der Kantforschung. Das eigentlich Neue in meiner Interpretation ist, einen Beweis von ihrer teleologischen Einheit aus der ästhetischen Perspektive des paradoxen Gefühls des Erhabenen geleistet zu haben.

Zusammenfassung Wie der Leser/ die Leserin vermutlich merkte, wurden im fünften Kapitel bereits alle kritischen Elementen der Analyse der mathematisch-dynamischen Dualität des Erhabenen mit der theoretisch-praktischen Dualität der Vernunft zusammengetragen, sodass das Fazit der Arbeit dies nicht zur Hauptaufgabe hat.Was ich jedoch an dieser Stelle tun möchte, ist, noch einmal zwei Aspekte der gesamten Argumentation meiner Arbeit hervorzuheben: Erstens: Das Erhabene in uns ist die Ästhetisierung der Vernunft und diese kritische Ästhetisierung geschieht ohne einen bestimmten Begriff. Der zweite Aspekt betrifft eine Gemeinsamkeit der reinen ästhetischen Urteile. Deswegen werde ich auf systematische Weise diese Idee anhand eines Beispiels (eine Art vom Gedankenexperiment) des Schönen bestärken. Zum ersten Punkt: Schleich (2020) vertritt genauso wie Pries (1995), dass in der Beurteilung des Erhabenen die Einbildungskraft die Rolle des Hauptvermögens spielt. Aber die Interpretation der einer Autorin unterscheidet sich von der Auslegung der anderen: Schleich sieht das ästhetische Moment in der Erweiterung der Einbildungskraft quasi als das Intendieren der Ästhetisierung des Übersinnlichen an (Schleich 2020, S. 300 – 305), während Pries behauptet, dass sich das ästhetische Moment aufgrund eines Perspektivwechsels zwischen dem Sinnlichen (der Einbildungskraft) und dem Übersinnlichen (der Vernunft) ergibt (Pries 1995, S. 182– 185). Die Interpretation von Pries vergisst nicht die dialektische Bewegung des Gefühls des Erhabenen, was Schleich hingegen in meinen Augen nicht genug betont. Für Pries aber ergibt sich keine „Erhebung“, keine Überwindung der Unlust; es bleibt konstant die Unlust-Lust Dynamik.¹ Beide Interpretationen können legitim sein, dennoch reduzieren sie die Erfahrung auf eine Art des Erhabenen. Im mathematischen Erhabenen könnte man denken, dass die Erweiterung der Einbildungskraft ins „Übersinnliche“ der Schlüssel des Gefühls wäre, während die Erklärung von Pries zu dem dynamischen Erhabenen mehr zu passen scheint als zu dem mathematischen. In meiner Arbeit habe ich aufgewiesen, dass der Schlüssel im Gefühl des Transzendierens des Sinnlichen liegt: Die ästhetische Unmittelbarkeit der übersinnlichen Vernunft ist das Erhabene. Das Übersinnliche kann prinzipiell nicht bewiesen werden. Nichtsdestoweniger gibt es aufgrund der menschlichen Kondition als vernünftiges Wesen eine Notion davon, obwohl das Übersinnliche nirgendwo zu finden ist. Das Sinnliche, das Endliche treffen wir täglich in der raumzeitlichen Erfahrung. Es ist da, wir

 Diese Position der konstanten Schwingung der Gefühle Lust-Unlust vertritt Recki auch: „Mit dem Begriff des Erhabenen bezeichnet Kant ein ästhetisches Gefühl, das zwischen Lust und Unlust oszilliert.“ (Recki 2021, S.536). https://doi.org/10.1515/9783110979916-009

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wissen es unmittelbar, weil es uns gegeben wird. Die Materialität unserer Körper und der äußerlichen Empfänglichkeit derselben ermitteln die Gewissheit der sinnlichen Endlichkeit aller Objekte der Erscheinungswelt. Aber wie ist es mit der Unendlichkeit? Wie können wir überhaupt eine Vorstellung davon haben? Kann die Unendlichkeit irgendwie unmittelbar werden? Anders gefragt: Lässt sich die Unendlichkeit darstellen (exponere)? Nein, per principium kann weder das Unendliche noch das Übersinnliche in der endlichen Sinnlichkeit dargestellt werden.Wie stellt sie sich dann in der Tat beim Gefühl des Erhabenen dar? Ist es nicht doch die Unmittelbarkeit des Übersinnlichen? Dies lässt sich mathematisch und dynamisch im Gefühl des Erhabenen darstellen. Beides mit einem Anker an dem, was der Mensch ist: die Vernunft. Die Vernunft, das Vermögen des Übersinnlichen, ist, was uns im Erhabenen dargestellt wird. Ihr Ziel ist sie selbst: ein komplexer Zusammenhang von wechselseitigen Kräften und ihre jeweiligen Vorstellungen, unter denen es welche gibt, die uns unmittelbare Gewissheit geben, nämlich: die wahrnehmbaren Vorstellungen. Das Gefühl des Erhabenen ist eine unmittelbare Vorstellung, welche uns von der Unendlichkeit und Freiheit unserer Vernunft kundig macht. Ein Gefühl, welches sich als Beweis unserer übersinnlichen „Natur“ aus der Sinnlichkeit derselben herauskristallisiert. In der Beurteilung des Erhabenen wird dargestellt, was nichtdarstellbar ist, was aber als Substrat des Subjekts und der Natur vorausgesetzt wird. Die Unmittelbarkeit von etwas, was nicht gegeben werden kann, zeigt sich beim Erhabenen. Der paradoxe Charakter des Subjekts ist nicht nur auf der Ebene seiner Vernunftbegabung und Vernünftigkeit zu suchen, sondern auch in seiner existenziellen Dimension als Lebewesen. Dies bestätigt die These, dass die synthetische Spaltung der Urteilsfunktionen (in die mathematischen und dynamischen) die Gründung der Verknüpfung des Sinnlichen mit dem Übersinnlichen aufstellt. Das Prinzip des Geistes bildet in der KU das Prinzip des Lebens, und das Erhabene als Geistesgefühl etabliert sich – trotz seiner Charakterisierung als ein Gefühl der Hemmung der Lebenskräfte – als ein Gefühl der Bestätigung des endlichen Lebens des Subjekts der Freiheit. Der gesuchte Grund der Einheit des Übersinnlichen ist letztlich dieselbe Vernunft, als Vermögen des Übersinnlichen. Das Gefühl des Erhabenen macht das Übersinnliche sinnlich: die Vernunft. Schließlich möchte ich noch einen wichtigen Aspekt der reinen ästhetischen Erfahrung klarstellen. Denn es gibt zahlreiche Autoren und Autorinnen, die m. E. die begriffliche Restriktion bei der Analyse der ästhetischen Erfahrung völlig missverstehen. Kant sagt, dass die ästhetischen Urteile keine logisch-bestimmenden sind, deshalb benötige die ästhetische Beurteilung keinen Begriff des Objekts. So kann die Einbildungskraft in „freier Tätigkeit“ mit dem Vermögen (Verstand oder Vernunft) interagieren und auf diese Weise kann ein reines

