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German Pages 96 Year 2022
SCHRIFTEN UND QUELLEN DER ALTEN WELT HERAUSGEGEBEN VOM ZENTRALINSTITUT FÜR ALTE GESCHICHTE UND ARCHÄOLOGIE DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN DER DDR
BAND 8
TACITUS DAS LEBEN DES IULIUS AGRICOLA LATEINISCH UND DEUTSCH VON RUDOLF TILL Mit 2 Tafeln und 1 Karte
4., unveränderte Auflage
AKADEMIE-VERLAG 1984
BERLIN
Redaktor der Reihe: Günther Christian Hansen Redaktor dieses Bandes: Gerhard Perl
Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-1086 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1961 Lizenznummer: 202 • 100/129/84 Printed in the German Democratic Republic Herstellung: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 5820 Bad Langensalza LSV 0226 Bestellnummer: 752 534 9 (2066/8) 01200
INHALT Einführung Tacitus' Leben und Werk Persönlichkeit Agricolas — Literarische Gattung Stil — Sprache — Darstellung Überlieferung Ausgaben und Übersetzungen Literatur Abkürzungen D a s L e b e n des I u l i u s A g r i c o l a Einleitung: Nach alter Gepflogenheit eine Biographic zu schreiben war in der Kaiserzeit erschwert; erst das glückliche Zeitalter unter Traian läßt Tacitus Mut zu einer Biographie seines Schwiegervaters Agricola fassen (i — 3). — Agricolas Leben bis zur Statthalterschaft in Britannien : Herkunft und Erziehung (4) ; erster Militärdienst in Britannien (5); Heirat, Anfänge der Ämterlaufbahn (6); Ermordung der Mutter, Ernennung zum Legionskommandeur (7); zweiter Aufenthalt in Britannien (8); Aufnahme unter die Patrizier, Statthalter von Aquitanien, Konsulat, Verheiratung seiner Tochter mit Tacitus (9). — Beschreibung Britanniens: Lage, Ozean (10); Bewohner (11); Kriegswesen und politische Verhältnisse, Klima und Boden (12). — Unternehmungen der Römer von Caesar bis zur Ankunft Agricolas: Einstellung der Britannier zur Römerherrschaft, Feldzüge Caesars und unter Claudius (13); Einrichtung der Provinz und erste Statthalter (14); Aufstand der Britannier unter Boudicca und seine Niederwerfung (15—16); Unterwerfung der Briganten und Silurer (17). — Agricolas Statthalterschaft: Unterwerfung der Ordovicer und der Insel Mona (18); Reorganisation in Heer und Verwaltung (19); Ausdehnung der Herrschaft und Befriedung (20); Maßnahmen zur Zivilisierung (21); Vordringen bis zum Tanaus, gerechte Behandlung der Untergebenen (22); Erreichen und Befestigung der Grenzlinie Clota-Bodotria (23); Plan zur Unterwerfung Irlands (24); Vormarsch in Schottland (Caledonien) mit Unterstützung der Flotte (25) ; Überfall der Caledonier auf die 9. Legion, Sieg der Römer mit Hilfe der von Agricola zum Entsatz herangeführten Truppen (26) ; Plan zum Vorstoß auf die äußerste Küste, Verschwörung der Caledonier (27) ; eine desertierte Cohorte der Usiper wird bei der Umschiffung Britanniens nach Germanien verschlagen (28) ; Tod seines Sohnes, Vordringen bis zum Berge Graupius (29); Rede des Calgacus an die Caledonier (30—32); Rede Agricolas an die Römer (33—34); Schlacht am Berge Graupius, Sieg der Römer (35 — 37); Folgen des Sieges, Umschiffung Britanniens durch die Flotte (38). — Domitians Verhalten gegen Agricola: Domitian ist durch die Erfolge Agricolas bedrückt (39); Agricola wird mit den Triumphalabzeichen geehrt, nach seiner Ablösung lebt
Inhalt
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er zurückgezogen in R o m (40); die gefährdete Lage an den Grenzen des Reiches läßt seine Verdienste nicht in Vergessenheit geraten (41); Intrigen lassen ihn auf die Übernahme einer zweiten Provinzstatthalterschaft verzichten, seine weise Zurückhaltung dem Kaiser gegenüber (42); Agrícolas T o d , Gerüchte über die Todesursache (43). — Agrícolas äußere Lebensumstände^ sein früher T o d hat ihn vor der schlimmsten Schreckenszeit bewahrt (44—45,2). — Nachruf auf Agrícola: E r ist das beste Vorbild f ü r die Hinterbliebenen; sein Ruhm bei der Nachwelt wird unvergänglich sein (45»3-46).
Erläuterungen
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Nachträge
76
Register
8?
Tafelvcrzeichnis
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Tafel 1— 2 Karte aes römischen
Britannien
EINFÜHRUNG TACITUS' L E B E N
UND
WERK
Als Tacitus im Jahre 98 n. Chr. die Biographie seines Schwiegervaters Gnaeus Iulius Agricola veröffentlichte, lag, ein weiter und bedeutender Abschnitt seines Lebens, erfüllt von Erfolg und Enttäuschungen, hinter ihm. Seine Kindheit 1 fiel in die Zeit der Herrschaft Neros; der Heranwachsende hatte die Wirren des Vierkaiserjahres erlebt und war unter der Dynastie der Flavier ins öffentliche Leben eingetreten. Seine ersten Ämter in der Senatslaufbahn 2 bleiben für uns in das gleiche Dunkel gehüllt wie die Herkunft seiner Familie 3 . Das erste sichere Datum aus seinem Leben ist das J a h r seiner Prätur (88 n. Chr.) und die Tatsache, daß er im gleichen Jahre dem Priesterkollegium der Quindecimvirn angehörte 4 , das die sibyllinischen Bücher und die in ihnen verzeichneten Obliegenheiten zu betreuen hatte. Bald darauf muß er in staatlichem Auftrage Rom und Italien für vier Jahre verlassen haben 5 , wohl um als Statthalter eine der kleineren Provinzen zu übernehmen; daß dies Belgien gewesen sei, ist eine zwar alte, aber bisher durch nichts bewiesene Behauptung. Die letzten furchtbaren Jahre der Regierung Domitians hat Tacitus überdauert: ihn traf die Welle der Hinrichtungen und Verbannungen nicht. Seine politische Bedeutung wird eindringlich durch die Tatsache bestätigt, daß er bald nach Domitians Ermordung von Nerva im Jahre 97 zum Konsul ernannt wurde®. Unter Traian hat 1
Sein Geburtsdatum läßt sich nur durch den Rückschluß gewinnen, daß Tacitus älter als sein 61 oder 62 geborener Freund, der jüngere Plinius, war. Danach wird er etwa $6 n. Chr. geboren sein. 1 2 „Daß meine Stellung in der Öffentlichkeit von Vespasian begonnen, von Titus gemehrt und von Domitian noch weiter gefördert wurde, kann ich nicht abstreiten" (Hist. 1 , 1 , 3 dignitatem'nostram a Vespasiano ineobatam, a Tito auctam, a Dornt tiano longius provectam tum abnuerim). 3 (Publius?) Cornelius Tacitus gehörte wahrscheinlich nicht zu den „großen" Cornelii der Hauptstadt. Für Gallien als Heimat tritt ein: R. Syme, Tacitus 611 ff. und App. 89. 4 „Domitian veranstaltete auch Säkularspiele (88 n. Chr.); ich war um so aufmerksamer dabei zugegen, weil ich das Priesteramt eines Quindecimvir bekleidete und damals auch Prätor war" (Ann. 1 1 , 1 1 , 1 nam is quoque edidit ludos saeculares, iisque intentius adfui sacerdotio quindecimvirali praeditus ac tunc praetor). 5 Agr. 45,5; vgl. die Erläuterungen. 6 Die eonsules ordinarii dieses Jahres waren Kaiser Nerva und Lucius Verginius Rufus. Letzterer starb während seines Konsulatsjahres, und Tacitus trat als Ersatzkonsul (consul suffectus) an seine Stelle und hielt ihm die Totenrede (Plinius, Briefe 2,1,6 laudatus est a consule Cornelia Tasitö). 1
