Taschenbuch für die vaterländische Geschichte: Band 31 (N. F. 13) 1842 [Reprint 2021 ed.]
 9783112446140, 9783112446133

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Taschenbuch für

die vaterländische Geschichte.

Taschenbuch für

die vaterländische Geschichte.

Heraus gegeben

ü

cn

Joseph Freiherrn von Aormayr.

XXXI. Jahrgang bei gelammten und XIII. der neuen Folge. 1842.

Leipzig: G. Reimer.

Inhalt. Seite I.

Tic Zmettler Reimchronik............................................................... 17

II.

Tyrolensia. — 9?ro. 51—5*2....................................................... 27 51.

Relation beS Generals von Duol, Kommandanten des

Tyroler-Corps

1809............................................................... 2

52. Journal des Tyrclcr Landesschüyenmajors und Comman­

danten Jaeob Sicherer................................. 56 III.

Sitten und Gebräuche, Luxus und Feste, Handel- und Charakr tcrzüge der Vorzeit.................................. 83

1. Musterdlätter für Biographen................. 84 2.

Nonnen und Nennlein................................. 86

....

3. Legitime Höflichkeiten. .

91

4. Ländlich Sittlich........

92

5. Die Verlöugner. 1548.

96

6.

...

...

Hohenstauffen............................................... 97

7. Tie Schlacht der Thiere................................. 102

8. Lite Fische................................................. 105 9. Liberale Emeute der Maulesel zu Rom . 10.

Die Fischhändler Erb- und Erz-Grobianr

... .

106

.110

VI Seite 11.

Malerische Reisen................................................................................. 110

12.

Seltsame Au5kungerungs-Praservativt

13.

Muster einer Gradschrift und

deckung

Ho

wichtige

historische

Ent­

....................................................................................................... 111

14.

Las historische Recht und derkisterische Boden.

15.

Die Beinamen.............................................................................................114

112

.

16.

Die beiten Albas in Desterrcich........................................................ 119

17.

Klostcrsitten und Kloftergedräuche .

16.

Quidam fatuus. 1509

19.

Baierischc Freigebigkeit........................................................................ 123

20.

Unbcncibctc Vermächtnisse.................................................................... 123

.

121

........................................................

122

.

.

21. Die ho ns vieux tems................................................................. 125

22.

Pia desideria für die Ecnsur........................................................... 128

23.

Mönchs - Derslein über Weider, Trinken, Lieden und

Leden..................................................................................................................138

24.

Fatale Geschenke..............................................................137

25.

Gwerrae prinicipum............................................... 141

26.

Laß

die Gelehrsamkeit doch auch zu etwas nüpe fein

kann...................................................................................................................142 27.

Seltsame Laudemien undGrunddienste. ...

28.

Las tödtliche Schachspiel......................................................................148

29.

145

Der Kriegsheld, Hofmann undhundertjährige Layenbru-

der Hanns von Lrcnndach.......................................................................150 30.

Ritter Rudolph von Ehingen und die schwäbische Frucht­ barkeit

..........................................................................................................156 ......

150

......

160

31.

Die Freßadjutantcn

32.

Die unwissende Aebtissinn

33.

Annehmlichkeiten eines Scharfrichterpostens ...

34.

Die deutschen Eondottieri..................................................................... 162

161-

!V.

Zur Gefangennehmung Königs Franz L von Frankreich in der

V.

Russisch-Deutsch.................................................................................................183

Schlacht von Pavia.................................................................................... 166

VL

Der Kurfürst Mar Joseph IV. von Bayern an den Mini-

VII

VII. VIII. IX.

K. XL XII. XIII. XIV. XV.

Seite stet seines Vorgängers, des Kurfürsten Carl Theodor, Benjamin Thompson Grafen von R um f c rd über Bayerns wiedererweckte Kenigswürde...................................... 192 Reichersberg.................................................................................. 194 Kur;e Relation wie es bei dem Rendezvous der Ehur-Boierischen SKilicc ergangen. Beünchen am 12. Trt. 1682. . 196 Sagen und Legenden, Zeichen und Wunder. ... 198 ‘289. Tie unfreundlichen Drüber........................... 198 290. Der Schay auf Fragenstein................... 200 291. Die Kindlein im Fernüeiner See .... 207 2'?2. Der Roßkamm im Kriege mit zwei Kurfürsten, doch vom Scharfrichter behext......................................................... 216 293. In Ketten aufhängen.................................. 246 2'94. Der Landgraf erbettelt Dhrfeigen .... 247 295. Die treulose Störchin................................... 250 296. Die Todesweissagungen........................... 251 297. Die Eretelmühle................................... 252 298. Die Dabenbergerinnen ‘253 299. Gisela, der Herzog Ernst und seine Freunde, der Wer­ ner und der Welf.................................................................. 257 300. Frewiza, die Ungarin.......................................................... 263 301. Hedwig, Helena und Agnes zwischen den Arpaden und den Babenbergern.......................................................... 268 302. Die den böhmisch-mährischen Przcmisliden vermählten Babenbergerinnen.................................................................. 37*2 303. Itha auf der Kreuzfahrt................................................... 280 Kaiser EarlS Grabbesuch zu Speicr. (Ballade v. I N. Bogl., 284 Der Mcistertrunk am Rhein. (Ballade von I. N. Dog l.) 286» Bischof Kollonitsch. (Ballade von I. N. Bogl.) . . 289 Dan Sakowitsch'6 Traum. (Ballade v. I. R. Bogl.) . 291 Die Burgfrau zu Eseitha. (Ballade von I. N Bogl.) . 294 Hohenschwangau, die Burg der Welfen, der Hchenstauffen und

der Schyrcn..........................................................

298

VIII Seite XVI.

Wiens erste türkische Belagerung. 1529

350

XVII. Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges, namentlich der

böhmischen Unruhen............................................................. 342 XVIII. Tagebuch der Kriegsbegebenheiten in Ungarn 1697 u. 1698. vor dem Earlowitzer Frieden, von einem kaiserlichen Kriegs-

ecmmiffar.............................................................................. 382 XIX. Das Titelkupfer. — Georg Ludwig v. Maurer XX.

432

Directorium der vorzüglichsten, durch dm Freiherrn von Horm a y r entdeckten und hcrausgegcdenen Urkunden und Quel­

len. (Fortsepung auS dem Taschmbuche auf 1841.)

463

Die Swcttler Neimchronik. Aus den ältern Stiftungen für den neuen Orden der grauen

Mönche oder der Cisterc Lenser im schönen Land unter der Enns waren 1136 durch den heiligen Leopold, Heili­

genkreuz am Satteldach, — „Ottone dilecto filio meo,

(dem nachmaligen Bischof von Freystng und Geschichtschreiber)

qui se

apud Morimundura

adhortante,

fratres

ä

ordini

prefato

subjecit cisterciensi,

Morimundensi

evocavimus,“ sagt der hohe Fürst und

1201

cenobio

Lilien selb

im Thale von Wilhelmsburg, wo der Weg in die Steyermark führt, durch Leopold den Glorreichen, Vater des Vater­ landes. — 1139 gerade als mit König Konrad die Hohenstauffen den Kaiserthron bestiegen, entstand durch Hadmar

von Cuopharn, einen Enkel des berühmten Azo von Gobats-

burg, aus dem

Hause Ku en ring

unter dem Mannharts­

berg, ohnferne des Kampflusscs, in einem hochgelegenen, ziem­ lich weiten, ausgerodeten und

weit von

darum

lichten Thal, nicht

der böhmischen Landmark,

Swietlo

(Licht),

deutsch in Zwettl geradebrecht. — Der neue König Conrad war ein Stiefbruder der Markgrafen von Oesterreich, Leopolds

des Freigebigen und

Heinrichs Jasomirgott, welchen

beiden

nacheinander, nach der Aechtung Heinrichs des Stolzen, ihr

königlicher

Bruder

das Herzogthum

Hermayrs SofßcnHid) 1842.

Bayern verliehen. — a

2 Agnes, die Tochter Heinrichs IV. und Schwester Heinrichs V., tznkelin Heinrichs 111., Urenkelin Conrads II. die Witwe Hein­

richs von Stauffen und Leopolds des Heiligen, die Stifterin von

Kloster-Neuburg auf der Stätte ihres wiedergefundenen Schleyers, (Taschenbuch auf 1821 Seite 208 — 220) war aus

ihrer ersten Ehe mit Friedrich von Hohenstauffen, Herzog zu

Schwaben, Mutter König Conrads und Friedrichs des Einäugi­ gen, Großmutter des Barbarossa. Sehr stütz Witwe, wurde sie Leopold dem Heiligen vermählt und der Preis seines Uebertrittes

vom bedrängten Vater zum rebellischen Sohn und Bruder. Darum wurde Zwettl schon im ersten Jahre seiner Gründung

von König Conrad reich begabt und gehoben, jedoch nur consentiente, annuente, rogante et una meciim manu sua tribuente, Leopoldo Bavarico duce. — Zwettls dreizehn­

ter Abt Ebro, der kurze Zeit nach dem Erlöschen des Ba­ benbergischen Heldenstammes in der Ungarischen Leithaschlacht,

mit Friedrich dem Streitbaren in das Kloster gekommen, die trüben Tage der wehrlosen Frauen Gertrud und Margarethe

und König Ottokars Gewaltherrschaft mit erlebt, 1273 im

Jahre der Erwählung Rudolphs von Habsburg und der Be­ endigung des großen Zwischenreiches, Abt geworden,^ 1304 aber

unter Albrecht I. gestorben, nachdem Oesterreich lange schon Habsburgisch war, hinterließ zwei überaus schätzbare Denk­ male seiner Thätigkeit: — das erste, das Buch der Stif­

tungen^, Über fundationum, von seinem Einbande auch die Bärenhaut genannt. — Diplomatiker und Archivare wie

Spieß von Plaffenburg, Gregor Gruber, Piarist und Professor an der Wiener Hochschule, Michael Ignaz Schmidt,

Director des Wiener Staatsarchives (unmittelbar vor

den

Freiherrn v. D a y se r und H o r m a y r) und Schmitds treuer Hel­

fer in den archivalischen Angelegenheiten, Verfasser eines der trefflichsten Hilfsbücher, Hellwig, konnten gar kein Ende finden, Ebros Bärenhaut als eines der schönsten und er-

3 haltensten Schriftdenkmale des dreizehnten Jahrhundertes zu

preisen. — Die Diöcesanbischöfc von Passau, Otto von Lonsdorf, von welchem der berühmte Lonsdorfische Codex und Bernard von Brambach, früher Ottokars Capellan und 'Pfarrer zu Wien, hatte/! ihn mächtig dazu ermuntert. Eben auch von Ebro dem kundigen Abt ist die voranste-

bende Reimchronik.

Sie endigt mit seinem Leben

1304.

Er beschreibt selbst erlebte Begebenheiten, die feierliche Bei­

setzung Heinrichs des Kuenringers 1287, die Schenkung von Fusbnmn durch die Brüder Heinrich und Leutold, — die

Lei Mahlung Leutolds mit der, dem neuen Herrscherhause ver­

wandten Gräfin Agnes von Habsburg. Ein um die Vaterlandsgeschichte hochverdienter Capitular von Zwettl, Iohann

Fräst aus einem adlichen Wiener

Geschlecht, damals Cooperator zu Schweiggcrs, in früheren Jahren ein eifriger Teilnehmer und hochwillkommener Mitar­ beiter dieser historischen Taschenbücher, sowie der volu­

minösen Bande des Horm syrischen Archives für Ge­ schichte, Statistik, Literatur und Kunst, hat mit vielen an­

dern, denkwürdigen Ueberretten der vergangenen sieben Jahr­

hunderte seiner Abtei, auch dieses Zeitbuch 1818 neuerdings an's Licht gezogen.

4 Chronik, das StiftZwettl und dasGefchlecht der Khünringe betreffend. Nach des heiligen kaiser Heinrichs tob Hued ft)1 *in der christenheit große»Noth, SBann1 es stunde auf nach Jme ein kaiser Heinrich Der Jnnehet das Römisch Reich. Unnd auch untugent was3 *se*vol, Alß man euch nun bedeuten sol. Daß er auch durch sein unguet* Vnnd sein freissllch^ gemuet Hieß der vbel vberal. Ein heiligen pabst, der hieß paschak Dem oicf)6 er, das auch bessertet' hat Die Jme den namen, mit ander Missetat. Oe sie re ich do, das edel Lannd, Was nit ein herßcrhumb benannt. Ein marchgraffschaft, als man es list, Was das Lannd zu derselben frist. Vnnd hat einen Hern wolgemuet. Zu allen lügenden was er frut,8 Der hieß marggraf Leopold. Mit lügenden bot9 er das oersolt,10 Das Leut und got Im waren holt. Dann sein umbsaffen11 alain. Die zu allen vn'tugenden waren gemain, Ich mein Baiern, engern und beheim, Die suchten In diekch3- daheim. Mit Anndern Jr onbiete13, Alß siß aller wirst zielten Mit veintlichen Siten, Sy Jme in das Land riten. Das Lannd ist vol aller genucht1? An viech, wein, chorn vnd ander frucht.

1) erhob sich. 2) weil. 3) war. 4) üble Eigenschaften. 5) gefährli­ ches, verderbliches. G) fing. 7) bekräftiget, bestärket. 8) weise, wohl be­ wandert. 9) hatte. 10) verdient. 11) lNränznachbarn. 12) oft. 13) krie­ gerischen, barbarischen Menschen. 14) so, wie es ist in den übelsten Zei­ ten (?) 15) Ueberfluß.

5 Dnd wed16 man bedarf zu Leides not Wildpret, visch, ebl prot. Des hat es den vollen gar. Dazue die thu na v'2 da» wasser clar, jvie in dem Land rinnt zütal" Die ziert das Land vberal Dnd thuet dem Lannd zerath" Des es selb nit endthat2«» Steet, bürg- dörfer dabey Macht sich manches gebnften21 ftey, Dnd treir22 dem Lünnd stet13 zue, SBero 2* spat und frue. Des es selb nit gehaben Mag, 2sn2S vnderlaß nacht und tag/ 2fn Ztnder gute, die sy seit16, Dem Lannd gutelich zu alter Zeit, Davon es ist Zemeren weit22, Dnd hat von manichen den neid. Das fy es heten all getn. Dnd weren darinn gern Hernn, Das auch der Marchgraf sehr enthalt19, Man veigt2* In att, manichualt. Man thet Jme in dem Lannd Dieckche^o schaden und fchannd. Als auch geschah zu ainer Frist. Als man es an den chronickeii List, Zu Meurperg Mit starkhen Waffen, Wart entgegent dem marchgrafen Do nam er Amen schaden se groß Davon er ward vreiden bloß3', An guet vnnd an Leuten, Mer dann man hie möcht bedeuten 32> Do er schaden se oft empfant. Denn er leitt vnd auch das Lannd,

16) was, wessen. 17) Donau. 18) durch das Land hinunter, ab tvärts. 19) und giebt dem Lande das zur erwünschten Beschaffenheit 20) was es selbst nicht enthält. 21) Mangels. 22) trägt. 23) stets, beständig 24) bei. 25) ohne. 26) gibt. 27) darum ist dieß Land be­ rühmt, zum Sprichwort geworden. 28) entgalt. 29) bekrieget. 30) oft­ mahls. 31) der ihn sehr betrübte. 32) mehr alö man hier erzählen kann oder will.

6 Do bcgunb33 *er* *3c3* trachten Mit ganzem sine, vnd Zeachten Wie er sich möcht gewegen" Das er den Veinde möcht endtgcgen. Wann des3* Zeit were An groß seine swere37. Auch möcht33 *er* nit erfinden Mit allen seinen sinnen Mas Jme das pöfft were Dnd der Zue trestbere3on 2 i e r n st a i n er dj weil hieß. Sein fim alber ward erschlagen, Yn dem nicman de fei verzagen.

321) damit. 322) ich ihre Geschichte verfolge. 323) trage. 324) weil. 325) nirgend überwunden worden, übertroffen worden. 22'»- wie man em Kloster immer in bessere Umstände bringen, dc.t Wohlstand desselben deferbern solle. 32’) in Zukunft. 32*) weil ihre (jbre, ihr guter Ruf. 32U» darum ist ihr Rus weit verbreitet. 33U) mildthätig. 331) das Stift bat den Titel: monasterium Bcatac Mariae Virginis in Zwettl. 332) Und dadurch gemacht, daß die Zahl der Geistlichen vergrößert werdm kennte. 333) Zellerndorf. 334) Feuersbrunn. 335- träge. 33s») er hinterließ drei Söhne: Ylbere, Heinrich und Lcepold, ver denen nun die Rede ist.

25 Wen er sy bet wohl berichtet333 To man stroit bat angcrichtet. Zwischen beben kbunigen Zweien, Kbung Rudolf war der ain. Der ander was kunig ottacher. Er was thuen vnnd auch so wacker. Doch bcldib er siges rnnbcr33R, Des ward manch mcnsch Zumwunder. Her Hainrich auch verschaiden ist, Zn Jungen jdren33* Ibn christ. Behalt In in der engl schar. Wann34- sein bcrp das was sogar. Mit diesen dosier so fast dekbumert. Das fein all sein frunt341 337*bewundert. * * 340 Er bet sorgen341 auf den tob; Sbu tbrift der engl brot, Speis In an der sei wol Das er sei so freidcnvol, Bnnd In bcrwidcr343 nit belange. Des bat er gewünschet lange, Do er in der weit waß. Mit andacht er beircrct daS. Was wollt Jr nu fürbaß3" boten, Bon den englischen (bereu, In den so große frenbe ist. Das tausent Jar sam an3*3 tag ist. Bon den i’bclcn bern lento Iben, Wer somit nu richten schölten, Nu hat In get so doch geert, Bnnd st sein geschlecht gemftert, Mit der edlen grafen stammt

337) wir dürfen uns über sein Schicksal nicht entfefren, wenn trir bie Ursache seines Todes kennen lernen. Er war in Rudolphs Heere. 338) er unterlag dem Siege seines Gegners.- 339) 1287, er war 34 Jahre alt. 340) denn. 341) Arcunde. 342,* er war voll Kummer, als der Tod nabte, wegen seiner Zukunft. 343) wegen dem, was er hienieden aus Erden gcicblet. 344) weiter, in Zukunft. 345) wie ein. 346) er wurde verwandt mit dem Stamme der Grafen von Habsburg, denn seine zweite Ge­ mahlin war Agnes Gräfin von Habsburg. Adt Ebro, der dieser Be­ gebenheit gleichzeitig war, sagt in lihro fundationnm: Lcutoldus sum­ mn s pincema Au>rriae ad Consilium D. Alberti Serenissimi Romannin» rugis iterato duxit uxore dem Suevia, Dominam videlicet A2Hormayrs Taschenbuch 1842. 2

26 Di vonkunigen habent nam, Got hat gchöhct sein geschlecht. Der chunringer das edl trecht Kn dem gar verzaget imS347, Got hat gewirkht alles das. Johann, leutold das erzaigent344. Wann sy sich in tugende naigcnt, Elsbeth, Agnes das auch offcnt. Die zu got auch vil wol hoffenl. Das er sy vor Laid behuette, Bund gab In ain guet gemuette. Das thiecht sie haben sol ain ende, SBtinn349 ich zu dem puech sennde. Alle die es wissen iröllent. Die es lesen in den elennt350, Das by hernn Leutolds Zeiten, Dise stiftung ist so weiten, Gepraitet ver und auch geniert, Alß vnns diese schrift nun lert. Her sueßer Jhesu christ. Wann du der engel maister bist, Behuet vnns von der Helle grundt. Das wir an den lösten punt. Dem tiefel mögen wiedersteen, Bund auf den weg des Himels gern, Das mit vnns dj chunringer, Dnnd all getreu Stiffter, Besitzen deines vaters reich. Mit allen heiligen ewigeleich. Amen. —

nem Comitissam dc Ahsperch, cognatam praedtcfi Domini Albes 0. Dieß führt Link in den Annalen des Stiftes Zwettl ian. -^ormayrö Archiv, Septbr. 1816.) 347) zur Zeit Friedrich des Streitbaren. 348j dieß sind die Kinder Leopolds und der Gräfin von Habsburg. 349) weil. 350) in fremden Gegenden.

27

II.

Tyrolrnsia. 1. flldatfon des Generalmajors und nach dem Abzug ChastelerS commandircnden Freyherr» von

BuoL über die vom

10. April bis 20. August sich ergebenen Vorfallcnheiten

in Tyrol.

Ich wurde von S. K. H. dem generalissimo den 4. April durch S. K. H. Ludwig als Commandircnden des 5. Armee-Coi^s beauftraget, zu S. K. H. E. H. Johann nach Klagenfurt mittelst der Post auf das Schleunigste zu reisen und von Hochselbem die weitern Befehle einzuholen. — Dieser befahl mir in Villach mich an das Corps des F. M. Chastcler anruschlicßcn und wie selbes in Tyrol ein­ rücket, sogleich die Landcsmilitz zu organisircn. Ich fand Chastcler und Hormavr in der Feste Sachscnburg, im vollen Marsch auf Oberdrauburg und Lienz. Jene Organisirung der Schützen und Landmilitzcompagnien, auch im dringendsten Falle, des Landsturmes, gieng mit aller Bereitwilligkeit und mit dem besten Erfolg von Stat­ ten und wurden bald nach der Einrückung des Corps in Innsbruck zur Vertheidigung der Gränz- Pässen des nördli­ chen Tyrols 63 Compagnien ohne dem bei der Festung Kuf­ stein ausgestellten Blockade-Corps von dem Landes-Volk im steten Dienste verwendet. Den 11. Mai erhielte ich den Befehl von F. M. Lieute­ nant Chastcler das Commando in der Scharnitz zu über­ nehmen und Obristlieutenant Taris solle einen Streifzug nach Benedict-Beuern rc. imb so weit als möglich ge­ gen München unternehmen, der F. M. Lieutnant selbst marschierte über Ratten berg in der Gegend von Wörgel. 2*

2K Den 13. in der Nacht um 10 Uhr erhielt ich in Zirl Befehl, da die Affaire bei Wörgel unglücklich ausgefallen, mit den in den Päßen zerstreuten Truppen, welche aus zwei Compagnien de Vaux, dem sehr schwachen Salzburger Jä­ gerbataillon und den 2 Klagenfurter Landwehr-Bataillons, — dann 40 Pferde Hohenzollere Chetauxlegers bestanden über Innsbruck und den Berg Jsel zu marschieren und mich allda aufzustellen. Nach dem, dem Obristlieutenant Taris zugeschickten Be­ fehl seine Truppen aufs Schleunigste zusammen zu ziehen und nach Innsbruck zu marschieren, eilte ich auf das Geschwindeste dahin, um mit Herrn F. M. Lieutenant mich zu besprechen und traf selben auch bei Herrn von Reinhard an, stellte ihm die gefahrvolle Aufstellung auf dem Berg Jsel vor und glaubte mit mehrerem Vortheil die Bataillons bei der Voltersbrücke zu nehmen, wenn selbe bis zur Ankunft meiner Truppen, welche aber erst den 14. gegen Abend allda ein­ treffen können, behauptet würde. Oer F. M. Lieutnant gienge mit Major und Corpsadjutanten Baron Beyder den 14. Frühe selbst dahin, sammlete von den versprengen Trup­ pen (denn das ganze bei Wörgel gestandene Corps war mit allem Geschütz verloren — gefangen, oder versprengt) soviel als möglich und besetzten einstweilen die Position — ersterer gienge noch den 14. über das höchste Gebirg auf den Bren­ ner (???) — letzterer aber den 15. in aller Frühe dahin ab. Ich besetzte theils mit den mitgebrachten, — theils mit den sich wieder gesammelten Truppen und mit den herbeige­ eilten zahlreichen Landesschützen die Position und der Feind mußte jeden vorwärts machenden Schritt durch Verlust vieles Bluts erobern, (auf die Stellung an der Voldersbrücke ge­ schah gar kein Angriff, so wenig als auf den Brenner.) Den 15. Mittags erhielt ich den Befehl mit allen bcihabenden Truppen die Position auf dem Brenner zu nehmen. — Die Landesschützen, obschon der Feind nach einem hartnä­ ckigen Widerstände, Schwatz bereits erobert hatte, weigerten sich, mich abziehen zu lasten, und nur durch die Ueberrebung, daß wegen meiner Schwäche jeder längere Widerstand unnutz wäre und das Land nur einer größeren Verheerung ohne Endzweck ausgesetzet sein würde, willigten selbe endlich zu dem Abzug ein. — b) Nach diesem Vorfall erhielt ich Nachmittags gegen 4 Uhr den Befehl, die Voldersbrücke und

29 das Friedberger Schloß gut zu besetzen. .Der F. M. Lieute­ nant würde heute noch mit einem ansebnlichen TruppenEorps und io Kanonen nach Innsbruck vorrücken. — c) durch diesen Befehl wurde alles in vollem Vergnügen gesetzt und die Truppen sowohl als die Landesschützcn mit neuem Muthe be­ seelt. Den 16. früh um 7 Uhr erhielt ich den Befehl, mich bei Ucbermacht des Feindes über die Ellenbögen auf dem Brenn cr zu ziehen. Da aber meine Truppen seit Anbruch des Tages mit dem Feind engagiret und von der Straße des Rückzuges abgeschnittcn zu werden, gar keine Gefahr war, so konnte dieser Befehl nicht augenblicklich vollzogen werden. — Gegen Mittag des nämlichen Tages wurde mir der Befehl zugeschickt, mit aller Vorsicht unaufhaltsam über die Ellenbo­ gen nach Steinach zu marschieren. Obschon die Feinde be­ reits den Bach bei Domp, zu übersetzen anfiengen, meine Vorposten immer mehr zurückrückten und dadurch der Rück­ zug meiner Truppen unumgänglich erforderlich wurde, so drohete doch das Landvolk (wovon der größte Theil durch den aus Innsbruck erhaltenen Branntwein sehr betrunken war) meinen Rückzug mit Gewalt zu widersetzen und ver­ langten Schwatz mit Sturm wieder zu erobern, mit Bei­ hilfe meiner Truppen. — Jede Ueberzeugung, daß dieses Unternehmen nur ein erstaunliches Blutvergießen, ohne zu ei­ nem glücklichen Erfolge zu führen, nach sich ziehen würde, war fruchtlos und um das Volk, das durch den übermäßigen Branntwein zu sehr in die Wuth gebracht war, von den an­ gedrohten Gewaltthätigkeiten abzuhalten, nahm ich meine Zu­ flucht zur List, mußte mit selbem gegen Schwatz vorrücken, sodann das Landvolk auf das linke Innufer hinüberzu­ bringen Bedacht sevn!! Alles dieses reussirte mir so glück­ lich, daß ich unbemerkt vom Landvolk um 10 Uhr Nachts den anbefohlnen Rückzug über die Ellenbögen nach Stei­ nach antreten konnte. e Am 17. Mai früh um 2 Uhr erhielt ich während mei­ nem Rückzug den Befehl, daß ich, im Falle der Bestäti­ gung der günstigen Nachrichten bei Volders sollte stehen blei­ ben. Da mir aber von diesen guten Nachrichten nichts glaub­ würdiges bekannt war, setzte ich meinen Marsch fort und er­ hielt noch während dem Marsch den Befehl, meinen Rückzug zu beschleunigen — und sodann den weitern Befehl mich bei

30 Matrai an beiden Ufern der Sill auftuftellen, — Abends aber des nämlichen Tages die weitere Ordre, die unteren Verschanzungen des Brenners zu beziehen und mich zur Be­ folgung dieses Befehls unverzüglich in Marsch zu setzen. (Zn dieser Nacht war der ganze Himmel in Flammen gewesen und siebenzehn verschiedene größere und kleinere Feuer zu unterscheiden.) Am 18. Mai Äbcnds erhielt ich den Befehl, die Position auf den Höhen von S ch a b s und Aicha« zu nehmen und wie der Obn'st Volkmann v. Clausen allda cintnfft und etwas auSgeruhet und abgegessen hat, mit ihm vereinigt auf Toblach zu marschieren. Gleich nach Erhalt dieses Be­ fehls trat ich den Marsch an und erhielte zu Sterzing am 19. frühe den Befehl, die Position auf dem Brenn er zu behaupten, weilen der Feind den Lnroler-n eine Capitalation angetragen — worauf wieder auf den Brenner zurück­ marschieret wurde. Am 19. Abends erhielte ich den erneuerten Befthl, in die Position nach Schabs zu marschieren. — Die unter der Ansthrung des Andreas Hofer und Eisenstecken auf dem Brenner zahlreich versammelte Bauern, widersprachen bei dem Pofthaus lebhaft meinem Abmarsch und droheten, sich selbi­ gem auch mit Gewalt zu widersetzen. Nach mehreren Vor­ stellungen und ernstlicher Erklärung, Gewalt gegen alle jene zu brauchen, welche mich von Vollziehung meiner Befehle ab­ zuhalten sich erstechen würden, setzte ich sodann ungehindert meinen Marsch fort.f Den 20. stütze um 4 Uhr zwischen Sterzing und Mit­ tewald, erhielte ich den Befthl, den Brenner wiederholt zu besetzen, da aber indessen die Stände des Landes Inns­ bruck vermöge sicherer Nachricht mit dem Feinde eine Capitulan'on abgeschlossen hatten k, machte ich hierüber die Anreige, und Anftage meines Verhaltens, und fttzte indessen den Marsch nach Schabs fort, — erhielte aber den 20. um *2 Uhr Nach­ mittags den Befehl, den Brenner auch im erforderlichen Fall mit aller Gewalt zu besetzen, allwo ich auch den 21. frühe ohne einen Feind anzutreffen, ankame, und wegen der Nähe des Feindes alle Dispositionen zur äußersten Vertheidigung cinleÄte (der übrigens noch nicht einmal auf dem Schön­ berg, also fünf Meilen weit entfernt war.) Deo 21. Abends erhielt ich daö Schreiben des General

3t Marschall. vermög welchen F. M. L. Khasteler nach Lienz abgereiset und ehevor noch wegen zugesto-ener Unpäß­ lichkeit die Uebergabe des Kommando an mich schriftlich aufgesetzet hatte. — Der General glaubte unumgänglich noth­ wendig zu sein, gleich zu ihm zu reisen, um über die beson­ deren Verhältnisse der Gegenstände mündlich zu sprechen, nach übergebenem Commando reifste ich noch nämlichen Tags in der Nacht nach Mühlbach, traf aber allda nicht- mehr von unseren Truppen an, weilen selbe vermög eingeholter Erkun­ digungen den 22. frühe um 2 Uhr nach Lienz abmarschieret waren. Da die feindliche Verstärkung die Position des Bren­ ners immer bedenklicherd) machte, so glaubte ich nicht weiters dem Corps nachreisen zu können und eille unaufhaltsam auf meinen Posten zurück, und überschickte dem Obristlieutenant Leiningen den Befehl, das südlicheTyrol so lang als mög­ lich und bei feindlicher Uebermacht dm Hunter--Weg auf das Äeußerste zu vertheidigen, welcher stdann auch vermög Befehl ganz an mich angewiesen worden. Den 23. frühe um 3 Uhr kommen gesammte Stab-Offiziere und Branchen - Commandanten mit mchreren Haupt­ leuten zu mir und meldeten, daß der Feind sehr stark an­ rücke und verlangten eine Kapitulation mit selbem abzu­ schließen, wobei sie auch den Entwurf der Kapitulation überreichen wollten.') Dieses Verlangen unterstütztm selbe mit tarne, daß F. M. Lieutenant Ch asteler dm Major und CorpSadjutanten B. DevderzurÄbschließung einer Kapitulation zum feindlichen Kommandanten geschicket (unwahr), dieser aber, da Khasteler selber in die Ächt erkläret seye, mit selbem jeden Änttag einer Unterhandlung anzunehmen verweigerte. — La nun Khasteler erkranket fei, und das Kommando mir Übergeben hätte, so erforderte die Lage der Umstände unver­ züglich eine Unterhandlung anzufangen, um den Rest des EorpS zu retten. — Dieser Änttag wurde sogleich abaewiesen, mit tarne, daß Jeder auf seinen Posten sich sogleich be­ geben und Jeder selben auf das Äeußerste vertheidigen solle. Es könne nicht eher an eine Kapitulation gedacht werden, bis nicht der Feind Über Sterzing uns im Rücken zu glei­ cher Zeit mit Uebermacht angreife. DaS Landesvolt durch mein vermög obangeführten höhern Befehlen bestimmtes Benehmen bei Bolters und dem Bren-

ner wurde gegen mich äußerst mißtrauisch und ließe mir keine Depeschen eher zukommen, bevor selbe nicht von ihrem Com­ mandanten erbrochen wurden und behielten jene an mich er­ lassene Befehle, welche nicht nach ihrem Wunsch waren, zu­ rück, worunter auch vermög eigener nachheriger Geständnis; des Andreas Hofer jener Befehl wäre, vermög welchen ich den Brenner verlassen und mich an das Corps des F. M. Vicut. zu Lienz anschließen sollte. Den nämlichen Tag entwarf ich mit dem obbenanntcn Hofer nach dem einstimmigen Wunsch des Landvolks (wel­ ches die durch die Stande abgeschlossene Capitulation keinerdings annehinen wollte) die Disposition, auf den 25. den Feind in 2 Treffen (mit 1200 Mann, 90 Pferden, in welchen fast die ganze Anzahl meiner untergeordneten Trup­ pen bestünde) 5 Kanonen und 15000 Landesschützcn anzu­ greifen , welcher Angriff auch wirklich mit vielem Bortheil ausgeführt wäre wvrden, wenn nicht die Ausbleibung der Oberinnthalerschützen, — die regnerische Witterung und der Mangel der Munition, welche erst den 26. von Lienz ein­ traf, mich nicht in die vorige Position gegen Abend zurück­ zuziehen gezwungen hattet) Den 29. Mai wurde der Angriff wiederholt und der Feind aus dem ganzen nördlichen Tvrol, mit einziger Ausnahme der Festung Kufstein, welche gleich wieder blockiret wurde, fast mit gänzlicher Aufreibung des Corps verjaget (oho!!) Den 5. Juni nach dem Abmarsch des F. M. L. CH a steler aus Tvrol nach Niederungarn Übernahme ich das Commando über alle im Land zurückgebliebenen TruppenObristlieutenant Leiningen wurde mit einem starken Streifcommando über die Valsugana nach Bassano geschickt, um Munition, Geld, Lebensmittel und Gewehre zu bekommen, welches mit gutem Erfolge ausgeführet worden. Den 6. Juni griese der Feind das Castell von Trient mit überlegener Macht an, selber wurde aber mittelst der aufgeforderten Schühencompagnieen den 9. dieses über die Gränze mit starkem' Verlust zurückgeworfen.') Den 13. Juni machte der Hogenzolleiische Rittmeister Banitza, welcher mit 2 Compagnien des Wallachischen Re­ giments und 6 Compagnien Landessckützen auf dem Kreuz­ berg stunde, ein Streifcommando nach Belluno mit gutem Vortheile. Da mehreres zusammengerafftes Bayrisches Mi-

33 lktair und Landesvolk unter Anführung des Obristen, Graf Arco öfters den Paß Scharm'tz beunruhigten, ließ ich den 5. Juni frühe unter Anführung des Majors Leim er selbes angreifen und gänzlich auseinander jagen"»), derer Gewehre aber in das Land zurückführen. Als ich das Commando im Land den 5 Juni übernehme, hatte ich zu Vertheidigung des­ selben nur mehr an Truppen 3 äußerst schwache Bataillons Lusignan, 1 Bataillon Salzburger Jäger, 1 Bataillon de Vaux, welche zusammen nicht volle 1300 Mann aus­ machten , da alle Bataillons, außer dem 3. Bataillon Lu­ signan bei Wörgel ganz aufgelöset worden"»), dann die Di­ vision von Hohenzollern leichter Pferde, wovon nicht mehr 100 Pferde dienstbar waren. Im südlichen Turol waren unter Commando des Obn'stlieutenants Leitungen kaum 900 Mann von verschiedenen Regimentern zusammengesetzet. Die Seite gegen Karnthcn war mit dem nicht 300 Mann starken Triangischen 4. Frei-Bataillon uOd die Gegend von Sexten und Kreutzberg durch Herrn Rittmeister Banitza mit 2 Compagnieen Gränzer besetzet. — Das Fort Sachsenburg war dem Major Krapf zur Vertheidigung anvertraut. Wie schlecht es nach dem Abmarsch des F. M. Lieutenants Chasteler mit allem versehen wäre, kann bekannter Major und der nach Tnrol zurückgekommene General Schmidt um­ ständlich beweisen. Uebrigens war ich an Geld, Munition — Vivres, mit einem Wort an allen unumgänglichst erforderlichen Kriegsbe­ dürfnissen gänzlich entblößt. General Schmidt wurde von dem Corps des F. M. Lieut. Chasteler bei Klagenfurt abgeschnitten und kam den 7. Juni mit einem großen Theil der Bagage des Corps, Commissariat (unnütze Fresser beim täglich steigenden Mangel), Kriegs-Cassa, in welcher nur gegen 40,000 fl. in B. Z. wa­ ren, in das Land ohne Truppen zurück. General Schmidt erhielt seine Anstellung zu Lienz und ich nähme mein Haupt­ quartier in Brixen. Durch die in der Affaire bei Klagen­ furt versprengte und durch die sich selbst täglich so zahlreich einsindende Mannschaft wachsete das Corps in Bälde und zwar gegen Kärnthen auf 3(X)0 Mann. — Jenes im nörd­ lichen und südlichen Tnrol gegen 6000 Mann, wovon aber der größte Theil unmontiret und unbewaffnet wäre. Um diese Truppen zu verpflegen, dienstbar zu montiren und aus-

34 zurüsten in diesem bekannt armen Land, mußte zu allen nur immer ersinnlichen innerlichen Hauptqucllen und Mitteln die Zuflucht genommen werden, da ich sonst an keiner Seite ei­ ner Abhilfe zu hoffen hatte. Theils durch eigenen Einkauf in Land, — theils durch die gemachten Ausfälle eroberte Mu­ nition und Gewehr und Vivres wurde in Balde das Corps dienstbar ausgerüstet und montirt. — Der Geldmangel zu Verpflegung der Truppen, — zu Erbauung der gänzlich ruinirt gewesten Schanzen im nördlichen Tvrol, zu Errichtung der so höchst nothwendigen Schanzen auf dem Brenner — Kuntersweg und Ritten, — denn die Pustererclausen bei Mühlbach, welche zur äußersten Vertheidigung auf das Vollkommenste hergestellt werden mußten, wurde täglich drü­ ckender und die Schutzdeputation dringete, weilen die Schützen so lang nicht bezahlt wurden, auf ihre Auflösung oder au­ genblickliche Abhilfe. Alle innerliche Hilfsquellen durch Ver­ kauf der vorräthigen Bergwerk - Production, — durch eigene Münz - Erzeugung waren erschöpfet, Credit war weder bei dem Handelssiand, noch Partt'kuliers zu finden, m In dieser verzwciflungsvollen Lage kam der zum Generalissimo abgegangene Kundschafter Schenacher am 19. Juni mit dem Handbiller S. K. Hoheit zurück, kraft welchen Hochielber mit der standhaften Behauptung Tvrols die volle Zufriedenheit bezeichnete und bald wieder mit der Armee vorrurücken die Hoffnung habe. — Diese dem Land gegebene trostvolle Hoffnung belebte alles mit neuem Muth, welcher um dem im höchsten Grad gestie­ genen Geldmangel zu steuern, mit Ausschreibung eines sorcirien Darlehens gegen deme benutzet worden, daß alle rück­ ständigen Besoldungen, Pensionen, Interessen der landschaft­ lichen Capitalien, der rückständige Sold für die Landesschützen compagnieen gleich von dem cinkommenden Geld ausbezahlet werden kannten. — Nachdem die rancionirtcn Cavalleristcn mit den aus den Pack- und Fuhrwesensdepots zu dem CavallerieDienst tauglichen Pferden dienstbar nach und nach ausgerü­ stet waren, wurde vorzüglich General Schmidt damit ver­ stärket, welcher auch seine Vorposten den 4. Juli bis Vil­ lach vorpoussirte und ununterbrochen Streif-Commando in die. Gegend von Tarvis und Malborgetto abschickte, welche drei feindliche Couriers, deren erhebliche Depeschen mit­ telst Kundschafter S. K. H. E. H. Johann überschicket worden, wie auch die Bagage des General C h a r b e a u nebst

35 11 Mann bei Tarvis gefangen und die Communieationsstraße mit Italien gänzlich unsicher machten.» Wurde auch die Disposition, dem Feind Klagenfurt weg­ zunehmen, dem F. M. Lieut. und des 9. Armee-Corpseommandirenden Bannus, Grafen Giulay (dessen Husaren bis Völkermarkt streiften) unter dem 6. und 12. Juli mit der Bitte unterleget, daß er das Unternehmen unterstützen wolle und in dieser Zuversicht wurde auch General Schmidt mit 3 Kanonen, l Comp. Jäger, 1 Bataill. de Vaux und 10 Landesschützen - Compagnieen unter dem 14. dieses verstärket. Da aber von benannten Herrn F. M. L. gar keine Antwort erfolgte, mußte diese Disposition wegen Mangel des Geschützes aufgegeben und sich nur mit jenem begnüget wer­ den , was die ausgeschickte Streif- Commando an Geld, Mu­ nition — Gewehr und Getraid nach Tyrol verschaffen konnte.« Um dem in Kärnthen ausgeschickten St^alfkommando meh­ rere Nachdruck und Sicherheit zu verschaffen, und um die Aushebung der Rekruten und Abschickung der feindlichen Ver­ stärkung zur großen Armee möglichst zu erschweren, wurde Oberst Leiningen und Taxis von meinem Reserve-Corps ansehnlich verstärket, unter dem 11. Juli beauftragt, Aus­ fälle in das bäurische und venetianische Gebiet, soweit in das Land als nur immer mit Sicherheit möglich, vorwärts zu machen und hiebei Lebensmittel in das so bedürftige Tyrol zu verschaffen. Während dem Gefechte wurde dem Obristlieutenant Taxis der abgeschlossene Waffenstillstand vom Feind zugeschickt, und da sich dieses Gerücht immer mehr verbreitete und Wahr­ scheinlichkeit erhielt, wurde Obristlieut. Leiningen beauf­ traget, das Vordringen in das feindliche Gebiet aufzugeben und sogleich in das Land zurückzukehren. Den 21. Juli machte mir der französische General Dutaillis aus München und General Rusca aus Kärnthen, den 26. der Herzog von Danzig aus Salzburg den Waffen­ stillstand mit deme bekannt, daß ich das Land und das Fort Saxenbourg sogleich übergeben sollte, welchen aber erwidert wurde, daß in solang ich nicht durch meine Bchörde den Waffenstillstand erhalte und dies Land zu übergeben beauf­ tragt würde, von der Uebergab des Lande keine Rede sein könne und müßte alles in statu quo verbleiben. Doch würde

36 ich den Vorposten jede Unternehmung der Feindseligkeiten auf den Fall einstellen, wenn auch, von der französischen Seite dasi nämliche beobachtet würde und schickte auch zugleich an S. K. H. dem generalNsimo einen Courier ab, um von der Aechtheit des Waffenstillstandes überzeugt zu werden und .^erhaltungsbcfehle cinzuholcn. Den ‘28. Juli frühe um zwei Uhr und sodann den 10. August zu Velden auf dem Marsch, erhielt ich den wieder­ holten Befehl des E- H. Johann K. H. das Land ver­ mög den abgeschlossenen Waffenstillstand zu cvacuiren.i')

Kraft diesem hohen Befehle wurde der Abzug der Trup­ pen dem Land öffentlich bekannt gegeben, auch der Herzog von Danzig hiervon verständiget mit dcme, daß ich vermög den Waffenstillstands-Artikeln den 4. August von Brircn nach Brunecken marschiere und meinen Abmarsch durch Karnthen sodann fortsetzen vllrdc. General Schmidt und Major Krapf erhielten wegen ihrem Benehmen besondere Befehl von S. K. H. E. H. Jo­ hann — Letzterer erhielt auch einen besondern Auftrag vom General Rothkirch und marschierte der General Schmidt mit seinem 3000 Mann starken Corps nach gepflogener Uebergabe des forts Saxenbourg ohne auf mich zu warten, ab. Von allen Gerichten des Landes wurden Deputirte zu mir ab­ geschickt, um sich von der Aechtheit des Waffenstillstandes zu überzeugen und Rath ihres fernern Benehmens halbers einzu­ holen. Uncracht ich selbem zur Vermeidung aller ferneren Gräuelthatcn und unnützen Blutvergießens die Waffen nieder­ zulegen und sich ruhig nach Hause zu begeben, nachdrucksamst anrathete, so erklärten sich fast alle Deputirte einstimmig: „ Wir sehen ein, daß sic mit den Truppen das Land gewiß ungern, aber vermög ihrer Pflicht verlassen müssen, aber wir legen die Waffen doch nicht nie­ der, wenn uns auch die Menschen verlassen, so wird uns doch unser Herr Gott nicht verlassen." — Da der Herzog von Danzig vermög seinem Schreiben d. d. 28. und 31. Juli seine Gesinnung den Marsch nach Bn'xen unaufhaltsam fortzusctzen, bekannt gäbe, ließe ich sogleich Trup­ pen und Geschütz auf den Brenner marschieren, um den in die dortige Position sich bei wirklichem feindlichen Vordrin­ gen zurückziehenden Obristlieut. Taxis zu verstärken und im

37 Stand zu fein, diese Position auf das Aeußerste zu verthei­ digen. Den 2. Aug. gegen Mittag ließe mir der Fürst Bischof von Brixen durch seinen Beichtvater zu wissen machen, daß die Bauern sich in der Stadt und Gegend zahlreich versam­ meln und selbe das Vorhaben hätten, in der heutigen Nacht die Wachten und Piqueter zu überfallen — gesummtes Militair zu desarmiren — das Geschütz wegzunchmen und mich und Hormayr zu arretiren. — Diese nämliche Nachricht bestätigte mir auch der Landes-Commissär von Tschide­ rer. — Obschon ich vermög dm mir erworbenen unbegränzten Zutrauen des Landcsoolks (oho! oho! nicht im Gering­ sten) dieses Unternehmen nicht erwarten konntet), so erachtete ich doch rathsamcr, um etwa entstehen könnenden Folgen vorzubcugen, den 2. August gegen Abend mit der Garnison und gesummten Bagage von Brixen nach Mühlbach zu marschie­ ren und allda die Truppen des Obristlie^tenants Leiningen und jene des Obristlieut. Taxis zu erwarten, welche auch den 3. frühe cintrafen, wo ich sodann den 3. Nachts wegen der großen Hitze nach Brunecken und sodann weiter über Kärnthen und Stenermark den Marsch in der strengsten Ord­ nung fortschte. Um das Landvolk auf keine Art zu drücken, und jede Gelegenheit, dessen Unwillen zu reizen, zu vermei­ den, bivaquirte die ganze Colonne, welche aus 6000 Mann bestände, auf freiem Felde, und wurde durch das sich eher beigeschaffte und mitgeführte Magazin, mit Zwieback, Reis, Wein und Fleisch bis über die Gränze Tvrols verpflegt. Der als Courier von Bruncckcn aus zum General Schmidt abgeschicktc Hauptmann Maiersfeld kam von Lienz aus den 5. in der Frühe zu mir nach Imichen mit der Meldung zurück, daß der General Rusca ihn seine Reise nicht fortsetzcn ließe und mit dem Auftrag, die Auslieferung des Rittmeister Banitza wegen überzeugter Uebergab der Munition an die Rebellen auf' dem Krcutzberg und die Abgebung des beihabenden Geschützes abzuverlangen, weilen Ge­ neral Schmidt dm größten Theil des Geschützes aus dem fort Sachsenbourg wider die Convention des Waffenstill­ standes mitgenommen habe. Anbei zeigte selber auch an, daß bis 20,000 Bauern bei Mttcwald und Gegend versammelt wären und meine Truppen nicht aus dem Land abziehen zu lasien sich erklärten.

38 Um mich von den Gesinnungen des versammelten Land­ volks vollkommen zu überzeugen und nach Umständen die er­ forderlichen Maaßregeln einleiten zu können, entschlösse ich mich, mir dem Hauptmann Maiersfeld und in Gesellschaft des vom Volk sehr geschätzten Pfarrers von Sillian Paprian, noch am 5. vorauszuzichen, um das Volk zur Ruhe und wo möglich zur Ablegung der Waffen zu bereden. Letzteres wäre keine Möglichkeit zu erwirken. — Seba­ stian Maner, Anführer des versammelten Volks versicherte mir aber, daß ich in Rücksicht des Abmarsches weder für mich noch für die morgen kommende Truppe nicht den mindesten Anstand haben werde. — Das Volk wäre, um den Feind in Lienz anzugreifcn, versammelt. — Dieser Angriff würde aber nicht eher vorgenommen werden, bis ich mit meiner Truppe von Lienz abmarschieret wäre, und ich möchte ih­ nen den Tag meines Abmarsches bestimmt bekannt geben, — worauf ich nach Lienz zum General R u s c a meinen Weg fortsetzte. — Das versammelte Volk ließe mich sowohl als die Tags darauf ankommende Truppe ohne mindesten An­ stand den Marsch fortsetzen. — Gleich bei Eintreffung der Colonne in Lienz wurden gegen 1000 Kriegsgefan­ gene auf Abschlag gleicher Anzahl unserer Kriegsgefangenen mttelst Consignation übergeben. General Rusca, der we­ der die Gesetze des Krieges noch der Menschheit re^pectirte, beharrte auf die Auslieferung des Rittmeisters Banitza und Abgebung des Geschützes mit der Bedrohung, sogleich Ordre zu geben, die drei Tage vor meiner marschierenden Colonne des General Schmidt zu desarmiren und meiner Colonne keine Verpflegung verabfolgen zu lassen. Da ich durch den, dem Major Krapf als Commandan­ ten des forts zugeschickten Befehl des E. H. Johann K. H. von der Abführung des Geschützes und der Munition, welche vermög den Waffenstillstands-Artikeln und dem Schreiben des General Rothkirch mit den Forts sollten übergeben w rden , verständiget wäre und ich selbst aus Verlangen des Obristlieut. Reißenfels von de Vaux 26 angeschirrte P erde und 3 bespannte Munitions-Wagen dahin abgeschicket habe, und in der Ueberzeugung, daß unser Benehmen dem General Rusca umständlich verrathen feie — und in wei­ te er Ueberlegung, daß der Colonne des General Schmidt der unerwartete Fall der Desarmirung leicht wiederfahren

39 konnte!!r — Auch in Rücksicht, daß meine Colonne auf den Marsch wenigstens in Kärnthen gar keine oder doch nur eine äußerst schlechte Verpflegung erhalten würde, entschlöße iche mich, mit dem französischen Obersten Lejeune, welcher vom .Kaiser Napoleon wegen der Evacuirung Tnrols zu Gene­ ral RuSka abgeschicket wordm, folgenden Vergleich abzu­ schließen, weilen Rusea auf alle meine Vorstellungen in Nichts nachgeben und feine Forderungen mit einem hitzigen, beleidigenden Ungestüm dahctüpten wollte.

Es wurden einige 6-8- und lOlöthige uralte Falconetü im Lande theils vergrabener, theils versteckter vorgesunden, selbe ohne Unkosten des Aerarii sehr schlecht lavetiret in den Paßverschanzungen aufgestellet und bei dem Abmarsch mitge­ nommen, gleich bei dem 2 Marsch entzündete sich ein Mu­ nitions-Magazin, wovon 2 Mann getödtet und 2 Mann stark verwundet wurden. — Artillerie Oberlieutenant Gumer versicherte, daß von allen diesen Stücken, theils weilen die Röhre schadhaft und zu viele Gruben hätten, theil- wei­ len ihre Lavetirung viel zu schwach und zu schlecht feien, kein einziges jemals gebraucht werden könne, und eS müßten ganz sicher auf diesem weiten Marsch noch mehreres Unglück ge­ schehen (Wodurch?) AuS diesen Gründen trug ich den obgenannten Obn'sten Lejeune dieses Geschütz ohne Bespannung abzugeben an, wenn General Rusca die schriftliche Versicherung aussteller, daß ich mit der Colonne weder in der Verpflegung noch son­ sten aus was immer für eine Art während dem ganzen Marsch nicht den mindesten Anstand mehr haben werde, und daß mir zur Sicherheit der genauesten Erfüllung dieser Bedingniffe ein StaabSoffizier in solang, als ich die von ftanzösischen Truppen besetzten Ländern marschiere, mitgegeben werde. Nach längerem Wortwechsel entfernte sich benannter Obrist von mir und überbrachte meine Gesinnung dem General Rusca, welcher aber noch 40t) brauchbare Gewehre dazu abverlangte und stellte das Zeugniß aus, daß nunmehro alle Anstande und Forderungen über das auS Sachsenbourg mit­ genommene Geschütz abgethan seien. Den benannten Obn'sten wurden Nachmittag die Falconets, keinerdings aber Gewehre übergeben, sondern selbe mit­ geführt, weilen ich bei dem abgeschlossenen Vergleich feine bewilligte.

40 Auf diese Art wurden ohne Nachtheil des allerhöchsten Aerarii die von französischer Seite nicht ungegründete Anfor­ derung behoben und alle sonst sicher entstandenen unangeneh­ men Weitläuftigkeitcn vermieden und die Colonne wurde in allen Marschstationen gut verpfleget und setzte ohne minde­ sten Anstand ihren Marsch durch Karnthen und Steyermark fort bis nach Tschakaturn als das damalige Hauptquartier des Erzherzogs Johann K. H. allwo jedes Individuum der Colonne bei seinem Regiment imtr Corps abgegeben wurde. Freiherr von Buol,

Gcneralfcldw achtmeister.

Anmerkungen. a) Ignaz, Freiherr von Buol zu Bärenberg, K. K. Kammerherr, Generalmajor, (verstorben 1822 als General­ lieutenant und Stadtcommandant zu Prag) wurde 1757 zu Innsbruck dem Freiherrn Johann Georg Conrad von Buol zu Bärenberg und Mülingen von Franziska Perpetua von Hormayr-Hortenburg, Stieffchwester des berühmten Tyrolischen Kanzlers geboren, trat sehr jung in Militairdienste, immer in demselben Infanterieregiment N- 40. Carl Colloredo, seit 1786 Joseph Mitrowskn, dessen Stab zu Kremsier in Mähren lag.. Von durchaus makellosem Charakter, rechtlich und bieder, von unbeugsamer Diensttreue, von keiner Lmpetuosen, aber ausharrenden Tapferkeit war Buol frühe schon ein „Lascnscher Exerziermeister." Höher reichte seine wissenschaftliche Bildung und sein Ideenkreis nicht, wie selbst aus seiner Orthographie erhellet. — Außer der bataille rangee, außer der Masse, im Gebirgs- und Volks­ krieg , wo moralische Triebfedern mit ins Spiel kamen, war er, im eigentlichsten Sinn, ein Fisch auf dem Trocknen. Er hatte sich bei Verona und Pastrengo, bei Magnano unter den Augen Krans, an der Trebia, bei Novi und Mondovi 1799 ausgezeichnet und 1800 bei Marcngo, trotz seiner Ver­ wundung, das Regiment mit Ruhm angeführt, auch im Oc­ tober 1805 der Uebergabe Memmingens widersprochen und noch einen Versuch zum Durchschlagen unternehmen wollen. — 1807 —1808 befehligte er eine schöne Brigade in Wien. —

41 Obgleich selbst Tyroler, war ihm doch der sogenannte Bau­ ernkrieg innerlich ein Graul und dennoch konnte jeder stra­ tegische Gedanke der Offensive wie der Defensive nur allein auf das Volk basirt werden und die Existenz des abge­ schnittenen, verlassenen und vergessenen Corps hing ganz allein von dem armen, ausgesaugten Lande ab'.! — Der General Fenner, auch aus dem tyrolischen Adel, war nicht minder bornirt und unwiss nd, aber der lange Vorpostendienst mit den Tyroler Zagern in Belgien und am Rhein hatte mehr unternehmende Regsamkeit in ihn gebracht. Er stand dem Volke besser an, weil er in gar Nichts ein Bedenken fand. Desto unausstehlicher war den Tyrolern der General Marschall, ein parvenirter Fourier und guter Administrator, der es schon in den ersten Tagen mit den Tyrolern verdarb, in Botzen den einrückenden Sandwirth Hofer mit dem Hut auf dem Kopf, per: „Du Bauer! grüße Dich Gott", em­ pfing und gegen den schon Anfangs die (gedruckten) An­ klagen beim Erzherzog Johann begannen, der Nichts als Capitulationen im Kopfe hatte und den sein Brief vom 2L Mai dem Tage der Aspcrnschlacht an den General Buol hinlänglich characterisirt. (Taschenbuch auf 1*38 Seite 379 Aktenstück N°- 21.) General Schmidt entzog sich im März 1810 durch Gift einem unerwünschten Ausgang des über ihn verhängten Kriegsrechtes. b) Man sehe unten die Anmerkung d. c) Wie in Skakespeares Tragödien, die erhabenen und die Fattstaffsscenen dicht an einander stehen, so gränzte auch hier an das herzzerreißende Schauspiel eines edlen, wi­ der den eigenen Herrn und wider Bonaparte, den angemaß­ ten Herrn der Welt zum Aeußersten aufgeregten und in we­ nigen Wochen, nach verhältnißmäßig geringem Widerstande, schrankenloser Rache preisgegcbenen Volkes ein tragikomischer Mißverstand. — Zellachich schrieb, er rücke vor und General Ettinghause stehe dem Feind hart im Rücken bei S. Zohann. Aber S. Zohann in Pongau wurde bei der allgemeinen Confusion mit S. Zohann im Unterinnthal verwechselt. Eine Bewegung der Feinde, sich durch Bese­ tzung der Höhen von Zenbach, die rechte Flanke gegen Handstreiche aus dem Aachenthal zu sichern, verkündete der Platzhauptmann in Innsbruck, Baron Lochau, als ei­ nen allgemeinen Rückzug. Cha steter selbst kündete den

42 Innsbruckern seine unverzügliche Vorrückung an, als aber der Irrthum der Ucbercilung sich rasch aufgeklärt hatte, wan­ delte sich diese Vorrückung in einen Rückzug auf Sterzing. Es war ein unglücklicher Gedanke Chastelers, den Inns­ brucker Abgeordneten, die ihn an der untern Brennerschanze trafen, als Ursache dieser Reträte, den Frevel anzugeben, den sich bei seiner nothgedrungenen Flucht von Wörgel ein Haufe frecher Salzarbeiter zu Hall gegen ihn erlaubt! — Diese Wendung war weder der gesunden Vernunft, noch den Ge­ setzen der Ehre, noch der Lage der Dinge, am wenigsten Chastelers persönlicher'Chevalerie angemessen. — Rache, Eifersucht, Eigennutz, Neid, lagen ferne von diesem edlen und »arten, französisch-ritterlichen Herzen, das bei allbekannter Bravour und bei einer umgestürzten Bibliothek von Gelehr­ samkeit, durchaus nicht ohne einen haut gout von ein we­ nig Rodomontade und Charlatanism eristiren konnte. — Chasteler hatte vierzehn, meist schwere Wunden und einen, durch alle erdenklichen, erotischen tours de force ganz herabgekommenen, ursprünglich riesenartigen Körper. Das durch falsche Kundschaftsnachrichten, falschen Muth und fal­ schen Edelsinn herbeigcsührte Unglück von Wörgel, der Brand so vieler blühenden Ortschaften, das Unheil des Landes, das er aufrichtig liebte, zuletzt noch die skurrile Achtserklä­ rung Napoleons im Auersbergischen Schloß Ennseck er­ lassen, hatten zwar nicht jenen activen Wahnsinn in ihm hervorgebracht, wie in Mack der Durchbruch der Fran­ zosen in seinem Rücken durch das neutrale Ansbach, die My­ stifikation eines großen Aufstandes in Paris und der Zwie­ spalt seiner Generale in Ulm, nach welchem Mack doch noch die ungeheure Schmach mit ansehen, eine stundenlange Un­ terredung mit Napoleon aushalten, unaufhörlich vom Ster­ ben reden und doch nych fast ein Viertcljahrhundert leben konnte! (Oct. 1R2S.) In CHasteler war damals vielmehr durch mehrere Tage ein völliges Nachlassen der Kräfte, be­ sonders des Gedächtnisses, ein beständiges Schlummern, eine an Abwesenheit und Irrereden gränzende Zerstreutheit, die sich in 10 —12 Tagen wohl wieder behob, aber noch lange Spuren zurückließ und in den letzten Jahren seines Lebens als Gouverneur von Venedig wieder völlig von ihm Besitz nahm, bis er am 7. Mai 1825 auslosch, wie ein Licht, dem schon lange das Oel gebrach.