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Wohlgefallen im Gemüt erzeugt werden. Ist ein Begriff als Bestimmungsgrund der Beurteilung beteiligt, dann verliert die ästhetische Erfahrung ihre Reinheit, indem sie eine mit Interesse verbundene ästhetische Erfahrung bildet, die nicht von der bloßen Wahrnehmung zu einem Bewusstsein gebracht wird, sondern vermittelt eine indirekte Vorstellung (Begriff). So lautet Kants Argumentation. Aus dieser Restriktion schließen Kommentatoren und Kommentatorinnen, dass die Objekte der ästhetischen Erfahrung „sinnlos“ oder nicht kategorisierbar seien (Polzer 2015, S.73), als ob bei der ästhetischen Erfahrung plötzlich die transzendentale Struktur des Subjekts verschwunden wäre (Peña Aguado 1995, S. 71– 73) als ob wir überhaupt eine Erfahrung von irgendetwas ohne jene haben könnten, als ob die Einbildungskraft ohne Verstand Einheit stiftet könnte (Schleich 2020, S. 64– 67), als ob wir keinen empirischen Begriff von diesem Gegenstand haben könnten. Was solche Interpreten und Interpretinnen nicht verstehen, ist, dass die begriffliche Restriktion die ästhetische Bestimmung betrifft und nicht den Gegenstand des ästhetischen Urteils (in der Aussage des Urteils: das Subjekt des Satzes), d. h. das Prädikat „schön“ oder „erhaben“. Was in jedem reinen ästhetischen Urteil unbestimmbar bleibt, ist, was Schönheit und was Erhabenheit bedeutet, nicht mehr. Kant liefert eine ästhetische Theorie mit Rücksicht auf unsere Gemütskräfte, aber keine objektiv-konstitutive über die schönen und erhabenen Gegenstände der Natur. Die ästhetischen Prädikate erteilen keine Bestimmung des Gegenstandes. Wenn ich sage, „Diese Blume ist schön.“ und „Diese andere ist nicht schön.“, bestimme ich keine objektive Eigenschaft an den Blumen, die mir helfen könnte, eine von den anderen objektiv zu differenzieren. Dasselbe Kriterium gilt für die schönen Künste. Nur das Ansprechen der Blume auf mein Gemüt kann mir (und nur mir, trotz Anspruch auf allgemeine Mitteilbarkeit) bei der Differenzierung von den Blumen helfen. Wenn ich z. B. sage, „Diese weiße Blume gefällt mir.“ und „Diese rosa Blume gefällt mir nicht.“, habe ich ein objektives Kriterium, um die eine Blume von der anderen zu unterscheiden, nämlich die Farbe. Dies gilt sowohl für mich als auch für jede(n) andere(n), die/der nicht farbenblind oder blind ist. Aber die Bezeichnung der Farbe jener Blumen sagt nichts von ihrer Schönheit. Ich könnte nun die ästhetischen Prädikate weglassen und sagen „Da ist eine rosa Blume.“ und „Dort ist eine weiße Blume.“. Welche Information haben wir dabei verloren? Nur eine subjektive, dass eine Blume mir gefällt und eine andere nicht. Ist das relevant für unsere Erkenntnis der Blumen? Nein. Wenn ich behaupten würde, erstens „Alle weißen Blumen sind schön,weil ihre Farblosigkeit an das göttliche Licht erinnert.“ und zweitens „Da ist eine weiße Blume, sie ist schön.“, dann haben wir einen anderen Fall. Wäre jene subjektive-begründete Behauptung der Bestimmungsgrund des Fällens meines ästhetischen Urteils über jene weiße Blume, dann wäre mein ästhetisches Urteil kein reines, sondern ein mit Interesse verbundenes.

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Diese zwei Perspektiven bilden die begriffliche Restriktion der ästhetischen Beurteilung. Die Tatsache, dass jemand eine empirische Begegnung mit einem als schön oder erhaben beurteilten Objekt hat, kann nicht das Absurdum bedeuten, dass dieses Subjekt dabei seine transzendentale Subjektivität „momentan“ verliert. Ohne die apriorisch kognitiven und moralischen Elemente der menschlichen Vernunft ist keine Erfahrung, weder ästhetisch noch unästhetisch noch irgendeine überhaupt, möglich,² sonst wären die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung keine eigentlichen Bedingungen derselben und ästhetische Gegenstände wären keine erkennbaren Erscheinungen, sondern raum-zeitliche Dinge an sich. Diese Position ist m. E. mit der ersten Kritik nicht kompatibel. Außerdem kann man etwas als schön empfinden und dabei erkennen, was als schön beurteilt wurde, ohne die Schönheit dabei zu bestimmen, wie bei der Aussage, „Da ist eine Blume und sie ist schön.“: „Schön ist, was ohne Begriff als Gegenstand eines notwendigen Wohlgefallens erkannt wird.“ (KU, AA 05: 240).³ In der Kunst mag es sein, dass jemand A z. B. das Gemälde von F. Keller „Gründung der Universität Heidelberg“ (Abbildung 1.) in der Alten Aula dieser Universität als schön empfindet und jemand B nicht, und der letztere dies sogar begründen und sagen kann: „Ich finde es nicht schön, weil auf ihm nicht alle wichtigen Figuren der Universität dargestellt wurden und das Monarchische und Kirchliche eine überwichtige Rolle spielen.“. Die Wahrscheinlichkeit, dass A nach dieser Aussage B einen Mangel an Geschmack vorwirft, ist sehr hoch. Weil A das Gemälde bloß aufgrund der Wahrnehmung als schön empfindet, während B das Gemälde intellektualisiert und dadurch sein Urteil ein privates wird. Kant zufolge kann das Urteil von A weiterhin Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben, das

 Henrich (1992) sieht den erwähnten Punkt auch, indem er erstens sagt, dass die Komplexität der Einbildungskraft aufgrund ihrer verschiedenen Tätigkeiten nicht annulliert wird und zweitens, dass die Weltobjekte-Konstitution der ästhetischen Erfahrung vorausgeht: „The aesthetic state oft he harmonious play is embedded in many other cognitive operations. (1) It is preceded by the constitution of a world of objects. The free performance of imagination accords with (2) the perception of a particular empirical object. (3) The understanding can entertain any knowledge with regard to the object it might possess. It would not disturb the aesthetic situation or contribute to it in any way.“ (Henrich 1992, S. 52).  Ginsborg verteidigt auch diese Position: „Der Klarheit halber sei hier bemerkt: Wenn Kant verneint, daß die allgemeine Gültigkeit eines Schönheitsurteils auf der Anwendung eines Begriffs auf das Objekt beruhe – was ich hier im Anschluß an andere Kommentatoren und Kommentatorinnen die „Nichtbegrifflichkeit“ von Schönheitsurteilen nenne – will er damit nicht ausschließen, daß wir auf Gegenstände, die wir für schön halten, nicht auch Begriffe anwenden. Ich kann das Objekt vor mir als Rose erkennen und es gleichwohl für schön halten. Kant beharrt lediglich darauf, daß ich mich nicht darauf berufen kann, daß es eine Rose ist, wenn ich rechtfertigen will, daß man dieses Objekt für schön halten müsse.“ (Ginsborg 2018, S. 61).

Zusammenfassung

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Urteil von B hingegen nicht mehr. Es mag sein, dass beide sogar diskutieren, ohne zu irgendeiner Übereinstimmung zu gelangen. Aber A hat rein ästhetisch (publike) beurteilt und B nur privat. Wahrscheinlich wird keiner von beiden den anderen überreden können: „Wenn man Objekte bloß nach Begriffen beurteilt, so geht alle Vorstellung der Schönheit verloren. Also kann es auch keine Regel geben, nach der jemand genötigt werden sollte, etwas für schön anzuerkennen.“ (KU, AA 05: 216). Vielleicht kann B durch mittelbare Vorstellungen ermöglichen, dass A einsieht, dass andere Figuren gefehlt haben und dass das Monarchische nicht mehr aktuell ist. Trotz seiner Einsicht jener Tatsache kann A vielleicht dazu sagen, dass, wenn sie/er aber das Gemälde analysieren muss, sie/er leider weder an die fehlenden Figuren der Universität noch an die monarchischen und kirchlichen Symbole denken muss, sondern daran, was die Götter (Athena und Nike) darstellen. Obwohl A B verstehen kann, bleibt ihr/sein reines Urteil frei vom Einwand Bs. Politisch kann sie/er vielleicht – und nur vielleicht – denken, dass das Gemälde nicht mehr als schön beurteilt werden darf. Dies ändert jedoch nichts an seinem Anspruch auf allgemeingültige Mitteilbarkeit ihres/seines schon erwähnten Urteils. Das Gemälde bleibt für ihn ästhetisch, ohne Intellektualisieren und Deutungen, ein schöner Gegenstand der Kunst. Die ästhetische Übereinstimmung der Erkenntniskräfte wird „durch den bloßen inneren Sinn und Empfindung“ bewusst, anders als eine intellektuelle Übereinstimmung, welche „durch das Bewusstsein unserer absichtlichen Tätigkeit“ klar wird, „womit wir jene [die Erkenntniskräfte; Ergänzung von P. Ó. A.] ins Spiel setzen“ (KU, AA 05: 218). Kant versteht das Intellektuelle nicht, wie viele Autoren und Autorinnen denken, als die Elemente und Resultate der ersten Kritik, sondern hier ist das Praktische gemeint. Die Opposition ergibt sich in erster Linie, auf einer Seite, aus dem, was das untere (sinnliche/ das Angenehme) und das obere (intellektuelle/ das Gute) Begehrungsvermögen bei der ästhetischen Erfahrung zu sagen haben, und dem, was das Vermögen des Gefühls der Lust und Unlust, regiert von seinem eigenen heautonemen Prinzip (das Schöne und das Erhabene), zu sagen hat. Die reine freie Tätigkeit der Einbildungskraft mit der Gesetzmäßigkeit der Vernunft (beim Erhabenen) oder des Verstandes (beim Schönen) ist das, was das reine ästhetische Wohlgefallen erzeugt. Allein die Freiheit der Einbildungskraft bildet weder für die Schönheit noch für die Erhabenheit eine zureichende Bedingung. Es ist die Zweckmäßigkeit beider Vermögensarten, welche hinsichtlich der Wahrnehmung eines Gegenstandes ohne Bestimmung desselben die ästhetische Erfahrung ausmacht. Jedoch benötigt jede Wahrnehmung die Konstitution der Gegenstände, ohne diese gibt es keine Erfahrung. Die Konstitution des Gegenstandes als etwas Wahrnehmbares betrifft nicht die begriffliche Restriktion. Die letzte hat nur mit dem Bestimmungsgrund des Wohlgefallens und nichts mit der Konstitution des Gegenstandes zu tun. Ich bin der Ansicht, dass alles sinnliche Mannigfaltige nur durch die