Tacitus, AgricoU
Einführung
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Tacitus dann als Prokonsul die Provinz Asien 1 — neben Afrika eine der angesehensten senatorischen Provinzen — verwaltet (etwa in der Zeit von 1 1 2 bis 1 1 4 n. Chr.). Das ist das Wenige, was wir vom äußeren Ablauf seines Lebens noch zu ermitteln vermögen 2 . Es genügt, um seine Tätigkeit an hervorragender Stelle im Staatsleben festzustellen und seine politische Haltung, die fest in der Tradition des Senates verwurzelt war, zu ermitteln. Tieferen Einblick als diese scheinbar nur wenig aussagekräftigen Daten gewähren uns seine überlieferten Schriften. Zwar ist Tacitus, dem ungeschriebenen Gesetz großer antiker Geschichtsschreibung folgend, gapz hinter seinem Werk zurückgetreten, doch offenbart dieses deutlich das Wollen und Ringen des Menschen ebenso wie den Raum und die Grundlagen seiner historischpolitischen Erkenntnisse. Denn bei allem Verzicht auf das äußere Zurschaustellen des Persönlichen ist seine Geschichtsschreibung aufs stärkste erfüllt von persönlicher Anteilnahme, und wohl jeder Leser spürt, mit welch verhaltener Leidenschaft dieser große Bekenner unter den römischen Historikern die Geschichte seines Volkes erlebt hat. Die erhaltenen Werke des Tacitus lassen sich in drei Gruppen gliedern. A m Beginn stehen die drei „Kleinen Schriften": 'Agricola', 'Germania' und der 'Rednerdialog' (in dieser Reihenfolge ab 98 n. Chr. publiziert), dann folgen am Anfang des zweiten Jahrhunderts die 'Historien' und schließlich das Alterswerk, das wir seit Beatus Rhenanus als die 'Annalen' zu bezeichnen pflegen. Es liegen also abgesehen vom 'Dialogus de oratoribus' historische Schriften vor, und es erhebt sich die Frage: wie kam Tacitus zur Geschichtsschreibung? Eines steht fest: die Historiographie bedeutet für ihn nicht wie für Sallust, seinem großen Vorbild in Sprache und Komposition, eine Flucht in die Historie nach dem Scheitern in der Politik, noch wie für die älteren römischen Historiker gewissermaßen eine Fortsetzung der aktiven politischen Tätigkeit in der Zeit des Alters — in Rom ist der Historiker ursprünglich nicht vom Politiker geschieden, wie es Ranke für eine zeitlos gültige historische Arbeit forderte —, sondern Tacitus wird auf der Höhe seines politischen Lebens zum Geschichtsschreiber; die aktive Tätigkeit für den Staat hört mit dem Beginn seiner Historiographie nicht auf, vielmehr ist gerade die Verbundenheit mit dem politischen Leben eines der Kraftzentren für sein Wirken als Historiker. Eine gewisse Vorbereitung für diese Lebensaufgabe hatte Tacitus durch seine Betätigung auf dem Gebiete der Beredsamkeit, dem für römische Begriffe vornehmsten geistigen Bereich, bereits gewonnen. E r galt zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten Redner und ist 1
Bezeugt durch eine 1890 bei Mylasa in Karien gefundene Inschrift, die R. Meister zuletzt ausführlich besprochen hat (Jahreshefte des Österreich. Archäol. Instituts, Beiblatt 27, 1932, 233fr.); vgl. Syme, App. 23: 'A]aiavoi "I(ovsg. ävdvnd]ra) KoQvtjXia) Taxhco 2
Sein T o d e s j a h r ist nicht bekannt. Terminus post quem ist die Datierung der letzten Annalenbücher, die vielleicht erst unter Hadrian veröffentlicht wurden( (darüber zuletzt R. Syme 465 fr.).
Einführung
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bei besonderen Anlässen auch später noch als solcher hervorgetreten. Die Meisterschaft des gesprochenen Wortes und die feierliche Würde seiner Rede, die sein Freund Plinius (Briefe 2, 1 1 , 17) als eigenstes Merkmal taciteischer Eloquenz überliefert, verleugnen auch die späteren historischen Schriften nicht. Die maßgebende Entscheidung in Tacitus' Leben, die Wendung zur Historiographie, brachte das Erleben der domitianischen Herrschaft. Zwar gehörte Tacitus nicht zu denen, die sich damals aus der Öffentlichkeit zurückzogen und abwartend beiseite standen. Er hat unter diesem Kaiser — ebenso wie Plinius und Traian — wichtige Aufgaben im Staatsleben erfüllt, und man ist versucht, die Worte vom Mannestum und seiner Bewährung auch unter schlechten Herrschern, mit denen er das Verhalten seines Schwiegervaters rechtfertigt (42, .4), auch auf ihn selbst zu beziehen; aber das Schreckensregiment Domitians, besonders das der letzten Jahre, prägte sich ihm tief ein. Die Unterdrückung der freien Persönlichkeit empfand er als furchtbaren Zwang, und rückschauend erschienen ihm die fünfzehn Jahre, die Domitians Herrschaft währte, als nicht existierend, gleichsam aus dem Leben herausgeschnitten. In diesen Jahren des erzwungenen Schweigens, das nach Tacitus' Worten während dieser Schreckenszeit wie ein Bann über den Menschen lag, reifte in ihm der Entschluß, Geschichte zu schreiben, und zwar Geschichte als Wertung des Geschehens für die Nachwelt. „Denn das halte ich für die vornehmste Aufgabe der Geschichtsschreibung: männliche Bewährung soll nicht verschwiegen werden, und schlechtes Reden und Tun fürchte sich vor Nachwelt und Schmach", schreibt er später in den 'Annalen' (3, 65,1). Wie ein Zensor wird Tacitus also Persönlichkeiten und Handlungen beurteilen, durch seine Geschichtsschreibung moralisches Gericht über die Vergangenheit halten. Der ursprüngliche Plan, den der Historiker im 'Agricola' kundtut, verspricht ein Doppeltes: er will die Jahre der Knechtschaft, d. h. die Regierungszeit Domitians, und das Glück der Gegenwart, also die Zeit Nervas und Traians, zur Darstellung bringen. In dem Augenblick, da einer der senatorischen Standesgenossen die Herrschaft übernommen und ein gleichgesinnter nachzufolgen schien, und man die Freiheit, d. h. speziell die Achtung und Beteiligung des Senates an der Leitung des Staates gesichert wähnte, glaubt Tacitus eine Wende im Principat gekommen, glaubt er den „guten Princeps" Wirklichkeit geworden. Der Ankündigung dieses Planes folgt nach Jahren des Materialsammelris und einem subtilen Ausfeilen der sprachlichen Darstellung die Veröffentlichung des ersten Teiles, der 'Historien'. Sie brachten in vermutlich vierzehn Büchern, von denen etwa ein Drittel erhalten ist, nicht nur die Darstellung der domitianischen Herrschaft, sondern — und das ist das Neue, für Tacitus' historische Einstellung überaus Bezeichnende — eine Geschichte der gesamten flavischen Dynastie nebst einer solchen der ephemeren Kaisergestalten des Jahres 69, also der Geschichte, die der Autor selbst miterlebt hatte. Wir sehen mithin in den 'Historien' die erste Erweiterung des ursprünglichen Planes vor uns. Aber noch ist, wie aus der Einleitung des Werkes hervorgeht, die ein Dezennium zuvor verkündete Absicht nicht aufgegeben: für sein Alter, sagt Tacitus, der damals bereits im sechsten Jahrzehnt seines Lebens steht, plane er eine Dar1*