43 6) Daß stiftete eigentlich das Mißtrauen deS Landvolk« gegen die Oesterreichs, daß General Buol, (wie er selbst sagt), um den befohlenen Rückzug nach Steinach ungestört auszufuhren, eine Vorrückung gegen Schwatz für den frühen Morgen simulirte, die er auf dem rechten Ufer, die Landesvertheidiger unter Major Teimer aber auf 'bem linken Uftr unternehmen sollten. Als aber die Tyroler über die Voldersbrücke auf das linke Ufer hinübergenarrt, und vorwärts Baumkirchen der feindlichen Hauptmacht bei Bomp bloß gestellt waren,'retirirte Buol mit Einbruch der Nacht in Elle und tiefster Stille auf Steinach, — die Tnroler sa­ hen sich dadurch preisgegeben, Teimer spielte selbst den Ueberraschten und ricth nun eifrig zum schnellen und friedli­ chen Rückzug auf Innsbruck und zur Capitulation, we­ nigstens deS Znnthales. Obwohl die Tyroler einsahen, Buol habe nur erhaltene Befehle vollzogen, setzte sich doch Widerwille und Gering­ schätzung gegen ihn fest, als auch Ende Mai und Anfangs Juni der tapfere und pflichttreue Mann bei gar keinem Ge­ fechte persönlich zugegen war. Gegen Teimer aber ent­ stand Groll und Widerwillen. — Hofer wich ihm sichtbar aus wo er nur konnte, und behandelte ihn durchaus abwei­ send und verschlossen. — Nach Tnrols dritter Befreiung im August, nach dem Abzüge der Oesterreicher, ließ Hofer, der schon Nsenstecken (ehmals seine rechte Hand), und den bra­ ven Sicherer, aus Oesterreich rückkehrend, sehr schnöde empfangen hatte, dem Erzherzog Johann sagen: „wenn etwa Teimer auch noch nachkäme, würde er ihm den Kopf vor die Füße legen lassen." — Eden so wenig sah Teimer Tnrol nach der Wiederkehr unter Oesterreich 1814 jemals wieder bjs an seinen Tod am 2. Novbr. 1838, auf seinem Gute Herbersdorf, ohnsern Gratz. Martin Teimer, am 14. August 1778 zu Schlanderß geboren, eines armen Tagelöhners Kind, Hormayrs Mit­ schüler und ihm vielfach befreundet, hatte die Schule 1796 mit dem LandcSschützen-Säbel vertauscht. Ohne je Soldat gewesen zu sein, lebte doch ein ganz anderer Blick, Beweg­ lichkeit und Kühnheit in ihm als in Hofer, recht viel Ge­ schick als Parteigänger und für den Postenkrieg. Als 1806 Tnrol verloren war, bekam Teimer einen Tabakverlag in Klagenfurt, F. M. L. Ehasteter hatte im März 1809

44 sein ArmeecorpS dort concentrirt und erhielt von seinem Zögling und ergebensten Freunde Hormayr die Kunde dessen, was in den geheimen Conferenzen zu Wien mit dem Sand­ wirth Hofer und den Seinigen festgesetzt worden war. Man suchte jetzt einen Kundschafter, die Tyroler vom nahen Aus­ bruch schnell zu avisircn. Leim er schlich sich nun keck durchs Land über Brixen und Sterzing ins Thal Passeyer, ins Wirthshaus am Sand, zu Andreas Hofer, allwo sich aber vom ersten Augenblicke entschiedene Abneigung zwi­ schen ihnen entspann. — Nun setzte Teimer den Weg nach seinem Geburtsorte Schlanders und nach Landeck fort, dann zu Schermer in Nassereit. (Was cs mit Teimers Popula­ rität für eine Bewandniß hatte, geht unter Andern ergötzlich hervor aus August Lewalds Tyrol S. 182 bis 208 Hofers Adjutant, der Schulmeister Purtscher aus Schlanders.) Ganz zufällig traf in dem Augenblick jener auf einmal Alles unwiderstehlich und lavinengleich mit sich fortreißenden Nationalbewegung Martin Teimer mit den Landstürmern von Airl an der Martinswand, gerade in dem Mo­ ment vor Znnsbruck ein, wo unter General Bisson eine Colonne Franzosen und Baiern von Brixen her durch Chasteler und die „Aufständischen" getrieben, sich allerwärts von bedeutender Uebermacht umzingelt sah und das Begehren, unschädlichen freien Durchzuges gestellt hatte. General Kin­ kel und Obrist Dirfurt waren schon Tages vorher mit ihrer Truppe gefangen. Teimer, den aus dem Volke nur wenige Innsbrucker Bürger kannten, der sich aber begierig zu dem Verdienste drängte, der Unterzeichner der unvermeids lichen Capitulation zu sein, vertauschte sogleich seinen grauen Kittel mit einer, (ihm gar nicht passenden) SchützenmajorsUniform des hochverdienten Geheimenrathes Grafen Ignaz Tannenberg und ging mit dem braven Schützenmajor, Grafen Joseph Taxis (insgemein „der krumme Taxis") und Atzwanger vor das Thor in das Dorf Wiltau, wo er auch die berühmte Capitulation unterschrieb. So wenig aber war er dem Volk bekannt, daß, nachdem der Sieg durch Uebermacht und Begeisterung bereits erfochten war , sich ge­ gen ihn, wie gegen einen betrügerischen Landstreicher ein Aufstand erhob, da die Oesterreicher nicht so schnell nachrückten, als Teimer es versprochen und über­ haupt plötzliche Schreckenszweifel aufstiegen: — ob sie wohl

45 überhaupt kämen? —r Ob der Kriegesausbruch wirklich gewiß und schon geschehen sei?? — Wech­ selweise mußte sich Leim er bei seinen alten Gönnern, dem Grafen von Tannenberg und Herrn von Stadler ver­ stecken, bis am 14. April um 8 Uhr Morgens der erste hohenzollerische Remter, den Pallasch hoch geschwungen, durch die Triumphpfortc hcreinsprengte und von dem freudetrunke­ nen Volk sammt seinem Pferde fast schwebend durch die Straßen getragen wurde. Da trat auch Teimcr wieder aus seinem Versteck hervor, wurde mit Acelamation empfangen und begrüßte drei Stunden nachher Cha steter bei seinem Einzug, den keine Feder zu beschreiben vermag. Auf den allerdings kecken Strcifzügcn nach Kempten und Memmingen, begegnete Teimer nirgends einem Feinde. Sein Ausfall im halben Zuli, unbesonnen verkundschastet, endigte unrühmlich und ohne die Tapferkeit des Rittmeisters Alt mann von Hohenzollern beinahe mit seiner eigenen und mehrerer Commandanten Plawens, Stechers rc. Gefan­ genschaft. Andere Waffenrhat fiel mit ihm keine vor. Auf jenen, von Unrichtigkeiten wimmelnden und offenbar nur in der Meinung, allein und unerwiedert zu reden, geschriebenen Aussatz Teimers nach v4 Zähren, in der Wiener militairischcn Zeitschrift, erwiederte Hormayr mit den untenstehen­ den, wenigen, vieles Lachen erweckenden Worten unh mit dem Abdruck mancher interessanten Aktenstücke.’) — Teimer

* Die östcrrclchisch-militärischcZeitschrift gab in den Aabrgüngcn 1833 — 1634 einen Aufsay über die JuicgScrcigniffe des denk­ würdigen Zahres Lb09 in Lyro.: — hin umfassendes Gemälde der Gegebenheiten nach ihren innern und äußern Motiven, nach ihren wichtigen V erzweigungen nach West und Süden, keine Eharat11rbi(ber, nichts von dem, was geschichtliches Leben und ge­ schichtliche ftitrbc leibt, sondern ein unvollständiges und darum Häufig unrichtiges Skelett der taktischen Bewegungen der öster­ reichischen Streitkräfte, die in diesem ganzen Gebirgs- unb Volkskriege nur eine untergeordnete Rolle spielten und bei den einzigen, wirklich großen Ergebnissen, (10. bis 13. April und 6. dis 15. August­ no ch gar nicht ober nicht mehr zugegen gewesen sind. Dieser „befohlene" Aufsan bat eine, von selbst in die Augen fal­ lende, leidenschaftlich-persönliche Richtung. — Der Unterzeichnete wurde sie mit Stillschweigen übergeben, wenn die Anschuldigung von Unwahrheit nicht jedem Ehrenmanne geböte, sie zu vollem Erweis dem Gegner zurückzuschleudern.

46 steckte auch diese Erwiederung mit einem ächten KarthäuserStillschweigen in die Lasche. — Der Ueberarbeiter in der Wiener militairischenZeitschrift glaubte einen unendlichen Witz zu machen, indem er anfuhrte, in der Geschichte Ho­ fers komme HormayrsName 83 mal vor, als wenn das

ES ist bpNagmSwerth, wenn eine, an den derrltchsten Quel­ len gelagerte, von den achtung^würdigsten Männern geleitete und unterstüßte Zeitschrift, einem solchen Zwange unterliegt, daß treffUchcAufsäye verstümmelt und hierdurch entstellt oder lieber gar zurück­ gelegt, daß sogar Le t en stücke vergangener Jahrhunderte sehr lang unterdrückt wurden, daß überall nur die Lichtseite, niemals "als ehrä bei persönlicher Ungun ft), die Schattenseite hervertceten darf, somit nothwendig der ganze Eausalzusammenbang der Ereignisse entstellt unb aus der Geschichte (wie Bonaparte sich ausdrückte), eine „fable ronvenue" wird! — Beispiele sind häussg aufzuwcisen. — Wo UN Verfasser weder für das, was er sagt, noch für das, was er nickt sagt, dilligerwelfe verantwortlich gemacht werden kann, weil ihn in dem Einen und in dem Andern eine mitunter von kaum mittelmäßigen Leuten gehandhabte Eensur Schritt für Schritt am Gängelbande führt, — da giebt cs gar keine Geschichtsschreibung. Dem unmilitärischen Hintermann jenes Skeletts ist vorzüglich die Seite für Seite, auf Autopsie und auf Qriginalquellen beruhende „Ge­ schichte Andreas Hofers" (1817, ein Scheue! und Gräuel. — Er wirst ein allgemeines Anathem darüber. Einstweilen verbürgt sich der Unterzeichnete für jede, jenem Buche (dem seit anderthalb Decennien kein wesentlicher Widerspruch entgegen trat) nachgewiefenc Unwahrheit, dem fraglichen Skelette der militari.schcn Zeitschrift drei Unwabrheitm darzuthun, abstrabirt von der Würdigung so erbärmlicher Quellen, wie die Leim er sch cn Privatbricfe, die hier, gleich unwidcrsprcchlichen Autoritäten des Si­ nai hingcstcllt werden. Um jenes Anathem einigermaßen zu beschönigen, wird aus einem Schreiben des General Buol an den General Schmidt vom 3. Zuli 1809 eine Stelle gerissen: — — scheine von Hormayr die Sucht ererbt zu haben, Unwahrheiten drucken zu lassen." Daß am 3 Juli 1809 nicht von irgend einem GeschichtSwerkc über dm noch in der unentschiedensten Ebbe und Muth wogmdm Lu. rolerkricg die Rede fein, daß Gmcral Duel dem 1810 verstorbenen General Schmid nicht wohl von einem 1817 erschienenen Buche prophezeihen konnte, scheint ziemlich klar! — Will man zur Kühlung einer unglücklichen Leidenschaftlichkeit irgend eine dienlich scheinende Stelle vom Zaune brechen, so muß man zuvörderst genau wissen, w o von die Rede fei? sonst kann der Feuerwerker leicht mit seinem eigenen Pulver aufflicgen und der Lazzi des Arlekin sich wiederholen, der über den erwischten Brief des verhaßten Nebenbuhlers jubelt und dem hintmnach erst einfällt, daß er nicht lesen kann. Wak waren es also für Unwahrheiten, von benen General Buol spricht, (einem so festen Eharacter würdm täglicher Weihrauch und täglicher Dank in's Gesicht und vager Tadel hinterrücks

47 anders möglich wäre, da Nichts geschah ohne ihn und mit ausdrücklicher Unterschrift seines Namens, daß er- meint: um Hormayr hätte sich der Feind wohl wenig bekümmert, wohl aber um den großen Leim er, den außerhalb desJnnthales Niemand gesehen und kaum dem Namen

schlecht änlichen,)? — Unsere tägliche Korrespondenz vom Simi 1809 enthält cs. — Es waren leider unbestätigt gebliebene, vom Unter­ zeichneten in allen möglichen Wegen verbreitete Nachrichten, über die Benützung des Sieges von Aspern, über glückliche Operationen im Rücken des Feindes, von den Abgeordneten Schenacher, Hutter, Mock, Gutmorgcn rc. aus den Hauptquartieren Wölkersdorf, Wag­ ram, Papa und Preßburg mitgebracht, zum Theil auch durch den Vorposten-Commandanten, Baron Taxis mit seiner Namensunter­ schrift in die Innsbrucker Zeitung gerückt. — Insonderheit hielt Ge­ neral Buol, (bis er im August im Hauptquartier Lschakathurn sei­ nes argen Irrthums gewahr wurde), bas allerhöchste Billet dd. Wöl­ kersdorf 29. Mai: — „daß Tyrol und Vorarlberg nie mehr von Oesterreich getrennt, daß kein Friede werde unterzeich­ net werden, als der diese Lande unauflöslich an Oesterreich knüpfe und daß der Erzherzog Johann so schnell als möglich nach Tyrol kommen werde, um bis zur Entfernung Micher Gefahr, der Anfüh­ rer und Schützer der getreuen Lyroler zu sein," — für eine Erfin­ dung des Unterzeichneten, um den durch so viele Unfälle gebeugten Muth wieder zu beleben'. — Ja, der General ging hierin so weit, daß er den wackern Major Sicherer, der jenes Handbillet,/freilich nur in Abschrift) aus dem Hauptquartiere Papa mitgebracht hatte, für einverstanden hielt und unfreundlich behandelte. Der Erfolg hat jenes freilich zu Unwahrheiten gemacht. — Aber wer erfrechte sich, etwas Anderes darüber anzuklagen, als ein dem Löwenmuthe des Heeres und der Begeisterung des Volkes feind­ seliges Geschick? Eben so wenig weiß der Vcmcrker, wovon das Rcscript des Mi­ nisters Grafen Zichy vom 9. Octbr. 1809 spricht? — von den allge­ mein verbreiteten Lügen über Mißhandlung und Ermordung der Kriegs­ gefangenen, über Vorcnthaltung aller wahren Nachrichten, über Er­ zwingung des Aufstandes, zu dem das Volk schon lange nicht mehr geneigt gewesen sei k. Was er von einem in Hannover gedruckten Heft von Zeugnissen salbadert, ist abermals eine platte Unwahrheit. „General Buol habe den Intendanten vcm Publleisten unterschieden?" — Der Vcmcrker mag allenfalls wistcn, was eine persona publica, er mag wissen, was ein Publicum sey? was ein Pu bl leist aber, schwerlich! — Die linkische Anwendung zeigt es. In Folge der freundschaftlichen Verhältnisse des Unterzeichneten zum General, Baron Buol, bis an seinen, als Commandant von Prag erfolgten Tod, theilte er ihm all und jedes über den Tyrolerrrieg Erscheinende mit. — In einem Briefe dd. Cremsier 20. März 1817 verdankt er unter andern die „Geschichte Andreas Hofers" mit dem Ausdrucke der Zufriedenheit, „daß dann, der von ihm (Buol)

48 nach gekannt hat. — Richt zu entschuldigen ist hiebei bis Unwissenheit, die sogar das Loos jedcS in Feindeshand ge­ fallenen subalternen Führers, z. B. Bianchis, nicht kennt, ja nicht einmal den Wortlaut deS berühmten ProclamS vom 30. April: An die Bewohner Südbaierns, welches beide Häupter der Insurreetion „dem schimpflichen Verbre­ ch er tode" weihte, den Einen, „weil er als Franzose die Waffen gegen sein Vaterland trage, den Andern, weil er in der Geschichte desselben als Aufwiegler einen Namen erwerben wollen!" (Anspielung auf Horm an rs Proclam dd. Suren 13. April 1809. — Sämmtliche Aktenstücke im Taschenbuch auf 1840 S. 18 — 88, aus 1838 S. 342 und 1837 Gemisch Gcmasch S. 458.) — Als der brave Hauptmann Bianchi, ein Offizier aus der Linie, in der österreichischen Uniform zu Mantua erschossen wurde, bloß weil er ein Tyroler und an der Spitze tapferer Brüder aus Primör gefan­ gen worden, drohte General Buol mit Repressalien an den 2300 Gefangenen in Tyrol. Höhnisch erwiderte General Fiorella: Er habe die dreifache Zahl Gefangener, werde also beim Erschießen immer noch im Vorschuß sein und gebe somit die Felgen der Initiative zu verantworten. e) Eine zugleich die vertikale und die transversal Hauptrommunication Tyrols von Norden nach Süden, au»

in jenen, oft schrecklichen Lagen, erprobten Standhaftigkeit, Gerech­ tigkeit geleistet sei." Zu den sieben Arbeiten des Herkules dürfte c5 übrigens die achte und in Wahrbeit die allerschwerste seyn, drei und achtzig mal etwas -rühmliches zu melden rem Berfasser der fraglichen Bemerkung und von seinen Leistungen in Wissenschaft und Kunst, im Frieden und Krieg, — von den umfassenden strategischen Conceptionen des Majors Teimer oder oon den politischen, administrativen und militärischen Talenten des durch seinen ergebenen Lpfertod auf ewig geadelten Sandwirthes: Andreas Hofer*), dermal unwissend wo." — Hannover, am 18. Juni 183-4.

Hofeph Freiherr von Hormayr.

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KenigUch Bayrischer Kämmerer, wirklicher geheimer Rath und Minister-Resident am K. Großbrittannisch Hannöverschen Hofe.

Unterschrift der Aufrufe aus Hofers Versteck in Paffeyr, als der Kapuziner Haspinger, Speckbacher und Schenk, den Aufstmw im August nach der Yracnation wieder begannen.

4» Bayern nach Italien, und von Osten nach Westen, aus Kärnthen nach der Schweiz beherrschende und sperrende, fa st unüberwindliche Stellung, mit der gleichzeitigen Sperrung an der Roberts-Höhe bei Nauders und Finstermünz gegen Martinsbruck und das Engadein, eine wahre altspanische Citadelle, ein Zwing-Üri für ganz Oberitalien: — denn was hälfe den Franzosen ein Vorprellen bis an die Etsch, (selbst wie 1702 und 1735 im kurzen Bunde mit dem Lurinerhof), wenn die Oesterreichcr von der Wasser­ scheide des Inns und der Etsch auf ihrer, mehr als RLmerstraße durchs Veltlin, gerade aus May land gehen und die guten Leute bei Verona, zwischen Mantua, der Etsch und dem Gardasee eingeklemmt lassen!? Diese Befe­ stigung vertrat schon 1801— 1804 der, in Loc alorientirung und geologisch-strategischen Conceptionen gewiß nicht einmal von Napoleon übertroffene Erzherzog Jo­ hann. — Welcher Spaß für die Tyrolerbauern 1804 des wackern Dedovich immense Falstaffsfigur, quasi mit' Win­ den und Hcbebäumcn auf die Höhen von Elvas und Aicha hin­ aufzubringen! — Lage nur die ganze Nordostgränze den Rus­ sen nicht so offen da, wenn sich auch Behufes einer Inva­ sion Ungarns etwas weit Besseres finden läßt, als der aus dem portfo^io bekannte Plan Prond ezinczkys von 1828. — Die Idee der Donau, als Aorta aller Bewe­ gungen, das Aufgebcn Galiziens als eines nicht zu ver­ theidigenden Segmentes, — die Behauptung Siebenbür­ gens, Böhmens und Tyrols, als dreier ganz un­ abhängiger Citadellen, ist wahrhaft Eugenisch und wohl etwas mehr! Aber wegen Ollmütz kann immer ein verheerendes Streifcor-ps auf dem alten Schlachtenboden des March selbes erscheinen und das allerdings höchst wichtige Co morn, (Jungftau gegen die Türken und 1808 von Meyer-Heldenfcld wieder aufgefaßt und von Chasteler eifrig angefangen), deckt nur die obere Donau, sperrt aber weder die Karpathen-Uebergänge, noch die Mitteldonau, die un­ terirdischen Zeughäuser des Gräcismus und Slavismus!? Wo noch unter Maria Theresia, Oesterreichs größte Si­ cherheit und die wichtige Möglichkeit war, bloß nach dem Westen zu schauen, da ist mit beiden Pariserfrieden seine schwächste Gränze und seine größte Gefahr von der Bu­ kowina und Galizien auf beiden Donauufern, bis MonHormayrs Taschcnductz 184*2.

Z

50 tenegro hinab! Denn wie lange kann der marasmos senilis der Pstrte und das Ausdorrcn des Islam noch durch Pallia­ tive prokrastinirt werden? — Der Staat ist eben eine FamAie, die nicht stirbt — und wie sah es noch aus vor 70 Jahren mit Polen, im jetzigen Südrußland, in der Krimm, am weißen und schwarzen Meer und in den, in Ungarns Huldigungsfahncn stehenden, in jedem Krönungscide zu reeuperiren versproche­ nen Av ulsen, Moldau und Wallachei, Servien, Rascien, Bulgarien, Albanien, Bosnien?? Gegen eine so ungeheure, so rapide Vergrößerung von der chinesischen Mauer bis an die mährisch-schlesischen Marken, von Finnland bis ans cagpische Meer, erscheint ja das alte länderst essende Rom als ein pauvre honteux«? — Es wurde schon einmal bemerkt, wie oft und wie ungerecht, Oesterreich unersättlicher Vergrößerungsbegier angcttagt worden sei! Wie aber, wenn man die Thatsache gegenüberstcllt, daß Oesterreich in einem zweimal in Paris ersiegten Frieden (1814— 1815) kaum jene Extension und Intensität wieder erreichte, die ihm 1797 nach Niederlagen auf Niederlagen, zu Leoben und zu Campoformio von Bonaparte vergönnt war, der am Semmerring lagerte, während Wien sich deshalb im Belagerungs­ zustände befand? Freilich das reiche Mavland und das feste Mantua waren 1797 für Oesterreich verloren, jenes war die Hauptstadt der eisalpinischen Republik. Dafür aber herrschte das Wiener Cabinet nebst Ostgalizien mit Lemberg, auch über das, an Geld und Menschen reiche und willkürlich dis­ ponible Westgalizien mit der alten Königsstadt Krakau. ES trug die deutsche Kaiserkrone mit ihrem tausendar­ migen Einfluß und mit dem ungeheuern Vortheil, alle Haußkriege zu Reichskriegen, die vordem Reichskreise zur Vvrrathskammer, zur Vormauer, zum Schlachtfelds zu machen und die Er bl an de von den Leiden des Krieges lange unberührt zu erhalten. Durch sein immer anwachsendes Schwäbisch-Oester­ reich, hatte cs Bayern auch westwärts umzingelt. Auf ganz Würtemberg (das der tyrannische Herzog Carl schon 1770 gegen Modena umtauschen sollte), auf unzählige kleinere Gebiete hatte es eventuelle Rechte. In Oesterreichs Hand lag 1797 noch die Hegemonie des ganzen Südens von Basel bis Salzburg und Passau. Die geheimen Artikel von Hrmpoformio fugten den früheren Zerstückelungen Altbaierns zu Gunsten Oesterreichs noch hinzu: Salzburg und BrrchteSga-

öl ben und den ganzen Jnnwinkel von Kuffstem bis Passau, mit einem offensiven Rayon um Wasserburg, — und die Projecte von Sclz zwischen dem Direktor Fransois dc Neufch a t eau und dem Grafen Ludwig Cobenzl, ga­ ben ganz Altbaiern hinzu, zwischen Tyrol und der Donau, zwischen dem Znn und dem Lech. — Im Jahre der Prälmn'narien von Leoben, des Friedens von Campoformio und des Reichsfriedensconyreffes zu Rastadt 1797, war Oesterreich in erbittertem Zerwurfniß mit Preußen. Eü war im be­ denklichen Kaltsinn mit dem höchst veränderlichen Kaiser Paul.------- Thugut betrachtete es als einen Hauptfieg in den geheimen Artikeln vvn Campoformio, gegen jede Ent­ schädigung und Vergrößerung Preußens die bestimmtesten Ver­ wahrungen eingelegt, die Rückgabe seines Verlustes auf dem linken Rheinufer bewirkt und die geheimen Entschädigungsvcrträge zwischen Hardenberg und Barthelemv, Haugwitz und Caillard um ihre Früchte betrogen zu haben! — Dagegen waren bei den Pariscrfrieden jpry Oesterreich, Preußen und Rußland die innigsten Allurten. Welche Ausschweifung — und wozu an dieser Stelle? wird man fragen. Tyrol „das Herz und der Schild Oester­ reichs", — „der rauhe Bauernkittel", in dessen Fallen man sich aber gar so gut erwärmen kann", (wie Max, der letzte Ritter, zu sagen pflegte), hat solche Bedeutsamkit und das Jahr 1809 hat selbe virtuell so erhöht', daß hier gar wohl davon die Rede sein mag. — Auch ist jeder Geschichtschreiber ein rückwärts gekehrter Prophet. f) Der in Sterzing auf Eiscnsteckens Aufforderung von den Offirieren von Lusignan und Taxis Salzburger Jägern ausgestellte Revers bei den Tyrolern zu bleiben, ist abge­ druckt S. 2*23 in der Geschichte Andreas Hofers (Leipzig, Brockhaus, 1817.) sowie S. 171 —-175 die fünfzehn wieder­ sprechenden Ordres wegen Behauptung und Verlassung des Brenners von Chastcler an Buol und S. 175 der per­ fide , zu Unterhandlungen mit dem Feind inducirende Bries des Generals Marschall an Buol vom 21. Mai. Jene Geschichte Andreas Hofers ist durchaus actenmäßig. Sie ist anfangs 1817 erschienen, als Hormayr noch über ein Dccennium in Oesterreichs Staatsdiensten stand, — von Niemanden durch diese ganze Zeit, über­ haupt oder im Einzelnen widersprochen, brieflich aner3*

52 kannt und verdankt von Chasteler und Bu ol, die bis an ihten Tod in freundschaftlichen Beziehungen zu Hormayr ge­ standen. g) Man sehe die voranstehende Note f. h) Immer bedenklicher — und Verstärkung?? — Der Feind erhielt gar keine Verstärkung. Er blieb rubig in Innsbruck und schickte nur manchmal Streifwachen auf dm Berg Jsel und Paschberg. Vielmehr marschirte schon am 23. die Division Wredc auf Salzburg und von dort nach Linz an die Donau. Am 26. Mai früh war die Aspernschlachr dem General Deroy zu Innsbruck wohlbekannt, aber bewun­ dernswürdig verheimlicht. — Chasteler erhielt die Nachricht erst am 1. Juni zu Lienz, General Buol am 2. auf dem Brenner, Hormayr und Hofer am 3. in Innsbruck. i) Dieser Vorschlag zu einer Kapitulation und Salvirung der über alles theuren Bagage, ging vom Obrist Taris aus. (Brief Buols an Hormayr im Taschcnbuche auf 1838. S. 377.) k) Eine schriftliche Kapitulation wurde nicht geschlossen. Die Stände schlossen Nichts, denn sie waren nicht beisam­ men. Wie es in solchen Fällen immer geht, die Enragirten rannten fluchend und scheltend davon, die Gemäßigten be­ hielten das Feld und dcputirten sich selbst, an ihrer Spitze der Geheimrath, Graf Tannenberg, der dann zu einer quasi Abbitts- und Unterwerfungs-Deputation nach Mün­ chen ging und daselbst starb. — Die um den Tyroler Bergbau verdienten und durch ihn schnell reich gewordenen Tannauer, wurden bald Freiherrn, dann Grafen von Tannenberg. — Au ungewöhnlichen Talenten und großer Lebhaftigkeit gesellte sich iji dieser Familie bereits in der dritten Generation die Blindheit der meisten Mitglieder. Jener Graf, Ignaz Tannenberg, war ein kcnntnißreicher, wohlwollender, pa­ triotischer Mann, höchst redselig und voll rühmlichen Ehrgei­ zes , wenn auch weder ein großes Talent, noch ein römischer Charakter. Aber die Art, wie er und sein hochbegabter Sohn, Graf Alois Tannenberg, den Mordbrand auf ihren Schlössern und Gütern , die Einäscherung ihres Palastes, der herrlichen Bibliothek, der schönen Sammlungen zu Schwatz ertrugen, verdiente nicht nur die bereits gewordene, sondern auch jede bleibende Anerkennung von Geschlecht zu Geschlecht. Da erschien doch auch ein hohes Beispiel vom Adel, gegen

53 so viele aus dem Volk, wie unter andern Rupert Winter­ steller, der seiner verbrannten Häuser und Scheunen gar nicht gedenkend, darob scherzte, daß er dem Feinde die Tro­ phäen seines Großvaters, Trommeln und Fahnen von 1703, doch glücklich verborgen und abgelistet habe. I) General Buol, Hormayr und der Sandwirth Ho­ fer kamen alle zu spät zum Entsätze des vom Obristen Levier bombardirten, aber schon nach vierzig Stunden wieher befreiten Trient. Buol setzte sogleich zwei Bataillons in Bewegung, Hormayr, Andreas Hofer, Taris, Speckbacher und Eisenstecken waren der Division Deroy bis Rattenberg gefolgt und hielten eine Dcfcnstonsconserenz zu Brixlegg. Sie eilten auf Briren zu Buol und gingen mit ihm auf Botzen. Aber schon kam ihnen vom majoristrenden Haupt­ mann Casassa die Kunde entgegen, Levi er fei bereits wie­ der zum Land hinausgejagt. m) Die Subsistenz und Bezahlung der Truppen, die Fourage, das Herbeischaffcn von Gewehren und Munition, Un­ terhatt, Bekleidung und Bewaffnung der zahlreichen Ranzionirten, gehörten ausschließend in Hormayrs Wirkungkreis. Seine Verfügungen hierüber sind gedruckt, Taschenbuch auf 1837 Seite 462 — 477 dann 1838 und 1840. Dies wurde auch von Buol in vielen Schreiben anerkannt, z. B. Brenner, am 5. Juni 1809.: — „Sie werden sehen, man lasset uns sitzen und die im Marchftld denken nur an Sich selber und zehren noch immer an ihrem Sieg. — Sie ha­ ben wohl bis dato das Unmögliche gethan, lieber Vetter, aber wo sollen rot ran die Länge, Geld, Pul­ ver, Montour und Vietualien herkriegen? — Es ist recht schön, daß Sie so viel Tausend unserer Kriegs­ gefangenen debauchirt haben, aber ich fürchte, diese Ranzionirten werden noch unser größter Jammer, wenn wir ih­ nen kein Brod, kein Geld noch Montur geben können. Sie schlagen sich zum Landvolk und wir werden zuletzt ihre Ge­ fangenen, und der Feind behandelt Und deswegen wie die Banden von Braunschweig oder Schill." ---------- und dd. Briren, den 8. Juli 1809. — „für die getroffene Vermittlung sowohl in Rücksicht der Montur der Ranzionirten, als der Verpfle­ gung der gesammten Truppen, ermangeln mir die Worte, meinen Dank auszudrücken. — Sie

54 befreiten dadurch mein Herz von einer unaus­ sprechlichen Sorge. — -Nur Ihre Thätigkeit und Ihr Geist konnte diese Mittel in einem so auS-esaugten Lande ersinnen. Niemals und in keiner Gelegenheit werde Ich vergessen, daß ich die Er­ haltung des Corps nur Ihrer Thätiakeit zu ver­ danken habe und nicht die das Land äußerst drü­ ckenden, extremen Mittel zu ergreifen, gezwun­ gen bin 2C." Allerdings glich es einem Wunder, daß in dem un­ fruchtbaren , ausgesaugten, an Allem Mangel leidenden Berglande die 10,000 Soldaten, (oder nach Abzug dessen, was bei den Tyrolern zurückblieb 24 Eskadron, 8 Batail­ lons, 12 Compagnien, 8966 Mann, 280 Pferde), bloß aus Landesmitteln, Sold und Verpflegung, die aus der Gefan­ genschaft Kommenden noch obendrein Kleidung und volle Ausrüstung erhielten, Werbungen und kostspielige geheime Verständnisse unterhalten, da die schnell wieder hergestellten Pulvermühlen alle Augenblicke aufflogen, Pulver aus der Schweiz herbeigrschafft, — in Reitti, auf der Scharnitz, am Passe Lueg, am Brenner, am Brirener und an der Mühl­ bacher, an der Lienzer Clause, am KuMersweg, auf dem Ritten 2c. weitläufige und kostbare Verschanzungen geführt worden, daß die nur mit sechs Stück Geschütz versehene Schaar des Generalmajors Baron Buol (kleine Gebirgsböllcr mit eingerechnet) mit 42 ausrückte, wobei von den gro­ ßen Erfordernissen der eigentlichen Landesbewaffnung selbst noch gar keine Rede ist, die manchmal auf 20,000 stieg. Aber noch bcwundernswerther ist, daß der sechste Theil Tvrols, daß das nie genug zu lobende Vorarl­ berg, nur von zwei Compagnien, 40 Reitern und einer Ka­ none unterstützt, ohne die enormen Terrainsvortheile der Tvrolischen Berge und Schluchten, dem Feind im offe­ nen Feld, aus 20,000 Mann entgegen warf, — in Massen und Vierecken sich der Reiterei stellte, Geschütz dem Feinde nahm, oder es auf weiter Seefahrt sich von Constanz hotte. n) Das elende Benehmen des General Schmidt, der nur durch seinen Tod der kriegsrechtlichen Cassation entging — und die scheußliche, zweimonatliche Unthätigkeit des Bannus Giulav, (Herzogs v. Ruckerlberg, Fürstenv. Lindenau, wie die Spötter ihn mit Recht nannten), dann Jellachichs

55 muthwiMge Niederlage bei St. Michael, ist bereits quellen­ mäßig dargethan. — Ohne ihr unverantwortliches Nichtsthun hätte der Tvroleraufstand Napoleon zu starken Detachirungen von Wien bemüßigen, den Tag von Wagram unge­ wiß machen, den ganzen deutschen Süden in Flammen se­ tzen und Oberitalien in einem fort allarmiren können. o) Die Streiscommando's in Oberkärnthen befteiten zwar dasselbe von feindlichen Requisitionen, aber nicht, um eS freundlichen zu unterwerfen. Die berühmten Streifcommando's, von welchen General Buol erst bei ihrer Heim­ kehr Etwas hörte, haben wohl aus Schwaben etwas Ge­ treide heimgebracht, das jedoch zersplittert worden und dem Ganzen gar keinen Nutzen geschafft hat, doch wurden da­ durch zwischen 3600 und 4000 Gewehre hereinbekommen. p) Die fürchterlichen, das Heil des Landes und des ArmeecorpS auf die äußerste Spitze stellenden Widersprüche über den Waffenstillstand vom 12. bis zum 30. Juli sind actenmäßig dargestellt in jener Geschichte Andreas Hofers S. 319—354. q) Ueber den in aller Stt'lle vollbrachten Abmarsch aus Bn'xen, schn'eb der General Buol an den General Schmid. Feldlager auf den Höhen von Schabs am 2. Aug. Abends. — Ich glaube, Wir haben nun wahr­ haftig hinlänglich gezögert, Tyrol und das Fort Sachsenburg zu evacuiren?? Ueber alle meine Vorstellungen schrieb mir Marschall Lefebre rund und trocken: Ich muß den Marsch von Innsbruck nach Briren am 1. August fortsetzen. — Hierüber erübrigt nun wohl nichts anderes, als den 2. Abends nach Brunnecken zu marschiren, und allda die Oberstlieutenants Taxis und Leiningen zu erwarten, wenn der Feind nicht gar zu rasch vorrückt. Beide erwarte ich spätestens am 2. oder 3. Abends, wo ich sodann am 4. nach Sillian, am 5. in Lienz, den 6. in Greifenburg ein­ treffen werde. — Conjungiren sich aber die Oberstlieute­ nants Taxis und Leiningen mit mir, so trefft ich den 5. in Greifenburg ein, allwo wegen zu starker Märsche der Truppe ein Rasttag höchst nothwendig wäre. Das Landvolk bcgicbt sich äußerst ungern zur Ruhe, jedoch ist zum Glück die Stimmung schon etwas getheilt. — Mir ist vom Landgericht und Fürstbischof selbst angezeigt worden, daß das Bolt in der Nacht vom 1. auf den 2. das

56 Militär überfallen, desarmiten, das Geschütz an sich bringen und mich und Hormayr arretiren wolle. Um allen Umstanden zuvorzukommen, bin ich bm 1. Abends 5 Uhr in die Position von Schabs marschirt. Es sind Feindseligkeiten vorgcfallcn. General Castella griff den Rittmeister Banitza heftig an, wurde aber von Padola über die Piave zurückgeworfen. Die Division von Devaux wurde im Rückzug auf dem Berg Jsel von der bayerischen Cavallerie zersprengt, Hauptmann Immer und Fähndrich Quer nebst 60 Mann gefangen. Ich schreibe an Marschall Lefebre um ihre Befteiung. Der Erfolg steht zu erwarten. Drängt mich der Feind nicht allzusehr, so bleibe ich den 3. in Bruneck, weil Lein in gen erst am 1. dieses von Trient abmarschirt, gehe den 4. nach Sillian, den 5. nach Lienz, den 6. nach Grcifenburg. Freiherr von Buol, General.

r) Obrist Lejeune, (bekannt durch seine schlaue Flucht aus der englischen Kriegsgefangenschaft, in welche er in Spa­ nien gerathen), war keineswegs an den General Rusca ge­ sendet, sondern nach Dalmatten, um dort, sowie aus den Inseln, den Waffenstillstand in Vollzug bringen zu lassen, so weit eS die zahlreichen und rastlosen englischen Kreuhcr zulicßcn. Aber da vom Bodensee bis an's adriatische Meer alle Communicationen durch die Tyroler abgeschnitten waren, wurde Lejeune bei Villach mit noch vier Stabsoffizieren von gleicher Bestimmung gefangen und in's Hauptquartier nach Briren geführt. Im Februar 1810 kam Lejeune als Botschastscavalier mit dem Brautwerber Berthier nach Wien und wollte sich todlachen, wie Ruscas Bramarbasi­ ren dem guten, eingeschüchtertcn Buol doch einige, wenn auch miserable Trophäen abgcschrcckt habe! — In der That waren Ruscas Drohungen lächerlich. Buol war stärkerund sein Corps war im besten Geiste. Zm Rücken hatte Rusca mehrere Tausend, ob seiner zwecklosen Mordbrennereim rachedürstende Tyroler, die ihn auch drei Tage darauf schimpflich zum Land hinaus und bis Sachsenburg jagten. — Er wäre zu Brei zermalmt worden, wie er sich nur gerührt hätte! — Schmidts Colonne war übrigens bereits Klagen­ furt passirt und in vollem Marsch auf Marburg und Pettau. — Deshalb war auch unter den Oesterreichern cm

57 bciltger Zorn über Ruscas Frechheit und über Buols Schwäche. Die Stabsoffiziere Ertel, Leiningen, sogar Taris widersprachen heftig. Der Iagerlieutenant Pfänner griff den drohenden R u s c a am Hals und bog ihn über das Geländer der Jsclbrückc, daß der Prahler einen Augenblick alle Fassung verlor und todtenblaß stotterte: „si vous n’etiez pas jeune Komme, je vous fendrai la lete! — Es kam so weit, daß Reden fielen, den General wegen der Ehre der Waffen nach den Kriegsartikeln zu arretiren, dem ältesten Stabsoffizier das Commando aufzutragen und sich der kecken Iumuthungen mit Gewalt zu erledigen?? Es kam so weit, daß Buol gegen seine eigenen Stabsoffiziere den De­ gen zog und sic wegen Insubordination sämmtlich verhaften wollte. — Doch ging die Sache noch ohne weiteren Skandal ab, aber namentlich machte Graf Christian Leiningen in den Hoflagcrn von Totis, Tschakathurn und Keszthely so viel Redens davon, daß Buol wenig freundliche Gesichter und das entfernte, unangenehme Commando in Fiume bekam. Etwas Rührenderes und Ergreifenderes läßt sich nicht den­ ken, als die wahrhaft grandiose Ruhe und Ergebung, womit die verlassenen Tyr o ler auf den Höhen, im Angesicht ihrer noch rauchenden Hauser, die Oesterreich er unten, in Todesstille vorbcimarschircn sahen, ja gegen alle leiden­ schaftlichen Ausbrüche des patriott'schen Schmerzes, Fürsorge trugen!1 Die Führer hatten manche gefährliche Meuterei abttlwendcn, besonders im Lager bei Mauls, doch blieben im Ganzen über ivoo Mann bei den Tyrolern, brauchbare Un­ teroffiziere und Artilleristen, mit vielen Gewehren und Muni­ tion , die namentlich auf den kühnen Streifzügen in Schwa­ ben erbeutet worden. Daß auch unter dem Tyrolercorps hie und da Capitutationszuckungen von 1805 wicdcrkehrten, jedoch ohne Erfolg, darf uns so sehr nicht wundern ? — Nickt die Star­ ken, sondern die Schwachen bilden die große Mehrzahl. — Allzulange Vernachlässigung, ja wohl auch Verdächtigung höherer und tieferer militärischer Ausbildung, hat sich schwer und nachhaltig gerächt und die preiswürdige Aussaat des Erz­ herzogs Carl, Generalissimus, konnte so schnell unmöglich reifen. In Massen, in der bataille rangee, im Flach/» lande reichten wohl Instruction und Reglement. Aber der kleine Krieg, das Postengefecht, der Gebirgskrieg und

58 aller Kampf ä la debandade, offenbaren schnell, waS in je­ dem Einzelnen ist und in wiefern Er, ohne Signal und Ordre, sich selber zu helfen vermag? Der Volkskrieg er­ schien dem soldatischen Zunftgeist und Gamaschen-Cultuü als eine perennirende Avanie! — Napoleon umgab ein Nim­ bus seit der unerhörten Schmach jener Serie von Capitulationcn der Oesterrcicher bei Ulm, Wertingen, Memmingen, Trochtelfingen, Dornbüren, der preußischen Armeekorps und Festungen, seit dem Einstürzen lange verehrter und ge­ fürchteter Staatsgebäude, seit der Verjagung mehrerer Dvnastien, seit den schmählichsten Entwaffnungs- und FriedenStractatcn, also daß jeder Widerstand vergeblich, daß jeder kühne, dem Tvrannen verderbliche Streich nutzlose Aufopfe­ rung des Einzelnen, ohne Rettung des Ganzen schien, ja daß, wer von Widerstand sprach, für einen verwegenen Tollkopf, für einen Fanatiker ausposaunt wurde, der auch noch das Letzte, das kümmerlich Errettete in die Schanze schlagen wolle!! Nie ehrte Napoleon am tapfern Feinde den Hoch­ sinn. Wie der giftige Wind der Wüste, tobte er wider Al­ les, was aufrecht stand, schonte aber dessen, was sich vor ihm nicdergeworfcn hatte! — Es war gelungen, 1808 Oesterreichs Heer und Volk mit der edelsten Begeisterung zu durchdringen. Zu keiner Zeit ist heldenmüthiger gestritten worden. Aber als schon in den ersten 14 Tagen von der unstrcitt'gsten Ueberlegenheit gegen die feindliche, meist noch deutsche Minderzahl, durch das unbegreifliche Decuusu von Landshut und Regensburg der Zweck des Krieges verloren war, da war auch dic Bestürzung und Abspannung um so größer. — Wer sich auf die erste Ausforderung ergab, fand offene Arme, behielt alle Bagage und Emolu­ mente und mochte ruhig an seinen Heerd zurückkehren. Wer kühn widerstanden, wanderte in die Depots von Chalons, Metz, Tours rc vorher bestens ausgeplündcrt. — Auf die treuesten und muthigsten Diener sie Acht und Zeitungsschimpf. — Berauscht von den Erfolgen der großen Apriltage, hielt Napoleon alle Parlamentärs als Ge­ fangene zurück, würdigte einem von dem Erzherzog Gene­ ralissimus, am 29. April aus Neu mark gemachten annä­ hernden Antrag wegen Auswechselung der Kriegsgefangenen, gar keiner Antwort, denn: — „es gebe keinen Kai­ ser von Oesterreich mehr, sondern nur Prinzen von

59 Lothringen, rebellische Großoffiziere der Krone Frankreichs!" Ge­ brauchte er ja doch noch diese Phrase im letztm Schreiben an fernen Schwiegervater aus Nogent 21. Febr. 1814: je ne puls donc m'addresser qu’ ä V. Maj. naguere mon AlJie, qui, quelques soient les sentimens da Moment, a Kans ses reines du sang franfais!“ — (womit hätte er wohl die Persönlichkeit deS Kaisers Franz schnei­ dender verwunden können??) Aspern hat ihn zwar stark abgekühlt und der Parlamentärsverkehr fing nun stanzöfischerseitS wieder an. Aber als der Generallieutenant, Gras Niklas Weiß en wol s Napoleon sagte: ein TagSbefehl vom 29. Mai erkläre die Generale Dur öS ne l, Fouler, Sorbier, Pa­ get 2C. als Geißeln für die Sicherheit von Chasteler, Hormayr und die in Padua gefangenen Grafen Goes, Armeeminister, Purgstall, Spiegelfeld rc. fuhr Er, (im Wahne, Chasteler sei bereits gefangen und erschossen, wie rin prahlerischer Bericht des Herzogs von Danzig als unfehl­ bar angab), wie rasend auf und sagte mit alle der ihm eige­ nen Chevaleric der Wachstube, Er der petit caporal, Jean de l’epee, ptre la violette, bezüglich auf seinen Liebling DuroSncl: — ,,8i Vous le grattez seulement, je ferai vieler six princesses et ringt Dames par mes tamboura et füsilier dix mille dommes!" —

II.

Journal des Landcssckützenmajors und Defensionseommandan-

ten Jacob Sieberer über den Tyrolerkrieg von 1809. ♦

Jacob Sieberer wurde am 14. Juli 1766 in dem rauben Thale Thiersee an der bayerschen Gränze, im Land­ gerichte Kufstein, Kreise Unterinnthal aus einem ulten siegelmaßigen Bauern-Geschlechte geboren. Er wurde sehr ftüh Meßner (Küster) und Schulmeister. Als nach fast hundert­ jähriger stiedlichcr Ruhe, Tyrol seit dem Mai 1796 durch Bonapartes Siege und durch das gleichzeitige Borrücken der Rhcinarmee mehrmals der Pivot der Operationen wurde, diente Sieberer als Oberjäger der rüstigen Kufsteiner Schü­ tzen. Bei der Vertheidigung des Dorfes Faödo am 2. Novbr. 1796 that sich Sieberer mit seinen Thiersecm besonders

60 hervor. Im Monate März 1797, als Joubert bis gegen Sterzing vorgedrungen, im Fleimserthale, bei Salurn und Klausen unglücklich gefochten worden war, führte Sieber er den Landsturm seines Thales als Oberlieutcnant, sah dm Lag von Spinges und half mit ausgezeichnetem Diensteifer den Feind durch Pusterthal nach Kärnthen verfolgen. — 1797 diente Sieberer als Hauptmann in Engadein und Bün­ den. Am 30. Novbr. und 2. Decbr. 1800 nach dem Un­ glückstage von Hohenlinden und Moreaus Jnn-Ucbergang bestand Sieberer bei Aurach, Bayerisch-Zell und Thiersee gegen überlegene Fcindcsmacht ein siegreiches Gefecht, in wel­ chem sein Vatersbruder, Joseph Sieberer, sein Better Jacob Sieberer und sein Bruder Johann Sieberer todt an seiner Seite sielen. — Der erste Jahrgang dieser historischen Taschenbücher, der Tyroler Almanach von 1802, widmete sich (Seite 169 —175) dem Verdienste des einfa­ chen, äußerst pattiotischen, eben so kühnen als entschlossenen Mannes. Sieberer hat 1814 die Wiedervereinigung Tvrols mit Oesterreich freudig erlebt und ist erst mehrere Jahr später 1821 gestorben. — Aus den Tvrolcrhäuptcrn war er eines der ruhigsten, kundigsten, uneigennützigsten. Sein Journal beginnt mit allerlei wohlgemeintem Gega­ cker über Tvrols Verfassung, Oesterreichs Liebe für dieselbe und Bayerns Verletzung derselben und fährt alsdann fort:

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„Bei diesen Umständen wurde das Volk ganz schwierig. — Vorstellungen an die Regierung waren nicht einmal erlaubt, zugleich verfinsterte sich der politische Horizont, die Tyroler wurden erinnert an ihre alte, goldene Verfassung. — Oester­ reichs Kriegsmacht rückte vor und die Tyroler brachen los. Schon seit Anfangs Februar war ich vollkommen unter­ richtet, daß der Krieg unvermeidlich, daß der Sandwirth Hofer und andere Abgeordnete auf der Rückkehr von Wien seien. Seit dieser Zeit bereitete ich Alles vor, was zur Befteiung des Vaterlandes zweckmäßig war. Am 12. April bekam ich Nachricht vom wirklichen Ausbruche des Krieges, auch im Pustcrthal, auf dem Stcrzingermoos und in Inns­ bruck. Am nämlichen Tage avisirte mich der Jägerhaupt­ mann Berger, daß er aus Brixenthal auf Schwatz vor-

61 rücke, wo ich ihm als Freund die Hand bieten solle. — Auaenblicklich bot ich von allen Seiten den Landsturm auf, schnitt alle Communicationen ab und die Festung Kufstein ward eingeschlossen. Leider war der mir und Speckbacher schon Anfangs Marz mitgetbeilte listige Plan, sich der Festung durch nächtlichen Uebcrfall, Einverständnisse und Abfangung des Eommandanten und des Artillcriclieutenants im Trautmannsdorffchen Bierhaus zu bemächtt'gcn, durch Vcrsäumnuß des Ge­ neralen Jellaschütz nicht mehr praktt'kabel. Am 13. April war sowohl in Kitzbühl, Rattcnbcrg und Kufstein, mit Aus­ nahme der Kufsteiner Garnison alles Militär gefangen und nach Schwatz transportirt, wobei kein Tropfen Menschen­ blut vergossen worden. Auch wurde von diesem Tage, so­ wohl der Landsturm als die Schützen in ordentliche Com­ pagnien eingethcilt und ich rückte mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen dem k. k. Militär, welches Herr Oberst von Reißenfels commandirtc, entgegen. Ich sendete schon an dem vorigen Tage diesem würdigen Herrn Oberst Deputirte auf St. Johann entgegen, erwartete ihn aber mit meinen Schützen bei der Grattcnbrücke. Allda war der freudigste Augenblick meines Lebens, als ich diesen edlen Stabsoffizier mit allmöglichcr Fcverlichkeit empfing, da Frcudcnfcuer aus allen Bergen brannten, die ausgestellten Böller am Grattenberge unaufhörlich krachten und der freudige Ruf von mir und allen anwesenden Schü­ tzen ertönte: „Es lebe unser Kaiser Franz, der Er­ retter!" Mit Freudenthränen im Auge erwiederte der brave Herr Oberst: „Es leben die biedern und tapfern Tvrolcr!" und auf diese Art.begleiteten wir die k. k. Truppe hinein nach Wörgl, wo die Mannschaft einquartirt und gut bewirthet wurde. Herr Oberst Reißenfels hatte schon von dem commandirendcn Herrn F. M. L. Chasielcr die Weisung, mich als Lokalkündigen zur Belagerung der Festung Kufstein beizu­ ziehen und das Vorposten-Commando, wie INK) geschehen, anzuvertrauen. Als es nun Abend war, erhielt ich von Inns­ bruck eine Stafette, daß ich mit einiger Mannschaft sogleich nachcr Schwatz eilen solle, um alsdort einen Transport von 5000 Mann Kriegsgefangenen zu übernehmen, um sie nach Salzburg zu geleiten, da immer mehr Gefangene nachkämen. Früh am 14. kam ich an, theilte die Gefangenen im Bei-

62 sein des Jägerhauptmanns Ammann in drei Theile, die ei­ nen wurden über Reichenhall, die andern über Hirschbüchel nach Salzburg geliefert, aber immer mehrere kämm nach, im Ganzen wohl 12000 Gefangene. Am 16. April vollendete Reißensels die schnelle Ein­ schließung von Kufstein und ich verstärkte die Posten am Thier­ berg, Kiefererbrücke und Kiechlsteeg. Am 18. April wurden Faschinen und Schanzkörbe ver­ fertiget, auch alle Vorbereitungen zur Belagerung Kufsteins gemacht. Am 20. April langten endlich 4 OPsünder und 2 Hau­

bitzen an, welche die Bauern in Innsbruck erobert hatten. Am 21. April wurden gemeinschaftlich von Soldaten und Bauern auf der Zellerburg 4 und auf der Hochwacht 2 Bat­ terien erbaut, am 22. vor Tagesanbruch die Kanonen ein­ geführt und die Beschießung angcfangcn. — Den 23., 24. und 25 wurde lebhaft damit fortgefahren, kein Feind durste sich mehr sehen lassen, sondern sich bloß in den Casematten hatten. Die Festung war in zwei Tagen unser, wenn nicht der Munitionsmangel uns nöthigte, das Feuer einzustellen. Vom 26. April bis 12. Mai wurde Kufstein nur blockirt, die Stadt zweimal gestürmt und zum Sturm der Festung Alles vorbereitet. In Folge der kaum glaublichen Unfälle von AbenSberg, Eckmühl, Landshut und Regensburg zog sich der in Mün­ chen gestandene F. M. L. Jellachich über Rosenheim und Neubauern zurück nach Salzburg, verbrannte alldort die Brücken und begab sich sogar ins Pinzgau und Pongau nach Radtstadt. — Durch meine vielfältig ausgeschickten Kund­ schafter nach Bauern und Salzburg, erhielt ich leider die unangenehmsten Nachrichten, daß der Herzog von Danzig mit der ganzen baierischcn Armee gegen unser Vaterland vor­ rücke und sich der Feind schon in Rosenheim, Baierisch Zell und Auerdorf stark versammele. Den 6. Mai machte schon der Feind einen Angriff auf die Stellung von Sachering, wurde aber von dem braven Landesschützenhauptmann, Herrn Jöchler von Kirchbühl tapfer abgewiesen. Den 9. zog sich obgemeldeter Herr F. M. L. über Werfen nach Radtstadt zurück. — Den 10. besetzte der Feind den Posten Mellegg und Steinpaß, den 11. Losers und griff mit Ungestüm den Paß Strub an. — Es muß aber bemerkt werden, daß der

63 Paß Strub bei weitem nicht hinlänglich besetzt war, «eil nur zwei Compagnien Landesschützen, auch ungefähr 50 Mann k. k Infanterie mit 12 Mann Oreilly Chevauxlegers und zwei Kanonen ausgestellt waren. Diese braven Leute wehr­ ten sich verzweifelnd und behaupteten den Posten. Allein den 12. erneuerte der Feind mit Uebermacht den Angriff auf allen Punkten und der Paß gieng verloren, bevor der General Fenner denselben unterstützen konnte. — Den 13. drang der Feind schnell gegen Waidring und S. Johann gegm Söll und Grattenbrucke vor und der F. M. L. Marq. de C h a .«♦ t e I e r hatte sich durch die, über den Brand ihrer Häuser und über die Ermordung mancher Angehörigen, jam­ mernden Bauern bewegen lassen, in der Ebene von Wörg e l aufzustellen und einen weit überlegenen Feind anzugreifen, wo doch für den Feind kein besserer WahPlatz hätte gewählt werden können. Hätte gemeldeter Herr General sich auf die gute Positt'on Ratten berg zurückgezogen, so würde ohne Aweifel dieses Unglück erspart worden fein ? Eben den 13. griff der Feind allgemein die Posten Hör­ hag, Kirchlsteeg und Thierberg an, die ersteren zwei Posten, wo ich persönlich gegenwärtig war, blieben in unserer Ge­ walt bis den 16., der Posten Thierbcrg hingegen, wo Jacob Margreitncr (Vulgo Lon'), ein Bäcker und Miller von der Wildschcnau) commandirtc, gieng gleich den 13. verlorm. Durch den Verlust dieses Paffes und das Gefecht bei Wörgel, wurden die Compagnien, welche die vorliegenden Posten Windhausen, Wildbühl, Aollhaus und Gallatzischanz besetzt hielten, gänzlich abgeschnittcn und mußten sich, um nicht gefangen zu werden, über den Kaiserberg nacher Brirenthal durchschlagen. Den 16. erhielt ich vom Herrn Obersten Reißenfels den Befehl, mich über Thiersee, Riedenberg, Steinberg und Achenthal zurückzuriehen, welches auch ohne Verzug geschah. Den 17. erhielt ich in Brandenberg bei dem Durchmarsch alldort eine Depesche, welche mich versicherte, daß der Feind zu retiriren anfange, daher wurde mir aufgetragcn, den Weg

•') Siiun Nacbläs'igktir nurb um 30. Mai — 2. Juni Mc matte Dcrfolqimq ber Tiriften Terep auf ihrem Rückzüge von Jmrsdruck nach gtcfcnhrim verschuldet fcm.

64 von Brandenbcrg nach Barem gut zu verwahren. Da aber einige Tage verstrichen, so merkte ich den Betmg und begab mich mit meiner Mannschaft nach dem Angeterberge, beunru­ higte den Feind im Rücken und nahm demselben zu Lang­ kampfen eine Fahne ab. Indem ich nun vom Militär gar keine weitere Nachrichten erhalten konnte und Innsbruck schon in des Feindes Händen war, so entschloß ich mich persönlich zum commandirenden Generalen zu verfügen, um von selbem die weitere Verhaltung zu vemehmen. Den 22. Mai trat ich, als Schiffsmann verkleidet die Reise von Mariastein nacher Kranzach an, gieng Abends unter der Dämmerungszeit üvcr die Jnnbrückc zu Brixlcgg, welche von Daiem beseht war. Den *23. kam ich nach Mayerhofen, und von dort nach Sterling, wo ich den Sandwirth Andrä H o fer antraf, der mir dringend anlag, die Reise zum Erzherzog Johann eiligst fottzusetzen, um einmal gründlich zu erforschen, wie es denn bei der österreichischen Armee ausschen wird. Ich begab mich also den ‘25. Mai, als der Herzog von Danzig, in Folge der Schlacht von Aspern, (was wir fteilich damals nicht wußten), schon wieder auf dem Rück­ marsch von Innsbruck nach Salzburg war, am nämlichen Tag, wo schon wieder das erste Treffen am Berg Jscl bei Innsbruck vorficl, auf den Brenner zum General Buol, den ich im Posthaus antraf. — Dieser eröffnete mir: Hormavr und Major Teimer seien in Landeck und beziclten eine Demonstration gegen Innsbruck herab und zugleich auch, das Vorarlberg wiederum in Waffen zu bringen. — Gene­ ral Buol beorderte mich zum Erzherzog Johann, Höchstselbem die wahre Lage der'Sachen in 'dem verlassenen Tyrol getreu abzuschildern. Den ‘26. Mai kam ich in Lienz zum commandirenden Marquis Chastclcr, welcher mir auf der Carte die sichersten Wege über die Gebirge zeigte, wo ich durch die Feinde, durch ganz Kärnthen und Stcvelinark wan­ dern mußte und den Erzherzog Johann erst zu Körmcnr in Ungarn angctroffcn habe. Den Weg dahin nahm ich nach Obcrfcttach ins Möllthal, von da reiste ich den 2s. nach Millstadt, den 29. nach St. Paul, den 30. über Murau nach St. Lamprecht, den 1. Juni über das Sccthalerjoch nach der Pack, den 2. nach Voigtsberg, den 3. nach Lcbring, allda über die Muhr nach Sr. Georgen und Fähring, den 4. nacher S. Gotthard, den 5.

C>5 endlich nach Körmend in das Hauptquartier S. K. H. des Erzherzogs. — Ich wurde allda sehr gnädig ausgenommen, mußte zwei Tage warten und als ich den 7. um 11 Uhr Nachts abgefertiget war, so trat ich sogleich mit denen mit­ gegebenen Depeschen die Rückreise an und kam den 8. nach Zening, den 9. nach Glcichenberg und Gnaß, den 10. nach Frauenzell, den 11. aus Wolfsberg, den 12. nach Feldkir­ chen, den 13. nach Treffen und Sachsenburg, allwo sich der -rave Festungscommandant Major Krapf befand, den 14. kam ich nach Lienz, den 15. nach Niederndorf zum Herrn General Schmidt, den 16. nach Brixen und Störzing, wo ich unterwegs mit größter Freude, den schon vom Winter 1800 her, mir wohlbekannten Herrn Baron von Hormayr angetroffen, eigentlich der einzige Kopf bei unserer ganzen ho­ hen Defension. — Dieser edle Herr nahm mich sogleich in seinen Wagen auf und wir begaben uns mitsammen zu Herrn General von Buol nach Bn'xen, wo ich sodann meine De­ peschen abgab, aus denen mir besonders das Handbillet des Kaisers Franz viel Freude machte, „Er werde nie einen Frieden unterzeichnen, als der Tnrol unauflöslich an Oester­ reich knüpfe und ehestens den geliebten Erzherzog Johann zum Schutze Tyrols absendcn." — Sogar General Buol hielt dieses für einen Kunstgriff, den Herr von Hormayr mit mir abgekartet habe, um den gesunkenen Muth wieder aufrufrischen. — Den 17. setzte ich die Reise von Bn'xen über Innsbruck nachcr Kufstein zu meiner Bestimmung fort, allwo ich sodann gemäß meiner offnen Order von dem K. K. Unten'ntendanten v. Roschmann neuerdings das Commando auf dem rechten und linken Jnnufer erhielt. — Zum Unter­ commandanten wurde von mir der Hauptmann Speck bu­ ch er aus dem rechten Jnnufer ernannt. — Da ich nun die Festung Kufstein enge eingeschloffcn hatte und endlich der tapfere Festungs - Commandant Aicher an allem Mangel spürte, so versuchte derselbe den 2. Juli einen Ausfall, wurde aber wiederum zurückgcwiesen, bei welcher Gelegenheit mir auch eine Fahne am Thier berg in die Hande fiel. Täglich wurde in der Festung die Noth größer, für die Kranken hat­ ten sie keine Medicin und die Sterblichkeit war groß. Ich beobachtete mehrere Näcbte, daß in der Festung öfters eine Gattung Haubitz - grenaden schnurgerad in die Höhe gewor­ fen wurden, welche in einer hohen Entfernung zerplatzten.