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Zusammenfassung

synthetisierende Spontaneität des Subjekts (transzendentale Apperzeption) zu einer bewussten Vorstellung werden kann, welche sich nur als bewusst bezeichnen kann, sofern sie die Form eines Urteils annehmen kann.Wäre dies nicht der Fall, dann gäbe es keine bewusste Vorstellung, also nichts Vorstellbares für ein einheitliches Selbstbewusstsein, d. i. kein Objekt.⁴ Damit das Wohlgefallen rein bleibt, darf dieses weder von einem Begriff noch von einer Empfindung bestimmt werden. Aber ohne Empfindung und ohne Begriffe als synthetische einheitliche Funktionen des Denkens gibt es keine Gegenstände für unser Bewusstsein, somit ist m. E. eine Interpretation der Ästhetik Kants ohne Rücksicht auf das Transzendentale und auf die Totalität seines Systems keine kantische.

Abbildung 1: Gründung der Universität Heidelberg von Ferdinand Keller (1842 – 1922), fotografiert von Oliver Fink.

 In diese Richtung argumentiert, jedoch im Kontext der zweiten Auflage der ersten Kritik, Torreti: „El acto que opera la referencia de lo múltiple de las representaciones a la unidad de esa autoconciencia virtual única (a la „unidad trascendental de la apercepción“) es, según el §19 de la segunda edición, el acto de juicio. En consecuencia, todas mis representaciones tienen que dejarse enlazar en actos de juicio, y los productos de estos enlaces, o sea los objetos y las situaciones y procesos objetivos que enfrentamos en nuestra experiencia, tienen que dejarse concebir generalmente por las mismas nociones que traducen las reglas más universales de la actividad de juzgar y expresan así las condiciones de la combinabilidad de lo múltiple representado en una sola conciencia autoconciente.“ (Torreti 2005, S. 520 – 521).

Literaturverzeichnis I Werke Immanuel Kants Kant, Immanuel: Gesammelte Schriften Hrsg.: Bd. 1 – 22 Preußische Akademie der Wissenschaften, Bd. 23 Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd. 24 Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Berlin 1900 ff.

Siglenverzeichnis der in dieser Arbeit zitierten Schriften Kants AA: Br: EEKU: GMS: HN: KpV: KrV: KU: Log: MAN: MS: Prol: Refl: RGV: Vorl: V-Met/Dohna: V-Met-L1/Pö litz: WDO:

Akademie-Ausgabe Briefe (AA 10 – 13) Erste Einleitung in die Kritik der Urteilskraft (AA 20) Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (AA 04) Handschriftlicher Nachlass (AA 14 – 23) Kritik der praktischen Vernunft (AA 05) Kritik der reinen Vernunft (zu zitieren nach Originalpaginierung A/B) Kritik der Urteilskraft (AA 05) Logik (AA 09) Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaften (AA 04) Die Metaphysik der Sitten (AA 06) Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik (AA 04) Reflexion (AA 14 – 19) Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (AA 06) Vorlesungen (AA 24 ff.) Vorlesungen Wintersemester 1792/1793 Metaphysik Dohna (AA 28) Kant Metaphysik L 1 (Pölitz) (Mitte 1770er) (AA 28) Was heißt: Sich im Denken orientiren? (AA 08)

Andere Werke: Die philosophischen Haupt- Vorlesungen Immanuel Kants: nach den neu aufgefundenen Kollegheften des Grafen Heinrich zu Dohna- Wundlacken (1924): Edition von Arnold Kowalewski. München und Leipzig: Rösl & Cie.¹ Metafi´sica Dohna (2007): Übersetzung von Mario Caimi. Salamanca: Ediciones Sígueme, S.A. Lectures on Metaphysic (1997): Übersetzung von Karl Ameriks und Steve Naragon Cambridge: Cambridge University Press.

 Diese Vorlesung konnte ich nicht nach der Akademie-Ausgabe zitieren, weil ich sie in keinem Band gefunden habe und soweit es mir bekannt ist, sie noch nicht in der Edition der AA hinzugefügt wurde. https://doi.org/10.1515/9783110979916-010

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Literaturverzeichnis

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Sachregister Achtung 15, 31 f., 41, 83, 96, 99, 104, 119 f., 127 f., 133, 137, 158 – 162, 164, 167, 177 f., 203 f., 206, 211, 222 Affekt 1, 31, 130, 160 Affektion 2, 49, 54 – 56, 78, 118 Affinität 13, 39, 154, 183 Aggregation 71, 81 f., 118, 123 Akzidenz 72, 75 Allgemeinheit 21, 29, 92, 97, 154 Anagnorisis 3 Analogie (n) (der Erfahrung) 39, 72 – 77, 79, 135, 137 f., 144, 170, 180, 182, 187, 206, 220 Angenehme, das 88 f., 93 f., 110, 113, 204, 231 Anschauung 2, 5, 26 – 28, 32, 37, 40, 46 – 49, 53 – 56, 58 – 60, 62 – 67, 71 – 75, 78 f., 81, 83, 93, 96, 99 f., 102, 106 f., 111, 113 f., 118 – 129, 135 f., 139, 147, 156 f., 170, 179, 188, 201, 215 – 218, 220 Antinomie 20, 45, 70, 75, 77, 151, 165, 167, 174, 186 f., 212 apodiktisch 15, 72, 154, 168, 170 A posteriori 51, 56, 145, 199 Apperzeption 2 f., 42, 51, 55, 59 – 63, 65, 69, 78, 126, 133, 138, 217, 220, 224, 232 Apprehendierbarkeit 62 Apprehension 56, 58 – 60, 62 – 65, 68 f., 118, 123 A priori 5, 12 f., 15, 17, 37, 51, 55 – 57, 62 – 66, 69 f., 72, 74, 77 – 80, 86 – 92, 101 f., 110, 114, 118, 121 f., 133, 135, 138 f., 142 f., 145 – 148, 152, 161, 166, 172, 174, 178, 180, 186, 189 f., 197 – 200, 202, 215, 220, 222 f. Apriorität 86, 100 Artikulierung (reflexive, ästhetische) 21, 47 f., 89, 108, 111, 117, 124, 139 f., 161 Assoziationsgesetz 133 Ästhetik 1 f., 13, 20 – 23, 25, 45, 84, 90, 102, 112, 115, 122, 135, 137, 139, 152, 193 f., 202, 205, 210, 216, 221, 232 Ästhetisierung 227 https://doi.org/10.1515/9783110979916-011

Ästhetizität 61 Auffassung 2, 17, 23, 27, 39, 48, 58 f., 81 f., 98 f., 107, 113, 120 f., 129, 170, 172, 181 f., 190 Äußerlichkeit 6, 201, 223, 225 Autonom 23, 57, 62, 79, 159, 163, 172, 174 Autonomie 11, 15, 40, 159 f., 174, 205 Axiome 71, 75 f., 79, 118, 175 Bedingte, das 10, 38, 67, 70, 81, 83, 145, 147 f., 151, 156, 164 f., 167, 171, 184 – 186, 206, 208 Bedingung 5 f., 13, 15 f., 28, 38, 42, 47 f., 52, 55, 60, 62 – 66, 71, 73, 86 f., 90 f., 94, 100, 105, 112, 119, 121, 125 f., 133, 136, 138, 142 – 145, 147 – 152, 156, 159, 162 f., 165, 167, 173, 176, 180 f., 184 f., 198 f., 204, 206, 208, 211, 214, 216 f., 221 f., 224, 230 f. Begehrungsvermögen (unteres, oberes) 5, 7, 12, 14, 21, 25, 33, 36, 78 – 81, 88, 94, 103, 127 f., 131 – 135, 160, 163, 187, 189, 202, 219, 231 Begriff 4, 13, 15, 17 f., 20, 22, 27 – 30, 34 f., 37 – 39, 41 f., 45 – 49, 51, 53 – 56, 59 f., 62, 64, 67 f., 71, 73 – 77, 82 f., 87 – 91, 93 – 95, 97, 99 f., 104 – 108, 113 – 115, 118 – 121, 124 – 126, 130, 133 – 136, 142 f., 146 – 154, 157 – 161, 165 f., 168, 170, 172 – 176, 178 – 180, 185 f., 188, 191, 194 f., 197 – 200, 203 f., 212 f., 215 – 220, 223 – 225, 227 – 232 Bestimmende, das 34 f., 40 f., 79, 81, 87, 93, 95, 101, 106 f., 119 f., 149, 172, 174, 213, 218, 228 Bestimmung (übersinnliche) 2 – 4, 15, 21, 26, 28 – 30, 32 – 34, 38, 40, 47, 51 f., 56, 59 f., 64, 66 f., 69, 72, 75 f., 79, 82, 88 f., 96 – 98, 102, 104, 110, 113 f., 118, 122 f., 125 f., 130, 132 f., 135, 139 f., 148, 159 – 162, 164, 174, 182, 187, 189, 197, 203, 217, 222, 224 f., 229, 231