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Einführung
Stellung Nervas und Traians als einer Zeit wirklichen Glückes, „in der man denken kann, was man will, und sagen, was man denkt" (Hist. i, 1,4). Es mag scheinen, als ob damals noch die gleiche Beglückung über die Wende zum Guten bei Tacitus nachklinge wie einst im 'Agricola', als ob Nerva und Traian wiederum als völlige Einheit empfunden seien. Aber bereits in der Formulierung der Historieneinleitung bemerkt man einen, wenn auch leisen, so doch bedeutsamen Unterschied zu der Äußerung aus dem Jahre 98: Zur Charakterisierung Traians heißt es jetzt Imperium Traiani, die Herrschaft Traians, und in diesem einen Wort liegt bereits eine gewisse Distanzierung zum bonus princeps Nerva. Traian war im wesentlichen Militär — bezeichnend, daß gerade der alte Offizier Agricola die Herrschaft dieses Mannes herbeigesehnt hatte —, und seine Regierung zeigte den Einsichtigen bereits in ihrem ersten Jahrzehnt deutlich, daß der Traum einer Vereinigung von Principat und mitverantwortlicher Senatsregierung nur kurz gewesen, d. h. mit Nerva wieder versunken war. War Traian für Tacitus, wie für die meisten seiner Zeit, der optimus princeps? War er der Mann, der die zentrifugalen Kräfte bändigte, der eine Erneuerung des Reiches von innen her erstrebte — wobei fraglich bleiben muß, ob der Kaiser nach den ungeheueren Blutverlusten gerade in den führenden Schichten Roms überhaupt noch dazu die Möglichkeit hatte? Scharte er, wie einst Augustus, die bedeutendsten Männer seiner Zeit um sich und einte er sie unter einer Idee, so daß sich ein geistiges Zentrum bilden konnte, das neue Impulse ausstrahlte? Oder waren die Männer seines Vertrauens nur Werkzeuge seines kaiserlichen Willens? Traian verteidigte das Reich an den vielfach bedrohten Grenzen, er sorgte als Militär und Mann der Tat für die äußere Sicherheit, so wie er durch seine Fürsorge für Wirtschaft und Handel die Zufriedenheit im Inneren nährte. Ein Mann dieser Art konnte Tacitus, dem es im letzten auf Bewahrung altrömischer Virtus ankam, nicht befriedigen. Diese schwer auf ihm lastende Erkenntnis läßt den Historiker nun den alten Plan, das Glück der Gegenwart zu schildern, ganz aufgeben. Dafür wird die Geschichte der Knechtschaft weit ausholend ergänzt durch eine Darstellung der Kaiserzeit von Tiberius bis Nero in seinem Alterswerk, den einst sechzehn Bücher umfassenden 'Annalen', das uns zu zwei Dritteln erhalten ist. Am Ende seines Lebens vermochte Tacitus in der Staatsform, deren politische Notwendigkeit er einst für seine Zeit betont hatte, nur mehr das Schlechte zu sehen; so ist der Grundton der 'Annalen' besonders düster und schwermütig. Wohl sucht Tacitus, seiner bisherigen Grundhaltung entsprechend, auch hier Beispiele für Gut und Böse zu bieten, aber die Gelegenheit, das Gute und Nachahmenswerte hervortreten zu lassen, ist nur selten gegeben. Ständig muß er vom Verfall der Mächte sprechen," die einst Roms Größe ausgemacht hatten, vom Verfall des Senates, des Heeres, der Staatsverwaltung vor allem aber vom Schwinden wahrer menschlicher Größe. So sind die 'Annalen' von schwermütiger Trauer über den Verlust der Grundwerte römischen Lebens beherrscht, die Hoffnung auf Erneuerung ist ganz geschwunden, und die düsteren Bilder, die in diesem Spätwerk vereinigt sind, haben es flir alle Zeiten zu dem freudeärmsten der römischen Literatur gemacht. Mit ihm endet die römische senatorische Geschichtsschreibung in lateinischer Sprache.
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PERSÖNLICHKEIT AGRICOLAS - LITERARISCHE GATTUNG In dieser Entwicklung des Historikers steht die kleine Schrift zu Ehren seines Schwiegervaters Agricola am Beginn. In ihr hat Tacitus nach Beendigung der domitianischen Epoche die Bewährung wahren Mannestums gepriesen. Wie einer der alten Römer erscheint hier Agricola; in ihm offenbaren sich nach Tacitus' Darstellung noch einmal die Kräfte, die geeignet wären, eine Erneuerung Roms herbeizuführen. In allem ist er das ideale Gegenbild zu dem regierenden Kaiser; sein Maßhalten, seine fast unrömisch anmutende Selbstverleugnung, der Verzicht auf den äußeren Glanz des Ruhmes, desgleichen, wie er als Feldherr seinen Soldaten vorlebt, wie sein persönlicher Einsatz entscheidet, wie er seine Provinz gerecht und uneigennützig verwaltet: all das wird von seinem Schwiegersohn als beispielhaft geschildert. Agricola gehört in die Reihe der vielen tüchtigen Militärs und Verwaltungsbeamten, die als Statthalter in den Provinzen für die Größe und Sicherheit des Imperiums gekämpft haben. Das waren oft keine überragenden Persönlichkeiten, aber die Kaiserzeit verdankte diesen pflichtgetreuen und den Aufgaben des Imperiums ganz ergebenen Männern die Stetigkeit ihrer Politik: in Verteidigung und Angriff schützten und mehrten sie das Reich. Von solchen Persönlichkeiten kennen wir zumeist nur den Namen und, wenn die Überlieferung günstig ist, die Daten ihrer Amtstätigkeit. Ohne Tacitus würden wir auch von Agricolas Leben nur. wenig wissen. Lediglich bei Cassius Dio, einem Historiker des dritten Jahrhunderts n. Chr., hat sich ein kurzes, mehrfach entstelltes Referat über seine Statthalterschaft in Britannien erhalten; auf englischem Boden künden Inschriften von seiner Tätigkeit 1 . Kein Porträt vermittelt uns einen Eindruck von seinem Aussehen; nur sein Name lebt in einem alten walisischen Stammbaum in der keltischen Form Aircol fort. Allein dem Werk seines Schwiegersohnes verdankt Agricola, daß er als Persönlichkeit bis in unsere Zeiten dauerte. Diese Schrift des Tacitus ist eine Biographie und gehört nach antiker Anschauung infolgedessen mehr zum Aufgabenkreis des Redners als dem des Historikers. Und in der Tat, wie sehr auch bereits in diesem Werk die historische Form vorgebildet ist, so stark empfindet man gerade hier noch das Fortwirken von Tacitus' Rednertätigkeit. Eine genauere Analyse der Schrift ergibt deutlich eine Komposition aus zwei Elementen: die eigentliche Biographie am Anfang und Schluß des Werkes umrahmt den historischen Hauptteil. Nach antiker Anschauung, die streng auf die Trennung der verschiedenen literarischen Gattungen achtete, hat Tacitus dadurch die für eine Biographie gültige Form gesprengt Bis in die jüngste Zeit hat man deshalb gestritten, welcher literarischen Gattung der Agricola eigentlich zuzurechnen sei. Ich halte diesen Streit für müßig; denn Tacitus hat deutlich ausgesprochen, daß er die Schrift zu Ehren seines Schwiegervaters als Biographie angesehen wissen wolle. Daß das Historische in einem großen Teil des Werkes vorherrscht — das Bio1 Dessau, ILS 8704" (s. Tafel ja) und Antiquaries Journal 36 (1956) 8 — 10 (Verulamium).