66 Dieses mögen wohl Signal-Schüsse gewesen sein, weil den L. Juli General Deren sich mit der ganzen Division nä­ herte und der Festung Lust machte. Es war ungefähr um 8 Uhr Vormittags, als das bayrische Regiment Preysing, welches den Vortrab bildete, mich angriff. Ich hatte wem« Jäger unter dem braven Hauptmann Münzel, einige Schu­ tzen von der Innsbrucker Compagnie unter Herrn Hauptmann Stuffer, welche bei der Kieferbrücke standen und eine Com­ pagnie zur Vertheidigung deS weitgcdehnten Postens Thier­ berg. Der Feind, nachdem derselbe die Kieferbrücke mit nicht geringem Verlust formirt hatte, griff nun sowohl auf dem rechten, als linken Jnnufer meinen Posten mit Ungestüm und solcher Uebermacht an, daß ich, sobald auch die Garnison von Kufstein auf mich im Rücken einen Ausfall that, nicht anders von der gänzlichen Gefangenschaft retten konnte, als mich mit meinen wenigen Menschen gegen den Pulverthrmn und Thiersceberg zurückzuziehen. Dieses Gefecht kostete dm Feind mehrere brave Offiziers und den commandirenden Haupt­ mann Gräfe, der den vorigen Tag das Majordiplom erhal­ ten hatte — dem meine Stutzenkugel durch den Unterleib ge­ fahren ist. Die Nacht brachte der Feind mit Ausschiffung der Kranken und Hineinbringung einiger Lebensmittel zu und mit anbrechendem Morgen sind alle Feinde ausserhalb der Festung verschwunden. — Den 5. und 6. Juli, die beiden Tage der Riesenschlacht von Wagram hörte man auf dem Hochgebirg meines heimathlichen Thales, der Thiersee, die un­ geheure Kannonade in nordöstlicher Richtung gegen die Do­ nau zu, ganz deutlich bei der gänzlichen Stille und reinen Lust in dieser Höhe. Mit Grauen erzählten die Hirtm von dem gräulichen Schießen um Mitternacht, (der verunglückte Angriff der Sachsen auf Wagram.) Bangen Herzens ahn­ ten wir Alle, jetzt möge wohl in der Ferne im Augenschein der Kaiserstadt das Loos des bisher in seinen Bergen unbe­ zwungenen und siegreichen armen Landes Tyrol gefallen seyn?? Doch war in uns allen die muthige Hoffnung größer, als die Sorge. Eben diesen merkwürdigen 6. Juli wurden vor Kufstein wieder alle Posten besetzt und bezogen, wie vorher und Ver­ suche gemacht, die Jnnbrücke abzubrennen, jedoch vergebens. Ebenso hoffte man durch Anzündung einiger Häuser in der Stadt (so wie es 1703 den Bayern vollkommen gelungen)

67 bei starkem Winde die Flamme in die Festung Hinauftutrei­ ben und selbe dadurch zu schneller Uebergabe zu nöthigen. Am 16. Juli kam durch seindliche Pariementairs die Nachricht von dem abgeschlossenen Waffenstillstand zwischen Oesterreich und Frankreich, gemäß welchem die k. k. Trup­ pen Tyrol verlassen mußten. Dieser Waffenstillstand wurde von meinen Vorgesetzten bald widersprochen, bald alS ächt anerkannt und in dieser Ungewißheit war ich bis zum 29. an welchem Tage die Bayern und Franzosen schon gegen die Foltersbrücke vorrückten, wo sodann Herr Oberstlieutenant Baron von Taxis den Befehl ertheilte, die Leute bei der Foltersbrücke zu entlassen, wo ich sodann mitsammt dem Eifenstecken, Speckbacher') und mehreren Commandanten der k. k. Armee gefolgt bin. — Ich und mehrere wurden während des Marsches über Lienz, Sachsen­ burg, Spital, Villach, Marburg und Warasdin, den JägerBataillons zugethcilt und von Warasdin nebst den Herrn Hauptmann Steiner und Aschbacher durch Herrn Ar­ mee-Intendanten Baron von Hormayr zu Sr. 11. Max. nach Comoren als Couner gesendet. In dem Hauptquartier hatte ich öfters das Glück mit Sr. Maj. über den Tyrolerkrieg zu sprechen und wurde auch einigemal als Couner zum Erzherzog Johann nach Kestthely abgeordnet. Dn 14. Septbr. erhielt ich von Sr. Maj. im Haupt­ quartier zu Totis den höchsten Auftrag, mich mit Herrn Ma­ jor Eisen st eck en in mein Vaterland zu begeben, wo uns zur Ucberbringung 3000 Stück Ducaten und eine goldene Ehren-Medaille sammt einer derlei Kette am Sandwitth Andre Hofer übergeben worden. Es war den 29. Septbr. als Eisenstecken, Frisch­ mann und Ich zu Innsbruck anlangten, denn wir mußten durch ganz Stenermark und Kärnthen reisen, welche beide Länder von dem Feinde besetzt waren. Wir wurden alle sehr kalt vom Sandwirth ausgenommen, und es mag wohl die Ursache dieses Empfanges gewesen sein, weil die in der Iwi-

•) Bei Bruneckcn brgconete unS der Sandwirth Hofer. Xus feinen Xnruf: Joseph, willst Lu mich auch verlassen ? sprang Speikbacheraus unserm Wagen. Niemand träumte von ferne, wa- in den nächsten sechs Lagen geschehen sein würde.

68 fchenzeit vom Sandwirth aufgestellten Commandanten ihm stet­ in Ohren lagen, keinen von Oesterreich zurückkommen­ den Offizier: nicht im Geringsten mehr ein Commando anzu­ vertrauen, sondern selbe als Deserteurs und Landesverräther zu behandeln. — Ich blieb einige Tage in Innsbruck und endlich hat es dem Oberkommandanten Hofer gefallen, mich zur Besichtigung der Gränzposten nach Unter-Innthal abzuordnen. — Am 6. Octbr. traf ich den Speckbacher zu Mellegg an und sah, daß die Posten gar nicht gehörig ausgestellt seien. Ich eröffnete dem Speckbacher meine Be­ sorgnisse mit den Rath, einige Veränderungen in der Dislo­ cation vornehmen zu wollen, widn'genfalls er selbst mit all seinen Leuten vom Feinde werde aufgehoben werden. Speck­ bacher aber glaubte, den Feind noch von der letzten, aller­ dings .glänzenden Affaire hereingeschüchtert zu haben und sprach vielmehr von einem Angriff auf Salzburg, wozu freilich ein trefflicher Augenblick gewesen, aber unbenutzt vorübergegan­ gen war. Ich kehrte also zurück nach Kössen und Sache­ ring und fand diese Posten theils gar nicht, theils schwach besetzt. Ich berichtete sogleich umständlich darüber an Ho­ fer nach Innsbruck und trug darauf an, diese weit vorge­ schobenen Posten lieber zu verlassen, sich bis an den Paß Strub zurückzuziehen und Kufstein enge zu blockiren, damit die Garnison nicht immerfort Ausfälle mache und die benach­ barten Dörfer ausleere. — Hofer aber ließ diesen Bericht, wie so viele andere, ohne alle Antwort. Am 10. Octbr. bereisten Spcckbacher und ich die ganze Gränze, von Thierberg bis Aachenthal und fanden abermal große Fehler in der Ausstellung der Posten, wozu freilich auch mehr Mannschaft nöthig gewesen wäre. Auf ausdrückli­ ches Verlangen Speckbachers eilte ich nach Innsbruck zu Hofer. Aber schon rückten die Feinde von Salzburg heran und ein feindlicher Adjutant kam zu Speckbacher, ihm die Friedensnachricht mitzuthcilen, aber Speckbacher gab dem feindlichen Offizier gar kein Gehör. Am 16. Octbr. kam ich mit dem Landrichter Strolz in Innsbruck beim Sandwirth Hofer an, übergab meine Relation und fügte mündlich bei, was ich nicht schriftlich bei dem schwachen, leicht mißbrauch­ baren Manne zu hinterlegen mir getraute. Der Sandwirth hörte mich zwar geduldig an, machte aber gar keine Vorkehrungen, sonder überließ Alles seinem

69 Schicksale. Ich reiste wiederum ab und wollte noch diesen Tag nach Rartenberg, als ich aber gegen Schloß Kropfbcrg und die Cillerbrücke kam, sprengte der Oberkommandant Fi er l er, athemlos und kopflos daher, jammernd, daß alle Schützen bei Melleck und Losers, wie ich es vorausgesagt, überfallen, zersprengt, gefangen, Speckbacher selber leicht verwundet, im Gedränge zu Boden geworfen, getreten, mir Kolben geschlagen und nur wie durch ein Wunder, den FeindeShänden entronnen sei, vorzüglich durch seinen braven Kna­ ben. Die Verwirrung war gränzenlos. Fierler wollte schon bis auf den Berg Jsel zurücklaufen. Ich schalt ihn eine Lettfeige, weil er ine schöne Position von Stettenberg ohne Schwertstreich verladen könne. Ich nahm cs auf mich, selbe ganz allein mit dem Cillerthalcr Landsturm zu besetzen, der auch auf mein erstes Schreiben erschien. Rattenberg ward besetzt, ja meine Patrouillen kamen bis nach Kundl, ohne auf einen Feind zu stoßen. Den 17. Octbr. wurden einige Brustwehren in Ratten­ berg errichtet und der Feind, welcher von Brixenthal über die Wildschenau und den Hößl, Stettenberg in den Rücken kommen wollte, wurde zurückgeworfen. Am 18. Octbr. kam die Nachricht aus Pinzgau, daß der Feind Mittersill schon passirt sei und über die Gerlos in's Cillerthal vordringen wird. Ich eilte demnach mit einem Theile des Cillerthaler Landsturms auf die Gerlos zu und Fierler blieb mit Herrn Dreuning als Commandant zu Rattenberg. Schon am 19. Octbr. erhielt ich in Gcrlos die Nachricht von Fierler, nachdem ich alle Posten gehörig versorgt hatte, der Feind habe Rattenberg schon passirt, sei in Fügen und streife nach Zell!! Daher war für mich kein anderes Rettungsmittel mehr, als über die Hundskchle in's Pustcrthal zu gehen. Den 20. Octbr. marschierte ich längs des Gebirges nach Mayerhof und wollte bort etwas ausruhen und speisen, allein aus einmal entstand der Lärm: die Feinde kommen. Rasch 40 Schritte im Wald hinein, sonst hätten die bayerischen Cavalleristen mich aufgehoben. Zn der finstern Nacht mußte ich mich noch in Finkenberg retiriren und den 21. eilte ich mit dem Hauptmann Lergetporer über die Hundskehle und traf den 23. Abends zu Täufers im Pustcrthal ein. Am 24. kamen wir in Brunecken und Stcrzing an, den 25. in der Nacht passirtcn wir den Schönberg, wo Titel, Herr von

70 Roschmann sich aufhielt. Ich gieng noch bis zum Wirth Etschmann in die Schupfen, wo der Sandwirth im Quar­ tier war. Den 26. schickte mich der Hofer zum Speck bacher in Voltererberg. Am nämlichen Tag wollten die Feinde sich der Anhöhe dieses Berges bemeistern. Sie wur­ den aber mit Verlust von mehrern Todten, 200 Gefangenen und 10 Offizieren zurückgcworfen. Den 29. kam der Frey­ herr Zoseph von Lichtcnthurn als Friedcnscourier beim Sandwirth Hofer an und brachte in Zeitungen und auch in einem Schreiben deß Erzherzogs Johann, die offizielle Nach­ richt, daß wirklich Friede geschlossen, Tyrol aber als kein Theil des Hauses Oesterreich mehr zu betrachten sei, je­ doch dem Lande dringend gerathen werde, daß selbes sich nicht nutzlos aufopfern, sondern dem unwiderstehlichen Geschick des größten Herrschers sich fügen möge! — Der Sandwirth theilte dieses allen Commandanten mit, mir der Bemerkung, daß alles fernere Blutvergießen aufhörcn solle und die erfor­ derlichen Unterhandlungen bereits angetnüpft seien, jedoch solle die Mannschaft auf ihren Posten stehen bleiben und Gewalt mit Gewalt vertreiben, wenn der Feind angreifen sollte. — Ich lag mit dem Spcckbacher am Feuer auf dem Nock, als wir dies Schreiben bekamen. Wir waren wie vom Don­ ner getroffen, und Keiner wußte was anfangen? Ich machte mich auf und ritt eilends zum Hofer, ob cs denn mit dem Frieden seine Richtigkeit habe und wo denn der Friedensbote sei? Wegen den Frieden gab er ausweichende und unbestimmte Antworten, — „der Licchtcnthurn sei schon nach Haus auf Meran." — In der Nacht hatte der Licchtenthurn sein gewöhnliches Uebel, die fallende Sucht bekommen. Die­ ses wurde sogleich von einigen Tollköpfen als eine offenbare Strafe Gottes ausgcschriccn, weil der gan^ Frieden ein bloßes Lüaenmerk und auch der Liechtenthurn ein erkaufter Ver­ rather sei!! Nachdem ich längere Zeit hin und her fruchtlos mit dem Sandwirth Hofer geredet, sagte er endlich zu mir: die Feinde halten kein Wort. Ich will noch einen allgemei­ nen Angriff machen und zwar am Allerheiligen- und Aller­ seelen-Tag. — Der Plan war, daß der Fierler von den Höttinger-Anhöhcn herunter den Feind auf Milau werfen und zugleich in Folge gewiucr Einverständnisse die MülauerBrücke und das Dors in Flammen stehen sollte. Dieses wäre das Signal zum allgemeinen Angriff.

71 Ich verfügte mich sogleich zum Speckbacher. Wir be­ reiteten Alles zum Angriff, sprachen den Leuten Muth ein und versahen sie mit allem Nothwendigen. Vor Tages-An­ bruch theilten wir unserer Mannschaft Fleisch und Wein aus, Speckbacher blieb in der Gegend von der Hallerbrücke und ich begab mich zu dem Schloß Ambras, wo wir mit Sehn­ sucht das Signal zum Angriff abwarteten. Es brach end­ lich der Tag an und man hörte Leinen Schuß auf der Höttinger Anhöhe, auch war ein starker Nebel, daß man kaum 200 Schritte sehen konnte. Unter Begünstigung dieses Ne­ bels stellte der Feind 40 Kanonen auf einen Punkt gegen die Verschanzungen des Bergs Isel. Viele Regimenter Infanterie und Cavallerie formten eine Schlachtordnung, auf einmal als sich der Nebel ein wenig aufgezogen hatte, fing aus allem Geschütz des Feindes ein schreckliches Feuer auf unsere Ver­ schanzungen an, welches ungefähr eine Stunde lang anhielt rmd zu gleicher Zeit stürmten die feindlichen Bataillons leich­ ter Jäger auf den linken Flügel unserer Position in der Ge­ gend des Husselhofes, die in den dortigen Schanzen befind­ lichen Stubeyer und Innsbrucker Schützen wurden zum Wei­ chen gebracht, die Bayern benützten diesen für sie günstigen Augenblick, umgiengen die Hauptschanzen des Berges Isel und stürmten im Rücken und Flanken mit solchem Ungestüm, daß sich unsere Leute schnell zurückziehen mußten. Nachdem der Berg Isel verloren war, sing erst der Fierler seinen An­ griff mit gar keinen Erfolg an und zog sich auch bald wie­ der zurück. Der Feind, sobald er den Berg Isel forcirt hatte, griff mich mit einem starken Kanonenseuer am Basch­ berg und Ambraß an, gieng über den sogenannten Garbersteg und wollte mich ganz abschneiden, allein die Bauern, so alle Wege gut kannten, zogen sich glücklich auf die An­ höhen des Berges zurück und mancher Feind wurde noch im Wald ein Opfer des Todes. Da auf oberwahnte Weise der Berg Isel und mit selbem die ganze Position in der Gegend von Innsbruck verloren war und die weiteren Nachrichten von dem Verlust der Schan­ zen bei Scharnitz, das Vordringen des französischen generals Rusea iw Pusterthal und des Generalen Vial in Botzen einaiengen, so dachte ich daß ein längerer Widerstand mehr schädlich als nützlich sein wird und daß durch eine derlei Wi­ derspenstigkeit, selbst das Haus Oesterreich, welches uns den

72 Friedensschluß mit Frankreich und denen Allürten förmlich mitgethcilt hat, compromittirt würde. Am 2. Novbr. in der Nacht wurde bei der Boltererbrücke ein französischer Courier von unsern Leuten aufgefangen, wel­ chen der Vicekönig von Italien an den Kronprinzen von Bayern übersandt hatte: die Brieffchasten, welche dieser Of­ fizier bei sich hatte, waren äußerst wichtig, unter andern war ein eigenhändiges Schreiben vom Dicekönig an den Kronprinzen, worin er sagt: daß er nun so glücklich sei, das Land Tyrol wiederum unter die Krone Bauerns zu bringen und diese Bewohner dem rechtmäßigen Henn zu unterwerfen, da­ mit aber dieses um so schleuniger geschehe, wird er bis den 6. über Pusterthal den Marsch nach Briren untreten und sich an diesem Tage mit dem Generalen Vial, der über Botzen alldort ein treffen wird, vereinigen, hingegen hoffet er auch, daß in dieser Zwischenzeit die bäuerische Armee über den Bren­ ner nach Störzing vorrücken und ihme bei Brixen die Hand bieten werde. Indem nun diese Briefe dem Hofer vorgelesen wurden, so war er höchst traurig und Depun'rtc von allen Seiten des Landes waren bei ihm im Zimmer, welche die weiteren Ver­ haltungen abwarten wollten. Endlich fragte ich, was zu thun sei, damit den andern Commandanten die fernere Ver­ haltung bekannt gegeben werden tonne ? Nun wurden alle, welche keine Deputirten oder Commandanten waren, vom Zimmer abgewiesen, ein ordentlicher Rath gehalten und von Hofer mitsammt allen Anwesenden beschloßen, daß Deputirte zum Vicekönig gesandt und derselbe gebeten werde, mit dem Vorrücken so lange einzuhalten, bis die Deputirten sich von allen Gerichten können versammeln, um sodann die gründ­ lichen Beschwerden der ganzen Nation dem Vicekönig vor­ zustellen und um Abhilfe derselben zu bitten. Wie beschlossen, so gethan. Sogleich wurden an den Vieekönig drei Briefe, einer in französischer, der andere in ita­ lienischer und der dritte in deutscher Sprache abgefaßt und zwei Dcputirte nach Villach zum Vicekönig abgeordnet. Der Priester Donai von Schlanders und Battig ehe­ maliger Kreiskommiffar zu Brunecken, wurden als eigent­ liche Deputirte bevollmächtiget und ich erhielten eine sonderbare Vollmacht mit einem Schreiben an den Kaiser von Oester­ reich, womit ich vom Vicekönig, nachdem ich alldort mit

73 bin zwei Dorbemerften das Geschäft vollendet hatte, sogleich nach Oesterreich abgeben sollte. Den 3. Novbr. Nachmittags reiften wir von Steinach ab und kamen den 4. in der früh nach Bruneggen zum Bathig. Dieser machte sich mit uns fort nacher Niederndorf, allwo der französische General Rusca sich befand, zu diesem g ongen wir hin und zeigten demselben unsere Vollmachten mit dem Ansuchen, daß er solang mit dem Dorrücken seiner Truppen einhalten möchte, bis wir vom Vicekönig zurückkom­ men werden. Dieser Rusca antwortete wüthend: „feinen Augenblick warte ich, sogleich wird fortmarschiert und sollte sich ein Bauer widersetzen, so werde ich diese Hunde schinden und ihre Hauser über den Kopf anründen lassen." — Durch diese Reden wurde der Bathig erschreckt und sagte: es würde nothwendig sein, wenn wir dieses dem Hofer schreiben wür­ den , und er wolle mit diesem Schreiben zurückrei'en, damit doch kein weiteres Unglück mehr geschehe und die Leute vom Sandwirth zur Ruhe gewiesen werden. Donai setzte sich und schrieb dem Sandwirth, daß dec General Rusca sich in seinem Marsch keinen Augenblick aufhalten lasse, daß er drehe, Alles zu verheeren, wenn er den mindesten Wider­ stand fände. Würde sich aber Al-cs ruhig verhalten, so würden seine Truppen die beste Mannszucht beobachten. In­ sonderheit gäbe er dem Hofer sein Ehrenwort, daß weder ihm noch irgend einem andern Landesvertheidiger im minde­ sten ein Leid geschehen solle. — Mit diesem Briefe Rus­ ca's kehrte Bathig zum Sandwirth zurück, wir aber setz­ ten Tag und Nacht die Reise nach Villach fort. Den 5. Novbr. kamen wir Abends spät in Villach an, meldeten uns beim Platzobersten und verlangten zum Vice­ könig, indem unser Geschäft sehr dringend sei. Der Obrist führte uns geschwind dahin, meldete uns an, nach einigen Minuten kam er heraus und führte uns in das Zimmer des Vicekönigs Eugen, welcher von vielen Generalen und Stabs­ offizieren umgeben war. Wir Übergaben unsere Schreiben, er nahm sie gnädig an und betrug sich überhaupt sehr men­ schenfreundlich. Da nun der Vicekönig nur wenig deutsch versteht, so sprach er über unsere Angelegenheit mit dem Do­ rr a i französisch und wälsch über eine halbe Stunde. — Nach­ dem diese Unterredung ein Ente hatte, bat ich um einen Paß nach Oesterreich. Der Prinz Eugen sagte: „jetzt ist HermayrS Taschenbuch 1842. 4

74 keine Zeit nach Oesterreich zu reisen. Morgen früh werden alle Schriften für den Hofer und die Tyrolernation fertig sein. Eilet nur so schnell als möglich zu euren Landsleuten zurück." Des Vieekönigs letzte Worte waren: eilet zu euren Landsleuten zurück und saget ihnen in meinem Namen, so­ bald der Handwerker wieder in seiner Wcrkstätte, der Bür­ ger bei seiner Handlung, der Bauer beim Pfluge sein wird, auch die Heerden wieder ruhig auf den Hügeln weiden, dann sollen die Tyroler Deputirte an mich senden und ihre Be­ schwerden sollen gewiß Abhilfe finden." Am ti. Novbr. früh wurden wir vom Plahobersten aber­ mals zum Bicekönig in die Canzlei gefthrt, allwo daSchreiben desselben an die Lyroler schon fertig war, auch unser Paß war zur Rückreise schon vorbereitet. Wir rei­ sten sogleich zurück und kamen den s. um 2 Uhr Nachmit­ tags in Störzing an, wo wir den Sandwirth an trafen und demselben das gcmclte Schreiben des Vicekönigs Über­ gaben. Weiters erzählte Donai, wie es uns auf der Reise ergangen und daß durch Pusterthal drei Divisionen Französin heraustnarschieren. Zugleich fehlte es nicht an übertriebenen und voreiligen Anzeigen, daß der Feind von Botzen aus schon den Ritten und Meran besetzt hat, daß hie Bayern von Innsbruck schon in Steinach sind und sich im Oberinnthal bis Imst und Ried ausbreiten. — Der Sandwirth und alle Anwesenden glaubten, cs sei nichts mehr übrig, als den Commandanten zu schreiben, daß die Leute ruhig nach Hause gehen und sich in den Willen Gottes geduldig ergeben sollen. Es wurden also zu diesem Zwecke mehr denn du Schreiben verfaßt, dieselben von Hofer unterfertiget und den Comman­ danten durch Expressen zugesendet, auch wurde beschlossen, diesen Vorgang den französischen und bayerischen Vorposten durch Parlementair zu eröffnen und ihnen zugleich eine Abfchrift deS Vieekönigs, worin den Tnrolern allgemeine Am­ nestie, Sicherheit der Personen und des Eigenthums zugesi­ chert war, mitzutheilen. Zum französischen Vorposten wurde ein Passeyer geschickt, zu den bayerischen hingegen wollte sich kein Mensch gebrauchen lassen, well schon zwei derlei Parlementairs nicht wieder zurückgekommen sind. Der Sandwirth gieng also auf mich zu und sagte: Bruder, Du hast mir schon öfters Gefälligkeiten erwiesen, sei so gut und übernehme

75 das Schreiben an die Bauern nach Steinach, es kann Dir ja nichts geschehen, Du bist ohnehin ein Unterländler und kannst mir dieser Gelegenheit auch Deine Leute in der Ge­ gend, wo Du bekannt bist, beruhigen, damit kein weiters Unglück mehr geschieht: bevor Du aber nach Oesterreich ab­ gehst, möchte ich noch gerne mit Dir reden. — Ich sagte darauf, Du weißt ja, daß Ich jederzeit meinen Vorgesetzten mit Bereitwilligkeit Folge geleistet habe, ich werde dieses Schreiben richtig cinliefern. — Wo werde ich Dich aber ferner- antrcffen, damit wir alles wegen der österreichischen Reise verabreden können? Er sprach darauf: ich gehe heute Nacht noch nach Passeyer in meine Heimath und dahin kannst Du mir allemal schreiben, weil cs jetzt wohl ruhig wer­ den wird, denn ich werde Dir zu Liebe wohl auch eine Strecke Weges gehen, wo wir zusammenkommen werden. — Wir gaben einander im größten Schmerz die Hand und beur­ laubten uns traurigst. Ich konnte aber in der finstern Sturm­ nacht und Schneegestöber den Brenner nicht mehr errei­ chen, sondern mußte in Goffcnsaß bleiben. Am 9. Novbr. vor Tagesanbruch machte ich mich auf den Weg, konnte aber wegen der abgebrannten Brücken erst um Mittag in Steinach anlangcn. Als ich nun zu den ausgestellten Posten kam und meinen Brief vorzeigte, wurde ich in das Posthaus zu Steinach zum Herrn Generalen, Grafen Beckers geführt. Dieser empfing mich mit rau­ hen Worten, wollte mich verhaften und sagte: „jetzt lasse ich mich von den Bauern nicht mehr betrügen." — „Ich erwiederte: Herr General, ich bin ein Parlamentair, Ich komme diesen Augenblick aus Villach vom Vicekönig zu­ rück und dieser hat uns allen feierlich Amnestie zugesichcrt." Nun ließ mich der General durch einen Offizier nach Inns­ bruck begleiten. Der commandirende Gras Erlon-Drouet empfing mich sehr höflich, sagte, daß er vom Vicckönig schon Alles wisse und daß Niemanden, der sich ruhig ver­ halte, das mindeste Leid widerfahren solle. — Meine Per­ son betreffend, solle ich nur nach Kufstein abgehcn und dm Jnnthalcrn sagen, daß es mit dem Frieden seine volle Rich­ tigkeit habe, im widrigen Falle müßte ich für alle Exces­ sen mit meiner Person hasten. In Begleitung eines sächsischen Offiziers unternahm ich die Reise nach Kufstein und längte den 11. Octobcr Abends daselbst an, der dortige Comman-

76 dank Oberst von Aicher war zufällig selbst auf der Thorwache gegenwärtig, als ich aus dem Wagen stieg. Er fuhr mich heftig an, sagte unter andern, er werde mich als Anfüh­ rer der Rebellen henken lassen und fragte, ob ich einen Paß oder Marschroute habe? ich antwortete kurz: aufzu­ warten und gab selbem meine Briesschastcn, als er aber den französischen Paß erblickte, wurde er höflicher, bedielt meine Briefschaften zurück und wies mir Quartier bei mei­ nem Vetter Sicherer dem Traubcnwirty an. Den 12. mußte ich in aller Frühe zu ihm kommen, er gab mir höflich die Brieftasche zurück und dann erlaubte er, daß ich mich nacher Langkampfen zu meiner Fa­ milie begeben könne. — Ich war nun in meinem Haus und glaubte ein wenig ausruruden, allein den 14. October in der Nacht erhielt ich durch Expreßen den Befehl, so­ gleich nach Innsbruck zum eommandircnden Graf ErlonDrouet mich zu begeben und mußte noch diese Nacht ab­ reisen. Den 15. Vormittags 10 Uhr war ich schon in Inns­ bruck, begab mich sogleich zum Generalen, welcher sagte: daß in Obennnthal die Bauern noch unruhig waren, weil sie vielleicht den abgeschlossenen Frieden nicht wissen oder denselben nicht glauben wollen, daher giebt er mir den Auf­ trag, sogleich dahin abzugchen unb die Leute zu beruhigen, weil ich als Tvroler allerdings dieses zu thun vn-pflichtet sei. Dieser Auftrag war mir gar nicht lieb, gehorchen mußte ich und das wollte ich thun. Ich entschloß mich, dem Sandwirth zu schreiben, daß er möchte nacher Nauders kommen und ich werde über Imst und Pfunds auch da­ selbst eintreffen, diesen Brief übersendete ich durch gute Ge­ legenheit über Störung, den Iauffen in das Passeoer Thal. -In der Zwischenzeit war fä;on der Wagen zur Abreise in das Oberinnthal’ bereit und ich mußte mich in Begleitung eines banerischen Hauptmanns vom Generalstab des Gene­ ral Raglowich einsihen und nach Oberinnthal abreisen. Den nämlichen Tag kamen wir noch bis Imst zum edlen Generalen Raglowich, der mich noch wohl kannte, weil selber 1799 als Hauptmann bei dem österreichischen Regi­ ment Sztarray gedient und wir zu Martinsbruck mit­ sammen bei einer hiesigen Affaire wider die Franzosen gc-

fochten, bei welcher Gelegenheit derselbe im HalS, ich am Fuße stark blcsffrt worden. Dieter edle General nahm mich sehr gut auf und verschaffte mir Quartier. Den andern Tag mußte ich in Begleitung eines Bürgers von Imst nacher Landegg, Brutz und Ried abrcisen, indem da Alles in der besten Ordnung war: zu Ried übernachtete ich und man sagte mir, daß die Bauern schon auseinander gegangen seien, nur einige schlechte Men­ schen, welchen daran liege, die Unruhen zu unterhatten, um unter dem Deckmantel der Landesvertheidigüng requiriren und plündern zu können, rufen noch die Leute zum Waffen, welches aber keine Folgen mehr haben würde. — Den 17. in der Frühe trat ich wieder meine Reise an und glaubte bis Mittag den Sandwirth in Nauders zu sehen; Herr Penz von Ried war mein Fuhrmann (der sein ei­ genes Pferd und Wagen zu meiner Beförderung angetragcn hat und welcher auch diese Reise niemals vergessen wird), wir kamen eine Viertelstunde vor Pfunds, ich sahe, daß einige Schützen dortselbst aufgestellt sind, machte mir aber nichts daraus, denn ein ehrlicher Mann darf sich vor keinen Menschen scheuen, was mein allgemeines Glaubensbekenntniß ist. — Zch kam wirklich zum Posten und wurde gefragt: wo ich her sei und wo ich hin wolle? Ich ant­ wortete: zum Sandwirth nach Nauders. Sie sagten: der Sandwirth ist nicht zu Nauders, er ist beim Volk. Geh nur zu unserm Commandanten, der wird Dir's schon sagen, wo der Sandwirth ist? Nun begleiteten mich meh­ rere Bewaffnete nach Pfunds zur Tschottin. Ich gieng (n’6 Haus hinein, fragte nach dem sogenannten Comman­ danten Andreas Dilitz, der mich in Bitterkeit fragte: wer ich bin, wo ich herkomme und wo ich Hinreisen wolle? — Ich sagte, daß ich zum Sandwirth gehe und mit ihm zu reden habe, wollte auch meine. Vollmacht von demselben verweisen und die Abberufung der Compagnien sammt den abgeschlossenen Friedensverttag. — Wie ich nur das Wort Frieden sagte, schlua und stoßte Alles aus mich zu, so zwar, daß ich ohnmächtig zu Boden fiel und dann erst, als ich schon einige Zeit auf der Straße lag und das Blut von mir strömte, zu mir selber kam. Ich weiß also bis dato nicht, wie ich aus dem Haus der Tschottin auf die Straße gekommen bin: gänzlich von Allem beraubt, voller

78 Schläge, hörte ich nichts ander-, al- da- Mordgeschrci: er ist noch lebendig, wir müssen diesen Spitzbuben ganz umbringen. 2tuf ein neues wurde ich wieder gepackt, ge­ schlagen und zwei Schuß auf mich aethan wo mich aber keiner traf. Endlich tarnen zwei Männer und hielten die auf mich stoßten ab, mit den Worten: „laßt ihn jetzt ge­ hen, er hat so schon genug, wir wollen ihn zum Sand­ wirth fuhren, weil er dahin verlangt", und auf diese Art transportirten sie mich nach Nauders, von da nach Graun, wo der Carl Maler und Joseph Behem, Fischmeister von Hall gleichfalls eine Art von Commandantschast üb­ ten. — Diese Männer machten mich los, weil sie mich kannten und stellten mir die meisten meiner Sachen wieder zu, bedauerten aber zugleich, daß ich so übel zugcrichtet und erzählten, wie der Sandwirth plötzlich vom neuen die Waffen ergriffen und alles Volk wie­ derum aufgefordert habe. Den 18. in der Frühe sprach der Joseph Behem zu mir, ich solle nicht zum Sandwirth, sondern bei ihm bleiben, welches auch mein Wunsch war. Den 19. kam Martin Fierlcr (ein Salz­ aufleger von Hall) als Obercommandant und befahl dem Baldauf in Graun, mich neuerlich zu arretiren und wohlbewahrter nach Paffever zum Sandwirth zu bringen. Der Marberger gab zu meiner Arretirung den schriftlichen Befehl, der auch vollzogen wurde. — Martin Fuchs und Joseph Folie von Reschen, nahmm mich in Ver­ wahrung , setzten sich zu mir auf einen Wagen und fuhren Meran zu. Auf den Abend kamen wir daselbst an und den andern Tag, nämlich den 20. mußte ich zu Fuß den Weg nach Paffever antreten. Nachmittags ungefähr um 4. Uhr traf ich an der Kellerlähn in einem Häuschen den Sandwirth an, er saß bei dem Tische und bei ihme der Student Schwed, sammt noch mehrern Bauern, wo­ von einige bewasftiet waren. — Bei meiner Ankunft grüßte 3 den Sandwirth und sprach zu ihm: nach einer bewerlichen Reise habe ich Dich endlich gefunden. Er sagte: „ganz verwirrt bin ich, leider bin ich selber meines Lebens nicht mehr sicher, denn ich darf von Frieden nichts mehr sprechen, sonst würden mich diejenigen Leute tob schlagen: gezwungen wurde ich neuerdings, die Waffen zu ergreifen

79 und Dich sammt dem Donai todschießen zu las­ sen, weil ihr gleichfalls die Friedensnachricht geglaubt und dieselbe verbreitet habt." — Wie der Hofer mit der größten Bewegung und Verzweiflung sprach, kamen mehrere Bauern, die, da selbe mich sahen, zum Sandwirth sagten: ist das der Sieberer, welcher gesagt bat, daß der Kaiser mit den Franzosen Frieden gemacht hat, der Sandwirth sagte: ja, die Bauern er­ wiederten, das mag wohl der größte Spitzbube sein, den und alle, die von Frieden sprechen, mußt Du todtschießen lassen. Der Sandwirth befahl, mich gut einzusperren und sagte: „es wird so nicht lang mehr dauern, denn sobald der Donai anhcrgebracht wird, werdet ihr alle Beide so­ gleich tedgejchosscn. Du kannst Dich nur zum Tod berei­ ten." — Die Bauern führten mich fort zum Wirth nach S. Martin und dort wurde ich eingesperrt. — Ich hörte in meinem Arrest, daß ein Bataillon Franzosen über den Zauffen nach S. Leonhard in Passeyer marschiert sei, diese waren gänzlich alldort eingeschloffen, geschlagen und hatten den 23. capitulirt. Diese wurden also den 24. nach St. Martin und dem Schloß Tyrol transportirt. Den 24. in der Frühe wurde auch der Donai zu mir in Arrest gebracht, welcher mir mit diesen Worten tröstete und ermunterte: „Bruder sei getrost, läßt uns der Sandwirth todtschießen, so sterben wir unschuldig für daGaterland. Auch die Geschichte wird es einmal zeigen, daß wir unschuldige Opfer der Volkswuth geworden sein und Gott wird unsern Tod als ein Versthnungsopfer für unsere Jugendsünden aufnehmen!" — Weiters fragte mich Do­ nai, wie cs mir ergehe und daß ich gar so schlecht auSsehe, ich erwiederte: daß dieses kein Wunder ist, indem ich vier ganze Tage nur bloße leere Suppe, ohne Bissen Brot genossen auch' keinen Heller Geld habe, um mir etwaFleisch oder Wein zu verschaffen, weil mir die Bauern bei dem Sandwirth alles Geld und was ich bei mir hatte, sammt allen Schriften abgenommen haben. Der Donai griff in seinen Stiefel und zog eine Hand voll Geld her­ aus, welches mehr denn 10 fl. gewesen sein müssen. — Ich rüste darauf der Wacht und bekam für Geld sogleich Wein und etwas zu Essen. Gegen Abend kam ein Haufe Bauern mit zwei Störzinger Arrestanten, einen dritten

80 hatten sie in S. Leonhard todgeschosscn, diese sagten: nun haben wir die zum Tode Vcrurtheilten. Jetzt wollen wir sie hinausführen und todschießen. Donai hörte auch die­ ses und sagte: „nun ist es um unser Leben geschehen" und die Bauern rissen uns durch das Arrest-Zimmer hinaus. — Im Hinausgehen hörte ich ein Murmeln, daß die Feinde neuerdings über den Jauffen kommen und daß die Gefan­ genen gleich abgeschlagen oder todgeschosicn werden sollen. Ein Silberarbeiter zu Störzing war auch unter uns ge­ fangen, der sagte zu mir: gehe doch schneller (denn ich hatte kaum so viel Kräfte, daß ich gehen konnte). — Als wir nun in dem alten Schloß nächst S. Martin anlang­ ten, wo wir unser Leben enden sollten, kam ein Mann der sagte: bis ein neuer Befehl kommt, sollen diese Ge­ fangenen (auf uns deutend), nicht erschossen werden! Es war nun Abend, das französische Lager in St. Leonhard vermehrte sich immer, die Bauern wurden muthlos, die Wächter kamen zu uns, bathen uns um Verzeihung und in diesem unerwarteten Augenblick waren wir Gefangene gänzlich frei. — Den 25. begaben wir uns nach Me­ ran, wo uns der brave Kaufmann Schweigt gütigst aufnahm und mir vom commandirenden Herrn General Baraguay d’H ilHers einen Paß über Botzen nach Jnnsbnlck und Kufstein auswirtte. Den 27. reißte ich nach Botzen, blieb einen Tag alldort und den 29. Novbr. wollte ich über Kollmann nach Brix en rei en, allein in Kollmann war alles voller Franzosen, worunter auch ei­ nige blessirte waren. Ich blieb in Kollmann, weil alle Dege von Bauern verrammelt waren, und der Wirth ver­ sicherte, daß mir nichts geschehen wnd. In der Frühe dm 3. Dccbr. während ich ein Frühstück nahm, drang sich ein Haufe bewaffneter Bauern im Wirthshaus ein, ftagten mich, wer ich bin und wo ich hcrkomme und Hin­ reisen wolle? Ich sagte ihnen die Wahrheit und d'cse Leute waren unter dem Commando des berüchtigten Herrn von Kolb, der letzterhand in der Gegend von Brixcn fein Unwesen trieb. Zwei starke Manner, welche bewaffnet waren, führten mich als Arrestanten von Kollmann über die Gebirge nach Milland nächst Briren in das Vintlensche Haus, allwo der gcmelte Kolb fein Hauptquartier hatte. Es war schon Abend, als ich da anlanglc. Ich

81 gieng in das Zimmer, wo der Kolb schrieb, machte sel­ bem mein Kompliment und sagte zu ihm: er möchte mir ein Certisicat geben, damit ich meine Reise sortsetzen kann. — Der Kolb verwunderte sich über meine Gegenwart und sagte: wie es möglich sei, daß ich zu ihm komme, da mich doch der Sandwirth arretiren und todschießen hat las­ sen? — Ich antwortete dem Kolb: hatte mich der Hoser todschießen lassen, so könnte ich nicht hier sein. — Der Kolb sagte, ich soll bei ihm bleiben, so lang bis die Deputirten, die er zum Hofer abschickt, zurückkommen werden, damit er weiß, was mit mir zu geschehen hat? — Ich war also drei Tage bei dem Kolb und als noch kein Bote zurücktam, so ersuchte ich denselben, die Güte zu haben, mir eine Marschroute nach Unterinnthal ausfertigen zu wollen, welches er auch gethan hat. Den 2. verfügte ich mich mit einem Wegweiser in die Oberau unterhalb Störzing, alldorten wurde ich neuerdings von einer Rotte bewaffneter Bauern arretirt, weil diese die Firma des K o l b nicht respcctirten. Diese ttansportirten mich über den I aussen abermat in Passerer, allwo ich den 3. Decbr. ankam und dem Got­ tesdienst beiwohnen durfte. Der dortige Seelsorger verkün­ digte von der Kanzel, bis Mittag müßten alle Gewehre und Pulver eingeliefert sein, weil sonsten die Franzosen von St. Leonhard aus, Alles mit Feuer und Schwerdr verheeren wür­ den •! Meine Wachter stutzten und erschraken über die plötz­ liche gewaltige Beranderung und wollten sich schon ohne mich aus dem Staube machen. — Dennoch faßten sie sich wie­ der , brachten mich zurück über den Zauffen und wollten mich dort verwahren. — Allein in der Nacht kam Nachricht, daß man mich frei lassen solle. — Ich weiß bis auf diese Stunde nicht von wem? Am 4. Decbr. um zwei Uhr früh, gieng ich schon im Iauffenhaus fort und wollte nach Störzing eilen, allein ich verfehlte den Weg, blieb einige Zeit im Schnee ste­ cken und endlich gelang es mir über ein Felsengebirg das Störzinger Thal zu erreichen, wo ich um 10 Uhr auch glück­ lich zu Störzing anlangle und den 5. allda ausruhte. Den 6. reiste ich über den Brenner nach Innsbruck und den 7. von da nach Kufstein, der dortige Commandant war mir natürlich wegen der Belagerung überhattpt sehr auffässig, ich hatte immer in mein Haus einen Unteroffizier und 4 Ge­ meine zur besondern Aufsicht und aus diese Art blieb ich in

82 meinem Hauö bis zum 1. gebt. d. I. — 3n der Nacht den 2. Febr. hotten mich aus dem Bett ein Corporal und 6 Ge­ meine ab, unter dem Borwand, als wenn ich über Baiern ge­ schimpft hatte!? — Auf dem Befehl, des im Dorf Langkampfen liegenden Hauptmann, wurde ich den andern Tag nach Kitz­ bühl zum Major Scheer des Regiments Preysing, wenn ich mich recht erinnere und den andern Tag in die Festung Kufstein tranSportirt, wo mich der Commandant unter ro­ hester Mißhandlung in den Kaisetthurm zu den schwersten Verbrechern werfm ließ. — Nur dem unvergeßlichen Edelmuth des Generallieutenants von Deroy und der Gerechtig­ keitsliebe des französischen Divisions-Generalen Grafen Erlon-Drouet kann ich es verdanken, daß sie mich nach 8 Tagen aus diesem Gefängnisse befreit haben. Langkampfen, den 14. Marz 1810.

Jacob Sieberer,

gcwcstcr Lyrolcrschüßcn-SXajor unb Cominairtont.

83

III. Mtten nild Gebräuche, furus und Feste, Han-

-cl und Gharaktcr^üge -er Vorzeit. 1) Musterblätter für Biographen. — 2) Nennen und Nönnlein. — 3) Legitime Höflichkeiten. — 4) Ländlich Sittlich. — 5) Die Verläugner 1548. — 6; Hohenstauffen. — 7) Die Schlacht her Thiere. — 8) Alte Mische. — 9 Liberale Gmeute her Maulesel zu Rom. — 10) Die Fischhändler, Erd - und Erzgrodiane. — 11) Malerische Reisen. — 12, Seltsame Aushungerungs-Präservative. — 13) Muster einer Grad­ schrift und wichtige historische Entdeckung. — 14) Das historische Recht und der historische Boden. —15 Die Beinamen. — 16, Die deiden Ai­ das in Oesterreich. — 17) Klostersitten und Klosterbräuche. — 18) Qui­ dam satuus 1509. — 19) Daierische Freigebigkeit. — 20) Undeneihete Bermachtniffe. — 21; Tie Bons Vieux tems. — 22) Pia desideria für die Gcnfur. — 23) Mönchsverslein Uder Weider, Trin« ken, Lieden und Leden. — 24) fatale Geschenke. — 25) Gwerrae nriueipum. — 26) Daß die Gelehrsamkeit doch auch zu etwas nüpe sein kann. — 27) Seltsame Laudemien und Grunddienste. — 28) DaS tödtliche Schachspiel. — 2J, Der Kriegsheld, Hofmann und hundert­ jährige Laienbruder, Hans von Trenndach. — 30) Ritter Rudolph von Ehingen und die schwädische Fruchtbarkeit. — 31) Die Freßadju­ tanten. — 32) Die unwissende Aebtisiin. — 33) Annehmlichkeiten eines Scharsrichrerpostens. — 34, Die deutschen Eondettieri. —

1. Musterblätter für Biographen. Der wackere Augustin Kölln er, des Baierherrogs Gc-

hcirnschreiber und Freund des cdeln Johannes

Thurrnayer,

Avcntinus, malt uns mit wenigen treuherzigen Umrissen, seine lieben, gnädigen Herren:

Herzog albrecht bett lange zait fain hausvrawen gar lieb, das tet sy auch, da aber Er prach, da prach auch sy.

Hcrrog banns war crnnstlich und wahrhaft und regiert woll, als aber desselben jars war ain pestilentz,

da floch

84 er dm prockcn und wer Frembdter daselbst hinkam, dm schü­ tzet man auf einer Pcrnhaut, hoch auf, in die Lust. — Der starb an der pcstilcntz. Herzog sigmundt tett sich dcS regimmts bald ab, war

gar ain milder hem, gab jedermann gern fürderung und Bettbncf. Im war woll mit schencn Frawcn und mit wcyssen tauben, Pfaffen, Swein und vögeln und allen seltzsamen thierlein, auch mit singen und savtenspicl, hatt allwcil gute Cantorcs und Singer bei Jmc. Matthcus von Papp en heim, in der Chronik der Truch­ sesse von Waldburg, meldet uns: — Graue Otto von Sonncnperg vnnd Truchseß zu Wallttpurg, Graue Eber­ harts Son, war ein Thumbhcrr zur Costanntz; demnach er aber ein erber Westen und Wandelt fürt, auch ains vcrnunfftigm Verstands was, ward er durch den amen Thaill des Cappittels zur Costanntz zucm Bischoff crwallt, so crwalltcn der andere Thgill amen von Fneyberg, dcrhalben zwi­ schen baiden bischoucn sich ain langer Krieg begab, aber doch zur lcttst stannd der von Frmbcrg ab, vnnd belieb Graue Otto Bischoue, der den Stifft, Erlichen vnnd woll geregirt. Was ein gucttigcr, fromber Man, sach vill lieber Hir­ sche, Roß vnndWaibcr, dann ainen alltten Bau­ ern. Er starb Tsnno tausent vierhundert ain vnnd neuntzig. ligt zue Constanntz hindcn im Münster in aincr aigcnen Capcll begraben. In der Anncn-Capcllc der ehemaligen Klosterkirche zu Wiebrechtshauscn ruht Herzog Otto der Quade, (der stiedlose, der unruhige, armipotens,) einziger Sohn des Her­ zog Emst von Göttingen und Elisabeth, Tochter Heinrichs des eisernen, Landgrafen zu Hessen. Geboren 1303, folgte er 1367 dem Vater im Fürstcnthum Oberwald, darum „der Herzog von der Leine" genannt, starb den 13. Decbr. 13U4 auf der Burg zu Hardegsen. — Seine Gemahlinn

85 Margarethe, des Herzogs Wilhelm von Zülich und Berg Tochter, die ihm nebst zwei Töchtern, Otto den einäu­ gigen gebar, erwirkte durch fromme Stiftungen und Ge­ schenke, daß der im Kirchenbann gestorbene und deshalb au­ ßer der Kirche in ungeweihter Erde bcigesehtc Fürst der Unruhe, doch endlich in das Gotteshaus der reichbegabtcn Non­ nen gelangte, wo jetzt noch sein Grabstein mit dm Braun­ schweigischen Leoparden zu sehen ist und mit dem zu seinen Füßen ruhenden Löwen, die Abkunft von dem alten Braun­ schweiger Leuen zu beurkunden. — Von ihm sagt eine alte Handschrift: — „Herzog Otto was ein arger Fürst, konnt die Pfaffen nit leiden, hctt lieber fremdes Gut, verrhet das seine, hctt lieber fremde vrawen als die seine, meint er hctt schon das hcsscnlandt, hing sich an die Stern b rüder, baut dcn Sichel st ein, trug am Hals die Sichel, mcvnend, das Landt Hessen zur ernte darmit ze sncuden. — der sagt cinsimal auf der Jagd am Felsberg: Wcrcn twe Ogen bot, so qucme ick uth all miner noth und wolde ein rvtcr Först syn! (waren nur zwei Augen todt, so wäre ich aus aller meiner Noth und wollte ein reicher Fürst sein), datz aber höret der gctrcwe Eckhard, der alte Ritter von der Rönfurt und mcldt cs dem Landgrafen. Der sprach in hohem Zorn: bei S. Elisabeth der heiligen Frawen, das Wort soll meinen Tochter Sohn, das Land scha­ den" -------- und er wendete all sein Erbe auf seines Bru­ ders Ludwig Sohn, Hermann den gelehrten, Domherrn in Magdeburg. Das Gegentheil des räuberischen, treubrüchigen, rechtlosen Fürsten Otto war seine fromme Gemahlin Margarethe, die hilfreiche Mutter aller Armen, Schwängern und Kranken. Ihre liebreizende Jugend hatte sie an der Seite des wildm Mannes vertrauert. — Sie überlebte ihn fast ein halbes Jahrhundert in der alten, anspruchslosen Stille und fegens-

86 reichen Frömmigkeit. — Als einst in einem Streit auf dem Harz viele Bürger des ihr werthen Nordheim elendiglich ums Leben kamen, verbot sie, daß ein Jahr lang Trommeln, Pftiffen und Gesänge sich zu Nordheim oder Hardegsen hören lassen dursten. Sie selber gieng vier Wochen lang in grobwollcncm schwarzen Trauerkleid und fastete, freilich ein starker Gegensatz mit den Tagen ihres Gemahls — „wo Brennen und Rauben und gut Braunschweigisch seyn" — dasselbe waren und der unerquickliche Spruch durch alle Lande gieng: Reiten und Rauben ist keine Schande, Laö thun die besten Hefleut im braunschweiger Lande.

2. Nonnen und Nönnlein. Die Offen Hauser im schönen, gemüthlichen Schwaben­ lande, haben sich hartnäckig geweigert und haben es absicht­ lich versäumt, ihren großen Herzog und Kaiser, den zweiten Friedrich auf seiner Heerfahrt in's heilige Land, wo er die hohe Königswitwe Jerusalem, den Marterhügel und das theure Grab des Erlösers wieder erobert, nach ihrer Hecrbannspflicht mit zwei und siebcnzig Gewappneten zu begleiten. — Drob wurdm sie verurtheilt, ein Nonnenkloster für zwei und siebenzig Jungfrauen zu bauen an der Quelle der Lau­ ter. Ihm ward der Name Gnadenzcll, — aber auch ohne Carl Spindlers anmuthige, lebenswarmc Bilder, wüßten wir aus staubigen Pergamenten und halbmannshohm Folianten, daß von Anbeginn kein rechter Geist der Gnade wehen und walten wollte über diesem Gnadenzcll. Die reichen Herren, nachmals Grafen von Lupfen, Nachbaren und vorzügliche Wohlthäter des Klosters gebrauchten selbes förm­ lich als Bclustigungs- und Ruheort, — zur Einkehr von der tobenden Jagd, zu Trinkgelagen und Tanzen. Wie bei

87 den Jägern die Vorsicht nicht immer zu Hause ist und schon

mancher unwissend oder zur Unzeit losgegangene Schuß uner­ setzliche Verletzungen hervorgebracht hat, so scheinen auch jene

Lustmahle nicht immer folgenlos für die Klosterjungfrauen ge­ blieben zu sein, denn ein Brief des Grafen Hans von Lup­

fen 1428 schilt die Priorinn gar hart, daß sie die „ettlich armen Jungfrawen" nicht eher aus dem Kloster entfernt,

und den Nachbarn und bösen Leuten Anlaß zum schlimmen Leumund gegeben, „daß die Klosterwände von Kindern

beschricn wurden!" Vergebens mahnte der Bsschof, ver­ gebens der Graf von Würtcmbcrg

als Schirmvoigt.

gute Worte nichts verfingen, erschien Graf Eberhard

Als 1463

persönlich, brachte aus guten, ihrem edcln Berufe treu ge­ bliebenen Klöstern, Musternonnen mit sich und ob wohl viele

der Sünderinnen aus den ersten Adelsgeschlechtern des Schwa­

ben - und Frankenlandes waren, wurden sic doch mit harten Worten und einiger Züchtigung nicht verschont.

Allein jetzt

schieden sich die alten ausgelassenen von den neuen frommen

Klostcrjungfraucn in Nonnen und „Nönnlein", wie die

ersteren sich selber benannten.

Die neuen Ankömmlinge wur­

den mit aller ersinnlichen Bosheit verfolgt, mißhandelt, durch Hunger und listige Nachstellungen gequält, bis sie endlich verzweifelnd ihre Bündel schnürten und insgesammt die Flucht

ergriffen, verfolgt von den Flüchen und dem hohnlachenden Zubel der jetzt triumphirendcn „Nönnlein", deren Weizen nun

aufs üppigste blühte. — Nie soll das correctcste Gebot der geist­ lichen Oberen so worttreu befolgt worden sein, als der Sch reib­ fehler: „zur herannahenden Visitation,

den päpstlichen Le­

gaten und sein Gefolge: apertis vulvis, (statt

apertis

v a 1 v i s, mit gänzlich aufgehobener Clausur, mit offenen Tho­

ren und Thüren) zu empfangen." —

Der Legat soll der­

selbe gewesen sein, dem 1489 der wilde Jäger Wilhelm von Rechberg zuerst seinen römischen Bannbrief wider den

88 edeln Eberhard in die Gurgel

gesteckt und dann die zum

Fluch erhobene Hand desselben mit seinem letzten Hirschpfeit angenagclt habe, wenig bekümmert, wann „der Rchber-

gischc Klopfe rle" ihn zur Rechenschaft abfordcrn werde?? Indem kam der Graf und bald Herzog Eberhard wieder und sperrte das Kloster allem

männlichen

Zutritt.

Auch

brachte der Kanzler den Nonnen einen gelehrten und

gottes­

fürchtigen Mann als Beichtvater mit.

Stach einigen Jahren

kam der Graf nochmals, aber der alte Beichtvater nicht nur,

sondern auch sein Nachfolger war verschwunden.

Die „Nönn-

Icin" hatten von dem ersteren zwar unter vielerlei bösartigen Neckereien das

Chorsingen erlernt, dagegen legten sie ihm

Fattbreter, Glas - und Hafcnscherbcn auf Gange und Trep­ pen und nahmen die besten

Maßregeln, daß sein Kommen

ihnen schon von weitem verkundschaftct sei.

Der Alte wurde

sterbend wcggcbracht, — sein Nachfolger lief nach einigen Monaten bei Nacht und Nebel davon. —

Endlich wurde

den gottlosen Nönnlcin die Aufhebung angckündigt, zumal cs auch an Schulden nicht fehlte.

Jetzt schafften sie schnell allen

Hausrath, Kleider und Betten aus dem Kloster, versteckten das Uebrige oder verkauften cs um

Aber doch zu bald kamen ihnen

Früchte und süße Weine.

der Kanzler, der bischöfliche

Commissar und die Reformirschwestern auf den Hals.

Alle

Macht und Würde wurde den bisherigen verkehtten Träge­

rinnen abgcnommen, das Entwendete und Versteckte durch

unsanfte Mittel wieder zurück erpreßt, eine neue Schaffnerin,

Priorin und Subpriorin ernannt mit) die verstocktesten und ältesten Nönnlcin, in andere

Klöster gesteckt.

Im dritten

Jahre darauf schlug der Wetterstrahl in die Stiftskirche und tödtete die.strengste der Reformirschwestern vor dem Altare im Gebet.

Das benützte das noch übrige leichte Volk

über „Strafe Gottes" zu schreien, daß man die Unschuld so gekrankt habe! Aber Eberhard gab blutwenig auf dieses

89 vermeinte

Gottesurtheil

als

und

nach

mehreren

Jahren

fromme Zucht und Ordnung wieder festen Fuß gefaßt hatte,

machte der Graf durch einige reiche Kirchenjahr wieder gut, was die frühere lüderliche Wirthschaft der Nönnlein verdorben

hatte. Bei andern Nönnlein zu Kirchheim unter Teck war ein Würternberger Graf selbst ein Verderber, der jüngere Eber­

hard, Sohn Ulrichs und Elisabeths Son Landshut, so

ihm fein Vater 1476

daß

darüber zuschneb: „Vor kurzem bist

Du gen Kirchheim kommen, und hast einen Tanz ange­ fangen in dem Kloster, zwo Stunden vor Mitternacht,

das denn wider Gott und große Sünd und Sann ist.

dazu in hohem

Läßt auch Deine Buben und andere ins Kloster

steigen bei Nacht--------- und hat Dein sündlichs, schändliche

Wesen, das Du und die Deinen getrieben habt, Dir nicht genügt: Du hast Deinen Bruder auch mit Dir hineingenom­

men , und habt ein solch Tannen darin gehabt und Schreien, das, wenn es im offenen

Frauenhaus geschehen wär,

so wär's doch zu viel." —

Als mehrere Jahre später dasselbe lustige Kloster Eber­ harden Geld borgen sollte und keines geben wollte oder

zu geben hatte, ward es von ihm mit solcher Härte bela­

gert, daß die Klosterftauen das letzte Huhn aufgezehrt hat­ ten , schon an die Katzen dachten, die wenigen Bäume des Klosterhofes und ein Sommerhäuschen, zur nöthigen Feue­

der Bischof von Eonstanz

rung venvenden mußten, so daß

mit dem Bannfluch, der Kaiser mit der Acht drohte und der

ältere Eberhard endlich mit 4000 Mann den

fiel , in die Flucht schlug und

jungem

über­

aufs äußerste gedrängten

die

und beängstigten Nonnen entsetzte. ♦





In alter Weise sanden sich Mönchs-

und

Nonnen-

90 Klöster häufig beisammen und die Klosterchroniken und die Bisitations- und Strafprotocolle enthalten darüber viel Er­ götzliches. — Aber ein kläglicherer Jammer dürste schwer­ lich irgendwo zu lesen sein, als des Probstes Conrad von Martell vom Jahre der Endigung des großen Zwischenreiches und der Erwählung Rudolph von Habsburgs: „Im Jahre des Heils 1 *273 am Sonntag als gesungen wird: Judica mc deus haben wir Conrad Propst zu Mar­ tell mit unserm ganzen Convent, in Erwägung, daß die Bosheit der Weiber alle Bosheiten auf Erden über­ trifft und daß kein Zorn ärger ist, als der Zorn der Weiber, auch daß die Gifte der Drachen und Schlangen den Menschen milder und weniger nachtheilig sind, als die Gemeinschaft der Weiber, beschlossen wir mit einhelligem und gleichem Rath, zur Rettung sowohl der Seelen als auch der sündigen Leiber und der irdischen Haabc, daß wir künftighin keine Schwestern zu unserm höchsten Verderben aufnehmen, sondern selbe gleich giftgeschwollenen Bestien auf immer vermeiden wollen.') Auf daß aber dieser Beschluß zur unzerstörbaren Kraft gelange, haben ich und die älteren und Klügeren (Saniores et Scniores) uns durch einen Eid gegen einander verbunden innerhalb der nächsten fünfzig Jahre keine Klosterschwe­ ster aufzunehmen, noch ihre Aufnahme zu gestatten. — Was nach Ablauf dieser Frist unfern Nachfolgern zu thu» beliebt, überlassen wir ihrem Gutbefinden, rathen ihnen aber wohlmeinend, daß auch sie das Beispiel ihrer Vorgänger be­ folgen, um ihres zeitlichen Wohlergehens und ihres ewige» Heils willen? — Möge es doch also geschehen !" (utinam fiat.) e) Ut aliquas de caetero sorores ad angmentum nostrae perditioni.i uullateiiuM recipiamus, sed eas quasi veucnata auimaha recipcrc devitenius1 —

91 3.

Qcflitime Höflichkeiten.

In jenen erbitternden, deutscher Ehre

rühmlichen Händeln zwischen dem

und Treue wenig

heftigen,

mit

aller Welt,

mit allen Verwandten verfeindeten, zuletzt von dem eigenen Sohn bckn'egten, belagerten

Sättigen

von Ingolstadt

und gefangenen Ludwig dem

und seinem abscheulichen

Heinrich von Landshut, schrieb Ludwig an

den

Vetter,

Schwager

und Vertheidiger desselben, den Mann des Glückes und

all­

mächtigen Günstling Friedrich von Zollern, Burggrafen zu Nürnberg und um Geld und Gunst, Kurfürsten von Bran­

denburg und Erzkämmerer: — Hochgeborner Fürst! du unendlicher Mann (süddeutscher

Provinzialism für unwürdig, erbärmlich, winzig), den der

Kaiser,

unverdient seiner Frömmigkeit und

test du denn

hin, wenn du

deine

Mannhaftigkeit

gemacht, wo woll­

zu einem Markgrafen von Brandenburg

nagelneuen, noch

nach den Wappcnfarben riechenden Diplome ein­ mal im Rausch verlörest? Darauf antwortete mit gleicher Galantere, der Markgraf

und Kurfür-st Friedrich:----------Hochgeborner Fürst, unend­ licher, lügenhaftigcr, schamloser Mann, der sich

jetzt schreibt Graf von Mortan, wo du dich doch nicht einmal darfst sehen lassen, sag wie bist du zu den hei­ ligen

Bildern, zu der Krone aus Frankreich und zu anderer

Habe gekommen ? Herzog Ludwig entgegnete: — Du

neulich

hochge­

machter unendlicher Edelmann und jetzt lügenhafter

Markgraf! — Obgleich der Kaiser dich zum Kurfürsten

gemacht, ist mir doch das so viel, als ausgcfertigt für einen

schäbigen

künftig Roland heiße. —

Leib,

Der

du Glasirer der Lüge zur

ob

Hund,

Ehre

er ein

an deinem

Wahrheit,

Diplom

damit man ihn

ganzen

ist nicht soviel,

daß man nur einen Bolzen damit fiedern könnte.—

92 Wahr ist cS, die Graffchast Mortan haben die Engländer besetzt. Wollt ich englisch werden, möcht ichs gleich wie­ der kriegen. Aber das fällt mir saurer als dir, der du so leicht den ärgsten Feinden deines Wohlthäters überspringst, wcnns dir nur einigen Nutzen bringt. (Ver­ muthlich ein Borwurf der Untreue und Falschheit Friedrichs gegen Sigismund und seiner heimlichen Umtriebe mit den Hussiten.) — Hierauf Friedrich: — „Als du aus Frank­ reich gewichen, hast du- geschworen, keinem andern Herrn zu dienen, hast aber alsbald, um dir zwölstausend Gulden Jahrsold zu verdienen, bei Kaiser Sigismund Frauen Toch­ ter Dienste genommen, hast wohl damit deinen Eid nicht gebrochen, dienst ja keinem andern Herrn, sondern nur einer andern Frauen. — Was sich der Bock verweiß, verheiß Er sich von der Geiß."

4.

VänbliA sittlich.

In Nubieg und seiner Hauptstadt Sennaar, regieren die Herrscher nur so lange, als dieses ihren Ministern gefällig ist. Finden diese eine längere Regierung dem Staate oder ihren Privat-Leidenschasten nicht angemessen, so schicken sie eine eigene Person ab, um das Blut des Königs zu vertan» gen. Solch ein Todesengel ist öffentlicher Staatsbeamter und eigentlich des heiligen Reichs Scharfrichter. In der arabischen Sprache heißt er Sidcl Cam, oder Vorsteher der königlichen Bedienten. Er ist immer einnaherVerwandtcr des Königs, hat bei dessen Absetzung keine Stimme, mag aber noch so viele Souvcrains hinrichten, er wird deshalb nicht straffällig. Im Grunde ist er also der bestellte Königsmörder, erhaben über alle Verantwortung und Gesetze. Er ist Morgens und Abends um den Monarchen, ohne daß derselbe das ge-

93 ringste Mißtrauen geg^n ihn äußert, wenn

auch gleich der

König seiner unsichern Lage sich bewußt ist.

Zn den siebenriger Jahren, da der Engländer James Bruce durch Sennaar reifete, hieß dieser Staatsscharftichter Achmet.

Aus dem Todtenregister, das Bruce bei ihm an­

traf, sah er, daß seit 1509 bis 1772 achtzehn Monarchen regiert hatten, von denen acht umgebracht worden.

Stirbt

ein König eines natürlichen Todes, so werden alle seine Brü­

der und Seitenverwandten umgebracht, wofern sie nicht Mit­ tel finden, sich aus dem Staube zu machen.