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Sachregister

Beurteilung 1 – 3, 17, 21, 24, 27 – 29, 31, 33 f., 39, 42 – 47, 60 f., 68, 78 – 80, 82 – 85, 87, 92 – 95, 97 – 99, 101, 103, 107 f., 113 f., 116, 120, 122, 124 f., 128 – 136, 148, 157, 174, 176, 189 f., 192 – 194, 201 f., 212, 220 – 222, 224 f., 227 – 230 Beweis 3, 7, 17, 32, 41, 75, 91, 104 f., 154, 170 f., 197, 200, 226, 228 Bewusstsein 2, 4, 7 f., 15, 31, 33, 51, 53, 55, 58, 60, 62 f., 69, 76, 80, 94 – 96, 104, 109, 118, 126, 132, 136, 138, 159, 182, 191, 206, 217 – 219, 224, 229, 231 f. cognitio 29, 50, 53 compositio 26, 46, 71, 123 comprehensio (aesthetica, lógica) 81, 107, 120, 193 conceptus (ratiocinati, ratiocinantes) 53 f., 120, 148, 151, 224 conjunctio 26, 46 Darstellbare, das 83, 185 Darstellbarkeit 42, 82, 184, 209 Darstellung 6, 19, 28, 30, 33, 82, 86, 93, 96, 98 f., 106 f., 109, 113, 116 f., 121, 123, 125 – 127, 129 f., 134, 140, 156, 166, 191, 203, 209, 220, 222 f. Dasein 9, 15, 72 f., 79, 84, 89, 135 f., 138 f., 166, 170 f., 206, 218 Deduktion der Kategorien (D. d. reinen Verstandesbegriffe) A und B 57, 60 f., 66, 121, 170, 175, 220 Deduktion des Erhabenen 2, 45, 125, 188, 220 Deduktion des Schönen (D. des Geschmacksurteils) 94, 99, 124, 125 Dialektik (der Vernunft) 13, 15, 20, 24, 41 – 45, 75, 145, 148, 161, 165, 167, 185 – 188, 199, 207, 220 f. dialektisch 67, 75, 146, 148 f., 151, 187 f., 200, 220, 227 Dichotomie 37, 46, 68, 70, 75 f., 107, 142, 224 Doktrin 7, 9, 37, 63, 66, 76, 104, 119, 124, 142, 169 f., 175 f., 197, 199, 211, 220, 225

Dualität (scheinbare D.) 3 f., 6 – 10, 17, 21, 24 – 26, 62, 70, 86, 102, 116, 142, 163, 183 f., 202, 227 Dynamik 135 f., 170, 227 dynamisch 3 – 7, 17, 19, 21, 24 – 27, 30 – 33, 40 f., 44, 46 f., 61, 68, 70, 72 – 81, 83 – 86, 102, 104, 107 f., 111, 117, 119, 127 f., 130 – 132, 134 – 141, 157, 162, 164 – 168, 170, 184, 187, 191, 195, 202 – 212, 214 f., 220 – 223, 225, 227 f. Eigentümlichkeit 29, 43, 47 f., 50, 71, 87, 108, 163, 174, 203, 214 f., 218, 225 Einbildungskraft 1, 4 f., 9, 21, 24 f., 27 – 33, 40 f., 45 – 48, 52, 57, 59 – 65, 68 f., 78, 80 – 86, 93 – 99, 102 f., 106 – 109, 114 – 116, 118 – 120, 122 – 134, 140, 142, 157, 191 – 193, 203, 217, 220, 222 f., 227 – 231 Einheit (der Vernunft, des Verstanes, des Erhabe, kollektiv-artikulierende E., telelogische E., systematische E.) 1 – 3, 6, 8 – 14, 16 f., 28, 31, 35, 37, 42 f., 49, 51, 55 f., 58 – 61, 63 f., 67 – 69, 82, 111, 120 f., 123, 126, 129, 133, 138, 141 – 143, 147, 149 – 154, 156 f., 164 f., 168 – 170, 172 – 175, 177 – 185, 199, 202, 212, 215, 217, 220, 224, 226, 228 f. Einstimmung 113 f., 120, 126, 225 Endlichkeit 7, 9, 11, 19, 33, 78, 201 f., 212, 214, 224, 228 Endzweck 80, 88, 166, 168, 172, 181, 189, 206 – 209 Energeia 38 Entelechia 38 Erfahrung 2, 4 f., 9, 11, 14 – 16, 20 f., 34, 37, 41, 44, 46 – 49, 57, 61, 65 – 67, 70, 72 – 74, 76 – 80, 82 f., 85, 89, 91, 103, 105, 109 f., 116, 118 f., 121 f., 124, 126 f., 131, 133, 135 – 140, 143, 146 – 150, 152, 154, 158 f., 169 f., 173 – 175, 185 f., 191, 193, 197, 199 – 202, 205 f., 208 f., 211 f., 215 – 217, 219 f., 222 – 225, 227 – 231 Erhabene (mathematisches, dynamisches) 1 – 8, 16 – 34, 39 – 49, 53, 57, 60 f., 65, 68, 70, 77 – 88, 90, 92 – 119, 121 – 132, 134 – 137, 139 – 142, 152, 156 – 158, 160 –

Sachregister

163, 173, 183 – 186, 188 – 195, 201 – 212, 214 f., 220 – 229, 231 Erhabenheit 19, 22 f., 78, 101, 104 f., 113 f., 134, 137, 163 f., 192, 194 f., 201, 203 f., 206, 229, 231 Erkenntnis 9, 13, 15, 25, 29, 31, 36, 42 f., 47 – 51, 53 f., 57 f., 62 f., 65 f., 69 f., 74, 79, 88 – 95, 97, 100, 105 f., 112 f., 115, 120 f., 142 – 148, 151 – 155, 157, 163 f., 170 – 172, 174 – 177, 180, 185 f., 196, 198 – 202, 215 – 219, 229 Erkenntniskräfte 2, 7, 12 f., 25, 33, 36, 57, 69, 80, 89 f., 92, 102, 119, 125, 127, 131, 152, 170, 179, 181, 189 – 192, 197, 231 Erkenntnisvermögen 5, 7, 12, 21, 33, 35 f., 48, 78 f., 81, 88, 91, 109, 112 f., 115, 124, 135, 137, 142, 173, 185 – 187, 191, 195, 197 f., 202 Erscheinung 1 f., 6 f., 9, 12 f., 21, 28 – 30, 32, 45, 49, 51, 56, 62, 66, 71 – 74, 77 f., 81 – 83, 96 f., 106, 117 f., 121 – 123, 126, 128, 130, 133, 135 f., 138 f., 146 – 148, 151 – 154, 156, 159, 165, 169, 171, 185 – 187, 189 f., 201, 203, 213, 218, 220, 222 f., 225, 230 Evidenz 70, 79, 118, 155 Existenz 5, 18, 26, 31, 33, 69, 72, 78 – 80, 84 f., 89, 94, 114 f., 124, 132 f., 138, 151, 164, 167, 170, 191, 200, 204, 208 Finalismus 187 focus imaginarius 11, 153, 156 Form 2, 5, 7 f., 10, 13, 17, 19, 29, 35, 37 f., 42 f., 45 f., 48, 56, 63 – 66, 71, 76, 78, 89 – 95, 97 – 99, 101, 103, 107, 113 – 115, 125, 127, 133 – 135, 138 f., 143 f., 146, 148, 157, 160, 165 f., 168, 179 – 182, 185, 188 – 193, 199, 201 – 206, 211, 215, 217, 219, 221, 223, 225, 232 Formlosigkeit, formlos 1 f., 96, 111, 114, 125, 134, 157, 189, 194, 207, 223 Freiheit 6, 10 – 17, 21, 24, 26, 29, 33, 35 – 38, 44 f., 67, 75, 77 f., 84 – 87, 96, 98, 103 f., 108, 114 f., 121, 125, 130, 132 – 134, 139 – 142, 158 f., 163 f., 166 – 169, 171, 174 f., 177, 181 f., 184, 186 – 188,