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graphische tritt auch da nicht völlig zurück, sondern ist mit dem Historischen kunstvoll zu einer Einheit verschmolzen —, hat seinen Grund im Lebenslauf des Mannes, den Tacitus zu schildern unternimmt. Agricolas Leben ist nicht im Dunkel eines privaten Daseins vergangen, sondern hat zum überwiegenden Teil dem Staate gehört. Ein erstaunlich rascher Aufstieg hatte die angesehene Familie aus der Gallia Narbonensis in die höchste römische Nobilität geführt, so daß Agricola von Geburt dem Reichsbeamtenadel angehörte. Bereits am Anfang seiner Laufbahn betrat er die Provinz, die später seinen Ruhm begründen sollte, Britannien. Dort hat er sich in den schlimmen Zeiten des Boudicca-Aufstandes (60 n. Chr.) die militärischen Sporen verdient, dorthin kehrte er, als Vespasian die Macht übernahm, als Kommandeur einer Legion wieder zurück, um schließlich nach seinem Konsulat im Jahre 77 die Provinz als Statthalter (legatus Augustipro praetore) zu übernehmen. In siebenjähriger Tätigkeit hat er seinen Machtbereich bis nach Schottland ausgedehnt. Wie das geschah, ist in Tacitus' Schrift in einer für die römische Literatur einmaligen Offenheit behandelt; nirgendwo sonst sind die Methoden römischer Macht- und Zivilisationspolitik derart unverblümt dargestellt worden. Die historische Leistung Agricolas, seine Provinz erweitert und in kluger Arbeit befriedet zu haben, mußte zwangsläufig auch im Mittelpunkt der Darstellung seines Lebens stehen; denn das Leben dieses Mannes ist auf seinem Höhepunkt, bei der immer deutlicher zutage tretenden Verlagerung der Kräfte von Italien in die Provinzen, tatsächlich mit der Reichsgeschichte aufs innigste verknüpft. Aus diesem Grunde ist das rein Biographische im Mittelstück der Lebensbeschreibung dem allgemein Historischen gewichen; alles, was auf den ersten Blick kaum zu einer Biographie gehört, wie etwa der Exkurs über Land und Leute in Britannien — die ganze Schrift stellt ja die wichtigste Quelle für die Frühgeschichte dieser Insel dar —, ordnet sich unter diesem Gesichtspunkt in das Ganze ein und hat dort seinen wohlbedachten Platz.
STIL -
SPRACHE -
DARSTELLUNG
Der inhaltlichen Doppelschichtigkeit entspricht die Stilverschiedenheit in den beiden Hauptteilen des Werkes. In der eigentlichen biographischen Schilderung ist deutlich die Nachwirkung Ciceros zu verspüren, die sich namentlich in den Schlußkapiteln zu großartiger Höhe erhebt und so das in einer Biographie übliche Stilniveau vielfach überhöht. Im historischen Teil, besonders in den Feldherrnreden und der Schlachtschilderung, ist neben Anklängen an die Dichtersprache eines Vergil und Lucan die Einwirkung der Diktion SaHusts unverkennbar. Dieser Einfluß äußert sich nicht in sklavischer Übernahme des Sprachgutes, vielmehr hat Tacitus das Übernommene ganz zum Eigenen umgestaltet, so daß, ebenso wie beim Inhalt, auch die Einheit der sprachlichen Form äußerlich gewahrt scheint. Im 'Agricola' kündet sich bereits jene männlich-herbe Sprache der großen historischen Werke an, die zwar wenig schmiegsam und melodisch, aber wuchtig und großartig jedem behandelten Gegenstand neue Würde verleiht. Es ist eine Kunstsprache
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eigenster Prägung. Jede Periodisierung wird vermieden; wo gelegentlich umfangreichere Satzgebilde auftauchen, sind sie von der klassischen Periode eines Cicero grundlegend in Anlage und Ziel verschieden. Die Kraft dieser Sprache liegt nicht im gleichmäßigen, wohlausgewogenen Fluß, sondern haftet am einzelnen Wort, an der prägnanten Formulierung, im scharf gemeißelten Bild. Sie liebt das Entlegene, das der gewöhnliche Sprachgebrauch nicht bietet. Ihre gedrungene Kürze, die weit über die Sallusts hinausgeht, zwingt den Leser zum Mit- und Weiterdenken und macht nicht halt vor dem absichtlich Dunklen und Rätselhaften. Der ständige Wechsel von Abstrakta und Konkreta, mitunter auch die absichtliche Verquickung beider heterogener Sprachelemente, das bewußte Variieren von konzinnem Ausdruck mit Inkonzinnitäten, brillierende Antithesen in Worten und Gedanken verleihen dieser Sprache eine unruhig vibrierende Wirkung. Hinzu kommt, daß sie nicht klar und durchsichtig ist, sondern wie die Darstellung hintergründig; vieles wird absichtlich in der Schwebe gehalten: diese Sprache deutet mehr an als sie ausspricht. Die verhaltene Leidenschaft in jder Darstellung weist bereits auf die Art der großen historischen Werke; ebenso zeigen die schlagwortartigen Charakterisierungen der Kaiser und gelegentliche „Randbemerkungen", daß Tacitus' historisches Urteil damals bereits feststand. Alle Kunst der Stoffbehandlung wird schon im 'Agricola* deutlich: keine episch breit dahinfließende Erzählung, sondern Dramatisierung des Stoffes, ein lebhaftes Auf und Ab; dreidimensionale, nicht lineare oder flächige Darstellung der Charaktere; die historische Erzählung wird belebt durch Exkurse, Reden und spannende Episoden. Die Gestaltung des Inhalts und die Sprache dieser Erstlingsschrift verraten bereits die zukünftige souveräne Meisterschaft in Formung und Beurteilung des historischen Stoffes: wie in einer Ouvertüre erklingen in ihr Motive und Instrumentierung des späteren Werkes. ÜBERLIEFERUNG Tacitus' Werke waren in der Spätantike nur wenig bekannt und wurden selten zitiert. Exemplare seiner Schriften befanden sich im frühen Mittelalter in Italien und Deutschland, wohin isie entweder aus Italien direkt oder auf dem Umweg über England gekommen waren. Von den „Kleinen Schriften" des Tacitus (Agricola, Germania, Dialogus) muß sich im 9. Jahrhundert eine Handschrift im Kloster Fulda befunden haben, da Rudolf von Fulda in seiner nicht lange vor 865 verfaßten 'Translatio S. Alexandri' Stellen aus der 'Germania' wörtlich zitiert. Desgleichen lag ein Codex dieser Schriften in Monte Cassino, denn Petrus Diaconus benutzte für seine 'Vita S. Severi' um 113 5 die Einleitungskapitel des 'Agricola'. Während das italienische Exemplar offensichtlich verlorenging, kamen die italienischen Humanisten im 15. Jahrhundert in den Besitz der deutschen Handschrift, die, wie man bisher annahm, aus der Benediktiner-Reichsabtei Hersfeld stammte, nach neuesten Forschungen aber vielleicht der Fuldaer Klosterbibliothek zuzuweisen ist. Von diesem Codex Hersfeldensis (H) machte man mehrere Abschriften, die ihrerseits wieder kopiert
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wurden, und die alte Handschrift, auf die mittel- oder unmittelbar alle Handschriften der kleineren Werke des Tacitus aus dem 15. Jahrhundert zurückgehen, geriet in Vergessenheit. Man fragte in diesen Zeiten nicht viel nach dem besonderen Wert des Originals: der antike Text war den Humanisten die Hauptsache, und so ist mancher Archetypus erst damals verlorengegangen. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde ein Teil des Hersfeldensis in einer italienischen Privatbibliothek (Jesi bei Ancona, dem Geburtsort Kaiser Friedrichs II.) wieder entdeckt. Dieser Codex Aesinas (E) enthält u. a. Tacitus' 'Agricola' und 'Germania'. Die Handschriften der Bibliothek von Jesi hatten die beiden Brüder Guarnieri im 15. Jahrhundert gesammelt und z.T. auch selbst abgeschrieben. Im 'Agricola' birgt der Codex Aesinas — und das war die große Überraschung bei dem Fund — vier Blattlagen ( = 16 Seiten), einen Quaternio, aus der alten Hersfelder Handschrift (H), die Guarnieri, um das Abschreiben zu sparen, in sein Buch hineingenommen hatte; Anfang und Ende des 'Agricola' sind von ihm selbst geschrieben. Nachdem vom Archetypus wenigstens ein Teil wieder aufgetaucht war, konnte diese wichtige Handschrift paläographisch und textlich genauer beurteilt werden. Sie ist zwischen 830 und 850 in sehr sorgfältiger karolingischer Minuskel in Deutschland geschrieben worden und bietet einen relativ guten Text. Natürlich finden sich die üblichen Verschreibungen, auch Silbenausfall ist nicht selten; bisweilen hat der Schreiber seine Vorlage, die ohne Worttrennung geschrieben war (scriptio continua), nicht richtig aufgelöst. Aber schwerere Textverderbnisse bietet die Handschrift nur an wenigen Stellen; es fehlt Zeilenausfall, und vor allem hat sich der Schreiber nur selten einen Text zurechtgemacht, wenn er seine Vorlage nicht verstand. Bald nach der Entstehung der Handschrift hat sie ein frühmittelalterlicher Gelehrter durchgesehen und viele Korrekturen vorgenommen (H2), teils im Text, teils am Rande. Auf den erhaltenen vier Lagen ist der Text an etwa 180 Stellen geändert. Dieser Gelehrte, dessen Namen wir noch nicht kennen, arbeitete z. T. ähnlich wie Lupus von Ferneres, der sich ja von 828—836 in Fulda aufhielt. Er berichtigte vor allem Orthographika, vulgäre Schreibungen und Formen sowie die üblichen Schreibfehler; er griff dort berichtigend ein, wo der Schreiber die Scriptio continua seiner Vorlage falsch aufgelöst hatte, und ergänzte ausgefallene Buchstaben und Silben. Gelegentlich hat er den Text vortrefflich verbessert: 13,2 praeceptum statt praecipw, 17,2 subiit; 19,4 exactionem statt auctionem; 20,1 incuria statt sine curia; 21,1 et otio statt in otio-, 33,1 munimentis statt monitis. Soweit wäre nur Löbliches über sein Tun zu berichten. Sehr skeptisch aber werden wir, wenn wir folgenden Fall betrachten. In der Rede, die der Britannierführer Calgacus vor der Entscheidungsschlacht an seine Landsleute richtet, heißt es von den Römern (30,4): „Diese Räuber der Welt durchwühlen, nachdem sich ihren Verwüstungen kein Land mehr bietet, selbst das Meer" (raptores orbis, postquam cuncta vastantibus defuere terrae, mare scrutantur). Der Korrektor nun ändert das zu terram et mare scrutantur, stellt also völlig sinnwidrig die geläufige Verbindung terra et mare her, indem er irrtümlich cuncta als Subjekt von defuere auffaßte. Das kann nicht in der Vorlage von H, falls er diese zur Hand hatte, oder
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in einer anderen Handschrift gestanden haben, sondern nur nach eigenem Ermessen korrigiert sein. Ähnlich undiskutabel sind die Vorschläge des Korrektors an anderen Stellen: i dissemus, si tam in nostra potestate esset oblivisci quam tacere.