An diesem Neh­

met fand Bnice einen Mann von sehr Hellem Verstände, der

ihn von vielen

Denkwürdigkeiten des

Reiches

unterrichtete.

Aber seltsam bleibt immer, daß künftige Reisende das Todtenregistcr eines Scharftichters als Document eines so mächtt'gen Reiches werden anerkennen müssen.

Auf den Vorzug von einem nahen Verwandten nmgvbracht zu werden, legt sowohl das Rubische Volk als der

König selbst einen hohen Werth.

Man glaubt nämlich, diese

Lodesatt wäre anständiger, als wenn der Souverain von ei­ nem gedungenen

Meuchelmörder, einem

gemeinen

oder einem Ehristensclaven umgebracht würde.

Araber,

Als daher der

König Baadi im Jahre 1760 in seiner Gefangenschaft von

einem arabischen Schech, Welled Hassan, während er seine

Hand wusch, mit

einer Lanze

niedergestochen ward, em­

pörte sich fast das ganre Volk gegen den

ersten Minister

Adelaa, nicht wegen des Mordes, sondern wegen der Un-

geweihtheit des Mörders und

Instrumentes.

der Ungesetzlichkeit des

Dieser Mord war atto gegen die Etikette des

Königlichen Hauses, da es nach dem Gesetze mit dem Schwert

hätte geschehen sollen.

Welled Hassan ward nun selbst hin­

gerichtet, ohne Rücksicht, daß

das Ledesuttheil auf Befehl

des Ministers von ihm vollzogen worden.

94 Die Köm'ge von Abessinim oder Habesch bekennen sich mit dem größten Theile ihres Volkes zur christlichen Religion. Die Abessinier sind von der koptischen Secte und erhalten ih­ ren Oberpriester von dem Patriarchen zu Alerandria. Stirbt der König, so werden von dem Nachfolger seine Brüder und nächsten Blutsverwandten auf einem Berge, Gischen genannt, an den Gränzen der Provinz Amharra, in eine feste Burg cingespcrrt, genießen dort Pensionen und ein ziemlich gemäch­ liches Leben, falls sie sonst mit dem Hofe und dem ersten Minister, der den Titel El Ras führt, gut stehen. AuS diesem Staatsgefängnissc ist keine Erlösung, cs wäre denn, daß der regierende König ohne Leibeserben stürbe. In diesem Falle holen die, welche das Staatsruder führen, ei­ nen Prinzen vom Berge und setzen ihn auf den Thron. Fremde, die in dieses so schwer zugängliche Land kommen, werden auf immer zurückbchaltcn und gelangen, wenn sie sonst Talente haben, auch zu ansehnlichen Staatsbcdicnungcn. In dem Zeitpuncte, da der Engländer Bruce als angeblicher Arzt dieses Land bcrciscte, war ein intriganter Grieche, Na­ mens Michael, Ras ober erster Minister und hielt den Kö­ nig in der strengsten Abhängigkeit. Bruce konnte selbst nicht eher aus dem Lande kommen, als nach geleistetem Eide, daß er mit einer Menge Feuergewchre und andern nützlichen Waa­ ren beladen, zurückkehren würde.

Am Ende des sechzehnten und int Anfänge des siebenzehn­ ten Jahrhunderts hatten die Portugiesen mit den Jesuiten als Missionarien in diesem Lande Wurzel gefaßt. Sie wurden aber in der Folge verjagt. Die Jesuiten hatten das große Verbimst, daß sie Schulen errichteten, die Kinder lesen und schreiben lehrten, Baukunst und Handwerke einführten. Alsie endlich gar anfingen, auf Theatern Comödien zu spülen, den Teufel in der Abessinischen Landesfarbe, nämlich der

95 schwarzen, und langen

anderes höllisches Ungethüm mit Hörnern,

Schweifen und

gespaltenen Klauen aufführten,

die

Feuer spien und mit Raketen um sich warfen, so erschraken die Abessinier so sehr, daß sie davon liefen und die Fremden

berüchtigten, sie hätten ihnen höllische Ungeheuer in das Land Nun hatte cs mit dem Vertrauen gar ein Ender

gebracht.

die Jesuiten wurden fortgejagt und die einheimischen Pn'ester

sperrten den Katholiken auf ewig das Land.

Bei vielen Tartarstammen ist gewöhnlich der jüngste ihr Hauptcrbe und aus dem einfachen Grunde, weil die äl­

tern Söhne, sobald sie mündig sind, selbst Haupt einer No-

maden-Familie werden und mit so viel Vieh, als ihnen der Vater von seinen Heerden giebt, in die weite Welt hinaus­

ziehen.

Der jüngste Sohn, welcher bei dem Vater im Hause

bleibt, ist folglich Erbe der ganzen Wirthschaft.

In einigen

kleinen Districtcn von England soll ebenfalls diese seltsame Erbfolge noch gelten. — Man fand sic auch noch vor der fran-

zösischcn Revolution in Bretagne und zwar im Herzogthum

Rohan, bei den untern Standen des Volkes, auch in Ungarn. Die pragmatische Sanction der ottomanischen Erbfolge war das (noch 1808 bei der Thronbesteigung Mah­

muds geübte) Erdrosseln der jüngeren Prinzen, das Er­

tränken

der

schwangeren

oder für schwanger gehaltenen

Sultaninnen und der Säuglinge in cinew Sack.

Mehrmals

hat die Zahl der auf diese Weise Ermordeten, seit dem gro­

ßen Amurath, zwanzig auf einmal

überstiegen!

Wo

kein Begriff von Ehe ist, sondern alle Zufälle der Viel­

weiberei, wo der Wille der Ullcmas und der ewig aufrüh­

rerischen Janitscharen walten und das Diadem oder bcn Strick austbeilen, wo bald der Begriff der Erstgeburt, bald eines Scnioratcs, bald keines von beiden vorwal­

tete, da existirt auch keine wahre Dynastie im Sinne der

civilisirten Welt. — Erst in unseren Tagen wurde der Sultan,

96 dessen Vertreibemg über den Hcllespont, das stets wiederholte Gebot und die Ehrensache der

Concilien, der Papste,

der Kaiser gewesen ist, in das europäisch-chnstliche Staats­

recht ausgenommen und unter die Regentenfamilicn des Abend­ landes einrangirt, neben den Enkeln des heiligen Ludw'g und der Cäsaren, der obersten Schirmvögte der Christenheit.

5. Die Derläugner 1548. Der Kurfürst Friedrich von der Pfalz saß zu Schwä­ bischhall in des Kaisers Vorlaal

sich wärmend und zu

ihm trat der Kanzler Granvclla, Bischof von Arras

und

sprach: „Du warst ja auch mit Johann Friedrich von

Sachsen." — Dawider Friedrich: „Ich kenne den Men­ schen nicht und weiß nicht wa s du sagsti" — Als aber

der von Würtcmbcrg gen Ulm zum Kaiser kam, sprach

Granvclla ru Alba und Andern: „der war auch in Dillingcn und Heilbronn beim Kurfürsten von S a ch se n." Er aber

läugnets und schwört und spricht: „Ich kenne den

schen nicht." —

Men­

Ueber eine Weile traten die Oberländer­

städte sämmtlich an das spanische Feuer im Hof.

Da sagten

Alba und Granvclla zu der Stadt Ulm, die das Banner geführt: „wahrlich, wahrlich ihr Städte wäret auch gut Kurfürstlich, denn eure sächsische Kleidung verrathet euch."

Da hob aber Ulm an, sich zu verfluchen und zu verschwö­

ren: „Fürwahr, unser Herz ist nie an

diesem Menschen ge­

hangen!" Don Stunde an krähete der Hahn! — Augsburg aber gedachte der Worte, die der Herr gesagt hatte, gieng hinaus und weinete bitterlich.

(Aus einer gleichzeitigen, äußerst seltenen, halb offiziellen Druckschrift.)

97 6. Hohenstauffen. Ilie transibat Caesar. Der greßmächtigst Kaiser wohl besannt, Fridericus Barbarossa genannt, das demüthig edel deutsche Blut, übt ganz und gar keinen Ucbermuth; auf biesem Berg hat Hof gehalten, wie vor ueb nach ihm die Alten; tu Fuß in diese Kirch' ift gangen, ohn allen Pracht, ohn Stolz und Prangen, durch diese Thür, wie ich bericht, ist wahrlich wahr und kein Gedicht. Amor bonorum. terror malorum Vor mchr als dritthalb hundert Jahren (1588) besuchte

der Geschichtsschreiber Schwabens,

Martin Crusius

die

alle heilige Burg Hohen stau ffen und schn'eb jene In­

schrift von dem großen, ersten Friedrich, welche noch die bei­ den cdcln Sanger Mar von Schcnkendorf und Gustav

Schwab tiefer durchgcfühlt und durchgesprochen haben. — Ein

kecker

Haufen

Ellwangcr-

und

Schenk - Limpurgische

Bauern umstellte und belagerte im großen Bauernkriege 1525

den Stauffen.

Der Burgvogt Michel Reisser von Reissen­

stein nahm den Reißaus nach Filseck, mit gar wenig Knech­ ten.

Die noch Ergriffenen wurden durch die Bauern von den

woltcnhohen Zinnen in den Abgrund gestürzt. —

Crusius

sagt: — „wir kamen in das Dorf Stauffen, unterhalb des Schlosses gelegen. Das Thor der Burg sah links gegen

das Dors herunter.

Als w r am Berg unter einem Linden­

baum ausgcruht, führte uns der Dorfpfarrcr, Magister Jo­ hannes Maier auf dieses uralte und weltberühmte Schloß.

Ich hoffte noch etwas Gemaltes daselbst zu sehen

ein römischer Adler oder die Wappen der schwäbischen Her­

zoge.

Aber diese sind weiland gewesen; jetzt war nichts zu

sehen, als bloße Mauern und Thürme, ohne Ziegel und Holz.

HommyrS Taschenbuch 1842.

5

98 Lieber Gott! soll eine so große Herrlichkeit der mächtigsten Fürsten und Monarchen zu einem so scheußlichen Anblicke ge­ diehen fein ? Kein Kaiser, kein Fürst ist mehr da : keine Hof­ leute, keine Ritter, keine griechische Irene, keine andere Kai­ serin, keine Herzogin, kein Frauenzimmer: fein Geräusche mehr der Menschen, keine Trommete hört man weit und breit erschallen. Alles ist verschwunden, wie ein Rauch, alles ist hinweggeflogen, wie ein Vogel. Ein Bauernschultheiß hat jetzt die Schlüssel zu dem Thor, welches für Alter fast wurm­ stichig ist: er mähet das Gras, das im Schloßhofe hoch ste­ het : der Hclderbaum wächst da und dort in den Winkeln. Auch was noch heutigen Tages von Mauern übrig ist, wird nach und nach weniger, da die Steine zu andern Ge­ bäuden nach Göppingen geführt werden. Wir waren bei zwei Stunden auf dem Schloß und bettachteten alles fleißig. Da erbarmte uns des menschlichen Elends, daher ich auch das Lied gesungen: „Mag ich Unglück nicht widcrswdn"

und M. Eusebius schoß, anstatt eines Abschieds, sein Ge­ wehr über die Mauer ab, als wir wieder herunter gehen wollten. Ich will aber Lage und Gestalt des Orts und Schlosses bezeichnen: Unten das Dorf Stauffen, von dannen steigt man links aus den Schloßberg. Daselbst ist fast in der Mitten eine kleine Ebene, wo weiland, wie man sagt, Tänze gehalten wurden. Hernach, wenn man weiter hinaufgeht, kommt man an das Thor von zwei Flügeln, welches das einzige ist. Der Berg selbst ist rund, wie ein hoher Spitzhut, doch an einem Theile länger als breit. Wir gingen auch außerhalb um die Mauern herum, und es ist ringsum wenig Raum übrig, also daß man das Schloß nicht mehr hätte erweitern können, als jetzt der Umfang desselben ist, weil der ziemlich

99 gäh ist.

Man kann aber an zwei Orten hinaufgehen: erst­

lich auf einem mühsamen und engen Fußwege, zu dessen Rech­ ten der Tanzplatz ist; da sind es 450 Schritte vom Dorfe Hernach auf einem breitem Umwege, der

bis zum Thor.

mehr zur Rechten des Berges gegen Lorch ist, und auf wel­

Wenn man bei dem Thor hineinge­

chem man fahren kann.

gangen ist, sichet man nun zwei Theile des

Schlosses, den

einen zur Rechten, den andern zur Linken, beide mit einer

Mauer von einander abgesondett. heuttges Tages

In dem zur Rechten ist

kein Gebäude, außer ein Stück von einer

Mauer, sondern der Platz ist voll Gras.

Dessen Länge und

Breite hat ungefähr 46 meiner Schritte.

In dem Eck rechts

vom Thor, das gegen das unten gelegene Dorf Stauffen

sieht, ist eine Capelle gewesen. In dem Ecke links, nicht weit vom Thor, neben der absondernden Mauer, steht ein Brunnen, jetzt mit Steinen gefüllt.

neben

In den Ecken und

in beiden Theilen des Schlosses Nun ist mitten in der unterscheiden­

den Maucm sind

Bäume und Stauden.

den Mauer ein Thor, durch das man in den andern Theil des Schlosses, welcher zur linken ist, hincinging.

ist 6u Schritt lang und 40 breit. ganzen Schlosses

Dieser Theil

Also ist die Länge des

106 meiner Schritte.

Zur linken Hand,

wenn man zu diesem Thor hineingebt, steht ein Thurm, wel­

cher damals noch 52 Schuh hoch war und der Manns­ thurm genannt ward, in welchem man die Gefangenen legte.

Er hatte nur von oben, nicht von unten den Eingang.

Ne­

ben diesem Thurm, auf der Seite der Mauer, wo man von Srauffen

zum

Thor

hinaufgeht, war

die Wohnung

des

Frauenzimmers. Allda war auch unter der absonderndcn Mauer ein Weinkeller, welcher mit Steinen schier an­

gefüllt ist.

Ich wollte hineinkriechen, konnte aber nicht.

sind Bäume dabei.

Es

Im äußersten Eck dieses Theils, welche-

im Hincingehen zur rechten Hand ist, steht ein Thurm, der ö*

100 Bubenthurm genannt.

Unten an der Mitte der nächsten

Seite ist eine Hoble, welche man das Heidenloch

heißt.

Vielleicht ist sie damals ausgegraben worden, das Schloß zu fällen, als es weiland von Lotharius dem Sachsen, der

mit Kaiser Conrad

HL

Krieg

führte,

belagert

wurde.

Auch in dem Hofe dieses andern Theils wächst Gras, wel­

ches abgemähet wird.

Die Mauer, welche das ganze Schloß

umfaßt, ist beinahe 7 Schuh dick, an einem Ott höher, am andern niederer, weil viel davon eingefallen

fühtt worden.

oder hinwegge-

Das fürnchmste an der Mauer sind die Qua­

dersteine, welche an allen 4

Seiten neben behauen worden,

so daß das mittlere Viereck über die 4 Nebcnscitcn hersürgchet,

wie

die

Steine

an

der Nürnbcrgischen Stadtmauer.

(Bekannte Bauatt des 12. und 13. Jahrhunderts.) Die Steine sind noch roth von dem Brande, da die Bauern das

Schloß angcsteckt.

Man kann aus der Mauer umher gehen

und wer ein scharf Gesichte hat, der sicht da bis an

den

Rhein (den Fluß selbst jedoch nicht, was der Lage nach unmöglich ist.) —

In allen Theilen des

Schlosses ist kein

Bildniß, keine Innschrift, kein Wappen, keine Farbe

mehr.

Alles ist durch Feuer, Regen oder böse Zeiten ausge-

ttlgt.

Was ein schöner Körper war, ist jetzt nur ein Ge­

rippe. —

Der Schultheiß ackert in

dem innern Hof und

säet Frucht darauf, wo die Fußstapfen der Helden gehastet,

wo wie auf Hohenschwangau

oder

in

Gelnhausen

Schwctt und Harfe der Stauffen wechselweise erklungen, --

wo der Kaiser Conrad, der die deutschen Gauen, den Wun­

dergatten Italiens und das Morgenland mit seinem Ruhm erfüllt, für sich und die Seinen nur einen einzigen. Thurm

zur Wohnung hatte, während die übrige Burg den Kindern des ältern Bruders Friedrich und darunter dem Rothbatt, dem nachmaligen Kaiser angehötte.

Derselbe Crusius sah aber noch wohlcrhaltene Bilder

101 tzcr Statrffen an ihren Gräbem im Kloster Lorch bei schwä­ bisch Gemünd.

1) Friedrich I. Herzog in Schwaben und seine Gemah­

das Kloster

lin Agnes halten kniecnd mit erhobenen Händen in die Höhe, als gutthatige Stifter.

Er, als ein alter, grauer

gjtann, in einem grünen Kleid von Pelz.

Sie, in einem

fleischfarbigen Rock, darüber ein braunblauer Mantel ist.

2) Friedrich II. der Einäugige, des ersten

Sohn, in

einem rothen Kleid und grünen Strümpfen.

3) Dessen

Sohn

Friedrich

der Rothbart.

Sein

Kleid ist ein grüner Rock und sein Bart roth, in zwei Theile

getheilt.

Crusius fand, daß er dem

Dr.

Eberhard

Bi­

tz enbach, seiner Zeit Abt zu Babenhausen, ähnlich sah. 4) Kaiser Heinrich VI. in einem himmelblauen Pelzkleid und grünen Strümpfen.

5) Kaiser Friedrich II. in einem braunblauen KriegsHabit.

6) Conrad, römischer König im grünen Kleid und ro­ then Strümpfen.

7) Conradin, ein junger Herr von schönem Angesichte,

geharnischt mit einem Schwert in der rechten Hand; ein lan­ Der Helm liegt zu

ger Talar hängt ihm über den Rücken. seinen Füßen.

Ueber

liegt auf einem Block.

diesem

Bild ist folgende Figur:

Er

Der Scharfrichter läßt das Beil an

einem Seil auf dessen Nacken fallen.

Hinter dem

Schars-

nchter sitzt der Papst auf dem Thron, sammt einem Cardi­

nal und Carl von Anjou.

6) Der König Philipp und Irene. Sie halten knieend eine Tafel in die Höhe, er mit der rechten, sie mit der lin­ ken Hand.

Ihre Kleider bedecken die Füße.

3n der Mitte

dieser Tafel ist Christus am Kreuz, darunter Johannes und

Maria;

rechts

Schlange7Mosis.

die

Opferung

Isaaks,

links

die

erhöhte

Philipp trägt eine Krone, hat rothe Haare

102 und Bart (wie sein Vater Barbarossa,) einen braunblauen Kragen von Seide um den Hals, einen grünen Rock mit Pelz verbrämt. Irene ist gekrönt, tragt hinten unter der Krone eine braunblaue Haube, vorn etwas weisses; hernach einen weißen Kragen und braunblauen Rock mit Aermeln, die hinten eng, vorncn weit sind; Rock und Acrmel sind mit Gold verbrämt. Ueber jener Tafel aber ein Bild Mariens mit dem Jesuskind, das Wappen des Klosters und die drei Bildnisse Pauli, Mariä und Petri.

7.

Die Schlacht der Thiere.

Die alten Aeitbücher gedenken einiger merkwürdigen förmlichen Schlachten verschiedener Thiergattungen. Zwischen einer ungeheuern Menge von Geiern und Raben hatte sich im Jahre 1438 in der Nähe von Lüttich ein Kampf erhoben, bei welchem beide Theile großen Verlust hatten, die ersteren aber dessen ungeachtet die Oberhand gewannen. — Ein ähnliches Gefecht zwischen beiden Parteien entspann sich im Jahre 1461 bei Benevento im Kirchenstaate und währte beinahe zwei Tage, bei welcher Gelegenheit die Raben den, beinahe ihrerseits schon verlornen Sieg an sich rissen. — Im Jahre 1587 im Beginne deS Christmonats versammelten sich an der kroatischen Gränze nicht weit von der Veste Wichatsch in der darumal aus ihren Ufern ausgettetenen Unna mehr als eine Million Gänse und Enten, sie rückten in einer förmlichen Schlachtordnung gegen einander an, erhoben sich in die Luft und kämpften wüthend durch mehrere Stunden. Wer diesmal siegte, erwähnt die Chronik nicht, indeß zeigte die ungeheure Menge der Todten und Verwundeten, die den Einwohnern von Wihatsch eine willkommene Beute waren, daß dieser Sieg den Ucbcrwindern viel gekostet haben mußte. Bei Danzig kämpften im Jahre 1656 und bei Magdc-

103 bürg im Iahre 1662 die Adler wider einander. Der per­ sische Gesandte, welcher im Jahre 1666 in Wien eintraf, erzählte von einem schrecklichen Kampf von Drachen und Schlangen in der Lust, den er auf seiner Abreise bei Adria­ nopel gesehen haben wollte. Seltener waren förmliche Feld­ schlachten zwischen den vierfüßigen Thieren. Eine alle Hand­ schrift in stanzösischer Sprache erzählt, ohne jedoch den Ort näher zu bestimmen, daß sich im Jahre 1580 auf einer Ebene Frankreichs eine ungeheure Menge Schweine eingefun­ den und gleich den aus gesäctcn Drachenzähnen empor geschos­ senen Kriegern des Cadm us, so lange wider einander kämpf­ tet, bis alle todt auf dem Wahlplatze blieben. Diese uner­ hörte Begebenheit verursachte bei den Einwohnern der näch­ sten Stadt ein gewaltiges, Entsetzen. Unter den mancherlei Gedanken, die hierüber gehegt wurden, gewann jener an Zauberei das Uebcrgewicht und bald wollte man den Urhe­ ber dieses sonderbaren Gefechts in einem Juden aus Avig­ non , Ben Rabbi David entdeckt haben. Die Folter -erzwang dem Unglücklichen das Geständniß, daß er auf jenem Felde, wo die Schlacht stattgefunden, unter teuflischen Zauber-Cere­ monien ein „Schweinsherz" eingegraben hätte, welcheihm aber statt dem Herzen eines Hingerichteten Menschen, welches er von dem Freimanne gefordert hatte, gegeben wor­ den sei! Hätte er ein solches bekommen, so hätten sich, nach seinem Bekenntnisse alle Einwohner der Umgegend auf jenem Orte eingefunden und einander erwürgt.

8.

Alte Mische.

In einem Teich bei Heilbronn wurde eben, al-Eber­ hard von Wül-temberg zuerst Herzog hieß, ein ungemein großer Hecht gefangen, 19 Schuhe lang und 350 Pfund schwer. Um den Kopf hatte er einen Messingring mit der

104 Inschrift: — ich bin der vor allen andern Fischen zuerst in diese See gesetzte Fisch tmrch die eigenen Hände Friedrichs II. römischen Kaisers und Regenten der Welt am 5. Oktober des Jahres 1230. (M. s. Taschenbuch auf 1836. S. 349. Carl V., der schmalkaldische Bund und der große Donau­ karpfen.) Friedrich II. hatte übrigens noch einen andern Fisch, den Schiller in seinem „Taucher" verewigte und von dem Raumer in seinen „Hohcnstauffen" erzählt: Ni­ cola, ein schöner und gewandter Siciliancr Fischerjunge, sei so gern im Wasser gewesen, daß seine, ihm zürnende Mutter wünschte, er möge nur dort Vergnügen finden und aus dem Lande gar nicht mehr ausdauern können. Auch geschah dies in immer steigendem Maße. Er erhielt den Beinamen Fisch und Friedrich hörte von seinen Erzählungen über die Meerestiefen. Um die Wahrheit derselben zu prüfen und noch mehr zu erfahren, war-f Friedrich vom Leuchtthurme in Mes­ sina einen silbernen Becher hinab und Nicola brachte ihn glücklich aus dem Meeresgrunde zurück. Aber Felsrnspitzcn, Korallenriffe, Strudel und Meerungeheuer hatten ihn so er­ schreckt, daß er keinen zweiten Versuch wagen wollte, bis der Reiz einer doppelten Belohnung die Furcht überwog. Allein er wurde nicht wieder gesehen und der dies erzählende Betteltnönch fügt zornig hinzu, solcher Nrugierigkeiten, Abergläu­ bigkeit, Wißbcgierigkeiten, Verkehrtheiten und Mißbrauchlichfeiten habe der Kaiser noch mehr gehabt. Der Kaiser war selbst ein großer Kenner und leidenschaft­ licher Liebhaber der Naturwissenschaften. Sein Stern­ deuter Michael Scotus, mußte die Thicrgeschichte des Ari­ stoteles übersetzen. Vom Kaiser selbst hat man ein Werk über die Kunst mit Vögeln zu jagen, welches nicht etwa bloß dadurch eine oberflächliche Merkwürdigkeit erhält, daß es ein Kaiser schrieb und eben so wenig ein Jagdbuch ist, wie eS viele Ritter damals hätten schreiben können, wenn

105 sie überhaupt der Feder mächtig gewesen wärm. enthält vielmehr neben einer in

Anweisung zum Behandeln

Jmes Werk

der That sehr scharfsinnigm

der Jagdvögel und zur edelsten

aller Jagdarten, zur Falkenjagd, in seinem wichtigern Theile

und gründliche Forschungen über die

so erstaunlich genaue

Natur der B-gel, daß Sachverständige selbst in unseren La­

gen behaupten, der Kaiser verdiene deshalb den größten Män­ nern in diesem Fache beigesellt zu werden.

ES handelt von

der Bögel Lebensweise, Nahrung, Nesterbau, Zeugung, Jun­

genpflege, von ihrm Krankheiten und den Heilmitteln dersel­ äußeren und inneren Thei­

ben, von Federn, Flug, allen len re.

Gleiche Aufmerksamkeit verdient ein

anderes, bisher

vernachlässigtes Werk über die Natur und über die Behand­ lung der Pferde.

Auch war Friedrich der erste, welcher, seine freundschast-

lichen Derhältniffe zu

morgenländischen Herrschern

benutzend,

fremde Thiere behufs naturgeschichtlicher Zwecke kommen

ließ und in eigenen Häusern und Gärten unterhielt. saß Elephanten, Kamele,

wen, Giraffen u.

Noch

dergl.

70 Jahre später waren

Kamele in Sicilien und Toscana einheimisch. der befriedigten Neugier

über einige

Er be­

Leoparden, Tiger, Lö­

halber,

Dies mochte,

wohl Allen gefallen,

aber

andere naturgeschichtliche Versuche blieben Vor­

würfe nicht aus.

Er ließ

dann den einen taufen,

zwei Hunde tüchtig füttern

und

den andern schlafen, um zu sehm,

welcher am schnellsten und besten verdauet habe; seine Geg­ ner aber ben'chtcn, die Sache verdrehend, der Versuch fei an Menschen gemacht und ihnen der Bauch ausgeschnitten wor­ den!

Ferner sagt man dem

Kaiser nach,

er

habe einige

Kinder erziehen, aber nie in ihrer Gegenwart sprechen lassen,

um zu erfahren,

ob und welche Sprache sie von selbst redm

würden? Sie mußten

sterben,

sagt der Erzähler, da man

106 sie nicht mit Liedern einschläferte, und eine solche unmensch­ liche Stille unerträglich ist. Mit Kaiser Friedrichs Liebe zur Naturgeschichte hing seine Neigung zur Jagd genau zusammen, ja diese wurde dadurch auf gewisse Weise veredelt. Gr hatte schöne Thiergärten bei Gravina, Melfi, Melazzo u. a. O., ausgcmauerte Fischteiche in Sicilien und zog in dem schönen Lande umher, wie Ge­ schäfte, Jahreszeit oder Lust es verlangten. Frühjahrs er­ götzte der Vogelsang in Foggia, im Sommer gings höher hinaus in die Berge zu anderer Jagd. Ueberall begleiteten ihn, nicht ohne bedeutende Kosten, seine zahlreichen Jäger und Falken und auch gezähmte Leoparden, welche, wie e- scheint, hinter dem Reiter auf dem Pferde saßen und nach einem gegebenen Zeichen zum Fange hinabspraugen. Aus der Ferne erkundigte sich der Kaiser mit großer Theilnahme nach dem Befinden zurückgelassener Falken, deren jeder einen Na­ men hatte und frägt, ob neue geboren oder eingeübt sind­ er befiehlt, daß Füchse und Wölfe, welche alle kleineren Thiere in dem Thiergarten von Melazzo fingen, getödtet und von Sachverständigen Wolfspulver ersetzt werden solle.

9, Liberale Emeute der Maulesel zu Nom. Als 1580 Papst Gregor XIIL mit seinen Cardinälen, Bischöfen und Priestern, auch dem Adel und anderen ehrba­ ren Leuten, die Procession des Frohnleichnams hielt, begab es sich, daß auf einmal viel Unordnung in dem Zuge ent­ stand, das kaum zu sagen ist. Dabei denn ihrer viele um ihr Gut kämm und einige gar erdrückt wurden. Es wurden die Tapeten geraubt und viele Geistliche verloren ihre Kap­ pen und Mäntel. Einige Cardinäle fielen von ihren Eseln und verloren ihr silbernes Zeug. Die zwei Engel, welche vorauSgingen und Blumen auf den Weg streuten, wie das

107 Brauch ist und die klingenden Zimbeln trugen, verschwanden gar aus dem Haufen, daß man nicht wußte, wohin sie ka­

men.

So verlor auch St. Johannes den Zeigefinger, wo­

mit er auf das Lämmlein deutet; St. Gbrge fiel vom Rosse und -erbrach die Lanze, und St. Christoph, der Glück bringt,

verlor das Kind vom Nacken, welches den Arm brach. St. Se­ bastian verzettelte seine Pfeife, und eilstausend Jungfrauen.

St. Urban fiel unter die

Selbst die päpstliche Heiligkeit wurde

durch einen Stein verletzt,

der auf die zum Segen

Hand fiel, und die Finger verletzte.

erhobme

Da erhob fich ein gro­

ßes Geschrei, und flüchtete, wer nur konnte, in Kirchm und Häuser.

Was aber war denn des Aufruhr- und Lärms Ursach' und Vorfall?

ES pflegt zu diesem Fest das Landvolk gar viel nach Rom zu kommen, reitend auf ihren lastbaren Thieren und Eselein, und alldieweil der Gottesdienst währet,

binden die Bauern

ihre Thiere an, bei dem Collegio der Societät Jesu und bei

der Kirche U. L. F. schen nun die

zur Krippe,

am

Eselsthore.

Inzwi­

Esel also bei einander stehen, begicbt sich's,

man weiß nicht aus was für Vorfall, vielleicht aus Hunger, oder von dem Getümmel von den Trompeten - und Pauken­ tönen erschreckt, daß diese Thiere unwillig werden, fich reißen und zerren und loszumachen streben.

Dem einen Esel gelingt's. gejagt von Buben

Er springt durch die Straßen,

und Bremsen,

bis zur großen Straße,

durch welche die Procesfion kömmt, eben als

die Wache zu­

rufet dem Volke: A basso! a basso! (d. i.

hernieder l her­

nieder !) worauf dann Jedermann auf die Knie gefallen, wel­ ches aber nicht achtete der grobe Esel und auf die

Leute

lossprang.

Da

geschah denn der

der nur gestillt wurde mit Mühe und Noch.

große

frommen

Aufruhr,

Hat aber der

108 Esel Schläge genug bekommen und ist fast todt aus dem Platze liegen geblieben. Da hat man gemeint, dieser Esel sei in den Bann zu thun, die andern Esel aber sollten fasten drei Tage und drei Rächte, binnen Jahresfrist keinem Cardinale dienen kön­ nen und ihr Lebtag kein goldenes oder silbernes Geschirr und Zeug wieder tragen!!

10. Die Fischhändler, Erb - und Er; - Grobiane. ES brauchte lange, bis man zur Erzielung der Wohlfeil­ heit oder wenigstens zur Abhaltung künstlicher Theuerung und willkührlicher Prellereien auf die natürliche Abhilfe der Concurrenz verfiel. Unseren Altvordern gefiel die Gewalt besser, überhaupt alles schroff und schneidend Positive, Gebieten, Verbieten, Peinigen, Dreinschlagen. — So dursten hier und da die einmal zum Verkauf in die Stadt gebrachten Sa­ chen, nicht unverkauft wieder weggcführt werden, wie sol­ ches in Betreff der Lebensmittel die Maximilianische Markt­ ordnung der Stadt Wien 1496 verschreibt, wobei jedoch der Bürgermeister Ausnahmen gestatten durste. ES hals aber nicht viel, weil die Landleute so pfiffig waren, nur so viele Viewalien nach der Stadt zu bringen, als sie abzusetzen be­ rechnen konnten. Dadurch machten sie den altm Preis bestehm; ja sie veranlaßten selbst das Steigen desselben, da­ durch, daß sie ost noch weniger Waaren zu Markte brachtcn, als nöthig gewesen wäre, die Aspiranten zu befriedigen, deswegen denn jene Marktordnung wieder aufgehoben wurde. Energischer und durchgreifender war die Maßregel, mit welcher die Wiener Stadtordnung des Herzogs Albert II. des lahmen oder weisen vom Jahre 1340 gegen die unver­ schämten Preise und die noch immer noch nicht ganz in Ab­ nahme gekommene Impertinenz der Fischhändler vorging. In dieser Stadtordnung lautet es wie folgt:

109 „Wand die vischer, des süchauffens allermaist pflegmt vnd man sie des nicht wol gcpc^crn mag, durch ihr grozzen vnchauf, den sie gebent, so setzen wir daz, vnd gebieten vestichleichen, daß dahin vischer, der grüne vische vail hat, dahainen mantel, noch hu et, noch gugel, noch anderes iht auf dem haubt habe. Sünder soll erster, mit plozzem haubt, an dem marcht, die weil er vische vail hat, sune vnd regen, sumer vnd winter, darumb daß sie, ab dem marcht bester baz eilen, vnd den Leuten bester bezzern chauf geben, vnd swelichen visch er aineS marchtagcs vail hat, der zwelf phenning, oder mer wert ist vnd den nicht verchaust, dem soll er den zagel abflahen. Swelich vischer des nicht entunt, der soll dem richter geben sechtzig phening." Aehnliches gegen das Fischhändlervolk kömmt auch in dem Lehenbriefe der Stadt Esch wege vom Sabre 1553 vor, nämlich: „auch daß sie ein Recht haben, wer auf dem Markte zu Eschwegc Fische feil habe, vnd sich bei die Fische setze, der habe die Fische verloren und die Fische gebühren ihnen, es wcre dann, daß ein Fraw schwanger gienge, daß row ih­ nen auch also leihen." sehnliche Statuten gegen die Fischhändler bestanden übri­ gens schon in den ältesten Zeiten. Im alten Athen dursten die Fische aus dem Markte nicht mit stischem Wasser verse­ hen werden, wornach die Fischverkäufer gezwungen waren, billige Preise zu machen, weil sie Gefahr liefen, daß die Fi­ sche umkämen. Aristonicus ging noch weiter. Nicht nur daß die Fischhändler bei dem öffentlichen Verkauf ihrer Waare stehen bleiben mußten, befahl er sogar, daß sie aus eine möglichst schonende, aber doch immer peinliche Wesse hän­ gen sollten'.? —

110 11. Malerische Steifen* Der Mainzische Domherr von Breitenbach nahm im

Jahr 1496 auf seine Reise nach Palästina einen eigenen Zeichner mit, den Maler Rewich von Utrecht, um merk­

würdige Gegenstände an Ort und Stelle abzubilden. Hat man frühere Beispiele von

Italienern,

von Deutschen,

Gewiß von Carl V.,

malerischen Reisen,

Franzosen oder Engländern??

der auf alle Land - und

Seefahrten,

erprobte Maler und Zeichner mitnahm, so in seinen Feldzug

gegen Tunis, den

Johann von Dermeyen,

Hang mit dem Barte,

bisher nur zu

genannt,

wenig gekannt,

aber doch schon von dem Reihenführer der deutschen Kunstge­

schichtschreiber, dem edlen Joachim von Sandrart, in fei­ ner Akademie, in einer, wenn gleich

aufgeführt. — Erzherzog

nur kurzen

Seine Cartons kamen auS Madn'd

Ferdinand von Tvrol in seine

Nachricht

an dm

Ambrasfer

Sammlung, die seit 1807 im untern Belvedere zu Wien ist.

12. Heilsame AuShungernngSpräfervative. Gegen das Ende des siebenjährigm Krieges, welcher Oe­

sterreich, Rußland, Frankreich, Schweden und das deutsche

Reich gegen den großen Friedrich,

achtzig Millionm gegen

sieben, vergebens bewaffnete und

Thercsien nicht einmal

die kleine,

aber

köstliche Graffchast

Glatz

zurück

wie­

der zu verschaffen vermochte, rückte ein französisches Cows vor Göttingen unter dem

dem für

die

Verwüstung

Prinzen Xaver von

Sachsen,

und Erschöpfung seines Heimath-

landeS, diese traurige Gloriole zu Theil geworben war. Prinz

forderte nicht nur den

französischen

unter Hinweisung der so sehr verschiedenen

Uebergabe auf, sondern um

Der

Commandanten Streitkräfte zur

diese möglichst zu beschlmnigen

111 sendete er ein eigenes Schreiben an seinen allen Bekannten, den damaligen Rector, Professor und Hoftath Dr. Kästner, ihm zu Gemüthe führend, wie sehr es seine Pflicht sei, den hannöverschen Commandanten zum Aufgeben alles fruchtlosen und nur zweckloses Unglück hervorrufenden Widerstandes zu bewegen, um namentlich der Hochschule die Schrecken eines Bombardements oder die Qualen einer unvermeidlichen HungerSnoth zu ersparen. Kästner antwortete hierauf: Durchlauchtigster könig­ licher Prinz und Herr! — Genehmigen Hochdieselben huldreich den ehrerbietigsten Dank für Ihre erhabene Aufmerksamkeit — die Ucbergabe Göttingens ist aber leider eine rein militairische, den Herrn Commandanten betreffende Angelegen­ heit, in welche ich mir nicht die geringste Einsprache erlauben darf. Was übrigens die angcdrohete Aushungerung betrifft, so hat der Unterzeichnete die Ehre gehabt, fünf Jahre lang Professor extraordinarius in Leipzig zu fein, wobei er ein so gründliches praeludium und exercitium im Hun­ ger leid en gemacht, daß er zuversichtlich glaubet, auch in einer kaum zu fürchtenden, langwierigen Belagerung mit seinem Beispiel vorangehm zu können. — In tiefster Submission ersterbend rc."

13.

Muster einer Grabschrift nnd wichtige historische Entdeckung.

In der Kirche des Züricher Dorfes Egg, Amtes Greifen­ see, ist ein Grabstein an der Wand mit folgender Inschrift: Blast Werner, so dieß ich, Dischmacher zu Ba sel das war itb. Nun sichest du mich hier als Setten, Ich befiehl mich Gott, Maria und dcn heiligen zwölf Boten. Tie trinken gern Wein, Gott behüt* mich oor der Höllcnpein'.

112 14. Das historische Recht und der historische Boden. Unter

andere Gemeinplätze,

und neu

Sprichwörter

er­

fundene Handwerksnamen, Stich - und Schlagwörter gehört

unter andern auch (vorzüglich wenn von Ständen

und stän­

dischen Verfassungen die Rede ist), da- viele Salbadern von

„historischem Recht und historischem Boden", nicht bedenkend,

wie

übel manche Schornsteinfeger

Kehr-

und

besen des Absolutismus sich dabei befinden würden, zum storisch m Boden und geschichtlichen Recht,

die Hohenstauffen

nicht etwa

hi­

unter

zurückzukehren, wo Kurfürsten, Her­

zoge und Pfalzgrafen aus lauter präadamitischem droit divin und antediluvianischer Souverainität,

vor

dem Barbarossa,

„Hunde tragen" mußten, ja viel später noch unter Mar II. der regierende Sohn eines mächtigen

Kurfürsten,

auf einem

Strohwagen, den Strohhltt auf dem Kopfe, dem gaffenden Pöbel, dem Spott der Gassenjungen

zur Schau, durch

der Neustadt hielt?? Ist es nicht manchmal,

wisse Leute, um die Unwahrheit eines andern

die

nach

Sttaßen Wiens, den Einzug in's ewige Gefängniß als hätten

ge­

Sprich- und

Stichwortes darzuthun, daß sic nichts vergessen, aber auch nichts gelernt haben, handgreiflich beweisen wollen, daß sie

sich in ihren eignen Ahnentafeln, Familicnarchiven,

Ritter­

schaftsconventen und Landtagsaeten, diesem eigentlichsten historischen Boden gar nicht umgesehen, ja was sie sonst so hoch

klingen ließen, müssen rein vergessen haben, z. B. um im deutschen Norden zu bleiben, wie ein edler Sprosse der stets correcten hannöverschen Aristokratie, Götz von Ol-

lershausen sprach, am 6. März 1653,

Fn'eden von

Osnabrück und

Münster,

bereits

auf dem

nach dem Tage

zu

Einbeck, gelegenheitlich des Bundes zwischen Hannover, Eas-

sel, Paderborn und Schweden,

zur Erhaltung von

4000

113 Mann stehender Truppen. — Götz beruft sich auf die Reichs­

abschiede von 1555 und 1594 und sagt: „Der Hof würde immerfort unter irgend einem Vorwand, stehende Truppen auf Landeskosten hatten, weil die ho­ hen Häupter gemeiniglich etwas zum Despotismus und

der dazu gehörigen Gewalt der Waffen incliniret seien.

Da

nun die Landschaft mit Ehren, gutem Gewissen und ohne ih­ ren

und ihrer ganzen Posterität Untergang

nicht

zugeben

könne, daß sie in einer solchen unverbundenen Contribution und Dienstbarkeit, langer und wohl gar in Ewigkeit continuirlich verbleiben solle, so werde nothwendig

auf ein mehr wirksames Mittel gedacht werden müssen. —

Man denke doch, wenn das Contributionswesen in's Unend­

liche continuirt werden sollte, (woran gar kein Zweifel ist), daß alsdann kein Privatus seines Guts hinführo allein

und

vollständig Herr mehr sein, sondern auf Kindeskind, ja die

ganze liebe Posterität eine solche Noth, Jammer und Elend werde verwälzet werden, welche nimmermehr wiederum abzu­ wenden möglich sein würde."

Götz fuhr fort: — „die wolfenbüttelsche Landschaft habe

sich vorschneiden lassen, daß das (obenbenannte) Bündniß auf

dem bald darauf erfolgten, zu Lüneburg gehaltenen Kriegstage (wo Herzog Georg Wilhelm zum Kreisobersten ernannt wurde) implicite bestätigt sei, gedachte Landschaft habe sich

in diesem Paß gar übel gehalten und sich das Seil ganz

über die Hörner ziehen lassen.

Man solle aber, wenn

der Vorgehende in eine Grube falle, nicht demselben nach­ stürzen." Ein hochstehender Geschäftsmann sprach einst mit einem an­

dern über ständische Wirren unaushörlich von

Boden und historischem Recht", hütete

„historischem

sich aber bei diesem

Herausziehen der Kastanien aus dem Feuer, weit besser als der Eurydicen aus der Hölle zurückholende Orpheus,

114 nach der geschichtlichen und staatsrechtlichen Ver­ gangenheit,

selbst seiner eigenen Ahnen

zurückzu­

schauen!^ Als nun die Tiraden vom geschichtlichen Boden, geschichtlichen Rccht und Nationalität immer

wiederkehrten,

gleich dem Bandwurm, setzte sich der Andre nieder und sagte: „Halten Sie doch ein mit dem historischen Boden, Sie

bringen mich sonst noch unter die Erde, wie den Fari­ nelli." --------- Wer ist der Farinelli? — „das wissen Sie auch nicht? —

Einer der größten Sänger und am Ma­

drider Hofe mächtiger als alle Minister (der großen Theresia zu großem Heile.) —

Der französische Botschafter, ein li­

stiger und kindischer, auch musikalischer junger Mann, wußte

gar nicht, wie er ihn vertreiben sollte? Endlich, so, oft er

ihn

ansichtig wurde, sang er dem Farinelli seine Lieb­

lingsarie vor, aber so falsch, daß dem armen Mann

darüber ein Schlaganfall zustieß, er alsbald den Hof verließ, und sich auf seine Bolognesische Villa zurückzog! —

Nun

bin Ich, zwar kein großer, aber doch ein Historiker und

wenn ich ewig den Gallimathias von „historischem Boden und historischem Recht" ableiern höre, geht es mir in

Bälde nicht besser, als dem Farinelli!" —

15. Die Beinamen. Fast alle nennenswerthen Städte Italiens führen beson­

ders auszeichnende Beinamen. So heißt Mailand die Große, Cremona die Beständige, Modena die Glückliche Mantua die Rühmliche, Venedig die Reiche, Padua die

Gelehrte, Verona die Würdige, Brescia die Bewehrte, Ge­ nua die Stolze, Lucca die Fleißige, Florenz die Schöne,

Siena die Zierliche oder die Beredte, Rom die Ewige, die Heilige, Narni (ehemals genannt die Böse), Bologna die Fette, Ravenna die Alte, Ferrara die Höfliche, Neapel

115 die Edle, Cuma die Aelteste, Capua die Verliebte, Messina die Edle, Syracusa die Getreue. — DaS ^Gegenstück mag wobl Neapel fiin ? — Ein recht gutes Geschichtsbüch führt den Titel: die zwei und neunzigste Rebellion der aller­ getreuesten Stadt Neapel. Mailand hat den Zunamen die Große. Sie wurde mehr denn vierzig Male belagert und mehr denn 22 Male eingenommen. Von ihr hatte man ehemals das Sprichwort: wer Italien befriedigen will, muß Mailand ruiniren. — In einem andern altitalicnischen Spn'chworte war diese Stadt gleichfalls begriffen. Es hieß einst: die spanischen Statthal­ ter pflegen die Bewohner von Sicilien um's Geld zu zausen, in Neapel zu schinden und in Mailand gar zu fressen. Ein jeweiliger Doge von Venedig pflegte sich am Himmclsahrtstage jeden Jahres mit dem Meere auf's Feierlichste zu vermählen in Begleitung des Patriar­ chen, des päpstlichen Nuntius, aller auswärtigen Gesandten, des ganzen Adels und Volkes auf mehr denn 5000 Gondeln. Der Dege fuhr auf dem sogenannten Bucentaurus, einem in - und auswendig vergoldeten Schiffe. Den kostbaren Ver­ mählungsring warf er mit folgenden Worten in's Meer: „Wir vermählen euch uns als unser Meer, zum Zeugniß einer wahrhaften und immerwährenden Herrschaft!" — Die vcnetianischen Frauen gingen ehemals auf sehr hohen Schuhen einher. Daher pflegte der gelehrte Julius Skaliger zu sagen: die venctianischen Edelleute hätten von ih­ ren Weibern im Bette nur die Hälfte; weil die andere Hälfte mit den Schuhen abgclegct wird. Neapel wird in Italien für die schönste Stadt in der ganzen Welt gehalten und von ihr die Behauptung ausge­ sprochen: Neapel scheine vom Himmel hcrabgefallen zu sein. Dagegen gehet vcm Lande Neapel das besondere Sprich-

116 wort: Neapel fei ein Paradies, darin nichts als lauter Teufel wohnen. Man habe vier Citadellen anlegen müssen, um diese Brut im Zaum zu halten. — Sonst hieß es auch von diesem Königreiche noch: Wenn das Königreich Neapel in fünf Theile gctheilet würde, so würde man finden, daß vier Theile davon dem Clcrus zugehörten.

Von Genua war im XVIl. Jahrhundert das Sprich­ wort allgemein verbreitet: die Berge der Genueser seien ohne Gehölz, das Meer bei Genua sei ohne Fische, die Weiber ohne Zucht und Sitte, die Männer ohne Treu und Glauben.

Von drei vorzüglichen Gegenständen in den italienischen Städten Ancona, Cremona und Rom ist das Spn'chwort bekannt: Unus portns in Ancona, una turris in Cremona, unus petrus est in Rom.

Von Sirela, unfcrne Ancona, wo sich ein altes überkleidetes Crucifix befindet und von Loretto gehet das Sprich­ wort: Wer zu Loretto und nicht zu Sirola gewesen, der habe zwar die Mutter, aber nicht den Sohn gesehen. Sicilien hieß im römischen Zeitalter die Speisekammer der Stadt Rom. In den nachfolgenden Zeiten nannte man diese Insel Italiens Kornhaus.

Die kleine Republik St. Marino gebrauchte, wenn sie ehemals sehr gravitätisch an Venedig schrieb, stets den Titel: liebe Schwester! Dom Großhcrzoge in Toskana gehet in Italien das Sprich­ wort: daß ihm nichts mangele als Lucca und Sarzana, um zu sein: König von Toskana. Von Rom hat man folgendes Sprichwort: Roma santa, ma populo cattivo. Rom ist heilig, aber die Einwohner sind gottlos. — Man sagte ferner auch: Roma caput mundi regit orbis froena rotiindi! — Weiter: wer in Rom leben wolle, müsse drei T zu gebrauchen wissen: Tempo,

117 Testa, Testoni, d. i. Zeit, Verstand und Geld. — Rom als Herrscherin der Welt hieß es:

Von

Fecisti patriam diversis gentibus unam. L’rbeui fecisti, quod prius orbis erat!

Für die, welche sich längere Zeit in Rom aufhatten, hat man folgende Gesundheitsregeln: Enecat insolitos residentes pessinius aer Rumanus; solitos non bene gratus balat. Sospes ut Jiic vivas , lux septinia det niedicinani, Absit udor fuedus. sit inodicusque labur. Pelle fainein, et frigus, fructus feinurque rclinque. A'ec placeat gelid.» fönte levare sitim.

Die Einwohner von Turin rühmen sich, daß sie all' dasjenige besitzen, was die Deutschen, Italiener und Fran­ zosen Gutes an sich haben. Von Venedig galt einst das Spn'chwort: es sei so we­ nig möglich, daß cs dem Schatz zu St. Marco an Geld mangle, als Frankreich an Soldaten. Für jeden Vers des felgenden Epigramms auf die Stadt Venedig soll der Rath daselbst 10,000 Zechincn bezahlt haben: Viderat Adrians Venetam Neptunus in undis Stare urbeni. et toti poliert* jura matt: Nunc mihi Tarpejus quantuinvis Jupiter arces Ohjice, et illa tui maeiiia Martis, ait. Si pelago 1 iberiin praefers, urbeni aspice utramque, lliani homines dices, baue posuisse Deos.

Von der paradiesischen Gegend um Padua soll einst Kaiser Constantinus Palaologus gesagt haben: Wenn er nicht gewiß wüßte, daß das Paradies in Asien gewesen wäre, so könne er nicht anders glauben, als daß es in der Gegend um Padua müsse gewesen sein. Von der sehr festen Citadelle zu Montmelian in Savoyen sagte man ehemals, daß die Schlüssel von Savoyen in der­ selben aufbcwahrt würden.

11S Der savovische Ritterorden De L’Annonciada fuhrt an der Seite des Wappens folgende vier Buchstaben: F. E. R. T., welche bedeuten: Fortifudo ejus Rhodum tenuit, im Jahre 1519 nämlich. Die Franzosen lasen aber diese Buch­ staben von rückwärts: Tont retournera en Franke, d. h. Savonen muß noch einmal französisch werden. So kümmerlich auch die Schweitzer in ihrem Vaterlandc selbst leben mußten, so wollten sie doch tpi Auslande weder Hunger leiden, noch umsonst dienen. Daher das Sprich­ wort: Point d’argent, point de Suisse! Kein Geld, kein Schweizer. Die Züricher haben sehr reiche, doch gewöhnlich sehr schlecht gebaute Armenhäuser, weswegen sie zu sagen pflegten: den Armen wäre cs genug, daß sie als Arme unterhalten würden und sie könnten es nicht in ihren Kops bringen, daß man sie als Prinzen beherbergen sollte. Das herzoglich sächsische Meinungen wird in Volkes­ mund die Harfenstadt genannt, weil es angeblich in Form einer Harfe gebauet ist. Nürnberg, so wie Augsburg, von eben so weltge­ schichtlicher Bedeutung, als heutzutage Hamburg, hieß: das Vaterland der Klugheit unh die Herberge der Künstler. — Lis auf die Tage Kaiser Sigismunds und des Constanzner Kirchenrathes, reicht das Sprichwort hinauf! — Nü­ rnberger Hand geht durch alle Land. — Eines der Wahr­ zeichen der Stadt, der steinerne Ochse an der Pegnitz, hatte die Devise: Omnia babent orhis, suaque ipcrementa, sed ecce! Quem cemis nunquam bos fuit hic vitulus.

Dieser Ochse, scherzweise zum „Beobachter an der Pegnitz" befördert, verursachte trotz aller seiner steinernen Gelassenheit im Frühjahre der Schwindelzeit 1832, vornäm­ lich durch Aufhetzung des Journalisten Coremanns einen

119 GesindelStumult, (in Nürnberg auch „Bürgerlust" genannt) gegen den trefflichen Kupferstecher Fleischmann, der mehre Jahrgange dieses historischen Taschenbuchs durch seine kunstreiche Hand geschmückt hat. — Das Gedicht des Schu­ sters und Dichters Hans Sachs auf seine Vaterstadt ist be­ kannt, eben so der Lobspruch Hans Rosenblüth und an­ dere, z. B. Der viel Semen zücht und Öhren, Soll sich gegen Nürnberg kehren, —

oder: Nürnberg du werde ©tat, Wie weislich die empfohlen bat, Der edle Kunig een Ungerlant re.

Solothurn rühmte sich als die älteste Stadt in der Schweiz mit folgenden Reimen: Fein ält’rer Play in Gallien ist, Als Solothurn zu dieser Frist, Ausgenommen Trier allein, Drum nennt man uns Schwestern insgemein.

Als einst die Bewohner des Cantons Bern gefragt wur­ den, warum sie ihre Städte nicht ordentlich befestigten, ant­ worteten sic: daß die Treue des Volkes die beste Mauer sei, welche man um eine Stadt aufführen könne. Die Holländisch-ostindische Compagnie, welche im Jahre 1594 gegründet worden ist und anfänglich aus 56 Kaufleuten bestand, rühmte sich, daß sie mehr Meilen Landes erobert hätte, als Joch Acker in Holland seien.

16.

Die beiden Alba'S in Oesterreich.

In der Gemäldegallen'e des rcgulirten Chorherrnstistcs zu St. Florian, Landes ob der Enns, findet sich ein gleich­ zeitiges Gemälde von einer Meisterhand deutscher Schule, auf her Rückseite mit folgender Inschrift: Petrus de Toledo, natione Hispanus, Ordinis militiae Alcantarae, Albano-

120 rum ducum styrpe generosa prognatus, imperatore Carolo quinto Caesare Augustissimo, anno a virgineo partu MDXXIX aetatis vero suae XXIX. imaginem hanc, ca stissimae nobilissimaeque Virgini, Sophiae Mvserin, e Carinthia, Germaniae provinci i oriundae, in qua deperibat, niisit ne longinquae profectionis causa, apud eam memoria sua omnino extinqueretur. Dieser Peter Alvarez von Toledo, Herzog von Alba, ist Eine Person mit jenem Peter, Sohn Friedrichs und Js§-

bcllcns von Zuniga, Herzogs von Ferandina, Markgrafen von Villafranca, der 1529, wahrend der ersten Belagerung Wiens durch den großen Sulcymann

Canuni, bis

153!

in

Ungarn gegen die Türken focht, 1532 Vicckönig von Neapel

wurde und am 23. Februar 1539 starb. Dieses Peters Bruderssohn war jener Schrecken der blü­

henden Niederlande, jenes stets geschwungene

zweischneidige

Schwert desultramontanisch-absolutistischenBlutdurstes, Fer­ dinand Alvarez von Toledo, Herzog von Alba, gleichfalls

Vicckönig von Neapel und der Niederlande, zuletzt Eroberer Portugals.

Er war zugleich mit diesem seinem, nur wenig

jüngeren Oheim in Wien und in Ungarn.

Seine, unter

die größten literarischen Seltenheiten gehörige, aus Familicn-

documenten, aus seinen eigenen hinterlassenen Papieren, kö­ niglichen Rcscrjpten, Instruktionen und anderen Correspon-

denzcn gezogene Geschichte, im Original,

Latein,

1698 zu

Paris ins französische übersetzt, gedenkt dieser ersten, mildm Epoche seiner Jugend, die man wahrlich in den späteren Jahren

nicht wieder erkennt, wie er, gerade einundzwanzigjährig, Carl V. nach Deutschland begleitete, über dgs kurz zuvor belagerte

Wien hinaus nach Ungarn,

den

fürchterlichen

Mich al

Oglu schlagen und Suleymann den Glücklichen

in die

erste, übereilte Flucht treiben half, darauf aber, als die gro­

ßen Schläge geschehen waren, eine höchst romantische Rück-

12t reise that, zu seiner jungen, mit allem Feuer der ersten Nei­

gung geliebten Gemahlin.

Binnen acht Tagen und Nächten

hatte er die Reise aus Ungarn bis Barcello na, in unauf­ hörlichem Trabe postrcitend, zurückgelegt, anderthalb

Tage

dort verweilt und war darauf in der nämlichen Zeit, und auf gleiche Weise, an seinen Posten vor dem Feind wieder zurück­

gekehrt.

17. Die

Klostersitten und Klosterbräuche. Chorstühle

der nun darniederliegenden Kirche des

1062 von Bischof Ellcnhard gestifteten und mehrmals mit ausgezeichneten Mannern prangenden Collcgiatstiftes zu St. An­

dreas in Frcnstng, hatten sonderbare, in gar naiver Weise zum Psallircn aufmunternde Inschriften, nämlich:

Rechts. In rlioro. sicut ascllus in foro. Est locus hie lioruin. qui cantant et non aliorum, Hos Christe famulos hicce conserva Tuos. Links. Anno Domini 1420 Domini/s Bcrtholinus Auhlinger, canonicus hujus cerh-siae perrgit bas sedes in honorem St. Andrae Apostoli.

In den am 25. Sept. 1452 von dem Kapitel beschlosse­ nen und von dem Kardinale Peter, Bischof zu Augsburg,

bestätigten Statutis Ecclesiae collegiatae Habacensis, welche Oefele in dem specimine diplomatarii bajoarici be­ kannt gemacht hat, lautet der XV. und letzte Abschnitt wie folgt: Item quia absurdum est valde, divinorum tempore personas ecclesiasticas divinis non attendere, sta-

tuimus et ordinamus, ut deinceps debitam exhibeant reverentiam et silentium et tempore divinorum in cho-

rum non veniant cum calciped i is neque cum cornu-

bus et avibus, nec cum

caputiis,

sed cum mitris

choralibus aut baretis bonesüs--------------.Lx'rmayrs Toschcnduch 1842. ß

122 Ein Statut das Collegiatstistes Alten-Oetting eben

vom Jahre der beginnenden Reformation

1517— 1518 ver­

bietet: --------------------- ne quis Prael atorum, canonico-

rum, aliorumque sacerdotum nudis pedibus in ecclesia nostra missam celebret, neque capellari, rector,

scholarum cantores, taliter,

ecclesiam aut

chorum

nostrum sub peractione divinorum officiorum ---------- in-?

grediantur



contra facientes poena congrua

mul-

ctentur--------- — — Das ist doch ein starkes Paroli auf den Canon: de clerico venatore! ? Welches Gefühl für die Würde und den

Zweck der gottesdienstlichen Feier, wo man den hochwürdigen

Hxrrn durch

eigene Statuten untersagen

mußte,

in

ihrer

Kirche während des Gottesdienstes keinen tobenden Lärm zu erregen und sie nicht in Jagdkleidern, mit Jagdhör­ nern und den Falken auf der Faust zu betreten? — auch

eigens zu verbieten, daß die Prälaten, Domherrn, die Capläne, Rectoren der Schulen rc. nicht mit bloßen Füßen

in der Stiftskirche Messe lesen, oder so die Kirche und den Chor während der Gottesdienste oder die

Kapitelstube

bei versammeltem Kapitel betraten sollen!! —

18.

Qtiiidain fatuus« 1509.

Unter dieser sonderbaren Ueberschrist findet sich in einem Tegernseer Codex folgendes höchst bedeutsame historische Me­

morandum auf das Jahr 1509: Die Venediger und der Kunig von Frankreich, Haben ire schanh (change) geleich. St haben ain Barttu gemischt. Die ligt zu Venedig auff dem Tisch,

Und läßt vnns got den kaiser leb'n So wirt die Barttu zu Ostern anderst ausgeb'n.

123 19. Bayerische Freigebigkeit. Unbekannt ist der Anlaß, warum im XV. Jahrhundert den Bayern die Unfrcigebigkeit, der Geiz, sogar im Bolkssprichwort vorgcworfen wurde. In einer Papier­ handschrist in Latein und aus besagtem Jahrhundert, auf der königlichen Hof- und Staatsbibliothek in München, liefet man gegen das Ende folgende Zeilen: Monacus Bohcmicus. Pons Polonicus, Monialis »Sucvica, Vestis Ruratica, Lar^itas Bavarica, C a s t i t a s Austriaca, Fides Judaica. Jt-junia Italica, Glosa (sic) Judaica — merdam valent omnia.

20. Unbcneidete Vermächtnisse. Als der wilde König Richard Löwenherz auf dem Sterbelager lag und seinen letzten Willen auffetzen ließ, ver­ machte er den Bürgern von Poitou, von denen er glaubte schwer beleidigt zu sein: stercora su a i —eine wenigstens minder entsetzliche Rache, als die, welche der geächtete und übers Meer verbannte Heinrich der Löwe an Bardewnk nahm. — Als der im Frühling 11S2 hilflos mit Frau und Kindern nach England auswandernde Fürst in eben dem Bardcwyk Nachtlager begehrte, verschlossen die Bürger ihm nicht nur die Thore, sondern bückten ihm von der Mauer herab das entblößte Hintertheil entgegen und krähten dazu. Heinrich schwur: wenn er Wiederkehre, sollten die Bür­ ger von Bardewyk nie wieder einen Fürsten beleidigen.

Als der Barbarossa mit so vielen Reichsmannen in's ge­ lobte Land gezogen war, Heinrichs Schwiegersohn', der Dä­ nenkönig Knut und sein Schwager, der neue König Eng­ lands, Richard Löwenherz ihn aufmunterten, kam der kühne Aechter wieder nach Deutschland herüber und gewann viel

6*

124 Schnell zog er vor Bardewyk.

Boden.

Die Bürger ver­

weigerten abermal die Aufnahme und die nämlichen Vollmonde begrüßten den Herzog von der Mauer herab. —

aber übel.

Es erging

Schon am dritten Tage, am *28. Octbr. 1189,

wurde Bardewyk erstürmt, alle erwachsenen Manner durchs

Schwert geschlachtet, Weiber und Kinder verseht, die Mauern gebrochen, die Gräben zugeschüttct,

alles Kirchcngut nach

Ratzeburg gebracht, alles Uebrige rein ausgcplündcrt, alsdann

die Stadt an allen vier Ecken angcsteckt und ganz niedergebrannt. Vestigia leonisl steht noch aus einem Trümmer der gebrochenen Mauer.