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191, 194, 197, 205 – 209, 212 – 215, 218 f., 223, 225, 228, 231 Freiheitsbegriff 10, 12, 34 f., 37, 103, 114, 174, 178, 213 Funktion 26, 49 f., 56, 58, 60 f., 65, 72, 145, 147, 166 f., 173, 178, 181 f., 196, 217, 232 Ganzheit 6, 42, 82 f., 175, 188 Gebiet (der Natur und der Freiheit) 1, 4, 6, 10 – 17, 26, 34 – 36, 39 f., 91, 99, 103, 129 f., 152, 171, 178, 197, 209, 218 f. Gebrauch (logischer, theoretischer, praktischer, spekulativer, transzendentaler, transzendenter, hypothetischer) 6 f., 9 f., 12 – 14, 16, 34 f., 41, 47 f., 64, 68, 70, 74 – 77, 79, 81, 86, 90, 100, 110 f., 114 f., 119, 141 – 151, 153 – 155, 157 f., 167 f., 174 f., 177 – 182, 184 – 187, 191, 195, 197, 202, 220, 222 – 225 Gefühl (gemischtes, moralisches, reines) 1 – 8, 12, 15 – 17, 19 – 22, 24 f., 27 – 34, 36, 40, 42, 44, 47, 53, 81, 84 – 89, 91 – 102, 104 f., 107 – 117, 122 f., 125 – 128, 130, 135, 137, 139 f., 156 – 158, 160 – 162, 167, 173, 178, 183 f., 186, 188 – 190, 192, 201, 203 – 209, 211, 214 f., 220 – 228, 231 Gegenkraft 84, 162 Gegenstand 5, 28, 43, 47, 49, 51, 53, 55, 60, 62 f., 67, 71 f., 75, 84, 88 – 90, 92 – 97, 99, 106 – 108, 110 – 114, 116, 118 f., 122, 124 – 127, 129 – 131, 133 f., 136, 138 f., 143, 146, 148, 150 – 155, 165 – 167, 170, 173, 179, 187, 190, 194, 198 f., 215 f., 221 – 223, 229 – 231 Geist 85, 104 – 106, 114, 135, 140, 188, 213, 228 Geistesgefühl 45, 86, 102, 104 – 106, 114, 116, 190, 228 Gemüt 3, 9, 12, 28, 31, 40, 54 f., 58, 60, 82, 88 f., 96, 99, 104, 108 f., 112 – 116, 119, 122 – 127, 129, 156, 174, 186 – 188, 192, 201, 203, 211, 217, 219, 222, 224, 229 Gemütskräfte 9, 28, 42, 95, 103, 105, 112, 129, 143, 153, 229 Genie 42 f., 45, 106 – 108 Gesetz 10, 13 – 15, 21, 28, 35, 37, 40, 73, 87, 91, 96 f., 103, 115 f., 122 f., 128, 133,

246

Sachregister

138, 154 f., 158 – 164, 166 – 168, 172 f., 177 f., 181, 198, 206, 211, 214 f., 219, 221 Gewalt 28, 83 f., 103, 108, 130 f., 139 f., 208 Gewissheit 14, 63, 65, 69 – 74, 100 f., 118, 175, 184, 212, 228 gleichartig 5, 13, 17, 26, 46, 50, 61, 64 f., 70 – 74, 78, 81 – 83, 85, 107, 117 – 119, 215 Gleichartigkeit 13, 154 Glückseligkeit 6, 16, 163, 165 – 168, 177 f., 202, 206, 208, 220 Gott 13, 15 f., 67, 151, 158, 162, 166 – 168, 178, 185, 200 Grenzerfahrung 42, 212, 225 Größe 3, 7, 20, 28, 30, 32, 41, 65, 71 f., 81, 83 f., 86, 96, 105, 109, 115, 117 – 124, 126 – 128, 130 – 132, 134, 156 f., 191, 223 Größenschätzung 81, 96 f., 106, 116, 119 – 124, 128, 136, 186, 190 Grundsatz (der Vernunft) 9, 13, 72 f., 138 f., 148, 164, 185, 199 Grundsätze (des Verstandes) 4, 8, 26, 32, 40, 46, 48, 65 f., 70 – 73, 75 f., 78 f., 84, 118, 124, 145 f., 148, 154 f., 170, 175 Gut, das (höchste) 6, 14 – 16, 93 f., 128 f., 158, 162, 165 – 168, 177 f., 181, 206, 216, 220 Gute, das 89, 110, 113, 204, 211, 214, 231 Handlung 11, 14, 35 f., 40, 44, 48 – 52, 55, 60, 80, 89, 112 f., 119, 133, 157 – 162, 172, 178, 180, 197, 209, 212 – 214, 217 – 219 heautonom 79, 172, 174 Heautonomie 87, 174 heterogen 16, 26 f., 33, 46, 73, 152, 202, 214 Heteronomie 163, 166 homogen 26 f., 32, 46, 71, 73, 82, 202 idea Idee

19 f., 52, 76, 188, 192 f., 204 f., 212 2, 6, 8 f., 11, 14 – 16, 20 f., 24, 26, 28 – 35, 39, 41 – 43, 48, 50, 62, 67, 77 f., 82 f., 85, 93, 95 – 100, 103 – 111, 114 f., 121 – 123, 125, 127 – 129, 131, 133 f., 137, 139 f., 142 f., 147 – 151, 153 – 156, 158 f., 162, 164 – 170, 172, 177 – 182, 185 – 188,

190, 192 f., 195, 198 f., 201, 207 f., 210, 212, 218, 222, 225, 227 Innerlichkeit 223, 225 intuitus 53 f. Kategorien (dynamische, mathematische) 4, 26, 32, 40, 42 f., 46, 49, 51, 53, 56, 58 – 60, 63 f., 66 – 70, 72 – 74, 76, 78, 80, 110 f., 119, 122, 135, 138, 146, 149, 164, 170, 175, 199, 215 – 217, 220 Kausalität (mechanische K., der Natur und der Freiheit) 7, 14, 39, 73, 75, 113, 149, 151, 158 f., 164, 171, 179, 199, 213 Kluft 8, 10, 12, 34 f., 142, 163 Koalition 71, 81, 83 Kohärentismus 53 konstitutiv 13, 16, 26, 39, 48, 52, 72, 74 – 78, 91, 147, 149, 151, 154 f., 157 f., 170, 172, 174, 180, 229 Konzeptualismus (und Non-Konzeptualismus) 53 Kosmologie 150, 196 f., 200 Kosmos 82, 156 Kraft 12, 18, 21, 55, 79, 84 f., 96, 112, 131, 133, 135 – 137, 139, 153, 161, 202 f., 207, 211, 214 f., 217 f. Kultur 29, 91, 97, 99, 101, 137, 140, 203, 207 – 209, 213 Kunst 22, 42 f., 45, 99, 106 f., 114, 133, 188, 209 f., 230 f. Kunstwerk 20, 24, 213 Leben 7, 16, 33, 39, 76, 79 f., 98, 104 f., 112 f., 131, 134, 136 – 140, 163, 172 f., 178, 190, 208, 212, 225, 228 Lebendige, das 5, 7, 33, 38, 80, 104 f., 131, 134 – 136, 138 f., 163, 171, 215, 224 Lebenskraft 203, 214 Lebewesen (moralisches) 33, 79, 134, 138, 163, 228 Lust 3, 6, 12, 20 f., 23 f., 27 f., 36, 40, 42, 47, 83, 86 – 89, 91 – 102, 105, 109 – 116, 123, 129, 135, 139 f., 161, 173, 186, 189 f., 204, 222 f., 225, 227, 231 Macht 3, 6 f., 15, 26, 28, 30 – 32, 41, 51, 62, 78 f., 83 f., 86, 88, 90, 96 f., 109, 115,