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Nunc demum redit animus; et quamquam primo statim beatissimi saeculi ortu Nerva Caesar res olim dissociabiles miscuerit, principatum ac libertatem, 1 Cornelii Taciti de vita Iulii Agricolae liber H
. . . de vita et moribus . . . ABT
C O R N E L I U S TACITUS DAS L E B E N DES IULIUS AGRICOLA Berühmter Männer Taten und Art der Nachwelt zu überliefern, diesen Brauch von altersher hat nicht einmal zu unserer Zeit ein Geschlecht, das sich doch um die Seinen nicht kümmert, aufgegeben, sooft irgendeine bedeutende und edle Persönlichkeit d i e Schwäche siegend überwand, die kleinen wie großen Gemeinschaften eignet: Unverständnis für das Rechte und Mißgunst. Doch wie es bei den Vorfahren leicht möglich war, denkwürdige Taten zu vollbringen, und jeder dazu freiere Bahn hatte, so leitete die berühmtesten Geister bei der Verewigung einer bedeutenden Persönlichkeit nicht Parteilichkeit oder Ehrgeiz, sondern allein der Lohn eines guten Gewissens. Selbst das eigene Leben zu erzählen, hielten sehr viele eher für ein Zeichen von Selbstvertrauen als von Anmaßung, und einem Rutilius und Scaurus minderte das nicht ihre Glaubwürdigkeit oder schmälerte ihr Ansehen: so sehr ist es wahr, daß große Leistungen am besten in den Zeiten gewürdigt werden, in denen sie sich am leichtesten entfalten. Heutigentags jedoch, da ich nur das Leben eines Verstorbenen schildern will, war eine Entschuldigung nötig, um die ich nicht gebeten hätte, wollte ich Anklage erheben: so grimmig feind sind die Zeiten gegenüber männlicher Bewährung. Wir haben gelesen, daß für Arulenus Rusticus die Verherrlichung des Paetus Thrasea, für Herennius Senecio die des Priscus Helvidius ein Todesverbrechen war, und nicht nur gegen die Autoren, sondern auch gegen ihre Bücher habe man gewütet; denn den Triumvirn wurde der Henkersdienst übertragen, diese Denkmäler erlauchtester Geister auf Comitium und Forum zu verbrennen. Natürlich, mit diesem Feuer glaubte man die Stimme des römischen Volkes, den Freimut des Senates und das Gewissen des Menschengeschlechts auszulöschen, wobei obendrein der Philosophie Professoren vertrieben und damit alle edle Bildung in die Verbannung gejagt wurde, auf daß nirgendwo noch das Sittlichgute begegne. Wir haben in der Tat einen großartigen Beweis unserer Fügsamkeit gegeben; und wie die alte Zeit sah, was in der Freiheit, so wir, was in der Knechtschaft das Äußerste sei; denn uns war durch Überwachung sogar die Möglichkeit genommen, einander zu sprechen und zu hören. J a selbst das Gedächtnis hätten wir wie die Sprache verloren, wenn es ebenso in unserer Macht stünde zu vergessen wie zu schweigen. Jetzt endlich kehrt der Lebensmut zurück; aber obwohl Kaiser Nerva gleich beim Anbruch des beglückendsten Zeitalters Prinzipat und Freiheit, zwei einst unvereinbare Dinge, miteinander verbunden hat, und obwohl Nerva Traianus täglich das
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augeatque cotidie felicitatem temporum Nerva Traianus, nec spem modo ac votum securitas publica, sed ipsius voti fiduciam ac robur assumpserit, natura tarnen infirmitatis humanae tardiora sunt remedia quam mala; et ut corpora nostra lente augescunt, cito extinguuntur, sic ingenia studiaque oppresseris facilius quam revocaveris : subit quippe etiam ipsius inertiae dulcedo, et invisa J 2 primo desidia postremo amatur. quid, si per quindecim annos, grande mortalis aevi spatium, multi fortuitis casibus, promptissimus quisque saevitia principis interciderunt? pauci et, ut i(ta) dixerim, non modo aliorum sed etiam nostri superstites sumus, exemptis e media vita tot annis, quibus iuvenes ad senectutem, senes prope ad ipsos exactae aetatis terminos per silentium venimus. " 3 non tamen pigebit vel incondita ac rudi voce memoriam prioris servitutis ac testimonium praesentium bonorum composuisse. hic interim liber honori Agricolae soceri mei destinatus, professione pietatis aut laudatus erit aut excusatus. 4
Gnaeus Iulius Agricola, vetere et illustri Foroiuliensium colonia ortus, «s utrumque avum procuratorem Caesarum habuit, quae equestris nobilitas est. pater illi Iulius Graecinus senatorii ordinis, studio eloquentiae sapientiaeque notus, iisque ipsis virtutibus iram Gai Caesaris meritus: namque Marcum 2 Silanum accusare iussus et, quia abnuerat, interfectus est. mater Iulia Procilla fuit, rarae castitatis. in huius sinu indulgentiaque educatus per omnem honestarum artium cultum pueritiam adulescentiamque transegit. arcebat eum ab illecebris peccantium praeter ipsius bonam integramque naturam, quod statim parvulus sedem ac magistram studiorum Massiliam habuit, locum Graeca 3 comitate et provinciali parsimonia mixtum ac bene compositum, memoria teneo solitum ipsum narrare se prima in iuventa Studium philosophiae acrius, *s ultra quam concessum Romano ac senatori, hausisse, ni prudentia matris incensum ac flagrantem animum coercuisset. scilicet sublime et erectum ingenium pulchritudinem ac speciem magnae excelsaeque gloriae vehementius quam caute appetebat. mox mitigavit ratio et aetas, retinuitque, quod est difficillimum, ex sapientia modum. 3°
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Prima castrorum rudimenta in Britannia Suetonio Paulino, diligenti ac moderato duci, approbavit, electus quem contubernio aestimaret. nec Agricola 7 multijs] Lipsius Lipsius
8 et ut i(ta> Urltchs ut ita Rhenanus 17 illi Wölfflin Iuli EABT [Iuli]
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Glück der Zeiten mehrt und die friedliche Sicherheit des Staates nicht nur als Hoffnung und Wunschbild uns vorschwebt, sondern die feste Zuversicht auf Erfüllung eben dieses Wünschens gewonnen hat, so liegt es doch in der Natur menschlicher Schwäche, daß die Heilmittel langsamer wirken als die Leiden; und wie unser Menschenleib }angsam wächst, aber rasch verfällt, so kann man geistiges Streben leichter unterdrücken als ins Leben zurückrufen. Ja es überkommt einen sogar die süße Lust gerade an der Untätigkeit, und schließlich findet man Gefallen an dem anfangs verhaßten Müßiggang. Was bedeutet es, wenn fünfzehn Jahre hindurch — eine lange Spanne Zeit im menschlichen Dasein — viele durch zufälliges Unglück, die Entschlossensten aber durch das Wüten des Kaisers umgekommen sind? Nur wenige sind wir noch am Leben und haben — das Wort sei verstattet — nicht nur die anderen, sondern auch uns selbst überlebt, da mitten aus dem Leben so viele Jahre herausgeschnitten wurden, in denen wir jungen Männer ins Greisenalter, die Alten beinahe an die Grenze des vollendeten Lebens gekommen sind im Banne