Aus dem Mund Alexanders IV. selber wurde nachste­

hender,

in letzter Entscheidung an

ibn

gebrachter Vorfall

kund: — ein Priester wollte eine schöne junge Frau, die ihm

beichtete, bewegen, mit ihm hinter den Altar zu treten und ihm dort das sehnlichst gewünschte Vergnügen zu gewähren. Die Frau schauderte vor diesem Frevel, versprach aber, aus

Furcht, zu anderer Zeit und am anderen Orte seinen Willen

zu thun.

Sie sendete dem Verführer eine wunderschöne Torte

nebst einer Flasche köstlichen Weins, weil des andern Tages des Priesters Namcnsfcier war.

Er war auf diesen Tag zu

seinem Bischof zur Tafel geladen und meinte, das Beste zu thun, indem er dem Koch desselben so Torte als Wein über­ gab.

Die erstere, auf die Tafel gesetzt, erregte allgemeine

Bewunderung, aber die.Ueberraschung war nicht geringe, als

die Sorte beim Ausschneiden unbeliebsame Dünste von sich

gab

und

sich mir Menschenkoth gefüllt zeigte??

Eine

strenge Untersuchung brachte den wahren Zusammenhang an's

Licht.

Der Frau wurde allgemein Recht gegeben, nur tadell

an ihr der Franziskaner Salimbeni, daß sie den in der Torte angefangenen Satz nicht consequcnt

durchgesetzt und

die Flasche wirklich mit gutem Wein füllte,

indessen selbe

in Analogie mit der Torte hätte mit Urin gefüllt werden sollen.

125 Die Italiener machten sich mit derlei herkulischen Arbei­ ten so viel zu thun, daß ganze Familien zahlreich davon den Namen trugen: Caca-in fumo, in sacco, in forno, in banca, in campo, in arca, in basilica: caca-brosema, paglia, rabbia, tossico, miglio, lancia* noci, Caca-danari etc.

21.

Die bons vieax tems.

In der blühenden und reichen Ostmark, Oesterreich Unter der Enns, an den böhmisch-mährischen Landmarken, saß ein mächtiges Geschlecht der Grafen von Bern eck, welches 1149 bis 1180 die Klöster Bcrncck und Geras stiftete, die Burg­ grasschaft Znaym erhielt und von welchem die Heldenstämme von Kunstat und Podiebrad, — die von Obrzan bei Brünn, die Herren von Baginiacz und die Dirnowsky von D i r n o w i h, Herrn auf R a i tz ausgingen. Einer dcsselbm Hauses, Ulrich von Bern eck, war ein reicher und mächtiger, weithin gefürchteter Dynast'), ein Schrecken seiner Leibeige­ nen , übn'gcns nicht ohne edlere Anklänge von Großmüth und

•) Vita B. Berthold« in Pez. S. Rer. Austr. T. II. p. 116. Vir quidani nohiiis et dives nomine Ulricus de Berneke. audiens hominem dei esse apud Gote wie uni, misit ad eum ut ad ae venire dignaretur. Qui licet infinnus esset aliquantulum . profectus est tarnen, ne tantus Vir sua spe frustraretur. Veniens ergo invenit in domo Viri «l u o d e c i m d o m i n a s — quarom sinirulas, quia Conjux o bi erat, suo lecto ille vir pro I ibitu adesse semper praecipi ebat. muliebri omatu satis ambitiöse compositas ad placendum saeculo et suo temporali dornino — — der Miunn Gottes, Berthold, schlug freilich über diese Dunendwirthschaft gewaltigen Lärm, allein unsere Altvordern sprachen, „die Natur fei ein eisernes Hemde" und sie mag es auch bei diesem Herrn von hebern Adel gewesen sein, licet eandem internperantiam erga beatuni virum devotasset, tarnen unain illärmn, ipsa nocte sibj adesse praecepit, — aber diese, ihrer Bestimmung -ueilcnd, sanctitate hospitis in eundo subito fixa, retenta est. ac si forti ligaininc restringeretur. Jeyt ging Herrn Ulrich ein Licht aus, taiitum iiiiraculum provenisse ex heati viri praesentia. Die Zwelic behnnen den Laufpaß et unam legitimam duxit, cum qua reliquum vitae suae cumpendium sine discrimine clausit!

126 gegen Kirchen und Klöster freigebig, um die Sünden seines

Zäk^orns und seiner Lüste dem Himmel durch solche Gaben

wieder abzukaufen.

Dabei lebte er in gutem Vernehmen mit

dem vor nicht langer Zeit durch den Bischof des Sprengels von Passau, Altmann, Grafen

zu Wcttin, auf hohem

Berg an der Donau gestifteten und mit Benedietinermönchen aus St. Blasien vom Schwarzwalde besetzten Kloster Gött-

Aus demselben kam Berchtold, ein ihm Anver­

weih. —

wandter, früher auch in St. Blasien Prior und Vorstand des Bücher- und Handschriftenschatzes, ohngeachtet der Kränk­

lichkeit , an der er btt, zu Herrn Ulrich, um die Erwartung

und die wiederholten

Bitten

eines so gewaltigen Edelherrn

Seine jüngst verstorbene Gemahlin hatte

nicht zu täuschen.

Berthold gekannt und geehrt.

Aus dem Gcblüte der Grafen

von Retz entsprossen, war Berthold auch jenen von Würtemberg

und Lechsgemünd mutterseits verwandt,

so wie dem

Markgrafen Ottokar von Steyer, der ihn in seine neu ge­ gründete Abtei und Erbgruft Garsten als Abt berief.

Ber­

thold erstaunte übrigens nicht wenig über die neue Hausord­

Ersätze des Verlustes der Hausfrau bei

nung, die er zum

Ulrichen antraf. Wirthschaft,

Sei es nun, daß in einer wohlgeordneten

gern

Alles Dutzendweise beigeschafft wird,

sei es, daß zwölf die Zahl der Apostel, eine allgemein be­

liebte Zahl war, Berthold fand in der Burg Berneck zwölf schöne, mit vieler Sorgfalt geputzte Mädchen,

Nacht beim hatten» —

welche jede

Burgherrn Ulrich frequenten, strengen Dienst

Sein frommer Zuspruch wollte eben nicht viel

fruchten gegen die gewohnten Vergnügungen. —

Berthold

nahm nun den Ton um eine ganze Octave höher und schritt gleich zu dem Mirakel, wodurch er den mächtigen Dvnasten

bewog,

jenem Unwesen ein Ende zu machen und für den

Ueberrest seines Lebens sich wieder unter das Zoch der Ebe

zu begeben.

127 Die Könige und die Großen der Kranken nahmen es

mit der Vielweiberei auch nicht so genau und da wir uns gegenwärtig im christlichen Europa

den

Türken

so

herzinnig befreunden, da wir ihre Regierungsweise so preiSwürdig finden, daß man gar bald Islam und Christen­ thum wie Salat und Champagner durch einander mischen

und anmachcn wird, da die Türken ihrerseits uns mit so

großen Opfern der Annäherung im Schweinefleischeffen und dcrgestaltigen Wcintnnkcn entgegen gekommen sind, daß Seine Hobcit „der Schatten Allahs auf der Erde", der höchstselige großmächtigste Padischah und Khalife, weiland Mahmud II.,

Allcrhöchstdero bloß dem Dienste der Menschheit

geweihtes

Leben in einem delirium tremens beschlossen haben, sollte nicht die natürliche Billigkeit es begehren, daß auch wir

diesem ewigen Frieden zwischen den Bekenncrn und den alten

Erb - und Erzfeinden des Christenthums einen Schritt ent-

gcgenthun

und etwa durch Einführung einer limitirten

Vielweiberei dem

großen

Ziel allgemeiner

Vereinigung

auch ein Opfer bringen und einen wesentlichen Schritt der Annäherung entgegen thun?? —

In der „Staatswirth­

schaft" hat man die M o n o p o l e längst ausgcmerzt.

all ist die Con currcnz siegreich hervorgctrcten.

Ueber-

Sollte da-

in der Staatswirthschaft Erprobte nicht auch in der Hauswirthschaft um so mehr seine Stelle finden,

als

das Gleichniß vom Regenten- und Hausvater-Stand, vom

Staat und der Familie, immer mehr Boden gewinnt und das „Patriarchalische" intra et extra muros in man­ nigfaltiger Weise wieder an der Tagesordnung ist!? Sollte

nicht schon der bloße Gedanke an besagte Concurrenz für den Hausfn'cden mehr vermögen, als alle Bitten, Ermahnungen

und Erbauungsbüchcr--------- ? daß doch der Graf von Haxt­

hausen unter dcn übrigen aristokratischen Hausmitteln zur Düngung und Mergelung eines wahrhaft historischen Bo-

128 denS daS precedent und Präjudiz des mächtigen Freihcrrn Ulrich von Bern eck ganz außer Acht gelassen hat! —

Da kehrte abermal der Fluch jener allzulangen Entfremdung des deutschen Südens und Nordens wieder, daß ein solches Beispiel von den heitern Ufern der Donau nicht hinüber reicht

an jene der Weser und Elbe, daß wir Ulrich von Bern eck

nicht mit sechsfachem Agio wenigstens gegen den Grafen Ernst von Gleichen austauschen können!

„ES war

einmal

ein

Graf,



ein

deutscher

Graf" — beginnt Cäcilie in Goethe's „Stella" — — „Er fühlte Menschheit, Er glaubte an Menschheit — (und nahm die hcldc Türkin auch mit!) und noch jetzt sind

viele deutsche Grafen, die bewußt und unbewußt jener türkisch-christlichcn heiligen Allianz durch That und Beispiel unverdrossen Vorarbeiten.

22. Pia desidcria für die Censur. Da von vielen Seiten laute Klagen über die Censur erschallen, daß selbe sogar auch Rechnungs-, Garten-

und Kochbücher ihrer Strenge unterwerfe, — daß

eine

Geschichte gar nicht mehr denkbar sei, indem nicht nur ihr wahrhafter Verlaus, sondern selbst ihre Quellen

(Urkunden,

Memoircs, Corrcspondcnzcn,) adulterirt,

über­

zuckert, überfirnißt, auch wohl ganz verboten würden, — daß förmliche Befehle zur Geschichtsverfälschung ergehen,

analog

einer

uralten würtcmbcrgischen Verordnung,

„daß

man von Allcrhöchstdcro Rcgicrungsvcrsahrcn nur Prciswürdiges vermelden und Alles vermeiden solle, was etwa von

Höchstdenselbcn si nist ras opiniones erwecken möchte", dürste cs doch gut sein, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen

und ein und andere Exemplifikationen aus selber heranzuzie-

129 hen, vielleicht kommen wir doch auch bald wieder zum Ver­ brennen der Schriften und Schriftsteller?? —

Unter Heinrich VIII. wünschte der Bischof von London,

Tonstall, welcher gemäßigt genug dachte, um, der damaligen Sitte zuwider, lieber Bücher als Schriftsteller zu ver­

brennen, die von Tindal bekannt gemachte Uebersetzung des neuen Testaments, dessen Lesen man dem

hielt, zu vernichten.

Volk

gefährlich

Er entschloß sich, alle Abdrücke davon

an sich zu kaufen, um sie alsdann dem

Feuer zu opfern.

Es war im Jahre 15?9, als er eben durch Antwerpen reiste,

daß

er

auf diesen

wandte er sich

Einfall gerieth.

Um ihn auszuführen,

an einen brittischcn Kaufmann, welchem er

dafür die erforderlichen Auftrage gab. mer Anhänger Tindals.

Dieser war ein gehei­

Er eröffnete demselben die Absichten

des Bischofs und Tindal erfreute sich darüber höchlich.

Er hegte den lebhaften Wunsch, eine neue correcte Ausgabe

seiner Übersetzung besorgen zu können, wozu ihm aber, weil die erste noch nicht verkauft war, das nöthige Geld mangelte. Mit Vergnügen überlieferte er also den ganzen Vorrath der

noch vorhandenen Abdrücke der ersten Auflage;

der Bischof

nahm dieselben in Empfang, bezahlte sic richtig und ließ sic in Cheapside (einer Straße und Platz in London) verbrennen. Abgesehen, daß das Volk daran Acrger nahm und sich aus­

drückte: es sei dies Gottcswort verbrennen, reizte der Vorfall die Neugier zum Lesen dieser Uebersetzung dermaßen, daß die

und um jeden Preis gekauft

zweite

Ausgabe nun reißend

ward.

Ein Geschäftsmann Tindals, den dieser zur Besor­

gung des Verkaufs nach

London gesandt hatte, ward vor

den Lord Kanzler beschieden, welcher ihm in einem geheimen Verhör die Zusicherung gab, es solle ihm nichts Unangeneh­

mes widerfahren, wenn er die Namen derer anzeigen wolle,

welche Tindaln und seine Anhänger

in Antwerpen unter­

stützen. Der Bcftagtc nahm die Zusage an und versicherte, die

130 kräftigste Unterstützung, die ihnen jemals zu Theil geworden, hätten sie dem Bischof von London zu verdanken. Unter Heinrich VIII. wurden die Bücher beider Parteien

gleichzeitig,

meist auch die Verfasser verbrannt; unter

Eduard verbrannte man die der Katholiken, unter Maria die der Protestanten und unter Elisabeth die politischen

Schriften. Camden

sandte an de Thou

einige

Stellen

seiner

„Elisabeth", die er in England nicht bekannt machen durfte

und die der Geschichtschreiber zwei Jahre nachher in seiner

Geschichte treulich abdrucken ließ. Als die Königin Elisabeth einst Bacon fragte, ob ein ge­ wisses Buch, das ihm zur Prüfung übergeben war,

nicht

Beweise von Hochverrath enthalte? antwortete er: „Von Hochverrath nicht, wohl aber von

Diebstahl, denn alles,

was ich Gutes darin fand, ist aus Sallust und Lacitus ge­

stohlen.^ Miltons „Schriftsteller-Schicksale" enthalten einige merk­ würdige Züge.

Wechselnd legten die monarchische

und

die republikanische Regierung seinem Geiste Fesseln an.

Der Königliche Censor strich einige Stellen seiner Geschichte, welche ein treffendes Gemälde des Aberglaubens,

des Hoch­

muths und der Falschheit einiger Sachsen-Mönche enthielten,

worin der scharfsinnige Censor Anspielungen auf die Bi­ schöfe Carls II. wahrzunehmen glaubte! ?

Aber zuvor schon

hatten Miltons alte Freunde, die Republikaner, ihn unbarm­ herzig verstümmelt, durch Streichung mehrerer nach der Na­

tur gezeichneter Stellen seiner Geschichte des langen Par­ laments und der Versammlung des Clerus. drückten Stellen wurden von

Die unter­

Milton im Jahre 1670 dem

Grafen von Anglesea mitgetheilt, der sie im Jahr 1681 ans Licht förderte und mit öffentlicher Bewilligung drucken ließ. Es fehlte wenig, daß die schöne Vergleichung Satans mir

131 der Sonnenfinsterniß, int ersten Buch

des

verlornen

Paradieses, nicht die Unterdrückung deS ganzen Meisterwerks veranlaßte?!

den.

Man wollte darin strafbare Anspielungen fin­

Zur Zeit der Revolution bestand zwar keine Censur

mehr in England; aber erst im Jahre 1694 errang die feste und entscheidende Sprache des Hauses der Gemeinen die völ­

lige Preßfreiheit. In dem unter Carl IV. auch auf einem literarischen und artistischen

Höhenpunkte

stehenden

herrlichen

Böhmen-

reiche, das sich damals von den Thoren Nürnbergs bis tief in Großpolcn, und vom

baltischen Meer bis an die Land­

marken Oesterreichs und Ungarns erstreckte, hatten die wis­ senschaftlichen und Kunstschatze schlimme Perioden.

Die ganz

besonders gegen die Klöster gerichtete, mit dem Eisen und mit der Brandfackel tobende Zerstörungswuth der Hussiten,

(Taboritcn, Kelchner, Massen)

zerstörte unzählige unschätz­

bare Denkmäler, namentlich auch der ältesten, herrlichen Na-

tionalpocsie und Geschichte. —

Nach der, die Existenz Böh­

mens als eines unabhängigen

Reiches und eines selbststän­

digen Volkes, vernichtenden Pragerschlacht am weißen Berge, warfen die Spanier und Wallonen, von Jesuiten diri-

girt, alle Bücher und Manuscripte in der Landessprache in s Feuer. —

Noch eine seltsame, halb traurige, halb läMan findet in Mähren und Böhmen

chcilichc Erscheinung. eine

ungeheuere Menge sonst recht gut erhaltener

alter Bücher

mit

hcrausgeschnittenem Titelblatt.

Um der Confiscation der Bücher zu entrinnen, rissen nämlich die Unkatholischcn noch im Anfänge des vorigen Jahrhunderts aus all ihren ältern Büchern die Titelblätter heraus, weil

in dem Königgrätzer „Clavis haeresim claudens et ape-

rinns“ von 1729 und

1749, dann in dem Prager Inder

der verbotenen Bücher, vom Jahre 1770 folgender erbaulicher Grundsatz ausgestellt ward: Ezcske kaihy od leta 1414 az do

132 leta 1620 o nabozenstwj gednagicy, wetssjm bjltm ncbezpecne a podezrele gsau rc. (Böhmische theologische Bücher von dem Jahre 1414 bis zum Jahre 1620 sind größtentheils ketze­

risch und daher verboten) ein Grundsatz, dem so buch­ stäblich nachgelebt wurde, daß alle ketzerischen Bücher, die

kein Titelblatt und Jahrz'ahl hatten, unangetastet blie­ ben, dagegen jedes Buch aus erwähntem Zeitraum, wenn

die Jahrzahl sichtbar war, und wäre es gleich ein Koch­ buch gewesen, confiscirt wurde!!

Es mag aber auch

ein

herrliches Leben gewesen sein (etwa wie jetzt in Spanien oder

unter Rosas in Buenos-Ayres? ? (Taschenbuch auf 1836 Seile 250: der große Bluttag auf dem

Altstädtcr Ringe Prag?)

als in dem zernichteten Böhmen, jeder Denunciant um Throne mar '
'as. Der Kurfürst von Brandenburg schlug auf dem Heim­ wege vom Richtplatz des Kohlhaas Söhne zu Rittern und wies fie durch den Kanzler Geusau in seine Pagen­ schule. — Im Mecklenburgischen lebten noch lange des Kohlhaas Nachkommen.

293.

In Ketten aufhangen.

ES war bei eben dem Mühlberg, wo der Kohlhaas die Söldner und Reisigen des sächsischen Prinzen Johann Friedrich in die Flucht geschlagen, wo eben dieser Jahre später als Kurfürst und Haupt des schmalkaldischen Bundes durch Kaiser Carl V. geächtet, besiegt, in Wittenberg zum Tode verurthcilt, Land und Leute verwirkt und fei­ nem Vetter Herzog Moritz und der Albertinischen Linie übertragen worden. Jahre lang mußte er durch ferne Lande dem Kaiser als Gefangener nachziehen. Der Genosse diese« Leidens war ein ihm verwandter, noch kühnerer Fürst, Phi­ lipp der Großmüthige, Landgraf in Hessen. Während das freieste Mannesherz also unfrei und in Banden war und das ihm gegebene Versprechen: es solle nicht einige Gefangen­ schaft über ihn verhängt werden, unedel auf ewige Gefan­ genschaft, wie durch Sprach- oder Schreibfehler gedeutet wurde, überschwemmten kaiserliche und spanische Völker alle seine Lande und schleiften ihm alle feste Burgen, die ihren Drohungen oder goldenen Pfeilen durch feige oder feile Haupt-

teute geöffnet worden, Ziegenhain allein ausgenommen. — Darin lag Heinz von Lüder, hielt seinem Herrn rechte Treue, und wollte die Feste um keinen Preis übergeben, son­ dern sich lieber tapfer wehren. Als nun endlich der Land­ graf ledig wurde, sollte er auf des Kaisers Geheiß, sobald er nach Hessen zurückkchren würde, diesen hartnäckigen Heinz

von Lüder unter dem Ziegenhainer Thore in Ketten auf­ hängen lassen und zu dem Ende wurde ein kaiserlicher Ab­ geordneter als Augenzeuge mitgegeben. Philipp, nachdem er zu Ziegenhain eingetroffen, ver­ sammelte er den Hof, die Ritterschaft und des Kaiser- Ge­ sandten. Da nahm er seine güldene Kette vom Hals, ließ seinen Obersten daran an einer Wand, ohne ihm wehe zu thun, aufhängen, gleich wieder abnehmen und verehrte ihm die goldene Kette unter großen Lobsprüchen seiner Tapferkeit. Der kaiserliche Abgeordnete machte Einwendungen, aber der Landgraf erklärte standhaft: daß er sein Wort, ihn aufhän­ gen zu lassen, streng gehalten und es nie anders gemeint habe. — Das kostbare Kleinod ist bei dem Lüderschen Geschlecht in Ehren aufbewahrt worden, und jetzt, nach Erlöschung des Mannsstammes, an das adelige Haus Schenk zu Wilmerobe gekommen.

294. Der Landgraf erbettelt Ohrfeigen. Es war ein gemeiner Soldat, der diente dem hessischen Landgraftn Moritz. Er ging stets wohl und nett gekleidet und immer hatte er Geld in der Tasche. Doch war seine Löhnung bei Weitem nicht so groß, daß er sich, seine Frau

und Kinder so stolz hätte davon halten können. Nun wuß­ ten die andern Soldaten nicht, wo er den Reichthum her­ kriegte und sagten es dem Landgrafen. Der Landgraf sprach:

248 das will ich wohl erfahren; und als es Abends war, zog er einen alten Linnenkittel an, hing einen rauhen Ranzen über, als wenn er ein alter Bettelmann wäre, und ging zum Sol­ daten. Der Soldat fragte: was sein Begehren wäre? — Ob er ihn nicht über Nacht behalten wollte? — Ja, sagte der Soldat, wenn er rein wäre und kein Ungeziefer an sich trüge; dann gab er ihm zu essen und zu trinken und als er fertig war, sprach er zu ihm: kannst Du schweigen, so sollst Du in der Nacht mit mir gehen und da will ich Dir etwas geben, daß Du Dein Lebtag nicht mehr zu betteln brauchst. Der Landgraf sprach: ja, schweigen kann ich und durch mich soll nichts verrathen werden. Darauf wollten sie schlafen gehen, aber der Soldat gab ihm erst ein rein Hemd, das sollte er anziehen und seines aus, damit kein Ungeziefer in das Bett käme. Nun legten sic sich nieder, bis Mitter­ nacht kam, da weckte der Soldat den Armen und sprach: steh auf, zieh Dich an und geh mit mir. Das that der Landgraf und sie gingen zusammen in Cassel herum. Der Soldat aber hatte ein Stück Springwurzel, wenn er das vor die Schlösser der Kaustnannsladen hielt, sprangen sie auf. Nun gingen sie beide hinein; aber der Soldat nahm nur vom Ueberschuß etwas, was einer durch die Elle oder das Maaß herausgcmesscn oder worum er die Käufer betro­ gen hatte, vom Capital griff er nichts an. Davon nun gab er dem Bettelmann auch etwas in seinen Ranzen. Als sie ganz in. Cassel herum waren, sprach der Bettelmann: wenn wir doch dem Landgrafen könnten über seine Schatz­ kammer kommen'. Der Soldat antwortete: die will ich Dir auch wohl weisen; da liegt ein bischen mehr, als bei den Kaufleuten. Da gingen sic nach dem Schloß zu und der Soldat hielt nur die Springwurzel gegen die vielen Eisen­ thüren, so thaten sie sich auf und sie gingen hindurch, bis sie in die Schatzkammer gelangten, wo die Goldhaufcn auf-

249 geschüttet waren.

Nun that der Landgraf, als wollte er

hineingreifen und eine Hand voll einstecken; der Soldat aber, als er das sah, gab ihm drei gewaltige Ohrfeigen und sprach:

meinem gnädigen Fürsten darfst Du Nichts nehmen, dem muß man getreu sein! — Nun sei nur nicht bös, sprach der Bettelmann, ich habe

ja noch Nichts genommen. —

Darauf gingen sie zusammen nach Haus und schliefen wieder,

bis der Tag anbrach; da gab der Soldat dem Armen

erst

zu essen und zu trinken und noch etwas Geld dabei, sprach auch: wenn das all ist und Du brauchst wieder, so komm

nur getrost zu mir, betteln sollst Du nicht. Der Landgraf aber ging in sein Schloß, zog den Linnen­

kittel aus und seine fürstlichen Kleider an.

Darauf ließ

er

den wachthabenden Hauptmann rufen und befahl, er solle

den und den Soldaten — und nannte den, mit welchem er in der Nacht herumgegangen war — zur Wache an seiner Thür beordern.

Ei, dachte der Soldat, was wird da loS

fein, Du hast noch niemals die Wache gethan, doch wenn'S gnädiger Fürst befiehlt,

Dein

ist's gut.

Als er nun da

stand, hieß der Landgraf ihn hereintteten und fragte ihn:

warum er sich so schön trüge und wer ihm das Geld dazu

gäbe? Ich und meine Frau, wir müssens verdienen mit Ar­ beiten, antwortete der Soldat, und wollte weiter nichts ge­ stehen.

Das bringt so viel nicht ein, sprach der Landgraf,

Du mußt sonst was haben. zu.

Der Soldat gab aber nichts

Da sprach der Landgraf endlich: ich glaube gar, Du

gehst in meine Schatzkammer, und wenn ich dabei bin, gibst Wie das der Soldat hörte, erschrak

Du mir eine Ohrfeige.

er und fiel vor Schrecken zur Erde hin. Der Landgraf aber ließ ihn von seinen Bedienten aufheben und als der Soldat

wieder zu sich selber gekommen war und um eine gnädige

Strafe bat, so sagte dec Landgraf: weil Du nichts ange­ rührt hast, als cS in Deiner Gewalt stand, so'will ich Dir

250 Alles vergeben; und weil ich sehe, daß Du treu gegen mich

bist, so will ich für Dich sorgen, und

gab ihm eine gute

Stelle, die er versehen konnte.

295. Die treulose Störchin. Cranz, ein Kanzler Herzog Thassilos, schreibt gar ein seltsames Wunder von Störchen, zur Aeit Haunbrechtß. Der Ehebruch sei dersclbigen Zeit gemein gewesen und Gott

habe dessen harte Strafe an unvernünftigen Thieren zeigen

wollen.

Oberhalb Abach in Unterbayern, nicht weit von der Do­ nau, stand ein Dorf,

das man jchund Tcygen nennt. —

In dem Dorf nisteten ein Paar Störche und hatten

zusammen.

Wahrend die Störchin brütete und

Eyer

der Storch

um Futter ausflog, kam ein ftcmder Storch, buhlte um die

Störchin und überkam sie zuletzt. Nach verbrachtem Ehebruch flog die Störchin Überfeld zu

einem Brunnen, taufte und wusch sich und kehrte wieder ins Nest zurück, dermaßen, daß der alte Storch bei seiner Rück­ kunft nichts von der Untreue empfand.

Das trieb nun die

Störchin mit dem Ehebrecher fort, einen Tag wie den an-

dern, bis sie die Jungen ausgcvrütet hatte.

Ein Bauer aber auf dem Felde nahm das wahr und verwunderte sich,

was doch die Störchin alle Lage zum

Brunnen flöge und badete; vermachte also den Brunnen mit

Reißig und Steinen und sah von ferne zu,

würde.

was geschehen

Als nun die Störchin wieder kam und nicht zum

Brunnen konnte, that sie kläglich, mußte aber doch zuletzt

in'S Nest

zurückfliegen.

Da

aber der Storch ihr Mann

heim kam, merkte er die Treulosigkeit, fiel die Störchin an, die sich heftig wehrte, endlich flog der Storch davon, und

kam nimmer wieder, die Störchin mußte die Jungen allein

251 nähren. Nachher um St. Laurenztag, da die Störche forte -uziehen pflegen, kam der alte Storch zurück, brachte un­ säglich viel andere Störche mit, die fielen zusammen über die Störchin, erstachen und zerfleckten sie in kleine Flecken. Davon ist das gemeine Sprichwort auskommen: Du kannst es nicht schmecken.

296. Die TodeSweifsagungen. Sie sind ost, zumal bei hohen Häuptern verwunderlich cingctroffen, je tragischer, je blutiger, je unglaublicher sie den Ausgang verkündeten, um so gewisser stellte sich die.Er­ füllung ein; noch in unseren Tagen an Gustav 111. und Gustav Adolph IV. von Schweden, an Ludwig XVI., am letzten Polenkönig und es ist kaum ein Land, noch ein gekröntes Haupt, über welches nicht eine solche Ueberlieferung vorhanden wäre. Eine der rührendsten mag unstreitig die folgende sein: Eberhard der Gütige von Würtemberg, hatte in tiefer Zerknirschung oft im brünstigen Gebet den Himmel angefleht, ihn vom jähen und unversehenen Tode zu erlösen und ihm ein sicheres Zeichen der nahenden Auflösung zu geben. Er war eben achtundfunfzig Jahre geworden, immer et­ was zart und schwächlich, aber ohne Krankheit und vor menschlichen Blicken ohne Gefahr des Todes. — Er war eben, um seiner Gesundheit zu pflegen, im Göppinger Bad und gebrauchte sich dessen mit der ihm eigenen Heiterkeit. Da trat einmal sein alter treuer Leibarzt vor ihn und sprach: mein gnädiger Herr, bestellet Euer Haus und sorget für Eure Seele, von jetzt'in fünf Stunden werdet Ihr abgefordcrt vor einen ewigen Richter. Der (sraf antwortete: wie soll das sein, da ihr und ich

252 kein Anzeichen von Erkranken oder Sterben an mir verspü­ ret? Ueberdies ist mir

längst

meiner

geweissagt:

Jugend

treue Magd, die alte Anna Remp old, werde mit mir

zugleich abscheiden.

Das gute Weib

doch

bekannt, obgleich steinalt,

aber ist, so viel mir

Doch ihr

gar nicht krank.

mahnet mich recht, ich hatte ihrer vor mehreren Wochen ge­

Bringt ihr dieses von mir.

denken sollen.

kam schnell wieder zurück:

alte Anna nicht mehr.

Herr,



Der Arzt

irdischer Gabe bedarf

die

Sie hat vor einer Stunde die über­

irdische aus Priesters Hand empfangen und greift in die letz­

ten Aüge.

Noch ist mir ein Merkmal angesagt, das sich nem Tode zeigen soll,

vor mei­

fuhr Herr Eberhard fort.

mittlere Linde auf der Eberhards-Ruhe wird zuvor

Die

umstür­

zen und ich habe noch gestern unter ihrem stattlichen Laub­ dach geruht.

Herr,

die

schöne

Sturme gefallen.

stolze Linde

ist

diesen Morgen dem

Sende den Christoph hinunter, daß

er

nachsehe und Dir die Wahrheit melde, und es war dem also. Da erkannte Graf Eberhard

Sterben vor der Thüre sei, und bereitete sich

in

der

Gütige,

daß

sein

dankte Gott für die Erhörung

rührender Andacht.

In der siebenten

Stunde darauf war er zu seinen Vatern cingegangen in den ewigen

Frieden

(16.

Mai

1417.),

zu

seinem

Großvater

Eberhard dem Greiner, und zu dem im Döffinger Sieg, in der Rache der Reutlinger Schmach umgekommenen

Vater

Ulrich.

297. Die Gretelmühle. Herzog Otto, Ludwigs von Banern jüngster

verkaufte die Mark Brandenburg an Kaiser Carl

Sohn,

IV.

um

200,000 Gulden, räumte das Land und zog nach Bayern. Da verzehrte er sein Gut mit einer schönen Müllerin,

Na-

253 mens Margareth und wohnte im Schloß Wolfstein un­ terhalb Landshut.') Dieselbige Mühle wird noch jetzt die Gretelmühl ge­ nannt und der Fürst Otto der Finner, darum, weil er also ein solches Land verkauft. Man sagt: Carl habe ihn im Kaufe überlistet und die Stricke an den Glocken im Land nicht bezahlt.

298.

Die Babenbergcrirriren.

Kaum hat das gesammte deutsche Vaterland, von der stürmevollen Adria bis zum beeisten Belt, außer den schwä­ bischen Hohenstauffen ein herrlicheres Geschlecht aufzu­ weisen, als jenes der vom ostftänkischcn Bamberg nach dem ostbayerischen Melk, Medling, Tuln und Wien ver­ setzten Babenberger, die leider in der drohendsten Zeit er­ loschen, nur vier Jahre vor dem erhabenen Stauffcn Fried­ rich II., nur zwei Jahre vor dem Erlöschen des AndechsMeraNischen Herzogstammes, acht Jahre bevor der mäch­ tige Gibcllinenname der Grafen von Tyrol verschwand. — Aus zwölf babenbergischcn Markgrafen und Herzögen, lau­ ter tapfern Kämpfern gegen überlegene Feinde, liebreiche Väter ihres Volkes und in den Händeln ihrer Kaiser, kluge Mittler und unerschrockene Verfechter, — kein einziger ohne bezeichnenden Beinamen, acht aber als vorleuchtende Sterne am Glanzhimmel des Ritterthumes. Ein schöner und muthiger Jüngling, Leopold von Bamberg, aus einem hartverfolgtcn Geschlecht, das seine Wiege an den Thron der Frankcnkönige hinauftückcn mochte, rettete auf der Jagd den großen Otto. Als des Kaisers Bogen brach und ihn dem Grimme des verwundeten Ungcthüms preis gab, reichte er hilfteich sein eigenes Geschoß, •) Laschmbuch auf 1830.

S. 420.

254 und warf sich dem wüthenden Eber entgegen. Otto löste den zerbrochenen Bogen mit einer Grafschaft im Donaugau und späterhin mit der Ostmark. Diese ward, nachdem die Augsburger Lechfeldsschlacht die schrecklichen Magnaren Deutschland für immer unschädlich gemacht, durch diesen Jüngling als Greis dem Reiche für immer gesichert. Er erkohr zu seinem Horte Melk, die ersiegte Hauptburg der Un­ garn. — Leopold der Erlauchte hieß dieser Held, sein Geschlecht aber die Babenberger, von Baba, einer Frau von großem Haus und von großem Gemüth. Niederlagen der Polen, Mährer und Ungarn und mehr­ malige blutige Entscheidung über ihre Zepter, schöpften sei­ nen Söbnen, Heinrich und Albrecht, die Beinamen dcS Starken und des Siegreichen. Von Adalberts Söh­ nen hieß der eine, kaum der Kindheit entwachsen, schon der starke Ritter, dem andern, Ernst, gab der Sieg, den er an der Unstrut seinem Kaiser mit dem eigenen Herzblut erstritt, den Ehrengruß des Tapfern. Don Wundern des Muthes im heiligen Lande wurden Leopold des Löwenherzcns Richard Beleidigter und Be­ leidiger, der Tugendhafte, Friedrich der Katholische genannt. — Aus zwei Vätern des Vaterlandes hieß der eine der Hei­ lige, der andere der glorreiche Leopold — Ein dritter Leopold ward getauft von seiner Freige­ bigkeit, und es scheint in einem solchen Heldenkranz eine Zurücksetzung, daß Heinrich, der erste Herzog, der Wiedererwecker des gesunkenen Römerlagers Wien, nur von seinem Sprichwort (Ja so mir Gott!), sein Großvater Leopold aber nur von seiner Schönheit den Namen trug. Welches Glanzbild des Ruhmes würde vollends nicht heraufschimmern vom Sarge des letzten, des streitbaren

255 Friedrichs, hätte sich nicht sein ganzes Leben in abgenöthig-

tem Widerstände verzehrt? vom Sarge Friedrichs, den

den Handen

selbst seine Feinde mit

scharren mögen,

aus der Erde hätten

und der, wie Severus

Pedro, der der schönen Inez im

und wie Don

Leben durch seine Liebe

den Himmel, der Todten aber die Krone Portugals gege­ ben, „entweder gar nie hätte regieren sollen, oder ewig!" Kraft und Milde,

Muth und Anmuth erblicken wir als

den eigenthümlichen Hausschmuck dieser Fürsten. eine babenbergische Epoche des Minne-

Es giebt

und Meister-Ge­

sanges, so gut es eine provenvalische giebt.



An diesem

Hof ertönte zuerst der Nibelungen-Sang und so vieler ächt deutscher Meister des Saitenspieles erwärmende Lieder und

rührende Klagen.

An diesem Hofe mischte sich der klöster­

liche Ernst eines Rikard und Ortilo, die treue Beobach­

tung eines A lo ld und Pern old, der weltkluge Sinn eines

Otto von Frevfing in ihren Histonen, mit dem gchcimnißvollen Reiz und mit dem großartigen Gang des Mährchens und der Sage.

Der erste, aus Quellen nachzuweisende Ahnherr der L e o polde und Friedriche, Heinrich Graf und Herzog in

Ostrien und in Neustrien (566 — 886) hatte zur Gemahlin

Baba, Herzogs Otto von Sachsen Tochter und des nach­

maligen Königs Heinrichs des Voglers oder Stadterbauers ältere Schwester. Den neuen Sitz feiner Gränzhut wider die Sorben und

Wenden nannte der Gatte ihr zu Ehren den Berg, die Burg der Baba, Babenberg, Bamberg.

Daß Harald Schönhaar in Norwegen sich Allein­ herrschaft erzwang, trieb seine Genossen schreckend und plün­

dernd

längs

der ganzen

europäischen Westküste, durch die

Mcerenge bis Pisa und bis Luna, das sie für Rom hielten.

— 2hr Rurit wurde der erste Czaar,

ihr mit der Nor-

256 mandie abgefundener Rollo em Ahnherr vieler Königsgeschlechter. Dem Schrecken ihrer Waffen erbleichte das innere Ita­ lien, Frankreich, Deutschland. Carln dem Dicken ver­ wirkte seine rath- und thatlose Feigheit alle auf seinem Haupte wieder vereinigten Kronen Carls des Großen. Heinrich der Babenberger war Einer der wenigen wi­ der diese unwiderstehliche Gefahr unerschrockenen Kampfer. Er ließ das Leben im mannhaften Versuche, da- geängstigte Paris zu bcfteien, im Vorspiel eines düster anhängmden Aweikampfes, nicht durch des herausfordernden Normannen Riesenkraft, sondern durch Hinterlist. Heinrichs und Baba's Söhne geriethen bald darauf mit den zu Fritzlar in der Wetterau seßhaften Grafen in so bitteren Zwiespalt, dergleichen nur der spätere Kampf der Welfen und Waiblinger und der großen Communen des mitt­ leren Italiens liefert, wo jedes Haus zur Burg ward, jeder Garten zum Verhau, jede Gasse ein Schlachtfeld war und jede Familie ein eigner Staat für sich. Vergebens bot der kaiserliche Knabe Ludwig Frieden und lud die Streitenden vor sein Gericht. Die Babenberger, dem allvermögenden Erzkanzler Hatto von Mainz miß­ trauend, erschienen nicht. Sie hielten sich sicherer hinter den sturmfesten Mauern und Wällen ihrer Schlösser. Darob fielen die Hartnäckigen in die Acht und Baba's Erstgebor­ ner, Adalbert, wurde in Theres belagert. Gewalt war vergeblich. Der Trug führte an's Ziel. Hatto selbst, der alte Feind, ging in die Höhle des jungen Leuen, ihn in des Königs nahes Hoflager zu gütlicher Aweisprache ladend, un­ ter einem schweren Eid, Adalberten unversehrt wieder in seine Burg zurück zu bringen. Noch war ihnen diese nicht aus dem Gesichte, als Hatto seines Alters Gebrechen und die Unvorsichtigkeit beklagte, ohne wärmenden Imbiß den

ziemlich weiten Weg zu so ernster Verhandlung angetreten zu haben. Arhlos forderte ihn Adalbert zu schneller Rück­ kehr an den gastlichen Hecrd auf und sie traten sofort ihren Weg zum zweiten Male an. — Zm Lager behielt man Adalberten als Gefangenen. Schnöde rühmte sich Hatto, seinen Eid gelöset und ben Grafen wieder unversehrt nach seiner Burg zurückgeführt zu haben. Er hatte der ausdrücklichen Worte des Eides geden­ ken und sich zum andern Male, als sie aus der Burg rittcn, wahren sollen! Das ebenbürtige Gen'cht fränkischer, allcmannischer und bajuvarischer Großen, erkannte den Tod über den fricdbrüchigen Adalbert. Das schöne Haupt siel, und der jugend­ lichen Thaten heißes Blut besprühte die goldenen Locken. Die Mutter Baba floh mit dem Enkel aus der Wiege und mit der Schwiegertochter Brunehild nach Sachsen, zum Vater Otto und zum Bruder Heinrich. Die Sage bewahrt von dieser Flucht manches unglaub­ liche Abenteuer, manches schöne Beispiel alter deutscher Treue. Des enthaupteten Adalbert Urenkel, Leopold der Er­ lauchte und sein Sohn Ernst, erhielten noch im Verlause desselben Jahrhunderts von den Enkeln Herzogs Otto zwei große Fürstenthümer, Oesterreich und Schwaben. — Der Berg der Baba aber wurde geistliches Gut durch den letzten sächsischen Kaiser Heinrich 11. Er gründete dort mit seiner jungfräulichen Gattin Kunigunde das Hochstist Babenberg, Bamberg.

299. Gisela, der Herzog Ernst nnd seine freunde, der Werner und der Welf. Eine andere Mutter, der, gleich der Ahnfrau Baba, um den geliebten Sohn ein Schwert durchs Herz gegangen,

258 war Gisela, die jüngere Tochter Herrmanns, Herzogs zu Schwaben, aus dem Geschlechte der Lodtfeinde jenes ent­ haupteten Adalbert, und fast noch als Kind vermahlt dem Babenberger Ernst, dem Aweitgebornen Leopolds des Er­ lauchten. — Die üppige Knospe ihrer wundersamen Schönheit war das Gespräch der deutschen Gauen und das Lied der deut­ schen Sänger. Ihre männlichen Lugenden breiteten ihren Ruhm über die ganze erste Hälfte ihres Jahrhunderts und eine dunkle Weissagung eines aus dem blutigen Getümmel der Schlachtfelder in tiefe Waldeinsamkeit übergetretenen Clausners, hatte ihr schon in der Kinderstube die dritte Ehe und aus jeder ruhmbekrönte, mächtige Söhne verheißen. Diese vielbencidete Vermählung des Babenbergers Ernst sühnte den Zorn eben jenes letzten Sachsenkaisers Heinrich, gegen welchen Ernst, im Bunde mit dem stets unruhigen Markgrafen von Schweinfurt, auftührerische Waffen erho­ ben hatte. Don Ad alb ero, einem treuen Vasallen, zu edlem Waid­ werk, jenem „lustigen Gleichniß der Schlachten" geladen, tobten Beide durch den dichten Forst einem Zwanzigender nach. Adalbero, seinem Herrn den Meisterschuß mißgön­ nend , schleuderte voreilig den Wurffpieß quer über, — der Hirsch gewann das Weite, aber Herzog Ernst blutete zum Tode verwundet am Boden. — Sich mit den letzten Mühen auftaffend, verlangte er, in seines unschuldigen Mörders Armen zu sterben, bekannte laut seine Sünden und ließ Gisela ermahnen, ihr Witwenthum zu bewahren und seiner stets eingedenk zu sein. Aus den zwei zarten Söhnlein dieser Ehe übertrug Kai­ ser Heinrich dem älteren, Ernst, des Vaters Herzogthum, Schwaben, unter der Mutter Obhut. — Des waren die Landherrn und das Volk Allemanniens vom Rhein bis zum

259 Lech, und vom Neckar und Kocher bis an den Bodensee we­ nig erfteut. Gleich nach dem Trauerjahre begann ungebetener Rath und ungestümes Drängen in Gisela'n, dem Knaben einen zweiten Vater und Vogt, dem Herzogthum einen mannhaf­ ten Verwalter zu geben. Sie lebte mit ihren Kindern ein einsames und trübes Witwenlcben, gleichwohl von zahlreichen und glänzenden Werbern ersehnt. Des Frankenherzogs Con­ rad nachdrückliche Wünsche schienen vor allen andern bei ihr den mindesten Widerstand, bei ihrem Volke den entschieden­ sten Beifall zu finden. Als Gisela einst aus dem Hause Gottes, vor dessen Al­ tar sie ihre Trauer und die Unschlüssigkeit ihres Herzens aus­ gegossen, die holden Söhne an der Hand, hcraustrat, er­ schreckten und überraschten sie im weiten Burghof unknege­ rische Blitze hcllschimmernder Waffen, zuversichtliches Nicken eines Waldes stolzer Federbüsche, kecker Freudenruf und hoch­ zeitlicher Sang und Klang, mitten durch der Rosse ausge­ lassenes Wiehern, durch der Heerpaukcn dunkclprächtige Weis­ sagung und durch den schmetternden, immer dringenderen An­ ruf der Trompeten. Der kühne Conrad hob sie auf fein reichgeschmückles Roß, jagte nach seiner Burg zur Trauung und ihr Volk und ihre Mannen jauchzten der seltsamen Ent­ führung Beifall zu, statt ihr zu wehren. Da warf das Erbe von Burgund der Zwietracht Fackel in Gisela's Haus. Wohl strahlte ihr noch auf langer Bahn, hell und herrlich, die Glückssonne. Aber diese Strahlen waren sengend, und die hohe Frau stand zwischen den Leichen ihrer Söhne erster Ehe, wie eine falbe, überreife Aehre, deren die n'ngsum Alles niedermähende Sichel vergaß. Der kinderlose Burgunderkönig Rudolph (wie U h l a n d s hell steudiges altschwäbisches Talent so wahr als schön sich auSdrückr), ihr Oheim, dessen sie sich nie gerühmt, ein Greis,

260 der niemals Jüngling gewesen noch Mann, vor dem meister­ losen Trotz unbändiger Vasallen erzitternd, vermachte seinen dürren Zepter dem Kaiser Heinrich und dem Reiche, zum

lauten Mißvergnügen seiner rechten Erben und der Großen

seines Landes. —

Der lebenskräftige Heinrich starb aber

durch eine gar ost wiederkehrende Laune des Geschickes, vor dem schwachen, siechen Rudolph. Die

deutschen

Völkerschaften,

Sachsen,

Franken

und

Lothn'nger, Bauern und Schwaben strömten den Rhein hin­ ab zur Kaiserwahl, auf's Maienfeld

zwischen Worms und

Mainz — und die Wahl traf den gepriesenen Conrad. Jener süße Bund der Ueberraschung

zwischen ihm

und

Gisela, sah sich vom ersten Augenblicke angefeindet, doch vergebens. —

Was so eins war, konnte sich nicht lassen!

— Fruchtlos zürnte die Kirche, (Gisela und Conrad wa­ ren nahe verwandt), vergebens gebot Kaiser Heinrich Tren­

nung, vergebens machte der

Erztanzler Miene, der neuen

Königin die Krtznung zu verweigern.

Allein Conrad

hatte

nun Burgund für das Reich anzusprechen, — nach Bluts­ verwandtschaft aber gehörte es dem Schwcsterenkel Rudolphs,

Ernst, Gisela's Erstgebornem.

Geringere Gunstbezeigungen schienen ihm noch kein Ersatz für Burgund.

Er ergriff die Waffen; indeß Conrad am

andern Ende Italiens vollauf beschäftiget war, verheerte das Elsaß, siel in Burgund, setzte sich bei Solothurn fest.

Glorreich kehrte Conrad aus Italien wieder und schied die Empörer auf den Tag zu Ulm. —

bc-

Ernst trotzte

auf ein mächtiges Gefolge von Vasallen, die aber alle ihn verließen, da sic Niemand verpflichtet sein könnten, wider

ihren höchsten Lehnsherrn und König. Sofort gericth Herzog Ernst in die Roth, sich unbedingt

zu ergeben.

Conrad verbannte den

Ernst's übrige Bundesgenossen.

Herzog

Er selbst kam

Welf und

als Gefan-

261 gcnet des Raches auf den Felsen Giebichenstein an der Saale, nicht lange darauf berühmt durch den wunder-samen

Spnmg eines andern

erlauchten Gefangenen, des thüringi­

schen Landgrafen Ludwig.

In solcher Lage war Ernsten ein einziger Freund ge­ blieben, Graf Werner von Kvburg.

Als er aus dem Ul­

mer Tage bei dem allgemeinen Abfall seinen fürstlichen Freund

nicht zu retten vermochte, eilte er auf seinen Felsen an der Löß, und trutzte dort Monden lang der übermächtigen Be­

lagerung, warf Feuer in das Schloß, als er sich aufs Acußcrste gebracht sah, und ließ dem Kaiser die von Rauch und

Flammen beleckten öden Mauern, eben dieses Kybürg, wel­ ches noch im österreichischen Kaiscrtitel prangt. Da Conrad durch einen neuen Vertrag und durch die

Waffen Burgund dem Reiche dauernd verbunden hatte, und jener Sturm beschworen schien, traf auch Gisela's banges Flehen ein geneigtes Ohr. Nach zweijähn'ger Gefangenschaft erhielt Ernst Freiheit

und Herzogthum wieder, gegen Urfehde, und daß er den ge­ ächteten und noch immer ungebeugten Werner von Kyburg

verlassen, ja selbst greifen und zu des Reiches

Hast liefern

wolle. Aber nicht die nahe Hoffnung erneuerter Herrlichkeit, nicht das vergangene Leiden konnten Ernst verlocken,

den zu

verrathen, der so fest und treu an ihm gehalten! Der ergrimmte Conrad sprach nun aufs Neue die Acht über ihn und forderte selbst von Gisela das Gelübde, dem

verlornen Sohn weder öffentlich noch heimlich zur Hilfe zu sein, noch zu rächen, was ihm wicdcrfahre, ja

nicht einmal der

armen Mütter und Gattt'nnen schönstes Vorrecht fürderhin

zu üben und den Kaiser mit Fürbitte zu bestürmen. Unter der Felscnlast des Bannfluchs und der Acht irrte nun Ernst aus dem Fürstensaal zu Aachen, den Rhein hin-

262— inter, fand seinen Werner und (wiewohl er bei dem Gewffen seiner Ansprüche auf Burgund, bei dem wilden Grafm Odo von Champagne, fruchtlos um Hilfe geworben), vrrband er sich viele Unzufriedene, zumal da Conraden die Heerfahrt nach Ungarn in Athem hielt. Nach des heiligen Stephan Hintritt entglühte dort aufs nrue das unter der Asche glimmende Feuer des Widerstreites zwischen Christenthum und Heidenthum, zwischen abendländi­ scher Kultur und dem Nomadenleben des Aufgangs, in blu­ tigem Thronzwist zwischen den beiden Vordermännern dieser Parteien, Stephans Neffen Peter und Stephans Schwa­ ger Aba. Wohl konnten, wenn Aba und seine Götzen die Oberhand behielten, jene schrecklichen Magyarischen Ueberschwemmungen aus den Tagen Ludwigs des Kindes wiedcrtehren! — Ernst und sein mannhaftes Häuflein hielten sich auf Falken stein, einer festen Burg des Schwarzwaldes. Aber dort bald vertundschaftet und umgarnt, ohne andere Wahl als zwischen schmählicher Uebergabe und ruhmvollem Tod, wählte er den letzten und brach aus dem WaldeSdunkel her­ vor, wider seinen Verfolger, Grafen Mangold von Be­ ringen. — Das Herzogthum Schwaben verwaltete für Gisela's jüngeren Sohn, Herrmann, der weltkluge Bischof Warr mann von Konstanz. Der hatte seinen Liebling Mangold wider Ernsten auSgesendet. Es war ein Gewühl der Ver­ zweiflung. Die Ueberzahl hatte Mangold. Es fielen die Edeln alle ritterlich auf ihre Schilder. Ernst schonte kei­ nes Lebens, so ward denn auch des seinigen nicht geschont. Und so fiel er denn mit Wunden bedeckt, Gisela's Liebling, denn die Mütter lieben immer am meisten, wofür sie die meistm Schmerzen gelitten. Es fiel auch sein Freund, der Werner, nachdem der

263 feindliche Heeresfürst Mangold unter seinem Schwert auSgeblutct. Schon die Zeitgenossen und häufiger noch die Nachkom­ men wiederholten in Mährchcn und besangen in Liedern die Buße Herzog Welfs und die Abenteuer Herzogs Ernst im Morgenlande, wie ihn ein wilder Strom durch ungeheure, lichterhelle, von Silber, Gold und Edelsteinen funkelnde Gewölbe und Kanäle, im Eingeweide hoher Berge gerissen, wie er mit Riesen und Zwergen gekämpft, — wie der Magnetberg seinem Schiffe die Nägel ausgezogen habe, daß es in Trümmer ging, und wie er kcinesweges erschlagen und gestorben sei, sondern vielmehr wiedertehren werde aus jenen fernen Wunderlanden. Gisela sah ihren Sohn von Conrad, Heinrich III., als Knaben schon gekrönt und empfing selbst zu Mainz der Deutschen königliche, zu Rom die Kaiserkrone. Sie überlebte ihren Liebling Ernst dreizehn, den Ge­ mahl Conrad vier Jahre. Der Zwiespalt zwischen den Ahnenseinden von Babenberg und aus der Wetterau hatte sich in ihrem eigenen Blute er­ neuert , zwischen Sohn und Gemahl, zwischen Conrad und Ernst, und noch einmal war der Babenberger ursprüng­ liches Recht der Form und der Uebermacht unterlegen. — Der geächtete Adalbert hatte unter dem Schwert der Ge­ rechtigkeit ausgcblutet. Der geächtete Ernst, demselben gleichfalls verfallen, bedeckte glücklicher die Wahlstatt mit Feindesleichen und wie zum Jnsiegel des Sieges mit seiner eigenen.

300.

Frowiza, die Ungarin.

Ungarns großer König und neuer Schöpfer, Stephan, hatte eine geliebte Schwester an Peter Otto UrsealuS,

264 Venedigs Herzog, vermählt.

Sie lebte mit dem

traurige Jahre der Verbannung

Gemahl

Ihren

zu Dnzanz.

Sohn

Peter berief Stephan in seinen geheimsten Rath und stellte

ihn

an die Spitze der deutschen Leibwache.

Adelheid, auch Frowiza genannt, Nachbar, dem Markgrafen

in

gab

Ihre Tochter

er

1021 seinem

Oesterreich, Adalbert. —

Bisher trennte beide Völkerschaften ausrottender Haß, denn

der

von

dem

erlauchten

Leopold

aus

Mölk

vertriebene

Geysa konnte die blutigen Raubzüge nicht unterlassen, opferte

den Götzen und huldigte dem Kreuze, „weil — war seine

naive Antwort an die römischen

Missionäre — er es thun

könne und zu beidem reich genug sei." Stephan verblich ohne männlichen Erben (15. Aug. 1038),

Sein Sohn Emmerich, in jungfräulicher Ehe le­

bend , war ihm sieben Jahre im Tode vorangegangen, (1031

2. Sept.), von einem wüthenden Eber auf der Jagd zerris­ sen.

So folgte ihm, von der Königin mächtig beschirmt, der

Neffe Peter.

Stephans Vettern, Andreas, Bela und Leventa, Söhne Ladislaus deS Kahlen und nach unsern spätem Be­

griffen von Lineal- und Gradual - Erbfolge,

nähere Thron­

erben, fanden weder in Böhmen noch in Polen

Freistätte.

eine ruhige

Auch dieses Peters Thun zeigte dem Volk wenig

Benis zum Throne, am wenigsten zu

diesem.

Stephan

hatte fein großes Reformationswerk meist auf deutsche Prie­

ster und Ritter gegründet. Höchst unklug fachte Peter dm ohnehin schon regen Na-

ttonalhaß zwischen Deutschen und Magyaren zur verzehrenden Flamme an. Wildes Gelüsten des Königs und seiner Günst­

linge waren das einzige Gesetz.

Unklug mischte sich Peter

auch in den Krieg um Böhmens Unabhängigkeit. Edles un­ garisches Blut floß für eine fremde Sache und willkürliche Abgaben sollten die kostbaren Zurüstungen decken.

Da kün-

265 digten auf dem Tage zu Stuhlweiffenburg, die Bischöfe und

allen Gehorsam auf.

die Großen Petern

Die Deutschen

wurden gesteinigt, zu Tode gemartert, vertrieben.

Die al­

ten Götzen wurden wieder in des Waldes Nacht, am Wasser­ sturz, in Klippeneinsamkeit auf Felsengipfeln verchrt, die ge­

schlossenen Orte als verhaßte

Gefängnisse geflohen und

die

köstliche Gewohnheit eines wild umherstreifenden Hirten- und

Jägerlebens, oder tagelangen stumpfen Hinbrütens und Wie­ derkäuens auf seinen Thierfellen, kam unter allgemeinem Ju­ Das leibeigene Volk sah sich

bel wieder an die Reche.

des

des Lichtens der ungeheuern Wälder

mühsamen Ackerbaues,

und so mancher Arbeit ledig, deren Zweck und Lohn es nicht

begriff.

Prinz Levcnta

selber

ging

mit gutem Beispiel

vor, beim Mahl von Pferdefleisch, schor den Kopf nach

magyarischer Weise,

nur

die Borderhaare

in

alt­

drei Zöpfen

wild herunterhängend und den Lippcnbart bis über die Brust.

Stephans

Schwager, der rauhe Cumane Aba,

in

der

Taufe Samuel genannt, doch dem Glauben aus Rom und aller Sitte aus dem Westen herzinnig gram, wurde als Kö­

nig ausgerufen.

floh

Peter

und zum brach

zur vielvermögenden Schwester Frowiza

Schwager Albrechts in die Ostmark.

Aba

auf beiden

Sogleich

Donauufern in Oesterreich ein und

und fcuerflackernden Zuge bis

kam auf seinem

blutbefleckten

an die Trafen.

Da aber brausten Albrecht und sein Sohn

Leopold, (kaum bärtig, schon „der starke Ritter" zubenannt) gleich erzürnten Waldströmen auf die des leichten Vordrin­

gens allzufrohen Ungarn und schlugen sie gänzlich. Heinrich

HL,

Sohn Conrads und jener Gisela,

(deren Mutterschmcrz um

drang, Albrecht in

Ernst

diese Blätter beschrieben),

der Vorhut, bis an den Granfluß,

Alles verwüstend, in Ungarn ein.

So mannhaft auch Albrecht widersprach, erhielt Aba

Hormayrs Taschenbuch

12

266 dennoch Frieden um Geschenke, und Peter blieb ein Ver­ bannter, Oesterreich aber ward vergrößert vom komagenifchen oder kahlen Berge bis an die Leitha. Aba, seiner Gewalt nun sicher, machte aus ganz Un­ garn ein großes Gefängniß, eine einzige Richtstätte. Vier­ zig verdächtige Große, zur Krönung des Zwingherrn berufen, hauchten ihr Leben am Pfahle auS. Niemand war mehr seines Lebens sicher, und Weiber und Kinder griffen nach Waffen, zu jedem Aeußcrsten bereit. Der Kaiser Heinrich und der Markgraf Albrecht drangen nun zum drittenmal in Ungarn ein, und den 5. Juli 1044 geschah auf den Feldern um Menfö, bei Raab, die Schlacht um das ungarische Reich. Aba focht, wie eine Krone es verdient, daß man um sie fechte. Eine Wolke von Pfeilen gab einer Flur den bis auf den heutigen Tag wäh­ renden Namen Veszetnemet (Grab der Deutschen). Schon wich Peter im Mitteltreffen, der Kaiser auf dem rechten Flügel war in starker Bedrängniß. Da fiel Adalbert, ein­ gedenk, was er der Gattin Frowiza für den Bruder Pe­ ter zugeschworen, in der Ungarn entblößte Seite. Der Him­ mel selbst schien ihm verbündet, seine Deutschen mit der Farbe der Treue heiter anlächelnd, die Ungarn durch Sturm und Staubwirbel blendend, durch Donnerschlage erschreckend, ihr Geschoß durch Regen erschlaffend. Albrecht hieß von diesem Tage der Siegreiche. Aba fand erst an der Theiß ein Ziel seiner Flucht und am Ziel der Flucht auch das Ziel des Regierens und Lebens. Unge­ treue Freunde brachten Petern sein abgeschlagenes Haupt. Peter empfing zum Zeichen der wiedererrungenen Königs­ würde die goldene Lanze und bäuerische Gesetze. Er schwur den Vasalleneid und gelobte jährlichen Tribut. Fremdlingsjoch wird ungerne ertragen und die Ruhe ist unsicher und kurz, deren einzige Bürgschaft auf fremden

267

Waffen beruht.

gewaltige

Auch die

Schule des Unglücks

war an Petern verloren.

Noch einmal fuhr Kaiser Hein­

rich von Regensburg die

Donau hinunter,

Die Gefahr am Strudel und Wirbel ging

ihm zu Hilfe.

glücklich vorüber,

doch ward die verhöhnte Weissagung des schwarzen Mönchs, der zum -den Fenster des verlassenen

und

Thurms herausnickte

drohte, mitten im rauschenden Freudenlärm erfüllt.

Auf dem Schlosse Pösenbeug erwartete den Kaiser die be­

rühmte Gräfin Richlinde von Sempt und Ebersberg

mit

köstlichem Mahl, Bankett und ritterlichen Spielen.

Ueberall

lebenslustiger Taumel, zu allen Pforten, zu

Fenstern

allen

herauslärmend, — aber urplötzlich ein Heben und Jittern un­ ter den Fersen, dumpfes Gedröhn, Staub, Angstgeschrei deü

Schreckens und Weheruf.

Der Fußboden war eingebrochen,

und die ganze Versammlung in das unter dem Tanzsaal be­

Es war dieses der Gastfrau

findliche Bad hinuntergestürzt.

Richlinde letzte Stunde.

Auch Bischof Bruno von Würz­

burg, auch Abt Altmann von Ebersbcrg nahmen den Tod. Verwundet waren Diele, der Kaiser erhielt sich in einem Fen-

stcrbogen und kam mit einer Quetschung am Arme davon. Auch dieser Aug konnte Peters Unstern

nicht wenden.

Er sah das Blut seiner wenigen Freunde, seiner Leibwache,

aller Deutschen Gerard von

und Italiener.

Da ward auch

der heilige

Csanad bei Ofen von dem Berge

gestürzt,

der noch seinen Namen trägt, und, so groß war der Haß

alten Glaubens und alter Sitte gegen das Neue, dem

Christenthume

getreuen

Szolnoker

Liebling und Taufpathe Murthmur in

daß den,

Obergespann, dem Nachen

sein

ereilte

und erschlug, der ihn den verfolgenden Feinden schon bis über

die Mitte der Donau entzogen hatte. Die Ladislaiden, der Erstgeborne Andreas an der Spitze zogen in Pesth ein.