Sachregister

118, 121 – 124, 126, 129 – 135, 138, 140, 142, 147, 149, 156, 161, 164, 173, 177, 179 f., 184, 192, 197, 203, 206, 209, 218, 220, 223, 228 Mannigfaltigkeit 7, 32, 48 – 50, 58 – 60, 66, 69, 71, 91, 102, 154, 172 f., 181, 215, 217 Materie 5, 7, 17, 74, 77, 79, 85, 135 f., 138 f., 144, 153, 166, 199 f., 219, 225 Mathematik 13, 37, 118, 170, 175, 198 Mechanismus 153, 159, 187 metaphysica specialis 13, 151 Metaphysik 10, 13, 25, 38, 63, 77, 79 f., 112, 141, 158 f., 166, 177, 184, 186, 195 – 203, 209, 211, 218 f., 233 Mitteilbarkeit 29, 40, 94 f., 209, 229, 231 Mittelbarkeit 72 f., 83, 107, 144 Modalität 21, 27, 32, 70, 72 – 74, 76, 83, 98, 100, 110 f., 135, 140, 146, 214 Modus, Modi 127, 140, 145, 202 f., 223 Moral 11, 15 f., 20, 25, 34, 36, 44, 61, 66, 75, 84, 129, 158, 162 – 165, 168, 191, 195, 197, 202 – 206, 208 – 212, 214, 218 f. Moralgesetze 178 Moralität 16, 24, 80, 128, 140, 158, 160, 163, 168, 177, 197, 204 f. Natur 1 – 3, 5 – 7, 10 – 17, 19 – 26, 28 – 33, 35 – 39, 41 – 43, 45, 50, 67, 72, 77, 83 – 85, 87 f., 90 f., 96 f., 99 – 101, 103, 105 f., 109 – 111, 114 – 116, 121 – 125, 127, 129 – 133, 137, 139 – 142, 145, 147, 149 – 156, 158 f., 163 f., 167 – 182, 184 – 195, 197 – 201, 203, 205 – 209, 213, 215, 218 – 220, 222 – 225, 228 f. Naturbegriff 10, 12, 30, 34 f., 91, 103, 114, 174, 213 Naturgesetz 12, 14, 169, 178, 182, 197, 213 Negation 33, 39, 43, 71, 105, 109, 123, 126, 134, 157, 189, 191, 224 f. nexus 26, 46, 72 – 74, 104, 135 Nichtsein 73 Nichtsinnliche 77 f. notio 39, 52, 67, 76, 175, 195, 217, 227 Notwendigkeit 2, 21, 58, 73, 75 f., 78, 84 f., 92, 99 – 101, 105, 138, 140, 154, 161, 163, 170 – 172, 187, 214, 216 Noumena 9, 17, 66, 146, 188, 199

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Noumenal 5, 10, 31, 186, 188, 213 Numera identica (Einheit) 51 Objekt 2, 4 f., 7, 9, 13, 15, 17, 19 – 21, 24 – 33, 35 f., 38, 40 – 49, 51 f., 54 – 59, 62, 64 – 67, 72 f., 75 f., 78 – 85, 87, 89, 91 – 94, 96 – 106, 108 f., 111 – 113, 115, 121 – 126, 132 f., 135, 137, 145, 148, 150 – 153, 157 – 159, 161 f., 164, 166 f., 170, 172, 174, 176, 179, 181 – 185, 189, 191, 194, 196, 199 – 201, 204, 206 f., 215 – 217, 219, 221 – 223, 228 – 232 Objektivierung 84, 137, 151 Offenbarung 44, 84 Ontologie 196 f., 199 Ontometaphysisch 77, 104 f. Ontophysisch 77, 104 Organismus 180, 182, 214 Paradoxon 38, 202 Paradox (paradoxal) 3, 6 f., 17, 105, 115, 140, 148, 189, 220, 223 f., 226, 228 perceptio 29, 52 f., 230 Person 19, 31, 131, 162 f., 204, 211 Persönlichkeit 162 – 164, 166 Perzeption 53, 63 Pflicht 15, 96, 160 – 163, 167, 178, 203, 210 f., 219 Phänomen 2, 39, 82, 108, 123, 134, 139, 220 f. Postulat 15, 72 – 77, 79, 135, 140, 146, 166, 187 f., 216 Privat 20, 94, 163, 223, 230 f. Produkt 45, 63 f., 106 f., 133, 147, 150, 187, 198, 214 Psychologie 76, 101, 150, 196 f., 199 publike 88, 231 Qualität 27, 32 f., 51, 70, 74, 81, 84, 87, 96, 98, 110 f., 116, 127 Quantität 27, 32 f., 51, 70 f., 74, 81, 83, 98, 110 f., 118, 127 Quantum 28, 71 f., 81, 117 Raum 22, 51, 56, 59, 62 – 64, 69, 73, 118, 123, 135 f., 138, 156, 171, 175, 194, 212, 217, 230

248

Sachregister

Reale, das 1, 71, 74, 80, 87, 118, 156, 179, 187, 198, 206, 225 Realität 14 f., 71, 118, 122 f., 148 f., 151, 153 f., 166, 168, 179 Reflexion 8, 48, 54 f., 82, 110, 113 f., 119, 122, 132, 134 f., 157, 168, 174, 190, 221, 224, 233 Reflexionsurteil 92, 119, 126 Regel 6, 45, 70, 72 f., 88, 93, 102, 107, 121, 133, 138 f., 144 f., 147, 151, 154, 158, 168, 180, 188, 204, 219, 231 Regulativ 6, 13 f., 16, 26, 39, 48, 52, 67, 73 – 78, 91, 147, 149, 151, 154 – 156, 158, 170, 172, 180, 185, 187, 199 Rekognition 60, 107, 109 Relation 27, 29, 32 f., 61, 66, 70, 72 – 75, 83, 110 f., 135, 138, 223 repraesentatio (repraesentare) 52 f. Reproduktion 59 f., 64, 68 f., 121, 129, 196 Resonanz 23, 158, 191 f., 221 Rezeptivität 49, 56, 58 f., 62, 78, 218 f. Schein (transzendentaler, ästhetischer) 11, 16, 24, 41 f., 78, 101 f., 124, 161, 171, 173 f., 177, 187, 189, 214 Schema 55, 64, 67, 118 f., 123, 133, 140 Schematismus 63 – 66, 124, 133 Schöne, schön 1 f., 5, 7, 17, 19 f., 23 f., 27 – 30, 39, 42 f., 45, 47 f., 53, 79, 84, 86 – 88, 90, 92 – 95, 97 – 104, 107 f., 110, 112 – 115, 125 – 128, 137, 152, 157, 172 f., 189 f., 192, 194, 204 – 207, 210, 223, 227, 229, 231 Schönheit 23, 42, 45, 48, 101, 114, 130, 133, 152, 190, 194, 229 – 231 „Schön-Sein“ 43 Seele (Seelenstärke) 13, 15 f., 20, 67, 104, 127, 132 f., 151, 162, 166 – 168, 185 Selbstbewusstsein 42 f., 51, 55, 59, 138, 220, 232 sensatio 29, 53 Sinn (innere, äußere) 3 f., 6, 9, 13 f., 28, 31, 38 f., 46, 50 f., 53, 55 f., 67, 79, 97, 109 f., 118, 122, 124, 126 f., 133, 136, 138 f., 142 f., 159, 180, 186, 189, 199 f., 214, 216, 223 – 225, 231

Sinnliche, das 2 f., 5 – 10, 14, 17, 20, 27 – 29, 31 – 38, 46, 48 – 50, 55 f., 58, 63 f., 66 – 68, 73, 76, 78, 82 – 84, 96 – 99, 102, 108 – 111, 114 – 116, 119, 121, 123 f., 126, 129, 131, 134, 136, 156, 159 f., 164 f., 167, 169, 178, 186, 189, 192, 194, 202, 207, 212, 214, 223 – 225, 227 f., 231 Sinnlichkeit 9, 29, 31 f., 38 f., 46, 48 – 51, 54 – 56, 58 f., 62 – 64, 67 – 69, 78 f., 82 f., 85, 96, 103, 108, 116, 123 f., 129, 134, 136, 139 f., 142, 156 f., 160 f., 163, 192, 202, 206, 208, 215, 218 – 220, 223, 228 Sittengesetz 14 f., 21, 90, 159, 161 f., 166, 169, 178, 182, 197, 203, 206 Sittlichkeit 1, 16, 31, 108, 140, 159, 162, 164 f., 167 f., 177 f., 181, 188, 202, 205 f., 210, 220 Spezifikation 13, 154, 180, 183 Spontaneität 5, 46, 49, 51 f., 54 – 56, 58 f., 62, 65 f., 68 f., 125, 127, 133 f., 139 f., 159, 171, 214 f., 217 – 219, 232 Stimmung (mathematische und dynamische) 4 f., 25, 27, 34, 40 f., 68, 78, 80 f., 87, 97, 107, 119, 127 f., 130 f., 192 Subjekt 1 – 5, 7, 9 f., 13, 16 – 18, 20 f., 27 – 35, 39 – 43, 46 f., 49, 52 – 57, 62, 64, 66 – 69, 75, 78 – 80, 82 – 85, 87 – 89, 92 – 96, 99 – 103, 105 f., 108 f., 112 – 114, 116, 121, 124, 126 – 128, 132 – 135, 137, 139 f., 142 – 144, 149 – 152, 157, 160, 163, 167, 169, 171, 175, 182, 184, 192, 201, 203 f., 207, 214, 216 – 220, 222 – 225, 228 – 230, 232 Subreption 2, 4, 32, 34, 36, 41 – 45, 99, 125, 131, 137, 182 f., 222 f. Subreptive (r Charackter) 24, 42, 45, 111, 188, 201 Substanz 38, 42, 72 f., 75, 135, 153 Substrat (übersinnliche) 4, 7, 11, 31, 121, 186 – 188, 192, 195, 201, 223, 228 Synthesis (figürliche, intellektuelle, gleichartig, ungleichartig, heterogen, homogen, mathematische, dynamische) 46, 55, 58 – 61, 69, 72 f., 75, 149 f., 164, 201 f., 217, 220