des Schweigens. Und doch soll es mich nicht verdrießen, wenn auch in kunstloser und unbeholfener Sprache, die Erinnerung an die frühere Knechtschaft und ein Zeugnis für das Glück der Gegenwart in Worte zu fügen. Dieses Buch vorerst ist dem ehrenvollen Andenken Agricolas, meines Schwiegervaters, zugedacht und wird als ein Bekenntnis anhänglicher Liebe Beifall oder wenigstens Nachsicht finden. Gnaeus Iulius Agricola, geboren in der alten und berühmten römischen Bürgerkolonie Forum Iulii, hatte als Großväter beiderseits kaiserliche Prokuratoren, also ritterlichen Adel. Sein Vater Iulius Graecinus, senatorischen Ranges, bekannt durch seine Beschäftigung mit Beredsamkeit und Philosophie, zog sich gerade durch diese Fähigkeiten den Zorn des Kaisers Gaius zu; denn er erhielt den Befehl, Marcus Silanus anzuklagen, und wurde, weil er es ablehnte, beseitigt. Seine Mutter war Iulia Procilla, eine Frau von seltener Reinheit. In ihrer liebevollen Obhut wuchs er auf und verbrachte Kindheit und Jugendjahre ganz in der Pflege edler Bildung. Vor den Verlockungen leichtsinniger Jugend bewahrte ihn, außer seiner eigenen guten und unverdorbenen Natur, der Umstand, daß er schon in frühester Kindheit Massilia als Aufenthaltsort und Lehrmeisterin seiner Studien erhielt, eine Stadt, in der sich griechische Aufgeschlossenheit und sparsame Lebenshaltung der Provinz zu einer guten Mischung verbunden hatten. Ich erinnere mich noch, wie Agricola oft erzählte, er hätte in frühester Jugend sich in die Beschäftigung mit der Philosophie allzu leidenschaftlich und über das einem Römer und künftigen Senator erlaubte Maß hinaus versenkt, wenn nicht die Umsicht der Mutter die einmal entfachte und hell lodernde Begeisterung gedämpft hätte. Es ist verständlich, daß sein erhabener und auf Höheres gerichteter Geist dem herrlichen Ideal eines bedeutenden und hehren Ruhmes mehr leidenschaftlich als behutsam nachstrebte. Hernach übten wachsende Vernunft und zunehmendes Alter ihren besänftigenden Einfluß, und er behielt von seiner Beschäftigung mit der Philosophie zurück, was das Schwierigste ist, das Maßhalten. Seinen ersten Militärdienst (60) leistete er in Britannien zur Zufriedenheit des Suetonius Paulinus, eines gewissenhaften und besonnenen Feldherrn, der ihn aus2 Tacìcus, Agricola
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licenter, m o r e i u v e n u m , q u i m i l i t i a m i n lasciviam v e r t u n t , n e q u e segniter ad v o l u p t a t e s et c o m m e a t u s t i t u l u m t r i b u n a t u s et inscitiam r e t t u l i t : sed n o s c e r e p r o v i n c i a m , n o s c i exercitui, discere a peritis, s e q u i o p t i m o s , nihil a p p e t e r e i n i a c t a t i o n e m , nihil o b f o r m i d i n e m recusare, s i m u l q u e et anxius et i n t e n t u s 2 agere. n o n sane alias exercitatior m a g i s q u e i n a m b i g u o B r i t a n n i a f u i t : t r u c i d a t i v e t e r a n i , incensae coloniae, intersaepti exercitus; t u r n d e salute, m o x d e v i c t o r i a 3 c e r t a v e r e . q u a e c u n c t a etsi consiliis d u c t u q u e alterius a g e b a n t u r , ac s u m m a r e r u m et r e c u p e r a t a e p r o v i n c i a e gloria i n d u c e m cessit, a r t e m et u s u m et s t i m u l o s a d d i d e r e i u v e n i , i n t r a v i t q u e a n i m u m militaris gloriae c u p i d o , i n g r a t a t e m p o r i b u s q u i b u s sinistra e r g a e m i n e n t e s i n t e r p r e t a t i o n e c m i n u s p e r i c u l u m ex m a g n a f a m a q u a m ex mala. 6
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H i n c a d capessendos m a g i s t r a t u s in u r b e m degressus D o m i t i a m D e c i d i a n a m , splendidis natalibus o r t a m , sibi i u n x i t ; i d q u e m a t r i m o n i u m a d m a i o r a n i t e n t i d e c u s ac r o b u r f u i t . v i x e r u n t q u e m i r a c o n c o r d i a , p e r m u t u a m c a r i t a t e m et i n v i c e m se a n t e p o n e n d o , nisi q u o d i n b o n a u x o r e t a n t o m a i o r laus, q u a n t o i n mala p l u s culpae est. sors q u a e s t u r a e p r o v i n c i a m A s i a m , p r o c o n s u l e m S a l v i u m T i t i a n u m d e d i t , q u o r u m n e u t r o c o r r u p t u s est, q u a m q u a m et p r o v i n c i a dives ac p a r a t a p e c c a n t i b u s , et p r o c o n s u l i n o m n e m a v i d i t a t e m p r o n u s q u a n talibet facilitate r e d e m p t u r u s esset m u t u a m d i s s i m u l a t i o n e m mali, a u c t u s est ibi filia, i n s u b s i d i u m s i m u l ac s o l a c i u m ; n a m fìlium a n t e s u b l a t u m b r e v i amisit. m o x i n t e r q u a e s t u r a m ac t r i b u n a t u m plebis a t q u e i p s u m e t i a m t r i b u n a t u s a n n u m q u i e t e et o t i o transiit, g n a r u s s u b N e r o n e t e m p o r u m , q u i b u s inertia p r o sapientia f u i t . i d e m p r a e t u r a e t e n o r et s i l e n t i u m ; n e c e n i m iurisdictio o b v e n e r a t . l u d o s et i n a n i a h o n o r i s m e d i o rationis a t q u e a b u n d a n t i a e d u x i t , u t i l o n g e a luxuria, ita f a m a e p r o p i o r . t u r n electus a G a l b a a d d o n a t e m p l o r u m r e c o g n o s c e n d a diligentissima c o n q u i s i t i o n e fecit, n e cuius alterius sacrilegium res p u b l i c a q u a m N e r o n i s sensisset. S e q u e n s a n n u s g r a v i v u l n e r e a n i m u m d o m u m q u e eius afflixit. n a m classis O t h o n i a n a licenter v a g a d u m I n t i m i l i u m ( L i g u r i a e p a r s est) hostiliter p o p u l a t u r , m a t r e m A g r i c o l a e i n praediis suis interfecit p r a e d i a q u e ipsa et m a g n a m p a t r i -
z m o n i i p a r t e m d i r i p u i t , q u a e causa caedis f u e r a t . i g i t u r a d sollemnia pietatis 6 intersepti EABT (de Saint-Denis, Lencbantin, unter Hinweis auf Hist. ¡,j},i intersaepta Germanorum Raetorumque auxilia) intercepti Puteolanus 19/20 auctus . . . filia E a.R. AB nactus . . . filiam ET 20 ac ET et AB 22 transiit B transit EAT 23 tenor Rhenanus certior EAB(T) [certior et] Andresen 26 (ef)feci N. Heinsius (Anderson) 29 Intimilium Mommsen (CIL V z S. poo) in tempio EABT