Auf nochmaliger Flucht zur Schwester

12*

268 Frowiza wurde Peter bei Wieselburg ereilt, nach rasen­ der Gegenwehr niedergeworfen und der Augen beraubt. Markgraf Albrecht behauptete l-wenkühn die Vergröße­ rung seiner Mark auch ganz allein, und nöthigte den Ungarn in dem, aus römischen Trümmern wieder neu emporgerichte­ ten Haimburg, dicht an der weit Hinschauenden Königsfeste Preßburg, eine ungelegene Brille auf. Don welchem Einfluß auf ihre Seit und auf die Wechsel­ schicksale der Ostmark und Ungarns, die Babenbergerin Fro­ wiza gewesen, erhellet daraus, daß wir (wie vielleicht von keiner andern Frau ihrer Tage) drei von ihr gefertigte kaiser­ liche Urkunden haben, daß Adalbert um ihretwillen reiches Besitzthum in Land und Leuten an der Piesting und Triesting und an den zwei Tajen, sie selbst aber als Witwe zwanzig königliche Höfe in Oesterreich zum Geschenk erhielt. Es war eine genaue Freundschaft -wischen ihr und Hein­ richs Gemahlin, Agnes von Poitou, jenem viel geprie­ senen Wunder von zarter und zärtlicher Schönheit.

301. Hedwig, Helena und Agnes zwischen den Arpaden und den Babenbergern. Frowiza war nicht die einzige Babenbergerin, die ein durch vielfach eingreifende Ereignisse bezeichnetes Band zwischen Oesterreich und Ungarn, zwischen Arpaden und Babenbergern geflochten, Dir finden noch eine arpadische Hedwig und Helena, als Gattinnen von Babenbergern und eine baben­ bergische Agnes, als Gattin eines arpadischen Königs. Fin­ sterer Argwohn bereitete dem Könige Colomann gegen den Ausgang seines Lebens trübe Tage und schlummerlose Nächte. Zweimal hatte er schon dem Prinzen AlmuS ver­ ziehen. Die Freuden der Jagd und der Klosterbau zu Dömös schienen den bald finnlich aufflackernden, bald in schwär-

269 merische Wehmuth ergossenen Jüngling ganz auszufüllerr. Da schoß einmal sein gewaltigster Falke mit einem gefange­ nen Reiher blitzesschnell aus hoher Lust vor Almus darob scheuendes Roß nieder. Glaubt Ihr nicht, sprach der Unbe­ sonnene zu seinen Begleitern, Spürhunden des Königs, daß der Reiher in diesem Augenblicke Alles geloben und Alles thun würde, ließe mein wackerer Falke ihn nur steil — Diese, stets geschäftig, die Flamme zu schüren, die sie vielmehr löschen sollten, erwiderten bedeutungsvoll: Jetzt könne der Reiher eben so wenig schwören, als der Falke solchen Schwures achten! Gleich einem die finstere Wetternacht zerreißenden Blitz­ strahl, durchfuhr es nun Almus, welches unglückselige, sein Innerstes preisgebende Wort seinen Lippen entflohen und wie es rasch ersaßt worben sei! Er floh zu Leopold dem Heiligm. Vergeblich forderte Colomann mit Feuer und Schwert seine Auslieferung. Leopold vergalt mit Feuer und Schwert den Gegenden am Neusicdlersee. Ein schweres Verhängniß drückte immer schwerer auf Colomanns letzte Tage. Den einen Sohn erster Ehe, Ladislav, staß eine Seuche. Die schwangere Königin Predslawa, des russischen Swatopluk, Czaren zu Kiew Tochter, verstieß der kranke König mit der ungebornen Frucht ihres Leibes, die er als Bastard erklärte. Im Vaterhause gebar sie den unglücklichen Boris, dessen Ansprüche später­ hin das Reich der Magyaren verwirrten. Sie nahm dm Schleier und sargte ihr blühendes Leben und ihr allzuzärtlicheS Herz in Klostermauern ein. Um so unerbittlicher waltete nun des wuthentbrannten Colomanns Sorge, dem kaum dreizehnjährigen Stephan die Krone zu sichern. Der Heuchelschein aufrichtiger und dauerhafter Versöh­ nung lockte Almus (wie einst dm Babenberger Adalbert)

270 au- der Ostmark in die Heimath. Er wurde ergriffen und sammt seinem fünfjährigen Sohn, Bela, geblendet. Ster­ bend befahl der König sogar, sie hinzurichten. Aber die Mönche seines Klosters Dömös retteten Almu- in die Kirche auf den Hochaltar, und als die meuchlerischen Schranzen doch Hand an ihn legen wollten, auch an dem heiligen Orte, griffen sie zu den Waffen und vertriebm sie. Und dennoch bestieg in der Folge jener blinde Knabe, als Bela II., den Thron, ihn glorreich behauptend wider Böhmen und Polen, wider Venedig und Byzanz und wider den Prätendenten Boris, durch seine Gemahlin, die ser­ bische Helena, deren Vater Urosch auch um Almuwillen das Licht der Augen verloren. Sie waltete nicht viel milder, als Brunehild und Fredegonde. Helena fühlte das Gewicht der österreichischen Nachbar­ schaft. Sie gab Belas Schwester, Hedwig, dem ältesten Sohne des heiligen Leopold, Adalbert, dessen Schönheit und Muth alle Herzen entgegenschlugen. Aber ein unheilbares Siechthum fesselte seine thatendurstige Jugend nicht auf das Feld-, sondern gichtbrüchig auf das Krankenlager, und gönnte ihm keine andere Tapferkeit, als in der völligen Entsagung aller Lebensfteuden und in der schwersten Tugend, der Geduld. Hedwig fügte dem gebeugten Adalbert den einzigen Schmerz zu, daß sie vor ihm starb. Beide Leichen vereinigte der Vater Leopold auch im Grabe zu Klosterneuburg. — Dieses Bandes schnelle Lösung wendete die Babenberger wie­ der gegm Bela. Boris fand bei ihnen, wie beim deutschen König Con­ rad, ein geneigtes Ohr. Mit ihrer Hilft gewann er Preß­ burg. Aber Helena's Sohn, der sechzehnjährige König Geysa, nahm Rache, entriß Heinrichen Jasomirgot t (ll. Septbr. 1146) ün grimmigen Gewühl an der Leitha

271__ den bereits errungenen Sieg und zwang ihn, sich nach Wien hineinzuwcrfen.

Da trennte auch diesen Zwist, (wie den viel größeren der Welfen und Waiblinger), der Abt von Clairvaux, Bern­ hard, auf dem Tage zu Speyer, dem Könige und den Für­ sten die Kreuzessahne darreichend, zur Rettung des schwer bedrängten heiligen Landes. Es war keine freundliche Aussicht für Ungarn, daß Heinrich Iasomirgott, von dieser unglücklichen Kreuz­ fahrt heimkehrend, aus Constantinopel eine Braut mitbrachte, Theodora, Nichte des Kaisers Flavius Manuel Komnenos und daß zwischen den Höfen von Byzanz und Wien ein förmliches Allianzsystcm sich erhob.

Dieser Ehebund blieb nicht der einzige. Auch die Mut­ ter des letzten Babenbergers, der auf ihrem nun verwaisten Kahlenbergerschlosse der Gram um ihren Schn, den streitba­ ren Friedrich, am achten Tage das Herz brach, war eine Komnenerin und kurze Zeit weilte auch auf Friedrichs La­ ger eine griechische Sophie, des Kaisers zu Nicäa, Theo­ dor Laskaris, Tochter, Schwester jener Maria, deren Verstoßung heftigen Krieg zwischen dem Vater Andreas und dem Thronfolger Bela entzündete. Von den Liedern der Minne- und Meistersänger, bis herunter auf die Stadtrechte und Zollsatzungen selbiger Tage, zeigt wohl kein deutscher Hof und kein deutsches Land so häu­ fige und so eingreifende Spuren der Verbindung mit dem Morgenlande, als der Hof der babenbergischen Herzoge des deutschen Aufgangs.

Aber eben je folgenreicher das Vernehmen zu Wien und Byzanz sich an einander rankte, desto gebieterischer wies sich auch schon Geysa die Nothwendigkeit bedenklichere Folgen desselben durch gleichmäßige Bande vorhinein zu entwaffnen.

272 Es geschah eine Wechselheirath. Eine sanftere Helena, Enkelin jener furchtbaren, wurde dem Sohne Heinrichs und Lheodora'S, Leopolden dem Lugmdhasten vermähtt. Stephan III., Geysa's Sohn, feierte zu Wien sein Beilager mit Lgnesen, Heinrichs Jasomirgott Toch­ ter, verherrlicht durch die Gegenwart des großen Barba­ rossa, mit dem zugleich ein Bundes- und Subsidien-Dertrag wider Byzanz zu Stande kam. Der inneren Parteiung des Bürgerkrieges, Haus- und Bruderzwistes offenen Höllenrachen, wie er später zwischen der rothen und weißen Rose, zwischen Burgund und Or­ leans gerast, sahen diese Babenbergerinnen auch unter den Arpadm. Ihre sanfte Hand hat ihn nicht geschlossen, der zarten Lippe Segensspruch hat ihn nicht beschworen, aber die verzehrenden Flammen wagten sich eine Weile nicht an's Licht hervor und nur die schwarzen Rauchwolken verkündeten die Gährung des finstern Eingeweides.

302.

Die den böhmisch - mährischen PrzemySliden vermählten Babenbergerinnen.

Iwei Schwestern des heüigen Leopold, Töchter Leo­ polds des Schönen, warm feindlichen Vettern vermählt. Die ältere, Ida, dem mährischen Herzog Luitpold zu Inaym, Söhn jenes Conrad, welchen, in Brünn hart be­ lagert, die kluge und zärtliche Beredsamkeit, aus seiner Ge­ mahlin Wir birg e schönem Munde" strömend, errettete. — Die jüngere Schwester, Hedwig Gerbirge, ward dem drittm Sohne des erstm Königs, WratiSlaw Borziwov, dem zweiten um wenige Wochen früher angetraut, als sein Bruder Brzetislaw (22. Septbr. 1100) auf der Jagd

273 unter dem meuchlerischen Pfeil jener ewig unruhigen Wrssowetze verblutete. Auf dem Reiche der Czechen lastete, wie auf dem der Magyaren, eine der schrecklichsten Plagen, Ungewißheit der Thronfolge. Zwischen den in Grad und Linie näheren oder entfernte­ ren Stammesvettern, entschied häufig das Schwert oder der Kaiser gewaltsame Einmischung. Die vor einem halben Jahrhundert (10. Jänner 1055) von dem sterbenden Achill Brzetislaw I. mit seinen Wladikm zu Chrudim aufgerichtete Satzung, schim weniger dem Erstgebornen des letztverblichenen Herzogs günstig, att dem ältesten des ganzen Hauses, in der nicht für gemeineEigenthum, wohl aber für die Herrschaft über Land und Leute unnatürlichen Weise eines Seniorates. So trat denn nun auch der mährische Herzog Ulrich zu Brünn, als Aelttster, nebst seinem Bruder, jenem Luitpold von Znaym, mit HeereSmacht auf, als Brzetislaw II., Obsieger der Polen, Vertilger der Ueberreste des HeidenthumS und strenger Feind der Juden und räuberischen Kreuzfahrer, Heinrichs IV. treuer Freund, jenem vermeinttichm HauSgesetze zuwider dm Bruder Borziwoy zum Throne berief. Beide Schwestern, Gerbirg und Ida, sahen nun die Waffen der Gemahle im neblichten Feld feindselig wider ein­ ander blitzen, und auf welche Seite auch die eisernen Wür­ fel fallen mochten, sie zerschmetterten auf jeder ein verwandtes Herz. Wmige Fürsten erfuhren in solchem Grade, wie Bor­ ziwoy, des Glückes Unbestand. Dreimal bestieg er den Thron, und dreimal ward er wiederum in'S Elend verstoßen. Daß Brzetislaw für seine Nachfolge Heinrichs IV. Zustimmung gesucht, daß dieser ihn auf dem Hostage zu Mainz durch die Fahne mit der Anwartschaft auf Böhmen

274 belehnt, reizte der Wladikrn und des Volkes Unabhängigkeits­ sinn, also daß selbst die meuterischen Wrffowetze, Bo sey und Mutina, denen er die eingezogenen Güter wiedergegebrn, zum Prätendenten Ulrich übertraten.

Deutscher Einfluß hatte die öffentliche Meinung von Borziwoy gewendet, und dennoch meinte Ulrich vorzüglich durch deutsche Hilfe, der Czechen Zepter seinem Widersacher aus den Händen zu winden. — Nicht der Staat, nicht der Ein­ zelne fallen ungestraft aus der Rolle. Die andern Prinzen des Hauses traten zu Borziwoy und als Ulrichs fremdartiges Heer bei Milin BorziwoyS Streitkräfte ansichtig ward, zerstäubte es in panischem Schre­ cken bei Nacht und Nebel und Borziwoy war deS Neben­ buhlers ledig ohne Kampf. Die im Innern solchergestalt wiedergekehrte Ruhe zerrüt­ tete Borziwoy selbst, durch vorschnelle Einmischung in die polnischen Handel. Daß Borziwoy seinem Vetter und kriegerischen Bun­ desgenossen Swatopluk von Ollmütz den Antheil an Subsidien und Beute unterschlug, machte diesen zum Empörer. Zwar mißlang die erste Ueberrumpelung Prags, aber als Borziwoy, auch Söhne hoffend, die sein Alter ehren wür­ den, gen Regensburg zog, mit seinem Schwager, dem heiligen Leopold, den alten Kaiser Heinrich wider dm unnatürlichm Sohn gleiches Ramms, aber ungleicher Art, zu beschirmen, setzte Swatopluk unter allgemeinem Zuruf die Krone auf sein Haupt, und Borziwoy floh zu feinen alten Feinden, dm wankelmüthigen Polen, reich an Schätzen und Kleinodien, aber an Anhängern arm. — Doch war ihm die Gattin Gerbirg, babenbergischen Sinnes, in Gefahren und Elend gefolgt und an des neuen Kaisers Hof war ihm ein hcldmmüthiger Freund geblieben, der von der Liber bis

275 zur Weser gefeierte und gefürchtete Leu,

Graf Wiprecht

von Groitsch. Borziwoy, die geretteten Schätze nicht sparend, Swa-

erworbene Böhmen plündernd, trachteten

topluk, das neu nun, bei

dem

überbieten.

geldarmen Heinrich

Swatopluk ward

V.

sich wechselseitig zu

aber wie

anerkannt,

eS

scheint, Borziwoy nicht trostlos gelassen. Als der Erstere Heinrichen nach Ungarn gefolgt war,

die Polen den Borziwoy nach

führten

Swatopluk

und

einige Statthalter

der Eine, Weezek, beschuldigte den

wetz, des Verrathes. wand

ein

leeres

KafferS ganze

Dm

Gerücht:

Heeresmacht

Böhmen

würben

zurück,

geschlagen,

andern, dm Wesso-

Uebenvinder Borziwoy über­ eile,

Swatopluk

durch des

verstärkt, aus Ungarn

herbei.

Er und seine Polen flohm vor keinem Feind. WaS Makbeth

aus finsterm Argwohn an dem nicht

vom Weibe gebornenThan von Fife that, überbot Swa­ topluk an

den Wrssowetzen tausendfach;

Greise, Müt-,

ter, Säuglinge und zarte Töchter erlagen alle einem einzigen

TigerSgriff, und ganz Böhmen, das arme Land, glich Schott­ land unter Makbeth.

Auf

dem

Auge wider die Polen, Borziwoys

Gast­

freunde, durchstieß ein, jmem allgemeinm Blutbade entronnmer, unerkannt im Lager wellender und

zu dieser That der Rache pluken,

von Wiprecht

befeuerter Wrssowetz, Swato-

als er in finsterer Mitternacht aus deS Kaisers

Gezelt nach dem seinen eilte.

Die Großen wankten nun wieder zwischm des Ermorde­

ten Bruder, dem schwarzen Otto von Ollmütz und zwi­ schen deS vertriebenen Bruder Wladislaw. Roch einmal erfochten Borziwoy und der Held

Wip­

recht die Hauptstadt Orag und den Wischehrad. Des Kaisers Machtspruch entschied: Wladislaw

sollte

276 Böhmens Herzog bleiben. Borziwoy folgte dem Kaiser als Gefangener. Auf einer alten Burg am Rhein schaute er, lebendig begraben, in das immer bewegte Leben hinaus. — Deß Kaisers Beispiel schien Wladislawen überaus nachahmungßwerth, er lockte den Rebenbuhler Otto auf den Landtag nach Satzka und sendete ihn als Gefangenen auf Bürglitz. Das Würgen des Argwohns oder der Rache begann von Neuern, aber nur um so häufiger, schielender und giftiger schossen die Pilze der Zwietracht aus der böhmi­ schen Erde hervor. Der Gattin fromme List fand durch Gitter und Riegel zu Borziwoy den Weg. Er floh zu seinem jüngsten Bruder Sobieslav nach Polen; auch des eingekerkerten Otto Anhang erhob das Haupt. Sobies­ lav schlug die Böhmen mit seinen Polen, aber der Sieg über die eigenen Untetthanen war so theuer, daß er'S nicht wagte, die Elbe zu überschreiten. Borziwoy, deffm un­ kundig und nur der wiedererlangten Freiheit floh, keiner -Seele verttauend, von allen Mitteln entblößt, irrte mit Gerbirg, dem Vorbild der Treue, bald auf offenem Heerweg, bald in der Verborgenheit von Bergen und Wäldern herum, und soll eben die Hand, die Tonnen Goldes vergeudet hatte, mancher Gabe des Mitleids geöffnet haben. Der königlichen Witwe und Mutter Swatawa rühren­ des Flehen und unermüdetes Hin- und Herreisen und Ver­ mitteln von einem der feindlichen Brüder zum andern, wen­ dete endlich des Reiches gänzliches Verderben. So grauen­ voll ergriff Wladislawen Borziwoys tiefer Fall, daß er zu seinen Gunsten der Herrschaft zu entsagen, bereit war. Borziwoy selber schlug es aus, die beiden Brüder theilten daS Reich nach dem Lauf der Elbe. Aber aus Borziwoys Seele war alle königliche Müde und Ruhe gewichen. Rur Fremdlingen gönnte er sein Angesicht, Würden, Hoffnungen und seine Schätze. Seinen bösen, unzeitigen Rachedurst ver-

mochte er nimmer zu- zügeln. Mißvergnügen ergoß sich über das Land und über die Brüder. Borziwoy, zum dritten male vertrieben, nahm in Ungarn ein dunkles, dürstigeEnde. (2. Febr. 1124). Die, welche in solcher kaum erhörten Ebbe und Fluth der Hoheit und Niedrigkeit, des Zepters, Schwertes und Bettel­ stabes ihm allein geblieben, Gerbirg, floh die Freistätten in Polen und Ungarn und die Fluren am Rhein. Dort schien ihr jede- lebende Wesen nur Verrath und Tücke zu athmen, — dort traten ihr lauter Bilder des Jammers und der Erniedrigung entgegen und des Rheins forteilende Wo­ gen hättm sie nur gemahnt, wie der gefangene Borziwoy ihnen mit wehmüthigem Neide nachgeblickt. — Ium gütigen Bruder Leopold, zu den Erinnerungen harmloser Kindheit geflüchtet, sagte sie dem Irdischen für immer Lebewohl und überlebte den Gemahl noch achtzehn Jahre, als Nonne zu Göttweih. Des Bruders Tochter, Gertrud, wurde noch bei ihren Lebzeiten dem gleichgenannten Sohne jenes W la disla w ver­ mählt, der mit Borziwoy getheilt. Gertruds geben schien im Anbeginne das Leben Gerbirgs zu wiederholen. Auch wider Wladislaw erhob sich Aufruhr und der Sohn der Babenbergerin Ida, Conrad, Herzog zu Inaym, warf sich wider Wladislaw, den Gemahl der Babenbergerin Gertrud, als Oberherr auf. Die erste Schlacht gab Con­ rad en vollständigen Sieg. Wladislaw rettete sich mit genauer Noth in wilder Flucht nach Prag, dem Conrad Zerstörung geschworen, dessen Kirchen und Klöster er durch feurige Pfeile in Asche legte, dessen Gräben er eh' mit Lei­ chen der ©einigen auszufullen, als von dannen zu weichm, geschworen hatte. Gertrud erflehte nun von dem hattbedrängten Gemahl, daß er Prag und das Reich ihrem treuen Muthe vertraue

278 und Hilst werbe bei Kaiser Conrad.

Eine Mutter, Ag­

aus erster Ehe Conraden, aus

nes, hatte

der zweiten

Gertrud geboren. Prag

hielt standhaft

auS mit seiner muthigen

und WladiSlaws Werben war nicht vergebens.

ser nahte rasch mit des Reiche- Hilfe.

Fürstin

Der Kai­

Der mährische Con­

rad und die Rebellen flohen.

ES

erging später über Anaym, waS der Freche Prag

zugeschworen hatte. Jene- unglückseligen Borziwoy Nichte, Maria, seine­

jüngsten und Lieblingsbruders S obi eSlav Tochter, Gemah­

lin des Neffen

GerbirgenS, Leopolds

des

Freigebigen,

schien ihm nur angetraut um ihn schnell wieder zu verlieren.

So schien auch Leopold, der zu Oesterreich dem Stolzen

das Heinrich

abgeurtheilte Herzogthum Bayern erhielt, nur

die Ruthe, mit der die Hohenstauffen früher erlittenen Ueber-

muth an den Wclfen rächten, die aber unter den gewaltigen

Stteichen selber erlag. Nur Rayza, König- Wladislaw und der nach Ger­ truds Tode ihm vermählten Thüringischen Landgräfin Ju­

dith Tochter,

goldner Mittelmäßigkeit und Ver­

genoß in

borgenheit heitre Tage in der Ehe mit Heinrich dem äl­ tern, Herzog zu Mödling, mirgott,

einem

dem Sohne Heinrichs Jaso-

lebensftohen Jäger,

tapferen Kreuzfahrer

und gastlichen Beschützer des Minne - und Meistergesanges.

Auch die letzte deS Hauses Babenberg, die sein Erlöschen beinahe vierzig Jahre, ja selbst das

schenreich in Oesterreich

Erbe der Babenberger noch Gertrud, war eine der

Erzeugt von

gedoppelte, große Awi-

und Deutschland überlebte und daS in

habsburgischer Hand

sah,

unglückseligsten grauen zu nennen.

Heinrich dem

Sohne eines guten Vaters,

Grausamen,

Leopold

dem

schlimmen

des Glorreichen, sah

ihr kindlich Auge weder Vater noch Mutter.

Jener,

in

279 schwarzen Anschlägen wider Vater und Mutter, ächteter Flüchtling, in

allzuspäter

war ein ge­

Reue gestorben, als sie

zwei Jahre zählte und ihre Mutter,

die Thüringische

Ag­

nes, schon wieder vermählt in glücklicherer Wahl im fernen

Sachsen. Die ehrgeizigen Plane PrzemySl Ottokars und

des

goldnen und einäugigen Wenzel Ottokar, verloren keinen

günstigm Augenblick, Böhmen ßern.

durch Oesterreich zu vergrö­

Aber Leopolds weise Umsicht und Friedrichs deS

Streitbaren überschäumende Tapferkeit machte diese (Entwürfe

zu Schanden, auch trotz der wider den Letztem geschleuderten

Acht. 1246) an dm böhmischen

Gertrud wurde (im April

Thronerben WladiSlaw, bereits Herzog in Schlesien und

erwählten Herzog der Polen, vermählt.

Zwei Monate dar­

auf deckte Friedrich (15. Juni) an seinem 35. Geburtstag und vor den Mauem der Neustadt, die ihn gebar, mit dem

eigenen

Leibe das über

Beta

ersiegte

Schlachtfeld.

Aber

WladiSlaw folgte ihm im Tode binnen wenigen Monaten. Vergeblich begab

sich Gertrud in'S Herz deS Landes auf

ihre Burg Mödling und warb eifrig Anhang — und brachte eine Babenbergerin ihres

Böhmen.

großen Hause- Erbe

doch

zu

Aber Gertruden hatte die launenhafte Fügung

solches nicht beschieden. — Sie vollbrachte es (wie so häufig)

auf einem unwahrscheinlicheren Wege durch Marga­ rethen, Friedrichs älteste Schwester,

Witwe des römi-

schm Königs, Heinrich von Hohenstauffen,

ihrem zattm Söhnlein im fernen

mit ihm und

apulischen Kerker, darauf

im Kloster zu Trier und später vermählt an den gewaltigm Ottokar, den jungem Bruder von Gertruds ftüh ver­

blichenem Gemahl Wladislaw. sich

Gertrud dem

In anderer Ehe verband

Markgrafen Hermann

von

Badm.

Ihn erkannte der Papst, ihn erkannte der Gegmkönig Wil-

280 Helm von Holland al- Herzog zu Oesterreich und

Steyer,

doch besaß er keines von beiden und der Lod raffte ihn schon

im dritten Jahre hinweg.

Dieser Ehe einziger Sohn, Fried,

rich, ließ das Leben auf dem Blutgerüste zu Neapel, seinem Freunde Conradin,

der sein

mit

abgeschlagenes Haupt

mit heißen Thränen an das Herz drückte und dann muthig

den Hals gleichem Streiche darbot (29. Octbr. 1268). Vergebens trat Gertrud ihre Rechte auf Steyer, Ot­

tokarn und Margarethen zum Trotz, an Bela ab. —

Er gab ihr in dem reussischen

Prinzen Roman nur einen

Gemahl, der sie schwanger verließ.

nur die Herzogin von Judenburg,

Das Volk nannte sie

ihrem Witthum. — Al-

Ottokar auch Steyer über Bela gewann,

floh sie nach

Meissen und starb im Kloster der Clarifferinnen zu Seiselitz.

303.

Jtha auf der Kreuzfahrt.

Der Enkel Albrechts, de- gegen die Ungarn sieghaften,

der Sohn Ernests, des tapfern, der in der Unstrutschlacht

für Heinrich IV. wider die Sachsen umgekommen, Leo­ pold der Schöne, war in eine verhängnißvolle Zeit

fen.

gewor­

Das ftänkische Wettreich Carls des Großen verschwand

mit ihm, denn weder die Nationen, noch auch seine Thronfol­ ger waren

seinem Riesengeist

beenbürtig.

Der Christenheit

und Vormund, der Papst, konnte wohl

allgemeiner Vater

ein neues solches Wettreich verhindern, aber nicht selbst eines gründen.

Der größere, zum

Theil auch gebildetere,

der schönste Theil der Erde huldigte dem Koran.

Um

so

mehr that ein allgemeines Land der Christenheit Noth. —

Gregor VII. gab es ihr — „mit der Begeisterung eines Propheten, mit der Sittenstrenge eines Einsiedlers, mit dem

beharrlichen Muth

eines Kriegers, mit der Geschmeidigkeit

eines Parteihauptes, mit dem Gleichmuth eines Staatsmannes."

281 Heinrich IV., in stmfundsechzig Treffen und Schlachten versucht, kühn und biegsam, beredt und wollüstig, wurde zuerst von den Sachsen, dann von den meisten Fürsten ge­ haßt, verlassen, bestiegt, von seinen Freunden verrathen, im 50. Jahre seiner Herrschaft genöthigt, sie seinem Sohn abzutretcn. — Er war fünf Jahre noch dem Tode noch ohne Begräbm'ß in geweihter Erde. Schon Markgraf Ernst, Leopold des Schönen Vater, hatte in diesem verderblichen Streit an der Unstrut wider die Sachsen das Leben eingebüßt. Leopolds eignes Regiment war unruhig genug. Er erklärte sich für den Papst, wurde darob der Ostmark verlustig erklärt und selbe dem Böhmen­ könig Wratislaw verliehen, der sie durch die Schlacht bei Mailberg eben so schnell überschwemmte, als durch den Hel­ den Azo vonGobatsburg wieder verlor. — Auch Oester­ reich hatte unter ihm seinen Gregor. Altmann, Bischof zu Passau, Gründer von Göttweih, St. Flotian, St. Ni­ cola und Garsten, strenger Verfolger der Priesterehe und der Simonie, — gleich unzugänglich, gleich unbeugsam, Heinrichs reichen Schenkungen und seiner bittern Verfol­ gung, zweimaliger Vertreibung und hilflosem Tod im Elende zu Zesselmauer (1091). Bald nach Leopolds Hinttitt brachte eine neue Bewe­ gung der chtistlichcn Welt einigen Stillstand in diesen Ver­ tilgungskampf geistlicher und weltlicher Gewalten. Peter der Einsiedler legte die Leiden und Wehklagen der Gläubigen des heiligen Landes, die Entweihung und Zerstö­ rung an der Wiege, am Marterhügel, am Grabe des Er­ lösers nieder, zu den Füßen des heiligen Stuhles. — „Gott will's haben!" schrieen plötzlich wie von überirdischer Ver­ zückung hingerissen, Tausende und Tmrsende. Männer und Frauen, Knaben und Greise hefteten das Kreuz auf die Schulter, verschuldeten und verpfändeten, verkauften für die

282 Kosten des AugeS, vergaßen der Ihrigen, verziehen den Fein­

auf Abenteuer, auf

den, Hoffmd auf Lösung der Sündm,

reiche Beute, aus Thronen. —

Wie das heilige Jerusalem

dem großen Gottfried von Bouillon und Boemonden und

Halbgöttern, würdig

Tankred (diesen

der Ewigkeit

ihres Ramms durch den selber ewigen Tasso)

in

MonatS-

ftist gefallen, ergriff ein romantisches Fieber die Christenheit bis ans westliche Weltmeer.

vom schwarzen

reich blieb dabei nicht müßig. we,

Auch

Oester­

Leopolds des Schönm Wit­

die Markgräfin Jtha, bestellte ihr Haus, vermählte

ihre Tochter Ger birg zu Znaym an stete einen erlesenen Zug.

von Kuenring und

und von Berg.

Borziwoy

Unter seinen Führern

Lichtenstein, von

Ihr Sohn,

und rü­

waren Edle

Merkenstein

Leopold der Heilige,

gab

300 Mark Silbers. An des Autzes Spitze trat Jtha'S Blutsverwandter, der

Bayerherzog

Es folgten Thicmo,

Welf.

stift Salzburg

Err-

der daS

mit geistlichen und weltlichen Waffm

wider

übermächtige Gegner muthig verfochten, ein Meister der freien Künste, Bischof Ulrich von Paffau, Giselbert,

Abt zu

Admont und viele andere geistliche und weltliche Herren. Glücklich durchzogen sie,

trotz

zahllosen Ungemachs und

Gefahren und der Treulofigkeit der Byzantiner, Ungarn und

die Lande des griechischen Kaiserthumes.

Ereckley,

Durch

kurze Ruhe

zerstreut und

verblendet, durchstreiften ihre Haufen

sorglos

die weite Ebene im karamanischen Lande Konia,

am Fuße des Gebirges.

Aus diesem brachen rachgierig, raub­

gierig, zahllos die Ungläubigen hervor.

Es war mehr ein

Schlachten, als eine Schlacht, von 160,000 entkamen nicht 2000, unter ihnen

Herzog Welf,

der auf der Heimkehr

schiffbrüchig auf Cypern starb.

Der Erzbischof Thiemo, durch Lockungen und Drohun-

283 gen vergeblich zum Abfall versucht, starb mit heldenmüthigem Trotz den von ihm so ost gewünschten Martertod. Was aus der Markgräfin Itha geworden, davon brachte keiner der wenigen Entronnenen auch nur die mindeste Ge­ wißheit zurück. Einige wollten fie unter der Sarazenen Würgcschwert, Andere unter den Hufen ihrer Pferde fallen gesehen haben. Andere sagten aus, sie sei mit vielen andern Frauen als Sklavin in das Land Korazan geschleppt und dort in Sultan Massouds Harem seine Gemahlin, nach andern gar die Mutter Sanguins, Vaters des Sultans Nureddin geworden. Ihr Alter macht es fteilich sehr unwahrscheinlich, da sie vor beinahe dreißig Jahren (29. Sept. 1073 zu Mölk) den heiligen Leopold geboren hatte. — Aber als siebzig Jahre später Heinrich der Löwe in's gelobte Land wollte, spielte, bei seinem gaststeundlichen Empfang der Sultan Kilidsch Arslan auf dieses höchst romantische Ereigniß an und grüßte Heinrichen von daher als seinen Blutssteund. — Wenigstens hat die unglückliche Fürstin die österreichische Erde niemals wieder begrüßt. (Die Jortsepung folgt.)

284

X.

Kaiser Carlo Grabbesuch jn Speyer. Wie? Fackelglanz im Tome? Fußtritte dumpf hinab? 'S ist Kaiser 6arl der Sechste, er steigt in der Xhnen Grab. Er selber will eS schauen, bei heller Fackelgluth, Wie dort der Franke gefrevelt in frechem UebermuthUnd immer röther färbte seine Wang' gerechter Grimm, „Beim Himmel, ihr Franzosen, was ihr gethan, ist schlimm!" Die Later in den Särgen sieht er des Schmucks beraubt. Die Krone abgerissen von manchem theuren Haupt. Zertrümmert sind die Särge, die Deckel liegen um, Und Leichentuch und Purpur zerfetzt im Staub ringsum. Da blickt manch hohles Xuge ihn gar gespenstig an, 2Q6 wollt' es zu ihm sagen: „räch unS, du ledend'gcr Stenn!"

Und fürder schreitet Earl, erfaßt vom tiefsten Schmerz, Der Fackelschimmer gleitet über der Särge Erz. Run steht er dort vor Zweien, die sind zerschlagen gar Und die Gerippe drunter vermengt gar wunderbar.

Er steht wohl tief erschüttert, die Zwei die kannt' er gut. Sie haßten sich im Leben, die hier zusammen geruht. Richt tonnten sie bestehen, wo Licht und Luft besteht, ES war der Kaiser Adolph und Albrechts Majestät. Run Don Rur Daö

liegen sie zerbrochen, vermischt ihr lös' Gebein, Keinem kann man sagen: der Knochen hier war sein; an dem Einen Scheitel, gefurcht vom grimmen Schlag, Haupt deö Kaisers Adolph man noch ersonnen mag.

285 Und ror dem Staub der Beiden der Kaiser lange steht, ES ist ein heilig Ahnen, was seine Brust durchweht. „Ja, ob auch Hab und Zwietracht, auf Erden hier zu Haus, ES löscht in jedem Herzen des Lader Hand sie aus." Drauf manchen Kunsterfahrnen er hin zur Gruft deschied. Und läßt dort den Gerippen anfügen Glied an Glied, Und manch ein Bein des Adolph wird Albrechts Eigenthum Und manch ein Dein des Albrecht, des Adolph wiederum.

So liegen beide Feinde vereinigt nun gar sehr. Der Adolph-Albrecht jener, der Albrecht-Adolph der. So liegen sie und ruhen, bis die Posaune ruft — Kein Frevler stör' hinfürder sie mehr in ihrer Gruft.

Johann N. Vogl.

286

XI. per Mkistertrunk am Mein. Zu Hüffelsheim in der Schenke Erschallt viel Lustgebraus,

ES zecht mit den Gesellen Der Gaugraf drinn im HauS. Da ist Herr Dhaun, als Zecher Bekannt am ganzen Rhein,

Der Sponheim und der Stromberg,

Die auch nicht gram dem Wein. Doch sieh, auch noch ein Fremder Tritt jetzt zur Thür' hinein.

Der scheint kein allsofroher Gesell wie sie zu fein.

Ergraut sind feine Locken,

Gar ärmlich sein Gewand, Der sept sich, fern den Zechern,

Gan; hinten an die Wand. Die aber kümmert wenig

Der alte düst're Mann, Die schou'n nur in die Decher,

So tief ein Jeder kann. „Ihr Herr'n", ruft nun der Gaugrüf,

„Wohl mundet uns der Trank, Doch laßt die Zeit uns würzen

Luch jetzt mit einem Schwant."

287 „Sedt hier den Riesenstiefel, Er ragt mir dis on's Dein, Len füll' ich bis >um Rande vollauf mit edlem Wein." „Und wer mit einem Zuge Ibn leert dis auf den Grund, 5?cm sei das Schlößlein Waldeck Zu eigen in dieser Stund'."

„Ihr wißt, das Schloß gehörte Einst einem tücht'gcn Herrn, Dem dicdern Hans von Waldeck, Der trank wie ihr so gern." ,,Und weil er's hat vertrunken. Der nimmcrsatte Gauch, So soll's der beste Trinker Nach ihm bekommen auch "

„D'rum langt jeyt au, Ihr Herren, Des Wcin's ist wohl genug". So ruft der Gaugraf lachend, „Es gilt nur einen Zug!"

Verwundert starrt wobl Alles Den ries'gen Stiesel an. Doch wagt von all den Zechern Sich auch nicht Einer d'ran. Es ruft Herr Dhaun: „den Decher Leer aus, wer will und mag!" Der Sven beim d'rauf: „Ich trinke Solch' Maaß nicht all mein Tag!" Herr Stromberg kraut im Jtepfe: „Den Zug, den laß ich fein, Tcn thut der Hans von Waldeck Auf dieser Welt allein!"

288 Da plkplich tritt der Fremde Au ihnen rasch heran. Und faßt mit kräft'gen Händen Den Xicfenfiiefcl an;

Und spricht: „Ihr hadt's errathen, Dazu hat er den Muth, Denn wißt, ich bin der Waideck, Der den Bescheid Euch thut."

D'rauf fept er ohne Säumen Den Stiesel an den Mund, Und trinkt — und trinkt — bis dieser Geleert diS auf den Grund. Ha, welch ein Lärm Und Jude! Erfüllt nun da das Haus, „Das ist ein Zug, beim Geier," So ruft der Gaugraf aus. „Doch wie ich'» hab versprochen. So soll's gehalten sein — Das Schloß, Du wackrer Zecher, 3ft nun für immer Dein!"

Da drückt der wackre Ritter Des Grafen Hand so warm. Dann aber sinkt er plkplich Dem Nächsten in den Xrm.

Und lächelt im Verscheiden Noch all' die ändern an: „Den 2,runk, Ihr Herr'n, den hab' ich Für Weib und Kind gethan!"

Johann N. Vogl.

XII.

Dilchof Kollonitsch. Vs sitzen zu Wien im Kaisersaal Die Fürsten und Helden in reicher Zahl.

Sie Haden entsetzt die bange Stadt, Nach der so gelüstet den Heiden hat.

Und als nun zu Ende das reiche Mahl, Und freudig gclceret der Sieg'spokal, Erricht Einer: „Genug nun mit Scherz und Klang, Nun sagt, wer die beste Beute errang?" Entgegnet ein Pole: „des Sultans Gold Hab' ich mir aus seinem Zelte geholt!"

Ein Lothringer drauf: „Sein stolzes Panier Erkämpft' ich mit blutigem Degen mir!" Ein Wiener scdann: „Manch reiches Gewand Entriß ich den Flücht'gen mir dieser Hand!"

Ein And'rer: „Gewaffen, so Helm als Speer, Errang ich, und derlei Gczeug's noch mehr." Ein Fünfter: „Ich wählte in aller Eil', Kameclc und Pferde zu meinem Theil."

So wußte ein Jeder nach seiner Art Zu sagen was ihm für 'ne Beute ward. HormayrS Taschenbuch 1842. 13

290 Nur Einer im Kreise der Sieger sah. Der über die Andern das Wert vergaß. „Wie stumm doch. Her Bischof? bekennt auch ihr, Mich dünkt ihr errangt das Geringste schier." Herr Kollonitsch, also der Bischof dies. Entgegnet mit Lächeln: „Eins ist gewiß",

„Was Zhr auch erlangt durch der Heiden Fluch:. Nach meiner Deute hat Keiner gesucht." „Und doch ist's das Köstlichste, in der Thar, Was einer erobert vom Schlachtfeld hat."

Drauf winkt er den Dienern, auf thut sich das Lhor, La dränget ein Heer sich von Kindern hervor.

Von Knaben und Mägdlein, so iart und hold. Die Wangen wie Röslein, die Locken wie Geld.

Die sinken auf's Knie vor dem Gottesmann, Und schmiegen mit Weinen an ihn sich an. „Das ist meine Deute!" der Bischof sagt, „Nach der hat nicht Einer von Euch gefragt." „Ich fand sic verlassen, in Horm und Noth, Erwürgt ihre Mütter, die Väter todt."

„Da führt' ich sie alle noch Wien herein. Und will den Verwaisten ein Vater seyn!" Und als er zu ihnen gesagt dies Wort, Da schwiegen beschämt wohl die Andern dort.

Denn was sic auch alle nach Haus gebracht. Nicht glich es der Deute, die er gemacht.

Johann N. Vogl.

XIII.

Dan Sukowitsch's Traum. Im düstern Saal, auf feibnen Kiffen liegt Ban Sukowitsch, im Schlummer eingewicgt. Vom Richtplatz kommend, wo auf sein Gebot Manch edler Slave starb den Henkertod.

Zur Seite ihm Jezid, der Würger, steht. Den Ban zu hüten, bis sein Schlaf verweht, Tuf's Beil gestützt des nerv'gen Lrm's Gewicht, Blickt der dem blaffen Schläfer in's Gesicht. Wie athmet dieser doch so bang' und schwer. Und wälzt sich auf dem Kiffen bin und her, Jcyr ballt die Faust er krampfhaft, wühlt im Haar Ein schauderhaftes Schauspiel das fürwahr.

Jept bäumt er sich und röchelt dumpf dabei. Nun reißt er sich empor mit einem Scdrei, Und stiert umher. Da trifft Jezid sein Blick Und die Besinnung kehrt ihm neu zurück. „Das war ein wüster, toller.Traum, Jezid, Hu, faßt doch Schauder mir noch jedes Glied, Ei, höre doch was ich geträumt und sag' Was wohl das Nachtgebild mir deuten mag." „Mir war, als lüg' ich auf der Kiffen Flaum, Im Wachen nicht und doch auch nicht im Lraum, La traf mein Tuge plötzlich auf die Zwei, Den Zambolisch und den Zumani-Bei."

13*

292 „Die Beiden, denen hntte erst Dein Beil Gespendet hat des Paradieses Heil, Ich sah sie deutlich, struppig wild das Haar, Ihr Antlitz bleich, nic's auf der Richtstott war."

„Lang saßen fit, umglänzt vom Mondenschcin, Der dort durch's Fenster siel, so starr wie Stein, Und gloyten mit gespcnst'gem Aug' mich an. Und neigten langsam ihre Häupter daun." „Doch als verneigt sie sich zum drittenmal, Fiel eines jeden Haupt mit dumpsem Schall Herab vom Rumpf, und kollerte mit Hast Zu mir hin auf den Teppich von Damast."

„Wohl floh ich da hinweg, erfaßt vcn Graun, Um nicht das Ekle, Blutige zu schau'n. Doch als den Blick vor mir ich hingcwandt. Da saßen wieder sie, wie hingebannt."

„Verbleicht und starr, der Lebensgluth beraubt. Und neigten, so wie früher, mir ihr Haupt, Und wieder fiel'6 zur Erde dumpf und schwer. Und kollerte in Kreisen zu mir her." „Und wieder floh ich, und zum dritten mol Erblickte ich die Beiden, starr und fahl, Bor mir das Haupt verneigend bis zum Grund, Doch diesmal sprach zugleich ihr blasser Mund:"

„Blutdürst'ger Ban, der uns zu Wir neigten unser Haupt vor Dir Wir neigten unser Haupt Dir dis Warum erwiderst Du nicht unsern

sterben zwang. so lang'. zum Fuß, Gruß?"

„Da that ich zitternd, wie ihr Wort befahl. Doch wie ich mich verneigt' zum dritten mal. So kollerte mein eignes Haupt im Ru Vor mir. Kopfüber, den Gcspcnst'gen zu."

293 So sprach ter Tan, in dessen Blick das Grau'n,' Bor feinem Traum noch immer war zu schau'n, „Nun Älter" ruft er braus „nun rede frei. Was hältst Lu von so toller Jantasei?" Allein bevor noch jener sprach ein Dort, Flog schon bas Haupt vom Rumpf des Wüthrlchs fort, Gin Säbelhieb, geführt mit kräftgem Schwung, Riß ihrn's zur Erbe hin mit blut'gem Sprung.

Ler Todtm Freunde, die ihn längst gehaßt, Gestürmten, eh' er's ahnte, den Pallast, llnb sühnten so, erfüllt von Rachegluth, Des Zamdo lisch und deS Zumani Blut.

' Johann R. Vogl.

294

XIV.

Die Durgfrau ju Loeitha. WaS schallt im tiefen Keller zu Sseitha in der Nacht Für herzzerfchneidend Schreien, wenn Niemand droben wacht? Was tont für kläglich Wimmern alldorr der kargem Schein Hinein durch all' die Gänge an's taube Fclsgeftein? Der Keller dort im Schlosse verhüllt ein blut'gcs Grau'n, Da ist der Schrecken größter allnächtlich zu erschau'n. Dort steht ein Eiscnkrssel, gefügt gar fest und gut, Der wird zur Nacht gtfüllet mit warmem Jungfernblut. D'rin badet sich die Schloßfrau auf ihres Zwergen Rath, Die Jugend fest zu halten, die dem Verblühen naht. Dort wäscht die welken Glieder das tiegcrhafte Weib, Und taucht in's Blut der Dpfer den sündcnvellen Leib.

Schon hat dm Gräul verübet die Schlimme manch' ein Jahr, Doch sieh da — immer bleicher nur ward ihr dunkles Haar, Und Furche zog an Furche sich um ihr Angesicht, „Noch ist's des Bluts zu wenig!" voll Grimm die Schloßfrau spricht. Da lockt Den Durst Cs ist das Cs gleicht

ein neues Dpfer, wie ihr noch keines fiel. der bösen Schloßfrau, für die der Mord ein Spiel, schönste Mädchen, das je daS Land gesehen. der Resenknospc in Morgenwindes Wehen.

Die Schloßfrau sah's vom Erker lustwandeln einst im Thal Und war beinah' geblendet von solcher Schönheit Strahl, Noch sah so roiig blühen sie nie ein Wangenpaar, Noch sah so schwarz und üppig sie nie ein Frauenhaar.

295 „Xus ^ipso! treuer Scherge, schaff mir die Dirne gleich, Ihr rothes 5?lut, ich zahl' cs mit rothem Geld Dir reich, Das Röslein soll mir geben von feiner Wangen Gluth, Was weiß so dumme Dirne, wozu der Schimmer gut!" Da eilt mit den Gesellen der list'ge Zwerg gar sacht Hinunter zu der Hütte, umhüllt von dunkler Nacht, Und lugt hinein, wo Erni auf schlechtem Pfühl geschmiegt Im süßen Schlummer lächelt, vom Schlummer eingewiegt. @r lugt hinein und lauschet, da bünkt'S ihm an der Zeit, Und leise tippt an'S Fenster der Zwerg, und weckt die Maid, Sie wähnt cs sei ihr Jane sch und springt vom Pfühl mit Hast Den Nacken zu umstricken dem heißersehnten Gast.

Schon eilet sie zur Thüre heraus mit ffücht'gem Fuß, Da dringen ihr die Schergen gar unverhofften Gruß, Ein Luch erstickt ihr Schreien, und macht ihr Xuge blind. So geht'6 Hinauf zum Schlöffe, als trüge sic der Wind. Schon fleht sie vor der Herrin zu EScitHa bleich imb bang'. Die blickt auf ihre Reize roll innern Hohn's gar lang'. Dann herrschet sie dem Zwerge: „Thu', so wie Dtr gesagt!" Und fort zum Mordgcwolbe schleppt dieser hin die Magd. — Sagt an, wer ist der bleiche, der rastlos wilde Mann, Der so das Thal durchraset, was hat man ihm gethan? Das ist der arme Zanosch, der seine Erni sucht. Und ihren Namen rufet, und ihrem Räuber flucht.

Er irrt und sucht, und irret durch Heide, Moor und Wald, Gepeitscht von Xngft und Wahnsinn, verwildert von Gestalt, Er klimmt hinauf zum Schlosse, er klettert um'S Gestein; Die Erni muß er finden, follt's in der Hölle fein. weicht mit einS der Boden, da stürzt et jäh' hinab. Umhüllt von Stein und Moder steht er in groufem Grab, Doch Himmel, waS nur sträubet empor mit einS fein Haar, Was macht ibn so erbeben, was wird er wohl gewahr?

296 3u höchst blS an die Decke, umhüllt vom blut'gcn Grau'n, Muß er von Frauenleichcn dort ein Gewölbe schau'n. Mit bleichen, kalten Wangen, die Glieder weiß wie Schnee, Liegt Magd auf Magd geschobert hinan bis zu der Höh'.

Da dunkelt'S ihm vor'm Auge, da eilt er, unbewußt WaS er beginnt, von hlnnen, die Hölle in der Brust, Fort über Feld und Anger, die dicht'sten Wälder durch, DiS er vor Thurzo stehet im Schlosse zu Preßburg. Erbleichend hört den Wirren der edle Doch muß er seinen Worten cnträthseln Und mit den Richtern siyet er alsogleich Denn noch zur Stund' enthüllen will er

Palatin, erst den Sinn, im Rath, die nächt'ge That.

Und eh' der Seiger rücket ein Dicrtheil auf der Uhr, Da schnauben schon die Rosse hin über Heid' und Flur, Voraus des Janosch Hufe, wie Denner wild erschallen, Nachbrauf't der edle Thurzo im Flug mit den Vasallen.

Schon ist daS Schloß ereilet, besepet Wall und Thurm, Schon bricht hinab zum Keller die Schaar im wilden Sturm — Hilf Gott! — da siyt die Schloßfrou im Kessel voll von Blut, Und badet sich die Glieder im frechen Uebermuth. Zur Seiten ihr zwei Weiber, vom Alter schon gebückt, Au6 deren bösen Augen nur böse Mordlust blickt, Daö Eine hält die Leuchte, die sprüht in dunkler Gluth, Daö Andre hält ein Zuber, d'rin blickt gar grause Fluth. Nicht fern von diesen beiden, ein Beidin seiner Hand, Steht Fihko dort ol6 Scherge, hinab zur Erd' gewandt. Vor seinen Füßen aber, entblößt — o welch ein.Grau'n! Laßt mich mit Nacht bedecken, was dort noch zu erschau'n.

Der Janosch stürzt zur Erde dahin, der Sinne baar. Und wie zu Stein verwandelt, steht Thurzo und die Schaar, Ihr Aug' nur starrt voll Schrecken ob dem, was sie gefunden. Doch fd)cn sind die Verruchten bewältigt und gebunden.

297 „Ha, blut'geS Ungeheuer!" ruft jc-t der Lhurzo aus,

LaS Lug' von Wuth erglühend, daS Herz erfüllt mit SrauS,

„Du, gleich dem grimmen Tiger an Grausamkeit und Trug, Entseplichsteö der Weiber, das je die Erde trug!"

„Nicht ward der Mm sch geboren, der Gleiches noch gethan.

Wie schwer er auch gefrevelt, wie schuldvoll seine Dahn, Und Keiner soll cS wagen, dem lächelt Gottes Huld,

Die Strafe auszusprechen für so entmenschte Schuld."

„Die That soll sein verfparet dem Richterstuhl deö Herrn, Loch Du sollst ihn erwarten von Luft und Sonne fern'. Lebendig sollst Du modern bei Leich' und Moderduft,

Vis Dich zum Weltgerichte des Ew'gen Stimme ruft."

So spricht der edle Thurzo, und flieht den grausen Vrt —

Da klingt'S von Hammerstreichen, da hallt eS fort und fort. Da füget Stein an Stein sich zur Mauer fest und breit, Der Welt dort zu verbergm das Scheusal seiner Zeit.

Und eh' die Sonne wieder versank in Wald und Moor,

Drei Jeuersäulm wirbeln zvm Himmel hoch empor. Um diese lag in Gluthen zerstreut ein schwarz Gebein,

Der Zwerg und seine Helfer, auf heißem JelSgestein.

Noch siehst Du dort am Berge die Trümmer hie und da. Bedeckend jene Räume, wo solch' ein Gräuel geschah.

Doch ist die Nacht des Wahnes, des finstern Trugs Gewalt,

Nunmehr dem Licht gewichen, das segensreich erstrahlt.

Johann R. Bogl.

298

XV. Hohenschwangau, bk Anrg brr Welfen, brr

Hohenftautfen nab bet Schyren. Vaterlandsliebe dur-ch Vaterlandskundezufördern, ist ein uralter Zuspruch. Die Acolsharfen jedes bewegten politi­ schen Himmels dröhnen uns zu: — daß, seit das lange Drangsal und der Befreiungskrieg endlich: „ein einig und ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Noth zu trennen, noch Gefahr" — aus uns Deutschen erzwungen haben, daß ein noch innigeres Streben nach Vaterlandskunde empftmden werde und dtirch diese Kunde wirklich auch die Liebe zu dem schönen, segenSund ehrenreichen Land und zu dem tapfern, treu erfundenen Volk erhöht worden sei. — Seit einem Jahrzehend sind die seeumspülten, blauen Berge, vom Bodensee bis an die Wun­ derquelle Gasteins und bis ins Salzkammergut, seit dieser Zeit ist das ernste Tyrolergebirge von der Martinswand und Fiustermünz zu dm ewigen Bergen und Seen von Eis, nach dem unbeschreiblichen Meran und nach dem reizenden Bru­ neck, — zum Bodensee und zum Gardasee, es ist jenseits des Thüringer-, des Fichtelwaldes und Harzes und an den schiff- und stürmereichen Küsten der Ost- und Nordsee zur wahren Kreuzfahrt und zur leidenschaftlichen Wiedersahr geworden. — Auch das ist im Sinne des obigen Kernspruchs bezeichnend, daß, als jenes Reffelebens Wendepuncl gerade

299 das Jahr hervortritt (1830), wo der Rhein

(längst wieder

unser Strom, aber nimmermehr unsere Gränze) weder nach Frankreich, noch nach Belgien, noch selbst in's schweizerische Hochland mehr so einladend erschien; — Gegenwart eine so

Wahrhaftig in der

ernste Mahnung, da- Deutschland eines

und einig sei als die Ueberlieferung der Vergangenheit, daß

München und Lübeck, daß Braunschweig und Hamburg, Lieb­ lingsschöpfungen Heinrichs des Löwen, daß Bayern und

Riederdeutschland über zwei Jahrhunderte unter den chen Herrschern') gewesen

nämli­

sind, daß der älteste süddeutsche

Bergbau und der Harz, eben solche Spuren der Wechselwir­ kung tragen, wie von der köstlichen Klosterschule $ue Stieben

Alteich der Hildesheimer Dom an den überraschenden Kunst­

werken

Bischof Bernwards, in

Edelstein

jenes

und

strengen

am

Erz, Gold, Stein und

unterirdischen Grabe seines Nachfolgers,

Godehard, AbteS in

KremSmünster und

HerSfeld. —

gerfahrten in die rauschende

Atteich,

Tegernsee,

Aber aus al? jenen Pil­

Waldeinsamkeit unserer

Alpen­

welt, hat in den letzten Jahren den wahrhaft deutschen Sinn keine so erqm'ckt und keine so entzündet, als die nach Hohen­

schwangau, des Kronprinzen Mar von Bayern romantische Burg.

Auf der dreifachen Gränzmark Tyrols, Bayerns und

Alemanienß, recht als ein Wegweiser zu allen ihren Vorzü­ gen hingesicllt, und

von

der Natur aus verschwenderischem

Füllhorn mit all ihren Schönheiten überschüttet, vereinigt die­ ses Schwangau zugleich

so viele und so große Erinnerungen

der Historie aus einem so kleinen Flecke, wie gewiß keine an-

') 94Q — 1024 von der Verdrängung ^er angestammten Dynastie der Schoren, als Arnulf im wilden Gcwübl an Regensburgs Dstcrtyor unter Resses Kufen verschwand, dis zum Lede Heinrichs des Heiligen, erschien Cavern wie eine Secunde-Gcnitür des sächsischen .Hni'cr'tnnnnee, — 1061 — 1070 Kerrschtc der tapfere £tto von Nerddeim, - 1070 — 1180 Zwei Welfen und drei Heinriche, der schwarze, der stelze und der Löwe.

300 dere Stätte deutscher Junge und nicht allzu viele des gesammtm, mittelalterlichen Europas. Freilich, wo man liebt, findet man auch alle erdenklichen Vollkommenheiten beisammen, weil man fie dort finden will — und gleich den ihre Fürstenleichen durch Menschenopfer ehrenden Wüden, wähnen Manche ein Denkmal am größten zu stiften, aus der Verkleinerung aller anderen und den Un­ sterblichen der Vorzeit ihren Weihrauch stehlen zu müssen, um einen Sterblichen damit zu betäuben. Hier aber wird es fich urkundlich Herausstellen, daß an diesem Hohenschwan­ gau wie an einer goldenen Spindel, die wichtigstm Geschicke der drei Lande fich abwinden lassen, deren Gränz- und Hoch­ warte es ist. Der Lechschlund*)••) war kein geringer Sperrpunct jener bewundernSwerthen, die halbe Welt in eine einzige Stadt") wandelnden Befestigungskette Roms, die auch vom Bodensee an den Lech, und den Lech hinab zu jener glänzendsten Colonie, zur vindelizischen Augusta und an den großm ReichsLimeS der Donau zog. Nachdem selbst daS Gerippe der rö­ mischen Gränzwehr verlassen war, empfahl der große Diet­ rich von Bern jene Clausen seinem Herzoge beider Rhätien, Servatus, und dem Präfekten deSPrätoriumS, Faustus, zu wachsamer Obhut. Je weiter aber nach Theodorichs Ableben die Ostgothen in die Berge zurückwichen, desto ra­ scher drangen, Hand in Hand, fränkische Hauptleute mit dem Schwert, und fränkische Missionaire mit dem Kreuze vor. Schwangau und Füeffen sind ächte Krystallisationspuncte der Christianisirung. Hierum bezwang St. Magnus,

•) ad faucee, ad faucea alpium, daher Fuzze, Füezzen, Füeffen, in augustanis clauauris.

••) Uibem fecerunt, quod prius orbis erat, secerunt patriam diversis gentibus unam.

301 der Schüler Galls, das Ungethüm des Waldes und der

Sümpfe, das strengflüssige Erz, den finstern Urwald und

die noch wilderen Menschen.

Wikterp, der Bischof,

bald für einen Welfen, bald für einen Schwangauer.

galt

Walten­

hofen, dies urälteste Bethaus, ist im Angesichte Schwangaus

wie seine Burgkapelle.

Der Apostel Mang ward reich be­

schenkt durch Pipin.

Wie in den friesischen Marschen in­

mitten der alten Hünenringe und Hünengräber, der Pipins-

stein und das Pipinöbette, so die Pipinsburg bei Weihenstephan und näher dem Lech die Burg zu Pael und Carls

des Großen Wiege, die Reismühle am Würmsee.

Die Zeit

war drohend, als von der einen Seite die Araber, nachdem

sie die ganze pyrenäische und die untere italienische Halbinsel

überschwemmt, ihre Rosse in der Loire tränkten, als andrer­ seits Sachsen und Friesen wieder über den Rhein brachen und das innere Germanien, Alemannien, Bajuvarien ingrimmig kämpfte, um das, was es seine „Freiheit" hieß. — Von hier, an die Schüssen, waren erweislich schon in der mero-

wingisch-carlowingischen Epoche die Ursitze der Welfen.

Zahl­

reiche Spuren deuten auf ein noch nicht völlig enttäthseltes,

aber enges und beständiges Band zwischen den Welfen und den Schwangauern.

Im nahen Peiting schwang Herzog Welf

die Kreuzesfahne vor dem Altar und vor seiner kampfdürsten­ den

Ritterschaft. —

Hiltebold von

treuer Gefährte in Konstantinopel, in

und am Po,

Schwangau,

sein

Syrien, am Rhein

ist ein Chorführer des Minnegesanges, den

Welf, selbst SOjährig und

erblindet, nicht missen konnte,

bis er kinderlos in Steingaden zur ewigen

Ruhe kam und

Schwangau und all sein Gut den Stauffen ließ, erbost über

den geizigen, hochfahrenden Neffen, Heinrich den Löwen,

dessen verlassener Jugend Welf doch ein löwenkühner Ver­ fechter gewesen war.

(Alle Stauffen, die beiden Friedriche,

Philipp und Conradin, ja selbst der entsetzliche Hein-

302 rich VI., liebten und übten den Minnegesang).

Wie in die­

ser Gegend der stolze Welfe Ethiko seinen Gram und Grimm in die tiefste Wildniß verborgen, daß Heinrich, sein Sohn, des Kaisers Lehnsmann geworden, so ergingen hierum an die

Welfen die erste und die letzte Warnung ihres großen Falles! Zn Breitenwang, dicht neben Schwangau, endiget der aus

der Romfahrt heimkehrende Lothar II.» die Krone dem Schwiegersöhne übergebend, dem von der Nord- und Ostsee bis zum Adriatischen und Toskanischen Meere

Heinrich dem Stolzen.

gewaltigen

Der aber muß die Krone den Tod­

feinden, den Stauffen lassen, und unstät und geächtet findet

er schon nach anderthalb Jahren nimmer, wo er nur das müde Haupt hinlege, außer zu Lutter neben Lothar in der Gruft, noch nicht 37jährig und em hilfloses lOjähriges Knäb-

lein hinterlassend, — aber — es war der Löwe! — und

die zweite Warnung ergeht an eben den Löwen im

Partenkirch. —

Iur Bändigung

nahen

der siegenden Lombarden

ruft ihn der alte Freund, der große Barbarossa, inständig,

zuletzt auf den Knieen, umsonst— und nur ein paar Jahre darauf, liegt zu Erfurt der Löwe vor dem Kaiser auf den

Knieen,

ein

Rechter

und

Flüchtling

zum

Schwiegervater

Heinrich und zum Schwager Richard Löwen herz jen­

seits des Meeres!

Wie früher Otto III.

den Heiligen, sah Schwangau den ersten

und Heinrich

Friedrich

vier­

mal und den zweiten einmal als „das apulische Zauberkind",

das andere mal nach der kurzen Eroberung Oesterreichs in's Welschland vorüberziehen. Aber auch jener beharrlichen Ver­

fechter germanischer Weltherrschaft, deren Meiste

eines ge­

waltsamen Todes starben, jener unerreichten Hohcnstauffen

ewigen Abschied von der Muttererde, hat Schwangau ge­

schaut.

Conradin, dem

man die Volkslieder vom Fall

seines Hauses schon zur Wiege gesungen, riß sich in Schwan­ gau aus den Armen der trostlosen Mutter Elisabeth.

Jh-

303 ren, ihn freilich nur bis Verona begleitenden Brüdern, Hein­ rich und Ludwig dem Strengen, gab der noch nicht I7jäh-

rige Conradin das Letzte vom Stauffischen Gut, auch waS

in

Füeffen

noch sein war.

und Schwangau

mehrmals gesiegt, nachdem

Nachdem

er

er als Kaiser aus das Capitol

gezogen und die gewonnene Hauptschlacht nur durch der Sei­

nen Plünderungsgierde wieder verloren, fiel

dieses, auS der

mächtigen Wurzel des gesunkenen himmelhohen Baumes frisch

wieder austreibende junge Reis, unter dem kalten Eisen deS Henkers in der göttlichen

Hauptstadt seiner Ahnen!