Sachregister

System 6, 8 – 10, 12 – 15, 17, 24, 26, 35, 39, 46, 57, 73, 77, 103, 129, 139, 142 f., 147, 149, 151, 155, 158, 162 – 165, 168 – 170, 172, 175 – 177, 180, 182, 185, 188, 190, 196 – 200, 206, 217 f., 232 Systematizität 189, 198 Teleologie, teleologisch 1, 69, 80, 141, 152, 172, 183 f., 187 f., 190 f., 194, 206 f., 209, 224 Telosdrang 189, 194 Theologie 150, 196 f., 200 Totalität 6, 21, 32, 43, 67, 78 f., 82 – 84, 98, 103, 109, 111 f., 120, 122 – 124, 127, 131, 147, 149 – 151, 155 – 157, 165 – 167, 177, 184 – 186, 188, 195, 201, 211 f., 214, 222, 232 Transzendent 13, 41, 75, 147 f., 155, 158, 164, 185 f., 195, 197 – 199, 201 f., 223 Transzendental 2 f., 5 – 7, 9, 13, 16 f., 20 f., 26 f., 32 f., 37, 41 f., 47 f., 51 f., 55, 57, 60 – 66, 69, 76 f., 79 f., 84 – 86, 89 – 92, 98, 100 f., 104, 109, 112, 118 f., 126, 132 f., 137 f., 142 f., 145 – 151, 155 f., 170 – 172, 174, 177, 185, 193 f., 197, 199 f., 204, 212 f., 215 f., 219 – 221, 224 f., 229 f., 232 Tugend 121, 128, 165 – 167, 177 Übereinstimmung 1, 7, 16, 21, 34 f., 39 f., 69, 95, 97, 103, 112 f., 116, 123, 134, 144, 152, 161, 169, 176, 181, 188, 215 f., 231 Übergang 4, 6, 8, 10 – 13, 17, 24, 26 f., 33 – 36, 39, 55, 61, 79 f., 92, 159, 178, 183, 191, 207 Übersinnliche, das 3, 6 – 8, 10, 12, 17, 27, 31, 33 f., 37 – 40, 43, 48, 78, 80, 86, 102, 106, 108 f., 111, 115 – 117, 129, 155 – 157, 169, 178 f., 182 – 188, 192, 201, 203, 212, 215, 222 – 225, 227 f. Übersinnlichkeit 192, 223 Unangemessenheit 28, 30, 81 f., 96 – 99, 106, 116, 122 f., 126 – 128, 134, 186, 191, 193 Unbegrenztheit 93, 98 f. Undarstellbarkeit 42, 105, 108 f., 127, 202

249

Unendlichkeit 7, 21, 30, 33, 78, 82, 86, 96, 103, 106, 111, 117, 123, 156 f., 184, 195, 201 f., 212, 214, 223 f., 228 Unform 113 f., 134, 189 Ungleichartiges 135, 215 Unlust 1, 3, 6, 12, 21, 23 f., 28 f., 36, 40, 42, 47, 83, 86 – 89, 91 f., 94, 96 – 99, 101 – 103, 105, 108 – 110, 112 – 116, 123, 129, 173, 186, 189 f., 192, 203 f., 225, 227, 231 Ursache 6, 16, 24, 39, 73, 75, 85, 89, 105, 108, 115, 135, 151, 159 f., 163, 185, 187, 208, 213 Urteil (a priori, a posteriori, ästhetisches, reines, empirisches, teleologisches) 3, 5, 13, 16 – 18, 20 – 24, 27 – 30, 33, 39 – 43, 45 – 50, 52, 57, 61, 63, 66, 68 – 70, 78, 80 f., 83 – 95, 97 – 105, 107 – 114, 116, 119 – 122, 124 f., 130 – 132, 134, 137, 139, 142 – 147, 151 f., 156, 160, 174, 184, 191, 194, 197, 200, 203 f., 212, 214 – 217, 220 f., 224 f., 227 – 232 Urteilskraft (bestimmende, reflektierende, ästhetische, teleologische) 1 – 6, 11 f., 17, 19 – 21, 25, 27, 29 f., 32, 34 – 36, 38 – 41, 43, 47, 52, 63 – 66, 68, 75, 79 – 81, 83 f., 86 – 88, 90 – 92, 94 f., 97 – 102, 104, 106 f., 112 – 115, 117, 119 f., 122, 124 – 126, 129, 131, 133 f., 137, 142 – 144, 147 – 149, 152, 169 – 174, 179 f., 186 f., 189 – 191, 193 f., 197, 202, 207, 222, 225, 233 Verbindung 2 f., 12, 17, 20 – 22, 25 f., 31, 46, 51, 59 – 62, 65, 71 f., 74, 82, 85, 87, 95, 104, 112, 128, 135, 141 f., 146, 149, 165, 168, 171, 179, 181, 185, 190, 192, 195, 203, 205, 209, 211, 217, 219 Vereinigungsprinzip 1, 10, 180 Verknüpfung (physisch, metaphysisch) 26, 46, 66, 72 – 74, 76, 78, 80, 84, 89, 104, 135, 138 f., 164 – 168, 202, 206, 228 Vermögen 3 – 5, 7, 9, 11 – 14, 18, 24, 28 – 33, 35 f., 39 – 43, 47, 49, 52, 54 – 58, 60, 63 f., 67 – 69, 84 – 89, 92 – 99, 101 – 104, 106 – 108, 113 – 116, 119, 122, 124 – 132, 134 f., 142 f., 145, 153, 157, 163 f., 171, 174, 182, 184, 186 f., 189 f., 197, 201, 203, 214, 219, 223, 225, 228, 231

250

Sachregister

Vernunft 1 – 18, 21, 24, 26 – 43, 46 – 48, 52, 60, 63, 66 – 68, 75 – 78, 80 – 83, 85 – 91, 93, 95 – 99, 102 – 111, 113 – 117, 122 – 129, 133 f., 140 – 169, 171 – 189, 192 – 202, 206, 208 f., 214 – 216, 218 – 225, 227 f., 230 f., 233 Vernunftbegriff 42 f., 67, 120, 143, 148 – 150, 157, 185 f., 199, 202 Vernunftschlüsse 144 – 148, 151 Verstand 4, 6 f., 9 – 13, 26 – 29, 35 – 41, 43, 45 – 52, 54 – 57, 59, 62 – 71, 74 – 76, 79, 84, 86 – 89, 91, 93 – 95, 97, 99, 102, 106 – 108, 110, 113, 116, 118 – 120, 125 f., 130, 132 f., 136, 138, 142 – 151, 153 f., 157, 160, 163 f., 170, 172, 174 – 181, 184, 186 f., 191, 197, 199, 209, 211 f., 215, 217 f., 222, 228 f., 231 Verstandesbegriff 64, 114, 119, 120, 135, 216 Vorstellung 2, 13 f., 17, 20, 28 – 33, 42 f., 46, 48 – 60, 62 – 64, 67 – 69, 72 – 76, 78, 82 – 85, 87 – 90, 93 – 102, 105 – 107, 110 – 116, 119 – 127, 130, 133 f., 136, 138 f., 146, 150, 156, 160, 163 f., 179, 184, 189 – 191, 194, 200 f., 208, 217, 219, 222 f., 228 f., 231 f. Vorstellungskräfte 52, 55, 57, 62, 90, 94, 98, 113, 131, 217 Vorstellungstätigkeit 49 Wahrheit 47, 69, 105, 132, 152 f., 154, 176, 213 – 215, 219 Wahrnehmung 3, 59, 62, 71 f., 79, 82, 114, 118, 121, 123, 126, 138 f., 148, 157, 172, 217, 224, 229 – 231 Wechselwirkung 73, 75 Welt 6 f., 9 – 11, 13, 16, 21, 29, 34 – 38, 45, 69, 77 – 80, 84, 96, 104, 109, 136, 151 f., 155 f., 163 – 165, 167, 169 – 171, 175,