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wählte und seines persönlichen Umgangs würdigte. Agrícola war nicht haltlos nach Art der jungen Leute, die ihre Soldatenzeit zu Ausschweifungen benutzen, noch verwandte er seinen Rang als Tribun und seine mangelnde Erfahrung lässig für Vergnügungen und Urlaub; vielmehr suchte er die Provinz kennenzulernen, sich dem Heere bekannt zu machen, von Erfahrenen zu lernen, den Besten sich anzuschließen, nichts aus Prahlerei zu erstreben, nichts aus Furcht zu verweigern, sondern behutsam und zugleich tatkräftig zu handeln. Schwerlich war Britannien zu anderer Zeit mehr in Gärung und sein Besitz im ungewissen: niedergemetzelt die Veteranen, in Brand gesteckt die römischen Bürgerkolonien, abgeschnitten die Heere; damals kämpfte man um die Existenz, wenig später um den Sieg. Obwohl alles nach Planung und unter der Führung eines anderen unternommen wurde und der Gesamterfolg ebenso wie der Ruhm, die Provinz wiedererobert zu haben, dem Feldherrn zufiel, brachte diese Zeit dem jungen Mann doch Kenntnisse, Erfahrung und Ansporn, und es überkam ihn das Verlangen nach militärischem Ruhm, unerwünscht in Zeiten, in denen solches Streben hervorragenden Männern ungünstig ausgelegt wurde und nicht geringere Gefahr aus einem bedeutenden Ruf als aus einem schlechten erwuchs. Von Britannien begab er sich nach Rom, um die übliche Staatslaufbahn einzuschlagen, und vermählte sich mit Domitia Decidiana, einem Mädchen aus vornehmem Geschlecht; diese Ehe bedeutete für ihn, der nach Höherem strebte, Glanz und Rückhalt. Sie lebten in wunderbarer Eintracht und gegenseitiger Liebe; jeder ordnete sich dem anderen unter, wobei jedoch einer guten Gattin um so höheres Lob gebührt, je größer bei einer schlechten die Schuld ist. Das Los gab ihm bei der Quästur (64) Asien zur Provinz, als Prokonsul den Salvius Titianus; durch beide ließ er sich nicht verführen, obwohl die Provinz reich und für Verfehlungen wie geschaffen war, und andererseits der Prokonsul, von ausgesprochener Raffgier, zu verstehen gab, er sei bereit, durch beliebiges Entgegenkommen eine gegenseitige Verheimlichung der Übergriffe zu erkaufen. Hier in Asien wurde Agrícola durch die Geburt einer Tochter beglückt, für ihn Trost und Halt zugleich, da er einen früher geborenen Sohn nach kurzer Zeit wieder verloren hatte. Hernach ließ er das Jahr zwischen Quästur und Volkstribunat, ebenso das des Tribunats (66) in Ruhe und Muße vergehen, weil er die Zeitumstände unter Nero, in denen Untätigkeit weise war, richtig einschätzte. Gleich still war der Verlauf seiner Prätur (68); denn die Rechtsprechung war ihm nicht zugefallen. Bei den Spielen und nichtigen Repräsentationspflichten dieses Amtes hielt er die Mitte zwischen sparsamer Berechnung und Verschwendung, von Üppigkeit fern, dadurch aber der Gunst der öffentlichen Meinung um so näher. Dann wurde er von Galba auserwählt, die Tempelgeschenke zu überprüfen, und bewirkte durch seine äußerst sorgfältige Erfassung, daß der Staat nicht noch eines anderen Tempelraub als den Neros zu spüren bekam.
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Das folgende Jahr (69) schlug ihm und seinem Hause eine tiefe Wunde. Denn als 7 Othos Flottenmannschaft frech das Land durchstreifte und Intimilium (das ist ein Teil Liguriens) wie Feindesland verwüstete, brachte sie die Mutter Agrícolas auf ihren Gütern um, plünderte die Besitzungen selbst und raubte einen großen Teil des väterlichen Erbgutes, was der eigentliche Anlaß für die Mordtat war. So kam es, daß 2 2*
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p r o f e c t u s A g r i c o l a n u n t i o affectati a V e s p a s i a n o i m p e r i i d e p r e h e n s u s ac statim in partes t r a n s g r e s s u s est. initia p r i n c i p a t u s ac s t a t u m u r b i s M u c i a n u s r e g e b a t , i u v e n e a d m o d u m D o m i t i a n o et ex p a t e r n a f o r t u n a t a n t u m licentiam u s u r p a n t e . 3 is m i s s u m ad dilectus a g e n d o s A g r i c o l a m i n t e g r e q u e ac s t r e n u e v e r s a t u m vicesimae legioni t a r d e a d s a c r a m e n t u m transgressae p r a e p o s u i t , u b i decessor seditiose a g e r e n a r r a b a t u r : q u i p p e legatis q u o q u e c o n s u l a r i b u s n i m i a ac f o r m i d o l o s a erat, n e c legatus p r a e t o r i u s a d c o h i b e n d u m p o t e n s , i n c e r t u m s u o a n m i l i t u m i n g e n i o , ita successor simul et u l t o r electus rarissima m o d e r a t i o n e m a l u i t v i d e r i invenisse b o n o s q u a m fecisse. 8
P r a e e r a t t u n c B r i t a n n i a e V e t t i u s B o l a n u s , placidius q u a m f e r o c i p r o v i n c i a d i g n u m est. t e m p e r a v i t A g r i c o l a v i m s u a m a r d o r e m q u e c o m p e s c u i t , n e incres-
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2 ceret, p e r i t u s ò b s e q u i e r u d i t u s q u e utilia h o n e s t i s miscere. b r e v i d e i n d e B r i t a n nia c o n s u l a r e m P e t i l i u m Cerialem accepit. h a b u e r u n t v i r t u t e s s p a t i u m e x e m p l o r u m , sed p r i m o Cerialis labores m o d o et discrimina, m o x et g l o r i a m c o m m u n i c a b a t : saepe p a r t i exercitus i n e x p e r i m e n t u m , a l i q u a n d o m a i o r i b u s copiis 3 ex e v e n t u praefecit. n e c A g r i c o l a u m q u a m in s u a m f a m a m gestis e x u l t a v i t : a d a u c t o r e m ac d u c e m u t m i n i s t e r f o r t u n a m r e f e r e b a t . ita v i r t u t e in o b s e q u e n d o , v e r e c u n d i a in p r a e d i c a n d o extra i n v i d i a m n e c extra g l o r i a m erat. 9
R e v e r t e n t e m a b l e g a t i o n e legionis d i v u s V e s p a s i a n u s i n t e r patricios a d s c i v i t ; ac d e i n d e p r o v i n c i a e A q u i t a n i a e p r a e p o s u i t , s p l e n d i d a e i n p r i m i S' dignitatis
2 a d m i n i s t r a t i o n e ac spe c o n s u l a t u s , c u i destinarat. c r e d u n t p l e r i q u e militaribus ingeniis s u b t i l i t a t e m deesse, q u i a castrensis iurisdictio secura e t o b t u s i o r ac p l u r a m a n u a g e n s calliditatem f o r i n o n exerceat: A g r i c o l a n a t u r a l i p r u d e n t i a , 3 q u a m v i s i n t e r t o g a t o s , facile i u s t e q u e a g e b a t . i a m v e r o t e m p o r a c u r a r u m r e m i s s i o n u m q u e divisa: u b i c o n v e n t u s ac iudicia p o s c e r e n t , g r a v i s i n t e n t u s »5 severus et saepius m i s e r i c o r s : u b i officio satis f a c t u m , nulla u l t r a p o t e s t a t i s p e r s o n a , [tristitiam e t a r r o g a n t i a m et a v a r i t i a m exuerat.] n e c illi, q u o d est 4 r a r i s s i m u m , a u t facilitas a u c t o r i t a t e m a u t severitas a m o r e m d e m i n u i t . i n t e g r i t a t e m a t q u e a b s t i n e n t i a m in t a n t o v i r o r e f e r r e iniuria v i r t u t u m f u e r i t . n e f a m a m 4 delectus EABT (vgl. Lenchantìn z- Si.) 10 Bolanus B Volanus" EAT 13 Petilium EABT petilium E a.R. (CIL XVI 20 Petillius) | habuit virtutis exemplar E a.R. 26/27 nulla[m] . . . persona[m] Rhenanus 27 [tristitiam—exuerat] Peerlkamp, Wex, Anderson (dagegen P. Persson, Büchner)