Wer

dürste Hohenschwangau nun noch seine hehre, seine durchgän­ gig epische Natur bestreiten?? Auf altwelfischem und schwan-

gauer Boden

stiftete die Mutter

Elisabeth zu

Conra­

di ns Seelgeräthe die Cistercienser-Abtei StamS, aber nicht

einmal

der Leiche des letzten Stauffen war geweihte Erde

vergönnt!

Doch damit ist die große Schattenwelt Schwan­

gaus noch nicht beschlossen.

Als

Ludwig der Bayer,

Bürgertönig, der Sieger von Ampfing

der

und Mühldorf, von

dem bösen Römerzug aus den Zaubergärten der Untreue heim­

kam , in die Wildniß der Treue, in des Welfen Ethito Thal

(vom Volk abgekürzt

in Ett-Thal)

gründete er dort

Kloster gelehrter Mönche, wackerer Ritter und Frauen.

kam er nach

ein Ost

Schwangau herüber und in früheren Jahren

nach Nesselwang, zum dortigen Pfarrer, dem Wundermann, Bruder Johann von Kempten, Mönch aus Stams.

Die­

sem .lange verehrten Freunde zeigte sich bei der Frühmesse, des Morgens nach der tödtlichen Fürstenfclder Bärenhatz des ab­

geschiedenen Kaisers Gestalt!

Doch hatte Bruder Johann

nicht vermocht, ihn zu sühnen,

jenen Keim

des verhängniß-

schweren Zerwürfnisses zwischen Bauern und Pfalz, den Bru­ derzwist zwischen Ludwig und

Widerspiel der

in

Lied

und

Rudolph,

das

traurige

Sage forctönenden Bruderliebe

Friedrichs des Schönen und Leopolds, der Blume

des

304 RitterthumS.

Noch heißt die frische Quelle

am Westufer

des wildschönm Plansee'S: der Kaiserbrunnen; hier hat der edle Ludwig oft und gerne gerastet und wohl dasselbe

in

wunder Brust getragen, wie wenn er (der Gebannte) im al­ ten Hof oder bei

den Franziskanern verborgen,

die Messe

gehört: daß, obgleich ihm die Päpste fast durch ein Biertel-

jahrhundert unaufhörlich

geflucht, der Himmel ihn vielfach

gesegnet und groß gemacht habe! Wie nach den Stauffen kein Herzog zu Schwaben mehr

war, ragten um so trutziger die vielen Burgen empor, greis heittstolz dem dumpfen Brausen der Wälder, dem Geschwätz

der Wildbäche horchend, oder an handelsbelebten Flüssen und

Kreuzstraßen lauernd, oder auf kaum erklimmbaren Felsen­ spitzen in Nebel und Sonne gekleidet: so Schwangau mit der Frauenburg und dem Sympertsthurm, Laubenberg, Vils, Hoheneck, Elam, Musau, Pfronten, Rethenberg, Alt-Min-

delberg, der Falkenstein, viele gänzlich zerfallen, andere in merkwürdigen Ueberresten, wie Freyberg und Eisenberg, der Hort eines wohl ursprünglich romantischen, nach

thien flüchtigen Geschlechts,

Hohenrhä-

das schon unter Heinrich

in Urkunden genannt, unter Heinrich von Luxemburg

V.

und

Ludwig dem Bayern, so dem Landfrieden als der heiligen

Dehme befreundet, dann in St. Georgen- Schüd und im schwäbischen Bund das hohe Wort führte und so einflußreich war, daß fast Keiner in DolkSmund ohne wunderlichen Bei­

namen blieb.*) — Den Schwangauern waren die Freyberge so enge verwandt,

als benachbart, selbst in den frommen

ewigen Ruhestätte zu

Stams und

Gaben und

zu Füeffen.

in

der

Es mischte

•) Areydrrg, der Fideldogen, der Dfenrauch, der fromme Diythum, der Stammler, der Heißdart, der Kluibenschedel, der lange Heinrich, der Topf, der Springer, der Spieler u.

305 aber dieser Adels-Alleinherrschaft,

sich

vorzüglich während

des Thronzwistes Friedrichs des Schönen und des Bayern, gar bald ein

Ludwigs

mächtiger plebejischer Stoff bei,

die Bürger und Bauern, die Bünde der Handelsreichen Städte, deren siegreiches Beispiel am Lech

und jene der Eidgenossen,

wie am obern Inn und an der obern Etsch erschütternd nach­

gedröhnt hat.

Der Donauhandel nimmt ab, Venedig herrscht

im Osten, Augsburg wird die Hauptvermittlerin ungeheurer Schätze und über Fürsten geht ihr Hauptzug.

DaS bleibt

scharfes

Augenmerk.

im Krieg der Fürsten und Städte ein

Die Schwangauer, die

Freyberge,

mantel, Laubenberg rc.

werden

Augsburger, der Ulmer,

die Hoheneck, Langen-

die Geißel der steinreichen

Memminger, der Meßherren

der

von Imst, Glurns, Meran, Botzen und Hall.

So läßt sich, wie gesagt, an unserer Schwangauer Geschichtsspindel gar viel abrbinden, Flor und Fall des Ritter-

thums

und

der

Adelsbünde,

Städte, dcS Adels, und

der

Krieg

der Fürsten und

Eidgenossen,

die stolze Blüthe

der

und das allmählige Sinken des

In den

Verwandtschaften und

süddeutschen Welthandels! der Schwan­

Verbindungen

gauer, der Freyberge mit den Dottern und mit den Sternen,') der Lupftn, Ems, Montfort, Laudenberg, Knöringen, Anich,

Langenmantel, Hutten rc. großen

seinen

Georg

von

mit den Fuggern

und mit dem

Freundsberg-Mindelheim und

liebsten Hauptleuten Merkel von Memmingen, Re­

ger, Neidhart und Besserer

von

Ulm,

Wangen, Werler von Biberach, Hans

Mohr von

Ekli von

Con­

stanz, Philipp Stumpf, Claus Seidensticker, Con­

radin von Glurns, Hans Schmidt von dem

Streben

und

Treiben

Meran rc. aus

Kaiser MarenS

und

seiner

Zweigt dcS erlauchten Raufer Areydcrg, con der Verschiedenheit ihres Wappens also benannt."

306 gar viel Umtriebe und

Vertrauten, entschleiern sich

Bezie­

hungen des Landknechtwesens, daS ferne Donnergemurre des

Bauernkrieges, die Anfänge der Reformation, ja sogar Ten­ denzen der populären und Bewegungen der gelehrten Litera­ tur, unauflöslich an wenig sichtbare, aber desto zahlreichere

Faden geknüpft. Dazu der Pförtner aus dem Mittelalter in die

herüber, Mar,

„der letzte

Stifter", der

neue Zeit

Mann der Bewe­

erhabener Sinnlichkeit, von ei­

gung, von umfassender und

nem, die reichsten, unentrinnbaren Liebesnetze ausspannenden Gemüthe, von einer im Schlachtgewühl, in den Jagd-Aben­

teuern, im Glanz des Hofes, in Lust und Schmerz der ein­

samen Stunden

allerwärts durchdringenden Poesie; — der

erste Schütze, Constabel, Landsknecht, Kürnsser, Platner, Berg­

knappe, Jäger, Fischer und Matrose, Mar, der die um Geld brüllenden

meuterischen

zuletzt mit Späßen

Landsknechte mit

seinem

Hofnarren

auseinander bringt, der im Lager vor

Padua, vor der Markedenterin

welschem

Imbiß

gewarnt,

mit den Wortenr „ei was, sie ist eine Augsburgen'n, das sind gar frommt Leute!" Alles

frißt.

rein und lustig zusammen

Dieser Mar, der Alles hatte, nur nicht die erhabene

Ruhe und Geduld einer wahrhaften Herrscherseele, dieser Mar wellte so ost und so gerne in Schwangau und Fürsten, wohl

auch wegen seiner nahen

tyrolischen Hauptfestung Ehrenberg.

In Schwangau jagte er mit dem Bayerherzog Wilhelm am

Kaiserbrunnen die Bären und läßt ellend den Conrad Steck kommen, wegen der Jagd

auf Eber, Gemsen und Wölfe,

und den Hans Kind von Preßburg als Fischmeister für alle

die Seen und zeichnet von den Falken auf: „Item zu Augs­

burg und zway tageraisen darvon im Allgau, vecht man valken

seyn so guet als die in Elsaß."

Nach Fürsten und nach

Schwangau berief Maximilian öfters seine Minister und Hauptleute:

Cyprian von

Sarentheim,

Paul von

307 Lichtenstein, Georg von Freundsberg, Mindelheim,

Willibald Pirkheimer, Conrad Peutinger, Mat­ thäus Lang von

Wallenburg, die

Fugger, Wel­

ser, Zlsung und den Gossenbrod (der nach den Eggen­

bergern Maximilians Rothschild

war und dem daS

Gift hämischer Neider von all seinem Mammon zuletzt Nicht-

ließ, als ein paar Spannen Grabes bei St. Mang in Fües-

sen) und die Gelehrten:

Sundheim, Cuspinian, Gai-

ler von Kaisersberg'), Reuchlin, Angerer. Im ersten Bürgerkriege nach der Reformation, im Schmal-

kaldischen, war Schwangau durch

Schärtlin von Bur­

tenbach besichtigt, aber verschont, nicht so fünf Jahre ter durch des sächsischen Moritz zuchtloses Volk,

spä­

das wegen

des verweigerten Sturmsoldes auf die Ehrenbergerelause, tollen Aufruhr erhob und die Fürsten durch die Spieße jagen wollte. So wie Luther vom Reichstag in Augsburg durch den

tapfern Langenmantel unter dm Fittigen der Nacht durch dm Stadtgraben auf das Lechfeld nach Hohenschwangau und von dort auf Um - und Abwegen nach Hohenaschau gerettet

worden sein soll, wie vom Wormser Tag auf die Wartburg, so dachte ein Dierteljahrhundert später Carl V., der Herr

zweier

Weltm,

erschreckt durch den Heranzug der Schmal­

kaldener und von seinen, aus den

Niederlanden

berufenen

Truppen abgeschnitten, als altes Weib verkleidtt, im Kobel­

wagen des

bayrischen Jägermeisters Jörg von

Nußdorf

nach Schwangau und von dort durch- Würtembergische

an

den Rhein zu fliehen. In der Burg zu Innsbruck wurden indessen fort und fort

die furchtbar gewürzten

Speisen

gekocht,

die

Fmster dicht

verhängt und der alte verttaute Kammerdiener AdrianDu-

bois lag als Kaiser im Bette.

Als aber die Reisenden dem

*) Ita samiliariter confidenterque mihi soli cum solo cor auum apeniit et umnem majestatem seposuit, ut ipse mirarer!

308 ersten Ziel schon ziemlich nahe waren und von LeermooS über

Ehrwald nach Schwangau wollten,

rief eine junge Dirne:

ei was sicht doch die alte Frau dem Kaiser so gleich? Carl wurde

so

davon

Innsbruck

daß

erschüttert,

er in

aller Stille nach

umzuwenden befahl und dort wieder ankam, ehe

Jemand von seiner Abreise wußte. — Ohne jenen Aufstand wegen des Sturmsoldes hätte Mo­ ritz den gichtbrüchigen Kaiser im Bette ausgehoben.

So ent­

floh Carl in der Sänfte, nebst seinem Bruder Ferdinand

und dem gefangenen Johann Friedrich, mitten in wilder Regennacht über den Brenner nach Villach!

Baumgartner,

David

Burgherr

auf Schwangau,

legte zu Gotha das Haupt auf den Block, als Mitschuldiger der berüchttgten Grumbachischcn Händel, in Folge deren der

jüngere Johann Friedrich, wie sein Vater entsetzt, geäch­ auf einem Strohwagen,

tet, gefangen,

Kopfe,

dem

dem

gaffenden

Pöbel

einen Sttohhut auf

durch

zur Schau,

Straßen Wiens zur ewigen Hast nach der

die

Stadt Steyer,

später in die Neustadt, letztlich auf das Preßburgerschloß ab­

geführt wurde.

Schwangau, vom

Erzherzog Leopold, von Jean de

Werth, Bernhard von Weimar und Horn besucht, sah auch

auf Stunden

den großen Conds und Tu renne am

Ausgang des gräulichsten aller Kriege, des 30jährigen, der

eine neue „Wüste der Bojen" zurückließ. Der spanische, der österreichische Erbfolgekn'eg gingen hier

nicht spurlos vorüber, und durch das

heftige

Gefecht

bei

Füeffen und Schwangau erzwang Moreau den Waffenstill­ stand von Parsdorf. Die glühende Geschichts-Andacht, den schwunghaften Ra-

tionalsinn und das milde SchönheitSgefuhl zu preisen, womit

ein anderer Maximilian gefunden,

diese

wahrhaft

einzige

gerettet, neu geschaffen und in diesen

Stätte

classischen

309 Räumen der Kunst ihren edelsten Beruf in Verherrlichung vaterländischer Gegenstände gewiesen hat, könnte leicht der Schmeichelei verdächtigen. Die Schmeichelei ist aber da am tadelnswerthcsten, wo man ihrer so gar nicht bedarf. Wen gemahnt es hier nicht an den Vater der Mu­ sen Latiums, wenn er, in Athen umherwandelnd, ausrust: „Ist es uns denn angeboren, wie? oder es wäre nur ein Wahn, daß, wenn wir auf den Boden treten, wo große Männer gelebt und gewirkt, wir weit inniger und tiefer er­ griffen sind, als wenn wir bloß lesen, was sie geschrieben, oder bloß hören, was sie vollbracht haben? ? So wenigstens bin ich in diesem Augenblicke bewegt, erschüttert, begeistert, denn er selber steht vor mir, der göttliche Plato'. Hier hat er ja gelehrt, hier gestritten, und dort schaut sein Gärt­ chen herüber. Hier waltete Speusippus, hier Lenokratcs, dort Polcmo, dort die alten Peripatetiker und Ari­ stoteles, ihr hoher Fürst! Welcher Geist, welche Zunge in allen diesm heiligen Stätten? Wie zog mich vor Allem jenes Colonos an, durch Sophokles für alle Zeiten unvergäng­ lich? Ich verschmähte es, unter irgend ein wirthliches Dach zu treten, ohne vorerst den Ort begrüßt zu haben, wo Py­ thagoras gelebt und geendet, wo Demosthenes und Aeschines ihren glorreichen Wetteifer erprobt, wo der Erstere am Grollen und Murmeln der Wogen die Stimme übte! Allüberall Spuren und Reste großer Männner: es liegt in der Wahrheit ettvas Ungemeines in diesem Orte! Wo wir immer den Fuß hinsetzen: allüberall tritt die Historie uns ent­ gegen!! (Id quidem in hac urbe infinitum: ubicunque iogredimur, in aliquam historiam vestigiuni ponimus!“)

310

XVI. Wiens erste türkische Kelagerung. (1529.) 1. Ain gründlicher und wahrhafter bericht, was sich

vnder der belagcrung der Stadt Wven,

Newlich

im M. D. XXIX. Zar, zwischen denen inn Wycn vnd Türg-

ken verlauffen hett, von tag zu tag klarlich angczaigt vnd

verfaßt. Anfencklich hatt es sich begeben, ein tag oder zween vn-

geferlich vor Mathei, das ist am XIX. und XX Scptembris, sevnd ankommen auf Wien zu des Türcken vor reytter eyn scharmützel gehalten mitt der Herrn und Hauptleutt geraysigen, so in Wien waren, haben svch wolgchalten, also, das etlich

Türgken von jenen erleget seind worden. Darnach am Tag Mathei, der 21. SeptembriS, tamend die Türgken gcwaltiglich

mir höreskraft dahergezogen, wör-

tend sich die Raisigen auf Wien gegen im, vnn wurden aber

etlich Türgken von jenen erlegt sy brachtend auch die köpf eins tails hinein in die Stat, vnd wurden auch under denen Raisigen drey verloren Nemlich ein Edelmann vnder Graffen

Hansen von Hardeck,

dem ward der Kopf von einem

Türgken abgchawen, derselbig Türgk dann das Haupt den

Türgken mit großem Triumph zugebracht hat.

31t In diesen tagenn floh viel armes Volcke so auf dem Land? gewohnt, von ferrn hineyn gcir Wyen, brachten mit jenen jr armut, was jnen müglich war mit zufüeren, nemlich roß und kue auch anders rc. Es war gar erbärmlich anzusehen, dann cS alles ellendklich zu Wyen durch eynander gienng. Es ist auch vil Dolcks, so sich selbs verkürzt hat, jm nicht nachgedacht das jnen der Türgk so nachendt was, auff dem Landt von den Türgckischen Hunden jämmerlich vmbgebracht vnd erwürgt vnd also vmb leib vnd gut kommen wie vil auch von dem landt seyndt hineyn geflohen, ist im gleichem Fall, ein sollich hinauß flvehcn gewest von Burgern vnd ennwonern der ©tat Wyen mit Weyben vnd kinden. Weytter auf den Tag Mathci, den XXL Septcmbris brachten deren in Wyen Raisigen einen lebendigen Türgkcn mit jhnen in die ©tat, der war alsbald gestreckt (gefol­ tert). Am andern Tag damach ward er mitt sampt andem Vorgefangnen vnd auch gestreckten Türckhen wol zusammengcseffelt vnd gebunden an aym Sagk in die Thonaw gcworffen bei der schlachtbrugk. Am Dornstag nach Mathei den xxiij Seplembris mor­ gens fru hielten die Türgkcn vor dem Stubenthor bey fant Marr versprachtcn jhren Mutwillen vnd Tyranney an den armen plattcrigen vnd prcßhafften menschen, so von der Stadt hinaußgcthan warendt, die wurden also jemmerlich von den Türgken erhackt vnd erwürgt, daß nun die Raisigen in Wienn sich zu ihnen hinauß liessm, flohen die Türgkhen hinder sich, also eylten ihnen die Raisigen nach, cs hatten sich aber vil türgkischer hundsköpf listigklich hinder jhnen heim­ lich verhallten, vnd rennten in die Raisigen auß Wyen hinden zu, wie wol sie sich gegen jhnen wörtten mit nach thail, dann es giengen vnder von jhnen bei zehen aber auf des Türgken scytten blieben vil mehr, Es wurden auch den Türgken abgejagt cttlich Kamclrhier, solich schrmützel ward

312 gar noch alle Tage gehalten», doch Gott hab lob, haben die Türgkcn allweg den größten Schaden darvon gebracht. Am Frevtag nach Mathei am 24. Scptembris würden die Borstett in Wven abgebrandt von ihnen selbst, es erlasch auch das Fewr nie recht, hietz an dem Sonntag, da hub es sich erst recht, dann die Ziegelhäuser die besten, so vom ersten entzünden vbergebliebenn waren, wurden erst auf ain ncweS angetzündct und verbrennt, Es tagend auch alle Felder Aetz an Wven vnd Weingärten voler feind es wurden auch an ob» gemeltem Freytag alle Ding preiß in allen Vörstetten effcndS vnd anders, es ging gar grob zu, bis der galg am Lu­ geck aufgcricht ward. Es wurden auch in Wien alle henser, so der maur an der Statt nahent warcnt vnd mit hültzin schindlin gedeckt, abgeworfen, dy dann nicht on sonderlich vrsach geschehen ist. Am Montag vor Michaelis, 27. Septembris umbringten die Türgken die ganzen Statt Wien vndcr vnd oben, vnd auch an allen Otten zugleich, Rahmend also den Paß der Thanaw ein, beym Kalnberg das fürbaß Nicmandts mer möcht weder auff noch abpassiren, Er wolle denn seins lebens sich verwegen, Es wurden auch vonn dem Türgkcn etlich püchsen zu der Stat hinzugebracht auf ein stainwurffe sied an, doch es warent nur falkennethlen vnd handpüchsen, sie verschlugen sich hinter die Gemauerten Stöcke der abgeprennten Heuser der Borstett, es wurden auch denselbigenn Tag etlich Knecht von der Statmaur geschossen. An sank Michaels abent den xxviij. Septembris begab sich ein scharmützel vor dem kernerthor hinaus in die Bor­ stet mit dreü fändlin knecht, gieng bald zu, Es wurden er­ legt bey zweü hundert Türgken, wie wol man mer saget, nemlich so in einem feier erstochen wurden von den knechten, auf der Wycner seyten blieben» etwas bey zehen, wie wol von weniger gesaget ward.

313 Xuff denselbigen Tag amb ij Vhr nachmittag kamen hergcfahren vom Kalenberg bei acht schiffen voler Türgken mit püchsen und andcrm gewör, wollten ein lägerschast ausgericht haben bei der langen prucke, es ward jhn aber alsbald ein Paßwort gegeben; dann die Hispannier kommend hinnder sie mit ihren vorcn, die dann wol troffen, daS sie die ruber liessen fallen vnd in die Lhonaw,purtzelten, etlich fulen von schiffen vnd ertranctten sich selbS, musten auch also ihr fürnemen hinftellen vnd widerumb gegen denn fluß Hinaufsaren mit grossem schaden. Bonn demsclbigen abent an Bntn auf den 15. Tage Oktobn'S hat man kain vr mer lassen schlagen in Wien, dann das prennklöcklein schlug die Biettheil, ist auch on son­ der Brsach nichts geschehen. Xus den Lag Michaelis am ‘29. Septembris ist den Türg­ ken genommen worden auffs mindst dreü fdnlcin durch die Hispanier vnd Lantzknecht, Es ist auch denselbigen Tag ein merklich groß schiessen gewesen, es gieng ein schuß auf den andern vntzinn die Nacht, dann wo man feind sahe, ward nach jhnen geschossen, man stand auch den ganzen Tag in der Ordnung vnnd ward on Underlaß geschossen. ES regnet auch dieselbigen Nacht für vnd für, eS sollen billig die Hundsköps daraussen erfroren seyn, aber Bnkraut verdürbt nicht. Xn sant JeronimuStag den 30. Lag Septembris hetten die Türgken am morgens frü ein groß anklopfen mit ihren elenden Geschütz, das sie datzumal heten, man wolt ihn aber nit austhan, Xm selbigen Tag nachmittag ward ein Böhme durch ein zvnncn ab der maur geschossen, deren kegel hat es vil gegeben, auff denselbigcnn Tag ist gehn Wien kommen ein kn ab, so von den türgken zu Ofen gcfanngcn, der hat gesagt, der Türk sei stark, zu Roß aber schwach, desgleichen ist auch ein megdlein auf denselbigen Tag entthrunen das Herinayrs Lischcuduch 1b42. 14

314 im dann ein Türgk selbst zugeaignet hat, im auch seine Fin­ ger mit köstlichen ringe geziert, als aber bey der nacht vnder dm Türkgen aufgedrummet vnd sie all der stat zugezogen, die gezelten verlassen, Sah in dem daS gut meytlin auch, seiner schantz, vnd ist in der nacht also in die stat kommen. Am Frevttag nach Michaelis den ersten Tag Oktobns hat man hinaus ab Sanct Steffans Kirchenn ihns selb gesehen, gegen dem Kalenberg vnd Schwechat hinaus, nichts dann legerschafft der Lürgken als weyt müglich was zu sehen, cs waren auch alle Felder vol feind, auff die an der seytten gegm dem Kalenberg zu sah man vil hin vnd wider tauffen vnd reytten, aber nvcndcrt als vil als auff der seytten gehn v n gern hinab, dann sie mochten in den weyngärten nit so wol raum haben, als gehn Schwechat hinab, auff den weylen Hayden. Den selbigen abendt umbt acht vhr inn die nacht, was ein grosses schiessen von den freundem, vnd den feyndenn dergleichen nye erhört, dann es giengen vnderwett so vil püchr sen mit einander ab, als wenn man zu sturm schcüßt. Den selbigen Tag auch, alsdann die knecht, hattcnn etlich mauren nyder gestossen, in der Borstatt vor dem Kerncrthor habent sich etlich knecht hinauß gelassen ins Feld, seind jegleich zugegen gewesen bey hundert husern, die Dorffent die knecht nit angreiffen, sundern sind den Gezelten zugerannt, kamen in kurtz zusammen tausend Husern, da musten die Knecht abziehen doch wurdenn auß jenen zwen erschossen. Am Sambstag nach Michaelis den ij Oktobris ward ein aufflauff in der Statt, Dann vil der feynd zu fuß und roß hatten sich hincyn gelassen in die Vorstatt vor dem Schotten­ thor, da erhub sich ein scharmützel zwischen Heren in Wien kriegßuolck vnd Türgken, dann man schoß tapfer in die Feynd, das sy wider Haussen weiß musten hynweg fliehen. Am Tag Michaelis den xxix Septcmbris wagt sich ein kundtschaffter zu roß auß der Stat hinauß, der muß dreymal

315 durch die Thonaw schwemmen, ehe er durch die Feynd hinauskam, Gott waißt, wie es ihm ergangen ist, Geleich zu Morgens vor Tag tarne" zwen Fischer auf dem wasser gefarcn, war in die Sach ganz wol geratten, dann sie von fevnnden nye angerannt wurden, wie wol jren vil die Tho­ naw jnn hetten. 2ün Sonntag nach Michaelis den iij Oktobris ward aber den ganzen Tag geschossen, nach alten Brauch am schuß auf den andern, Zn summ alltag feint leut umbkommen zu baiden saitten. Am Montag den vierdten Oktobris fru nach Mitternacht musten alle Fenlin auf die Wacht, dann die Feyndt stelleten sich draussen gleichsam sie stürmen wölten, es ward aber nichts d'rauß. Es geschah denselbigen Tag auch kein Auff­ lauff, Am En'chtag den 5. Oktobris umb 9 Uhr Vormittag schlug man lerma, dann die feynd wollten über die maur hinein sein, man ferttiget sie aber alsbald wider hinweg. Am Mitwoch nach Michaelis den sechsten Oktobris siel man hinauß ander die feynd bei dem Salzthurn durch der Fischer Vorstatt biß hinumb gegen dem Burgthor, Aber die Feynd warend jnen zu starkh vnd trungen vil knecht in den Statgraben zu fallenen, dardurch jrcn vil geschedigt würben, also Dz sie eins thails funken, die andern must man surrn vnd jre eins thails verttagen hinein in die stat. Es was ein grosser jammer. Es was aber solcher schreck vnnd flucht nit allain under denen kriegßleuten zu Wven, sonper auch vnder den Türgken, dann wo sie nit ains thails weren auff die flucht gericht gewesen, so wer es deren von Wien kriegsvolk nit wol geradten, sondern vil vmbkommen, das also Gott zum besten wendet, Dieweil sich das also be­ gab, Seind die Türgken dieweil an etnn andern Ort der Stat den sturm angelauffen, sie mochten aber nichts schaffen, dann die stat noch genugsam mit Volk versehen was, dcn-

14»

316 selbigen Tag ward auch ein lerma d r maur zu, endet sich aber bald. Am Donnerstag morgens fru am siebenden Oktobris vmb ij vhr Ward wider ein Lerma, geschah von dcrDurger wegen wie gehorsam sie sich ertzaigen wölten, sich in die Ordnung zu schicken. Doch ging dz kn'egßuolk alles empor, dann man besorgt sich dieselbigen nacht von wegen des scharmühels, dann sie hetten daS selb verloren dcnselbigen Tag, das schafft jr bollwerk, daS man jnen wol het abgewonnen, wo die hyndcren hetten nachgetruckt. Dmb den vorgcmelten lerma wußten die Türken endtlich nichts dann auff dem Kirchen thurm da man jr gantz Lagerschafft mächt übersehen im Zir­ kel weit vnd breit, nemlich gegen dem Angerlannd hinab auff zwo meil, als voller Gezeiten was, do hatten sie nahent gar feur, Aber in einer kürtze wurden so bald so vil das es wunder waS, man sah auch einen mitten durch ir Läger auff vnd ab rennen mit einem Wynd ist wol zu gedenken daS er die andern hab auffgenanndt, dann sy haben sich zu besorgnn gehabt man wöl wider under sie wie vor hinaußfallen, als sv den lärmen hörten in der Stat. Denselbigen Tag vij Oktobris vnn 9 vormittag ward wp der ein lerma, Dann es hetten sich etlich Türgken an den Statgraben hinzu gelaffenn, man trybe sy aber alsbald wi­ der hyndann, es wollten auch die lantzknecht, so auff der wacht waren für daß nicht mehr für gut achten, daß man so leychtlich Lerma schlug, vermaynten die Türgken wol mayster zu seyn wo schon tausent in Graben weren kommen, sy hatten doch kaun groß Geschütz darmit sye die maur möchten gebrochen haben vnd mußten also ober die hoch mauer hnnein festigen seyn, man het dem Dürke etlich groffe Geschütz zu Preß bürg in die Donaw verscnckt, am fürfaren das was deren in Wven glück. Es kam am sibenden Oktobris umb mitnacht gegen mor-

317 gen post vom Künig, vnd Pfaltzgrauen von Bayeren gehn Wien, Etlich tröst brieff, sy sollten sich wolgehaben, Sy woll­

ten jhnen innerhalb acht Tagen zu hylff kommen, Ist nicht weniger man ward solliches Trosts jn Wien fro, das man ob der Sach kam, wie wol sich dz kriegßuolk in Wien nicht hart besorgt, das der Türgk ihnen die stat so leichtlich abgewunne,

Es wölt dann Gott sy sonderlich verlassen sy müsten aber

zu letst vnd es lenger gewert hette, mangel gehabt haben an brodt wenn hatt man gnügsam gehabt, wo es sich schon jar und tag verzogen hat, Auff soliche Tröstung schoß man die

selbigen nachmittag allerlei Geschütz mit frewden, dz vor nye

was erhört, das einer möcht gedacht haben, man hett ge­ stürmt in allmacht.

Am achten Tag Oktobris haben sich die in Wien fast ge-

arbeit vnd gemüth mit bolwercks zu machen, damit die maur zu bewarn, Beym Kernerthor, da haben die feynd vast ge­

graben der maur zu desselbiaen Orts, ym willen gewesen die maur vnder zu graben, vnd mit puluer zersprengen, dann sy mangel haben gehabt an grossem Geschütz, darumb war

wol von nöttcn dz man grossen fleiß angehörte, in der Stat,

darmit jnen die maur nit zu schaden fyel.

Am selbigen Tag

auch vormals haben die Türgken treffentlich geschossen

beim

Kernerthor mit handroren vnd mit pfeylen, vermaynten dar­

mit die arbaittenden von jren sürnemen abzutreiben eS ge­ schah aber nit sonderlich schaden.

Es ward auch am selbi­

gen obgemeltten Tag gemacht eyn Bolwerk beym Schotten­ thor , darauf richt man zwo groß lang büchsen gegen dem Kallenberg zu, da ward ihnen dz Aue Maria zugeschossen,

als man das liecht zündt, was es aber für Kegel gab vnder jhren Getzelten ist unbewüst, es ist hart härgangen ist wol zu ermessen. Am neundten Tag Oktobris ward wider ein lerma weret lecht ein halbe stund nachmittag vmb drey Uhr hetten die

318 Dürgken hynein gegraben bintz vnder die Statmaur. Es war aber denen in Wien wol bewüst, man grüb in auch entgegen, doch auf die stund zündten mit pulver zersprengten

also die

maur, vndt von stundt an luffen sy ein sturm an, also verlornn die Dürgken zum ersten den sturm, doch liffen sie wie­

der an, vnd verloren auch den andern, dann da was kayn vertzagt man in der stat vnd weren all Dürgken ange-

lauffen sy wären mit Gotteshylff am selbigen abent all erschos­

sen vnd erstochen worden dann es war jedermann lustig vnd girig wider sie. Nun Herr, her, her sie spranngten auch ein loch in die maur lecht zwaier spieß lang, gleich bei

Sant Klarenkloster kaum ein staynwurffs weit vom Kernerthor gegen der bürg, es bracht aber nicht schaden.

Man hat vnder des Dürghen reytter ab den Thürmen in Wien geschossen das wunder zu sagen ist.

Es haben auch

jre schützen mit Karthaunen vnd Schlangen gar nach alle

schüß troffen, das man vnd roß gehn hymel auffsprungen. Am Sonntag vor Gallj den zehnnden Oktobris vermayn-

ten die in Wyen für gewiß der Türgk würd wyder stürmen, warteten so vntz auf den abent drei Uhr wie am Tag davuor, Es ward wol lerma inn derselbigen Stundt, sy thratten aber

nicht an, gienng yedermann bald wider ein straß. Am allsten Oktobris vermaynt man aber, es würd frü stürmen, also ging es erst an umb 9 Uhr. Es hetten we­

nig Hauptleut noch knecht inn Wyenn zemorgene gesscn, man must also nüchtern ston biß umb zwölff Uhr die Türgken liessen aber dapfer an, also schoß, warf vnd stach man sie

wider zurück, derselbig sturm geschah auf ein stainwurs wayt,

vom Kernerthor auf die seytten gegen den stubenthor hinumb, daselbs hetten sy dreymal angetzundet das puluer, so sy jhn

die gegraben löcher gefüllt hetten, cs ward aber allweg nichts dann ein rauch darauß, vrsach man hat jnnwendig lüfftlöcher gegraben, darmit es kam schaden macht than jhnen vnbewust,

319 Es würben auch den Dürgkcn vier thaunen puluers genommen mit sambt andern fachen, damit sy sich bcwartten vor dem hvnaußgicffen zu jhncn. An den obgcmeltten Orttcn hatten sie dannocht eyn loch in die maur gesprenngt wie eyn groß Thor möcht seyn, daS da gewölbt ist, also was die maur inn der mit gewichen vnd oben was sy noch ganz, In dem ist der Türgken fendrich auff die maur eyner kommen mitt aufgcreckten Fenlin, ward aber von stundt an widerumb hinab geschossen, Also ward vmb jhn eyn zannck die knegßlcut in Wvcn hetten yhn gern zu der linkenhand hnnein gezogen, Dorfft sich kainer lassm sehen, einer hannd brayt, dann wo einer ersehen ward beym Kopf einer hannd brayt so lag er gewiß als einem wol ge­ buhten Ftnecht vonn Nürnberg geschah ward also er­ schossen Aber cS seind allweg vonn der maur hinauß vil mehr erschossen worden, dann von jhnen hinein, zu gleicher weiß dorfftcn die draussen auch nicht zu jhren Fendrich, dann die auf der maur hettend sy all mit stannen zu Tod geworfcnn, Zn Summa, die Stat Wien ist ans dem obgcmeltten Lag schon also verpolwerkt vnd bewart gewesen von einem Thor zu dem andern zwischen Kerner und Stubenthor, vnd wann all Türgken auf erdttich davor weren gewest, sn hetten nichts mügen schaffen, Es hette dann Gott die inn der Stat son­ derlich wollen plagen vnd straffen, weren sy üner die Maur hyncin kommen, so weren sy erst recht in sack gclauffcn wie dye heütling jhm Bodensee gefangen werden. Am zwclfften tag Oktobris ward es styl, biß auff dreü Dhr nachmittag da hub sich ein lerma zu Fuß mit den trummen, vnd zu roß mit hummctcn, Eilents, Eilents, dann dye Tyrgkcn hetten aber eyn loch in die maur gesprengt, grösser dann vor nnc vnd stürmten in allmacht cs künden aber nit so vil hvnhu.'ommen, warben alle erstochen, erschlagen vnnd erschossen, also ließ man die knegßlcut in Wien wider abtzic-

320 hm, vntz an die so die nacht wachen sotten, ehe daS man zu

nacht aß, ward wieder lerma, werbt aber nicht lenger dann ein stundt vmb sibcn vhr in die nacht ward wider ein lerma

vnd schon der mon Helle darhu, Man hette den Türgken in

der nacht davuor verschonen acht thunm puluers genommen, am Lag davuor drey, am dritten

Tag

davuor zwu, dann

die in Wienn fenerdten gleich so wenig als jhre fcyndt Her­ auffen mit graben, dann sy hetten in der stat gut Bergknap-

pm die aufs graben verstendig waren, man gab einem Tag vnd nacht zehen Batzen: Des Türgken volk stürmet so vngern

das die roß hinder jnnen sy mit penglen

musten hynan

an

die maur ttaybcn, als auf den thürmen geschehen ward.

Am dreitzehenden Tag Ottobris was es gantz

der maur vnd schantzen.

rübig vnd

starck jnmvendig an

styl den gantzen Tag, aber sie pawtcn

Es ward jn einer an der arbayt

erschossenn auch mayd vnd knecht

so

an

der

arbeit

waren,

daß man yn must abgan, es gienngm den Lag vil schüß vber

dm Heusern hin, man bette groß wunder gesehen, von schup­ pen vnd pftnlen bei fönt Clären kirchen.

An dem Tag ob-

gemelt in der nacht, wie der Türgk morgens hinwegziehen woll, hatt er

alles teutsch

Bolck so

bei ihm gefangen

gewesen, Got geb wie sich ein yedweder gehalten hab mit arbaytm vnd graben, Halff sie alles nicht,

tyranisch und er*

barmklich Erwürgen lassen, vor der stat, ES was ein

solich jämmerlich Geschrey vnnder dem Dolck das dy so in Wien auf der wacht waren, nye erhärtt haben. Am xiiij Tag Oktobris

morgens

umb siben vr, wider

ein Lerma, do must man in der Ordnung stan biß

zwelff

vr, da gienng man ab, darnach ehe ein stundt vergieng

hub

sich wider lerma, weret biß umb drei vr vnnter demselbigen lerma fyel ein fendlin knecht hinauß in die Dorstat vor dem

Stubenthor vnd

erwürgten

was sy begriffen zwischen

den

stocken der abgeprannten heüser vnd brachten auch vier kamel

321 mit jhn hinein, Man hat auch die nacht vergangen, dem Türgken etlich thunnen puluer genommen, damit sy die maur wollen gesprengt haben. Auff diese nacht haben sich die Türgken gerüst zu dem Ab­ zug also abgezogen auff dem land, am mörgenS aber erst gegen tag auff dem wasser mit vil schiffen, dye alle unwb den Kallenberg seind gelegen, auch an andern Orten der Tho­ naw sy seind auch vonn den schiffenn an das land gegangm, wo sy haben gewolt. Da sy darvon furen, war de gar waydlich zu ihn geschossen, des sy ains thails jm wasser schwummm. Am fünffzchenden Tag Oktobris,. am morgens, wisten noch nit vil Leut in Wien von des Türgkm abtzug, da manS aber für war erfur, waren etlich fro, etlich vnnder dm kriegSleuten fluchten, die hetten jhn lieber lmger do geschen, doch der merer thail sonderlich die statleut waren zie seer freweo vnd Gott lob vnd ehr verziehen mit Danksagung, dz su auff dißmal vor dem türgkischen tyrannen, mtledigt, vnd die Gtat vor im behalten, waS vnn erobert, Damach vmb neun vhr warde das Le Deum Laudamus gesungm, ward auch ein ampt gesungm von der heiligm Dreffaltigkeit. Es ward auch auf den Thürmen vnd kirchen hynauß ge­ sehen, wie alle Dörfer daussen prannen wie ein kertz, dann die Türgken Hattens jnnen lassen ston darinnm jr wonung zehaben vntz sy abtzohen, pranotm sy es alles nach jn auß, der teufet gab in jren Ion. Auch liessen etlich knecht denselben Tag hynauß auff daS Ort, do sy die Türgken hinweggezogen haltend gegen dm Kalnberg Werts, aber die Türgkm waren gerüst mit ryngen, Pferden, dann sy hetten noch dahinden daß jnn lieb was auf dcrselbigen seytten, wardent also auß den knechten etlich ge­ fangen vnnd alß man sagt xlix vnnd noch vil mer erschlagen, darnach auf denselbigen abent ward cm groß schiessen um vjjj

322 vr in der nacht in Wyerm, mit großem und kleinen Geschütz das sich einer möcht verwundert haben, ES ward auch ge­ sehen ob den Thürnen hynauß gegen Bngeren Werts vil fcwr vntzalbar. Am xvj Tag Oktobn's fru vmb vij vr vormittag ward aber in der Höch der Thürnen gesehen ein groß prynen vnd grosser rauch, als man kaum desgleichen gesehen hat, also prannten sy nach jnen aus, aber nachmittag ward nichts mer gesehen vnd waren auch alle gezelt hynweg. Aber etlich Türgken strayfften noch, vnd wo sy einen begryffen, der der Weyntrauben nach hynaußlieff, waren von jnnen erwürgt, Es wurdent auch auf denselbigen Tag alle Burger in Wien gemustert, darbei die Kundschasst eingenommen ward, wölliche in der Etat belybcn seinnd oder hynauß geflohen, wie es denselben ergon wird, wirbt man hernach wol jnnen. Am sibentzehnten Tag Oktobn's wurden die drey ge­ fiertheilt auf dem Newen Markt, die wolten die stat veirprennet haben. Am neuntzchenden Tag Oktobris rytten die gerayhigen auß Wyen auf die Türgken, sy brachten zween mit jn hinein zu Fuß ein Moren, zu roß mit einem grossen pund, wie die Aigeiner pflegen zu füren. Am zwaintzigsten Tag Oktobris, rytten sy wieder hinaus fru am morgens, den selbigen Tag nachmittag vmb zwu vhr der Psaltzgras vnd mit yhm acht schiff alles voller Volkes. Wie ein türkischer Herr in einem Guldenstuck ge­ fangen, was er gefragt vnd darauf geantwortet hab. Erstlich gefragt, wie vil der Türgk Büchsm auf bem lande hab, vnd wie groß vnd wie vil roß an einer Büchsen

323 ziehen. Antwort: Der Türgk hab auf dem land dreühundert stuck Büchsen, scheusset eine Kugel wie ein faust vnd zie­ hen ober Bier roß nicht an einer. Ium wasser mer als vnd zwe

andern gestagt, wie vil er stucke Büchsen auff dem hab. Antwort: Er hab endlich und gewyßlich nicht zehen stuck auf dem wasser, jedes vier klassiern lang klassiern dick vnd schießen nicht sonder groß stayn.

Ium dritten geftaget, wieuil der Türgk schiff mit profiant auff dem wasser habe. Antwort: der Emerisch wascha hab viertzig schiff und der Kaysers prosiantschiff sollen noch nicht kommen sein. Ium vierten geftagt: Ob er wissen trag, was Nation des türkischen Kaiser Büchsenmaister seyen. Er wiß nicht, allain das sie Türgkisch gcklaydet scindt, doch wisse er wol das ein gefanngner Polack darunter sei. Ium fünffrcn gefragt, wie stark der Kaiser mit wörhafftigem Volke zu Roß und zu fuß sei. Antwort: Ein hundert tausend, darunter zehen tausend zu Fuß, Ettlich Husern die auff den türkischen Kayser warten, Sechstausend die auf den Emenschcn Wascha wartten, haben bückten vnd filtzschen kurtz pfeyl.

Ium sechsten, Wie vll gutter und böser buben vnd ftawen im leger seindt. Antwort: nicht gar dreühundert tausent, doch haben sie kain frawen bey jhnen, sollen sich auff Walisch mitainandcr halten, vnd der Kaiser son derlich. Ium sibendcn geftagt, wo er den Türgkischen Kaiser ge­ lassen habe. Antwort: Eine Meile unter Ofen. Ium achten geftagt, was fürnemmen der Kaiser sey. Antwort: Iu gewunnen Ofen, das dem Zanusch Wey da (Johann Japolya) als einem Kunig zu lassen, vnndt als er dann stark auf Wyen zutziehen darneben angetzaigc

324 daß sich die Türken vor dem Geschütz so zu Ofen ist, vast fürchten. Aum neundten gefragt, was geschrey vnder jhn sey, Ant­ wort. Das sie sich mit uns schlagen wöllen zaiget darauf an vnd schickt den Emerischen Mascha mit dem schlechten Bolt voran zutziehen. Aum zehnnden gefragt, ob sie alles jnS Feld kauffen müs­ sen. Antwort. Er hab bisher memants nichts nemen lassen, sondern betzalt, allain wenn die Haussen antziehen, so lausten etlich hundert droffer voran vnd nemen, was sie finden, vn verkauffens wieder ins leger. Aum zwrlfften gefraget, wie man das brot im leger geb. Antwort. Ein Stuck wie ein Faust umb ein türgkischcn pfenning. Aum dreizehenden gefragt: wicm'l der Türgk Kamel thier hab vnd ob ir vil sterben, auch was er darauf füre. Antwort. Es hat zwei vnd zwaintzig tausent vnd gar wenig gestorben, furen daraust meel, futter vnd Harnische Aum viertzehenden gefragt, wie vil der Türgk wasser schiff hab. Antwort vierhundert. Aum fünffzehnden gefragt, Wie weit der Türgk ein Tag mit seinem gewalttigen Haussen ziehen mag. Antwort. Ein Tag über eine halbe meil nicht, wann die Roß vnd Kammelthier seind fast müde. Aum Sechtzehenden gefragt: Warumb der Türgk nach sei­ nem auftzug so lang still gelegen sey. Antwort. Er hab des gcthraydS vnd anderer ftücht erwartten wöllen, vnd nachdem die Kammel und roß geruwet fein, zeücht er ein Tag zehen oder zwelff mcileh.

225 Dyß so hernach volget haben die Türgkhen so man zu Kremps gefangen hatt, bekandt. Der Türgkisch Kaiser lig jhm selb nachendt bey der Statt am wasser vnder der Statt gegen Ofen.

Der Wevda lig bei dem Türken in seinem leger.

Achains Mascha ligt nahmt bei der statt zunechst beim Kayser. Item gesagt der Türgke hab ein groß Bolcke zu Roß vnd zu Fuß, künd aber kein Zahl wissen. Item er hab Ein hundert stuck Feldgeschütz, die all groß stain schiessen, die hab er vor Ofen auch bei ihm gehabt.

An hewtt sei der Dierdtag, das sie auß dem Lager kom­ men sein.

Item es sein dreühundert schiff zu Ofen ausgefaren, wissen aber nit ob sie alle herauffkommen sein vnd das gröst schiff mag viertzig oder stnftzig Personen furcn.

Er hab vil pulver vnd man machs in der Türgkey. Als sie mitt dem Haussen sein ankommen, habm sie bei sechtzen mal gestürmt, bey dem Wasser an vier Ortten. Und als sie angefangen zu stürmen, ist das Volk in der Statt heraußgefallen vnnd jhnen grosser schaden gethon, vnd ist bei acht Tagen geschehn vnd der Türgk hab vil Volcks verloren vnd sey persönlich dabei gewest. Stern gesagt, man grabe die statt an setzehm Orten vnd wölle sie Mit puluer vnd fewr zersprengen wnssen, aber nicht an wöllichen Ortten. Der Türgk hab kain Christen bey jhm, Sonder allain Wündisch und Krabaten. Der Türgk hab vil Teütscher gefangen in ainem scharmützel, hab aber dieselben widdcrumb tnn die stat ziehen lassen.

326 Dem Türgken gefallen die in der Statt nicht wol, dann sie schiessen fast feer. Item gesagt, Alsbald man das puluer vnder der gegrabnen Mauer schütten vnd entzünden werde, so seien sie schon vorhin in der Ordnung. Vnnd sobald die mauer fallen, so lauffen sie in den selben staub vnd rauch an, damit sie hinein in die Stat kommen, Ehe man sie ansichtig werde. Weytter gesagt, sie haben nicht gewüst, das knegsvolck hie gelegen sey. Wann sie die Stat nicht gewännen mugen, vnd der Winntter sie vberfall, so werden sie wiederumb haym jhn jhr land ziehen. Sy haben wol gemerckt, das vnser Künig mit volck zu hylff sollt kommen, haben aber nicht gewußt, wann und wo. Bon Preßburg vn andern wissen sie nichts zu sagen. Bonn dem Volk das zwischen den zwayen pruglenn lig, wissen sie auch nichts zu sagen.

Das brot sey theur in ihren leger vnd man heraus auß dem Vngerland.

die profant für

Sie haben ein grossen Haussen Kammclthier, künden aber kam antzal wissen. Item einer auß jn hat bekannt, Er hab einem Edelmann gedyenatt, der hab bey dem Türgkenn secht zehn Pferde, vnnd sein Junkherr sey ein rechter geporner Türgk, vnnd hab ein Schloß das haiß Zernbick, vnd hab ein pantzer an, vnnd ein pökelhauben auff. Item derselbige wüste auch nicht, wie vil der Jenen, so allenthalben prennen, aber sie haben mit Haussen ausgethailt vnnd er sey mit zweintzig außgeritten vnnd es mag einer vom Läger ziehen, wann er wölle, biß er etwas zu wegen bringe, darnach so mag er wider in dz lager ziehenn.

327 Item gesaget, das er vnnd seins gleichen was yhres krr'egßuolck seyen, prennen nicht, schlagen auch die leut nicht zu teb, dann allain daS hayloß Volck vnnd der troß thon das. Item gesagt, wann sie hüpschcn meydlin bekom­ men, so brauchen sn es nit, sundern schicken eS in Türgkey vnd verkauffens. Sie vergraben kam profand, WaS sie füren mögen, nemen sie mit jhnen.

Ein kurtzer Bericht ober die recht wahrhaffiig Contrafaktur, Türgkischer Belegerung der stat Wien, wie dieselbig anzusehen vnnd zuuerstehen sey, welche zu rhum, preyß lob vnd ehr gantzen Römischen Reich, gemayner Ritterschaft, vnn insonderheyt einem erbern Rath der stat Nürnberg, durch Niclas Meldemann yetz verfertigt, getrückt vnnd außgangen ist.

Fürsichtig, Erber wcyß, günstig vnd gepietende lieben Herrn, Als verruckts Neün vnd zweintzigsten jars ym monat Scptembris, der erschreckenlich feyndt der Chn'stenheyt der Türgk mit heerskrast vnnd einem vnzalbaren kn'egßuolck die stat Wien in Österreich heftig an allen Ortten gen'ngsumb zu landt vnd wasser belegert, Derselbigen (wie augenscheinlich vnn meniglich wissend ist) vil ttangs mit schiessen, stürmen vnd graben, Auch der gantzen landschafft mcchtigen schaden mit raub, prand vnn mördcrey zugefügt, vnn viel erschröckenlicher thet geübt hat. Vnn aber aus sonndercr grosser gnad, vnn barmherzigkeit des Allmechtigcn, der selbig feyndt nach vielfältiger zu gefügter beschcdigung, widerumb abgezogen ist, hab ich mich zur selben zeyt vnterstandcn, vnd solchs E. I. W.

328 zuvor angezevgt (die Dz vngezweyffelt noch in guter Gedechtnus habm) ein wäre recht geschaffne contrafaetur derselbigen Belegerung zu erlangen, bin auch vo stund an selbst auff mein kosten gen Wien gezogen, meinen furnemen nachzukummen, in solchen keinen fleyß gespart, mich allenthalben befragt vnd rath- gepflegen ein recht geschaffte Visierung aller geübten Handlung zu wegen zu bringen. In solchem hab ich erfaren, das ein berumbter Maler zu Wien, der für sich selbst alS der Lürgk noch vor der stat gelegen, auff dem hohen St. Steffansthurm die gantz belegerung geringßvmb zu landt vn wasser, herwiderumb auch des kriegßuolett gegen wer in der Stat wider die Türgken, alles wie es an im selbst ergangen vnd augenscheinlich gewest ist, ver­ zeichnet und abgemacht hab, also das Hinach kein gründtlicher Biflrung dero gleich hat mögen gcstelt werden. Dem­ nach ich von stund an mit demselbigen Maler gehandelt, mir dieselbig zu verkauffen, das er sich erstlich gantz geweigert, zuletzt aber nach vilfeltigen ersuchen vn Unterhandlung der Herrn, on die ich von E. F. W. sonderlich furdernuß brüff gehabt, deren ich auch genossen solche Bisirung von berurtem Maler vmb mein Gell erkaufst vnd zu wegen bracht, welche ich nun auff das allerfleyssigst, so ich gemöcht, auf meine eygen kosten in ein recht ordentliche Form gebracht vn ytzo in truck gefertigt hab, wil also solches werck E. F. W. einem Erbarn Rath, meinen gepieteten lieben Herrn, zu sondern ehren, rhum, preyß, vnn wolgefallen Hiebey zugestellt vnd mit diesem meinem, geringen werck vnn getrewen fleyß vnterthmiglich verehret haben, mit vntertheniger bitt E. F. W. wollen solchS von mir, als einen gehorsamen Burger danckbarlich vnd zu gefallen annemmen, vnn meine günstig Hern sein vnd bleiben, daS wil ich vmb E. F. W. gantz willig verdienen. Daneben aber günstige lieb Herrn, gib ich E. W. diesen

329 bericht, dieweil solch werck sonst nach halben zirckl oder nach der lengc gestelt werden, daS solchs darumb beschern, das die Belegerung gerings vmb die gantz stat Wien gewesen ist und sott die eontrafaktur nach lenge oder halben zirckl gemacht worden sein, were vil dings vnn vielleicht das nöthigest, daS sich an der andern seytren, oder an vil Ortten der stat bege­ ben hat, würde aus not verdeckt, vnd ungesehen bleiben müs­ sen. Nachdem ober solchs vielleicht für ftembd oder seltsam angesehen werden mag, auch für nicht vil gesehen ist, wü ich aufs kürtzest anzevgung thun, wie man's verstehen soll. Und dennoch anfangs diese Gleichnus setzest, wann einer mitten in einer stat, auf einem hohen Thurm stunde, vnn künde ober die gantz stat gerings umb, in ein landschafft hineinfehen (desgleichen in die stat hinumb) so siehet er dörffer, Schlösser, wasser, veldt, berg vnn that rc. vnd waS in der gantzen Landschasst (so anders sichtig ist) vmb die selb stat herumb ligt, vnd so er vnder sich in die stat herab sihtt, mag im auch nicht vil verborgens bleiben, dem gemeß, hat auch dieser Maler auf dem hohen Steffansthurn zu den vier Fenstern herauß auff alle Oertter gerings umb ober die stat Wien in dieselbig landschafft, Remlich, wie die Dörffer vnd Flecken allenthalben verbrandt, wohin die Leger geschla­ gen, wie man gescharmützelt vnn die sturm angelof­ fen hat re. Deßgleichen in die Stat herüber vnd wag dann allenthalben in der Figur verzeichnet vnn angezaigt ist souil vmmcr müglich sehen mögen, also muß es von oben her­ ab verstanden werden. Welcher nun diesen Berstandt hat, dem ist solche eontrafaktur in den cirtel gefielt, zu sehen tinmmer seltzam, sondern also zu achten», als ob er selbs zu Wien auffn Thurn gewest, vnd solche Ding vor ym gese­ hen hat. Nun möcht aber gewandt der stat halben fragen, warumb die Heuser städl und Gaffen nit auch verzeichent worden

330 wem. Dem antwort ich, daß dieselben mit sondern fleyß vnd darumb ausgelassen sein, das man dester baß anzengen vnd sehm mag, wie sich daS kriegßuolck in der (tat zu der gegemver gesielt, wie vnd wo man allenthalben in der Ord­ nung gestanden vnd was sich in der not mit pawen, beftstigung vnn anderem aller ort begeben hat, das sonst, wo die Heuser gesetzt, so deutlich nit het mögen angezeigt werden, man het auch noch fouil papier dazu prauchen muffen, vnn were also nit vedermanns kauff, vnd für den gemeinen man gewesen. Zn kürtze aber wü ich die stat allein an die belegerimg abeonterfakt, auch (ob Gott will) außgeen laffen. Also ist die Stadtmaur allein mit dem namhafftigen thorn vnn thürnen, vnn wz in denselbigen verfass, in den grundt gelegt, vnn ein yedes mit seinen namcn verzeichent vnn angezeigt. Luch seind alle kirchen fouil der in der stat sein, ewigliche mit vhrem namen ongeuerlich an yr gepurlich ort oder rcsicr gesielt, dabey leichtlich an yr zuuersten ist, wo diß ob dz ge­ schehen vnn gehandett worden. Run wevtter anzuzeigen, wie die Quartir in der stat nach einander außgethailt, welcher Herr oder Hauptmann ein yegK'chs vnd wie weit inne gehabt, volgt hernach, vn in der Fi­ gur an der statmaurthoren vnn thürnm mit dem Alphabet verzeichent, vom L bis auffs Z. DaS erst Quartier hebt sich an mit L verzeichent bei den rothen thurn vnn geht biß auffs B. das ist in mitten zwischen stuben- und kernerthor, welches dem Durch­ lauchtigen hoch gebornen Fürsten vnd Hern, Hern Philip­ pen, Pfaltzgrauen bei Rhein, Hertzogen in Bayern sampt andern des reichS Hauptleuten, zu beschützen vnn zu bewarn eingeben worden, das sein F. G. mit sampt den andern bey Tag vnd nacht, mit höchstem fleyß, grosser Lrbeyt, trewlich vnd vnuerdrossen versehm hat. Das ander Quartier, von B. bis auffS C, das ist von

331 mitten »wischen dem stuben- vnn kernerthor biß auff daS Augustinerkloster, hat Herr Eck von Rryschach in Ver­ waltung gchapt, dz er auch mit ewbsigen fleyß bewart, vnd am selben ort hat die stat die gröst not vnn schaden erlitten. In demselben Quartir von dem kernerthor gegm stubenthor wertz, haben die Türgken (wie in der Figur verzeichent) zwei grosse ort der mauren niedergesprengt. Weytter oberhalb dem kernerthor gegen sant Clara ober dergleichm ein treflich loch ynn die maur gesprengt, welche löcher vnnd örtter die öbcrstcn hauptlcut vnd Marschelk selbst persönlich bei tag vnd nacht samt den Hauptmann K. M. zu Hungern vnnd Geheim dem kazianer mit verpawung vnn polwerkrn ver­ hüt vnd versehen haben. DaS brit Quartier von C. biß auffS D, das ist von Au­ gustiner Closter biß in den burggarten ist Hern Lbeln von Holneck, Hauptmann ober den Steyrischen Haussen eingeben wordm, der auch kein fleyß vnd arbeyt gespart. Das vierdt Quartier vom D biß auffS E. das ist die Burg bis zum schottenthor, ist Herrn Leonhart Frey­ herr zu Belß Hauptmann vber die knecht deS alten Haussen zuucrwaren eingeben worden, der auch alzeit sein bestes gethon. Das fünfft Quartier von F. biß auffs Z, das ist vom schottenthor vntz zu dem Zudenthurm, vnd vom Juden­ thurm bis zum Thurm ym ellend, ist Herrn Rimprecht von Eberßdorff Hauptmann vber zwey fendlein knecht zu beschützen befolhcnn worden, welcher Herr rc. re. von gcmcltcn Thurn jm eliendt (auff ein treffenU'ch groß polwrrck vnd vast gut gcschütz gewesen) den Nassem anff dem wasser grossen schaden gethon. Das sechst Quartier von F. bis wider auffs A, das ist von dem thurn nm cllendt biß zu dem Rothen thurn hat Ernst von Krandenstein, Obrister vber die Be-

332 heym sampt Herrn Wilhelm von Wartenberg vnd Graf Hansen von Harbeck, darzwischen die zwey thor, alS werderthor vnd saltzthurn, zu beschützen innen gehapt, dz sie nit weniger dann als die getrewen Bcrward vnd behüt haben. Run folgt weytter auch in der figur von 7t. biß auffs F verzeichent, wo sich der Türgk und seine Mascha in die Land­ schafft allenthalben (so weyt man daffelbig sehen mag) vnd vmb die stat gelegert haben. Erstlich an dem Ort mit 7t bis S. Marr verzeichent ist deS Türgkischen Kaisers Leger vnd das gr-st gewesen, dar­ innen er selbs persönlich gelegen ist. Im selbigen Läger seind des KavserS zelt, deren vil gewest innwendig gantz köstlich mit gülden stucken vnd pölstern nach prauch der Türgken be­ deckt vnd außwendig in der Höch mit schönen, güldenen knöpfen verfaßt, vmb dieselbigen zelt, ist ein weytter platz gewest, darauff der Kaiser sein veldgschütz bis in die 300 stuck mit allem vorteyl zu einer schlacht, mit aufgeworffnen gräbnen vnd schantzen ordentlich nach einander gestett vor dem selben Geschütz seind die Janitschern, (auf die er sich nit wenig verlest, dann sie auch ein Kaiser zu erwöllen Gwalt ha­ ben) biß in zwelff tausent starck gelegm, hat auch bei fünff hundert seiner Trabanten mit Handbogen stets bey vnd vmb sich gehabt. Dasselbig Läger hat angefangen bei der Thüvaw zu Eberßdorff, vnd gantz weyt hinauff wertz, schier biß gern Symmering vnd an das Wiener gepürg, vnd hinabwartz, (do man- nit hat sehen mögen) biß gen Schwe­ chat vnd Trautmannsdorf gereicht. B. Ist von obangezeigten des Kaiser Leger ein wenig aufferwertz gegen der stat zu, ein groß Heer, darinnen deS Türgken liebster vnd Obrister hauptman mit namen Tlbrahin, oder wie man dm bey Uns nennt, Jmbray Mascha gelegm, vnnd hat gereicht vntz zu der gestetten des newen

333 oderLäßlaSthurn, wie man nennen wil. Bei den selbigen Thum ist ein hocher aufgeschüttert wal, auf welchem die Türgkenschantz vnn acht Falckanetlein gehapt, auß den­ selben steets auff dem kerner thuen geschossen, denen auff der mauren vnd Thorn vit Hindernuß vnd schaden gethon.