177 f., 181 f., 185 f., 190, 194, 198, 200 f., 206 f., 212 – 214, 221, 223, 225 Widerspruch 10, 15, 37, 43, 105, 124, 177, 201, 206 Widerstand 2, 84, 130 f., 136 – 139, 161, 203, 206, 208 f., 225 Wiedererkennung 3 f., 7, 108 f., 184, 192, 222 f., 225 Wille 16, 35, 38, 160 – 163, 181, 194, 212, 219 Willkür 14, 52, 159, 214, 219 Wirkung 6, 19, 52, 73, 75, 84 f., 89, 95, 135, 153, 160 f., 179, 211, 213 Wohlgefallen 29, 89, 92 – 95, 97 – 99, 104, 108, 110 – 112, 114 f., 125 – 127, 132, 152, 161, 191, 229 – 232 Zeit

4, 9, 18, 51, 55 f., 59, 62 f., 69, 71 f., 79, 101, 105, 112, 118, 123, 128, 133, 136, 138 f., 156, 165, 175, 190, 193, 200, 212 f., 217 – 219 Zufälligkeit 1, 73, 102, 172, 179 Zufälligkeit 1, 73, 102, 172, 179 Zusammenfassung 28, 76, 81 f., 107, 120 f., 123 f., 128 f., 156, 223, 227 Zusammensetzung 26, 36, 46, 48, 62, 65, 71, 74, 107, 118 f., 123, 157 Zweck 1, 6 f., 10 f., 15, 25, 35, 37 – 40, 89 f., 99 f., 103, 108, 113, 119, 124, 152, 156 f., 162, 168 f., 171, 177 f., 181 f., 184, 187, 190 – 192, 194, 207 – 211, 213, 222 – 224 Zweckmäßigkeit (ästhetische, subjektive, teleologische, homogene, heterogene) 1 – 3, 6 f., 11 f., 21, 27, 29, 35, 37, 39, 68, 79 – 83, 86 – 91, 93, 97 – 100, 102, 113 – 116, 120, 122, 124 – 126, 129, 134, 153, 161, 169, 172 – 174, 179, 184, 187, 189 – 191, 194, 206 – 208, 214, 221 – 225, 231 Zweckwidrigkeit (formelle) 21, 86, 93, 98, 116, 126, 189, 194

Namensregister Aagaard-Mogensen, Lars 201 Abaci, Uygar 24 Adkins, Brent 74 f., 77 Adorno, Theodor W. 22 Albrecht, Michael 167 Allison, Henry E. 24, 50, 53, 56 f., 64, 169, 182, 189 f., 204 f. Ameriks, Karl 10, 69, 112 Andaluz Romanillos, Ana María 34, 36 Aristoteles 3 f., 38, 196 Bartels, Klaus 25 Bartuschat, Wolfgang 1 Baum, Manfred 69, 159 f., 196 – 199 Baumgarten, Alexander 23, 196, 218 f. Bayer, Raymond 20 Berkeley, George 52 Bö hme, Hartmut 25 Bollmann, Stefan 25 Bondeli, Martin 52 – 54 Bonitz, Hermann 39 Brady, Emily 2, 23, 44, 109, 137, 193, 202, 221 Breitenbach, Angela 10 f., 36, 70, 180 – 182 Budd, Malcolm 24 Carrier, Martin 136 Cassirer, Ernst 9 f., 34 Clewis, Robert R 24 f., 44, 84, 169, 202 – 204 Cohen, Hermann 1, 23, 31, 165 f. Crawford, Donald W. 2, 25, 205 Crowther, Paul 23 f., 191, 195, 202 Curtius, Ernst Robert 64 Davidson, Donald 53, 214 De Man, Paul 25 Deligiorgi, Katerina 194 Derrida, Jacques 25 Descartes, René 52 Dickie, George 23 Doran, Robert 23

https://doi.org/10.1515/9783110979916-012

Dörflinger, Bernd 70, 182 Dü sing, Klaus 182 Emundts, Dina 79 Euler, Werner 181 Falkenburg, Brigitte 196, 198 f. Feger, Hans 193 f. Fichte, Johann Gottlieb 8 – 10, 168, 176 Fœssel, Michaël 23, 25, 30 Forsey, Jane 201 Fö rster, Eckart 169 Freudiger, Jürg 169, 172, 182, 207 Fricke, Christel 1, 133 Friedman, Michael 75 Fugate, Courtney 11, 69, 172, 182 Ginsborg, Hannah 1, 53, 59, 75, 230 Golob, Sacha 24, 201 Goodreau, John R. 25, 185, 195, 202, 205, 208 Goy, Ina 75 Grier, Michelle 202 Grü ne, Stefanie 53 – 55, 58 f. Guyer, Paul 16, 23 f., 169, 172, 182, 202, 205 f. Hanna, Robert 53 f., 59 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 9, 70, 152, 168, 216 Heidegger, Martin 9, 60, 175 Henrich, Dieter 9, 69, 133, 182, 230 Hertz, Neil 25 Hiltscher, Reinhard 11, 169 Hofmann, Heinrich J. 23 Horkheimer, Max 34 f. Hughes, Fiona 202 Hume, David 23, 52 Hutter, Axel 10, 182 Jacobi, Friedrich Heinrich

9 f., 168

252

Namensregister

Kant, Immanuel 1 – 6, 8 – 27, 29 f., 34 – 37, 39 – 45, 48, 50 – 58, 61, 63 – 66, 68 – 72, 74 – 76, 78 – 82, 84, 86 – 95, 97 – 102, 104 – 108, 110 – 112, 114, 116 – 120, 122, 124 f., 127 f., 130, 132 – 135, 137 – 140, 142, 144 – 149, 151 – 156, 158, 160 – 170, 172 – 178, 181 – 183, 185 – 187, 189 – 205, 207 – 221, 224 f., 227 – 233 Kleingeld, Pauline 169, 182 Klimmek, Nikolai F 144 Koch, Anton F. 59, 213, 217 Kok, Arthur 205 König, Peter 36, 69, 152, 160 f., 176, 203 Kulenkampff, Jens 1, 23 La Rocca 23 Lazaroff, Allan 25 Leibniz, Gottfried Wilhelm 23, 52, 166 Lerussi, Natalia 36 Locke, John 52 Longuenesse, Béatrice 53, 59, 61 f., 66, 71 Loose, Donald 24 f., 191 f., 202, 207 Lyotard, Jean-François 2, 22, 24 – 26, 28, 40 f., 60 f., 102 f., 137, 191, 221 Makkreel, Rudolf A. 1, 24, 188, 192 f. Matthews, Patricia M. 202 McBay Merritt, Melissa 24, 202 – 204 McDowell, John 53 McLaughlin, Peter 75 – 77, 187, 213 f. Model, Anselm 23, 186 Moore, Thomas 2, 24, 193, 221 Myskja, Bjørn K. 25 Neiman, Susan 169, 182 Nicklaus, Hans-Georg 25 O’Gorman, Ned 25 O’Neill, Onora 182 O´rdenes, Paula 8, 16, 44, 204 Oyarzun, Pablo 18, 20 Pacholec, Matthew E. 25 Park, Kap Hyun 22 – 24, 26, 202 Pen˜ a Aguado, María I. 2 f, 5, 22, 24, 60, 78, 102, 126, 209, 220, 229 Pickhan, Anna 79 f.

Pissis, Jannis 42 f. Polzer, Victoria 25, 122, 229 Pö pperl, Christian 25 Pries, Christine 6, 22 – 24, 28 f., 36, 43, 58 – 61, 84, 102, 109, 195, 202, 209 f., 212, 227 Rayman, Joshua W 23, 25, 202 Recki, Birgit 25, 205, 227 Reinhold, Karl Leonhard 8, 10, 168 f., 175, 189 Rivero, Gabriel 196 Rogerson, Kenneth F. 205 Rogozinski, Jacob 25 Sandkü hler, Hans J. 52 Schaper, Eva 25 Scheck, Daniel O. 20 Schelling, Friedrich 9, 22, 168 Schö necker, Dieter 15 Schopenhauer, Arthur 1, 22, 166, 168 Schulting, Dennis 54 Scobel, Gert 25 Sedgwick, Sally 70 Seel, Gerhard 64 Sircello, Guy 201 Souriau, Michel 189 f. Spinoza, Baruch 52 Stark, Werner 218 f. Tanaka, Mikiko 190 Tonelli, Giorgio 173, 189 Torreti, Roberto 170, 232 Trade, Johann Heinrich 1 Trebels, Andreas 60 Tuschling, Burkhard 169 Van Erp, Herman 205 Va´zquez Lobeiras, 219 Weischedel, Wilhelm 22 Weiskel, Thomas 22, 25 Welz, Christoph 102 Wenzel, Christian H. 23, 26 Wieland, Wolfgang 90 Wolff, Christian 52, 196 Wunsch, Matthias 60, 186, 202

Namensregister

Zammito, John H. 25, 189, 195 Zimmerman, Stephan 166 Zobrist, Marc 166 f.

Zö ller, Günter 69 Zuckert, Rachel 1 f., 23, 25, 201 f., 212 Zumbach, Clark 1

253