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Agrícola auf der Reise zur feierlichen Erfüllung seiner letzten Kindespflicht v o n der Nachricht überrascht wurde, Vespasian erhebe Anspruch auf die Herrschaft, u n d sogleich ergriff er dessen Partei. Die Anfänge dieses Prinzipats u n d die Lage in der Hauptstadt beherrschte Mucianus, da Domitian noch sehr jung war u n d v o n dem glückhaften Aufstieg seines Vaters nur die Willkür des Handelns f ü r sich in Anspruch nahm. Dieser betraute den Agrícola, der sich bei den Aushebungen untadelig u n d tatkräftig erwiesen hatte, mit der F ü h r u n g der zwanzigsten Legion (70), die nur zögernd den Eid geleistet hatte und deren vorheriger Befehlshaber sich aufzulehnen versucht haben sollte; aus diesem G r u n d e war die Legion selbst K o m m a n d e u r e n im Konsulrange zu mächtig und unheimlich, und auch der K o m m a n d e u r im Prätorrang war nicht imstande, sie zu bändigen, wobei es ungewiß blieb, ob das an ihm oder den Soldaten lag. So war Agrícola zur Nachfolge u n d Bestrafung zugleich erwählt, aber in seltener Mäßigung wollte er lieber den Anschein erwecken, er habe die Soldaten bereits guten Willens vorgefunden als erst dazu gebracht. Statthalter in Britannien war damals Vettius Bolanus (69—71), ein zu friedfertiger Mann f ü r eine so aufsässige Provinz. Agrícola bezähmte seinen Tatendrang u n d dämpfte seihen Feuereifer, u m seinen Vorgesetzten nicht zu übertrumpfen; denn er hatte gehorchen gelernt u n d wußte das Nützliche mit dem Ehrenvollen zu verbinden. Kurze Zeit darauf erhielt Britannien den Konsular Petilius Cerialis (71—74) als Statthalter. Agrícolas Fähigkeiten hatten n u n Raum f ü r beispielhafte Taten; in der ersten Zeit ließ ihn Cerialis zwar nur an M ü h e n u n d Gefahren, dann aber auch am R u h m teilnehmen; o f t vertraute er ihm zur Probe einen Teil des Heeres an, manchmal auf G r u n d des Erfolges auch größere Truppeneinheiten. Aber niemals prahlte Agrícola mit seinen Taten zu seinem eigenen R u h m : dem Oberkommandierenden sprach er, der Untergebene, das glückliche Gelingen zu. So traf ihn wegen seiner aufrechten Haltung im Gehorchen u n d seiner Zurückhaltung im Eigenlob nicht der Neid, u n d er hatte doch teil am Ruhm. Als er v o n dem A u f t r a g als Legionskommandeur zurückkehrte (73/74), n a h m ihn der götdiche Vespasian unter die Patrizier auf u n d ernannte ihn darauf zum Statthalter der Provinz Aquitanien (74—77), eine besonders glänzende Stellung in Anbetracht der Verwaltung und der Aussicht auf das Konsulat, f ü r das er ihn bestimmt hatte. Es glauben viele, daß den Militärs die feine juristische Denkweise fehle, weil die militärische Rechtsprechung unbekümmert, ziemlich stumpf u n d autoritär, die juristische Gewandtheit des Forums vermissen läßt; Agrícola handelte aber auf G r u n d seiner angeborenen Klugheit auch unter Zivilisten mühelos u n d gerecht. I m übrigen waren die Stunden der Amtspflichten und Erholung streng getrennt; sobald Gerichtstage u n d Sitzungen es erforderten, war er ernst, ganz bei der Sache u n d streng, doch öfter auch mitfühlend; sobald aber der Dienstpflicht Genüge getan, t r u g er keine Amtsmiene mehr zur Schau. [Finstere Miene, hochfahrendes Wesen u n d habsüchtiges Verhalten hatte er dann abgelegt.] Und, was äußerst selten ist, seine Zugänglichkeit minderte nicht seine Autorität, wie umgekehrt seine Strenge nicht die Zuneigung zu ihm. Lauterkeit u n d Ehrlichkeit bei einem so bedeutenden Manne hervorzuheben, wäre gegenüber seinen Vorzügen ein Unrecht. Nicht einmal
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quidem, cui saepe etiam boni indulgent, ostentanda virtute aut per artem quaesivit: procul ab aemulatione adversus collegas, procul a contentione adversus procuratores, et vincere inglorium et atteri sordidum arbitrabatur. 5 minus triennium in ea legatione detentus ac statim ad spem consulatus revocatus est, comitante opinione Britanniam ei provinciam dari, nullis in hoc ipsiüs s sermonibus, sed quia par videbatur. haud semper errat fama; aüquando et 6 eligit. consul egregiae tum spei filiam iuveni mihi despondit ac post consulatum collocavit, et statim Britanniae praepositus est, adiecto pontificatus sacerdotio. 10
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Britanniae situm populosque multis scriptoribus memoratos non in comparationem curae ingeniive referam, sed quia tum primum perdomita est. ita quae priores nondum comperta eloquentia percoluere, rerum fide tradentur. Britannia, insularum quas Romana notitia complectitur maxima, spatio ac caelo in orientem Germaniae, in occidentem Hispaniae obtenditur, Gallis in meridiem etiam inspicitur; septentrionalia eius, nullis contra terris, vasto atque aperto mari pulsantur. formam totius Britanniae Livius veterum, Fabius m Rusticus recentium eloquentissimi auctores oblongae scutulae vel bipenni assimulavere. et est ea facies citra Caledoniam, unde et in universum fama [est]: transgressis inmensum et enorme spatium procurrentium extremo iam litore terrarum velut in cuneum tenuatur. hanc oram novissimi maris tunc primum Romana classis circumvecta insulam esse Britanniam affirmavit, ac simul incognitas ad id tempus insulas, quas Orcadas vocant, invenit domuitque. dispecta est et Thüle, quia hactenus iussum, et hiems appetebat. sed mare pigrum et grave remigantibus perhibent ne ventis quidem perinde attolli, credo quod rariores terrae montesque, causa ac materia tempestatum, et profunda moles continui maris tardius impellitur. naturam Oceani atque aestus neque quaerere huius operis est, ac multi rettulere; unum addiderim: nusquam latius dominari mare, multum fluminum hue atque illuc ferre, nec litore tenus adcrescere aut resorberi, sed influere penitus atque ambire, et iugis etiam ac montibus inseri velut in suo. 1 ostentanda[m] Rhenanus (virtute/// E) 2 quaesivit AB quaesiit J£T 5 ipsius ET suis AB 7 eligit ET {Rhenanus) elegit AB | egregiae Puteolanus graeciae EAT grate B gratae A a.R. 11 ita quae A*B itaque EAT | fide EABT -es ET a.R. 14 etiam ET (Puteolanus), tilgt Heinsius et AB 17 adsimulavere Puteolanus assimi- EAT adsimi- B 18 [est] Anderson (dagegen Lencbantiri) | (nach transgressis) unde et universis fama sed E {durch Unterstreichung und al(ia)s ü. d. Z. als Variante gekennzeichnet: Till