So ist auch zu merken, das bey der Spütelmül vor dem kerner thor verzeichent auff bcden scytten Türckisch Ge­ schütz gestanden, vnd aus dem einem Ort haben sie ein Bast hohen wal von erden auffgeworffcn, hinder welchen die Büchsenmevster, das man nit zu yäh schissen mög, sich enthal­ ten, vnd wann man stürmen wolt, so haben dieselbigen Büchsenmayster zu beden seytten der Müle vnn die bei) dem Laßlas thurn so treffcntlich anheben zu schiessen, das die yn der stat hinauß gegen feynden nichts nit mochten schiessen, oder ausrichten. In derselben weil feind dann die Zanitschern sicher von ncchst obberurten Läger, wie yn der Contrafactur mit B verzeichent, mit heerßkrafft vnd gantzer macht heraber vnd buschel von wcyden, Weinreben, Holtz re. gemacht biß zu der Spittelmül an die Wien, (ein wasser also genannt) ge­ loffen, dieselbigen buschel ms wasser, vnd pretter darauß geworffen, vvn also hewber turnen. Hinach scind sie gleich in der Vorstar gewest, das man in weytter schiessens halb kei­ nen schaden hat mögen thun, sich in der Dorstat verloren, das man nit gewust hat, wo sie Hinkummen seind, vnn ver­ stellens vnder der erden in den gengen, deren sie mer da xl gegraben ym statgraben, wie in der Figur auch verzeichent ist, herfürkummcn, auff die mauren gestigen vnd gestürmt so lang, biß mans wider abgetrieben hat. Dolgt weyttter. C. Ist ein groß Heer nach dem Wasser Wien gelegen, vnn ganh wcyt hinter S. Diebold hinumb (welchs ein groß Closter Bernhardinerordens auff einen hohen Berg ist, dz erst lager, darinn die Hutten vnn zelt seind auffgeschlagm

334 worden. Derselbig Mascha ist aus Ratalia gewest vnd hat vier seiner sün bey sich zu veld gehabt. D. Ist ein läget geschlagen worden in sant Blrichsthal, in welchem ein Mascha auß übern Wasser gelegen, vnn feint) die zelt gantz dick in einander geschlagen gewest. E. Ist ein groß Heer am Spörckenbuchel gegen der Thunaw zu biß zu der heiligen stat, vnn ein wenig baS hindan gelegen, darinnen vil gefangen» Christen vnn dessclbigen Mascha namen Naßtarßki gewesen bey demselbigcn Leger am sperckenbuhel feint die Janitschern auff teutsche moiner, mit auffgerccktem geteylten rot vn wevsen fcnbkin ein gantzen tag in der ordnung gestanden, auff Meinung, die in der stat sollen gcdencken, es seyen freundt, die sich herzugcwagt, vn man soll yn die stat öffnen, oder heraus ent­ gegen ziehen, sie also betrügen wöllen. F. Seind die Raffern aufferwerts gegen die Thunaw in einer Aw gegen dem Neu pruch ober, vnn an der gestetten hinauff, biß gen Nußdorfs mit einem grossen Heer gelegen, die daß wasser inngehabt, vnn dem Heer botschast vnn kundschafft gethon, wie alle fachen geschaffen, damit sie yren Nachzug desto sittlicher Volbringen möchten. Weyter ist zu merken, daß in beden vorsteten, als vor dem kernet vnn purckthor die Janitschern vnn vil ander Türkisch kriegßuolck, ober insondetheyt die Büchsenschützen gelegen, deren allein on die andern bis in die 12taufent gewesen seind, welche sich in den verprennten Heusern, prandstützen vnd gmauer vor dem kernerthor, deren gmaur noch gestanden, enthalten haben, durch welche sie kleine löcher zu yren handtroren gemacht vnd hinder demselbigen versichett, vnd ganz gewiß ein so vnseglich vnmenschlich schiessen bey Tag und nacht draussen gethön vnd volpracht haben, also das sich niemandt auff der mänrcn zwischen den zinnen mör ein wenig dorffen sehen lassen, vnn das kriegßuolck in der stat dadurch grossen schaden empfangen.

335 So haben auch dieselbigen Zanitscherrr vnd ander Türckisch kn'egßuolck hinter solchem Gemaur vnter der erden wie in der eonterfaktur mit diesen werten verzeichent steet. (platz vor dem Graben) vil genug, die sie hienach oben mit prettern vnd mvst verdeckt, biß gar in statgraben hineingemacht, also das sie frey sicher, ungesehen bis an Wal hinan lauffen mochten vnd nur schlecht- hinter demselben und dem mäurlein des statgrabens sich enthalten vnd mit vren voren verpergen, dadurch löcher gemacht auch darüber aus zu den Bnsern auff der mäur ganz gewiß geschossen. Item, so haben sie auch da­ selbst an vil orten biß vnter die statmaur hinunter graben, dieselbig Hinach mit pulver zersprengt, wie dann anfangs gemclt ist worden. Also günstige vnd gebietende lieben Herrn, wer vil dings noch anzuzeigen, das sich begeben hat, die well ich aber ein sonders büchlein von der türgkischen belegerung hab lassen außgeen, in welchem alle Ding nacheinander erzelt, hab ich allein, was zu diesem werck der eonterfactur gedient, auffs kürvest angezeigt und was sie mangels ist, wirt daselbst be­ ster rcglicher erstatt, thu mich biemit E. F. W. in aller gehcrfam vnterthenialich befehlen. E. W. gehorsamer Burger Niclas Meldemann.

Die Begräbniß des Grafen Niklaß von Salm bev St. Dorothe zu Wien betreffend.

Ex Protocollo Episcopus Wiennen. de anno 1581. Im Namen der Storni. Kheys. Magst, unsers allergcnedigsten Herrn haben die Fürst!. Durch!. Ernst Ertzherzog zue Oesterreich Bnnser genedigsier Herr ober Weillandts Henm

336 Riclaß Grauen zue Salmb Befreunden bei Jrer Durchs,

crmitteö Grafen Begrebnu- halb beschchen mündlich

anmeld-

ten sich genedigist dahin resolvirt, da- sie die Besteundten

Irem selbst erhielten nach Comiiiva,

gedachtes

Graum

zu

Riclaß

biß zum Thor fhüeren, volgendts mit

Salmb Leich

der

so von dar Freundschaft vnd anndem vorhanden

fein wirbt, inn die Kirchen S. Dorothea allda die Granen zu Salmb Jr Begrebnuß haben, tragen vnnd alßdann den

Brobst vnnd Convent daselbst die Sepultur werrer wie her-

khumben, verrichten Inn oder

lassen,

doch daß

ausser der stat anniche

gesang mit für genomben,

dabei zu

seyn

bey solchen

Noch

ainiche Predikanten

Welchem

gestattet werde,

Conduit

oder Teutsch

Predig

nach

die

sich sy

Salmbischen Besteundten also haben zu richten.

Vnnd es be-

beschicht hierinn

sowohl auch

höchstgedachter

Kavsl. Maus,

Ster fürstl. Durchlaucht enndtlich Will vnnd maenung,

Weilandt Herrn Niclas Grauen zue Salmb vnnd Neyburg am ®n rc Besteundten zuezustellen.

Rathschlag. Dem Herrn Brobst zue S.

Übergeben Schriffttich

Dorothea

begern diese Abschrift

auß er zueersehen, was

alhie

aus

sein

zuezustellen dar-

der röm. kays. Mays,

vnnd

fürstl.

Durch!, rc. genedigste Resolution vnnd mainung ist, derselben

wüidet er sich

gemäß

zueuerhalten vnnd -inn

seiner Khir-

chcn die Catho lisch en Ceremonien zu hallten wissen.

Decret p. Serm. Archiduc.

5. Feb. Auno

1581.

Nota.

Die fürstl. Durch!. Ertzherzog Ernst Dunser gcnedigister Herr haben dem Herrn Bischoucn durch Herrn Secretarium

337 Unuerzagt mündtlichen vermeldten lassen den 14. Febru: Ihr

Fürstl. Durchlaucht haben solches Dekret auf dießmal nur passirt vnnd in simili werd es khümpfftig nit also sein, es

habe auch Secretari Altensteig das wörtel (auff dießmall) in Decreto vergessen zu inseriren, Item alß dm

16. Fe-

bruary das Salmbisch Funus gebracht ist worden, hat man

gar keine

Ceremonias

Catholicas

haeretico defuncto

neque in, neque extra Ecclesiam gehallten.

Idque ex

concessione Archiducis Ernesti.

Grafen von Salm Schreiben wegen der Begrebnuß seiner Gemahlin.

Praess. 15. Martii 1586.

Ex protocollo Episcopatus Viennensis de anno 1581 et Seq. Durchleichtigster Erzherzog rc.

Genedigister Herr rc.

Euer Fürstl. Drchl. sein mein ge-

horsamiste Dienst in vndterthenigkeit berait

derselben soll ich

hochbn'ngmder Notturfft in großer Betrübnuß vnd Her­

tz enleidt demüthigist clagent nit verhalten, dennach ich dem Erwürdigen

in Gott Herrn,

Herrn

Martin Probst des

Gottshauß S. Dorothea bitlich ersuecht, Wellandt'meines geliebten Weibs der Wollgebornen Frauen Anna

Gräfin zu

Salmb gebornen

Maria

Freyin von Dietrichstein

sceligen (welche der Allmechtt'ge den sünnfften dits vmb Mit­

ternacht auß diesem Aergengklichen

Leben vnd Jammerthall

zue den ewigen fteiden beruffen, dero seelen auch derselbe ge­

treue Gott zue seiner herrlichen Aukunfft ain fröhliche aufer-

stehung verleihen welle, Ihr Cörper aber in

beruerts Gotts­

hauß S. Dorothea, darinnen, wie Euer Fürstl. Durchl. rc. vnverborgen, Wir Grafen von Salmb auß bewilligung der vorigen in Gott ruhenden Khays.

Mayj. re.

löblichster

gedechtnuß vnser argen sepultur vnnd begrebnuß haben, zue ihrem Ruhebettlein bestatten zu lassen, do doch

wol er-

melter Herr Probst vngeachtct ich mich erkläret, das Con-

Hormayrö Taschenbuch 1842.

338 duct one ainige Ceremonien antzuestellen vnnd zuuerrichtm, beinebens' auch dem Gottshauß mit ainer ehrlichen vnnd ruemblichen gedechtnuß entgegen zu gehn, diesem meinem bittlichen an Jme selbe gantz billichen vnd Christlichen begeren, außer Eurer Fürstl. Durchl. re. gmedigisten Consens vnnd beuelchs, khaine statt geben wellen. Wann mir dann m meinem one das habenden großen vnnd vnertreglichen hertzenlaidt hoch beschwerlich, wann meinem lieben vnnd Treuen weib seeligen solche begrebnuß versagt, vnnd ir das Ruhebcttlein, Welches Ich vor Iaren mit aigenen Bneostm zurichten, auch mein voriges weib vnnd abge­ leibte linder darein legen lassen, verwerth werden sollte. Alß gelangt an Euer Fürstl. Durchl. re. mein demüthigestcs Flehm vnnd Bitten, die wellen wo nicht meine, doch meiner lieben Voreltern dem hochloblichen Hauß Öster­ reich vnnd gantzer Christenheit erwiesene Treuiste Dienst vmb dero belohnung willen Inen neben andern Gnaden vnnd wohlthatm diese stattliche vnnd ehrliche Sepultur bewilligt vnnd eingegeben worden genedigist behertzigen, vnnd mehr gcdachtm Herrn Probst durch ain beeret vnuerzogenlich genedigist auferlegen, daß er mir in anstellung vnnd Verrichtung diese- Conducts (welches obuerstandner Massen ohne alle Ceremonien vnnd ergernuß der Catholischen Re­ ligion-verwandten beschehen soll) kheine Irrung oder verhindernuß thue, daran erweisen Euer Fürstl. Durchl. mir betriebten sonders hohe gnadt, die vmb Euer Fürstl. Durchl. rc. ich die zeit meines Lebens vngespartes vermögens zu ver­ dienen geflissen sein will, deroselben mich vnnd meine Arme khlaine khinder zue fürstlichen Hulden vnnd gencdigisten Be­ scheid vnderthenigist beuelhent. Dat. Scheita den 9. Martii Ao. 86. Euer Fürstl. Durchl. Gehorsamister Dimer Julius'Graf zu Salmb vnnd Neuburg.

339 Dem Durchlauchtigsten Hochgebornen Fürsten und Herrn Herrn Ernsten Erzherzogen zue Oestereich, Hertzogen zu Burgund vnnd Grauen zu Tirol! rc. meinem gmedigisten Herrn.

Unterm 17. März wurde dem Bischof von Wien darüber die Aeußerung aufgetragen, welcher inständig bat, ihm dießfalls keinerlei direkten oder indirekten Zwang anzuthun, da­ mit er nicht vonRom erkommunicirt und von sei­ nem bischöflichen Amt suspendirt werde, indem ja „die Sepelirung der vnkätholischen abgestorbenen durch die Bäbstl. Huld vnnd durch die Herrn Nuntioa Apostoiicos gar hoch et sub poena excommunicationis verpotten ist, deshalben ein guete zeit Hern wissentlich keine dergleichen Per­ sonen allhie in die Khirchen begraben worden, dessen auch die khirchen vnnd die Priesterschafft in gemain am gelait vnnd andern Lren gefallen vnnd einkhommen entgelten re. Darwider aber etwas zu thuen mir nit verantwortlich sein wurdt." Unterm 10. TCpril wurde dem Bischof von Wien die al­ lerhöchste Resolution intimirt, es sei dem Grasen Julius Salm für dießmal bewilligt worden, seine Gemahlin in das Salmische Erbbegräbniß bei S. Dorothea brin­ gen zu lassen, doch mit der ausdrücklichen Bedingniß, daß allein der todte Leichnam ohne allen Conduct, Gesang, Pre­ dig oder andere, dem katholischen Cultus zuwiderlaufendc Ceremonien weder in noch außer der Stadt, zur Kirche geführt und in die Salm'sche Gruft eingelassen werde, wes­ sen auch der Probst von S. Dorothäe zu verständigen sei.

Das historische Taschenbuch auf 1823 liefert S. 52 —163 den Grundriß des 1529 belagerten Wiens, die Belagerungs­ münzen, die Gedächtnißmünzen des einen Oberbefehlshabers

15*

340 Wilhelm von Rogendorf, das Ebenbild und das Leben

des

seines Schwiegersohns, des

andern Oberbefehlshabers,

Grafen Niclas Salm, der am letzten Tage der rung, tödlich verwundet fiel. —

Die beiden

Belage­

Kaiser, Carl

auch Friedrich IV., Mar l.

und Ferdinand (er hatte

dessen Sohne Philipp und dem Vetter Sigmund von Tyrol gedient) räumten ihm und.seinem Hause bei S. Dorothee

nächster Burg, ein eigenes Erbbegräbniß ein

und

errichteten

dem Helden dort ein Mausoläum, woraus in zwölf Marmor­

tafeln seine glorreichsten Kämpfe zu

sehen

waren.

Anfang in der Schlacht bei Murten mit den

2) die Eroberung Friauls

wider Carl von Burgund 1477.

1509. gung

3) Schlacht bei Creazzo 1513.

4) die Vertheidi­

5) Schlacht bei Bicoeca

Verona's 1514.

6) Schlacht bei Pavia und 1525.

7) Sieg bei Tokay über den ungarischen

Gcgcnkö-

8) Belagerung und Erobe­

9) Sieg über ebendenselben

hann, bei Szinye 1528.

1522.

Franz I.

Gcfangennchmung

nig Johann Zapolya 1527.

rung von Tokay.

1) sein

Eidgenossen

König Jo­

10) Entsatz und Treffen bei Er­

lau, 11) und 12) das wüthende Gemenge am Burgthor und

der Sturm am Kärnthner Thore Wiens, in der Belagerung

des großen

Süleyman.

„Dum



dirutis moenibus

invictum generös! animi robur pro muro hostium minis opponit, saxo percussus, lethale vulnus accepit“, schrieb Ferdinand auf den

Grabstein.

Schmelzls Schulmeisters

zu



den

Schon

Wolfgang

Schotten

bekannter

Lobspruch aus Wien, zählt das Snlmische Grab unter die

vorzüglichsten Zierde der Stadt

Die Dorotheer hob’n ein schcn's Klöstcrlein, Gepaut inwendig wie ein schrein, Drinn Graf Niklas von Salm Grad, An welchen du magst nemen ab. Wie vtl schlacht vnd ehrlich that Der edle Graf begangen hat?

341 Die Schlachten von Creazzo, Verona, Bieocca, Pavia, Toka», Erlau, Szinve, die Rettung

Wiens

leben in den

Jahrhunderten fort, die Siege von Amberg, Würzburg, En­ gen, Kehl, Altenkirchen, Ukerad, Wetzlar, Osterach, Stockach,

Zürich, Mannheim, Caldiero und Aspern nicht minder, — dennoch waren sie zu geringe, ihn zu verhindern den Streit um ein Grab!! —



342

XVII.

Zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges, namentlich der böhmischen "Unruhen. i.

MLHrerisch Fegfewer, in welches Graf Lampier Drey

Lausende Arme Seelen, ihme den Weg zubereyten vorhero geschickt.

Oder Historische Erzehlung, der Gnaden

vnd Siegreichen Victori,

welche die Göttliche Mayestät

den Mährischen Evangelischen Ständen durch den Herrn von Lieffenbach,

wider

den Spannischen

Obristen,

Graf Lampier, den ‘26. Julij alten, oder 5. Augusti newen CalenderS gnedigst verliehen vnnd geben hat; in

deme wenige Lieffendachische dem Lampier drey

tausendt erschlagen, fünff vnnd achtzig Wagen voll ver­ wundet, vnd alle sein Pagagien abgejagt haben.

Wel­

che- wol eine Straff, über den Spannischen Türken er­ gangen, kan genennt werden.

Historische

Erzehlung, der

Gewaltigen Hand Gottes, was

Sie durch den Herrn von Lieffenbach, wider den Herrn Graf Lampier vor Wunderthaten verrichtet. Ob wol seyt wehrender im Königreich Böheim, entstan­ dener Bnruhe, die Spannische locumtenentes, ein weit grös­ sere Anzahl Volcks in allen Scharmützeln, als die Böhmische Stände verlohren, vnd eingebüsset, wie es dann die öffentliche

Warheit, vnd darzu

Land- vnd Weltkündig ist, so

haben

343 sie dannoch über die eintzige zwischen dem Henn Grafm von Manßfeldt vnd Bucquoi erlittene Niederlag (bey welcher sie doch auch mehrer Volk weder S. G. im stich ge­ lassen , zwar das Feld, nit aber one jren grossen Verlust, be­ halten) ein solches Triumphiren, ftolocken vnd jauchtzen, voll­ bracht anders nicht, als ob sie die Böhmen allbereyt ganüberwunden, vnd zermalmet hettcn, wie die Spannische Catholisten dann, deßwegen an vielen Orten, wie auch in Böhmen selbsten, Wall- vnd Kirchfahrten, vnd daS Te Deum Laudamus zu singen angestelt, auch celebrirt vnd gehalten haben: Darben sie es auch nicht verbleiben lassen» sondern wie die Herrn Grafen, von Thurn, vnd Manßfetdt, allerley SchmähCarten vnd Passquiilen spargirt vnnd außgesprengt, vnd an ihren wol hergebrachten Gräflichm Ehren vnd Namen schmählich angetasttt, vnd I. Z. G. G. also injuria« atrociffimas zugefügt, auch sonsten keineswegs, was zu vntertruckung der Böhmischen Standen gerechten Sach, vnd Beschönung jhrer mehr als Türkischen Thaten dienet, vntcrlasscn: Wie dann der Spannische Nugant eS alles dahin, doch bey den Haaren ziehen thut, als ob die Böhmen selche Niderlag, als vngehorsame vnd Rebellen, wolverdienet hetten, mit statuining, daß die Göttliche Mavestät solchen vnd dergleichen vngehorsam dergestalt zu straffen pflege: Der statu« Controversiae aber ist über­ flüssig bekandt, daß sich ein vnpassionirter, wie fälschlich auch die Spanniolosirten, denselben controvertiren, wol contentiren kan. Daß aber in Knegen, der ein Theil heut, der ander morgen obsiegt, oder vntenliegt, es also zugehet, ist menniglichen bekandt: Wankmb aber die Göttliche Mayestät, der gerechten Sach nicht allemal, so schleunig wider ihre Feinde hilfft, hat sie gewiß überflüssige rcchtmessige Lrsachen darzu, welchen wir nicht wiedersprechen können noch soffen.

344 Es sind aber die Spannische Obristen Buequoi vnnd Tampier so stoltz vnd hochmüthig worden, daß sie alsbald auff Prag oder Pilsen zubegert, dieweil aber ein spitziger Stein jhnen in der Strassen lag, haben sie selbiges zu werk nicht richten können, darumb newe Ordinantz begert vnd er­ langt, in Mähren zurucken, vnnd jhren alten Grollen, welchm sie wider das Marggraffthumb Mährern gehabt, (weil selbige Stände federn belli, in demselben jhnen nicht, wider die Böhmen zugebrauchen, concediren vnd zulasten wollen) außzustossen, zu welchem Ende auch jhren Kopff gegen selbiges Fürstenthumm gestreckt, mit Vorwendung, daß sie eben wie die Böhmen vngehorsame wercn, vnnd sich mit selbigen Rebellen confoederirt, vnd verbunden hettcn: Dar­ auff auch Tampier in Mährern geruckt, vnd in demselben, so wol als in Böhmen, mit Brandt, Mordt vnd Plünderung zuversahren angefangen, wie dann den 1. Augusti Ncwcn Cal. zu Wien ein specification von Tampier ankommen, welche der verbrandten vnd geplünderten Märkt, Schlösser vnd Dörffer allbercyt viertzig in sich gehalten: vnd ob gleich die Herrn Ständte an Ertzhertzog Leopolduni, als Königs Ferdinandi Statthaltern, solches einzustellen, flehentlich ge­ sucht vnd gebetten, so haben sie solches doch nicht erhalten mögen, dann der Tampier von seinem vorhaben zu weichen gar nicht, sondern etlicher vornemer Orter, gleich er in Böheim gethan, zu impatroniren oder zubemächtigen ent­ schlossen war, welches die Thaten genugsam erwiesen haben: Deßwegen die Mährischen auch, deß Feindes vorhaben desto reiffer in acht genommen, vnd jhme fleissig auff den Dienst gewartet: Wie dann der Hcn Friderich von Tieffen­ bach, mit seinem Volk, den 26. Allen, oder 5. Augusti New. Cal. auff vnter Wisternitz zu marfirt, In Meynung, weiln sie vernommen, dasz der Feind auff Lundenburg zu wil, demselben dero Orten das streiffen vnd brennen, so viel müq-

345 lich zuwehren, so hat eS sich gleich begeben, dasz der Feind das Thonauwitzer Feld in vntrrschie-lichen Lroppen, mit seinem gantzm Heer, welches sich aller Auffag nach in die zehen tausendt Mann, vnnd mehr mit Bngarn erstrecke» soll, auch zugleich auff Wisternitz zugezogen also dasz sie recht im Aug mit einander competirt, welcher eher in dm Flecken komme: Als aber Herr von Tieffenbach, dem Tampier die Hand gewonnen, vnd ohne verlierung eynigeS Manns, dm Flecken erjagt, hat er in einem vmbfangmm Stadel deß Cardinals, sich, mit etlichen Mußquetirern ge­ macht, seine Stück an den Ecken plantirt, vnd denselben horche gehalten, der Feind aber hat sich alsbaldm rpsolvirt, gegen Balerien, gemacht, vnd ist gar oben an dem Meudelberg, zu Roß und Fuß durchs Weingebürg gezogen, welches wol ein weü mit 100. Mußquetirern defendirt, endlich aber, weil der Feind mit völliger Macht auff sie kommm, verlassen müssen: Als sich nun die Lieffenbachischen, in den Flecken begebm, zünden sie jhn selbigen über dem Kopff an, da sie nun über die Drucken kommm, so trifft Tampier mit seinen Fantorian jhme in Rucken, vnd die Reuterev setzt auff vnterschiedlichm Orten durch das Wasser, fallen sie also an allen Orten mit völliger Macht an, treffen dort auff der Wiesen viermal miteinander, dasz sie sich gar miteinander vermischt haben, Herr von Tieffen­ bach aber, mit seinem Bolt, mit grossem deß FeindtS Schaden, zuruck gezogm, vnd hat wenig gesthlet, dasz H. von Tiesfenbach nicht alle funff Fändlin jhnm damals genommen. Als aber der Feind gesehen, dasz er dem Tieffen bachischen Dolck an dem Ort m'chtS ab gewinnen ton, vnd dasz er je lenzer je mehr einbüst, setzte er durch das Wasser vnnd harvet vmb die Wiese herumb, vnd praesentirt sich im freyen Feld, da hawm die Mährerische Rmter (denn

346 über 1200. nicht gewesen) stark auff dm Feind hinein, ver­ mischen sich vntereinander, daß sie einander selbsten nicht mehr getarnt haben, Letzlich aber, als sich der Staub, vor welchem sie einander nicht kennen k-nnm, gelegt, haben sie erst einander gut Bossen gemacht, so gar aber zu beeden Theilen verschoffm gehabt, dasz die Degen da- beste thun müssen: Endtlich gibt Gott die Gnad, dasz die Tieffen­ bach i sch e den Feind in die Flucht geschlagen, also dasz er auch nimmer an sie gesetzt hat, weder scharmützikend, oder sonsten in eynigerley weis, vnd haben den Feind mit den Stucken begleyt, bis er sich gantz reiterirt hat, Herr von Tieffenbach aber hat noch lengcr, als ein stund, mit seinem kleinen Häufflein, (dann er über vierthalb tausent starck nicht gewesen) in Batalia mitten im Feld gehalten, vnd erwartet, ob der Feind noch fcrrner mit jhn sprachen wolte, er sich aber nicht mehr praesendiren wöllen, haben also die Tieffenbachische gleich in der finstern jhren Abzug genommen, vnd naher Baustrom in das nechste Dorff aarsirt, von dannen sie jhren weg nach Sellobitz genommtn, der Feind aber hat sich wider zmuct begebm. Dieses Treffen hat sechs gantzer Stund an einander ge­ wehrt, vnd ist gewißlich nie kein Auffh-ren gewesen, dasz also der Feind anders nicht sagen kan, als dasz die Mährerischen mit ihrem kleinen Schüppel, seine grosse Anzahl nicht allein nicht gefchewtt, sondern dasz sie jhme im fiachm Feld vor die Nasen gezogm, den Pafto oder die Losirung jhme ti seinem Vortheil abgedrungen, viel stundlang stand gehalten, demselben heisset, als er sie tractirt, in compagma comparirt, sich mit jhme vermischt, vnd endtlich das Feld erhaltm haben: vmb welches dem Siegreichen Barmhertzigen GOtt, Lob, Ehre vnd Preys sey gesagt, der wölle den Mährern vnd allen Evangelischen Christen auch hmstro , mit Gncden beystehen.

347 DAß

aber dieses

ein grosse Wunderthat GotteS,

wird

niemand in Abred seyn können, dann ohne GotteS sonderbare

Beystandt

Hülff vnd

hette der kleine Hauff,

Gewalt nicht also zerbrechen können:

den

grossen

Dann auff deß FeindeS

seyten sevnd über die drey tausendt geblieben, Theils niderge-

haut, vnd Theils im Wasser Theyn

ersoffen vnd vmbkom-

men, vnd funff vnd achtzig Wägen voll beschädigter, sdarunter der Hertzog von Sassen, der Conte di Monte

sampt

vielen

andern

Befelchshabern^

von

der

cucule,

Wahlstatt

weg geführt worden, dergleichen auch der Rittmeister Crepi, Oeler, Gratin, vnd der Freyherr Frican ein reicher CavaHer, sampt mehr andern geblieben, wie auch vier Corneten,

vnd ein Fähnlein, sampt vielen Pagagi Wägen

darunter

Sachen,

allerhand

Kirchenornat,

hiebevor an

nicht

(welche mit

geringe Meßgewandter,

Sübergcschmeyd, vnd sonsten Wahren, so sie

andern Orten, Kirchen, vnd Clöstern geraubt)

vnd in die vier ^hundert tausendt Gulden werth bekommen: sind auch 300. verlohren

Der Mährischen sich

allgemach herbey

Pserd

worden finden

wie auch Leutenampt Kuhn, dessen

vntcr jhm erschossen worden,

ist auch

wieder antom-

men, Herr Stubenvoll seynd 2 Pferd vnter jhm erschossen worden:

Vnd wann

der Oberst

Tscheratin etwas eher mit seiner

Entsetzung kommen were, hette man dem Feind mit GotteS

Hülff den Garauß gemacht, wel aber nun der von Sallern

nyt 4000. Mann,

zu den Mährern gestossen, vnd die Hülff

cmß Böheimb mit dem Grafen von Thum, auch Obristen Sedintzky mit 400 Pferden, vnd 1000 Mußquetirern ankom­

met, hoffen sie mit Göttlichem Beystand, den Feind auß den Land zu jagen, dasselbe zu saubern, hernacher mit Ihrem Volk dem Königreich Böheim, vnnd

nunmehr

Vnirten

Wahlstatt hat

andern incorporirten vnd

Ländern wider beyzuspringen:

man

einen Harnisch

gefunden

Auff der

gantz

blaw,

348 vnd mit güldenen straiffen sezieret, benebenß einen Lcutenampt gefangen, welchen die Mährerischen gefragt, weme solcher zugehörig gewesen, hat er geweint vnd gcdctten, jhme deßhalben nicht zufragen vnd gesagt man frage doch nicht: Ach ist dieser Mann Todt, dahero man vermuth, daß cS etwas vornemes gewesen: er wirds noch wol sagen müssen: vnd ist hierbey wohl zu merken, daß in wehrendem Streit, auß Niclasburg vnd Manberg Herrn Cardinals von Dieterich stein Knecht, dem Feind zu Hülff kommen, vnd gewaltig Fewer geben, als haben sie das Schloß Baußrein darauß jhnen auch schaden geschehen, in Grund abgebrandt, geben sich also deß Landes heimliche Feinde hervor, welche Offenbarung, ihnen keinen Nutzen tragen wird. Man hat gar gewiese Advisen, daß sich der Tampier mit seinem Läger zu Pribitz befindet, der hat dem Bucquoi umb eylcnde Hülff geschn'eben, welcher aber mit jhme genug zuthun haben wird: zu deme die zwölff tausent Mann deren man zu Wien gewärtig auch noch nicht ankommen seyn, vnd sehr vngewiß, ob sie so gleiches Fusses hinein kommen können.

Der Polnische König wird weder dem Bucquoi oder dem Tampier zu Hülff kommen, noch den Schlesischen Ständen schaden mögen, wie dann jhme sein Vorhaben allbereyt mißlungen, vnd seine Rathschlag zurück gangm, sinte­ mal die Türcken vnd Tartarn mit etlich 1000 Mann ins Land gefallen, darumb die zwölff tausent Polen welche an den Schlesischen Gränitz gelegen, auffgebrochen, vnd dem Türcken vnd Tartarn wehren müssen, daß man sich semethalb wenig zu bestrchten hat, vnd mit den eingefal­ lenen Gästen genugsam zuthun haben wird.

Die Hungern sind nun auch in armis, vnd weil die fach richtig, vnd nervlich schrifftlich sich erklärt, bey dm Böhmen

349

zuleben, vnd zu sterben, hat man sich aller Hülff von ihnen zugetrösten. Auß den Hanseestädten, soll auch den Böheimen ein grosse Summa Gelts, wie auch Volk zukommen, deßgleichen auß Befelch der Herrn Staaden, ein newe stattliche summa GeltS den Böhmischen Staubten erlegt werden, vnd hat das Ansehen, daß die Böhmen nicht sogar Hülffloß so wol an Dolck als Gelt gelassen werden möchten. GrafTampier, hat einen Widertauffer welcher jhme den weg zeigen sollen in stucken verhawen lassen, mit vorwendung wie er jhne fälschlich verführt habe, da doch der arme Mensch von dem Liessenbachischen Bolck nichts gewust, auch weder in Bergen noch Wälden geschehen: seinen zorn also über diesem armen Menschen, weil er sonsten nichts schaffen können, außgestossen: andere Span Nische Fautores, wöllen sie auß allen Brüderhöfen, vmb der vrsach willen, verjagen. Ob nun dise gemelte Niederlag eine Sttaff oder Beloh­ nung der in Mährern, Böheimb, Oesterreich auch andern Orten verübten mehr als Türckischen Mordthaten seye, oder noch ein vollkommenere reichere zugewarten, mögen die Spannischen Vicemtenentes nach jhrem Beliebm glauben, oder den Spanniolosirten Condpisten, was doch die Drsach sey, daß sie so grewlich eingebüst haben? confuliren, vnd beftagen: Vielleicht diese, Weil sie viel Kirchen vnd Geistliche Güter selbsten beraubt, vnd darumb im Bann seyn, welche als verbannte nicht würdig seyen, Victoriam zuerhalten. Eine andere Vrsach kan darbcy seyn, Nemlich daß die zeit vorhanden ist daß der vnschuldigen Christen, wie Wasser vergossenes Blut dermal eins vindicirt vnnd gerächet werben soll: Dann die Raach ist allein Gottes dH Herrn, solche zu üben, ist Seiner Mayestät, die bequembste zeit, am besten bewust: Dieselbe stärke beedeS die

350 die Obrenkciten vnd Dnterchamn daß sie zubeschütz cn

sich

jhren

Seelenschatz

abwenden oder erschrecken

-einerley Gefahr

taffen, auff daß sie die Cron deß ewigwehrmden Königreichs

zugleich erlangen vnd besitzen ewiglich.

2. Warhafftige Relation

Der Glück vnd

Frewdenreichen,

vom Henn Grafen Bu cquoij, Röm: Kays: May: Ge­

neral, wider den Herrn

Grafen

von

Grafens

Fölß,

von Lhurn Obristeu Leutenampt, vnd deß Böhmischen LL-er- angesetzten Feldmarschalck, den 1*2. ditS Monats

Aprill

Anno 16*20.

durch Göttliche Krafft

vnd Segen,

bey Egenburg vnd Sitzendorff erhaltenen Bictori. ABffer alles zweiffels, werden jhr vil

vermittelst vnserer

von dem Feind jüngst erhaltenen, vnnd von dem Himlischen Siegsfürsten Christo HCsu ertheilten, frewdenreichen Victori,

mit Glaub vnd Dnglaub würdigen Relationen allerseits vberhaufft seyn worden, Ich aber berichte auß confiderierung,

allerhochbewegenden Bmbständt, den rechtmässigen Grundt, auff daß nichteS wider die kündbare notorietet vnd offenbare

Warheit entdecket werde.

Bin also Persönlich als ein Testi#

oculatus bei der Schlacht, vermüg meines

AmbtS

erfundm

worden: alda ich nicht ohn grosse Leibes Gefahr, fast mitten

in der Schlachtordnung, jedes vnnd alles wol in Augenschein genommen.

Damit nun der gantze Procefe vnnd Derlauff

von Anfang biß zum Endt nicht promi fcue vnd vnordentlich

vor die Augen mänm'gklich werde: Also ben'cht vnd demon­ strier ich, daß im Palmsambstag, welcher war der 11. biß Monats Aprill, deß jetzt lauffenden 1620. Jahres, der Herr

General, welchen ich auß befelch beglaitet, nach Mittag auffgebrochen, vnd zu Häderstorff in einen Catholffchen Marckt^ alda sich bey 5000.

Pferdt vnd

500 FußvolckS

zusammen

351 gerottet, angelanget: das Fueßvolck, welches den Rässsgm Zeug würcklich nachzrrsolgen, nicht mächtt'g gewesen, hat man theils in dm obenbesagten Marctt, theils in vmbligenden Dörflern zur defenfion, inmassen solches die Noth erheischte, cinquartt'ert vnd gelassen. Haben disen nach vnser Reise, ehe die Nacht herbey kommen, von dero Ort schleinig vor die Hand genommen: der räisige Zeug gleichfals durch die gantze Nacht in einem lauff, vnd seyn frühe vor Tages an die Ber­ gigen Wälder, an welche deß Feindes Läger gestossen, glück­ lich angelangt, daselbsten als der Herr General desselbigcn OrtS Gelegenheit vnnd Sitt wol erwogen, vnd in Augenschein genommen, hat er eilents die Kosacken vor angesendet, den Marckt Sitzendorff (in welchen auch ein Schloß) in etlichen Ortm mit Fewer anzustecken, vnd den Feind durch dises Mittel ins Feldt zu raitzen. Man ließ derozeit verlauten, es wäre der Marckt vnd Schloß mit 9. Cornet vnd ‘200. Muschketirern versehen, aber sovil, weiln etliche auff die Fütterey geritten, warm jr nicht vorhanden. Der Marckt wirbt angezündet an dreyen Orten, vnd also eylends mit dem fewr obcrcilel, daß theils vil Soldaten, theüs Bawren mit Rossen vnd Biech erbärmlich verbrunnm: Bdder dessen vnderstehet sich der Herr General solcher Kriegßlistigkeit, welche zu einem glücklichen essest gelanget, vnd stellet seine Ritterschafft in einem Thal, welche von dem Feind nicht hat können gespürt noch gesehen werden. Haben sich derowegen zum Deckmantel bloß vnd allein die Kosacken ins Feld gelassen vnd praefentiret, den Feind gelocket, ostermaln listig zu dem Ort der verhaltenen Ritter­ schaft geflohen, vnnd durch dise für die Hand genommme stratagemata, hat der Feind ausserhalb der Kosacken nicht mehr Kriegßvolck verhanden zu seyn, jhme gäntzlich eingebildet, zu scharmitzierm angefangen, doch schläfferig, ist jm auch die

352 Moßlachen, welche er jnnen gehabt, nicht mißgefallen, noch von derfelbigen abweichen, noch den fliehenden Kosacken auff dem Fueß nachsetzen wöllen: Man hat anfangs gäntzlich an der verhossten vollkomnen schlacht gezweiffelt: Bnder dessen hat sich die zahl der Feind, nemblich der Kern der Böheim: vnd Mäh­ rischen gemehret, Dnnd wie von den Gefangnen berichtet wirdt, sich in die 19. Cornet erstrecket. Au disen seynd ge­ stossen, wie verlautet, 3. Fähnlein Fueßvolck, welche sich auf den Hübel der Kirchen gelägert. LlS nun theils der Kosacken dem Scharmitziren oblag, vnnd den Feind auß dem höhern Ort in das Feld getriben, sihe da, fast inn einem augenblick ist vnser Räusige Zeug auß dem Thal vnd Bergen, gleichsam eines Donners vnd Hagels Herfür geruckt, vnnd mit dem Hellen Haussen, vermittelst einer Löwen art, in den Feind gesetzt. Dem Feind ist solches blötzlichen Angriffs, vnd Herfür ge­ zuckten glantzenden Schwertern halber, dermassen eine forcht eingejagt worden, daß er auch den zugehaltencn Ort nicht ohne Blutvergieffung verlassen, vnd auff den Hübel der Kir­ chen, allda die Hinderhaltene Muschketirer sich zuschützen, ha­ ben weichen müssen. Der Hen General ist der Principal gewesm, welcher fünffmal ordenlich vndcr den Feind gebrennet, vnd nicht gefehlet, weiln er nur 6. oder 7. schritt von denselben: Sein Schwerdt vnd Arm war inn der warheit allerseits mit Blut besprengt, dann er sich mit keiner Rüstung versehen: Sein Roß, welchs ein Stutten, vnd sich ober die massen zur geschwindigkeit applicierte, ist vnder seinem Leib niedergeschoffen, vnnd seine auff dem Huet weisse Feder mit der Muschketkugel zerdrümmert. Die Schlacht erstreckte sich ohn alle- auffhören, Die Muschketterer liessen jren Nachtigal gesang vberlaut erklingen vnd erschallen, aber die Schüß fein beyderseits, vermittelst

353 der gar zu nahen Nachbarschafft ohne schaden erfolgt.

Diser

auch sonsten vrsach wegen, den jre Mußketiercr haben

nicht,

vermög der jhrigen gar nahe beystehenden Reuterey, die Musch-

keten nidrig dirigieren vnd richten dörffen, geschossen, hetten

aber hoch, so

wofern

dann so sie nidn'g

sie jre Rittcrschafft selbst höchlich verletzt,

wcren

wir schußsrey gewesen.

Doch

sein die Boequojanischen den Feind allerseits mannigklich an-

zugrciffcn, keineswegs vnuerdrossen gewesen: Zn dem erhebt sich vnuersehens (dann es war mittag) ein vngestümer wind,

vnnd treibet vnsern Soldaten auß den ackeren (zweisels ohne mit bcnstandt deß Teuffcls Werckzeugs, sintemal» kurtz zuvor

ein still vnd Helles himmlisches Firmament gewesen) den staub inn die Äugen vnnd

hat vns

durch

Mäuler,

Aber

diser vngestüme Windt Allerhöchsten,

Gnad vnd mittel deß

ftewdcnreichcn Sieg vbcrliefert.

einen

Dann vnscre Soldaten sein

scitwcrts der linckcn Handt auff einen kleinen Hügel gewichen, allda der wind vnuerhinderlich durch

Staub gettiden, Demnach

bcvde Kriegßheer den

sehen vnscre mit solchen kräfften

in den Feind, das er von dem mit vertust 200. Personen (wie nachher auch erfunden worden) hat weichen vnd fliehen müs­

sen, vnd

müssen.

das

Feld

sampt

angchcngter Bictori praescntircn

Es wöllen etliche discurriren,

Wann der Her: Ge­

neral mit Muschkctt'ercn versehen gewesen, entrinnen können.

Das gemeine Geschrey

nit eintziger

gibt

bette

an tag, daß

vber 1000. Personen sollen auffm platz sein blieben.

Die Ko-

sacken aber berichten gründtlich, daß vor gewiß be» 2000. er­ legt semi worden, Vnd dises haben wir auß Relationen, de­ ren auff deß Feinds Seiten Parthey haltenden:

Wenig sein

gefangen, dann sowol der Polnisch als ander Raisige Zeug, haben auß hitzigem Gemüt, wegen der von den Böhmen mit

gewalt

abgestricktm

Stands Personen,

Fütterey,

keinen

verschonen

wollen.

außgenommen grosses

Es war der Herr Haugwitz der älter,

Sehe

ein

Freyherr,

Exempel:

Obrister

354 Leutenampt, hefftig verwundet, Diser, als sich ben jhme be­ sagter Herr Graff von Dampier ließ finden, schrie vberlaut mit nachfolgenden Worten: O Adelichs Geblüt, bloß das Leben vnnd Quartier (wie die so fich gefangen geben, zufagen pflegen) begehre ich. Diseß erweichte benandtes Grafens Hertz, verheißt jbme sein zwifaches Flehen vnd Bitten zuvoll­ ziehen. In dem als Herr Dampier ein wmig weichet, vnd fich vmb ein Wagen, darinn gedachten Berwundten weg­ zuführen, fich allermaffen bemühet, so kompt vnuerhoffter weiß, wie ein pfeil, furiosisch daher geritten, ein Kosack, vnd hawet vcrwundten Herrn nider. Ein anderer ist ober einen andern auß den Feinden ge­ wischt, vnd saget, jhme den ersten streich gebend: nimm hin, dann du bist ein Rebcllant, vnd feind deß Kaysers: den an­ dern straich gebend, Dann du bist ein Ketzer: den dritten, Dann du hast der Polacken Wagen helfen berauben. Hoher Herkommens auff deß Feinds Seiten fenn bliben, Herr Graf von Föltz, GraftnSvon Thurn Obrister Leu­ tenampt , damals aber von Fürsten von Anhald, vnd Grafen von Hollach abwesenden, anstatt Jrer bestellter Feldmarschalck, dessen Leibroß Herr von Wallerstain jetzt reitet, Herr Haugwitz, Obrister Leutenampt vber die Cavallari deß Herrn Kinßky, welcher vor etlich Monat mit todt ab­ gangen. Vnd wie man für gewiß will sagen, 24. Herrn Stands, vil Fändrich, vnd anschenliche Hauptleute, sampt dem außerlesenen Kern der Ritterschafft. Der Herr von Bubna, ehe die Schlacht angangen, soll außgerisscn fein. Auff vnser Seiten, ausserhalb 8. oder 10. nidergchawten Personen, auß welchen auch deß Herrn Generals Drometer, nicht von dem Feind, sondern von einem auß den Dnserigrn nidergeschossen, sein 40. verwundet: Ferner ist blieben der Herr Er epi, ein Hauptman: Verwundet der Monsieur Four Coronel I sampt einem andern Rittmeister, beyde aber

355 werden mit guter Hoffnung Curiert, nachmals ist beschädiget der Herr Graf von Hard eck, welchen ein Priester Beicht gehört, jetzt aber, in dem ich solches schreibe, in Gott selig todts verblichen. Osstgedachter Herr General hat 2. Cornet, die Kosackm vnd andere 9. welche in allen 11. machen, mit gewöhrter Hand erobert, welche theils Ihr Röm: Kays: Mayt: theils dem General praefcntiert, vnd jrer Ritterlichen That halber begnadet worden. Zwciffels ohn wird solcher gestalt dem Feind ein grausa­ mes schröckcn cingejagt, Das Schwert, welches die Böhmi­ schen auff vns gezuckct, ist auß Göttlicher Prouidentz vnnd Vorsehung auff jre eigene Häupter eingeschliffen, Dann Hoch­ mut thut selten gut, Desselbigen tags, als Sie Vns anzugreiffen entsunnen gewesen, haben sie vns mit leichtsinnigen Worten vnd behönung angetastet, vnd also vberlaut geschrien: Die Bapistcn, welche den Esel herumb fuhren vnd anbctten, wollen wir mit einem tröstlichen Gruß ersuchen: Sie selbst aber hernach, wie cs sich auch im effcct erfunden, haben mit deß Esels langen aschcrfarben Ohren, ein schändliche Proccssion begangen, vnnd vollzogen. Vnd auß disem ist schein­ bar , daß die hohe Manestat Gottes, vnser streitendes Volck, wegen der anderen Soldaten, welche zu Langenloiß, vnd in vmbliegendcn Dörffcrn, mit cmbsigen Gebett vnd andacht, die Proccsston zu erlangung deß Jubilnei gehalten, vnd sich nach dem crempel Moyses mit dem Gebett, vnd nach dem Erempcl Zöftre, mit dem Schwert streitend, reguliert vnd ge­ richtet, mit seinem Schildt der Vnüberwindligkeit bedecket hat. Vnser angeordnetes Kriegßhcer ist nacher mit Frewdcn vnd Jubilircn, vermög jhrcr ansehnlichen Beut, als Ducaten, Perlen vnd Edelgestaincn, vnd vermittels der von GOtt er­ langten frewdcnrcichcn Victori vnd Siegßpalmen, am heili­ gen PalmSontag zu Langenloiß angelangt.

356 Der König aller Könige wolle vns gnädigst begnaden, daß dise durch Göttliche hülff vnd benstandt, glückliche effectuirtc vnd vollzogne Schlacht, zu seinem Lob, sowol auch zur gedenk: vnd crsprießlichkcit der Christlichen Gemeinschafft geraiche, auff daß die rebellierende Vnterthanen jhr halßstörrigs Cerebell moderiren, vnd sich, damit nicht mehr Bluts vergos­ sen werde, gehorsamist dem Creutz vnd der Straff vnderwersfen, Amen. Sendbrieff, oder gründlicher Bericht, auß dem Böhmi­

schen Lager auff Prag gethan, von der eroberten Dictori vnd Sieg, so Graff von Bucquoij, Obrister Feld-

Marschalg, deß Kayserlichen Kriegßvolcks, den 11. Febr. 1620.

bey,

wider

in,

vnd

den

Grafen von Holla ch vnd Föls,

ausserhalb

Krembß geschehen.

hernach

Loiß,

Item,

wird

ein

Meilwegs

erzehlt,

waS

von sich

verlauffen, fürnemblich aber bey Egenburg,

da die Böhmen sollen odgesiget haben.

EDler, Vöster, sondcrS fteundlicher vnd vielgeliebter Her: vnd Freund, Neben wünschung aller so wol Leibs alS Seelen ersprießlichen Wolsahrt, scnn demselben meine in gebür schulpflichtige Dienst jederzeit bereit. Demnach er begehrt eigendtdlichen Ben'cht, wie cs wegen nächster erlegung vnsers Manßfeldischen, vnnd theils der Oesterreichi­ schen Euangl: Ständ, laider Kriegßvolk ergangen vnd sich zugetragen, wil ich jhme gar gern willfahren. Vnnd berichte jbne hiemit, wie mir solches von vnscrn Manßfeldischen Fendn'ch einem, so mit vilen wunden gefangen nach KrcmbS geführt, in deß Steffen Schwabpawren gelaßncn Wittib Behausung, gchailt vnd curiert ward, vnd dann von einem fumcnnn Burger allda zu Langeloiß glaub­ würdig angezeigt, also, Daß nemblich den 11. Febr. biß 1620. Jahrs, der Kans: General Conte de Bucquoi, sein vndcrhabcndcs Kricgßvolck bei) der nacht von Mauttern ober die Brucken auff Stain, vnnd also fort auff Re irrn-

357 dorff zu, so anderthalb meyl von Krembs, gleichsfalls auch auff Loiß geführt, haben sich etliche Pferdt sehen lassen vnd gegen der Loisserischen Schildtwacht zugerennt, dar­ auff alßbald im Marckt Lärmen worden, die 2. Manßfeldischen, vnd deß Obn'sten von Stadl Cornet, so der Leutenampt Stängl geführt, dann er von Stadl aller erkrumbt, stets zu Horn ligt, hinauß gefallen, vnd den Kavserlichen Pferdten so zuruck gewichen, biß fast gar auff Ncixendorff nachgesctzt. Entzwischcn hat vnser Obrister Wacht­ meister der Krauß, die 9. Fanen Fußvolk, auß den Marckt, vmb die Laimbgestetten für den Ziegelofen hinauß auff das freue Feld, vnd also auß dem Vorthl geführt, die Kays: aber, als sie vnsere 3. Cornet so weit hinauß gelockt gesehen, vnnd jhnen Streit geliefert, besilcht Graf Bucquoi dem Herrn Maximilian von Liechtenstein, vnd Herrn Ferdinand von Weggau, sie mit jrer Reuterey anff den Feind zusetzen, mit gewisser Versicherung, daß sie Kinder deß Todes seun, 2st also die Reuteren alßbald in völligem Spornstraich herauß, die 3. Cornet alßbald zuruck geschlagen, vnd also vnuersehens auff vnser Kriegßvolk, so auff freyem Feld gehalten, kommen, daffclb alßbald zertrennet, vnd alles daselbst in der Flucht nidcrgehawet, die funff Fahnen der vnserigcn abgenommen, die 3. haben sic gantz, vnd den 4. von der Stangen abgerissen, in der flucht nach Horn ge­ bracht, gleichs haben sic, daß ein Manßfeldifch, vnd deß Obri: von Stadl Hauptfahnen auch bekommen, welcher auß weissen Damasckt, in dessen einer Seiten ein Feldstück abgcmahlt war, mit dieser vberschrifft: Für Gott vnnd deß Vatterlands Freyheit, Äuff der andern Seiten ein spitziger Felß, welcher, laut der Römer brauch, in der spitz mit einer Sturmhauben, auff welcher ein Federbusch, angelegt mit biser Vberschrifft: HERR du bist mein Beschützer. Den Fcndrich Sachsenlender von Hasendorff, ein junger wackerer Mann, Rstterstands, jnnerhalb deß Ziegel­ ofens, erbärmlich nidergchawet. Graff von Hol lach, vnd Graff von Thurn der jüngere, seynd außgerisscn, vnd mit 1. oder 2. seinem Quarthier zugeeilet. Hernacher seyn sic die Kays: Herrn Grafen von Hollach, vnd dessen von Thurn Quartier auff Haderstorff, nachgeeilct, das nächste Dorff darbey, Cammcrn genandt, in den Brandt gesteckt, aber von den Vnsern mit 2. Stucken zimlich empfangen worden.

358 und weiln cs schon abendt, auch kein Stuck verhanden, daß sic Haider st orfs beschiessen Löndten, ja die 2. Stuck, so vom Feind zu Loiß verlassen, sinn gar lang vertuscht wor­ den, sich vber den Khamp, so ein wasser, wider zuruck be­ geben. Die Vnsern aber haben dise Nacht die Quartier daselbst herumm verlassen, vnd sich nach Horn vnd Egen­ burg begeben, deßgleichen ist das andere Volck durch die Weingärten hin vnd wider wie jrrende Schaff geflohen, Das Feld war vber die massen mit todten Cörpern bedecket, welche sich in die 2000. erstreckten. Der Kays: aber, ausser­ halb der Beschädigten, nicht mehr als siben. Es ist ein solches schräcken strncmlich vmb Horn erwachsen gewesen, das nicht zusagen, vnnd wann sie nachgesitzt, vnd sich den Raub, oder die Weingärt vnd enge Weg, nicht hettcn verhindern lassen, wurden der Vnsiren gewiß wenig darvon kommen seyn. Sie die Kays: haben (wie mir der Burger von Loiß erzchlt) ein anschenlichc Beut bekommen, dann der Obriste Leutenampt Herr Carpito, Herr von Trautmansdorff, einer von Aursperg, die Capitan, Fändrich, vnd andere Bevelchshaber, haben all jhr beste fachen, als Roß, Klainodien, bar Gelt, Geschmcid, rc. in den Quatticr verlassen müllen, welches sie alles bekommen, vnd den gantzen Marckt geplündert. Vnder andern ist ein Kauffman gewesen, so mit den besten Thüchern ctlich vnd 20000. fl. wehrt, durch Langeloiß nach der Freystatt fahren wollen, aber durch die Capirani beredt worden, solches, weil sie Mängel an Tuch hetten, aldorten abzulegcn, er könde es so wol als in der Freystatt, oder besser, zu gelt machen, welches auch beschehen, vnd hat also biß auff die 15. oder 16000 fl. verkaufst, dieses Thuch vnd Gelt sampt dem Kauffman, so erst am Sontag zuvor, das ist den 9. gedachts Monats Febr: mit einer von Ibbs, mit welcher er zuvor versprochen gewest, Hochzeit gehalten, alles bekommen, vnd hinwegk genommen. Sie haben mir aber erzehlt, daß disi Hochzeit solle viel vrsach gewesen seyn dises Verlusts, dann die Capitani, Fändrich, Rittmaister, rc. siynd säst alle am Son: vnd Montag auff der Hochzeit gewesen, vnd Montags die Nacht biß gegen dem Tag getantzt vnd getruncken, daß also theils wenig vnd theils gar nichts geschloffen, vnd siynd jhnen die Köpff, als sie hinauß geruckt zu scharmitziren, noch all» würfflich oder Schlafftruncken gewesen. Nach diser vollendeten Schlacht,

359 seyn die Bnsrigen vil Wochen vnd Zeit der ruhe obgelegen, auch kein rechtmässigen Angriff rentiert, dannoch haben die Keys: nicht gefenret: Insondernheit als 4000. Cosacken zu jhnen gestossen, sondern stets sich etlich zusammen gerottet, die vnsern vnuersehens vbcrfallen, nider gesäbelt, Fahnen vnd Cornet angejagt, ein Schloß, Dorff, Marckt vnd Start nach dem andern, auff 4 Meil wegs eingenommen, viel Wein vnd Lraidt durch Gewalt abgestrickt. Es ist in der warheir, daß sie, in dem sie zu Loyß fcmi, den Bnsrigen vber die 20. Fahnen genommen haben. Wir aber jhnen, welches doch zu erbarmen, nicht einen haben können abjagen. Datum Egenburg, den 1. Martij. Hans Christoff Fischer.

Wird kürtzlich erklärt, was sich bey Egenburg zwn scheu den Kays, vnd Bö hei misch en zugetrageu. ICH bin in gewisse crfahrung kommen, daß jhr zu Prag selbstcn, als hettcn Wir bey Egenburg obgesieget, mit Lromctcn vnnd Trummcln sollet triumphiret haben, Ich aber als ein gegcnwertigcr, habe ein schlechte Dicton in augenschein genommen, vnd wundert mich nicht wenig, daß man euch mit solchen faulen Fischen die Ohren rippelt. Berichte euch also, wie ichs gesehen, vnd von andern glaubwürdigen Per­ sonen gehöret, ohn alle heuchelcy vnd zusatzung. Den 7. dirs ist Conde de Bucquoy sampt seiner Armada von Lois inn Meiselderff gewichen, dasclbsten die Coacken fast alle anwesende Bawrcn nidergchawet, dann man in den Hausern vnd Gassen (welches Herrn General höchlich bewegt) bey 50. Cörpern, da sie doch mehrern theils den Gcistl: vnd Catholischen vnderthänig waren, erbärmlich gefunden. Nicht fern: von dannen war ein Marckt, mit Namen Rietenthal, sampt einem Schlößlein, welches mit 50. Muschkctirern der Bnsrigen besetzet, Welche, als sie laut der Vermahnung jetzt gedachtes Schlößlein auffzugcben vermeinten, haben die Co­ sacken daffelbig in brand gesteckt, von welchem bey Nachts­ zeit die darein inquarticrte der Böhmischen 50. Muschketierer, ohn alles vorwissen abgewichen: Nachfolgenden tags früh, hat Conde de Bucquoy, vnd theils semer Arm adu e Meß ge-

360 hört, nacher in continent dermassen sein Heyl versucht, daß er vns von den 3. Bergen, welche wir jnnen gehabt, männ­ lich getrieben, Dero zeit haben sich die Cosacken, welche vnü von dem Berg mit grosser gcschwindigknt gestürtzt, recht zu erkennen geben, Bnd in der warheit, wann sie mit jren vol­ len Haussen auff vns gesetzet, vnn die Bucquojanische Muschketierer jhnen mit gleichem Schritt nachgefolgt, hetten sie vns deß Lagers beraubet, nichts desto weniger haben sie vns mit frolocken der jhrigen zusehenden Ttrmcibae, in die Flucht geschla­ gen. Dise aber an tag gegebne ritterliche That, hat vil ko­ stet, sintemal die Cosacken jren Obristen im stich deß Todes gelassen, welcher sie allerseis betrübt. Vmb 8. vnd 9. vhr hat man fenner scharmitzlet in Rapespelle, wie auch vmb 10. vH:, allda deß Conde de Bucquoij Capitan, mit Namen Mirmont, welcher schmertzlich mit der Muschketen durchs Haupt geschossen, todes bliben. Die Vnsen'gen namen einen Berg ein, wie auch Sie, ob schon ein kleinern vnd mit einem Thal, welche der gestalt verborgen warm, daß man sie nit von Leib, sondern bloß jre Häupter, wann sie loß gebrennt, hat sehen können, Die Kanarischen haben gegcst ober einen Wald occupiert, dabero den gantzen tag mit Schiessen kein auffhörcn gewest, beyderseits seyn vil bliben, vil verwandt, bcuorauß der Kan: in den Füssen, weiln sie sich in ein nibrigen Ort begeben, vclineindten hiermit bie Vnsen'gen herauß zum Scharmitziercn zu raihcn, der wind aber, welcher jhnen entgegen gicng, schnitt ab all jre Hoffnung, ward also die sach auff künfftigen tag allffgeschoben, vnnd gewiß der ingehabte Ort von den Kays: mit grossen mißverstand! verlassen, bann bic Vnserigen occupierten selbst en nach dem Ort, vnd haben sie fast ruckwerts ge­ schlagen: Andern tags nun haben sie sich eines Orts halber bemühen müssen. Nach solchen erfimdnen, hat man widerumb ein Feldschlacht Ordnung angestellet, aber die vnbeständige zeit, sampt dem feuchten vnd fliessenden Nebel, hat alles verhindert, vnd ein solchen kot (Revermter zumelden) daß ka^nr vermüglich zu stehen gewesen, erreget, vnd sie seyn 3. tag ohne Spenß vnd Tranck, vnder dem fteyen Himmel in der Rüstung stehen bliben, vnd nach empfangnen Segen mit grossen Gemüt zu dem Stteit sich bereit, auch nichts anders als die Resolution erwartet, Gleichfals bereiten sich die Dnsrigen auch, Conde de Bucquoij aber, nach allen roolet;

361 wogncn vmbständen, ist selbigen Abend fermer auff Langeloiß, vnd in sein gewöhnlich Quartier, nit ohne Verlust der ©einigen gewichen. ES scunb aber ausser alles zweifcls, fampt den verwandten (gefangenen, vnd nidergehawten Soldatenweibern der Kays: vi*cr 500. die selbige 3. täg nicht blieben, doch Haben die Sonstigen auch nicht vil weniger verlohren. Den 13. diß Monats Martij, als vnsere Sorgloß triuinphirten, haben die Kosacken ben 300. niedergehauet, 2. CSomet vnnd Fußfahndl Ritterlich eroberr, vnd dieselben Ihr Kans. Mayt: präsentiert. Es verlautet, daß die Kayserischen gantz vnwillig seyn, tdS* Ihr General Conde de Bucquoij nit geschlagen, Ich aber werde von den Vnsen'gen gründtlich berichtet, daß er weißlich gehandlet, bann sie hetten sich durch 3. Berge, wo unsere Feldstück gestanden, mit grossem Verlust viler statt­ lichen Cavallier, müssen durchschlagen, doch war die Dicton noch gantz vngewiß, wem sie hat benfpiingcn vnnd patrociniren wollen, dann Vnsere haben alle Vottheil in Händen gehabt. So sagt man auch, daß weder Munition noch Proviant verbanden gewesen, Dahero, wann sie kommen weren, hetten die Vnfern ein gewonnen Spiel gehabt, aber man hat das Brätl geschmeckt, Conde de Bucquoi hat dises lob, daß er seine Soldaten nicht gern auff die Fleischbanck fül)2c, sondern stets sein Vortheil suche. Es ist auch hier vnnd ben euch dises Geschrey erschallet, daß dero vrsachen wegen, Herr Graff Dampier, mit jhme Henn General sich soll in zwitracht eingelassen haben, Ztem, anet) vom Kayser in Arrest gezogen fern worden: Es wer gut wann es war weie, Wir hetten ein gewonnen Spiel gehabt. Aber weder diß noch bafr ander, ist glaubwürdig dann sovil ist mir bcwißt, daß er bey Jh: Kay: Mayt: in grosser hochheit fampt angehengter Lieb bis dato gehalten wirdt, Daß es auch ein fabel von Dampier, ist darauß 1 uermefien, daß er wenig verwichener tagen nacher, jhn hat zum Obristen Wachtmeister über die ganhe Cavallari erhaben, Dahero triumphiret nicht über die massen, ich weiß gründt­ lich, was von Conde de Bucquoij vnd Dampier wurcklich gekocht wird. Datum 23. Martij, Anno 1620. Hans Christoff Fischer. Hermayrs Taschenbuch 1842.



362 Wie das Stätte! Retz, von Grafen von HoUach ist eingenommen worden. EDler sonders vertrawter vnd vielgeliebter Herr vnd Freund: Auff sein begehren jhne bcv jeder gelegenheit ein Grußbrieffcl, vnd was sich newes begeben, zukommen vnd zulasten, vnd zuavisieren, hab ichs an jetzo auch nicht vnderlassen sollen, vnnd berichte denselben, Daß auß vnserm Böhmischen vnd Mährischen Kricgßvolck ein Außschuß ge­ macht, vnd der Herr Graff von Hollach mit etlich Cornet Reuter, vnnd etlich Fahnen Fußvolk vnden bcv dem See hinab auff Retz, welches ein kleines Stättel, vnd nicht sehr soft, zugezogen, sich in die alt Statt, so gleich wie ein Dorftatt, losiert, den Pfarrhoff vnd die Kirch, so ihnen hierzu gar bequemb, vnd gar nahe bev der Stattmawr, eingenommen, daselbst ein Stuck Sal. hon. auff den Schweinstall oder Maststeig, so sie zuuor mit Erd angefüllt, vnder dem Tach hinauff gebracht, also daß es die in der Statt gar nit gemerckt, dastelbe gegen dem Erckl) eines Lhurns der Statt­ mawr, so gar nabe darben gcricht, dann auch bmder dem Closter i f.

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(Sailcnbrob

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Grsscndrod.

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Gedruckt in der Duchdruckcrei dcö SZcrlogs-Comvtoirs in